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Full text of "Paulys Real Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft v6"

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FAULTS 

REAL-ENOYCLOPADIE 

DEE 

CLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT 



NEUE BEARBEITUNG 



BEGONNEN VON 

GEORG WISSOWA 

UNTER MITWIRKUNG ZAHLREICHER PACHGENOSSEN 

HEEAUSGEGEBEN 

VON 

WILHELM KROLL 



SUPPLEMENTBAND VI 

Abretten(us) — &ovvov8qoiiov xoloovia 
Mit Nachtragen 



STUTTGART 
J. B. METZLEESCHE VEELAGSBUCHHANDLUN6 

1985 



J. B. Metzlersche Buchdruekerei, Stuttgart. 



Znm ersten Bande. 

Abretten(us) wird in einem Diplom des teis (Graz 1909, 49) zu erweisen. Er benutzt dazu 

Kaisers Traian vom 14. August 99 n. Chr. (CIL zwei Anhaltspunkte: 

III dipl. XXXI) als Heimatbezeichnung des pedes 1. Plin. n. h. XVIII 235 VIU M. (Feb.) 

der eohors II Oallorum M. Antonius M, f(ilius) stella regia appellata Tuberoni in pectore Leonis 

Bufus verwendet. Als Heimat des Genannten occidit matutina. Diese Notiz ergibt sich durch 

ist jedenfalls Abrittus in Moesia inferior anzu- 271 III kal. (Aug.) regia in peetore Leonis stella 

sehen (so Mo mm sen z. Inschr., anders Weiss matutino Caesari emergit als laus Caesars Kalen- 

D. Dobrudscba im Altertum 80, 1, der an die der entnommen; aus ihm stamme auch der Hin- 

mysische Landschaft Abrettene (o. Bd. I S. 110) weis auf Tubero. Nun ist regia stella weiter 
denkt), in dessen Nahe Kaiser Decius bei der 10 nichts als eine "Dbersetzung von paodiaxog (o. 

Verfolgung der in Moesien eingefallenen Goten Bd. XII S. 1977); ihre Anltihrung sieht eher naeh 

im J. 251 fiel (o. Bd. XV S. X272). Als Ethnikon einer Lesefrucht des Plinius aus als des Caesar, 

wird auch die Form Abritanus gebraucbt (vgl. dessen Kalend^r offenbar streng fachwissensebaft- 

das castell(um) Abritanorfum) CIL V 942 == lich angelegt war und zu solcben Nebenbemer- 

Pais 75 = Dess. 2670 Aquileia). [MaxEluss.] kungen kaum Zeit fand. Danach wird man eher 

S. 127 zum Art. Abiimius: an eine Erwahnung des Sternes im Geschichts- 

2) C. Aburnius Valens, Consul suSeetus im werk des jiingeren Q. Tubero glauben, das Plinius 

J. 109 vom 1. September bis zum Jahresende (neu- auch sonst nicht auf Grund direkter Kenntnis 

gefundenes Fragment der fasti Ostienses v. 8 anfiihrt (M 11 n z e r Beitr. zur QueUenkritik 98). 
Calza Not. d. seavi 1932, 188ff.), ist wohl der 20 2. Alexand. in Arlstot. meteorol. 152, 10 ol 

Rechtsgelehrte. L. Fulvius Aburnius Valens wird be tibqI Fefjuvov koI Ailiov elg dsi^Lv rov efj,(paaiv 

als sein Sohn zu betrachten sein. Mommsens slvai rr/v Iqlv TtQooxQcovrai Ttal r<p nQooiovxwv re 

Anderung Hist. aug. Pius 12, 1 Salvio Valente avzfj boxeiv . . . oltioxcoquv. Auch hier sei unser 

in Fuhio V, ist unberechtigt. [Groag.] A. gemeint, der sich bei Cic. rep. I 151. lebhaft 

S. 253 zum Art. Acilius: fiir die Erscheinung einer Nebensonne inter- 

16) M. Acilius, Consul suffectus 33 v. Chr., essiere; es heiBt § 29 quam ob rem, Tubero, sem- 

wahrscheinlich identisch mit M. Acilius Glabrio, per mihi . . . tua ista studia placuerunt. Leider 

Proconsul (von (Africa) im J. 25 v. Chr. (Miinze wird aber nicht auMriicklich gesagt, daB A. liber 

B a b e 1 n Coll. Waddington 7449). [Groag.] astronomisch-meteorologische Fragen auch g e - 
S. 338 zum Art. Acutiws : 30schrieben habe, und da;s erwartet man er- 

la) Q. Acutius Faienanus, legatus pro prae- wahnt zu finden; Cicero hat ja Miihe, fiir ein 

tore von Lusitanien in der friihen Kaiserzeit (In- philosophisches Gesprach im J. 129 geeignete 

schrif t aus Emerita Bull. d. antiq. de France Teilnehmer zu finden, und wtirde einen Autor iiber 

1914, 105). [Groag.] ein so relativ entiegenes Gebiet wohl als solchen 

S. 522ff. zum Art. Aelius: bezeichnen, abgesehen davon, dafi Aelius ein sehr 

75 a) L. Aelius Lamia, von Augustus 24 gewohnlicher Name ist. Nimmt man f reilich an, 

V. Chr. als Legat (von Hispania citerior) zur daB Alexander nur Geminos (o. Bd. VII S. 1026) 

Kriegfiihrung gogen Asturer und Kantabrer be- gesehen und A. bei ihm zitiert gefunden hat, so 

stimLmt (Dio LIII 29, 1 : iiberliefert Aov>cioy AlfAi- kommen wir auf einen vor 70 v. Chr. schreiben- 
hov, vgl. Boissevain z. St.; Cassiod. Chron. 40 den Autor, was allerdings auf Tubero passen 

min. II 135: Lucius Lamia). Wohl der von Asi- wiirde. Aber es ist wiederum nicht wahrschein- 

nius PoUio verteidigte Lamia (Sen. suas. 6, 15). lich, daB Geminos einen lateinisch schreibenden 

Sohn des Lamia Nr". 75, Vate;r des Consuls 3 n. Chr. Autor benuttzt, und das miissen wir wenigsitens 

(Nr. 76). von der bei Plin. n. h. XVIII 235 genannten 

76) L. Aelius Lamia, Consul 3 n. Chr. Auf Schrift anmehmen. Und schlieBlich kann Alexan- 

ihn bezieht sich wohl d?is Inschriftfragment CIL der einen Ailios eingesehen und bei ihm Geminos 

VI 37058, dem zufolge er praetor und XVmr genanut gefunden haben (er zitiert beide in die- 

sacris faciundis war. Aus seinem Proconsulat von sem Kommentar nur an dieser iStelle). So muB 

Africa stamint eine punisehe Inschrift mit seinem die gut und scharf sinn;ig begriindete Vermutung 
Namen (Compt. rend. 1904, 553). tJber seinen 50 von Cuntz leider unsi-cher bleiben. H. Peter 

Kriegsdienst in Germanien s. Eitterling HRR P CCCLXX hast keine Notiz davon ge- 

Fasti d. rom'. Deutschland 11. Er war anich dieh- nommen. [W. KrolL] 

terisch tatig (Ps.-Acro zu Herat, ars poet. 288 II ^ S. 549 zum Art. Aemilius : 

356 Kell., vgl. Fest. 181 M.). [Groag.] 43) Sex. Aemilius Equester, Legat von Dal- 
155) Eine Schrif tsteUerei des A. tiber astro- matien unter Antoninus Pius PIR I^ 54 nr 342. 

nomische Gegenstande sucht 0. Cuntz Stroma- 54 a) Aemi(lius) Iust[us], Legat von Thra- 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 1 



3 Afranius Alexandres 4 

kien unter Coinmodus, Stein Rom. Reichs- seiner Geographie zitierfc, anf Marinus zuriick- 

beamte d. Prov. Thraeia 33. geben oder (in wenigen Fallen) noch alter sind. 

79) Q. Aemilius Lepidns, Consul 21 v. Chr., Das war wohl ein Tteil der neuen literatur, 

war M'. f. (die Insehrift GIL VI 1305 ist echt), auf die sich Marinus bei seiner dioQ'&cooig rov 

demnach nicht ein Sohn des Triumvirn. XVvir yewyQacpiKov nlvaKog gestiitzt, und deren iAiuf- 

sacm /acmwc^is (GIL VI 32323 vom J. 17 V. Chr.). stoberung und Zitierung gewiB ein unbestreit- 

Proconsul von Asia (Inschriften von Kibyra IGR bares Verdienst seiner 'Forschung gebildet hat. 

IV 901 und Halikarnass, Lebas-Wadding- 7m. diesem Kreis gehoren auoh, um gar nicht 

ton 506). [Groag.] der Expeditionsberichte aus *Septimius Flaccus 
S. 713, 20 zum Art. Afranius: 10 und des *Iuliu)S Matemus (I 8, 4. 10, 2) zu ge- 

10 a) P. Afranius Flavianus, Proconsul von denken, *Diodorus von Samos in seinem ,3. Bueh' 

Asia unter Hadrian (Osterr. Jahresh. VII Bbl. 42). (mit (Sternchen * sind jene Namen hervorgehoben, 

[Groag.] die nicht als Qtiellen fiir den fernen Osten in 

Agesistratos s. A then aio s. Betracht konunen) Ptolem. 1 7, 6; *Diogenes 1 9, 2; 

S. 920, 44 zum Art. Aiacius: *Dioskorois I 9,3. 14,2 und 3; Maes Titiamis I 

3) Q. Aiacius Modestus Grescentianus, Legat 11, 7. *Philemon I 11, 8; *Theophilos I 9, 2ff. 

von Arabia unter Severus und Garacalla, Legat Marinus braucht nicht diese iSchriftsteller per- 

von Germania superior zwischen 208 und 211 sonlich igekannt zu 'haben, und sie miissen nicht 

(vgl. Ritterling Fasti d. rom. Deutsehland einmal alle, wie P. Schnabel zeigte, dem Ma- 
381), Consul II ordinarius228 (CILXIV4562, 6). 20rinus sohon vor Abfassung der letzten Ausgabe 

[Groag.] {IsKboGig) seiner dioQ'd'coGig zuganglich gewesen 

Albiobola ist nach einer 1929 auf dem Dom- sein. 'Schnabel trennt vielmehr A. von dieser 

platz von Utrecht gefundenen Weihinschrift der Gruppe, weiun er sich zu der Behauptung ver- 

Name einer romischen Kolonie an Stelie des spa- steigt, daB die Fahrt A.s nach Kattigara (s. d.) 

teren Traiectum, des heutigen Utrecht. Diese In- erst unter Marc Aurel erfolgt sein konne ,und 

schrift ist als vorlaufiger Bericht zum Teil ver- mit jener Gesandtschaft aus OroB-Ts'in zu iden- 

offentlicht von Vollgraff Mededeelingen tifizieren >sei, die im Auftrag des Kaisers An -tun 

akad. van wetenschappen, afd. letterkundo LXX im J. 166 n. Chr., also des Marcus Aurelius An- 

Ser. B nr. 5. Die Richtigkeit der Lesung der toninus, nach chinesisehen Annalen am kaiser- 
schwer zu entziffernden, in einem UbermaB von 30 lichen Hof von China erschienen'. Es ist ganz 

Ligaturen gesohriebenen Insehrift muB dem Ur- unmoglich, Marinus als Quelle fiir Ptolemaios 

telle Vollgraffs uberlassen bleiben. Danach bis in die Zeit des Marcus hinzuziehen. Dazu 

hat diese eolonia Albiobola Bataborum eine ro- geseUen sich noch andere Hindemisse, besonders 

misehe Besatzung von mehreren Auxiliarcohorten, 1. daB uberhaupt Roms Beziehungen zu China 

ein PrijestercoUegium der seviri Augustales und sehr umstritten sind. 

eine romische Kolonialverwaltung von Dekurionen 2. DaB, wie A. Herrmann (wohl zu- 

und Aedilen. Geweiht wird' wahrscheinlich ein erst) nachgewiesen hat, die ohnehin auch schon 

areus quadrifrons. Ihr Schutzgott scheint der von friiheren Gelehrten als verwirrt angesehene 

Gott Lobbon[n]us gewesen zu sein. Daneben wer- Route vom Goldenen Chersonnes nach Kattigara, 
den auch noch andere Gottheiten ^enannt, denen 40 entweder durch Verschulden des Marinus oder 

die Widmung dargebracht wird. Vollgraff 9 erst des Ptolemaios, zweimal eingetragen ist 

leitet den zweiten Teil des Namens von dem (die alten Verkehrswege zwischen Indien und 

germ, -boh ,Wohnplatz' ab; der erste Teil hangt Siidchina nach Ptolemaios, Z/tschr. Ges. f. Erdk. 

wohl mit dem kelt. a^Ho ,weiB' zusammen oder Berl. 1913, 771ff.). A. Herrmann (Bd. XI 

stammt von einem FluBnamen Albis, A. und S. 47): ,Dieser Fehler ruhrt daher, well Marinus 

Traiectum konnen auch zu gleicher Zeit be- den Magnus sinus an falscher SteUe eingesetzt 

standen haben, beide lagen sich gegeniiber an hat; er wuBte nicht, daB dieser Meerbusen bereits 

verschiedenen Ufern des Rheins. an der Goldenen Chersones beginnt und daher 

[Alfred Franke.] eigentlioh mit der Kiistenlinie A.s tibereinstimmt, 
S. 1452, 45 zum Art. Alexandres: 50 die hier am Perimulischen Golf beginnt und im 

90 a) Ein Seefahrer des Indischen Ozeans, Osten am -GroBen Kap auf hort. Mit andern Wor- 

von Ptolem. I 4, 8 erwahnt. Ihn hat Ptole- ten, Ptolemaios hat den Golf von Siam zweimal 

maios lediglich aus Marinus von Tyrus (s. d.) in dargestellt, einmal nach A. als Perimulischen 

Erfahrung gebracht, aber nie sein Segelbuch {ora- Golf bis zum groBen Kap, das zweite Mai nach 

biaofjiog oder wie es sonst geheiBen haben mag) der indischen Quelle als Magnus sinus. Das wird 

eingesehen. Auch seine Zeitstellung ist nicht auch daduroh bestatigt, daB die an beiden Kusten- 

bekannt. Ganz unmoglich ist eine altere An- strecken eingetragenen Ortsnamen fast wortlich 

nahme, (daB Alexander d. Gr., dessen Verdienste iibereinstimmen.' — Dazu Schnabel 243 im 

um die Erforschung der Erdkunde auch in wis- wesentlichenubereinstimmend, aber die Oleichung 
senschaftlicher Hinsioht und nicht bloB wegen 60 von Rhabana und Zabai abandernd. 

des praMischen Zwecfcs fiir Militar und Politik 3. Auch das Verhaltnis in Marcianus' (s. den 

auBerordentliche sind, diese Fahrten sei es selbst Art. unten) UsQinXovg rfjg s^co '&akdaoT]g zu Ptole- 

angestellt sei es aageregt hat. Liegt doch diese maios ist trotz aller Bemiihungen zu wenig ge- 

Gegend erheblieh auBerhalb der Landkreise, von klart, so daB die Bestimmung der antiken Kusten- 

denen Alexander -d. Gr. je erfahren hat oder er- orte von Indochina nicht aufgehellt ist. Vgl. 

fahren konnte. Fur ihre Datierung ist meines Bert helot KAsie ancienne an verschiedenen 

Erachtems von hervorragender Bedeutung, daB Stellen. Es sei auBerdem noch besonders auf 

alle Schriften, die Ptolemaios im ersten Buch Abb. 14 S. 369 bei Berthelot hingewiesen^ 



5 Anaxilaos Anaxilaos 6 

die naoh FahrtMchem des 18. Jhdts. (S. 370, ten Kultur nur zu leicht einstellt (Studien zum 

aber auch hier unterlaBt Bert helot wie so Verstandiiis 308; Mitt. Scbles. Ges. f. Volksk. 

oft in seinem Bneh Angabe von Zitaten und XXI Y 1); also liegi; nicht ein Gegensatz zum 

weiterfiihrende Angaben) graphiseh darlegt, zu Peripatois, sondem ziu allem rationialen Denken 

welch ungeheuerliehen Umwegen die Segelschiff- iiberhaupt vor. Eichtig ist, dafi in diesen Hexen- 

fahrt im Indischen Meer infolge der atmosphari- kessel auch peripatetische Ingredienzien ge- 

schen, aber regelmaBigen Verhaltnisse an diesen schiittet waren (EinfluB des Theophrast: Well- 

Kiisten gezwungen wird. mann 1928, 6 If.), umd' iiberhaupt wird' man 

Ptolem. I 14 verhalt sieh A. gegeniiber un- viele der von Bolos (d&r nicht ohne weitereis mit 
gewohnlich gereizt, weil, wie er aus Marinus ent- 10 P'S.-Demokrit glieichgesetzt werden darf) uBd A. 

nommen hafc, A. zwischen der Goldenen Cher- angepmesecojen Mittel fiir recht alt halten diirfen, 

sones und Zabai 20 Tage Seefahrt und zwischen daher aber iaiueh mit noeh kompHzierteren Ab- 

Zabai und Kattigara bloB riixsQag rivdg angesetzt hangigkeitsverhaltnissen redinen miissen als Well- 

hatte, .sta;tt eine bestimmte Zahl zu nennen oder mann tut. 

TiolXdg zu schreilben. Wir konnen vielleicht den DaB in den Biichern des Plinius, fiir die er 

Grund dieser Gereiztheit nachftihlen, wenn wir selbst A. als Quelle nennt, und vielleicht auch in 

sehen, daB des A.s Bericht bei Ptolemaios fiir die anderen viel von A. steckt, der zum groBen Teil 

Frage, ob der Indische Ozean offen oder ein Binnen- Weishedt des Boloo uaid Ps.-Demokrit vermittelt, 

meer sei, entseheidende Bedeutung hatte. Ptole- hat WeHmaJui' ge25eigt. Hinzugekommen ist 

maios fuhlt sioh im Nebel seiner Quellenauffassung 20 n^euer dings ein Zitat hn Pap. Holm. 3, 13 Lag., 

verwirrt und wird ein Opfer dieser instinktiven wo ein Mittel zum ,,SLlbermachen* mit den Worten 

Verwirrung. Fiir uns ist dieser .Seefahrer A. eine® einigeMtet wird sig de ArjiAOTCQirov M. dvaqpsQsi 

der heikelsten iKapitel der ganzen Ptolemaios- xat tobe. Wellmann (1928, 54) denkt sich als 

■Dberlieferung und um so schlimmer, als ein Vermittler zwiscben A. und dem Papyrus den 

groBer Teil der ptolemaischen Editionen und lulius Africanus (o'. Bd. X S. 116); vielleicht 

Hilfstafeln heute noch (1) fehlen, keine Indizes wird es aber nicht immer moglich sein, auf diese 

auBer antiquierten und sehr unvollstandigen uns Rezept- und Hausmittelliteratur die Methoden 

zu Gebote stehen und keine Studie iiber den der ublichen QueEeDaforsohung anzuwenden. 

Sprachgebrauch des Ptolemaios vorliegt, so idaB Hieron. clion. berichtet zu J. 28 v. Chr.: 
wir also vielfaoh keinen Schritt ohne die Gefahr 30 A. Larisaeus Pytha goricus et magus ah 

des Strauehelns wagen konnen. Au gusto urbe Italiaque pellitur; denselben Titel 

literatur. A. Herrmann Art. Katti- gibt er (d. h. Sueton?) dem Nigidius (s. d.). 

gara Bd. XI S. 46. A. Berthelot L'Asie Helm Philol. Suppl. XXI 62 erinnert daran, 

ancienne oentrale et sud-orientale d'apres Pto- daB nach Cass. Dio XLIX 43, 5 Agrippa im J. 33 

lemee (1930) 410 und iiberhaupt das ganze Kapi- rovg doxQoloyovg xovg xb yor/xag aus Rom verwies, 

tel: ,Les Sines* 409 — 417. [Wilh. Kuhitsehek.] und daB Hieron. vielleicht das Datum verschoben 

S. 2084, 23 zum Art. Anaxilaos: hat. Aus der Bezeichnung als ,Pythagoreer' weit- 

5) Die Bedeutung des Mannes ist eingehend gehende Slchliisise zu ziehen, kann man nur wider- 

geschildert von Wellmann Abh. Akad. Berl. raten; Sueton (?) wollte damit zunachst den Wun- 

1928 (vgl. ebd. 1921). Er schreibt ihm (1928, 54) 40 dermann Pythagoras bezeichnen, deissen Mantel- 

drei Werke zu: ^votxd, Ba(piiid (vgl. den Art. chen die Okkultisten sich gern umhangten. Nigi- 

F a r b u n g Suppl. -Bd. Ill S. 461) und Ilaiyvia: dius bietet die beste Parallelei; aiuch er woUte gem 

bezeugt sind nur die letzteren durch Psellos (bei al's ernsthaf ter Nachfolger des Pythagoras erschei- 

Westermann Paradoxogr. 146) und Iren. 113 men, trieb aber obskure Zauberpraktikein, die ihn 

Anaxilai ludicra cum nequitia eorum qui dieuntur mit den Behorden in Konflikt brachten. Daftir, 

magi commiscens (Marcus); auch Ps.-Cypr. Ill daB auch einer <spateren Zeit A. ais Pythagoreer 

89 H. spricht von lusus Anaxilai. Was von ihm erschien, iegt auch ider 19. angeblich an ihn ge- 

berichtet wird, kann sehr wohl in diesem Werke richtete Diogenesbrief Zeugnis ab; daraus auf 

gestanden haben, und man konnte sich gut vor- ,engere Beziehungen zwischen dem Larisaer und 

stellen, daB ein Mann, der auf den Namen eines 50 den Kynikern' (Wellmann 1928, 53) zu 

Philosophen Anspruch machte, solche Mittelchen schlieBen, geht kaum an. Abzulehnen ist auch die 

auch im Titel in Gegensatz zu seiner eigentMchen Vorstellung von einem seit dem 3. Jhdt. v. Chr. 

Beschaftigung stellte. Denn daB es sich bei dieser in Alexandria bliihenden und Propaganda treiben- 

ganzen, durch WeUmanns ausgezeiehnete Unter- den Orden (Wellm^ann 1921, 16. 1928, 6; 

suchungen aufgehellten Schri&stellerei, die im iiber die Easener vgl. W. Bauer Suppl.-Bd. IV 

allgemeinen an Bolos ankniipft, um ein Gemisch S. 386); einer Dialogfiktion wie der, daB Gato 

von Afterwissenschaft und Charlatanerie handelt d. A. in T^rent pythagoreisohe Leihren kennen- 

und etwa Sext. Pyrrh. hypot. I 46, wenn er ein lernte (Cic. Cat. mai. 39), soUte man kein Ge- 

bei Plin. n. h. XXXII 141 aus A. berichtetes wicht beimessen (Wellmann 1921, 34) und 

Zauberkunststiick ischildert, mit Recht von yorjxsg 60 sie nicht zur Stiitze der Ansicht verwenden, daB 

spricht, kann man nicht genug betonen; es han- er Ps.-Pythagoras JzeQi ^oxuvwv dwdfxscog direkt 

delt sich nicht um eine ,neue Betrachtungsweise oder indirekt benutizt babe; diese Art von Mtteln 

der Natur*, nicht um eine Begriindung der wandert meist idurch unteriridiisehe Kanale, und 

Folklore, auch nicht um einen Gegensatz zum daB Oato ahnldhe Siammlungen wie die der uns 

Peripatos (Wellmann 1928, 9. 14. 16. 42), erhaltenen grieohischen Zauberbiicher vor Augen 

sondern um ein bedauerliches Herabsinken in die gehabt haibe, laBt 'sich wahrscheinlich machen 

aberglaubische Nebelsphare einer primitiven Men- (S k u t s c h bei Hedm Jahrb. f . Philol. Suppl. 

talitat, wie es sich nach Zeiten einer iibersteiger- XIX 565). Eichtig ist, daB odentaHsehe Super- 



7 Androtion ApoUodoros 8 

stition und orientalische Schwindler und Pseudo- Vetus AntistiuSj Consul suffeetus vom 1. — 15. Marz 

propheten fiiT die iVerbreitung solcher Lehoren 46 in. Ohr. Rom. Mitt. XIX 322. Die Inschrift von 

wichtig wurden; man tut ihnen aber zuviel Ehare Sidon ist nach dem Consul 96 (Nr. 51) datiert 

an, ween man sie zu Vertretem eines reJigios- (Ritterling Rh. Mus. IJVIII476). [Groa^.] 

pbiioisophischen Ordons macht. In der Hauptsache S. 2575ff. zum Art. Antonius: 

denke ich dariiber noch ebenso wie o. Bd. VIII 36 a) L. Antonius Albus, Proconsul von Asia 

B. 819f. unter Pius (Inschrift aus Ephesos Osterr. Jahresh. 

Fiir falsch halte ich es, die Herkunft des A. XXV BM. 25). 

aus Thessalien fur seine Hinneigung zum Aber- 58 a) Cn. Antonius Fuscus, Consul suffectus 
glauben verantwortlieh zu maehen. Die thessa- 10 vom 1. Mai bis 1. September 109 n. Chr. mit C. 

lischen Hexen sind ein rein literarisches Motiv Mius Philopappus (Fragment der Fasten von 

geworden, das sich aus irgendeinem alten Litera- Ostia Calza Not. d. .scavi 1932, 188ff. Z. 7). 

turwerk durch die Jahrhunderte schleppt. Vgl. Vielleicht derselbe D e s s. 5454. 

M. Goebel Ethnica (Breslau 1915) 67. 107a) M. Antonius Zeno, Proconsul von 

[W. KrolL] Africa (GIL VIH 1480 vgl. p. 2616). [Groag.] 

S. 2175, 26 (Suppl.-Bd. I S.82, 21) S. 2855 zum Art. ApoUodoros Nr. 61: 

zum Art. Androtion: (Apollodor) jisqc yfjg. 

A. vertritt die (spater besonders durch die Strab. XIV 677 sagt in einer Polemik gegen 

Blicher des Bolos in weite Kreise geidrungene) A. tisqI vscov: 6 dh Kal x<i^QoyQ(^^^<^y i^sdcoKev iv 

Ansicht, da6 es auch zwischen Pflanzien Sympathie 20 H(a(A,iKcp (Aet^c^ yfj^ nsQlobov kmyQaxpag. Von 

und Antipathie gebe, weshalb z. B. die Wurzeln dieser Schrift sind bei Steph. Byz., der als Titel 

von Myrte und Olbaum durcheinanider wachsen. ^sqI yfjg angibt, etwa 18 Fragmente erhalten 

Davon war wohl Bolos beeinfluBt, wenn er das- (FHG I 450f. IV 649. FGrH II B1118f.); dar- 

selbe von Myrte und Granatapfelbaum berichtete unter 4 mit wortlicher Anfuhrung iambischer 

(Geop. X 29, 5). W e 1 1 m a n n Abh. Akad. Berl. Verse, samtlich aus dem II. Buch (bei Sfteph. 

1921, 22. S. 0. Bd. I S. 36. [W. Kroll.] Byz. s. TavQosig . . . "AjzoXXobcoQog iv jtQcbtcp yeco- 

Zum Art. Anisa Sappl.-Bd. I S. 84: yoaq)ovfisvcov liegt Korruptel vor). Von dem A.- 

Es hat sich herausgestellt, dafi die Inschrift Fragmenten ungewisser Stellung, die Jacoby 

Michel nr. 546 (Curtius Ges. Abh. II 271. FGrH II B 1116 auffiihrt — in der Miillerschen 

429) bei Kul-Tepe gefunden ist und das darin er- 30 Sammlung (auch bei P a r e t i, s. u.) sind dem 

wahnte Eusebeia nicht das am Tauros (= Tyana) Werk jieQl yfjg eine Anzahl titelloser Bruchstiicke 

ist, sondern das am Argaios, spater Caesarea ge- zugewiesen, die vielmehr in den Kommentar zum 

nannt (Bd. Ill S. 1289, 12). Da der hethitische Schiffskatalog oder in die Chronik gehoren — , ist 

Name des Kul-Tepe wahrscheinlich kanis war, zunachst wohl Steph. Byz. s. VQ^ltai (frg. 295) 

so lebt er vielleicht in A. (!^ytaa?) fort. Cu- dem Zitat zufolge der geographischen Schrift zu- 

mont Rev. Etud. anc. XXXIV 135; dort auch zurechnen; ebenso AvtofjidXaKa (frg. 292) und 

Naheres iiber die Verfassung der Stadt. Aaf^aJot (frg. 293), vielleicht auoh "QQLKog 

[W. Kroll.] (frg. 300) und einiges andere. Ferner hat man 

S. 2261ff. zum Art. Annius: mit grofier Wahrscheinlichkeit Steph. Byz. g. J^^- 

26 a) C. Annius Anullinus Geminus Percen- 40 j^/p^p^at (frg. 311) hierher bezogen, wo "AnolXcbviog 

nianus, f rater Arvalis 231, 239 und vielleicht 240 ^idiXi 'AnolXobcoQog zitiert ist (Schwartz o. 

n. Chr. (CIL VI 2108. 37165. 39443 == Herm. Bd. I S. 2863. Meineke Steph. Byz. index 

LII 324f.), Grundbesitzer in Africa (VIII 27943. S. 726). Endlich laBt sich zur Erganzung von 

27953). Ahnherr der Annii AnulHni. frg. 110 (317) bei Siteph. Byz. s. Favyafxrila ein 

30) M. Anni[ujs]. In der Inschrift CIL III aus sieben Ttimetern bestehendes Stiick von neQi 

9759 (vgl. p. 2328, 156) ist M. Anni[o Vero] On, yfjg gewinnen aus Strab. XVI 737, der iiber Gau- 

Arri[o Augur e cos.] zu lesen (121 n. Chi*.). gamela handelnd auch die Chorographie des A, 

66) L. Annius Maximus, wohl der Consul dea benutzt hat (Atenstadt Rh. Mus. LXXXIl 

J. 207 Annius Maximus IG XII 7, 240. 397. 126ff.). Wie bemerkt, zitiert Steph. Byz. nur das 

Vielleicht derselbe \L. lunius Annius Maximus 50 II. Buch. Dasselbe mufi die gesamte, aUe drei 

Paulinus IGR IV 1306. Erdteile umfassende Periegese vom Paropamisos 

69) C. Annius Pereennianus s. Nr. 26 a in im Osten bis zum Ebro und den Pyrenaen im 

dieisem Bande. Westen enthalten haben; iiber den Inhalt des 

72) C, Annius Pollio, praetor designatus, cu- I. Buches, dessen Existenz Jacoby FGrH II 

rator ludorum Rostowzew Tess. urb. Rom. D 800 tiberhaupt bestreitet, ist man nur auf Ver- 

syll. 513. Auf ihn bezieht sich Sen. de benef. IV mutungen angewiesen. Nach frg. 119 (321) bei 

31, wo ohne Grund Annio in Asinio geandert Steph. Byz. s. 'YXXslg verlief die Beschreibung 

wird. [Groag.] der ostMchen Adriakiiste in der Richtung von 

S. 2545ff. zum Art. Antistius: Sud nach Nord; man hat daraus gesehlossen, daB 

41) L. Antistius Rusticus. Seinen Cursus ho- 60 die Periegese nicht mit Europa, sondern mit 

norum und ein Edikt an die Kolonie Antiochia in Asien begonnen hat. Di© Annahme, daB als Quelle 

Pisidien enthalt die Inschrift Journ. rom. stud. fiir dieselbe Eratosthenes gedient habe, hat sich 

XIV 180 (vgl. XV255f. XVI 115f.) == Ann. epigr. in einer ganzen Reihe von Einzelf alien bestatigt 

1925, 126. Er starb als Consularlegat von Cap- (Atenstadt 115ff.). 

padocia im J. 93 oder 94 n. Chr. Die Uneehtheit des Werkes hat D i 'e 1 s Rh. 

49 a) C. Antistifus Vetus, curator alvei Tiberis, Mus. XXXI 9ff., die Hypothesen M u 1 1 e r s FHG 

CIL XIV 4704. I p. XLIV. V p. L iiber das Verhaltnis der uteol- 

50) C. Antistius Vetus. Vielleicht derselbe odog yfjg zur Chronik bekampfend, schlagend da- 



9 Aponius Aradius 10 

mit bewiesen, da6 der sogenannte Skymnos — mit Recht Widerspruch erhoben. Ps.-Skymnos 

schon Miiller hatte das als auffallig bezeichnet miiBte damn oin raffinierter und zugieich dummer 

— als Vorbild ftir seine iambische Periegese, Betriiger seinem gefeierten Fiihrer gegeniiber 

deren Abf assung von M ii 1 1 e r GGM I gewesen sein. Die trbereinstimmnug aber zwischen 

p. LXXVIIf. urn 90 v. Chr. angesetzt wird, die A. tisqI yfjg und Ps.-iSikyninos beruht nach der 

Ghronik des A. nennt und nichtdie geographisehe von Unger, dann von Hoefer, Pareti und Klotz 

Schrift. Diesie muB also naeh Ps.-Skymnos ver- vertretenen Ansicht nicht auf Abhangigkeit des 

faBt sein als das Werk eines Falsehers, der A. einen vom andern — nacb Diels und Jacoby hat 

formell nachgeahmt und den gefeierten Namen der sog. Apollodor den Ps.-Skynmos benutzt — , 
vorgesetzt hat — fraglich ist, ob er, wie Jacoby 10 sondern auf Benutzung einer gemeinsamen Quelle, 

vermutet, inhaltlich eine Erganzung zur Ghronik Als diese hatte schon Unger Eratosthenes be- 

nach der geographischen Seite hin hat geben wol- zeichnet. Bei frg. 119 hat der Verfasser von 

len — , so daB schon Strabon getauscht wurde. tvsqI yfjg allerdings hochstwahrscheinlich aus 

Wenn man in den oben angefiihrten Worten des- Eratosthenes geschopft, der Timaios gefolgt ist 

selbenXIV677 eine Randglosse hat sehen woUen, (Ps.-Skymnos 412), und wenn bei Ps.-Skymnos 

so daB die Falschung in spatere Zeit riicken Theopomp vorliegt, so hat sich vielleieht Timaios 

wtirde (Jacoby Philol. Unters. XVI 24, 28), an diesen angeschlossen, so daB sich die "Dber- 

und wenn man weiter als verdachtigen Umstand einstimmung erklaren konnte. — Pareti will 

gegen die Echtheit der Schrift geltend ge- die aus dem Schweigen des Ps.-Skymnos sich er- 
macht hat, daB iStrabon dieselbe nicht benutzt 20 gebende Schwierigkeit damit losen, daB er dessen 

(Schwartz 2863), so ist beides hinfalUg ge- Werk friiher, zwischen den J. 130 und 110 v. Chr.j, 

worden dlirch den Naehweis, daB dies XVI 737 abgefaBt sein laBt (Saggi -di storia antica ofSerti 

tatsachlich der Fall ist. Der Diels schen Beweis- a G. Beloch, Rom 1910, 133ff. Vgl. dazu Klotz 

fiihrung gegeniiber kann das jedoch nicht ins Berl. Phil. W. XXXII 196ff.]. Seine Argumente 

Gewicht fallen. Wahrend Schwartz 2862. sind indes nicht beweiskraftig genug; insbeson- 

Jacoby Philol. Unters. XVI 24. 70. S u s e - dere ist die Miillersche Annahme, daB der bithy- 

mihl II 36 sich dem Urteil von Diels ange- nische Konig Nikomedes, dem der Diehter sein 

schlossen haben, sind Unger Philol. XLI 606ff . Werk gewidmet hat, wegen der Verse 55ff . un- 

und besonders Niese Herm. XHV 161fE, und moglieh Nikomedes II. Epiphanes sein konne, 
Pareti Atti della R. Accad. delle Scienze di 30 schwerlich erschuttert. Es wird sich eher um 

Torino XLV (1910) 299ff. (vgl. dazu Klotz Berl. Nikomedes HI. Euergetes (vgl. Reinaeh Rev. 

Phil. W. XXXI 865ff. Hoefer Woch. f. M. Numism. 1897,, 241ff.) handeln, dessen Regie- 

Philol. XXVII 865ff.) fiir die Echtheit einge- rungszeit leider nicht genau feststeht (minde- 

treten. Niese meint, daB Ps.-Skymnos das stens von 108 bis etwa 94 v. Chr.). Jacoby 

ApoUodorische Werk neQi y^g zwar gekannt, aber Philol. Unters. XVI 15, 15 setzt die Abfassung 

absichtlich ignoriert. babe, um seine Abhangig- der Geographie des Ps. -Skymnos um das J. 100 

keit von demselben zu verhtillen; seine Periegese am. Wenn man sie noch einige Jahre hinauf- 

sei namlich ,vielleicht nicht viel mehr als eine riickte, etwa bis 110, dem SchluBjahr des von 

verkiirzte und etwas veranderte Wiedergabe A.'*; Pareti angegebenen Zeitraums, miiBte A. im 
das werde bestatigt durch auffallige Konkordan- 40 Alter von 70 Jahren die Chorographie verfaBt 

zen zwiscbein A. tisqI yfjg und Ps.-Skymnos — es haben. So hat Jacoby FGrH II D 799 gewiB 

ha>ndelt sich vornehmlich um frg. 119 (321. 322) recht, wenn er die verzweifelten Rettungsversuche 

bei Steph. Byz. s. 'YUelg c\5 Ps.-Skymn. 391. entschieden ablehnt. Vgl. noch meine Ausfiih- 

405ff. Gegen N i e s e s Ansicht haben Hoefer rungen Rh. Mus. LXXXII 130ff. [Atenstadt.] 
Rh. Mus. LXV 121ff., Pareti und Jacoby 



Ziim zweiten Bande. 

S. 172 zum Art. Aponius: 8. 322i. zum Art. Aquilius: 

8 a) M. Aponius Saturninus, Grundbesitzer in 30) T. Aquillius Proculus. Der Proconsul von 

Agypten (Rostowzew Gesellsch. u. Wirtsch. Asia im J. 103/04 hieB C. Aquillius Proculus 

im rom. Kaiserreich II 295). [Groag.] (Dess. 7193. 7194. Milet I 7, 300 nr. 226). 

iS'i. 242ff. zum Art. Appius: [Groag.] 

13 a) Appius Maximus Santra s. o, Bd. XIV S. 370 zum Art. Aradius: 

S. 2539 Nr. 1. [Groag.] i) L. Aradius Rosdus Rufinus Saturninus Ti- 

S. 245ff. zum Art. Appuleius: berianus. Dieser oder ein anderer der Aradii Ru- 

16 a) Sex. Appuleius, [flamen] lulialis, quae- 60 fini des 3. Jhdts, war Statthalter von iS'yrien, wie 
stor, praetor urbanus, durch ein offentliehes Lei- sich aus einem Briefe des Libanios an einen 
chenbegangnis geehrt (IHschriftfragment aus Kar- seiner Nachkommen (825, 3 p. 737) ergibt. Wohl 
thago Dess. 8963), wohl der Gemahl der Octa- derselbe ist Tov(pivog, der (nach einem Fragment 
via d. A^, der Schwester des Augustus, Vater des des Petrus Patricius, Dio ed. Boiss. Ill 744 
Consuls 29 v. Chr. (Nr. 17). nr. 166) unter Gallienus Odaenath d. 1. von 

17 a) Sex. Appuleius unterwarf die Pannonier Palmyra beiseitigte. — Einem Q. Aradius Rufinus 
im J. 8 V. Chr., Cassiod. Chron. min. II 135. widmete im 4. Jhdt. L. Septimius die Ephemeris 

[Groa^.] beli Troiani (s. o. Bd. V S. 590). [Groag.] 



11 Archelaos Aresaces 12 

S. 453, 19 zum Art. Archelaos Nr. 34: mebren 0. Hemp el De Varronds rerum rust. 

Die Vorstdlung, da6 die Epigramme des A. auctoribus (Lpz. 1908) 36, und gewifi konnen An- 

Aufschriften waren oder sein soUten, ist abzu- gaben wie diie von den spanischen Stuten, die 

lehnen. Es handelt sich bei den 1dio(pv^ nm Epi- vom Winde schwanger werden, deren Fohlen aber 

granune, die zuerst einzeln an den Konig gesandt, hocbstens drei Jahxe leben, atuf ihn znriickgehen 

dann zn einer Art von Lehrgedicht znsammen- (II 1, 19). Aber da Vairo audi die Georgika des 

gefafit wurden (Studien zum Verstandn. 185. Ps.-Demokrit (indirekt) benutzt, so liegen auch 

225). Der Titel, dier wohl ,Eigenartiges' (Para- andere Mogliehkeiten vor. 

doxes) bedeintete, war von den gleichinaniiigen Ge- Die poetischen Fragmente bei Diehl Anth. 

dichten des Koniigs entLehnt {die niicht Idiocpvetg 10 lyr. VI 233. [W. Kroll.] 

geheiBen haben konnen, wie Knaiack o. Bd. II Areliascus. Appeninus Areliascus, ein Ab- 

S, 395, 40 annimmt) und mochte sehr verscMe- schnitt des Appennin im Gebiet von Veleia in 

denes decken; unklar ist, wie ein Gedicht auf Ki- der Aemilia, erwahnt auf der Tabula alimentaria 

mon darin steihen konnte. Aber einmal gab es von Veleia, OIL XI 1147. Das Suffix -ase- ist ftir 

vieUeioht nooh einen anderen Dichter A., lund liguriscbe Namen charakteristisch, s. Bd. XIII 

zweitens pries Ptoleanaios in seinem gleichnami- S. 528. [v. Geisau.] 

gen Geidicht die Phainomena deis Aratos. Ratsel- Aresaces sind nach der von I h m Suppl.- 

haft bleibt auch das Verhaltnis zu Orpheus: Plin. Bd. I S. 125 zitierten Inschrift GIL XIII 7252 

n. h. XXVin 43 zitiert Orpheus et A. daftir, dafi (=: Riese 2131) aus Klein-Winternheim bei 
Menschenblut gegen Angina und FaUsucht helfe; 20 Mainz bisher fiir vicani gehalten worden, vgl. 

ebd. 34 ftir die Heil- und Zauberkraft totlicher K 6 r b e r nach v. Domaszewski Rom. In- 

Waffen; im Index nennt er alls Quellen Orpheo qui schr. des Mainzer Museums, III. Nachtrag nr. 29. 

Ibiocpvfj scripsit, Arehelao qui item; er nennt Or- Nach ihr ist eine zweite Inschrift GIL XIII 11825 

pheus im Index zu Buch XX— XXVII. XXIX. (= Riese 2131a), abgebildet von Korber 

XXX und maeht zwei Angaben aus Orpheus alldn Mainzer Ztschr. IV (1893) 389, vgl. III. Bericht 

(frg. 328f. K.). Dieser Befund spricht nicht da- der R6m.-Germ. Komm. (1906/07) 104 aus dem 

fur, daB sich A. etwa auf die Autoritat des Or- Weisenauer Steinbruch ebenfalls auf diese A. be- 

pheus berufen habe; Wellmann Abh. Akad. zogen worden. Daher hat man den vicus Aresa- 

Berl. 1928, 4 will in A.' Werk die dichterische eensis siidostlich von Mainz, stromauf warts auf 
Paraphrase des P9.-0rpheiuis sehen, der ein Neu- 30 Weisenauer Plur suchen zu miissen geglaubt, so 

pythagoreer aus dem Anfange des 3. Jhdts. M. B e s n i e r o. Bd. XV S. 2422 und 2426. Nun 

V. Chr. gewesen sei. Das trifft kaum zu; s. Art. berichten aber zwei neuerdings gefundene In- 

Anaxilaos o. S. 5. Eher konnte man an- schriften von Cohorten ider A. Die erste, 1926 

nehmen, 'daiB des A. Gedicht spater dem Orpheus in Trier gefunden, nennt einen praefectus cohor- 

untergescho'ben wurde; auch sonst war ja daeh- tis 1. Aresac vgl. F i n k e Bonn. Jahrb. CXXXII 

terisches Eigentum vielfach zwisehen Orpheus 198 nr. 322 und Keu me Trierer Ztschr. I (1926) 

(s. d.) und anderen Autoren strittig (z. B. test. 157; die zweite, 1929 in Albiobola, dem heuti- 

222 Kern). Das Material bei Kern Orphicorum gen Utrecht (s. den Art. Albiobola o. S. 3) 

frg. 326ff. gefunden, einen optio sagittariorum Bataborum 

Wenn das, was aus A. beirichtet wird', einen 40 Aresacum aus dem 3. Jhdt. nach Vollgraffs 

MaBstab fiir den Gesamtinhalt der Idiocpvfj ab- Entzifferung Mededeel. akad. van wetensehappen, 

gibt, so war das Buch ein wahrer Tummelplatz afd. letterkunde LXX Ser. B nr. 5. 11. Zu- 

der Pseudowissenschaft (vgl. Studien 308); daB nachst ist damit ihr Name festgestellt und die 

Skorpione aus Krokodilen, Bienen aus Rindem Vermutung Schumachers, der auch an 

(Mai ten Kyrene 30; o. Bd. Ill S. 464, 48), Maresaees dachte, Siedelungs- und Kulturgesch. 

Wespen aus Pferden, Sehlangen aus menschlichem d. Rheinl. 11 16 und 104, hinfallig. Dem- 

Ruckenmark entstanden, war dort zu lesen; Mu- nach konnen die A. nicht bloB vicani, sondern 

ranen paarten sich mit Nattem, Rebhtihner wur- miissen ein besonderer Stamm, ein pagus oder 

den dureh das Brausen des Meeres traehtdg; eine civitas gewesen sein, aus dem Cohorten, 
agyptische Schlangen, die Mauleselleichen fraBen, 50 und zwar nach der Trierer Inschrift mindestens 

MeBen sdch vom Basilisken verscheuchen (o. Bid. EI zwei, ausgehoben worden sind, K eu n e 160. 

S. 100); der Mauseleber wachst an jedem Tage Da sie nach den erst genannten Inschriften in 

des zunehmenden Mondes ein Lappen zu (o. Bd. I der Nahe von Mainz gesessen haben, sind sie ent- 

S. 39). Fiir das geistige Niveau am Ptolemaer- weder ein zuriickgebliebener Keltenrest oder ein 

hofe ist das Buch ein wenig erfreuliches Zeugnis; Teil der von Ariovist dort angesiedelten Sueben 

die Polemik deis Andreas h^tte kaum Erfolg, und gewesen, der aber stark keltisiert war. Denn 

Leute wie Bolos wiederholten leichtglaubig alien nicht nur ihr Name verrat keltischen Ursprung 

von A. mitgeteilten Unsinn. Auf welchen Wegen (Endung -ac), sondern nach der ersten Inschrift 

er den Spateren vermittelt wurde, hat daneben GIL XIII 7252 gab es in ihrem Gebiet auch ein 
nur sekumdares Interesse; daB er auf dem Wege 60 Heiligtum des Mars Loucetius o. Bd. XIV S. 1951 

iiber Alexander von Myndos zu Ailian gelangte, Nr. 215 und der TVierer Stein wurde beim Tem- 

zeigt We 1 1 m a n n Herm. XXVI 559 (vgl. XXIII pel des Lenus Mars gefunden. Somit haben wir 

562). Beniitzung durch Xenokrates, aus dem ihn es mit einem bisher noch nicht bekannten, erst 

Pe.-Plut. de fluv. kennt: Atenstadt Herm. durch Inschriften genannten, neuen Voiksstamm 

LVII 238. Einiges aus ihm berichtet Varro, aus zu tun. Demnach ist die von Cichorius 

dem ihn wieder Plinius kennt; doch kommt er o. Bd. IV S. 231 zusammengestellte Liste von 

diesem noch auf anderem Wege (Xenokrates?) zu. Auxiliarcohorten durch die neuentdeckten cohor- 

Das Eigentum des A. sucht aus Varro zu ver- tes Aresacum zu erganzen. Da nun nach der zu- 



13 Aretalogoi Aretalogoi 14 

letzt gefundenen Inschrift das Bestehen einer Papyrus, aus der gleichen Zeit 2/2 IIP) als Apol- 

eohors Aresacum in Utrecht erwiesen ist, ist ein lonaretalogie veroSentlicht, in dem ein feind- 

Zusammienhang mit den makes Arsacae in Xan- liches Heer unter dem Aresdiener Baulis Delphoi 

ten CIL XIII 8630 (= Riese 3094) vgl. o. angreift, so sieht man, daB in diesem relativ 

Bd. XIV S. 2218 Nr. 161 nicht mehr so bedenk- spaten Stiicke doch wieder der mythische Inhalt 

lich, gegen Ihm o. Bd. II S. 1267; doch vgl. durchschlagt und nur die Form der Erzahlung 

CIL Xin 8632 (= Riese 1367). etwas von der Aktualitat einer wirkiichen Aret4 

[Alfred Franke.] behalt. Man beachte anch, welcher ftihlbare Unter- 

S. 670 zum Art. Aretalogoi: schied zwischen dem Olympischen Gotte besteht, 

Neuere Funde gestatten heute mit groBorer 10 ftir den die mythische Form durch Jahrhunderte 
Sicherheit iiber die Bedeutung des Wortes Are- traditionell geworden war, und den hellenisti- 
talogos zu urteilen, als es vor 30 Jahren mogHch schen Heilgottern, die von vornherein viel men- 
war, vgl. die nur mit groBer iVorsicht zu benut- schennaher empfunden sind. 
zende Dissertation von A. K i e f e r Aretalogisohe Ein vielleicht besonders altes Zeugnis steekt 
Studien, Freiburg i. Br. 1929, die wenigstens endlich noch in Terenz Ad. 535 (nach Menander), 
einen groBen Teil des Materials zuganglieh macht. wo Syrus mit der doppelten Bedeutung von aQexri 

Wie gewohnlich bei griechischen Komposita spielt: facio te apud ilium deum: virtutes narro, 

ist getrenntes aQstag Uyeiv alter als 'das Kompo- Kiefer 13 hat das miBverstanden; deus fuhrt 

situm selbst. Kraft eines haufig beobachteten sofort in die Sphare der bisher angefiihrten Falle: 
Vorganges (vgl. die Bedeutungsentwicklung von 20 Ich will Wunder von Dir erzahlen; und nur die 

imperium, civitaSy provincia) scheidet sich kon- erstaunte Gegenfrage: meas sc. mrtutes (von 

krete und abstrakte Bedeutung erst aUmahlich. denen nicht viel zu rtihmen war) erinnert uns 

Bis ins 4. Jhdt. gibt es wohl einige SteUen, wo wieder an die gewohnliche Bedeutung vona^^r^. 

kaum unterschieden werden kann, ob ,die zur Lei- Danach bedurfte es kaum noch der viel miBver- 

stung befahigende Eigenschaft' oder ,die ,Lei- standenen Strabonstelle XVH 801, um zu er- 

stung selbst' gemeint ist (vgl. Herodot. IX 40 kennen, daB ein A. jemand ist, der gottliche 

ansdelKwvzo aQexdg oder Find. Isthm. 6, 11 nQao- Wundertaten erzahlt. Strabon spricht von dem 

cy^t d^^ra^). Erst in Verbindung mit den Wunder- Sarapisheiligtum von Kanobos: ovyyQacpovoi be 

heilungen von Epidauros (vgl. H e r z o g Philol. tiveg xat rag 'd^sQajielag, alhoi be aQBxag tcov sv- 
Suppl. XXII 3 (1931), 49f. SyU.s zu nr. 1172, BOravi^a [aQemJXoylov (Text nach V; die alteren 

10) wenn auch noch nicht in diesenTexten selbst, Deutungsversuche bei Kiefer lOf.) ,einige 

findet sich aQsx^ ftir die konkrete Leistung, und schreiben die medizinischen Behandlungen auf, 

zwar ausschlieBlich eines Gottes. Die nicht andere der Xoyioi (wie bei Herodot. I 1 u. o.) 

sehr zahlreiehen Belege verteilen sich auf das ge- schreiben Wunder auf. Damit ist der Gebrauehs- 

samte hellenistische Griechisch. bereich, Zeit und Sinn des Ganzen hinreichend 

Bezeichnend ist schon bei Isyllos (bei P o - f estumrissen. Man ist versucht, auch Ovid. met. 

well Aiexandrina 132) die GegeniibersteUung VIII 704f. dazuzunehmen: ante gradus sacros 

von Mythos und Gegenwartstat. Zuerst wird cum starent forte locique narrarent casus 

(mythisch) die Liebe Apollons zu Koronis erzahlt; (von Philemon und Baukis) : ,sie predigen die 
dann folgt ein anders gestimmter Abschnitt, der 40 heilige Geschichte des Ortes'. Schol. Bob. zu 

ein ,Wnnder* des Asklepios aus dem J. 338 (s. o. luven. 15, 16 sagt also ganz richtig: aretalogi 

Bd. IX S. 2283) erzahlt und mit den Worten robs miras res id est virtutes loquuntur, DaB Leute 

o-^g aQsrfjg rovQyov und riix(bv otjv aQsrYjv be- dieses Gewerbes seit der romischen Zeit sich Bei- 

ginnt und endigt. Es ist dieselbe Verbindung worte wie garrulus, mendax, tabulator es gefaUen 

von Mythos und Gegenwartswunder, wie im lassen muBten (vgl. Apostelgesch. 2, 13), wird 

leQog Xoyog des Kabirions bei Pans. IX 25, 6 — 10, niemanden wundernehjnen. Dieselbe Gering- 

nur daB dort das Wort aQerri fehlt. ^'EQya neben schatzung bekundet schon Philodem. n. jtoiTjfA,. ~s 

aQerri bietet auch der Bericht des Sarapisprie- p. 24 Jens., der iii^oyQacpog daneben steUt. Da- 

sters IG XI 4, 1299. Die lindische Tempelchro- mit hangt in dem angefiihrten Schol. Bob. die 
nik (bei Blinkenberg Kl. Texte 131) aus 50 Volksetymologie arithologi zusammen, qui ea, 

dem J. 99 v. Chr. schlieBt an ein Verzeiehnis von quae dicta non sunt, in vulgus proferunt (vgl. 

Weihgeschenken einige Epiphanien an, die eben- Euseb. praep. ev. Ill 13, 23 aioxQag xal sfAnad'eig 

falls in historischer Zeit (zwischen 490 und 306) dQQrjroXoylag, wie man auch aQQrjra noieiv sagt). 

spielen. Hier fehlt wieder das Wort dQsrri. An den Gebrauch des Alton Testaments schlieBt 

Wichtig ist Pap. Oxy. 1381 IIP mit folgen- sich im Vulgatatext und der davon abhangigen 

der Wundergeschichte: Ein Buch wird gefunden, Literatur die analoge Bedeutung von virtus an, 

das ins Griechische tibersetzt werden soil; der die verbreitet ist. 

Beauftragte verschiebt dies und erkrankt; indem Das Kompositum selbst hat schon Thumb 

er sich mit seiner Mutter einer Inkubation unter- D. griech. Sprache im Zeitalter d. HeUenismus 60 
zieht, sieht diese nur die Wirkung, das Schwin- 60 richtig als dorisch erkannt. Die Ausftihrungen 

den des Fiebers und wiU dem Genesenen rriv rov K i e f e r s 26ff . dagegen beruhen lediglich auf 

'&eov fjL7}vvsLv dQsrrjv. Dieser selbst aber hat den irrefiihrenden Behauptungen von M a h 1 o w 

Asklepios leibhaftig gesehen, wie er dais Wunder Neue Wege. Die dorische Form ist bei einem 

vollbracht hat. Etwas Ahnliches muB die sog. Ausdruck, der im Asklepiosdienst erwachsen ist 

Sarapisaretalogie Pap. Oxy. 1382 IIP mit dem und wohl geradezu als epidaurisch bezeichnet 

Titel: A tog 'HXlov MeydXov SaQambog aQsrrj rj werden muB, durchaus verstandlich. Auch der 

neQi 2vQLcova rov HvPsQvrjxrjv enthalten haben. Versuch Ki ef ers 31 ff., eine profane Aretalogie 

Wenn aber Schubart Herm. LV 188 einen zu konstruieren, die alter sei als die kultische, 



15 Aretalogoi Athenaios 16 

schafft nur neue Schwierigkeiten. Es verfalscht Arinistae, Plin. n. h. Ill 143 ftihrt diesen 

den Sinn des antiken Wortes, wenn maiB es ver- (jedenfallsfruhzeitiguntergegangenen, so Patsch 

allgemeinernd auf alle diejenigen literarisehen o. Bd. VII S. 2878 Art. H a e m a s i, anders S w o - 

Produkte ausdehnt, dureh die gottliche Taten b o d a Octavian und Illyricum 86, der seine Auf- 

nacherzahlt und gepiiesen werden. Sicher ver- nahme in eine grsBere Civitas in eine fiir die 

bindet ein geistiges Band die Homerischen Hym- Zeit der Niederschrift der Historia naturalis des 

nen mit der Aretalogie, gewissen Stiicken des Plinius nahe Vergangenheit rlickt) illyrischen 

Alten Testaments tind dem Emngelium. Das Stamm (K r a h e Indogerm. Bibl. III. Abt. 7. Heft 

Wort A. jedoch ist eine Schopfung des 4. Jhdts. 15) in dem nachmaligen Conventus von Narona 
und ein wiehtiges Zeugnis fiir eineni damals voll- 10 Ostlich vom Naron und den Yardaeern an [prae- 

zogenen Wandel in dem Verhaltnis des grieehi- ter hos tenuere traetum eum Ox^uaei, Fartheni, 

schen Menschen zu seinem Gotte. Vergleieht man, Cavi (o. Bd. XI S. 57), Eaemasi (o. Bd. VII 

wie griechisehe Gotter den Glanbigen im lieben S.2878), Masthitae (o. Bd. XIV S. '2168), Ari- 

zu begleiten pflegen, so erkennt man, wie w^nig nistae], Erahe 69. 80 erschliefit aus dem 

ratsam es ist, Zeugnisse, die dureh Jahrhunderte zweifellos illyriscben Namen die Verbindung des 

voneinander getrennt sind, zusammenzuwerfen. baufigen Suffixes istae mit dem Grundelement 

Man verwischt dadurch nur das eigentlieh Beste arin, Vgl. Art. Armistae (o. Bd. II S. 1200). 

und Feinste dieser schwer faBbaren Beziehungen. [Max Fluss.] 

Die bomerisehen Helden leben noch in fast vol- S. 1251ff. zum Art. Arrius: 
liger Lebensgemeinschaft mit ihren Gottern, so- 20 IB) C. Arrius Antoninus, nadi Inschriften 

zusagen auf derselben Ebene. Sichtbar oder un- aus Sarmizegetusa, die zur Zeit seiner dakischen 

sichtbar stehen die Gotter im Wortsinne ihnen Legation gesetzt sind, Vater des C. Arrius Anto- 

zur Seite oder ihnen entgegen. Die Abstammung ninus und des C. Arrius Quadratus (Daicovici 

von einem g6ttli<!hen Ahn (die Hesiod Erga 299 Festschr. f. Jorga 1931). Als Legaten von Cap- 

UsQori^ dcov ysvog ktihn auf den Plebeier uber- padocia nennt ihn die Inschrift Dess. 9117. 

tragt, (bg ofjiod'sv ysydaoi ^sol ^rjtoc %* avd'Qcouioi 19 a) M. Arrius Flaccus, Consul suffectus im 

v.10'8) ist noch einem Hekataiosselbstverstandlich. September 79 n. Chr. Militardiplom Journ. rom. 

Anders die Polisl. Sie hat ihren oder ihre gottlichen stud. 1926, 95. [Groag.] 

Beschtitzer, die aber das Wohl des einzelnen nur S. 1531 zum Art. Asellius: 
indirekt dureh die Polis und ihre Satzungen, ihre 30 1 a) Asellius Aemilianus, Legat von Thracia 

v6[A,oi und ^so/Lcol fordern. Die jzoXlooovxol d-sol unter Marcus und Commodus. Vgl. iiber ihn 

(Aischylos mehrfach) sind im Wortsinne poli- Stein Rom. Verw. Beamten v. Thracia 32. 

tische Gebilde. Eine Annaherung an den einzel- Ritterling Fasti d. rom. Deutschland 34f ., 

nen, die vielleieht in den Mysterien vorgebildet ferner PIR P 241 nr. 1211. [Groag.] 

war, wird fuhlbar bei Sophokles (trotz Schade- S. 1583ff. zum Art. Asinius: 

w a 1 d t Monolog 72, 2), und er ist es gerade, 18 a) M. Asinius Q, f, Trom(entina tribu) 

der Asklepios, den Heiland des einzelnen, in Athen Mareellus, Consul isuffectus in unibekanntem Jahr 

aufgenommen hat. Damit ist freilich noch nicht des 1. Jhdts. n. Chr., wird in mehreren Insehrif- 

gesagt, dafi die Entwicklung abgeschlossen ist. ten aus Ostia genannt: €IL XIV 4447 (enthalt 
Auch der attische Asklepios ist vermutlich noch 40 seinen Cursus honorum). 4448. 4542. [Groag.] 

der Gott der Polis, der sie von der Pest befreit S. 2033, 61 zum Art. Athenaios Nr. 23: 

hatte. Die Verinnerlichung, die in der Folgezeit A. ist seitdem maBgebend ediert, iibersetzt 

eiiisetzt, kommt nicht zum Ausdruck bei L a 1 1 e und erklart von R. Si c h n e i d e r Griech. Polior- 

Religiose Stromungen in der Fruhzieit des Hel- ketiker III. Abh. Gott. Ges. N. F. XII 5 (1912). 

lenismus, Antike I 146ff., der ,von einer zeitlos Seine Zeit hat Cichorius Rom. Studi^n 271 

primitiven Religiositat spricht, bei der feige mit Wahrscheinlichkeit bestimmt. A. erzahlt 

Angst und Sorge um den eigenen kleinen Vor- namlich von ApoUonios, dem Lehrer seines 

teil die treibenden Krafte sind*. Wir miissen Hauptquellenautors Agesistratos, dafi er gewal- 

vielmehr daran denken, dafi auch bei Jesus Hei- tige Steimnauern im Hafen von Rhodos erriehtet 
len und Erlosen miteinander geht. Das wich- 50 habe (o. Bd. II S. 160, 58). Bezieht sich dies auf 

tige ist die Gegenwartsmanifestation des Gottes, die Belagerung dureh Mithridates J. 88/87 

das Wunder, das im 4. Jhdt, wieder zu einer (Suppl.-B'd. V S. 802), so batten wir einen Ter- 

lebendigen Kraft wird und in der dvvafiig oder minus post quem. Ferner ergibt sieh aus S. 10, 

aQsri^ des Gottes seinen Ausdruck findet. Die wo A. die mangelhafte Stilisierung mit seinem 

Staatsgotter sind davon nicht wieder lebendig Bestreben entschuldigt,, mit seiner Schrift nicht 

geworden, wohl aber Asklepios, Sarapis und zu spat ftir seinen Zweck zu kommen, dafi er aus 

orientalische Gottheiten (vgl. die Bedeutung der einem bestimmten Anlafi schrieb; und da er sie 

dvvafA,ig in den phrygisch-lydischen Inschnften einem als oefivozars angeredeten MaroeUus wid- 

bei Steinleitner Die Beicht), ohne daB met {vgl. Octavi venerande ... sancte puer Culex 
ubereilt auf orientalischen EinfluB geschlossen 60 25f., vgl. Schneider 52), so liegt es nahe, an 

werden dlirfte. Es scheint vielmehr im Grieehi- Augustus' Schwiegersohn M. zu denken und den 

schen etwas widdererwacht zu sein, was ein Ver- AnlaB in dem kantabrischen Kriege des J. 27 zu 

stanidnis fiir orientalische Religiositat erleichterte. sehen, den MaroeUus im Gefolge des Kaisers mit- 

DaB die A. zum Unfug ausartete, woUen wir gem machte (o. Bd. Ill B. 2765), Auch die spraeh- 

glajuben. Empfindlioh sind dagegen vor allem die liche Form, wegen deren D i e 1 s (S.-Ber. Akad. 

Romer, bei den Griechen der Epikureer Philo- Berl. 1893, 111) die Schrift ins 2. Jhdt. n. Chr. 

dem, aber der lebendige Glaube laBt sich bis ins setzen wollte, paBt nach Brink ma nn bei Ci- 

2. Jhdt. verfolgen. [Wolf Aly.] chorius 277 eher in die Zeit vor dem Siege des 



17 Atidius Caburriates 18 

Attizismug; doch bedarf die Sprachfonn, "beson- auf einem Meilenstein genannt, Ann. epigr. 1925, 

ders nach den Bemerkungen von Thiol (280. 95. [Groag.] 

300) noch einer genaueren Untersuchnng. Da also S. 2288ff. zum Art. Aufidius: 

A. im augustedschen Rom in Beziehnngen zum 41) C. Aufidius Victorinus weiht als Legat 

Hole gel©bt hatte, so ware Identitat mit dem von Germania superior dem luppiter o. m. in 

Peripatetiker aus Seleukeia (Nr. 19) moglich. Mainz GIL XIII 11808. [Groag.] 

Dazu wtirde es aueh passen, dafi A. im Sachlichen 44 a) Aufidius Umber, auf Miinzen von Neo- 

ganz unselibstandig und von Agesistratos ab- caesarea, waiirseheinlieh als Legat von Cappa- 

hangig ist, dem aueh Vitruv X 13 — 16 folgt; docia und Galatia, im J. 100/01 genannt Im- 
dies ist nachgewiesen von T h i e I Leipz. Stud. lOhoof-Biumer Kleinas. Miinzen II 499. M ti n- 

XVII 275ff., der S. 308—327 die ParaUeltexte sterberg Num. Ztschr. 1911, 128. 1921, 130. 
der beiden Autoren abdruckt; vgl. Schneider [Groag.] 

38S. Man kann in diesem Sinne vieUeicht aueh S. 2378ff. zum Art. Avidius: 

die Neigung zu aligem'einen Erorterungen und 5) 6) C. Avidius Nigrinus. Der Bruder des 

zur Entfaltung von Gelehrsamkeit (in der Vor- Quietus und Freund Plutarchs, von dessen Am- 

rede) verwenden, sowie die AuBerung (6, 4 W.) tern nur der Proeonsulat (wohl von Achaia) be- 

gegen die elco'd'otag evMveiv mxqwg rag ovv'&i' kannt ist, war wohl der Vater des gleichnamigen 

oscg xwv U^ecov. Die merkwlirdig gesehraubte Mannes, der im J. 110 Consul suffectus mit Ti. 

Ausdrueksweise erinnert etwa an Philodem; z. B. lulius Aquila (Polemaeanus) war (neugefundenes 
verspricht A. am Schlusse dem Marcellus, wenn 20 Fragment der Fasten von Ostia C a 1 z a Not. d. 

er es wiinsche, Zeichnungen zu liefern und aueh scaA^i 1932, 188ff. v. 19: [Avjidius Nigri7ius), mut- 

uber die AbwehrmaBregeln gegen Belagerungs- maBlieh nach dem Consulat legatus Aug. 'pr. pr. 

masohinen zu sehreiben; dann heifit es (39, 12 in Achaia (Syll.^ 827), endlich Statthalter von 

W. = 36 iSchn.) rovro de scQrjraCf wg uvcov xfj Moesia superior (?) wurde und im J. 118 den Tod 

iblq, aQyia fisvQovvzcov xfjv td>v neXag xaKOTid'&eiav fand. Vgl. liber ihn v. Premerstein Klio 

?ial ov (pa^svcov elvai sv nollc^ smyvcooiv ye- Beiheft VIII lOf., ferner PIR I^ 285f. [Groag.] 
veo&at 7iQayfA,drcov^ &oneQ x'^g xpvxfjg thawv dno- 7 a) T. Avidius Quietus, Consul s-uft'eetus vom 

oxsvoxcoQovvxcov xrjv nQod'Vf^lav xcov iiadTuxaxoiv, 1. Mai bis (wahrscheinlich) 1. September 111 mit 

Keine Forderung der Quellienfrage bedeutet Eggius Marullus (Fasten von Ostia [s. Nr. 5. 6] 
das fur die technisehen Pragen und die Sa-ch- 30 v. 24). [Groag.] 

erklarung bedeutsame, in den philologisehen Fra- S. 243 Iff. zum Art. Aurelius: 

gen dilettantische Buch von W. S a c k u r Vitruv. Ill a) M. Aurelius Cotta Maximus Messal- 

Teehnik und Literatur, Berlin 1925; sein (ohne linus war Proconsul von Asia (Inschrift aus Ephe- 

Kenntnis von Cichorius' Auf satz unternommener) sos Keil Forsch. in Eph. Ill 112, 22; Keil 

Versuch, den A. in zwei Autoren zu zerlegen und bezieht atuch CIG 3465 = IGR IV 1508 mit 

den einen in die Zeit des zweiten punischen Krie- Recht auf ihn). 

ges zu verlegen, so daB der angeredete Marcellus 140 a) L. Aurelius Gallus war Consul ordi- 

der Eroberer von Syrakus ware (vgl. Schnei- narius im J. 198 mit P. Martins Saturninus CIL 

der If.), ist nicht ernst zunehmen. [W. Kroll.] XIV 4562, 2. Vgl. iiber die drei (nicht zwei) Ge- 

S. 2074 zum Art. Atidius: 40nerationen ddr senatorischen Aurelii Galli PIR 

3) L. Attidius Corneliajius s. Suppl.-Bd. I 12 31 3f. [Groag.] 

S. 221, wo L. fiir Ael(ius) zu korrigieren ist. S. 2728 zum Art. Baebius: 

[Groag.] 36 a) Baebius Marcellinus, wohl Vater des 

S. 2076ff. zum Art. Atilius: Baebius Marcellinus, der sich im J. 204 n. Chr. 

45 a) M. Atilius Postumus Bradua, Procon- unter den Knaben befand, die das carmen saeeulare 

sul von Asia unter Domitian. Keil Forsch. in vortrugen (Romanelli Not. d. scavi 1931, 

Ephesos III 100, 8. 345, vgl. Huelsen Rh. Mus. LXXXI 386). 

54 a) T. Atilius Ruf us, als Legat von Syrien [Groag.] 



Zum dritten Bande. 

S. 91 Iff. zum Art. Bruttius: Butra wird von Herat, epist. I 5, 26 als 

5 a) C. Bruttius Praesens, wohl derselbe wie guter Freunid des (Manlius) Torquatus bezeich- 

BQovxcog, der in Traians Partherkrieg in Arme- net; Naheres ist uber diese Person nicht bekannt 

nien tatig war (Suid. s. Xvyog = Arrian. Parth. (Luc. Mueller Siatir. und Epistelu d. Horaz 

frg. 85 Roos, vgl. R o o s S^dia Arrianea 58f.). I 48). [Max Fluss.] 

[Groag.] 60 Caburriates. Ligurischer Stamm, 179 v. Chr., 

Brutus. Henze o. Bd. Ill S. 916 halt un- vom Consul Fulvius Flaccus unterworfen und der 

richtigerweise in der Stelle Aurel. Vict, de Cae- Tribus Stellatina zugewiesen. Plin. n. h. Ill 47. 

sat. 29, 4 Deeii barbaros trans Danubium per- Flor, epit. I 19, 5. Bei Liv. XL 53 ist der 

seetantes Bruti fraude eecidere B. fiir eine Per- Name in einer Liieke unseres Textes ausgefallen. 

son, in Wirklichkeit ist es die verstlimmelte Form Inschriftlich begegnet ein curator rei publ. Ca- 

des in den Quellen vielfach verschieden geschrie- by/rrensium, CIL V 7836. Das Andenken an 

benen Namens des Ortes Abrytus in Moesia inferior diesen Stamm bewahrt die Stadt Cavour (Ca- 

(o. Bd. I S. 116). [Max Fluss.] vorre) unweit der Poquellen, vor dem Tal des 



19 Caecina Canianns saltus 20 

Pelice, 45 km stidwestlich von Turin. Der Name VIII 3/4 in der Nahe von Odessos genannt. Vgl. 

Gaburrum ist erst seit dem 11. JMt. belegt. Miller Itin. Eom. 960. [Max Fluss.] 

Nissen It. Ldk. I 472. II 164. Mommsen S. 1363, 3 zum Art. Calor: 

vermutet, Caburrum sei mit Forum Vibi iden- 3) Der Name wird auch ftir den Oberlauf des 

tisch, s. W e i s s Bd. II S. 73. [v. Geisau.] Flusses Tanager in Lukanien und seine Fort- 

S. 1241 zum Art. Caecina: setzung nacb der unterirdischen Unterbrechung 

22) A. Caecina Paetus, Consul suffectus vom von Pertosa an gebraucht. Das Itin. Ant. 110, 1 
1. September bis Ende des J. 37 mit C. Cani- verzeichnet 49 mp. von Nuceria, eine Station aa 
nius Eebilus fasti Ostienses CIL XIV 4535. Calorem, in der Gegend des heutigen Pertosa, 

23) C. Caecina Paetus hieB mit voUstandi- 10 Vgl.Nissen It.Ldk.II 903. Pbilipp s.Bd.IV A 
gem Namen wahrscheinlich C. Laecanius Bassus S. 2153. [v. Geisau.] 
Caecina Paetus D e s s. 9247. Proconsul von Asia Calouitanus Portus wird nur auf der Tab. 
Milet I 9, 177 nr. 360. [Groag.] Pent. VI 3 in der Nahe von Salona genannt. 

Caedici(i), von Plin. n. h. Ill 108 unter den (Miller Itin. Rom. 960 identifiziert ihn mit dem 

verschollenen Stammen der Aequiculer aufgeftibrt. beutigen Canale di Castelli). Sein zweifellos 

[v. Geisau.] illyrischer Name erinnert an den des Volksstam- 

Caedicii vicus am 112. Meilenstein der via mes der Galoeeini (KaXoixivoi) (s. d., vgl. Krahe 

Appia, zum Gebiet von Sinuessa gehorig, von Indogerm. Bibl. Ill Abt. 7. Heft 89). 
dem es 6 m. p. entfernt lag, an der campanisch- [Max Fluss.] 

latinischen Grenze, Plin. n. h. XIV 62. Dieselbe 20 S. 1396 zum Art. Calpurnius : 

Ortlichkeit ist vermutlicb mit den Gaedioiae ta- 99) L. Calpurnius Piso Frugi(?) pontifes 

bernae, Paul. Fest. p. 45 M. (in via Appia a kommandierte, als er zum Thrakerkriege abberu- 

domini nomine voeatae) gemeint, desgleichen mit fen wurde, in Pamphylien (wie Dio angibt) und 

den Gaediciae aquae (Hss. ea^edes aquas) Liv. den angrenzenden Gebieten; dies ergibt sich a.m 

XXII 36, 8, wenn N i s s e n s Vermutung das einer ihm in Hierapolis-Kastabala gesetzten In 

Eichtige trifft, It. Ldk. II 665, 5. Mommsen zu schrift Keil- Wilhelm Osterr. Jahresh. XVII] 

CIL X 4727. [v. Geisau.] BeibL 51. VgL tiber ihn Cichorius EOm. Stu- 

Caedicius campus, eine Ortlichkeit im Ap- dien 325ff. 
pennin in der Gegend der Vestiner, die einen 101) L. Calpurnius Proclus weihte mit seinei 

vorzuglichen Ease nach Eom lieferte, Plin. n. h. 30 Gattin Domitia Eegina Aufaniabus Altare ii 

XI 241. Den Irrtum Cluvers tiber die Lage Bonn. Lehner Bonn. Jahrb. CXXXV 6f. Vgl 

berichtigt Nissen It. Ldk. II 665,5. liber ihn Eitterling Fasti d. rOm. Deutsch- 

[v. Geisau.] land 94f. [Groag.] 

Caelestini. Von Plin. n. h. Ill 114 unter S. 1410, 65 zum Art. Calvisius: 

den untergegangenen Volkerschaften Umbriens 7) Calvisius Eu[fus], nicht Bu[soJ Journ 

aufgefiihrt. Der Name ist vielleicht etruskisch; rom. stud. XVIII 212; wohl Cohortenpraefect. 
vgl. den etruskischen Vornamen caile, Gaeles, 9) 10) P. Calvisius Euso lulius Frontinus 

mons Gaelius. [v. Geisau.] Ein Bruchsttick einer groBen Ehreninschrift mil 

Caeno {Kaivco)^ Hafenort von Antium, an- dem Cursus honorum ist in Antiochia in Pisi 
geblich 469 v. Chr. von den EOmern zerstOrt. 40 dien von E a m s a y aufgefunden worden. Journ 

Liv. II 63. Dion. HaL IX 56. Nissen It. Ldk. rom. stud. Ill 302 mit Dessaus Kommentar. ~ 

II 627; s. Bd. I S. 2561. Zum Namen vgl. Kaino Er war der Vater des P. Calvisius TuUus Ruse 

(Kano) auf Kreta. [v. Geisau.] (Nr. 19). 

Caeptiema. Ein Tal bei Genua, genannt in 19) P. Calvisius Tullus Euso, Consul I 10^ 

dem Schiedsspruch der Minucii in Grenzstreitig- n. Chr. fasti Ostienses Calza Not. d. scavi 1932 

keiten im J. 177 v. Chr. CIL V 7749, 8. 188ff. BGU VII 1691. [Groag.] 

[v. Geisau.] Camalatrum (schlechter beglaubigt Gala- 

Caesius, Autor uhex diseiplina Etrusea, nux matrum, Galamatin/m, Cluver Ital. ant. 1256 

von Arnob. Ill 40 (aus Cornelius Labeo) genannt; vermutet Galamareus) unteritalische Ortlichkeit 
danach bezeichnete er als Penaten Fortuna, Ceres. 50 vermutlich in Lucanien, genannt Frontin. strat 

Genius lovialis und den mannlichen Pales (ver- II 4, 7 bei Darstellung einer Umgehungsbewe 

ktirzt als Ansicht der Tusci bei Serv. pi. Aen. gung des M. Licinius Crassus gegen die kel 

II 325). Vor ihm ist Nigidius, nach ihm Varro tischen Sklavenflihrer Castus und Gannicius in: 

genannt; dafi er in deren Zeit gehOrt, ist jeden- J. 72 v. Chr. S. Gelzer Bd. XIII S. 305. Di( 

falls am wahrscheinlichsten. Den Namen in Gae- Lage ist ebensowenig wie die Namensform fest 

eina zu andern ist unberechtigt. Wissowa zustellen. [v. Geisau.] 

Ges. Abh. 100. 124. 127. [W, KrolL] Camere, unbekannte Ortlichkeit am Fluss^ 

Galena, Burg der Frentaner im Gebiet von Krathis in Bruttium. Ovid. fast. Ill 582 laBt ir 

Larinum, am linken Ufer des Fertur, gegenuber seiner Erzahlung von der Anna Perenna dit 
von Gereonium. Als Gereonium in die Hand Han- 60 Schwester Didos durch einen Orakelspruch dort 

nibals fiel, besetzte der Eeiterfiihrer M. Minucius hin weisen (Gameren Akkus.). Vielleicht wurde 

C. Polyb. Ill 101, 3 (Ka^vrj bzw. KaXrjXri), Nis- Anna Perenna in C. besonders verehrt. 
sen It. Ldk. II 785. [v. Geisau.] [v. Geisau.] 

S. 1352, 31 zum Art. Cales: Canianus saltus, Gutsbezirk bei Veleia ir 

2) Dorf im ager Gallicus an der via Flaminia. der Aemilia, erwahnt auf der Tabula alimentarij 

Die Namensform schwankt: Gales (sing.), Galle^ CIL XI 1147. Inscr. christ. Eossi II S. 413, 16 

Oallis. Nissen It. Ldk. II 382. [v. Geisau.] Genannt nach dem Besitzer Ganius. 

Callire Portus wird nur auf der Tab. Pent. [v. Geisau.] 



21 Caninius Ceremia 22 

S. 1478, 23 zum Art. Caninius: Carsitani erwahnt Macrob. Sat. Ill 18, 5: 

7) C. Caninius Rebilns, Consul suffectus im Est autem natio hominum iuxta agrum Prae- 

J. 37 (1. September bis zum Jahresende) mit nestinum qui G. vocantur and xwv TtaQvcov und 

A. Caecina Paetus CIL XIV 4535 fasti Osti- fiihrt diese Etymologic auf Varros logistoricus 

enses. [Groag.] ,Marius de fortuna* zuriick. Die praenestischen 

Oanta, eine der Inseln um Brioni, vor Pola Niisse waren bekannt. "Cber den Namen C. 

in Istrien. GIL V 8139. Hyg. fab. 23. Nissen s. W. Schulze Eigenn. 147. 182. [v. Geisau.] 

It. Ldk. II 240f. [v. Geisau.] Carucla, Gutshof bei Veleia, in der Aemilia, 

Cantenna (schlechter beglaubigt Gatana, erwahnt auf der Tabula alimentaria CIL XI 1147. 

Gathena), Ortlichkeit in Unteritalien, vermutlich 10 [v. Geisau.] 

in Lucanien, erwahnt Frontin. strat. II 5, 34. S. 1740, 3 zum Art. Cassius: 

tJber den erfolgreichen Kampf des M. Licinius 67) L. Cassius Longinus. Die Inschrift eines 

Crassus gegen die Sklaven bei C. s. G e 1 z e r ihm von der Stadt Arelate gewidmeten Prunk- 

Bd. XIII S. 305. [v Geisau.] tisches, der in Eom zutage gekomnien ist, gibt 

Cantherius, Berg im Sabinerlande, erwahnt an, da6 er Consul, XVvir sacris faciundis und 

Varr. r. r. II 1, 8. Der Name bedeutet ,Esel*, Legat des Tiberius war. Mancini BulL com. 

,Mauleser, gr. Tcavd'riXiog. Vgl. das samische Vor- LVI 318. [Groag.] 

gebirge Kantharios Bd. X S. 1883. [v. Geisau.] Castell(um) Abritanor(um) ; sein Name 

S. 1546, 30 zum Art. Capraria: ist als Heimat des Centurio der legio XI Claudia 

6) Der Name wird im Itin. mar. 516 irrtiim- 20 V'al. Longinianus (CIL V 942 = Pais 75 = Dess. 

lich flir Gapreae gebraucht. [v. Geisau.] 2670) genannt; es ist mit dem durch den Tod 

Caris(s)anum, Kastell bei Compsa in Sam- des Kaisers Decius im J. 251 n. Chr. bekannten 

nium, Plin. n. h. II 147 berichtet, daB T. Annius Abrytus in Moesia inferior (Bd. I S. 116) iden- 

Milo dort gefallen sei, nachdem es ein Jahr vorher tisch (vgl. Bd. XII S. 1704). Beztiglich der Identi- 

dort WoUe geregnet habe. Ein Teil der Hss. hat fizierung mit dem heutigen Abtat — Kalessi,30 km 

Gapsanum = Compsanum, vgl. Lyd. ostent. 6 stidwestlich von Tropaeum Traiani vgl. Skorpil 

S. 22 jtsQl Kdyjav to (pQovQiov. Nissen It. Ldk. bei Kalinka Schr. d. Balkankommission d. Wien. 

II 821, 9. tJber den Tod des Milo s. Klebs Akad. Antiquar. Abt. 4. Bd. 349if. [Max Fluss.] 

Bd. I S. 2276. [v. Geisau.] S. 1788, 45 zum Art. Catilius: 

S. 1592, 41 zum Art. Carlstanius: 30 4) L Catilius Severus lulianus Claudius Re- 

1) C. Caristanius Pronto. Sein Cursus ho- ginus, Consul I suffectus im J. 110 mit C. Eru- 

norum in einer Inschrift aus Antiochia in Pi- cianus Silo fasti Ostienses Calza Not. d. scavi 

sidien D e s s. 9485. * 1932, 188ff. Seinen Cursus honorum enthalt 

la) C. Caristanius lulianus (wohl aus An- eine von Merlin aus vielen Bruchstiicken zu- 

tiochia in Pisidien), Proconsul von Achaia unter sammengesetzte Inschrift aus Thysdrus Cagnat- 

Traian vor 102. Delphisches Ehrendekret Bour- Merlin Inscr. lat. d'Afrique 48. Merlin be- 

guet De rebus Delph. 28. Sein Cursus honorum zieht auch CIL X 8291 mit Sicherheit auf ihn 

(fragmentarisch) Corinth VIII 2 nr. 55. (demnach o. Bd. II S. 2083 Nr. 40 zu korrigieren). 

[Groag.] [Groag.] 

Carnuns, befestigte illyrische Stadt, die die 40 S. 1789, 61 zum Art. Catilius: 

RSmer 171 nicht erobern konnten. Liv. XLIII 1,2. 4) Mons Gatilli (quern Gatelli dieunt per 

Namensform unsicher. [v. Geisau.] eorruptionem), auch Catellus geschrieben, Berg 

Carnus. Dieser Ort Illyricums wird nur von in Latium, in der Nahe der Aniofalle, jetzt Monte 

Liv. XLIII 1, 2 anIaBlich der Besprechung des Catillo, 348 m. Serv. Aen. VII 672. Vib. Seq. 

Feldzuges der EOmer in dieses Gebiet im J. 583 Geogr. 155, 13. [v. Geisau.] 

= 171 V. Chr. erwahnt. Der mit dieser Unter- Suppl.-Bd. Ill S. 239, 12 zum Art. Caturniacus: 

nehmung betraute Legat, dessen Namen wir nicht 2) Ebd. 5, 52 begegnet ein fundus G. in 

kennen, glaubte durch milde Behandlung des einem andern Bezirk von Veleia; wieder in 

vorher eroberten Ceremia (s. u.) die Bewohner einem andern Bezirk ein fundus Gaturnianus. 

dieses opulentum oppidum zur tJbergabe zu be- 50 Die Besitzungen heiBen offenbar nach einem 

wegen; seine Erwartung aber erfuUte sich nicht, Caturnius. [v. Geisau.] 

auch dem Versuche, die munita urhs zu erobern, Caudalascus. Appenninus Caudalascus, ein 

blieb der Erfolg versagt, er lieB sie schlieBlich Abschnitt des Appenin bei Veleia in der Aemilia, 

pltindern (Liv. XLIII 1, 2— 3). WeiBenborn als Ortsbestimmung benutzt in der Tabula ali- 

z. St. halt eine Identifizierung des Ortes mit der mentaria von Veleia. CIL XI 1147. tTber das 

bei Steph. Byz. 557 Mein. angefiihrten TioUg ligurische Suffix -ase- s. Bd. XIII S. 528. 

IXlvQiHfi HaQvovg fiir mOglich; diese ist meines [v. Geisau.] 

Erachtens gleichzusetzen dem bei Marcell. chron. Cavaturini, Dorf bei Genua, verzeichnet in 

II 100 bei Besprechung des schweren Erdbebens der Sententia Minuciorum vom J. 177 v. Chr., 

des J. 518 n. Chr. genannten eastellum regionis 60 CIL V 7749, 38—40. [v. Geisau.] 

Qavisae, quod Sarnonto (Bd. II A S. 30) S. 1868 zum Art. Celelates: 

dieifMr. [Max Fluss.] Die Herausgeber bei Liv. XXXII 29 lesen meist 

Carrea (a. L. Garreum, Gorrea) mit dem Geleiates. [v. Geisau.] 

Beinamen Potentia, Ort in Ligurien, wahrschein- S. 1969 zum Art. Cerdeciates : 

lich beim jetzigen Chieri. Plin. n. h. Ill 49, Die Herausgeber lesen an der genannten Li- 

durch Konjektur auch hergestellt CIL V 7496, viusstelle meist Gerdiciates. [v. Geisau.] 

M m m s e n ebd. S. 848. Nissen It. Ldk. II Ceremia. Dieser Ort Illyricums (sein Name 

156f. [v. Geisau.] nicht gesichert infolge Verderbnis der Livius-Hss.-\ 



23 Cermalus Coloniae 24 

wird nur von Liv. XLIII 1, 2 anlaBlich der Bespre- nach Hekat. bei Steph. Byz. 690 ed. Meineke 

chung des Feldzuges der EOmer in dieses Gebiet einen Zweig der illyrischen Volkerf amilie ; seine 

im J. 583 =171 v. Chr. erwahnt; der mit dieser Wohnsitze befinden sich nOrdlich von denen der 

Unternehmung betraute Legat, dessen Namen wir Sesarethier. Da Hekataios bei Steph. Byz. 562 die 

nicht kennen, babe das jedenfalls zu Makedonien Stadt Sesaretbos ins Gebiet der Taalantier ver- 

gebOrige (Zip pel D. rOm. Herrschaft in lUyrien legt, die Abrer (Bd. I S. 115) nach ihm bei 

76) opuhnMm oppidum vi atque armis be- Steph. Byz. 9 ed-vog siQog x0 lAdQia TavXavtlvcov 

zwungen, aber dann seinen Einwohnern das Ihrige Tigooexh tdig XsXibovloig sind, so werden damit 

belassen (Liv. XLIII 1, 2). WeiBenborn z. St. auch die Sitze der Ch. einigermaBen bestimmtj 
halt eine Identifizierung des Ortes mit dem bei 10 sie sind am oberen Mati und etwas weiter nOrd- 

Polyb. V 108, 8 in der Dassaretis genannten lieh zu suchen (Zippel D. rOm. Herrschaft in 

Kq€covwv, das neben anderen Orten Philipp V. Illyrien 20, nach Kiepert FOA XVI siidlich 

von Makedonien gewann, fur mOglich. Kiepert vom See von Lychnidus). Die Ch. waren entwe- 

FOA XVII hat C. an die StraBe Stobi — Heraclea der ein Teil der Taulantier, oder, was Zippel 21 

zwischen Euristus und Deuriopus an den Erigon fiir wahrscheinlicher halt, ein ihnen unterworfener 

gesetzt, Zippel 76 sucht es im Grenzgebiete Stamm. Der Name des Stammes ist nicht illyrisch 

zwischen Illyrien und Makedonien entweder in (Krahe Indogerm. Bibl. III. Abt. 7. Heft 4), 

der Nahe des oberen Devol oder am Ostende er findet sich auch an der lykischen Ktiste (vgl. 

des Sees von Lychnidus. [Max Fluss.] die Ofter genannten XsXcdoviai vfjoot und nitQai). 

S. 1182f. zum Art. Cermalus: 20 [Max Fluss.] 

2) Vieus Germali war einer der sieben Be- S. 2558, 22 zum Art. Cincius: 

zirke, in die die Plebs von Ariminum durch Augu- 9) Cingius Severus. Die Form Gingius ist 

stus eingeteilt wurde. GIL XI 419. Der Name richtig CIL VI 36874, s. Bang Herm. XLV 

sollte oifenbar anEom erinnern. Nissenlt. Ldk. 627f. [Groag.] 

II 250. [v. Geisau.] S. 2677, 15ff. zum Art. Claudius: 

Cessernia, Ortlichkeit zwischen Blanda und 71) Ti. Claudius Atticus Herodes. Inschrift 

Buxentum, jetzt Sapri inLucanien. Geogr.Rav.IV von Korinth, Corinth VIII 2 nr. 58: Ti, Clau- 

32. N i s s e n It. Ldk. 11 899, 8. [v. Geisau.] dio Ti. Glaudi Hipparehi f. Quir(ina) Attico 

S. 2193, 7 zum Art. Chartodras: praetoriis ornament, ornato ex s. e, Vgl. iiber 
Die Frage nach dem Wert der verschi ©denen 30 ihn Graindor Herode Atticus 19 — 38. 
Diingerstofie ist eingehend erortert worden (o. 186) [C]L lulianus, vielmehr FL lulianus, 

Bd. I S. 279): Cato agr. 36. Varr. I 38, 1. Co- stadtischer Wlirdentrager. Kubitschek Denk- 

lum. II 14, 1. Geop. II 21, 4, wo zum Teil g&gm schr. Akad. Wien phiL-hist. Kl. LVII 3, 99. Vgl. 

die Ansicht dos C. polemisiert wird. Wellmann Hiittl Antoninus Pius II 46f . 
Abb. Akad. Berl. 1921, 38 will den Namen auch 187) 188) 194) Ti. Claudius lulianus, eine 

bei Aristot. poL I 11. 1258 b 40 einsetzen, wo als Person. VgL Bitter ling Fasti d. rOm. Deutsch- 

Autoren nsQi yecoQylag im Dativ XaQrjri di] (xd- land 7 Off. Htittl Antoninus Pius II 94f. 
Qirt di] r Ms x<^Qltia \ 8f} [in mg. xaQLridb7)g'\ Ha) 357) Claudius Stratonicus. Seine Gattin Fla- 

Koi 'AnollobcoQco zcp Ar)fA,vico uberliefert sind unid via Tiberina weihte, als er Legat der legio I 
man Mher Za^??r% sehrieb (Bd. Ill S. 2131), 40 Miner via war, Matronis Aufaniabus einen Altar 

und so konnte der Mann geheifien hab>ein. Man in Bonn. Lehner Bonn. Jahrb. CXXXV 7. 
kann zweifeln, ob C. ein mogliober Name ist. 415) Claudia Dryantilla Platonis, Gattin des 

[W. KrolL] Cornelius Optat[us]. Acta lud. saec. 204 n. Chr. 

Chelidonioi {XeXidovioi)^ Die Ch. bilden Eomanelli Not. d. scav. 1931, 341. [Groag.] 



Zum vierten Bande. 

Coeba, ligurische Ortlichkeit am Tanarus, nannt, der die Stellung eines dec(urio) c(oloniae) 

beriihmt wegen seines Schafkases, Plin. n. h. XI Bis . . . bekleidet hat. P a t s c h Wissensch. Mit- 

241. Die Namensform steht nicht genau fest, teil. aus Bosnien XI 181 nimmt gegen den Vor- 

da Plinius nur das Adjektiv Goebanus bringt. schlag M o m m s e n .s z. Inschr., den Namen der 

Bd. X S. 1493, 31 im Art. Ease wird der Ort Kolonie zu Risinium zu erganzen und sie mit 

Goebanum genannt. Jedoch macht der heutige dem in der antiken Literatur wiederholt ge- 

Name Ceba die oben angenommene Form wahr- nannten Rdsinium, dem beutigen Risano in der 

scheinlich. Vgl. CIL V S. 895. Nissen It. Bocche di Cattaro (Bd, I A 8. 937), zu identi- 

Ldk. II 154. [v. Geisau.] fizieren, mit dem Hinweise Stellung, da6 sich 
S. 195, 1 zum Art. Coelius: 60 Abkiirzungen von Ortsnamen in Inscbriften emf 

7 a) P. Coelius Apollinaris, Suifectconsul im Steindmkmalern nur dort finden, wo sie sich auf 

J. Ill mit L. Octavius Crassus fasti Ostienses. deren Standort beziehen oder wo es sich um be- 

Calza Not. d. scavi 1932, 188fF. [Groag.] kannte nahe gelegene Siedlungen handelt (vgl. 

S. 511, 9 zum Art. Coloniae: eol(onia) Gap..., col(onia) Mai..., Bd. Ill 

34 a) G(olonia) Ris . . . wird nur in einer in S. 1503. XIV S. 818); mithin sei die c(olonia) 

Rogatica in Dahniaitien gefundenen Grabinsehrift Ris (. . .) dais heutige Rogatica. Sie gehorte ent- 

eines gewissen T. Gl(audius) Maximus CIL III weder zur Provinz Dalmatia oder zu Moesia supe- 

2766 b (p. 1035) = 8369 (nr. 12748 p. 2256) ge- rior. Zwei andore in Rogatica gefundene Inschrif- 



25 Comberania Diades 26 

ten auf Altarfragmenten (OIL IE 8366. 8368 = um eiEen Liebesaauber handelt, beziehen sich die 

12747) machen uns mit anderen Wiirdentragern Dardaniae artes des Colum. X 358 auf den Um- 

der Colonie bekanut, mit ednem (duo)vir bzw. gang einer menstruierenden Frau nm den Acker 

einem (duo)vir [q(uin]q(ennalis); beide Altarfrag- zum Zweck der Vertilgung des XJnkraute.s: das 

niente beweisen das Vorhand-ensein ednes groBeren ist alter Volksglaube, der nicht eigentlich zur 

luppiterheiligtums in R. (Patsch 183, ebd. ,Magie* gehort (z. B. Plin. n. h. VII 64. Damask. 

XII 160). [Max Fluss.] Vit. Isid. 52. PI oB -B artels Das Weib P 

Comberania, ein nur inschriftlich erwahnter 275, We 1 1 m a n n 1928, 23f .). Uber Steinzauber 

Bach bei Genua, in der Sententia Minuciorum hat er gehandelt, wenn Wellmann mit Recht 

Tom J. 177 V. Chr. (OIL Y 7749, 7f.). tTber den 10 in Lapid. greos 169, 18 M41y D. fiir Dareios ein- 

Namen s. Bd. XIII S. 527, 64. [v. Geisau.] setzt; ais Autoritat ftir Pflanzennamen zitiert ihn 

S. 1310, 34ff. zum Art. Cornelius: Ps.-Apul. herb. 16 (51, 8 How.). 19 (57, 25 H.), 

145) Ser. Cornelius Dolabella Metilianus, Con- vgl. die adnot. crit. zu 37, 10. Ob ihn Bolos sehon 

sul suffectus im J. 113 n. Chr. (. . Cornelius benutzen konnte, erseheint mir nicht so sicher 

Dolabella) fasti Ostienses. Calza Not. d. seavi wie Wellmann Abh. Akad. Berl. 1921, 15. 

1932, 188ff. 1928, 12. 14. Die Uberlieferung der Pliniusstelle 

236) P. Cornelius Lentulus Scipio, wohl P. n. h. XXX 9 Democritus ApoUobechen Goptiten 

Cornelius Seip., Praetor im J. 15 n. Chr. CIL et Dardanum e Phoenice inlustravit voluminibus 

VI 37836 = Dess. 9349. Dardani in sepulcrum mus petitis (man erwartet 

279) A. Cornelius Palma Frontonianus. Der 20 e s-ro e. petitis oder in s-cro e. repertis), suis 

vollstandige Name BGU VII 1691. vero ex disciplina eorum editis sucht W ti n s c h 

279 a) Cn. Cornelius Paternus, Consul des Arch. f. Rel. XIV 319 nicht tiberzeugend zu ver- 

J. 233 n. Chr. mit L. Valerius Maximus. Militar- teiidigen; besser Weidlich Sympathie in dter 

diplom Ann. 6pigr. 1914 nr. 259. ant. Lit. (Stuttg. 1894) 26. [W. KroU.] 

296) L. Cornelius Pusis Annius Messala. g. 2222, 61 zum Art. Dasumius : 

Der vollstandige Name in einer Ehreninschrift la) P. Dasumius Rusticus, Consul ordinarius 

aus Tibur, Mancini Not. d. seavi 1914, 101, imJ. 119 mit Kaiser Hadrian (cos. III). Inschrift 

der zugleich zu entnehmen ist, dafi er consul, aus Stobi Sari a Osterr. Jahresh. XXVI 68ff. 

Vllvir epulonum und Proconsul war. Vgl. iiber [Groag.] 

ihn C i c h r i u s RQm. Studien 402ff. [Groag.] 30 S 2517, 8 zum Art. Delphion: 

S. 1673, 3 zum Art. Cossonius: 3) AeX(ptov oqos findet sich nur in der pseudo- 

3a) L. Cossonius Gallus, Legat (von Galatien), aristotelischen Schrift jieqI axo'va. c. 104 ge- 

Gemahl der Clodia latrina Ramsay Journ. rom. nannt, die von ihm folgendes berichtet: Uystai . . . 

stud. XVI 214; wohl der Bd. I S. 2268 Nr. 51 f^ista^v tfjg MevxoQiHfjg Tcal trjg loxQiavrfq oQog 

behandelte . . . nius Gallus. [Groag.] ti elvai to piaXovf^svov Ae'k<piov sxov Xotpov vtprj- 

S. 1867, 6 zum Art. Curtius: X6v ' ml tovtov x6v X6<pov orav dva^alvcooiv ol 

18) C. Curtius lustus. Consul suffectus mit MsvtoQsg ol knl xfj 'Ad^la olHovvxeg, anod'eoyQov' 

P. lulius Nauto anscheinend im J. 156. Hiittl oiv, (hg eoins, ta sig xov Uovtov donXsovxa nXola. 

Antoninus Pius II 186. [Groag.] Die Fernsicht, die man vom mons Dolphius ge- 

S. 1895, 62 zum Art. Cuspius: 40nieBt, beruht auf der im Altertum vielfach ver- 

3) L. Cuspius Pactumeius Rufinus. Vgl. Hep- breiteten Vorstellung der Verbindung der Adria 

ding Phil. LXXXVIII 90ff. Wiegand Abh. mit dem Schwarzen Meere (vgl.Bd.IV S. 2120). 

Akad. Berl., phil.-hist. Kl. 1932, 5, 28. [Groag.] Diesen Berg, ohne ihn mit Namen zu nennen, 

S. 2180, 28 zum Art. Dardanos: hat offenbar auch im Auge Theopomp. bei Strab. 

D. hat in den Regionen der aberglaubischen VII 317 bei den Worten to ajuq^co jiatonxsvEod-aL 

Literatur eine erheibliche RoUe gespielt. Er er- ra nsXdyrj oltio xivog oQovg, gegen dessen Ansicht 

scheint als judischer Weiser, der von Salomon an sich Strab. a. 0. ablehnend verhalt (&s6nofyijiog ov 

Weisheit iibertroffen wurde, als Sohn des He- niaxd Xsysi). Welcher Berg von heute mit dem 

maon neben seinen Briidern Athanos, Haimanos mons Delphius gemeint ist, entzieht sich unserer 
und Chalkeos bei Jos. ant. VHI 43; das beruht 50 Kenntnis ; nach der in der pseudoaristotelischen 

auf Reg. HI 4, 27, wo aber der Name D. nicht Schrift angegebenen Lagebestimmung kOnnte 

eindeutig tiberliefert ist (hebr. Darda% griieeh. man an den Monte maggiore denken. Toma- 

AttQada [AaQaXa] oder Aagdas nach Auskunft schek Ztschr. f. ost. Gymn. 1874, 646 sieht in 

von A. Schulz). Ein ^Itpog AaQddvov steht der Namensform A€Xq?iov oQog eine Konjektur 

im groi^en Pariser Zauberpapyros 1719ff. (lUp. eines Emendators oder Abschreibers fiir ein vor- 

gr. miag. I 126 Pr.; dort weitere Literatur); gefundenes 'Mq)iov (= !JiA/?«oy) oQog (vgl. Bd. I 

unter beriihrnten Zauberern nennt ihn neben S. 1316); in diesem Falle ware das Zl. o. mit der 

Mosies, loannes, ApoUobex, Zoroaster, Ostanes heutigen Kapella und dem Kiistenzuge des Ve- 

Apul. apol. 90 E. (vgl. A b t RRV IV 324 mit lebit zu identifizieren. [Max Fluss.] 
reichen Nachweisen). Wahrend es sich beim ilq?og 60 



Zum flinften Bande. 

S. 305, 17 zum Art. Diades Nr. 2; ^£t' A.Xs^dvdQ>ov rov Paodiog Tvqov >cal rag Xot- 

D. erseheint in den Laterculi Alexandrini (ed. :n;dg noXsig tioXloqkwv. Danach hat er bei der be- 

Diels Abh. Akad. Berl. 1904) col. 8, 12 als 6 ruhmten Belagerung von Tyros (o.Bd, I S. 1422) 



27 Dillius Dioskoros 28 

eine entschedidende Rolle gespielt, von der die Auch Vulgarismen (xsiQav, Ttlficotiv) treten anf . 

Historiker schweigen. Diels Antike Technik 30. Den grOBten Teil seiner poetisclien Produktion 

[W. Kroll.] bilden die kyx(biA,ia, tells bC ijtoov tells di' idfA,p(ov, 

S. 643, 34 zum Art. Dillius: haufig mit Akrostichis, auf hochgestellte Personen 

1) C. Dillius Aponianus. Sein Cursus honorum wie den jeweiligen Dux der Thebais, sogar auf 

in einer unvollstandigen Inschrift aus Cordoba, den Kaiser lustin II. (Pap. Cairo Cat. 67183); der 

wohl seiner Heimatstadt W i c k e r t S.-Ber. Akad. praktische Zweck offenbart sich nicht selten uii- 

Berl., phil.-bist. Kl. 1931, 831. [Groag] verhiillt in der Bitte um Unterstiitzung. Dazu 

S. 1049, 17 zum Art. Diophanes: kommen Hoclizeitsgediclite. Seltener werden my- 

D. ist von groBter Beideutung fiir die Verbrei- 10 thologische Tbemen behandelt, und zwar in der 

tung der Lehren des Mago (o. Bd. XIV S. 506), da Form der Ethopoiie (Achilleus und Polyxena, 

seine Epitome die ausfiilirlichere des Ctosius Ddo- ApoUon mit Hyakinthos und Daphne). Die Hexa- 

nysius (o. Bd. Ill S. 1722) bald verdrangte; es meter offenbaren ihre ZugebOrigkeit zur Schule 

scheint, dafi Vaxro und Hygin die letzten waren, des Nonnos nur noeh in zahlreicben Entlehnungen 

die diese benutzten, waliend Celsus nur noch aus dessen Dionysiaka. Auch die Metabole des- 

den D. einsah (W e 1 1 m a n n Abh. Akad. Berl. selben Dichters bat D. gekannt, vielleicht auch 

1921, 25, der aus Ps.-Plut. de nobil. 20 VII 269 ClaudiansGigantomachieundApoUinaris'Psalmen- 

Bem, schMeBen will, das Buch sei doxographisch Metaphrase (vgl. Pap. Cairo Cat. 67 185 Verso 18 

angelegt gewesen). "Dber die Benutzung bei Viaarro mit Apoll. 73, 43 u. a.). Wichtig als Vorbild ist 
s. Hempel De Varronis auctoribus (Lpz. 1908) 20 Pap. Plor. II 114, ein Lobgedicht auf einen Dux 

und Waehler De Varronis fontibus (Jena der Thebais (aus KoUuthos' iyjicof^ia 8t' sncbv ?) j 

1912) 77. Es muB auch mit der Benutzung des das Motiv von IV 11 dieses Gedichts hat D. Pap. 

D. durch Vergil fiir die Georgica gerechnet wer- Cairo Cat. 67 187, 1 mit Anlehnung im Wortlaut 

den; g. Kroll Stud, zum Verstandn. 193. 195. iibernommen. Auch Alttestamentliches mengt sich 

[W. Kroll.] ein (die Zeder Milne Catal. lit. pap. 98 II 9, die 

S. 1087, 17 zum Art. Dioskoros: Arche Pap. Cairo Cat. 67183 Verso 8). Das ysvog 

7) Anwalt (oxolaoxiHog) und Gelegenheits- der iambischen Lobgedichte war in Agypten ver- 
dichter, aus Aphrodite {!A(pQo8lr7jg oico/^rj) in Ober- treten durch Andronikos von Hermupolis und 
agypten, etwa 520 bis kurz nach 585. D., Sohn Kyros von Antaiupolis (Phot. bibl. 536, 8ff. B.), 
des ApoUos, Enkel des D., Urenkel des Psimano- 30 den man mit dem Kyros, yqafjiimxiKog und De- 
bet, war Kopte nach Herkunft und Muttersprache ; curio von Antaiupolis, identifizieren darf, an 
von ihm geschriebene koptische Urkunden sind den bzw. an dessen Erben der Vater des D. 
mehrere erhalten (z. B. Pap. Lend. V 1709), eben- und er selbst Pacht zu zahlen hatte (Pap. 
soeingriechisch-koptischesGlossar(hrsg.vonBell Cairo Cat. 67134. 67135. 67326. 67327). Be- 
und Crum Aegyptus VI 1925, 177ff.). Er gehOrte senders an den letzteren wird D. angekntipft 
zu den Grundbesitzern (mrjtoQeg) seiner Heimat- haben. Seine unmetrischen lamben, die haufig, 
stadt, hatte das Amt eines jiQCDxoTtcoiJLrjXYjg von aber keineswegs immer die vorletzte Silbe 
seinem Vater ererbt und war Procurator des betonen, weisen Eeminiszenzen an die TragOdie, 
Klosters Apa Apollos. Eine Eeise ftihrte ihn die alte Komodie (Cronert Gnomon II 660) 
551 bis nach Konstantinopel (Pap. Cairo Cat. 40 und Menander (v. Wilamowitz S.-Ber. Akad. 
67032). Infolge eines Konfliktes mit dem Pagar- Berl. 1916, ^Q, 1) auf. Auch an Anakreonteen 
chen von Antaiupolis verier er einen Teil seiner hat sich D. versucht (Pap. Cairo Cat. 67097), 
Besitzungen, muBte Aphrodito verlassen und be- auch hierin die literarischen Bestrebungen seiner 
gab sich nach Antinoupolis, wo es ihm gelang, Zeit widerspiegelnd. Der prosaischen Stiliibung 
die Stellung eines Notars zu erhalten. Sein Auf- diente ein diTjyrjfjLa dno^crjQv^ecDg (ebd.). Be- 
enthalt ist hier fiir 566 bezeugt (Pap. Cairo Cat. zeichnend ist, daB D. sich nicht nur ein iso- 
67161). Vor dem Herbst 573 (Bell Aegyptus VI psephes Gebet an den Heiligen Senas (Pap. Cairo 
178) kehrte er in seine Vaterstadt zurtick und Cat. 67024), sondern auch eine Zauberformel auf- 
lebte dort wieder als angesehener Burger. Die geschrieben hat (Pap. Cairo Cat. 67 188. Griech. 
letzten datierten Urkunden aus seinem Besitz sind 50 Zauberpap. II P 13a). 

vom J. 585 (Pap. Cairo Cat. 67111 und 67325); Die Gedichte des D. sind an folgenden Stellen 

bald danach muB er gestorben sein. — D. hat publiziert: 1. Die Berliner Stiicke von Schubart 

sich bemiiht, sich die Bildung anzueignen, die und v. Wilamowitz Berl. Klassikertexte V 

eine agyptische Kleinstadt zu seiner Zeit ver- (1907), XI nr. 3 (auf den Dux der Thebais Jo- 

mitteln konnte; er hat mancherlei gelesen; die hannes; J. MasperoByz. Ztschr. XIX1910, Iff.); 

Cairener Papyri des Menander und des Eupolis auch nr. 2 auf einen unbekannten Dux der The- 

stammen hochstwahrscheinlich aus seinem Besitz bais wird D. gehOren. 2. Die Cairener von 



(v. Wilamowitz S.-Ber. Akad. Berl. 1916, QQ, 1). J. Mas per o Papyrus grecs d'^poque byzantine 

Seine eigenen poetischen Versuche, die er nicht Bd. 1—3, 1911—1916 nr. 67055. 67097. 67120. 
publizierte und die nur als Konzepte mit zahl- 60 67131. 67177—67188. 67279. 67315—67318; 

reichen Varianten erhalten sind, sind das letzte mit franzOs. tJbersetzung von J. Maspero Eev. 

Erzeugnis der agyptischen Dichterschule. Ist schon dt. gr. XXIV 1911, 426ff. 3. Die Londoner von 

an Kolluthos zu bemerken, wie die Herrschaft H. J. M. Milne Catalogue of the lit. Papyri in 

iiber die gelehrte Dichtersprache zu schwinden the Brit. Mus., Lend. 1927, nr. 98—101 ; einige 

beginnt, so herrscht hier vGlliger Verfall von davon in italienischer tJbersetzung bei C alder in i 

Metrik, Grammatik und Gedankenfolge ; bisweilen Aegyptus II 1921, 149ff. — Fiir das Leben des 

verwechselt der Dichter auch die Vokabeln (z. B. D. grundlegend J. Maspero Eev. ^t. gr. XXIV 

lJiOQ(pYi mit 6iA(prj Pap. Cairo Cat. 67183 Verso 9). 426ff. Ferner H. I. Bell Greek Papyri in the Brit. 



29 Donuca Egrilius 30 

Mus. Y, Lond. 1917, Introduction. W. Scliii- (Liv. XL 22, 7). Die Schilderung dieses touristischen 

bart Einfiihr. in die Papyruskunde 145ff. L. Unternehmens durch Liv. XL 22, 4ff. (nebenbei be- 

Wenger Volk n. Staat in Agypten (Miinchen merkt eines der wenigen Beispiele dieser Art 

1922) 32. CrOnert Gnomon II 1926, 654ff. aas dem Altertum) gibt Einblick in die Natur 

[KeydelL] des Berges: modieus primo labor in imis colli- 

Donuca heifit bei Liv. XL 58, 2 ein Berg bus fuit. Quantum in altitudinem egrediebantur, 

ingentis altitudinis, zweifellos (N i e s e Griech. magis magisque silvestria et pleraque invia loca 

und mak. Staaten III 100, 6, Oberhummer excipiebant; pervenere deinde in tarn opaeum 

Bd. Ill A S. 567 Art. Scorn i us) mit dem iter, ut prae densitate arborum immissorumque 
von Polyb. XXXIV 10, 15 bei Strab. IV 208 10 aliorum in alios ramorum perspiei caelum vix 

genannten Aovva^ (s. d.) identisch. posset. TJt vero iugis appropinquahant, quod 

[Max Eluss.] rarum in altis locis est, adeo omnia contecta 

Drosica {Aqooi^c^), thrakische Strategic, ge- nebula, ut haud seeus quam noeturno itinera 

nannt von Ptolem. Ill 11, 6 unter den Strategien impedirentur. Der D. ist hochstwahrscheinlich 

in der Nahe Makedoniens nnd des Agaischen das heutige Eilogebirge (so K i e p e r t FOA XVI, 

Meeres, und zwar zwischen den Strategien Mai- XVII Text 1, 6. Niese III 100, 6. Sehmsdorf 

biKYi und KoilrixiHYi (s. Bd. XI S. 1049. XIV a. 0. Kazarow 931f; ders. Klio VI 169,7. 

5. 541). R. Kie pert FOA XVI verzeichnet die- Oberhummer a. 0. Patsch S.-Ber. Akad. 
selbe in der Rhodope ostlich vom mittleren Lauf Wien 214. Bd. 1. Abh. 12f; anders Jirecek 
des Nestos. M u 1 1 e r Ptolem. Ill 11, 6 vermutet, 20 D. Fiirstentum Bulgarien 374 und Tomasehek 
dafi D. das Gebiet der Drooi (s. o. Bd. V S. 1720. D. alten Thraker II 2, 89, die den D. mit der 
Kahrstedt GGN 1931, 186) umfaBte. To ma- Vitosa identifizieren), und nocb heute flihrt der 
schek Thraker I 69 erschliefit aus dem Namen siidostliche Teil dieses Gebirgsstockes am linken 
D. einen thrakischen Stamm Aqoooi, VgL Kalo- Ufer des Flusses Rila denNamenDumawa(Kaza- 
pothakes De Thracia Prov. Romana 19. row 931. Ischirkoff Oro- und Hydrographie 

[G. Kazarow.] v. Bulgarien 37). Die Schilderung, die Aristot. 

Dunax (Polyb. XXXIV 10, 15 bei Strab. IV metaph. I 13, 24ff. vom Skombros (der heufcigen 

208 Aovva^, bei Liv. XL 58, 2 montem . . . Do- Vitoscha) entwirft, paBt besser auf den D. (0 b e r- 

nucam wahrscheinlich verschrieben ftir Dunaea, hummer), wie denn auch die Quellen der drei 

vgl. Niese Griech. und mak. Staaten III 100, 30 von ihm genannten Fltisse Strymon, Nestos und 

6. Oberhummer Bd. Ill A S. 567), ein Berg Hebros auf der Rilo planina zu suchen sind, auf 
in Thrakien. der auch der Oescus entspringt. Mit Recht nimmt 

Im Kriege der Thraker mit den Bastarnern P a t s c h 13 an, dafi Thuk. II 96, 4 mit den 

nach dem Tode Philipps V. von Macedonien Worten eQrjfj,ov xo oQog koX [xeya, ky,6[A,svov xfjg 

spielte der D. sine Rolle; er wird namlich un- TodojzTjg, den er als Quellgebiet des Oescus, 

ter den Bergen genannt, auf die sich die Thra- Nestos und Hebros bezeichnet, den D. im Auge 

ker vor ihren Gegnern zuriickgezogen haben; ein gehabt habe. [Max Fluss.] 

Angriff auf sie daselbst miBlang, da die Bastar- Ebraittos {'TJ^Qaixxos Herod, synecd. 636, 8) 

ner bei einem furchtbaren Unwetter durch einen ist mit dem in den Quellen vielfach verschieden 
Schneesturm auf den Bergen zuriickgetrieben 40 geschriebenen Abrytus (Bd. I S. 116) identisch. 
wurden, so da6 sie praeeipiti fuga per rupes [Max Fluss.] 

praealtas improvidi st&rnerentur ruerentque (Liv. Ecritusirus. Der Name dieses KOnigs ist 

XL 58. Niese III lOOf. Sehmsdorf D. Ger- uns allein durch eine silberne Munze bekannt, 

manen in den Balkanlandern bis zum Auftreten die am Mallnitzer Tauern im J. 1904 gefunden 

der Goten 12). Polybios zahlt den D. neben Hae- (Kenner Mitteil. d. Zentralkomm. IV, 1905, 159ffj, 

mus und Rhodope mit Recht zu den oqtj /neyi- die Legende Gaesatorix re[x] Eeritusiri reg(is) 

oxa . . . sv xfj ©q4?c7j; auch Liv. XL 58, 2 be- fil(ius) tmgt, K u b i t s c h e k (Osterr. Jahresh. IX, 

zeichnet ihn als einen Berg ingentis altitudinis; 1906, 73ff.) sieht ihn aus sprachlichen und miinz- 

daher ist es nicht mOglich, die Angabe des Polyb. stilistischen Griinden fiir eine Person mit dem 
XXXIV 10, 16 xovxcov [A.ev sKaoxov jliixqov dslv 50 aus den Kampfen mit den Dakern bekannten 

avd'TjfxeQov svCcovoig dva^fjvai, av'dTjf^sQov Ss xat KOnige der Boier Critasirus (Strab. VII 304. 313; 

neQiehd-slv auf den D. zu beziehen und schon vgl. auch Pat sch S.-Ber. Akad. Wien phil.-hist. 

gar nicht, wenn bei dem Gipfel, den Philipp Kl. 214.Bd. l.Abh. 44,5) an (vgl.Art. Z^«raa«^o?). 
V. von Makedonien auf seinem Zuge gegen die [Max Fluss.] 

Maeder im J. 181 v. Chr. zur Zeit der Hundstage S. 1387, 27 zum Art. Eggius: 

bestieg (Liv. XL 22), an den D. gedacht werden 3a) [L.] Eggius MaruUus, Consul suffectus 

soUte (so Niese III 29,4, auch Kazarow im J. Ill mit T. Avidius Quietus fasti Ostienses 

Woch. f. kl. Philol. XXII (1905) 932, anders zu- Calza Not. d.scav. 1932, 188ff. [Groag.] 

letzt Lenk Bd. XIV S. 541, der sich der all- S. 2011,24 zum Art. Egrilius: 

gemeinen Ansicht, diesen Gipfel mit dem mons 60 4) M. Acilius Prisons Egrilius Plarianus. Vgl. 

Scomius zu identifizieren, anschlieBt; denn der tiber ihn und die anderen Egrilier Wickert 

Gipfel wurde tertio demum die (Liv. XL 22, 6) S.-Ber. Akad. Berl. phil.-hist. Kl. 1928, 61fl'. 
erreicht und auch der Abstieg erforderte zwei Tage [Groag.] 



81 Erdmessung Erdmessung 32 



Znm sechsten Bande. 

Erdmessung (avafietQrjoig, dimensuratio). konne, aber nicht miisse, weiten Spielraum 

Inhalt: 1. Die frtihen Anfange der Lehre lassen, und unsere neuen Beweismittel nicht heran- 

von der Kugelgestalt der Erde. Aristoteles, Arist- gezogen werden konnten. Indes haben viele Mo- 

archos. 2. Archimedes, Dikaiarchos. 3. Eratosthe- mente sinnfaliig auf die Annahme der Kugelge- 

nes. 4. Hipparehos. 5. Poseidonios. 6. Ptole- stalt hingefiihrt: in erster Linie die tagtaglich 

maios. 7. Kosmas Indopleustes. 8. Arabisohe E. an den Hinmiel geschriebenen Enndungen der 

dureh Al Manmn. Sonne und des Mondes nnd der Erdsehatten bei 

Dies ist ein von Modernen oft nnd znm Teil Mondfinsternissen ; die Geitendmachung und zeit- 

mit Leidenschaft behandelter Stoff. Es will aber liche Abfolge vieler anderer Beweismittel sind 
dem Unterzeichneten bediinken, da6 er bisher 10 heute noch nicht sichergestellt und werden viel- 

weder gleichmafiig noch auch ausreichend unter- leicht auch in Zukunft nicht klargestellt werden 

sucht worden ist. Da6 auch dieser im letzten kCnnen ; sie brauchen auch keine ErOrterung in 

Augenblick zugesagte und unter erheblichen diesem unserem Zusammenhang. Eine einzige 

Schwierigkeiten ausgeflihrte Nachtrag nicht das Hauptstelle sei hieftir besonders angefiihrt: Ari- 

zu leisten vermag, was der Stoff verlangt, weifi stoteles mQi ovQavov 11 13,1 p. 293 a: aXXa 

der Verfasser. ludes scheint es ihm, dafi seine tcov nXeiaxcov im rod fiioov xeto'&ai Xeyovxcov, oooi 

Darstellung einer Neubehandlung wenigstens den z6v bXov ovQav6v szejieQaofAsvov slvai q)aaiv, ivav- 

Weg vorbereiten kann. Vor allem sei auch be- rlcog oi nsQl trjv Itaklav, nakoviiEvoi be Uv&ayo- 

merkt, dafi die Fragen der olxovf^ivr] sich besser Qeioif Uyovoiv snl /nkv yaQ tov fjieoov nvQ slvai 
abtrennen lassen und unter diesem Schlagworte 20 q)aoij rrjv 6s yfjv sv tcov aotQcov o^oav xvxXcp 

zu erOrtern sein werden. (patvo/Ltsvrjv nsQl to ixsaov vvKta ts xat 'rjfjiSQav 

§ 1. Allem Anschein nach ist tiberhaupt zum noisiv. stt d'ivavtlav akXr}v ravtf]v TiaraoxsvaCovai 

erstenmal auf griechischem Kulturboden eine im yfjv fjv avtix'&ova ovofia pcaXovoiv, ov jtQog ta 

wesentlichen richtige Auffassung der Grundziige q?aiv6fytsva tovg Xoyovg xal tag altiag ^rjtovvteg, 

der astronomischen Geographic zur Geltung ge- aXXa nQog tivag do^ag xai Xoyovg avtcbv ta q)ai' 

bracht worden. Anfang und Ansporn mOgen, wie vofAsva jtQoosXxovtsg, nal nsiQcbiJisvoi ovypioo/j,siv == 

vielfach angenommen worden ist, aus dem frtiher (nach der tJbers. Prantl), ,wahrend die meisten, 

und energischer zivilisierten Osten, vor allem aus namlich alle diejenigen, welche das ganze Himmels- 

dem Zweistromland und Aegypten gekommen sein ; gebaude als ein Begrenztes bezeichnen, sagen, daB 
vgl. Boll Bd. VI S. 2337ff. Aber wir besitzen 30 sie in der Mitte sich befinde, sprechen die Philo- 

anscheinend bisher wenigstens flir die -Kugelge- sophen in Italien, namlich die sog. Pythagoraeer, 

stalt der HimmelskOrper und also auch der Erde, in entgegengesetzter Weise ; denn diese behaupten, 

sowie fiir die Ereisbahnen der Gestirne, kein strikt im Mittelpunkte sei Feuer ; die Erde aber, welche 

bejahendes Zeugnis und sind daher nicht in der selbst eines der Gestirne sei, werde im Kreise um 

Lage Einwirkungen aus dem Osten als fiir den ge- den Mittelpunkt bewegt und bewirke hiedurch 

waltigen und zur Bewunderung zwingenden Auf- Tag und Nacht. Ferner aber konstruieren sie auch 

schwung dieser Kapitel bei den Pythagoraeern eine zweite, der ersten entgegengesetzte Erde, 

bestimmend anzusehen. Aber auch hier sind die welche sie mit dem Worte ,Gegenerde' bezeichnen, 

Entwicklungsstadien vorlaufig keineswegs klar indem sie dabei nicht im Hinblick auf die fakti- 
und aufier Streit. Wir mtissen damit rechnen, dafi 40 sche Erscheinung die Begriindungen und die Ur- 

hochstens die gebildeten Kreise folgen konnten, sachen suchen, sondern im Hinblick auf gewisse 

und, was damit nicht gleichbedeutend ist, folgen Begriindungen und eigene Meinungen die faktische 

wollten, und dafi noch in Metons Zeit Aristophanes Erscheinung herbeizwangen und das Weltall zu 

auf den Beifall des Theaters rechnen durfte, wenn ordnen versuchen.* 

er (vgl. Kubitschek Bd. XV S. 1399f.) in Der Wahrheit von der Kugellehre vermochten, 

den VOgeln 995ff. diesen Astronomen verspottete so wenig auf dem Weg bis Platon und Aristoteles 

und zum Schlufi seiner Worte noch durch das Zweifel und Spott samt Phantasterei ihr etwas 

Bekenntnis persifflierte do'd'co (AstQYjom xavovi nQoa- ernstlich anhaben konnten, spaterhin andere 

tid'sig, Iva 6 avTiXog ysvfjtal ooi rstQaycovog, nav Schwierigkeiten sich entgegenzustellen. Im Gegen- 
lAsoc^ dyoQdj (psQovoai 8'Sotv slg avtrjv odoi oQd'al 50 teil breitet sie sich aus und wird wirtschaftlich 

TiQog m)t6 to [isoovy monsQ S'dotsQog, avzov TivxXo- fruchtbarer. Ja, Ari starches von Samos hat zu 

tsQov ovtog^ oQ'&al navtaxfi oLKtlvsg dnoXduTtoyoiv, Anfang des 3. Jhdts. auch schon den Kopernika- 

Erst von Aristoteles ab haben wir entschie- nischen Lehrsatz vorweg genommen und den geo- 

denes Bekenntnis zur Kugelgestalt und wahre zentrischen Standpunkt aufge^eben, ohne indes 

Anerkennung der pythagoraeischen Verdienste um durehzudringon (o. Bd. II S. 875). Er hat die Sonne 

sie (Hugo Berger Gesch. wiss. Erdkunde der als Mittelpunkt unseres irdischen Systems prokla- 

Griechen2 171iF.; vgl. Gercke Bd. II S. 1045), miert und ein neues Lehrprogramm auf gesteUt :7r£^t 

obwohl wie H. Wagner Lehrbuch der Geographic ixsysd'cov nal dnootrjfjLdxoyv rjXiov nal osXrjvrjg. 

110 99 betont, ,die meisten der angefiihrten Dieses Schriftchen ist uns erhalten, weil der Lehr- 
Beobachtungen in Wahrheit nicht zu grob sinn-60 bedarf der hoherenalexandrinischenSchulenftirden 

lichen Beweisen sich erheben' und .,der Schlufi- Mathematiker und fArjxaviHog ihre Aufnahme in 

folgerungS dafi sich die Sache so verhalten das Corpus astronomischer Traktate ratlich hat er- 



38 Erdmessung Erdmessung 34 

scheinen lassen. So gehorte sie fortab in den fxixQog verstEndlich ihr feindselig gesinnten Thrakern 

aotQovofiog (oder dozQovojuovjusvog, namlich to- zerstOrt und erst wieder nach 200 durch Antio- 

Ttog) zusammen mit der ,groBen* Syntaxis des chos III. neu anfgebant worden. Also blieben nur 

Klaudios Ptplemaios, des sog. Geograpben ; so ist die J. 309 — 281 fur das Experiment mit dem 

dieses Bild der Vorstellung vom Weltall auf uns Erdvermessen librig, da sonst Eratosthenes nicht 

gekommen, anscheinend. niclit in seiner altesten mit seinem Ergebnis hatte rivalisieren kOnnen. 

Gestalt, vgl. Hultsch Bd, II S. 874 und J. L. Hei- DaB aber die hier vermutete Zerst(Jning der Stadt 

berg Gesch. der Mathematik und Naturwiss. bloB anf einem Versehen berubt, mag der aus- 

imAltert. Iw. Mtillers Handb. V 1. 2,43. 52f. fiibrliche Artikel von J. Weiss (Bd. XIII 
(iiber Ansgaben ebd. 53, 3) ; es bringt die Be- 10 S. 2555) zeigen. Damit fallt freilich eine nicbt 

recbnung der Lange des Sonnenjabres, GrCBe und gar so unwesentliche Stiitze fiir die Verkntipfung 

Entfernung dex Sonne und des Mondes von der Dikaiarcbs mit der angeblichen E. von Lysimacbeia 

Erde und andere Grundlehren in z. T. grundle- fort. Mir scbeint das erbebliche Moment fiir das 

gender und vorbildlicber Ausfilbrung. Freilich ge- VerstMndnis der Stelle des Archimedes, daB dieser 

Mhrt ihm nieht obne iveiteres der Bubm des woM von dem 300000 Stadien-Ansatz des Di- 

Nachfolgers eines Porschers oder einer bedeuten- kaiarchos sprecben soil, nicht aber auch yon dem 

den Schule ; vielleicht nur das Verdienst eines Ansatz des Eratosthenes. Der Meridian durch Ly- 

Exzerptors oder Wiederholeris bekannter und in simacheia und Syene betragt, gemessen an den 

Schulkreisen (jfter wiederholter S§.tze. Sternen im Zenith dieser beiden Ortlichkeiten, 

Mit dem Lehrsatz von der Erde, tiber den 20 Brachenkopf und Krebs, 1/15 (p- '78 Z. 10) des 

mehr hier zu sagen nicht Platz ist und ftir Zodiakalkreises. Aber man verfolge das gesamte 

den ich im txbrigen auf Berger und auf Hei- Kapitel und urteile, inwiefern von einer E. zu 

berg 82ff. verweise, waren jedenfalls Vorbe- BOO 000 Stadien die Eede ist: , Ware unsere Erde 

dingungen fiir die Abmessungen auf der Erdkugel, eine flaehe Scheibe, so wiirde der maf^og einen 

Eeststellung ihres Burchmessers und der grQfiten Durchmesser von 100 000 Stadien haben, Denn 

Kreise, also auch ihres Umfanges, ihrer Zonen- die Einwohner von Lysimacbeia haben den Drachen- 

und Klimaeinteilung gegeben. kopf im Zenit, im Zenit der Landschaft von Syene 

Bestimmte Zahlen {odQi vielmehr, worauf be- sitzt der Krebs. Vom Meridian durch Lysimacbeia 

sonderes Gewicht zu legen ist, Annaherungswerte) und durch Syene fallt 1/^5 auf den Kreis-Teil {jis^i- 
erfahren wir fiir den Urafang durch Aristoteles 30 (psQsia) Yom Drachen zum Krebs, wie mit den 

nsQi ovqavov II 14 p. 298 a tcav fiad'riimtiKm Schattenweisern bewiesen wird. l/is des ganzen 

0001 to [xkysd'og avoXoyl^eod'ai ^iBiQwvxai tfjg utegi- xvKlog (Tierkreises) ist nabezu % (^s^Titov eyyt- 

<peQsiag, elg TettaQatcovta Xeyovaiv slvai fj,VQtadag ota) des ganzen Durchmessers (namlicb des Durch- 

otadlcov (altere Mathematiker, die die GrdBe des messers des Tierkreises). Setzen wir nun die Erde 

TJmfangs zu berechnen versuchen, haben die Zahl als Scheibe voraus und Ziehen wir Lotlinien yon 

von 400000 Stadien aufgestellt), wobei der Ton dem Umlauf der ;it€Qi<piQ€ia, dh vom Drachen 

wesentlich durch jiet^covtat bestimmt ist. zum Krebs zieht^ auf sie, so werden diese Linien 

§ 2. Zeitlich folgt Archimedes, der in seinem den Durchmesser treifen, welcher zum Meridian 

WafAfjiitr)g (Hultsch Bd. II S. 515ff., vgl. ebd. von Lysimacbeia und Syene gehSrt. Zwischen 
5B7f.) an KOnig Gelon, Sobn und Mitregenten Hie- 40 beiden Lotlinien liegen nun 20000 (das MaB wird 

rons II., Ausg. Heiberg II 220 schreibt: ttqo)' nicht genannt); denn von Syene nach Lysimacbeia 

zov fxh ray nsQ'mstQov tag ydg slfiev (hg t (ivQtd- sind 20 000 Stadien. Da nun die Distanz V5 <i®s 

da>v oxabiwv (3 Millionen Stadien) ^al /lit^ /nsl^ova, gesamten Burchmessers ausmacht, wird der 

xalszeQ tivcbv (liber diese tivhg s. u. Z. 58) jis- ganzeDurchmesser des Meridians 100000 betragen. 

miQaf^ivcov (also dieselbe Vorstellung und Be- Hat der noojuog einen Durchmesser von 100 000, 

zeichnung wie 0. Z. 32 im Aristoteles-Zitat) so wird er einen grOBten mvxlog von 300000 

wiobuHvvuvy Ha'd'cbg Hal tv naQaxoXovd>sig, eovoav haben.* Bis bieher ist alles in der Hauptsacbe 

avtav wg X fivqiabwv (300 ^0^) otadlcov iyo) d^vsisQ- verniinftig ; denn, wenn die Distanz der beiden 

paXloi^Bvog Hal d-elg ro {Asysd'og tag yag dsHautlaoiov Gestirne V15 des Kreises betragt, so muB der ganze 
tov vnd tcov sT^otiQco'y dsdo^ao^svov tav ^eQlfestQov ^0 Kreis 15 mal grOBer sein als jene Distanz, und 

avtag etfjisv c5? t ftvQiddo^v (8 Millionen) Gtadlcov nal da diese 20 000 Stadien ausmacht, 300 000 ; und 

/*^ /<es{C<J^. Bergerhatwiederholt, soErdk.2 370ft*., ferner niuB der Durchmesser wie gesagt 100 000 

t^^^^t:^llil^ttZ£S':Z^L ^«tra.en nach der gew«h„lichen Fennel D = § 

und den Nam en des Bi kaiarchos von Messene, wobei n wie gleicbfalls iiblich mit 3 gerechnet 

Schtilers und angeblichen Dissidenten dm Aristo- wird. 

teles (s. Martini 0. Bd. V S. 560) daran gekniipft. HSren wir weiter: ,Im Verhaltnis zu ihm (nam- 

BaB Archimedes 0. Z. 50, den Plural tivhg und lich dem xixkog) ist die Erde nur ein Punkt und hat 

ol TtQotsQoi fiir die einzige Person des Bikaiarchos 250000 (offensichtlich Stadien, und so muB auch mit 
verwendet haben soil, hat alierdings nichts auf 60 dem Nurnberger Codex otaUwv dazu gesetzt oder 

sich, da er ja auch einen oder mehrere seiner wenigstens gedacht werden. Benn man beachte, daB 

Schiller mitverstanden haben mag. Auch liegt die nicht benannten Zahlen dieses Abschnitts sich 

kein Anacbronismus vor, da Lysimacbeia, welches auf die den Landstrecken entsprechenden Einheiten 

in dem einzigen Bericht, den wir darixber haben, auf derHimmelskugelbeziehen!). Derunmittelbar 

bei Kleomedes I 8, genannt wird, durch Konig folgende Satz erinnert daran, daB die Sonne, 

Lysimachos um J. 309 gegriindet worden war, die doch vielmal grOBer als derErdkdrper ist, 

Alierdings ist sie nach Lysimachos' Tod (281) nur einen winzigen Platz auf dem Himmelszelt 

nach Berger von den umwohnenden und selbst- einnimmt, und also einen neuen Beweis fiir die 

Pauly-Wissowa-KroII Suppl. VI 2 



35 Erdmessung Erdmessung 36 

Eugelgestalt der Erde liefer t (p. 80.) Dann werden sein, wenn er in seiner Entstehungsgeschichte des 

im gleichen Abschnitt die Thesen einer scMssel- kartograpliischen Erdbildes des Klandios Ptole- 

formigen Grestalt der Erde, dann eines Wtirfels, niaios(= S.-Ber.Akad.Berl. 1930)228 meint: Da6 

einer Pyramide nsw. ad absurdnm gefiihrt. Wo er die Feststellung seiner terrestrischen Linie ,mit- 

bleibt also bei Kleomedes derNachweis einer E. tels geodatischer Methoden und Triangulation usw. 

von 300 000 Stadien, den selbst Heiberg 83 in gefunden habe, ist im Altertum nirgends bezeugt 

Bergers Sinn anznnebmen gewillt ist? und moderne Phantasie.* Die Annahme ist um so 

Nur, nm dieses Kapitel abzurunden, bemerke weniger bereehtigt, als die Notiz des Mart. Cap. 

icb, VI 598 Eratosthenes a Syene ad Meroen per 

a) dafi Lysimacheia und Syene nicht am nam- 10 mensores regios Ptolemaei certior de stadiorum 
lichen Meridian liegen, sondern um rund 6 ° von- numero redditus quotaque portio telluris esset 
einander entfernt; Ptoleraaios bietet fur Lysi- adsertus durchaua nicht unbedingt falsch oder 
macheia 54° 10', fiir Syene 62°Lange; miBverstanden sein muB, wie man gewchnlich 

b) es wird kaum mOglich sein, dafi Eratosthenes liest. Man findet verstandige Erwagung bei 
auch in diesem Punkte (gleichviel ob mit Eecht Nissen Rh. Mus. LVIII 238 und denke ferner 
oder nicht) als sehOpferisehes Genie seinen die an die Postreiter, iiber die uns der Papyrus 
E. im Prinzip rettenden Gedanken verwirklicht von Hibeh (Wilcken Grundz. 372ff.; Chresto- 
haben soil, wenn ihm die E. von Lysimacheia das mathie 435) liberraschende Kunde und RuckschluB 
wichtigste Element, das Zusammentreffen der auf die persische Einrichtung der kOniglichen 
Messung auf dem Himmel und auf dem Erdboden, 20 Schnellpost auch im Nilland gebracht hat. Die 
so vor der Nase weggeschnappt hatte. Postdirektion der Ptolemaeer hat Erathosthenes 

§ 3. Kleomedes (1 10) soil uns auch gleich zu gewiB alle einschlagigen Nachrichten (vielleicht 

Eratosthenes fiihren. ,tJber die Gr()Be des Erd- sogar bis Meroe, das allerdings bei Mart. Cap. nicht 

kOrpers haben die Naturf orscher ((pvoiHol) mehrere erst durch ein Versehen *) in den Text gelangt 

Meinungen geauBert. Wahrscheinlicher lauten die zu sein scheint, einhandigen konnen ; und diese 

des Poseidonios und des Eratosthenes ; letzterer Streckenlangen sind mir viel wahrscheinlicher als 

auf mathematischer Grundlage (dia yecofxstQiTcfjg der Umweg liber die jahrlichen Landvermessungen 

eq)6dov); jenes Beweisflihrung ist einfacher [dLnXov- des Ackerbodens, auf die man sonst hinweist, wenn 

otsQo). Beide beginnen mit Voraussetzungen und sie auch nicht mit MeBlatten.und MeBschniiren 
kommendurchFolgerungenausihhenzuBeweisen.' 30gewonnen worden waren. 

Aber Eratosthenes war vorangegangen und hatte Die Schrift, in der Eratosthenes, der erste, der 

die Methode angegeben, nach der auch andere das sich als Philologen bezeichnen lassen woUte, die 

namliche Thema kritisieren oder, wie die Musiker Ergebnisse seiner Erdmessung vorgetragen hat, 

sagen, variieren kSnnen; kritisiert hat den Be- mag, wie Knaack Bd. VI S. 364 referiert, in 

weis u. a. Hipparch, variiert u. a. Poseidonios. einer besonderen Publikation, die Heron Dioptrik 

Zu sagen, wie das gewChnlich geschieht, daB c. 35 (302 Sch) zitiert, ausgefiihrt haben, kv (xc^) 

Eratosthenes und nach ihm Poseidonios, oder imyQaq?of4,svcp nsQl tfjg avafjietQrioecog xfjg yfjg, die 

auch nach diesen noch Marines und Ptolemaios dann also nicht ein Teil seiner TEoayQacpiKa ge- 

die Erde vermessen hatten, geht nicht an. EratO' wesen ware, wie friiher angenommen worden ist; 
sthenes hat das Beweismaterial zusammengetragen 40 vgl. auch Berger2 407, der eine solche Sachlage 

und eine einleuchtende Bechnungsmethode gelie- vorausgesehen hat. Das waren also die lihri di- 

fert; natiirlich nur in Annaherungswerten. Aber mensionum, von denen Macrobius Somn. Scip. I 

wie kommen wir Moderne dazu, genaue Rechnung 20, 9 spricht. Ihren Inhalt skizziert Galenus Eioa- 

zu erwarten? Waren alle Umstande den Antiken ycoyrj diaXsTttiHri c. 12 p. 26f. Kalbfl.; aber ich 

bekannt wie z. B. die Abplattung der Erdkugel gebe ihn lieber und kiirzer mit Nissens 

an den Polen? Waren ihre Beobachtungsinstru- Worten wieder (232) : ,Die GroBe des Aequators, 

menteverlaBlich? KonntenihreLandmaBebefriedi- den Abstand der Wende- und Polar kreise, die 

gen? A. Sprenger hat in seiner alten Geographie Ausdehnung der Polarzone, GrOBe und Entfernung 

Arabiens (1875) dartiber gespottet, daB ,Erato- von Sonne und Mond, totale und partielle Ver- 
sthenes von den wichtigsten Orten am Meridian 50 finsterungen dieser HimmelskCrper, Wechsel der 

von Syene berichte, wie viele Stadien sie vom Tageslange nach den verschiedenen Breiten und 

Aequator entfernt sind, als ware er mit der Jahreszeiten, kurz und gut was wir astronomische 

Mefikette langs desselben auf- und niederspaziert, oder mathematische Astronomie nennen.* Diese 

und Ptolemaios, Buch 8, gebe von den vorzug- Arbeit wurde als wissenschaftliche Leistung ersteu 

lichsten Stationen an, wie viele Stunden die Sonne Grades gewertet, und Plin. n. h. II 247 versteigt 

friiher oder spater als in Alexandrien aufgehe, als 

hatte er in beiden Beobachtungsorten gleichzeitig *) Strab. II C 95 sagt ausdriicklich von dieser 
mit der Uhr in der Hand gestanden.' Nein, das Gegend : rovto /^sv o^v to didotrjfia ndtv iau fxstQTj- 
habe sich wedex Eratosthenes*) noch Ptolemaios tdv, nkelxai ts yciQ nal odsvetat. — Vgl. H. Nissen 
je einfallen lassen, solchen Dienst im Feld zu 60 in seinem wichtigen Aufsatz uber die B. des Erato- 
leisten. Ebensowenig wird P. Schnabelim Recht sthenes Rh. Mus. LVIII 237. Auch laBt eine etwas 
erweiterte Fassung der Details dieser E., so wie sie 

*) Damit soil aber in keiner Weise der durch Gerbert (spater 999—1003 n. Chr. als Papst: 

die ganze Entwicklung geforderten Forschungs- Silvester II) erzahlt, geom. c. 93, sich nicht einfach 

reise des Eratosthenes nach Syene und Meroe aus Mart. Cap. a. 0. ableiten, sondern empfiehlt als 

praejudiziert sein. Hingegen wird man gut tun, Quelle ftir sie einen ahnlichen,inhaltsreicheren (ver- 

Ptolemaios, wenigstens zur Zeit der Abfassung schoUenen) Bericht vorauszusetzen; vgl. Mti lien- 

seiner Geographie, als Stubengelehrten anzusehen. hoff Deutsche Altertumsk. I 274f, 



37 



Erdmessung 



Erdmessung 



38 



sich*) gelegentlich des Erdnmfanges zu der selbst 
in seinem Munde exzeptionellen Anerkennung: 
universum eircuitum Eratosthenes in omnium 
litterarum sublimitate in fiae utique 
eeteros solersy quern, cunctis probari 
CGLII milium stadiorum prodidit, quae 
mensura Bomana eomputatione effieit treeentiens 
quindeeies centenamilia passuum, (31 SOOMeilen), 
inprobum ausum, verum ita subtili argumenta- 



Diese Schattenlosigkeit erstrecke sich auf 800 
Stadien im Umkreis. 

Zu ihrer tJberpriifung sei (durch Eratosthenes 
Oder zur Untersttitzung seiner Studien) ein Brun- 
nen gegraben worden, Plin. n. h. II 183 tra- 
dunt puteum eius experim,enti gratia factum 
totum inluminari ; damit ist eigentlich nicht ge- 
sagt, da6 Eratosthenes die Anregung zur Anlage 
eines solchen Brunnens gegeben babe, wie alle 



tione conprehensum, tit pudeat non credere. Cen- 10 (und so auchNissen 286) meinen. Von anderer 



sorinus 15 nennt ihn daher orbis terrarum men- 
sor. Die Hohe dieser wissenschaftlichen Leistung 
ist ein beliebtes Diskussionsthema namentlich in 
letzter Zeit geworden, und nach der eleganten 
Behandlung Nissens in seinem Artikel iiber die 
Eratosthenes-Erdmessung Rh. Mus. LYIII ist 
Konrad Miller Erdmessung im Altertum und ihr 
Schieksal (1919) 18ff. gegen alle Welt, die heut- 
zutage das Yerdienst und die Originalitat des Era- 
tosthenes zu schmalern sich beiiissen zeigt, leb-20 
haft und leidenschaftlich aufgetreten und hat sich 
insbesondere gegen einen fast burlesk wirkenden 
Aufsatz von A. Sprenger im Ausland 1867 ge- 
wendet, der ohne irgendwo die Wahrheit zu 
streifen, dem Eratosthenes groBen Leichtsinn vor- 
geworfen hatte : ,Wenn er nur in Alexandrien in 
den Basar gegangen ware, hatte er dort Entfer- 
nungsangaben, ahnlich wie die im Orient allver- 
breiteten Itinerarien, erhalten konnen und hatte 
finden mlissen, dafi die Entfernung von Syene 30 
nach Alexandrien nicht 5000, sondern nur etwa 
3740 [richtiger 3750] betrage, auch daB Alexan- 
drien nicht unter dem gleichen Meridian liege 
usw. Es fehle ihm jeder Ernst und die Begeiste- 
rung ftir eine so wichtige Erage; deshalb sei an- 
zunehmen, daB er diese Messungen nicht selbst 
gemacht, sondern in Aegypten vorgefunden habe.* 
usw. usw. Besonders Miller hat sich tiber solchen 
,Raub* am jYerdienst der Originalitat* aufgehalten. 



Seite hat Sprenger dies Detail nur fiir ein Da- 
tum vor rund 700 v. Chr. mOglich sich bezeich- 



A = Alexandreia 

S = Syene 

Z = Erdmittelpunkt 

a = 7° 12' (als ein 
Ftinfzigstel des 
ganzen Kreises, 
bei A auch die 
Schattenlange] 




Pig. 2 



nen lassen, Ausland 1867, 1020*); Nissen aber 
urteilt von den Ortsangaben fiir Meroe, Wende- 
kreis, Syene und Alexandria, daB sie ,aufrichtigen 



im Innern und dem lotrecht aufgestellten Weiser 

(yvcbfjicov) ist Fig. 1 gegeben. Ygl. Mart. Cap. 41, 

194 scaphia rotunda ex aere vasa (eherne Ge- 

Richtig ist, daB Eratosthenes mitgroBerEnergie 40 faBe zum Auffangen der Sonnenstrahlen), quae ho- 



und Geduld auf zwei Wegen das Ziel verfolgt hat, 
und daB er anscheinend vom agyptischen KQnig 
dabei sehr gefOrdert worden ist. Sein Gedanke 
scheint uberaus einfach, seine Methode ist trotz 
der primitiven Mittel zwingend. Zunachst suchte 
Eratosthenes die geographische Breite von 
Alexandrien, wo er als kCniglicher Bibliothekar 
funktionierte, und von Syene, well er sie (mit Un- 
recht) am gleichen Meridian liegend vermutete. Fiir 



rarum ductus stili in medio fundo sui proceri- 
tate discriminant ; qui stilus gnomon appellatur. 
Zur Theorie vgl. z. B. D r e c k e r, Zeitmesser und 
Stundendeutung (1925) 71ff. 

*) Sprenger sagt dort: ,Ein solches Werk 
zur Konstatierung einer astronomischen Tatsache 
ist ganz im Geist der Erbauer der Pyramiden. 
Wir konnen sicher sein, es ist von den Pharaonen 
eibaut worden, und zwar etwa 700 Jahre v. Chr.* — 



Syene, heute Assuan, das er an den Wendekreis 50 Nach AbschluB des Manuskripts erst bemerkte ich, 



legte Oder legen zu soUen glaubte**), hatte er er- 
fahren, daB zu Mittag im Solstiz die Sonne wirk- 
lich im Zenit stehe und daB dort der Gnomon 
in der Skaphe***) deshalb ohne Schatten bleibe. 



*) N is s en 2381aBt ihn diese Zeilen ,in der ganzen 
Ehrlichkeit mangelndenYerstandnisses* schreiben: 
ein Wort zu schon, um es hier zu unterdrticken. 

**) Bei Ptolem. lY 5, 
32 und YII 5, 15 23'' 
50', heute 24° 4' 23" 
(ich entnehme die Zahl 
Nissen 237). 

***) Die tibliche 
Nachbildung einer sol- 
chen Halbkugel, auch 
GTtacptov oder noXos ge- 
nannt,mitParallelkreisen Fig. 1 




daB Strabon XYII 817 den heute wieder her- 
gestellten ,Nilmesser' mit seinen Marken des tJber- 
schwemmungsstandes und jenen Brunnen be- 
schreibt, in den die Sonne zur Zeit der Sommer- 
sonnenwende ihre Strahlen senkrecht hineinsandte, 
so daB (Aristides Rhet. Aigypt. II p. 347 J.) in- 
mitten des heiligen Brunnens die Sonnenscheibe 
wie ein Deckel auf der Wasserflache aufsitze. Ygl. 
die Stellensammlung Kees Bd. lY A S, 1020. Es 
60 ist also wohl ausgeschlossen (und wird auch wie 
gesagt von Plinius nicht direkt behauptet, son- 
dern ist von modernen Bearbeitern in den Text 
hineingelesen worden), daB Eratosthenes den 
merkwiirdigen Brunnen angelegt habe. Yielleicht 
hat eben die Kunde von ihm Eratosthenes zu 
seiner Arbeit oder besser gesagt bei seiner E. mit 
angeregt. [Ein befreundeter Astronom halt einen 
Spatansatz 700 v. Chr. fiir lange nicht ausreichend !] 



89 Erdmessung Erdmessung 40 

Eespekt vor der Sorgfalt der alten BeobacMer an. In WaTirheit liegen sie nnr 34*^ auseinander 

einfloBe*. Es seien die genauesten Bestimmnngen und der Beobachtungsfehler betragt nicht weniger 

des Altertums und batten sicb noch im 16. und als 44' (Z e c h Astron. Untersuchungen iiber die 

17. Jhdt. mit Ehren sehen lassen kOnnen. Finsternisse d. Altertums 33. 47). Der Mangel 

In Alexandrien zeigt gleichzeitig (Fig. 2) die des Zusammenarbeitens, das Fehlen einer die ver- 

Schattenuhr einen Winkel von 1° 12'. Diesem schiedenen Sitze der Gelehrsamkeit zusammen- 

entspricbt auf der Erdoberflacbe, paralleles Auf- haltenden Organisation wird zunacbst als die Ur- 

fallen der Sonnenstrablen vorausgesetzt, gegen sacbe betrachtet werden, wesbalb die Bestimmung 

welche Yoraussetzung bei der Lange der in Be- des E. den Alten nicht besser gegliickt ist. AUein 
tracht kommenden Linien (Erdradien zum Erd- 10 die Hauptscbuld ist den unzulanglicben Leistungen 

mittelpunkt bin) kein Hindernis gegenubertritt, ibrer Mechanik beizumessen. So N i s s e n 244. 

ein Meridianbogen, der mit rund 5000 Einheiten Nach den Tagen Hipparchs und des Poseidonios 

bemessen -wird ; die Einbeiten werden Stadien ge- (s. u. S. 42ff.), aber eben gestiitzt durch Eratosthenes' 

nannt, also mit den Namen der gewOhnlichen Erfolg, war (abgesehen von dem die Vorbereitung 

groBen Wegeinheit, dem 40. Teil des oxdivog, des der Kolumbusexpedition aufs auBerste erleichtern- 

,Me6strickes', d. i. 157,5 bis 159,8 m. Es soil den "GbermaB der Langenerstreckung gegen Osten) 

noch die Wertung des oxddiog unten S. 50ff. zur jener Gedankengang gegeben, aus dem Senecas Aus- 

Sprache kommen. — Besonders ist unter den ruf ,quaest. nat. I prol. 18* entstanden ist: tune 

beztiglichen Untersuchungen die von 0. Viede- contemnit (curiosus spectator) domicilii prioris 
b an tt Eratosthenes, Hipparchos und Poseidonios, 20 aw^t/s^ms. quantum enim est, quod ah ultimis 

Klio XIV 207 — 256 hervorzuheben. litoribus Hispaniae usque ad Indos iacet ? paueis- 

Eine Uhrenkontrolle des Verfahrens beim simorum dierum spatium, si navem suus ferat 

Winkelmessen ist auch beim winterlichen Solsti- ventus, implebit; vgl. u. S. 44, 42. 

tium mOglich. Kleomedes a. 0. p. 100 sKoteQcov Nur eines muB ich gleich hier bemerken: So 

(koXecov) omag dno^aXXovtwv fisi^cov fA,hv gj ev wichtig des Kleomedes Ausftihrungen fiir unsere 

'Me^avdQslq. evQcoHstai dvayxalcog did to TtUov Erkenntnis der Forschung des Eratosthenes sind, 

d(p8Gxdvai rov ;^f t^e^frou tQOJiiKov xyjv jioXiv tav- dlirfen wir uns nicht blind der Tatsache gegeniiber 

xriv und evQloKovGi xal ravzrjv fjieQog nsvxrjKootov verhalten, daB Eratosthenes in ihnen nicht in 

xov fjLsyloxmj xwv ev x(p wQoXoylq) kvxXcov usw. erster Linie steht, sondern eher und vorzugsweise 
Die Differenz zwischen den PolhOhen der beiden 30 allein die Untersuchungen des Poseidonios, und 

Beobachtungsorte (7° 7' 52") betragt nach Kleo- auch diese nicht in autoritarer Weise gegeben 

medes, der den Vorgang sehr genau und umstand- werden. Diese Erkenntnis ist nOtig, um etwaige 

lich darstellt, den 50. Teil eines groBten Erd- Verfalschungen und Abanderungen der erato- 

kreises ; 1 10 p. 100 ^ ds ye ev xfj ondcprj nevxrj- sthenischen Zahlen aufzuspiiren ; es ist in diesem 

Tcoaxov jue^og evQloKexai xov olxelov tcvhXov. del Augenblick also bloB vom prinzipiellen Standpunkt 

o^v dvay^aicog nal xo dnb 2vrjvr}g elg lAXe^dvdQeiav aus gleichgliltig, ob solche Anderungen aus Be- 

didoxf]jLia nsvxrjKooxov elvai [jieQog xov f4,eyloxov xfjg quemlichkeit (sog. ,Abrundung*), aus Yersehen 

yrjg Tivnlov Tcal eoxi xovxo otadlcov nevxaKioxiUoiv, oder durch Popularisierungsanwandlungen, Besser- 

6 aQa ovfA,nag avTikog yivexai fxvQiddoiv e'lnoot nevxe. wissen und spatere Korrekturen in Kleomedes' 
Halrj[A8vT^Qaxoo'&evovge(podogxoiavxr).J)z>^Vxmzv^^^llQiii gelangt sein mOgen. In ibrer Beurteilung 

war gewonnen und die MCglichkeit des Kugelbe- sind die Modernen weit auseinandergegangen, wie 

weises und des Erdumfangesstrenge gegeben. Besser ein Blick in Nissen, Yiedebantt 211 und 

konnte Eratosthenes dies nicht erreichen, schon Sehnabel 226 lehrt. Es handelt sich in erster 

mit Elicksicht auf den primitiven Charakter der Linie um den Erdumfang, um das Yerhaltnis des 

Mefiinstrumente und wegen der theoretischen Schattenwinkels zum Yollkreis und um die Mes- 

Unerfahrenheit betreffs der Genauigkeit oder der sung der Erdstrecke zwischen Alexandria und 

Fehlergrenzen seiner Beobachtungen. Die Alten Syene: 

rechneten selbst mit ihrem ,Unverm5gen' den Den Erdumfang*) gibt Kleomedes mit 250000 

westOstlichen Abstand zweier Orte astronomisch Stadien an ; alle anderen Zeugnisse, d. i. Yarro bei 
genau zu bestimmen. DaB dies durch gleichzeitige 50 Censorinus 13, 2, Yitruv. I 6, 9. Strab. II 113 

Beobachtungen von Mondfinsternissen und Stern- und 132; Geminos 164, 22; Heron Dioptra c. 35; 

bedeckungen zu erreichen sei, war wohl bekannt. Galen. Inst. log. c. 42 p. 26 ; Markianos Peripl. I 4 

Um eine zielbewuBte und gemeinschaftliche Arbeit (Miiller GGM I 519) und die 'Ynoxvncoaig 

anzubahnen und zu erleichtem, hat Hipparch fiir yewyQacpiag 1 2 (ebd. II 494) haben 252 000 Stadien. 

angeblich 600 Jahre die Finsternisse voraus be- tJber den Schattenwinkel und den zugeh()rigen 

rechnet. Und was war die Frucht seiner Mtihen ? tv/t-j* x. /i.1 ;i„«10 j^1q\ j 

PtolemaioshatfurseinKartenwerkkeineffimmels- Meridianbogen |ob_oder_ oder_?j und 

beobachtung nach Hipparch und uberhaupt nur die Lange der Landstrecke Syene — Alexandreia s. u. 

eine einzige alteren Datums benutzt (Geogr. I 4). Eine droUige Bestatigung der eratosthenisehen 
Das ist die berlihmte Mondfinsternis vom 30. 60 Messung hat eine Mystifikation gebracht, die man 

Sept. 331,dieumdie5. StundederNachtzuArbela, von einem namhaften Geometer Dionysodorus 

um die 2. Stunde zuKarthago beobachtet wurde*). (unbestimmter Zeit) erzahlte; s. Hultsch Bd. Y 
Ptolemaios halt die Zeitenangaben fiir richtig und S. 1005. Marcianus von Herakleia Periplus ext. 

setzt danach die Entfernung beider Stadte zu 45° 4 p. 519 Mtill. bezeugt dessen AnschluB an Era- 



*) Das Notwendigste iiber die totale Mond- *) Die Zitate auf die einschlagigen Stellen 

finsternis von Arbela 20. Sept. 331 v. Chr. gibt bringen B e r g e r Frg. des Hipparch 22 und 
Boll Bd. YI S. 2357. Yiedebantt KHo XIY 211. 



41 Erdmessung Erdmessung 42 

tosthenes' Bereclinung, nennt ihn aber Dionysos, hie und da einzeln aufgetaucht, nach und nach 

Sohn eines Diogenes. Strab. XII 549 bezeichnet immer mehr in Angriff genommen wurde, dafi 

ohne weiteres Detail einen Geometer au8 Melos sich die von Eratosthenes befolgte oder erfundene 

als der Erinnerung wtirdig. Plinius aber unter- Methode nach und nach zu einer allgemeinen 

drtickt (n. h. II 248) durchaus nicht den Scherz, Formel gestaltete, die nun, bei aUmahlicher Ver- 

den ein Dionysodoros ans Melos, ein namhafter besserung der Instrnmente einerseits und stetem 

Geometer, sich mit seinen weib lichen Hinter- Zweifel liber die Eichtigkeit terrestrischer Ent- 

bliebenen erlaubt haben soli. Man fand namlich fernungen andererseits jeden Mathematiker von 

nach seiner Bestattung eine epistula Dionysodori Each aufforderte, einen neuen Wert einzusetzen 
nomine ad superos seripta im Grabmal; er 10 und sein Resultat mit den iibrigen zu vergleichen, 

woUte bis zum Erdmittelpunkt vorgedrungen sein. oder auch flir das allein richtige zu halten.* *) 

Dieser Pankt liege 42 000 Stadien tief , weiter kOnne tJberhaupt liberwiegt bei Hipparch, wie das E e h m 

man von der Erdoberflache nicht kommen. Zu die- an einer Anzahl von Beispielen klargemacht hat, 

sem Eadius gehOren als Umfang (jt = 3 gerechnet) der Zug zum Kritischen, das MiBtrauen gegen 

just 252 000 Stadien. Harmonica ratio, fligt Pli- Hypothesen und aus diesen abgeleiteten Eort- 

nius ohne tJbergang an, so daB wir anscheinend schritten, ein Zug ins Geniale, aufierordentliche 

das auch noch auf Eratosthenes oder auf den Ulk Kenntnis der Astronomic und kuhne Geschicklich- 

des Dionysodorus beziehen muBten, verlauge noch keit im Herstellen des astronomischen Inventarium. 

einen ZuschuB von 12 000 Stadien. Kein Name Ob dies direkt den Bemiihungen um die E. zu- 
wird genannt, und die ,Vervollstandigung' von 20 gute kommen konnte, oder vielmehr : warum dies 

252 durch 12 zu 264, etwa durch Eichtigstellung nicht so gekommen ist, wie man hatte erwarten 

von n in Z. 14 zu 31/7 ergabe allerdings gerade diirfen, wissen wir nicht. Es ist angenommen 

diesen ZuschuB. Plinius fahrt fort: terramque worden (so Eehm 1679), daB die hauptsachliche 

XGV partem totius mundi facit! Schuld an diesem MiBerfolg im allgemeinen wirt- 

§4. DasBesteundModernsteiiberHipparchos schaftlichen Niedergang und im Fehlen einer 

von Nikaia gibt Eehm Bd. VIII S. 1666ff. Arbeitsgemeinschaft zur FCrderung streng wissen- 

Hipparchs Kritik des Versuches von Eratosthenes schaftlicher Porschung gelegen war. Aber es ist 

geht aus den vonBergergesammeltenGeogr. Frag- erfahrungsgemaB sehr fraglich, ob wissenschaft- 

menten Hipparchs (869) hervor (22fi.), vgl. Ber- licher Aufschwung und das Durchhalten groBer 
ger Gesch. Erdk.2 466ff. 590ff. Hipparch hat die 30 Talente wirklich an Perioden oder Momente wirt- 

Einteilung des Kreises in 360 ° in die Geographic schaftlicher oder politischer Prosperitat gebunden 

eingebiirgert, so daB er, im wesentlichen an Era- zu sein pflegt. — Im iibrigen muB Hipparchs 

tosthenes' E. sich anschlieBend, dem Grad 700 Tatigkeit unter Oikumene beleuchtet werden. 

Einheiten des StadienmaBes zuschreiben muBte, AUergroBte Verlegenheit bereitet ein Satz in 

Strab. II C 132. Plin. n. h. II 108 : Hipparchus at in eoarguendo 

Hipparch hat am Meridian durch Meroe, eo (Eratosthene) et in reliqua omni diligentia 

Alexandria und Borysthenes, wovon das Stiick m^irus adieit (mensurae Eratostlienis) stadiorum 

Syene — Alexandria ein Teil ist, irgend etwas paullo minus XXVI m(ilia). Es ist so weuig 

anstoBig gefunden (Strab. I 62 lAiTtQov naQ- mit ihm etwas anzufangen, daB Ber ger Frg. 
aUdtreiv (prioag uzaQo. trjv alrjd'stav), augenschein- 40 S. 28 es geradezu ftir mOglich erachtet, daB in 

lich aber ohne ihn abzulehnen. ,Diese Worte, diesem Falle Plinius mit seinen einschlagigen 

Ber ger Frg. S. 29, sprechen nicht einen all- Notizen, durch versehentliche Vermengung, ,ein 

gemeinen Zweifel aus, sondern sie beziehen Ungltick passiert sei.* Aber es ist nicht recht 

sich offenbar auf ein spezielles Datum, welches wahrscheinlich, daB mit solchem Zerhauen der 

den Hipparch in den Stand setzte, die Fehlerhaftig- gordische Knoten sich zur Zufriedenheit unseres 

keit irgendwo nachzuweisen. Nach seinen Hilfs- Gewissens werde lOsen lassen. Immer noch war 

mitteln konnte er aber dies nur, wenn er den von eher ein Fehler in der Zahl, wenn es schon ein 

zwei Punkten des angenommenen Meridians aus Fehler sein soil, als im Tenor der ganzen plinia- 

beobachteten Eintritt einer Finsternis kannte. nischen Notiz mOglich oder wahrscheinlich. — 
Denn zwei solche Beobachtungen aus Ehodus und 50 Einen LOsungsversuch soil u. S. 50 anbahnen. 

Byzanz, oder Nicaea, oder Alexandria waren wohl § 5. Poseidonios von Apameia, Zeitgenosse 

zu erhalten, und auch wenn sie nicht aufs ge- des GroBen Pompeius und Giceros, bringt neue Zah- 

naueste angegeben waren, hinreichend, den Fehler len ftir die alten Begriffe, und zwar aus neuem Be- 

zukonstatieren.*ti'brigenswareauchdie(u. S.42,35 rechnen. Sein Beginnen ist merkwtirdig und oii- 

anzuftihrende) Pliniusstelle II 108, falls sie uber- ginell, aber nicht ,grundverschieden* von dem des 

haupt Sinn haben und zutreffen soUte, doch nur Eratosthenes, wie Viedebantt 208 (ohne Zitat!) 

unter der Voraussetzung zu verstehen, daB Hip- ,bezeichnet* wissen will. Seine Idee ist vielmehr die 

parch die E. des Eratosthenes im wesentlichen gleiche wie die des Eratosthenes, die Yerbindung 

gutgeheiBen habe. eines Meridianbogens mit der zugehOrigen auf dem 

Ber ger 25 schlieBt aus den erhaltenen Bruch- 60 Erdmeridian gemessenen Entfernung. Nur ist der 

stlicken, ,daB Hipparch andere Messungen der Meridianbogen anscheinend nicht direkt in die 

eratosthenischen gegeniiber halten konnte, Mes- Eechnung einbezogen, sondern die Messung er- 

sungen von Mathematikern der nacheratostheni- folgt am Zodiakalkreis, und zwar ftir die beiden 

schen Zeit. Wer diese Manner gewesen, die Hip- Positionen Ehodus und Alexandria. Auch Ehodus 

parch und Strabon (I 62) mit ol voteqov be- liegt namlich angeblich auf dem gleichen Meri- 

zeichnen, wissen wir nicht;* aber ,es drangt sich 

immer mehr der Gedanke auf, daB der Versuch *) Das diene zugleich zur Eichtigstellung von 

zur L(5sung dieses Problems, nachdem es anfangs Schnabel 226. 



43 Erdmessung Erdmessung U 

dian mit Alexandria und Syene*) und Ehodos summe nach dem Urteil des Poseidonios nicht 

empfahl sich Poseidonios als Ausgangsstation, weil unerheblich hinter Eratosthenes zuriick. 

dort seine berlilimte Schule sich befand. Hier hat Viedebantt durch einen zwar in- 

Charakteristisch fiir Ehodus war der Aufgang geniosen, aber schwerlich f iir andere gangbaren Weg 

des Stern Canopus, des hellsten ,am Steuerruder zugunsten Hipparchs und gegen Eratosthenes ein- 

der ArgoS weil er dort nur fiir einen Angenblick gegriffen. Er will (216) die alte Gleichung bei 

aufblitze.**) Hingegen ist er in Alexandria urn 1/4 Kleomedes 50x5000 als Korrektur einer friiheren 

eines Tierkreiszeichens weiter geriickt, also nm Kechnung 48X5250, Produkt auch hier 252 000, 

1/48 des Zodiacus entfernt. Also ergibt die Multi- nachweisen : 48 wie bei Hipparch und 5250 als 
plikation von 48 und 5000, die nach Angabe der 10 Abrundung der tatsachlich verwendeten Bogen- 

Schiffer zwischen Rhodus und Alexandria liegen, strecke vom ,kleinen Katarakt (Syene)' Strab. XVII 

als Produkt 240000 Einheiten. So Kleomedes I 786 (,5300* Stadien). Damit hatte Eratosthenes 

10 p. 92f., der diese Eechnung als anlovoxi^a ,einen iiberraschend groBen Naherungswert' ge- 

(90, 24) bezeichnet, als die des Eratosthenes wonnen, der ,sich bis zu einem gewissen Grade 

boKovoa XL aoatpeotsQov h^iv, die grOBere Un- als Zufallstreffer herausstellt.* , Hat aber Hipparch 

klarheit wird sich meines Erachtens auf die terre- den Meridian nicht zu 240 000, sondern zu 252 000 

strische Messung beziehen. Stadien gerechnet, dann hat er auch die Breiten- 

Die 240 000 Einheiten sind selbstverstandlich distanz Alexandria—Rhodus nicht zu i/48» son- 
der namlichen Art wie die 252 000 des Eratos-, ^^ 1 ^^^ Gesamtkreises genommen 

thenes. Sie mogen ja auch nur als Annaherungs- 20 50-4 

wert gefafit werden; Kleomedes setzt vorsichtig (252000:5000 = 50*4).* Also das Endergebnis 
hinzu: el bs [jiyi^ nQog loyov xov btaoxrjiJLaxog. Ist 252000 das gleiche, aber fiir Hipparchos einen 
schon die Distanz der Schiffer 5000 Stadien kaum gewaltigen Fortschritt : ,eine Grofitat astrono- 
aufrechtzuerhalten, und werden wir durch Plin.n.h. mischer Beobachtung* (S. 220). — Den wirklichen 
V 132 belehrt, daB Eratosthenes ftir die gleiche Betrag des Umfangs unseres Geoids berech- 
Entfernung 469***) Millien, d. i. 3752 Stadien net man zu 40070-3, einen Meridiankreis zu 
(Meile zu 8 St.) gerechnet habe, und mag viel- 40003*423 km. Soil man sich dartiber ereifern, 
leicht Kleomedes auch von anderen Angriffen daB die moderne Gradforschung das eratostheni- 
auf die Eiinftausend- Distanz gehOrt haben, so sche Ergebnis bewundernd zur Kenntnis nimmt, 
durfte auch der Himmelsbogen zu groB ange- 30 auch wenn es in der Hauptsache wie gesagt nur 
nommen sein, wenn wirklich der Canopus sich auf einen Zufallstreffer hinauskommen soUte? 
bloB tiber den Horizont erhoben haben soil, Aber Poseidonios hat angeblichnocheinezweite 
um sofort wieder unterzugehen. Aber die 240 000 Messung vorgetragen. Strab. II 95 spricht von 
mogen neben den 252 000 des Eratosthenes als seiner kleinsten Einschatzung der Erde (^ sXaxlo- 
Abrundung, etwa um die ganze Beweisfiihrung xrjv jioiovoa xrjv yrjv . . . d tioosibcbviog kyTCQivsi 
zu ,popularisieren', zu Eecht bestanden haben, t^sQl oKXcoTcalbsxa (jivQidbag o^oav) und II 102, 
schon wegen der Teilbarkeit durch 12 und durch wahrscheinlich vom rhodischen Parallelkreis*), 
24. Jedenfalls verblieb die E. in ihrer Gesamt- also normal 36 ° Breite, obwohl die Eechnung 
auf 39 ° zu weisen scheint : vnovosi (d Uooeibw- 

*) Syene hat bei Ptol. 62 ^ Lange, Alexandria 40 viog) x6 xfjg oixovf^evrjg /^fj^cog enxd nov /uvQidbcov 

6.0 1/2* ^^d Ehodus fehlt unglaublicher Weise. oxabicov vtiolqxov fjijLiov elvai xov oXov av^lov 

Der Grund ist nicht festzustellen. Ich will da- xad'^ov sUrjmai, woxs (q?r}olv) djio xfjg bvoscog svQcp 

von absehen, daB im achten Buch 17, 21 Ehodus jrXscov sv xooavxaig ixvQidoiv sX'&oi civ sig Ivbovg, 

nicht am gleichen Meridian liegt, sondern i/s also auch (vgl. das Senekazitat 0. S. 40, 18) ein 

einer Stunde, d. h. 71/2' eines Grades von Alexan- Vorlaufer der ersten Kolumbusfahrt nach Amerika! 

dria gegen Westen entfernt, weil das Yerhaltnis An dieser Zahl 180 000 Stadien ist nicht der 

dieses Buches zu den iibrigen sieben der Geo- geringste Zweifel mOglich. Sie ist durch Marinus 

graphie nicht geklart ist. Auch Viedebantt von Tyrus und durch Ptolemaios gesichert. Es 

hat Klio XVI 95 das Fehlen von Ehodus in der bleibt nichts iibrig als eine Erklarung zu suchen. 
Beschreibung Asiens V 2, 34 konstatiert und 50 180 000 dividiert durch 48, welche Zahl ftir Po- 

kommentiert. Ob K.Muller und Kurt Fischer in seidonios bereits 0. Z. 8 erwahnt worden ist, 

der Didotschen Ausgabe recht daran getan haben, ergibt 3750. Auch diese Zahl kehrt bei den E.- 

eine Zeile ftir Ehodus einzusetzen und die ftir fragen einige Male wieder**), z. B. bei Alexandria 

Lindus hsl. erhaltene Position in ihr zu ver- — Ehodus, welche Distanz Eratosthenes (Strab. II 

wenden, 582/3° Lange und 36 ° Breite, soil hier 126) mit seinen Schattenmessern festgestellt hatte, 

nicht erOrtert werden. wahrend die Schiffer die 5000 Stadien (und ebenso 

**) Eehm 0. Bd. XI S. 688 hingegen zweifelt Poseidonios!) berechnet hatten. Ist die Verlegen- 

an dieser Behauptung, weil ,Poseidonios selbst heit Strabons tiber die sXaxloxfj yfj unverkennbar, 

gelegentlich erwahnt, daB Eudoxos den Kanopos 

in Knidos beobachtet hat (Strab. II 119). Gleich-60 *) Das ist das sog. Diaphragma, also jener 

wohl haben wir kein Eecht, die Darlegungen dem allerwichtigster Parallelkreis, der durch mehr 

Poseidonios abzusprechen oder auch nur ftir als zwei Jahrtausende, Stid und Nord scheidend, 

schwer entstellt zu halten.* den Hauptstrang dargestellt hat, an den Geogra- 

***) Auch 468 ist iiberliefert. Die Pliniusstelle phen und Astronomen ihre Beobachtungen an- 

ist lehrreich, und daher folgt hier ihr voller kntipften, reichend von den Saulen des Herakles 

Wortlaut : (Ehodus) distat ah Alexandria Aegypti bis Sizilien, Kreta, tiber Ehodus zum Taurus und 

583, ut Isidorus tradit, tit Eratkosthenes 468 dessen Fortsetzung in Indien. 

(bzw. 469\ ut Mucianus 500 (namlich Millien). **) Vgl. auch 0. S. 37, 33. 



45 Erdmessung Erdmessung 46 

so zeigen sich die Modernen tiber Poseidonios ent- verweisen, der in Rezeptbtichern MaBe und Ge- 

riistet. Berger klagt (580ff.) darliber, da6 ,Po- wichte ohne irgendeine Prazisierung beanstan- 

seidonios sich so vergessen konnte' und dafi ,Stra- den muBte, da die namlicben Bezeichnnngen 

bon, der von alledem kein Wort verstand, so sehr verschiedene Bedentungen deckten. ,Er 

wenig wie irgend ein EOmer,* diese Daten liber- hatte doeh sagen miissen, meint Galenus, ob 

haupt herausgeschrieben hat. ,Andere tatens ihm er die attische oder die alexandrinische oder die 

nach nnd so sind die beiden Angaben von einem ephesische oder irgendeine andere xorvXr] meine/ 

Exzerpt zum andern geschleppt worden und haben Wie sehr der Arzt und die Patienten bei der Do- 

schliefilich die Geltung erlangt, die ihnen ein sierung durch unzureichende und nachlassige Be- 
Mifiverstandnis schlimmster Art beilegte.* jH^tte 10 zeichnung des MaBsystems leiden muBten, liegt 

Poseidonios eine neue eigene E. damit anstrengen ebenso auf der Hand wie die Yerwirrung durch 

woUen*), so ware er dadurch ftir alle Zeiten mangelnde Bezeichnung der MaBgroBen und das 

zum Idioten gestempelt worden.* Viedebantt Fehlen des MaBstabes auf Karten noch des 15. 

hat die Frage der Breite der ,verbrannten* Zone und 16. Jhdts. ; genauere Eintragungen oder Yeri- 

nach Strab. II 94 erOrtert und folgert S. 228: fizierung ist so verhindert worden. Wagner erzahlt 

,Also schmal und breit, klein und groB, je nach bei der Behandlung der E. im Altertum, Lehrbuch 

Bedarf. SchluB : Poseidonios war ein — Schalk.' Iio 101, daB er anfangs sich vergeblich bemtiht 

S. 229: ,Es ist ein Popularisierungsverfahren, habe, in die iiberlieferten Daten Ordnung zu 

vielleicht ein erlauterndes Sehulbeispiel, eine bringen, aber dann nach langerer Beschaftigung 
Kollegparaphrase.' Und K. Eeinhardt Posei-20mit dem auch noch nach dem Zeitalter der Ent- 

donios (1921) 196 versteigt sich bei seiner Ana- deckungen verfaBten und durch Mangel von MaB- 

lyse dieses Charakters zu den Satzen : ,Poseidonios einheiten verwirrten Kartenmaterial auf weitere 

macht das Ergebnis (des Eratosthenes : 252 000) Yersuche in dieser Richtung verzichtet habe. Man 

zur Grundlage einer neuen Messung. Er miBt also ersieht aus ' dem oben Gesagten, daB diese Yer- 

das MaB am MaB and merkt es selber nicht. Man zichte bei den E.-Fragen nicht gutzuheiBen waren 

hat alles MOgliche versucht, urn das Kompromit- und ebenso auch, daB der Tadel betreffs des Unter- 

tierendezumildern; wie mirscheint, vergeblich.* bleibens einer Indikat ion weit eher die Griechen 

Nun hat Miller, der tibrigens, gleichsam zur als die ROmer treifen muBte. 

Unterstiitzung des merkwiirdigen Gehabens des Ich mOchte dabei auch gleich dessen gedenken, 
Poseidonios, die resignierte Bemerkung einge- 30 daB H. v. M z i k in seinem nlitzlichen Buch Erd- 

schaltet hat, daB ,Gunst oder die ZugehOrigkeit messung, Grad, Meile und Stadien nach den alt- 

zu einem Ring oder einer Clique, mag sie Stoa armenischen Quellen (=Studien zur armen. Gesch. 

oder anders heiBen, so oft ilber den Erfolg ent- YI 1933) 102 Anm. 216 darauf hinweist, daB 

scheide***), (12ff.) die selbstverstandliche Forde- Ptolemaios aus den ihm vorliegenden Quellen 

rung erhoben, daB ,die zwei Zahlen des Poseidonios Stadien verschiedener Lange unterschiedslos als 

180 000 und 240 000 denselben Wert darstellen gleichwertig zusammenwirft und vielfach gar nicht 

und sich nur auf verschiedenes MaB beziehen.' in der Lage gewesen ware, sie auseinander zu 

Er hatte aber auch die 252 000 des Eratosthenes halten. Auch, daB die modernen Geographen ,allein 

mit einbeziehen soUen***). Es handelt sich doch bei den deutschen MeilenmaBen vor Einfiihrung 
immer um das gleiche Objekt und dieselbe Rechen- 40 des metrischen Systems mit mehr als einem 

operation mit objektiv gesicherten Betragen. Dutzend recht verschiedener GroBe zu rechnen 

Bleiben wir aber bei den beiden Ergebnissen des batten oder daB mit dem scheinbar so eindeutigen 

Poseidonios! Auch Yiedebantt hat in einem Ausdruck English league drei verschiedenen MaBen 

zweiten Aufsatz Poseidonios Marines Ptolemaios zu entsprechen ware. ,Waren wir, trotz unserer — 

(Klio XYI) ungefahr die gleiche Losung verge- die des Ptolemaios so vielfach tiberragenden — 

schlagen, allerdings nicht ohne Yorbehalt ; vgl. Hilfsmittel, ohne Arbeit an Ort und Stelle in der 

99: ,lJnd Poseidonios ?Rucktjetzt auch ftir ihn die Lage, bei Entfernungsangaben in derlei MaBen 

„kleinste E. " , in ein anderes Licht ? Ja und nein** iiberall die zugrunde liegcjiide Einheit zu erkennen ?' 

Hier ist wie man deutlich fiihlt, eine letzte Gar nicht will ich dessen gedenken, daB die Ad- 
Hand n(Jtig. Ich mSchte vor allem auf die 50 justierung der MaBe und Gewichte in antiker Zeit 
bewegliche Klage des Galenus (XIII 893ff. K.) wahrlich nicht richtig durchgefiihrt worden ist 
und z. B. die StraBe von Oedenburg (Savaria) zum 

*) Nein ! Das wollte und konnte Poseidonios Lager in Carnuntum nach iiberlangen Meilen ver- 

nicht wiinschen. Und wenn er es trotzdem hatte messen ist und daB in Mauretanien andere Bei- 

versuchen woUen, so batten die gtinstigen Yor- spiele noch schlimmerer Art auf den rOm. Meilen- 

bedingungen ihm gefehlt ! steinen langs der rOmischen HeerstraBen konstatiert 

**) Auch andere Mangel und Harten dieser worden sind, fiir die also wohl auch keine geaichte 

(librigens ungewOhnlich frisch und anziehend ge- Hodometer (s. d.) verwendet worden sein kOnnen. 

schriebenen) Abhandlung verlangen eine Remedur. Ohne die neueste Wendung in dieser Frage zu 

***) Das ptolemaische Stadion = 157,5 bis 60berucksichtigen, hatP. Schnabel in seiner (sonst 

159,8m (so nach Yiedebantt a. 0. XIY 232if., mit voller Beherrschung des Materials und mit 

Exkurs) und das philetairische = 210 bis 213, 1 m bemerkenswerterKtihnheit) verfaBten Abhandlung, 

verhalten sich ungefahr wie 3: 4, so wie die Umfangs- Tiber die Entstehung und Geschichte des karto- 

zahlen 180 000 und 240 000. •— tTbrigens hat Yi e- graphischen Erdbildes bei Ptolemaios, S.-Ber. 

debantt selbst schon in seinem ersten Artikel Akad. Berl. phil.-hist. Kl,, 1933,226 — ^229, 

209 die MOglichkeit von MaBverschiedenheiten be- die E. neu behandelt, und zwar hauptsachlich die 

riihrt, freilich nicht entschieden ins Auge fassen Frage, ,warum sich Ptolemaios, der sich noch in 

wollen, vgl. 0. S. 39, 16. der Syntaxis Hipparchos in dieser Hinsicht an- 



47 Erdmessung Erdmessung 48 

schloB, in dem Kavcov imoi^fxcov noXecov und in der her habe ich mich eifrig mit Ptolemaios' Buche be- 
Geographie Poseidonios und Marines angeschlossen fassen mussen und mOchte hier wenigstens einiges 
habe*. Schnabel wird hoffentlich bald eine ge- aus meinen Eindriicken hier mitteilen. Wenn das 
nauere Darstellung seines Gedankenganges folgen Epigramm Anthol. IX 577*) wirklich, was mir aber 
lassen. Heute stehen die einzelnen Glieder noch nicht gerade wahrscheinlich ist, von Ptolemaios 
unvermittelt nebeneinander und ich wage kaum herriihren soUte, wiirde sich eine besondere Be- 
ans dem gegenwartigen Kontext, der die Stadien geisterung fiir Astronomie und eng damit ver- 
nicht benennt und aus Eratosthenes, Poseidonios, bundene oder auch ihr ttberlegene Astrologie dar- 
Marinus und Ptolemaios etwas wie eine Arbeits- aus ergeben. In kostbaren Hss. sehen wir 
gemeinschaft, allerdings schwerlich in idealem 10 Ptolemaios von geschicktesten Miniatoren gem alt, 
Sinn, bildet, einen Nutzen zu erhoffen. im kOniglichen Gewand und mit der Krone 
§ 6. Unter den vielen Leuten, die sich im 1. Jhdt. auf dem Haupt seine astronomischen Studien 
V. Chr. und weiterhin mit geographischen Pro- betreiben ; ahnlich wie die Kosmographen in den 
blemen befafit haben, und der en Namen uns Hss. dargestellt werden. Das wird aber ebenso- 
meist verlorengegangen sind, wie schon aus vie- wenig unsere Yorstellung von seinem Eang, 
len Zitaten im vorausgehenden hervorgeht, kann Wirken und gesellschaftlicher Bedeutung beein- 
auch Strabon nicht genannt werden, da es uns flussen kCnnen, wie die iiberschwanglichen At- 
unter diesem Schlagwort nur um die E. im gan- tribute (^av/bidGiog, •d'sioxaxog) bei spateren Be- 
zen und nicht auf ErQrterungen des von den ntitzern wie Markianos von Herakleia oder Proklos. 
Alten bewohnten Globusviertels, unserer Oiku- 20 Wichtiger ist, daB wir bei ihm, der rCmischer 
mene (s. d.), ankommt. Dies, obwohl wir gerade Burger ist, kaum eine Spur von Kenntnissen der 
Strabon die moisten und ausftihrlichsten Mittei- rOmischen Verwaltung und des rOmischen Lebens 
lungenausderGeschichteder antikenE.verdanken. finden. Ich hoffe Gelegenheit zu ausfiihrlicherer 
Auch andere Namen, die nur registrierten, nicht Darstellung an anderem Orte zu haben und will 
aber selbsttatig eingriffen, werden besser hier hier nur einen bezeichnenden Zug anftihren, 
weggelassen, daher auch vor allem die Naturge- namlich, daB er stets nur BslxiTiTj schreibt, also 
schichte des Plinius. Wohl aber gehOren hieher keinen TJmgang mit rOmischen Beamten und Offi- 
Marinus von Tyrus und Ptolemaios. Marinus(s. zieren gehabt haben kann, die ihm die Gallia 
Honigmann Bd. XIV S. 1767 — 1796*), ist ein Belgica aus ihrer eigenen Laufbahn in Erinnerung 
Vorganger des Ptolemaios und nur durch diesen be- 30 gebracht haben wlirden. Weit eher stelle ich mir 
kannt. Ptolemaios hat sich entschlossen, Marinus ihn heute so vor, wie etwa den Schreiber eines 
in allem Wesentlichen zu folgen und polemisiert seiner Kodizes, der sich als nsvlq. ovCcov bezeichnet. 
mit ihm fast nur in speziellen Fragen der Karten- Heiberg hat auch iiber die Schwaehen und 
zeichnung. Also mussen wir auch von Marinus Fliichtigkeiten seiner rein astronomischen Bticher 
absehen, da Pragen der Oikumene (s. d.) in diesem ein nicht gerade anerkennendes Urteil gefallt, 
Artikel nicht zur ErOrterung gelangen sollen. Miillers Handb. V 1, 2 (1925), 58,11; und 
Aus Marinus sind durch Ptolemaios einige wenige Berth elot Asie ancienne (1930) 109 glaubt 
(s. u. S. 52) Distanzen, in Stadien, von denen 500 prophezeien zu diirfen, da6 in Zukunft kein Ge- 
auf einen geographischen Grad gehen, iiberliefert. lehrter und kein Forscher zu so grofiartiger Be- 
Yon Ptolemaios' (s. d.) Zeit und Leben wissen 40 wunderung gelangen werde wie sie Ptolemaios er- 
wir nichts weiter zu erzahlen, als was wir selbst reicht hat, ,der wahrend 12 oder 13 Jahrhunderte 
in seinen (sicher nicht sparlichen, aber leider als der unbestrittene Meister als Astronom und 
groBenteils ihrer VerOffentUchung noch harrenden) Geograph gait.' 

Schriften ab und zu erfahren, allenfalls von seinen AufschluB iiber die theoretische Auffassung 

Sternbeobachtungen. Seine Geographic, anschei- des Erdmessens, sowohl des Gesamtumfanges 

nend sein letztes und nicht einmal abgeschlossenes (eines grofiten Kreises wie des Aquators oder 

Werk, mag in der Zeit der divi fratres verfaBt irgendeines Meridians, zwischen welchen GrOfien 

worden sein, vielleicht erst wahrend der AUeinherr- das Altertum keinen Unterschied gemacht hat) als 

schaftdesMarcaurel.IchhabeinmeinemArt. Ear- auch einer einzelnen Wegstrecke, die wissen- 
ten Bd. X S. 2061—2100 von dieser Geographic und 50 schaftlich als Teil eines groBten Kreises anzu- 

seiner Bedeutung vieles auseinandergesetzt. Seit- sehen ist, erhalten wir aus dem die Geographic 

— des Ptolemaios einleitenden ersten Buch. Sie muB 

*) Zuwachs zur dort verzeichneten Literatur : auch auf unsere Vorstellungen iiber die Gedanken- 
Ant. Wurm Marines of Tyre, some aspects of his gauge aller zuruekwirken, die sich in Zeiten vor 
work (1931, mit Karte). A. Herrmann Peter- Ptolemaios mit dem gleichen Problem befafit hat- 
manns Mitt. Erg.-Heft 200 (Wagnerheft), gleich- ten. Die Hauptstelle ist cap. 3 mit dertJberschrift: 
falls mit Karte. — DaB Marinus noch in die Zeit ,Auf welche Weise aus der Stadienzahl einer bo- 
des Partherkriegs reicht, ist daraus zu schlieBen, liebigen Wegstrecke (auch wenn sie nicht auf 
daB Satala t^g 'AgfA^evlag I 15, 10 mit Milliendi- demselben Meridian liegt) die Stadienzahl des ge- 
stanz angefiihrt und also aller Wahrscheinlichkeit 60 samten Umfangs (d zfjg TtsQifAexQov xfjg yfjg 
nach aus einem Kriegsbericht Traians direkt oder oxadiaa/iog) gewonnen werden kann, und umge- 
indirekt stammt; die Millienangabe hat Wurm kehrt:' 

anscheinend richtig fiir diesen Zusammenhang be- a) ,Unsere VorgaDger {ot nQo ri^wv) haben 

tout. Er hatte auch hinzufiigen kOnnen, daB dieser eine gerade Wegstrecke nicht blofi auf der Erd- 

(fruher nicht besiedelte) Platz seit Traian das Lager oberflache gesucht, sondern auch in der durch 

der Legio XV Apollinaris trug. Geschichte und den Meridian gelegten Ebene. Durch Schatten- 

Eeste von Satala bei Cumont Studia Pontica II 

342—352. *) Vgl. Nobbes Ausgabe I p. XX n. III. 



49 Erdmessung Erdmessung 50 

messer {8ia tcov omo'&riQcov) haben sie die Punkte ftir den Anfang des Bogens beurteilen konnen. 

im Zenit an "beiden Enden der Wegstrecke visiert Man mtiBte den Winkel mit der grOBten Genauig- 

und die am Meridian zwischen den Parallelkreisen keit bestimmen, was niemals leicht fallt nnd ge- 

dieser Punkte gemessene Distanz als identisch wi6 im Altertum noch schwerer fiel; nm sicher 

{dfjLoiav) mit dem Wege auf dem ErdkOrper an- zu sein die Linie nicht verfehlt zu haben, was 

gesehen' . , . nicht so leicbt ist als man sich denkt.* Delambre 

b) ,So viele (Grade) von dem durch die Pole empfiehlt die trigonometrisclie Berechnung, wie 
gezogenen Kreis zwischen den Zenitpnnkten ans- wir sie auf der Schulbank fiir spharische Dreiecke 
gewiesen waren, ebenso viele haben sie als Ent- nndfiirOrtsbestimmunggelernt haben. Delambre 
fernnng auf der Erdoberflache gerechnet. 10 schliefit mit den Worten : ,Man sieht, daB Pto- 

c) tibrigens, auch wenn nicht ein dnrch die lemaios hier tiefstes Stillschweigen iiber das 
Pole gezogener Kreis, sondern irgendein grOBter ganze Verfahren wahrt. Er sagt nicht einmal, 
Kreis ftir die Vermessung in Betracht kommt, daB er oder sonst jemand es versucht habe ; nnd 
kann die Anfgabe gelOst werden; wenn die Er- aller Wahrscheinlichkeit nach hat sie nie jemand 
hebnngen an den Endpnnkten (der vermessenen ausgefiihrt.' Aber anch der Gegensatz zwischen 
Strecke) in gleicher Weise beobachtet nnd ihre der warmen Empfehlung dieses Instruments nnd 
Lage zn den beiden Meridianen f estgestellt ist, dem Leugnen seiner vermeintlichen Erprobnng und 
haben wir durch Konstruktion eines meteorolo- Wirksamkeit muB den Leser stutzig machen. 
gischen Instruments {oQyavov f^et€coQoo?cojzi?c6v), Auf dem Weg zum EechenmaB des Ptolemaios 
mit dessen Hilfe wir leicht auch andere sehr 20 habe ich einige Vorbemerkungen nOtig, die ich hier 
niitzliche Verrichtungen besorgen kOnnen, an vorbringen mOchte. Es handelt sich A sowohl um 
jedem Tag nnd znr Nachtzeit die dem Beobach- das MaB selbst sowie B nm einige Bemerkungen 
tungspnnkt entsprechende Erhebung des Nord- iiber die Geneigtheit des Ptolemaios, dieses MaB 
pols, nnd zu jeder Stunde den Meridian nnd die tatsachlich in Anwendung zn bringen. 
Neigung der Wegstrecke zn ihm bestimmt, d. h. A. Ich werde dann vor allem zum Art. Sta- 
den Winkel abgelesen, den anf dem grcBten durch dion von Lehmann-Hanpt Bd. IIIA S. 1930— 
diese Wegstrecke gelegten Kreis eben diese (Weg- 1963 Stellung nehmen mtissen, der 1929 erschienen 
strecke) zu beiden Meridianen bildet. Mit Hilfe ist. In ihn hat der Verfasser alle seine friiheren 
des fjLsxscDQOGTcomTiov gewinnen wir aus diesen Gedanken tiber diesen Gegenstand einbezogen, 
Winkeln das gesuchte Kreisstlick. Dieses Yer- 30 ohne freilich einer umfassenderen Behandlnng vor- 
fahren erlanbt (also) die geradlinige Vermessung zngreifen, die er allem Anschein nach plant nnd 
einer Wegstrecke anf der Erdoberflache, well jedenfalls uns schuldet. Er hat ein klares Ent- 
man den grOBten Kreis kennt . . .* wicklungssystem ausfindig gemacht nnd will es 

Wichtig, freilich eigentlich aus dem Gesagten durchsetzen, anch gegen die bestimmten Ansichten 

sich ergebend, ist ein Satz aus dem Almagest des anderer. Es sei nur daran erinnert, was Hnltsch 

Ptolemaios, den ich hier nach der tJbersetznng in seiner zu fast kanonischem Ansehen gelangten 

des Manitins anfiigen kann: I 10 S. 68 Heib. : Griech. nnd rom. Metrologies (1882) 61 zu einem 

,Leicht zn bestimmen ist ohne weiteres ans dem Ansatz des eratosthenischen Stadiums zu 157,5 m 

vorliegenden Beobachtnngsergebnis die geogra- sagt; dieser Wert sei, well er von dem gesicher- 
phische Breite der Wohnorte, in denen wir nnsere 40 ten MaBstabe der altagyptischen Elle abhangt, so 

Beobachtnngen anstellen: erstens wird der im zuverlassig wie nnr irgendeine Eeduktion parti- 

Aquator liegende Punkt in der Mitte zwischen kularer MaBe der Gegenwart anf das MetermaB.* 

beiden Grenzpunkten (d. i. die AquatorhOhe) ge- Auch das sei rtihmend anerkannt, daB er die 

wonnen, zweitens der zwischen diesem Punkte Nntzbarmachnng der plinianischen Notiz (o.S.42) 

nnd dem Zenit sich erstreckende Bogen, welcher iiber die von Hipparchos empfohlene Aufwertung 

bekanntlich derPolhOhe gleich ist.* des eratosthenischen Ansatzes fiir den Umfangs- 

Dieses oQyavov fjiexscoQooKomHov hat Ptolemaios kreis des Erdglobns, die ein hoffnungsloses Hin- 

ausfiihrlich in seiner Synt. meg. I 10 Heib. 64 dernis uds in den Weg geworfen zu haben schien, 

(■ObersetzungManitins41ff.) beschrieben nnd anch nun endlich, nnd zwar was eine groBe Emp- 
Manitius hat in seiner Ansgabe der Hypotypo- 50 fehlung bedentet, mit Leichtigkeit ans dem Weg 

sis des Proklus (1909) 42 seine Eekonstruktion geraumt hat, oder mindestens geraumt zn haben 

vorgenommen; daraus wiederholt in der tJber- scheint. 

setzung der Synt. = Handb. der Astronomic 41. Aber bevor ich, in wenigen Worten, die An- 

Ein weiter entwickeltes Instrument Synt. Y 1, satze Lehmann -Hanpt shier skizziere, zwischen 

Bildrekonstruktion Manitins Proclus 200 = denen nnd den alteren Ansatzen klare Entschei- 

Handb. I 255. dung zu treffen, die wichtigste Anfgabe der 

Ich bin freiKch genotigt, ans der in vielen nachsten Bemiihnngen der antiken Metrologie sein 
Beziehungen sehr instruktiven Ansgabe der ptole- wird, mOchte ich nochmals betonen, daB die Wahl 
maischen Geographic durch Wilberg (1838) des Namens der MaBeinheit nicht in das Belieben 
etwas zn wiederholen, was ich dort znerst iiber 60 des Messenden gestellt gewesen sein kann. Es 
dieses Instrument ans Delambre Hist, de I'astr. ware zwecklos gewesen, sowohl bei den alteren 
anc. II (1817) 73f. exzerpiert gefnnden habe: Yersuchen der E., die gewissermaBen spielerisch 
,Was Ptolemaios hier ansfiihrt, ist geometrisch hingeworfenworden sind,wienamentlichbeiArchi- 
wahr. Aber in der Praxis wird dieses Yerfahren modes (o. S. 33), so insbesondere dann bei Era- 
ebenso umstandlich als nnsicher sein. Zum min- tosthenes, zu verlangen, daB der Rechnnngsquo- 
desten werden die beiden Stationen, auBerdem tient mit einem neuartigen Namen ausgestattet 
daB der Bogen nnr auBerst klein ist, fiir einander werde, statt ihn in das (oder : in ein) bisher in 
nicht sichtbar sein ; man wird die Eichtnng nnr Handel nnd Yerkehr iibliche (iibliches) MaB ein- 



51 Erdmessung Erdmessung 52 

zukleiden ; Metrologen haben mehr als einmal sie dem kaiserzeitlichen Gebrauch entsprochen zu 

versucht, solche JtinerarmaBe*, wie sie oder ihre haben scheint.* Zum gleicben SchlaB betreffs der 

Gegner es nannten, in die Metrologie einzu- Wertung des Stadions in der ptolemaischen Geo- 

schmnggeln. Erinnern wir uns auch dessen, da6 graphie ist 0. Cunt z Die Geographie des Polybios 

Miller (1919) Erdmessung 25 aucb eine runde (1923) gelangt (llOff. 120ff.)> ^^^ er hat sich aus- 

Zahl resolut aufzuklaren sich bemlihte; da die drucklich mit mir einverstanden erklart (111, 1), 

5000 Stadien des Eratosthenes ,in der Wirklich- AberandiesenWerten, 177,5 (oder wie Lehman n- 

keit in staunenswerter Weise stimmen*, fragt er Haupt das entsprechende Stadium Olympicum 

resolut: ,Was soil da der Yorwurf mit den S. 1961 berechnet: 178,62) und 184, 9 (Lehmann- 
runden Zahlen beweisen? Kann Eratosthenes 10 Haupt Stadium Italicum 186,03 m) oder sonst 

dafiir, dafi es gerade 5000 Stadien sind ? Un- einem ahnlichen Ansatz mu6 ich festhalten, auch 

angenehm war ihm diese Zahl nicht* usw. Diese wenn ich kein Zeugnis fur den tJbergang vom 

Werte sind vielmehr Naherungswerte, und es Olympischen zum Italischen Stadium anzuflihren 

ist meines Erachtens nicht im Geiste der antiken weiB, weder zur Zeit meiner Mederschrift, noch 

E. gedacht, wenn wir exakte Zahlen fiir sie ver- heute. Man sieht ja aus dem Obigen, wie Iticken- 

langen. haft unsere ^berlieferung ist. 

Lehmann-Haupt lehnt die Gleichung des Ptolemaios rechnet tiberall das Stadion als i/g 

eratosthenischen Stadiums = 157,5 (oder ahnlich) der romischen Meile, dort namlich wo er iiber- 

ab* ,Als, sagt er S. 1937, 16, es sich um das groBe haupt terrestrische MaBe angibt. So insbesondere 
Werk der Berechnung des Erdumfanges handelte, 20 YII 5, 12 in der vjtoyQaq>r} TcscpaXaccodrjg tov tfjg 

wahlte er unter den vorhandenen verschiedenen oixovfxivrjg nlvaHog, deren Echtheit vorlaufig und 

Stadien dasjenige aus, bei welchem die Umrech- solange wir keine brauchbare Ausgabe der Geo- 

nung in die tibrigen gebrauchlichen grOBeren graphie besitzen, auBer Diskussion bleiben maB : 

Entfernungsmafie bequem nach dezimalen Prinzi- ,das Slidende der bekannten Erde begrenzt ein um 

pien geschehen konnte: das u. a. in Syrien und 16^25^ — so wie man 360° auf dem Aquator 

in Italien gebrauchliche Stadium, das 1/40 ^^^ ausmiBt — jenseits des Aquators gelegener Pa- 

Parasang und des Schoinos, l/io ^®^ rQmischen rallel*; der nOrdliche Polarkreis liegt um 63° 

Meile bildete und das auBerdem zu den tibrigen nordlieh vom Aquator und lauft durch die Insel 

wichtigen StadienmaBen in sehr bequemen Ver- Thule. SobetragtdiebekannteBreite*) 79°50'oder 
haltnissen stand.* Dieses Stadium miBt er zu 30 rund 80 °, ungefahr (syycata) 40 000 Stadien, da 

148,5. Daraus (Lehmann-Haupt geht nicht ein Grad 500 Stadien miBt, otzeq bk tmv axQi^e- 

weiter in die Prage der Erdmessung ein, und ich gxsqcov ajzof^ezQi^oecov 2cazsXi^q}'&rj -, der Umfang der 

muB also fiir ihre Ermittlung in seinem Sinne ganzen Erde ist 180 000 Stadien.* Ptolemaios 

auf dieser Basis weiterbauen) ergibt sich fiir den hutet sich sonst eigentlich vor Angabe von Erd- 

Umfang 37,422km; fiir das Standenma6(d.i. 15°) maBen und denkt nur in MaBen und Winkeln 

1551 km. seiner astronomischen Beobachtungen. Er ist 

Hipp arch billigt im wesentlichen Erato- Astronom und Astrolog, und es ist verkehrt, 

sthenes' Berechnung, schlagt aber (nach Plin. a. 0.) sich tiber den letzteren Beruf zu verwundern. 

,weniger als 26 000 Stadien*, also etwa ,ein Zehn- Aber, wie in einer von mir vorbereiteten Studie 
tel* dazu; oder wie Lehmann-Haupt (1935) 40 tiber Ptolemaios betont werden soil, nicht Geo- 

das auffaBt: ,mehr als i/^o des Ganzen.^ Bleiben graph. 

wir aber, soviel Freiheit muB bei so unbestimmten Die Hauptstelle I 11,2 dia to trjv fisv fjiiav 

Zahlangaben bleiben, beim l/io- I^ann hat Hip- [jidiQav, oicov iotlv 6 fisyiorog nvxlog t| (360), 

parch den Umfang zu 41,164 km angesetzt. Hat jievtaKoolovg km tfjg S7ttq>av8iag tfjg yfjg anoXaiJL- 

Poseidonios ein MaB von 4 : 3 des eratosthenischen fidvsiv atadlovg, oti toXg of^oXoyovfisvacg drafts- 

gewahlt, so stehen wir bei dem von Lehmann- tQi^osoi ov/uq)cov6v iott^ trjv d' ofxoiav amfj jcsqi- 

Haupt fiir das philetarischegewahlfcen von 198 m. q)8Qstav tov did tfjg 'Fodiag noQalXrjXovy tovtsati 

Also E. (XlBO) = 35,640 km. Nun habe ich tov d%h%ovtog dnb tov lorjfisQivov /bioiQag tQidnovta 

Bd. X S. 2081 darauf hingewiesen, ,daB Posei- ef , tetQaTcoolovg syyiota atadlovg. to yaQ vjisQ^dXXov 
donios als Mchtagypter und als Fortsetzer der 50 avtcov Katd to t(p Xoyco twv TiaQoXlYikoav d^oXov- 

Geschichtsschreibung des Polybius so wie dieser id-ov, oXiyov 6V, (hg sv oXooxsqsI HataXriipsi naQaXs- 

gerechnet hat ; da wir nun wissen, daB Polybios Xelcp&o). (3) tijv 8s djio tfjg EKtid-sfjievrig tov 

8I/3 Stadien auf die rOmische Meile gerechnet und EvcpQatov dm^daswg f^sxQt tov Ai'&lvov IIvQyov 

vielleicht mitunter fur rasches Eechnen diesen (s. d.) didotaaiv owayofyievrjv xat avtov oxolvatv 

Betrag auf rund 8 Stadien herabgesetzt hat, und oxtaxoalcov i^dof/^i^Hovta s^, otadlwv 8s 8cofA,vQlo)v 

daB Strabon, ein jtingerer Fortsetzer des polybiani- s^amoxdloyv dtaxooioyv 6y8oYiKovta, xtX. und die 

schen Geschichtswerkes, 8 Stadien auf die Meile wenigen anderen Stellen, an denen Ptolemaios 

rechnete, d)g oi noXXoi, so setze ich auch fiir Mari- das Stadion umrechnet, namlich 

nos und Ptolemaios als Umrechnungszahl 177,5 bis 

184,9 m*) voraus, oder vielmehr bloB letztere, well 60 die Praxis hinkt nach. Um Plinius' Ausdruck zu 
verwenden, die harmonica ratio verlangt z. B. 

*) Zu diesen Zahlen bemerke ich, daB sie der auch glatte Beriicksichtigung der Eechenbrtiche, 

Natur der Sache und dem (damaligen und) ge- und muBte die Unterdriickung eines Bruchrestes 

genwartigen Stande der Forschung nach nur wie i/a l^^i ^^^^ Stadien = 1 Meile, wg ol jioXXol, 

Naherungswerte bedeuten kOnnen. Ich binde mich oder 1/7 bei der ludolphischen Zahl perhorres- 

auch an keinen der Zahlen vor schlage, die von zieren. 

anderer Seite gemacht worden sind. Die Theorie *) Ptol. : to syvcoofAsvov avtfjg (= t^g iyvoya- 

mag MaB- und Gewichtssysteme aufbauen, aber fisvrjg yfjg) nXdtog. 



53 Erdmessung Erinna 54 

I 10,1 Grade 16° 25' Stadien 8200 lyyioxa Ausgaben laden niclit leicht zu den nOtigen Ex- 

79° 25' oder 80° 40 000 zerpten ein. Hingegen ist die wunderliche ToutoyQa- 

! I 12,1 45° 15' 18100 g>/aJX^«atrmw;<;9;desKosmasIndopleustes,Mittedes 

31 g^o 24000 = Sclioinoi 800 6. Jhds., s. o., Wecker o. Bd. XI S. 1487ff.) allge- 

9) 24000 (diese am mein "bekannt. Das ist ein ungelehrter und unbelehr- 

rhodischen Parallel, auf dem schon 400 Stadien barer Antor mit toUen und verkehrten kosmologi- 

einen Grad ausfiillen), will Gun tz, da sie in Er- schenAnschauungen,diesichaufeineBeschreibung 

(irterungen liber Marinns enthalten sind, nicht di- der Stiftshtitte (Exodus 25, 23) in allegorischer In- 

rekt ftir Ptolemaios ausniitzen. Aber es bleibt iibh. terpretation sttitzt. Er eifert leidenschaftlich gegen 

durcbdiegrofieMengedervon Cuntz aus anderen 10 den stindigen Eurwitz, der sich durchSonnen- und 

Autoren angeftibrten Parallelen jeder Zweifel an Mondesfinsternisse betoren lafit. Da die Grenze 

der Wertung des bei Geographen und Historikern zwiscben Erdtafel und ErdkOrper sich in kurioser 

in der Kaiserzeit liblichen Stadion ausgeschlossen. Art bei ihm verwischt, halte ich die Erinnerung 

Es liegt, so wunderlicb es aucb sein mag, und so an seinen E.-Versuch bier fiir eher am Platz als 

sebr solcbe Scbeu,einWegma6zudefinieien, einem unter ,Oikumene'. Er setzt, entsprecbend den 

Eomanschriftsteller etwa der Biedermaier-Zeit, sich Worten des ,gro6en Kosmographen Moses*, die 

scbickt, der seine Helden so und soviele Meilen Ostwestrichtung als doppelt so lang an als die 

reisen lafit, ohne auch nur einmal das Bedlirfnis Nordsiidlinie. Seine Weisheit geht nun angeblich 

nacb ihrer Definition gegeniiber seinem Leserkreise auf die indischen BQaxf^aveg zurtick. Diese batten 

zu sptiren, nur an Ptolemaios, dafi er nirgends 20 eine ,schnurgerade' Abmessung empfoblen, durch 

sonst solcbe Wertungen ausspricbt. ein anaQtiov, von Tzinitza = Cbina aus. Die dmoxrj- 

Was Ptolem. I 4, 4—7 iiber die Unverlafilicb- (xaxa der Mefipunkte ftibren bis zum Westen 

keit der Messungen auf festem Boden oder zu {bvoig) iiber Ovvvia, Ivdla und ^ BdmQcov %d)Qa, 

Schiff ausfiibrt, ftir jenen das iiblicbe Fehlen ge- iiber ,ungefahr 150 iiovaV" ; 

rader Wegricbtung und die Niveauunterscbiede, dann ^ Usqo&v xwQa 80 „ 

ftir diese u. a. aucb noch die Windstarke undibre dann die Linie Nioi^i his HeXevxeia 13 „ 

Dauer und Abwechslung, die zu scbatzungsweisen die Linie HeXsvxsia, TcofArj, TaAA/a, 

Herabsetzungen der ausgewiesenen Stadien zwin- ipriQia (= lojtavol) bis FadsiQa 

gen, gestattet docb niclit das Absehen von jeder sSco slg tov 'QKsavov ungefabr 150 „ 

Messung und das Ersetzen von Itinerarien durcb 30 a„^^^ -j / "o / ^i„o ^•«,,\,\ qoo 

Ortsentfernungen, die (gleichfalls vemutungs- Summe ^rA^ov .Aatrov (= plub minus) 393, 

Wise) auf Grund von Itinerarien durch Polhlhe ^'^VC''l;X° ^'^ftf i ^ ' ^'' - ' R ■ 

bestimmt warden. Hingegen gewahren die Vi- , ^'^J' ''*^ '"'^* "^ '^° ^"'' ''"'S^^S^"^" 

sierungen dem Autor die einzige yerlafiliche Hilfe ^'"Zidncov nicht mehr als 50 f^ai 

fur die Abscbatzung und Vermessung von Ob- ^5% , ^ kq ^ 

jekten ebensowobl auf dem festen Boden wie zur ^, ^*'" on " 

§ 7. Kugelgestalt und die Daten ftir die E. ^f^?'"'^, n ^ ^ , „„^ 7? /? ' ^^ " 

sowie die wislenscbaftlicben Wege, auf denen Av^omah^^^^ 

man zu ibnen gelangt war, sind nicht einmal in die 40 ^ - 



mittleren Schicbten der gebildeteren Gesellschaft Summe 200 (jioval. 

und zur Kenntnis der antiken AuBenvolker ge- Somit recbnet Kosmas die ,Lange' zu rund 

langt. Aber auch aus dem Gesichtskreis der Ge- 400, die Breite zu 200 fAoval ; also zu 12 000 

bildeteren scbwand sie immer starker, und die bzw. 6000 fjilXia, aber er fiibrt diese Kechnung 

pietistische Eichtung der buchstabenglaubigen nicht aus und definiert nicht das fA,iXiov. Zur Be- 

Interpreten der hi. Schriften von Juden und statigung der Daten und Zablen bringt er eine 

Christen hat sie nabezu ausgelCscht. Freilich von ihm mit einem Freunde ausgeftihrte Ab- 

konnte die Neugier nacb GrOBe und Gestalt der schrift einer Denkscbrift des Ptolemaios III. 

Erde nie ganz ersterben, und sie muBte Nabrung Euergetes aus dem abessyniscben Axume. Sie ist 
finden aus der immer wachsenden Bertihrung der 50 in anderer Beziehung sebr wertvoll ftir uns, aber 

Vclker untereinander. Solcbe Bertihrungen er- mit E. hat sie so wenig zu tun als ebendort eine 

wachsen hauptsachlich durch Wanderungen, durch zweite Inschrift eines axumitischen Barbaren- 

Krieg, durch Handel und durch die christliche kOnigs; Syll. or. 54 und 199; s. 0. Wecker 488. 
Missionstatigkeit. § 8. Die nachste E. fallt erst ums J. 827, in die 

Durcb schmale byzantinische Kulturkreise Zeit der Araber unter Al*Mamun mit ahnlich 

und durch orientalische, insbesondere arabische groBer Aufmachung wie mehr als ein Jabrtausend 

Schulen, welche im Osten und in Spanien auf die frtiher Eratosthenes zum Kuhm der alexandriniscben 

Schriften des ptolem aeischen Nachlasses sich Wissenschaft untemommen batte; vgl. Miller 

sttitzten, wurde der wissenschaftliche Funken Erdmessung 32ff. [Wilh. Kubitschek.] 

der E. am Leben erhalten. Man soUte meinen, 60 S. 455 zum Art. Erinna: 

daB die Schriften der lateinischen und vor allem Ein Papyrus s. la (ed. G. Vitelli Pap. See. 

der griechischen Kirchenscbriftsteller Andeutungen Ital. 9, 1929, nr. 1090, dazu Tal IV undVorrede 

liber die jeweils geltenden Vorstellungen vom S. XII, vgl. die Ausgabe von P. Maas Herm. 

Weltbau enthalten. Aber mir ist keine branch- 1934, Heft 1) enthalt Reste von 54 Hexametem 

bare Zusammenstellung des Materials (weder aus eines Trauergedichtes der E. auf Baukis, jener 

R. Be az ley Dawns of modern geography 1 1897, Gespielin, der auch die beiden Grabepigramme 

noch aus Marin elli, noch ausKonradKretsch- Anth. Pal. VH 710. 712 gelten, und wohl auch 

mer)3ebegegnet, unddielndizesderMigne'scben das Geleitgedicht frg. 1 Bergk (3 Diehl); denn 



55 Erinna Exekution 56 

da die telische Heimat der E. auf dem Grabstein muB hier gentigen: dvlTca S' eg Xe^og [avbQog 

erwahnt wird, Y^mmtet v. Wilamowitz e/^a?, rJoKa jidvx' eUXaoOy aod' hi vrjTtidoaaa 

Sappho und Simonides 1912, 230, ansprechend, rfsdg naQa] [A,axQdg axovoag, Bav^i (plXa . . . 

daB Baaikis nach auswarts geheiratet habe. Frg. 2 Neuere Literatur auBer v. Wilamowitz 

(1 D.) kehrt auf dem Papyrus wieder (32 :;tQav' a. 0. und! Vitelli: E. Diehl Anth. lyr. I 

ioyoi jTofXtai , . .])j olme verstandlicli zu werden. (1925) 486. A. Korte Arch. f. Pap. X 21,. 

Frg. 3 (2 D.) stammt offenbar aus demselben C. M. B o w r a bei Powell New Chapters in 

Gedichte (schon C r u s i u s schrieb es einem im- Greek Lit. Ill (1933) 180S. P. M a a s Herm. 1934. 

Tirideiov zu), [P. Maas.] 

Dies Gedicht nun meint vermutlioh Suidas s. 10 S. 552, 12 zum Art. Erucianus: 

"H.Qivva mit den Worten syQay^sv 'HXa?cdty]v' C. Erucianus Silo, Consul suffectus im J. 

noiri[A,d 6' sotiv AioXiKfi nal AcoQidi diaU^rco, stzwv 110 n. Chr. mit L. Catilius Severus, fasti Ostienses 

t' (300). Eben diese ganz einzigartige Bialekt- Calza Not. d. scav. 1932, 188ff. [Groag.] 

mischung zeigen xsXwva, asXawa, yorj/^i, [oxovd]- Euryalos, sagenhafter attischer Architekt, 

Xsioa neben rv (ace.), noxL, xona, xfjvog^ HcoQa, mit seinem Bruder Hyperbios Erfinder der Zie- 

(poixfji (oder k(poixri). Das Dorische paBt zu E.s geleien und des Hausbaues. Plin. n. h. VII 194. 

vermutlicher Heimat Telos; das Aeolische hat Ebd. 198 erscheint ein Korinther Hyperbios als 

V. Wilamowitz Hellenist. Dicht. I (1925) Erfinder der TOpferscheibe (von Kremmer De 

109, 2 aus vielleicht unbewuBter Nachahmung der catalogis heurematum, Lpz. 1890, 103 auf Straton 
Sappho erklart, was nun dureh xeXvvva imd oe- 20 zurtickgeftihrt). Endlich erwahnt Pans. I 28, 3 

Xawa tedlweise bestatigt wird. [Die xeXvwa ist, die Legende, die Pelasger Agrolas (o. Bd. I S. 903) 

wie B w r a (s. u.) erkannt hat, nicht die Leier, und Hyperbios batten die Mauern der Akropolis 

sondern die iSchdldkrote des Z^2t;^-f2c6r^-<Spielers.] von Athen gebaut (Literatur Suppl.-Bd. I S. 175); 

Aber die aithematische Flexion der Verba konnte doch ist die Stelle liickenhaft und es heiBt gleich 

kaum als typisch fiir Sappho empfunden und darauf, die beiden seien Sikeler gewesen und 

sicher nicht unbewuBt verwendet werden. Be- nach Akarnanien ausgewandert. Ygl. auch v. Wi- 

wuBte Dialektmischung stimmt aber nicht zu der lamowitz Aus Kydathen 144. [W. KrolL] 

Schlichtheit des Stils. So bleibt hier eine Frage Exekution. E. oder ZwangsvoUstreckung ist 

off en. die Verwirklichung eines Rechtes gegen den Willen 

Der Tiitel 'EXa^edxTj (Suid.) ist freilich un- 30 dos Verpflichteten. Herkonmilicherweise unter- 

veistandlich; man vermiBt den Namen der Baukis, scheideit mam Vermogens- und Porsonal-E. Wah- 

deren Leben und frtiher Tod den einzigen Inhait rend gegenwartig die erstere im Vordergrunde 

zu biliden scheint (dXaTidxav col. Ill ist wegen der steht, ist dies in urspriinglichen Verhaltnissen 

Verstiimmelung der Umgebung unverwertbar). anders. Die Personal-E. ist unvergleichlich alter 

Theokrits 'HXaKdxrj (28) zeigt keinen Anklang als die Vermogens-E. Dies hangt sicherlich o^ich 

an das Trauergedicht. damit zusammen, daB urspriinglich das Ver- 

Ob sich in dem anonymen Epigramm Anth. mogen in sehr weitem AusmaBe durch das Kol- 

Pal. IX 190 die Worte ot dh xQirjHOGioi xavxrjg (der lektiveigentum (s. E. Weiss o. Bd. IX S. 1078ff.) 

B.) Gxixoi looi 'OfirjQov (daraus Suid. oi bs oxlxot gebunden war. Doch von noch viel groBerer Be- 
avxTjg EKQvdnfioav loot VfA,i^Qov) auf das Trauer- 40 deutung ist in dem angegebenen Sinne, daB die 

gedicht allein, oder (wie C r u s i u s vermutete) personliche Haftung, die dann allerdings nur zur 

auf den gesamten NachlaB der E. beziehen, laBt Personal-E. berechtigt, am Anfange der Rechts^ 

sich noch immer nicht entscheiden. Im ersten entwicklung steht, was wiederum mit der An^ 

Fall waren die Epigramme vergessen, die doch schauung der lalten Rechte zusammenhangt, daB 

sehr geschatzt waren (Anth. Pal. VII 13, 4 t= die Schuld auch bei vertragsmaBiger Begrtindung 

VII 712, 3), im letzteren miiBte Suidas stark ein Unrecht gegen den Glaubiger darstellt; der 

irren. Aiith. Pal. IX 190, 1 xods xtjqIov wiirde Schuldner setzt sich mit der Retehtsordnung in 

gut auf eine Gedichtsammlung passen (Plin. n. h. Widerspruch, die lediglieh den Barverkehr als 

praef. 24 iiber KriQiov als Buchtitel). ordnungsmaBig gelten laBt. Ist die Schuld aber 

E. war 19jahrig, als sie das Trauergedicht 50 ein Unrecht, so treffen die Unreehtsfolgen, eben- 

verfaBte (23 evvmHaibs7caxog)\ sie ist auch selbst so wie jede andere Polge einer Straftat, in erster 

jung gestorben. Asklepiades (Anth. Pal. VII 11) Reihe die Person des Rechtsbrechers. Vorsichts- 

kann also mit yXvxvg jtovog . . . naQ'&eviKag kvvsa- halber sei bemerkt, daB die Vermogens-E. neben, 

Haidstcdxsvg sowohl auf das Trauergedicht wie auf nicht etwa an die Stelle dear Personal-E. tritt, so 

das Gesamtwerk der E. hinweisen. Suid. xelsvxq, daB schlieBlich beide nebeneinander stehen. Doch 
utaQ'&svog ivveaxmdeKdxcg kann von Asklepiades ist im Ablauf der rechtsgeschichtlichen Erschei- 

abhangen. nungen ein aUmahliches Zurticktreten der Perso- 

Sicher war das Trauergedicht das bedeutendste nal-E. unverkennbar. 

Werk der E. und der Hauptgegenstand des Ent- I. Griechische Personal-E. 
ziickens der Alexandriner, die es neben Homer 60 Urspriinglich haben wir uns das Reeht dfes 

und Sappho stellen. Wir konnen das jetzt nach- Glaubigers gegen den VoUstreckungsschuldner 

ftihlen, so verstiimmelt die Reste sind. Kindliche ganz unbeschrankt zu denken. Die Rechtsordnung 

Schlichtheit, Anschaulichkeit, tiefe Empfindung, steht dem Schicksal des Verpflichteten voUkom- 

und bei all dem noch echte Kunst, diese Vereini- men gleichgiiltig gegeniiber. In dieser Hinsicht 

gung hat etwas Klassisches, muBte jedenfalls den ist das dolisebe Gesetz gegenl den Zwischenhan- 

Alexandrinern geradezu als ein Wunder erschei- del mit Kohle und Holz bezeichnend (Bull. hell, 

nen. Eine Stilprobe aus dem am besten erhaltenen XXXI 47). Dort ist vorgesehen, den aahlungs- 

TeH (col. II gegen Ende, bei Vitelli p. XII) unfahigen Schuldner dem Glaubiger auszuliefern. 



57 Exekution Exekution 58 

ihn xhm preiszugeben, ohne daB, wie im romischen konnen, odex aber als biirgerliche iStrafe fiir Zu- 

Recht, irgendeine Beschrankung seiner Gewalt widerhandlungen g&g^n Unterlassungspfliehten 

ersicMlich ware. Der Fachausdruck daftir ist nQoo- (DZPO § 888. 890. Osterreichische E.-Ordming 

tiMvai. In dieser nnlbesehrankten Form mtissen §§ 346--369). Besteht im griechischen Reeht 

wir die 8 c h n 1 d k n e c h t s c h. a f t als gemein- ein entwicklungsgeschichtlicher Zusammenhang 

griechisclie Vollstreckungsart ansehen (L. Mit- der Schuldliaft mit der Schuldknechtschaft, so 

t ei s Reacbsrecht 446). Wir finden &ie im Reclit miifite sie als jiingere Abmildernng verstand^n 

von Gortyn (I 55) im Zusammenhangei des Biir- werden, indem einerseits ein Eingreifen der 

gerprozesses; bei iden attischen Rednern, so bei Obrigkeit si;attfindet, andererseits die schweren 

Lysias (XII 98) nnd Isokrates (XIV 48) horen 10 Folgen der Schuldkneclitsehaft, namentlich der 

wir von ihr immer nur im Zusammenhang mit Freiheitsverlusit., ausbleiben. Damit hangt eis wohl 

einem erzwungenen Aufenthalt in der Fremde; so zusammen, daB seit jeher die Schuldhaft in 

weiB dies der letztgenannte von den Plataern zu offentlichem Gewalirsam, nieht in Privathaft voU- 

berichten {km ^svrjg fxixQcbv av evsna ovfA,poXaicov streckt wird. In Athen bilden den AnlaB zur 

sdovXsvov). Mit Bestimmtheit konnen wir die Schuldliaft gewisse Handelsschulden, d. h. Kla- 

Schuldknechtschaft auBer in Gortyn fiir das vox- gen gegen GroBhanidler und Schiffer wegen Ver- 

solonische Athen voraussetzen, wo, wie noch unten tragen tiberEin- und Ausfuhr (Demo sth. XXXIII 1), 

zu zeigen sein wird, nicht einmal die "Verpflieh- ferner offentliche Schulden (Demosth. XXIV 98). 

tung des Glaubigers zum Verkauf ins Ausland Noch Lukian setzt fiir Schuldner von Strafgeldern 

bestand. Solon hob in Athen die Schuldknecht- 20 an den Staat die Anhaltung im Schuldtimn als 

schaft aiuf (Aristot. 'Ad: nol. 6, 1), dies anderte allgemein bekamnt voraus (Lukian. XXXIX 5, 49). 

aber an dem sonstigen griechischen Rechtszustande SchlieBlich ist in diesem Zusammenhang noch zu 

auBerhalb Athens nichts. Noch bei Diod. I 79, 5 eiwahnen, daB auch Platon die Anhaltung bis zui 

erscheint die Schuldknechtschaft als gemeines Bezahlung, z. B. bei der Verurteilung zur Dieb- 

griechisches Reeht; der Ausdruck der Kunstprosa stahlsbuBe (Plat. leg. IX 857 a) kennt. Auch in 

fiir den entlassenen Schuldknecht ist s^€Xsvd>sQos Korinth wird, und zwar schon fiir die Zeit dfes 

(Etym. G. 193St. Eustath. Od. XIV63p. 1751,2). Kypsebs, die Anhaltung Ym staatlichen BuB- 

Ein griechischer roTiog bei Dion. Chrya. II 238 schuldnern im Gefangnis erwahnt, aus der Biirgen- 

Am. u. Plut de evitando aere al. 3. 828 c be- steUungbefreite(Nikol.v.Daim.frg.58.FHGIII392). 

zeichnet die Verflechtung mit irdischen Giitern 30 Im Hellenismus scheint dann die S'chuldknecht- 

als ein Sklave sein nach Schuldvertrag. Partsch schaft durch die Sdhuldhaft voUkommen verdran^gt 

(Berl. Phil. W. 1913, 679; Aus nachgelassenen zu sein. So ordmet der aiichaiische Bundesstratege 

Schriften 1931, 285) verweist auf das allerdings Kritolaos (147/46 vi. Chr.) ein Moratorium in der 

ganz verstiimmelte delphische Gesetz unter einem Weise an, 'daB er den Ortsobrigkeiten verbieitet, 

vom J. 235/230 v. Chr. datierten Ehrendekret Personen, die wegen Schulden in die offentliche 

Bull. hell. XXVI 254, wo als Folge des TcaxabiKov Haft abgefiihrt worden sind, von den Glaubigern 

yeyevfjod'ai das aycbyiiJiov elvai erscheint. entgegenzunehmen (Polyb. XXXVIII 11, 10). 

Die Aufhebung der Schuldknechtschaft in Auch im Evangelium (Matth. XVIIII 28) wird 

Athen durch Solon ist in ihrer Wirkung von vom- der Schuldner in das Gefangnis geworfen, ,bis er 

herein dadureh beischrankt, daB sie auf Staats- 40 bezahlt*. In den Papyri begegneni wir zwar der 

schulden keine Anwendung findet (vgl. Boieekh- Schuldhaft, aber nicht der Verknechtung (San 

Frankel Staatshaushaltung der Athener I Nicolo H. GroB Arch. XLVI [1912] 143. 

461. n 103. P a r t s c h Griech. Biirgschaftsrecht Schubart Einfuhrung in die Papyrusk. 1918, 

I 238, 1. Hermann-ThalheimRechtsalt.5 292). Wie uns das Edikt des Ti. lulius Ale- 

1895, 19, 1 unter Berufung auf Dem. LVHI 1. xander (CIG IE 4957. Syll. or. 669. Br uns 

XXVIII 1. Demisch Die Schuldenerbfolge im FIR F 244) zeigt, scheint schon in dieser Zeit 

attischen Recht, Lpz. 1910, bes. 48). Ebenso wie in Igypten die dem modernen Vollstreckungs- 

das romische (s. u. Ill) hat das griechische recht eigentiimliche Tirennung der Raumliehkeiten 

Vollstreckungsrecht, z. B. in HalikarnaB (sog. zur VoUstreckung der Strafe von jenen zur V'oU- 

Lygdiamisinschrift Syll.^ 45. IGA 500) den Satz 50 streekung der Schuldhaft iiblich gewesen sein. 

ausgebildet, daB ein Verkauf des VoUstreckungs- Dort wird auch eine Verordnung des Kaisers 

schuldners nur ins Ausland erfolgen darf. Ahn- Augustus eingescharft, wonach, wie es scheint, 

lich begegnem wir, wenngleich in anscheinend ahnLich wie in Athen die Schuldknechtschaft und 

verderbter tlberlieferung, diesem Verbote in Ale- Schuldhaft auBer gegen Staatsschuldner verboten 

xandrien (P. Hal. 1, 219, dazu die Herausgeber wird (bestritten von Wo ess Ztschr. f. Rechts- 

123. Wenger Miinchn. krit. Vierteljahrschr. gesch. LVT 1922, 402, 4)' Tirotzdem begegnen wir 

LI [1913] 367. LIV [1919] 19f.). Zulassig diirfte in Agypten bis in die Zeit lustinians hinein so- 

hingegen der Verkauf ins Ausland iiberall ge- gar der privaiten eigenmachtigen ZwangsvoU- 

wesen sein, wo Schuldknechtschaft stattfand, wie streekung im eigemen Schuldgefangnis des Glau- 

im vorsolonischen Athen (Solon frg. 4 Bgk.). Vgl. 60 bigers (Pap. Cairo Cat. 67005). Die Papyri 

ferner BraBloff Herm. LVII 472ff . und fiir zeigen uns fiir das hellenistische Recht die ver- 

germanische Verhaltnisse Tac. Germ. 24. tragsmaBige Unterwerfung unter eine verscharfte 

Von der Schuldknechtschaft unterscheidet sich E., wahrend die ordentliche ZwangsvoUstreckung 

die Schuldhaft; sie ist auch dem geltenden wegen burgerlich-rechtlicher Forderungen nach 

Rechte des Deutschen Reichs und Osterreichs be- einem koniglichen diayQafAfxa (E. Weiss 517) 

kannt, aber nur als Beugemittel bei sog. unver- stattfand. So soil in P. Columbia 270 die VoU- 

tretbaren Handlungen, d. h. bei solchen, die streekung in die Person und in das Vermogen so er- 

durch einen anderen nicht vorgenommen werden folgen wie bei Konigsforderungen {(hg TZQog Paoi- 



59 Exekution Exekution 60 

liKCL^ namlich ocpeilrjiAata), Damit scheint ge- Riccobono - Baviera -Ferrini 28f.)- 

meint zu sein, daB gegen die Mitverpflichteten Diose gesetzliehen Bostimmungen lassen indes 

(Pachter und Btirgen) als Gesamthander {correi einen alteren Rechtszustand erkennen, der gegen 

debendi) vorgegangen und nicht etwa nnr nach den Schnldner noch grausamer war. Mehrfach ist 

Kopfteilen exequiert werden soil (P. M. Meyer Veranderung des Textes durch Einsehiibe "be- 

Ztschr. f. Rechtsgesch. LXIII 538). In den glei- hauptet wordetn (z. B. betr. des Einganges von 

chen Zusammenhang gehoren aber audi die Ver- Gradenwitz M61. Girard I 50'5ff. B e 1 1 i Atti 

trage iiber Abarbeitung einer Schuld, aber be- Acad. Torino I [1914/15] 701, 2. Br^al Journ. 

greiflicherweise nur, soweit sie zur Vermeidung d. Sav. 1902, 607, vgl. den Bericht von 
der Personal-E. geschlossen werden. So spricht lOSchwering und Baeherler Burs. CLXXVI 

Varr. r. r. I 17, 2 von Ackerknechten, quos oh- [1918] 97). Gehen wir indes von d'em bei Gell. 

aerarios nostri vocitarunt et etiam nunc sunt in XX 1, 42ff. tiberlieferten Texte a)usi, so wird die 

Asia atque Aegypto et in lllyrieo complures. ZwangsvoUstreckung -durch eine manus inieetio 

Dieses Verhaltnis beruht nicht auf einem Dienst- eingeleitet; sie seitlzte voraus, daB die gesetzliche 

vertrage, denn diese Ackerknechte werden deut- Zahluingsfriist fur urteilsmaBig oderr durch Con- 

lich von den conduetieiis liherorum operis unter- fessio (s. Leonhand o. Bd IV 8. 864) fest- 

schieden. Hierher gehort ferner wohl auch eine gesteUte Verbindlichkeiten von 30 Tagen frucht- 

Reihe von Urkunden aus Alexandrien BGU IV los versiMchen ist. An die manus inieetio schloB 

1053—1057. 1106. 1115—1119. 1121. 1122. sich eine Vorfiihrung vor den Gerichtsmagisftrat. 
1133. 1144. 1145—1147. 1150 Z. 19ff. 1151 20 Ersichtlich 'hatte der Magistrat zu p-rtifen, ob 

Z. 26ff. 1156. Vgl. auch P. Oxy. 1295 Z. 12 mit wirklich die behauptete Verbindlichkeit vorlag, 

Anm. Hier unterwerfen sich anscheinend IHgoat unid ob sich nicht bei Verhandlung ein vindex 

tfjg smyovfjg, und ihnen Gleichgestellte (BGU IV (s. u.) einstellte. Gesehah ' weder Sam eine noch 

1156) dem naQaxQfjfjia aywyifjiov slvat und der das andere, so kann der Glaubiger den SchuMner 

Anhaltung in Haft (owix^o'd'ai). Daneben besteht mit sich fortfiihren, er kann ihn mit einem Strick 

die ordentliche E. nad'dnsQ iy biTirjg. Diese Ab- ode(r mit FuBfesseln fesseln, die jedocb das Ge^ 

machungen besagen, daB der Glaubiger auf Grund wicht von 15 Pfund (Textveranderung; daftir mit 

besonderer Vereinbarung den Schuldner eigen- Schrifttum E. Weiss Griech. Privatr. I 1923, 

machtig und ohne Anrufung der Behorde ergrei- 502, 18, und dagegen Wenger Imst. d. rom. 
fen und bei sich in Privathaft, vielleicht als 30 ZivilprozeBr. 1925, 214, 3) nicht ubersteigen dtir- 

Dienstknecht, behalten kann. Die IIsQoai rfjg km- fen. Dem Schuldner steht das Recht zu, sdch 

yorrjg sind eine amtliche Standesbezeichnung selbst zu verkostigen. Dies findet in den moder- 

(Schonbauer Ztschr. f . Rechtsgesch. LXII nen Vorschriften iiber den VoUzug der Haft eine 

363, anders Bickermann Arch. f. Pap. VIII Entsprechung. Wird die Verpflegung nicht vom 

218ff.). Zum Begriff der IJigaai, xfjg smyovrjg^ Verpflichteten beigestellt, so hat der Glaubiger 

groBes Schrifttum, vgl. v. W o e s s Ztschr. f . dem Schuldner lihras f arris, also 'ein Pfund Spelt- 

Rechtsgesch. LIX 38 mit weiteren Angaben; mehl taglich zu reichen — eine zur Aufrecht- 

Schonbauer 361; wieso sie dem scharferen erhaltung des Lebensprozesses kaum ausreichende 

VoUstreckungsrecht unterlagen, ist mit Sicherheit Gabe. Wahrend dieser Haft konnten Verhanid- 
noch nicht aufgeklart. Zur Abarbeitung der Schuld 40 lungen zwischen den Parteien stattfinden. Blieben 

vgl. auch M. Weber Handworterb. d. Staats- sie ergebnislos, o>der kam es nicht dazu, so war 

wiss. P 137. Das naQaxQrjfjia aycbyifjiov elvai als der Schuldner nach sechzigtagiger Haft an drei 

vereinbarte, nicht gesetzliche Folge des aufeinanderfolgenden Markttagen, also in acht- 

Schuldnerverzuges fiihrt zur Versklavung. Dies tagigen Zwischenraumen, dreimal vor den Praetor 

stimmt zu der sonstigen Bedeutung des Wortes in comitium zu fiihren, durch praedieatio, also 

(Thalheim 0. Bd. I S. 768. 834f.) und dem ofPentlich (E. Weiss Ztschr. f. Rechtsgesch. 

Pap. Columbia invent, nr. 480 (198/97 v. Chr.) XLVI 488) seine Urteils- (oder Gestandnis-) Schuld 

abgedruckt bei Westermann Upon slavery bekanntzumachen und nach fruchtlosem Ablauf 

in Ptolemaic Egypt 1929, wonach die Sklaven- der angegebenen Frist dem Glaubiger zur Totung 
steuer einzuheben ist von den [rjcov 8s vnoxQscov 50 odeir zum Verkauf in das Ausland {trans Tiberim) 

aco/Lidrcov, oca av ihv['d'e]Qa Svta sav[ra . . ,] to zu tiberlassen. Nooh die Zwolf Tafeln spreehen 

XQsog, anders v. W o e s s Ztschr. f . Rechtsgesch. von einem Recht der mehreren Glaubiger (Plural 

LXIV 426 unter Hinweis auf friihere Arbeiten, an Sltelle des bis 'dahin gebrauchten Singulars), 

insbesondere zur Benutzung'des Asyls als Mittel den Schuldner in Stiicke zu schneiden. Nach den 

des Schuldnerschutzes. Vgl. ferner zu den hier antiken Berichten soil es indes zur Auslibung 

erorterten Fragen L e w a 1 d Zur Personal-E. im dieses Rechtes niemals gekommen sein (Cass. 

Recht der Papyri 1910. Dio frg. 12. Quint. IH 6, 84. GeU. XX 1, 52); 

Eine andere Folge der unterbliebenen Erfiil- die Bestimmung, in der Literatur vielfach ange- 

lung einer Schuld ist Atimie, woriiber Thai- zweifelt und verschioden ausgelegt (B r 6 a 1 Journ. 
heim o. Bd. H S. 2102. 60 d. Sav. 1902, 607, vgl. Schweringu. Bach- 

II. Griechische Vermogens-E. Der erler 97. Kohler Shakespeare vor dem Po- 

Fachausdruck fiir die griechische Vermogens-E. rum der Jurisprudenz^ 1919, 50ff. E. Weiss 

ist xaxsvsxvQaoia, wortiber E. Weiss o. Bd. X Griech. Privatr. I 192^, 50^, 20. Radin Amer. 

S. 2495ff. Journ. of PhiM. XLIH 1922, 32. Gruppe 

HI. Romi'sche Personal-E. PMlol. Woeh. 1924, 58ff. W e n g e r Instit. 215; 

Unsere "Dberlieiferung liber die alteste romische ftir die Echtheit namentlich R i c c o b o n o 29, 

Personal-E. beruht in erster Reihe auf dem Text 6 B unter Hinweis auf den Gains Augustod. IV 

der Zwolf Tafeln HI 1—6 (Bruns FIR F 20. 83 und Buonamici Bull. deU. Istit. di di- 



61 Exekution Exekution 62 

ritto Rom. XIII 249ff.), kann nur den Sinn haben, calla (BGU n 473. M i 1 1 e i s Ckrest. 375, dazu 

daB sie edne Norm gegen den Scliiildner diaarstellt, Grundz. 287 Z. 7) entnehmen wir, dafi man dlircli 

der betriiglicherweise bei mehreren Glaubigern cessio bonorum anch. der Personal-E. wegen offent- 

Verpflichtungen eingeht. In diesem Fall Seht lichrechtlicher Verpfliehtungen entgeht. Ebenso 

ibnen das Totungsrecht gemeinsam zu. Ebenso wie die angeftihirte kaiserliche Verordnung vom 

wie im griechiscben RechI gilt der Satz, daB der J. 200 n. Chr. kehren sich in nacbklassiseher Zeit 

Verkauf als Sklave in das Auslamd statttfinden weitere kaiserliche Yerordnnngen (Cod. Theod. 

muB (IVIommsen Jur. Sehr. Ill 4). Znr Echt- IX 11, 5. Cod. Inst. IX 5, 1. 2) gegen den pri- 

heitsfrage betr. dieser Bestimmungen einerseits vaten Schuidkerker. Gb an dessen Stelle die Haft 
E. Lambert Revne g^nenaie de droit 1902; 10 im offentliohen iSchnldturm getreten ist, wissen 

Le probleme de Torigine des XII tables 150ff. wir nicM. Die Geistlichkeit unterliegt der Per- 

und andererseits Lenel Ztschr. f. Rechtsgesch. sonal-E. nicht (God. Inst. I 3, 32 [33], 6 vom 

XXXIX 507. In spaterer Zeit erfolgt die Ein- J. 472). Ausfiibrlich, aber nicht luekenlos tiber 

leitung der E. nicht mehr durch die ebenso wie diese Fragen v. W o e s s 485, vgl. anch K ti b 1 e r 

alle anderen Legisactionen abgekommene legis- Rom. Rechtsgesch. 192,5 50, 1; Wenger In- 

actio per manus iniectionem, sondern durch actio stit. 1925^ 202). 

iudicatij wortiber Steinwenter o. Bd. IX IV. Romische Vermogens-E. 
S. 2476 nnter A. Ebenso wie in Griech^nland Schon in der Legisactionenzeit gibt es ein© 
gebt anch in Rom die Entwicklung auf eine Ab- Zwangsvollstjrecknng in das Vermogen dnreh 
mildemng der Personai-E. Durch die Lex Foe- 20 legisactio per pignoris capionem. Sie vollzog sich 
talia-Papiria de nexis (Liv. VIII 28. Dionys. XVI durch auBergerichtliche Pfandnahme wegen ge- 
5. Cia rep. 11 34; de orat. II 255; weitere Nach- wisser, mit dem offentlichen oder Sakralrecht zu- 
richten bei Plant. Asin. 937; Bacch. 1205. Sail. sammenhangender Forderungen, z. B. lege cen- 
Calt. 33. Quintil. VII 2, 26. Quintil. decl. 311),, soria durch den puhliacnuSj wegen des aes mili- 
wurde, nachdem schon die Lex Vallia (Gains IV tare oder gegen den Kaufer eines Opfertieres bei 
25) mi-t gewi'ssen Einschrankungen 'dais Erforder- Verzug mit der Zahlung des Kaufpreases. Wegen 
nis der Stellung '©ines Vindex (s. u.) abgesteEt der AuBergerichtlichkeit desVorganges, der femer 
hatte, bestimmt, daB sich der Nexum-Schuldner auch an dies nefasti stattfinden konnte, war die 
durch das iuramentum bonae eopiae habere be- UntersteUung unter den Begriff der legisactio 
freien kann. Er muB also schworen, daB sein Ver- 30 bestritten. Haiuptquelle ist Gai. IV 26H. Doch 
mogen wirklich zur Deckung seiner Schulden hin- scbeint diese legisactio, wenngleich mit inhalt- 
reiche und er nur im Augenblick kein Geld zur lichen Veranderungen in gewiissen Fallen, auch 
Verfiigung habe; damit entging er der Personal- nach Abkonnnen der Legisactionen zulassig ge- 
E. (v. Wo ess Ztschr. f. Rechtsgesch. LVI 52 Iff. blieben zu sein (Gai. IV 31 am SchluB [Lticke]: 
G^noun La cessio bonorum 1920, dazu Fran- 32). Im allgemeinen indes tritt an SteUe der 
c i s c i Aegyptus I 390. K li b 1 e r Berl. Phil. W. legisactio per pignoris capionem nach dem Ab- 
1921, , 171. Ebrard Viertelj .-Schr . f . Sozial- u. Wirt- kommen dieser Verf ahrensarten ein auf ganz neuer 
schaffcsgesch. 1921, 1981). Durch die I. lulia de gedanklicher Grundlage bemihendes Verfahren. Die 
cessione bonorum, anscheinend also im Zuge der Einleitung des Verfahrens der Zwangsvollstrek- 
Gerichtsordnung des Augustus von 17 v. Chr., 40 tung erfolgt, wie oben unter III bemerkt, durch 
wurde die cessio bonorum eingefiihrt, d. h. dem actio iudicati. Daran schlieBt sich nun die E., 
zahlungsunf ahigen Schuldner wurde die Abtretung aber nicht in dnzelne Vermogensstticke, sondern 
seines Vermogens gestattet (s. W 1 a s s a k in das ganze Vermogen des Schuldners durch das 
0. Bd. Ill S. 1995. E. W e i 9 s 0. Bd. XII S. 2365). praetorische Verfahren der missio in possessionem 
Doch ist 'die Personal-E. trotz Einfuhrung der als Mittel der ZwangsvoUstreckung (s. E. We i s s 
cessio nicht aus dem romischen Rechtskreis ver- o. Bd. XV S. 2053f.). Hierbei stellte das Edikt 
schwunden (Gai. Ill 199; Sextus Caecilius, d. h. demjenigen, der iudicatus oder pro iudicato erit, 
vielleicht Africanus bed Gell. XX 1, 51); viel- den, der ita, ut oportet, defensus non erit und in 
mehr bestand noch in der Kaiserzeit eine Bestim- einer besonderen Klausel beiden gleieh, qui ex 
mung, wonach der in der Privathaft des Glau- 50 lege lulia bonis cesserit (Lenel Edictum perp.^ 
bigers befindlifehe Schuldner victus und stratus §§ 202. 203 P. 413ff. Gai. Ill 78). Daraus muB 
erhalten muB. Die Ediktskommentare (Ulp. Dig. unausweichlich geschlossen werden, daB die Ver- 
L 16, 43. 45. Gai. Dig. L 16, 44) behandeln 'diese mogensvollstreckung auch ohne cessio bonorum 
Frage im Zuge des Ediktstiteiis De confessis et zulassig ist und als E.-Titel das ludicat gentigt, 
indefensis, Lenel Edictum Perpetuum^ § 199. dem die Confessio (s. o.) gleichgestellt ist, 'Uber 
200, denn die cessio bonorum fand nur bei das klassische Veirwertungsverfahren vgl. E. 
nacbgewiesenem Dngliicksfall statt (Wlassak Weiss 2055. In nacbklassiseher Zeit bleibt die 
1996, 7). AuBerdem verstand sich, wie es scheint, cessio bonorum zulassig, vgl. Wlassak o. Bd. HI 
mancher zur Vermeidung der Personal-E. durch S. 1996, 40ff. Doch tritt daneben eine andere, 
Vornahme der cessio bonorum erst, wenn die erst- 60 dem modemen Reoht nahestehende ZwangsvoU- 
genannte bereits im Zuge) war; ferner scheint die streckung in einzelne Vermogensstticke (Spezial- 
cessio bonorum, ahnlich wie das altere Recht in E.). Hierbei wird zwischen Ansprtichen auf Her- 
der Lex Poetalia-Papiria (s. o.) vorausgesetzt zu ausgabe und GeMforderungen unterschieden. VoU^ 
haben, daB wenigstens dn gewisses Vermogen vor- streckungsf ahige Herausgabeanispruehe ergeben 
handen war, welches Gegenstand einer cessio bono- sich durch Verurteilung bei der rei vindicatio, die 
rum sdin konnte. Der grieehische Ausdruck fiir die nicht mehr wie im klassischen ProzeB auf Geld, 
cessio bonorum ist aiploxaod'ai tcov ^TiaQxovxoovi sondern auf Herausgabe der Sache erfolgt, aber 
aus einem Reskript der Kiaiser Severus und Cara- auch dann, wenn der Belangte die Einlassung in 



63 Exekution Fasti 64 

den Rechts'streit verweigert und trotzdem die nen Ausfall zu ersetzen, ihm aber das beneRcium 

Sache nicht hierausgibt (Wlassak Ztschr. 1 com;pc^eniiae (Einrede des Notbedarfes) gewahrte 

Rechtsgeisch. XXXVIII 143. Lenel Grunbuts (Level Le benefice de competence 1927, 133ff., 

Ztschr. XXXVn 521fE. We n ge r Instit. 313, 10; dazu S e i d 1 93). Das gleiche Recht stand, aller- 

weltere Nachweisnngen au® dean sebr nmfang- dings nicht vor Marius, dem Soldaten zu (Le- 

reichen Schrifttum iiber die Interpolattion der v el 133. Seidl a. 0.). [Egon Weiss.] 

HauptsteUe Ulp. Dig. VI 1, 68 im Index Inter- S. 2051, 1 zum Art. Fasti: 

polationum I 76 und I. iSuppl. 115f.). Wie bei Fasti Ostienses nennt man eine urspriinglich 

einer Geldforderung vorzugehen war, erfahren wir sehr umfangreiche Inschrift, von der im Laufe 
vomehmlieh aus Ulp. Dig. XLII 1, 15; das dortlOder Zeit grOBere Reste zutage getreten sind. 

vorgesehene Verfahren begegnet zuerst in einem Die friiheren sind GIL XIV 244f., alle bis 1930 

Reskript des Antoninus Pius (Call. Dig. XLTE 1, bekannten ebd. Suppl. 4531 — 4546 (vgl. 53541) 

31). Doch ist diese spatklassische Stelle begreif- von L. Wickert ediert; doch steht nicht bei alien 

Mcherweise im byzantinischen Recht vielfaeh um- die Zugeh5rigkeit fest. Von einem neuen, 1932 

gestaltet worden, woriiber eingehend Borto- gefundenen Sttick, einem Marmorblock mit 56 

lucci Stuidi Perozzd 1925, 290ff. Die Zwangs- Zeilen (aus J. 108—113), liegt mir durch Wik- 

voUstreckung beginnt mit einem pignus in causa kerts Giite eine durchweg lesbare Photographie 

iudicati captum. Hierbei soil in der Auswahl der vor. Da sich die Fragmente aaf die Zeit von 49 

zur ZwangsvoUstreckung herangezogenen Gegen- v. Chr. bis 154 n. Chr. beziehen und die BlGcke 
stande eine gewisse Reihenfolge eingehalten wer- 20 verschieden gro6 sind, so mlissen wir wohl mit 

den; bares Geld, das beim Sehuldner oder seinem einer allmahlichen Entstehung des Textes rechnen; 

Bankier (argentarius) vorgefunden wird, kann un- hier bedarf es noch genauerer Untersuchungen an 

mittelbar an den Glaubiger ausgefolgt werden, Ort und Stelle. 

Ulp. 15; die anderen Sachen werden verkauft, Der Text ist nach Jahren geordnet ; voranstehen 

wobei das romische Recht (Ulp. 2) zwar nicht die consules ordinarii, es folgen die suffeeti mit 

Vorschriften iiber die Reihenfolge der zu pfan- Angabe des Amtsantrittes; am Schlusse die Duo- 

denden Vermogenisstiicke, wohl aber iiber die yiri von Ostia, alle ftinf Jahre mit dem Zusatz 

Reihenfolge ihres Verkaufes ausgebildet hat. p/^o^es^a^ej cf^ewsormj; einmal (J. 36n. Chr.)folgen 

Meldet sich kein Kauf er, so soUen die Pfandstticke auf die duoviri ihre beiden Ersatzmanner, prae- 
dem Glaubiger um den geschuldeten Betrag iiber- 30 f(ecti), Dahinter steht bei J. 30 n. Chr. IIIL k. 

wiesen werden (Ulp^. 3). Bezahlt der Ersteher Mai. in locum Dextfri] Ilvir(i) A. Egrilius 

nicht den Preis, so findet zwar nicht niach spat- Bufus pontif{ex) Volkani creatufs] et A. Ebst[i- 

klassischem Recht (Bortolucci 297. Bericht UJus Qratus Ilvir pronuntiatus; zu J. 36 lesen 

Levy Ztschr. f. Rechtsgesch. LIX 418), wohl y^ir in locum A. Egrili Rufi M. Naevius Optatus 

aber nach dem Recht lustinians eine Wiederver- pon[t], Volkani creatus XVI. k. Au[g], Wenn es 

steigerung sitatt. Auf Antrag des Schuldners, aber zu J. 112 heiiSt: aedes Volkani vetustate cor- 

auch von Amts wegen kann die regelmaBig nach rupta nato opere dedicata est, so werden 

zwei Monaten stattfindende Zwangsversteigerung, wir das ebenfalls auf den Tempel von Ostia be- 

MLs sich Aussicht auf ihre Vermeidbarkeit er- ziehen mtissen. S. d. Art. Ostia und vorli 



gibt, aufgeschoben werden (CaU. Digest. XLII 1,40 Myth. Lex. VI 362. Zwischen diesen staatlichen 

31). Hierbei bestehen Pfandungsbeschrankungen, und stadtischen Eponymen steht nun eine Aus- 

die bis in das heutige Recht (Deutsche ZPO wahl von Ereignissen mit Angabe der Tagesdaten, 

§ 811. Osterr. E.-Ordming § 251) nachwirken. die nur in den J. 49—44 v. Chr. fehlen. Mitgeteilt 

Nach einer Verordnung des Kaisers Constantin wird aus caesarischer Zeit die Flucht des Pompeius 

Cod. Theod. 11 30, 1.) Cod. lust. ,VIII 16, 7) ist aus Italien (nach der wahrscheinlichen Erganzung 

bei Privatschulden der servus arator und der Calzas Pompe^'ws [Italiam reliquit)^ Vomi^eins' 

has aratorius der Pfandung entzogen (E. Weiss Ermordung und der ErlaB der Miete im J. 48, 

Pfandrechtl. Unters. I [1909] 57). Dritte konnen Kalenderreform, Einweihung des Venustempels 

Rechte behaupten, idie die Zwiaingsvollstreekung und Naumachie J. 46, Caesars Vermachtnis an 
unzulassig miachen. Die Entseheidung dariiber 50 das Volk (die Garten trans Tiherim) J. 44. Wie 

gehort zum summatim cognoscere (H. K r ii g e r man sieht, sind zu J. 47. 45 keine Ereignisse ver- 

Ztschr. f. Rechtsgesch. LVIII 70; Ulp. a. 0. 4 ist merkt, und das kommt auch spater (z. B. J. 110) 

interpoliert [K r ii g e r]). Die erwahnten Pfan- vor. Aus der Kaiserzeit erfahren wir von Triumphen 

dungsbeschrankungen stellen das sog. objektive der Kaiser und Prinzen, Todesf alien in der kaiser- 

beneHcium competentiae dar (hiertiber Seidl lichen Pamilie, Brandon Roms (J. 36 am 1. Nov. 

Miinch. krit. Vierteljahresschr. 3. F. XXIV [1930] brennt der inter vitores gelegene Teil des Circus 

89). Sie stehen vielleicht im Zusammenhang mit ab, und der Kaiser stiftet ftir die Wiederherstellung 

der moglicherweise gleichfalls auf Konstantin zu- 1 Mill. Sesterzen), Speisungen, Geldspenden und 

riickzufiihrenden deduction ne egeat (Cod. lust. Spiele, fulgura condita (o. Bd. X S. 1130). DaB 
IIIl,8).Daneben gibt es ein subjektives beneRcium 60 am 7. Juni 20 des Germanicus altester Sohn, der 

competentiae; sein Inhalt ist eine Einschrankung spater hingerichtete Nero (o. Bd. X S. 473), die 

desSchuldrechts,indemgewissenGlaubigernunter Mannertoga anlegte und aus diesem Anlafi ein 

gewissen Umstanden das Recht auf voile Befrie- Congiarium gab, wird uns nicht verschwiegen. 

digung aus dem Vermogen des Schuldners ver- Sehr genau wird iiber den Untergang des Aelius 

sagt wird. In unseren Zusammenhang wiirde es Seianus und seiner Familie berichtet. Das neue 

gehoren, daB die lex lulia de cessione bonorum Stiick bringt von den politischen Ereignissen nichts 

(s. 0. Ill) den Sehuldner zwar nicht von der Ver- (will man nicht den Tod von des Kaisers Schwester 

pflichtung befreit, seinen Glaubigern den erlitte- Marciana, 29. Aug. 112, hierher rechnen), sondern 



65 Favorinus Favorinus 66 

nur noch Einweihungen und Volksbelustigungen, meint, so ist auch er mittelbar Zeuge ftir den 

zu denen man anch die Beisetzung der Marciana Verfasser F. Wir haben damit den ersten Papy- 

funere censorio rechnen mag ; eingeweiht wird am rnstext aus Agypten, der ein Werk von einem 

11. Nov. 109 die NaumacMe, AnfaDg J. 112 das dem Attizismns naheistehenden Schriftsteller ent- 

TraiansforumunddieBasilicaUlpia,aml4.Maill3 halt (Vi t elli -Nor sa Introd. p. XV); daB 

die Traianssaule; am 22. Jnni 109 die Thermen, F. in Agypten Leser hatte, wird aucli durdi das 

am folgenden Tage die aqua Traiana {aquam tota Erscheinen seines Namens (^[aPcogJelvov) in 

m-be salientem), Erstaunlicli ist die Ausdehnung einem Bibliothekkatalog oder Desideratenver- 

der Gladiatorenspiele; nachdem am 13. Marz 108 zeichnis aus Oxyrhynchos s. Ill p. C. (ed. M. 

ein 13 Tage dauerndes munus beendet ist, beginnt 10 N o r sa Aegyptns II [1921] 17ff.) bewiesen (vgl. 

am 4. Juni ein neues, das (mit Unterbrechungen) o. Bd. VI S. 2083, 67ff.). Die ausgezeichnete 

117 Tage dauert nnd bei dem 4400 Paare auf- Erstausgabe verdankt man G. Vitelli nnd 

treten (s. Snppl.-Bd. Ill S. 767). M. Nor sa II papiro Greco Vatieano 11 (Studi 

Dielnschriftstellteinemerkwiirdige Mischnng ei Testi 53, Citt^ del Vatieano 1931), mit ein- 

von Fasten nnd Annalen dar, die offenbar anf gehender Einleitung, Kommentar nnd Wortregi- 

die speziellen Bediirfnisse der Burger von Ostia ster (fordernde Bespreehung von K. Praech- 

und die Wiinsclie des allerhOchsten Kaiserhauses ter Gnomon 1932, 561ff. A. Korte Aroh. f. 

zugeschnitten ist, dessen Verdienste um das Volk Pap. X 64ff. mit Beitragen zur Textherstellung). 

ins rechte Licbt gesetzt werden sollen. Weder Den Titel der Rede kennen wir nieht, da die 

auswartige noch innere Politik interessiert offen- 20 Subscriptio fehlt; der von den Bi^^, eingesetzte 

bar die Burger (oder soil sie nicht interessieren), JJeQi (pvyfjg diirfte richtig sein (Introd. p. XII). 

um so mehr aber die groBen Veranstaltungen in Fiir F.' Lebensgeschichte erf ahren wir aus dem 

Eom, zu denen so mancher aus Ostia nach der Stiick (col. 11, llff. 25, 36. 26, lOff.) einiges 

Hauptstadt gepilgert sein mochte. DaB fulgura Neue: Schon als Jiingling hat er sich von seiner 

condita erwahnt werden, ist wohl ein merkwiir- Heimat, den Eltern und einer ihm besonders 

diger Nachklang der alten Annales. Als Quelle tenren Schwester (col, 11, 24 wird a^ifxaCovorjg 

hat Flinck Eran. XXV 81 mit guten Griinden die zu lesen sein) getrennt, um in der Welt herum- 

Acta diurna (o. Bd. I S. 290) bezeichnet; wenn reisend Ruhm zu emten; jetzt ist er, nach dem 

bei den caesarischen Ereignissen die Tagesdaten Tod seiner Angehorigen, ein vielgereister, groBer 

fehlen, so mag es daran liegen, daB die Acta jener 30 Mann, lebt ,mit dem Rest seines Hauses' langst 

Zeitnicht mehr auf zutreibenwaren. [W.KrolL] auswarts und ist liber das Heimweh erhaben, 

S. 2078, 48 zumArt. Favorilius: ertcagt also die jetzt erzwungene Abwesenheit 

Seit dem Erscheinen des Artikels (1910) und von der Heimat gefuhlsmaBig leicht; er be- 

der DarsteUung bei C h r i s t - S c h m i d 11^ 764 herrscht zwar nicht mehr wie zuvor andere, aber, 

— 766 (1925) hat unsere Kenntnis des P. nach was wichtiger ist, sich selbst. Die vermutlich 

der biographischen und literaturgeschichtlichen wenig driickende Intemierung (relegatio ad tem- 

Seite einen Zuwachs erhalten durch die Auffin- pus?) a;uf der sonst als Verbannungsort nicht 

dung eines groBen Sttiekes Text (26 Schrift- bekannten Insel Chios (col. 14, 40), muB wohl 

kolumnen, am Anfang und SchluB versttimmelt, in die Zeit d^r Ungnade bei Kaiser Hadrianus 

das Mittelsttick in verhaltnismaBig gutem Zu- 40 in dessen spateren Regierungsj ahren (o. Bd. VI 

stand) auf einem Papyrus unbekannten Fundorts, S. 2079, 32ff.) fallen. Vitelli-Norsa (Introd. 

aber sicher aus der Marmarika (zwischen Kyre- p, IXf. 7) setzen die Korinthiaka ca. 131, die 

naika und Agypten) stammend. Auf G. M e r - Rede ihsqI (pvyfjg wenig spater. 

cat is Veranlassung wurde der Papyrus 1930 Der praktische Zweck der Rede scheint zu 

fiir die papstliche Bibliothek erworben, wo er sein, ihn den Bewohnern von Chios als ktinf- 

jetzt als Papiro Vatieano 11 verwahrt ist. Der tigen Wohltater zu emp fehlen (col. 11, 44ff.). 

F.-Text, eine Rede, von der der Papyrus den Was er aber dariiber sagt, erseheint nur als Ein- 

groBten Teal enthalt (das Erhaltene etwa 1300 lage in eine Diatribe tiber die Verbannung, deren 

Normalzeilen, so daB, was am Anfang und vermeintliche tTbel dem Philosophen nichts an- 

SchluB fehlt, nicht sehr viel gewesen sein 50 haben konnen. Wir haben derartige Betrach- 

kann; vgl. die Hgg. Introd. p. XII), ist Privat- tungen, deren SchulmaBig-keit Cicero (Tus. Ill 

kopie, auf dem Verso gesehrieben, nachdem die 81) bezeugt, von Teles, Cicero (Tus. V 106 — 

drei das Recto ftillenden Urkunden aus der Re- 109), Musonius, Seneca (Cons, ad Helviam), 

gierungszeit des Commodus (t 192) zusanmien- Plutarchos (A. Giesecke De philosophor, 

geklebt worden waren, um das unbesehriebene veterum quae ad exilium spectant sententiis. 

Verso zum Eintrag einer Abschrift benutzbar Lpz. 1891; die 'B.g^. Introd. p. XI 1 weisen noch 

zu maehen. Das Verso ist bald nach a. 215 bin auf Dio Chr. or. 13 Emp., iiber die vgl. 

(A. K r t e Arch, f . Pap. X 65) mit dem litera- J. Wegehaupt De Dione Chr. Xenophontis 

risehen Text beschrieben worden. DaB P. Ver- sectatore, Gott. 1896, 56ff. und Cass. Dio 

fasser der Rede ist, folgt daraus, daB sie zwei 60 XXXVIII 18 — 29); die Schrift des F. ubertrifft 

^chon vorher bekannt gewesene F.-Fragmente ent- sie alle weit an Ausfiihrliehkeit und an Fiille 

halt (col. 17, 17f. 23, 41 — 48 ,s= Fa v. frg. 82 der mythologischen und geschichtlichen Beispiele, 

Marres; 19, 7 — 8 = Fav. frg. 106 M.). Wenn unter denen auch romisohe (Mucins Scaevola 

Phrynichos, der so oft Veranlassung nimmt, dem col. 1, 25. 27; Coriolanus 2, 8; Minucius 21, 6; 

F. Sprachfehler vorzuwerfen (o. Bd. VI S. 2084, Horatius 21, 15; Musonius 1, 32; Nero 21, 37) 

32f.), mit dem Tadel des Wortes avxozQocpog nicht fehlen. Das Buoh widmet F. als einen 

(p. 201 Lobeck), das wir nur in unserer Rede Schatz {piz^f^a mit Anklang an Thuk:. I 22, 4) 

-col. 14, 24 nachweisen konnen, diese Stelle alien, die in ahnliehe Lage kommen, ohne sioh 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 3 



67 Favorinus Pavorinus 68 

eelbst helfen zu konnen; die vorbildliohen Worte mal auf ein Beispiel beschrankt, glaubt er be- 

■und Taten der bertihinten Manner der Vorzeit merken zu miissen, daB er aus einem groBen Vor- 

nnd der Gegenwart sollen ihnen nieht wesens- rat auswahle (16, 18ff.). Die KorintMaka, die 

fremde Trostmittel sein, sondem von ihnen an- eine andere Stilgattung vertritt (Praechter 

geeignet werden (1, 46ff.; vgl. Pint, de tranq. 571) ist darin maBvoller (s. immerhin [Dio Ohr.] 

an. 16 p. 474 d). or. 37, 14). In den Dichterzitaten wiegen Homer 

Der verlorene Anfang der Rede (nach V i - nnd Euripides weitaus vor; in groBem Abstand 

telli-Norsa p. X fehlen 1 — 2 Kolunmen) folgen Pindaros (dem wahrscheinlich auch die 

handelte, wie es seheint, von der Seelenstarke, anonymen Zitate 7, 44ff. 11, 5ff. entnonmien 
vermoge der Manner wie Empedokles, Herakles, 10 sind) und Sophokles; nnr mit je einer Stelle sind 

Mucins Scaevola das Leben und seine Giiter ge- Alkaios und Menandros vertreten. Die stilistische 

ringschatzten (G. M. L a 1 1 a n z i II proemio del Eigenheit, an ein Zitat eine polemische oder 

ut€Ql (pvyrfg di Favorino, Riv. fil. cl. LX [1932] erganzende Bemerkung, zum Teil in Form der 

499f.; nach col. 3, 26 muB auch Diogenes in der Apostrophe an den zitierten Autor oder Helden, 

Vorrede vorgekommen sein). Auf die oben be- anzukntipfen (6, 25fE. 15, 8ff. 41ff. 18, lOff. 19, 

riihrten Worte liber den Zweck der Rede folgt 14ff. 24, 16ff.), gehort zum Diatribenstil (Plut. 

ein Hinweis auf Sokrates' VeAalten im Kerker, de exil. 16 p. 606 a), begegnet aber wohl nir- 

dann der in der Diatribe beliebte Vergleieh des gends so oft wie bei F., der in diese Form auch 

Lebens mit einem Schauspiel, in dem jedem von einen Tadel des hesiodeischen Pessimismus (24, 
der Gottheit seine RoUe zugewiesen ist (R. Helm 20 16ff.) einkleidet (in ahnlichem Sinn Pint, de 

Lucian u. Menipp 44ff. 0. Hen se Teles^ praef. tranq. an. 19 p. 477 be). DaB in absehweifenden 

CVIIff.)j ^"^^ Beispiele von Leuten, die erst in Ausfiihrungen liber ronoi der hellenistischeil 

der Fremde zum hoohsten Ruhm und Gltiok Moralistik, insbesondere den ronog uisqI q)dlag, 

gelangt sind (Diogenes, Herakles, Odysseus; vgl. das Thema oft verschwindet, hat Praechter 

Plut. de tranq. an. 6 p. 467 d. Cass. Dio 561ff. bemerkt, belegt und aus der geringen Er- 

XXXVIII 26, 3), endlich der Aufruf, an sich giebigkeit des q)vyi]-M.oiiYS erklart. Die Rede 

selbst die langstgetibte Tugend nun, wo die Ge- unterscheidet sich also in Gedanken und Formen 

legenheit sich biete, mit der Tat zu bewahren, von der heUenistisehen Diatribe im wesentlichen 

im jomdiov xfjg aQsxfjg\ Die systematische Zu- nur durch das "DbermaB im Auskramen geschieht- 
riickweisung der falschen Meinungen liber die 30 licher Gelehrsamkeit, und eben idadurSi ist sie 

Verbannung beginnt col. 6, 12 (vgl. die Inhalts- auch der pseudodionischen 64. Rede nachstver- 

iibersicht der Hgg. p. Xlf.) und betrifft folgende wandt, womit deren Abfassung idurch F, voUends 

XJrsachen der Unlust Verbannter: 1. Sehnsueht uber jeden Zweifel erhoben wird; einige Beriih- 

nach demVaterland (col. 6,12 — 12,37). 2. Sehn- rungen mit der Korinthiaka notiert Praech- 

sucht nach Freundon und Verwandten (12, 37 — 16, ter 5691 DaB bei solch eilfertigem Massen- 

31). 3. Verlust der Lebensgtiter, Reichtum, Ehre, verbrauoh geschiehtliehen Illustrationsmaterials 

Adel, Ansehen, Ruhm, die doch alle nur Lehen sachliche Irrtiimer und Fltichtigkeiten mit unter- 

der Gotter sind (16, 31 — 21, 40; zu dem Bild laufen, ist nicht verwunderlieh (10, 2 Hippias 

vgl. P. Wendland- 0. Kern Beitr. z. Gesch. statt Hippokrates; 10, 32 ^coKelg [schwerlich 
d. griech. Philos. u. Rel. 591). 4. Schimpflich- 40 Kopistenfehler] statt ^ooKaifjg, was 10, 36 richtig 

keit der Verbannung (21, 40 — 25, 32). 5. Ver- steht; 4, 49 Pindaros statt Bakchylides, wie 

lust der Freiheit (25, 32ff.). Es sind die schon P. MaasDLZ 1931, 1211 bemerkt; wenn col. 1, 

in den alteren Diatriben uber diesen Gegenstand 25. 27 der von Liv. II 2 als aduleseens nobilis 

mehr oder weniger vollstandig behandelten Ka- bezeichnete Mucins Scaevola, eine in der Diatribe 

pitel des Topos ttsqI cpvyfjg, durch eine tJber- beliebte Figur, otQatrjyog heiBt, so konnte eine 

fuUe von Beispielen und Bildem im bionischen Verwechslung mit Camillus, liber den vgl. Cass. 

Stil zu maBloser Breite aufgeschwemmt. In den Dio XXXVUI 26, 3. 27, 3, mit unterlaufen; 

Beispielen ist ebenfalls viel altes Material (z. B. die unmogliche Datierung von Theseus' Tod 

die Verwendung des Polyneikes aus Eurip. Phoen. 400 Jahre vor der Grlindung des Theseion in 
col. 6, 23ff. auch bei Teles p. 30, 3 H.2; Plut. de 50 Athen 8, 20 wird F. aus Plut. Kim. 8, 7 liber- 

exil. 16; Muson. p. 48, 3ff. H.) und nur wenig nommenhaben, was fiirPraechters Annahme 

Neues (z. B. die Aphytaeer col. 7, 37ff.; der ver- 565 von Plutarchbenlitzung in der Rede sprechen 

bannte Megarer 22, 33ff.). Stark ist der kynische wurde). 

Einschlag in der Idealisierung des Herakles Bei der Vulgaritat der Gedanken, Beweismate- 

(3, 32ff. 6, 3ff. 21, 8) und Odysseus (3, 39ff. rialien und Formen der Rede ist jeder Versuch, 

19, lOfE. sy>cw[jLiov Vdvaoscog) und in der Vor- bestimmte QueUen naehzuweisen, gewagt, und 

liebe flir die ovyxQiaig von Mensoh und Tier die f einen Beobachtungen, mit denen Praech- 

(9, 28ff. 10, 111 12, 27ff. Hvvag. 15, 7ff. 16, ter 564ff. >die These der Benlitzung des Plut- 

41 E 19, 45ff. 20, 111 25, 40ff.; vgl. Praech- archos, Dion von Pnisa und Epiktetos zu stlitzen 

ter 566), und zwar zugunsten der Tiere (vgl. 60 sucht, flihren mit Sicherheit nur zu dem Ergeb- 

W. (S c h m i d Attic. 3, 3. 6. H. H o b e i n De nis, daB Geistesverwandtsehaft zwischen F. und 

Maximo Tyrio 70ff. Porphyr. de abst. HI passim. diesen Mannern vorhanden ist. Dazu kommt, daB 

besonders c. 13). Mit geschichtliehen und mytho- F.' Bekenntnis zu dem demokritischen Lebens- 

logischen Beispielen arbeitet die Diatribe seit ziel der sMyfjila (1, 39ff. 4, 9. 11, 31. 23, 41. 

jeher; aber so unmaBiges Ausschlitten findet sich 25, 33) EinfluB von Plutarehos' .Sohrift uibqI 

sonst nur in der F.-;Rede tisqI rvxrjg des Corpus sv-d'y/Lilag verrat, mit der auch sonst die Rede 

Dioneum nr. 64 und etwa bei Maximus von starke Ahnlichkeit aufweist; der Begriff evd-v^loL 

Ty^ros; wo sich F. in der Rede ozsqI <pvy^g ein- spielt auch in Epiktetos' Ethik eine Rolle (A. 



69 Pufius Gaesatorix 70 

Bonhoffer Epikt. u. die Stoa 2961; Die machen wird F. im vorliegenden Falle sehwer- 

Ethik des Stoifcers Ep. 47). Auch stilistisch lich Gelegenheit gefunden haben; stellt er sich 

findet man iiberall in der Rede bekannte Formen doch dar als einen fahrenden Mann (8, 29ff.), der 

der Diatribe (zu den Apostrophen 6, 25ff. 24, uber das Heimweh -so erhaben ist (11, 17), daB 

16E vgl. Ps.-Dio or. 37, 45. 64, 10. 14ff.; aber er sich wiederholt (1, 33. 8, 35f. 10, 46. 11, 

auch z. B. Muson. p. 48, 9S. H. Pint, de tranq. 48) gegen den Vorwnrf des Mangels an Vater- 

an. 19 p. 476 ef; zu der antithetisehen Figur landsliebe wehren muB, und seine sehmerzlose 

21, 23f. vgl. Sen. ep. 66, 51. Cass. DioXXXVIII Internierung fiihrte ihn auf eine Insel von be- 

25, 4), ohne daB sich EinfluB eines bestimmten kannter Annehmliehkeit der Lebensbedingungen 
Schriftstellers nachweisen lieBe. 10 (Herat epist. I 11, 1. 21. Diod. V 82, 2f.). 

•So kann man im Stilistisoh-Sprachliehen eine Was sonst seit dem Artikel F. iiber F. ge- 

personliche Marke nur erkennenimQuantitativen, schrieben worden ist, verzeichnen Christ- 

d. h. in der MaBlosigkeit des Bilder- und Bei- S c h m i d IF 764 — 766. K. M u n s c h e r Burs, 

spielgebrauchs, dem Kokettieren mit Buchgelehr- Jahrb. OLXX (1915) 54ff. (fiir 1910 — 1915) uiid 

samkeit und einer maBigen, nur einige Formen, E. Richtsteig eibd. OCXI (1927) 47. OCXXXVIII 

nicht die Phraseologie ergreifenden attizistischen (1933) 11 (fur 1915 — 1930). DaB Daten iiber 

Tonung der iSpraehe, auf die schon Praechter das Leiben des Pythagoras (vgl. Favor, frg. 25. 

568f. hingewiesen hat (beizufilgen ware: Yorliebe 33 M.) auf dem Weg iiber F.' 'An;ofA,v7]f/,ovsviA,am 

fiir eg und ^vv, neben denen aber auch slg und und navxodanrj iotoQia zu Diogenes Laertiois ge- 
Gvv zugelassen sind; fiir aisl, das man nach 20 kommen sind, ist nach J. L 6 v y Recherches sur 

E. Mayiser Gramm. d. ptol. Pap. I § 14, 1 als les sources de la legende de Pythagore, Paris 

Attizismus ansprechen kann; attisch sind femer 1926, 116 wahrscheinlich. — Mit F.' TJy?icof>iiov 

vfjsg 14, 20; ywsag 16, 45 und die Anastrophe ©eQolrov (Gell. XVII 12, 2) konnte die Dekla- 

jTSQi 16, 45). Der Hiatus wird nicht gemieden mation des Libanios t. 8 p. 243 — 251 F. zu- 

(Introd. p. XIII 3); den Hiatuszwang der hohe- sammenhangen. [W. Schmid.] 

ren Koine scheint die Diatribe gebrochen zu S. 2603,66 zum Art. Flavius : 

haben, an welche die attizistische dcpshia an- 113) Flavins Latronianus begegnet als Knabe 

kniipft. im Sangerkatalog der Acta ludorum saecularium 

Der 8toH der Rede bringt es mit isich, daB des J. 204 n. Ch. Roman el li Not. d. scav. 1931, 
in ihrer philosophisehen Haltung idle stoiseh- 30 345 v. 85 : Flavius lulius Latron[ianus] (vgl, 
kynischen Tone vorklingen: riiekhaltlose auBere Diehl S.-Ber. Akad. Berl. phil.-hist. Kl. 1932, 
und innere Ergebnng in alle gottlichen Sohickun- 791. Hiilsen Rh.-Mus. LXXXI 386). Zum Con- 
gen unter Wahrung der unverHerbaren Tugend sulat wird er gegen 230 oder in diesem Jahr 
als des einzig echten Gutes; Bereitschaft, jeder- gelangt sein. Denn im J. 231 finden wir ihn als 
zeit aUe Lebensguter und das Leben selbst der Consularlegaten in Germania inferior: in der 
Gottheit wiUig und dankbar zuriickzuerstatten, Bonner Inschrift CIL XIII 8017 ist mit hoher 
die sie geliehen hat. Mt diesen ernsten Grund- Wahrscheinlichkeit sub Flav[io lul. Latron]ian[o 
satzen der Diatribenmoral praktisch Ernst zu [cos. n(ostro) zu erganzen. [Groag.] 



Zum sietoten Bande. 

L. Fufius. Die Datierung eines in der Nahe durch unterscheidet, daB sie das Portratbrust- 

der hollandischen Stadt Franeker bei Harling bildnis auf Avers- und Reversseite zeigt und 

im J. 1914 gefundenen Kaufvertrages auf einem die Legende Gaesatorix re[x] Ecritusiri reg(is) 
Triptychon (Vollgraff De vrije Fries. XXV fil(ius) iiber beide Seiten verteilt ist. Kubit- 

71 ff; iiber die anderen VerOffentlichungen vgl. schek Dsterr. Jahresh. IX, 1906, 73 sieht G. als 
Bd. XV S. 1810, 49ff.) lautet L. Fuufio Cn. 50 Sohn des durch seine Kampfe mit dem Daker- 

Minieio e(onsulihus) V id(us) S[eptembres]. konige Burebista um das J. 60 v. Chr. bekannten 

Vollgraff Mnemosyne XLV 341 wiU den Kauf- KOnigs der Boier Critasirus (Strab. VII 304. 313) 

vertrag nach den angegebenen Consuln (der Name an (vgl. o.). Neben sprachlichen Griinden stiitzt 

des F. von ihm allein entziffert) und den Legio- auch der rein auBerliche Befund der Mtinzen 

nen, zu denen die ihn schliefienden Soldaten ge- (Gewicht 11 • 965 g, Durchmesser 26 mm), der den 

hQrten, ins J. 116 n» Chr. setzen, dagegen R o o s Herrschaftsbereich des G. westlich etwa vom 

Mnemosyne XLVI 208, der die Deutung der Wiener Becken und der Mur, also nach Inner- 

Abkiirzungen der Legionen durch Vollgraff und Osterreich verlegt, Kubitscheks Annahme, 

damit seine Schliisse fiir unrichtig halt; Roos G. war entweder Herrscher der von Burebista 
verlegt den Suffectconsulat des F. in eines der 60 angeblich aufgeriebenen Boier (Strab. VII 304. 

J. 16, 18, 21, 22 und 26 n. Chr., da die Suffect- 313, vgl. Patsch S.-Ber. Akad. Wien phil.-hist. 

consuln des Septembers der anderen Jahre be- Kl. 214. Bd. 1. Abh. 44, 5), die sich mOglicher- 

kannt seien. [Max Fluss.] weise in die Alpen zurlickgezogen haben, oder 

Gaesatorix. Der Name dieses Konigs ist jener Boier, die erst ungefahr zur Zeit der 

uns nur durch eine Silbermiinze bekannt, die Kampfe des Critasirus mit den Dakern ihre 

am Mallnitzer Tauern gefunden (Kenner Heimat Boiohaemum verlassen haben (Kubit- 

Mitteil. d. Zentralkomm. IV, 1905, 159ff.), von schek 74). Der stilistische Zusammenhang 

den iibrigen ostkeltischen Miinzen sich nur da- der Miinzen spricht fiir ihren Ansatz in die 



71 Gavisa regio Gefafinamen 72 

letzte Zeit der Selbstandigkeit der Volker Nori- Beim Opfer an Athena hielt Perseus ein 

cums. [Max Fluss.] dfA,vlov (Horn. Od. Ill 444). Da es hier offen- 

Gavisa regio heiBt bei Marcell. chron. z. J. sichtlich zum Auffangen des Blutes diente, wird 

518 ed. Mo mm sen Chron. min. II 100 ein man es sich zweckentsprechend am ehesten 

Landstrich Dardaniens, in dem das Castell Sar- schiisselartig vorzustellen haben; es fehlen aber 

nonto gelegen ist (vgl. Vulic Bd. IIA S. 30). nahere Nachrichten. Nach den Scholien soli es 

[Max Pluss.] mit alfxa zusammenhangen. 

Grefafinamen. Wahrend die moisten der uns Fiir Teller odor ganz flache Schiisseln sind 

aus dem Altertum iiberkommenen G., die haufig verschiedene Namen tiberliefert. Zunachst das 
einen Schlufi auf Aussehen und GroBe der betref- 10 Boletar {boletarium), Es diente ursprlinglich, wie 

fenden Gefafie zulassen, in Spezialartikeln be- der Name sagt, als Pilzteller, wurde spater aber 

handelt sind (hier nicht aufgeftihrte sind unter aueh fiir andere Speisen verwandt (Martial. XIV 

ihrem Namen aufzusuchen), soUen im folgenden 101. Apicius passim. Trob. Poll. Claud. 17, 5. 

einige zusammengefafit werden, die einstweilen Eev. arch. 1904, I 82; eine Itala-Hs. tibersetzt 

fiir uns zumeist nur Namen sind, aus denen wir Ev. Marc. 14, 20 xQv^hov mit boletar). Sein Aus- 

keine greifbare VorsteUung gewinnen konnen. sehen ist uns unbekannt, obwohl sich in einem 

Da aber spatere, zu erhoffende Funde neues Licht Silberinventar (D r e x e 1 49) eine Beschreibung 

auf sie werfen konnen, miissen sie hier genannt erhalten hat. Hier werden drei Satze von je 

werden, soweit moglich nach Gattungen geordnet. vier Stuck verschiedener GroBe solcher silberner 

Ein GefaB, das sowohl bei religiosen Zero- 20 Teller erwahnt, die mit FuBen, diajn^yia (Quer- 

monien (Petron. 135, 3. 4), als auch beim Gelage wanden?), Lowen und Knopfen versehen und 

(Petron. 64, 13. 137, 10. Ovid. fast. IV 779) verziert waren. — Ein flaches GefaB muB auch 

verwendet wurde, war die CameUa. "Dber ihre das s/^^dcpcov gewesen sein, ahnlich dem o^v- 

Form erfahren wir aus der Etymologie (Demin. §acpov, mit dem es oft zusammengenannt wird, 

von camera) 'mohis, als daB es bauchig war; aus und wurde fiir Gewiirze und sonstige Speisen 

seiner Verwendung als Krater kann geschlossen {rjbvoixaxa oder PQcofA,ara) gebraucht (Poll, VI 85. 

werden, daB es diesem ahnlich, jedenfalls ziem- X 86). Gleichartig waren die Xvx'^f^i die in Agyp- 

lich tief war. AuBer den angefiihrten Stellen ten fiir Salz und 01 verwendet wurden (Herodot, 

hilft auch Gell. XVI 7, 9 nicht weiter. Als Ma- II 62). — Nicht ganz sicher ist die Tellerform 
terial wird einmal (Petron. 135, 4) Holz ange- 30 bei der Gabata, auf der bei Tisch die Speisen 

gegeben. Die CameUa muB zuweilen betracht- herumgereicht wurden (Martial. VII 83, 3. XI 

liche GroBe erreicht haben {grandis: Petron. 64, 31, 18. Hesych. erklart gabata mit xqv^Xiov), 

13). Wahrscheinlich kraterformige Gestalt hatte Mit dem Namen Aiamg wird bei Timachidas 

auch die 8%Lvea (eigentlich die Igelhaut), die ein- (Athen. XI 782 f) die Kylix (s. Suppl.-Bd. V 

mal als G. vorkommt (Lind. Tempel-Chron. B 101 S. 529ff.) bezeichnet. — Vielleicht eine Schale, 

[ed. Blinkenberg]). Der SchluB auf diese Form wahrscheinlicher aber ein meist hozerner Becher 

kann gezogen werden in Analogie zu exivog, einem war der Caucus (Treb. Poll. Claud. 14, 4. Mar- 

bei Prozessen als Sammelbehalter fiir das Be- cell. Emp. 25, 45. Hieron. adv. lovin. 2, 14), der 

weismaterial verwendeten GefaB aus Metall oder in der spateren Kaiserzeit haufig aus edlen Me- 
Ton (Aristoph. Vesp. 1435). 40 tallen bestand. Pescennius Niger verbot seinen 

Ein kannenartiges GefaB wird das Aquima- Soldaten den Gebrauch von derartigen silbernen 

nile (oder aquiminale, aquiminarium, aquaema- Trinkbechern und verfugte, daB sie sich holzer- 

nalis) gewesen sein (Dig. XXXIII 10, 3. XXXIV ner GefaBe bedienten (Spart. Pesc. Nig. 10, 1). 

2, 19. Paul. sent. Ill 6, 56. Isid. ep. 1, 7). Es Eine Art Biichse, deren sich auch die Arzte 

diente dazu, Wasser, mit dem man sich vor und zur Aufbewahrung von Salbe bedienten, war das 

nach dem Essen wusch, in eine Schiissel zu s^dXstTrtQov (Poll. IV 183. VI 106. X 46. 121. 

gieBen. Einen Hinweis auf sein Aussehen konnen 149. Aristoph. Ach. 1063). tJber sein Aussehen 

vielleicht die unter einem Geschirrtisch auf dem erfahren wir nichts, man wird sich vielleicht 

Boden stehenden Kannen in einem Gemalde der eine jiv^ig darunter vorzustellen haben. Die Er- 
Tomba della Querciola in Tarquinia (Monum. d. 50 wahnung von i^dXeinxQa [A,sydXa in der Pompe des 

Inst. I Taf. 33 A. Dar emb.-Sagl. I 1 S. 346 Ptolemaios Philadelphos (Athen. V 202 e) lafit 

Abb. 405. Studniczka Symposion Ptole- darauf schliefien, daB das e^dleirnqov gewohn- 

maios' IL, S. 163 Abb. 46) und eine Darstellung lich nicht sehr groB war. 

von Waschgerat auf dem Friese des Heroons von Die folgenden G. beziehen sich nicht auf eine 

Gjolbaschi-Trysa (Benndorf-Niemann He- spezielle Form, sondern allgemein auf Aussehen 

roon V. Gjolbaschi-Trysa Taf. 16, 9. Winter und Verwendung. Wahrend Pamphilos (Athen. 

Kunstgesch. i. Bild^, 263, 2) geben. — DaB das XI 783 a) acorov als ein kyprisches TrinkgefaB 

nur einmal in einem Silberinventar der Kaiserzeit bezeichnet, nennt es Philetas (Athen. a. 0.) notri- 

(Berl. Pap. BGU III 781) erwahnte yaQdQior qlov ovg ovk liov. So konnte jedes henkellose 
ebenfalls die Form einer kleinen Kanne hatte, 60 GefaB dwxw heiBen, und man wird daher wohl 

vermutet ansprechend D rex el (Rom. Mitt. auch mit Krause (Angeiologie 365) zu der 

1921/22, 48f.). Er vergleicht' zu diesen GefaBen,^ Annahme geneigt sein, daB awxov kein selbstan- 

die als Behalter fiir die Fischsauce, das Garum, diger G. zu sein braucht. — Ai(x>xa heiBt ganz 

dienten, zwei Kannen aus dem Sili3erschatz von allgemein ein zweihenkliges GefaB (Horat. carm. 

Boscoreale (Monum. Plot V Taf. 21, 1. 2), wenn I 9, 8. Isid. XVI 26, 13. Athen. XI 473 c. Plat, 

auch das Gewicht der erhaltenen Exemplare Hipp. mai. 288 d). — XeQovmxQov (auch x^Q' 

recht betrachtlich von dem der im Papyrus er- vmxQov, x^Q^^^^ov, x^Q'^^^^o'^, x^Q'^'^P^^^ x^''Qovi§ov, 

wahnten differiert. x^f-Q^vinx^ov) hieB wohl jedes GefaB zum Hande- 



75 Gnome Gnome 76 

durch festgelegt: Die Allgemeingtiltigkeit des vo/nsvog. Inuaer gehort zum Apophthegma der 

Inhaltes, der sich niclit auf ein© bestimmte Per- xaQisvuo^og^ die dotecSrrjg, die urbanitas (Ari- 

son bezieht, und ihr Zweek, das sittliche odfer stot. rhet. B 2-1 p. 1349 b, T 11 p. 1412 a. Quin- 

lebenskluge Verhaltea des Menschen zu regeln. til, inst. VI 3, 107ff.). Wenn der antike Ge- 

Das Erfordemis einpragsamer Kiirze ergibt sich wahrsmaim des christlichen Sophisten T r o i 1 o s 

xmansgesprochen aus den amscMiefiendeii Ausfiih- von Side das Apophthegma anseheinend als 

rungeai dfes Kapitels, die an der Hand meist euri- Xoyog avvtofA,og xal evoroxog definiert hat, so ist 

pideischer Beispiele: den Zusammenhang dfer G. diese Begrifistbestimmung viel zu eng; s. S- c h i s - 

mit deni Enthymem darlegen, insofern sie in der s e 1 lA.7t6<p'&eyiA,a bei Troilos von Side, Byz. Ztsehr. 
Eegel durch Hinweglassung des Syllogismos ein 10 XXVIII 241 ff. Eng verwandt mit dem eigent- 

auf die knappste Form verkiirztes Enthymem lichen Apophthegma ist die ;t(oe/a, die Anekdote, 

ist. Auf Anaximenes und Aristotelesi gehen die die an geschichtliche Personen ankntipft, ohne 

Definitionen der Progymnastiker zurlick: Her- dafi es ihr auf geschichtliche Wahrheit ankommt; 

mog. Prog. 4 yvcofA,?] sari Xoyog Hscpalaiwdrjg iv wichtig fiir sie ist nur das Bonmot, die charak- 

anocpdvoei xa'&ohKf] anotQsncov re 7] utQorQsncov terisierende Pointe. Quintil. inst. I 9,, 4 be- 

£7ii ri ri ondlov enaorov son brjXwv, und ganz schreibt drei Arten: chriarum plura genera tra- 

ahnlich Aphthonios Prog. 4, aueh Auct. ad He- duntur: unum simile sententiae^ quod est fosi- 

renn. IV 24; Sententia est oratio sumpta de vita, turn in voce simplid ,dixit ilW aut ,dicere sole^ 

quae aut quid sit aut quid esse oporteat in vita, bat^, alterum, quod est in respondendo ,inter- 
breviter ostendit. Das zuerst bei Plat. Phaedr. 20 rogatus ille' vel ,cum hoc ei dictum esset, respon- 

267 c begegnende yvcafjioXoyia bedeutet den mit dit^ (das oben besprochene eigentMche Apo- 

Sentenzen aufgeputzten Rednerstil, dann — phthegma), tertium huie non dissimile, cum quis 

niatch Analogie von aarQoloyia, fjierecaQoXoyia^ q?v- dixisset aliquid vel fecisset\ Den Unterschied von 

o6o%oyia u. a. 'diie Wissenschaft! )der G., ihre Chrie und G. behandelt der Progymnastiker 

Theorie und Praxis. Die Worterbiicher geben Theon c. 5. Eine selbstandige Gattung bilden 

auch die Bedeutung ;,Sammlung von Sentenzen* die volkistumlichen H o m o i a oder H o m o i o - 

an, aber keine der daftir beigebrachten Stellen mat a, kurze, isententiose Gleachnisse, meist in 

(Polyb. Xn 28, 10. Dion. Hal. Dem. 46 ==' 109, 9. Antithesenform, von einer ganz bestimmten, 

Plut. Cato M. 2. Fab. 1; de aud. poet. 15f. Suid. regelmaBigen, wenig variierten Gestalt, z. B. 
s. Theognis) ist wirklich beweisend. Das von den 30 nnter dem Namen des Sokrates: ovre "iTiTtcp xcoQlg 

modernen Gdehrten viel verwendete Wort ,Gno- %akivov^ oike jiXovrco xcoQig XoyiofA,ov dvvarov 

mologium* ist weder aus dem alten noch aus docpaXcbg xqv<^ol<^^^ (E 1 1 e r Bonn. Kaiserprogr. 

dem spatern Latein belegt. 1900,, 1). Sie sind meist in eigenen Syllogae 

Die Hss., aber noch mehr die Herausgeber, vereinigt, finden sich aber auch versprengt in 

bringen in ihren G.-Sammlungen neben wirk- andersartigen Sammlungen. 

Hchen G. auch Verwandtos: Apophthegmen, Die G. -Dichtung in hellenischer 

Chrien, Apomnemoneumata, Homoiomata, Dia- Z e i t. Es kann sich hier natilrlich nur darum 

triben, Fabeln usw. Fur die Sammlungen findet handeln, an die Hauptpunkte der Entwicklung 

sich manchmal auch der Titel Melissa zur Be- zu erinnem. Fiir die zahlreichen, mitunter ver- 
zeichnung id^s SammeljQ[eiBes; djojvsQ yaQ tijv 40 wickelten Einzelfragen muB auf die betr. Art. 

fAsXirrav oqcoimv ecp' dnavra fAsv rd pXaorrjfyiara der R. E. verwiesen werden. 

xa'&iCdvovoav, dcp' ixdorov 8s rd psXrtora la^A,- Lange vor den Anfangen einer eigentHchen 

pdvovaav, ovrco ds2 koI rovg uiaibslag 6QsyofA,svovg Literatur hat der griechische Volksgeist seine 

f^fjdsvog [xsv dnsiQcog sxuv, navraxo'd'sv ds rd xQV' Weisheit in sinnvollen SpriLchen (noQoifA^lai) nie- 

aifA.a GvXXsysLv (Ps.-Isokr. I 52). Wenn auch die dergelegt, deren Inhalt aus den lebensverbunde- 

Grenzen zwischen den verschiedenen Abarten viel- nen Beobachtungen der baurischeni Seele und der 

fach fliefien, lasaen isich im grofien und gianzen baurischen Umwelt gewonnen war; ol ydg dy^di- 

die Haupttypen doch unterscheiden. Die echte koi ixdliora yvcoixorvnoi slot (Aristot. rhet. B 21 

Gnome, wie sie bei Stobaios so zahlreich be- p. 1395a). Friihzeitig — jedenMls lange vor 
gegnet, ist einem bestimmten Dichter (oder Philo- 50 der Schaffung des Hexameters — hat sich auch 

sophen) entnommeo^ dessen Name in der Regel eine einheitliche Form daftir herausgebildet, ein 

genannt wird; dagegen erfahren wir bei den Kurzvers mit vier Langen und einer freibehan- 

Dichterzitaten nur selten, von wem und unter delten Zahl von Kurzen, der Paroemiacus (Berg k 

welchen Verhaltnissen die betreffenden Verse ge- Uber das alteste VersmialB der Griechen = Opusc. 

sprochen werden. DaB man dann den genannten II 394ff. und v. Wilamowitz Griech. V^rs- 

Diehter fiir den Inhalt der von dem individuellen kunst 382). Solche Xsiyjava naXaiag Goq?lag (Ari- 

AnlaB losgelosten Sentenz verantwortlieh gemacht stot. frg. 13 R.) haben sich zahlreich bis in die 

hat, ist bekanntHch besonders demRufe des Euri- spatesten Zeiten lebendig erhalten: olvog ^al naZ- 

pides verhangnisvoU geworden. Das Gegenteil bsg dXrj'&slg\ vooog dsdoioiv soQri^' sysvovro Hal 
gilt von dem richtigen Apophthiegma (das 60 ^«^o* sx'&Qoi u. a. Meineke zu Theokrit 

Wort zuerst bei Xen. heU. II 3, 56). Ohne daB p. 524 hat deren 88 gesammelt, bei U s e n e r 

der Gewahrsmann angegeben ist, wird gesagt, Altgr. Versbau 43ff. hat sich die Zahl auf 115 

von wem und unter welchen Umstanden^ — meist erhoht. Derartige Verse finden sich eingestreut 

als Antwort auf idie Frage eines Nichtgenannten bei Aesop, z. B. 154 ^Ixog (piXog, olxog aQtorog 

— der Au'sspruch getan wurde. Die haufigste oder 300 avv 'A&rjvq nal x^Qgl tiivei. Sie begegnen 

Form ist: sQcorrfd'slg . . . s(prj, z. B. Plut. de aud, auch in der homerischen Dichtung: II. XVII 

poet. 21 E. Aioysvrjg sQcorri'd'sig, oncog dv rig dixv- 32f. und iibereinstimmend II. XX 118 qsx'&sv ds 

vairo rdv sx'd'Qov, avrog, sq)?]^ nakbg ndyad'og ys- rs vrimog syvco (ahnlich Hesiod op. et d. 218,, von 



77 Gnome Gnome 78 

Plat. symp. 202 B alsi Sprichwort amgefiihrt). G.-Dichtern wurden auch andere dem Volke ver- 

DaB sich im homerischen Epos, das fiir uns am traute Versmafie beniitzt. Eine politische G. im 

Eingang der griechischen Literatur steht, nur trochaischen Tetrameter schreiibt Isyllos von 

ganz vereinzelte iSi)iireii dieser gnomischea Volks- E p i d a u r o s auf Grund eines Geliibdes zu Ehren 

dichtung finden, ist leicht erklarlicb. Ftir Bauern- der Gotter Apoll und Asklepios auf eine Marmor- 

weisheit hatte 'das Publikum der hofiscben Dicb- tafel (v. Wilamo witz Isyllos 6); der Trimeter 

tung wenig Interesse. DiaiB Semtenzen nicbt ganz wird von C b a r e s (s. o. Bd. IX S. 662) verwen- 

feblen (z. B. II. I 218. II 24; Od. XV 71. XVI det, den man Mber desbalb fur einen Tragiker 

294. XVII 578. XIX 13 und 360. XXI 369 mit hielt, den aber v. Wilamowitz schon 1894 

Alliteration) ist obenso leicbt verstandMcb; denn 10 fiir einen Sprucbdichter erklarte (Herm, XXXIV 

schliefilich standen laucb die Adelskreise docb 608ff.), was 'dann durch einen Papyrusfund (Hei- 

uicbt ganz aufierbalb des Volkes, nocb weniger delberg 434) bestatigt wurde; endlicb der bippo- 

ihre Sanger. Fiir die Griecben gait aber als eigent- nakteiscbe Choliamb von P h o i n i x. DaB die 

licber Schopf er der G. H e s i o d. Selbst aus alteste pbilosopbiscbe Prosa (Legende der Sieben 

aus einer Bauernfamilie bervorgegangen, hatte er Weisen, Heraklit, der nacb v. Wilamowitz 

die Mtibseligkeiten und Note des Lebens abseits Glaube d. Hell. I 210 seine yvcbfAr} in einzelnen 

der Adelsfamilien grtindlich kennengelemt und yvcbfxai vorlegte) im Interesse der Einpragsam- 

schrieb seine predigenden Verse fiir Bauern mit keit ihrer Lehren die gnomische Form bevorzugt^i 

Benlitzung alten Volksgutes. So wurde der Vers und daber, abnlicb wie Hesiod, an den alttesta- 

op. et d. 370 i^io'd'og d' olvSqI (plXcp elQtjf^svog 20 mentariscben Propbetenstil erinnert, ist erklar- 

a^mog sotco, der sich abnlicb bei Horn. II. X licb. Die G. bildete auch die Grundlage fiir das 

304 = Od. XVni 358 findet fAiod'og ds oi aQmog alte Scbulbucb der knidischen Irzte, die yvw- 

eoxai, auf den wegen seiner Sprucbweisheit wobl- /wat Kvldiai, die hippokrateiscben Aphorismen. 

bekannten PittheU'S von Trozen, den Va- S. Bd. VIII S. 1844ff. II berg Die Irzte- 

ter des Theseus, zuriickgefiibrt, wie Aristoteles scbule von Knidos 9 und v. Wilamowitz 

beiPlut.Tbes.3bezeugt (Bergk Gr.Lit.I1016, Gescb. d. griecb. Spraebe 21ff. An Stelle der 

119 und V. Wilamowitz Hesiodos Ergia zu alten poetischen vno'&fjKai traten nunmehr pro- 

V. 370). Von Theophrast wird in dem Scholion saische Paranesen, wie die pseudoisokrateiscbe 

zu Euripides Hipp. 264 auch S i s y p b o s als Rede an Demonikos. Auch des H i p p i a s Tqcoi- 

Vertreter der alten Gnomologie angefiibrt, und 30 nog, in dem Nestor dem Neoptolemos weise 

dem Apoll wurden delphische Mabnungen in den Lehren fiir die ricbtige Lebensfuhrung erteilt, 

Mund gelegt, die an Admetos gericbtet waren gehort hierher. [Plato] Hippias 286 A und 

(v. Wilamowitz Gr. Trag. Ill 75f.). So gab Die Is Vorsokr.s II S. 282, 17. 283, 36. S. 

es jedenMls schon recht alte Sammlungen der Wend land Anaximones 82. Auch im Westen 

beliebten (Sprucbweisheit; sie boten den Griecben fand die G. dichterische Pflege, wie der philo- 

Ersatz fiir die religiosen Gesetzbiicber, die das sopbisch angeregte Komodiendicbter Epicharm 

sittliche Leben anderer Volker regelten. Hesiod zeigt, den Theokrit Antb. Pal. IX 600 wegen 

fiigte den iiberlieferten Versen, die sich leicbt seiner padagogisch wertvoUen Lebensweisheit 

dem Gauge seines Hexameters anschmiegten, im riihmt. Seine rvwf^ac in den archilochischen Vers- 

freigebigen Eif er seines Lebrberuf es neue hinzu 40 maBen, dem iambischen Trimeter und trochaischen 

und so erinnem seine Erga immer wieder an die Tetrameter, sind friibzeitig gesammelt worden, 

alttestamentarischen Propbeten, worauf feinfiib- und im 4. Jhdt. hat der von Pbilochoros bei 

lige Beurteiler mehrfach hingewiesen haben, Athen. 648 D genaomte Axiopistos diese Samm- 

V. Wilamowitz schon 1881 (s. Hesiodos lung redigiert, die von Ennius ins Lateinische 

Erga 10), spater 1903 Ed. Schwartz Charak- ubersetzt wurde (v. Wilamowitz Textgesch. 

terkopfe I 5 und 1910 Ed. Meyer Genethliakon d. griecb. Lyriker 25ff. Die Is Vorsokr.^ I 122. 

fiir Robert = Kl. Schr. II 24ff. Aber trotz der 166). JedenfaUs begegnet bereits auf dem Hibeh- 

groBen Zabl gnomischer Verse, die sich einige papyrus um 250 v. Chr. eine Anthologie mit 

Male zu ,'Sbntenzennestern' verdichten, bilden Uberschriften wie Jtorl jiovtjqoVj nox^ ayQomov 

diese docb nur einen — allerdings belangreicben 50 (C r 6 n e r t Herm. XL VII 402ff . B i r t Iw. Miil- 

— Bestandteil der Dichtung, ohio jedoch deren ler Handb. I 3, 300. 377). Aus den G.-Dichtungen 

Ganzes auszumachen. G. -Dichtung, die als waren eben inzwischen G. -Sammlungen 

Selbstzweck um ihrer selbst willen da ist, be- entstanden, zunachst veranlaBt durch die Bedurf- 

gegnet, wenn wir von Ps.-Hesiodea, wie XiQcovog nisse des elementaren Schulunterrichtes, in dem 

vTio'&fjxai absehen, zuerst bei Theognis, der als Schreib- und Lesevorlagen, sowie als Diktat- 

wegen des ausgesprochen lebrbaften Charakters stoffe laus den Dichtem passende S'entenzen aus- 

seiner Verse nicbt als eigentlicher Dichter gait gewablt wurden. Auch fiir die Unterweisung dfer 

(Plut. de aud. poet. 15 F). Da er durch die reif eren Jugend in Moral und praktischer Lebens- 

ocpQTjyig (Kyrnos) sein Eigentum ebensowohl vor weisheit wurden G.-Sammlungen in reichem MaBe 

Entlehnungen wie vor fremden Zusatzen sebiitzen 60 verwendet. Bed Xen. mem. I 6, 14 rollt Sokrates 

will (v. 19ff.), muB diese Literiaturgattung schon die Schatze der alten Weisen auf, um sie gemein- 

recht verbreitet gewesem sein. Bekanntfich hat schaftlich mit den Schiilern durehzugehen und 

auch die Signierung durch die Verfassernamen, das Gute auszuwablen, Isokr. H 43f. nennt mg 

wie sie Demodokos von Leros (s. ?caXov(Aevag yv(b[A,ag, die mian aus Hesiod, Theo- 

Bd. IV S. 2870) Tiat rods Arjf^odoKov und der gnis und Pbokylides fiir Lehrzwecke sammeln 

Milesier P h o k y 1 i d e is ?eal xode ^co?cvhdsco kann, und Plat. leg. VII 81 1 A bericbtet, daB die 

fiir seine mehr politisch gefarbten G. anwendet, Lebrer geradezu eine Sammlung sentenzioser 

ibren Zweck recht wenig erreicbt. Von spateren Stiicke auswendig lernen lieBen, wie denn nacb 



79 Grnome Gnome 80 

Diog. Laert. VI 31 der Kyniker Diogenes seine Diese Demokrit-G. staimnien aus einem alphabe- 

Schtiler Dichter- nnd Prosadkerstellen memorieren ti'sch geordneten allgemeinen Gnomologinm, in 

lieB. Das gleiche ersehen wir aus dem bekannten dem auf Demoknates unmittelbar Demokritos 

Wort des AiscMnes (III 115) dia xomo yag olpiai folgte; ein Rutschen des Lemmas d avxog ver- 

Tialbag ovxag Ta? xcbv noirjtcbv yva>fA,ag sKfxav'd'd- anlaJBte die Verwirruaig, wie wir dies in der Icovid 

vsiv, Iv' avbQBg ovtsg avraig xQwi^ed'a. S. Wend- des Vind. phil. 253 sehen konnen, wo Demokrates- 

land Anaximenes lOOf. Auch im Ehetorikunter- und Demokritosfragmente durcheinander geraten 

ri(iht fanden derartige Sammlungen ausgiebige sind. Als sich in der nacharistotelischen Epoche 

Verwendung, zumial fiir epideiktisehe Reden, die der Schwerpnnkt der Philosophie immer mehr anf 
Ton Anfang an don Wettbewerb mit der Poesie 10 das Gobiet der praktisehen Ethik mit ihren tri- 

aufnahmen und durch Einfiigung geeigneter dich- vialen eudaimonistiseheoi Zielen verschob, lag die 

terischer Stellen dem Stil je nach Bedarf ein be- offizielle Zusammenfassung der hierher zielenden 

stimmtes rj'&og oder noSog erteilen woUten. Auch Satze in orthodoxen Gnomologien nabe. Anch 

znr Unterstiitznng der Beweisfiihrung wurden ilufiere Umstande wirkten da mit. Das philo- 

Spriiche von Denkem nnd Dichtern als ?esf moma sopMsche Interesse hatte sich auf Kosten der 

eingefiihrt. Politische Redner, die sich wie De- Tiefe gewaitig verbreitert, auch die schriftstel- 

mosthenos des Gewichtes der eigenen Meijnung lerische Produktioai, die in der epikureischen und 

bewuBt waren, haben eine derartige Unter- der stoisehen Schule ins Massenhafte ging. Aber 

stiitzung durch fremde Autoritaten im allgemei- sehr wenige mochten Zeit und Lust finden,, die 
nen verschmaht, aber schon Lykurg macht von 20 BOO RoUen des Vielschroibers Epikur durchzu- 

ihr reichlichen Gebrauch. iSicher ist jedenfalls, arbeiten, ganz abgesehen von demL hohen Laden- 

dafi bereits um 400 v. Chr. die versehiedenen preis der Bticher (14 Mark. S. B i r t Das antike 

Z^eigo des Sehulbetriebes auf Gnomologien an- Buchwesen in Iw. Miillers Handb'. I 3^, 322). Das 

gewiosen waren, die zur Bequemlichkeit des Be- grofie Lesepublikum hielt sich da lieber an eine 

nutzers frtihzeitig entweder nach Autoren oder Spruchsammlung, die ethische und psychologische 

nach sachlichen Schlagwortern, vielfach auch in Beobachtungen des Meisters in originaler Form 

alphabetischer Anordnung zusiammengestellt wa- bot. Wir besitzen von drei deorartigen Sammlungen 

ren. Daher ist es auch begreiflich, daB schon in epikureischer Spriicbe Reste: 1. 40 KvQiai 86^ai, 

den Papyri zahlreiche Fetzen von Gnomologien die jetzt das Encfe des uns crhaltenen Diogenes 
auftauchen. So enthalt einer der alleraltesten, 30 Laertios bilden, vermutlich unvoUstandig, wes- 

Flinders Petrie Papyri, 1891 von Mahaffy heraus- halb die Bedenken gegen die Eehtheit wegeoa 

gegeben, Reste einer G.-Sammlung. S. E 1 1 e r Pehlens wichtiger Lehren Epikurs hinf allig sand; 

De gnomologiorum Graec. historia 68. K a i b e 1 im Gegensatz zu G a « s e n d i, U s e n e r und 

Herm. XXVIH 62. Wendland Byz. Ztsehr. II v. Arnim (s. Bd. VI SL 140f.) betrachtet die 

328. tJber die hierher gehorigen neueren Funde gegenwartige Forschung (G i u s s a n i, B i - 

und ihre Literatur unterrichten jetzt am bequem- g n o n e, v. d. M u h 1 1, Bailey, M e w a 1 d t) 

sten K e r t le s Ref erate im Arch, f . Pap. Hier diese S'ammlung fiir ein Originalwerk Epikurs 

sei auf ein Ostrakon hingewiesen, das die akro- mit originalem Titel; 2. die 81 Sprtiche des Gno- 

stichische Anordnung bezeugt, Arch. f. Pap. VIII mologium Vat., beide in neuer Ausgabe von P. 
259, auf zwei BerMner Papyri aus dem 2. Jhdt. 40 v. d. Miihll 1922, mit italienischer trbersetzung 

V. Ohr. S. 233f . nr. 447f ., mit Florilegienresten, in E. Bignone Epicure, mit englischer in C. 

die sich ausschlieBlich auf Frauen beziehen, auf Bailey Epicurus, und 3. die gewaltige Inschrift 

eiu'emHibeh-Papyrus, geschrieben280 — ^240 v. Chr,. von Oinoanda. S. Bd. VI S. 143 und Wien. 

mit Ausspriiehen des Simonides, die einem Antho- Stud. XLIX 32ff. Wenn diese Katechismen auch 

logium entnommen sind, das doppelte "Dberschrif- nicht geradezu von <dem Schulhaupte selbst her- 

ten ajufweist: sachlich dvrjXcofA,dro)v, personlich ruhrten, so waren sie doch zweifellos unter Ap- 

2ifA,covldov VI 457. Pap. Soc. It. 1093 aus dem probation der Schule zusammengestellt und ver- 

2. Jhdt. (Arch. X 223 nr. 759) enthalt einen offontlicht. Sie behaupteten ihr Ansehen, so daB 

gnomologischen Traktat, Pap. Vat. Gr. 11 aus sie noch in den ersten christlichen Jahrhunder- 
dem Anfang des 3. Jhdts (ebd. X 64 nr. 740) ein 50 ten vermutlich auch in lateinischer tTbersetzung 

ziemlich langes Fragment aus einer Trostschrift verwendet wurden. S. Tac. dial. 31. 

des P h a V o r i n s IIsqI (pvyfjg, ein Stiick, das Als eine Tatsache von gianz unabsehbarer Trag- 

wegen der Person des Verfassers, der zu den um- weite fiir die Geschichte der Gnomologien erweist 

strittenen QueUen des Diogenes Laertios gezahlt sich die Praxis der s t o i s c h e n S e h u 1 e. Be- 

wird, und wegen des zitatengespickten Textes die leits Aristonvon Chios, Zenons Schtiler, der 

Gnomologie angeht. S. Praechter Gnom. allerdings noch den Kynikern nahesteht, hatte die 

VIII 561 — 572. tJber Pap. Gisseu' 348 s. u. Homoea zu einem Buche gesammeit. Entschei- 

Der entscheidende AnstoB fiir die Entwick- dend wurde die Tatigkeit des dritten Schulhaup- 

lung der Gnomologien ging in der heUenistischen tes Chrysippos {el f^rj yaQ ^v XQvomnog, ovh av 
Zeit von der Philosophie aus. Wie fiir die Volks- QO^v 2rod). U sener hat schon gelegentlich 

weisheit waren auch fiir die ethi'schen Lehren (Epic. LXXXIII adn. 2) auf die Bedeutung der 

der Denker aneinandergereihte G. die gebrauch- Stoiker fiir diesen Dberlief erungsweg hingewiesen, 

liche Form der Daorstellung. So haben wir ein aber erst E 1 1 e r hat in den Bonner Universitats- 

GnomologiumDemocriteum, das trotz programmen (1893 — 1897), De gnomologiorum 

der Verderbnis in dem iiberlieferten Autornametn Graecorum historia atque origine commentatio 

(Demokrates fiir Demokritos) sicher zum groBten den ganzen Fragenkomplex erschopfend behandelt. 

Toil fiir echt zu halten ist (s. o. Bd. V S', 137f,; Ausgehend von einer ebenso sorgfaltigen wie 

seither H. Laue De Democriti frg. eth. 1921). scharfsinnigen Analyse der Schriftstellerzitate 



81 Gnome Gnome 82 

bei Sext. Emp. adv. gramm., Gal. de plac., Pint. Kultur durch das scheinbar so ganz anders ge- 

de aud. poet, gelangt er zu dem Schlusse, daB artete junge diristentum. Eine bedmtsame E/olle 

Ghrysipp einen lun 234 entstandenen thesaurus fiel bier dem von ehrlicher Begeisterung fiir das 

sententiarum von zweifellos ganz gewaltigem Urn- hellenisebe Altertnm erftillten Clemens Ale- 

fange beniitzt babe. Die Frage, ob der Meister x a n d r i n u s zn, wenn ancb v. Wi lamowitz 

personlich die miihevolle Arbeit d;er Herstellnng anfangs (Einl. in d. gr. Trag. 1 171) etwas gar zn 

geleistet hat, oder ob er nur die von seinen Schii- geringschatzig iiber dessen Kompendien- nnd Flo- 

lern vorgenommene Sammlung angeregt, beraten rilegienweisheit abgenrteilt hat. Zweifellos war 

nnd redigiert hat, ist von nntergeordneter Beden- hier ftir Clemens der EinfluB des Stoikers Mn- 
tung. Dieses Urflorilegium nmfaBte anscheinend 10 sonins bedentungsivoU. S. Wendland Quaestio- 

nur Verse (W. Christ Phil. Stud, zn Clem. nes Mnsonianae nnd W. Christ Phil. St. zu 

Alex. [Abb. Akad. Miinch. 1900] 26). Die Organi- Clemens 6. AUerdings war die Art nnd Weise, 

nation der wissenschaftlichen Arbeit in den spa- wie die alten Schatze ftir die neuen Zwecke ver- 

teren philosophischen Schulen verlangte die Sbhaf- wendet wurden, nicht immer einwandfrei. Je nach 

fnng derartiger Behelfe. Sie sollten ahnlich wie Bediirfnis wurde der Sinn der Verse anders ge- 

bei den Eednern das Belegmaterial fiir die eigene deutet, der Wortlaut verandert. Auch fehlt es 

Lehre liefern: el tioxs naQaivexLKcbg ri Uyoiev, nicht an Interpolationen und Falschnngen, die 

xoXg noiTjtixdlg qxjovaJg (honsQel ocpQayii^eod-ai to dann manchmal wieder ihre eigene Geschichte 

m' avxcbv Xeyofxevov (Sextus Emp. adv. gramm. haben, wie das Elter 152ff. an dem orphischen 

I 271 = 660 B); vor allem dienten sie der Po- 20Frg. 4 Ab. (245 K.) zeigt, dessen Wandlungen er 
lemik gegen andere Lehrmeinungen. Chrysippos von Ps.-Instin. de mon. 2 iiber Clemens Alexan- 
selbst maehte von diesem Hilfsaoaattel einen so drinus bis zum sog. Aristobul verfolgt. Nun wur- 
ausschweifenden Gebrauch, daB ihm Galenos (de den die alten von den Christen in ihrem Sinne 
plac. 314) wegen dieses maBlosen Zitierunfugs interpolierten' Sammlungen wieder wie ehadem 
ddoXsoxla yQaicbdrjg vorwirft. Bei Diog. Laert. fiir Erziehungszwecke nnd zum rhetorischen Auf- 
VII 180 witzelt ein boshafter SpaBvogel tiber putz der Predigten verwendet. So ergibt sich fiir 
XQvolnTtov Mrjdeiav^ weil Chrysippos diese in die ganze heUenistische Zeit bis zum Ausgang des 
einer seiner Schriften fast zur Ganze zitiert habe, Altertums das Bild einer umfangreichen und fiir 
und ebendaselb'St versichert ApoUodor: el rig acpe- die geistige Gestalt der Zeit bedeutungsvoUe Li- 
koc xcbv XQvolriTiov pc^Xlcov 00^ dUoxQia :7ra^ari- 30 teratur, von der leider keiiu' einziges vollstandiges 
d^eixai, Tievbg avxc^ 6 x^Q'^V^ xaxaleitp&tai. DaB Werk in seiner urspriinglichen Gestalt auf uns 
auch noeh in der mittleren und neueren Stoa gekommen ist, wohl aber ein uniibersehbares' 
das Anlegen eines Zitatenschatzes zum person- Triimmerfeld. 

lichen Gebrauch ein gem geiibter Zeitvertreib Aus dem reichen Erbe des Altertums schufen 

war, beweiist Hekaton (s. v. Wilamowitz dann die Byzantiner ihre Sammlungen: im 

Antigonos v. Kar. S. 105ff.) und der sonst so viel 5. Jhdt. das trotz groBer Verluste noch immer 

beschaftigte Kaiser Marc Aurel, der III 14 zu sich ganz gewaltige Anthologium des Johannes 

spricht; [AeXXeig dvayiyvcbaxeLV xdg en zcov ovy- von S t o b o i, im 8. Jhdt. die theologische 

y^afx/Lidxcov enXoydg^ ag elg x6 yfjQag oavx^ dne- Spruchsammlung 'legd naQdXXrjXa des J o h a n - 
rl'&sao,, wahrend sein Erzieher Fronto ihm 40 nes von Damiaskos (Migne G. 95. 96), im 

II 10 schreibt: feci tamen per hos dies excerpta 9. Jhdt. das unter dem Namen des Maximus 
ex libris sexaginta in quinque tomos. Die andern Confessor gehende sacroprofane Florilegium, 
Schulen befolgten das Beispiel der Stoa. Ganz das in Anlage und Wichtigkeit dem Stobaios 
besonders waren Gelehrte abseits der groBen Bil- nahesteht (Migne G. 90. 91), die Melissa des 
dungsstatten darauf angewiesen, sich seiche Be- Monches Antonios (Migne G. 136), ein in 
helfe zu schaffen. So hat der Akademiker Pin- mehrfachen Brechungen iiberliefertes G n o m o - 
tarch, der nur ungern sein geliebtes Heimat- logium Democrito-Epicteteum (ab- 
stadtchen verHeB, nicht nur, wie schon erwahnt, schUeBende Ausgabe von C. W a c h s m u t h 
das stoische Florilegium benutzt, sondern sich Studien zu den griechischen Florilegien 162S.) 
auch selb'st einen reichhaltigen Zettelkasten von 50 und das durch die QueUenuntersuchungen zu be- 
Apophthegmen angelegt. Wie aueh andere philo- sonderer Bedeutung gelangte Florilegium 
sophische Riehtungen mit Florilegien axbeiteten, Parisinum aus dem Cod. Par. 1168, ein 
mag aus des Neuplatonikers Porphyries einheitliches, nach einem bestimmten Plan 
Trostschrift ad MarceUam ersehen werden, die redigiertes Corpus von weit iiber tausend pro- 
aus alphabetischen und nichtalphabetischen fanen, toils nach Autoren, teils in Kapiteln ge- 
Sammlungen mosaikartig zusammengesetzt ist. ordneten Slpriichen. In unermiidlicher Betrieb- 
S. Kurt Gass Porph. in epistulaad MarceUam... samkeit haben die spateren Byzantiner aus dem 
Diss. Bonn 1927. Usener Epicurea LVIIIff. tl^berlieferten durch Kiirzen, Erweitern undKom- 

Der von der stoischen Schule gesammelte Zi- binieren immer wieder neue Sammlungen ge- 
tatenschatz wurde dann in fast ebenso ausschwei- 60 schaffen, so daB die Zahl dear hsl. iiberlieferten 

fender Weise von den christlichen Apo- Florilegien tausend weit iibersteigt, wobei nur 

lo get en verwendet. Was dieseausaltenSchrift- ganz wenige wirklich vollig gleich sind, ein 

steUern anfiibren, beruht nur selten auf eigener Reichtum, der auch den arbeitsfreudigsten For- 

Kenntnis der angefiihrten Werke. Die Gelehr- scher entmutigen muB. Natiirlich enthebt diese 

samkeit, mit der sie prunken, geht in der Regel ■nberfiiUe des Materials die Forschung nicht der 

auf solehe Florilegien zuriick. Es zeigt sich auch entsagungsvoUen Miihe, den Inhalt dieser Flori- 

auf diesem Gebiet das weltgeschichtliche Schau- legien-Hss. festzustellen und jede einzelne Samm- 

spiel der tJbernahime der altgewordenen antiken lung an dem richtigen Platz einzuordnen, indem 



83 Gnome G-nome 84 

das Verhaltnis zu ihren Quellen und Abkomm- Neben Menander und noch mehr als dieser 
lingen f estgestellt wird, ohne daB es immer notig war Euripides seit dem 4. varchr. Jhdt. der 
ware, jede einzelne Sonderform aueb wirklich zu Lieblingsschriftsteller der griechisehen Welt, fiir 
edieren. Diese Darlegung der Filiation ist der das groBe Publikum ebensowohl wie fiir die ge- 
einzige wissenschaftliche und im Grunde selbst- bildeten und philosophisch interessierten Kreise, 
verstandliche Weg. Die Praxis zeigt idagegen denen er als der oKriviKog (pdooocpog gait (Sext. 
stets von neuem, wie die Untersuchungen in end- Emp. adv. gr. 288 und Athen. XIII 561 A). In 
loser Verkettung immer wieder ineinander greifen den alten Sammlungen herrs<5hte er so vor, daB 
und wie schwierig es ist, den Punkt herauszu- man jetzt namenlos uberlieferte Sentenzen mit 
finden, von dem aus die Entwirrung zu ver- 10 gutem Grund ihm zuteilen kann.. So findet sich 
suchen ist. Diese Aufgabe wurde aUerdings erst das bisher nur aus Clem. Alex, strom. IV 588 
spat erkannt und in Angriff genommen, obgleich bekannte frg. adesp. 116 W in einer Wiener Hs. 
ihre Losung, wie schon oben angedeutet wurde, mit dem Lemma EvQinidov. Die in spateren 
zu interessanten kulturgeschichtlichen Perspek- Zeiten g^brauchten Florilegien gehen auf eine 
tiven fiihren kann. Auch fiir die klassische Philo- Sammlung von Euripides- Versen zuriick, die aus 
logie ergeben sich hier neue bisher wenig be- der Gesamtausgabe exzerpiert sind, deren Stiieke 
baute Arbeitsgebiete, indem die Quellenanalyse nach den Anfangsbuchstaben der Dramentitel ge- 
der Gnomologien auf die tlberlief erung der alten ordnet waren. v. W i 1 a m o w i t z Einl. in die 
SchriftsteUer fiihrt, wie sie dm 3. vorchristl. Jhdt. gr. Trag. 172. Von da kamen sie durch Vermitt- 
gelesen wurden. So finden sich in den Zitaten 20 hing der stoischen Schule in die groBen byzan- 
Spuren des voralexandrinischen Homertextes tinischen Florilegien (besonders Stobaios) und 
(E 1 1 e r De gnom. hist. 63) oder der damaKgen schlieBlich in unsere Fragmentsanmilungen, viele 
Pktoausgaben (E. B i c k e 1 De Stob. excerptis tausend Verse, manch tiefsinniges Wort darunter, 
Platonicis de Phaedone, Jahrb. f . Philol. 28. Suppl. aber doch zum iiberwiegenden Teil unerfreuliehe 
1903). Aber die philologische Wissensehaft be- moralische Banalitaten, die aus den inhaltsarmen 
trachtete lange Zeit dieses Trummerfeld nur als Distichen und Fiillversen stammen, deren Zweck 
ergiebige Fundstatte von Bruchstucken aus an- es ist, von einer Rede zur nachsten den tJbergang 
tiken Autoren. Die Ausbeute des ziemlich plan- zu vermitteln. Vgl. v. Wilamowitz Herakl. 
losen Durchsuchens war ja auch nicht gering. IP zu v. 236. Das von 0. H 'e n s e Acta soc. Lips. 
Besonders zwei Namen tauchen immer wieder in 30 VI 333ff. und K. iSI c h e n k 1 Wien. St. XI 309ff. 
der wiisten Masse auf: M e n a n d e r und E u r i- aus dem Marcianus 407 herausgegebene Euripides- 
pi d e :vS, ein Beweis fiir die Beliebtheit dieser Dieh- gnomologium hat mit jenem Urflorilegium gar 
ter in der hellenistischen Zeit, in der die Quell- nichts zu tun. Es ist erst in spatbyzantinischer 
schriften fiir 'die Gtnomologien zu suchen sind. Zeit aus einem Codex der kleineren Auswahl von 
Viel ver*breitet war im Mittelalter eine Tragodien zusammengestellt worden. Wie, das 
Sammlung Menandrisoher M o n o s t i c h a (s. kann man noch in statu nascendi aus dem Jeru- 
Bd. XV 8. 737). Dieses alphabetisch geordnete salemer Palimpsest, einer solchen Hs. aus dem 
Florilegium findet sich in zahlreichen Hss., deren 10. Jhdt., ersehen, wo einzelnen Versen amEande 

£*Auta.b?teTMVy7f •jrwit£40.?' beigeschrieben ist, ^ .ie als Senten.en ^ 

eigenen Vorarbeiten plante, nicht zum AbschluB bezeichnen. S. Horna Herm. LXIV 418. Haufig 

gedieh, ist man immer noch auf M 'e i n e k e FCG wurden in jiingeren Hss. sentenziose Verse auch 

IV 340ff. angewiesen, wo 758 Monosticha ver- dadurch hervorgehoben, daB sie mit roter Tinte 

einigt sind. In den Hss. wechseln Zahl und Aus- geschrieben wurden (Horna Jahresber. Sophien- 

wahl der Verse, doch enthalt keine mehr als 400'. gymn. Wien 1902, 24). Der Wert solcher Gnomo- 

Eine Vermehrung des Bestandes ergab sich aus logien ist natiirlich isehr gering. 

einer im slavischen Stiiden spatestens im 12. Jhdt. Ausgaben und Studien. Die ersten 

angefertigten tJbeirsetzung, die 490 Einzelverse Drucke gingen hauptsachlich von der Schweiz 

und 3 Disticha enthalt, darunter mehr als aus. Die groBen Humanisten d'es 16. Jhdts. 
100 Verse, deren griechischer Text unbekannt ist. 50 haben — entsprechend den ethischen und pad- 

S. V. J a g i e Die Menandersentenzen in der alt- agogischen Bestrebungen der Zedt — schon friih- 

kirchenslav. tJbersetzung, S.-Ber. Akad. Wien zeitig ihre Tatigkeit den griechisehen Gnomo- 

CXXVI. Die Entstehung dieser FloiiLegien wurde logien zugewendet. Der Basler Buchhandler Jo- 

meist ins Mittelalter verlegt. Nun bringt der hannes F rob en, der 1521 in dem Biichlein 

Pap. Gissen 348 aus dem 2. — 3. Jhdt, (Arch. X Scriptores aliquot gnomici eine nach den Namen 

56 nr. 731, verbesserte und vervoUstandigte Aus- der Autoren alphabetisch geordnete Sammlung 

gabe in Pap. landanae fasc. V [1931] 180ff.) aus^ von Sentenzen und Apophthegmen verofentlicht 

drucklich unter dem Titel MevdvdQov yv6)f/,at hatte (C. Wachsmuth Eh. Mus. XXXVII 

10 Monosticha, davon 4 bereits aus der mittel- 506ff.), veranlaBte seinen Freund D. Erasmus 
alterlichen tlberlieferung bekannt, v. 6 — 8 in der 60 z^ einer ahnlichen Tatigkeit, so daB dieser ,Apo- 

gleichen Redhenf olge wie bei J a g i c. Daher ver- phthegmata* in lateinischer Ubersetzung heraus- 

mutet KalbfleischHerm. LXIII lOOff., daB gab (0pp. t. IV 84ff.). Diesem folgte Conrad' 

schon im 1. Jhdt. v. Chr. eine ahnliche Zusam- Ge,sner, der Stobaei sententiae (Ziirich 1543), 

menstellung existierte und das Vorbild fiir die ferner die Sentenzensammlungen des Antonius 

unter dem Namen des Publilius Syrus gehende Melissa und des sog. Maximus Confessor (Ziirich 

Spruchsammlung abgab. — Eine MevdvdQov nal 1546) edierte, dann M. Neander, dessen Opus 

^diotlcovog ovyHQioig gab Studemund Bres- aureum et scholasticum (Basel 1559) den grie- 

lau 1887 mustergiiltig heraus. chisch-lateinischen Text der Goldenen Sprtiche 



85 Gnome Grnome 86 

des Pythagoras, den Ps.-Phokylidjes, ein Gnomo- tung eines anderen Teilgebietes hat D i e 1 s den 

logikon und als Anhang zwei Bticher "Anocf&ey^axa AnstoB gegeben. 1882 verofientlichte und besprach 

kXXrjviHa, von einem Schiiler gesammelt, enthielt, C. Wachsmuth in der Festschrift zur Be- 

nnd Joaieh. Camerarius mit einem Libellns giuBung der XXXVI. Philologenversammlung ,Die 

scholasticus (Basel 1550) nnd einem Libellus Wiener Apophthegmensammlung* aus dem Vind; 

gnomologicus (Lpz. 1571). Um dieselbe Zeit ver- theol. 149, anf den Diels Rh. Mns. XXIX hin- 

offentlichte H. Stephanus Apophthegmata gewiesen hatte. Bereits fiinf Jahre spater konnte 

graeca (Paris 1568). Spater kam Lucas H o 1 s t e n, Leo S t e r n b a c h in der Aufsatzreihe De G-no- 

der aus dem Vat. gr. 743 in ,Demophili, Demo- mologio Vaticano inedito, Wien. Stud. IX, X. XI 
cratis et Seeundi veterum philosophorum senten- 10 aus dem Vatic, gr. 743 eine andere, viel reich- 

tiae* Rom 1638) den Hauptvertreter der Homoeo- haltigere Fassung derselben Bammlung — 577 

mata ans Lieht zog. Apophthegmata Patrum Stiick statt 190 — veroSentlichen. Eine bedeut- 

stehen in Cotelier Ecclesiae graecae monu- same Anregung brachte der Aufsatz Freude n- 

mentai I, Paris 1677; eine Neuausgabe erschien thals Rh. Mus. XXXV: Zu Phavorinus und der 

1923 in W. Bousset Apophthegmata. SbhlieB- mittelalterlichen Florilegienliteratur. Eine Notiz 

lich hat die Bibliotheca graeca des I. A. F a b r i - bei Suidas, der dem Phavorinos ein Buch Fvcof^o- 

c i u s durch den unheiiioiichen FleiB und die un- loywa zuschreibt, gibt AnlaB zu einer Priifung 

faBbare Belesenheit des Verfassers, wie auf alien der in Gnomologien tiberlieferten Phavorinos- 

Gebieten, so auch hier wirksam gefordert. Die fragmente und zu einer ausfuhrlichen Mitteilung 
erste Zusammenfassung der gedruckten Flori- 20 iiber das noch unedierte hochwichtige Florilegium 

legien wird dem Ziiricher Kanonikus I. C. Paris, im Cod. Par. 1168, das als Hilfsmittel der 

Orelli verdankt. Seine Opuscula Graecorum Quellenanalyse fur die in Betracht kommenden 

veterum sententiosa et moralia (2 Bde., Lpz. Gnomologien empfohlen wird. Die hier angeregte 

1819 und 1821) bieten nattirlich keine kritische Untersuchung wurde gleichzeitig von Schenkl 

Geschichte der Gnomologien, eine Aufgabe, deren nnd E 1 1 e r von entgegengesetzten Seiten her in 

befriedigender Losung auch haute noch groBe Angriff genommen und fiihrte bei beiden For- 

Schwierigkeiten entgegenstehen, wohl aber feine schern zu dem gleichen Ergebnis. H. S c h e n k 1 

bequeme Sammlung des bis dahin vorhandenen wurde durch seine Epiktetausgabe auf Florilegien- 

Materials. Dieses wurde in den nachsten Jahren studien gelenkt: Dio Epiktetischen Fragmente. 
vermehrt durch Boissonades Anecdota graeca 30 Eine Untersuchung zur tJberlieferungsge&chichle 

(Paris 1829 — 1833), die nebst anderem Geor- der griechischen Florilegien. S.-Ber. Akad. Wien 

gidae gnomologium — jetzt auch Migne G. 117 CXV (1887) 443ff. Hier wird der Nachweis er- 

S. 1057 — 1169 — brachten. bracht, daB der Kompilator des Maximus fiir die 

Die methodische Behandlung gnomologiseher profanen Sentenzen im wesentlichen eine Samm- 

Probleme begiamt der junge R i t s c h 1, der schon lung beniitzt hat, die mit dem Florilegium des 

1834 in seiner Habilitationsschrift De Oro et Par. 1168 die groBte Ihnlichkeit hat. In dem 

Orione (Opusc. I 582fi.) dn verwandtes Thema Programmaufsatz: Florilegia duo Graeca, Wien I 

behandelt hatte. 1839 folgte das Bonner Univer- Akad. Gymn. 1888 veroSentlichte er ^dooocpwv 

sitatsprogramm Gnomologium Vindobonense (== ^^yot aus Par. 1166 und {Aiownov uiaQaiveosig 
Opusc. I 560ff.) aus Vind. theol. 128. Weit um- 40 aus Vind. theol. 128, in den Wien. Stud. XI eine 

fangreicher und bedeutungsvoUer wurde auf die- sorgfaltige Ausgabe des Florilegiums %qioxov 

sem G^biete 'dio Tatigkeit von C. Wa c h s m u t h, ^«^ jzqcozov fAdd^iA,a, AuBerordentliche Forderung 

der sich sofort den schwierigen Aufgaben zu- verdankt dieses dornenvolle Arbeitsgebiet den 

wandte, die Stobaios dem Bearbeiter bietet. Auf durch Jahrzehnte fortgeftihrten Studien E 1 1 e r s. 

Vorarbeiten, die zum Teil in den ,Studien zu den Was er in seiner Doktordissertation De loannis 

griech. Florilegien' (Berl. 1882) wiederabgedruckt Stobaei codice Photiano (188) und naehher fiir 

sind, folgte die Ausgabe der ersten zwei Bande Stobaios geleistet hat, dariiber s. Bd. IX S. 2549ff. 

loannis Stobaei Anthologium (Berl. 1884). Die Leider ;sind die meisten hierher gehorigen 

spatern Bande III — ^V (1894 — ^1912) und Appen- Untersuchungen verstreut in Bonner Univer- 
dix (1923) iibernahm 0. Hense. Durch des- 50 si^atsprogrammen erschienen. Zunachst behan- 

sen erschopfenden Artikel Bd. IX S. 2549ff. ist delte E 1 1 e r einige Seitenzweige der gnomologi- 

dieses zentrale Problem aller Gnomologienfor- schenliteratur: SextiPythagorici sententiael, II, 

schung in der Hauptsache zum AbschluB ge- 1891 — 1892 der griechische Text, der seit Ori- 

bracht C Wachismuth fand einen Weg- genes beruhmten iSpruchsammlung, von der bis 

genossen fur seine Florilegienstudien in H. dahin nur die lateinische tJbersetzung bekannt 

Diels, dessen altester Aufsatz; Zur Literatur war, Epicteti et Moschionis sententiae 1892; 

der griech. Florilegien, Jahrb. f. Philol. CV (1872) Euagrii Pontici sententiae 1892/93 (so weit auch 

sich auf Wachsmuthsche Arbeiten bezieht. In dem in Buchform als Gnomica I. II [1892] erschienen). 

kurzen, aber inhaltsreichen Beitrag: Eine Quelle Dann folgte die schon oben angefuhrte grund- 
dp Stobaeus, Rh. Mus. XXX (1875) setzte er die 60legende Abhandiung De Gnomologiorum Graeeo- 

Entstehung des Urflorilegiums ins 1. — ^2. Jhdt. rum historia atque origine commentatio in neun 

n. Chr. (v o r Chr. bei v. Wilamowitz Einl. i. Teilen (254 Seiten) 1893—1896, daizu ein Corolla- 

d. gr. Trag. 171 ist ein Druckfehler). EinePreis- rium Eusebianum 1894/95 und Ramenta, 1897. 

aufgabe der Berliner Akademie iiber die Plutarehs S. die gehaltvoUen Besprechungen von P. Wend- 
Namen tragenden Placita gab die Anregung zu land in Byz. Ztschr. II 325f. und VII445ff. Eine 
den Doxographi Graeci (1879), die auf Ram. 12 angekiindigte Geschichte der Apophthe- 
einem Nachbargebiete verlaBliche Grundlagen ge- gmensammlungen ist leider nieht erschienen. Die 
schaSen haben. Auch fiir die intensivere BearlSi- Ekhellung dieses dunklen Feldes hatte gewiB der 



87 Grnome Gnome 88 

Untersuchung der Quellen des Ps.-Plutarch und Sf^oicb/i^am usw., die sich alle durch ihre anfiere 

vor allem des Diogenes Laertios neue Wege ge- Form schon auf den ersten Blick voneinander 

offnet (W. G e m 1 1 Das Apophthegma, Wien untersclieiden, nicht ohne weiteres einreihen, da 

1924, verfolgt wesentlich andere Ziele). Anch die sie bald als yvw^rj, bald als d.Tiocp'&syfia oder 

wiederbolt in Aussicht gestellte Gesamtausgabe anoiJivrjfj,6vsvpa anftreten kann. Sie ist in ihrer 

der Gnomologien, ftir die er ein gewaltiges Mate- besonderen Eigenart nur ans ihrer Entstebung, 

rial gesammelt hatte, kam nicht zur Ausfuhrung. zu erklaren. Der erste Verfasser bzw. Sammler 

Nur ein Teilgebiet land eine erschopfende Dar- von xQsiai, der in der Uberlieferung erwahnt 

stellung in den rvcofAiHa o/bioicbfA,ara des Sokrates, wird, ist der Kyniker Metrokles, der anch der 

Plutarch, Demophilos, Demonax, Aristonymos u. a. 10 Erfinder des Namens und in gewissem Sinne der 

I__Y25G + 62Sl, Bonn. Kaiserprogr. 1900 — 1904. Gattung gewesen sein dtirfte. Das Wort ;t:^e/a 

Von Wichtigkeit wurden die Mitteilungen oder XQ^^^^ ^^* — urspriinglich meist mit einem 

iiber mittelalterliche tJbersetzun- Adjektiv verbunden — die Bedeutung ,Bedarf', 

gen. So war die schon um 250 n. Chr. Yon Ori- ,was man zu etwas braucht', auch ,IFtensilien', 

gines c. Celsum p. 397 zitierte G.-Sammlung des z. B. xQ^'^ai vavxiKal = ,Schiffsbedarf', ,was man 

Sextus Pythagoricus bis 1891 nur in fur ein Schiff oder auch zur Schiffahrt braucht'. 

einer lateinischen tJbersetzung des Rufinus und In diesem Sinne wurde das Wort von Metrokles 

aus syrischen Bearbeitungen bekannt (s. o. S. 86). verabsolutiert zu ,Lebensbedarf und angewandt 

tJber syrische tlbersetzungen s. A. Baumstark auf eine Sammlung von Sprtichen, Apophthegmen 
Lucubrationes Syro-Graecae in Jahns Jahr. Suppl. 20 und Anekdoten, die man auswendig lernen soil, 

XXI (1894) 473 — 490 und V. Ryssel Neuauf- um sie in alien Lebenslagen zur Ermunterung 

gefundene graeco-syrische Philosophensprliche und Befestigung in der einmal angenommenen 

iiber die Seele, Rh. Mus. LI 529ff.. Fur slawische philosophischen Lebenshaltung bereit zu haben. 

■Dbersetzungen kommt auBer den Arbeiten von In dem kynischen Erziehungsroman Aioysvovg 

J a g i c (s. 0. S. 83 und iim Spomenik der ser- nQdoig des Eubulos (bei Diog. Laert. YI 31) ist 

bischen Ak. XIII, Belgmd 1902), Michailov und das in der Weise auf Diogenes von Sinope iiber- 

Semenov, besonders das leider in russischer tragen, daB dieser die Kinder des Xeniades 

Sprache geschriebene, sehr ausfiihrliche Werk Sprtiche von Dichtern und andern Schriftstellern 

von M. N. Speranskij in Betracht: jtFber- auswendig lernen laBt. Das zeigt, wie verbreitet 
setzungssammlungen von Spriiehen im slawiseh- 30 die Tendenz im Kynismus der Generation nach 

russischen Schrifttum', Moskau 1904, 577 und Diogenes w^ar, wenn dieser selbst bei seiner Ver- 

255 S., hrsg. von der kais. Gesellsch. f. russ. achtung aller anderen Philosophen auch wohl 

Gesch. u. Altextiimer bei der Moskauer Universi- eher Apophthegmen, die man spater sammeln 

tat, nach Krumbaehers Urteil Byz. Ztschr. konnte, produziert als die Aussprtiche von andern 

XVI 330 eine ,groBartigeZusammenstellung derG.- gesammelt haben durfte. 

und Spruchliteratur im slawischen Gewande. Das Obwohl die Literaturgattung der X9^^<^ sehr 

Werk darf niemand, der sich mit der griechischen bald nicht mehr auf die Kyniker beschrankt 

Florilegienliteratur befaBt, unbenutzt lassen*. blieb, sondern groBe Verbreitung gewann, hat 

Der erst durch Krumbacher zum Range sie doch bis in spate Zeit charakteristische Ziige 
einer eigenen Wissenschaft erhobenen B y z a n - 40 ihres Ursprunges bewahrt. Die Bedeutung des 

t i n i s t i k verdankt auch die Gnomologienfor- Wortes ;^^fita als dessen, was man ftir das Leben 

schung reichliche Forderung. Die bibliographi- braucht, und was dafiir niitzlich ist, blieb noch 

schen Notizen der Byz. Ztschr. unterrichten arrt den Progymnasmatikern bewuBt (vgl. Theon pro- 

bequemsten iiber in- und auslandische Neuerschei- gymn. V 27 : siQstai de XQ^^^ ^^"^ k^ox'h'^^ oti 

nungen, besonders iiber die zahlreichen von rus- f^dUov tcov aklcov nqog noXXa x^««<^^^? ^ort xm 

sischen und griechischen Gelehrten veroffentlich- pico und Hermog. 3: ;^^^/a sorlv ,. (hg 

ten kleineren Sammlungen. Von Krumbacher knl ro nlsloxov XQV^^^^'^ rivog evexa). Ebenso 

wurde auch ein Preisausschreiben der Mlinchener weisen die Bestimmungen der besonderen Eigen- 

Akademie veranlaBt, die 1901 einen Betrag von art der XQ^^^ gegeniiber der yvc6/j,rj und dem d:;ro- 
1500 M ftir eine ,bibliographisch-literarhistorische 50 ^);^^oV£t;^a bei den Progymnasmatikern noch 

tJbersicht der griechischen Gnomologien und ihrer auf den kynischen Ursprung unter den Diogenes- 

"Dberlieferung* aussetzte. Da in mehr als vier schtilern bin. Vom d:^ofivrjf^6vsvf,ia unterscheidet 

Jahren keine einzige Arbeit einlief, wurde das sich die x^e/a durch die Kiirze (Hermog. 3)*. 

Preisausschreiben nicht wiederbolt. Die in der Diese Forderung ergibt sich aus dem ursprting- 

Tat auch heute noch ungeheure Sehwierigkeit der lichen Zweck, zu dem man sie jederzeit zur Hand 

Aufgabe hat Bewerber abgeschreckt. Schon die haben muB, von selbst. Von der yvcbfATj unter- 

raumliche Ausdehnung der notwendigen For- scheidet sie sich dadurch, daB sie nicht wie diese 

schungen in den Bibliotheken von Oxford bis immer in einer Aussage bestehen muB, sondern 

Jerusalem, von Moskau bis Madrid und weiter auch in einem Apophthegma oder der Erzahlung 
muBte entmutigen. Doch sind injiwischen von 60 einer Handlung bestehen kann (Theon 5, ahnlich 

einer Reihe wichtiger Bibliotheken (Vaticana, Hermog. 3). Hierin zeigt sich die Ankniipfung 

Ambrosiana u. a.) sehr sorgfaltig gearbeitete Ka- an Diogenes, der lieber noch als durch einen 

taloge im Druck erschienen, die diese gewaltige Ausspruch oder durch eine pointierte Antwort 

Arbeit einigermaBen erleichtern. durch eine stillschweigende Handlung seine tJber- 

[Konstantin Horna.] zeugung zum Ausdruck brachte, ganz besonders 

Zusatz 1 zu S. 75 : deutlich. Eine weitere Unterscheidung besteht 

Die XQ^^<^ i^^ antiken Sinn laBt sich in die nach den Progymnasmatikern darin, daB die ;^^e/a 

Reihe der yvco^aif anocpd's.yiAara, d:n^o/yivr}f^ovsvfA,ara, immer slg nQooconov dvaq>EQstai und daB ihr In- 



89 Gnome HaartracM 90 

halt nicht unmittelbar eine allgemeine Maxime auflosen lassen. Die Grenzen zwischen eigent- 

auszudriicken "brauclit, sondern sich auf eine kon- licher Gnomenliteratur und zusammenhangenden 

krete Situation beziehen kann. In beidem driickt ethischen Schriften, die im archaischen Eeihen- 

sich die Yorliebe des Diogenes fiir das Person- stil geschrieben sind, sind also in dieser alten 

liche, Konkrete und Anscbauliche aus. Wenn Zeit fliefiend. Umgekehrt ist aber in diesen Fal- 

endlich Theon als letzten Unterschied anftihrt, len auch die aus auBerlich unverbundenen Einzel- 

dafi die yvcbfAri sich immer auf ein ev tcp ^l(p spriiclien, wie sie z. B. in der von Friedlander 

XQfjoifAOV beziehe, wabrend die ;i:^£/a auch. um (610f.) besonders behandelten dvoi^iuovsg-Reil^Q auf- 

des blofien x^Qf'^vxiofAog willen da sein k5nne, treten, bestehende Schrift das zusammenhangende 
,fA,rjdsv sxovoa ^icoq>sUg\ so scheint das zwar im 10 Werk eines Schriftstellers, und die spater so 

Widerspruch zu stehen mit Theons eigener Her- haufig werdenden Sammlungen von Spriichen 

leitung des Begriffes der XQ^^<^ ^^^ ^^^ XQ^^^- verschiedener Schriftsteller sind etwas der Gat- 

dsg, illustriert aber gerade durch diesen Wider- tung nach davon verschiedenes, wenn auch ge- 

spruch vortrefflich die Herkunft der xQ^f'^^ ^^s legentlich in Werken der erst en Art sich f rem des 

dem }cvvio/A,6g der Wende des 4. zum 3. Jhdt., in Gut finden mag, das aber der Autor sich dann 

dem auch haufig die Freude an der witzigen in irgend einer Weise wirklich zu eigen gemacht 

Pointe den Zweck der moralischen Belehrung zu haben pflegt. [K. v. Fritz.] 

Oder Paraenese iiberwucherte. Grabaei. Plin. n. h. Ill 144 ftihrt sie unter 

Erst bei den ROmern, die schon durch die den Stammen, die das Gebiet zwischen Lissus 
tJbersetzung von XQ^^<^ durch sententia beweisen, 20 und Narona bewohnen, an {eo traetu fuere La- 

dafi ihnen die urspriingliche Bedeutung des Wor- heatae [Bd. XII S. 245], Endiriidini [Bd. V 

tes fremd geworden ist, verliert die x^e/a dann S. 2553], Sasaei [Bd. II A S. 55], Orahaei 

allmahlich jede Beziehung zu ihrem historischen proprieque dicti Blyrii et Taulantii [Bd. IV A 

Ursprung, und wird aus ihr das Gebilde, das S. 2526ff.] e^ P^/rae^'). Da Zippel D. rOm. Herr- 

man heute als Sentenz oder Chrie zu bezeichnen schaft in Illyrien 10 in dem Ausdrucke des Pli- 

pflegt. Aber nocTi Quintilian (s. d.) wiederholt nius proprie dicti Illyrii die Bezeichnung fiir 

die EinteiluDg der ;t^£/a in ihre verschiedenen die im mittleren Teile der adriatischen Kiiste 

Formen durch die Progymnasmatiker, die eigent- etwas nOrdlich des Drilon wohnenden Illyrier 

lich nur auf die alte ;t;^«a sinnvoU angewendet sieht (o. Sppl.-Bd. Y S. 312), so werden die Wohn- 
werden kann, da nur diese die verschiedenen 30 sitze der G. am Drilon zu suchen sein. Krahe 

Gruppen zu einer Einheit zusammenfafit. Vgl. Indogerm. Bibl. III. Abt. 7. Heft 88 glaubt, auch 

G. Reichel Quaest. Progymnasmaticae (Lpz. an dem Namen der G. die tJbereinstimmung illy- 

1905) 14 u. 0. [K. V. Fritz.] rischer Orts- und Personennamen beziiglich des 

Zusatz 2 zu S. 76: Grundelementes grab nachweisen zu kOnnen. 

Fiir die Entstehung und alteste Geschichte Vgl. auch Krahe 24. 76. [Max Fluss.] 
der Prosagnomen sind vor allem die Fragmente S. 2100 zum Art. Haartracht und Haarschmuck : 
der ethischen Schriften Demokrits sehr wichtig, Haartracht der rOmischen Frau. Die Gold- 
die gerade im Zusammenhang mit der Spruch- mtinzen des J. Caesar aus dem J. 46/45 v. Chr. 
dichtung von P. Friedlander in seinem schonen zeigen eine einfache griechische H.: Mittel- 
Aufsatz vnod'Yjxai im Herm. XL VIII 603 ein- 40 scheitel, eine langs der Stirn eingerollte Haar- 
gehend behandelt worden sind. Friedlander strahne (StirnroUe), die am Hinterkopf mit dem 
hat dort sehr wahrscheinlich gemacht, dafi es iibrigen Haar zu einem Knoten zusammengefaBt 
mindestens zwei ethische Schriften des Demokrit wird, eine Mlinze des J. 44 v. Chr. eine ahnliche 
gab. Von diesen muB sich die eine, welche von Tracht: die StirnroUe wird in Ohrhohe riickwarts 
Dionys dem GroBen bei Euseb. praep. ev. XIV gelegt und mit dem Iibrigen Haar, das halblang 
27, 4 als vnod'flHai zitiert wird, im Katalog der geschnitten ist, am Hinterkopf zu einem Locken- 
alexandrinischen Bibliothek aber einen andern knoten abgebunden (v. Bahrfeld Goldmiin- 
Titel gehabt haben muB und vielleicht mit der zenprg. Taf. 9 — 13. 14 — 16), 
Schrift lA^aXd-slag TisQag des bei Diog. Laert. IX Die Modefrisur des 4. Jahrzehnts v. Chr. ist der 
7, 13, 46 erhaltenen Thrasyllkataloges identisch 50 Scheitelzopf. Ihn tragen die Frauenportrats der 
ist, aus kurzen einzelnen Spriichen, die aber Miinzen des M. Antonius: das Seitenhaar wird 
dennoch untereinander in einem gewissen Zusam- quer in zwei oder mehrere Teile geteilt und 
menhang standen, zusammengesetzt haben, wah- bei dem Quinar des J. 43 v. Chr. am Hinterkopf 
rend die andere mit dem Titel tibqI €Mvf4,lrjg zu einem Knoten aufgesteckt, das iibrige Haar 
langere zusammenhangende Ausftihrungen ent- liegt als Scheitelzopf vom Wirbel bis zur Stirn 
Melt. Auf der anderen Seite zeigt Friedlander auf der Mittellinie des Kopfes auf und biegt 
jedoch auch, daB das Aneinanderreihen auBerlich dort in einer Schleife um (Abb. 1), bei dem 
nicht oder wenig verbundener Satze tiberhaupt Quinar des J. 42 v. Chr. fallt der Haarknoten 
eine archaische Stilform ist, die auch auf an- fort, und der Scheitelzopf beginnt in Ohrhohe 
deren Gebieten auftritt, fiir die ethische Parae- 60 (Babelon Monnaies de la R^publ. I 169 Abb. 
nese aber ganz besonders geeignet ist. In diesem im Text, 168 nr. 32, vgl. die Miinzen der Stadt 
Zusammenhang gewinnt dann die Beobachtung Eumeneia der J. 44 — 40 v. Chr. [Abb. 2] und 
vielleicht eine gewisse Bedeutung, daB auch die dieselbe Scheitelfrisur mit Haarknoten am Hinter- 
sicher der zusammenhangenden Schrift tieqI ev- kopf und ungeteiltem gewellten Seitenhaar Ny- 
d'viA.lrig angehOrenden Fragmente B 3 und 191 Carlsberg 1907. 595). Die Miinzen der J. 39—35 
Diels, wenn man nur die verbindenden Partikel v. Chr. zeigen den Scheitelzopf mit Nodusbausch 
weglaBt, sich sehr leicht in lauter gnomenhafte Tiber der Stirn. Die iibrige Frisur ist die gleiche 
Einzelsatze, die auch fiir sich bestehen konnen, wie vorher (v. Bahrfeldt Taf. IX 2—7, vgl. 



91 



Haartracht 



Haartracht 



92 



Arndt-Bruckmann Portrats Taf. 611), 
Scheitelfleclite mit Nodusbausch in Verbindung 
mit der StirnroUe zeigt die Oktaviafrisur des 
Aureus v. Quelen, bemerkenswert sind zwei an 
der Stirnmitte sich von der StirnroUe ablfisende 
Strahnen, die einzeln eingeroUt werden (v. Babr- 
feldt Taf. IX 1 [Abb. 3], vgl. Frauenkopf Ber- 




Abb. 1 



Abb. 3 



lin Bernoulli E6m. Ikon. II 1, 114 Fig. 15, 
A.-E. 3049). Charakteristisch fiir die Frisur des 
4. Jabrzebnts y. Cbr. ist der tief am Hinterkopf 
aufgesteckte Nackenknoten (Aureus v. Quelen), 
er wird aus zwei geroUten Haarstrahnen ge- 
bildet, die nebeneinander scbleifenartig gegen 
den Hinterkopf liegen und von ihren End- 
strahnen abgebunden sind (Frauenkopf Berlin). 
Dieser Knoten, etwas vergrOBert, wird schon in 
der spatrepublikaniscben-friihaugusteiscben Zeit 
zu der sog. claudischen Zopfscbleife (Steinin- 
ger Bd. VII S. 2136). Die StirnroUe ist bis- 
weilen ungeteilt oder gliedert sich in einzelne 
Abscbnitte, dabinter liegt kranzariig ein schma- 
ler Zopf. Die Ohren sind meist unbedeckt oder 
werden leicht vom Haar gestreift. Der Nodus- 
bausch Tiber der Stirn zeigt eine groBe Yaria- 
tionsmOglicbkeit, es gibt den einfachen und den 
zweigeteilten, er wird quergeteilt oder durcb 
Zopfe eingeschnurt, auch mit Bandern abgebun- 
den. Vor dem Ohr liegt eine groBe Locke, zwi- 
scben Nodus und Seitenhaar mehrere kleine 
Scblangenlocken, die auch liber die ganze Stirn 
verstreut sind, seitlich im Nacken ban gen oft 
zwei grOBere berab (vgl. Miinze von Bahrfeldt 
Taf. IX 2—7). Beliebt ist ferner eine Frisur 
mit Scheitelzopf und Nodusbausch, die eine 
Stirnstrabne gesondert von dem iibrigen Seiten- 
haar in Wellen legt (Hekler Bildniskunst 
207 a, A.— E. 3340—3341) und eine andere, die 
die gewellte Stirnstrabne kurz vor dem Ohr in 
zwei Telle teilt und sie nacheinander einroUt 
(Gaz. Arch. I Taf. 31). Von altgriechischen Fri- 
suren tragt man in dieser Zeit die Melonen- 
frisur (Sommer Bd. VII S. 2127) und eine 
griechische Idealfrisur, die das Haar in der Mitte 
scheitelt und seitlich iiber der Stirn nach hinten 
herabkammt. 

In friihaugusteischer Zeit wird anfangs noch 
die Zopftracht mit Nodusbausch getragen, be- 
liebt ist eine Variante dieser Haartracht, die den 
kranzartigen Zopf um den Vorderkopf bis nahe 
auf die Stirn ruckt. Im Nacken hangt die Zopf- 
scbleife, vor dem Ohr liegt das Haar in einem 
Ohrbausch, ein Motiv, das dem altgriechischen 
Typenschatz entlehnt ist. Es findet sich bereits 
in spatrepublikanischer Zeit (Br i sing Antik 
Konst i. Nat.-Mus. Taf. 48). Die eigentliche au- 
gusteische Tracht ist charakterisiert durch den 



Fortfall der Scheitelflechte mit Nodusbausch 
liber der Stirn; statt ihrer tragt man bisweilen 
den einfachen Scheitelzopf (Wyndham Col- 
lection Leconfield Taf. 45), eine Frisur, die sich 
vereinzelt bis in flavische Zeit halt. Auch in der 
Breite der StirnroUe liegt iiber dem Mittelscheitel 
ein schmaler Zopf oder an SteUe des Nodus- 
bausches eine besonders hervorgehobene quer- 
gelegte gewellte Haarstrahne. Haufig ist auch 

10 eine Frisur, die die StirnroUe quer in mehrere 
in Melonenart eingeroUte Teile teilt (Frauenkopf 
Privatbesitz Amelung, Kopf in Ghagnon Espd- 
r an di e u Bas-Eeliefs II 1343). Im Nacken hangt 
ein tiefsitzender zopfartiger Haarknoten oder ein 
Nackenzopf. Beibehalten werden die kleinen 
Scblangenlocken auf der Stirn, der mehr oder 
weniger stilisierte Ohrbausch und die beiden 
groBeren Scblangenlocken seitlich am Halse. 
Eine andere schlichte Frisur kammt das Haar 

20 seitlich vom Mittelscheitel herab und schlagt 
die Seitenhaare liber dem Ohr nach innen ein 
(Gratidia Vatican Hekler Taf. 162). Eine Frisur 
der Ara Pacis zeigt eine Tracht mit Mittelscheitel 
und schlichtem Seitenhaar, das sich iiber dem 
Ohr in einem Bausch von dem Kopf abhebt 
(Relief Florenz Uffizien Brunn-Bruckmann 
Taf. 402), die iibrigen KOpfe tragen eine Haar- 
tracht mit Mittelscheitel und schlicht von der 
Stirn zum Hinterkopf zuriickgekammtem Seiten- 

30 haar, dieselbe Frisur tragt noch die Livia des 
Pariser Cameos (Rodenwaldt D. Kunst d. 
Antike2 569), die sog. lulia tragt dazu den 
hellenistischen Scheitelzopf, der vom Nacken auf- 
warts bis auf den Wirbel aufgesteckt wird. 
Hieran schlieBen mehrere Frisuren an, die das 
Haar seitlich vom Mittelscheitel in Wellen herab- 
kammen, in drei Wellen (BoU. d'Arte X S. 221f. 
Abb. 3— 6), in vier Wellen (Bernoulli II 1 
S. 220 Abb. 42). Die Antoniaportrats auf den 

40 Mtinzen (gest. 37 n. Chr.) zeigen die Wellen un- 
regelmaBig angedeutet oder das Haar in drei 
tiefe rundrtickige Wellen gelegt, die sich quer 
iiber den ganzen Kopf hinziehen (Abb. 4). Eine 



50 





Abb. 4 



Abb. 5 



ahnliche Frisur mit einer Reihe von Ringellocken 
iiber der Stirn und einem Haarbausch vor dem 
Ohr kommt haufig vor (A.-E. 1006). Anzu- 
schlieBen ist der Liviakopf in Kopenhagen (Ny- 
60 Carlsberg Katalog 1907. 614), bier wird das Sei- 
tenhaar in flinf fiber den ganzen Kopf lau- 
fende Wellen gelegt. Die Miinzen der Livia der 
J. 21/22 n. Chr. (Abb. 5) haben eine breite 
Stirnstrabne in Wellen gelegt, ebenso Poulsen 
(Portratstudien i. Nordital. Prov.-Mus. 79/80). 
Diese wird hinter den Ohren eingeroUt und im 
Nacken zu einem Zopf oder dem tiefsitzenden 
zopfartigen Nackenknoten der alteren Mode zu- 



93 



Haartracht 



Haartracht 



94 



sammengefaBt. Neu ist die rormulierung des 
Zopfes auf den Mlinzen der Antonia, er wird hier 
zTi einer losen Schleife im Nacken vereinigt, 
bisweilen zeigt dieser Zopf drei Einschnitte. 

Die Modetracht zur Zeit des Tiberius kiirzt 
das Seitenhaar und lOst es in Locken auf, die 
in einem altgriechischen Schema oder in Keihen 
iibereinander angeordnet werden oder einfach 
nebeneinander aufgereiht sind. Am Beginn der 



kleinen Nackenzopf. Ein Zwischenstadium zwi- 
schen diesen beiden zuletzt beschriebenen Fri- 
suren ist in dem Typus der Haartracht der Oc- 
tavia (gest. 62 n. Chr.) zu erkennen, die Locken- 
partieen sind nocb deutlich durch einen Scheitel 
getrennt, riicken aber in der Eichtung auf den 
Oberkopf naber zusammen. Beliebt werden jetzt 
die sehr groBen Hakenlocken. Seitlich hangen 
zwei Spirallocken auf die Schultern. Eine andere 



Tiberiuszeit steht das sog. Livillaportrat des 10 Haartracht derselben Fiirstin erinnert an die alte 



Pariser Cameos. Die Lockenpartie des Seiten- 
haares zeigt ein klassizistisches Schema, iiber 
den Mittelscheitel liegt wie bei der sog. lulia 
der Ara Pacis der Scheitelzopf. Im Nacken hangt 
ein Flechtenzopf, und seitlich fallt eine gedrehte 
Spirallocke auf die Schultern. Denselben Typus 
der Frisur zeigen Portrats Agrippina d. A. (Ve- 
nedig A.-E. 2612/13, Pergamon Athen. Mitt. 
XXXV Taf. 26, 2). Seitlich hangt je eine Schlan- 



Tracht der Livia auf den Mtinzen mit der Um- 
schrift der Salus Augusta. Die Haartracht der 
Octavia ist nattirlicher als die der Agrippina, 
deren Moden die Schere des Friseurs verraten. 
Die letzte auf den Miinzen dargestellte Gemahlin 
Neros Poppaea Sabina (62 — 65 n. Chr.) andert 
die Mode dahin, daB nun die aufgelOsten Seiten- 
teile sich iiber dem Scheitel vereinigen (vgl. die 
letzte Frisur der jlingeren Agrippina), charakte- 



genlocke anf die Schultern. Ein anderes Locken- 20 ristisch ist der kurze schon in AugenhOhe auf- 



schema zeigen die Miinzen derselben Fiirstin (gest. 
38 V. Chr.), die hakenformigen Locken ordnen sich 
in drei Eeihen, der Lockenteil ist wie bei dem 
vorhergehenden Schema rechteckig (Abb. 6). Seit- 
lich hangt eine Spirallocke herab 
(Marseille Esp^randieu III 2465, 
Madrid Prado A.-E. 1607/09). Ein 
dritter Typus lOst den viereckigen 
Lockenteil in vier Langslocken auf, 
die in der Art der Melonenstrah- 
nen gebildet sind (Schweitzer 
Antiken i. ostpr. Privatbesitz Taf. 
17/18). Die Haare am Hinterkopf 
sind in naturalistisch gebildete Wel- 
len gelegt oder, wie spater in clau- 
discher Zeit, in Melonenstrahnen 
aufgelOst. Urn den Kopf liegt bisweilen ein 
schmaler Zopf. Eine weitere Frisur Agrippina 
d. A. zeigt das Vorderhaar in mehrere Wellen 




Abb. 6 



hOrende Lockenteil. Diese Tracht ist die Vor- 
lauferin des flavischen Lockentoupets. Eine hieran 
anschlieBende Mode, die auf einer Domitilla- 
munze (gest. vor 69 n. Chr.) vertreten ist, laBt 
erkennen, daB der Lockenteil iiber dem Yorder- 
kopf bereits einen groBeren Kaum einnimmt, die 
Lockenteile enden in einem spitzen Winkel gegen 
das Ohr, im Nacken hangt eine lange Zopf- 
echleife. Hier anzuschlieBen ist das Portrat in 
30Neapel der sog. sitzenden Agrippina (Arndt- 
Bruckmann Taf. 713/14). Ein weiterer Typus 
ordnet nach dem Vorbild der archaisch-griechi- 
schen Lockenfrisur die Locken in drei Eeihen 
iibereinander an (Samml. Heyl A.-E. 3747/48). 
Der Lockenteil ist gegen das Ohr hin breiter ge- 
worden und scharf in gerader Linie gegen das 
Seitenhaar abgeschnitten. Die erste Lockenreihe 
liegt auf der Stirngrenze auf. Die Ohren sind 
wie bei den vorhergehenden Frisuren von dem 



gelegt. Hier anzuschlieBen ist eine Frisur mit40Haar unbedeckt. Eine Variante dieser Tracht 



vier rechteckigen Haarwellen, iiber der Stirn liegt 
ein schmaler Kranz von Eingellocken, die sich 
vor dem Ohr zu einem Lockenbiindel vereinigen 
(Miinchen Glyptothek 316, vgl. Cyrene Afr. Ital. 
II Taf. I/III). 

Die Miinzen der jiingeren Agrippina (49—59 
n. Chr.) zeigen eine Haartracht mit halbruud ge- 
schnittenem Lockenteil (vgl. Toulouse Esp^- 
randieu II 1000). Seitlich hangen zwei Spiral- 
locken herab (Abb. 7). Eine Haar- 
tracht claudischer Zeit lost allmah- 
lich den ganzen Seitenteil in Locken 
auf, das Haar wird radial vom 
Scheitel in Strahnen geteilt, die 
in Melonenart eingeroUt werden 
(Eodenwaldt D. Kunst d. An- 
tike2 Taf. 36, Kopenhagen, Ny- 
Carlsberg Katalog 1907. 639). 

In neronischer Zeit wird noch 
anfangs die claudische Lockenmode 
mit halbrundem Lockenteil getra- 
gen, die Lockenpartie besteht aus 
vier iibereinander liegenden Lockenreihen (Miinze 
der jiingeren Agrippina d. J. 54 n. Chr.). Die 
Miinzen derselben Fiirstin d. J. 55 n. Chr. zeigen 
eine Haarmode, die den ganzen Vorderkopf in 
Locken aufl5st. Seitlich wird das Haar hinter 
dem Ohr beginnend eingeroUt und endet in einem 




kammt das Yorderhaar bis auf den Augenbrauen- 
bogen in die Stirn und teilt es senkrecht in 
Locken auf (Am e lung Kat. I Taf. 6 nr. 45), 
eine andere Haartracht teilt das Yorderhaar in 
Langsrichtung in vier Strahnen auf, und jede 
von ihnen wird in eine schmale Haarwelle ge- 
legt (Mon. Plot 21 Taf. 7/8). Zur Befestigung 
dieser Frisur waren Schniire nOtig, iiber die das 
Haar gelegt wurde, oder chemische Mittel, etwa 

50Lacke. Das Haar am Hinterkopf wird noch 
immer zu einem Zopf zusammengefaBt. Ein wei- 
terer gleichzeitiger Frisurentypus zeigt eine Wei- 
terbildung der spataugusteischen Wellentracht, 
das Seitenhaar wird ganzlich in acht bis zehn 
kleine rundriickige Wellen aufgeteilt, bisweilen 
werden je zwei zu einer Doppelwelle zusammen- 
gefaBt. tJber der Stirn liegen eine oder zwei 
Eeihen von Eingellocken, vor dem Ohr hangt 
ein kleines Lockenbiindel. 

60 Die Haartracht der flavischen Zeit ist an den 



Abb. 7 



Miinzen Domitians mit den 
und der Domitia abzulesen. 
das flavische Lockentoupet, 
sich durch GrOBe und Form 



Portrats der lulia 
Die Modefrisur ist 
dessen Yariationen 
unterscheiden. Im 



Laufe der Entwicklung nimmt der Lockenteil 
an Hohe und Umfang zu. Die Haare am Hinter- 
kopf werden gern in Melonenstrahnen gelegt 
oder in zahlreiche kleine ZOpfe geflochten und 



95 



Haartracht 



Haartracht 



96 



bald zu einem Zopf, bald zu einem Knoten auf 
dem Wirbel, einem flachen Flechtennest am 
Hinterkopf oder zu einem grofien Strahnen- oder 
Flechtennest auf dem Hinter- und Oberkopf zu- 
sammengefafit. Diese letzte Form gebt in trai- 
anischer Zeit weiter. 

Den tJbergang der neronischen zur flavischen 
Tracht zeigen einige Miinzen der lulia (81—91 
n. Chr.) und Domitia (81—96 n. Chr.), auf denen 



an die der flaviscben Zeit an. Charakteristisch 
fiir die traianische Haartracht ist die Perriicke. 
Sie entwickelt sicb aus dem flavischen Locken- 
aufbau. Gegen die Stirn wird sie stets von einer 
flachen StirnroUe begrenzt, die seitlich in einer 
zusammengerollten Spirallocke endet. Eine friihc 
Form zeigt diese StirnroUe an einen sichelformi- 
gen flachen Lockenaufbau angesetzt (Amelung 
Kat. I Taf. 35 nr. 33). Die Locken sind in Eeihen 



das Lockentoupet noch flach dem Kopf anliegend 10 geordnet oder liegen in nattirlicher Anordnung 



gebildet ist (Abb. 8). Die Locken werden in 





Abb. 8 



Abb. 9. 



Eeihen gelegt, es sind groBere und kleinere ge- 
effnete Eingellocken oder senkrecht zum Schadel 
eingeroUte groBere Locken. In denselben Kreis 
gehoren die Portrats Not. d. scav. 1913 S. 137 
Abb. 16 und Arndt-Bruckmann Taf. 742. 
Die charakteristische Frisur der flavischen Zeit 



nebeneinander. AuBer der Perrticke in Locken- 
form gibt es die verschiedensten Variationen der 
ungeteilten groBen Haaraufsatze, die fast aus- 
nahmslos die Sichelform der spatflavischen Zeit 
aufweisen. Sie bestehen aus mehreren flachen 
Haarrollen, die iibereinander gelegt sind (Ame- 
lung Kat. I Taf. 50 nr. 261 und 
Abb. 10), oder die Sichelform ist 
aufgeteilt in einzelne schmale 
20 quergelegte Haarrollen oder Zopfe 
(HeklerBildniskunst 243b. Ame- 
lung Kat. I Taf. 86 nr.716). Diese ^ 
Haaraufsatze tragen gern in der 
Mitte einen LockenstrauB oder 
mehrere flache senkrecht gestellte 
Haarrollen (Stuart Jones Museo 
Capitol. Taf. 50, Cat. Brit. Mus. 
Sculpture III Taf. 17 nr. 1925). 
Diese letzte Tracht zeigt weitgehende Verwandt- 




Abb, 10 



zeigt ein iiberhohtes Lockentoupet. Wahrschein- 30 schaft mit der Frisur der Matidia (98— 117 n. Chr.). 



lich kamen bei seiner Fertigstellung wieder Lacke 
zur Anwendung. Es zeigt eine verschiedene sich 
entwickelnde Form, z. B. liegt es als schwach ge- 
wolbter Wulst auf dem Yorderkopf bis an den obe- 
Ten Eand der Stirn (Abb. 9). Die Ohren sind halb- 
bedeckt, davor ziehen sich die Locken in einem 
Bausch auf die Wange, seitlich hangen Spiral- 
lockenherab (OlympiaBildwerke Taf. 63,6). Die mei- 
sten flavischen Frisuren zeigen ein hOheres Locken- 



Die Yariationen dieser Tracht sind sehr zahlreich. 
Daneben ist ein anderer Haaraufbau modern, der 
aus zvp-ei hintereinander liegenden Scheiben be- 
steht (Yenedig Museo Arch. Sala III nr. 20, an 
Stelle der flachen StirnroUe ist ein schmaler 
Zopf getreten, dieselbe Frisur dreiteilig Ame- 
lung Kat. I Taf. 8 nr. 52. Bernoulli II 2 
Tal34). Die StirnroUe wird breiter und ist an 
ihrem Eand durch eine Naht eingefaBt. Die Bil- 



toupet, dessen Hohe der halben Gesichtshohe ent- 40 der der Mar^iana (gest. 115 n. Chr.) zeigen uber 



spricht. Der Lockenwulst ist in seiner ganzen Aus- 
dehnunggleichbreit (Bernoulli 112 S.47Abb.4) 
oder v\rird nach den Seiten schmaler (jtingere 
Form) vgl. Stuart Jones Museo Capitol. Taf. 50. 
Gleichzeitig mit dieser Anderung des Locken- 
kranzes erhalt das Toupet eine in flacher Ebene 
senkrecht sich tiber dem Kopf erhebende Sichel- 
form, die Locken liegen samtlich in der vorderen 
Ebene. Diese jiingere Form geht in die traia- 



der tiblichen StirnroUe zwei Eeihen von quer- 
gelegten senkrecht stehenden Haarbauschen. Ein- 
fache Frisuren traianischer Zeit sind die einfache 
Bauschtracht der Plotina (98—117 n. Chr.), die 
das Yorderhaar iiber die StirnroUe in einen Bausch 
legt, dessen Haarenden iiber der Stirnmitte zu 
einem Knoten zusammengefaBt 
sind (Abb. 11). Eine zweite ein- 
fache Frisur scheitelt das Haar 



nische Zeit iiber. Beide Formen des Lockenauf- 50 in der Mitte und kammt es 



baues kiirzen das Haar vor dem Chr in gerader 
Linie, die runde Wulstform kennt auBerdem noch 
einen halbrunden AbschluB, der etwas jtinger 
sein diirfte als die erste Form, der spateste Ty- 
pus, der hauptsachlich mit der jungeren Form 
des sichelfdrmigen Toupets vorkommt, laBt den 
Lockenkranz in einer schmalen ovalen Form vor 
dem Ohr enden (Stuart Jones Museo Capitol. 
Taf. 37 Sala d. colombe 20). Einen noch starker 



schlicht seitwarts. tTber dem Hin- 
terkopf liegt ein groBer Flechten- 
kranz, wie ihn ahnlich auch die 
anderen Portrats der traianischen 
Zeit zeigen. Bisweilen liegt ein 
kranzartiges schmales ZOpfchen 
um den Yorderkopf. Einen tjber- 
rest der traianisehen StirnroUenfrisur, zeitlich 
dariiber hinausgehend , zeigt eine Btiste des 




Abb. 11 



iiberhchten Lockenkranz j lingerer Form zeigt das 60 Miinchner Mtinzkabinetts (Furtwangler Gem- 



Portrait Arndt-Bruckmann Taf. 727f. 
Haar am Hinterkopf v^ird ganzlich in Zopfe, die 
nebeneinander gelegt den, ganzen Hinterkopf be- 
decken, aufgelost und in der beschriebenen Art 
als Zopf, Nest oder Kranz zusammengefaBt. Der 
Zopf tritt in der spateren flavischen Zeit hinter 
dem Haarkranz zurtick. 

Die traianische Mode der Haartracht schlieBt 



men III 368 Abb. 203). Das Haar am Hinter- 
kopf v^ird gern in Melonenstrahnen aufgelCst oder 
glatt zum Nacken oder Scheitel gekammt (die 
kleinen Haarflechten am Hinterkopf beschranken 
sich auf flavische KOpfe). Im Nacken wird es 
in Zopfe geflochten und beide Flechtenbtindel 
links und rechts vom Scheitel zu einem Flechten- 
kranz zusammengefaBt. Sie tiberkreuzen sich, 



97 



Haartracht 



Haartracht 



98 




Abb. 12 



und das rechte Strahnenbiindel greift iiber den 
Mechtenkranz tiber. Eine zweite Form schichtet 
die ZOpfe regelmafiig tibereinander, im Nacken 
greift ein Zopf liber den Flecbtenkranz. Der 
Haarkranz wird auch stilisiert wiedergegeben 
Oder die Flechten glatt gelassen, Auch der flavi- 
sche Strahnenkranz ist noch bekannt. Die Miin- 
zen der Marciana nnd Matidia zeigen ferner den 
geschwungenen flaviscben Flecbtenkranz. Plotina 
tragt die alte Zopftracht. Am Anfang der traiani- 
schen Zeit steht eine komplizierte HaartraCht 
der Perrticke, an ihrem Ende eine einfache Haar- 
mode, die zu den Frisuren der Sabina (117—136 
n. Cbr.) und Faustina d. 1. (138—140 n. Chr.) 
iiberleitet. Am Anfang der Eegierung Hadrians 
werden noch die traianischen Haaraufsatze ge- 
tragen. Die spatere Frisur der 
Sabina (Abb. 12), die anfangs 
gleichfalls den traianischen Kopf- 
putz tragt, zeigt das Haar in 
der Mitte gescheitelt und auf 
beiden Seiten von den Ohren ge- 
gen den Wirbel gelegt, ebenso 
das Haar am Hinterkopf, dann 
wird es in ein em groBen Flecb- 
tenkranz auf den Hinterkopf zu- 
sammengefaBt (vgl. ferner den 
Kopf Arndt-Bruckmann 
Taf. 177f., der tiber den Mittelscheitel zwei 
kleine gerollte Haarwellen aufweist wie Kopfe 
"fcraianischer Zeit). Altere Elemente in grofierer 
Einfachheit zeigt ferner ein Kopf in Madrid 
A.-E. 1677/78. Gemeinsam ist der Haartracht 
zur Zeit der Sabina und alteren Faustina bis 
gegen die Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. ein sehr 
groBer Flecbtenkranz tiber den Hinterkopf, er 
wird in der Form des traianischen Zopfkranzes 
getragen, liegt jedoch weiter tiber dem Hinter- 
kopf und lafit nur eine schmale Stirnpartie des 
Vorderhaares frei (Ausonia IX 130 Abb. 4). Eine 
weitere Form des Zopfkranzes legt die ZOpfe 
bandartig um den Kopf, im Nacken greifen ein 
Oder mehrere ZOpfe iiber den Haarkranz (Bar- 
-fcoccini Terme di Lepcis Abb. 190 — 198). Das 
Haar des Vorderkopfes ist unter dem Flecbten- 
kranz verschwunden. Bisweilen bedeckt auch der 
Flecbtenkranz turbanartig den ganzen Kopf 
(Grabrelief der Yilla Mattel A.-E. 3245). Auf 
•demselben Grabrelief ist ein weiteres Frauen- 
portrat dargestellt, dessen Haartracht dem Fau- 
stinatypus gleicht, die Haare sind seitlich vom 
Mittelscheitel in Wellen herabgekammt und liegen 
auf dem Oberkopf als kleine Krone. Faustina 
d. A. hat das Seitenhaar rtickwarts gekammt und 
langs des Nackenscheitels in einzelne Zopfe ge- 
:6.ochten, die am Hinterkopf zu einem Zopf btindel 
vereinigt sind und tiber den Scheitel aufwarts 
vom Nacken bis auf den Oberkopf gelegt wer- 
den, wo sie in einem kleinen Flecb- 
tenkranz endigen (Abb. 18). Dieser 
Flecbtenkranz hat eine ottene Kranz- 
form (Art and Archeol. 19 S. 961) 
oder wirkt als geschlossenes Nest 
(Caskey Cat. Boston nr. 128). 
Statt des Zopfbtindels treten auch 
zwei oder ein breiterer Zopf ein, 
die vom Nacken empor bis auf 
•den Oberkopf gelegt werden und 
Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 



tiber das Flechtennest tibergreifen, eine Form, 
die gleichzeitig bei der Frisur des breiten Zopf- 
kranzes aufzuweisen ist (London Brit. Mus. 
Cat. II Sculpture 1452). Statt des in Wellen 
seitlich herabgekammten Vorderhaares tritt in 
jtingerer Zeit gern eine einfache ungeteilte oder 
in einzelne Strahnen aufgeteilte Haarrolle ein. 
Hinter der Yorderpartie des Haares liegt bis- 
weilen ein schmaler Zopf. Beliebt sind statt 

10 seiner schmale Bander mit kleinen Bandrosetten, 
auch einmal ein ktinstlicher Zopf (durch die Sti- 
lisierung charakterisiert). Auch die Melonen- 
frisur ist modern. Es werden die Haare am 
Vorderkopf oder am Hinterkopf in Melonen- 
strahnen aufgel5st. Den tJbergang zur Tracht 
der jtingeren Faustina (161 — 175 n. Chr.) bildet 
eine Frisur, die diese Ftirstin selbst noch tragt, 
das gewellte Vorderhaar wird hinter den Ohren 
eingeroUt, tiber Ober- und Hinterkopf liegt ein 

20 Flecbtenkranz (Abb. 14). 




Abb. 15 



Abb. 16 




Abb. 13 



Ein Kennzeichen der Haartracht der Antonine 
ist das Seitenhaar, das vom Mittelscheitel bis 
tiber die Ohren herabgekammt wird (Abb. 15), 
ferner ist ftir diese Zeit charakteristisch der zu- 
erst kleine, spater grdfiere Nackenknoten, der 
zur Zeit der Crispina den ganzen Hinterkopf 
bedeckt. Das Vorderhaar wird in Wellen gelegt, 

40 bisweilen liegt hinter dem Vorderhaar ein schma- 
ler Zopf, oder zu einer in einzelne Strahnen auf- 
geteilten Stirnrolle zusammengefafit (Abb. 16). 
Die Ohren sind bedeckt. Die einfache Stirnrolle 
vertreten die Mtinzbilder der Lucilla (164—169 
n. Chr.), das Haar am Hinterkopf wird in Me- 
lonenstrahnen gelegt. Sie tragt ferner die vier- 
geteilte Stirnrolle und eine Kombination der 
Wellenfrisur mit schmaler Stirnrolle. Das Flech- 
tennest ist im Vergleich zu den Frisuren der 

50 jtingeren Faustina grCBer geworden. Dieselbe 
Tracht zeigen die Frisuren der Crispina (177 — 
182 n. Chr.), neu ist eine Frisur mit einer brei- 
ten Haarrolle tiber dem Vorderkopf, die gegen 
die Stirn von einer schmalen Stirnrolle begleitet 
wird. Das Haarnest im Nacken bedeckt den 
ganzen Hinterkopf. Es besteht aus Zdpfen oder 
aus quer tibereinander gelegten Haarrollen. Cris- 
pina tragt ferner die charakteristische Wellen- 
frisur der Antoninenzeit und einen ahnlichen 

60 Frisurentypus mit schlicht herabgekammtem 
Seitenhaar; eine komplizierte, nur an Portrats 
erhaltene Frisur zeigt das Vorderhaar in Wel- 
len gelegt oder langs in einzelne Wellen oder 
Melonen strahnen aufgeteilt, gegen die Stirn liegt 
eine schmale Stirnrolle (Arndt-Bruckmann 
Taf. 567/68). Die ProfiUinie steigt bei all diesen 
Frisuren gerade gegen die Stirn an. 

Die Mtinzen der Titiana, Didia Clara und 

4 



99 



Haartracht 



HaartracM 



100 



Manila Scantilla zeigen noch denselben Frisuren- 
typus (193 n. Chr.). Titiana tragt das Haar 
schlicht liber die Ohren herabgekammt, die Pro- 
fiUinie des Haares gegen die Stirn hat eine 
leichte S-Form. Das groBe Flechtennest ist noch 
modern. Manila Scantilla tragt das Haar In drei 
Wellen, Didia Clara in vier oder fiinf Wellen 
geordnet. Dieselbe Frisur mit fiinf Wellen nnd 
einem groBen Flechtennest am Hinterkopf tiber- 
nimmt die Kaiserin lulia Domna (198 — 211 n.Chr.). 10 
Die meisten Miinzen zeigen jedoch eine Frisur 
mit sechs, sieben nnd acht Wellen, die Haar- 
tracht mit sechs und sieben Wellen wird auch 
mit einer schmalen StirnroUe getragen, die in 
Augenhohe beginnt und den Kand des Vorder- 
haares begleitet. Der Frisurentypus mit sieben 
Wellen biegt das Seitenhaar am Halse in Kinn- 
hohe rtickwarts ab, der Typus mit sechs und 
acht Haarwellen lafit die Nackenpartie weiter 
herabgehen. Sie wird in langlich ovaler (sechs 20 
Wellen) oder in grOBerer halbrunder Form (acht 
Wellen) getragen. Zur Zeit der lulia Domna 
wechselt die Mode. Aus der Wellenfrisur, die 
schlieBlich auch zehn und mehr Wellen aufwies 
und in Perriicken gearbeitet wurde, wie die er- 
haltenen Portrats zeigen, wird eine schlichtere 
Frisur. Die Ohren liegen frei und statt des 
groBen Flechtennestes, das den ganzen Hinter- 
kopf bedeckt, wird ein kleines langlich-ovales 
Flechtennest getragen, das in die Haarmasse am 30 
Hinterkopf eingebettet wird. Die Frisurentypen 
sind dieselben wie vorher mit sechs, sieben und 
acht Wellen. Die Nackenpartie biegt in Kinn- 
hohe um (Abb. 17), ein Frisuren- 
typus mit sieben Wellen fiihrt sie 
liber die Kinnlinie hinaus. Der Ab- 
schluB ist rundbogig. Ein anderer 
Typus mit sieben Wellen zeigt 
den AbschluB in KinnhShe und 
schrag ins Gesicht gezogener ova- 
ler Nackenpartie, ein Typus, der 
in der Folgezeit fortdauert. Diese 
moderne Frisur mit kleinem ein- 
gelegten Flechtennest wird schon 
in den ersten Jahren des 3. Jhdts. n. Chr. getra- 
gen, die Munzen der Plautilla (202— 205 n. Chr.) 
zeigen beide Frisuren, die alte und die neue, 
nebeneinander. Sie tragt das Haar in Melonen- 
strahnen gelegt. Die alte Wellenfrisur, und zwar 
mit vier Wellen, tragt lulia Maesa (218—222 50 
n. Chr.), die Haare bedecken das Ohr, am Hinter- 
kopf liegt entweder ein groBes Flechtennest oder 
das kleinere moderne langlich-ovale, das in die 
Nackenhaare eingebettet wird. Soaemias (218 — 
222 n. Chr.) zeigt neben einer alteren Frisur mit 
schlicht herabgekammtem Seitenhaar die mo- 
dernere mit unbedeckten Ohren, das Seitenhaar 
wird jetzt bis zur OhrhQhe in vier Wellen ge- 
legt, die Nackenpartie ohrabwarts fiillt bis auf 
eine Eandrolle das kleine eingebettete Flechten- 60 
nest aus. Dieselbe Frisur tragt lulia Paula 
(219—220 n. Chr.), ferner Aquilia Severa (220— 
221 n. Chr.). Aquilia tragt ferner eine Frisur 
desselben Typus mit quergelegtem Flechtennest, 
die Haare sind schlicht seitwarts gekammt und 
liegen liber der Stirn in einer StirnroUe (Abb. 18). 
Orbiana (222—235 n. Chr.) zeigt auf den Mun- 
zen die Frisur der Soaemias mit fiinf Wellen 





Abb. 18 



Abb. 19 




Abb. 17 



(Abb. 19), lulia Mamaea (222-235 n. Chr.) tragt 
diese Frisur mit fiinf und sechs Wellen. Die 
Nackenpartie wird in ovaler Form schrag ins 
Gesicht hereingezogen, der Typus mit sechs 
Wellen zeigt sie groBer als derselbe mit fiinf 
Wellen. Als letzte Flirstin tragt Herennia Etrus- 
cilla (248 — 251 n. Chr.) dieselbe Haartracht mit 
vier und fiinf Wellen, der Nackenteil liegt schrag 
in ovaler AbschluBrundung ins Gesicht. 

Eine neue Mode zeigen die Munzen der Tran- 
quillina (241 — 244 n. Chr.). Das Haar im Nacken 
wird als Scheitelzopf liber den Hinterkopf und 
Oberkopf gelegt. Dieser Scheitelzopf endet auf 
dem Wirbel oder auf der Hohe des Oberkopfes^ 
in spaterer Zeit liber der Stirn. Die neue Tracht 
des Scheitelzopf es wird in einem ahnlichen Typus- 
von der Zeit der Tranquillina bis in die Zeit 
der Salonina (253 — 268 n. Chr.) getragen. Das 
Seitenhaar wird in sechs nnd sieben Wellen 
rechteckiger Form bis zum Ansatz des Halses 
herabgekammt. Der Scheitelzopf endet meist 
auf der H5he des Kopfes, sechs Wellen zeigt die 
Frisur der Otacilia, sieben Wellen die der Tran- 
quillina, plastische Frauenportrats mit einer Haar- 
frisur des gleichen Typus haben acht und neun 
Wellen (Poulsen Portraits i. English country hou- 
ses 108). Der Nackenbausch hat eine gleichmaBig 
halbrunde oder eine schrag nach vorn gezogene 
ovale Form. Auch die Kaiserin Salonina tragt 
eine ahnliche Frisur, charakteristisch sind die sehr 
schrag verlaufenden Haarwellen. AnzuschlieBen 
ist die Haartracht der Dryantilla (Illyrien), die 
das Seitenhaar in langsgestellte Melonenstreifen 
aufteilt (262—263 n. Chr.). Dieselbe Frisur rait 
glattem, nur leicht gewelltem Haar veranschau- 
lichen die Mlinzbilder der Etruscilla (248—251 
n. Chr.) und Severina (270—275 n. Chr.), Etrus- 
cilla tragt einen Scheitelzopf, der auf der Hohe- 
des Kopfes endet, der ovale Nackenbausch ist 
schrag nach vorn gezogen. Der Nackenbausch 
der Severinamiinzen biegt gerade unter dem Ohr 
scharf rlickwarts um (Abb. 20). 
Seine sich zuspitzende ovale Eun- 
dung liegt gegen die Wange. Ahn- 
lich ist die Frisur der Magnia Ur- 
bica (283—284 n. Chr.), sie zeigt 
gleichfalls den modern en scharf 
hinter den Ohren nach hinten ge- 
zogenen Nackenbausch, der hier 
eine mehr abgerundete Form zeigt, 
das Seitenhaar ist in wenigen grofien 
Wellen seitlich herabgekammt (drei 
Wellen Magnia Urbica). Neu an den Frisuren der Se- 
verina und Magnia Urbica ist der Scheitelzopf, der 
bis auf die Stirn vorrlickt und dort in einer kleinen 
EoUe endet. Diese Frisur der Severina und der 
Magnia Urbica ohne Mittelscheitel wird mit ge- 




Abb. 20 



101 



Haartracht 



Harpokration 



102 



welltem Seitenhaar oder schlicht zuriickgekainm- 
tem Vorderhaar getragen (Poulsen Norditalische 
Prov.-Museen 90f.). -Bei dieser Frisur liegen 
Tiber der Stirnmitte gem kleine Ponyhaare. Der 
Scheitelzopf wird mehrstrahnig geflochten und 
auf dem Kopf mit mehreren Nadeln festgesteckt, 
anch durch ein kreuzweis gelegtes Band liber 
der Mitte zusairunengehalten. Die Mode des bis 
auf die Stirn gefiihrten Scheitelzopfes zeigt auch 
statt der Haarflechte eine einfache oder doppelte 
eingerollte Haarstrahne, die bisweilen in einer 
kleinen Schleife auf dem Oberkopf aufliegfc. Bei 
der Scheitelzopfmode sind die Ohren unbedeckt. 
Anzuschliefien ist hier nocli die Prisur der Va- 
leria (293—311 n. Chr.). Sie tragt die Seiten- 
haare in drei Wellen gelegt, der Nackenbauscli 
hat eine grOfiere ovale Porm. Der Scheitelzopf 
liegt auf dem Oberkopf und endet auf der Grenze 
zur Wellenpartie des Vorderhaares. 

Die Haartracht zur Zeit Diocletians schlieBt 
an die Mode des Scheitelzopfes an. Eine Partie 
des Haares wird langs der Stirn in kleine Wellen 
gelegt, es vereinigt sich mit dem iibrigen Seiten- 
haar zu einem Nackenbausch, der entweder eine 
langausgezogene ovale Porm hat oder in einer 
ovalen Porm schrag nach vorn gezogen wird. 
Die zuletzt genannte Form ist alter als die erste. 
Der Scheitelzopf liegt an der Grenze der vor- 
deren Wellenpartie auf. Er wird als geroUte 
Haarstrahne aufgesteckt. Diese Frisur wird ge- 
tragen von Helena, der Mutter Constantins 
(306—328 n. Chr.), von Theodora (292—306 
n. Chr.) und von Fausta (307—326 n. Chr.). Im 
Gegensatz zu der alteren Scheitelzopfmode sind 
die Ohren unter dem Haar verschwunden. Eine 
Variante dieser Frisur wird von der Helena ge- 
tragen, das Seitenhaar wird in zwei Telle ge- 
teilt, der hintere Teil fallt als Nackenbausch 
seitlich herab, wahrend das Vorderhaar iiber die 
Stirn nach hinten gekammt wird und iiber oder 
unter dem Scheitelzopf festgesteckt wird (vgl. 
die Mtinzen der Theodora). 

Eine weitere Modetracht der Helena zeigt 
iiber einer gewellten Partie des Vorderhaares 
einen breiten kranzartigen Plechtenkranz gelegt. 
Er wirkt als breites Haarband und zeigt ein 
Gratenmuster mit eingetieften LOchern dazwi- 
schen (Abb. 21). Statt eines Haarbandes kOnnen 





Abb. 21 



Abb. 22 



zwei gerollte Strahnen eintreten oder ein Zopf, 
auch wird das breite Haarband iiber dem Hinter- 
kopf haubenartig verbunden. Bekannt sind ferner 
die verschiedenen Variationen zwischen der 
diocletianischen Modetracht und der eben be- 
schriebenen konstantinischen Tracht des breiten 
Haarbandes (Abb. 22). Eine weitere Frisur kon- 
stantinischer Zeit ist auf den Miinzen der He- 



lena und Fausta zu erkennen, das Haar wird in 
Wellen herabgekammt und am Hinterkopf zu 
einem kleinen Knoten vereinigt. Die Ohren ver- 
schwinden unter der Haarmasse, Helena tragt 
die Wellenfrisur mit drei und vier Wellen. Die 
letzte Welle am Hinterkopf wird zu einem klei- 
nen JSTackenbausch herabgezogen. Dieselbe Frisur 
mit sieben Haarwellen wird von Fausta getragen, 
ferner tragt sie auch die Frisur mit vier Wellen. 

10 Der Haarknoten besteht aus Zopfen oder geroU- 
ten Haarstrahnen, die zu einem Nest zusammen- 
gefafit oder in zwei oder drei Schleifen senkrecht 
gegen den Hinterkopf gelegt werden und an 
ihren Wurzeln mit einem Band abgebunden sind. 
Literatur: K. Steininger Die weib- 
lichen Haartrachten im 1. Jhdt. der romischen 
Kaiserzeit. Diss. Miinchen 1909; ders. Bd. VII 
S. 2135ff. Maria Evans Num. Chronicle IV 
1906, 37if. Hairdressing of Eoman Ladies. M. B e r n - 

20 hart Blatter fiir Miinzfreunde nr. 12. 51. Jahrg. 
188ff. Haartrachten romischer Kaiserinnen auf 
Mtinzen, Leon Art and Arch. 24, 170ff. Bobs 
and Knobs in Imperial Times. H. Hofmann 
Die Stadtromische Haartracht an den Bildnissen 
italischer und provinzieller Grabsteine, Schu- 
macher-Festschr. 238ff. [Marg. Stephan.] .. 

S. 2416, 10 zum Art. Harpokration: 
Zur zeitlichen Ansetzung Hs : Boll Ztschr. 
neutest. Wiss. XVII 139 setzt ihn in die Zeit Lu- 

30 Mans mit der Begriindung, er habe das 165 n. Chr. 
zerstOrte Seleukeia noch besucht (vgl. Cum on t 
Klio IX 267, 1). Er weist Ihnlichkeiten zwi- 
schen dem Prooemium des H., Lukian und dem 
Clemensroman nach, betont jedoch die vCUige 
Unabhangigkeit der drei Schriften voneinander. 
Boudreaux Catal. codd. astrol. VIII 3, 133 und 
Anm. 1 verweist ihn gleichfalls ins 2. Jhdt., er 
halt die Gleichsetzung Hs. mit dem Grammatiker 
H. Nr. 3 oder mit dem, den Lucius Verus ge- 

40h6rt hatte, fiir sehr glaublich. Zur Textkritik; 
Boudreaux 132ff. gibt eine textkritische Aus- 
gabe des Werkes De plantis duodecim signis et 
septem planetis subiectis. Er benutzt aufier dem 
erwahnten Codex Matritensis (o, S. 2416f.) gr. 110 
den Pariser Codex 2256 und 2502, den Mosq. 415, 
den Monac. 542, den Leidensis Vossianus 8° 19 
und den Vindob. med. gr. 23 ol. 50. Cumont 
Eev. de Phil. XLII 85ff. weist ferner auf einen 
Codex Montepessulanus hin. Er gibt die la- 

SOteinische tJbersetzung des Prooemiums im Aus-^ 
zug; sie scheint sehr zuverlassig und aus alterer 
tJberlieferung geflossen zu sein. Es fehlt, wie 
auch in einigen anderen Hss. desselben Werkes, 
die zweite Serie der Pflanzen, die den Planeten 
heilig sind (Parisinus 2502 und die lat. tJber- 
setzung, von Boudreaux als deterior bezeich- 
net). Cum on t weist auf den rein magischen Cha- 
rakter dieser Hss. im Verhaltnis zu der vorhan- 
denen anderen Klasse der Manuskripte hin. Der 

60 gesamte Text ist Catal. VIII 4, 253 publiziert. 
Zur Verfasserfrage nimmt Cumont im Gegen- 
satz zu der bisherigen Forschung eine abwei- 
chende Stellung ein. Er bestreitet die Autor- 
schaft des H. und schreibt das erwahnte Work 
einem Thessalus (s. d.) zu, der sich als Thessa- 
lus philosophus am Ende der lateinischen tJber- 
setzung des Montepessulanus als Verfasser ein- 
fiihrt. Eine Hauptbeweisstelle bietet die ver- 



103 He . . . Helixoia 104 

derbte Anrede des Asklepios im Matritensis chepso tind Hermes Trismegistos zugrunde. tjber 

(Boudreaux 137,8), die den Namen Thessalus den Znsammenliang mit Bolos-Demokritos (Bd. 

aufweist, kombiniert mit derselben verderbten III S. 676. Suppl.-Bd. IV S. 219) vgl. Well- 

Stelle der zweiten Serie der Hss. ergibt sicb m a n n Abh. Berl. Akad. 1928, 11. 
eine befriedigende Lesung. Ferner tragt die la- [Marg. Stephan.] 

teinische tTbersetzung die richtige Anschrift des HE heifit nach einer Lesung (H i r s c h- 

Briefes : Thessalus philosophus Oermanio Clau- f e 1 d, der anch die LOsnng LIB j j I fiir moglich 

dio regi et deo aeterno salutem et amor em. Der halt) der verstiimnielten Inscbrift eines Meilen- 

Name des H. scbeint aus dem Text abgeleitet, steines (CIL III 3201 = 10159 = Dess 5829a; 
da der dazwischen geschriebene Text der Kyra-lOnach anderen LI I II, LIB 1 1 1 oder LIP I j I) 

niden (Bd. XII S. 127) sich haufig anf einen vielleicht der Vorort des Stammes der Baesitiaten 

H. Alexandreus bezieht. Ebenso sind die tibri- in Dalmatien (Patsch Bd. IV S. 1953.) Nach 

gen Worte der tTberschrift KaloaQi Avyvotcp aus dem Wortlaute der Inschrift hat Tiberius die 

dem Text selbst herausgezogen. So lost sich auch StraBe, deren Endpunkt unbekannt ist (Ballif — 

der allgemeine AnstoB an der Bezeichnung des Patsch ROm. Strafien in Bosnien und der Her- 

H. als Alexandreus. Der Kaiser Germanus Clau- cegowina I 55. Bauer Arch, epigr. Mitt. XVII 

dius in der Anrede der lateinischen tJbersetzung 136), a Salonis ad He 1 1 J [e]astel(lum} Dae- 

ist nach Cum on t entweder Claudius oder Nero, sitiatium per m [ilia] pass] uum CLF/angelegt 

das Werk zwischen 43 und 68 n. Chr. anzu- und im J. 19/20 n. Chr. vollendet (vgl. v. Doma- 
setzen. Er identifiziert Thessalus mit Thessalus 20 szewski Westdeutsch. Ztschr. XXI 172). 
von Tralles und kennzeichnet das Werk als aus [Max Fluss.] 

dem Greist der damaligen Medizin entstanden, S. 2613, 28 zum Art. Hegetor: 

die auf der agyptischen Zauberwissenschaft auf- 2) H. aus Byzanz, tiber den aus Agesistratos 

baut. H. ware somit zeitlich noch vor Thessalus Athen. mech. 21, 2 W. = 24 Schn. und Vitr. X 

anzusetzen. Die Kvgavtdsg woUen aus der Schrift 15, 2 berichten: er bajut eine xslcbvrj (testudo) 

eines PerserkQnigs Kyranos und aus einer anderen von gewaltigen Ausmafien, die W. S a c k u r 

eines H. Alexandreus zusammengestellt sein. Vitruv (Berlin 1925) 75 rekonstruiert. 
Dieser liegt unserem Werk vielleicht neben Ne- [W. KrolL] 



Zum achten Bande. 

Helixoia (JEXl^oia) oder Elixoia nach Steph. schriften hinterlassen haben. Der Hjrperboreer 

Byz. s. v^oos Yjzsq^oqscov, ovk sXdaocov 2iKS%iag, Abaris (s. d.) sei von dieser Insel naoh HeUas ge- 

vTcsQ jtora/ytov KaQdjxpvxa. ot vrjamrat KaQaf/,- kommen und habe die alte Freundsohaft mit den 

PvKai (s. d.) anb rov notafjiov, wg TJ^aralog S Deliern wiederhergestellt. Alle neunzehn Jahre 

!A^8rjQlrrjg (vgl. d. Art. HekataiosNr. 4 und (nach dem metonischen Zyklus) kommt der Gott 
Hyperboreer). Hekataios gab in seinem Ro- 40 selbst auf diese Insel herab, Kithara spielend und 

mane Ttegl YjcsQpogscov eine sehr ausfiihrliche tanzend von der FriiMingstagmndnaehtgleiche bis 

Schilderung dieser M a r c h e n i n s e 1, die noch zum Auf gang der Pleiaden, Ailian. hist. an. XI 1 

zu seiner Zeit (vgl. Sehol. Apoll. Rho-d. II 675) erzahlt noch von den drei Apollonpriestem, den 

am nordwestlichen Ende des europaischen Fest- Sohnen des Boreas, und den unzahligen Sing- 

landes lage (vgl. MiillenhoffD. Alt. I 4231). schwanen, die von den rhipaischen Bergen her 

Wahrend nach Pind. Pyth, X 29 man weder zu auf die Insel kommen, den Tempelbezirk um- 

Schiff noch zu FuB in 'das Hyperboreerland ge- schweben und mit ihren Fliigeln reinigen. Auch 

langen kann, weiB Hek. noXXa xal osfAva ersQa zu sie stimmen in -die Hymnen auf den Gott ein. 

erzahlen. Diod. II 47 gibt uns ein kurzes Ex- Diese Marcheninisel istellt -sich in die Reihe 
zerpt aus der Beschreibung H.s durch Hekataios: 50 der seit dem 4. Jhdt. und dann besonders in 

Sie ist tiber aus fruchtbar und bringt alljahrlich friiher hellenistiseher Zeit oft behandelten Ideal- 

zwei Emten hervor. Auf ihr soil Leto geboren eilande, wie der Insel der Panchaier des Elie- 

sein (schon hier zeigt sich ein Zusammenhang meros, der Meropis des Theopomp und der Sonnen- 

mit dem delischen oder delphisehen ApoUon- insel des lambulos, nur wird sie von Hekataios 

mythos).DeshalbgenieBtApollon(der jadereigent- im AnschluB an die alte Vorstellung von dem 

liche Gott der Hyperboreer ist) hier besondere gottseligen Nordvoike und vielleicht angeregt 

Verehrung, ja, man kann die Einwohner insge- durch den Berieht iiber Thule dureh Pytheas nach 

samt als Apollonpriester bezeichnen, da sie ihn dem Norden verlegt. tJber die Lokalisierung des 

taglich in Hymnen preisen. Auf der Insel steht Hyperboreerlandes im allgemeinen vgL Daebritz 
sein prach tiger, mit vielen Weihgaben gesehmuck- 60 Art. Hyperboreer. An irgendeine bestimmte 

ter Rundtempel; auch die Stadt selbst ist ihm ge- Insel ist nieht zu denken. Es handelt sich um 

weiiht, die Einwohner sind zumeist Saitenspieler, eine philosopihische Utopie, wohl mit erbauHchem 

die den Gott und seine Taten im Tempel preisen. Einschlag von kyniseher Seite her; vgl. R o h d e 

Sie haben Ihre eigene Sprache und stehen seit D. griech. Roman2 223ff. Pohlmann Geseh. 

alter Zeit in den besten Beziehungen zu den Grie- d. soz. Frage^ II 370ff. Auch die alte Vt)rstellung 

chen, besonders den Athenem und Deliem. Grie- von den — sonst im Westen gesuohten — vfjooi 

chen soHen auch selbst nach der Insel gekommen fxandQcov spielt offensichtlich hinein. Die S^hil- 

sein und dort Weihgaben mit grieehischen In- derung bei Diodor (und Ailian) hat in erster 



105 Herodes Herodianus 106 

Linie das novellistiscihe Beiwerk aus dem Biexioht discernit. Der rein grammatische Charakter dieses 

des Hekataios herausgesohalt. [Voigt.] Teiiles erhellt aus eiEem Blick auf die Tafel der 

Herodes (BQcodfjg 'Emaixevd'ov), hellenisier- Soloikismoi bei B a r w i c k Philol. Suppl. XV 

ter Thraker, Bildhauer (dyaXfzatoyXvq?og) erscheint 38; man kann auch das Uberwiegen der home- 

als Widmer eines in der Stadt Ktistendil (Pan- risehen Beispiele nnd die Beriihrungen mit Ho- 

talia) gefundenen Heraklesreliefs. Kazarow Bnll. merscholien daftir anfiihren. Vgl. hierzu anch 

Inst. Arch. Bulg. VI 121 nr. 8 Abb. 109. Th. Schwab Rhetor. Stndien V 9. Ganz ver- 

[G. Kazarow.] kehrt angebraeht umd jammerlich diirftig ist der 
S. 973 zum Art. Herodianus: Abschnitt tiber die Periode, wie ein Blick auf 
5) Rhetor, Verfasser einer Schrift jre^t a%9?^a- 10 Alex. Num. 27, 13 zeigt (Muller 450); Ahn- 
r<yr, die nach V ill oi son (1781) nnd W. Din- liches stand schon in der hellenistischen Rhe- 
dor f (1825) Walz (Rhet. gr. VIII 579—610) torik, wie Cornif. IV 26f. beweist (also kein Ver- 
und S p e n g e 1 (III 85 — 104) ediert haben; ich sehen des Comificius oder seines Lehrers, wie 
zitiere nach Spengel. Uber die Figurenlehre, Thiele Gott. Anz. 1895, 725 amnahm, sondem 
deren Entwicklung im Grunde gerimges Interesse eine der vielen Unzutraglichkeit«n, die der Lehre 
bietet, ist Bd. Ill S. 1177. IV S. 1605. VII von der Periode ihrem Wesen nach anhaften). 
S. 161 Iff. X S. 790 gehandelt. Recht diirftig ist auch das Kapitel iiber die Sinn- 
Die Schrift zerfafit in folgende Telle: 1. eine figuren, wie ein Blick auf den ParaUeltext Alex. 
Art von ovyxQioig zwischen o%rliia umd Soloikis- Num. 13, 23 — 27, 4 lehrt; einige erscheinen frei- 
mos mit einer auf diesen Bezug nehmenden De- 20 lich unter iden Iv I6y(j^ oiy\iiaxa^ aber mit der auf 
finition. Dieses oxfjfjia^ von dem wir nachtraglich diesem Gebiet iiblichen Inkonsequenz mit aus- 
(90, 14) erfahren, daB es ev Xe^si ox^f^a ist, zer- gesprochenen Wortfiguren vermengt (Muller 
fallt in aeht Unterarten, je nachdem es sich um 451). 'Wunderlich sind auch die xaxaoTtsvai (die 
Wechsel >der Wortklasse, des Genus, Numierus, auch bei Polyb. 106, 15 auftauchen, in den Ein- 
Kasus usw. handelt; 2. die ox^i ^axa dcavolag, die zelheiten nur teilweise tibereinstimmend); isthier 
eine neue Definition erhalten (90, 22); sie werden schon die Verwemdung des vieldeutigen Terminus 
unter die Oberbegriffe sTilraaig und enXvoig ge- nicht gliicklich (s. etwa S t r o u x De Theophrasti 
bracht (90, 16); letztere (= Tiam^oXr)) wird kurz virtutib. die. 37), so sind in der Ausfiihrung 
abgehandelt, erstere = siQcovela gesetzt und diese heterogene Dinge vermengt. Denn wir finden hier 
in sechs Unterarten zerlegt. Vor dem Ubergang 30 uiQooiTccvofxia und nQoavacpoQdf die die Komposi- 
zu den Wortfiguren steht ein Abschnitt liber die tion im grofien angehen und aus der Poetik oder 
Periode, die sich aus 2 — 4 Kala zusammensetze, asthetischen Dichtererklarung stammen (G r i e - 
mit der ausdriicklichen Bemerkung, dafi er sich singer Die asthet. Anschauungen der alten 
auch auf die soeben erledigten Sinnfiguren be- Homererklarer, Tubingen 1907, 25), neben kleinen 
ziehe; 3. die r^J Xoyco naQaxoXovd'ovvra oxriimxa gangbaren poetischen Mitteln wie Beispiel und 
mit neuer Definition 94, 2 a^^iwa hoxi loyov ^ Vergleich — iibrigens aUes aus Homer belegt. 
%e^ecog{\) olKovoiila fisx'' €VK00fA,iag mnecpevyvia tJber kleinere Widerspriiche und Ver sehen vgl. 
X71V IbLCoxixrjv dnXoxrjxa xfjg dnayysXiag (Umschiei- Foltz24. Mtiiler 445. Man gewinnt den 
bung von ovvi^'d'etav). Es werden 36 Arten kurz Eindruck eines kleinen Gernegrofies, der an einer 
aufgezahlt, und nachdem bemerkt ist, daB die 40 rettungslos verfahrenen Lehre Verbesserungen 
TcaxaoHsval xov Xoyov nicht zu den ox'^ifA^xa ge- anbringen mochte und sie nur noch mehr ver- 
horen, f olgt die Schilderung zunachst der 36 Wort- wirrt. 

figuren und dann der sieben KaxaoKsvai. Man hatte urspriinglich ohne groBes Naeh- 

Die Beispiele werden in erster Linie und gamz denken in H. den beriihmten Grammatiker (Nr. 4) 

iiberwiegend aus Homer entnommen (vgl. uber gesehen; diesen Glauben suchte nach Andeutun- 

Telephos Bd. VA S. 370); daneben treten He- gen von Lehrs J. Foltz Quaestiones Herodia- 

siod, die Tragiker, Pindar und Lyriker auf, und neae (Bonn 1844) zu zerstoren; seine Beweisfiih- 

H. bietet uns einige sonst nicht iiberlief erte rung iiberpriifte R. M ti 1 1 e r Herm. XXXIX 444 

Fragmente. Unter den Prosaikern steht neben — ^460, um schlieBlich zu demselben Ergebnis zu 

Demosthenes und Aischines Isokrates und eine 50 gelangen. Am meisten fallt ins Gewicht, daB die 

Raritat wie Kleochares und der 99, 3 zitierte Schrift weder in den Interessenkreis des Gram- 

Redner (nach S a u p p e OAF 274, 20 Polyeuktos). matikers paBt, noch seiner wtirdig ist; man hat 

Es ist deutlich, idaB H. reiche Sammlungen alterer etwa noch geltend gemacht, daB er nelDen seiner 

Techniker benutzt. grammatischen Schrift neQl ox^jf^dxcov schwer- 

Schon die bloBe Analyse laBt starke Mangel lieh eine rhetorische mit dem gleichen Titel ver- 

hervortreten (Foltz 11). Die einzelnen Telle faBt habe und daB unsere iSbhSft in der Auffas- 

sind nicht miteinander ausgeglichen, was sich in sung von Homerstellen Abweichungen von den 

den drei versehiedenen Definitionen des ox'^f^a Ansichten des Grammatikers zeige. Mtiiler legt 

zeigt; das verleitete frtiher zu der Annahme, es Gewicht darauf, daB die Erorterung tiber II. IV 

liege gar keine einheitliche Schrift vor. Ganz 60 277 sich mit den A-Seholien eng bertihre, und 

unglucklich ist auch die Dreiteilung, die nur noch schlieBt daraus (453), H. habe bereits die Vier- 

bei Fortunatian und Marius Victor, aiuftaucht (R. mannerscholien (Bd. II A S. 631) benutzt, an 

Muller Herm. XXXIX 448); sie wurde moglieh denen H. Nr. 4 beteiligt ist, sei also jtinger als 

durch die Teilung der Wortfiguren in oxi^f^axa dieser: das erscheint mir nicht zwingend. Auch 

Xoyov und Xs^scog^ wobei die letzteren gewonnen der Vergleich mit anderen Figurenautoren wie 

sind aus einer Einteilung der Soloikismoi; vgl. Alexandres Numeniu (Bd. I S. 1456), mit dem 

Plin. bei Pompei. V 292, 13 K. quando sit soloe- H. starke U'bereinstimmung zeigt, beweist letzten 

cismus^ quando sit schema, sola intellegentia Endes nieht viel, da man bei der fortwahrenden 



107 "^IsQog yclfiog ^leQog yd^og 108 

Kreu'zung dieser Schnlbuchliteratur meist nur zu aber jede Beziehung zum mensehlicheii Hochzeits- 

dem Ergebnis kommt, dafi gemeinsame Quellen brauche ablehnt, der doch z. B. ftir die Hera-Ehe 

vorliegen (so auch Schwab in seiner miih- von so groBer Bedeutung ist. tTbrigens geht in 

seligen Untersuchnng iiber Alex. 74). Am ehesten jedem Falle die religionswissenschaftliche For- 

mochte man aus dem Kreise der benutzten Auto- scbung von heute iiber den Begriff des i. y, 

xen, der ziemlich weit ist, eiinen SchluB anf relativ hinans, den die antiken Zeugnisse nns an die 

friihe Entstehung (2. Jhdt. n. Chr.) ziehen; in Hand geben (vgl. dariiber S. 97 und 101 meiner 

diesem Sinne kann man auch das Fortleben der Diss.), wo t. y. eben nur das Hochzeitsfest von 

stoischen Scheidung von Ik^ig und loyog anfuh- Zeus und Hera bedeutet (Hesych. und Phot. s. i. y., 
ren (Striller Bresl, philol. Abh. I 2, 5. 53); 10 Lex. rhetor, p. 345 Nauck), daDeben einmal bei 

jedenfalls wird man H. wegen des o. S. 105, 61 einem Komiker zur Bezeichnung eines SchOnheits- 

beriihrten Sachverhaltes vor Portunai und Marius wettkampfes gebraucht wird (Anaxandr. frg. 

Vict., d. h. vor das 4. Jhdt. setzen mussen. H. 34, 2 = Kock H 148). Der Uy, ist als Yor- 

dtirfte sein wirklicher Name gewesen sein; denk- stelluDg von religiOser Bedeutung im vorgriechi- 

bar ware nattirlich, dafi man einer anonym um- schen Kulturboden des Igaischen Meeres, im kre- 

laufenden Schrift den beriihmten Autornamen ge- tisch-minoischen Eaume, aufgekommeo. Mutter- 

geben hatte, weil sie viele Beriihrungen mit gram- rechtliche Vorstellungen dieser Kultur batten 

matischer Gelehrsamkeit zeigt. Aber ob man mit naturgeinaB ein unbedingtes^tTberwiegen der weib- 

dieser Annahme den Rhetoren jener Zeit nicht lichen Grottheiten zur Folge, die, als Fruchtbar- 
zuviel Ehre antut? [W. KrolL] 20 keits-, Jagd-, Meeres- und ErdgOttinnen verehrt 

'Je^offya^off. 1. Vor arbeiten und Problem- (B. Schweitzer Gnom. IV 169ff.), in hei- 
st ellung. tJber den Begriff des I. y. ist in der ligen Hohlen das Beilager mit ihrem gOttlichen 
Eeligionswissenschaft bis vor kurzem so gut wie Gemahle feiern. Die Erdgottin vorgriechischer 
nicht gearbeitet worden. Man gebrauchte die Vor- Zeit als Tragerin vegetativer und weiblicher 
stellung als eine gangbare Miinze, ohne sie auf Fruchtbarkeit wird der Ausgangspunkt fiir die 
ihre Entstehung und geschichtliche Wirksamkeit Vorstellung von der heiligen Hochzeit. J^eXx^ivog — 
hin zu untersuchen. Es gilt in diesem Artikel die fel%dvri (vgl. Vuertheim Eur opa, Amsterdam 
Herausarbeitung der grundsatzlichen Bedeutung 1924), Minos — Pasiphae, Helios— Hellotis (vgl. 
des /. y. nicht nur ftir die griechische Religion, Lesky Wien. Stud^ XLV. XL VI) sind die al- 
sondern fiir das Werden der hellenischen Kultur 30 testen namentlich zu ermittelnden Paare dieser 
liberhaupt. Es soil hier der Versuch eines syste- Kultur. Auf der altesten Religionsstufe wer- 
matischen Aufrisses gemacht werden, nachdem den diese Gottheiten noch nicht in mensch- 
jetzt in meiner Dissertation {1EP02 FAMOS, licher Gestalt, sondern als heilige Tiere verehrt. 
Halle 1933) das Material auf Grund der inschrift- Stier-, Kuh- und Vogelgestalt sind die hauptsach- 
lichen, literarischen, numismatischen und — lichen Erscheinungsformen der vorgriechischen 
soweit mir die letzteren zuganglich waren, — Kultur, pferdegestaltige Gotterpaare begegnen in 
archaologischen Quellen im Hinblick anf die ge- der Poseidonreligion der urgriechischen Epoche 
schichtliche Entwicklung vorgelegt worden ist. (vgl. L. Mai ten Arch. Jahrb. XXIX 179ff.; 
An Hand der beigefiigten Indices ist hieraus nach XLIII 90ff.). Als Kuh oder Taube erscheint die 
jeder Richtung hin ein Bild liber den Tatbestand 40 Erdgottheit in der vorgriechischen Religion, als 
zu gewinnen. Das einzelne kann und soil hier Stier befruchtet, mit dem Blitzstrahl oder Doppel- 
nicht wiederholt werden. H. Graillot's Artikel beil schwangert sie ihr heiliger Gemahl, der noch 
im Daremb.-Sagl. Ill 177ff. (s. Hidros Games), nicht im Sinne des spateren Zeus Himmelsgott ist, 
1899 geschrieben, ist methodisch und in vieler sondern in erister Linie Wettergottheit mit stark 
Hinsicht naturlich auch inhaltlich iiberholt. chthonisehem Charakter. iSo ist der Gott Yhiog 
Graillot behandelt iiberhaupt im wesentlichen in Boiotien im L y. mit Europa verbunden (Pans, 
nur die heilige Hochzeit von Zeus und Hera und IX 39, 4), so noeh Zeus und Hera als Wetter- und 
die zugrunde liegenden griechischen Hochzeits- Berggotter aoif dem Arachnaion in der Argolis 
brauche. (Pans. II 25, 10). Ein merkwiirdiges Beispiel 

2. Wesen und Entwicklung der Vor- 50 eines tJbergangs von Tiergestalt zu menschlieher 

stellung vom /. y. Die Vorstellung vom l. y. Erscheinungsfoim bildet der /. y. eines kretisohen 

reicht bis in die altesten Zeiten urgriechiseher Gotterpaares, indem der Gott als Adler eine be- 

Religion hinauf. In Kult und Legende, Mythos, reits menschengestaMg dargestellte Gottin be- 

Dichtung und Kunst der Hellenen spiegelt sich fruchtet (Catal. of Gr. coins, Crete and Aegean 

der Begriff. Als heilige Hochzeit hat nach meiner Islands 38ff< Taf. XI 4). Ganz deutlich offenbart 

Auffassung jede geschlechtliche Verbindung von sich hier das mutterrechtliche Denken: die weib- 

Gottern untereinander oder von Gottheit und liche Gottheit ist stets die Hauptsache, auf einer 

Mensch zu gelten, die in Kult, Legende und hiera- hoheren Stufe der ReMgion ist sie es, die zuerst 

tischer Poesie ihren Niederschlag gefunden hat in Menschongestalt erscheint. Wahrend also das 
und sich einerseits abhebt von einer blofien 60 ganze Denken des Vorgrieehentums mutterrecht- 

Gotterliebschaft, anderseits von genealogischer lich ist, sind die Schopfer schon der fnihesten 

Dichtung, die, wie es oft bei Hesiod der Fall ist, griechischen Kultur vaterrechtlieh eingest^llte 

einer religiosen Spekulation zuliebe Stemma an Indogermanen. Hieraus erklart sich der Unter- 

Stemma reiht. Naturlich ist die Abgrenzung nicht schied der minoischen und der mykenischen Kul- 

immer leicht ; zu eng erscheint mir aber die Be- tur, die keineswegs mit N i 1 s s o n und Evans 

griffsbestimmung von Nilsson (DLZ 1933, 1937), als letzten Endes einheitlich anzusehen sind. Viel- 

der unter heiliger Hochzeit zwar ganz mit Recht mehr sind mit K a r o, v. W i 1 a m o w i t z, 

die wirkliche oder symbolische ovf^f^si^ig versteht, Schachermeyr und Schweitzer die 



109 'IsQog yd flog '"leQog yccfjiog 110 

Grieehen al« Trager der mykenischen Kidtur zu frg. 320 Pears. Eiirip. Hipp. 7422. Ariistoph. 

betrachten. Die Mykenaer stellen eine reife Stufe Nub. 271) und im apfeltragenden Garteoa der 

des Frtihgrieehentums dar (vgl. Karo SchacM- Hesperiden (FGrH L P'hier. Athen. frg. 16a), my- 

graber von Mykenai 355); sie sind aueh rassisch thiscben Orten von paradiesischer Fruchtbarkeit, 

scharf von den Kretern als Tragern der minoischen verbinden sich Zeus und Hera. Der Baum wird 

Eultur zu trennen, sind mehr nordisch bestinamt fast typisdi fiir die Schilderung des t. y. Immer 

(vgl. Karo Reallex. d. Vorg. VHI 389ff, Eugen ist er ein Zeichen unersohopflieher Fruchtbarkeit, 

Fischer bei Karo Schaehtgraber 329f. 331S.). mag er uns nun im vorgrieehischen Kulte als 

DiQ andere rassische Zusammensetzung sehafft Weide begegnen, im didymaischen Heiligtume 
nattirlich ein ganz anderes Lebensgefuhl; das 10 der Leto beim Beilager der Gottin mit Zeus als 

mannliche Element tritt istarker in Erscheinung, Lorbeerbaum erscheinen, oder mag Homers Er- 

und so ergibt sich die fiir die Entwicklung des wahnung der Tanne des Idagebirges ein letzter 

L - y. - Begriffs hochstbedeutsame Tatsaehe, daB Nachhall von der urspriingliehen kultischen Be- 

die Frau im Frtihgriechentum stark zuriiektritt deutung der Pflanzen, letzte Erinnerung an den 

(Karo Schaehtgraber 3411). Der endgiiltige Sieg Lebensbaum und die vegetative Kraft der Erde 

der Zeusreligion bedeutet schlieBlieh liberhaupt sein. Die Feste des t. y, werden stets im Friih- 

den Sieg des Vaterrechts, des Indogermanentums, ling zur Zeit der erwaehenden Natur gefeiert, und 

<k^ liYotdisdieu Gedankens. Uralte Gottinnen sin- eben die Verbindung des gottlichen Paares schafft 

ken nun zu Heroinen herab, deren ursprungliche a\k EiXLcltitbaTkeit, ^ie eis %. ^. gaiiT. d^witlidi 
kultische Bedeutung unter einem Wuste mythen- 20 beim l. y. von lamon imd Demeter auf dem drei- 

hafter Legenden und novellistischer Erzahlungen fach gepfliigten Ackerfelde in Erscheinung tritt 

kaum noch sptirbar ist (Europa, Pasiphae, Phai- (Od. V 125ft. Hesiod. Theog. 969ff.). 

dra, Ariadne), oder die das neue Frauenideal des 4. Erscheinungsformen des Be- 

Indogermanen verkorpern, nicht mehr fruohtbare griffes. a) 7. y. zwischen den G o 1 1 e r n. 

Miitterliehkeit, sondem unberiihrte Jungfraulieh- Diese Form der heiligen Hochzeit kommt nattir- 

keit (Athena). Ein vollkommener nur rassisch lich am haufigsten vor. In frommer Scheu ge- 

erklarbarer Umbruch! Daraus wird klar, daB die denken die Menschen der grieehisehen Urzeit der 

Vorstellung von der heiligen Hochzeit in der alten durch die Ehe verbundenen chthonischen Machte, 

Bedeutung hinfallig ist; sie wird in einer neuen deren Namen niemand auszusprechen wagt, die 
und vertieften Weise umgebogen und dem vater- SOvielmehr jeder Glaubige in euphemistischer Weise 

reohtlichen Denken angepaBt. Poseidon und vor umschreibt. In jeder Landsehaft haben diese gott- 

aUem Zeus als der oberste Gott der neuen Her- lichen Namen einen andereii Klang, erscheint dem 

renreligion iiberwinden die aJten Erdgottinnen der Menschen eine andere verderbende oder segen- 

vorgriechisehen Kultur dadureh, daB sie sich als bringende Seite der Gottheit als wesentlich, zei- 

Herren im /. y. tiber sie setzen. Dariiber hinaus gen Demeter und Ohthonia uuid MeHboia und 

aber wird fiir den Grieehen die Gotterhochzeit Klymene und Medusa das vielfaltige Wesen der 

in ihrer voUkommensten Form, im t. y. von Zeus einen Mutter Erde (vgl. hierzu den Namenindex 

und Hera, hochstes sittHches Vorbild fiir die meiner Diss.), die sich den chthonischen Gottem 

eigene menschliche Ehe (vgl. Suid. s, Telela). des Poseidonkreises ehelich verbindet, aber sehlieB- 
3. Der Inhalt des Begriffes: Frucht- 40 lich nach dem Siege der olympischen Religion 

barkeitszauber. Als wesentlicher Inhalt der sich als Hera dem obersteai Himmelsgotte Zeus 

VorsteUung vom l. y. tritt uns immer vo-ii' neuem im I y. unterordnen muB. Ist doch gerade der 

der Fruchtbarkeitszauber entgegen, dendieKrafte L 7, ein wichtiges Bindemittel uranischer und 

der Erde und der Miitterliehkeit bewirken. Ab- chthonischer Religion. 

gesehen da von, daB zumimdest fiir die altesten b) "L y. zwischen Gottheit und 

Zeiten grieohischer Religion vor allem chthonische M e n s c h. Diese Verbiadung, in ihrem letzten 

und Vegetationsgottheiten im I. y. verbunden Sinne ebenfaUs Fruchtbarkeit szauber, ist als ma- 

werden, ist der erwahnte Begriffsinhalt aueh dar- giseher Zwang zu betrachten, durch den sich der 

aus ersichtlich, wie Ort und Zeit des /. y. ein- den heiligen Branch VoUziehende in den Besitz 
gef iihrt werden und was an typischem Beiwerke 50 auBermenschlicher und vegetativer Kraf te setzt. 

der Bericht der Kultlegende gibt Die Ortlich- Ganz durchsichtig ist dieser Zweck bei einer in 

keit, wo Gott und Gottin sich im heiligen Bei- der Troas und in Magnesia am Maiander tib- 

lager vereinen, sei sie nun kultisoh oder mythisch, lichen Hochzeitssitte. Dort steigen die Braute in 

ist stets mit besonderer Fruchtbarkeit gesegnet. den FluB und lassen ^sieh vom FluBgotte ^ie, Jung- 

Auf Bergen unter friichtetragenden Baumen oder fraulichkeit rauben (Ps.-Aisehin. epist. X 3, 8 

in Hohlen der verschiedensten grieehisehen Land- p. 680. 682 BlaB), um reichen Kindersegen zu 

schaften feiern die Gotter ihre heilig^*Hochzeit, erwerben. Gelten doch die Fltisse als kovqoxqo- 

die Menschen ihr Erinnerungsfest daran; beson- (pot, und Trager der Fruchtbarkeit (Schol. Eurip. 

ders Ehen der Hera, der alten Wettergottin, wer- Phoeniss. 347. N i n c k Philol. Suppl. XIV 2). 
den gem auf Hohenziigen lokalisiert, in attisch- 60 Zauberische Wirkungen vom Beischlaf mit der 

euboiischem Gebiete auf den Bergen Dirphys Gottheit versprechen sich die ApoUonpriesterin- 

(Steph. Byz. s. v.) und Ocha (Steph. Byz. s. nen zu Patara in Lykien (Herodot. I 181) und 

KaQvoxog, Eustath. II. II 542), in der Argolis auf auf der Larisa von Argos (Pans. II 24, 1). Beson- 

Arachnaion (s. Abschn. 2), Hermion (Steph. Byz. ders verbreitet werden dann derartige Riten in 

s. V.) und Thomax oder Kokkyx (Pans. II 17, 4. der Mysterienreligion. Die Mysten sind dadureh 

Schol. Theocr. XV 64 Wendel), in Boiotien auf mit der Gottheit im I. y. verbunden, daB sie den 

dem Kithairon (Paus. IX 3, Iff.). Im Gottergar- heiligen MutterschoB beriihren oder den Thalar 

ten am Okeanosstrom (H. XIV 200f. 245f. Soph. mos der Gottin betreten. ,T^o tbv naoxbv slokbvv'' 



Ill 'ISQoq yd^iog ^IsQog ydfiog 112 

ist der iiWiche Ausdiuck der eleusinischen My- zug, Kleidertausch, Damonentauschraig iind ahn- 

steiien ftir diesen Brauoh (vgl. Psellos de dae- lichon Sitten tiitt uns diese Seite der heiligen 

mon. ed. Migne O. CXXII 877). In den Salba- Hochzeit entgegen (s. dazu den Saehindex meiner 

ziosmyisterien erscheint die Gottheit als mann- Diss.). Als besonders merkwtirdig sei hier der 

lich, der Geweihte als weiblich; die heilige Hoch- Brauoh des Kiltgangs 'hervorgehobem, der auf 

zeii; ward dadurch angedeTitet, daB eine Schlange Samos umd Naxos iiblich war und aitiologisch 

durch den SohoB des Mysten gezogen wird (Clem. mit dem Hinweis auf das Vorbild von Zeus unii 

Alex. Protr. II 15, If. p. 13 Stahl). Im sizili- Hera begriindet wurde (II. XIV 2951 und Sdiol. 

sehen Thurioi verbindet sioh der Myste dem beili- Ven. T z. St.). Eng mit ihm verkniipft ist auf 
gen Muttersehofie der Erdgottin (Orphic, frg. 10 Naxos die Bodeutung des Jtaig d/Liq?i'&aX'^g am 

32 c, 8 Kern). Mystisohen Charakter tragt audi Hochzeitsbraiuch (vgl. dariiber jetzt den Anhanig 

das Beilager der Gattin des olqxcov fiaodsvg und meiner Diss.). 

deis Dionysos, das alljahrlich zum Anthesterien- 5. Der /. y. in der Dichtung. Bs ist 

feste in Athen gefeiert wird und bei dem aQQrjm ganz natlirlich, dafi der alte kultische Branch des 

eine groBe Eolle spielen (vgl. Apollad. [Ps.-I)e- i, y. und sein religioses Erlebnis auch ihrenNie- 

mosth.] c. Neaer. 73ff.). Mystische Gotterehen derschlag in der Dichtung gefunden haben. Der 

sind bedeutsam ftir das attische Skirophorienfest, Sang von der heiligen Hochzeit ist uraltes Sagen- 

jahrliehe magische Wiederholung des I. y. Ton gutderKihapsoden (vgl.Schol.Ven.AzuIl, IX 189: 

Poseidon und Athena durch Priester und Prie- . . . >iaX 'd'ecov qdovoi ydfxovg). Unmittelbar liegt 
sterin am Thesmophorienleste ebenso wie die der 20 uns hieratische Poesde dieser Art nioht mehr vor. 

Vereinigung von Zeus und Demeter in Eleusis TCr konnen sie aber fur die Hochzeit von Zeus 

erwiesen oder hoohst wahrseheinlich (Schol. Lu- und Hera aus dem betreffenden Stlicke der Aiog 

cian. 275ff. 276, 16f. Kabe. Pfister Bd. V ^^rdr?/ Homers (II XIV 153—353 und XV 14—16), 

S. 532, 9. Deubner Attische Feste 40. 44. ftir don L y, von Ares- Aphrodite aus Od. VIII 

69ff. 84ff.). 266ff. erschliefien. Der Bericht iiber die Tau- 

c) 7. y, als kultische Feier der schung des Zeus geht wahrseheinlich auf eine 
Menschen. An den Festen des Jahreslaufs samasehe Tempellegende vom t. y. zuriick; laBt 
wiederholt der Mensch durch Schonheitswett- er sich doch auch ohne weiteres aus dem Zusam- 
kampfe und Darstellung der heiligen Ehe die menhange der IMas losen und bringt verschiedeme, 
urspriingliche Gotterverbindung. Solehe Feste 30 Homer im tibiigen ganz fremde Vorstellungenl 
sind z. lB. Apaturia, Kallynteria, Plynteria im Am dichterisch schonsten hat wohl Aisehylos in 
Dionste der Athena in Athen (Pehrle Kult. seinen ,Danaiden* (frg, 44 Nauck2) dem tiofeai 
Keuiscthheit 168ff.), Kallisteia im Heiakulte der Sinn der uralten mythisehen Vorstellung vom 
Insel Lesibos (Schol. II. IX 129 Ven. A. Anth. Pal. /. y. Aiisdruck gegeben, wo er durch Aphrodite 
1X189), wahrseheinlich auch Foierliehkeiten einee die heilige Verbindung von Himmel und Erde 
Herafestes in Magnesia am Maiander (Syll.^ H preisen laBt. Ganz anders als fiir diesen Ahnen 
589, lOff.). In Athen heiBt die Feier der Hoch- der tragischen Kunst wird natiirlich fiir Dichter, 
zeit von Zeus und Hera, die die Athener ausrich- die durch die iSkepsis der griechisehen Aufkla- 
ten, /. y. Im Monat Gamelion (Hesych. s. v.) rung hindurchgegangen sind, das Isqov am ydfiog 
feiern die Athener die Ehe des hochsten Gotter- 40 zum Problem; iso wind ja z. B. Euripides' ,Ion* 
paares. Ahnliche Feiern sind ftir den Herakult zu einer einzigen gowaltigen Auseinandersetzung 
in EMiS und Olympia tiblidh. Zu Hermione in der mit dem Heiligen der Gotterverbindung tiber- 
Argolis wird jahrlieh das Chthonienfest zu Ehren haupt (vgl. z, B. v. 1523ff.). 

des von altersher dort Kult genieBenden Unter- 6. Ergebnisse und Folgerungen. 

weltspaa.r^ Elymenos-Chthonia (Meliboa) mit Es zeigt sich, daB die Betrachtung dieser e i n e n 

vielem Analogiezauber und Fruchtbarkeitsbrau- religionsgeschichtlichen Vorstellung uns weite 

ohen begangen (Pans. II 35, 4ff. 9f. Vgl. Las. Einblicke in die kulturelle und rassische Ent- 

Hymn. in Cerer. ©d. Diehl, Anth. lyr. Graec. U wicklung des agaischen Kulturkreises verschafft 

60), ahnlich wie das igroBe Daidalafest zu Pla- und somit bedeutend tiber das rein Fachliche hin- 
taiai in BoioMen (Pans. IX 3, Iff. Euseb. praep. 50 ausftihrt. Die taurische Rasse ist es, >die in vor- 

ev. Ill 1, 3), die Tonaen in Samos (Athen. XV griechischer Zeit im Raume des Agais<ihen 

p. 672 A/E. Lact. I 17, 8. Augustin. civ. dei Meeres den Jahreszeitengott mit der uralten 

VI 7), die Heraen in Argos (Pans. II 17, 2ff.) zu Fruchtbarkeitsgottin Miitter Erde zur heiligen 

Ehren der Hera-Zeus-Ehe gefeiert werden. Na- Ehe verbinidet (F. Kern Anthropos XXIV 180f.). 

ttirMeh gehort auch die oben erwahnte Hochzeit Noch die urgriechische Poseidonreligion kennt ja 

Dionysos-^Basilinna in die Reihe dieser Feste. Die ein starkes ttbergewicht des Weiblichen: Athena 

alte kultische Verbindung von Ares tund Aphro- und Demeter gelten mehr als Poseidon, unid der 

dite hat Beziehung zur Feier der Hybristika von mythische Kampf von Poseidon und Athena um 

Argo® (F. S c h w e n n Arch, f . Rel. XXII 233f.). die iStadt Athen symboUsiert das Ringen zweier 
Bei den meisten dieser Feste spielen die Schnitz- 60 Rassenseelen. Erst durch den Sieg der Zeusreli- 

bilder der >Gottiniien, die in feierlicher Prozession gion kommt der Umsehwung: die nordisch be- 

herumgetragen werden, ihr Brautbad bekommen, stimmten Griechen vemichten als das einwan- 

neu gekleidet und dann ftir den erwarteten Be- dernde Eroberervolk kraft ihrer durch indoger- 

such des gottliohen Gemahls zuniekgelassen wer- maniische tJberlieferung bedingten Herrenhoch- 

den, eine groBe RoUe. kultur die mutterreehtliche Kultur der vorgrieehi- 

d) 7. y, als Vorbild mensch lichen schen Zeit. Aber doch auch nicht restlos, und 
Hoehzeitsbrauchs. In vielen Einzelztigen, an dieser Stelle ist Alfred Rosenberg zu 
wie Brautraub, Brautkauf, Brautbad, Hochzeits- widersprechen, der behauptet, daB mit dem Siege 



113 Hodometron Hodometron 114 

des Zeus alles Dunkle und Untergriindige aus die Eader ineinander griffen und verschieden ange- 

dem helleniischen Glauben und Leben restlos ver- bracht waren und deren Sitze so bequem ausge- 

sohwinide (vgl. dariiber ibosonders 54ff. seines ,My- stattet waren, da6 es nur eines Druckes bedurfte, 

thus*, eines Buehes, das an vielen Stellen rassisch um sie umzustellen und bald Schatten, bald 

grundlegende Einsiehten in die althellenische Kul- frische Luf t geniefien zu kOnnen'. AuBerdem 

tur und Glarabensbildung vermittelt). Zwar ist ,soIclie, welche den Weg maBen und die Stunden 

jetzt der Herr des Hinunels oberste Gottiheit, anzeigten', iter metientia et (Jijoras monstrantia, 

nicht mehr eine ortlich bestimmte Erscheinungs- also mit einem Zahlapparat und mit einem zu- 

form der Mutter Erde; aber die Vorstellung vom gehOrigen, auBen angebrachten und sicbtbaren 
L y, hat isich gehalten, wenn auch das mannliehe 10 Ziffernblatt ausgestattet waren. Wenn der Be- 

Element in ihr herrisehend geworden ist. Und richt (script, hist. Aug. v. Pert. 8, 7) noch in 

wenn die alten Erdgottinnen der vergangenen wegwerfender Art zufligt: ,und was sonst noch 

Epoehe nun ihren Platz als damonisehe Machte zu des Commodus Ausschweifungen hatte dienen 

der "Kefe erhalten, untertan dem herrsehenden mtissen*, so wird uns diese riickstandige Ein- 

Gotte des Himmels und der 'Hohe, oder als Heroi- scbatzung kalt lassen miissen, um so mehr als 

nen ein ischattenhaftes Dasein fiihren, so ist da- Vitruv. X 9, somit um zwei Jhdte. frtiher, sich 

mit der alte magisehe Zauber der vorgriechi- recht ausflihrlich mit dieser ,nutzlichen und viel 

schen Religion noch nicht gebrochen: in den My- erprobten Einrichtung* befaBt hat: raiionem non 

sterien lebt er wieder auf I Zuweilen nimmt sogar inutilem, sed summa sollertia a maiorihus tra- 
Zeus selbst chthonisohen Gharakter an (vgl. S. 89 20 ditaiUj qua in via raeda sedentes vel mari na- 

und 124 meiner Diss.). Irg^ndwie bleibt eben mg antes scire possimus, quot milia numero 

doch etwas von d«m der Lichtreligion des nor- itinerum feeerimus. Vitruv setzt den Mechanis- 

dischen Menscihon fremden taurisohen Urglauben mus der versatio rotae klar auseinander und 

auch in der neuen Kultur bestehen, erhalt sich, laBt je nach Ablauf einer Millie einen calculus 

weil es oft starker anif die Sinne anspricht, und rotundus in ein vas aeneum fallen und so so- 

fliichtet sich, wenn mit Gewalt verdrangt, in den nando singula milia exisse ankfinden. Nach 

Glauben der My sterien, wo denn auch alles Dunkle, Vitruvs Angaben hat Lionardo da Vinci seine Re- 

Feierliche und Magisehe der vorgriechischen Zeit konstruktion gezeichnet (cod. atl. Bl. 1), vgl. 

wieder zum Vorsehein kommt. Feldhaus Die Technik der Vorzeit, der ge- 

Literatur. Fehrle Kult. Keuschheit im 30 schichtlichen Zeit und der NaturvOlker (1914) 

Altert. <RVV VI), GieB. 1910. Die te rich 1308, mit Beziehung auf sein Buch Leonardo 

Mutter Erde3 od. Fehrk, Lpz. 1925. C. Cle- (1913) 116. Herons Dioptra c. 34 (p. 292if. Sch. 

men Religionsgesch. Europas I, Heidelb. 1926. mit einer Abbildung, zu der prinzipiell die Be- 

0. Kern Db Rel. d. Griechen I, Berl. 1926. merkung des Herausgebers p. 20 heranzuziehen 

Nils son Minoan-'Mycenaean Religion, Lund ist) erOrtert eine ahnliche Konstruktion um 

1927. Kornemann Stellg. d. Frau i. d. vor- ,vermittelst des sog. Wegmessers, bia tov na- 

griech. Mittelmeerkultur (Orient u. Antike IV), lovfjievov odo/bistQoVf Distanzen auf der Erde zu 

Heidelb. 1 927. Schachermeyr Etruskische messen, so daB man die Operation nicht vermittelst 

Friihgeseh., Berl. 1929. F. Kern Die Wdt, wo- einer Kette (8i aXvoscog) oder eines Bandes (axoi- 
rein d. Grieohen traton, in Anthropos XXIV u, 40Wov) schlecht und langsam vornimmt, sondern 

XXV, 1929/30. Pfister Rel. d. Gr. u. Romer, bei der Fahrt auf einem Wagen vermittelst der 

Burs. SfuppL 1930. Alfred Rosenberg My- Umdrehung der Rader die vorgenannten Distanzen 

thus des 20. Jhdts.^, Munch. 1932. Deubner bestimmt. Unsere Vorganger nun (ol utQo ^^f^wv, 

Attisehe Peste, Berl, 1932. v. Wilamowitz also ahnlich wie Vitruv, nur daB wir heutzutage 

Der Glaube der Hellenen, 2 Bde., Berl. 1931/32. nicht einmal das klar sehen, ob Heron alter und 

K a r Rel. des ag. Kreises (Bilderatlas z. Rel.- um wie viel Zeit er friiher als Vitruv tatig gewesen 

Geseh.), o. J.; Die Schaehtgraber v. Mykenad, ist) setzten einige Methoden auseinander, nach 

Textbd., Mtinch. 1930—1933. Klinz T.EP02 denen dies gemacht wird. Man wird sich daher 

FAMOS, Diss. HaUe 1933 (dort weitere Lite- fiber das Instrument, welches von uns hier be- 
ratur). [A. Klinz.] 50 schrieben wird, ebenso wie iiber die von frliheren 

Hodometron oder Hodometros, eine ma- Technikern [vno tcov nQoteQcov) beschriebenen ein 

schinelle Vorkehrung zum automatischen Abmessen Urteil bilden kCnnen. Weiteres dartiber Bd. VIII 

des zuriickgelegten Weges mit einer Angabe in S. 1036, 27ff. (Ti 1 1 el). Diels Ant. Technik2 64. 
r()m. Millien (so Vitruv und Heron, dieser fiir tJber die weitere Entwicklung dieses Apparats, 

die Schiffahrt) oder in Stadien (so Heron fiir der direkt in unsere Texameter ausmtindet, vgl. 

StraBen, also augenscheinlich in einem Kapitel, Feldhaus a. 0. Diesem Buch en tnehme ich dann 

das erheblich fruher als der Wegmesser ftir die noch folgende Notiz, die in diesem Zusammen- 

Schiffahrt konzipiert worden ist). Aus dem Nach- hang beachtenswert sein kann : daB namlich 

laB des Kaisers Commodus bringt Pertinax zur im J. 1528 Fernel mit einem solchen Wegmesser 
dffentlichen Versteigerung auch dessen Luxuska- 60 eine Gradmessung vorgenommen habe, die erste 

leschen, vehieula arte fabricae novae, ,an denen dieser Art in Europa. [Wilh. Kubitschek.] 



115 Hylli Hylli 116 



Zum neunten Bande. 

Hylli, ein nur einer bestimmten Gruppe von alteren Schichten bilden (o. Suppl.-Bd. Y S. 402). 

Geographer! bekannter alterer illyrischer Stamm. Pichler Austr. Eom. 151 bezeichnet die H. 

1. N a m e : Hylles Prise, perieg. 379. "YXXgc als Thrakoillyrier. 

ApoUodor. bei Steph. Byz. 648 ed. Mein. YUol 3. SiedlungsbereichundGeschichte 

Ps.-Scyl. 0,22. Scymn. 408. YXXalot Ptolem. II derH. Nach Ps.-Scyl. c. 20f. teilen sich in den 

16, 5. 'YXlfisg Apoll. Khod. IV 527. Bustath. 384. Besitz der Ostkiiste der Adria Istrer, Liburner 

'YlXsU Eastath. 384f. Scbol. Dion. 376. Stepb. und Illyrier, zu denen nach ihm ancb die H. ge- 

Byz. 647 Mein. ^YXlsioi Niceph. 461. Schol. Apoll. hOren. Apollodorus kennt in diesem Bereiche 

Ehod. IV 503. Schol. Dion. 376. 'YXhvoi Ps.-Scyl. vtisq rovg "YXXovg Ai^vqvoI ^cal tivsg 'Ioxqoi leyo- 

c. 22. 10 iievoi &Qa}esg. Die Japoden zwischen Istern und 

Das von den H. bewohnte Land : Hyllis Vlin. Liburnern sind beiden Quellen noch unbekannt, 

n. h. Ill 141. YXXslcov x'^^^^ Schol. Dion. 376. da erst zu ihrer Zeit die Kelten in die Ostalpen 

'YXXslojv x<^Qa Paraphr. Dion. 386. y^ tcov 'YXXslcov vorgedrungen sind (Kahrstedt GGN 1 927, 

Niceph. 46L YXXrjcov xd'chv Dion. orb. descr. 386. 1. Abb. 3ff.). Ptolemaios erwahnt die Japoden 

Apoll. Rhod. IV 523. 'Ylllg x^ggovrjoog Apollod. bei bereits ; aber seine Darstellung verliert durch 

Steph. Byz. 648. x^QQ^^V^^^^ 'YUihi^ Scymn. 405. die grundsatzliche Anwendung der romischen 

YXXtjlg Apoll. Ehod. IV 562. Der eponyme Heros Verwaltungseinteilung, die er den alteren ethno- 

der H. ist Hyllos, der Sohn des Herakles und der graphischen Verhaltnissen zugrunde legt, an Wert. 

Nymphe Melite (Ps.-Scyl. c. 22. Apoll. Ehod. IV Finden wir bei ApoUodor und Ptolemaios keine ge- 

537ff. Scymn. 409. Schol. Apoll. Ehod. IV 502. 20 naueren Angaben tiber die Wohnsitze der H., so 

517. 524. 540. 1125. 1149. Schol. Soph. Trach. 54. handeln die iibrigen Schriftsteller von ihnen; sie 

Steph. Byz. 647 -, vgl. Bd. IX S. 124 Nr. 4. bezeichnen in diesem Telle der Adriakuste einen 

XV S. 540 Nr.3. o. Suppl. Bd. Ill S. 951f.), der Chersonnes als Gebiet der H.; einige (Ps.-Scyl. 

nach niyrien gezogen sein soil (Apoll. Ehod. IV c. 22. Dion. 387. Paraphr. Dion. 386. Niceph. 461) 

551f.; vgl. Bd. VIII S. 124. XV S. 540, 3), Gegen- sprechen davon, dafi der Isthmus, der die Halb- 

iiber der Ansicht Lager grant z' Festgabe f. insel mit dem Festlande verbindet, Bereich der 

Streitberg 221, den Namen der H. infolge seiner Buliner sei. Plinius kennt nicht mehr den Stamm; 

sprachlichen tJbereinstimmung mit dem bekannten er nennt nur die Halbinsel Hyllis, fiir die nach 

dorischen Phylennamen zu identifizieren, verdient ihm auch die Bezeichnung promonturium Dlo- 

der Vorschlag Krahe's Indogerm. Bibl. Ill Abt. 7 30 mec?*s (Bd. V S. 829) gebrauehlich sei. 

Heft 4, — die abweichenden Pormen des ersteren Abweichungen in den Angaben der Quellen 

YXXaloi, YXXsloi und YXXivol (tiber ihre Bildung erklaren sich aus den Volkerverschiebungen an 

vgl. Krahe 45f. 76) lieBen auch an die MOglich- der Ostkiiste der Adria vom 4. Jahrh. an (Kahr- 

keit einer spateren volksetymologischen Identi- stedt 3ff.) und aus den politischen Veran- 

fizierung denken — , den Vorzug und die weite derungen durch den VoistoB der Eomer in diese 

Verbreitung des dem kleinasiatischen Sprachgute Gebiete. 

entnommenen Namens Hyllos (vgl. Bd. VIII Wenn Herakleia, das von Ps.-Scyl. c. 22 als 

S. 122f.) gibt Krahe recht. tJber die Namens- noXig 'EXXrjvig im Gebiete derH. angefiihrt wird, 

form en 'YXXsig und YXXi^eg vgl. Eustath. 384! . auf der Insel Pharus gesucht werden soil (Im h o o f - 

2. Ethnographische Stellung. Wenn40Blumer Num. Ztschr. 1884, 255. Brunsmid 
Scymn. 408 von ihnen sagt ovtag "EXXr^vag yivsc, so D. Inschriften und Mlinzen d. Griechenstadte Dal- 
tragter der StammessageEechnung(o. Abschn. 1), matiens 54, auch Einleitung VIII, vgl. Bd. VIII 
aber schon sein Hinweis 410f, s?cpaQ^aQcod'flvai S. 436 Nr. 26), vi^o sich seine dem 4. Jhdt. an- 
ds Tovxovg rw XQovco xdig Wsoi . . . xdig xcbv nXrj- gehorigen Mtinzen in groBer Zahl gefunden haben 
a/ov verrat ihre Durchsetzung mit fremdem Blute; (Brunsmid 55ff.), dann griff der Sie dlungsbe- 
Ps.-Scyl. c. 22 reehnet sie zu den ^aQ^aQoi. Es reich der H. auch auf einzelne dalmatinische 
ware denkbar, in den H. den Kern der Illyrier zu Inseln iiber ; vielleicht bestatigen die Worte des 
sehen, und auch sprachlich ergeben sich keine Apoll. Ehod. IV 522ff. 7]Qm8g (die Argonauten) . . . 
Bedenken gegen die Annahme einer Zusammen- knl x^ovi nslo(jiat sdrjoav YXXtjcov vfjooi yag sjii- 
gehOrigkeit der WOrter H. und Illyrii (Hahn 50jr^oi;;tovTo '&afA,sial dgyaXerjv tcXwovocv odov fA,eoar]' 
Alban. Stud. 231), da einmal die aspirierte Form yvg exovaar ovbs oq)iv cog tcoI uiqIv^ dvagota fjirj- 
Hillurieus sich nachweisen laBt (Georges Lex. tidaoxov '"YXXfjsg' jiQog d'avzol efj,r}xciLv6(x>vxo ksXsv- 

d. lat. Wortformen 336) und -ur eine im Illyri- d'ov . . . 562f. ed'sov yalrjg YXirjldog k^aviovxsg 
schen c)fter vorkommende Bildungssilbe ist xrjXo-d'i' xdg 6' dneXeiTiov oaai KoXxoioi naQoid'sv 
(Krahe Indogerm. Bibl. III. Abt. 7. Heft 80). diese Vermutung. Aber auch die Identifizierung 
Ein s'&vog IXXvqicov nennt sie Schol. Apoll. Ehod. Herakleas mit Salona (P r. c a v. d e Lanza Le 
IV 517. Steph. Byz. 647 Wvog IXXvQiTiov. Ihre origini primitive di Salona dalmatica Heraclea 
Einbeziehung in die liburnische Volkergruppe Illirica. Brunsmid Einleit. IX) oder seine 
durch Tomascheck Bd. Ill S. 1046 und Lokalisierung bei Salona (Cons La prov. Eom. 
Menghin S.-Ber. Wien. anthropol. Gesell. 1917, 60de Dalmatie 51) beweist, daB die Veranderungen 
35) ist insofern richtig, da auch die Liburner in den BevSlkerungsverhaltnissen der ostadria- 
zu den lllyriern gehOren, allerdings eine ihrer tischen Kuste auch die H. betroffen haben. Sie 



117 Hyllis Hyrieus 118 

WTirden eben von Nordwesten nach SMosten identifizieren (s. Art. Hylli, Abschn. 3). Wir 

gedrangt (vgl. Bd.^ XV S. 967. GGM II haben 'in der H. das beutige Kap Punta dela 

126). Wenn Brnnsmid aus der Tatsache, Ploccia auf der zwischen dem Haf en von Salona 

dafi wir keine Miinzen von Herakleia aus dem und der Mtindung der Krkia weit vorlad^nden 

3. Jhdt. V. Chr. kennen, schlieBt, die Stadt habe Halbinsel (Bd. Y S. 829) zu sehen; nicht idie Halb- 

wahrscbeinlich zu dieser Zeit als griechisches insel iSabbioncello (Cons La prov. Rom. de Dal- 

Gemeinwesen nicht mehr bestanden, so kann er- matie 53. 215). Vgl. Krahe Indogerm. Bibl. 

ganzend die Vermutung ausgesprochen werden, III. Abt. 7. Heft 25. [Max Fluss.] 

der VorstoB der Kelten an die Adria im 4. Jhdt. Hyrieus. Eponym von Hyria im Osten Boio- 
V. Chr. habe den H. die bei ihrer grofien Be- 10 tiens (Schol. AB II. II 496. Strab. IX 404, Nonn. 

vOlkerungsziffer (s. u.) erwiinschte Moglichkeit Dion. XIII 97. Steph. Byz. und Etym. M. s. Hy- 

liach Ausdehnung ihres Siedlungsbereiches nach ria); die Lokalisierung im nahen Tanagra (Schol. 

Norden genommen und sie zur Einbeziehung der A Horn. II, XVIII 486 = [Palaiphatos] LI) ist 

in ihrem Gebiete gelegenen griechischen Enklaven durch die Verbindung mit Orion (vgl. Art. Orion) 

veranlaBt. So erklart sich vielleicht auch die veranlaBt, der zu Tanagra besondere Beziehungen 

Tatsache, daB H. als Phyle der Issaeer im J. 385 hat. H. als Konig von Theben (Hyg. Astr. II 34 

V. Chr. genannt werden (Syll.^ 141). Auch nach nach Aristomachos, oder, wie Schroder zu 

ihrem Aufgehen offenbar in einem groBeren Gau- Pindar, frg, 73 a verbessern will, Antimachos) 

verbande — so versteht sich, daB ihr Name in und die Verlegung von Orions Geburt dorthin 
der VOlkerliste des Plinius fehlt — haftet ihr 20 (Append, narrat. 84, p. 389 West.) erledigt sich 

Name noch an einer Halbinsel (s. o.) westlich wohl als junge Annexion der Sage durch Theben, 

Traguriums (Plin. n. h. Ill 141), nicht bei Jader, vielleicht sogar als Versehen. Beides konnte ver- 

wie Zippel D. rom. Herrschaft in lUyrien 9, anlaBt sein durch die von Strabo a. 0. (dazu 

Menghin 35 und zuletzt Schiitt Unters. z. Eustath. II. II 496 p. 264) bezeugte politische 

Gesch. d. alten Illyrier 13 gemeint haben (Kahr- Zugahorigkeit Hyrias erst zu Theben und spater 

stedt 11, 1). zu Tanagra. H. als thrakischer Konig (Hyg. fab. 

Vielfach vergleichen die Quellen die GroBe 195) unerklarlich, wahrscheinlich spate Willktir. 

des Siedlungsbereiches der H. annahernd mit der Vater des H. bei Korinna frg. 5, 76 D Poseidon, 

des Peloponnes (Scymn. 406 tzqoq ztjv Ilelojiov' seit Hellanikos (FGrH IV F 19; vgl. Apollod. 
vrioov xt e^toovfAEvrj, andere, Ps.-Scyl. c. 22. Apol- 30 III 10, 2 ; Ps.-Eratosth. Catast. XXIII) neben 

lodor. Schol. Dion. 376] weniger genau, Plin. diesem als Mutter Alkyone bezeugt. Vom selben 

circuitu G m. p.). Seine Gebirgsnatur (Niceph. Paar stammen ab Aithusa (s. d.), Hyperenor, der 

paraphras. Dion.) gewahrte einen natlirlichen vielleicht identisch ist mit dem Troizener Hyperes 

Schutz (Dion. 385. paraphr. Dion. 384); vielleicht (vgL Art. Hyperes) und der mit diesem zu- 

erklart sich daraus auch seine dichte Besiedlung. sammen von Pans. II 30, 8 genannte Anthas, 

Apollod. und auch Scymn. 407 wissen von 15 Grtinder von Antheia (Art. Anthas). Die Be- 

Stadten auf der Halbinsel zu berichten, die ziehung zu Hyperes und Anthas ist verstandlich 

Apollod. 7iaiA,iA,syed'sig oiJiov/uivag nennt; ob zu durch die bekannten BevOlkerungs- und Sagen- 

ihnen die beiden mit Namen uns bekannten, Hylle zusammenhange zwischen Euriposgegend und 
(Steph. Byz. 648, bei Apoll. Rhod. IV 535 jtohv 40 Argolis, ebenso die mythischen Poseidonpriester 

dyavTjv YXXrjlda, vgl. o. Suppl.-Bd. Ill S. 952) und Alkyoneus und Hyrieus in der troizenischen Sied- 

Herakleia (Ps.-Scyl. c. 22 ; vgl. Bd. VIII S. 436 lung Halikarnass (Syll.3 1020, 6). Klonie, von 

Nr. 26 und die dort angefiihrte Literatur) gehort der H. Vater ist des Lykos und Nykteus (Apollod. 

haben, entzieht sich unserer Kenntnis. Ill 10, 2), ist das weibliche Korrelat von Klo- 

4. W e s e n der H. Mit dem Ausdruck Hylles nios, einem der boiotischen Anfuhrer II. II 495 

feroees gibt Priscian. 379 ihr Wesen als echte (v. 496 Hyria genannt!), und gehSrt darum in 

Illyrier (vgl. o, Suppl.-Bd. V S. 341) wieder, Ps.- die Nahe von Hyria. Lykos und Nj^kteus, dessen 

Scyl. c. 22 rechnet sie unter die Xcozoq?dyot nakov- Name chthonisches Wesen verrat, gelten nach 

IJLBvoi ^oQ^aQoi. anderer Version als Sohne des Poseidon und der 

Neben der im Text genannten Literatur vgl. 50 Kelaino (Art. Lykos 18); wenn nicht beide zur 

Alacevic Bull. Dalm. XXVII 30f. Krahe 24f. Lokalsage von Hyria gehOrten (Apollod. Ill 5, 

I Max Fluss.] 5 ; vgl. Strab. IX 404. Steph. Byz. s. Hysia; nach 

Hyllis (so Plin. n. h. IH 141. 'YlXlg Eustath. Hesiod. frg. 132 = Steph. Byz. s. Hyria ist An- 

384), ein Kap an der dalmatisohen Ktiste, das tiope, die Tochter des Nykteus, in Hyria geboren), 

seinen Namen von dem der illyrischen Volker- lieBe sich aus der Version mit H. als Vater fiir 

familie angehorigen Stamm der Hylli (s. d.) fiibrt. diesen ebenfalls chthonisches Wesen folgern. So 

tTber seine Lago und GroBe berichtet Plinius: aber ist damit zu rechnen, daB nur die lokale 

Liburniae Hnis et initium Delmatiae Scardona , . . Beziehung zur genealogischen Verknupfung fiihrte. 

Dein Autariatarum antiqua regio et castellum Nach Schol. T II. XXIV 544 (nicht Hesiod, vgl. 
Tariona, promontorium Diomedis vel^ ut alii, 60 Diod. V 81, 4) ist H. auch Vater des Krinakos, 

peninsula Hyllis, circuitu G m. p., Tragurium . . . dessen Sohn Makar mythischer KOnig von Les- 

Sicum ... Salona, Auf Grund dieses Berichtes bos ist (vgl. Art. Makar). Beziehungen zu Les- 

konnen wir die H. ohne weiteres mit dem iu bos, die sich daraus ergeben, erklart Tambor- 

anderen Quellen als Siedlungsbereich der HyUi nino (Art. Krinakos) durch boiotische Besied- 

mehr oder minder genau bezeichneten Landstriche lung der Insel. 

(es ist nicht von einer x^QQ^^'^V^^^ ^^^ I^de Bei Korinna frg. 5, 74ff. D erscheint H. als 

[Skynm. 405. Apollod. bei Steph. Byz. 648 ed. zweiter mythischer Inhaber des Orakels auf dem 

Meineke. Schol. Dion. 376. Paraphr. Dion. 384]) Ptoon, so wie als Grofi vater von Akraiphus, dem 



119 lanus Augustus lanus Augustus 120 

Eponym des benachbarten Ortes Akraiphia. Aus von Barcelona (Barcdno) aus den Jahren 47 — 53 

beidem ist auf Beansprachung bzw. zeitweise GIL 6242 und 6324 a [via AJugusta, und wenn 

Beherrscbang des Heiligtnms durch Tanagra zu nur etwas mehr im ostlichen Spanien ftir die 

schlieBen, das den Heros von Hyria an sich ge- Kenntnis des romischen StraBennetzes geschehen 

zogen batte (vgl. v. Wilamowitz Berliner konnte, lieBe sich auch entscheiden, ob via Aug. 

Klassikertexte V p. 52). (= ^KaiserstraBe*) ein au'SsehlieBMch jen«!r Bkiupt- 

Ftir H. soUen nach Pans. IX 37, 5 Tropho- slraBe naeh Rom zukommender Vorzugsname sei; 

nios und Agamedes einen d'tjoavQog gebaut baben an und fur sich schedn-t allerdings auch fur friihe 

(in Hyria?). Die Orionlegende lafit H. drei Kaisexzeit kein Hindernis gegen die Bezeichnung 
Gotter bewirten und den Kinderlosen um einen 10 irgendeines anderen StraBenbaues als ,augustiseh' 

Sohn bitten, als jene ihm die Erftillung eines zu besteben, wenn €r nnr auch durch Augustus 

Wunsches gewahren. Aus dem Samen der Gotter, (oder einen seiner naebsten Nachfolger?) erstelit 

welch er in der Rindshaut vom Opfer in die Erde worden war. 

vergraben wird, wird dann Orion geboren (fur Wenn K. Miller Itin. Rom. (1916) 176f. 

Zeugnisse vgl. Art. Orion). Hesiod, der als El- behauptet, auf seiner Rekonstruktion der Tab. 

tern des Orion Poseidon und Euryale angibt Pent. 147 Abb. 41 diese via Aug. ,vollstandig' 

(frg. 182), scheint die Geschichte noch nicht zu wiedergegeben zu habem, so wird das kaum je- 

kennen, wohl aber Pindar, und zwar offenbar mand aus seiner Karte erkennen*). RichtigeEmp- 

mit Hyria als Lokal (Strab. IX 404). Sie halt findumg leitet ihn aber meines Erachtens daxin, 
sich an einen verbreiteten Marchentypus und 20 daB er die jGroBziigigkedt dieser StraBenstrecke* 

zeigt fiir H. nicht mehr, als daB er ganz als bervorhebt, die nicht an den Verwialtungsgrenzen 

Mensch gedacht wird. Wohl in Erinnerung an Halt macht. In diesem 2kiisaimmenhang darf auch 

sie wird H. mehrmals falschlich Vater des Orion darauf verwiesen werden, daB wenigstens noch 

genannt (Parthen. Narr. amat. 20. Anton. Lib. ein Meilenweiser in Spanien ini ahniHcber Weise 

25. Schol. Nicand. Ther. 15), denn abgesehen von welter ausgreift und iiber alle ortliohe Beziehun- 

der Bewirtung der Gutter ist er der Orionsage gen hinan® nach Rom selbst zielt, namlich der 

fremd. Offenbar ist es die lokale Nachbarschaft, (durch alte Abschriften erhaltene) Stein von Epdla 

durch welche er bier hereingezogen wurde. So (siidwestlieh von Cae'saraugusta = Saragcssa) 

ist es nicht zu verwundern, daB z. B. in der 4918, Domitian im J. 85, [viam ( ?) vetu- 

Sage von Chios Oinopion an seiner Stelle die 30 stat]e corr[u]ptam [refeeitj ponjtes restit{uit), der 

Getter bewirtet (Serv. Aen. X 763); die schein- Z. 8 mat der Zahl 1289 die Meilen nach Rom an- 

bare Version mit Oineus als boiotischem KOnig zugeben scheint, so daB die zwedte Vermutung 

dagegen (Schol. Od. V 121) entstand durch bloBes H ii b n e r s, es handle sich um eine vom Kaiser 

Versehen (vgl. D i n d o r f z. St.), da Oineus nach fiir den StraBenbau aufgewendete Kastensunmie, 

Aitolien gehOrt und mit Orion nichts zu tun hat. billigerweise weigf alien darf. 

Die Nebenform Ovqisvq (Schol. G Nicand. Ther. DaB die baetische HauptstraBe und iiberhaupt 

15) deckt sich, von der Aspiration abgesehen, die italisch-spanischen KontinentalstraBen nicht 
mit der boiotischen Aussprache des Namens auf erst durch Augustus errichtet worden sein konnen, 

OvQisvg, welche durch die phonetische Aufzeich- sondern in die Anfanige der romischen Landnahme 
nung von Korinnas Gedichten frg. 5, 74 D be- 40 zuriiokgreifen, Hegt fiir jeden auf der Hand, der die 

legt ist. Sie wird a. 0. wie sonst der Name romische Kolomialpolitik fiir den Westen verfolgt; 

Orions mit dessen Geburtsgeschichte aitiologisch Gades, an mannigfiaiehen Naturschatzen reach, ist 

verkniipft. [Wehrli ] dasglanzendsteKleinoddesromischenLandbesitzes, 

lanus Augustus, ein Torbogen am nordost- Schliissel seiner Machtstellung und der wichtigste 

lichen Edntritt in diiei Provinz Baetica. Von diesem Ein- und Ausf uhrhaf en, wenn auch am Rand der 

Torbogen aus, und also wohl durch ihn, zieht die antiken Oikumene. Die baetische via Aug., um 

ReichsstraBe als Riickgrat und Hauptlinie des ihren spateren Namen hier zu verwenden, ist fiir 

StraBennetzes der Provinz Hispania ulterior, oder den Wirtschafts- und Realpolitiker des 2. Jhdts. 

vielmehr iihrer wiehtigsten und am friihesten in v. Chr. eine Einheit. Ein Blick auf die Landkarte 
Besitz der Romer gelangten Halfte, eben der 50 zeigt, daB der Bau der via Domitia und des forum 

Baetica; und in Fortsetzung der allerwichtigsten Bomiii als technischen IMJittelpunktes in der Gallia 

ReichsstraBe im Westen des romischen Imperiums, Narbonensis und die Anlagie einer festen romi- 

der StraBe vons Rom nach Gades. Diese StraBe schen Station Aquae Sextiae 122 v. Chr. und so- 

heiBt offiziell via Augusta: CIL II 4017 auf der gar einer Biirgerkolonie Narbo 118 v. Chr. die 

in eine Briicke*) eingelassenen Gedenktafel aus (wenigstens ideelle) Festlegung und praktische 

dem J. 79 (Vespasian viam Aug. ah lano ad Auswertung der spanisohen Verbindung mit Ga- 

oceanum refecity pontes fecit, veteres restituit) des und der reichen Ostkiiste Spaniens zux Vor- 

und4121, einMeilensteinDomitians**), 90n.Chr., aussetzung babietn. Vgl. dariiber die paar Zedlen, 

ab arm unde incipit Baetica viam Aug[. ... re- welche ich Klio XXVI 369f. anlaBlich der An- 

stituit]. AbeT auch ihr Zugaoig aus IMien und 60 

Narbonensis innerhalb Spaniens, der Tarraconen- *) tJbrigens ist die Fortsetzung der Abb. 41 
sis, heiBt ebenso, auf Meilensteinen in der Gegend die (zweimal S. 27 und 8. 149 abgedruckte) 
Abb. 8 insofern richtigziustellen, als die vertikale 

*) Ich weiB nicht, iiber welchen NebenfluB des Scheidelinie zwischen dem (verlorenen) Segment 
Quadalquivir (Baetis), und finde auch auf H ii b - der Tab. Pent, und dem ersten erhaltenen durch 
ner-H. Kieperts Karte den Platz nicht an- ihre Beschrankung auf den Kontinent stort; sie 

gedeutet. ware vielmehr sowohl nach oben als nach unten 

**) Millienzahl weggebrochen. ins Meer zu verlangern. 



121 lanus Augustus lanus Augustus 122 

zeige von G. F. Hills Coins of Narbonensis und zu dem dorthin vorgesehobenien Legions- 

with Iberian inseriptioms (1930) gesebrieben babe ; lager geeilt ged. Drnmann-Groebe EI 

diese Monographie Hills bedeutet eine ,Leuchte* 570, 1 bringt die Quellenzeugnisse fiir diiesen 

fur die Brkenntnis der romischen Kolonialbestre- Aufmarsch, zum Teil mit anderen Abgrenzungen, 

bungen in der spanisehen Sphare. z. B. Oros. VI 16, 6: bis Sagnntum 17 Tage. Die 

Dann beachte man, was Polyb. Ill 39 iiber die altesten Meilensteine der baetischen HauptstraBe, 

Grofie dies hannibalischen Untemehmens ansedn- auf die die librigeli ProvinzstraBen Riicksicbt 

andersetzt nnd als Merkpunkte seiner Vorberei- nehmen soUten, sind vom Nordostend der Pro- 

tung gegen Italien anfiihrt; darunter fallen auf: vinz, wo wir uns in der Sierra Morena die Quellen 
die Entfernungen der Saulen des Herakles vom 10 des Baetis zu demken haben, so ziemlich gegen 

ostlichen PyrenaenpaB, der die Lander der Iberer iSiidwest, gegen den Ozean zu, duxchgezahlt. Die 

und Kelten trennt, und mehxere Schnittpunkte StraBe konnte ungefahr, mit den notigen Abkiir- 

dieser Sltrecke auf (Spanischem Boden: Neukar- zungen, dem fast geradegestreckten und zu mehr 

thago>, Ebroiibergang und Emporion. Sie maichen als zwei Drittol seinas ikufes sehiffbaren Strom 

einen aufhorcben, und wenn der Text die heuste folgen *). Diese Durchzahlung erfolgt nach einem 

stark im Kampf *) stehenden Worte zeigt: xavxa auch sonst im romischen Reich ublichen Gebrauch, 

yaq vvv §8§r][A,drioxai xal GsoYjfAeiwxai Kaxh oxa- anscheinend nur im Bedarfsfall und in getttereller 

diovg oKxcb dia Tcofmlcov smf^sXwg, so darf man Anfassung des gesamten StraBenwesens, also 

sich daran am wenigsten stofien, daB keine Spur weder in ununterbrochener Fursorge noch auch 

dieser StraBiem, Vermessungen und Meilensteine 20 in regelmaBiger Wiederkehr, aber jedenfalls bei 

erhalten ist. Tavxa bezieht sich aul die iiber- jedem neuen Fall einer solchen Revision mit Be- 

groBe Aufgabei, welche Hannibal auf sich genom- ntitzung des namlichen, aber fiir jede Gelegenheit 

men hatte, und schlieBt Gades nicht aus, sehon von der Statthalterei der Provinz oder von einer 

deshalb, weil die Entfernung der Heraklessaulen sonst konkurrierenden Amtsstelle neu redagierten 

bis PyrenaenpaB (,rund 8000 Stadien = 1600 Mei- Formulars. Auf diesen Branch habe ich Arch, 

len') **) sich ungefahr mit der von Gades bis zum epigr. Mitt. XVII 153 anlaBlieh der Auffindung 

geniannten PaB deckt, und andererseits darf die des Nitzinger Meilensteins aufmerksam gemacht, 

Einbeziehung von Neukarthago nicht irre machen, wo ein absonderUches Formukr fur die Provinz 

weil dieser nachmals unter romischer Herrschaft Noricum in mehreren Exie!mplaren nachweisbar 

machtig aiufbltihende Ort damals noeh in puni- 30 war. Ich bin, trotz wiederholter Bemiihungen, 

scher Macht stand und auch spater nicht in die nicht dazu gekommen, einen Index der von mir ge- 

Verbindung Roms mit Gades einbezogen werden sammelten Formulare f ertigzustellen. Wie ntitzlich 

konnte, ohne die Schnelligkeit des Reisens zu be- eine derartige ZusammensteUung sein kann, laBt 

eintrachtigen. sich auch in 'diesem Falle an den hier folgenden 

Im angedeuteten PyrenaenpaB hatte Pompeius, Beispielen von der baetischeai via Augusta zeigen; 

an der Grenize Spamiens und GaUiiems, im J. 72, ich will nur, um der Wahrheit zu geniigen, noch 

avad-rjiJiaxa oder xQOTtaia, vgl. Strab. HI 4, 9, 3 ausdriicklich darauf verweisen, daB diese Regel, 

160 und W 1, 3, 178, aufgerichtet (vgl. a.u<;h zwar nicht laufgestellt und belegt, aber an ver- 

Plin. n. h. HI 18 und VII 96 sowie die Zeugnisse schieidenen Orten, wo die einzelnen Anwendungen 

bei Drumann-Groebe IV [1908] 392 40 besonders haiufig vertreten sind (wie z. B. jetzt 

Amn. 7 und 8): 6t' &v padl^ovoiv etg xrjv s^co an den StraBen dor Palmyrene) oder wo die 

>cakov[jLBvrjv l^TjQiav^ xai judXioxa xr)v Baixl^rjVj Kanzlei gar zu toUe Formulare aufstellte (wie 

und erfolgen genauerei Angaben des Laufs dieser z. B. Formuiare fiir Raetien aus den J. 195 und 

StraBe iiber Castub, Obuico, ferner tibetr und 215, GIL IH 5997— 5999 =: Vollmer 

Cordnba und Gades, xa ^eyiaxa xwv ifA,7ioQicoVf Inscr. Baiuv. 487 — 489), beachtet worden ist. 
endlich eine in diesean Zusammenhange beach- Fiigen wir noch hinzu, daB aus besonderen Griin- 
tenswerte Anmerkung aus den ovyyQaqjscgj daB den und bei einer fiir Siidspanien auch sonst 
Caesar, um die Ents^heidungsschiacht in Slid- eigentiimlichen KuMurerseheinung diese Wegfiir- 
spanien (bei Munda) zu s<5hlagen, anscheinend auf sorge fast nur fiir das erste Jahrhunde^rt d^r 
dieser linie, in 27 Tagen von Rom nach Obuico 50 Kaiserzeit lebendig erscheint, und daB mit den 
* fiir jenes erste Jabrhundert gegebenen Aktions- 

*) Vgl. M m m s e n GIL V (1877) p. 885 und terminen die Zahl dieser Gelegenheiten durchaus 

Hirschfeld GIL XII (1888) 166, sowie die nicht erschopft zu sein braucht. 

verschiedene Auffassung der Textausgaben. 

**) Die spanischen Entfernungen erortert iiber- *) Seine Lange bemiBt lulius Honorius mit 

sichtlichR. Zimmermann Herm.XXVllOff.; 410 Millien; vgl, Kubitschek Wien. Stud. 

Polyb. dort 113. VH 278; Itinerar-Studien 14. 

Wir verzeiohnen an der baetischen via Augusta folgende Termine und Formulare: 

2 v.Chr.; Meilenzahlen 64. 71. 77. GIL II 4701***). a Baete et lam Augusto (August 4701) ad oeea- 

4703. 4705; num; 

35/36 n. Chr.; Meilenzahlen 64. 77. 78. 81. 82; veimutMch ab lano Augusto qui est ad Baetim 

GIL II 4712—4715 und Bol. Real Acad. (oder Baetem"^) usque ad Oceanum; in diesem 

de Historia, Madrid LVI (1910) 186f. t); Formular steht auch fontifex max{imus) XXI, 

***) Vgl. dazu De s s. 102. f) Umschrift 186; das Photo 187 ist leider so undeutlich geraten, daB 

es kaum zur Bestatigung von Rom. de T o r r e s' Lesung ausreicht. 



123 laniis Augustus lanus Augustus 124 

also mit jaMiclier ZaMung dieses (son'st als 
leben'slanglich gedaehten) obersten Priester- 
amtes, die H ii b n e r zu Unrecht wegzu,kom- 
gierem* sdch verpflichtet geftihlt hat (seine Be- 
merkung zu 4712)*); 
39 n. Chr.; Medlen 62 iind 78; CILII4716. 4717. a Baete et lano Augusto ad oceanum, alsa so wie, 
6208, dazu auch ein Klischee Fidel Pita im J. 2 v. Ohr.; 

Bull. 191; 
90 n. Chr.; Meiilenzahl weggebroKjhen; CIL II ah arcu unde ineipit Baetica mam Aug(ustam) 
4721; [restituit]; vor [rest.] kann mil. noch [ad 

oceanum] gestanden haben und somit eine gro- 
fiere Ahnlichbeit mit den alteren Formularen 
erzielt werden. 



*) Die Feststellung dieses Formularwortlautes diirfen wir von dem in BaMte zn erwartenden 
Supplementband' L. Wickerts lerwarten, dem ich iibrigens den Hinweis anf den zitierten Band 
des Bol. verdanke. 

Also ist das Ende des (Mhestens fiir das wie die tropaea Pompei m. den Pyrenaen einst 

J. 2 V. Chr. bezeugten) iSttirafienbaues oder Um- 20 das Tor zu ganz Spanien bilden soUten fiir die 

baues oceanus, sein Anfang wird (augenscheinlich aus Italien einlangenden Heere, Beamten und 

handelt es sieh um Synonyma) als Baetis et lanus Kaufleute, ebenso war I. A. als Eingangstor zum 

Augustus oder lanus Augustus qui est ad Baetim eigentliehen Kleinod Spaniens gedacht, als Zu- 

(Baetem'^) und areus unde ineipit Baetica be- gang in die Baetica. Im Art. lanus von Otto 

zeidinet. Eine MeEensaule Neros vom J. 57, Suppl.-Bd. Ill finde ioh (S. 1189) nur einen 

CIL II 4734, dieser wieder ohne jedes Lemma Ankniipf ungspunkt *) : die Gleichung mit ianua. 

fiir die Welgrichtung, heute verschoUen, hat die ,Im Lateinischen hat dieses Wort die spezielle 

hochste Mi&enzahl (,222*), gefunden ,en el ar- Bedeutung des Zuganges, Eingangs (der ja immer 

rezife *) entre il Puerto di Santa Maria y Jerez', auch zugleich ein Ausgang ist) erhalten, und zwar 
also nahe dem Endziel, so dafi man als hochste 30 in konkreter Beziehung auf die Tore.' Dies trifft 

ErstreckuDg etwa 250 Meilen annehmen und den fiir den baetiscben I. A. um so mehr zu, als eine 

Versuch wagen dtirfte, die Stelle, die als Tor oder Idientifikation und Umnennung einer in Spanien 

,Eingang' in die Provinz Baetica bezeichnet wor- etwa in der Umgebung dieses Eingangs verehrten 

den ist, wenigstens ungefahr im Gelande festzu- heimischen Gotthedt aus verschiedenen Grtinden 

stellen. Weiten Spielraum Mr die Traderung der und zumal in augusteischer Zeit indiskutabel ist. 

StraBe konnen wir angesichts des Terrains kaum Somit ist I. A. fiir uns sprachlich und begriff- 

voraussetzeu; H Ii b n e r und K i e p e r t haben lich nichts anderes als beispielsweise im Lande 

den I. A. auf Karte 3 von CIL II Suppl. in die der Vaceaeer Ptolem. II 6. 49 eine UoQ-ta 

Nahe der modernen Lokalitaten Maquiz und Men- Avy(yvota == porta Augusta. Diese ,n6Xig\ dieren 
jiler versuchsweise gelegt. Ausfuhrlicher handelt 40 Namen ich bloB zu sprachlichem Vergleich heran- 

tiber d^sQuellgebiet des Baetis Hiibner 0. Bd. II ziehe, ist uns sonst unbekannt, irgendwo nord- 

S. 2763. Auch oceanus, statt dessen wir edne lich von Madrid gelegen; sie muB in ahnlicher 

reale Zielsetzung in Form eines antiken Stadt- Verbindung, wenn auch in sehr viel bescheide- 

namens erwarten, wird seine besondere Bedeutung nerem Verhaltnissen, das namliche bedeutet haben 

haben; es wird kaum anderes ubrig bleiben als wie I. A. an Baetieais Grenze. 

eine Statue des Oceanus in Gades (oder vielmehr, Sachlich habe ich nur hinzuzufiigen, daB wir 

da Gades in antiker Zeit Insd gewesen ist, viel- fiir die Rekonstruktion des I. A. sowie fiir die 

leicht vor Gades) selbst anzunehmen, die so be- tropaea Pompei, wenn diese iiberhaupt bis in die 

deutend gewesen ist, daB die Bezeichnung der Kaiserzeit erhalten geblieben sein soUten**),gewiB 

Lokalitat oder iSitadt daneben uberfliissig erschei- 50 

nen mochte. Im tibrigen vgl. zum Ende der *) Andere Beispiele bringt Gianelli Diz. 

StraBenanlage in oder bei Gades Hiibner Epigraf. IV und (als wster I) auch die Beziehung 

Bd. Vn S. 459. der spanischen Formulare auf diesen Branch. 

Eine Hebung des oceanws-Zieles ins Menu- **) AUerdings behauptet dies Miller 127 

mentale drlickt sich auch in einer entsprechenden und beruft sich dacfiir auf Itin. Ant.; er schildert 

Hebung des Ausgangspunktes, des I. A., aus. So auch unter Berufung auf Ptolemaios diese tro- 

— paea Pompei als eine ,Siegessaule*, die Pompeius 

*) Bedeutet dieses Wort den Fundort? Oder nach Bezwingung des gesamten Spanien ,auf 

ist es ein arabischels Lehnwort = ,Meridian'? An einem Hohenpunkt der Pyrenaeen an der Heer- 
keiner SMle des GIL II, wo man sich Rat holen 60 straBe errichtet habe*. Dies© S'atze hat Miller 

mochte, ist dariiber ein Wort gesagt., auch nieht wortwortlich aus Forbiger Geogr. HP 57 

in der von Htibner und Kiepert gezeich- Anm. 51 [dort hatte aber die 1. Auflage* S. 76 

neten und kommentierten Karte. [v. M 2 i k hat Anm. 73 richtiger ,Siegessaulen* geschrieben und 

mir schlieBlich eine befriedigende Interpretation das Quellenmaterial noch nicht so ziusammen- 

des fragliehen Vokabels aus der tJbereinstimmung gestrichen!] kopiert, aber anscheinend keines der 

des Spanischen, Portugiesisehen, Franzosischen Zitate nachgeschlagen und nicht den Widerspruch 

mit dem arabischen Grundwort, = Riff, nach- zwischen der ,Siegessaule' und den die Reichs- 

gewiesen.] straBe durchlassenden tropaia Strabons beachtet. 



125 lamis Augustus Jazyges 126 

gemeigt waren, ideellen und kunstlerischen Zu- somit nicht unter Gefahr von zwei-, drei- oder 

sammenhang von vornherein vorauszusetzen, wie noch mehrfachen Wiederholungen. Der mathe- 

dies Eman. Loewy in seiner Studie iiber die matisch veranlagte Dichterling, der iibrigens 

AnfangedesTriumphbogens (1928) zueinemgeist- auch a. 0. 129 ein anderes Beispiel seiner 

voUen und iiberaus ansprechenden Bild kiinst- Kunst*) noch diirftiger vorgelegt hat, hat die 

lerischer Typentiberlieferung auf Grund vorhan- Gesamtentfernung in sechs Teile zerlegt, von 

dener und unserem Studium zuganglicber Objekte denen einer als gefragt erscheint und durch eine 

geformt hat. Freilich den lanusbogen des Augustus Gleichung ersten Grades auf zufinden ist. Den 

und die Tropaea dels Pompeius nennt er nieht ein- ersten Teil, der von Gades -durch das Tal dies 
mal, sehon weil wir nichts von ihnen besitzen 10 ,kraftig briillenden* Baitisflusses ftihrt, hatte ich 

und es nichts hilft zu fragen, ob dieser Mangel bis zum FluBlaiuf <des Sucro abstecken zu sollen 

auf die in Spainien so reiche Debetseite der geglaubt. Hatte ich 'damals schon mit dem Ver- 

archaologischen Landeserforschung zuruckzuftih- schwinden des I. A. aus den Itineirarien gereehnet, 

ren ist. wie ich dies heute tue, so wiirde ich mich weniger 

Und noch eines! Die gesamte romische und bemuht und S. 176 in der SchluBliste das ersite 

hellenistische Itinerar- und Kartentiberlieferung Wegstiick mit ,PaBhohje liber dem Fluisse Sucro* 

nehmen von keinem der beiden Bauwerke irgend- abgeschnitten habein. 

wie Notiz. Ebensowenig die fruhmittelalterlichen Literatur. Hiibner GIL II p. 627f. 

Itinerare, von denen ich in meinen Itinerar-Studien Fidel F i t a La via Augusta del Guadalquivir 
(Denksohr. Akad. Wien. LXI H. 3 [1919] 3ff.) 20 desde el arco de Jano hasta el Oc6ano, Boletin 

gesprochen habe. Das Pompeiusdenkmal erscheint Real Acad, de la Historia, Madrid INl (1910) 188. 

auch nicht beiPtolemaios, und an seiner Stellewird [Wilh. KuMtschek.] 

dort (an nicht weniger als drei oder vier Stellen, latrokles, Rhetor, zweimal von Quintilian 

116, 11 und 19 sowie 10, 1 und 2, mit den zuge- (II 15, 16. Ill 6, 44) genannt. Doch ist die 

hSrigenPositionszahlen) einVenustempelro^gp^o- tjberlieferung nicht einheitlich; an der ersten 

diGiov genannt, das allerdings auch schon von Stelle hat B latrodes, A P patrocles, an der 

Strabo erwahnt wio^d; und auf 'den ptolemaischeta zweiten B iatrocles, AP2 patroeles, und natiir- 

Karten wird als Vignette zur Stelle eine fiktive, lich ist auch Patrokles mQglich. Dort handelt es 

allgemein fur diese Kategorie von Bauten iibliche sich um eine Modifikation der aristotelischen 
Tempelzeichnung gesetzt. Das Verschwinden des 30 Definition des Zweckes der Rede; hier um die 

baetisohen Eingangsbogens mag zunachst auf Beschrankung der Zahl der Staseis auf drei, die 

eine StraBenkorrektur (gleichviel ob Kurzung oder z. B. auch Cicero vertritt. I. gehOrt jedenfalls 

Steigungslinderung) zurtickzufuhren sein, die den der Zeit nach Hermagoras an; Quintilian kennt 

Augustusbogen verlassen muBte; spaterhin ist die ihn nur aus seiner rhetorischen Doxographie 

Verbindung mit dem Norden tiber Toletum, jetzt (Celsus?). [W. KrolL] 

Toledo, und Gaiesaraugusta, jetzt Saragossa, her- Jazyges. Ein in der Literatur des spateren 

gestellt worden; s. Kubitschek Itin.-Stud. Altertums haufiger genannter Yolksstamm des 

2f. u. 7. Jedenfalls muB aber, was bisher meines mittleren Donaugebiets. Er gehOrt zu den Vol- 

Wissens von keiner Selte versucht worden ist, kern, die als Vorboten der slawischen Wanderung 
das Abschwenken der Itinerarien vom Augustus- 40 gleich den UsQpoi u. a. ihren Ursprung von den 

bogen beachtet und seine Erklanmg versucht Steppen SiidruB lands herleiteten. Hier standen 

werden. Diese Beobachtuing enthalt auch zugleich die J. zu den Sarmaten (s. d.) in engster Be- 

einen Wink fiir die Datierung der Silberbecher ziehung (vgl. Strab. VII 3, 17 p. 306: 

von Vicarello, die sonst das Erklimmen der PaB- IdCvysg SaQfxdtai . . . Tac. ann. XII 29; hist, 
hohen registrieren (z. B. in Pyrenaeo oder summo III 5: . . . Sarmatis Jazy gibus; Sarmatarum 
Pyrenae und dann wieder in Alpe Gottia oder Jazugum . . .), und ihre Auswanderung nach 
Summas Alpes), hier aber enthielt die Vorlage Westen hat ihnen den Beinamen /^smvdozai ge- 
der Silberbecher, OIL XI 3281 — 3284; Hen z en geben (Ptolem). Erst am Ende des Altertums 
5210 (nur drei Becher); Miller Itin. Rom. verlor sich die Erinnerung an ihre einstigen 
(Seiten der Vorrede) 71f., nichts von der Stim- 50 Wohnsitze, und sie erlangten selbstandige Be- 
mung, die in den Meilensteinen der augustischen deutung. Steph. Byz. bezeichnet sie mit Be- 
und der nachfolgenden Zeit mitschwingt. Fiir rufung auf Marcian von Heraklea einfach als 
Itin. Ant. kommt dieser Datierungsbehelf schon europaischen Volksstamm (Mvog EvQcanalov). 
deshalb nicht in Betracht, weil der StraBen- Unter der Regierang Konstantins d. Gr. sind 
lauf zwischen Gades und Rom, oder wenigstens abermals Veranderungen in den Wohnsitzen der J. 
zwischen Gades und PyrenaenpaB, nicht einheit- eingetreten (Mullenhoff Deutsche Altertumsk. 
lich und nur mit Unterbrechungen und Ein- II 377), die bisher etwa drei Jahrhunderte zwi- 
stiickelungen geboten wird. Anders liegt es in dem schen Donau und TheiB gesiedelt batten (Sieg- 
mathematischen Gedicht des Metrodoros Anthol. ' lin Schulatlas zur Gesch. d. A.; Gotha 1908, 
Gr. XIV 121, das ich in L' Antiquity classique II 60 13). Die J. sind aus ihrer stidrussischen Heimat 
(1933) als dichterische Einkleidung eines kaiser- in das Donaugebiet erst zu Beginn der rOmischen 
zeitlichen Itinerars Gades bis Rom aufzufassen Kaiserzeit eingewandert; das erweist ihre spate, 
empfohlen habe, einer ,Abischrift des Itinerarblat- oft freilich nur fluchtige Erwahnung in der an- 
tes' (174). Hier hat der Dichter augenscheinlich tiken Literatur (bei Ovid, Strabon, Plinius, Ta- 

eine einzelne Itinerarliste verwendet, wie sie in 

groBerer Zahl zu StraBenverzeichniissen verwertet *) Adriatisches Meier — Vorgebirge Kqiov 

hatten werden sollen, und gewiB auch verwertet fAstwnov auf Kreta — Vorgebirge UelcoQov auf 

worden sind; also nicht aus Kartenwerken, und Sizilien. 



127 Ibisua Inflation 128 

citus, Ptolemaios, Cassins Dio). DaB die J. noch. Das bekannteste Beispiel ist die Vermehrung der 

in den J. 9 — 16 n, Chr. auf der siidrussischen Geldmenge durch die Pragungen Alexanders aus 

Steppe hausten und erst nach diesem Termine den in Persien erbeuteten Edelmetallscliatzen, 

in die nOrdliche Balkanhalbinsel einwanderten, wodurch eine Preissteigerung auf beinahe das 

hat M ii 1 1 e n h f f (II 324) unter Benutzung vids Doppelte entstand (Heichelheim Wirtsch. 

und Strabons dargelegt. Den slawischen Ursprung Schwankungen d. Z. v. Alexander bis Augustus 

des Namens Jazyges vertritt Pape (WOrterb. d. 41). Geringeres AusmaB batten die I.-Ersehei- 

gr. Eigennamen 526). Zur Erganzung vgl. Art. nungen in Eom nach dem Eintreffen der Beute 

Sarmatae. [Hans Treidler.] aus Gallien unter Caesar oder aus Agyp ten unter 

Ibisua, ein nur beim Geogr. Rav. IV 19 10 Octavian (Suet. Caes. 54. Cass. Dio li 21. Suet. 

S. 218, 2 genannter Ort Pannoniens zwischen Aug. 41. Oros, VI 19). 

Berisellana mid Derva. [Max Flu®s.] Mit diesen und gleichen Ausnahmen ist I. im 

Idanum, Name eines KasteEs, jedenfalls in Altertum hauptsachlich als Nebenerscheinung bei 

nicht allzu weiter Entfernung von Dyrrhachium, von fiskalischen Gesichtspunkten bestimmter 

wie aus Vib. Sequester 149 ed. Riese, der alLein Handhabung des Munzrechts bekannt. 

es nennt, hervorzugehen scheint {Isamnus Dyr- Gewohnlich ist die finanzielle Notlage, der 

rachi, ah Idano castello dictus). Der Bildung die Miinzversehleehterung abhelfen soUte, durch 

seines illyrischen Namens liegt der Stamm id- kriegerische Verwicklungen entstanden. So ftihr- 

(K r a h e Indogerm. Bibl. III. Abt. 7. Heft 89) ten die Punierkampfe zu Miinzversehlechterungen 

und das Suffix -ano (Krahe 42) zugrunde. Vgl. 20 sowohl bei den Romern wie bei den Karthagern, 

auch Krahe 10. 26. 111. [Max Fluss.] und die bedrangte Lage der ostlichen Staaten bei 

Inflation. Unter I. wird verstanden eine Ver- dem weiteren Umsichgreifen der romischen Macht 

mehrung der im Verkehr stehenden Geldmenge wirkte sich in einer formlichen Miinzverschlech- 

und die infolgedessen eintretende Preissteigerung terungswelle aus (Heichelheim 45ff.). 

aller War en und Dienste. tTberhaupt sind aber Munzversehlechterungea 

In Zeiten metallischer Wahrung ist die I. vor- in groBerem Ausmafi erst in der hellenistischen 

zugsweise durch Neupragung der Mtinzmasse Welt gewohnlich geworden. Aus Rucksicht auf 

unter Verschleehterung des Korns (Mtinzver- den Auslandshandel und wohl auch unter Ein- 

schlechterung) zustande gekommen. Dadurch, daB wirkung der republikanischen Verfassung haben 

aus derselben Metallmenge nach den versehlech- 30 sich die griechischen Stadtstaaten meistens der 

terten Normen eine groBere Anzahl Stiicke als Miinzversehleehterung enthalten, Ausnahmen bil- 

vorher geschlagen werden konnte, wurde die I. den die an der Elektronpragung beteiligten ioni- 

ermoglicht. Als finanzieller Notbehelf in schwie- schen Stadte, denn der Goldgehalt dieser Legie- 

rigen Lagen ist die Miinzversehleehterung ofters rung ist allmahlich stark gesunken. Auch Orte, 

ergriffen worden. Seltener war die Herabsetzung deren Wahrung sonst isolide war, konnten in Not- 

des Gewichts als FinanzmaBnahme wohl aus lagen zur I. greifen, wie z. B. Athen, dessen in 

Riicksicht auf die Unmoglichkeit, die Verande- den J. 407/06 gepragtes Zeiehengeld wahrschein- 

rung im geheimen durchzufiihren. Die Folgen lich so reichlich herausgegeben wurde, daB eine I. 

waaren selbstverstandlieh dieselben wie bei Ver- entstand (Burns Money and monetary policy 

schlechterung des Korns. Mit der Verringerung 40 in early times, 1927, 364). Ihr AusmaB ist nicht 

des Gewichtes verwandt ist die Erhohung des bekannt, wie iiberhaupt bei den griechischen I. 

nominellen Wertes bereits existierender Sitiicke, der Fall ist. Eine Sonderstellung nehmen die Re- 

eine mit den modernen tJberstempelungen des duktionen des romischen Aes grave ein, die eine 

Papiergeldes vergleichbare MaBnahme, die jedoch I. von iiber lOOO^/o im Laufe des 3. Jhdts. v. Chr. 

erst im Mittelalter gewohnlich worden ist. Da- ermoglichten (Bd. U S. 1508). Wir werden 

gegen ist im Altertum eine langsame Abknap- wohl hierin die Folge davon zu sehen haben, daB 

pung des Gewichts, um neugeschlagene Stiicke in der Bronzewahrung Rom ein geschlossenes 

den alten abgenutzten wertgleich zu machen, eine Wahrungsgebiet ausmachte. Man brauchte des- 

gewohnliche Erscheinung gewesen. wegen auf den Auslandshandel in der Miinzpolitik 

An sich braucht aber die Mtinzverschlechte- 50 keine Riicksicht zu nehmen. Bezeichnend ist, daB 

rung keine I. herbeizufiihren. Eine Mtinzver- die Denare, die eine im Auslande gangbare Wah- 

schlechterung ohne I. ist namlich denkbar, falls rung darstellten, viel weniger verschlechtert wur- 

die gewonnene MetaUmenge nicht zur Vermehrung den. Im Gegensatz zu diesen I. steht die Abkniap- 

der Miinzmenge, sondern zu anderen Zwecken: pung des FuBes der Edelmetallmiinzen, die die 

Export Oder Aufhaufung als Schatz (Thesaurie- gewohniicbste I.-Ursache war. Sie konnte aber 

rung), benutzt wird. In diesem Falle behalt die nie eine wirtschaftlich bedeutsame I. herbeifiih- 

verschlechterte Miinze als Kreditmtinze ihren frii- ren, dazu waren die Verringerungen nicht groB 

heren Wert. Gleichartig liegt der Fall, wo nur genug. 

eine geringe Menge schlechter Miinze hergestellt Der Verlauf des I.-Prozesses und seine Fol- 
wurde, wie z. B. 91 v. Chr. in Rom, wo auf sieben 60 gen werden uns nur in Igypten bekannt, da 
Silberdenare ein gef uttertes Stiick geschlagen anderwarts die Preisangaben, auf denen unser Ur- 
ward. In diesem Fall verdrangte nach dem teil basieren muB, nicht in geniigender Zahl vor- 
Greshamschen Gesetz das schlechte Geld eine ent- kommem. Die agyptiische Entwicklung entschadigt 
sprechende Menge guten Geldes ins Ausland und uns aber durch gute Beispiele, von denen ana- 
die totale Geldmenge blieb unverandert. logiseh auf die tibrige alte Welt geschlossen wer- 

Eine besondere Art I. trat aber nach der Er- den darf. 

offnung neuer Edeimetallfundgebiete oder nach In ptoiemaischer Zeit trat, nach einer verhalt- 

ErschlieBung orientalischer Herrscherschatze ein. nismaBig geringen Verschleehterung des Silbers 



129 Inflation Inflation 130 

gegen Ende des 3. Jhdts. v. Ohr., zwischen den vergleichbar (Mickwitz 114). Die I. unter 

J. 173 und 160 ein starker Niedergang dos Wer- Marc Aurel und Severus werden dagegen im 

tes der Kupferdrachme ein, wodnrch sich das Wirtschaftsleben ziemlich spurlos verlanfen sein, 

Verhaltnis von Silber- zu Kupferdrachme von teils weil ihr Umfang ca. 10 und SO'^/o nicht viel 

ca. 1 : 60 auf ca. 1 : 400 — 500 veranderte (H e i - grofier war als das gewohnliche Risiko des da- 

chelheim 29ff.), Wahrscheinlich war die zu- maligen Geschaftslebens (vgl. den Verlustprozent 

grundeliegende Mtinzverschlechterung eine Folge der ScMffahrt, Billeter Gesch. d. Zinsfufies 

der vom Angriff des Seleukiden Antiochus IV. 1898, 329, 1), und teils well die I.-Technik — 

Epiphanes verursachten Finanznot. Gleichartig Munzverschlechterung — den Vorgang auf Ian- 
war die Silberverschlechterung gegen Ende des 10 gere Zeit hinauszog. 

2. Jhdts. V. Chr. eine Folge der Thronkampfe der Die Folgen der antiken I. zu ermitteln stofit 

spateren Ptolemaer (ebd. 33ff.). auf betrachtliche Schwierigkeiten. Die erzahlen- 

Das groJBte AusmaiB unter den antiken Wah- den Quellen ischweigen beinahe ganzlich und auch 

rungsverschlechterungen erhielt aber der Vor- die Papyri geben nur Einblick in die Verhaltniisse 

gang, dem der romische Silberdenar der Kaiser- der Kleinstadte und des platten Landes. tJber 

zeit zum Opfer fiel. Wirtschaftlich belanglos sind Alexandreia z. B. wissen wir dagegen nichts. 

die Verminderungen seines Gehalts vor Marc G^nz vereinzelt stehen die Notizen tiber die I. 

Aurel und Commodus; groBere Bedeutung erhal- in Rom im J. 29 v. Chr. (Cass. Dio LI 21. Suet, 

ten die spateren Verschlechterungen: unter Marc Aug. 41. Ores. VI 19). Boden- und tibrige Preise 
Aurel um ca. 6 o/o, unter Septimius Severus um 20 schossen naturlich in die Hohe, der Zins aber 

ca. 30 ^/o und vor allem unter Gallien und seinen ging stark herunter. Letzteres wird aber eine 

Nachfolgern um tiber 90 ^lo. Im 4. Jhdt. n. Chr. ganz vorubergehende Erscheinung gewesen sein, 

ist das friihere Silbergeld des romischen Reichs die nach dem Eintritt der Preissteigerung sich 

zu beinahe reinem Kupfer verwandelt, wird aber wieder ausglich. Auch in moderner Zeit ist ge- 

noch mehrmals durch Verminderung der Stticke wohnlich auf die 1. kein dauernder Niedergang 

verschlechtert (Mickwitz Geld und Wirtschaft des ZinsfuBes gefolgt. Billeter (212ff.) hat 

im 4. Jhdt. [1932] 8 Iff.). Parallel mit den Ver- nach einigen Digestenstellen eine Zinssenkung 

anderungen der Reichsmiinze laufen anfangs im von 6 bis 5 — 4 *^/o fur sichere Anlagen unter Ca- 

groBen ganzen die Veranderungen der agyp- racalla angenommen. Jedoch beweisen die Stellen 
tisehen Lokalwahrung. Seit den Nachfolgern Dio- 30 kaum mehr, als daB die Juristen dieser Zeit 

cletians ist aber diese starkeren Schwankungen niedrigere Zinsen als vorher kennen, nicht aber 

ausgesetzt als die Reichswahrung. Rechnungs- daB diese niedrigereniSatizedauerndubliehgeblie- 

miinze war im 4. Jhdt. in Agypten der Denar ben sind. Die Daten der Papyri stiitzen auch nicht 

= 4 Drachmen. Durch Regierungsbefehl wurde die Annahme einer dauernden Senkung (M i c k - 

festgesteUt, wie viele Einheitien die im Verkehr wi t z 213ff.). Die von der Vermehrung der Geld- 

stehenden Kupfermiinzen gelten soUten. Diese menge herriihrende Erleichterung des Geldmark- 

Relationen konnten willkurlich verandert werden tes dauerte nur, bis der Geldbedarf dank der ein- 

(z. B. P. M. Meyer Jur. Pap. 73 Anm. zu Z. 7: tretenden Preissteigerung wieder im normalen 

jcQoasra^s f) ■d'sla rvxv tcov beonoxcbv rjfAcbv to Verhaltnis zur Geldmenge stand, was naturlich 
"ItaXiTibv vofAtaiAAx elg rj(Aiov vov[X[j,ov xata^i^a- 40 im Altertum langere Zeit erforderte als jetzt. Die 

c&fjvac), wodurch sowohl Munzverschlechterungen Veranderungen des Zinses mussen deswegen vor- 

als Miinzverbesserungen entstanden — beide wohl tibergehender Art gewesen sein. 

im Interesse des iStaatssackels. Dieses Mittel zur Den besten Einblick erlauben uns die Papyri 

Heilung angegriffener Finanzen kann in der Kai- in die Bedeutung der I. fiir die Funktion des 

serzeit auBerhalb Agyptens nicht nachgewiesen Tauschmechanismus und Kreditverkehrs (hierzu 

werden. Mickwitz 115 — 146). 

Durch die Miinzverschlechterung der Kaiser- Da die I. die Wertbestandigkeit des Geldes 

zeit entstanden I., deren AusmaB durch folgende veinichten, macht sich bei jeder I. das Bestreben 

Zahlen veranschaulicht werden kann. Wenn wir geltend, dieser Ungelegenheit zu entgehen; ent- 
die Preislage unter Antoninus Pius mit 100 be- 50 weder geht man zu einer anderen Wahrung tiber, 

zeichnen, so war die in den letzten Jahren Marc oder auch werden Waren als Wertmesser benutzt 

Aureis 107 — 113 und unter Gallienus 160 — 180. (z. B. Roggen in der deutschen I.-Zeit). Am ehe- 

Bei Diocletians Regierungsantritt war die Zkhl sten werden derartige Aushilfemittel bei Kredit- 

bis auf ca. 4000 gestiegen. In Agypten ergibt das transaktionen oder anderen langfristigen tJberein- 

4. Jhdt. folgende Ind^xzahlen: Der Kurs des kommen erwahlt, seltener dagegen bei Verkehrs- 

Denars im J. 301 wird mit 100 bezeichnet. Im akten, die unmittelbar erfiillt werden. Entschei- 

J. 307 ist der Kurs auf 300 gestiegen, im dend ist das Risiko einer Veranderung dos Geld- 

J. 314 gar auf 2800. Dann trat eine Deflation wertes in der Zeit vor der ErfuUung der Ab- 

edn, im J. 324 war die Indexzahl nur 600, stieg machung. 

aber schnell wieder, um im J. 341 auf 216 000 60 In den agyp tisehen Urkunden werden Spuren 

zu stehen. Wiederum tritt Deflation ein, fiinf der I. demnach am ehesten in Pacht- und Miets- 

Jahre spater ist die Zahl nur 86 400. Im J. 360 vertragen, Urkunden betreff s Anleihen und Dienst- 

ist sie aber wieder bis auf 1 720 000 gewachsen, vertragen zu finden sein. Es fallt dabei auf, daB 

um nachher nur bis auf ca. 6 600 000 im J. 400 man in Agypten wahrend der I.-Jahre erst sehr 

n. Chr. zu steigen. Die starkste Steigerung der spat den Ausweg erfunden hat, die Kontrakte in 

Preise tritt somit zwischen den J. 324 und 341 Gold, das immer wertbestandig blieb, zu machen. 

ein; die I. vor 314 n. Chr. ist mit der Reichs- Die IJrsache wird wohl der hohe Wert der Ein- 

inflation unter GaUien und seinen Nachfolgern heiten des Goldgeldes gewesen sein. Diese Schwie- 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 5 



181 Inflation Inflation 132 

rigkeit wurde erst dnrch das Einfuhren des ab- herrschende Naturalwirtschaft herbeigefiihrt hat- 

strakten ErnhQits-^iSQanov = 1/24 Solidus in der ten, halt gegen die Zeugnisse der Papyri nicbt 

spateren Halfto des 4. Jhdts. gehoben. Spaterhin stand. Auch deuten einschlagige Stellen der christ- 

begegnet bei alien Abmaehungen die Goldrech- lichen Literatur des 4. Jhdts. auf keine Umwal- 

nxing beinahe ansschliefiliehi isn den Uirkunden. Da- zungen des Wirtschaftslebens (M i c k w i t z 154). 
mit war aber dieMoglichkeit, dnrch weiiterel. einen tJber die sozialen Folgen der I. sind wir 

absehbaren Gewinn zu erzielen, erheblich geschma- auf Spekulation angewiesen. Wie schon hervor- 

lert nnd die I. horen seitdem in Agypten anf. gehoben, scheiden bei metallischer Wahrnng die 

Vor dem Aufkonunen der Keratienrechnnng Inhaiber des baren Geldes meistens aus den Reihen 
war in Agypten, wer sich gegen das I.-Risiko 10 der Gesehadigten ans. Da weiter die I. den regel- 

sioherstellen wollte, auf Abma^hung in Waren maBigen Verlauf der Dinge am starksten bei 

angewiesen; denn das stabile iSlilbergeld Diocle- Kiedittransaktionen storen, der Kredit aber im 

tians und seiner Nachfolger seheint in diesem Altertum verhaltnismaBig sehwach ausgebildet 

Lande nie gewohniich geworden zu sein. Es ist war, z. B. StaatsaMeihen und andere Obligationen 

deswegen nicht tiberraschend, dafi die Zusammen- nicht liblich waren, werden im allgemeinen d'urch 

stellung der Angaben iiber Anleihen eine erhohte die I. keine sozialen Umwalzungen entstanden 

Bedeutung des Naturalkredits wahrend der I. auf- sein. Dazu trug natiirlich die Haufigkeit der 

zeigt. Dabei kommen Warengattungen vor, die Vermogensanlage in Giitern, der geringe Kapital- 

sonst selten in den Schuldscheinen gefunden wer- bedarf der Industrie und die relative Seltenheit 
den, wie Arax, Phakos und Linokalame. Wer sieh 20 langfristiger Anleihen bei. Ein Gegenstiick zu 

nicht durch Feststellung der Anleihe in natura der Enteignung des Mittelstandes durch die I. 

sichern woUte, gab sein Geld nur fur kurze Zeit Nachkriegseuropas wird demnach im Altertum 

her; in den moisten Darlehensurkunden des nicht vorgekommen sein, obwohl die Hohe der I. 

friihen 4. Jhdts. ist die Dauer der Anleihe nur der spatromischen Zeit einen Vergleieh mit den 

einige Monate. Auch versuchte man sich durch modernen gut aushalt. Die alteren I., die mit 

genaue Feststellung der Geldsorte, in der die Ausnahme der ptolemaischen und romischen 

Riickzahlung erfolgen soUte, gegen Verluste zu Kupferinfliationen kaum je 100 ^/o iiberschritten, 

schtitzen. Ob die spatere Gewohnheit, die Dauer werden nicht einmal einzelne Leute voUstandig 

von dem Willen des Darlehensgebers abhangig zu ruiniert haben und stehen hinter anderen Be- 
machen, urspriinglich eine MaBnahme zur Neu- 30 drohungen des personlichen Wohlstandes weit zu- 

tralisierung der I.-Gefahr war, laBt sich nicht rtick. Auch die starken romischen I. des 3. Jhdts. 

entscheiden. Seit den vierziger Jahren des 4. Jhdts. v. Chr. werden bei den damaligen primitiven ' 

dominiert das Gold bei den Anleihen. Wirtschaffcsformen verhaltnismaBig geringe Be- 

Naturalpacht war immer in Agypten bei Saat- deutung gehabt haben. 
land liblich; es ist deswegen keineswegs liber- Die auch bei modernen I. stark geschadigte 

raschend, zu sehen, daB diese "Obung in den I.- Klasse der Sitaatsangestellten wird aber wahr- 

Jahren auch auf Heu- und Flachsland ubertragen scheinlich auch im Altertum unter den am schwer- 

wurde. Wo Geldpacht noch vorkam, wurde gem sten Betroffenen gewesen sein. Es liegt namlich 

die Pachtsumme im voraus genommen. im Wesen der I., daB der Staat zusatzliehes Geld 
Dagegen zeigen die Mietvertrage keine MaB- 40 schafEt, um aiuBerordentliehe Ausgaben zu decken, 

regeln zum Schutz gegen I., weder in Form von nicht aber um die Beamtenlohne zu steigern, in 

Vorauszahlung noch Naturalzahlung. Ebenfalls welchem Falle die ganze MaBnahme ein Sehlag 

lassen die Dienstvertrage keine Beeinflussung ins Wasser ware. Eine Senkung der Reallohne 

durch die I. erkennen. der Staatsdiener ist demnach eine regelmaBig 

Bei dem kreditlosen Verkehr waren Yorsichts- wiederkehrende Begleiterscheinung der I. Ein 

maBnahmen viel weniger notig als bei den Kre- Beispiel liefert das ptolemaische Agypten, wo 

dittransaktionen. Nur wenn jemand verschlech- nach der I. der Jahre um 170 v. Chr. die Weizen- 

tertes Geld empfing, vor dem die VergroBerung artabe den Soldaten nach dem alten Kurs adariert 

der Geldmenge ein der Verschlechterung entspre- wurde, obwohl der Marktpreis 4 — 5mal gestiegen 
chendes AusmaB erhalten hatte, konnte Verlust 50 war (H e i c h e 1 h e i m 32). DaB Entsprechendes 

an dem zu Hause aufbewahrten Geld entstehen. in der Romerzeit begegnete, konnen wir bis auf 

Denn das alte gute Geld behielt natiirlich unab- weiteres nicht belegen. Wir kennen nur die Sold- 

hangig von aEen Verschlechterungen als Edel- betrage des Militars bis auf Caracalla, und diese 

metaUquantum seinen Wert (falls es nicht von scheinen mit der Entwertung des Geldes Schritt 

Hause aus Kreditgeld war). Bei Erhohungen des gehalten oder diese sogar liberholt zu haben. Es 

Nennwerts der Stlicke, wie >sie im 4. Jhdt. liblich ist jedenfalls verlockend, in dem Verlangen der 

wurden, wurde wiederum die Kaufkraft des ein- Staatsdiener nach von den I. unabhangiger Loh- 

zelnen Stuckes eher vergroBert als verringert. Es nung die Ursache der auffaUenden Naturlohne 

ist deswegen natiirlich, daB wir in den Urkunden, des 4. Jhdts. zu sehen. 

die dem kreditlosen Verkehr gelten, keine Spur 60 Ebenfalls wird sieherlich ein Zusammenhang 
der I. finden. zwischen den I. der Kaiserzeit und den Natural- 
Da die direkten Folgen der heftigen I. in steuern des 4. Jhdts. n. Chr. bestehen. Diese 
Agypten keinen starkeren EinfluB auf die For- schadigten im Laufe der Zeit die Staatskasse be- 
men des Gesehaftslebens bekamen, konnen wir trachtlich. Es ist namlich deutlich, daB man nur 
den SchluB Ziehen, daB die gleichzeitigen bedeu- zaudemd die Steuern in Proportion zur Preis- 
tend geringeren I. des Reichs noch weniger in steigerung erhohte, und daB die Erhohungen als 
dieser Hinsicht bedeuteten. Die landlaufige Ungerechtigkeit aufgefaBt wurden. Das geht aus 
Theorie, nach der im romischen Reich die I. eine Cass. Dio KXXVII 9 (Boiss. Ill 381) hervor, wo 



133 lonnaria lulia 134 

iiber Caracallais Geldauspresisxingon (u. a. die Er- nebm dem Bustricius (Bd. Ill S. 1077) an. MM 

hohung der Maniunissionssteuer), die teilweise welchem Flusse von heute d'er I. zn identifizieren 

wohl die Aufgabe batten, den dnrch die Geld- ist, laBt sich nieht sagen. [Max Flii'ss.] 

entwertung infolge der Miinzverschlechtemng Isamnus, ein FluB bei Dyrrhachiuna. Sein 

seines Vaters entstandenen Fehlbetrag der Stlenem illyrischer Name (Krahe Indogenn. Bibl. III. Abt. 

zu ersetzen, geklagt wird. 7. Heft 27. 57. 89), den er vom Kastell Idanfum 

In Agypten wurden noch 276 n. Chr. gewisse (s. d.) fiihrt, ist uns nur aus Vib. Seqnest. 149 

Steuem in derselben Hohe wie im 1. nnd 2. Jhidt. Riese bekannt. [Max Flnss.] 

gezahlt (Wilcken Chrest. I 251, 293), wah- Istris f^or^<?) wird nnr im Periplus des Scyl. 

rend dagegen die Biersteuer im Anfang des 10 c. 21 neben iden Gruppen der "HXeKrQidsg nnd 

3. Jbdts. erhoht wurde (Pap. Oxy. 1433). Die MevxoQidsg als eine ider grofieren Inseln bezeich- 

Einzelheiten dieser von IS e e c k IJntergang^ 11 net, die an dem zn seiner Zeit von Libnrnern be- 

225f. iibertrieben geschilderten Umstande sowie wohnten .Kiistenstriche der Adria gelegen sind. 

ihre Folgen sind aber nnl>ekannt. [Mckwitz.] Die GroBenangabe, die er von ihr macht (Lange 

lonnaria, ein nnr auf der Tab. Pent. VI 2 310, Breite 120'Stadien) ermoglicht ihre Identi- 

genannter Ort in Dalmatien an der StraBe Salona fiziemng mit der heutigen Insel Cherso con 

-^Servitium zwischen Sarute nnd Baridno, 13 rom. Ossero (Mtillerz. St. Alacevic Bull. Dalm. 

Meilen von ersterem, 14 von letzterem entfemt. XXVI, 1903, 199f.); nber Ansgrabungen aus dem 

Die eigemtiimliche Angabe der Tab. Pent. VI 2, Altertume idaselbst vgl. Benndorf Arch, epigr. 
tiber dem Namen Baridno, der sich anf einen 20 Mitt. IV 73ff. Vgl. Krahe Indogerm. Bibl. 

Hauserkomplex bezieht, lonnaria XIV zu verzeich- III. Abt. 7. Heft 27. [Max Fluss.] 

nen, erklart Ho ernes iS.-Ber. Akad. Wien. IC, S. 2268, 14 zum Art. Istros: 

1881, 929 damit, daB er in I. die erste Station 1 a) Istrus insula (lotQog tj vfjoog) wird all- 

auf einem bei Livno, einer durch Miinzfunde unki ein im Chron. Pasch. I 238 ed. M o m m s e n 

Inschriften gesicherten romischen Siedlung, in Chron. man. als der Ort bezeichnet, wo der Caesar 

der Tab. Pent, infolge Platzmangels ausgefalle- Constantius Gallus im J. 355 (irrtumlich, vgl. 

nen Seitenwege sieht. Tomaschek Bd. Ill S e e c k Herm. XLI 499, 4, richtig im November 

S. 17 halt aber auch die Beziehung beideriNamen oder Dezember 354, vgl. S e e c k 499) enthauptet 

auf den erwahnten Hauserkomplex fiir moglieh; worden ist (Bd. IV S. 1074. 1099; vgl. Seeck 
I. konnte ,idie am Felsranide hervorbrechende 30 Gesch. d. IJnterganges d. ant. Welt IV 133. 

Schlundquelle bezeichnen, die . . . jetzt slawisch Stein Gesch. d. spatrom. ReichesI220). Gegen- 

Bystrica heiBt*. Nach Krahe Indogerm. Bibl. uber Mommsenis Chron. min. Ill (Index) 665 

III. Abt. 7. Heft 26 ist der Name des Ortes Identij&zierung von I. mit Flanona, das allge- 

zweifellos iUyrisch (Verbindung des Grundelemen- meln als Statte der Hinrichtung des Constantius 

tes ion mit dem in iUyrischen Ortsnamen haufi- Gallus genannt wird (Bd. VI S. 2504) spricht 

gen Ausgang -aria S. 59. 89). Cons La prov. der Wortlaut der Stelle im Chron. Pasch.: FdX- 

Rom. de Dalmatie 234 identifiziert I. mit dem log vnb Kcovatavrlvov tov Avyovorov sv ^laxQq> 

heutigen Vagany, Pichler Austr. Eom. 154 rfj vrjoco dvTjQs^, da selbst die Annahme Flano- 

mit dem heutigen Livno, Miller Itin. Horn. nas als Inselstadt kaum die gewahlte Ausdrucks- 
478 mit Glovica, in dessen Nahe sich romische 40 weise rechtfertigen konnte; meines Eraohtens 

Reste gefunden halben. [Max Fluss.] wollte der Verfasser des Chron. Pasch. gar nicht 

S. 2032, 19 zum Art. Ira: einen bestimmten Ort fiir das Ereignis nennen, 

4) Der Geogr. Rav. IV 19 S. 218, 17 Pind. sondern ganz aUgemein Istrien, das er falschlich 

fiihrt ihn unter dto plurima flumina Pannoniens als Insel bezeichnete. [Max Fluss.] 



Zum zehnten Bande. 

^ S. 909, 32 zum Art. lulius (lulia): nnd Miinzen ebenso wie bei den Autoren konunt 

552 a) lulia, die Tochter des Kaisers Titus. allein der Name lulia (IwXla) vor; nur auf der 

1 Quellen a) Inschriften: GIL III Weiheimschrif t vom Halikarnasisots heifit sie lovXla 
«13 524 = D e s a 8906 Celda. V 4313 = D e s s. Hafieiva. Den Titel Augusta (Hepaon^) fiihrt sie 

266 Brixia VI 941 2059 = D e s s. 5033 Act. schon m Lebzeiten ihares Vaters, zum erstenMale 

Arv 2065*= Dess. 5034 Act. Arv. IX 1153 im J. 81 (Deisa 5033). tJber die verschiedimen 

Aeclanum. 2588 Tearventum. X 1632 PuteoM. Munzfegenden vgl. Kahrstedt Klio X 2981 

Haussoullier BuU. hell. IV 1880, 396 Hali- Th. S c h u Lz Stud: z. Gesch. u. Kultur d. Altert. 

carnassoa Suppl. Epigr. Gr. II 697 Pamphylien. XIH 4, 34. Kornemann Doppelpnnaipat und 
C a g n a t IGR m 573 Pinaris. 60 Reichsteilung im; Imp. Rom. 67 sieht m der Ver- 

b) Munzen: Eckhel VI 365ff. Cohen leihung dieses Titels an I. einen Beweis fur das 

P 464ff Mat tingly Coins of the Rom. Em- Streben der Plavier, ein Familienregimeait zu 

pire n 247. 278f. 313. 350f. 353. 402f. 405f. begrtinden; dais geschlossene Auftreten der fla- 

c)AntikeLiteraitur. Cass. Dio LXVII visehen Familie in den Vota der Arvalbriider- 

3, 2 4, 2. Philo^r. v. ApoU. 7, 7. Plin. epist. schaft (Desa 5033. 5034) gibt seiner Ansaeht 

IV 11, 6 luven. sat. II 32. Martial. VI 3, 6. IX recht (Mo mm sen Si-R. W 825, 4). 

1, 7. Suet. Tit. 4. 5; Domit. 17. 22. 3. Leben. I. war die Tochter des Titus 

2 Namen und Titulatur. Auf Inschriften (Suet. Dom. 17, ohne Nemnung desNamens Suiet. 



135 Mia Mia 136 

Tit. 4. 5; Dom. 2,2, nach PiMlo*. v, ApoU. 1,1 nand Bd. VI S. 2615; Ansatz fiir das J. 89 als 

eine der Tochter; von den beiden Ansichten auBerster Zeitpunkt seines Tod^s unrichti^), da 

Groags, Bd. Ill S. 1307 Nr. 8, die in einer In- sie naeh den Worten Suet. Dom. 22 max patre 

schrift vom ager Praestinus [OIL XIV 2830= ac viro orbatam bald nach dem Tode des Titus 

D e s s. 995] genannte Flama Sahina T. f(ilia) anzusetzen ist und keineswegs eine zeitliche Be- 

Sabini als Tochter -des Stadtpraefecten Flavins ziehung zwischen idem Tode 'dJeiS' Flavins S'abinus 

Sabinus [Bd. VI S. 2611 Nr. 166] oder auf Grund und der I. dureh 'die Quellen begrlindet erscheint. 

von Philostr. v. ApoU. 7, 7 als die Tochter des Sicherlich war Domitias Ehebruch (Suet. 

Kaisers Titus anzusprechen, verdient meines Er- Dom. 3. 13. Cass. Dio LXVII 7, 1. Zonar. XI 19. 
achtens die erstere <deii Vorzug) unid seiner zwei- 10 Aurel. Vict, de Caes. 11, 11; epit. 11, 7. Schol, 

ten Gemahlin Marcia; Fumilla (Suet. Tit. 4; vgl. luven. VI 87) fiir iden Kaiser 'eocwtinschter An- 

0. Bd. XIV S. 1606). Wir kennen wohl den Tag, lafi, sie zu verbannen. Von den beiden Zeit- 
aber nicht das Jahr ihrer Geburt. Da die Hoch- raumen, die, aus dem Fehlen ihres Nameii>s in 
zeit ihrer Eltern vor die Bekleidung der Quae- Inschriften und auf Mtinzen zu schlieBen, hierfiir 
stur durch ihren Vater (Stiet. Tit. 4), also ins in Betracht kommen i(Ende 82 — 84, Endei 87 
J. 63 n. Chr. f allt (W e y n a n d Bd. VI S. 2698), bis Anfang 89), geben v. A r n i m Herm. XXXIV 
kommt als Geburtsjahr frtihestens das J. 64 in 372 und Stein Bd. VS. 1515 (neben den von 
Betracht (nach Bernoulli Rom. Ikonogr. II v. A r n i m angefiibrten Griinden auch Domi- 
2, 43 bald nach dem J. 58); mit dem Tage ihrer tians Verkngen nach anderen Nachkommen in- 
Geburt fiel spater der der Eroberungi Jerusalems 20 folge des Todes seineis Sohnes in den ersten Re- 
durch Titus zusammen (Suet. Tit. 5 Titus cepit gierungsjahren) mit Recht dem erstem den Vor- 
ea (sc. Hieroisolyma) natali Hliae suae). Da Titus zug. Nun machte Domitian aus den Beziehun- 
fruhzeitig Marcia Furnilla verstieB, wuchs I. gen zu seiner Nichte kein Hehl (Suet. Dom. 22 
mutterlos auf; eineai Ersatz fand sie in ihrer mox patre ac viro orbatam ardentissime palamque 
nutrix Phyllis (Suet. Dom. 17). dilexit, Cass. Dio LXVII 3,2 anaQaHalvnxotsQov) 

I. war anfangs als Gemahlin Domitians in und behandelte sie (hg ya^sxfj (Cass. Dio LXVII 

Aussioht genommen; doch er woUte ursprtinglich 3, 2). Ihr nunmehr ma^gebemdeir EinfluB auf 

von ihr nichts wissen (Suet. Dom. 22 fratris Domitian zeigte sich darin, da6 auf ihre Ver- 

Hliam adhuc virginem oblatam in matrimonium anlassung sein bisheriger Vertrauensmann Ur- 

sibi cum devinctus Domitiae nuptiis pertinaeis- 30 sus, der wegen einer zu freimiitigen AuBerung 

sime reeusasset). Sie heiratete non multo post Tiber den Chattenkrieg beim Kaisetr in Ungnade 

(Suet. Dom. 22) einen ihrer Verwandten, den gefallen war und fiir sein Leben bangen muBte, 

nachmaligen Consul ordinarius des J. 82 n. Chr. mit dem Consulate ausgezeichnet wurde (Cass. 

Flavins Sabinus (Philostr. 7, 7; vgl. Bd. VI Dio LXVII 4, 2. v. Arnim Herm. XXXIV 372f.). 

S. 2615). Unmitfcelbar darauf scheint Domitian 4. Tod. Trotz aller Liebe zu I. ist Domitian 

Zuneigung zu ihr gefafit (Suet. Dom. 22 vivo nicht frei von Schuld an ihrem Todie: da sie 

etiam tum Tito) und sie zu ehebrecheriischem namlich auf Grunid eines Ehebruches keine Kiq- 

Umgange miBbraucht zu haben. Wenn sich auch der haben wollte, bewirkte sie eine Friihgeburt, 

in den Quellen keine unmittelbare Zeitangabe an deren Folgen sie zugrunde ging: Plin. epist. 

fiir diesen am Leben der I. wichtigen Wendepunkt 40 IV 11, 6 vidua (ohne Nennung des Namens) 

findet, so erlaubt doch 'die Darstellung, die Stie- aboriu periit. Suet. Dom. 22 causa mortis . . . 

ton gibt, mit einiger Bestimmtheit die Fest- coactae conceptum a se abigere. luven. II 32f. 

setzung in die J. 80 — 81, da die Hochzeit Do- quum tot abortivis fecundam lulia vulvam sot- 

mitiiams mit Domitia in die Zeit 70 — 72 gehort veret et patruo similes eff under et off as; voii 

(deal Inzest Domitians mit seiner Nichte erwahnt Schol. luven. 32f . irrtiimlich auf Kaiser Claudius 

allerdings ohne Namensniennung Plin. epist. IV bezogen (G s e 1 1 Essad sur le regne de Tempeareur 

11, 6; vgl. panegyr. 52. 63). Flavins Sabinus Domitien 84f. Hoehler Jahrb. f. Philol. 

stand! den Beziehungen Domitians zu I. hinder- Suppl. XXIII 3977). Der Zeitpunkt ihres Todes 

lich im Wege. Die Beseitigung dieses Mannies laBt sich aus den Quellen nur annahernd er- 

erfolgte also nicht aUein aus dem Grunde, daB 50 schlieBen. Da I. in den Vota der Arvalbriider 

der Kaiser schon vor seiner Thronbesteigung in am 3. Janner 87, nicht aber mehr am 3. Janner 90 

ihm einen gefahrlichen Rdvaien erkannt hatte erwahnt wird (CIL VI 2065. 2067) und im 

(Suet. Dom. 10 quod eum comitiorum eonsula- 15. Consulatsjahre Domitians (90/91) und in 

rium die destinatum perperam praeco non con- einem Gedichte Martials VI 3, 6, das im Somme^ 

sulem ad populum sed imperatorem pronuntias- oder Herbst 90 veroffentlicht worden ist (Pried- 

set; ebd. 12 generum fratris indigne ferens. Dio lander Martial-Ausg. 57), bereits diva genannt 

Chrys. or. XIII 1 dvdQog ov tzovtjqov, tcbv ds wird, so fallt ihr Tod wajhrscheinlich in die Zeit 

tors svdaifA,6vcov re koI aQxovtcov [darunter ist zwischen 87 und 90. Um diese Zeit kam auch 

nach V. Arnim Lebm und Werke des Dio 230 Domitiaais Vorsohnung mit seiner rechtmaBigen 

der Kaiser Domitian zu verstehen] syyvtata ov- 60 Gemahlin angeblich auf Bitte des Volkes zu- 

xog oder wenig spater dia z^v sxslvcov [d. h. Tft>i^ stande (Cass. Dio LXVII 3, 2. Zonar. XI 19); 

tots €v8aifA,6va)v ts nal aQxovtoyv] olKsiotrjta Tcal fur den Ansatz dieses Ereignisses in das J. 89 

^vyyheiav), sondem wahrscheinlich auch aus spricht die Tatsache, daB Martial in dem vorhin 

dem Verlangen Domitians, sich dem Vearkehr mit genannten Gedichte der Erwartung nach Geburt 

1. umgehindert hingeben zu konnen. Die Hinirich- eines Prinzeni fiir das J. 90 Ausdruck gibt und 
tung des Flavins Sabinus erfolgte spatestens im daBDomitiasRiickkehrandenKaiserhof jedenfaUs 
J. 82 (zuletzt V. Arnim Herm. XXXV 130; durch den Wunseh des Kaisers nach einem Erben 
vgl. auch Schmid Bd. V S. 852; vgl. Wey- beschleunigt worden ist. I.s Tod muB infolge- 



137 lulianum Kappadokia 138 

dessen unmittelbar zuvor (nach Weynand Bd. VI KaivocpQovQiov {Kaivov cpQovQiovy Caeno- 

S. 2573 vielleicht schon im J. 88) erfolgt sein. frurium)^ Ortlichkeit in Thrakien, wo der Kaiser 

Die Konsekration der I. wird durch Mtinzen Aurelianus sein gewaltsames Ende fand. Lact. 

aus dem J. 90 (M a 1 1 i n g 1 y nr. 458. 463) de mort. pers. 6, 2. Yit. Anrelian. 35, 5. Wei- 

und den J. 92^ — ^94 (Mattingly nr. 471 — tere Belegstellen s. im Thes. 1. 1. [v. Geisau.] 
473), Inschriften (CIL III 13524. X 1632) und KaUvdoia, Stadt der thrakischen BottiTir} 

Martial VI 13. IX 1, 7 bestatigt; sie erfolgte vor nahe bei Olynthos IG IV 94 lb 13 (mit Kom- 

VeroffentMchung des sechsten Buches der Epi- mentar); IG I 2 90; Ptolem. Ill 12, 33. 
gramme de® Martial (naeh F r i e d 1 a n d e r 57 [v. Hiller.] 

Sommer oder Herbst 90), da der Diehter sie VI 13 10 KaXoiTcZvoi, Nur Polyb. V 108, 8 iiberliefert 

bereits als diva ansprieht. Fiir den Kult d=er den Namen dieses Volksstammes in Illyrien. 

verge ttsrtemi I. finden wir einen Beleg in der In- K{)nig Pbilipp V. von Makedonien eroberte eine 

schrift CILIX 1153, aus)derwir Oan^na ?. /fi^iaj seiner Ortschaften Bantia (Bd, II S. 2848 

Longina als sacerdos flam(inica) div[ae] luliae Nr. 1). Meines Eracbtens recbtfertigt der Wort- 

Piae [A]u[g(ustae)] kennenlernen. Die Asche der laut der Polybios-Stelle {^IXcjtjtog .... Kaxela- 

I. wurde wahrscheinlich anfanglich im auguste- ^txo hi xy\g iilv AaooaQi^ndog Kqscoviov Tiot Fs- 

ischen Mausoleum beigesetzt; nacbdem Domitian QOvvta, tcov de jzsqi xtjv Avxvidlav U/nvrjv 'Eyxs- 

den Palast des Flavius Sabinus zur Grabstatte Xdvag KeQana, Harlcova, Botovg, xrjg bs KaXoi- 

seiner Familie bestimmt hatte, wurde I.s Asche kIvwv xwQag Bavxlav) die Annahme Toma- 
irn J. 95 dahin iibertragen und auch Domitians 20 s c b e k s Bd. II S. 2848 Nr. 1 nicht, sie 4^^ 

Asche (nach seiner ursprtinglichen Bestattung Gebiete der illyrisch-makedonischen Landschaft 

auf seiner Besitzung an der latinischen StraBe) Dassaretis' zu suchen. Der Name des Volks- 

von der treuen Dienerin Phyllis heimlich hier- stammes erinnert auf f alien d an den auf der Tab. 

her gebracht und mit der Asche der I. vermischt Pent. VI 3 genannten Partus Galouitanus bei 

(Suet. Dom. 17. Jordan-Huelsen Topogr. Salona (nach Miller Itin. Eom. 960 jetzt Ca- 

IIP 426). nale di Castelli; vgl. Krahe Indogerm. Bibl. 

4. Aufiere'S. Da keine der Biisten, die auf III. Abt. 7. Heft 89) und ist zweifellos illyrisch 

I. bezogen werden (Naheres bei Bernoulli (Krahe 18. 45. 89.110); wahrscheinlich haben 

Rom. Ikonogr. 441), mit Sicherheit ihr zuzuwei- auch die C. wie nahezu alle Stamme der illy- 
sen ist, lernen wir ihr Aussehen nur aus den 30 rischen VOlkergruppe im Laufe der Zeit grOBere 

Mtinzen kennen; doch infolge der Verschieden- Wanderungen vollzogen. Kiepert POA XVI 

heit der Typen konnen wir kein einwandfreies sucht das Gebiet der C. siidlich des Sees von 

BUd von ihr entwerf en. Bernoulli 44 ninmit Lychnidus bei Pelium und laBt es bis an den 

mit Recht an, nur ihre ausgesproehene Schonheit Apsus reichen, den er in ihr em Lande entspringen 

erklare Domitians Leidenschaft fiir sie; Martials laBt. [Max Fluss.] 

(VII 13) tibersichwengliches Lob gelte nicht ihr, S. 1799, 32 zum Art. Kalypso: 

sondern einer ihrer plastischen Darstellungen, 3) Die K. von Marissa, s. Lamer ZDPV 1931, 

auf der sie als Venus mit Amor erscheint. Bringt 59—67; auf S. 60, 1 ist alle bis 1931 darliber 

der Aquamarin des Euodus im Cabinett der Me- erschienene Literatur verzeichnet. Diese K. ken- 
dailies zu Pairis (C h a b o u i 1 1 e t nr. 2089) I.s 40 nen wir aus einem Graffito in dem Grabe des 

Kopf, wofiir Ihnlichkoiten der Haartraeht spre- ApoUophanes in Marissa in Palastina. Sie scheint 

chen, dann hatte sie eine gewolbte, zurlick- eine gebildete Griechin gewesen zu sein, aber mit 

liegende Stirne, eine gerade Nase, und die Haar- lockerem Lebenswandel. Vielleicht ist K. hier Lie- 

tracht, die am die der Frauen des iulisch-elau- bes- und Deckname. [H. Lamer.] 

dischen Hauses erinnert, zeigt vome schneeken- Kamasarye, Frau des Konigs Pairisades III. 

formig gekrauselte Locken, hinten geflochtenes von Bosporos, macht eine Stiftung an den Apol- 

Haar. [Max Flusis.] Ion von Didyma unter dem dritten Gott nach 

luliaimm nennt nur der Geogx. Rav. IV 16 Menodoros, der nach Eehm S.-Ber. Akad. Mllnch. 

S. 210, 11 Piaid. als Station an der StraBe Salona 1923, 8. Abh., 19 ins J. 178/77 fallt. Ein del- 
— Novae — ^Narona in Dalmatien zwischen Novas 50 phisches Dekret ftir das KOnigspaar setzte H o- 

und Tilurion an der Stelle, wo das Itin. Ant. molle vor 160 (Bull. hell. XXIII 1899, 96). Vgl. 

338 und die Tab. Pent. VI 3 die Station Bilubdo Haus soul Her Milet et Didymes 212. Mehr 

(Bd. Ill S. 472) verzeichnet. [Max Fluss.] s. P a i r i s a d e s. [v. Hiller.] 

S. 1106, 26 zum Art. Junius: Kaiiiiavia (Ethn. 'Kaixiiavol)^ Steph. Byz. Ein 

183 a) lunius Soranus [Ovviog HcoQavog). Den Teil Thesprotiens, spater Kestritis genannt. Siehe 

Namen dieses Statthalters der romischen Provinz den Art. K e s t r i a Nr. 3 und Kestrinos Bd. 

Scythia minor, im J. 372 n. Chr. kennen wir XI S. 358f. Lolling Hell. Landesk. 156. 
nur aus der Heiligenlegende des Sabas (Anal. [v. Geisau.] 

Bolland. XXXI 221); diese beriohtet von ihm, S. 1917, 10 zum Art. Kappadokia: 

daB er, auf Grund einos auf das J. 371 datierten 60 Sprache und alteste Geschichte. 

Schreibens des Basilius d. Gr. an ihn, verlaBlichen Die altesten Dokumente des Landes isind die sog. 

Mannern den Auftrag erteilt babe, die Leiche des ,kappadokisehen Tontafeln'; sie enthalten alt- 

Sabas, der bei den Goten dureh Ertranken im assyrische Rechtsurkunden, Geschiiftsbriefe und 

Flusse Museus den Martyrertod im J. 372 erlitten Verwandtes und stammen aus dem Ende des 

hatte (Genaues darliber bei Patsch S.-Ber. 3. Jahrt. (Zeit des Vizekonigs Sargon). Aus 

Akad. Wien. phil.-bist. CI. 208. Bd. 2. Abh. 57), diesen Dokumenten ersehen wir zunachst, daB 

SK xov ^aQ^aQiKov eig xijv Tco/^avlav zu bringen, die Staats- und Rechtsspraehe akkadisch war. Es 

was auch geschehen ist. [Max Fluss.] hat demnach K. in jener Zeit zum groBassyriseben 



139 Kappadokia Karische Sprache 140 

Reich gehort, worauf auch die Namen der GroB- Tenuis wechseln, wie Varianten derselben Namen 

kaufleute und die Bezeiehnungen der Behorden zeigen (vgl. Ki-kar-sa-an : Ki-ga-ar-sa-an). An 

hinweisen. In den Privaturkunden ,sind die Ein- Suffixen ist dentlich -umna als Ethnikon zu er- 

heimischen meist unter isich, die ISfprache ist da- kennen, vgl. Dunumna ,der ans der (in spateren 

her manchmal etwas holprig; auBerdem geistatten hethitischen Quellen genannten) Stadt Du-un-na' 

dieEN(=Eigennamen; ON = Ortsnamen) einen (vgl. Tvwa kataonische Stadt); Agali-urmn ,dei 

RiickschluB auf die Spraehe der Bevolkerung: sie aus (dem lydischen) AKeXrjg'; garsumnuman ,der 

tragen deutlich ein ,kleinasiatisehes* Geprage. Vor aus Charsumna' (d. i. ,die am kilikiscben PluBe 

allem finden wir kkinasiatische Lallnamen. Zwar KaQoog gelegene Stadt'). Dieses iSuffix kommt 
kommen aueh in Assyrian einige Kosenamen wie 10 spater aueh im Hethitischen vor und ist nach 

Bada und Tutu vor, aber immerhin konnen wir Ausweis von Aixxaf^vog ,die auf dem (kretisohen) 

die kappadokisehen Namen wie Dada, Budu, Kiki, Berge AIkt?] waehsende* Pflanze mediterran 

Nana, Lulu dn den .spateren kleinasiatischen EN (agaiseh). — Noch hedeutsamer sind die vorkom- 

wiederfinden, die doher nicht semitisch sind, da menden Ortsnamen; zwar sind sie haufig (durch 

der EinfluB der .semitischen Sprachen auf Klein- Suffixersatz) an das Assyrische angeglichen* aber 

asien auBerst gering ist. Zn den angefiihrten trotzdem lassen sie, mit den hethitischen Schrei- 

Namen YgLAadag m. phrygiseh, karisch; Aovdovg bungen zusammenigehaiten, erkennen, daB damals 

f. phrygiseh; Tovdovg f. kilikisch; Tovdco f. my- schon die ON mit dem n^f-Suffix vorkommien, was 

sisch; Z«;,;o? m. pisidiisch; Navag m. und f.; AoXr) gut zur Annahme paBt, daB dieses SfufJSx proto- 
f .^ lykaonisch. Ein zweiter Typus von Lallnamen 20 chattischen Urspunges ist. Als Beispiele seien 

sind die Eeduplikativa von Zweisilbern, wie sie angefuhrt Burushatim (hethitiseh Barsuhandas, 

fur das P r 1 c h a 1 1 i 9 c h e und Palaische Barsuhanta), Kuburnad (hethitiseh Kabburnanta), 

charakteristisch isind. In den kappadokisehen Andererseits kommen ON mit dem s-Suffix nicht 

Tontefeln sind dieser Art zu finden: Qada-gada, vor, weil idiese Namensbildung den Luwiern zu- 

Kulma-kulma,Kula-kula,Wala-wala und vielleicht zuschreiben ist, die erst um 1900 in Kleinasien 

Bu-u-i-du-u-i. Da diese Art der Reduplikation auftauchen. Dazu paBt, daB die bemalte Keramik 

eine grammatische Funktion gehabt haben dtirfte, dieser Zeit (Pundort Klil Tepe) vor- und unhe- 

ist sie in den spateren kleinasiatischen EN nur thitisch ist, wenn aueh ihre sonstige Einordnung 

ganz selten erhalten (abgesehen davon, daB in Sohwierigkeiten macht. Von den Assyrern wurde 
spaterer Zeit aueh Bildungen wie Baba zu Ba 30 das (Samsi-Adad, dem Ersten) tributpflichtige 

vereinfaeht werden); wir finden daher nur die Land (vom Taurus bis zum Halys) mdtum elitum 

einfaehen Namensstamme, vgl. Kadag m. iisau- ,obereiS Land' bezeichnet. Ebendenselben Namen 

risch; KvXXag m. phrygiseh, TovXag m. isaurisch; trug es in der hethitischen Zeit, denn KUR.UGU 

Ovalag m. isaurisch; Tviog m. lydisch; ein drit- der hethitischen Texte (,Oberland') muB akkadisch 

ter Typus an reduplikativen B'ildungen ist Gal- mdtum elitum gelesen werden. Der Name K. 

gala, garharon; vgl. dazu KaXXcov m. pisidisch; hingegen ist erst in den Achaimenideninsehriften 

FagyaQov ON. Die PN sind haufig zusammen- zu finden (altpersisch und elamiseh katpatuka, 

gesetzt; eine schone Zahl der Namensstamme akkadisch LANB katpatukka), wahrend die klas- 

findet sich in den kleinasiatischen EN wieder, sischen Autoren bis zu einem gewissen Grad an 
vgl. Axuelga {A^cov lyMscher FluB); ^sw^an 40 die alte Tl'adition ankntipfen, wenn fur sie der 

(Aooacov m. lydiisch); Bnasru, Variante Enisru Halys als Grenze der aVca !4.a/a gilt. — Literatur: 

(Evag f. lykisch usw., Uveig pisidisch); Balhaxia Lewy OLZ XXVI 533ff. Landsberger ZA. 

(nslKiGig m. barisoh 5. Jhdt.); Bulida-nahsu N. F. I 192ff. Lewy ZA. N. F. II 19ff. Gotze 

(BovXidag rhodischesiDemotikon) ; Bamsku (Boqco- Z A. N. F. VI 260ff . Die politisch-historische 

^ig pisidisch); Bumana (TofjLvog m. lykaonisch, Landesbeschreibung (mit Karten) bei Forrer 

TvfA,vr)g m. karisch 6. Jhdt.); Qani (Kavig m. ki- Forschungen I (Berl. 1926) 6ff. Sommer Die 

likiseh); gabatali (Xa§xa%ag m. lydisch); Eurwta Ahhijawaurkunden (Munch. 1932). S. Art. Klein- 

(KoQvdcov m. lydisch, XcoQbrjg m. pisidisch) ; asiatischeU r spraehe n. Hrozny Arch. 

^anwaa (Xvava f. lykisch); Kidar [KibQa-iAoag Orientd,lnl IV 112. [W. Brandenstein.] 

m. pisidisch usw., Ki'&aQig m. isaurisch); Sadahsu 50 KdotQiov {KaiQiovl)^ Kastell in Etrurien, von 

(2'a5a?m. isaiurisch); Talia (TalXmg m. kilikisch); den ROmern in den Samniterkriegen im J. 306 

Wadduan (Atvavag m. lydisch); Tarhunu (Tag- besetzt. Diod. XX 44. Sonst unbekannt. Es wird 

xcov), Interesssant sind aueh die EN Budhalia eins der Kastelle von Volsinii sein, da Liv. IX 

und Jf ac?ai(?ac?a, die 'spater als hethitischeKonigs. 41 zu dem genannten Jahre berichtet: Volsi- 

namen auftauchen (Tuthalias und Maduwattas). mensium castella aliquot vi cepit. [v. Geisau.] 
Besonders haufig ist das Namenselement -ahsu, Karische Spraehe. tJbersicht: A. Antike 

manchmal mit sar (Variante sara) erweitert, z. B. Zeugnisse. § 1. Lautlehre. § 2. Wortschatz. 

ffistahsu: Igistahsusar; vgl. dazu E^a-fivrjg Vater § 3. Wortbildung. B. Die epichorischen Quellen. 

des Tliales, A^a§cog f. pisidisch, und vielleicht § 4. Das Alphabet. § 5. Einheimische Namens- 
Axon karischer FluB. (Es darf vielleicht mit 60 stamme und ihre Bildung. § 6. Zur Interpre- 

dom protochattischen washuw gleichgesetzt wer- tation der Inschriften. § 7. Karische Orte in 

den, das in Ova^a-fioag kilikisch ,Gottmut' ent- hethitischen Quellen. 

halten iist). Die Beziehiingen dieses Elemente-s § 1. Noch zu Cicero s Zeit (orat. 25. 27. 57) 

zu nahsu (meist als zweites Glied, aber aueh ein- war der Tonfall karischer, phrygischer und my- 

mal Nahsu-sara) sind vorlaufig unklar, vgl. jeden- sischer Rede derselbe, d. h. vokalreich, wie das 

falls Ovava^og m. lykaonisch und lykisch nr. 116 bekannte Phrygische. Sie glich einem eanfus 

kelijdnakssa. Fiir den kleinasiatischen Charakter ohseurior und hatte etwas Klagendes (Eustath. 

dieser Namen ist bezeichnend, daB Media und Dion. 791 d-Qfivrjuxog), besai^ also wohl musika- 



141 Karische Sprache Karische Sprache 142 

lischen Wortakzent, wobei dunkle Vokale vor- 'AxQaiog Beiname des Zeas (vgl. den tyrrhenischen 

wiegend gewesen sein dlirf ten. Dahin weist wohl GN aker) ; 

auch die bekannte Nachahmung der barbarischen aXa ,Pferd' ; 

Bprechweise bei Aristopb. ^aodiwav (Vok.), aAa/Sa- ,Pferdestair ? (-wa ist kleinasiat. Suffix, 

laovav (Akk.), noQavva (statt ^coqtjv); denn nur das nach Ausweis des Lykischen feste Bauten 

das Karische verwendet sowohl im Inlaut als ausdriickt); 

auch in der Endung den Diphthong au auffal- 'AXafiavda ,Ort, reich an Pferdestallen' (kleinasiat. 

lend haufig; vgl. z. B. die EN (ON = Ortsname, -(a)nda = ,versehen mit, reich an'; vgl. For- 

PN = Personenname, GN = Gottesname ; unent- r e r Eeallex. I 150 ; Kretschmer Glotta 

behrliche Sammlung und Behandlung bei Sund-10 XXI 252); 

wall Klio Beiheft XI) "AQiavog-, "AKxavaooig: ^aXa ,Feld*?wegen Kcooto^aXov, der Name eines 

!4?i;T(»aaatg; epichorisch — o^^o = -t5?;?. Den Vokal- Feldes (vgl. KaotaPaXa kilikisch ON); 

reichtum des Karischen zeigen z.B. die EN, auch ^avba ,Sieg'; 

wenn sie in griechischem Gewand erscheinen, z. B. ysla ,K()nig' ; 

Yoocoirjg (m., 5. Jhdt.); sie zeigen aber gleich- yiooa , Stein'; 

zeitig ein weitgehendes orthographisches Schwan- yXovg ,Eauber' vgl. K?^ovg m. (kilikisch 2. Jhdt.) 

ken, was darin liegt, daB sich die Zeugnisse tiber tdr) ,Wald'; 

einen Zeitraum von beinahe einem Jahrtausend lf^fiQa/j,og, 1/^^Qaoog ,Hermes', vgl. Ifz^aQr/Xdog 

erstrecken. In dieser Zeit haben sich einige (m., 400), vom ON ^l(A,pQog\ 

karische, aber auch einige griechische Laute gQ- 20 KaKxd^rj ,Hengst'; 

wandelt, so daB es geboten ist, bei den vorchrist- KavvcoKog Beiname des Zeus; 

lichen Zeugnissen das Jahrhundert anzugeben, Ttamd'rj ein MaB; 

aus dem der Name stammt. — Das karische a na^a ^loopog''^ wegen Teaganohcg', vgl. Benve- 

war dunkel, vgl. Kgrjooco: Gressa; Exato^vag niste EHA I (1931) 52f. ; 

(m. lyk.): Enaxofjivcog (4. Jhdt.). Es besaB ferner KofAvgog, Kcofj,vQog Beiname des Zeus; 

ein sehr offenes e, welches bald mit a bald mit KvfAagia, Kv/ucoQta Beiname des Zeus und ON; 

s wiedergegeben wurde, vgl. AaQ^rjvog : AsQ/LiTjvog nvf^ivdig ein Raabvogel, xaXxlg, vgl. 

(Beiname); TJXaiovooa : EXsovooa (Insel); MaXia: Kv/unoosvg Beiname des ApoUon; 

MsXla (ON). Auf diese Eigenart wird ja auch KoXcoXdog ,Kampfer des Gottes Kol'; vgl. lu- 

der ionische Lautwandel ~ a> rj zurtickgefiihrt. 30 wisch^hethitisch (GN) flulas; 

Das Schwanken zwischen s und i mag — ange- xoXoooog ,Figur, dvdQidg'', 

sichts des geschlossenen griechischen € — nur Kxovp-coXbog m., 5. Jhdt. ,Kampfer der Vernich- 

orthographischen Hintergrund haben, well, wie tung' vgl. lykisch Tcthha- ,Yernichtung' (vgl. 

im Lykischen, das einheimische i mit dem ehe- Meriggi Kl. F, I 435); 

maligen E-Zeichen ausgedriickt wurde; vgl. :^v^ba ein Gewicht; 

IbvfAag \ EbviA,og (m.). Ferner muB das Karische Z?;Tj^-f/l?y|a«?m.,5.Jhdt.„derdieVernichtungliebt'; 

einen hellen E-Vokal gehabt haben; vgl. AaQ^rj- Kwg ,Schaf; Gefangnis, SchloBhof; 

vog : AaiQ^rjvog (Beiname); Hagavoog und Ugav- Aa^Qavba ,an Mauern reiche (Ortlichkeit)^; vgl. 

oog (ON); Ifx^Qaooig und ifxfiaQaooig (m., 5. Jhdt.). lydisch laprisa ,Mauerwerk'; 

Da die ,Barbaren' die griechische Aspirata nicht 40 Xd^Qvg, Doppelaxt' ; 

aussprechen konnten (Kretschmer Glotta XII Acov-dagyevg Beiname des Zeus; vgl. den klein- 

181), andererseits ihre Tenuis von der griech- asiatischen GN TarJcu; 

ischen erheblich abwich, ergibt sich ein Schwan- Mdo(a)aQig ,Dionysos*; 

ken zwischen Tenuis und Aspirata, vgl. Xaoxai Ndgaoog Beiname des Zeus; 

ON und Eaoxatog Demotikon. Hingegen muB ein Ncvsvdtog Beiname des Zeus von Nivorj ; 

Lautwandel der karischen Tenuis zur Media an- oaiog ,himmlisch'; 

genommen werden, da YXiaxrjg (m., 4. Jhdt.) oooycoa ,Zr]vouiooscdcdv\ d. h. wohl, der des Him- 

in spaterer Zeit OvXtadrjg lautet. (Letzteres Bei- mels und des Meeres'; 

spiel zeigt iibrigens auch, daB das Karische den navdf^aQog,navrjf^sQog 01^ mid Bemame des Zens; 

ionisch-attischen Lautwandel «*> -w n i c h t mit- 50 77a^«(j;,;(y? m., 5. Jhdt. = ,der Vorwarts'; vgl. 

gemacht hat). Auf eine scharfe Aussprache weist hethitisch -shha, das substantiviert. 

der Wechsel zwischen s und ss (da das Epicho- IlaQa-voacoXdog ,I)auerspeerkampfer', wegen hethi- 

rische keine Doppelschreibung kennt); vgl. laoog tisch para ,vor, weiterhin' (Kretschmer KZ 

und laoaog (ON). Eine weitere Eigenttimlichkeit LVII 254); d&,zvL IlaQcov (4. Jhdt.) m. ,Immer- 

zeigt der Wechsel zwischen U und Id, vgl. Mavo- zu' ? ; 

GcoXXog : MavooooXdog. Diese Eigenart hat sich UaQEix^oQdsvg Beiname des Zeus, Demot., vgl. o. 

in den siidlichen Sporaden bis heute erhalten, l(A,pQaf^og\ 

vgl. aXbog = aXXog (Kretschmer KZ LVII 255). i7«A5«-p^«m^-,ApollonschwesterS Name der Artemis; 

Ein mouilliertes I ist wegen der Schreibung i7i}6aoa ,die im Schwarzen gelegene' (sciL Stadt)? 

^vXecov usw. (in Kos) anzunehmen. QO Uridaoog ,Eappe'?; 

§ 2. Vermutlich karisch bzw. einer alteren Ilrjyaoa ,die im WeiBen gelegene* (soil. Stadt); 

Schichte angehOrend, sind folgende WCrter, Glos- Ilrjyaoog ,Schimmel'; 

sen usw. (vgl. insbes. Hirt Die Indogermanen Ilriyog ,weiB' (Malt en Glotta XVII 262); 

II 575): UoXefjiaQiog Beiname des Zeus; 

Anxa-va-ooig (4. Jhdt.), AngehOriger der Aktaiden- Prjf^^rjvodog Titel des Zeus ; 

familie' ; 2afj,covog m. (400) ^TiQod'Vixog'' ; vgl. kleinasiatisch 

ATixa-vaa-oiXXog (400) ,Speerkampfer des (Gottes) sa- ^tzqo', wegen od/LivXig = utQonoXig; welters 

Akta'; muwa = d'v^og (Priedrich Kl.F. I 359ff.); 



143 Karische Sprache Karische Sprache 144 

UaoKCjg m., 4. Jhdt. ,Vordermann' ; (^ ]jo ttt (TI r-H hH I j.^ 

laQ'vaocoXXog m., 6. Jhdt. ,der mit dem Speer -^^ vr ' " -^ 

aufwarts kampft*; vgl. hethitisch sara, ,auf- ^ te V | ^/ • • • • ^"^ 

warts*; ^ ^. ^^v _ _ 

iKiqixig ,Zw(5lfstadt*; T *^ AA W W ' ' * ^^ 

S::S; KTv ;i • • • to cDooeo sr 

ra^ff ,grofi*; < C pe ( Y mu)? 

ravGag ,GrdBeS vgl. lydisch tavsas, Beiname des 1_ '^^ 

ApoUon; 10 X le )C 1 r ^^ 

rovoovhi jZwerge*; ^-7 /• ox n n 

T^^na ,^^ai^5offS vgl. Tv^ro^ ON; V i^aQa?) jj U ja 

-ivfAviooog ,Rute, ScMferstab* ; /v re 14-1 M-* se 

vofoo? ,Spie6, Speer'; /^ iTl i^ 

^^^^^^^^^^i"^^^^ (Kretschmer KZ H. Aus einem westlichen Alphabete stammen : 

LVII 254, 2); A K A \ I 

og-, ogug- ,Meer', s. o. Vooycba; vgl. "'Qyriv, Ar^O^A * • • ^ N/^M'M " 

"X^yvyo?; "'Qyavog — 'Qnsavog; 'Qyvyrjg = iZo- . . , , on /-s r^ 

aetScai; (Kretschmer WZKM XXXIII 14). Q D " * '^ (== ^^^ U ^ ^ 

§ 3. Die erst am Ende der mykenisclien Zeit von 20 r • /" n ^ O a 

den Inseln (Lemnos usw.) her einwandernden Ka- Ln V^ ^ Y 

rer tiberschichteten die Leleger, so dafi viele EN A d R^P^^^G--r 

Sprachgutdieser (oder noch alterer?) seindtirften. "" irriTx 

Daranf weisen einige Bigenarten hin, die sich Efe ^^z * * ^ /^WAA/ A\ o^ ^ 

auch im librigen Kleinasien finden. Das Deute- CTlSyv^l'^^l^ "T 

prafix a- hat seinen altesten Bezug im (Proto-) r r /^ l^'^l"!^ 1 

chattischen (Kr et schm er Glotta XXI 86) ; in Ka- -p j z V Y Y 1/ u 

rien: %d'VfjL§Qa, am Flusse Ovfi^gog gelegen (vgl. -J — L ^l/i 

bei Homer &vfj,pQr] [Ebene] am 6v[A,§Qiog). Das ^ (^ t ^Hv P 

Suffix 'Ss- driickt die ZugehOrigkeit aus und er- 30 ^k ^ a * w xy 

scheint bei ON meist in der Form -aG(o)a oder ^^^A •••! N/TYYH^V*^ 

-aafcyjo?; vgl. Aoaaa ,die (Stadt) des 06ag^\ Ovaaoog 

,die (Stadt) des Vag', 'Adrjoaog ,die (Stadt) der III. Unklarer Herkunft sind: 

lAda(g/. Bei Personennamen hat es meist die /l. fl tt IX Di Pk p. vfri ivrl ^ — ^ 

Form -ao(a)ig, vgl. Oaaoaooig (5. Jhdt.) ,der znm q" ^ ^ tT t^ U • • • e, vgi. lya. ^i - . 

Orte Ovaaoog GehOrige'; auch die bekannten Snf- nVL/ LU wa? 

^xe 'li und -nd- finden sich in Karien (vgl. dazu ' 

Kretschmer 76ff.): IlioivdriXig (m., 5. Jhdt.) \A ^'^ . . wu; vgl. pamph. \/\ = w 

,der aus dem Orte Hlaivda Stammende*. Merk- 

wiirdig ist, da6 bei karischen Inselnamen das 40 IV. Grazisierend, d. h. ionische Streuzeichen 

Suffix -ussa vorwiegt, vgl. Cisserussa, Candy- sind: 

lussa, TevtXovaoa. Wichtig ist auch das genea- p ^ ^ ^ 

logische Suffix -wo (griech. geschrieben), vgl. • 

IAqisi^wv m. ,Spro6 der Artemis', 'Exdtcov ,Spro6 l^ \1 <J/ ^ 

der Hekate'. Auf verschliffenere Bedeutung weist Jv XI x 

IldQwv Jmmerzu' hin. | ^ , sonst Worttrenner. 

§ 4. Die — meist linkslaufigen — Inschriften 

sind vorwiegend Graffiti der karischen Soldner V. Ligaturen sind: 

in Agypten (Psammetich!), enthalten daher (p G a-hwo 
sehr unregelmaBige und wechselnde Buchstaben- ^0^ ' • 

formen. Die Texte (auch in Majuskel) sind yC\/\ mi-f-wu 

bei Friedrich Kleinasiat. Sprachdenkmaler 

90ff. zu finden (daselbst weitere Literatur). — Gegeniiber der auf Bork beruhenden Urn- 
Das Alphabet war urspriinglich die kyprische schrift Friedrich s mufi der Lautwert folgender 
Silbenschrift, auf die ein griechisches Alphabet Zeichen erwiesen werden: f) muB ein JE-Laut 
aufgepfropft worden ist. Letzteres ist dadurch sein, da ein griechisches Graffito aus Abydos das 
charakterisiert, dafi das Psizeichen den Lautwert erste s von ev&dde und das rj von fiX'&e durch •£> 
des Chi gehabt hat, wie bisher in alien epi- ausdriickt (Kretschmer Einleitung 381); 
chorischen Alphabeten Kleinasiens (H a m m a r - aufierdem zeigt epich. nr. 23 als Abschlufi das 
str6mStudiaOrientaliaII186ff. lehntdas ,rote*60Wort TVXf) ,Heir; nun wechselt £) mit 9, 
Alphabet als Grundlage ab); welters kommen in dieses aber mit a, daher mufi 9 als offenes a 
den Texten grazisierend vereinzelte Zeichen eines bestimmt werden. E ist, wie im Lykischen, fast 
— spateren — ionischen Alphabetes (Rhodos ein i; 4^ ist keine Aspirita, sondern palatal, da 
usw.) vor. Die Herkunft zweier Zeichen ist nicht es auch flir kj steht. X tann unmOglich h sein, 
sicher bestimmbar. well dafiir das Heta zur Verfugung gestanden 
I. Aus der kyprischen Schrift (vgl. Collitz ware; auch aus dem Lautwert eh kann es nicht 
Dial.-lnschriften 1, Schrifttafel) stammen: hervorgegangen sein, da das griechische Zeichen 

dafiir schon vergeben war. In gewisser Analogie 



145 Karische Sprache Katharsis 146 

zum Lydischen sei es als p bestimmt, da wir (vgl. lykisch ntmi f., nr. 143); ijmiwe (20); 

sonst keine Labialen hatteD. Zum Beweise obiger emiwu-h (61) ; -j9, vgl. kan-ope-p (37) (= Kavi^- 

Auf stellungen seien f olgende Schreibvarianten ^lov ? ON) : kuox-wope (44) ; -Jan vgl. Ijaleka : 

angeftihrt: kl-e-k-u-d-wo (m., 13a); k-a-hu-d-wo Ijalekd-jan-wo (37). Da in nr. 37 jedem EN ein 

(13 b); m-a-k-ja-se (m., 2 a): m-d-k-a-se (m., 2 b); solcber Name auf -janfolgt, scheint dieses Suffix 

n-e-p-wo (m., 29) : n-e-n-u-k (m., 55). — Die laut- die StammeszngehOrigkeit anszudriicken, worauf 

lichen Eigenttimlichkeiten, die § 1 aus den grie- insbesondere der Lelegername hinweist. Merk- 

chisch gescbriebenen EN abgeleitet werden konn- wiirdig ist auch nr. 66 jaunalka sad noeivo 

ten, bestatigen sich z. T. epichorisch. Falatales I mgdoswo rowonwo ak rowur ,zusammen mit den 
zeigen die EN l-ja-le-k-d (55; 37) = AsXsy eg X^lomQxn als Soldner ist N. (Sobn) des Mageus, 

(EinzaM A'|; daber nicht hethitisch Lulahes des Rowon hierher gekommen* o. a. Hier scheint 

trotz Hrozny Archiv Orientalny I 339, sondern -I ein Pluralzeicben (woven auch sonst Spuren 

^e ist protocbattischesPluralprafix); einenB-Vokal in Kleinasien sind), -ka aber ein Kommitativ- 

zeigt das Verbum r-p-r-u-s (34) ; daB er hell ist, suffix zu sein. Die Yerbalform roivur (3. Pf . Sing.) 

zeigt ro-re-u-l'iv-wo (m., 41; sprich -rju-) gegen- zeigt die gleiche Bildung wie rsaws ,hat begra- 

iiber der Schreibung ra-w-ro-l-e-o-n (m., 40; ben' (s. o.), rprus (34) und formale Verwandt- 

sprich -Ijon). Ein Scbwanken zwischen e und i schaft mit Ises (25); letzteres ist ein Plural, da 

findet sich in i-mi-wo (m., 49): e-mi-wu-K mehrere Personen aufgezahlt werden, die durch 

(m., 61). ra ,und* miteinander verbunden sind. Auch llwdsj 

§ 5. Yon den in § 3 festgestellten Suffixen 20 (38) scheint in diese Reihe zu gehOren, ebenso 

finden wir -ase in den EN makjase (2 a): Maywg ksnsos (31), wo k allerdings noch zum vorher- 

(m., lykaon); megktvase (51): MiKvd'og (m., gehenden Worte gehoren kann; w^^^tr (27) klingt 

5. Jhdt.); dwnose (13 a) ,der aus^waf'(?j; usw. an das Verbum roivur an. — An Titeln finden 

— Da bei Doppelnamen der zweite Name meist sich sad (66 ; 4- -^^, + -a 55) ,Soldner' ? ; kja 

auf wo auslautet, liegt wohl ein patronomes Suffix ,Mann* (wenn nicht = ka ,zusammen mit*); ferner 

vor, vgl. nr. 13 kekudldwnose-wo ,K., der (Sohn) das Titelpaar slwukowo ra kotvkowe (41), vgl. 

des Eunose*. Dieses -wo scheint auch im Hethi- dazu den lydischen Titel siluka- (Caucasica X 

tischen -was vorzuliegen, das dort mit ,Sohn' 73) und das Grundwort xv^ag = oogog, also 

Equivalent ist (vgl. noch kleinasiatisch Nawag : Eriedhofsbeamter o. a, Zur Reduplikation vgl. 
Navvoag, Bafiag: Ba^oag, Eadag: Kadoag). Vm- Z^ woro-woru-smi (53), protochattisch Gottin ^<?wr^*- 

fixe finden sich anscheinend nur beim Verbum, semu\ lykisch urssm[mi] m.; krkr (54), (teil- 

vgl. r-saw-s (44, von satvo = oova ,Grab') ,hat weise anders Bork A. f. 0. VII14ff.). h - 

begraben*. — An haufiger, insbesondere im Kom- § 7. Nach Hrozny und Salac (Archiv Orien- 

positum vorkommenden Namensstammen seien talni I 323ff.) dlirften folgende karische Ortlich- 

erwahnt: nazva in nawa-wwoso (39), nwa-tuji- keiten in den hethitischen Inschriften vorkom- 

jan (37), misif-nawo-wu (58); mawa in maio- men: 'AXa^avda = Valivanda; xa "Ahvba — Ja- 

nawO'Wope (43), mawa-jain (45); mauwo (64), landa; 7 Sq tag =: Adrms;'ldvfA.a= Ultimas-, Med- 

in gdne-ivauwo (63); shwo in kmiwo-skwo (11, f^aoa=:Mutaniutassa;XsQo6vr}aog==Eursanassa. 
vgl. Gami-sares m., 4. Jhdt.), wu-skowewo (48), [W. Brandenstein.] 

vgl. dazu Sundwall Klio, Beiheft 11 s. *sMfl^, 40 KaQttZvoc, ein samnitischer Stamm, Zonar. 

bes. 2ao?ccDg, 2Jso?ccog, 2vof<cog, m., Jhdt. und VIII 7, 1 (vgl. Dion. Hal. XX 17), wahrschein- 

0. § 2 IlaQaoxcog, weiteres Sundwall Klio XI lich identisch mit den Caraceni, s. Bd. Ill 

468; -wope in matv-nawo-wope (43), dtwawe- S. 1567. [v. (jeisau.] 

wope (51), esowwope (74 vgl. Eoova-HCjojiiTjr'yjg Katharsis. In diesem Artikel soil eine sy- 

pisid.), wopew (42) usw. {vgl. jEg/^tmig m., 5. Jhdt.: stematische Ubersicht tiber die Erscheinungen ge- 

Qmg Nymphe auf Delos). geben werden, die unter die Begriffe Reinheits- 

§ 6. Die En tzifferung der karischen Inschriften vorschriften und Reinheitshau'dlungen fallen, so- 
leidetbesonders darunter, daBnur drei(odervier?) weit sie im Gebiet der antiken Religion und 
Quasibilinguen vorhanden sind, und z war agyptisch- Magie bezeugt sind, da eine solohe im Art. Ka- 
karische, namlich nr. 40, 45, 75 und vielleicht ^Od'aQ fA,6g in Bd. XI vermifit wird. Dabei ist 
51. Die klarste ist nr. 75 (Kretschmer Klein- VoUstandigkeit nur bei der systematisehen Auf- 
asiat. Forsch. I 3181f.); sie lautet zuerst agyp- zahlung der Hauptgruppen beabsichtigt, nicht 
tisch ,Horus, Horus?, laB leben*, und nach einem aber naturgemaB bei der Materialsammlung zu 
Abstand mdead, d. i. ,den I'. Daher dlirfte die den einzelnen Erscheinungen, Riten und Vor- 
Eorm mdead als Obliquus aufzufassen sein. Dann schriften. Solches wiirde ein umfangreiehes ntitz- 
ware nr. 1 meseive zu tibersetzen ,(ich bin der) liches Buch ergeben, das auch gewiB noch einmal 
des Mesewo (des Mese'iden)', vgl. lykisch 7nizu zu schreiben ist und in dem dann auch der Be- 
rn., bil. nr. 32 = Msoog. Dieselbe Endung weist griff des Siihneopfers, der in Stengels Arbei- 
auch der Obliquus des ON Kqtjooco auf, vgl. nr. ten eine nicht ganz klare RoUe spielt (s. o. Bd. XV 
13 b: do KBEIH dvnos ndkudvo e ,aus Cressa60S. 3441), genauer untersucht werden mtiBte; 
Evvovg, der Kakuaide ,bin ich'. Dal^ e ,bin ich* s. Bertholet RGG^ V 873ff. Die Literatur- 
bedeutet, geht aus der Variante 13 a hervor, in angaben und die antiken Zeugnisse habe ieh je- 
der e an anderer Stelle steht: dvnos e kekudwo weils so eingerichtet, daB man von ihnen aus 
^Evvovg bin ich, der Kekuaide*. — Indeklinabel sich leicht die weitere Sammlung des antiken 
scheint der Name der Gottin Ma zu sein, wie Materials beschaffen kann. 

nr. 12 zeigt: ma klekudvo ,der Ma (gedenkt) der Literatur: E. Rohde P6yche2. Wach- 

Kakuaide*. An Suffixen lassen sich noch fest- ter Reinheitsvorschriften im griech. Kult (RVV 

stellen -k, vgl. imiwo (4% ,Sohn des (der?) Imi* IX 1, 1910). Fehrle Die kultische Keusehheit 



147 Katharsis Katharsis 148 

im Altertum (RYV VI, 1910). Williger Ha- Seele von jzovrjQla und ayvoia reinigen. Es gibt also 

gios (RW XIX 1, 1922). Arbesmann Das eine K., die ein jrai^o? der Seele beseitigt, wie die 

Fasten bei den Griechen u. Romern (RW XXI Arztekunst den Korper von einem ndd-og reinigt. 

1, 1929). Eitrem Opferritus u. Voropfer der Nun treten wir von dieser PlatonsteUe ans, 

Griechen u. Romer, 1915. P. Stengel Die anstatt wie es Bern ays Zwei Abh. tiber die 

grieeh. KultnsaltertumerS 1920. Pfister Die aristotelische Theorie des Dramas (1880) tat, von, 

Rel. d. Griechen u. Romer (Jahresiber. CCXXIX, den Medizinern aus, an die aristotelisehe K. her- 

1930). Daremb. -Sagl. Art. Imstratio. S. an, freilieh in dem 'BewuBtsein, dafi diese Defi- 

auch Bd. XIII Art. Lustratio, Lustrum. nition der Tragodie, seit man sie kennt, ebenso 
tTber (die prinzipiellen Pragen babe ieh bereits 10 schadlich fiir die Literaturasthetik gowirkt hat 

in den Art. Askese, Rein, Reinigungen in RGG^ wie des Aristoteles Zeugnis tiber den Ursprung 

und in den Art. Exorzimus, Heilig im Hdwb. d. der Tragodie fiir idie Literaturgeschichte und der 

d. Ab. gehandelt. An neuem Material s. noeh be- Politiker Aristoteles fiir unsere Auffassung vom 

sonders das heilige Getsetz von Kyrene (Text jetzt antiken Staat, und daB die ungeheure auf die 

auch bei Solmisen Inscr. Gr. ad inl. dial.^ Erklarung verwendete Mtihe (vgl. Cooper- 

nr. 39; dazu lit. bei Bohringer Arch. Anz. Gudeman Bibliogr. of the Poetics of Ari- 

1929, 4011 Latte Arch. 1 Rel. XXVI [1928] stotle, 1928) sich nicht recht gelohnt hat. Wenn 

41 ff.) und die von Herzog neu besproohenen die Tragodie naeh der Ansicht des Aristoteles bt' 

heiligen 'Gresetze von Kos (Abh. Akad. Berl. elsov xal (po^ov rrjv rcoo^ roiovxcov Tta'&rjfidtcov 
1928, 6). Literatur zum einzelnen in meiner 20 ^a^w^ty^j' vollbringen soil, so handelt es sich auch 

RGR (=: Rel. d. Gr, u. R.). hier um :n;d^ xfjg ipvxfjQ, namlich um Furoht und 

Terminologisches. Zunachst seien die Mitleid, und das x^'^Qov dieser did^Qcaig sind eben 

wichtigsten Termini zmsammengestellt und dabei solehe na&rjfjiaxa^ wahrend das ^slrlov die Seele 

jeweils mindeistens auch der alteste Beleg gegeben. (des Zuschauers) ist, die von jenen befreit wird. 

Ead'alQco. II. XVI225ff.: AchiUeus nimmt Denn, so sagt Aristoteles (Polit. VIII 7, 1342a 

zur Weinspende einen Becher, der tabu war, so 11), es gibt fiir Leute, die zu Furcht und Mitleid 

dafi niemand aus ihm trinken durfte und der nur leicht neigen, eine K., wie es eine K. gibt fiir 

zu Spenden an Zeus, nicht aber an andere Gotter Leute, die zum ivd'ovoiaofyiog neigen. Die letzte- 

verwendet wurde, und reinigt ihn mit Schwefel, ren werden durch isga fisXrj geheilt und gerei- 
sodann sptilt er ihn mit Wasser aus. Das Wort 30 nigt, die ersteren, wie wir aus der PoetS er- 

;kommt zu? Bezeichnung profaner Reinigungen sehen, durch die Tragodie. DieWirkung derTra- 

iSrel "^ilomer noch ofters vor. Herodot. I 35. 43ff.: godie ist also vergleichbar der Wirkung der 

Reinigung von Mord. Herodot. I 64. Thuk. I 8. Had>(XQtL>ca ^sXrj. Furcht und Mitleid sind nd'&rj 

III 104: Reinigung der Insel Delos von den Gra- der Seele (Arist. Eth. Nik. II 4, 1105b 22), die 

bern. Herodot. IV 73: Reinigung nach dem Be- immer wieder, tso auch durch die Vorgange auf 

grabnis. der Btihne, erregt werden konnen. Aber die K. 

Ka'&aQog. Od. IV 750. XVII 48: Anzieben soU sich nicht auf ein einmaliges ndd'og beziehen, 

eines reinen Gewandes vor dem Gebet. Herodot. sondern auf die Eigenschaft, fur solehe Tidd'Ti dis- 

I 35: ov Ka'&aQog xsiQag wegen Mordschuld. poniert zu sein (nddrjiAa). Wer also etwa evKivrj- 
Aisehyl. Eum. 313. 40 tog vno (p6§oiv ist, hat die Eigenschaft der bedia, 

Kdd'aQo ig. Herodot. 1 35: Von Mord; und fiir ihn voUbringt die Tragodie eine xd^aQ- 

ebenso Plat. leg. IX 868. 872 E. oig rfjg dsdiag. Und gerade die dedia wird von 

Plato, bei dem die Worte xa'&acQco, xa^aQog, Platon als vooog rfjg ipvx'^g genannt, die durch 

ndd-aQGig, xa'&aQf^og usw. oft gebraucht werden, die K. beseitigt wird. So wie jene kathartischen 

gibt (Sophist. 226 C ff.) eine Definition der Lieder die ipvxal nad^xiKal heilen, so auch die 

,Scheidokunst* [rsxvri diaKQitiHri, didnQiotg) und Tragodie die Seelen, die leicht zum Ttd'&og von 

eine Zerlegung dieses Begriffs in seine Unter- Furcht und Mitleid neigen. Auch hier ist wie bei 

abteilungen. Die didxQioig scheidet entweder Platon die K. eine didtcQioig, durch die eine voaog 

Gleiches vom Gleichen, oder das Schlechtere vom von der Seele g^schieden wird. DaB dies im letz- 
Besseren (to x^'^Qov aTio PsXrlovog). Dieser zweit^ 50 ten Sinn eine moralische Wirkung ist, ist unbe- 

Teil der Kunst wird Ttad-oQixog genannt und er streitbar. Es handelt sich also hier um eine 

hat es entweder mit der Reinigung von Korpem homoopathische Heilung: Disposition zur Furcht 

zu tun, und zwar lebendiger und lebloser; mit wird durch Erregung der Furcht geheilt. Davon 

der K lebendiger Korper befaBt sich die xexvri spricht aber auch sonst Platon gelegentlich, so 

yvfivaoxtKr}^ welche die BaBlichkeit {aloxog), und besonders leg. VII 790 C ff., wo er zum Vergleich 

die xexvrj iaxQiari, welche die Krankheit {vooog) xa xcov KoQv§dvxoiv Idfmxa heranzieht. Die kory- 

zu entfernen hat. Oder der nad'aQiiog bezieht sich bantisch Rasenden werden durch homoopathische 

auf die Seele, und auch da handelt es sich um Mattel geheilt, namlich durch Anwendunig von 

eine Scheidekunst, um die Haxlag dq)alQsoig, die Tanz und Musik, also die stark Bewegten werden 
wieder in zwei Arten zerfaUt, in die Rechts- 60 wiederum durch eine starke Bewegung geheilt. 

pflege, die -sich gegen die novfiQia^ eine vooog Diese Raserei der Korybanten ist ein uid^og, eine 

yjvx^g, wendet, und die xsxvfj dibaoTtaXiKYj^ die (pavXrj s^ig xfjg ipvxvs, eine Furcht. Durch jene 

gegen die ayvoia, ein aloxog der Seele, sich rich- Heilmittel wird von auBen eine neue Ersohiitte- 

tet. So sind also Gynmastik, Heilkunst, Rechts- rung herangetragen und diese bezwingt die innere 

pflege und Lehrkunst Tta'&o^fxoi, von denen die Kivrjoig, die ©ine cpo^eQa xal fAavt^r] xlvrjocg ist, 

zwei ersten aloxog und vooog des Korpers, die eben eine juavia, eine vooog, und bewirkt so eine 

beiden letzten vooog und aloxog der Seele zu be- jMeeresstille des Gemuts* (yaXrjvr}v nal rjovxtav 

seitigen haben, indem die beiden letzteren die sv xfj yjvx^) und so wird anstatt der (xaviKri did- 



149 Katharsis Katharsis 150 

Seoig eine s^ig sjnqpQcov hergestellt. Und so be- TI sq iQQalv m kommt .seit Aristoph. Lys. 

wirkt auch nach Aristo teles die Tragodie durch 1130 haufig vor, ebeaso das dazu dienende Gerat 

die Erregung des ndd'og (Furcht und Mitleid) jtsQiQQavxiqQiov^ zuerst bei Herodot. I 51; vgl. 

eine K. der Seele, d. h. eine Beseitigung der na- Bolkestein Theophmstos' Charakter der 

Srjrtfi^ bMsotg. So spricht Platon noch des oftern Deisidaimonia (iiW XXI 2) 63ff. und die u. 

von einer K., wodurch eine Krankheit gelieilt iiber das WeihwassergelaB gemaehten Angaben. 

wird (vgl. Feistschr. Cimbria 1926, 55ff.), nnd so tTber die nsQiQQavtriQia trfg ayoQag s. Aischin. 

dienen aueh die diony-sischen Mysterien ad purga- I 21. 11 176 und Schol. — Weiteres bei Her- 

tionem animi (Serv. Oeoirg. I 166. II 389), so zog 21f. 
daJB die Eingeweiliten die ,Reinen' heiBen. 10 TIsq iKanv l^co. Pap. mag. Leid. XIII 36 

Kad'aQxrjg, Hippokr. de morbo s. p. 271 p. 89 Preis. tlber kathartische Raucherungen s. 

Wal. : (Adyoi rs ^al ^cad'aQtal xal dyvQtai nal oka- Bd. IAS. 284f . Auch nsQi'&vfAidco und spe- 

Cdveg, ;Soph. El. 70. Aristoph. Vosp. 1043: dXs- ziell neQt'&sioco wird gebrauoht: Menand. p. 126 

^UaKov rfjg xcoQag rffods na'd'aQtfjv. Jensen. Pint euperist. 7, 1681). Hesych. s. uisql- 

Fiir jia^oDQ fxog s. die Stellensammlung d'sicboar. nsQiHa-d'aQai, KVQicog 'd'sico. Plat. Krat. 

Bd. X S. 25131, fiir nad' aQ o log Bd. X 405 A: rj ndd'aQoig Kal ol Kad'aQ^iol koI naxa trjv 

S. 2519, wo aber nur das Epitheton von Gott- latQtKrjv tcoI Tcazd ztjv f^avxiKr^v ?eal at rdig iaxQi- 

heiten beriicksichtigt ist. Aisdiyl. Eum. 449: xoig q)aQ[jLdHoig nal at xolg iiavxindig uteQi'&siwGEig 

al/ua xad'aQoiov, das Blut, das bei der K. verwen- xs xal xd XovxQa xd iv xolg xocovxoig xal at jtsqi- 
det wird. Heroidot. I 44: Zeus Kartharsios. S. 20 QQdvostg, ndvxa sv xi xavxa bvvaix' aV, Kad'agbv 

weiter Herodot. I 35. Soph. Ant. 1143. Eurip. naQsxsiv xov dv&Qcojiov xal naxd x6 oa>fA,a nal 

Hel. 869; Here. 937; Iph. Aul. 1472; Iph. T. 1225. ^caxd xrjv 'ipvinv, 

Kd'd>aQ fxa bedeutet im Plural soviel wie 11 bq if^dooco. Menand. a. 0. : uisQi^a^d- 

K., Eurip. Iph. T. 1316. Als xdd'aQfAa wird auch xcoodv o' ai yvvalHsg sv kvkIcp Kal TieQi'd'scoad- 

der q)aQf4,aH6g bezeichnet, d. h. also als Mattel xcooav and kqovvcov xqiwv vdaxt nsQiQQav^ B^§a- 

der K., und schHeBlich wurden q)aQfA,aK6g und kcov aXag, cpaKovg. Plut. quaest. Rom. 68: nal 

Tid'&aQixa Schimpfworter; Gnomon 1929, 95f. Bei xfi ^E^dxYf onvldma iiexd xwv dXXcov Ka'&aQotcov 

Aristoph. Ach. 44 wird mit ivxog xov na'd'aQfJiaxog en^pegovoi nal nsQiixdxxovoi onvXaxlocc xovg dy- 

der innerhalb des Reinigungsopfers liegende Ge- viO[A,ov dsofytivovg, TzeQtaKvXaHcofyLov xd xoiovxo 
richtsplatz bezeiehnet, wie von amdem geweihten 30 ysvog xov xa'&aQjxov nalovvxsg, Plut. de superst. 7. 

Platzen Lukian. de sacrif. 13 sagt: xd fxev nQo- Daher szeQiixaxxQia di-e Hexe; Plut. de superst. 

yQafAfjid cpTjOi jutj TiaQievai ig xd sioco xwv nsQiQQav- 3, 166 A. Vgl. Hesych. s. djtofyidxxrig' TzsQiHad'aQ- 

xrjQicov, doxcg (A,r] xad-aQog soxi xdg xei^ag^ und xrig. Poll. VH 188: dnoiidnxQia. RohdeII406. 

wie Pollux I 8 allgemein erklart: uri 6' dv 6 Ganz ahnlich jzsq iipdo). Daher nsQiyjrjfAa 

fA,sv e'iao) TzsQtQQavxrjQioyv xonog sv&sog, leQog, na- in der Bedeutung q?aQfA.a?edg einmal von Phot. 

'd'csQCOf^svog, xa'&coGccDf^svog, dpiprjlog. Uber die 425, 3 als ocoxrjQla xal d7iolvxQo:)Gig erklart mit 

dazu gehorige TtQOQQrjoig s. u. dem Bemerken, man habe dem jahrlich ins Meer 

Wenn hier nur die wichtigsten mit K. auch gesttirzten Jiingling nachgerulen jisQiiprj(A,a ruicbv 

sprachlich zusammenhangeaiden Worter genannt ysvov^ dann aber auch in der Bedeutung Auswurf, 
sind, so soUen im folgenden diejenigen Worter 40 Abschauim, 1. Kor. 4, 13 u. o. 

zusammemgestellt werden, die \sich tiberhaupt auf t^ber den eben erwahnten nsQ lonvXa- 

Reinigungen beziehen, und die mit jisqI zusam- KiofA,dg is. noch Pint. Rom. 21. 

mengesetzt sind. Die Haufigkeit dieser Kompo- tlber neQ loxolviov, nsQiaxoivl^o) s. Bd. XI 

sita hangt damit zusammen, daB der Umgang S. 2139; tiber nsQioxiaQxog, nsQiGxia Bd. V 

und die Umwandlung bei der K. eine so groBe S. 2173. VIII S. 1280f. Eitrem 177f. 249. 

RoUe spielt, woriiber s. u. U sq ixdfA,v o fxai, Vgl die Kultgesetze von 

n EQ iKad'aiQ 0), Plat. Kritias 120 A. Ari- Kos bei Herzogl5. 17. 21. 

stot. frg. 454 (FHG II 188): nsQiKad'alQovxsg TLsqix^^^- Lucian. de sacrif. 13: o tsQevg 

sTtaoibaig^ s. o. S)uppl.-Bd. IV S. 322f. Hippokr. ... to at^a rw ^oyjuicp tieqixeo^v. 
de morb. isacr. ed. Wilam. p. 271: utBQina'&aiQwv hO IIeq K^dsw. Loician. Philop. 9: maoidlaig 

xal [xayevoiv. Theophr. Char. 16. Dio Chrys. 48, TisQicobrjoavxsg. Vielleicht gehort hierzu Hesyeh. 

17. Hesyeh. s. 7tsQiKad>aiQ0i>v, Suid. s. uieqigxI- s. nsQiaoibog* rj EynvuXiog (X)drj. 

aQxog, CoDiStit. apost. VIII 32, 11 p. 536 P: zur Hesyeh. is. neQisQEia: Kad'aQola ist verdorben 

Taufe werden nicht zugelassen ^wayo?, ejtaoidog^ und bezog sich wohl aufdenapotropaischen WoU- 

... 7isQid{A,fMLxa Tvoicov, TtsQtKa'&atQcov. Pap. mag. faden i^sQiov, s'Iqiov), also n eq is q la* Tta'&dQGia. 

VII 522 p. 24 Pr. S. noch Hesych. s. tcsqiqqe^eiv xd ijtl xolg xa^aQ- 

n EQiKa'&aQXTig. Pap, mag. XXXVI 158 Gioig 'dvsiv. 

p. 168. Hesych. s. djiof^aHxrjg* nsQiKad'aQXTjg. — UEQi^dyfAiovm eiuer Inschrift aus Bul- 

Vgl. Hesych. s. "d-sco/iaxa' xd nEQixa'&aQxriQia. garien (Seyrig Rev. hist, des rel. Ill C [1928] 

E eQiTid'&aQ (A,a kann ahnlich wie ndd'aqiia 60 275f.) bedeutet den (geweihten) Bezirk rings um 

Slihnopler (LXX Proverb. 21, 18) und Schmutz, den Altar; ebenso ist ndv&Eog uisQi^wfA^iof^dg (In- 

Auswurf (Bpiktet. HI 22, 78. 1. Kor. 4, 13) schrift aus Milet; Wiegand Abh. Akad. Berl. 

bedeuten. 1911, 63f. Pr. Jacobi Udrxsg d'sol^ Diss. Halle 

IJsQiayvUQ), Dion. Hal. VH 72, 15: xd 1930, 49) aufzufassen. In der erstgenannten In- 

lE^d xa^aQcp nsQiayvioavxEg vdaxi. Plut. soU. an. schrift bezieiht sich TisQipcbfjiiov auf den Toten- 

974 C: ol 6' lEQEig vdaxt x^<^^^«^ uzEQiayvl^ovxsg kult, ebenso oi nEQi^cbfxioi in einer Inschrift von 

savxovg. Lucian. Nek. 7: tjiEQiriyvios dadloig. Vgl. Melos (IG XII 3, 1126) und der avXdg imxi^dsiog, 

Hesych. s. iyxiXixiGXQta: nsQiayvloxQia. den Mdas zu einem nEQi^cb^iog machte povXo- 



151 Katharsis Katharsis 152 

iA,svog tPjv iavrov fA,rjzsQa anod'ewoat lelsvxrjoaoav das im GotMschen hailag heifit und zu dem hails 

(Suid. s. ehyog). gehort, womit Uliilas in seiner Bibelubersetzimg 

n sQ InvQov, ein Kultgerat ausMeta.ll, das vyti^g (Job.. 1, 23), loxvcov (Matth. 9, 12) wieder- 

als Tell des Rauchergefafies zur Aufnahme des giht, ferner aneh hailjan (d-sQanavsiv Matth. 9, 

Feuers diente (Syll.^ 996, 13), wohl aber auch 35; idod'ac Luk. 5, 17) gehort, diese Bedeutung 

als selbstandiges Oerat bei der Reinigung durch (P f i s t e r Oberdeutsche Ztschr. f . Volksk. VI, 

Feuer Verwendung fand (IG XI 2, 203 B 45. 1932,1371). Benn hailag, zu /iai? (Kraft, Tiichtig- 

219 B 53). keit) gehorig, bedeutet ursprunglicfa das Starke, 

Fiir das Lateinische sei auf cireumferre ver- das mit besonderer Kraft ErfuUte; vgl. Giin- 
wiesen, das in der Bedeutung liistrare seit Luci-lOtert Der arische Weltkonig 105. Ochs Beitr. 

lius zubelegen ist; vgl. Marx zuLucil.64S.31f. z. Gesch. d. d. Spr. u. lit. XLV (1921) 109f. 

Rein und 'Heilig. Die Beaehtung der So konntse hailag neutral aUes bezeichnen, was 
Reinheitsvorschriften und die ReiQigungshand- mit besonderer Kraft erfiillt war, das Reiae und 
lungen sind ein Teil des Kultes. In dem Art. Heilige wie das Unreine. Durch die Christiani- 
Kultus (Bd. XI) sind alle Kulthandlungen sierung hat das Wort dann iseine ursprungliche 
je nach dem Zweck, den sie verfolgen, in vier Bedeutung verloren und als ,heilig' die heutige^ 
Gruppen eingeteilt, zu denen im Art. Kult im Bedeutung erlangt. Genau ebenso steht es aber 
Hdwb. d. d. Ab. nooh eine funfte Gruppe hinzu- auch mit dycog; vgl. W. Kroll Festschr. z. Jahr- 
gefugt wurde, diejenigen Handlungen, die man- hundertfeier d. Univ. Breslau 1911, 479ff. Wil- 
tischen Zweeken dienen. Die Reinigungshandlun- 20 1 i g e r a. 0. Pfirster RGR 114ff. 'ACso'&ai 
gen gehoren der Gruppe an, die dort als apotro- bezeichnet die Seheu vor jedem Orenda, mag 
paiseh-kathartische Kulthandlungen bezeichnet di^eses nun gut oder bose sein, also die Scheu vor 
und (Bd. XI S. 2177ff.) besprochen sind. Sie dem 'Heiligen und vor dem IJnreinen, und ay tog 
haben den Zweck, die (personlichen oder unper- bedeutet ,zu scheuen*, deswegen zu seheuen, weil 
sonlichen) Krafte und Machte, fernzuhalten oder etwas mit besonderer (guter oder boser) Kraft 
zu vertreiben, wenn man sie als schadlich, bose, erftiEt ist. Wenn aycog im Sinne von jheilig*" 
ifnrein erkannt hat. Religionspsyehologisch ist auch meist die gute Kraft kennzeichnet, .so hat 
die Entstehung der magisch-religiosen K.-Hand- doch z. B. Kratinos es im Sinn von fxiaQog ge- 
lungen auf folgende Weise zu erklaren. Der ma- braucht (Bekker Aneod. I 336), navayrjg heiBt 
terdelle Schmutz und die materielle Unreinheit 30 ganz heilig, gelegentlich aber auch ganz verflucht, 
ist das primar Gegebene. Daran kniipf te sieh ein Evayrjg bedeutet ,mit einem fjulaofxa behaftet*, wird 
magisch-religioser Glaube: Die Unreinheit enthalt aber auch als svayrjg erklart u, a. m.; P'hilol. 
schadigende Krafte, ein Glaube, der sieh weiter- Woch. 1923, 358f. tJber eine ahnliche ,Doppel- 
entwickelte und noch in dem heutigen Volks- poligkeit^ im Germanischen vgl. Alfr. Wolf Die 
glauben vorhanden ist, wonach im Schmutz, im germanisehe Sippe Bil, 1930. Vollkommen deut- 
Kehrricht bose Krafte vorhanden sind, bose Gei- lich kommt aber der die bei den Pole zusamm mu- 
ster hausen; vgl. Karle Hdwb. d. d. Ab. I;V fassende Oberbegriff zum Ausdruek in dem poly- 
121 Iff. Dieser Glaube an die magische oder da- nesischen Wort Tabu, das die Eigensehaft eines 
monisohe Kraft der Unreinheit fiihrte zu dem Objekteis kennzeichnet, das liber besonders starke 
Streben nach Entfernung .dieser Unreinheit durch 40 Krafte verfiigt, vermoge deren es auf andere Ob- 
rationelle und magische Mittel, also zu Reinigun- jekte, die ohne solche Krafte sind, wirken kann 
gen. Reinigungen, auch bloJSe Waschungen mit und das im Verkehr ein besonderes Verhalten 
Wasser, sind also urspriinglich jtranszendente* dieser Objekte verlangt. Diese Kraft, die dem 
Handlungen, wobei ,transzendent' das bezeichnet, Tabu-Ob jekt zukommt, ist an sich neutral, sie 
was aufierhalb des Ich, des Subjektes, liegt und kann gut oder bose wirken, kann als rein oder 
in hoherem Grade als das Subjekt wirksam ist, unrein angeisehen werden. Diese Kraft ist iiber- 
was also transsubjektiv und kraftbegabt ist; vgl. tragbar, etwa durch Beriihren; sie ist auch erb- 
RGR 24ff. Mit solchem haben es urspriinglich lich und wird vom Yater auf den Sohn weiter- 
die Reinigungen zu tun und solche Krafte zu ent- geigeben. Die Tabu-Kraft kann dui^ch eine noch 
fernen ist ihr urspriinglicher Siinn. Erst sekun- 50 starkere Kraft gebrochen werden; unreine Krafte 
dar werden Reinigungen ein profanes Mittel, um konnen durch andere Krafte beseitigt werden. 
sich sauber zu halten, erst sekundar entwickelt Vgl. jetzt F. Rud. Lehman n Die polynesischen 
sich das profane Reinlichkeatsbedtirfnis. Und noch Tabu-Sitten 1930; dazu Oberd. Ztschr. f. Volksk. 
spater kommt es zur Ethisierung: Unreinheit ist 1932, 131ff. 
Stinde und Siinde ist Befleckung. In diesem Zusaanmenhang ist es nun erwah- 

Nun sind zwar fiir uns ,rein* imd ,unrein* nenswert, dai3 nach grieehiischem Branch ge- 

polare Begriffe, die etwas Gegensatzliches be- legentlich Dinge, die durchaus als unrein gelten, 

zeichnen. Aber bedde haben auch etwas Gemein- in HeiHgtiimer geschafft, als Weihgeschenke ge- 

sames: Das Reine und Heilige ist zu seheuen, weil stiftet oder sonstwie mit dem Heiligen in enge 
es mit guter, reiner, aber besonders starker Kraft 60 Beziehung gebracht werden. So verunreinigt Ge- 

erfuUt ist, und ebenso ist auch das Unreine zu hurt, Kranfcheit, Menstruation und Tod sowohl 

seheuen, weil es bose Kraft enthalt. So laBt sich den Mensohen, der 'damit :&u tun ihat, als auch 

fiir beide Begriffe rein und unrein ein Oberbegriff alles, was damit in Beriihrung kommt. Und nun 

bilden: mit besonderer Kraft erfiillt und deshalb brachten Wochnerinnen (Wachter 27), Kranke 

zu seheuen. Fiir diesen Begriff, der sowohl das (Wachter 43) und Madchen nach der ersten 

Reine und Heilige als auch das Unreine umschlieBt, Menstruation (Wachter 37) ihre Kleider ge- 

haben wir im Neuhochdeutschen kein Wort mehr. legentlich einer Gottheit dar und ferner haben 

Wohl aber hatte das gemein-germanische Wort, wir zahlreiche Nachrichten von Grabern, die sieh 



153 Katharsis Katharsis 154 

in Gotterheiligtumern befanden (P f i s t e r Reli- Askese, Keuschheit, Reinheit, deis Fastens usw., 

quienkult II 450ff.). Die 'dred ersten Falle wer- wodureh ein Menseh dyvSg wird, halt schwaehende 

deal, wenigstens fiir die historische Zeit, mit Recht schadliche Einfltisse fern und verleiht Kraft. So 

wohl so erklart, da6 dureh diose Darbringnng werdem die in die Mysterien Eingeweihten, die 

das Tabu der Gewander nind die in ihM&a woh- sieh der Reinigungen unterzogen haben, als die 

nende: nnreine Kraft unsohadlich geanacht werden Reinen (ooioi) bezeichnet, R o h d e I 288, 1 . 

soil. Das hatte man freilieh audi auf andere Art II 127. 

tun konnen, indem man die Oewander irgendwie !Ayvsiai unid nad'aQ fA,o l, Der Zustand 

beseitigte. Urspriinglich dachte man sieh die der Reinheit, der fiir den Menschen im Verkehr 
Kraft, die in den Oewandern wirkt, eben als 10 mit den Gottern verlangt wird, kann erreicht 

neutral, als ,heilig', eben lediglioh als stark wirk- werden durch die Abwehi drohender Beflecbun- 

sam und braohte sie deshalb dorthin, wo sieh gen und dureh das Beseitigen bereits vorhande- 

noch mehr soleher Kraft befand, m tabuierte ner Befleekungen. Diese Zweiteilung gilt sowohl 

Statten. Und ebenso steht es mit den Toten, liber fiir die romisehe Lustration (W i s s o w a 2 390) 

die ja vielfach, auch bei den Grieehen, eine dop- als auch fiir die grieehisehe K. (H e r z g Arch, 

pelte MeinufDig herrschte, die sieh auch im Kult f. Rel. X 400ff. Waehter If.). Danaeh lassen 

kundtut: Die Kraft des Toten kann den Hinter- sieh folgende Mittel und Vorsehriften feststellen: 

bliebenen niitzen und sehaden; so entsteht bei I. Prophylaktisehe Vorsehriften und Hand- 

demselben Volk ein euergetiseher und ein apotro- lungen (dyvsiai). ;Sie bezweeken die Abwehr 
paisoher Totenkult; RGR 140. 143. So herrschte 20 drohender oder moglicher Befleekungen, um den 

bald (und zwar meist) das Verbot, Tote in Heilig- Zustand der Reinheit zu erhalten. Hier sind zu 

ttimern zu bestatten, bald begrub naan sie mit unterseheiden: 

Absicht dort. Und wenn Menstruation als ver- A. VerhaltungsmaBregeln oder Reinheits- 
unreinigend gait, so laBt sieh doch der urspriing- askese, Vorsehriften iiber das eigene Verhalten, 
liehe Glaube an die neutrale Kraft, die in diesem um dadureh der Befleefcung zu entgehen. Meide- 
Zustand liegt, vnoeh an Brauehen erkennen, in vorsehriften wie etwa das Fasten, Keuschheits- 
denen zu einer magisehen Handlung ausdriieklieh vorsehriften, Reinheitsiibungen. 
eine Menstruierende verlangt wird. Das Wert aoxrjoig bedeutet tJbung, Vorberei- 
Das Heilige, dessen Wesen eben in dem Er- tung zur Erreiehiung eines als Ideal vorsehweben- 
fiilltsein mit Kraft besteht, verlangt aber von 30 den Ziels. Und zwar ist dies Ideal, zu dem eine 
demjenigen, der mit ihm verkehrt oder ibm naht, doxrioig fiihrt, in der antik^en Welt ein vierfaehes. 
eine gewisse Disposition Tind ein bestimmtes Ver- Zunaehst ist es idas Ideal des Kriegers und Athle- 
halten: er muB selbst rein sein, eine Eigenschaft, ten (Thuk. 11 39. Plat. rep. Ill 404 A), das Ideal 
die urspriinglieh mit dittliehenBegriffennichtszu des Weisen (Isokr. Bus. 22; bereits Heraklit. 
tun hat. ,'Rein* bedeutet zwar ,frei von Sehmutz*, frg. 129 Diels: iaroQirjv TJoKfjosv), dann Tugend 
aber das ist offensiehtlieh eine sekundare Bedeu- und sittliche Zueht (Xen. Kyrop. I 5, 8ff. VII 
tung. Urspriiniglieh hat ,Reui* wie ,!Heilig' die 5, 75. Ages. 10, 2), sohlieBlich die Frommigkeit 
neutrale Bedeutung ,erftillt mit Kraft*. So kommt (Isokr. Bus. 26: aoKYjoeig xfjg Saiotrjtog). Vgl. da- 
das gotisehe Wort hrains (rein) von der germa- zu Pfister Festgabe f. Deifimann, 1927, 76ff. 
nisehen Wurzel hri^ die ,sieben, sichten* bedeutet, 40 Was wir Askese nennen, wirkliehe religiose 
und zu der aueh kqIvco gehort; d. h. es bezeich- doxrjosig, treffen wir in den grieehisehen Sekten 
net das, was mit besonderer Kraft erfiiUt, von der Orphiker und Pythagoreer an. Plat. rep. X 
dem nicht damit Erfiillten (dem Profanen) zu 600 B, spricht von dem IIvd'ayoQsiog tQOTtog tov 
seheiden ist. Das entsprechende griechische Wort ^i^ov^ zu dem ja aueh Fasten und sonstige Askese 
dyvog, das wie ayiog zu a^eod'ai gehort, bedeutet gehorte (R h d e IP 163fE. Arbesmann bes. 
urspriinglich wie ay tog ,religi6se Seheu erweckenid* 103ff.). Dies hatte durehaus religiosen Sinn und 
und dient als Beiwort fiir Gotter und alleDinge, der Zweek dieses Lebens war, d^ioXovd'sZv rep d-ecp; 
die mit den Gottern in irgendeiner Beziehung vgl. Gulin Studia OrientaMa I (1925) 34ff. 
stehen. Dann aber bezeichnet es aueh die rituelle Pfister 80f . 

Reinheit des Menschen und diese Bedeutung drang 50 Wir gebrauchen das Wort Askese also in enge- 

immer mehr durch, und im Hellenismus heiBt rem Sinn als das Wort aoKrjoig, im Sinne einer 

dyvog fast durehweg rein, und zwar in aufierlich- religiosen ,leidsamen tJibung*, oder ganz aU- 

kultisehem Sinn und mit ethiseher Beziehung; gemein als eine un Dienste der Religion stehenide 

vgl. W i 1 1 i g e r a. 0. Dieser tJbergang von der tJbung, bei der eine Selbstiiberwindung entweder 

objektiven Bedeutung ,heilig' in die subjektive in korperlicher oder in geistiger Hinsicht als 

,rein* ist folgendermaBen zu erklaren (vgl. PhUol. wesentlioh erfordert und freiwillig geleistet wird. 

Woeh. 1923, 359f. Arbesmann 8ff.): Wenn VgL dazu RGG2 I 570ff. 

die urspriingliche Bedeutung von dyvog ,religiose Die Askese ist eine religiose Handlung, die wie 

Seheu erweekend* ist, so besagt dies, daB damit jede soleher Handlungen ednen Zweek hat, der 
etwas bezeichnet wird, das mit besonderer Kraft 60 zu Gott, den Gottern, der gottlichen Macht oder 

erfiillt ist. Daher werden die Gotter unid ihr Kraft in Be'ziehung steht. Dieser Zweek kann ein 

Eigentum iso genannt. HeiBt ein Menseh dyvog, vierfaeher sein und danaeh kann man 'vier Arten 

so muB jene urspriingliche Bedeutung auch hier der Askese unterseheiden: 

noch zu erkennen sein; auch Menschen, die dyvoL 1. Die apotropaiseh-kathartisehe oder Rein- 

sind, muissen dieser Kraft teilhaftig sein. Sie heitsaskese: Sie hat den Zweek, jene Maehte oder 

heiBen dyvoi, well sie sieh von Unreinheit, der Krafte, well sie bose oder unrein sind, von sieh 

Wirkung boser Damonen, femgehalten haben. fernzuhalten. Dies ist der urspriingMehe Zweek 

Das Einhalten der sog. Reinheitsvorsehriften der der Askese. Das ist diejenige Art der Askese, die 



155 Katharsis Katharsis 156 

bier allein in Betraeht kommt. Die drei andem dern auoh in der Bedentnng jB^schwoning* Yor- 

Arten sind: kommt (Orimm D. Wb. IX 2767), so heiBt 

2. Die sakramentale, enthusiastische oder ek- auch oqkoq geliegentlicsh Zauberspruch, B^ischwo- 
statisohe A>skese, die die eigene Kraft starken, rungsformel; s. Suppl.-Bd. IV S. 340. BGR 183f. 
sie mit jenen goitlichen Kraften vereinigen eoU. Es gehort zn sqkoq nnd bezeiehnet nrspriingMoh 

3. Die euergetische oder Opferaskese, die jene die Bindung; Giintert Der arisehe Weltkonig 
Krafte erfreuen soil. Die Aske'&e gilt als ein der 95. DemgemaB hat s^ogmof^og nicht durohweg 
Gottheit wohlgefalliges Opfer, die dadurch gna- apotropaisehe Bedeutnug, sondem heifit ,Be- 
dig gestimmt wird. schworung* und ward gebraueht, auch nm einen 

4. Die verdienstliehe Askese, die erst viel spa- 10 Damon herbeizurnfen. Etwa Pap. mag. I 80 
ter in der Entwicklung auftritt und ethisehen p. 6 Pr.: ov 8s avtov e^oQm^s rcpds tco oQKq», 
Charakter hat, als Bufiubung zur Tilgung der onwg aKtvrjxog oov tvyxdvcor fjieivY}\ Eine solehe 
Siinden und zur Erringung der SeUgkeit dient. Beschworung wdrd oQmofjiog (I 92 p. 8) und s^oq- 

Von den versehiedenen Arten der apotro- ?tf«a^oV (I 133 p. 10) genannt. Dagegen Pap. mag. 

paisch-kathartischen oder Beinheitsaskese kom- IV 1239 p. 114 handelt es sich bei s^oqkI^co os, 

men in der griechischen und romischen Religion 8al/Liov, um eine Damonenvertreibung, ©benso IV 

im wesentlichen nur folgende zwei vor: 3007ff. p. 170 bei Sq^clCco und oQmofxog. Der 

a) Das Fasten oder die Nahrungsaskese, d. h. Mann, der oQ?icov dvvdfisi die Damonen ver- 
die Enthaltsamkeit Yon bestimmten Nahrungs- treibt, wird k^oQmGxrjg genannt (Anth. Pal. XI 
mitteln oder Getranken zu gewissen Zeiten oder 20 427. Act. ap. 19, 13). Im heutigen Spraeh- 
fiir immer und die Einschrankung der Aufnahnae gebrauch wird <das Wort Exorzismus nur im apo- 
von Speise und Tra,nk. Danach kann man quali- tropaisehen Sinn angewandt. tTber weiteres s. 
tative und quantitative Fastenvorsehrif ten unter- Tambornino De antiquomm daemoniismo 
scheiden. Der urspriingliche Zweck des Faste^ns (RVV VII 3, 1909). Hdwb. d. d. Ab. II 1098ff. 
ist wohl der apotropaisehe. Gewisse Speisen will mit vergleichendem Material. 

man, weil von sehadigender Kraft erfuUt, immer iSelbstverstamdlieh ist die vorstehende syste- 

oder bei gewissen Ainlassen vermeiden. Das ge- matische Ordnung nicht antik, sondem modem 

samte antike Material ist besproehen von A r - und dient als heuristisches und methodisch brauoh- 

b e s m a n n. bares Hillsmittel, um eine voUstandige tTbersioht 

b) Die sexuelle Askese, die dauernde oder zeit^ 30 und gute Ordnung aller Einzelerseheinungen zu 
weilige gesohlechtliohe Enthaltung. Auch hier ist gewahrleisten, worauf es in diesem Artikel beson- 
der Zweck urspriinglich der apotropaisehe. D'enn ders ankommt. — Bei jeder Reinigungshandiung 
Beischlaf verunreinigt und so verlangt ein Ver- und Reinheitsvorsehrift ist dreierlei zu unter- 
kehr mit der Gottheit Keusehheit. Vgl. Fehrle. scheiden: 

N^ben die VerhaltungsmaBregeln tritt 1. Wer zu reinigen ist bzw. sich vor Verun- 

B. die Anwendung prophylaktischer Mattel, reinigung zu hiiten hat. Das ist das Subjekt der 

die das Unreine und bose Einflusse fem.halten Reinigung und Reinheitsvorsehrift. Es ist iden- 

soUen, wie etwa Amulette, Talismane und son- tiseh mit dem, dem die Befleckung droht oder 

stige apotropaisehe Gegenstande, ferner apotro- der bereits befleckt ist, d. h. mit dem Objekt der 
paische Hiandlungen u. dgl. Da diese Mittel auch 40 Befleckung. 

bei bereits eingetretenen Vemnreinigungen Ver- 2, Von was man sich zu reinigen oder vor was 

wendung finden, also bei den Katharmoi, so wer- man sich zu huten hat, was man abwehren oder 

den sie unten besproehen. vertreiben muB. Das ist das Objekt der Reim- 

Ist eine Verunreinigung bereits vorhanden und gung oder das Subjekt der Befleckung; denn es 

soil sie beseitigt wenden, so treten ein ist das, was verunreinigt und befleckt. 

II. die katharti'schen Vorsehriften und Hand- 3. Die Mittel, deren man sich zur Reinigung 

lungen (nad'aQ ixoi), die solehe beiseiteraumen oder zur Abwehr der Befleckung bedient, und 

oder unschadlich machen und bose Geister, die ihre Wirkung auf Subjekt und Objekt der Rei- 

bereits vorhanden sind, vertreiben. EOierbei kon- nigung. 
nen wir folgende Gmppen unterscheiden: 50 Diese drei Gesachtspunkte sind zunachst zu 

A. Vorbereitungsreinigungen: Sie werdenvor- besprechen. 

genommen mit Riicksieht auf eine magisehe oder 1. Das Subjekt der Reinigungen 

kultische 'Handlung, die dureh die Befleckung etwa und Reinheitsvorschriften. 

behindert werden konnte, und dient also der Vor- a) Zunachst ist der Befleckung ausgesetzt, hat 

bereitung ^einer solchen Handlung odler! uber- sich vor ihr zu huten und sie zu beseitigen, wenn 

haupt der Ermoglichung des Verkehrs mit beson- er befleckt ist, der einzelne Mensch. Er muB rein 

deren Machten. sein beim Gebet unid Opfer, iiberhaupt bei alien 

B. Entsuhnungsreinigungen: Allgemeine Rei- heiligen und magisehen Handlungen. Insbeson- 
nigungen und Entsiilmungen als Selbstzweck, weil dere ftir den Priester (Bd. VIII S. 1417ff.) gel- 
mit der Befleckung ein Schaden verbunden ist f iir 60 ten diese Bestimmungen, Belege bei Fehrle, 
den davon Betrofienen; Entsiihnungen von Ein- Wachter, Arbesmann. AbtDie Apologie 
zelpersonen, Stadten usw. des Apuleius (RW IV 2) 37ff, A p p e 1 De Ro- 

C. Dier Exorzismus im eigentlichen Sinn, ftir manorum precationibus (RW VH 2) 184ff. 

den es eharakteristisoh ist, daB er sich gegen b) Die Kleidung des Menschen muB rein sein, 

personliche Geister und Damonen riehtet. wenn er eine heiMge oder magische Handlung 

Das Wort k^oQTiiofxog gehort zu oQ^iog wie das vornohmen will. Daher zahlreiche Bekleidungs- 

Wort Beschworung zu Sehwur, und wie das Wort vorsehriften. Wachter 15ff. Heckenbach 

Schwur nicht nur in der Bedeutung ,Eid', son- De nuditate sacra (RVV IX 3). 



157 Katharsis Katharsis 158 

c) Die Familie und das ganze GeschleoM. Die die Verbote, einen heiligen Bezirk dureh Exkre- 
Verunreinigung ist erblich und wird vom Vater mente zu verunreinigen; Wachter 134ff. Fer- 
auf den .Sohn weitergegeben. Dahin gehort auch ner galten in manchen Kulten be'stimmte Stoffe 
der Gotterfluch, der auJ einem ganzen Geschleelit als verunreinigend, so gewis'se Metalle, die aus- 
lastet, und die antike Anschauung vom ayog geschlosen waren; Wachter 115ff. 

und vom 5a/^cor, der in einem Geschlecht durch b) Ge^schle ch tliche s: Beischlaf, Pollu- 

alle Generationen verheerend wirkt. S. Bd. XI tion, Menstruation, Geburt verunreinigen. Reini- 

S. 2117f. 2138. Latte Arch. f. E,el. XX 254ff. gungen sind notig und Fristen werden festgesetzt, 

Pf ister Fe'stschr. Cimbria (1926) 55fF. Hdwb. innerhalb deren ein so Befleckter keine heilige 
d. d. Ab. Art. Enblichkeit. 10 oder magiische Handlung vornehmen darf. Wa c h - 

d) Ebenso kann auch eine ganze S t a d t und t e r 25ff. F e h r 1 e 25ff. S a m t e r Geburt, Hoch- 
ein gauzes Volk befleckt sein und der Reini- zeit u. Tod 21ff. Rohde II 72,1. CD. Daly Der 
gung bediirftig. Auch hier ist es etwa ein Frevel, Menstruationskomplex 1928 (Materialsammlung). 
der den Zorn einer Gottheit hervorgerufen hat c) Erankheit, die urspriinglich als ver- 
und nun eine Entsuhnung notwendig macht. Oder ursacht durch bose Damonen gilt. Vgl. Od. V 
es werden ohn© be^sondere Veranlassungen 395f . : kv vovoco Kfjmi KQaxsQ' alysa Tidoxcov, 
in bestimmten Zeitraumen Entsiihnungen und brjQov xYjKo^evog, ozvysgog ds ot sxQas 8alfj,cov, 
Reinigungen vorgenommen od^r ein Orakel be- d. h. ein Damon ,brauchte ihm' (Dativ!), d. h. 
fiehlt die einmalige Reinigung wie etwa bei der bezauberte ihn; vgl. Pf ister iSchwab. Volks- 
K. von Delois (Herodot. I 64. Thnk. I 8. IV 104). 20brauehe 29ff. Perkmann Hdwb. d. d. Ab. I 
Schwe nn Die Mensohenopfer bei den Griechen 1160. Daher Reinigung nach der Krankheit, H. I 
u. Romern (RVV XV 3) 26ff. Gebhard Die 3131 Wachter 39ff.; Suppl.-Bd. IV S. 331f. 
Pharmakoi, Mtinch. 1926. Gnomon V 94fE. St en- Insbesondere die IsQa vooog als Besessenheit gait 
gel 160ff. als Werk boser Damonen; der Exorzismns als 

e) Bei Opf ertieren ist Reinheit erf order- Heilung war eine K; s. o. 

lich. Wachter 12f. WissowaRel.^ 416. d) Tod. "Qber die sich widerspreehende Vor- 

f) Das Heiligtum selbst und was dazu- stellung von der guten und bosen Kraft des Toten 
gehort muB rein sein und vor Befleckung behutet s. o. Der letzteren Vorstellung entsprach der 
werden, also auch Altar, Bild und Kultgerate. Da- Glaube, daB der Tote und alles, was mit ihm in 
her Forderung der Reinheit beim Betreten eines 30 Beriihrung kam, unrein ist. Daher K., Vorsehrif- 
HeiHgtums; WeihwassergefaBe am Eingang dtes ten iiber Fristen usw. Wachter 43ff. 
Tempels (Bd. II S. 175. 1725. IV S. 2702f. XI e) Mord. Der Morder gilt afe unrein, o^ 
S. 2179). S. Wachter 6ff. Das Baden von Kad'aQog x^^Q^^i ••' ^«'^« vo/novg rovg smxcoQtovg 
Gotterbildern muB nicht immer eine Reinigung nad'aQolov ebssxo sniKVQYjoai (Herodot. I 35). Der 
sein, es kann sich dabei auch nm anderes han- Ermordete ist nQoorQOTtaiog fiir den Morder; 
deln, s. Bd. XI S. 2179. Aischyl. Eum. 445. Antiphon Tetral. I 3, 10. 

g) Der Platz der Volksversammlung III 1, 4. 2, 8. 4, 10. Rohde I 264. 275. Wei- 
u. a., wo der TceQioxiaQxog seines Amtes waltete; teres bei Wachter 64ff. S. auch Latte 
s. oben. Bd. XVI S. 278ff. 

h) Auoh private Ortlichkeiten wie 40 f) Gewisse Nah rungs mitt el, die immer 

Haus, Hof, Herd und Stall mnBten gelegentlich oder in bestimmten Fallen zu meiden sind: 

einer religiosen oder myagisohen Reinigung unter- Wachter 76ff . Arbesmann a. 0. 

zogen werden; s. Rohde H 73. g) Gewisse Menschen, die als unrein gel- 

Vor dem Betreten einer heiligen, geweihten ten oder in bestimmten Fallen von HeiMgtumern 

Ortlichkeit wurden die Unreinen oder Nichtberech- ausgesohlossen sind, da sie das Heilige verunrei- 

tigten durch die nQOQQrioig o^qt niQoayoQevoig oA^r nigen wiirden; so gelegentlich die Fremden und 

ein sohriftliches T^Qoyga/^/^a gewamt; vgl. D 6 1 - Sklaven, in manchen Kulten anch die Frauen oder 

ger Sol isalutis2 286ff., wo noch Isokr. 4, 157 umgekehrt die Manner, Wachter 118ff. 

hinzuzufugen ist, ebenso Plat. leg. X 907 D, wo h) Moralische Unreinheit. DaB 
oHenbar auf diese Sitte angespielt wird: ngoayo- 50 ayvela als cpQoveiv ooia definiert und vom Be- 

Qevcov e^iGxaod'ai [vgl, Aristoph. Ran. 354] ndoi sucher eines Heiligtums ipvxrj ^a'&agd verlangt 

roig daepeoi XQoncov rmv avxmv slg xovg evos^eig. wird, ist eine spatere Entwicklung; s. W a c h - 

S. auch Radermacher Aristoph. Frosehe 181ff. t e r 8f . Aber ^sehr viel alter ist die Vorstellung 

J. Tolstoi nach Philol. Woeh. 1926, 258. Dazu vom ayog, die ja auch leicht auf das moralische 

auch die Frage xig xfjds vor dem Opfer; Aristoph. Gebiet ubergreifen konnte und bei der die Be- 

Pax 968 u. Schol. griffe ,Befleekung*, ,Fluch*, ,Sunde* friihzeitig sich 

2. Das Objekt der Reinigung und mischten. 

Reinheitsvorischriften. Wir konnenfol- 3. Di e Mittel der K. In Bd. XI S. 2108 

gende Komplexe von Befleckungen feststellen, und 2151f. sind die Mittel des Kultes besprochen 
d. h. also folgende Komplexe, von denen sich 60 (vgl. dazu Hdwb. d. d. Ab. V 799, 801 f.) und 

jemand fern zu halten hat, der tibermach'tigen dabei wurde gesagt, 'daB ein der Form nach glei- 

Kraften sich nahern will bzw. von deren Beein- cher Ritus den ganz versehiedenen Zwecken des 

flussung er sich zu reinigen hat: Knltes dienen kann. So konnen auch die meisten 

a) Materieller Schmutz: Also etwa der dort angegebenen Mittel apotropaiseh-kathar- 

Schmutz, der an Korper und Kleiidung sich be- tischen Zwecken dienen. leh stelle das wesent- 

findet und vor einer kultischen oder magischen liche zusammen; Material findet sich zumeist im 

Handlung abzuwaschen ist. Vgl. II. VI 266f. He- Art. Kultus; weitere Literatur in RGR 180ff. 

siod. op. et d. 725f. 336f. Hierher gehoren auch u. 302ff. 



159 Katharsis Katharsis 160 

a) Rein akustische Mttel. Etwa unartikulierte feme Schopfung der Dichter ist wie die home- 
Laute, Larmen, Briillen, Musik, um die bosen rische Kunstsprache, ersehen wir vor allem auch 
Damonen ZiU versoheuchen. aus den religiosen Erscheiniingen, die zweifellos 

b) WorteiiSpruch, (xeibet,Beschworung,Sehinip- in der Zeit des Epos lebendig vorhanden waren, 
fen, Fluchen, unflatige Worte, einzeliie Bneh- im Epos aber gar nicht oder nur nebenbei als 
staben, 'JS(psaia /^a^^ara; s. Art. Epo deSuppl.- eine geringe Rolle ispielend erwahnt werden. Pa- 
Bd. IV. zu gehort der Totenkult, der Glanbe an ein mit 

c) Korperbewiegungen: Tan^, Umgang, Hau- Kraft und BewuBtsein begabtes Weiterleben im 
chen, Blasen, Handauflegen, drohende Gebarden, Jenseits und an ©ine Wirkungsmogliohkeit der 
Fingerbewegungen. lOToten auf das Diessoits, die ohthonischen Gotter 

Besonders haujBg 'begegnet der Umgang bei und die zahlreiohen Lokalgottheiten, die kleinen 

der K. (vgl. Bd. XI S. 2162f.; dazu Knuchel Damonen unid G^spenster, tiergeistaltige Gotter 

Die Umwandlung dn Kult, Magie und Reehts- und Fetische, Zaulberei, Mystik und Orgiasmus, 

branch, Schr. d. Sohweiz. Geis. 1 Volksk. XV1919. von dem bedeutenderen Gottheiten etwa Deme- 

B e h m Bd. XIII S. 2030ff.), und deshalb ter, Dionysos, Hekate und Hestia. Und so tritt 

sind so viele kathartische Termini mit jieQi- zu- auch die Kathartik voUig zuriiek, so da6 man so- 

sammengesetzt; s. o. gar gelegentlich behauptet hat, jede Art der Ka- 

d) Der Umgang gehort teilweise in diese vierte thartik sei der homerisehen Zeit fremd (S t e n - 
Gruppe, wenn er namlich mit einem besonderen gel Opferbrauehe 28 = Herm. XLI 241). Aueh 
Objekt vorgenommen wird, das herumgetragen 20 R o h d e, der doch idas Riehtige iiber den home- 
oder herunageftihrt wird. In diese Gruppe gehort rischen Totenkult gesagt hat, wenigstens was die 
der Gebrauch orendistischer Gegenstande, dae all- Aufzeigung der ,Ruidi!mente* betrifft, ist der An- 
ein fiir sich sehon apotropaiisoh-kathartiseh wir- sioht (Ps. II 71), daB die Kathartik im Epos erst 
ken, oder die in Verbindiung mit besonderen Hand- in leichten Andeutungen sich zeige, anstatt auch 
lungen diesem Zweok dienen. Da ist vor allem bier diese ,Andeutungen* als die Hinweise auf 
der Gebrauch von Amuletten (Bd. I S. 1984ff., eine friiher wie zur Zeit des Epos bliihende Ka- 
dazu Kropatschek De amuletorum apud an- thartik zu nehmen. Das Wiohtigste sei hier zu- 
tiquos usu, Diss. Miinster 1907. Hdwb. d. d. Ab. sammengestellt. 

I 374ff.) und Talismanen und von sonstigen apo- Vor dem Gebet wusch man sich die Hande, 
tropaischen Mitteln wie WoUe und Tierfellen 30 was in spaterer Zeit kathartische Bedeutung hatte 

(Pley De lanae in antiquorum ritibus usu, RW (vgl. Appel 1841), also wohl auch in homeri- 

XI 2, 1911; Bd. XI S, 2158), Eisen, Salz, Blut, scher Zeit: B. VI 266ff., wo die Soheu, mit unge- 

Zauberstab usw. zu nennen, femer der Branch waschenen 'Handen zubeten, ausdriicklich erwalmt 

mit dem Siindenbook, woriiber Gebhard a. 0. wird; II. I 449. IX 171. XVI 230. XXIV 305f. 

und insbesondere der iGebrauch des Wassers und Od. XH 336. Vgl. Th. Beckmann Das Gebet 

Feuers und die mannigfachen Formen des Ex- bei Homer, Wiirzb. 1932, 70f. Oder man wasoht 

orzismus. sich auch ganz und zieht ein reines Gewand an, 

e) Die vorgenannten Mittel konnen bald der Od. IV 750. XVII 48. Ebenso findet eine K. des 
Prophylaxe, bald dem Vertreiben der Unreinheit ganzen HeerciS nach dem Erloschen der durch 
dienen. Lediglieh dem ersteren Zweck dienen die 40 ApoUon geisandten Pest statt, II. I 314: ol 5' aTts- 
oben besprochenen VerhaltungsmaBregeln. XvfA,alvovro Kal elg dXa Av^war' sfiaXXov. Nach dem 

Wie ein einziges Mittel je nach seinem Ge- Freiermord wird das Haus mit Feuer und Schwe- 

brauch einem jeden der oben genannten Zwecke fel, KaKcov axog, gereinigt, Od. XXII 478ff., und 

dienen kann, sei an dem Gebrauch des Wassers ebenso reinigt Achilleus den Beoher, mit dem er 

gezeigt. Der Prophylaxe dient das Weihwasser, dem Zeus eine 8pende darbringt, zuerst mit 

insofern es Boses fernhalt; es wird ferner bei Vor- Sohwef el, dann mit Wasser, II. XVI 229f. Von 

bereitungsreinigungen (Waschen vor der kulti- einer Reinigung ides Morders ist in Ilias und 

schen Handlung), bei Entstihnungen (etwa Wa- Odyssee nicht die Rede, wohl aber in der Aithio- 

schen des befledkten Gegenstandes) und beim Ex- pis, wo nach dem Proklos-Exzerpt Achilleus nach 
orzismuis (Besprengen mit Wasser gegen die Da- 50 der Totung des Thersites von Odysseus gereinigt 

monen) verwendet. Bei den eleusinischen Myste- wird. Von den mythischen Beispielen, die W a c h - 

rien gab es einen eigenen Beamten, Hesyeh. s, t e r 66 ff. anftihrt, mag wohl noeh das eine oder 

vdQavog- 6 dyviotrjg rcov TJlsvaivlcov. Bei denklei- andere auf episehe tfberlieferung auriickgehen. 

nen Mysterien, die selbst Sotisq nQOKad'aQoig xal Bei Aischylos und Hero-dot (I^ 35) ist dami die 

TiQodyvevoig rcbv ^sydXcov genannt werden (Schol. Vorstellung von der Verunreinigung des Morders 

Aiistoph. Plut. 846), wurde der xad-aQfjiog am als etwas aUgemein Bekanntes vorausgesetzt. 

Ili'sisos vollzogen, Polyain. strat. V 17. tTber Rei- Auch die versohiedenen Ansehauungen von der 

nigungen mit Wasser s. auoh R o h d e II 405f . Ursache bzw. dem Urheber der Befleckung finden 

und spezieU tiber die Waschungen vor der Hoeh- war bereits im Epos. Die Pest, von der das Heer 
zeit Stergianopulos Die Lutra, Miinchen 60 nachher gereinigt wind, war von ein^m der groBen 

1922. Kling IsQog yd/nog, Mle 1933, 4. Gotter gesanidt, von ApoUon; oder es ist ein boser 

Heckenbach o. Bd. VIII S. 2129. Geist, der einen Mann verzaubert, sodaBerkrank 

Zur Geschichte der K. DaB die Reli- wird (Od. V 396: orvysQog baifjicov)', oder es ist 

gion, wie sie uns im homerisehen Epos entgeigen- eine unpersonliohe Kraft, die befleckend wirkt (Od. 

tritt, weder mit der Volksreligion des 8. und XXII 481 : xaxd) und die entfernt werden muB. 

7. Jhdts., noeh auch mit der Religion der auf- So hat es also eine Kathartik zur Zeit des 

geklarten Kreise der damaligen Zeit identiseh ist. Epos gegeben; sie spielt kaum eine Rolle im 

sondern ebenso eine wirklichkeits- und lebens- Epos wie auoh die oben genannten religiosen Er- 



161 Kavxdcfiov Kccvhccxoto cfxoneXog 162 

seheiniingen im Epos kaum beachtet werden und Ganz allgemean sagt dann Hesiod (op. et d. 

zu seiner Zeit doeh lebendig waren. Und so 336ff.), daB man den Gottem ayv(bg nat jia'&aQwg 

miissen wir aueh das Fasten, das ebenfalls ur- opfern mtisse Tind (725f.), mit Beniitzung von 

sprtinglieh apotropaisch-kathartisehe Bedeutung II. VI 266f,, daB man den Zeus und den andem 

hatte, fiir die homerisohe Zeit in Ansprueh neh- Gottern nicht xeQolv av'mtoioiv spenden dlirfe. 

men, wenn seiner im Epos auch nur gelegentlieh S. auoh Hesiod. op. et d. 757H. und dazu Wach- 

gedaoht wird; Arbeismann 28. DaB in den ter 134. Wahrsoheinlich war die Verweigerung 

eleusinisehen Mysterien das Fasten seit alter Zeit der Reinigung des Herakles vom Monde des Iphi- 

iiblich war, lehrt uns der homerische Demeter- tos, die Neleus vomehmen soUte, von Hesiod ev 
hymnos; Arbesmann 75ff. \() KaxaXoyoig erzahlt; Sehol. Ven. A II. II 336. 

In vorhomerisohe Zeit aber kommen wir fur Anders urtedlt tiiber diese Stelle und liber das 

die Kathartik mit der Erwagung, daB der Suhne- angefiihrte Proklos-Exzerpt zur Aithiopis C a 1 - 

brauch der Pharmakoi in ahnlieher Weise in houn Class. Assoc, proceed. XVIII (1921) 96ff. 
Athen und in lonien ausgeiibt wurde, daB also Sowie dann die griechische literatur reieh- 

die nach Kleinasien auswandemden lonier diesen licher zu uns ispricht, finden wir die Kathartik 

Branch aus ihrer Heimat mit hintibernahmen. Im in voUer Blute, in den Mysterien von Eleusis war 

6, Jhdt. wurde er noch ausgeiibt, wie uns Hip- sie im Sehwange wie in den orphisehen und py- 

ponax bezeugt, in der hellenistischen Zeit ver- thagoreischen Sekten und die Eingeweihten nann- 

schwand er allmahlioh. Ein sioherer Weg femer, ten sieh ausdriieklich ,die Reinen* (R o h d e I 
die Kathartik als vorhomerisch zu erweisen, ist 20 288, 1. II 127), wahrend die Nichteingeweihten 

auch die religionsvergledchende Betrachtung. Wenn im Jenseits im Schlamm und Sohmutz leben, d. h. 

wir einmal sehen, daB andere indogermanische nicht gereinigt sind; R o h d e I 313. Auch das 

Volker wie die Inder und Perser eine solche Ka- Orakel in Delphi hat sich fruhzeitig der K., be- 

thartik kannten, und andererseits auch b^ den senders der Reinigung und Siihnung bei Mord- 

Griechen kathartische Riten in historischer Zeit fallen angenommen; Rohde I 274. Der Verfas- 

tiblich waren, wie wir sie ganz ahnMch bei vielen ser des Buches nsQl isQfjg vovoov kennt die um- 

andern Volkern sohon auf niedriger Kulturistufe herziehenden pia'&aQral so gut wie Platon, der sie 

Enden, so wird der SehLuB unausweichlich sein, uns schildert (rep. II 364 Bf.). Nach dem Bilid 

daB bereits in der mykenischen Zeit den Griecheoi eines solchen f reilich vomehimeren fjidvcig wurde 
eine K. bekannt war. 30 die Gestalt des Epimenides gesehaffen, der Athen 

So laBt sich etwa zeigen, daB der Glaube an reinigte (s. Kern o. Bd. Yl S. 173ff.) und auf 

die reinigende Kraft des Feuers noch in die alteste den man edn ,Brauchbuchlein* (xQrjOfyiol) zuriick- 

Zeit zuriickredcht, und damals also auch schon fiihrte, in dem nsQi rcov y^ovotcov Aufzeichnun- 

eine K. mit Feuer vorgenommen wurde. Im gen standen (Aristot. Rhet. IE 17, 1418 a 21), 

homerischen Demeterhymnos lesen wir (249), daB die man wie ahnMche Sammlungen in Zeiten der 

die Gottin den kleinen Demophon ins Feuer halt, Not nachschlug. Solche Sammlungen nennt z. B, 

um ihn unsterblich zu maohen. Eine ahnliche Herodot mehrere, so V 90. 93. 
Sage ward auch von AehiUeus erzahlt; ApoU. Wenn in Theophrasts Charakteren der dsiai- 

Rhod. IV 869ff. Schon <daraus diirfte man auf balfxcov bestandig in Angst vor Befleckungen lebt 
einen alten grieohisehen Branch schlieBen, daB 40 und sdeh alle erdenkliehe Mlihe gibt, sieh dureh 

man Kinder uber das Feuer hielt, um sie zu vielfache Reinigungen davon zu befreien, seine 

,reinigen*, stark und gesund zu machen. Da nun Religiositat sieh also im wesentliohen auf Be- 

eine derartige Sitte in der Tat sehr weit ver- fleckung und Reinigung bezieht, so trifft diese 

breitet ist (B e r t h o 1 d Die Unverwundbarkeit Schilderung gewiB nur auf diesen Charakter zu, 

in Sage u. Abergl, d. Griechen, RW XI 1, 1911, aber unbestreitbar ist in der Entwicklung der 

38ff. Pfister Schwab. Volksbr. 81 ff. Frazer griechischen Religion eine solche sieh stedgemde 

ApoUodorus II 31 Iff.), so dtirfen wir sie auch Angst und Scheu und eine immer haufigere An- 

zum mindesten fiir die homerische Zeit in An- wendung der ayveXai und Tia'&oQfioi in der helle- 

spruch nehmen. tJber den Ausdruck nvQi dyvl- nistischen Zeit. Soweit die orientaHschen Kulte 
Csiv IS. Willi ger 48, 1. S. auch Eurip. Her. 50 uberhaupt EinfluB auf die griechische Religion 

937; Iph. Aul 1112 {TiaMQoiov nvQ)-^ Hel. 869 hatten, haben sie diese Entwicklung gefordert. 
(xa'&aQolciy (pXoyl). Ro h de II 101, 2. [Priedrich Pfister.] 



Zum elften Bande. 

Kavxdaiov, arkadischer Berg, mythischer Sitz daB sie gezwungen waren, umzusteigen. Der Punkt, 
des Atlas, Dion. Hal. I 61, 1, gewOhnlich in Zav-60wo der Strom sieh teilt, liegt nach ihm am 

Kcbviov emendiert. [v. Geisau.] KavXiaKoXo ononeXog, Seine Lage ist unbekannt. 

KavXia>ioto andnslog wird nur bei Apoll. Ist der jiyyovQov oQog (vgl. Bd. I S. 2194) 

Rhod. IV 324 genannt (IV 323ff. amaQ eml das Eiserne Tor bei Orsowa (Partsch S.-Ber. 

tayyovQov oQog teal ancod'sv sovta \ 'AyyovQov oQsog Sachs. Akad. LXXI [1919] 5), dann ware der 

GKoneXov naQa Kavhaxoto \ ^ tcbqI oxl^cov lotQog K. ok. in einem Htigelland bei Belgrad zu suchen, 

Qoov sv&a Hal ev'&a \ fidXXsi dXog . .). Der Dichter wofiir aber jeder Beweis fehlt (Partsch 5). Wenn 

laBt die Argonauten vom Pontes die Donau auf- eine Beziehung des Namens des Z. ok. zu dem 

warts fahren und in die Adria gelangen, ohne von Hekat. bei Steph. Byz. 369 ed. Meineke ge- 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 6 



163 Kekryphaleia Klrjdovcov leqov 164 

nannten Volke der Kavhxol besteht, wie Patscli Keazgog ist ein Pfeil, Wurfpfeil oder Wurf- 

D. Lika in rom. Zeit 26 anzunehmen glaubt, dann spiefi der Diadochenzeit. Auf seine Beschaffenheit 

mtifite man den K. oh,, da die KavliKoi als Mvog lieBe sich zunachst nur aus der Etymologie 

>caxa tbv loviov mXnov bezeichnet werden, in die schlieBen: von >cevre(i) abstammend, hat es neben 

Nahe der Adria verlegen. Die Identifiziernng sieh ^ceoxqov Pfriem, Orabstichel nnd pesozQa 

der KavXiHoi mit den bei Plin. n. h. Ill 130 als Spit25hacke. Ksotqoi erwahnt Dion. Hal. XX 1, 8 

BevQlkerungselement Istriens genannten Plamo- in seiner anschaulichen Schilderung der Schlacht 

nienses Culici lehnt aber Partsch infolge der bei Asculum als Bewaffnung der gegen die Ele- 

Unsicherheit der Lesart des Plinius-Textes ab fanten zugerichteten Kampfwagen: sti' a?cQcov 
(anders v. Premerstein Strena Buliciana 206) ; 10 6s tcov xeQaicov t] XQiodovteg ^oav ^ xsotqoi 

sein zweiter Einwand, die ZugehOrigkeit des juaxaiQosideis tj dQsnava oXooldrjQa tj , wo- 

sinus Flanaticus zu Liburnien, zur regio X Ita- zu man 2, 4/5 die Ejampftatigkeit dieser Wagen 

liae, auf welche sicb die Stelle des Plinins be- vergleiche: naiovreg toXg ixYjxoLvaig xal tag tivq- 

zieht, ist nicht sticbhaltig, da er die Verande- cpoQovg xelQag kg tag oxpsig avrwv evxQmovxsg, 

rungen der Siedlungs- und Herrschaftsverhalt- Wahrend des Perseuskrieges warfen idie Make- 

nisse im Kiistengebiete der Adria seit dem Vor- donen solche 7i. mit einer Schleudervorrichtung, 

stofie der Kelten nach Stiden im 4. Jhtd. v. Chr. die Suid. s. TceoxQog beschreibt Ihrer gedenkt 

(Kahrstedt GGN 1927, 3ff.) nicht beriick- im Perseuskriege auch Livius XLII 65, 9f ., der die 

sichtigt. Brandis Bd. IV S. 2121 weist mit Schleuder HeoxQoocpevdovTj nennt. Infolgedessen 

Recht darauf hin, der Gedankengang Patschs20 nimmt man seit Valesius allgemein an, daB diese 

ermOgliche keineswegs die Feststellnng der Lage Nachrieht des Mvius nnd desi Snidas auf Po- 

der Stromgabelung; diese sei sicher nicht in der lybios zurtickgeht. Die Suidasstelle ist also unter 

Nahe der Kiiste zu suchen und liber die Aus- die Fragmente von Polyb. XXVII 11, p. 1163, 

dehnung des Wohnbereiches der Kavhxol gebe 7 — 19 'Hultseh eingereiht. Weder bei Livius noeh 

es keine Nachrieht. Vgl. K r a h e Indogerm. Bibl. bei Suidas erhalten wir ein ganz klares Bild vom 

III. Abt. 7. Heft 19. [Max Fluss.] WurfgeschoB und von der Wnrfvorrichtung. Vgl. 

S. 125 zum Art. Kekryphaleia: Zangemeister Eph. epigr. VI 431, Daremb.- 

Das Ethnikon lautet KenQvcpaXevg, Steph. Sagl. II 1089. In griechischen Insehriften der 

Byz. Der erwahnte Seekampf war 459 v. Chr. Zeit Hadrians gibt es xsoxQocpoQoi, neoxQOfpvla^ 

Insehriften des 5. Jhdts. von Angistra und Kyra 30 und HeoxQocpvXanelv auf gymnastischem Gebiete. 

stehen IG IV 192—194. Zum Namen vgl. Gras- fp. Lammeri] 

berger Stud, zu griech. Ortsn. 125. Fick xificoQiov {ciborium), ein sich nach unten 

Bezz. Beitr. XXII 19. [v. Geisan.] verjiingendes TrinkgefaB (Athen. XI 477 e. Herat. 

S. 136 zum Art. Eelaithra: carm. II 7, 21 u. Schol. vet.). Der Name ist 

Inschriftlich begegnet auch die Form KsXa'Sa. iibernommen von dem Fruchtgehause der agyp- 

SGDI Reg. 1756. [v. Geisau.] tischen Bohne (KoXoKaola), aus dem man in Agyp- 

S. 170, 59 zum Art. Kenchreis: ten trank und dem das ki^wqiov in der Form 

2) Gemahlin des Kinyras nach Ovid. met. X nachgebildet gewesen zu sein scheint (Athen. Ill 

435. Hyg. fab. 58. Gruppe Griech. Myth. 133. 72 a. Diod. I 34). Die bei Daremb.-Sagl. HI 1171 

[v. Geisan.] 40 vorgeschlagene Form kann noch nicht als vollig 

KeQafjieia, Ortlichkeit bei Delphoi, SGDI gesichert gelten. [v. Lorentz.] 

2536. [v. Geisau.] S. 486, 6f. zum Art. Kinyras: 

S. 285, 33 zum Art. Kerdon: 2) Ein Diener des Akastos, von Neoptolemos 

2) Ein Htigel in der Nahe von Delphoi, in- getotet, Diet. 6, 8 (Hdschr. : Tyniras, Syniras). 

schriftlich belegt. Pouill. de Delph. Ill 2, 136, 21. 3) Erdichteter Name bei Lukian. Ver. hist. II 

[v. Geisau.] 25. 31. K. (Kinyros) verliebt sich auf der Insel 

Kerketion. Berg an der Grenze von Epeiros der Seligen in Helene. 

nnd Thessalien. Der noch in Epeiros befindliche 4) Ein Herrscher von Byblos, den Pompeius 

Konsul Flamininus lagert am K., Liv. XXXII enthanpten lieB. Strab. XVI 755. Es nimmt nicht 
14,7: in monte Gercetio; dagegen die am K. 50 wunder, den Namen K. in Syrien zu finden. Nach 

(x6 KsQ^exixbv oQog) gelegene Stadt Pialeia ge- einer tjberlieferung ist K. von Byblos nach Paphos 

hOrt zu Thessalien, Steph. Byz. s. UidXeia. Auch gekommen; auch Lukian. Syr. 9 nennt ihn einen 

Plin. n. h. IV 30 rechnet die Gercetii (monies) Syrer. Leonhard Heth. und Amaz. 208f. ver- 

zu Thessalien. In der Divisio 12 wird der Ger- mutet, es berge sich in K. eine Gottheit, die von 

cetius mons zusammen mit dem Olympos und syrisch-hethitischem Boden nach Kypros gewandeit 

Pelion als Nordbegrenzung von Epeiros nnd sei. [v. Geisan.] 

Thessalien genannt. A. Klotz Die geograph. Kladaos (ZAd5ao? Xen. hell. VII 4 ; ZAd6fo^ 

commentarii des Agrippa, Klio XXIV 1931, 417f. Paus. V 7, 1. VI 21, 3), NebenfluB des Alpheios, 

Vgl. KeQKstrioiog Ptolem. Ill 12, 16 M. Zn die- der in Elis entspringt und bei Olympia, wo 
sen Angaben paBt das schmale und langgestreckte, 60 er die Altis umgrenzt, mlindet. Hier war dem. 

einem Schwanz (xsQ^cog) vergleichbare Ealk- Flufigott Bild und Altar geweiht. 

gebirge K6zjakas, an welchem Pialeia lag. Doch [v. Geisau.] 

muB der Name auch die westlich angrenzenden KXazioi, Ethnikon eines thessalischen Ortes^ 

Telle des Pindos in Epeiros nmfafit haben. Vgl. nur inschriftlich erhalten. Ar van it op nil os Rev. 

Stahlin D. hell. Thessalien 123. Kro mayor de philol. XXXV 182f. [v. Geisau.] 

Ant. Schlachtf. II 54f. A. Philip p son Thess. S. 585, 30 zum Art. KXtjSovoov iegov: 

n. Epirus 1897, 124. 135. 144 (liber den K6z- Von KXr]d6vog ^co/^o/, zu denen die Smyr- 

jakas;. [Friedricb Stahlin.] naer noch gehen, redet Aristeid. 29, 12 K. Da- 



165 Kleimakai Kleinasiatische Ursprachen 166 

nach hatte das Heiligtum zu seiner Zeit noch breitei;. (Anmerkuiiigsweise sei damuf hinge wie- 

bestanden. fW. KrolL] sen, dafi sich diese Keramikprovinz schon vorher 

S. 601 zum Art. Kleimakai: iiber Igypten, Uruk, Anau II in Turkestan zu 

Die erwiihnte Inschrift steht IG XII 9, 1189 erstrecken scheint, isich in Boghazkoi findet Und 

(SGDI 542). Der Z. 23 genannte Ort heiBt Aeh- aueh zwisehen Susa I unid II eingelagert ist.) Im 

[v. Geisau.] ubrigen Kleinasien zeigt isieh eine bemerkens- 



Kleinasiatische Ursprachen. werte Versehiedenheit in -der Weise, dafi daselbst 

tJ b e r s i c h t. der Topf innen und am Aufienrand schiwarz, im 

§ 1. PragosteEiung. § 2. tJbersieht liber die ubrigen rot gebrannt wird (Parallele in Agyp- 
kleinasiatisehen Spraehen. § 3. Das Prptoehat- 10 ten). Mit dieser Eigentumliehkeit gehen sprach- 

tische unid seine Naehwia/kunigen. § 4. Das liehe Merkmale vollig parallel, was darauf hin- 

Agaisehe und -seine Nachwirkungen. § 5. Das deutet, dafi hier entweder eine andere modi- 

Protindo'germaniscbe. § 6. D'as Luwisohe. § 7. Das terrane Welle das Land beisetzte oder dafi die 

Hethitisdie. § 8. Die Aehaier. § 9. Die agaisehe protochattische Schicht die Herrschaft behielt. 

WanderungnndihresprachlicbenFolgen. § 10. Der Diese sprachlichen Verschiedenheiten zeigem sich 

Einflufi der Randvolker. § 11. Einige Analysien im folgenden: 1. Wahrend die agaische Aspira- 

kleinasiatiiseher Namen. § 12. Literatur. tion in Griechenland und Nordwest-Kleinasien 

§ 1. Wir finden die Ortsnamen (= ON) Mv- alle Tenues ergriff, unterbMeb sie im iibrigen 

KaXrjooog in Boiotien und in Karien; Ad§Qavba Kleinasien beim Dental. Wir firnden darum (s. 
in Karien: Aa^vQiv&og in Kreta; MAepija^^aaaoV 20 auch o.) Bvf^pQiog (Flufi in derTroas): Tv^Pqiov 

in Karien: UaQvaoog in Phokis. Daraus ergibt (Flufi in Phrygien). Ja noch mehr, im stidweist- 

sich eine Verwandtschaft der vorgriecMsehen ON lichen Kleinasien wird t naeh Nasal sogar er- 

in Griechenland mit denen in Kleinasien, die sich weicht; daher wird das w^Suffix hier zu nd, und 

auf ein sdreifaches istiitzt: auf voUige tJberein- zwar ungefahr nach der Mitte des 2. Jahrt., da 

stdimmung der ON, auf Gleiohheit bzw. IhnliA- die kappadokischen Tontafeln aus dem Ende des 

keit der Suffixe (-nt-, -s(s)-) und auf Gleicihheit 3. Jahrt. noch nt vermuten lassen (s. u.), wah- 

der Wortst^mme. Auf Grund dieser und noch zu rend idie hethitisohen Texte schwanken (Arlanda, 

bespreehender isprachlicher Beziehungen ist man Arlanta ein Gebirge; Si junta ein Flnfi); das In- 

geneigt, (zumindest) ein gemeinsames vorgrie- di'sche hat (Mitte des 2. Jahrt.) in aravinda 
chisches Stubstrat in Griechenland und Kleinasien 30 (= sQiPiv&og) die Media entlehnt, die Griechen 

anzunehmen. Aus dem archaologisehen Belund schreiben fast nur noch d. Diese Erweichiing 

ergibt sich folgendes: kontinuierflcher tTbergang tritt sogar an der Kompositionsfuge oin, vgl. 

von der neolithischen zur fruhhelladisehen (friih- TsQyaoov ,Stadt des Tlarku': Acov-daQysvg kari- 

minoischen usw.) Periode (friihes 3. Jahrt.; scher Beiname des Zens. 2. Vor Dental werden 

,Kuplerzeit*), aber erst in dieser Periode deokt Vokale nasaliert (bzw. wird die Nasalierung des 

sich die Verbreitung einer homogenen Kulturmit Vokales deutlicher), vgl. TaQKv-aQig m.: TaQKov- 

der der ON vom geschilderten T^pus. Der boLQa Demos. Dieser Nasalvokal vermag im Ly- 

anthropologische Biefund zeigt in Troia II neben kischen den Dental noch zu erweichen (*tade, 

S<;hadel der moditerranen Basse (langschadelig, wird geschrieben tade ;= tate; Meriiggi), im 
kleinwiichsig) aueh rundkurvige Knrzschadel 40 — nordlicher gelegenen! — Lydischen vermag 

von vermutlich Klein wiiohsigen. Dazu kommen jedoch nnr noch der voUe Nasal eine Indemng 

in Alisehar I mediterrane Schadel. Es ist also zu bewirken, vgl. sama§ = Havdag, jedoch aueh 

mit zwei Urvolkem (= Herrenschichten) und dies nicht mehr bei fremden Namen, vgl. alik- 

zwei verschiedenen Grundsprachen zu rechnen. santru ==' AU^avbQog. Es scheint ein Wandel 

Dahin weist aueh diei Tatsache, dafi das Namen- von Vokal + Nasal > Nasalvokal > Vokal statt- 

material vor allem auf das Protochattische hiu- zufinden, der sich spater aueh in den grieehisehen 

weist (Deuteprafix a-, ?zf-Siuffix), Aussprache- Mundarten zeigt, vgl. pamphyl. TivQyo; femer 

eigentiimliehkeiten (Aspiration) aber auf jene Ov/^avevSa: OfA,avada (kiMkiseh-piisidisciie Phyle), 

mediterrane Sprachgruppe, die man ,agaiiseh* zu KaQoevdevg: KaQoidevg (pisidisches Demotikon). 
bezeichnenj pflegt. Da man allgemein Boden- 50 Dieser Nasalverlust ist am Neugriechisehen all- 

standigkeit der mediterranen Easse im ostlichen gemeiu und hat anch das nf-Suffix nicht ver- 

Mittelmeergebiet annimmt, mufi die mit den ON schont, vgl. Ae^iv&og jetzt Asfit'&a. Er schreitet 

unzertrennlieh verbnndene erste Dorfergrundung offenbar von Osten naeh Westen vor, denn er 

einer kolonisatorisehen Tatigkeit der Protochat- zeigt sich schon friih in Elam (z. B. Gottin 

tier zugesehrieben werden, da am Beginn des Nahunte ) Nahiti^ angeblieh Avaing) und Per- 

3. Jahrt. der kleinasiatische Dorfkulturkreis auf sien, wo Nasale nach Vokal gar nicht gesehrie- 

Griechenland tibergreift. Noch in dieser Zeit be- ben werden. Wenn dieser Nasalsehwund der medi- 

ginnt die politische Geltung einer mediterranen terranen Sehieht zugesproehen wird (vgl. aueh 

Gruppe, namlich der agaischen, naeh Norden hin das FranzQisische), dann bereitet das scheinbare 
starker zu werden. Denn im ,Neolithikum' By- 60 Auftauchen eines spontanen Nasals vor Dental 

riens und in der neolithischen vorminoisohen in Fallen wie TaQHV-aQig m.: TaQxov-daQa (De- 

Schiehte Kretas zeigt sich eine schwarz polierte mos) Schwierigkeiten, denen nur in der Weise 

Keramik (aueh mit intermittierender Polituroder begeignet werden kann, dafi der Nasalvokal im 

weifier Inskrustierung), idie aueh im gleichzeiti- Auslaut ein agaisehes Suffix war und vor Dental 

gen Mittelgriechenland vorliegt und auf Troia I natiirlich deutlicher werden mufite. Der bekannte 

tibergreift. Es ist nun bezeichnend, dafi sich ein Gottesname hiefi decminaeh agaisch Harkhu', vgl. 

teehniischer Fortsehritt (glanzend rote Oberflaehe) etrusk. tarxun, kleinasiatisch Tdgxcov, 3. Aueh 

von Kreta tiberaus raseh bis nach Troia II ver- die Vokalisation der Suffixe ist in den beiden 



167 Kleinasiatische Ursprachen Kleinasiatische Ursprachen 168 

Gebieten verschieden. Wa/hrend namlieh beim wohl aber kommen sie als Vermittler in Betraoht. 

nt-YorimiJis in Griechenland und dem nordlichen Die jtingste ist das Keltische Galatiens (nur 

Kleinasien fast aiussehliefilich die Bildungen -«v^- Namen), das Illyriische Paphlagoniens (we- 

und 'Vv^' tiblich. sind, mit i- und w-Vokal (vgl. nige Namen); dann kommt das Phrygische 

Hf^Mfj, nohg TQolag; KoQiv&og; TlQvvg; Zr)Qvv- (Satemsprache, Relativum ios = griechiseh og; 

'd'ov chtQov), fin den wir im tibrigen Kleinasien alteste Sprachdenkmaler 7. Jbdt.). Das Hiero- 

fast ansschlieBKeh -avd- (z. B. Ad^Qavba). Nicht glyphen-hethitische wurde in Nord- 

so seharf sind -die Unterschi^de beim s-Formans; syrien gesprochen, ist mit dem Luwisohetn ver- 

zwar hat hier die Differenzierung durch die grie- wandt, bat jedoeh als Relativum ia-. Das alteste 
chisehen Mundarten eingegriffen; vgl. 'AXtxaQ- 10 Denkmal ist angeblich ein bilingues Siegel des 

vaooogi -vaoog: -vYj(o)o6g. Aber somst finden wir ,GroBk6nigs Labamas* (20. Jhdt), sonst nicht 

rnir verschiedene Arten, die Namen in die Flexion vor dem 14. Jhdt. Das Hethitische und 

iiberznfiihren. Dabei iiberwiegt in Kleinasien Luwiscbe sind miteinander nahe verwandte 

-ao(o)a (neutraler Hurall), mehrfaeh ist -aoov Kentumsprachen (Relativum kuis)-, die Spraoh- 

anzntreffen (z. B. 'A(A§aoov), wahrend in Grieehen- denkmaler stammen aius der Mitte des 2. Jahrt. 

land -a(o)oog haufiger ist. DaB in Kleinasien die Um diese Zeit ispielen auch die I n d e r eisne 

Slchreibung mit ein em s vorwiegt, ist ortho- Rolle, da indische Fursten naeh Answeis ihres Na- 

graphischer EiniluB der epiehorisohen Sprachen, mens in Mitanni herrschen (Beginn des 2. Jahrt.). 

die n i e Doppel-5 zeigen. 4. Wenn anoh bei den — Die sog. kleineren epichorischen Sprachen der 
vorgriechisehen Namen im allgemeinen nur Media 20 jungeren Zeit, also p i ,s i d i is e h, 1 y k i s c h, 

und Tenuis bzw. Tenuis und Aspirata mitein- k a r i s c h, 1 y d i s c ih usw. lassen sich nieht ver- 

ander wechseln, so steht doch manehmal Media einen. Aus deren 'Sjprachdenkmalem kann kaum 

und Aspirata im Austausch (Xiog ON: FiaXig m., eine sichere Wortgleichuug gewonnen werden, 

kilikisch; 'liethitiisch Tar^w-: Tot^yv-T/j^o?, lydischer wobei der Verdacht der Entstehung offen bleibt. 

Beiname des Zeus); selbst wenn man alle jene Flexion und Syntaxe gehen weit auseinander (das 

FaUe abstreicht, in denen volksetymologischer karische Verbum prafigiert, das lydische kennt 

EinfluB vorliegen kann, bleiben doeh noeh genug keinen Numerus usw.); die lautliohen Differenzen 

Falle tibrig, die einer Klarung barren. VieUeicht (das Kyprisehe, wie das Karische sind sehr vokal- 

.liegt ein spaterer Lautwandel vor, der die Aspi- reich, das Lykisehe ist konsonantenreich mit 
rata (die nicht genau der grieohisohen Tenuis 30 eigentiimlichen Verdoppelungen) besagen an sich 

aspirata entsprach) enthauehte, vermutlich im nichts, verstarken aber nur den Eindruok, daB 

Eiahmen der ,ionischen* Psilose, so daB aus ihr keine unmittelbare Verwandtsehaft vorHege. Zwar 

ein Mittelding zwischen Tenuis und Media wurde zeigt die Grammatik von fast alien diesen Spra- 

(stimmlose Lenis), was zu verschiedener Wieder- chen mehr oder minder stoke indogermanisehe 

gabe fuhrte. Durch diese Lautverschiebung scheint Einsehlage, am weitgehendsten das Lykisehe (De- 

eine weitere ausgelost worden zu isein, namlieh klination, Zahlworter, Prapositionen und Orts- 

die der Tenuis zur Media, die ebenfalls sehr friih adverbia usw.), bedeutend weniger das Lydische; 

begann, vgl. Meroglyphen-hethitisch Qaduwas: vgl. Relativum pis, pid; vissis ,jaglicher' (Tru- 

Kadoag: lydisch katuvas, die aber anscheinend b et zkoy), vgl. slowenisch t^es ,ganz*, doch weist 
nur in gewissen Gegenden (am starksten in Ka- 40 eihe jede a n d e r e Indogermanismen auf . Gleich- 

rien) durchgefiihrt wurde. 5. In den kleinasiati- zeitig besitzen diese iSprachen kleinasiatische For- 

schen EN findet sich der Anlaut r sehr selten, mantien in lebendiger Funktion, aber wiederum 

fast nur durch den GN (= Gottesnamen) Bu und fehlt es an weitergehender tJbereinstimmung, da 

seinen Zusammensetzungen vertreten, wobei zu z. B. das Lykisehe zur Bezeiohnung der Gebtirtig- 

beachten ist, daB vielleicht eine lykisehe Ent- keit das Suffix -axi verwendet {atanaxi ,Athener*), 

wioklung *srM > "^hru vorangegangen ist (vgl. daneben -una (tlanna = TXcoevg), das Lydische 

vielleicht lydisch nr. 36 sru). Dasselbe gilt auch hingegen ein — heterokMtisches — Suffix -ms-, 

fiir die Namen von Boghaskoi und der kappado- das Tyrrhemsohe (von Lemnos) ein Suffix 4le, 

kisohen Tafeln, wahrend z. B. in den vier eteo- das Etruskische ein A:-Stuffix {ruma/ ,Romer*). 
kretischen Insohriften (in griechischer Sohrift) 50 Die genealogischen Angaben gesohehen ebenfalls 

eine ungewohnliche Haufung von r zu finden ist. in sehr verschiedener Weise. Im Lykischen steht 

6. Fiir Kleinasien sind auch noch die groBe An- der Vatersname im Genetiv (meist abhangig von 

zahl von LaUnamen kennzeiohnend; es gibt vor- ,Sohn*); im Lydischen wird er adjektivisch 

ziiglich drei Typen: a) Nana (kappadokische Ton- (/-Suffix!) angefiigt, das Karische verwendet ein 

tafeln; Ende des 3. Jahrt.), Baba (altphrygisch, Adjektivum mit -^wo, das Tyrrhenische entweder 

nr. 2), in jiingerer Zeit meist vereinfacht, vgl. den Genitiv oder ein Adjektivum mit -e§i, das 

neuphrygisch nr. 48 Bas. b) 'Ava f., plsidiiseh, Eteokyprische eines mit -oko-. — Von den auBer- 

vgl. hethitisch annas ,Mutter*. c) Nsvrjvrjvrj ly- halb Kleinasiens liegenden Randspraehen kommt 

dische Gottheit. Anmerkungsweise sei darauf bin- das Subaralsche (Subartu > SvqIol) nicht in 
gewiesen, daB Falle wie Ammamma nicht als 60 Betracht, denn seine charakteristische Eigenart, 

voUstandige Reduplikationen aufzufassen sind, die sog. Suffixaufnahme (z. B. das Rectum erbalt 

wie z. B. Kammamma (Land) zeigt, sondem als z u s a t z 1 i c h idie Endung des Regens), konnte 

Reduplikation der zweiten Silbe, wie dies zur bisher in keiner kleinasiatischen Sprache sieher 

Deminutivbildung in Mesopotamien und Subartu nachgewiesen werden, auch 'im. Lykischen nicht, 

iiblichwar (vgl. Bwk/am., kappadokische Tontaf ein). da fur die betreffenden Erscheinungen eiafachere 

§ 2. Da die vorgriechisehen ON Kleinasiens Erklarunigen zu finden sind. Dazu stimmt esaus- 

nicht indogermanisch sind, fallen seine indoger- gezeichnet, daB der Homo Tauricus, die suba- 

manischen Sprachen als urspriingliche Quelle weg, raische Rasse, besonders durch die ,Secbsemase* 



169 Kleinasiatische Ursprachen Kleinasiatische Ursprachen 170 

gekennzeichnet, ftir die altera Zeit in Kleinasien in der Einzahl As^ hieB. Die karische Form die- 

n i c h t naehweisbar ist, wohl aber von Armenien ses Namens zeigt das Prafix noch deutlicher: 

bis Syrien, dem auch heute noch starksten Ver- Ijaleka (nr. 37 und 55). Ein haniiger Wortaus- 

breitungsgebiet dioser Basse. Welters ist zu be- gang war -u^ vgl. den Gott Taru, die Sonnen- 

achten, dafi die Bnntkeramik (z. B. Susa 11, Mitte gottin Wurusemmu, das Land ^attu (,Silber- 

des 3. Jahri), d. i. die Keramik der altesten Stuba- land*), vielleicht anch diie GN *farku, *Santu, 

raer in Vorderasien, in Kleinasien nicht zu finden "^Ru und *Lu (s. aber u.). Nattirlieh wurde in 

ist. Etwas andersi steht es mit der zweiten Eand- den spateren Spraehen der Wortausgang durdh 

sprache, dem Chaldi'schen (Sohiftdenkmaler in Suffixersatz geandert, vgl. Toqcov, lykiseh (P'N) 
Armenien vom 9. Jhdt. an). Zwar hat es in Ar- IlO ur[s]sm[ma oder mi], kariseh woroworusmi, der 

menien zahlreiche 'Subaraische Eigenheiten von Landesname hieB meistens Qatti (agyptisch hf). 

der Vorbevolkerung (der Haja) aufgenommen; — Weite Verbreitung gewann das Stammbil- 

andererseits aber kamen die Ohalder aus dem dungssuffix 41. Das Protochattische verwendete 

Westen, weshalb das Ohaldische viel kleinasiati- es zunaehst zur Biidung von Ethnika, z. B. 

sches Sprachgut enthalt. Nahere 'Verwandtsehaft STADT Zihlandiel ,der von (der Stadt) Ziblanda*. 

soheint mit dem Lydisehen zu bestehen, wor- Diese Biidung dient gleichzeitig als Ersatz ftir 

auf nicht zuletzt der Name des altesten chaldi- den fehlenden Genitiv; denn wir finden eine Reihe 

schlen Konigs Lutifms hinweist, d. i. ,Lyder- von Berufsnamen^ mit idem iSiuffix -il gebildet, 

konig'; so wurde er offenbar von den einheimi- MANN lu-u-i-ix-xi-i-il ,MetallgieBer*. Das Hethi- 

schen Chaja genannt, da iyri (iwri) auf suba- 20 tische und das Luwische haben dieses Suffix als 

raisch ,K6nig* heiBt (chaldisch ewri). Die Mei- Formans tibemommen, und zwar zunaehst unflek- 

nung, daB Lutipri ,Weiberherr' heiBe, beruhtaAif tiert, z. B. das Ethnikon Zalpuil ,der ausZalpa'; 

demselben Irrtum, dureh welchen idie Lyder ,wei- spater wird es dureh Anhangen einer Endung 

biseh' genannt wurden: in gewissen kleinasiati- indogermanisiert; der Konigsname Hattusilis 

sehen Spraohen diirfte */wfi ,Frau* geheiBen haben; kann von der Hauptstadt Hattus (hethitisiert: 

vgl. lykiseh lada ,Gattin' (Aatco, Arida). Das Hatiusas) nicht getrennt werden. Hingegen kann 

Ohaldische weist auch gewisse Beriihrungen mit die genaue Punktion dieses Formans im hethiti- 

dem Etruskisehen auf, ohne jedoch besondere schen Konigsnamen Murstlis nicht feistgostellt 

altertiimliehe Ziige zu haben, Es scheint also werden, patronym ist sie nicht, weil die Vater 

eine agaiseh-subaraische Mischsprache zu sein. 30 der beiden Konige dieses Namens nieht MvQOog 

§ 3. Das Protochattische (auch chat- hieBen. Hingegen weist es in Lydien diese 

t i s c h genannt), ist die Sprache des Landes Funktion auf, wie MvQodos (lydiseher Konig) 

Ohattu (,Silberlanid*). Dietses Land wurde spater Sohn des MvQoog zei'gt. Auch das Lykische weist 

von einem indogermanischen Volke beisetzt, das dieses Z^Suffix (mit angehangter [indogermani- 

dann in der damaligen Welt den Namen ,Hethi- scher?] Endung auf: cuprlli: KoTiQig (m., Melos); 

ter* vererbt bekam (so genannt in Mesopota- doch muB die Bedeutung viel allgemeiner ge- 

mien, in der Bibel, im alten Igypten usw.). Es wesen sein, wie z. B. der Name des lykisehen 

sind also Verweehslungen moglich; daher ist der Volkes zeigt: trmm-ili ist ein Anhanger desZevg 

Zusatz Proto- vorteilhaft. Dieise Siprache entbehrt TeQ/uaiog, des Gottes Terma. In der ursprting- 

jeglicher Flexion; sie bedient sich zumAusdrucke 40 lichen ethnisehen Bedeutung finden wir das 

der einfaehen grammatikalischen Beziehungen im /-Suffix im Tymhenischen, mit (agaischen) Ple- 

Satz gewisser Prafixe. Die Wortbildung hin- xionsendungen versehen: ""morina-ile ,der Mann 

gegen vollzieht sie mit Hilfe von Stammbildungs- aus Morina (=: M^vQtvay. Das protochattische 

suf fixen. In den EN Kleinasiens und Griechen- /-Suffix wurde jedoch nieht nur dureh Anhangen 

lands lassen sich nun solche protochattische Pra- einer (indogermanischen, agaischen) Endung an- 

fixe in uberzeugender Anzahl nachweisen, so vor geglichen, sondern — was scharf zu untersehei- 

allem das Deuteprafix a- (bestimmter Artikel den ist — dureh ein indogermanisches Formans 

usw.), vgl. protochattiseh sah ,irgendein Boses^ U- ersetzt. Diesen Vorgang zeigt besonders sehon 

a-sdh ,das (gewisse) Bose*, difeis zeigen Beispiele das Lydisehe, wo das /-Formans geradezu den 

wie 'AdvfApQa am Flusse SvfA^Qog (Karien) ge- 50 fehlenden Genitiv vertritt, vgl. nannas hakiva-Us 

legen, eine Biidung, die sich deutlich von der be- (nr. 20; Bilingue) =3 Ndwag AiovvoiTcXeog. Die 

doutungs-gleichwertigen Gv/u^gia (Ort in Karien) letzte Stufe isft die Grazisierung dieses -lis zu 

abhebt. Umgekehrt konnte noch in spaterer Zeit -los, vgl. UtoXig: UtoXog (m., kilikiseh); OaXog 

dieses Prafix a- iiberkorrekt abgetrennt werden, (m., kariseh): OvaXig (m., isaurisch); zu diesem 

wie dies z. B. dem Namen des ApoUon wieder- Vorgang vgl. noeh Navag: Navog. Ob auch die 

fuhr (vgl. lydiiseh pXdan§, lykiseh pulenidaz= FN Zuxu: Zuxuli in den kappadokischen Ton- 

AjioXXcovidrjg, kariseh IlsXdexsitig ,Apollonsschwe- tafeln (Ende des 3, Jahrt.) hiehergehoren, ist 

ster*. Moglieherweise ist auch die neben den redu- unsieher. — Protochattiseh ist auoh das wf -Suf fix; 

plizierenden Lallnamen (wie Nana usw.) so auf- denn die Stadt Ziblanda kommt in einem proto- 

faUende Biidung wie Ana^ Ata, Ama hieherzu- 60 chattischen Zusammenhang vor, weiters finden 

rechnen, um so mehr, als auch im iSumerischen wir das spatere hethitische Kabburnanda in den 

ama ,Mutter* u. a. vorkommt, in welehem Wort kappadokischen TontafeM, mit akkadischem Suf- 

das individualisierende Prafix a- bereits fest an- fixersatz als Kuburnatum. Wenn wir auch die 

gewaehsen ist. Beziiglieh der Verbreitung dieses Bedeutung dieses Suffixes zunaehst aus dem 

Deuteprafixes naeh dem Osten vgl. noeh Ajuddo- Hethitisehen kennen (,versehen mit, reieh an*, 

xog neben Madocus. Das Protochattische Plural- vgl. Gebirge Arinnanda ,versehen mit [warmen] 

prafix le- (z. B. a-sah ,der Base*: le-a-sah ,die Quellen*), so konnen wir es doch auch im Proto- 

Bosen*) ist im Namen der Leleger erhalten, der chattischen dureh die Analyse des Wortes fur 



171 Kleinasiatisclie Urspraclien Kleinasiatische Drsprachen 172 

Brunnen gaurantiju naehweisen: ,Gegenstand etruskiseh -c; wahrend es isonst immer seltener 
(-u), vers^hen mit {-anti) Wasser (gaur[a]).' Im wird. — Zuin SchluB sei noch auf einige proto- 
Hethitisehen wurden solohe Namen meist in einen ehattische Namen hingewiesen, die vermiutlich in 
Plural des Neutrums verwandelt {-andlta, vgl. kleinasiatischen Namen wiederkehren: gaur(a) 
noch rd lAXivda); dann wurde es produktiv nmid , Wasser' mKangia, pamphyl. See; washaw ,Gott* 
ein Nominativ iSling -ants dazu gebildet, vgl. im Namenselement oxo-, das sehon in den kappa- 
human%(a) ,ganz*, wortlich ,verse}ien mit allem*. dokischen Tafeln ungewohnlich 'hamfig vorkommt, 
offenbar nach dam Muster von -wants (= fevtg z. B. Arxan-ahsu (vgl, 'A^CoLvog m., pisidisoh), 
)-f"€f?). Das nf-Su'ffix ist aucli ins Agaische Dar-ahsu (vgl. QaQ-co^og m., pi^disoh), spater 
tibergegangen, wie z. B. etrnskisch amind' ,der 10 insbesondere in Pisidien zu finden, vgl. Mor-co^ig 
mit Liebe Versehene, Amor', Lein'& ,die Todliehe' nnd epichoriseh ^TnovQ-co^og m. Anch in KUi- 
und neiQivg, ein Gegenstand, an den das Pferd kien ist es zu finden, vgl. OvaSa-fA,oag m. (,Gott. 
gebunden ist, der mit dem Pferd versehen (ver- mut'). DaB es sich um kein Porman,s handelt, ist 
bunden) wird, zeigen. Auf solehen agaisehen Ein- dureh EN von der Form O^oag m., pisidisch usw. 
fluB sind wohl Bildungen wie oXiyivd'a ,mit Ge- bewiesen. AuBer den nur vermutlich protochatti- 
ringem versehen* zuruckzufiihren. Es kann daher sehen GN ^Tarku, *Sandu usw. finden wir auch 
bei ON mit dm wf-Suffix keine Entscheidung ge- die sicher protoohattisohen GN: Taru (Wetter - 
troffen werden, von wem die Stadt gegriindet gott), vgl. TaQcov und ©agco^ig m., TaQvrj ,Stadt 
wurde, da die spatere hethitische Herrsohaft die des Tar(u)S TaQaoig ,der des Tar(a)'. 
urspriinglichen Namen hethitisiert oder selbst 20 ^^ § 4. Die Tatsaohe, daB anthropologisch 
ON mit diesem iSuffix gebildet haben konnte. A g a e r und Protochattier nebeneinander vorkom- 
Aber immerhin darf darauf hinge wiesen werden, men, daB in ihnen Gebiete arehaologiseh eine 
daB die ON mit -int auf Agaisierung oder ungestorte Elitwicklung aus der jiingeren S^in- 
agaischen Ursprung zu deuten soheinen (tiber das z^it gesiehert ist, muB angenommen werden, daB 
palaisohe -inta sind wiT nicht genug informiert). Protochattier und Agaer in friedlicher Durch- 
— Ahnlioh steht es mit protochattischen s-For- dringung nebeneinander gelebt haben. Da- 
mans. Die Stadt des Landes Ohattu hieB Hattu-s; hin weisen auch zahlreiche Eigenheiten der mate- 
da es als protochattisches Wort indeklinabel war, riellen Kultur, die sich gleichmaBiig fiber das 
muBten idie Hethiter Nominativendung anhangen ganze Gebiet beider Volker erstrecken. Das jung- 
(Hatusas), so idaB eine gewisse Ahnlichkeit mit 30 steinzeitliohe Wohnhaus zeigt einen rechteckigen 
dem luwisoh-hethitischen ss-Suffix entstand. Doeh Bau, mit Steinf undamenten und einer Lehmziegel- 
soheint kein Suffixersatz stattgefunden zu haben, mauer dariiber; Holz wird oft mitverwendet. Die 
wir konnen daher die karisehen Inselnamen auf hochsten Gottheiten sind weiblich, wie die proto- 
-ussa als protochattisch ansprechen, vgl. z. B. ehattische iSonnengottin von Arinna zeigt und die 
Cisserussa. — Bine weitere Bigenart des Proto- Tatsache, daB Tynannos nur der Mann (das An- 
chattisehen und Palaiischen ist idie Verdoppelung hangsel) der turan ,Herrin' ist. Auch daB der 
auch zweisilbiger Wortstamme, vgl. tewu-tewu-s, Mondgott Men so haufig ist (dessen Idol — Horn 
vermutlich zum Ausdruoke eines KoUektivums, In des Rindes — auf prahistorischen DarsteUungen 
EN findet sie sich selten, vgl. Kula-kula (PN auf mit der Magna Mater fast unzertrennlich ver- 
den kappadokischen Tontaf ein) iV€i^>y)^?;a'?7 (lydische 40 bunden ist) und noch spater der Eult der ,Gro- 
Gottin), Mutamutassa (= Msd/uaaa ON), femer Ben Mutter' in Kleinasien geradezu der bedeu- 
wohl karisch woro-woru-smi (nr. 53), mit gram- tendste ist, beweist genug (s. unten d. Art. 
matikalischem Werte auch im Palaischen (vgl. Mutterrecht). DaB diese mutterrechtliche 
luki-lukinta: lukijid), im Lykischen tern tern Struktur weit nach Osten reioht (Blam, Sumer, 
(zu ter- ,Heer'); vielleicht gehoren die merkwtir- vgl. den sumerischen Gottertitel ama ,Mutter'), 
digen griechischen Bildungen wie TaQxaQog hie- g'^ht Hand in Hand mit sonstigen sprachlichen 
her und kleinasiatische ON wie FaQyaQov. An- und keramisohen Beziehungen (s. o.). — Das 
merkungsweise sea ^darauf hingewiesen, daB die Agaische hat die Neigung, gewisse anlautende 
TeilredupHkationen, wie wir me beim elamischen Konsonantengruppen mit einem Vokalvorsohlag 
Verbum ,anders geartet im Luwischen und wieder 50 zu versehen, vgl. etruskiseh epr'&ni == nQvtavig\ 
anders beim indogermanisehen Perfektum finden, ismin&ians: S/buv&svg; in Kleinasien in spaterer 
mit der protochattischen (und palaischen) YoU- Zeit lotr/Xr) nsw. (Ahnlieh auch in vielen romani- 
reduplikation beim Nomen nicht verglichen schen Sprachen.) Dieser Vorschlag darf nicht 
werden kann. Von Nachwirkungen begleitet war mit den Prafixen des Protochattischen verwech- 
jene Eigenart des Protochattischen, die Beziehun- selt werden. Fur das Agaische ist die Aspiration 
gen zwischen den Satzen duroh Enklitika auszu- der Tenues charakteristisch; einige Beispiele 
driicken. Davon ist das Hethitische beeinfluBt mogen idies beweisen: eteokretisch aXa (pQaiooi 
worden, das eine groBe Zahl Von Hangekonjunk- M Praises' (vgl. lykisdh ala ,in'); tyrrheniseh 
tionen, die entweder Hauptsatze, oder den Haupt- na(p(yd' ,Einkel, Sohn?' entlehnt aus indogerma- 
satz mit dem Nebensatz verbinden (z. B. -maGOnisch *nepot ,Enkel, Sohn*; hethitisch (GN) Te- 
,aber*; -man zur Bezeiehnung des Irrealis). Viel- lipi = Tehcpog; lydiseh bilis == g)lXog ,sein*; 
leicht gehort es hieher, daB es im Hethitischen lydisoh ibsi- = '!E<p8oog; lydiseh asUuvas (Bei- 
keine Prapositionen ^gibt (woM aber Postpositio- name der Artemis): '!AG(paliog (Beiname des Po- 
nen). Auch das Hieroglyphen-hethitische besitzt seidon). Aueh eteokretisch boq?, das einem ,pelas- 
auffaHend viele enklitische Konjunktionen. gisehen* (von Fharsalns) ba(p entsprieht, paBt 
Es ist daher wohl kein Zufall, daB gerade das herein. Die Aspiration des Dental hingegen ist 
indogermanis<5he Enklitikon "^que in Kleiaasien auf Griechenland und das nordliche Kleinasien 
an Boden gewinnt; vgl. lydiseh -k, lykiseh -ce; besehrankt, zu den Beispielen in § 1 (nt > nth) 



173 Kleinasiatische TJrsprachen Kleinasiatische Ursprachen 174 

sei noch hinzugeftigt etruskiseh epr'&ni nQvxavig asra); NavaKog phrygisch mythisolie Penson 

{^Qvxavig). Da6 diose Asfpirata der griechiselien ,Sohii der Nana*; Tazanog ,Sohii des (Wetter- 

nicht aquivalent war, zeigt die tTbemahme des go ties) Tatas*; in anderer Bedeutung etrusMseh 

agaiischen Suffixes -cpa ins Altindis<!ihe als -hJia, rumax ,R6mer'. — Ein hochst bedeutsames For- 

das dort in Tiernamen auftaucht (und mit dem mans ist -na (-vrj)^ das im Clmldiselien geradezu 

ahnliohen indogermanisohen Suffix, aus Bedeu- Synonym ffir ,Stadt* ist, vgl. ^aldi-na und XaX- 

tungsgriinden, nioht identisch ist), vgH. rasa-hJia dlvt) ovo/ua jzoXecog, das unmoglich vom Haupt- 

.Esel'. Die Bedeutung des Siuffixes -q>a ist aus gotte ^aldi und vom Landesnamen XaXdia 

einem Beinamen des Hermes auf Kreta zu er- (=:' x^Q^l rrjg 'AQ/nsvlag) getrennt werden kann. 
kennen KvcpaQiooi-cpa (Vocativ), wohl ,der sehiit- 10 In Kleinasienl ersie^lit man die Bedeutung aus 

zend zur Zypresse gehort*. E)S taueht aueh im einem Vergleich der aquivalenten ON lA.ba-va 

Griechisehen auf; denn ^Xatpog ist das Tier, das ,Stadt des Ata* (kilikisch): Abrjooog, die dem Ata 

(schiitzend) zum elXog, dem ,Hiriselikalb*, gebort. gehorige (Stadt)* (fcariseh); Kagvr} ,8tadt des 

— Das Sliffix -{u)mna- zeigt seine Bedeutung klar Kar*: KaQrjaaog ,die dem Ear gehorige (Stadt)*; 

duroh At-xta/Livog einer Heilpflanze, die auf dem daher darf man wohl TaQvr) als ,Stadt des Gottes 

Berge Aixm (Kreta) waohst. Es driickt also die Tar(u)* verstehen. Auch im Etruskischen ist es 

,Befindlichkeit*, die ,Bodenstandigkeit* aus. In iiberaus haufig, z. B. tarx-na-l-d'i (Plural! V e t - 

dieiser Bedeutung finden wir es sehon zur Zeit der t e r) ,in Tarquinii\ Der lykische, im alteren 

,kappadokisohen* Tontaf eln (Ende des 3. Jahrt.), Kleinasien mehrmals als Arinna (=i TUL-na) vor- 
nicht nur in dem vereinzelten PN Dwnnwmwa 20 kommende ON arnna ist dann wohl ,Brunnen- 

,der aus der Stadt Du-un-na gebtirtige*, sondem stadt; Wa>rmbrunn?*, weil hethitisch arin {\=:TUL) 

aueh in den zahlreiehen Namen auf -urmnj da ,Brunnen* ist. Eine ganz andere Bedeutung scheint 

sich die dazugehorigen Stadtnamen spater in den das Suffix -na in folgenden beiden Fallen gehabt 

hethitisohen Texten meist finden lassen, vgl. Har- zu haben: TvQawog ist der Mann der turan 

sumnuman: STADT (LAND) JIarsumnas usw. Im (etraskisch ,Herrin'), Tid'covog der Mann der 

Luwischen und Hethitischen wird es fruchtbar, (tyrrhenisierten) ntco. Die Falle ^aadlwa, hethi- 

z. B. Satusumnes ,die (Bewohner) von Ohatu- tisch parnas ,Haus*: lykisch prnna- ,Haus* sind 

sas*. Die familiare Zugehorigkeit scheint es im mangels genauer Analyse zweifelhaft. Von die- 

Etruskischen anzudeuten, da einem turma, '&urm- sem Siuffix ist das (meist adjektivische) -an scharf 
na ein Thorius entsprioht. Auch wird im Etrus- 30 zii trennen; denn es kommt im Chaldisehen nicht 

kischen aus Priamos durch Suffixersatz priumne. vor. Im Griechisehen ist es versohiedenen Deklina- 

Dahin weist auch veUmna (Volumnius): velu. tionen zugewiesen worden, was auf Entlehnung 

Eine nicht naher bestimmbare Zugehorigkeit hinweist. Hier finden wir es vor allem bei Vol- 

liegt wohl in KQrjfxva (pisidiseher ON) vor, das kernamen auf -avsg-, idann auch in Fallen wie 

ungefahr gleichbedeutend mit Cressa (kariische HaQbrjvog ,der aus Sardis*, schlieBlich sehr hau- 

Hafenstadt) ist. Eine andere Art der Zugehorig- fig als -'fivrj, dais dazu di^ent, die Gegend einer 

keit liegt vor in lydisch mXimnas ,Senator* (vgl. Stadt usw. zu bezeichnen, vgl. MsXiffjvrj. Diese 

lykisch rmlija ,Senat*), ferner im Beinamen des Funktion scheint auf das gut indogermanische 

ApoUon von Thyateira Tvgifivag (vieUeicht der Suffix -awon- im Hieroglyphen-hethitischen abge- 
aus TvQiaiov oder Tvqo), Streng die Vaterstadt 40 farbt zu haben, da wir hier z. B. Pargawanas ,der 

anzeigend fungiert das mw-Sluffix im Lydischen, aus Parga* haben, wahrend das Griechische die 

wo es aber meist nur im zweiten Obliquus -mvav urspriingliche Bedeutung klar wahrt (vgl. Idovsg 

vorkommt, wahrend der erste Obliquus eine Kreu- .die Verehrer des mit ia id angerufenen. Gottes*). 

zung von mna- und li- darstellt, der Nominativ K© beiden Suffixe {na und -an) sind im Lyki- 

eine solche von mna- und -si (vgl. ihH-msis schen nioht zu unterseheiden, vgl. tlanna TXcosvg 

,ephesisch*: ibsi-mvav; mXi-mnas ,Ratsherr*: mXi- (nr. 25; Bilingue), ahnlieh im Etruskischen, vgl. 

mix). Da es sich bei dieser tJberkreuzung um TvQgrjvog > turns > Turnus. TvQQrjvot sind die 

ungefahr gleichwertige Suffixe handelt, ist diese Bewohner von TvQQa (< Tvgaa). Ebenfalls ein 

Heteroklise ein schones Bild der Sprachmischung. Nasalsuffix liegt in -un > -u vor. Bei den hier 
Wohl ahnlioh muB auch das Auftreten eines Buf-50aufgezahlten Namen liegt der Verdacht eines 

fixes -msn- neben -mn- im Etruskischen aus- agaischen Suffixersatzes fiir Protochattisches -u 

gelegt werden. Ahnlieh im Lykischen, vgl. Bi- (s. o.) vor. Wir finden die GN *Tarhu, vgl. etrus- 

lingue nr. 32 e, f ecatamla 'E^eatof^vag (gleich- kisch tarxun; die Ursprunglichkeit des u bewei- 

bedeutend mit "Exaxaiog). Schwieriger ist das sen raQxvco ,wie einen Gott (Heros) begraben*, 

A:-Suffix zu behandeln, weil sich mehrere Mog- und die luwische Form tarhun%(a), mit Ersatz 

lichkeiten tibersohneiden. Zunachst muB das in- durch das ahnliche luwische Siuffix -und-. Ferner 

dogermanische Suffix -iqo ausgesohieden werden, *Sandu, vgl. Udvdcov; die Ursprunglichkeit des 

ebenso einige iranisehe Falle (s. u.); dann besitzt u beweist die hieroglyphen-hethitisehe Form 

das Griechische noch nebeneinander -a| und -a;io-, SANDU-du-da ,dem Gotte Sandus*. Ferner "^Bu 
sozusagen eine Unsicherheit in der Zuteilung an 60 in Pcov-deQ^sfxig ,Drilling des Ru* (zu lykisch 

eine DeMination, wodurch sich der Verdacht trppme ,drei*), uaid Po-aQ§aaig ,des Eu Ge- 

fremder Herkunft ergibt. In klarer patronymer schenk*; Pcoaog ,die dem Ru gehorige (Stadt)*. 

Geltung zeigt es sich im Eteokyprisehen, z. B. SchlieBlich *Lu im Beinamen des karischen Zeus 

nr. 5 aristonos(e) aratovanaks-oko-s{e) = Aqi- Acov-daoyevg zum w-Vokal vgl. Aovg m. kilikisch. 

orcova AQiotcbvaHtog-, in genealogischer Bedeu- Hieher gehort wohl auch fioo{o)vv der holzeme 

tung in Kleinasien, vgl. Savdamg kilikisch, my- Wohnturm der Igaer, ferner der Najne eines 

thisehe Person, offenbar ,Sohn des Sandas*; Aa- fremdstammigen Beamten in Agypten Juntursa 

oaQanog ,Sohn des Assara' (vgl. lydisch GN (13. Jhdt.), der zweifelsohne auf einen Tyrsener 



175 Kleinasiatische Ursprachen Kleinasiatische Ursprachen 176 

hindeutet. Der erste Teil des Namens hangt Herrenschicht handelt, ist sie arehaologiseh (der- 
wohl mit dem E-uf iv zizsammen, vgl. den ana- zeit) nicht naehweisbar; wohl aber sind spradi- 
logen Name der lonier mit dem Euf id; wie der liche Spuren zu finden. So ist der PN Inar und 
kleinasiatische Beiname des Dionysos ''Ivog zeigt, Inara, der mit dem .sabinisehen I'^ero urverwandt 
handelt es sioh auch hier nm einen Ruf aus der ist, schon auf den kappodokisohen Tontafeln zu 
bultischen Sphare. Offenbar sollte jener Tyrse- finden. Dazu kommen einige Worter der religio- 
ner dnreh den Zusatz jun (= iu) religios gekenn- sen Sphare. Die protindogermanischen Einwan- 
zeichnet sein, wie aueh kretisch Ivxdi darauf hin- derer haben namlich den Zeaiskult mitgebradht; 
weisen dtirfte. — Auch in diosen Fallen muB daraiuf und auf ihren Volksnamen weist 'die Ilias- 
mit Suffixangleichung und tJberfuhrung in ein- 10 stelle XVi 233 hin Zsv ava, Acodcovais, Us- 
heimiisehe Deklination gerechnet werden, z. B. laoymL Der Name des Zeus selbst ist in prot- 
*Tarku erscheint im Lykischen als trqqa ,Gott* indogermanischer Form erhalten. Es ist dabei 
^Bandu als Hdvbag und daher lydisch sanmL — zu beaehten, da6 (wegen der agaisehen Vermitt- 
Auffallend ist noch, daB anscheinend Stadtnamen lung?) protindogermaniseh t ftir d steht; daher 
mit einem iSuffix -a gebildet werden konnten; finden wir statt diw- (vgl. A tog) Uw-, z. B. Tium 
dahin weisen nicht nur die lydi'schen ON, die (Ort in Bithynien). Ein Parallelstamm (naoh Aus- 
meist auf -a ausgehen, sondem auch, da6 die weis der slawisehen Sprachen) war *(^m-; prot- 
Stadt mit dem Turm (xvQoig) rvgoa (> Tvqqo) indogermaniseh lautete er *Tm, vgl. etruskisch 
heiBt. Vielleicht ist hieher auch die Tatsache zu Tina ,Zeus', tin-'&ur in EN unid vor allem in der 
rechnen, daB viele Landemamen der alteren Zeit 20 Gleichiung TivbaQibat = Aiog TiovQoi. Dabei fallt 
au! -a ausgingen, z. B. Lugga {^Avhyj in XvHri- in die Waagschale, -daB der Dioskurenkult, als 
ysvrig)^ KQrjra (vgl. ^Qrjtaysvrjg), lemnisch (poke Kult der Zwillingssohne, die Sohne des Zeus sind, 
(= ^coxr}, Nebenform von ^wKaia) usw. — Die auch bei anderen indogermanischen Volkern zu 
agaisehen Sprachen driickten grammatikalische finden ist. Ein weiterer Parallelstamm (naohAus- 
Beziehungen uxsprunglieh mit beweglichen Suf- weis des Albanischen) ist *dit-, in protindoger- 
fixen aus, die auch wegbleiben konnten, wenn die manischer Form "^tit- ,Tag'; er ist erhalten in 
Wortstellung genugend deutlich war, so noch im nrwi TJcog (Hesych.). Der Name ging in das 
alteren Etruskischen. Daher bleiben die border- Tyrrhenische liber, wo er zur Bezeichnung der 
glieder der Nominalkomposita unbezeichnet und Eos diente. Die Tyrrhenisierung zeigt noch viel 
sind dadurch sofort als nichtindogermanisdh' er 30 starker der Name ihres Gatten Tl'&covog (agaische 
kennbar. Die Suf fixe des Agaisehen diirfen id Aspiration!). Ins Tyrrhenische einverleiibt wurde 
k-einerlei Weise mit den ganz anders gearteten auch die Gottin ©alna (== Hebe); trotz seines 
Suffixen der subaraischen Sprachen, des Elami- agaisehen Suffixes kann der Name nicht von grie- 
sehen usw. verglichen werden, da im Agaisehen cMsch 'd'dXog ,Spr6Bling, Zweig* getrennt werden. 
keine Spur von Suffixaufnahme und Gruppen- Eine tyrrhenische Kontamination von indoger- 
fiexion besteht und da es starke Neigung besitzt, maniseh *ausos ,Morgenr6te' (> ^cog) und "^savel 
zur Flexion iiberzugehen, vgl. das spatere Etrus- (> sol) zeigt etruskisch usil, sabiniscli *awseL 
kische und insbeisondere das Tyrrhenische. Zum Auch ApoUon muB von den Protindogermanen 
SchluB sei noch auf die groBe Zahl von etruskisch- nach Kleinasien gebracht worden sein, da sein 
kleinasiatisohen Namengleichungen (H e r b i g) 40 Name schon f rtih das anlautende A verlor, als 
hingewiesen; auch GN sind darunter, vgl. z. B. ob es ein protochattisohes Prafix ware (s. o.). 
etruskisch Gulsans ,Janus* und hethitisch Kulses Der ON MdotavQa (Lydien) bedeutet wohl ,Berg 
,der Schutzgott des Hauses und des Menschen* der Ma*, und enthalt dann einen indogermani- 
(Hrozny); die kulturellen Beziehungen sind schen Genitiv von Ma; daB rai;^- ,Berg, Hohe* be- 
eng; iso haben die Etrusker aus Kleinasien Flote zeiehnet, zeigt nicht nur das vorderasiatisohe Tau- 
und Trompete mitgebraeht. Wie der im Griechi- rosgebirge, sondern wohl aueh die Tauem in den 
sehen erhaltene Name oaXmyS zeigt, handelt es Ostalpen. — Der Name eines pelasgischen Konigs 
sieh um agaisehes Erbe (Sehachermeyr). ist Tevrafiog, das von indogermaniseh few fa nicht 
Bei den Bauten spielte der mediterrane Turm getrennt werden kann. Beztiglich der Formantien 
eine groBe RoUe; lateiniseh turris und griechisch 50 ist allerdings zu beaehten, daB Gleiehklange irre- 
rvQotg sind also derselben Quelle entlehnt. Eine fiihren konnen. So gibt es z. B. ein indogermani- 
umfangreiche Liste agaischer Worter bietet D e - sches Nominalf ormans nt, das nach Ausweis des 
b runner (Art. ,Griechen* des BLV); dazu hat Hlyrischen die geograp'hische Zugehorigkeit aus- 
L a m e r IF XLVHI einiges hinzugefiigt, der je- driickt, vgl. z. B. Maluntum ,die auf der Hohe 
doch aueh echt griechische Worter dazurechnet, gelegene (Stadt)*, JJeQivd'og ^die umfassend ge- 
bloB well iSie auf -rjvrj ausgehen. Weiteres G r u - legene (Sitadt)* an der Propontis. Da einzelne 
mac'h OLZ 1931, 101 Iff. Illyrerscharen wohl schon zur Zeit der agaisehen 
§ 5. Das Protindogermani'Sche war Wanderung in Griechenland eingedrungen waren, 
die nachste Sprachsehicht. Sfie anzunehmen er- sind einige nf-Namen als iUyrisch aufzufassen; 
gibt sich aus verischiedenen Indizien. Aus dem 60 doch untersoheidet sich dieses nf-Suffix vom pro- 
Ende des 3. Jahrt. stammt ein Wagenpferd auf tochattisehen (,verseihen mit') scharf durch seine 
einer kappadokischen Siegelabrollung, derselben Bedeutung. Eine Gleichsetzung ist daher nicht 
Zeit gehort die Reiterfigur von Kill Tepe an, erlaubt. Dann aber ist z. B. Safiivd'og me'hr- 
was auf Indogermanen hinweist. Weiter sind deutig; wenn odfA,og = vipog ist, kann es iUy- 
— ebenfaBs vorhethitisch — gewisse typisch in- risch betrachtet ,die auf der Hohe gelegene* be- 
dogermanische Kleidungsstticke, wie der Mantel deuten, vorgrieehisch aber ,die htigelige*. Welters 
(ungefahr = ifyidtwv) und die Miitze, zu finden. weist das agaische Suffix -umna eine Ahnlieh- 
Da es sich vermutlich um eine nomadisierende keit mit dem indogermanischen Partizipialsuffix 



177 Kleinasiatische Ursprachen Kleinasiatische Ursprachen 178 

'm(e)no- auf , aber auoh hier ist der Bedeutungis- § 7. Die Bedeutung des Hethitischen 

unterschied zu groB. Doch gibt es wenigstens fiir die Namengebung Kleinasiens kann von der 

einen Fall, in welebom Snffixersatz eintrat: die des Luwisehen nioht reinlich getrennt werden, da 

anf dem Taurosberge liegende (Stadt) miiBte aneh das Hethitische ein nt- tind s-Snffix auf- 

agaisch "^tauro + umna heiBen, was grazisiert weist, wenn auch nieht in diesem Umfange. 

TavQO[A,svat lautet bzw., well dieses Suffix allzu Archaologisch deckt sich der Bereieh solcher Na- 

hart empfunden wurde, TavQOfAeviov (Tauro- men mit dom der hethitischen Keramik voUstan- 

minium). dig, da die geometrisch mattbemalte Keramik 

§ 6. Das Luwische heiBt hethitiseh lu- im wesentlichen mit der fruhmykenisehen Agina- 
wili, wohl ,die (Sprache) der Wolfsleute*, was 10 ware des griechischen Festlandes parallel geht. 

aber keine (xleichsetzung mit den Lykiem er- Ebemso findet man weitgehende bautechnisehe 

laubt, da sich deis ofteren verschiedene Stamme tlbereinstimmungen, wozu noch die nngefahre 

nach dem gleichen (Totem-)tier benannten. Es Gleichzeitigkeit aller dieser und anderer Ent- 

wurde mit dem Protindogermanischen identifi- sprechungen kommt (z. B. Stoning der Siedlungs- 

ziert, doch widerspricht dies dem arehaologischen kontinuitat), namlich die Zeit bald nach 2000. 

Befund, demgemaB die Luwier und Hethiter erst DaB die Luwier oder Hethiter auch auf dem Fest- 

nach 2000 (aus der sarmatischen Bbene) einwan- lande waren, zeigt nicht zuletzt der Name von 

derten. AuBerdem fin den sich die- Luwisehen Kydathen, der Unterstadt von Athen; hethitiseh 

(und Hethitischen) ON mit dem s-Suffix noch kutti bedeutet namlich ,eeitlieh, aAiBen*. In Klein- 
nicht in den kappadokischen Tontafelnl Wenn20asien ist der Name einer hethitischen Haupt- 

auch das Luwische viel starker kleinasiatisehen gottin Isharas als IsQa zu finden, ebenso die 

Einfliissen unterlegen ist, so zeigt es doch weit- hethitischen Fremdgotter ^abiri, die = Kd^si- 

gehende Verwandtschaft mit dem Hethitischen. Qot sind. SchlieBlioh seheinen die Keteier den 

Im Luwisehen ist das — das protochattische Namen der Hethiter zu tragen. Das hethitische 

wif-Suffix ersetzende — w^-Suffix sehr produktiv, Suffix -wa-^ das auf Grund von Sfehreibvarianten 

und zwar in der konsonantischen Deklination, dem Worte uwas ,Sohn* gleichwertig ist, treffen 

wie dies z. B. der luwische GN Tarhunx(a) gegen- wir im Karisohen als beliebtes Patronymikon, fer- 

tiber hethitischen Tarhu- zeigt; auch zur Plural- ner in Fallen wie Navvoag: Navvag; Ba^oag: 

bildung wird es allgemein verwendet. Hingegen Ba^a; Kaboag (= lydisch katuvas): Kadvg; 
ist das s-iSluffix dem Luwisehen allein eigentum- 30 Menuas (chaldischer Konig) : Mi^v (Mondgott) : 

lich; es driickt idie Zugehorigkeit aus, z. B. dah^r auch Pvfiog m., ,(Sohn) des Ru*. Auch im 

Qulassa (,Ort des Gottes Chulas*), dabei zeigt es Lydischen treffen wir es an, aber schon in erwei- 

sich in verschiedenen Formen, die auch in ispa- tert genealogischer Bedeutung, wie die Bilinigue 

terer Zeit recht genau auseinander gehalten wur- nr. 20 zeigt, in der Bakivas einem AiovvoiKXfjg 

den: -assa diente zum Ausdrucke eines Sttick entspricht. 

Landes mit den daraufstehenden Hausem (vgl. §8. Achaier sind schon fiir die Mitte des 
unser ,Marktflecken*), idaher wurden solche Namen 2. Jahrt. in Kleinasien nachweisbar. Denn wir 
spater als Neutrum pluralis aufgefaBt, vgl. ta finden in den hethitischen Texten griechische 
Aadaoa (Kastell in Kappadokien) bzw. es wurde Konigs- und Landemamen, vor allem Ahhijawa, 
ein Singular dazu gebldet: Tegyaoov (lykiisch). 40 das ein Land Achaia in Kilikien ist, wo auch 
Hingegen ischeint in -assos (grazisiert fiir -assas] noch in spaterer Zeit die Hypachaier, die har- 
der Hinweis auf die Stadt (ohne Ackergrund) zu barisierten ,Mischachaier*, wohnten, und das noch 
stecken. Wenn weiters der Wettergott der Stadt unter Salmanassar HI. (9. Jhdt.) Qawe hieB. Fer- 
Chulassa GOTT hulassassis genannt wird, dann ner hieB das Land der pontischen Achaier 'H na- 
bedeutet dies wohl ,der der (Stadt) Chulassa*. )^aia Axata ,Alt-Achaia*, die dort ihr Leben als 
Auch dieser Gebrauch hat sich bis in spate Zeit Seerauber fristeten. Sie sind wohl identisoh mit 
erhalten; denn Ovaaoaooig ist ,der (Mann) aus dem in agyptisehen Quellen (14. Jhdt) genann- 
Ovaooog^ (Karien), lykisch atanaxi ,Athener*, tem Seevolke der Aqaiwasa, wobei die Endung 
lemnisch holaiesi ,Sohn des Holaith*. In sehr -asa wohl kleiiaasiatisch ist (vgl. gajasa = Land 
verallgemeinerter Bedeutung (Personifizierung) 50 der g^aja). Ein weiterer griechischer Stamm 
liegt es vor in jig^aoig ,Donatus*: lykisch erbbe waren die Lykier, d. i. die ,Wolfsleute', deren 
,G«schenk', TgoKo-aQpaoig ,Theodoros'; noch ver- Land hethitiseh Lukka hieB und die ebenfaUs in 
blaBter in der BUingue nr. 134 masasi: Maoa. den agyptisehen Berichten vorkommen. — In den 
Ebenso der Suffixersatz, durch den aus dem grie- hethitischen Urkunden finden wir einen Alaksan- 
chischen Zsvg ein lykisches xeusi wird (wel- dus von Wilusas^ der kaum von Alexandres von 
chen Namen Hesych, als Zevaig den Avdm Wilios getrennt werden kann; denn die Verschie- 
[S<3hreibfehler fiir Avmoi] zuschreibt. Die Form denheiten konnen dureh Suffixersatz erklart wer- 
-assas dient im Luwisehen vorziiglich dazu, Ver- den, indem -avbQog idureh hethitiseh -andus, -usa 
balabstrakte ausaudriieken, vgl. hantassas ,Festig- hingegen durch ,dardanisehes' -log ersetzt wird. 
keif, GOTT hantassas ,Gott der Treue'. Diese 60 Derselbe Yorgang liegt auch bei hethitiseh Tfaj- 
Verwendung spiegelt sich im Lykisehen wider, ruisa: TQoia vor; ebenso in Assuwa: Aola. Einige 
wo zahlreiehe Amtsbezeichnungen auf -axa aus- andere Namengieiehungen sind weniger sieher, 
gehen, vgl. maraxa ,Vorstand*: etruskisch maru z. B. Tawagalawas: TJreoxXfjg. — Archaologisch 
(zur Verwendung von Abstrakten vgl. ,die hohe seheint das Auftreten der ersten Grieohen mit 
Obrigkeit' potestas > itaHeniseh podestd ,Biirger- dem "Qbergang von den Schachtgrabem zu den 
meister'). Daneiben ist mehrfaeh -issa zu finden, Kuppelgrabern in Mykene zusammenzuf^len (etwa 
vgl. PN Tarhunt'issa; noch in spater Zeit ist es 1500 v. Chr.). — Fraglich ist es, ob man die 
produktiv, vgl. Ha/LiaQiooa (= SafxaQixig). Im'an, die in den Insehriften von Ras-Samra 



179 Kleinasiatische Ursprachen Kleinasiatisclie Ursprachen 180 

vorkommen (13. J'Mt.), als laones auffassen darf, Beachtenswert ist auch die Endungsgleicbheit 

da — trotz H r o z n y Archiv Orientalni IV 169ff. von chaldisch aruni ,er gab* und etruskisch turune 

— lautliche Schwierigkeiten bestehen. ,er gab*. — Die chaldische Gottheit Queras ist 
§ 9. Die agaische Wanderung (um identisoh mit Kopeioog — Kd§siQog. 

1200) hatte zwar politisch und gesellschaftlieh § 10. Der EinfluB der Randvolker ist gering. 

die grofiten Folgen, da sie sich wie eine Elemen- Fiir das Subaraische waren erst nach dem Zu- 

tarkatastrophe answirkte. Die sprachlichen Ein- sammenbruch ides Hethiterreiehes Mstorisclie Mog- 

wirknngen scheinen hingegen gering gewesen zu liohkeiten einer weistlichen Axisbreitung gegeben. 

sein, da die vorhandenen Volker und Spraehen Darauf weist der Name der hurrischen Mutter- 
nur versohoben (oider ausgerottet) wurden, die 10 gottin Igepat bin, die als 'Inta iitixyiq wieiderkehrt. 

neu ankommenden aber nur engbegrenzten Ein- Zur Substitution des h ist zu beachten, daB das 

fluB batten. Immerhin ist vielleicht die ionische subaraische h nicht mitdemhetbitischen^ (=oh) 

Hauchpsiolose etae Wirkung der phrygischen (vgl. zu vergleichen ist, wie dieis noch der ON 'O^Qa 

phrygisoh a^PsQST: griechiseh eqpsQs). Zu beach- == U'^rra, der Landesname VQQorjvr} ,Hurriland' 

ten ist auch, daB die illyrischen Dardaner zeigt. Auch einzelne EN konnen sfubaraisch sein, 

— nach dean! Muster von UaQiov = iSltadt des wie vielleicht prhygisoh (ON) Aovbada (vgl. pihry- 
UaQig — aus Wilusas'^Wilion {y'lhov) gebildet gisch Aovda f.), da sich diese Art der RedupH- 
haben; ebenso Taruisa > Tgo-lrj. Von den andern kation bei subaraiisehen EN mit deminutiver Be- 
Stammen der thrakisch-phrygischen Welle (Troia deutung hauiig zeigt. Indes haben die suba- 
Vn/2, Buchelkeramik; grobe, schwarze Ware) 20 raischen Spraehen diese Eigenart aus den Spra- 
kennen wir kaum die Namen; vermutlich sind chen Mesopotamiens bezogen, vgl. akkadiseh 
auch die Philister dazu zu reehnen. Die Abuhii, sumeikch. GOTT Aruru, so daB vielfach 
T e u k r e r kommen in den agyptiischen Quellen auch semitischer EinfluB angenommen werden 
als Takara m. (neben anderen Namen) vor. Hin- kann. — Die subaraischen Stamme in Mitanni 
gegen haben die Umschichtungen zu starken Mi- und in einzelnen syrischen Stadten kamen zu 
schungen gefiihrt. Der von Kreta einwandemde Beginn des 2. Jahrt. dahin, von indischen Fur- 
(mediterrane) Stamm der Te r m i 1 e n iiberschich- sten beherrscht. Dies zeigen ihre Konigsnamen, 
tete den bereits barbarisierten Stamm der grie- z. B. Surata vedisch su-ratha ,schone Wagen be- 
chischen Lykier, dereo Spraehe epichorisch sitzend', ferner die Abhandlung des K i k k u 1 i 
nur noch in Spuren vorhanden ist, vgl. sttati 30 aus Mitanni iiber Pferde training: die darin vor- 
sttala ==: lomri ordXav, bzw. xeusi = Zevg. Auch kommenden Faehausdriicke sind indisch, vgL 
der lykische (nicht aber milyische) Wan del von s z. B. vasanna altindiseh vahannam ,das Fahren*. 
(zwischenvokalisch und vielleicht im Anlaut) zu Welters kommen in hethitischen Staatsvertragen 
h konnte auf das griechische Konto gesetzt wer- einmal die Gotter Indra, Mitra, Varuna und 
den. — Von den Karem wird berichtet, daB sie Nasatja vor, die unzweifelhaft ,ariseh' sind. Die 
aus Lemnos eingewandert sind. Dahin weist eine Inder haben davon den Indra und den Varuna in 
Sonderheit hin: der lemnische Nominativ vonPN ihr Pantheon aufgenommen. Auch die altindische 
lautete vorwiegend -aith (vgl. '^holaW; seronaid)-, QoiimKHhera stammt aus Kleinasien und ist den 
diese Eigenart kommt in Meinasien nur ein ein- mit Ko^siQog — KdpsiQog zu vergleichen. Das 
ziges Mai wiederum vor, namlich in Karien, vgl. 40 Wiirfelspiel haben die Inder, sowie die Grieohen, 
Afj/biai'd'og mythische Person, Hvfipiai'd'og Ort, aus Klei>nasien bezogen: der schlechteste Wurf 
Ktvaido-noXig Inisel. In dieser Spraehe ist der hieB ,Hiund', der Gewinner des Spieles infolge- 
protochattische Einschlag deutlich greifbar (pra- dessen ,Hundswiirger*; der Ausgangspunkt war 
figierendes Verbum!). Die Lyder nennen sich Lydien, vgl. "Egfjifj Kvvayxa f^rjoviorl == Eavdav- 
selbst nicht Lyder, woraus allein schon die Ein- h]g. Die auff alligeForm des indischen Kosenamens 
wanderung nach Lydien hervorgeht. Die Unahn- amha (unflektiert!) findet iseine Parallele nur in 
lichkeit der spateren kleinasiatischen Spraehen Kleinasien, vgl. 'A/LtPaoov das phrygische 
ist demnach dadurch verursacht, daB sich jede ,Metropolis', d. h. ,Ort der Muttergottin*. Der 
von ihnen aus mehreren Komponenten zusammen- letzte Rest idieser vorderasiatischen Inder steekt 
setzt und daB diese Komponenten nur zum Teil 50 in den Bagadaonen, das sind die Verehrer 
die gleichen sind. — Die Chalder hingegen haben der Bagada (der ,gluckbringenden'), vgl. altper- 
Westkleinasien verlassen und sind nach Armenien siseh baga ,Gott', altinidiiseh bhaga ,Segenspender, 
gezogen, wo ihre Spraehe vielfach sfubaraische Gluck'. SchlieBlich miissen noch einige Falle von 
Eigenschaften annahm. Sie bildeten nur eine Namen auf -ak- hiehergerechnet werden, wobei 
dunne Herrenschicht tiber die Saja; daher nann- auch spatere iranische Einfliisse in Betracht kom- 
ten sich die Armenier, die das Chalderreich stiirz- men, vgl. ON Ma^a^ea (zuawestisch maM-,groB*), 
ten, Haik' (-k" ist die armenisehe Bezeichnung des UaX^axT} (karisches Gebirge). 

Plurals), indem sie an den Namen der noch vor- § 11. Zu den von Sundwall gegebenen 

handenen vorchaldischen Bevolkerung ankniipf- Analysen kleinasiatischer Namen seien einige bin- 
ten. Die Chalder bewahrten trotzsdem kleinasiati- 60 zugeftigt. Es muB dabei betont werden, daB nur 

sches Gut, und zwar scheint es agaisch zu sein. dann auf Wahrscheinlichkeit gerechnet werden 

Dahin weist der Konigsname Menuas (,Sohn des kann, wenn Grundwort und Sniffix geklart sind. 

Mondgottes Mrjv^); die Verwendung des stadte- Wenn TQOTcodQpaoig so viel wie ,Theodoros* ist 

namenbildenden Suffixes -na; der Ausdruck f atari (s. o.), dann muB KoXaQ^aoig ,der ein Geschenk 

,Stadt' darf mit dem lykischen ON fttara, ly- des Gottes Kola (= hethitisch Hulas) ist' heiBen. 

disoh IleraQa, kappadokisch UrsQia usw. ver- Damit gewinnen wir die Deutung von KolaXrjiAig 

glichen werden. Auch griechiseh ntoXig (neben (ungefahr gleichartig wie echt griechiseh Ma- 

TzoXtg) kann durch ^ptara bewirkt worden sein. afovsg^ qui matrem colunt), also ,Pfleger, Ver- 



181 Kleisas Korinthos 182 

ehrer des Kula'; wir finide-n namlich das zweite S. 906 zum Art. Enakadion: 

Kompositumsglied in der lydischen (geistlichen) Pick Bezz. Beitr. XXI 250 vermutet, da6 der 

Amtsbezeidmung sivraXmis (der Artemis); es Name Knakalion zu schreiben sei. [v. Geisau.] 
wiederholt sich in KoroQalri(A,ig, worin der Name S. 921, 21 zum Art. Enidos: 

der KobbaQm (Sardianorum or do) steckt. Ein 5) Ein mir von Liv. XXXI 27, 6 genannter 

uberaus haufiges Namenselement ist muwa, das Platz im siidlichen Illyrien, der im J. 200 v. Cbr. 

im Hethitischen auch als Appellativum erhalten nach der Besetzung von Codrion von L. Apustius, 

ist (= akkadisch pupuhdu ,Haueh, Greist*) und dem Legaten des Consuls Sulpicius Galba, er- 

ungefahr so viel wie ,K6rpersaft, Lebenskraft' obert worden ist. K i e p e r t FOA XVI sucht C, 
heiBt. Es wird aueh im Hethitischen ausgietoig 10 dessen Namen E r a h e Indogerman. Bibl. 

zurBildung von EN beniitzt; ausdergroBenZahl HI. Abt. 7. Heft 11 fur vorindogermanisch an- 

der kleinasiatischen Beispiele sei auf Tarku-muva sieht, in der Landschaft Dassaretis siidlich des 

,des Tarku Geist besitzend*; KovaQi(A,oag ,eines Apsusfiusses im Siidosten von Antipatreia (vgl. 

Kabeiro,s Geist besitzend*; Ova^afAoag ,Gottes Niese Griech. und mak. Staaten II 597). Das 

Geist besitzend'; "EQiAa^jLoag ,des Hermes (Erd- bei Kallim. hym. in Kerer. 25 genannte ovnco 

gott) Geist besitzend* hingewiesen. Aber so wie rav Kvidlav sn Acouov Iqov svaiov UeXaoyol 

es im Griechisehen neben BeobcoQog ein Acoqo- diirfte mit unserem K. kaum identisch sein. 
d'sog gibt, so findet man schon hethitisch muwa- [Max Flusis.] 

UR,MAg ,die magische Kraft eines Lowen be- KoaZoi, Ethnikon eines thessalischen Ortes 

sitzend, Lowenherz' bzw. MooQpiig (m., kilikisch) 20 nur inschriftlich belegt, Arvanitopullos Eev. 

,die magische Kraft desi Erdgottes Hermes be- philol. XXXV^ 123. 182. [v. Geisau.] 

sitzend'. Hermes wird zur Bildung von EN Kokelonaioi (?ccbfA,r] KohsIcovscdv), thrakisches 

haufig bentitzt; aber wie der FluBname TJQfj,og Porf, erwahnt auf einem beim Dorf Orisovo (Bez. 

zeigt, der den Beinamen noXvy)r}q)ida tragt, Cirpan in Stidbulgarien) gefundenen Grenzstein, 

liegt wohl das Appellativum 8QfjLa{^) ,Steinhau- Kazarow Bull. Inst. Arch. Bulg. II 73 nr. 17. 

fen' zugrunde. Das Alter dieses Gottes wirddurch Hondius SEG III 540. Der Name K. ist thra- 

den hethitischen PN 60TTarma-(G0TT)dattas kisch. Mateescu Ephera. Dacorom. I 144. 
bewiesen. fG. Kazarow.] 

§ 12. Literatur. Da sie auBerst umfang- xolvfifiij'&Qa, Meist ein groBes Bassin, das 

reich und verstreut ist, konnen hier nur die wich- zum Baden und Schwimmen diente (Diod. IV 78. 
tigsten Arbeiten angegeben werden bzw. nur 30 XIII 83. Plut. Alex. 76. Paois. Ill 21, 4. IV 35, 

solche, die reichliche Literaturangaben enthalten. 9) und oft in den gewachsenen Boden einge- 

Archaologische und anthropologische Zusammen- arbeitet war. Dann aber auch ein zu demselben 

fassung bei Christian, im Eeallex. d. Assy- Zwecke verwandtes, groBes GefaB (Lucian. Hipp. 5. 

riol. (,AltkleinasiatischjeVolker*). 0. Menghin Plat. rep. V 453d), uber dessen Aussehen je- 

Weltgeschichte d. Steinzeit (Wien 1931). Texte doch nichts gesagt werden kann. [v. Lorentz.] 

gibt J. Friedrich Kleinasiat. Sprachdenk- Suppl.-Bd. IV S. 997, 17 zum Art. Korinthos 
maler (Berl. 1932) mit auBerst reichhaltigen Lite- (Topographic): 

raturangaben bei jeder einzelnen Sprache; zuden War das katastrophale Erdbeben, das Neu-K. 

acht Sprachen von Boghaskoi Forrer ZDMG und teilweise Alt-K. am 22. April 1928 zerstorte, 
N. F. I (1922) 174ff. Besonders tiber Kleinasien, 40 abgesehen vom Schaden am Brunnenhaus der 

Kretschmer in fast alien Banden der Glotta, Glauke, unbedeutend hinsichtlich der korinthischen 

insbesonders ab Bd. XI (1921), wobei auch die Altertiimer, so haben dagegen die seit 1925 rasch 

Literaturberichte zu beachten sind. Wichtig ist aufeinander folgenden Kampagnen der Amerikani- 

auch noch das ReaUexikon der Vorgeschiehte schen Schule in Athen, sowie die regelmaBig er- 

(hrsg. von E b e r t), insbesondere die Artikel scheinenden Berichte und vor allem die groBe 

,Altkleinasdjatische Sprachen' (Friedrich), Publikation, von der schon 10 Bande veroffent- 

,Griechen* (D e b r u n.n e r), ,Kappodokische Ton- licht sind, in der Dekade von 1924 bis Ende 1933 

taf ein'. Geschichtlieh orientierend Schacher- unsere Kenntnis der korinthischen Geschichte und 

meyr Etrusk. Frtihgesch.' (Berl. 1929). Gotze Topographic erheblich verbessert und vermehrt. 
Kleinasien (Mtiller Handb. IH 1, 3; 1933). Un-50In der allgemeinen Geschichte war es vor allem 

entbehrlich ist die Siammlung und Behandlnng die Betonung der Wichtigkeit der Ereignisse im 

kleinasiatischer Eigennamen durch Sundwall J. 338 v. Chr., infolge deren K. die politische 

(Klio Beih. XI). An Einzelheiten sei noch her- Hauptstadt Griechenlands wurde, die Feststellung, 

vorgehoben: Kretischmer Kleinasiat. Forseh. daB im J. 146 v. Chr. vielleicht der groBte Teil 

I (1930) Iff. 297ff.; WZKM XXXHI Iff.; KZ LV der religiosen und profanen Gebaude gar nicht 

75fE, LVII 251ff.; IF XLV 267ff. Porzig ZII von den Soldaten des Mummius zerstort wurde, 

V (1927) 265fE. H r o z n y- Archiv Orientdlni Iff. und die Erkenntnis, daB die endgiiltige'Zerstorung 

(1929ff.). Benveniste Studi etruschi VH K.s im 4. Jhdt. n. Chr. vor allem dem Glaubens- 

(1933) 525fE. Meriggi WZKM XL 233ff. eifer und dem Fanatismus der christlichen An- 
Friedrich Hethitisch und ,Kleinasiatische' 60 griffe auf die Heiden und heidnischen Gebaude 

Sprachen, Berl. 1931. Hrozny Prager Eund- zugeschrieben werden muB. Bildete bis 1925 vor 

schau in nr. 4. Brandenstein Die tyrrhe- allem das Zentrum der antiken Stadt, sowie ge- 

nische Btele vom Lemnos, Berl. 1934. legentlich isolierte prahistorische Stellen und 

[W. Brandenstein.] Graber den Gegenstand der archaologischen Un- 

Kleisas, boiotischer Flecken, Plut. amat. narr. tersuchungen, so wurde in der letzten Dekade unter 

4,775b, wahrscheinlich identisch mit Glisas Oberleitung von Hill, Blegen, Carpen- 

Bd. VII S. 1426, 34. [v. Geisau.] ter, St ill well und Shear entweder im 



183 Korinthos Korinthos 184 

Zentrum weiter gearbeitet oder auch der Peri- Mtinzen: Cor. VI. Bellinger Catal. of the 

pherie der antiken Stadt durch archaologische Coins found at Corinth in 1925, New Haven 1925; 

Arbeit ihre Geheimnisse abgewonnen. Yale Class. Studies II (1931) 185ff. J. B. Cam- 

Q u e 1 1 e n. Zusammenfassende Bibliographie m a n n The Symbols on staters of Corinthian 

und Geschichte der Ausgrabungen: CNeill type (Numism. Notes and monogr. LIII) 1932. 

Ancient Corinth, Baltimore 1930 (vgl. Gnomon 0. Ravel Corinthian hoards (id. LII) 1932; 

VI 360fE. =s politische Geschichte bis 404 V. Chr.). Arethuse VI (1929) Iff.; Rassegna Numismatica 

J. H. Finley Speculum (Cambridge Mass.) 1929, Iff.; Revue Numism. 1932, Iff. (sehr wich- 

1932, 477ff. (mittelalterl. K.). de Waele Gno- tigl); weiter in den Berichten .des Theaters, der 
mon IV 562ff. X 225ff. H. N. F o w 1 e r Corinth 1 10 Nordstoa und des Asklepieions. 

Iff. Publikation der Ausgrabungen (=: Corinth): Korinthische Vasenmalerei: H. G. G. Payne 

Fowler und R. Stillwell Introduction (Ge- Necrocorinthia, a Study of Corinthian Art in the 

schichte K.s und der Ausgrabungen bis 1925 mit Archaic Period, Oxford 1931; Protokorinthische 

Notizen bis 1932), Topography and Architecture Vasenmalerei, Berl. 1933. St. B. Luce Am. 

(Lechaionstrafie, Propylaia und Tempel des Apol- Journ. Arch. XXXIV 313ff. Hill Am. Journ. 

Ion) 1932 (= Cor. I). C. W. Ble gen. Still- Arch. XXXV 51f.; weiter in den Berichten der 

well, A. R. Bellinger, 0. Broneer Aero- Nord- und Ostnekropole, der Nordstoa, des Kera- 

corinth 1930 (== Cor. Ill 1). R. Carpenter, meikos, des Asklepieions. L. T. Shoe Hesperia 

A. B n Die Mauern Akrokorinths und der Stadt I (1932) 56ff. 

(Cor. Ill 2) ist in Bearbeitung. I. Thallon-20 Terrakotten usw. Cor. IV 1 und 2. Berichte 

Hill, L. S. King Decorated Architectural Ter- des Theaters und der Nordnekropole, des Kera- 

racottas 1929 (= Cor. IV 1). Broneer Terra- meikos und des Asklepieions. 

cotta Lamps 1930 (= Cor. IV 2). T. L. S h e a r Plane: Mazarakis in UQaKxinh 'Aqx, 

The Roman Villa 1931 (= Cor. V). K. M. 'EtaiQ. 1906 T. 5; die Ausgrabungsgebiete: 

Edwards Coins (1896—1929) 1933 (= Cor. Cor. I Dinsmoor-Stillwell Karte des 

VI). B. D. Meritt Greek Inscriptions (1896 Zentralausgrabungsgebietes in Carpenter Guide; 

—1927) 1932 (== Cor. VIII 1). A. B. West mein Plan S. 189 mit eigener Erganzung des 

Latin Inscriptions (1896 — 1926) 1932 (== Cor. siidlichen und westlichen Stadtgebietes und unter 

VIII 2). F. P. Johnson Sculpture (1896 — Beniitzung der im Museum kauf lichen, von J. 
1923) 1931 (= Cor. IX). Broneer The Odeum 30Eigenmann und F. vanSchagen gezeich- 

1932 (=: Cor. X). In Bearbeitung sind weiter: neten Karte Akrokorinths (verfehlt ist die Karte 

das Topferviertel, das Theater, die Nord- und in Cor. Ill 1). 

Ostnekropolen, Asklepieion und Lerna, Nordmarkt Topographic. Das wichtigste Ereignis 
und Nordstoa, Nordweststoa und Laden der Agora, der korinthischen Forschung der letzten Jahre ist 
Tempel E, die christliche Basilika, Peirene und die Feststellung des Mauerkranzes der Stadt in 
heiliger Brunnen, Glauke, die lulische Basilika. griechischer Zeit (Karo Arch. Anz. 1932, 132). 
Zusammenfassend: Fowler Art and Arch. XIV Es stellte sich^heraus, da6 die Stadtmauer nicht 
193—225. Carpenter Korinthos, A Guide nur die zwei Stadtterrassen (s. Suppl.-Bd. IV 
1928; Korinthos ebd. 1933 (ein Fiihrer flir das S. 997ff.) einschloB, sondern auch eine der Nord- 
neue, 1933 in Gebrauch genommene Museum 40 seite des ostlichen Teiles vorgelagerte Terrasse. 
steht in Aussicht). d e W a e 1 e Gnomon X 225ff. Die Westgrenze der antiken Stadt stieg allmah- 
Y. Bequignon Grece (Guides Bleus) 1932 lich auf einem sich zwischen zwei Sturzbachen 
(1928 abgeschlossen); Berichte im Arch. Anz., hinziehenden Hiigelriicken bis zur Westmauer 
Am. Journ. Arch, und Bull. hell. Akro-K.s hinauf. Durften die archaologischen 
Griechische Inschriften: Cor. VIII 1, vgl. Entdeckungen auch nicht die Genauigkeit der 
Gnomon IX 415ff.; weitere Inschriften, Graffiti Angaben Strabons hinsichtlich der Teilstrecken 
usw. in den Berichten uber Theater, Nordstoa, der Mauer beweisen (s. Suppl.-Bd. IV S. 98, 57), 
Asklepieion usw.; Polemon I (1929) 112ff. die Totallange der Stadtmauer, der akrokorinthi- 
Lateinische Inschriften: Cor. VIII 2, vgl. Gno- schen Befestigung sowie der leider noch sehr 
mon IX 418ff.; weiter in den Berichten des Thea- 50 hypothetischen Befestigung Lechaions und der 
ters und der Nordnekropole; Erastus-Inschrift: Schenkelmauern scheint den 120 Stadien (21 km). 
Shear Am. Journ. Arch. XXXIII 525. de die Strabon als Gesamtlange der korinthischen 
Waele Mededeelingen Nederl. Histor. Instit. Mauern angibt, sehr nahe zu kommen. Mit einer 
Rome IX (1929) 40ff. van de Weerd Revue Ausdehnung von 600 ha war K. die Stadt des 
beige philol. et hist. X (1931) 87ff. Roos Mne- griechischen Festlandes mit dem groBten Weich- 
mosyne LVIII 160ff. Cadbury Journ. BibL bild (Athen in den themistokleischen Mauern un- 
Liter. L (1931) 42ff. Carpenter Guide2 85f. gefahr 200 ha, Syrakus ungefahr 1500 ha, Pom- 
Graffiti und Stempel: Shear Am. Journ. peii m ha, vgl. Paris im alten Mauerkranz 
Arch. XXXn 476. XXXV 426. C o m f o r t Am. 7800 ha). 

Journ. Arch. XXXIII 484ff. d e W a e 1 e Am. 60 Das Zentrum der antiken Stadt bildet jetzt em 

Journ. Arch. XXXVII 438ff . geschlossenes Ausgrabungsfeld, das man am besten 

Skulptur: Cor. IX, vgl. Gnomon IX 15ff.; von der modernen Agora aus betritt. Bei der 

archaische Skulptur: Shear Am. Journ. Arch. Freilegung der groBen A 1 1 e e nach L e c h a ion 

XXXI 489 Fig. 10. d e W a e 1 e Am. Journ. Arch. (Hill Am. Journ. Arch. XXXI 72ff. Meritt 

XXXIV 450; neue Skulpturen in den Berichten ebd. 450ff. Cor. I 135ff.) bis zur modernen StraBe 

des Theaters (vgl. auch Shear Am. Journ. f anden sich Abstuf ungen des f allenden Terrains. 

Arch. XXX 456. 462. XXXVI 330ff.), der Nord- An der Westseite dieser StraBe, stidlich des alten 

stoa, des Asklepieions, und in Cor. X. Museums und nordlich der romischen Basilika 



185 Korinthos Korinthos 186 

liegen die Ruinen eines groBen Komplexes mit Ausstattung mit Marmor scheint der Periode des 

Kammern und einem zentralen, teilweise noch Herodes Attikus zugeschrieben werden zu miissen 

nicht ausgegrabenen Platz, der von einem aus (Carpenter 30ff.). Neue Untersuchungen 

frtihbyzantinischer Zeit datierenden Hemizyklus- haben nachgewiesen, daB die Peirenequelle auf 

bau bedeckt war (B r o n e e r Am. Journ. Arch. Akro-K. (s. u.) nur fiir die Burg in Betracht kam, 

XXX 49ff. Cor. VIII 2 S. 102. Cor. I 142H.). und daB ihr Wasser gar nicht zur Peirene her- 

Vielleicht lag hier einFischmarkt (deWaele unter reichte, wie man friiher annahm (Karo 

Am. Journ. Arch. XXXIV 454), der die Fort- Arch. Anz. 1933, 222. Hill Peirene, bevor- 

setzung des an der Nordseite des Tempelhiigels stehende Publikation in Corinth.). S. Nachtrag. 
befindlichen Nordmarktes in ostlicher Richtung 10 Die monumentale Ostgrenze der antiken Agora, 

bildete (s. u.), bis im Anfang des 3. Jhdts. die bald mit dem zentralen Ausgrabungsfeld ver- 

n. Chr. die beiden Markte durch eine Thermen- bunden wird, bildete die lulische Basilika 

anlage (d e W a e 1 e Am. Journ. Arch. XXXIV mit einem andern, noch nicht naher bestimmten 

436ff.) voneinander getrennt wurden. Diesem Gebaude. Bei neuen Untersuchungen wurde fest- 

,Fischmarkte* gegeniiber liegt an der Westseite gestellt, daB diese Basilika ursprunglich ein recht- 

der StraBe ein byzantinischer Hauserruinenkom- eckiges Gebaude aus hellenistischer Zeit war und 

plex, in dem man kaum noch die Reste klassischer in rbmischer Zeit grlindlich umgebaut wurde 

Gebaude wiederfindet (Carpenter Guide^ 23). (Carpenter 92ff. d e W a e 1 e Gnomon VII 

Nur eine romische Latrinenanlage ist verhaltnis- 610). Ganz freigelegt ist jetzt eine monumentale 
maBig gut erhalten. Bei dem groBen Thermen- 20 kreisformige Basis, eine Arbeit aus griechischer 

gebaude, das unter den byzantinischen Mauern Zeit, aber in romischer Zeit wahrscheinlich zu 

liegt, ist die Identifikation nicht gesichert, doch einer Art Siegessaule oder Trophae umgearbeitet 

wahrscheinlicher als die etwa 150 m nach Nor- (Karo Arch. Anz. 1933, 222). 

den gelegene Ruine (Plan TL), muB man diese Der ganze Komplex an der LechaionstraBe 

Thermen als die von Pausanias (II 3, 5) erwahn- (griechischer Markt, romische Basilika in zwei 

ten Bader des Eurykles betrachten. Mit den sog. Perioden, romische Laden, Propylaia, s. Suppl.- 

Badern des Hadrian nordlich des Theaters und Bd. IV S. 1000, 20ff. 1001, 15ff.) sowie der 

einer Thermenanlage jtingerer romischer Zeit Tempel des ApoUon (s. Suppl.-Bd. IV S. 999, 

westlich des Odeions und dem jetzigen Ausgra- 28ff.) wurde von Stillwell publiziert (Cor. I 
berhaus (Karo Arch. Anz. 1932, 138) ist somit30 115 — 228, vgl. de Waele Am. Journ. Arch, 

fiir K. die Existenz von fiinf Thermenanlagen im XXXV 397f,). 

Zentrum der romischen Stadt festgestellt (s. Mit der weiteren Freilegung der griechisch- 

SuppL-Bd. IV S. 1002, 64ff.). romischen Agora (s. Suppl.-Bd. IV S. 1000, Iff. 

Siidlich des byzantinischen Viertels liegt ein Carpenter 42) wurde 1933 angefangen. Die 
groBer rechteckiger Platz, der Peribolos des Apol- nach den Statuen der Gefangenen benannte Fas- 
Ion (Hill Am. Journ. Arch. XXXI 71 ff. sade, die im 2. Jhdt. n. Chr. als ein monumen- 
de Waele Gnomon VII 52; unrichtig Suppl.- taler AbschluB der romischen Basilika nach der 
Bd. IV S. 1002, 23ff.), wo man nach erneuter Agora zu gebaut wurde, ist, soweit die diirftigen 
Untersuchung die Basis der sich in der Mitte des Stiicke gestatteten, rekonstruiert worden (C a r - 
Temenos befindenden Statue des ApoUon ent- 40 p e n t e r 47ff .) und die mit Metopen und Tri- 
deckte. Aus griechischer Zeit scheinen die Spuren glypen verzierte, sonstigen dorischen Altaren in 
einer Erzwerkstatte herzuriihren, und die Nahe Perachora, Kerkyra und Syrakus (de Waele 
des Peirenewassers ruft die Erwahnung der Erz- Gnomon X 225) ahnlich sehende AbschluBmauer 
bearbeitung mit diesem Wasser (Pans. II 3, 3) in der Terrasse der Nordseite der Agora, harrt der 
Erinnerung (Carpenter 27). Wie sich der Publikation Hills, sowie der heilige Brunnen und 
hier in griechischer Zeit befindliche Platz zu dem das Orakelheiligtum, dessen genaue Bestimmung 
kleinen griechischen Tempel verhielt, der in friih- wohl immer sub iudice bleiben wird (s. Suppl.- 
hellenistischer Zeit entfernt wurde, laBt sich nicht Bd. IV S. 1000, 42f. Carpenter 49ff. B o n- 
mehr sagen. Vielleicht fiel dieser Tempel A den n e r Am. Journ. Arch. XXXIII Iff. S. Eitrem 
neuen Bauplanen zum Opfer, die zur Ausstattung 50 Serta Rudbergiana 1931, 23; Philol. Woch. 1931, 
der Stadt nach den Ereignissen des J. 338 v. Chr. 765. d e W a e 1 e Philol. Woch. 1933, lllff.). 
(s. u.) ausgefiihrt wurden. S. Nachtrag. In der Geschichte der groBen Halle siidlich 

An der Siidseite des Peribolos lagen die be- unterhalb des archaischen Tempels (C a r p e n - 
riihmte Peirene-Quelle (s. SuppL-Bd. IV S. 1001, ter 54f.) konnten drei Perioden festgestellt wer- 
51 ff.) und die den AbschluB der Ostseite der den: die der hellenistischen Stoa mit dorischen 
groBen Agora bildende Basilika, die nach den Saulen an der Siidkiiste und ionischen im Innern, 
hier gefundenen Statuen des iulischen Kaiser- die zweite Periode in friihaugusteischer Zeit, in 
hauses die lulische Basilika genannt wurde. Aus der die Saulen mit Stuck uberzogen werden, der 
der archaischen griechischen Zeit stammt die erste im 3. Jhdt. n. Chr. erfolgte Umbau der Halle zu 
Ausstattung der Peirene (s. u.) mit den vier Ian- 60 Magazinen durch die Anlage der groBen Laden- 
gen Wassergangen und den Schopfbassins. In reihe, die im Siiden der friiheren Stoa vorgelagert 
einer folgenden Periode wurden die sechs Zimmer wurde (Karo-Stillwell Arch. Anz. 1933,219). 
unter dem iiberhangenden Konglomeratfelsen ein- Aus antoninischer Zeit ist der nicht naher 
gebaut und die elegante ionische Architekturver- bestimmbare, jetzt ganz zerstorte Tempel (C a r - 
kleidung angebracht. In der romischen Zeit kam p e n t e r ebd. 69. Karo Arch. Anz. 1933, 21 9f.), 
die Porosfassade mit den zwei Etagen und das am Westende, aber siidlich der hellenistischen 
offene Wasserbassin in der Mitte des Hofes vor Halle in der Nahe des Marktausganges, der auf 
den Wasserkammern hinzu. Die Verkleidung und die StraBe nach Sikyon fiihrte (Tempel D). 



187 Korinthos Korinthos 188 

Die Siidseite der Agora wurde be- Westlich der Agora und des groBen Tempels 

grenzt von einer 165 m langen Halle mit einem sind jetzt manche Gebaude und Ruinen frei- 

Flacheninhalt von etwa 4125 qm, wohl dem groB- gelegt. An der nordwestliehen Ecke der Agora 

ten antiken Bauwerk des griechischen Festlandes. und westlich der nach Sikyon fiihrenden StraBe 

Die Front der nach Norden geoffneten Stoa ist befindet sich ein Bezirk mit einenj kleinen Tem- 

dorischer, die innere Saulenreihe ionischer Ord- pel, der aus dem 1. Jhdt. n. Chr. stammt, aber bei 

nung, im Siiden schlieBen sich zwei Reihen Laden dem Mangel bestimmter Indizien nur als Tempel 

an, mit 33 Doppelmagazinen und 32 Brunnen, die C bezeichnet werden kann (Carpenter 68f .). 

von einem langen Kanal aus der Peirene gespeist Den westlichen AbschluB der Agora bildete 
wurden. Die bisher angenommene friihe Datie- 10 eine Reihe Laden (Kolonnade mit sechs gewolb- 

rung ins 4. Jhdt. v. Chr. (Carpenter 43) ten Zimmern), an deren Siidseite eine monu- 

wurde jetzt durch die Kleinfunde (Terrakotten, mentale Treppe,zu der Ruine^ eines groBen romi- 

Munzen) ins 3. Jhdt. versetzt, in oder nach der schen Tempels (Tempel E) fiihrte. Der nach 

Zeit des Ptolemaios III. (247 — 222). Der Bau 41 n. Chr. erbaute Podiumtempel ist in flavi- 

dieser gewaltigen Halle hangt wahrscheinlich scher Zeit umgestaltet worden, indem man die 

noch zusammen mit der regen Bautatigkeit, die MaBe zwar beibehielt, aber den ganzen Bau ein 

die Korinther nach 338 v. Chr. (s. u.) entfaltet Stiick nach Westen riickte. Was sich an Ge- 

haben, wodurch die griechische Stadt des 5. und bauden westlich der Agora in griechischer Zeit 

4. Jhdts. sich den Anforderungen des hellenisti- befand, ist bei der grundlichen Zerstorungs- 
schen Stadtebaus anpaBte. S. Nachtrag. 20 arbeit der romischen Ingenieure kaum noch zu 

Nordlich vom Westende dieser groBen Siidstoa vermuten, und nur Brunnenfunde in der Um- 

liegt ein merkwtirdiger Bau, der vielleicht als ein gebung, wie die Fragmente tonerner Giebel- 

von den Romern mit Hilfe der monolithen Saulen figuren des spateren 6. Jhdts. weisen auf einen 

des zerstorten Tempels errichtetes Propylon viel alteren und wichtigeren Bau in dieser 

anzusehen ist (B r o n e e r Am. Journ. Arch. 1933. Gegend (Carpenter 70f. St il 1 w e 1 1 Am. 

Karo-Stillwell Arch. Anz, 1933, 220ff.). Journ. Arch. XXXVII 496. Karo Arch. Anz. 

das jetzt (1934) weiter untersucht wird. 1933, 2181). Indessen ist die Identifizierung des 

Von einem kleinen Rundtempel des 1. Jhdts. Tempels E mit dem Tempel derOctavia (s. Suppl.- 

n. Chr., den ein gewisser Aedilis und Pontifex Bd. IV S. 1001, llff.) weniger glaubwtirdig als 
Cn. Babbius Philinus wahrscheinlich in der 30 die mit dem von Pausanias oberhalb (ies Theaters 

Agora errichtete, wurden die erhaltenen Archi- erwahnten Kapitol (Pans.' II 4, 5: Plan TE'). 

tekturstiicke zu einem Ganzen zusammengefiigt Das neue Museum wurde in dieser Gegend er- 

und in der westlichen Halfte der Agora, jedoch richtet auf einem Grundstiick, das auBer vielen 

nicht in situ, errichtet (Carpenter 53). Spuren einer prahistorischen Ansiedlung und 

Nordlich unterhalb des Tempelhiigels wurden Resten von zwei StraBen keine wichtigen Daten 

zwei wichtige Komplexe freigelegt, ein griechi- aus dem klassischen Altertum aufwies (d e 

scher und ein romischer. Hier befand sich eine W a e 1 e Gnomon VII 610). Nordlich davon steht 

griechische Ston, der schon zwei Stoen voran- jetzt die Glauke-Quelle (s. Suppl.-Bd. IV S. 1103, 

gegangen zu sein scheinen. Die erste Halle scheint 37ff. Carpenter 72ff.), der das Erdbeben 
dem 5. Jhdt. anzugehoren. Die groBe, etwa 95 m 40 von 1928 groBen Schaden zugefiigt hat. Das in 

lange HaUe ist ins 4. Jhdt. v. Chr., vielleicht der Nahe liegende, von Pans. II 3, 6 erwahnte 

in die Anfange der hellenistischen Zeit, zu und erklarte Monument der Kinder der Medeia 

datieren. Im KellergeschoB dieser im J. 146 (s. Suppl.-Bd. IV S. 103, lOff. Pi card 

V. Chr. griindlich zerstorten, spater von den Rev. Arch^ol. XXV [1932] 218ff. Carpenter 

Romern nie wieder aufgebauten Halle fanden 74f.) konnte bisher noch nicht lokalisiert werden, 

sich 51 goldene Statere Philipps und Alexanders trotz der genaueri Andeutung neben dem Odeion. 

und eine goldene Halskette aus derselben Zeit Dieses romische Theater (Plan. Od.), dem wohl 

(de Waele Gnomon VII 50. Am. Journ. Arch. kein griechisches vorangegangen ist, wurde erst 

XXXV 394ff.). Die ostliche Halfte dieser Nord- in den letzten Dezennien des 1. Jhdts. n. Chr. in 
stoa verschwand voUig beim Bau des romischen 50 diesem Teil der antiken Stadt errichtet, die in 

Nordmarktes in der letzten Halfte des 1. Jhdts archaischer und vielleicht auch in klassischer Zeit 

n. Chr., fiir dessen Fundierung der Felsenhiigel als eine Art Steinbruch verwendet wurde. Dieser 

des Tempels an dieser Stelle ausgeschnitten Abglattung und Nivellierung ist das aus dem 

wurde. Nur die Siidseite mit 13 Laden, teilweise Felsen gehauene Gebaude entgangen, die Glauke- 

die Westseite mit einer DurchgangsstraBe, ein Quelle, siidostlich des Odeions. Von den friiheren, 

Teil des zentralen Platzes mit der Wasserrinne beim Bau des Odeions zum groBten Teil weg- 

und der marmornen Pflasterung wurden ge- geschnittenen StraBen wurden wichtige Spuren 

funden (Carpenter 65ff. d e Waele Am. entdeckt. Die von Philostr. vit. soph. II 551 (s. 

Journ. Arch. XXXIV 432ff.). Suppl.-Bd. IV S. 1003, 51ff.) erwahnte Freigebig- 

In der Nahe des Theaters sah Pausanias das 60 keit des Herodes Atticus bezieht sich auf den 

Heiligtum der Athena Chalinitis (Pans. ersten Umbau des in flavischer Zeit und kurz vor 

II 4, 5; s. Suppl.-Bd. IV S. 1003, 62ff.), dessen oder nach, der Umwandlung des groBen Theaters 

genaue Lage bisher nicht festgestellt werden in ein unregelmaBiges Amphitheater (s. u.) um- 

konnte, sondern vermutet wird nordlich der gebauten Odeions. Etwa um das J. 225 n. Chr. 

StraBe, die der griechischen Nordstoa entlanglief erfolgte ebenfalls hier eine Umwandlung in ein 

(Shear Am. Journ. Arch. XXIX 388ff. 444ff. Amphitheater mit einer Arena. Die Zerstorung- 

XXXII 489. d e W a e 1 e Am. Journ. Arch. XXXV diirfte in der*Mitte des 4. Jhdts. n. Chr. erfolgt 

407ff. Carpenter 65ff. Plan AC). sein (s. u.; Cor. X). 



189 



Korinthos 



190 



-^ ~ Meer. FluB, Bach 

-—- -« S+adtmauer, ausdrOcklJch teslgestellt 

===== Stadtmauer 

r.-TT-.-rr-.' Stadtmauer, hypothetischer Ver.'auf 

^ To; 

j:>^ Tofm 

=••=.•.=: Antiker Weg Oder StraBe 

////////// Grenze der Terrassen, Hiigelland u Akrokormthos 

— '-~— «" Uoderne Eiser>bahn 

"Hf KJrchlein 




Ana KIrchederAnargyroi 
AC Heillgt. Athena 

Chaiinitis 
Ag Agora 
Ak Akrokorinthos 
Am Amphitheater 
BA Bader der Aphrodite 
CB Christliche Basilica 
CQ Korlnthischer See- 

busen 
Ch Hiigel Cheliotomylos 
EC Ostnekropole 
QC Tor nach Kenchreal 
Gl Tor nach Isthmos 
QM Tor nach Megara 
6P Tor nach Phllus 
H Heralon (?) 
QS1 Tor nach Slkyon(l)(?) 
QS2 Tor nach Slkyon(2)(?) 
QTe ostl.Tor nach Tenea 
QTw westl. Tor nach Tenea 
QW Tor In der westl. 

langen Mauer 
HL Hafen Lechalon 



HV Hellenistische Villa 
JB Julische Basilica 
JW Justinlanische Mauer 
Ke Keramelkos 
LA Lerna u. Asklepleion 
Lq Lerna-Brunnen 
Mu neues Museum 
NC Nordnekropole 
Od Odelon 
PC palaochr. Friedhof 
Pe Peirene-Brunnen 
RL rom. Stralje nach 

Lechalon 
RV rSmische Villa 
TA TempsI des Apollon 
TAp Tempel d. Aphrodite 
TE Tempel E 
TEI Tempel der Eile- 

thuia (?) 
Th Theater 
TS Theater-StraPse 
TL Thermen der 

Lechaion-Stralje 
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191 Korinthos Korinthos 192 

Die Freilegung des grofien Theaters Helios, ein Heiligtum der "Avdyxr} und der Bla, 

(Plan Th) ist von 1925 bis 1929 vor sich ge- Tempel der Gottermutter, der Schicksalsgottin- 

gangen. Vom friihesten noch dem 5. Jhdt. an- nen, der Demeter und Persephone, der Hera 

gehorigen Theater (Xen. hell. IV 4, 3) hat sich Bounaia. 

an dieser Stelle an der Seite der Terrasse, die Auch Akrokorinth (Plan Ak) wurde syste- 

gerade nordlich des Odeions abfallt, keine einzige matisch untersucht (s. Suppl.-Bd. IV S. 1004, 

Spur auffinden lassen. Das teilweise erhaltene 43ff. Cor. I 84ff. Ill 1, S. 1 — 30 [Aus- 

griechische Theater (s. Suppl.-Bd. IV S. 1004, 4ff.) grabungen], 30—49 [obere Peirene], 50—60 

ist wohl in friihhellenistischer Zeit erbaut, etwa [Graffiti der oberen Peirene]. Ill 2 [in Bearbei- 
nach dem J. 338 v. Chr. Die Cavea hatte 10 tung, wird die Mauern besprechen]). Vom Sisy- 

36 Keihen Sitze, und 20 000 Zuhorer fanden hier pheion wurde niehts gefunden (s. Suppl.-Bd. IV 

Platz. Die groBen Versammlungen wurden hier S. 1006, 39ff.). Vom kleinen Heiligtum der 

abgehalten (Plut. Arat. 23). Um die kreisformige Aphrodite am Gipfel (Plan T A) ist fast niehts 

Orchestra lief eine mit Brticken versehene Wasser- iibriggeblieben. Der wichtigste klassische Rest 

rinne. Die korinthischen xogai oder Tempel- ist die jetzt noch fungierende obere Peirene- 

dienerinnen der Aphrodite scheinen hier beson- Quelle mit Wasserbehalter (Plan UP) und den 

dere Sitze eingenommen zu haben, wie die In- auf den Wanden gekritzelten Graffiti mit der 

schrift KOPFAN auf einem im Westparodos des 8fA,vi^o'&r]-¥oxmel. Die von Pausanias erwahnte be- 

romischen Theaters eingebauten Sitze zu sagen waffnete Aphrodite, die im kleinen Tempel am 
scheint. Bei dem Wiederaufbau der Stadt nach 20 Gipfel sich befunden haben soil, bespricht B r o - 

hundertjahriger Verodung (146 — 44 v. Chr.) n e e r Univers. of California Public. I 2 (1930), 

wurde die Cavea ausgedehnt und die Neigung 65 — 84. 

des Zuschauerraumes steiler gemacht. Im Anfang Auf dem Hugelrucken, der vom westlichen An- 
des 2. Jhdts. n. Chr. wurde es in ein Amphi- satz Akrokorinths nach Norden zu verlief, befand 
theater umgewandelt, und dazu wurden die vor- sich die Westmauer der antiken Stadt, die von 
deren Sitzreihen weggeschnitten. Eine 3 m hohe halbkreisformigen und rechteckigen Tiirmen ver- 
Umfassungsmauer, die mit gemalten Darstellun- teidigt wurde (de Waele Gnomon VII 49. 
gen der Gladiatorenspiele geschmiickt war, be- 609. Karo Arch. Anz. 1932, 132). Das sich un- 
schiitzte die Zuschauer gegen die Gefahren der gefahr in der Mitte der Westmauer befindende 
Arena. Die Umwandlung des Theaters steht in 30 Tor soil wohl das Tor nach Phlius sein (Plan G P) 
direktem Zusammenhang mit dem Bau des (Xen. hell. VII 1, 18) und vielleicht identisch mit 
Odeions, und auch der Wiederumbau dieses dem von Plutarch (Arat. 21, 1, 22, 2) er- 
Amphitheaters in ein spatromisches Theater ist wahnten Tor beim Heraion. Dieses Heiligtum 
wohl nicht zu trennen von der Anlage des grofien lag auBer der Stadt und ist schon in archaischer 
Amphitheaters an der Ostseite der Stadt (s. u.). Zeit bekannt (Herod. V 92; H. W. Porter Her- 
Im 4. Jhdt. n. Chr. wurde das Theater voUig mathena [Dublin] XXX [1931] 54ff.). Weder die- 
2eistort, seies beim RaubzugAlarichs (395 n. Chr.), ses Heiligtum, noch das der Eileithyia (Pans. II 
sei es schon etwa 40 Jahre f ruber in der Periode, 5, 4), das sich in der Nahe des wohl in dem siid- 
wo die Christen im romischen Reich ihren lichsten Stiick der Westmauer liegenden (west- 
Triumph Tiber das Heidentum durch Zerstorung 40 lichen) Tors nach Tenea (Plan G Tw?) befand, 
heidnischer Gebaude feierten. Wichtige Klein- wurden bisher gefunden (Cor. I 93). 
funde wurden gemacht im Theater sowie auf der Die weitaus wichtigste Stelle an dieser West- 
naheliegenden, schon gepflasterten TheaterstraBe mauer ist das Topf erviert el, im auBer- 
und den groBen Platzen nordlich der Theater- sten nordwestlichen Winkel der antiken Stadt 
gebaude: unter den Inschriften ragt die Er- (Plan Ke). Es liegt auf einem sich aus dem 
wahnung eines Erastus hervor, in dem man, Hugelrucken der Stadtmauer nach Norden ent- 
meines Erachtens mit Unrecht, den Freund des wickelnden und senkenden Plateau, das an 
Paulus hat erkennen wollen (s. u.); ein helleni- beiden Seiten von einem Sturzbach in tiefer 
-scher Mosaikboden findet seine beste Parallele in Schlucht umflossen und durch die ostliche 
-der vor 348 v. Chr. zerstorten Stadt Olynthos, 50 Schlucht vom ubrigen Gebiet der Stadtterrassen 
und von den mancherlei Skulpturstucken ist be- getrennt wird. Der korinthische Kerameikos lag 
sonders eine Gigantomachie und eine Amazono- hart am Rand dieses Tafellandes, und die alte 
inachie sowie eine Artemis, die auf eine Arbeit Mauer lief am Htigelrand entlang. Die jiingere, 
des Strongylion zuriickgehen diirfte, zu erwahnen aus Porosquadern mit Emplekton konstruierte 
(Shear Am. Journ. Arch. XXIX 381 ff. 449ff. Mauer wurde ein betrachtliches Stiick zuruck- 

XXXII 474ff. XXXIII 515ff. St ill well ebd. verlegt und durchschnitt den im 5. Jhdt. beim 

XXXIII 77ff. Philol. Woch. 1930, 1261ff. Shear allmahlichen Medergang der korinthischen Topfer- 
Class. Weekly 1930, 121 ff. Carpenter 82ff. Industrie aufgegebenen Kerameikos. Runde und 
de Waele Pantheon [Mtinch.] 1930, 523). viereckige Turme, die zum Teil von kleinen 

Siidlich und siidwestlich der antiken Agora 60Mantelmauern umgeben sind, schtitzten die Stadt- 

liegen ausgedehnte, noch nicht untersuchte Fel- mauer. Ungeheure Haufen protokorinthiseher und 

der (mit Ausnahme einer hellenistischen Villa, korinthischer Scherben sowie voUstandige Stticke, 

s. Plan H V), am FuB von Akrokorinth. , Noch armliche Hausmauern der Topferwohnungen, 

Tteines der vielen von Pausanias (II 4, 6f.) er- Wasserleitungen und heilige Bezirke mit un- 

wahnten Heiligtumer wurde entdeckt: die Bezirke beschriebenen, ratselhaften Stelen sind die Reste 

der pelasgischen und der agyptischen Isis, die eines Betriebes, dessen drei Forderungen: Was- 

zwei Bezirke des Serapis, von denen eines dem ser, Wind und Ton hier reichlich vorhanden 

^erapis im Kanopos geweiht war, die Altare fur waren. Am wichtigsten ist der Fund proto- 



193 Korinthos Korinthos 194 

fcorinthischer Fehlbrande, wodurch der zuerst von Die groBe korinthische Nekropole (PlanNC) 

Furtwangler postulierte korinthische Ur- dehnte sich aus in der Ebene, nordlich des Hii- 

sprung der protokorinthischen Gattung gegen gels Cheliotomylos und westlich der westlichen 

F. Johansen Les Vases Sicyoniens (1923) end- Schenkelmauer nach Lechaion. Die friihesten 

giiltig bewiesen zu sein scheint. Unter den ge- Funde datieren noch in neolithische und frtih- 

iundenen Sttieken ragen Graffiti (eines hat den helladische Zeit zuriick, die letzten : Graber stam- 

neuen Topfernamen Echekles), bemalte Pinakes men aus dem Ausgang des Heidentums. Diese 

wie die von Penteskouphia (s. u. Art. Pen- Nekropole wurde abgelost von einem palaochrist- 

teskouphia) und eine metallene Schale mit lichen Friedhof (Plan P C), auf der Stadtterrasse 
einer archaischen Widmung an Aphrodite hervor 10 selbst, zwischen dem Hiigel Cheliotomylos und 

(de Wa el e Gnomon VI 56. VII 49. 609. Ear dem Gebiet des Asklepieions (Plan LA). Die 

Arch. Anz. 1931, 251. Frau A. Newhall- letzten Graber dieses Friedhof es scheinen der Zeit 

Stillwell Am. Journ. Arch. XXXV Iff. lustinians anzugehoren (d e W a e 1 e Am. Journ. 

XXXVII 605ff.; die endgiiltige Publikation wird Arch. XXXVII 436. XXXVIII [1934]). AuBer 

jetzt von ihr vorbereitet. Carpenter 96). den schon in 1915 und 1916 entdeckten Grabem 

In Versuchsgrabungen wurde der weitere Ver- sind jetzt in der groBen Nekropole 581 Bestat- 

lauf der Stadtmauer vom Kerameikos bis zum tungen untersucht. Manche davon sind aus der 

Htigel Cheliotomylos (Plan Ch) verfolgt und da- frtihhelladischen und mittelhelladischen Zeit und 

bei auch ein Turm entdeckt. Das Tor, das den werden wohl von den Ansiedlungen herruhren, 
Eingang zur ostlichen Schlucht beschtitzte, wurde 20 die im Weichbild der spateren Stadt und in der 

nicht gefunden. Es diirfte dieses ein Tor nach Korinthia, vor allem auf bestimmten Hilgeln 

Sikyon (Plan G S 2) gewesen sein, wie das Tor entdeckt sind (B 1 e g e n Am. Journ. Arch. XXIV 

am Cheliotomylos-Hiigel, vieUeicht das von Liv. Iff. XXVII 107ff.; Cor. I 107ff.; Korakou, A 

XXXII 23, 4 erwahnte. Ostlich der Schlucht und prehistoric settlement near Corinth, 1921; Zygou- 

auBerhalb der griechischen Mauer, die wohl im ries, A Prehistoric Settlement in the Valley of 

J. 146 V. Chr. zum groBten Teil niedergerissen Cleona, 1928; eine Publikation prahistorischer 

wurde, lag eine 1925 entdeckte romische Villa Funde in Korinth verspricht Frau A. Walker- 

(Plan E V 1), von der ein Atrium und vier andere Kosmopoulou). Aus der spathelladischen oder 

Raume freigelegt wurden. Schone Mosaiken, in mykenischen Zeit wurden nur GefaBscherben ge- 
denen Shear die Tradition der Schule des Pan- 30 f unden. Obgleich f iir diese Periode, vergliehen mit 

sanias finden mochte, die aber wohl dem 1. Jhdt. den vorhergehenden, das archaologische Material 

n. Chr. angehoren, schmiickten diese Raume nicht so reichlich vorhanden ist, wird man doch 

(Shear Am. Journ. Arch. XXIX 391ff.; Class. kaum der Theorie W. Leafs (Homer and 

Weekly XXIV nr. 16—17; lUustr. Lond. News History 217. Am. Journ. Arch. XXVII 152ff.) zu- 

178 [1931], 1012; Cor. V.'Vgl. Ippel Gnomon stimmen konnen, K. sei in den Zeiten der Atriden 

VIII 168ff. Carpenter 96). nicht besiedelt gewesen (O^N e i II 59ff.). Beson- 

Ob der Hiigel Cheliotomylos (Plan Ch) in die ders der Hiigel von Aetopetra (B 1 e g e n. Cor. I 

Stadtmauer eingeschlossen war, scheint sehr frag- 108f.), westlich von K. und am Weg, der durch 

lich, besonders nach dem Funde einer wohl zur das Tal des Longopotamos nach dem Becken von 
Schlucht und zur Wasserversorgung fuhrenden 40 Kleonai fiihrt (s. Suppl.-Bd. IV S. 995, 68ff.), 

Treppe und mehrerer Mauerschichten, die ent- scheint in alien Perioden der helladischen Zeit 

weder zur Stadtmauer gehoren oder als Stiitz- besiedelt gewesen zu sein. Geometrische, proto- 

mauer fiir die groBe FahrstraBe, die um den korinthische und korinthische Vasen tauchten 

Hiigel herum in die Ebene fiihrte, zu inter- aus den Grabem der groBen Nepropole auf, und 

pretieren sind (d e W a e 1 e Gnomon VII 609). auch die spateren Perioden, vor allem die attischen 

Ostlich dieser StraBe fand sich eine unterirdisehe Vasen sind reichlich in diesen Grabern vertreten. 

Grabkammer, die sorgfaltig mit Stuck verkleidet Eine von Neandros signierte Kylix ist bis jetzt 

und mit einer FuBhohlentreppe versehen war. das einzige vollstandige bekannte Stiick dieses 

Ein steinernes doppeltes Bett in Porosstein mit Meisters. Ein lydisches GefaBchen, Kleinfunden 
reicher Verzierung bildet das einzige Beispiel im 50 des athenischen Kerameikos ahnlich, ruft die Be- 

igriechischen Totenkultus des 5. Jhdts. und er- ziehungen K.s zu Lydien in Erinnerung und die 

innert an gleichartige Funde in etruskischen Bemuhungen des Periandros im Streit zwischen 

Grabern. Wo die StraBe durch die Mauer pas- Milet und Lydien (P. Ure The Origin of 

sierte, befand sich ein Tor, das ebenfalls ein Tor Tyranny 1922, 191. Herodot. Ill 48f.). Die von 

nach Sikyon (Plan G S 1) gewesen sein kann den Schriftstellern (Strab. VIII 6, 23; Krinagoras 

^s. 0.). Die StraBe verzweigte sich wahrscheinlich Anth. Pal. IX 248) beklagte Entweihung der 

in der Ebene, und die ostliche Verzweigung Graber; aus griechischer Zeit kurz nach dem 

fiihrte wohl durch das Tor in der westlichen J. 44 v. Chr. wurde an vielen Beispielen der 

Schenkelmauer (Plan GW), das von Xen. hell. Nordnekropole deutlich. Im siidwestlichen Teil 
IV 4, 7ff. erwahnt sein diirfte. VieUeicht war go am Hiigel und am Rande der Schlucht wurden 

diese StraBe der Hauptweg fiir Wagen und Kammergraber und Columbaria, steinerne Sarko- 

Pferde, um die nordliche Hafenstadt Lechaion zu phage und Ziegelgraber entdeckt (Shear Am. 

erreichen, und stand somit im Gegensatz zu der Journ. Arch. XXXII 490ff. XXXIII 538ff. XXXIV 
von Paus. II 3, 4 erwahnten sv'&ela odog nach 403ff. XXXV (1931) 424ff.; Class. Weekly XXIV 
Lechaion, einer AUee, die in griechischer Zeit I21ff. de Waele Am. Journ. Arch. XXXV 
in einer westlicheren Richtung, dem Asklepieion 243ff.; Gnomon VI 55. VII 47, 607. J. Piat- 
zu,verlief(de Waele Am. Journ. Arch. XXXV ner Art and Arch. XXIX 195ff. 257ff. XXXI 

408. XXXVI 429). 153ff. 225ff. Carpenterll). 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI • 



195 Korinthos Korinthos 196 

Die Nordseite der Terrasse zwischen Chelio- einem Spendentisch, einer Opfertafel und einer 

tomylos und dem vermutliehen Ansatz der Stadt- Abfuhrrinne. Als K, im J. 338 v. Chr. zum Lohn 

mauer an die westliche Schenkelmauer (s. Suppl.- seiner Neutralitat und wahrscheinlich auch mit 

Bd. IV S. 1003, llff.) wurde von drei oder vier Eiicksicht auf seine zentrale Lage von Philipp 

Vorspriingen eingenommen, die von mehreren zur Hauptstadt Griechenlands und zum admini- 

Buchten und modernen Passen durchbrochen strativen Zentrum erwahlt wurde, folgte eine 

sind. Der Schenkelmauer am nahesten liegt wohl rege Bautatigkeit in vielen Teilen der griecM- 

die tiefe Bucht, die von den Ruinen des tiirki- schen Stadt, die als monumentaler Ausdruck ko- 

schen Palastes beherrscht wird und in die das rinthischen Biirgerstolzes und Wiederauflebens 
Wasser der sog. Bader der Aphrodite (Plan B A) 10 des Wohlstandes aufzufassen ist (s. Suppl.-Bd. IV 

flieBt. Die Ruinen dieser zweifeUos antiken An- S. 1029). Die ganze Nordseite der Stadt wurde 

lage wurden bis zu den Entdeckungen der ameri- nach einem einheitlichen Plan umgebaut und auf 

kanischen Schule mit den Ruinen der Peirene- dem Hiigel des friiheren Megarontempels trat 

Quelle identifiziert (vgl. Frazer Pans. Ill 24). jetzt ein 15,20 m langer und 8,26 m breiter 

Weiter nach Westen ist die Stelle des Htigels mit distyler, dorischer Tempel in antis an die Stelle 

den Ruinen des Asklepieions, dessen Lokalisie- des abgerissenen kleinen Heiligtums. Saulen- 

rung auch die Stelle des von Pans. II 4, 5 er- hallen wurden an den vier Seiten des Bezirkes 

wahnten alten Gymnasions, des Zeustempels (diese gebaut, und hinter diesen Saulenhallen befanden 

zwei Komplexe nur annahernd) und der in der sich grofie Raume, die als Priesterwohnungen 
Landbucht zwischen diesen drei Gebauden befind- 20 oder als Magazine, vielleicht auch als heilige 

lichen Lerna^Quelle (s. u. Art, L e r n a) end- Schlafstatten verwendet wurden. Hinter der Sud- 

gultig bestimmte (s. Suppl.-Bd. IV S. 1004, 17ff.) haUe jedoch lief eine StraBe, die mit ihrer tTber" 

(Plan L A). Auf dem Htigel, westlich der Lerna- dachung eine Art Cryptoporticus bildete. Die 

Bucht, stand einmal ein riesiger dorischer StraBe war teilweise durch den Felshiigel ge- 

Tempel, wahrscheinlich der Tempel des Zeus, der schnitten, teilweise mit Mauern flankiert, die aus 

wohl in der Mitte des 4. Jhdts. n. Chr. das Los schonen isodomen Schichten errichtet waren* 

der vielen heidnischen Anlagen der Stadt teilte, Ein Wasserbehalter, der wohl von einer Wasser- 

die der Zerstorungswut der Christen zum Opfer leitung gespeist wurde und rituellen Zwecken 

fielen. Stidlich der Lerna-Bucht war wohl die diente, stand am ostlichen Eingang des Crypto- 
Stelle des alten Gymnasions, von dem manche In- 30 porticus, der zu der 4 m tief er liegenden Lerna- 

schriften herzuriihren scheinen (Cor. VIII 1 bucht fiihrte. Die ostliche Seite dieser Bucht, 

nr. 14f.). Wie die Reihe der 20 Saulenfundamente unmittelbar unterhalb des Asklepieionhtigels, 

an der Sudseite des Keramidaki-Gebietes (d e wurde vom a^axov oder syKoifA^rjxriQiov eingenom- 

Waele Am. Journ. Arch. XXXVII 41 8f.) sich men, das wahrscheinlich aus vier Zimmern mit 

zu diesem Komplexe verhielt, laBt sich bei den je 11 steineren Liegesitzen, niedrigen Tischlein 

sonstigen diirftigen Funden kaum sagen. und einem Altar in der Mitte bestand. Ahnliche 

Weitaus am wichtigsten sind die Ruinen Sitze wurden neuerdings in der korinthischen 

des Asklepieions. Auf dem schon in pra- Faktorei Perachora und im Troizenischen Askle- 

historischen Zeiten besiedelten Hiigel stand ein pieion entdeckt (s. Am. Journ. Arch. XXXVII 
hocharchaisches Heiligtum, von dem sich nur 40 133). Von der Geschichte des Heiligtums ist ver- 

eine favissa mit Scherben, die bis in die haltnismaBig wenig bekannt. Der hellenistische 

Mitte des 6. Jhdts. v. Chr. und vieUeicht noch Tempel hat nach 146 v. Chr. weiter bestanden; 

hoher hinaufreichen, entdeckt wurde. Eine doch muB' er kurz nach dem J. 44 v. Chr, von 

archaische Widmung an Apollon diirfte den Be- Freigelassenen des Marcus Antonius restauriert 

weis liefern, daB in diesem Heiligtum Asklepios worden sein, wie eine Inschrift am Architrav zu 

und Apollon ovwaoi waren. Vielleicht ist dieser besagen scheint. Auch die romische Geschichte 

kleine Tempel identisch mit dem archaisch-klassi- des Heiligtums ist unbekannt. Durch die griind- 

schenMegarontempel, von dem sich Einschnitteim liche Zerstorung des 4. Jhdts. n. Chr., bei der 

Felsboden fanden. Dieses Megaron (7,50 x 5 m) die Wut der Christen sich an erster Stelle gegen 
muBte den neuen Bauplanen des J. 338 v, Chr. 50 den heidnischen ocoz'^q richtete, der mit der 

weichen. Die Vermutung liegt nahe, daB dieses Hilfe der Damonen seine Wunder verrichtet 

hocharchaische Heiligtum schon in das 7., viel- haben soUte, verschwand das ganze Heiligtum, 

leicht 8. Jhdt. zurtickreicht und irgendwie in Zu- und nur mit Hilfe der Felseinschnitte sowie der 

sammenhangt steht mit dem Kult des Asklepios zerstreuten Baustiicke kann man eine Rekonstruk- 

im benachbarten Titane (Pans. II 11, 5) oder in tion seiner Geschichte versuchen. Spater wurde 

Epidauros. Hierher sollte der Gott der Medi- das ganze Gebiet bis zum Hiigel Cheliotomylos 

zin schon in der Friihzeit aus Thessalien oder zu einem christlichen Friedhof der palaeochrist- 

Thrakien eingewandert sein (Thraemer Myth. lichen Zeit verwendet (s, o.) (d e W a e 1 e Gno- 

Lex. I 623ff. Detschev Bull, arch^ol. bulgare mon VII 52, 611ff.; Am. Journ. Arch. XXXVII 
III [1925] 131). In der Zeit der Kypseliden (vgL 60 417—451; die Publikation steht in Aussicht; 

Herodot. Ill 52) scheint Apollon seinen Sitz im Karo Arch. Anz. 1931, 243. 1932, 132e. 1933, 

Zentrum der Stadt eingenommen zu haben, in 222. Carpenter 87). 

dem archaischen dorischen Tempel (s. o.). Aller- Die niedrige Hiigelreihe, die dem Nordrande 

hand Korperglieder in Terrakotta und in natur- der Terrasse des Asklepieiongebietes vorgelagert 

Hcher GroBe und sonstige Votivgeschenke, die in ist, dtirfte am auBersten Rande eine Strecke der 

den vielen favissae gefunden worden sind, zeugen Stadtmauer getragen haben, so daB die untere 

von der Verehrung des Heilgottes in diesem Lerna und die Laden an beiden Seiten (s. u. Art^ 

Megarontempel mit einer doppelten Kultstatue, Lerna in Korinth) in die Verteidigung einge- 



197 Korinthos Korintlios 198 

schlossen waren. Diese Strecke der Stadtmauer In der Nahe dieses Gebaudes wurden 37 Gra- 

muB sich der westlichen Schenkelmauer ange- ber aus dem 5. und 4. Jhdt. v. Ohr. untersucht 

schlossen haben, deren Linie der jetzige Feld- (Plan EC). Die Nekropole an dieser Stelle be- 

weg folgt, der an der kleinen Kirche des H. weist, dafi die Peripherie der griechischen Stadt 

Georgios mit dem Zypressenhain vorbeigeht. zum groBen Teil von Ackern und Nekropolen> 

Die genaue Lage des obenerwahnten westlichen eingenommen, also nicht bewohnt war, gerade 

Tores in der Schenkelmauer konnte nicht be- wie es auch in Rhodes und Syrakus der Fall ge- 

stimmt werden. Die weiteren Untersuchungen wesen zu sein scheint. Die von Pans. II 2, 4 

an der Schenkelmauer sowie der Mauern der erwahnten Graber xaxa rijv 6d6v sind also ent- 

nordlichen Hafenstadt Lechaions (s. Suppl.Bd. V 10 weder auBer- Oder innerhalb der Linie der frii- 

S. 542. Cor. I 95; s. Suppl.-Bd. IV S. 1003, 20ff.) heren Stadtmauer gewesen, was besonders fiir 

werden vor allem durch den Weinbau in der das Grab des Diogenes von Sinope, das ^Qog tfj 

Vokha-Ebene sehr erschwert. (^vXtj lag, eine wichtige Feststellung ist. Das 

Eine 1894 entdeckte und damals fliichtig bisher noch nicht entdeckte Kraneion, sowie der 

freigelegte romische Villa wurde abermals Bezirk des Bellerophon, der Tempel der schwar- 

im J. 1916 von A. Philadelpheus unter- zen Aphrodite und das Grab der Lais (Cor. VI 

sucht (Philadelpheus Archaiol. Deltion 36 nr. 193) sind deshalb im Stadtpomoerium zu 

1918, 125—135). Die Villa (Plan RV 2) lag suchen (Frazer III 181), innerhalb derMauern, 

wohl auBerhalb der griechischen Mauern und aber vor dem bewohnten Ostviertel (;;r^o ri]g 

war an die erste Terrasse angebaut, die in vor- ^0 jcoXscog) der Stadt (Carpenter Am. Joum. 

historischer Zeit wohl das Meeresufer war, bevor Arch. XXXIII 345ff.). Ob die von Steph. Byz^ 

das jetzige Alluvialufer sich gebildet hatte. Die erwahnte Kos-Hohle, die als Gefangnis bentitzt 

ViUa, die sich mehr dem griechischen Typus des wurde, in der Nahe gesucht werden muB oder 

Peristylhauses wie dem romischen des Atrium- niit Spuren antiker Einhohlungen (vgl. Cor. I 

hauses nahert, war mit schonen Mosaiken ge- 91) zuidentifizierenist, muB dahingesteUtbleiben. 

schmuckt und hatte wohl auch ein Nymphaion. Von der bekannten Bautatigkeit lustinians 

Zwischen den Ansatzen der weit voneinander riihrt wohl die Mauer her, deren Triimmerhaufen 

entfernten Schenkelmauer scheint es am Rande zwischen ^dem heutigen Dorfe und dem Isth- 

der Stadtterrasse eine Schirmmauer gegeben zu mischen Tor immer als zu einer Wasserleitung 

haben (Xen. hell. IV 4, 9). Von dieser Mauer ^0 gehorig gedeutet wurden (Plan JW). Bei der 

(Xen. heU, IV 4, 7ff. 11: 6 jisqI %o aotv >ivx%og IJntersuchung wurde ein dreieckformiger Stadt- 

oder TO rsixog) wurde nur der ostliche Ansatz turm entdeckt, dessen spaterer, mittelalterlich 

bei der ostlichen Schenkelmauer gefunden. In anmutender Umbau auf italienische Einfliisse 

dieser Mauerkortine war auch das Tor nach Le- des stark europaisierenden Manuel II. (15. Jhdt.) 

chaion (Polyain. IV 7, 8. Cor. I 82 n. 2) durch zuriickzufiihren ist. Die lustinianische Mauer 

das wohl die groBe, in ihrem tlbergang in die wird die in Folge von Zerstorungen, Erdbeben 

Ebene noch nicht festgestellte StraBe griechi- und Seuchen stark verkleinerte Hauptstadt Grie- 

scher Zeit von der Stadt nach dem Hafen lief. chenlands umschlossen haben, wo das friihere 

Die ostliche Schenkelmauer verlauft fast in Pomoerium, sowie die in der Peripherie der an- 

einer rechten Linie mit der ostlichen Stadtmauer. 40 tiken Stadt befindlichen palaeochristlichen und 

Beim Beginn dieser Mauer in der Ebene lag ein frtihbyzantinischen Gebaude ausgeschlossen blie- 

schones for mit zwei runden Tiirmen, wo die ben (d e W a e 1 e Gnomon VII 240. K a r o Arch, 

tiefen Spuren der Rader auf eine wichtige Ver- Anz. 1931, 240). 

kehrsstelle wiesen. Es dtirfte dieses Tor das sonst Von diesen palaeochristlichen Gebauden ist 

nie erwahnte Tor nach Megara sein (Plan G M); vor allem wichtig die altchristliche Bischofs- 

von den drei Toren in der ostlichen Stadtmauer kirche, die sich in der Nahe des Tores nach Ken- 

ist vielleicht das nordlichste das Tor nach Isth- chreai und des nach der Stadt fiihrenden antiken 

mia (Diog. Laert. VI 78), das zweite fiihrte nach Weges befand (Plan CB). Mittel- und Seiten- 

Kenchreai (s. Bd. XI S. 165ff.); das dritte, durch schiffe sowie die Apsis mit den Pastophorien 

das der jetzige Fahrweg geht, kann nur hypo- 50 (vieUeicht nur als Grabkapellen aufzufassen) 

thetisch als das ostliche Tor nach Tenea be- und ein trikonches, dem stidlichen Schiffe an- 

zeichnet werden (Plan GI, GC, GTe). Zwischen schlieBendes Gebaude, das als Memorialkapelle 

den zwei letzten wurde ein schones Stiick der verwendet wurde, dazu auch ein Teil des Narthex 

griechischen Stadtmauer mit runden Tiirmen frei- und des Atriums, sind in ihren Grundlagen er- 

gelegt. Der weitere Verlauf bis zur Felsenmasse halten. Der erste Ban scheint voriustinianisch zu 

Akro-K.s laBt sich vor allem mit der Hilfe topo- sein. Ob die Stelle der Kirche gewahlt war mit 

graphischer Beobachtung und durch den Fund Rucksicht auf das Kenchraer Tor, durch das der 

von Ziegelfragmenten bestimmen. Apostel Paulus in die Stadt gekommen war, oder 

Von den Ruinen im ostlichen Teil des Stadt- etwa zur Verherrlichung der Blutzeugen diente, 

gebietes war das romische Amphitheater immer 60 die die Metropole Griechenlands auszeichneten 

sichtbar (s. Suppl.-Bd. IV S. 1004, 27. Cor. 1 89fi.; (Max, HerzogzuSachsenDas Christliche 

Plan Am.). Die Ruine ist freilich noch nicht aus- Hellas 1918, 51 ft), konnte aus den Funden nicht 

gegraben, aber die Resultate der Freilegung des erschlossen werden. Diese Kirche bietet einen 

groBen Theaters und des Odeions scheinen das fundamentalen Typus ftir die Konstruktion des 

Ende des 3. Jhdts. n. Chr. als Zeit der Errichtung Querschiffes. Die Pfeiler des Mittelschiffes lassen 

dieses Amphitheaters zu erweisen (de Waele sogar einen Kuppelbau vermuten. Eine zweite 

Theater en Amphitheater in Oud-Korinthe 1928; stark verkleinerte Kirche ist in das 11. Jhdt. 

vgl. Philol.Woch. 1930, 1261 ff. Carp en tier 103). n. Chr. zu datieren und bestimmte gotische Spu^, 



199 KoQto . . , Kreta (Sprache) 200 

ren der dritten Kirche weisen sie der Frankenzeit der Nahe des Anitipliilos-Haf ens liegt ein zweiter 

(13. Jhdt.) zu (Carpenter Am. Journ. Arch. mit Namen KoXo§wv aXoog, die etymologische 

XXXIII 345ff. d e W a e 1 e Gnomon VI 56. S o- Deutung dieses Namiens mag zu der obigen Be- 

t i r i o u At xQiotiavixat Gfj^ai xal at jtaXaooxQi- merkung Stobons AnlaB gegeben habeii. Erwahnt 

axiaviKal Baoihxal tfjg TJXXddog 1931, 197ff.). wird ferner ein benachbartes Jager- und Hirten- 

Konnte in einer Zeitspanne von 37 Jahren volk, das sicb von Fldschnahrung nahrt (kqso- 

Ausgrabungsarbeit auch noch nicht die ganze Be- (pay la). Ein fleiscbeissendes Nomadenvolk in 

schreibung archaologisch begriindet werden, die Agypten Herodot. IV 186, ein vonFleischnahrung 

Pausanias gibt, wenn er K. sieht mit etwa 23 Hei- bbendes aithiopischeis Jagervolk bei Diod. Ill 31, 

ligtiimern und Tempeln und ebensovielen Sta- 10 die TiwaixoXyol. [Marg. Stephan.] 

tuen, mit Grabern, Wasserversorgung und monu- Kq-joiov oQog, arkadiseberBergunweitTegea, 

mentalen Gebauden, so trat andererseits manches mit einem Heiligtum des Aphneios, ov fjieya, 

ans Licht, was von ihm entweder nicht gesehen Pans. VIII 44, 7. [v. Geisau.] 

Oder nicht erwahnt wurde. Mit seinen 8 Tempeln S. 1718, 11 zum Art. Kreta: 

(5 davon sind griechisch, 3 romisch, 3 andere Kretische Sprache. 

konnten annahernd bestimmt werden), 3 Thea- tJbersicht: § I. Namen.' § 2. Die proto- 

tern, 5 Brunnen oder Wasseranlagen mit einem chattische und mediterrane Schicht. § 3. Der lu- 

riesigen Kanalnetz (Peirene, heiliger Brunnen, wisch-hethitische Einsehlag. § 4. Andere Volker. 

Glauke, obere Peirene, Lerna), 5 Hallen mit § 5. Der Anfang der kretischen Schrift. § 6. Die 
Laden (griechische Markthalle, nordwestliche Stoa, 20 ,lineare' Schrift. § 7. Entzifferungsmoglichkeiten. 

Nordstoa, westliche Laden, Siidstoa), 5 Markten § 8. Die eteokretischen Inschriften in griechischer 

(groBe Agora, Nordmarkt, ,Fischmarkt*) odei Schrift. § 9. Der Diskos von Phaistos. Literatur. 

Platzen (Peribolos, Lerna), 5 Thermenanlagen, § 1. Mit Kaptara, einem Land jenseits der 

2 Basiliken, dem Mauerkranz mit seinen Toren, ,Obersee* (=: Mittellandisches Meer) scheint Sar- 

Propylaen, Gymnasion (annahernd), Strafien, gon (wohl der von Assur; 21. Jhdt.) den ganzen 

Topferviertel, zwei antiken und einer altchrist- Machtbereich von K., nicht nur dieses selbst, 

lichen Nekropole, und einer altchristlichen Bi- gemeint zu haben, und zwar mit besonderer Be- 

schof skirche hat K. seine Bedeutung nicht nur tonung der Inseln und Kusten. Dasselbe gilt auch 

in romischer — wie Pausanias betont — sondern fiir das biblische Kaphtor und das agyptische 
auch in griechischer Zeit behauptet. Dafi nur 30 Keftiu oder besser Kafto (Kftiw; das SchluB-r 

sparliche Hauserruinen ans Licht gekommen sind muBte im Agyptischen abf alien). Bezeichnend da- 

(abgesehen von der Villa mit den Mosaiken, der fiir istes, da6dasDekretvonKanopus(238v.Chr.), 

Villa mit dem Nymphaeum und der hellenisti- eine Trilingue, den Ausdruck ,aus dem Lande 

schen Villa, findet man antike Hauser ostlich der Kafto* ins Griechische mit ,Phoinikien* libersetzt. 

TheaterstraBe[HausmitdemhellenischenMosaik], Daher konnen wir mit den sog. ,Keftiu*-Namen, 

sudwestlich der Nordstoa, Hauschen der Topfer die auf einer Schultaf el (aus der Zeit der XVIII. Dy- 

im Kerameikos, und neulich westlich des Tem- nastie, 15. Jhdt.) nicht viel anfangen, um so mehr, 

pels E wahrscheinlich ein Peristylhaus) erklart als sie mindestens einen Philisternamen enthalt. 

sich leicht aus dem verganglichen Baumaterial Immerhin konnte ein Name (Riickseite) rwnt das 
(die Konstruktion mit Lehmziegeln auf einer 40 wohlbekannte w^Suffix enthalten; vgl. etwa die 

steinernen Grundmauer wurde bei der ostlichen Inselnamen Aipiv&og, Td^iv^og (nach der Erbse 

Stadtmauer nachgewiesen), und vor allem aus der benannt); rs (rw-s) konnte mit dem kretischen 

Kontinuitat der Bewohnung, den Naturereignissen Ortsnamen (ON) Aaoaia zusammenhangen (vgl. 

(vor allem Erdbeben), und den haufigen systema- lykische Insel Adaia). — Hingegen bezieht sich 

tischen Raubziigen und Zerstorungen. S. Nach- agypt. Ha(u)nebu auf K. mit dem griechischen 

t r a g am iSlohlufi des Bandes. [F, J. de Waele.] Festiand. — Die Leute von K. erscheinen biblisch 

KoQio ... 5 aitolischer Gau unbekannter Lage als Gh{e)rethim. Ein Zusammenhang dieses Na- 

SGDI 2528. [v. Geisau.] mens mit dem der Stadt Fo^tw ist kaum anzu- 

S. 1568, 30 zum Art. Kranae: nehmen. Offenbar ist K. einer jener alten Lander- 

2) Ktisteninsel vor dem lakonischen Hafen 50 namen auf -a wie Lukka (vgl. AvKrjymfi^g)^ spater 

Gytheion, jetzt Marathonisi, gegeniiber Migonion Avma, 

mit einem Aphroditeheiligtum. Dorthin brachte § 2, Die einheimischen Eigennamen (EN) von 

Paris zuerst die entfiihrte Helene (Hom. II. Ill K. weisen vielfach nach Kleinasien. Wir fin- 

445. Pans. Ill 22, 1). Vgl. Bd. VII S. 2103, 24. den hiiben und druben die gleichen ON, z. B. Aa- 

2823, 64. [v. Geisau.] qIoiov (Mittel-K.) : AaQioa (lydischer und troischer 

xgaravtoy. Ein silbemes GefaB dieses Namens ON); TaQQa-. nohg Avdlo)g — ' hsQa KQt^trig 

hielt ein aus Cypressenholz gefertigter Triton im (Steph. Byz.), aber auch die gleichen Formantien 

Heiligtum der Byzantier zu Olympia (Athen. XI (s. u.). Mit besonderer Vorsicht mussen die EN- 

480a). Ebensolche GefaBe befanden sich im alten Gleichangen aufgefaBt werden, die nach Phoi- 
Heratempel zu Olympia (Athen. a. 0.). tlber GroBe 60 n i k i e n weisen, die durchaus nicht semitisch zu 

und Form des xQardnov ist nichts bekannt. Zu sein brauchen, da es einerseits in Syrien (und 

Zeiten des Athenaios nannte man dieses GefaB auch sonst) einen Ort Mivcoa gibt, und anderer- 

HQaviov (Athen. XI 479 e). [v. Lorentz.] seits die phoinikische Stadt AQabog (Arvad) wohl 

Kreophagoi. Volk am Arabischen Meerbusen identisch ist mit dem hethitisch genannten Jam- 
in der Nahe der Nilinsel Meroe, angrenzend an vattas, weshalb auch das kretische ji^adog nichts 
den Antiphilos-Hafen (s. o. Bd. I S. 2525f.). Man- fiir semitische Siedlung beweist. Auch die kro- 
ner und Frauen sind verstiimmelt und nach jiidi- tische Hafenstadt ^oln^ oder ^oiviKovg (an der 
schem Brauch verschnitten (Strab. XVE 771). In Siidkuste) besagt nichts angesichts der erwahn- 



201 Kreta (Sprache) Kreta (Sprache) 202 

ten Tatsache, dafi agyptisch Kafto griechisch mit Hermes Kv(paQiooi-q)a (Voc.) ungefahr die schiit- 

Phoinikien iibersetzt wurde. Sicher ist, dafi viel- zende Zugehorigkeit ausdrlickt (vgl. ela(pog, das 

fach EN aus K. in Etrurien wiederkehren; vgl. Muttertier, das scMtzend zum sXUg gehort). Es 

etwa roQzvv: Gortona, Teiavog (Ftavog, ein Dich- taucht auch in den eteokretischen Texten auf, 

ter): Reianus (CIL VI 253912.). AUe diese Um- ohne dafi man aber daselbst den Zusammenhang 

stande mtissen bei der Bestimmung der Volker erkennen konnte. — Ein lautliches Charakteristi- 

und Sprachen beriicksichtigt werden. — So wie kum ftir das Mediterrane, auch in Kreta, ist es, 

in Eleinasien (s. o. S. 169) und Griechenland daB es nur Tenuis (von den Griechen mit Media 

scheinen auch in K. die Protochattier zur oder Tenuis wiedergegeben) und Aspirata (= grie- 
Urbevolkerung zu gehoren; denn das deiktische 10 chische Aspirata oder Tenuis) gibt; vgl. 2v§Qixa 

Praefix a- ist auch in kretischen ON zu finden. So auf Miinzen 2vnQkiov\ IlQaZoog heifit eteokre- 

ist 'AnxeQa die Stadt ihres Eponymen UxsQag, tisch (nr. 2) aXa (pQaiooi ,in Praisos*. 

Der Ort 'AXaooa hiefi auch Aaoala-, demnach § 3. Aus archaologischen und sprachlichen 

liegen zwei gleichwertige Bildungen vom selben Griinden ist fiir das 19. Jhdt. das Einriicken von 

Grundwort vor. lA.fx'vxXaiov lag vermutlieh bei Luwiern und Hethitern nicht nur in Kleinasien, 

einem vorspringenden Bergriicken namens Mv- sondern auch in Griechenland anzunehmen. Auch 

TidXri (,Spitz*, wegen afivHaXri ,Pfeilspitze*, d. i. in K. sind mehrfach ON mit dem s-Suffix (luwi- 

,mit einer Spitze versehen, spitzig*. Hingegen ist schen Ursprungs) zu finden,. das die geographische 

ein Nachweis fiir das protochattische -anta (,reich oder personelle Zugehorigkeit ausdrlickt. So ist 
an*) kaumizu erbringen; wir finden nur ein ein- 20 TvQfiaoog einer, der zum Fest TvqPtj oder zum 

ziges Beispiel, namlich TIvQav&og und gerade 'AnolXcov TvQ§riv6g (Hesych) gehort; es ist Kvoov 

dieses ist nicht einwandfrei, da wir in Karien cog offenbar die Stadt eines Kvwg (kilikischer 

IIvQivda, in Isaurien Porindos finden. Der ON und isaurischer Mannesname). Wenn die Stadt 

weist also in Kleinasien das daselbst seltene int- Pvnov auch Pvtiaooog heiJBt, so wird dies ge- 

Suffix mediterraner Herkunft auf, so dafi also nauer genommen wohl so sein, da6 Pvrtaooog das 

auch UvQavd^og mediterran sein kann. Das medi- Weichbild von Pvnov ist, so wie die ll^vri KoQrj' 

terrane nt-Suffix beruht aber auf Suffixhaufung. ola bei Koqcov liegt. 

Wir besitzen namlich mehrfach ON auf -en, -in, § 4. Wann die P h i 1 i s t e r ins Land kamen^ 

-urij insbes. in K., vgl. SriQriv (Bach), TJX^v ist nicht feststellbar; da die Agypter im 15. Jhdt. 
(Flufi), 2dXai>uv (Insel, ON), toQtvv (ON), aber 30 unter ,Keftiu* sowohl Kreter als auch Philister 

auch Appellativa, vgl. iji6g{o)vv ,Wohnturm'. Dafi verstehen, da welters die Bibel Cherethim und 

dieser Wortausgang tatsachlich eine Funktion hat, Pelethim (Krethi und Plethi) als zusammengehorig 

daftir ist 'A^adi^v, die Oberstadt {dv67toXig) von bezeichnet, wobei sogar der Name der Philister 

jigadog beweiskraftig; und die beiden kretischen nach dem der Kreter umgeformt wurde, und da 

ON PitTTjv und Pkvfjiva sind offenkundig Ab- wir am Ende der spatminoischen Zeit (Late Mi- 

leitungen vom selben Grundwort. An solche Wor- noan III) in K. die sog. Philisterkeramik finden, 

ter kann nun zusatzlich ein i^-Suffix treten, das mtissen wir sie schon friih ansetzen. Nun haben 

einfach eine adjektivische Ableitung bewirkt (und wir EN philistaischer Herren in Syrien; die sind 

im Tyrrhenischen von Lemnos zur Nominativ- aber offenkundig einheimisch, und zwar meist 
endung tiberhaupt wird). In diese Richtung weist 40 subaraisch oder indisch (weil die Subaraer zum 

der Beiname des Dionysos Bdhv (vgl. ra fiaXXia Teil indische Herren gehabt batten); vgl. z. B. 

= q?aU6g), neben dem es auch den Beinamen den Philistertitel padi, der an altind. pdti ,Herr* 

EvQvpdXivhog gibt, das wohl *evQV'q>dXXiiog be- anklingt, oder den ,Keftiu*-Namen auf der er- 

deutet. Einen weiteren Anhaltspunkt fiir diese wahnten agyptischen Schultafel rddrriy den man 

Annahme bietet der ON IlQiavGog (mit kretischer, auch Rtatama lesen kann und in einem aus Pala- 

sigmatischer Aussprache fiir Prianthos), stina bekannten altindischen Namen artatama 

neben dem in der Aegaeis mehrfach bekannten ,Frommer, Gerechter* wiederfindet. — Die Pe- 

IlQtrivri. Vielleicht diirfen wir auch den ON Ko- 1 a s g e r sind wegen ihres Zeuskultes als ein indo- 

Qiov ((*KorM) neben KoQivd'og stellen. SchlieB- germanisches Volk anzusprechen; da sie anschei- 
lich sei darauf hingewiesen, dafi vom Pfianzen- 50 nend bald tyrrhenisiert wurden, sind sie sprach- 

namen f^iv&i] kaum ein int-Sui&x abgetrennt wer- lich schwer nachzuweisen. — Die m y k e n i - 

den kann. — Ebenfalls mediterran ist ein mn- schen Griechen in den Eigennamen (EN) 

Suffix. Es kommt in mehreren Formen und Be- nachzuweisen, ist wohl sehr schwierig. Doch mufi 

deutungen vor. Die eine ist gentil und durch die bemerkt werden, dafi sie sich auf dem Festland an- 

Hesychglosse TiOQXsiivlbeg -- PoQxvviot gegeben; scheinend der kretischen Schrift bedienten (Per s- 

eteokretisch (nr. 3/2) T;aQ>cofiv[^ gehort wohl auch son liest auf einer Inschrift aus Asine po-se-i-ta- 

hierher, da es so gebildet ist wie der karische vo-no-se, also den Namen des Poseidon). — Wei- 

Konigsname TJ^earofivcog (5. Jhdt.), das gleich- ter kamen nach K. die K y d o n e n, die vielleicht 

bedeutend mit "EKaxatog ist; vgl. noch A'iovfivogi thrakisch-phrygischen Ursprunges sind. Das Bere- 
maol' d'Eol vnb TvQQrjvcbv (Hesych). In derselben 60 %n^/ios-Gebirge weist besonders auf die Phr y- 

Bedeutung kommt -uman {-umna) auch schon vor- ger; vgl. BsQsxvvrar ^Qvycov xi yivog. Die ON 

hethitisch in Kappadokien (s. o. S. 140) vor. auf -amo sind den illyrischen Dardanern zu- 

Die zweite Bedeutung hat es in ON (meist zusprechen, vgl. z. B. IleQyafiov ,Festung* (wegen 

-umna; vgl. Pl^vfivay PlxvfAva); denn die Glosse neQyaim TQoiag), Kloaf^og usw. Eines dieser ge- 

XcbQVfjmyv' ^ad'vxaxa, Kaxcbxaxa weist auf eine nannten Volker mufi eine indogermanische Satem- 

superlativische Bedeutung bin, die gerade fiir sprache gesprochen haben, weil die T e r m i 1 e n, 

Ortsbezeichnungen zu erwarten ist. Ein anderes die nach Lykien auswanderten und daher dort 

Formans ist -(pa, das nach Ausweis des kretischen von den Nachbarn ,Lykier* genannt wurden, das 



203 Kreta (Sprache) Kreta (Sprache) 204 

Zahlwort sfita besafien, das UngliicksroB Kdxaa- dem Getreidezeichen steht. Diese Oberlegungen 

^og kannten, und well feiner der Name des Ra- werden mehrfach dadurch iDestatigt, dafi die auf- 

damanthys mogltcherweise nur die kretische Form gezahlten Gegenstande summiert werden und die 

des aus Syrien bekannten indisehen Artamanya Summenangaben stimmen, wobei sie durch eine 

{{rta-manya ,fur gerecht geltend*) sein konnte, stereotypeSummenphraseeingeleitet werden, nam- 

welche Bedeutung Mr ,den Gerechtesten der Sterb- lich ,Voger — ,Kreuz (Pe r s s o n liest [mit Hilfe 

lichen* recht gut passen wiirde. der kyprischen Silbenschrift] u-lo und vergleicht 

§ 5* Fiir die kretische Kultur ist das unge- ovXog; letzteres ist unmoglich). Rein rechneriseh 

wohnlich Mhe Auftauchen einer Schrift be- stellt sich dann noch heraus, daB das Zeichen 

zeichnend. Schon die erste frtihminoische Zeit 10 y ,,,<,, , « 

kennt primitive Siegelsteintypen, deren Vorbilder ^ '^^^"^ bedeuten mui5. 

in der letzten prahistorischen Periode Agyptens § 7. Der tJbergang vom ideographischen zum 

zu finden sind. Weiter finden sich Prismen mit syllabischen Wert ist nur so zu verstehen, daB 

Gildenzeichen und Blockzeichen auf Quadern der ein Zeichen nicht mehr den Namen jenes Gegen- 

iilteren Palaste. Daneben entwickelt sich eine sy- standes ausdrtickt, den das Bild konterfeit, son- 

stematische Bilderschrift, deren Zeichen (A-Klasse) dern nur den Anlaut bzw. die Anlautsilbe dieses 

zum grofiten Teil direkt auf agyptische Muster Wortes. Da wir nun manchmal den einheimischen 

zurtickgehen. Doch war die tTbernahme sinn- Namen der ursprtkiglich bezeichneten Gegen- 

h a f t, indem z. B. das ,Pflug*-Zeichen sich den stande kennen, konnen wir auch den akrophonti- 
kretischen Pflug zum Muster nahm. Dadurch, 20 schen Wert des betreffenden Zeichens erschlieBen 

daB die Zeichen vielfach in Tonbarren eingeritzt (der Lautwert der agyptischen Vorbilder ist dabei 

werden muBten, erhielten sie eine kursivere Form bedeutungslos). Auf diese Weise diirfen wir z. B. 

(B-Klasse; piktographisch; mittelminoisch). Be- -, rr-i. j >i ^n .. ti nj^^ / -i , 

merkenswert ist, dafi die kretische Bilderschrift ^^ Zeichen der ggv?, namlich l>j< (piktogra- 

auch auf die Bilderschriften Vorderasiens ein- graphisch) bzw. rn (linear) wohl la lesen. Der 

wirkte, die offenbar nicht auf unmittelbare Ent- ^. . ,_. _ , , .ix /-, i i i p . rz . 

lehnung aus Igypten zuriickgehen, wie ein Ver- ^mten(?)fisch heiBt HaXaf^a, daher darf sem Zei- 

gleich z. B. des Zeichens ,Berg* zeigt: chen Y den Lautwert ka haben. SchlieBlich ist 

I 1 agyptisch ,Berg', 30 bei der Frage nach dem Lautwert ein wichtiger 

Umstand zu beriicksichtigen: die Zeichen der ky- 



M 




kretisch Bern' prischen Silbenschrift lassen sich zur Hauptsache 

' ^' aus der kretischen ,Lineare* ableiten, Wenn ky- 

,hethitisch' ,(Berg-)Land*, ' pnsch ^ li st, dann muB wohl auchkretisch 2S , V 

als li aufgefaBt werden. Auf diese Weise gelingt 

Indusschrift ,Berg*. es uns, ein Wort, das auf LibationsgefaBen auf- 

Hingegen steht das entsprechende Zeichen auf taucht, namlich h|=IYY)£ ^^ l^^^^^ lakakali;d^- 

dem Diskos von Phaistos i"A-X der agyptischen 40 zu paBt es ausgezeichnet, daB uns Hesych ein an- 

Form viel naher. klingendes Wort (unbekannter Herkunft) iibermit- 

§ 6. Nach dem Untergang der alten Palaste telt layaysV acpQi^sL. Wenn daher lakakali soviel 

tritt eine neue Schriftgattung auf, die ,Lineare hieBe wie ,moge, soil schaumen*, so ware dies ein 

A* (die ,Lineare B* ist auf Knossos beschrankt recht zutreffendes Verbum finitum einer Auf schrift 

und wird wegen ihrer Verbesserungen auch ,Hof- auf einem LibationsgefaB. Dieser Ansatz findet 

kalligraphie* genannt). Etwa die Halfte der Zei- eine starke Stiitze darin, daB in einem medi- 

chen sind der frtiheren Schrift entlehnt, wobei die zinischen agyptischen Papyros ein ganzer kreti- 

Schriftrichtung nunmehr rechtslaufig ist und auch scher Beschworungssatz (im Zusammenhang mit 

die Zeichen nach rechts gewendet sind; an den einer Libation!) steht und das letzte Wort dieses 

tibrigen Zeichen zeigt sich ein groBer EinfluB der 50 Satzes lakakali gelesen werden kann (die agyp- 

agyptischen Hieroglyphen. Die Zeichen sind teils tische Vokalisation sagt nichts tiber die QuaHtat 

ideographisch, teils syllabisch zu lesen, wie das der Vokale aus)! Der Satz in seinem Zusammen- 

Auftauchen einer Interpunktion und ihre Verwen- hang lautet (4) ,. . . Beschworung der Asiaten- 

dungsweise zeigt (dabei ist zu bemerken, daB die krankheit in der Sprache von Kreta (Kafto): s]- 

Verwendung von Worttrennern in Kleinasien n-tj (h)k\-pw-][^-w\-j'i\-j-n^-Qi4j-r\-k\-k\-r.I>iQ^Qn 

ihren Ausgang nimmt). Der sachliche Inhalt der Spruch sagt man uber dem Schaum (6) von 

Tafelchen bestatigt diese Auffassung der Linear- Gegorenem, Harn (und) Fltissigkeit der (wohl- 

schrift. Denn es liegen uns mehrfach Ablieferungs- riechenden) Pflanze. -r- Darauf tun.* Es liegt oSen- 

listen 0. a. vor, in denen vor der Zahl nur ein ein- kundig eine Quasibilinguis vor. GemaB dem 

ziges Zeichen steht, offenbar das Zeichen fiir den 60 agyptischen Text schaumt eine fliissige Zusammen- 

gemeinten Gegenstand, so daB man manchmal aus setzung, die aus drei Teilen besteht. Da im kre- 

der Bildhaftigkeit des Zeichens auf seinen Sinn tischen Text das Verbum finitum ,m6ge schaumen* 

schlieBen kann (z. B. Getreidezeichen). Daneben ist, so kann das Subjekt dazu nur die Aufzahlung 

stehen manchmal MaBzeichen, wie z. B. das Schef- dieser drei Bestandteile sein, und zwar wohl in 

t . derselben Eeihenfolge. Dazu paBt es ausgezeich- 

felzeichen (Cp ), das genau ein rechtsgewendetes net, daB der dritte Bestandteil, Fltissigkeit aus 

.g^tisehes Schefielzeichen (ft) ist und neben ^:^S:^^^ ^^^^^^ 



205 Kreta (Sprache) Kqixaaiqaq 206 

bei einer Beschworung die Nennung eines Gottes Literatur. Bossert OLZ 1931^ 303ff. 

unentbehrlich, weshalb man wohl den Anfang des (auBerst wichtig. Liest den kretischen Zauber- 

Satzes Eanta (oder Santu) Kupapa lesen darf, da spruch als Hexameter); Santas und Kupapa, 

diese beiden Gotter in Kleinasien eine groBe Lpz. 1932; Altkreta 1. (I) Aufl. Evans Scripta 

RoUe spielten (z. B. hieroglypenhethitisch, ver- Minoa; The Palace of Minos at Knossos VoL 

mutlich Sandu- zu lesen; spater Havdag, Savdcov). I — ^III, insbesondere I 628. 631. II 438. Fried- 

Es bleiben fiir die restlichen zwei Bestandteile rich Kleinasiatische Sprachdenkmaler (Berl. 

des Trankes nur noch die zwei Worter waj(a) 1932) XIV (reichhaltige Literaturangaben; die 

jaj(a) librig, wie sie wegen der tibereinstimmen- Texte, jedoch ohne die Namen der Schultafel). 
den Endung wohl zu trennen sind (zur Wort- lOSundwall Acta Academiae Aboensis ^ I nr. 2, 

form sind aegaeische Worter wie ala ,Erde* zu II nr. 3. IV nr. 2. VII nr. 4; Reallex. d. Vor- 

vergleichen). Wegen des Lallwortcharakters von gesch. s. Kretische Schrift. Ipsen IF XLVII 

jaj(a) und weil es den zweiten Bestandteil des Iff. (Diskos von Phaistos); Essays in Aegean 

Trankes nennt, dtirfte es ,Harn* heiBen. Demnach Archeology (Festschr. fiir Evans), Oxford 1927. 

ist der kretische Zauberspruch zu tibersetzen: Per s son Uppsala Univers. Arsskrift 1930 

,Santu, Kupapa, .. .-Trank, Ham, Minze moge(n) Progr, 3. Kannengiesser Klio XI 26ff. 

schaumen!' — Auf einer Ablieferungsliste kann Agaische, bes. kretische Namen bei den Etrus- 

man (mit P e r s s o n) ta-pe-ta 12 ,zw6lf Teppiche* kern. F i c k Vorgriechische Ortsnamen, Got- 

(mTifjgl) lesen, wenn man die gleichenden Zeichen tingen 1905; Hattiden und Danubiery Gottingen 
der kyprischen Schrift einsetzt u. a. m. 20 1909 (bes. liber die Beziehungen zu den klein- 

§ 8. In den eteokretischen Inschriften, die uns asiatischen Eigennamen). Kretschmer Sprache 

in griechischen Buchstaben erhalten sind, fallt 69ff. (== Gercke-Norden Einl. I 525ff*, mit 

die tiberaus groBe Zahl von r auf, die sich wohl vielen Literaturangaben). M e r i g g i ZDMG 

nur durch einen Lautwandel,erklaren lassen. Da- XII 198ff. (Indusschrift). Porzig Zeitschr. f. 

hin weist der ON 'AXaXlrj, der in spaterer Zeit Indol. und Iran V 265ff. (eteokretisches Suffix 

AUa^la heiBt. Man darf also einen Lautwandel rq?a). Gleye Die Sprache der Eteokreter (Riga 

von intervokalischem l>r annehmen. Ist dies 1928) halt die Sprache fiir westfinnisch. 

richtig, dann miiBte auch die alte Optativendung [W. Brandenstein.] 

-li zu -ri (oder -re) geworden sein; diese Endung ^ KQixdai^og, KOnig der keltischen Boier in 
finden wir nun tatsachlich in nr. 2. Dort steht 30 Noricum nm das J. 60 v. Chr., dessen Name 

(ohne Worttrennung!) ala cpQaioot ivaiQs ,in Prai- wir nur aus Strab. VII 304. 313 kennen. Aus 

SOS moge . . .'. Ferner ivaiQSQs (9) igsiQegs; hin- dem Zusammenhalte der Worte Strab. VII 

gegen etwas anders vokalisiert (10) iqoqi; -JraQi; 304 .... Bolovg bs aal aQbrjv rj(pavios (sc. Bov- 

weiter zweimal iqbq (7. 8). In derselben Inschrift Qs^lotag) tovg vno KQitaoiQcp Tcal TavQiOKovg und 

fallt noch auf -afjiaQ, -dixaQ, -veixao, da diese 313 (mit etwas genauererBestimmung des Schau- 

Worter an den etruskischen Plural anklingen (z. B. platzes der Ereignisse) fjisQog fikv brj n xfjg xw- 

Mar jGrenzen*). Allerdings besteht bei dem letzt- Qag ravtrjg (von Illyrien ist die Rede) rjQTjfioooav 

genannten Wort die Lesungsmogliehkeit vei- Aa?col TcaxanoXefjirjoavteg Bolovg xal TavQianovg 

}iaQ[^€, und zwar wegen l^aQ^sj in nr. 1. — Mrr] KsXtixa ra vno KQizaoigq) <pdaxovtsg slvai 
Weiter fallt das Wortchen doq) auf (zweimal in 40 t^v xcoQav Gq>8tsQav xalneQ notaixov dislgyovzog 

nr. 2), da es auch in der ,pelasgischen* Inschrift tov tlaMoov . . . dlX eKelvovg (Boier und Tau- 

von Pharsalus (Kretschmer Glotta XV 168) als risker) fjiev ol Aaxol Tcatslvaav geht hervor, daB 

baq) erscheint. Zu erwahnen ware noch in nr. 2 C. Herrscher der Boier war, die Taurisker aber, 

ars(psac (Lehnwort aus Grsq>og?) und mit gleicher wenn schon nicht von ihnen unterworfen, so 

Endung ovadeoi; ferner nr. 1/5 {(pa)G£yvv avair: doch in Waffenbriiderschaft mit ihnen (nach 

nr. 2/5 orsnaXw yvrar; -] ayosr I {m, 1/3). Indo- Barb Wien. Num. Ztschr. LXI, N. F. XXI 26 

germanische Anklange haben erwartungsgemaB ein Beweis hiefiir der Miinzfund der Gerlitzen- 

zu indogermanisierenden Behauptungen gefiihrt, alpe [Kenner Jahrb. d. Zentralkommiss. II 

die jedoch einer ernsteren Priifung nicht stand- 73ff.], der boische und tauriskische Pragung ver- 
halten, da sie der Bedeutung nach nicht gedeckt 50 einigt, vgl. auch Bd. V A S. 8) seinen mili- 

sind. tarischen Oberbefehl anerkannten. Die Boier, 

§ 9. Der Diskos von Phaistos ist ein welche das Gebiet zwischen Donau und TheiB, 

Importstiick, wie die (wenigen) keilschriftlichen also dakischen Boden besetzt batten, wurden von 

Funde auf Kreta. Die Schrift, eine Silbenschrift, Burebista unter schweren Verlusten liber die 

ist nicht von der kretischen abhangig (s. o.), Donau zuriickgeworfen, ein Ereignis, das Niese 

sondern weist nach Igypten, wobei die Bilder Ztschr. f. d. Deutsche Altertum XLII, 1898, 154 

nicht die agyptischen Gegenstande, sondern die mit gutem Grunde (Brandis Bd. IV S. 1959, 

entsprechenden agaischen wiedergeben. Die Wort- Suppl-Bd. I S. 263) um das J. 60 v. Chr. angesetzt 

trennung weist auf kleinasiatischen EinfluB, die hat; damit war der fiir den dakischen Staat ge- 
Anwendung von Zeichenstempel nach Meso- 60fahrliche keltische VorstoB abgewehrt (Patsch 

potamien. Ein Schriftzeichen zeigt einen Kopf S.-Ber. Akad. Wien, 214. 45). An eine Ver- 

mit Federkrone; diese Tracht ist hauptsachlich nichtung des boischen Reiches, die Brandis 

von den Philistern bekannt, die aber um die Bd. IV S. 1959, gestiitzt auf Strab. VII 304. 

Zeit des Diskos (17. Jhdt.) noch unbekannt sind. 313 annimmt, ist nicht zu denken (Zippel 

Die Sprache scheint prafingierend zu sein und D. rOm, Herrschaft in Illyrien 120. Patsch 

wiirde dann auf das Protoehattische (bzw. 44, 5), da doch bei Beginn des Biirgerkrieges 

Palaische) in Kleinasien hinweisen. Der Diskos equites ah rege Norico cireiter trecenti zu 

ist das einzige Dokument in dieser Schrift. — Caesar nach Corfinium gekommen sind (Caes. 



207 Kritobulos xvfifitov 208 

bell. civ. I 18) und auch die Dynastie des C. genes hervor, wo e® nebein anderen groBeren 

zweifellos weiter bestanden hat. Denn C. ist Oefafien genannt wird. [v. Lorentz.] 

beehstwahrscheinlich mit dem Ecritusirus rex Kvpegvi^cia. Nach Pint. Thes. XVII ein Fest, 

identisch, der auf einer am Mallnitzer Tauern das Theseus seinen Steuerleuten Nausithoos und 

im Jahr 1904 gefundenen Silbermtinze (Kenner Phaiax zum Dank ftir ihre gute Steuerung stiftete. 
Mitt. d. Zentralkommiss. IV, 1905, 159f.) als [v. Geisau]. 

Vater des Gaesatorix re[x] bezeichnet wird (K u - KvX . . Ein zum Mesochoron gehOriger Demos 

bitschek Osterr. Jahresh. IX 73) ; abgesehen von Eretria ; Erganzung unsicher. IG XII 9, 165. 
von der seltenen Verwendung der Bildungssilbe [v. Geisau.] 

•sirus in Nomina propria auf keltischem BodenlO nvXixvis (tcvXtxyog, TtvUxvtov). Nach Pollux 

kann das anlautende e, entweder prothetischer (VI 98) eine Bezeichnung fiir die nv^ig, deren 

Art Oder als Verstarkung der Stammsilbe erit sich die Arzte bedienten (Suid. s. xvXlxviov), 

in Verwendung, weggelassen werden ; iiberdies die aber auch als Trink- und TischgefaB benutzt 

finden sich fast nie Homonymi unter den nach- wurde (Poll. a. 0. und X 88). Achaios von Ere- 

sten Verwandten bei den europaischen Kelten; tria gebrauchte KvXixvig in demselben Sinne wie 

auch der rein auBerliche Befund der Miinzen yMi^ (Athen. XI 4801). Wie und ob sich die 

(Gewicht 11 * 965 g, Durchmesser 26 mm), der kvXixvlq, namentlich im Hinblick darauf, dafi sie 

den Herrschaftsbereich des Gaesatorix westlich auch als TrinkgefaB benutzt wurde, von der 

vom Wiener Becken und der Mur, also nach eigentlichen nv^ig ujitersehied, laBt sich nicht 
InnerOsterreich verlegt, spricht keineswegs gegen 20 mehr feststellen. [v. Lorentz.] 

^e Annahme Kubitscheks, da Telle der von Kylikes (KvXiKeg) heiBt nach Phylarch. bei 

Burebista angeblich aufgeriebenen Boier sich Athen. XI 462 B 'die Stelle, an der isich der ivfi- 

iiach Westen in die Alpen zurtickgezogen haben ^og des Kadinos und der Harmonia bej&nidet; er 

kOnnen wie ihre Waffengenossen nach Osten fuhrt jedenMls nach dem schlangenlormigen 

(vgl. den Art. Teurisci) und Gaesatorix mOg- Stteinen den Namen (vgl. Bd. X S. 1467), die bei 

licherweise Herrscher jener Boier gewesen ist, Dion. Per. B90ff. nexQai, bei Skyl. c. 24 Xld'oi 

die erst um das J. 60 v. Chr. Boiohaemum ver- genannt werden (C r u s i u s Myth. Lfox. II 850). 

lassen hatten (Kubit schek 74). Vgl. Paul- Wir haben keinen Anhaltspunkt, seine Lage zu 

sen Die Miinzpragungen der Boier 5. 96 (dazu bestimmen (Z i p p e 1 D. rom. Herrschaft in II- 
Tafel A Abbildung 1 nach S. 8). 30 lyrien 18). [Max Fluss.] 

Eilax Fluss.] KVfjiPiov (cymbium). Demin.von xyfifir], cymbay 

ulos: in der Kegel ein TrinkgefaB (Hesych. Suid. Fest. 

2) Olynthos wurde nach der ZerstOrung durch p. 44 [Lindsj. Athen. XI 481 d ft. 483 a. Varro 

Artabazos 479 v. Chr. den Chalkidiern und Kri- de vita Pop. Eom. I, frg. 46 [bei Non. 545, 28]). 

tobulos von Torone tibergeben, der sonst un- Es wurde auch als Milchgelafi beim Totenopfer 

bekannt ist. Herodot. VIII 127. D. M. Eobinson (Verg. Aen. Ill QQ) und zum Schopfen aus einem 

Excavat. at Olynthus 1930, II Vorrede S. X. Krater (Macrob. iSlat. V 21, 7ff.) gebraucht. Das 

[Friedrich Stahlin.] Material wird meist Ton gewesen sein, zuweilen 

HQfoaaog (Demin. tcqcoooiov). Eim zu mannig- mit Reliefs verziert (Martial. VTtl 6, 2), aber auch 
faltigen Zwecken dienendes GefaB nicht genau 40 edlere Stoffe werden zu seiner Herstellung ver- 

bestimmbarer Form. Zu KQoooog nennt Hesych wandt: Silber (Verg. Aen. V 267), Gold (Apul. 

drei ganz verschiedenartige GefaBe: Hydria, met. XI 4), Ckrysopras (Plin. n. h. XXXVII 113). 

Stamnos und Lekythos; Zonaras (p. 1257) be- Seinen Namen tragt das K. wegen seiner einer 

zeichnet ihn ebenfaUs als Stamnos, nach Sopho- Schiffsart, der y.viJLprj, ahnlichen Form (Macrob. 

kles (Oedip. Col. 478) miuB er einem Krater ahn- Hesych. Suid. Fest. Athen.). tJber diese erfahren 

lieh gewesen sein. Sonst erfahren wir nur, dafi wir sonst noeh, daB das K. schlank, langge- 

er eim groBes Passungsvermogen hatte (Theo- streckt, kleinundtief war; eshattegerade Wande, 

krit. Xni 46 u. Schol.). Verwendet wurde er keinen FuB {jtvd-f^rjv) und keine Henkel (Macrob. 

als WassergefaB beim Baden (Poll. X 30. Pint. Suid. Athen.). Dem widerspricht auch nicht, daB 
Alex. 20, hier aus- Gold) und sonst (Eurip. Cycl. 50 einmal (Schol. Lucian. IV p. 152 Jac.) von den 

89. Ion 1173), dann zur Aufbewahrung von Wein K gesagt wird, sie seien oxQoyyvla gewesen, 

(Poll. VI 14) und iSchlieBlieh, auch wieder zum denn dieses Wort braucht nicht xmmer ,kreis- 

Teil aus edlem Metall, als Asohenurne oder als rund* zu bedeuten und fiigt sich somit den 

ein GefaB, das man auf das Grab stellte (Mo- librigen uberlieferten Beschreibungen ein. Somit 

sehos IV 34. Poll. VIH 66. Anth. Pal. VII 710. werden die bisher von Krause (Angeiologie 

IX 272). Die von Krause (Angeiologie 283ff. 319ff.) und Pettier (Daremb.-Sagl. I 2, 1699) 

Taf. Ill 21—23) vorgesehlagenen Formen sind vorgeschlagenen Identifizierungen wieder hrufal- 

teils aus den Schriftzeugnissen nicht genau zu Mg, und wir sind genotigt, an der langlichen, 

identiifizieren, toils sind -sie in ihrer zeitlichen sohiffsahnliehen Form festzuhalten, die sich noeh 
Stellung nicht mit der der zur Erklarung heran- 60 durch kein erhaltenes Beispiel hat bestimmen 

gezogenen Quellen in Einklang zu bringen. Da- lassen. Am nachsten isteht ihr die vor dem Brand 

her kommen wir bisher uber eine gewisse Wahr- an den Henkeln zusammengedruckte Sehale mit 

scdieinlichkeit und 'Moglichkeit noeh nicht hinaus. der Inschrift Ih^og ovoimx (Hackl Mtinchn. 

[v. Lorentz.] Arch. Stud. f. Furtwangler 104 m. Abb. Athen. 

«5ovycror. Ein GefaB unbekannterForm. DaB Mitt. XXXVHI 196), die sich auch zum 8ch6p- 

es ziemlieh groB gewesen sein muB, geht aus der fen gut eignen wtirde. Das K, selbst kann sie 

von Athen. XI 480 b zitierten Stelle aus Epi- nicht sein, da sie Henkel hat. [v. Lorentz.] 



209 Kynna Kynna 210 



Ziim zwolften Bande. 

Kynna, eiDe Halbschwester Alexanders des vgl. Schaefer 1112 100,3), allein dieser starb, 

Grofien. 1. Name: Kvvdvri Arrian. succ. Alex. ehe er nach Pella zur Brautwerbung kommeii 

22. 23. 24. Polyain. VIII 60. Ps.-Kallisth. 141, konnte (Arrian. anab. 1 5, 4). 

10. Kvvva Duris bei Atben. XIII 560f. Diyllos Die Quellen geben uns liber K.s Leben in 

ebd. IT 155 a. Satyros ebd. XIII 557 c. Died. den nachsten Jahren keinen AufschluB. Sie diirfte 

XIX 52, 5. Arrian. anab. I 5, 4. wahrend des Zuges Alexanders nach Asien mit 

Die Langform des illyrischenNamens(Kralie ihrer Tochter in Makedonien geweilt haben 

Indogerm. Bibl. III. Abt. 9. Heft 151; Glotta (Berve 229). Als sich die lUyrier zusammen 

XVII 94) ist die ursprungliche, die Kurzform mit den Griechen unmittelbar nach Alexanders 
spaterer Bntstehnng (vgl. Hoffmann D. Ma- 10 Tod erhoben (Diod. XVIII 11, 1) nnd Antipater 

kedonen 220). in Thessalien festgehalten wurde, scheint sie mit 

2. Abkunft nnd Leben bis zum Tode in den Krieg gezogen zu sein nnd durch ihr 
ihresGatten. K. war die Tochter des Ko- wildes Eingreifen den Makedonen zum Siege 
nigs Philipps 11. von Makedonien (bei K r a h e verholfen zu haben. Wenn wir Polyaen Glauben 
Glotta XVII 94, unrichtig als seine Gemahlin schenken durfen, hat sie sogar die Konigin der 
bezeichnet) und seiner zweiten Gemahlin, der Illyrier mit eigener Hand getotet und den Fein- 
Illyrerin Audata (vgl. Bd. 11 S. 2277, vgl. Be- den auch auf der Fliicht hart zugesetzt. Gegen 
loch GG III 2, 69), die spater den makedo- Berves 229 Einreihung dieser Episode in die 
nischen Prinzessinnennamen Eurydike angenom- Illyrerkampfe Philipps II. um 344/43 spricht, 
men hatte (Arrian. succ. Alex. 22. Satyr, a. 0. 20worauf schon Schtitt 46 aufmerksam gemacht 
0. Bd. VI S. 1326 Nr. 15). Infolge der Heirat hat, K.s Alter; denn sie zahlte im J. 344 noch 
Philipps II. mit Olympias im J. 357 durfen nicht l5 Jahre (s. o.). Schtitt will daher die 
wir mit einiger Berechtigung K.s Geburt um von Polyaen er zahlte Begebenheit in die Tage 
dieses Jahr (nach Beloch III 2, 69 im nach Alexanders Tod setzen; sie fiir die Illyrer- 
J. 358) ansetzen (Berve Alexanderreich II 229 kampfe Alexanders im J. 335 in Anspruch zu 
nr. 456); jedenfalls nach der Heimat ihrer Mutter nehmen, was zeitlich denkbar ware, vertragt sich 
nennt sie Duris eine lAAv^/?. Droysens (Gesch, nicht gut mit K.s Gattentreue (s. u.), dafi sie 
d. Hellenismus I 95) Annahme, K.s Mutter dem Manne, der eben Amyntas hatte beseitigen 
sei vor dem J. 357 gestorben, entbehrt jeder lassen, Gefolgschaft geleistet habe. 
quellenmafiigen Unterlage. Gegen Ende seiner 30 Die Wortkargheit der Quellen erlaubt nicht, 
Regierung (Berve 30. 229) vermahlte sie Phi- die Nachrichten iiber die folgenden Ereignisse, 
lipp mit Amyntas (o. Bd. I S. 2007 Nr. 15), dem die sie enthalten, zu einer liickenlosen Gedanken- 
Sohne seines alteren Bruders Perdikkas III. von reihe zu verkntipfen (Beloch IV 84,1). K.s 
Makedonien (Arrian. succ. Alex. 22. Polyain.). Herrschsucht und Kriegslust fanden sich mit dem 
Schiitts Unters. z. Gesch. d. alten lUyrer 46 und ruhigen Leben, das sie jetzt ftihrte, schwer ab. 
Berves 12 Ansatz fiir den AbschluB der Ehe Sie war bemliht, ihre Tochter in ihrem Geiste 
im J. 338 verdient gegeniiber dem Belochs zu erziehen (Duris. Polyain.), um an deren Seite 
(III 2, 69) ,um 340' auf Grund der Angabe noch einmal eine Rolle zu spielen. Antipater 
Polyaens xaxecog rovtop ano^alovoa den Vorzug. und seinem Anhange feind, suchte sie unter 
Es war ihr also eine Ehe von nur kurzer Dauer 40 dessen Widersachern den Mann ausfindig zu ma- 
beschieden (Berve 229). Ihrem Gatten gebar chen, dem sie mit der Hand ihrer Tochter den 
sie um das J. 337/36 (Berve 229) eine Tochter Anspruch auf Makedonien, das ihrem Gatten einst 
Adea (Diod. XVIII 23. Arrian. succ. Alex. 23. von Philipp II. vorenthalten war (Beloch IV 
Polyain.; vgl. auch Suppl.-Bd. IV S. 7. Hoff- 83), verschaffen konnte. Es war Philippos Arrhi- 
mann 216), die spater den Namen Eurydike daios (Bd. II S. 1248), mit dem K. Eurydike 
ftihrte (o. Bd. VI S. 1326 Nr. 13). Da Alexander offenbar noch vor seiner Thronbesteigung ver- 
in Amyntas einen gefahrlichen Pratendenten sah lobt hatte (Beloch IV 83). Den jetzigen Zeit- 
(Plut. fort. Alex. I 3. Curt. VI 9, 17. 10, 24). punkt nach dem Tode Alexanders (Polyaen) hielt 
liefi er ihn gleich nach seinem Eegierungsantritt sie ftir geeignet, ihm ihre Tochter zuzuftihren. 
(Beloch III 2, 69. Berve 229, nach Niese 50 Gegen Antipaters Willen verlieB sie wahrschein- 
Griech. u. mak. Staaten III 213 bald nach sei- lich in der zweiten Halfte des Sommers 322 
nem Eegierungsantritt, nach Schaefer Demosth. (Beloch IV 84, 1, ahnlich Droysen II 1, 
III 2 100, 3 schon in den ersten Monaten seiner 101, 1) Makedonien. Aber auch Perdikkas war 
Regierung, nach Arrian. succ. 22 vor dem Zuge gegen sie, vielleicht um sich Olympias, Phi- 
nach Asien) ermorden. lipps II. Witwe, gefallig zu erweisen (N i e s e HI 

3. K.s weiteres Leben. Die Hand seiner 214, 1), denen K. und ihre Tochter verhafit war 
verwitweten Halbschwester stellte Alexander dem (Duris). K. lieB sich nicht einschtichtern; an der 
Agrianerftirsten Longaros (o. Bd. XIII S. 677), Spitze einer Truppenabteilung, die sie gesammelt 
der ihm im Kampfe gegen den Illyrierftirsten hatte, zog sie tiber den Strymon und den Helle- 
Kleitos wertvolle Dienste geleistet hatte (nach 60 spont nach Kleinasien und warf jeden Wider- 
Berve 229 im J. 335, nach Droysen II 1, stand, den ihr Antipater entgegengestellt hatte, 
100 im J. 334) in Aussicht (Arrian. anab. I 5, 4; nieder (Polyain.). Nun trat ihr Alketas, der Bru- 



211 xvneXXov Kypros (Sprache) 212 

der des Perdikkas (Bd. I S. 1514 Nr. 5), ent- (Quint. Smyrn. VT 345). Bei Homer konmieii 
gegen, doch seine Truppen weigerten sich, gegen nvmlXa haufig vor, zium Teil aus Gold (z. B. 
K. zu kampfen (Polyaiu.). Aus Sorge tiller den H. HI 248. Od. I 142), Nach Athen. a. 0. soil 
EinfluB, den sie im makedonischen Lager ge- das nvnellov dem Skyphos ahnlich sein. VieL 
winnen kOnnte, war Perdikkas bemiiht, sie in leicht gleicht es in der Form dem bknag afjicpi- 
seine Gewalt zu bringen. Als es ihm gelungen tcvtisXXov (s. d.), wobei man sich freilieh die Hen- 
war, lieB er sie sogleich hinrichten (Diod. XIX kel wegzudenken liatte. [v. Lorentz.] 
52, 5. Arrian. succ. Alex. 22. 23. 24), ohne sich S. 59, 12 zum Art. Kypros: 
um ihre Worte zu kummern, in denen sieAl- Kyprische Sprache. 
ketas des Undankes bezichtigte, offenbar weil er 10 § 1. Der alteste Name der Insel ist Alasia, 
Yon ihr Entsagung auf jeden Herrschaftsanspruch erhalten im agyptischen *'^r^5•^ in den Amarna- 
verlangt hatte (Droysen II 1, 101, 2). Stolz Tafeln (13. Jhdt.) A-la-si-ia, im Hethitischen 
ertrug K. den Tod (Polyain.). Perdikkas wagte Alasia. Der Name ist auch im kyprisehen 
es aber mit Eucksicht auf die gereizte Stimmung 'An6X{%)(x)v Alaoiwrag erhalten. Hingegen ist da- 
im Heere nicht, Eurydikes Vermahlung mit Phi- von das Land 'Isj der agyptischen Quellen izu 
lippos Arrhidaios zu verhindern (Arrian. succ. unterscheiden, da es neb en Alasia genannt 
Alex. 23). wird (es dtirfte mit dem im hethitischen Schrift- 
Als Kassandros Makedonien in seine Gewalt tum genannten Issuwa identisch sein; auch 
gebracht batte, lieB er im J. 316 (Berve 229) Assuwa [= Aaia] kame dafiir in Betracht). 
K. und die tibrigen ermordeten Mitglieder der 20 Alasia scheint so viel wie ,Kupferland* zu be- 
Familie Philipps 11. in den KOnigsgrabern zu deuten; dafiir spricht das in Kleinasien und der 
Aegae feierlieh bestatten (Diod. XIX 52, 5. Diyl- Agais bekannte Landernamensuffix -ia (vgl. 
los) und bezeugte ihnen seine Verehrung durch Av?clr}; Ealdia, ,Land des [Gottes] Chaldi' usw.). 
Veranstaltung von Leichenspielen (Diod. XIX 52. Da welters im Eteokyprischen alo (nr. 5/2) auch 
5. Diyllos), Had'dneQ sd'og fjv toTg ^aoihvoi (Diod. in der Form ailo (nr. 1/2) vorkommt, und dem- 
XIX 52, 5). Als Zeitpunkt hierfiir gibt Diyllos nach ein mouilliertes I besessen haben diirfte 
an {KdooavdQog) en Botcozlag sTcavicov; gegen (vgl. noch to-ne a-i-lo-ne rwv oXkcov), konnte das 
Nieses 111255,5 Bedenken an Droysens(II Grundwort von AlasAa in der Form *aios in 
249, 2) Vorschlag, die Zeit nach dem Feldzug gegen mehrere indogermanische Sprachen tibergegangen 
die Griechen hierfiir in Anspruch zu nehmen, 30 sein; vgl. etwa lat. aGs\ zum Wechsel von I und 
neuestens Stahelin Bd. X S. 2299. j vgl. noch jecur: Leber. — Ein spaterer Name 
4. Charakter. Die Quellen ermOglichen der Insel ist Jadanana, der angeblich auf die 
einen Einblick in K.s Wesen (vgl. Droysen II Danaer hinweist (? weil hebraisch H ,Inser be- 
1, lOOf.). An Abenteuern und Kriegsfahrten fand deutet). Der Bezirk la\ den Sargon (8. Jhdt.) 
sie stets Gefallen ; mehr als einmal nahm sie am als einen des Landes Atnana (Kypros) nennt, 
Kampfe persOnlich teil (vgl. die Kampfe gegen darf man nicht mit IcoviKog iibersetzen, wohl 
die lUyrer; Polyain. xa noXsf^ia 7Ja?cr}os Tcal otQa- aber konnte dieser Name das Grundwort von 
tOTisdcov rjyelxo xal nolsfjiioig naQetdaoeto) ; selbst laooog (karische Stadt) bzw. des Namens der 
die tjberzahl und die glanzende Ausrtistung des lonier sein (Idfovsg ,Verehrer des mit id [irj\ 
Gegners konnte sie nicht erschrecken (Polyain. 40 angerufenen Gottes*). — Ein alter Name von 
z. B. im Kampfe gegen Alketas). Auch ihre K. ist ScprjKala gewesen, das mit dem in hethi- 
Tochter erfiillte sie mit kriegerischem Geiste tischen Quellen genannten Biggaja identisch sein 
(Duris. Polyain.). Daneben verdient K.s Beharr- soil (vgl. oq)iv^: (pt^). — Der jiingste Name ist 
lichkeit Anerkennung. Trotz des Widerstandes, Kypros, in dem ebenfalls ein vorderasiatischer 
den ihr Antipater bei dem Zuge nach Asien be- Name ftir Kupfer stecken diirfte, da wir im 
reitete, lieB sie sich von dem einmal gesteckten Sumerischen su-u-bar ,Kupfer' haben (geschrieben 
Ziele nicht abbringen (Polyain.). Aber nicht lei- UT.KA.BAR, welches Wort auch volksetymolo- 
denschaftliche Wildheit allein, sondern auch edle gisch zu xabar ,Glanzstein* umgeformt wurde). 
Herzensregungen bestimmten ihr Tun. Die Liebe Auch im Elamischen gibt es fiir ,Kupfer* den- 
zu ihrem Gatten zeigt sich darin, daB sie nach 50 selben Stamm (und daneben k e i n zweites Wort 
seiner Erraordung ovx vnsfjieivs dvbQog nsiQa- dafiir!), namlich cit^Jar. AUe dieseFormen miissen 
•^ffvai dsvtsQov (Polyain.). Die Antwort, mit der mit cuprum auf eine gemeinsame Quelle zuriick- 
sie das Ansinnen des Alketas, den Anspriichen gefiihrt werden. — Das trilingue Dekret von 
auf den makedonischen Thron zu entsagen, zu- Kanopus (3, Jhdt.) spricht von der ,Insel . . ., 
riickwies (Polyain. ts&vdvai jLiaXXov rj to ^diTinov die inmitten des Meeres liegt*, was griechisch 
ysvog EHnsnxco^bg xfjg aQy/qg oQav atQovpiBvr))^ be- mit Kypros wiedergegeben wird. 
weist die Hingabe, mit der sie die Interessen § 2. Die ,friihkyprische* Zeit (3000—2100) 
ihres Hauses verfocht. steht archaologisch in starken Beziehungen zu 
Die Kwvdva, die auf einem Grabsteine von Kleinasien, in der ,mittelkyprischen* Zeit (2100 
Dhamasi genannt ist, den sie ihrem Manne er- 60 — 1600) uberwiegen die Beziehungen nach 
richtete (IG IX 2, 234), ist mit unserer K. nicht Syrien. In der darauffolgenden Zeit bestehen 
identisch (Krahe Glotta XVII 94). gute Beziehungen zum Hattireich, wahrend 

[Max Fluss.] Leute des Landes Lukki (wohl Griechen) immer 

HvjteXXov, Hangt mit Tcvnri zusammen und wieder pMndernd einf alien und schlieBlich auch 

nicht, wie Athen. XI 482 e angibt, mit xvfpog* Attarsijas von Ahhijd (A.xQsvg von A-xata) das 

Es ist der Name ftir eiaen henkellosen Becher Land Alasija verwtistet. Ebenfalls ins 14. und 

(Hesych. s. v.), aus dem Wein getrunken wurde, 13. Jhdt. fallt ein starker spatmykenischer Im- 

der aber auch als MilchgefaB dienen konnte port. Diese Geschichte spiegelt sich in den EN 



213 Kypros (Sprache) Kypros (Sprache) 214 

(Eigennamen) wider: AQa^avda hat sein Gegen- (,Keftiu*) zuzuschreiben ist. — Mit Hilfe der 

stiick in Karien (AXapavda), das s-Suffix von kyprischen Silbenschrift lassen sich z. B. einige 

TafA,aaa6g gleicht dem von &efirjao6g (kariseher Aufschriften auf Tongefafien der submykenischen 

Ort) und Tdfxaoig (lydischer Ort). Der aus den Zeit, gefunden bei Amathus, folgendermaBen 

Amarnatexten bekannte Alasiote Kunea ist mit lesen: Ike-mu-ralpa-si ke-ka-loj. Da fasi in den 

dem kilikischen Fabeldichter Kovvig und dem kypriseh-griechischen Inschriften die ,Abkiirzung* 

lykischen Graberbauer Kunnijei namensverwandt. von fiaodevg ist, kann man vielleicht tibersetzen: 

Ebenfalls aus den Amarnatexten sind uns be- Kemura, Konig von Kekalo; eine zweite In- 

kannt -]gur('^)umma und pastumme] sie enthal- schrift lautet a-la pa-si / (mit Lticken auf zwei 

ten wohl das gleiche Suffix (oder Grundwort; vgl. 10 weiteren Gefafien). Hier scheint mir die eteokre- 

Edqirj YfATjoorj, kariseher Ort, jiQtrjvfiog, m. tische Proposition ala heranzuziehen und daher 

karisch), wahrend beztiglich pastumme noch an zu tibersetzen sein: (das GefaB steht) beim 

kretisch ndomg ,Herr- zu erinnern ist. Usparra Konig (in des Konigs Haus o. a.), 

enthalt wohl einen Vokalvorschlag wie etwa § 4. Fiir die Deutung der wenigen Texte in 

OxwQTtovba (kyprische Phyle): TaQKovbaQa (kari- eteokyprischer Sprache (auch Sprache von Ama- 

scher Demos); dann darf man UnoQevbiyog (m. thus bzw. von Alasia genannt) mu6 vor allem 

karisch) und NoQio^aQTjg (kariseher Ort) zum die Bilingue (nr. 5, s. o. Bd. XII S. 89) und 

Vergleich heranziehen (vgl. noch thrakisch ein Graffito aus Abydos (nr. 6) herangezogen 

HjiaQaboTiog). Die kyprische Konigin Hl-tj-b] werden. Letzteres lautet a-na I a-mo-ta j a-sa-ti-ri. 
(agyptischer Papyros aus dem 11. Jhdt.) erinnert^O Da viele Graffiti mit ,ich (bin)* anfangen, konnte 

an den Volksnamen der Hethiter, der auch in in a-na ein ,ich' oder ein ,(ich) bin* stecken; indes 

dem Namen der Keteier steckt (vgl. auch das ist es wahrscheinlicher, daB in a-mo-ta der Name 

kyprische Vorgebirge Krjtla), Die Endung -6' von Abydos steckt, da er auch mit m (statt b) 

darf wohl mit dem kretischen -(pa gleichgesetzt geschrieben wird. Dann hieBe a-na / a-mo-ta so- 

werden, das die (schiitzende) Zugehorigkeit aus- viel wie ,von Abydos her*, ,aus Abydos* (scil. 

driickt. Der noch heute erhaltene Flurname ist, stammt), und der Schreibername wiirde in 

UsQfafwg scheint auf die Dardaner zuriickzu- a-sa-ti-ri stecken (wohl zu lesen astir = 'Aotrjo). 

gehen, die die nordischen Lehnworter nsgyaiiov Dies wiirde auch gut zur Bilingue stimmen, die 

und uivQyog in der Agais verbreiteten. — Von mit den Worten a-wa/ma-^o-n beginnt; dennhier 

den Teukrern wird mehrfach berichtet, daB sie BO wiirde ein Beginn mit ,ich* deswegen nicht 

auch auf K. eingedrungen sind. — Die Be- passen, weil es in der griechischen Version 

ziehungen nach Kreta werden am besten durch nicht vorkommt; denn diese lautet ,die Stadt- 

den kyprischen Personennamen falxdviog veran- gemeinde der Ainathusier (ehrt o. a.) den Ari- 

schaulicht, der vom kretischen Gottesnamen ston, (Sohn) des Aristonax (verschrieben fiir 

feXxavog abgeleitet ist; auch der kyprische Zsvg Aratonax), den Adeligen*. Daher dtirfte der Be- 

AapQavtog ist wohl hierher zu zahlen (zu den ginn der Bilingue entweder ,von der Stadt- 

zugrunde liegenden Namen auf -an vgl. etrus- gemeinde* oder ,von Amathus* zu tibersetzen 

kisch turan ,Herrin*). — Die Beziehungen nach sein, so daB das ,logische* Subjekt beider Ver- 

Phoinikien zeigt der weihende Herr Baalra[m, sionen gleich ware. Ftir beide Auffassungen 

der Sohn des "A^dlfjulTtog in der kyprisch-phoini- 40 lassen sich gewisse Argumente vorbringen (ma- 

kischen Bilingue von Idalion, da dieser Name tori erinnert an kleinasiatisches patara, ptara 

auf Kypros schon durch die Amamatexte ,7t6Xig, nxokig^\ Amathus konnte ein deiktisches 

(13. Jhdt. I) bekannt ist, wo ein Bil-rdm ge- a- haben, welches in matori aus irgendwelchen 

nannt wird. Grtinden nicht erscheint); doch ist keine dieser 

§ 3. DaB die kyprische Silbenschrift beiden Auslegungen unbedenklich: wenn in 

zum groBten Teil eine Weiterbildung der kreti- matori der Name von Amathus stake, so wtirde 

schen Schrift ist, bezweif elt heute niemand mehr. der griechische Text, obwohl s o n s t knapper, 

Zwar scheint die kretisch-mykenische Schrift in dieser Angabe reichhaltiger sein, da er von 

von Asine der kyprischen naherzustehen als die der nohg ri Afiad'ovoicov redet. HeiBt hingegen 

kretische, : aber andererseits kennen wir aus K. 50 ana matori ,von der Stadtgemeinde', dann er- 

mehrfach GefaBe usw. mit kretischen Schrift- wartet man ,der Amathusier* o. a.; doch ist keine 

zeichen (und zwar lineare A), so daB es nicht Entsprechung daftir zu finden (die Konjektur 

notig ist, mit Hilfe einer hypothetischen Ein- u-mi-e[-tu'\-sa- ,Amathus* verbietet die Autopsie 

wanderung von mykenischen Griechen in K. die des Steines). Doch kann in umiesai mukulai ein 

Verbindung zur kretischen ,Linearen* herzu- Ersatz daftir stecken, um so mehr, als mukulai 

stellen, sondern man kann annehmen, daB die an den An6X(X)(ovt rcoi AfivKlmi == phoinikisch 

kretische Schrift auf K. bekannt war und sich R^V (= Kesef) MKL (Bilingue von Idalion) er- 

daiaus die kyprische Silbenschrift entwickelte innert und daher eine geographische Angabe 

(1. Jahrt.). In diese Richtung weist die Tatsache, enthalten kann. — Ganz besonders wichtig ist 

daB der philistaische Titel pati ,Herr* sowohl 60 die Entsprechung der Eigennamen (EN) in den 

in einer kretischen Namenliste (=t=/i\), als beiden Versionen: a-ri-si-to-no-se I a-ra-to-va-na- 

auch anf einem kvDriqphf^n Zvlinder + 7u ka-so-ko-o-serAQlctrcovaAQtot6vaxtog (lies AQat-), 

aucii aut emem J^yprisclien Ljimaei ^ zu ^uvor muB erinnert werden, daB die griechisch- 

lesen ist (vgl. kyprisch pa = ^ und ti = t )• kyprische Rechtschreibung den Unterschied zwi- 

Dazu gehort auch, daB der Mann mit der ,Feder- schen langem und kurzem Vokal nicht kennt; 

krone* und dem ,Troddelschurz* auf K. nicht dies geht daher auf die einheimische Sprache 

selten ist, wobei die ,Federkrone* vor allem den zurtick. Demnach hat obige Schreibung so-ko-o-se 

Philistern, der ,Troddelschurz* aber den Kretern lediglich den Sinn, einen Vokal, der sonst bei 



215 Eypros (Sprache) Adyvvog 216 

der Lesung hatte unterdriickt werden m ti s s e n, iiberstellung von (nr. 2/2) ma-na / tu-mi-ra / i-mi' 

anzugeben (wahrend im Griechisch-Kyprischen ka / und (nr. 3/2) ma-na / a-so-na-tu-ka / i-mi-no- 

keine feste Kegel zur Unterdriickung bestand, na (3) ergibt sich, daB imi-ka und imi-nona zum 

indem man wohl Konsonantenhaufungen durch selben Stamm gehoren; wenn weiteres ma-na == 

Silbenzeichen mit dem gleichen Vokal aus- fivd ist, dann konnte das folgende Wort ein 

driickte, nmgekehrt aber die Aufeinanderfolge ZaMwort sein. 

von Zeichen mit dem gleichen Vokal den Leser § 5. tJber die Zuteilung des Eteokyprisehen 

nicht notigte, einen Vokal unter alien Umstanden zu einem Sprachstamm kann derzeit noch nichts 

auszulassen). Daher mtissen wir den ersten gesagt werden. B o r k glaubt zwar, eine Suffix- 
Namen ariston-se lesen, d. h. an den griechischen 10 aufnahme feststellen zu konnen, doch sind die 

Namen wird eine einheimische Endung (Obli- betreffenden Stellen nur sehr unsicher lesbar 

quus) einfach angehangt. Dabei ist noch etwas und auch anders auffafibar. Ganz unannehmbar 

zu beachten. In der griechisch-kyprischen Kecht- ist die Auffassung Powers, der die Sprache 

schreibung driickt die Endung -se (-ne) den ein- fiir semitisch halt. 

fachen Konsonanten aus, wahrend in der eteo- Literatur. Texte bei Friedrich Klein- 
kyprischen dies nur durch ein reimendes asiatische Sprachdenkmaler (Berl. 1932). Femer 
Silbenzeichen moglich ist. Daher wird der die im Art, Kreta o. S. 206 angefiihrte Lite- 
Name Pnutos (vgl. griechisch-kyprisch fu-nu- ratur. — B o r k Die Sprache von Alasija (MAOG 
{ta-ko-ra-se\ = TIvvxdyoQag) in nr. 8 ein- VI; Lpz. 1930). Sittig KZ LII 194ff. Po- 
heimisch pu-nu-to-so geschrieben. Auch an20wer Biblica X 129ff. Ipsen Indog. Forseh. 
den Vatersnamen der Bilingue aratovanoks wird XXXIX 232. Persson Uppsala Universitets 
einfach eine Endung angehangt, namlich der Arsskrift 1930, Programm 3. Forrer ReaUex. 
Ausgang -oko-o-se, da hier dieselbe Endung -se d. Assyr. s. Alasija. B o s s e r t MAOG IV/2 
vorliegt wie im Regens, mu6 -oko- ein Patrony- (Padi). Kretschmer Glotta V 260f. XXI 158. 
mikon sein, das seine Parallelen im ostmediter- Pedersen OLZ 1930, 962ff. Konig OLZ 
ranen Sprachgebiet hat, vgl. in Kleinasien Sdv- 1928, 971 f. Persson Festschr. f. Danielsson 
daxog (: Gott 2dvb(ov)\ in der Agais Aloanog 269ff. Gjerstad Uppsala Univ. Arsskrift 
(: alool' d'eol vnb Tvqqtjpcov); im Etruskischen 1926. Sturm Archiv f. Orientforsch. VII 1875, 
rumax ,R6mer*. Hingegen gibt es auch einen [W. Brandenstein.] 
Nominativ auf -r, wie schon der Eigenname 30 S. 118, 49 zum Art. JTvy^^a: 
as(a)tir{i) gezeigt hat; so haben wir auch in 2) Grenzfeste der Mantineer gegen die lako- 
nr. 4/1 ni-ka-to-ro a-ra-to-ke-ne-na-so-ko-o-se, d. i. nische Skiritis, 421 von den Lakedaimoniern zer- 
NiHOLXcDQ (oder NinavbQog'i) 'AQaro-gnenas-oko- stOrt. Thuk. V 33. Genaueres iiber die Lage ist 
se. Dem svjtar^lSrjv entspricht in der eteo- nicht festzustellen. Cur tins Pelop. I 340. Der 
kyprischen Version wohl ke-ra-ke-re-tu-lo (se ge- Name bedeutet ,Bienenkorb*, Fick Bezz. Beitr. 
hort wohl nicht mehr dazu), das durchaus an XXIII 29. Schwerlich liegt eine Erinnerung an 
griechisch-kyprische Namen (Titel?) wie AQtmo- den arkadischen KCnig Kypselos (Nr. 1) vor, der 
TeQExrig erinnert. Offenbar ist -ulo eine adjek- den zweiten Einfall der Herakliden abwehrte. 
tivische Ableitung. Dieser Titel zeigt sich noch [v. Geisau.] 
in nr. 4 e-ra-si-ti-mo-lse^l (4) a-sa-ta-ra-to-no- 40 xvy^^^/* Nach Pollux (W 13. X 42) ein GefaB 
ko-o-se'^ I ? ke-ra-ka (1) -re-tu-lo (-ko gehort wohl fiir Gewtirze. Eine nahere Beschreibung der xv- 
schon zum nachsten Wort), d. i. erasi-tc^og (vgl. ipsXrj ist nicht vorhanden; ob man sie sich der 
TSQaola) a-oTQarcov-oko-se kerakret-ulo (beachte loQva^, an die der Name denken laBt (vgl. Hero- 
den Vokalvorschlag in a-axQatcov-). Ein anderer dot. V 92. Pans. V 17, 5), ahnlieh vorzustellen 
Kasus scheint in nr. 4/2 vorzuliegen o-na-sa-ko- haben wird, muB dahingestellt bleiben. 
ra-?^^? pa-po-no a-ra-to-va-na-ka-so-ko-[o-ni^], [v. Lorentz.] 
d. i. VvaodyoQag aus IJacpog, der (Sohn) des KvQOiXlg. Thessalische Ortlichkeit, nur be- 
Aratovanaks. Da in nr. 5 fiir das Verbum finitum kannt aus Add. ult. zu IG IX 2, 205. 
nur die Fiigung no-so-ti / a-lo / ka-i-li-po-ti iibrig- [v. Geisau.] 
bleibt, die in ihrer Konstruktion an nr. 1 mu-no- 50 S. 223 zum Art. Kytinion: 
ti I a-i-lo I e-ki-ja-no-ti / erinnert, diirfen wir mit Das Ethnikon lautet auch Kvnvevg (SGDI 
Verbalformen rechnen (etwa hlfA.i'jas xal dve- 2528), entsprechend der bei Plin. n. h. IV 28 
'd'TiKev), die durch a{i)lo verbunden sind (= at- belegten Form Kytinon. [v. Geisau.] 
quel). Dabei ist noch zu beachten, daB e-ki eine Adyvvos [Xdyrjvogf XayvvioVf Xayvvig, lagoena, 
Praposition sein diirfte (=: dvd), da wir in nr. 2 lagona, laguna, laguena, laguina). Name eines 
haben e-ki / vi-ja-ki und e-ki / ma-ri. Dies laBt WeingefaBes (Poll. VI 14. X 72), iiber dessen 
uns in -i eine Obliquusendung erkennen, die Form sich bei den antiken Schriftstellem nur 
auch in ta-ra-vi (nr. 2/4) vorliegt; zu letzterem folgende, ziemlich allgemeine Angaben finden: 
gehort auch ta-ra-vo (nr. 3/5), vielleicht als Es ist ein bauchiges GefaB (luven. sat. XIl 60) 
Nominativ. In nr. 3 finden wir zweimal e-ne-mi- 60 mit einem langen, engen Halse (Anth. Pal. VI 
na, das durch die Hesychglosse evrifiiva = 7](jligv 248. IX 229. Plut. quaest. sympos. I 5 p. 614 E. 
geklart wird. Somit verstehen wir die Konstruk- Plin. n. h. XXVIII 174), also eine Art Flasche. 
tion o-i-te / ta-ko / e-ne-mi-na / o- (5) i-te / ta-ra- Sie konnte aus verschiedenem Material her- 
vo I e-ne-mi-na ,sowohl (der Gegenstand) Tako gestellt werden: luvenal (V 29) spricht von einer 
zur Halfte, als auch (der Gegenstand) Tarvo zur saguntinischen, also tonernen L., Martial (IV 
Halfte*. Diese Auffassung von oite wird noch da- 46, 9) von einer syrischen, also wohl glasernen; 
durch bestatigt, daB es auch sonst W5rter mit zerbrechlich war auch die bei Petronius (sat. 22, 
derselben Endung verbindet. — Aus der Gegen- 3) erwahnte. Die Herkunft der L. ist ungewiB, 



217 AdlatTiog M^rjg 218 

wenn man nicht aus luvenal (XIV 271) auf Kreta Wortes, ein flaches, weit offenes GefaB mit 

schliefien will; dazu liegt jedoch einstweilen groBem Fassungsvermogen. Ob es sich um einen 

kein zwingender Grund vor. In Alexandria wurde groBen Teller, oder um eine flache Schtissel han- 

ein dionysisches Fest gefeiert, die XaywocpoQia^ delt, bleibt unsicher. Nach Photios hat das Wort 

bei dem jeder Teilnehmer seine eigene L. zum L. nichts mit Xexavri zu tun. [F. v. Lorentz.] 

Trinken mitbrachte (A then. VII 176 a — c). Die Lamynthios aus Milet, melischer Dichter, 

L. ist dort also ein allgemein gebrauchliches Ge- nur bekannt durch Klearchos bei Athen. XII 597a. 

faB gewesen. Da die Schriftstellen keine nahere Dieser nannte ihn zusammen mit Antimiaichos, 

Bestimmung der GefaBform zulieBen, konnte weil beide eine Hetare Lyde liebten, die L. h 
auch K r a u s e (Angeiologie 243f.) die L. nicht 10 fJieXsi, Antimachos in elagiscbemi MaBe besang; 

mit einer der vorhandenen Formen identifizieren. die Worte sxdteQog ... rfjg ^ag^aQov Avdfjg elg 

Das versuchte erst Zahn (Arch. Jahrb. XXIII im'&v^lav 7<axaotag sollen nicht besagen, d^ es 

68ff. nr. 32 mit Abb.), als er eine einhenklige in beiden Fallen dieselbe war, und Kaibel 

Flasche mit langem Hals und flacher Schulter zweifelt die Worte rfjg §aQpdQov an; man wiirde 

mit der Insehrift ov(A7tlavog aus Slidrufiland tivog statt rfjg erwarten. Der Name ist duroh deli 

(Samml. Vogell nr. 251 Taf. VII 11; jetzt Berlin, Grabstein IG H 3219 fur Milet bezeugt. v. Wila- 

Inv. 4955) mit Anth. Pal. VI 248 in Verbindung mowitz Gott. Nacbr, 1896, 228. [W. KrolL] 

brachte, wo von einer Idywog ovfjmlavog die Rede Laugaricio, nur bekannt aus einer bei Bri- 

ist. Diese Zusammenstellung ist jedoch nicht getio gefundenen verstummelten Ehreninschrift 
zwingend. Nach Zahn halt auch die trunkene 20 (OIL III 225 * = 13489 = Dess. 9122), welche 

Alte des jiingeren Myron (Brunn-Bruek- Soldaten der Legio II adiutrix als Bestandteil des 

m a n n Denkmaler Taf. 394. Winter Kunst- hier vielleicht im Sommerlager befindlichen Heeres 

gesch. i. Bild.2 345, 8) eine L. in ihrem SchoB. (so Momm sen und Dessau zur Insehrift) gscerc**- 

Das GefaB ist hier mit einem Ef eukranze in tus, [q]ui Laugarieione sedit, mil(itesj legionis II 

Relief auf der Schulter verziert (vgl. eine ahn- victoriae Augustorufm) zu Ehren gesetzt haben ; 

liche Darstellung TJ<p7]fA,. 'Aqx- 1891 Taf. 10). Ein zeitlich laBt sich die Insehrift nicht genau ein- 

anderes Exemplar mit figiirlichem Reliefschmuck ordnen, da der Name des in ihr genannten Le- 

in Berlin (Inv. 3161 a. Neugebauer Ftihrer gaten [. . .'Jt (? Momm sen) ans nicht vollstandig 

durch d. Antiquarium II 188 Taf. 98). Das Mate- erhalten ist. Mommsen sieht in der dem 2. Jhdt. 
rial ist von Leroux (Lagynos, Paris 1913) gut 30 n. Chr. angehorigen Insehrift den Niederschlag 

gesammelt worden. Diese von Zahn erschlos-* eines erfolgreichen Kampfes der Legion mit den 

sene Form steht in Widerspruch zu der einzigen Barbaren jenseits der Donau. Meines Erachtens 

Darstellung der Aesopischen Fabel vom Fuchs kommen hierfiir vor allem die Marcomannenkriege 

und Kranich auf einem Relief aus Empoli (Osterr. Marc Aurels in Betracht ; unter den August! waren 

Jahresh. V 1 Abb. 1), das der frtihen Kaiserzeit Marc Aurel und entweder sein Bruder L. Verus 

angehoren dtirfte. Plutarch spricht bei der Er- oder sein Sohn Commodus zu verstehen. Vgl. 

zahlung dieser Fabel von einer lay wig, die sich Ritterling Bd. XII S. 1449; so auch D obi as 

aber nach der Beschreibung nicht wesentlich von Bull, de la soc. geogr. tchecoslov. XXVII 79ff. ; 

der L. unterschieden haben kann. Auf dem Re- ders. Rev. hist, tch^que XXIX457ff.; ders. Les 
lief ist jedoch viel eher eine Art Kanne mit kugel- 40 Rom. dans le territoire de la Tchecoslov. 14, ders. 

formigem Bauch dargestellt, die schlecht zu der Expeditio secunda et tertia 23 [vgl. auch Gniers 

Flasche mit der flachen Schulter passen will. Es Gharisteria f. Rzach 42f. mit weiteren Literatur- 

gibt nun aber auch inschriftlich bezeugte L., die angaben], der L. mit der von Ptolem. II 11, IB ge- 

wieder eine vollkommen andere Form zeigen; zu- nannten Stadt Aev>idQiotog {}m Osten von Germania 

nachst eine Ringflasche (Daremb. -Sagl. 12 magna) identifiziert (vgl. Bd. XII S. 2212 f.) 

Abb. 1338). Dann veroffentlichte Rubensohn und es im heutigen Trencin in der Slowakei sucht, 

(Arch. Anz. 1929, 204ff. Abb. 4—6) eine Pilger- wo auch Mlinzen aus dem Altertum gefunden 

flasche mit der Insehrift AtovvoiaTiov layvvi und worden sind (Dobias Rev. num. tchecoslov. VI, 

stellte sie mit anderen relief geschmtickten Stuk- 1980, 117ff.); nach Dobias Les Rom. dans le 
ken dieses Typus zusammen, der sich bis in 50 territoire de la Tchecoslov. 14 ware der in der 

altere agyptische Zeit zuriickverfolgen laBt (vgl. Insehrift erwahnte Sieg von dem bekannten 

Edgar Greek Vases, Catal. du Caire, vol. LVI Rechtsgelehrten Tarruntenus Paternus (Bd. IV A 

Taf. 24; Corp. vas. ant. Michigan, fasc. 1, I B S. 2405) im J. 179 errungen worden. 

Taf. 2 [U.S.A. 87] 15—19). Da nun diese in- [Max Fluss.] 

schriftlich bezeugten Typen sich weder mit der Aiptfs (Xs^sig, Demin. Xs^'^tiov, XsprjrdQiov). 

iiberlieferten Beschreibung der L., noch mit der Ein groBes, kesselartiges GefaB, das den verschie- 

Fabel des Aesop vertragen, bleibt nur eine Mog- densten Zwecken diente. Es bestand meist aus 

lichkeit: mit Rubensohn einen Bedeutungs- Metall: Gold oder vergoldet (Atheii. IX 408c. 

wandel des Wortes L. anzunehmen. Zuerst kann Pindar. Isthm. I 19 — ^20. Pans. V 10, 4), Silber 
es die von Zahn erschlossene Form bezeichnet 60 (Hom. Od. 1 137), Bronze (Athen. IX 408 d. Verg. 

haben, spater ging es auf die Ring- und die er- Aen. V 266. BuU. heU. XV 164. Lind. Tempel- 

wahnten Pilgerflaschen iiber. Den letzten Aus- chron. [ed. Blinkenberg], B 15. Aischyl. Choeph. 

laufer dieses Typus bilden dann die Menasampul- 686f. Poll. X 63). tTber seine GroBe gibt es nur 

len (zu deren weiterem Fortleben bis in Fayencen vereinzelte Nachrichten; aus den verschiedenen 

des XVII. Jhdts. s. 0. E r i c h in Forsch. u. Fort- Verwendungsarten ergibt sich jedoch, dafi es 

schr. IX 1933, 498). [F. v. Lorentz.] meist einen betrachtlichen Umfang gehabt haben 

AdXaiKog, Nach der Beschreibung des Pho- muB. Zum Bade wurde in ihm das Wasser ge- 

tios (s. IsTcavrj), der einzigen Erwahnung dieses warmt (Poll. X 63 u. 66), Eurykleia wusch Odys- 



219 As^riQ Ae§rig 220 

seus in einem L. bei seiner Heimkehr die Ftifie zwei Reliefs in Berlin und im Lateran: Roden- 

(Hom. Od. XIX 386f.), bei den Skythen diente waldt D. Relief bei den Griechen, Abb. 65. 

ein dem lesbischen Krater ahnlicher, aber viei Winter Kunstgesch. i. Bild.^ 284, 2; Ber- 

groBerer L. zum Kochen (Herodot. IV 61); auch lin nr. 925). Auf der angeftihrten Hydria (Brit, 

seine Verwendung zur Konstruktion einer Art Mus. B 328) ist der L. nicht mit den FiiBen 

Flammenwerfer laBt darauf schlieJBen, daB es sich verbunden, sondern auf ein dreibeiniges Unter- 

um ein groBes GefaB handelt (Thak. IV 100); gestell gesetzt. Ein solches Exemplar in Bronze 

einmal (Anth. Pal. VI 153) wird ein L. als Weih- aus geometrischer Zeit wurde in Athen gefunden 

geschenk erwahnt, der so groB war, daB er einen (Athen. Mitt. XVIII 1893, Taf. 14). DerL. konnte 
Ochsen fassen konnte. Auf eine erhebliche GroBe 10 also auch einzeln verwendet werden — wie es 

deutet auch, daB er oft als Kampfpreis dient und eine Gemme (P a n o f k a Bild. ant. Lebens, 

in Tempel geweiht wird (Pind. Isthm. I 19 — 20. Taf. 12, 6) zeigt, auf der ein Schwein in einem 

Verg. Aen. V 266. Hom. II. XXIII 259. Athen. L. gekocht werden soil, der unmittelbar auf das 

IX 408 d. Anth. Pal. VI 153. IX 391, 3. Lind. Feuer gestellt ist — , und das wird auch der Fall 

Tempelchron. B 15). Der L. wird aber auch als gewesen sein bei der FuBwaschung des Odysseus 

Waschgerat verwendet, was aUerdings iiber seine (Horn. Od. XIX 386f.), von der uns ein Bild auf 

GroBe nichts aussagt; bei der Morgentoilette dem Chiusiner Skyphos des Penelopemalers 

(PoD. X 46) und zum Handewaschen vor und (Furtw. -Reich h. Taf. 142; Lowy Poly- 

nach dem Essen (Poll, X 90 u. 92). Als Koch- gnot Abb. 18) erhalten ist. Angesichts der sehr 
und Ktichengerat wird er erwahnt Athen. XI 20 flachen Form des WaschgefaBes muB es aber zwei- 

408 d. PoU. X 95. Suid. s. v. und Hom. II. XXI felhaft bleiben, ob wir in ihm einen L. erkennen 

362. SchlieBlich bediente man sich seiner bei den diirfen; vielleicht ist es eher eine Lekane. 

Hochzeitsriten unter der Bezeichnung %s§rig yafic- Weder nach der schriftlichen, noch nach der 

Kog i^EcprjfA,. agx. 1888, 44 Z. 63) und als Aschen- bildlichen tJberlieferung ist es moglich, mit Si- 

gefaB (Aischyl. Ag. 443f.; Choeph. 686f. Soph. cherheit den Unterschied zwischen dem U^rig 

El. 1401). In Sparta Ziehen beim Tode eines if^nvQc^']^z7]g und dem Xe^r^g ajivQog festzustellen. 

Spartiaten die Frauen durch die Stadt und schla- Vielleicht liegt er nicht so sehr in der Form und 

gen larmend auf einen L. (Herodot. VI 58). dem Material des GefaBes, als in seiner Verwen- 

Nach Athen. II 37 f — 38 a hat man zwischen dung. Der XspTjg UnvQog diente wohl hauptsach^ 
zwei Arten von L. zu unter scheiden: dem sfjijivQi- 30 lich als Krater (vgl. Athen. II 37 f — 38 a). Als 

Prjxrig oder XostQoxoog und dem anvoog (vgl. auch solchen finden wir ihn auf der Northampton- Am- 

Hom. II. XXIII 267). Ersterer ist dazu bestimmt, phora in Castle Ashby (Burlington Catal. 1903 

tiber ein Feuer gesteUt zu werden, um Wasser Taf. 90; Pap. Brit. School Rome XI Taf. 2. 4; 

anzuwarmen. Er ruht auf drei FiiBen, die ent- Metrop. Mus. New York, Shapes of Greek Vases 

weder unmittelbar an ihm befestigt sind, oder S. 31). Hier schopft ein Satyr mit einer kleinen 

ein besonderes Untergestell bilden. Diese Art des Kanne Wein aus einem L., der auf drei unterein- 

L. ist voUkommen identisch mit dem bekannten an der verstrebten FiiBen ruht. Auf einem profi- 

DreifuB. Als rQmoboeibrjg wird der L. bei Eustath. lierten FuB steht der L. neben dem gelagerten 

(p. 1312 zu Hom. II. XXIII 485) bezeichnet, und Herakles auf der sf. Seite der Miinchner Amphora 
vollkommen sicher wird diese Identifizierung 40 des Andokidesmalers (F u r t w. -R e i c h h. Taf. 4. 

durch ein sf. Vasenfragment von der Akropolis Pfuhl Mai. u. Zeichn. Abb. 265). Hier laBt 

zu Athen (Journ. hell. stud. 1892/93 Taf. 12, 1. schon die Form des FuBgestells darauf schlieBen, 

Graef u. Langlotz Die ant. Vasen v. d. daB der L. nicht dazu bestimmt ist, iiber ein 

Akropolis I Taf. 27 nr. 590 a), auf dem neben Feuer gestellt zu werden. Eine ahnliche Darstel- 

einem bei den Leichenspielen ftir Pelias als Sie- lung tragt die Schale aus der Schule des Makron 

gespreis ausgesetzten DreifuB die Beischrift %s- im Brit. Mus E 66 (Catal. of Vases III Taf. 4. 

§r}g steht. Ein Bronze-L. aus Cumae im Brit. Fur t w. -Reichh. Taf. 47, 1) und der L, Lon- 

Mus. (Catal. of Bronzes nr. 257) tragt eine In- don, Brit. Mus. E811, der als AschengefaB ver- 

schrift, die ihn als einen ebensolchen Kampfpreis wendet worden war und in de^l Knochen- und 
bezeichnet. Auf einer Amphora in Mtinchen 50 Schadelreste gefunden wurden. 

(Jahn Miinchn. Vasensamml. nr. 476. Ger- Mit U§rjg'yafi,i7c6g wird heute aUgemein eine 

hard Auserles. Vasenbilder Taf. 257) stehen Gef^Bform bezeichnet, die mit der bisher bespro- 

unter einem DreifuB auch zwei ineinandergesetzte, chenen kaum noch etwas zu tun hat. Man ver- 

fuBlose L. als Siegespreise. Nach der "Oberliefe- steht darunter ein bauchiges GefaB mit senkrecht 

rung (Pans. VIII 11, 2. Robert Griech. Hel- stehenden Henkeln, verhaltnismaBig hohem Hals 

dens. II 2, 867) wurde von Medea (s. Bd. XV und Deckel, das auf einem sich nach oben ver- 

S. 39) sowohl der Widder, als auch Pelias selbst jiingenden FuBe steht (Pfuhl Abb, 768. Athen. 

zur angeblichen Verjiingung in einem L. gekocht. Mitt. XXXII Beil. 1 u. 4; New York Shapes 

und dazu stimmt wieder die bildliche Uberliefe- S. 7, 4). Der Name ist diesen Vasen gegeben wor- 
rung, die von den sf. Vasenbildern des 6. Jhdts. 60 den, well sie meist mit Szenen aus dem Frauen- 

an stets einen DreifuB als Kochkessel zeigt (z. B. leben geschmiickt sind und in Bildern von hoch- 

Brit. Mus. B 221: Gerhard Auserl, Vasenbil- zeitlichen Riten vorkommen (Onos des Eretria- 

der Taf. 157, 1 u. 3; Hydria des Brit. Mus. malers in Athen: Pfuhl Abb. 562; T]q>r}fA,. aQx- 

B 328: Corp. vas. ant, Brit, Mus. fasc. 6, III He 1897 Tat 10, 2). Allein die Berechtigung zu 

Taf. 86 [Gr. Br. 345], 4; Stamnos des Kopen- dieser Benennung kann in Zweifel gezogen wer- 

hagener Malers in Munchen: Gerhard Taf. 157, den im Hinblick auf die sf. Amphora B 197 des 

2 u. 4; rf. Stamnos in Berlin F2188: Neu- Brit. Mus. (Catal. of Vases II Taf . 5); hier tragt 

gebauer Fiihrer d. d. Antiquar. II Taf, 57; beim Hochzeitszug von Zeus und Hera eine Frau 



221 AsTcdvri Leptines 222 

einen L. der gewohnlichen Art auf dem Kopf. Als faB genannt das der Arzt benutzt (Poll. X 149) 

■Qbergang zu der genannten Form konnte hoch- und das — aus Silber — f iir kosmetisehe Zwecke 

stens die Pyxis des Eretriamalers in London, verwandt wird (Lucian. amor. 39). 

Brit. Mus. E 774 (Furtw.-Reichk. Taf. 57, 3; Bei der Kenntlichmachung der L. in der bild- 

Brit. Mus., Guide to Greek a. Rom. Life Abb. 246; lichen "Dberlieferung sind wir auf Vermutungen 

New York Shapes S. 34, 1) gelten, auf deren Bild angewiesen. Man wird jedes flache, schalenartige 

— scheinbar die Schmiickung einer Braut — vor GefaB mit diesem Namen bezeichnen diirfen. 
einer Tiir auf zwei Untersatzen zwei L. stehen, Etwas sichereren Boden gewinnen wir, wenn wir 
die sich in ihrer Form und darin, daB sie Henkel es zu den tiberlieferten Zwecken verwendet fin- 
haben, der der heute mit U^rig ya^AiTiog bezeich- 10 den, wie z. B. auf dem Chiusiner Skyphos des 
neten annahern. Zu bedenken ist jedoch, dafi hier, Penelopemalers (F u r t w. - R e i c h h. Taf. 142. 
wie auch sonst ofter, kleine Zweige aus den Vasen li o w y Polygnot Abb. 18) mit der FuBwaschung 
hervorwachsen, weshalb Hauser (Osterr. Jahresh. des Odysseus. Hier halt sich der Maler nicht eng 
XII 95) die Vermutung ausspricht, es handle an die tlrberlieferung (Hom. Od. XIX 386f.), die 
sich in den dargesteUten Szenen nicht um Vor- einen Lebes in dieser Szene erwahnt, sondern 
bereitungen zur Hochzeit, sondern zum Adonis- setzt an dessen SteUe eine L., die ja auch zu FuB- 
f est. waschungen gebraucht wurde. Diesem Zwecke soil 

Zum SchluB sei erwahnt, daB der L. auch als wohl auch die L. auf der Makronschale des Brit. 

Mlinzzeichen vorkommt, und zwar als bloBer Mus. E 63 (Catal. of Vases III Taf. 3) dienen, die 
Kessel auf Miinzen von Kreta (Bull. hell. 1888, 20 hier Henkel hat. Dasselbe GefaB kehrt wieder, 

413 Abb. 1 — 4), und in der Form des DreifuBes ebenfaUs mit Henkeln, auf einer Schale aus der 

auf Miinzen von Kroton (BoU. d' Arte 1928, 33, Schule des Makron im Louvre (Monum. Piot XIII 

Abb. 4). [F. V. Lorentz.] Taf. 13; Brit. Mus., Guide to Greek and Rom. 

Aendivfj (XsHavlgy XeKavLbiov, hxdvoov, hna- Life Abb. 223); es wird hier von einem Chirurgen 

vioKT), XeKog, XeTilaxog, Xstclgkiov^ lemg, Xskolqiov). beim AderlaB verwendet. 

Ein flaches, schtisselartiges GefaB, das ganz ver- Wenn Deubner (Arch. Jahrb. XV 152) mit 

schiedenen Zwecken diente und dessen GroBe seiner Deutung, daB auf einer Pyxis des Berliner 

— wie die Namen erkennen lassen — je nach Museums mit einer Hochzeitsdarstellung das eine 
dem Gebrauch ganz verschieden sein konnte. Ob Madchen in seiner linken Hand eine L. tragt 
sich aus den vielen Namen auf eine von der je- 30 (Arch. Jahrb. Taf. 2), recht hat, dann wird man 
weiligen GroBe unabhangige Form wird schlieBen auch in der Deckelschale aus Kertsch in Lenin- 
lassen, muB unbestimmt bleiben. Sicher ist aus grad (F u r t w. - R e i c h h. Taf. 68) und in den 
der "Dberlieferung nur, daB aUe diese GefaBe zu ihr verwandten Schalen (z. B. Corp. vas. ant. 
denselben Zwecken verwendet wurden. "Dber ihre Michigan, fasc. 1 Taf. XI 7. XVIII 30. XXIX 3) 
Form erf ahren wir aus der Literatur nur, daB sie eine L. oder doch wenigstens eine Unavig erken- 
flach waren (Phot. s. XsTcdvetg, Suid. s. Xs^cavrj. nen dtirfen. [F. v. Lorentz.] 
Schol. Aristoph. Ach. 1110) und daB die kleineren S. 2016 zum Art. Leon: 

von ihnen Henkel batten (Phot. s. XsHavrj), In 25 a) Der Mathematiker, wird zitiert von Pro- 

der Hauptsache scheint die L., soweit ihr Umfang klos in Euclid. 66 ed. Friedl. Nach ihm ist er 
groB genug war, als Waschgef aB gedient zu haben, 40 ein Zeitgenosse Platons und Schiller des Mathe-^ 

fiir welchen Zweck ganz allgemein sie genannt matikers Neokleides. Sein Lehrbuch (2roixsia) 

wird (Poll. X 76 u. 78). Besonders wird gesagt, erf rente sich besonderer Wertschatzung. Ftir die 

dafi man sich in einer L. die FtiBe wascht (Phot. Entwicklung der Mathematik waren seine Beob- 

s. Xenavr]; Suid. s. xeXs^rj, Poll. X 70), doch achtungen tiber die Determination von Bedeutung. 

diente sie, aus Silber gefertigt, beim Gastmahl Proklos nennt ihn geradezu den Erfinder der bio^ 

Ptolemaios' II. den Gasten zum Absptilen der QiGfxol, utots bvvaxov son to ^rixovfisvov TtQo^Xrjfjia 

Hande vor und nach der Mahlzeit (Athen. V xal mots dbvva-tov. Das ist, betrachtet man die 

197 b). Andererseits wurde sie dazu benutzt, um Behandlung der Determination in Platons Menon 

Kleider in ihr vom Schmutz zu reinigen (Schol. 86 E, zuviel behauptet. Mit Recht hat sich daher 
Aristoph. Plut. 1061). Aus Athen. XIII 583b50schon Cantor Gesch. der Mathem. I 237 gegen 

ergibt sich wohl, daB man daraus die Pferde H a u k e 1 Zur Gesch. der Mathem. 135 gewendet, 

trankte, ja, sie diente als eine Art Spucknapf der die Angabe des Proklos halten woUte. Cantor 

und zur Aufnahme der Folgen iiberreichlichen meinte, auf L. gehe der mathematische term. 

Weingenusses (Aristoph. Nub. 907. Plut. mor. techn. diogiofAog zuriick. Endgtiltig ist die Frage 

801 B. PoU. X 76). Bei diesen Verwendungen nach der Bedeutung des L. durch H o p p e Ma- 

konnte die L. natiirlich nicht aus edlen MetaUen them. u. Astronomie in Klass. Altert. 429 ent- 

bestehen, sondern muBte aus Ton oder Holz sein schieden. L. hat nur fiir eine Reihe von Aufgaben 

(Poll. X 87 u. 122 [hier unter WeingefaBen ge- die Determination gefunden. [Orinsky.] 

nannt]; Hesych. s. IsKavibsg, Phot. s. xsQaf^op), S. 2074, 35 zum Art. Leptines: 

Die kleineren Exemplare dieser Gattung be- 60 7) L. (Asjttlvov ys[o)yQdq)ov'^] Letronne; 

gegnen haufig als TischgefaBe (Xen. Eyr. I 3, 4), AstztIvov ?r . . . BlaB) nennt sich der Kompilator 

meist fiir Gewiirze, kleinere Speisen, Krauter und der ,paodsvotv'' gewidmeten ^ovQaviog bibaaxaUa^ 

Zukost (Poll. VI 85—86. Athen. VI 268 c. Ari^ die meist nach dem Akrostichon als Evbo^ov xsxvr} 

stoph. Ach, 1108. Athen. IV 149f. Phot. s. Is- (Eudoxi ars) zitiert wird und nach Boeckh 

TidvTj und s. TiSQafjiov, Hesych. s. Isxavibsg), dann (tTber die vierjahrigen Sonnenkreise der Alten, 

auch bei der Hochzeit zur tJbergabe derselben Berl. 1863, 200) zwischen 193 und 190 v. Chr., 

Dinge an die Jungvermahlten (Phot. s. xsQaixw, nach BlaB und Hultsch zwischen 193 und 165 

Hesych. s. IsHavibsg). AsKavlg wird auch ein Ge- niedergeschrieben wurde, in der Subskription (Kol. 



223 Lerna Lerna 224 

XXIV 6) des Pariser Papyros, auf dem sie uns J. 338 v. Chr. die gauze Nordseite der Stadt nach' 

erhalten ist (ed. Letronne, Notices at textes des einem einheitlichen Plan umgestaltet wurde, 

papyrus grecs ed. Brunet de Presle in Not. et geht hervor aus der Datierung der Fundstiicke, 

Extr. des Mss. XVIII2, Paris 1865, 75; ed. BlaB, die in den favissae des alten Tempels des As- 

Progr. Kiel 1887, 25; trad. Tannery, Eecherches klepios entdeckt wunden, sowie aus einem Miin- 

sur I'Hist. de I'astronomie anc, Paris 1893, in zenMnd (de Waele425) in der L.-Bueht selbst. 

M^m. de la soc. des scienc. phys. et nat. de Es war ein monumentaler Ausdruck des Gemeinde- 

Bordeaux, S^r. IV, t. I 283). "Cber die ScMft stolzes, nachdem die isthmische Stadt von Philipp 

selbst vgl. Hultsch, Bd. VI S. 949, § 24. von Makedonien zumSitz des Hellenischen Bnndes 

[Ernst Honigmann.] 10 erhoben war. Bei dieser Arbeit anderte sich das 

S. 2089, 6 zum Art. Lerna : Aussohen der Bueht grtindlich. Ein Teil der Fels- 

2) L. in Korinth. Weniger bekannt wie die und Tonschichten wurde weggehackt und eine 

argi/vische Ortschaft, nur ausnabmsweise von den hohe Aufscbiittung zustande gebracbt, die den 

antiken SichriftsteUem und nie in epigraphischen FuBboden fiir den zentralen Platz und die Ge- 

Zeugnissen erwahnt ist die 1931 entdeckte, bis baude ringsum bilden wurde. Die ostlichte Seite 

1933 freigelegte korinthische L., ein Komplex dieses kunstliehen Plateaus von 50 m Breite und 

von Quellen und Wasiserleitungen, Brunnen und 35 m Tiefe wurde einigenommen von den vier 

Wasserbehaltern. Sie befindet isich in einer tiefen Hauschen der heiligen Schlafstelle oder eyKoiiArj- 

Bucbt am Nordrande der Terrassen, auf denen xrjQiov des Heiligtumes des Asklepios. Diese Hau- 

die antike 8tadt gebaut war (s. Suppl.-Bd. IV 20 ser lehnten sich an den Hiigel des Asklepios an. 

S. 998), oberhalb der groBen korinthischen Vokha- An der Stidseite des Htigels wurde ein L-formiger 

Ebene. Naoh der kurzen Beschreibung bei Pans. Wasserbehalter in den Pelsen gebaut, der das 

II 4, 5: rov d'edxQpv 6' koxlv rovbe ov noQQco yvfx- Eegen^wasser der auf dem Hiigel befindlichen Ge- 

vaaiov to aQxaiov kol nrjyrj xaXovfxevr) AsQva. baude sammelte. Dahinter offnete sich die SttraBe, 

Hiovsg ds sotrjxaot jisqI avxrjv >cal xa'&edQai ns- die, von Osten herkommend, die Besueher zwi- 

nolr}vxai xovg iosX'd'ovxag ava'ipvxsiv wQa d'SQovg, schen dem Asklepieion und dem Gebaudekomplex, 

JjQog xovxcp x(p yvfA.vaolco vaol ^scbv eioiv, 6 f/,ev in dem man wahrscheinlieh das alte Gynmasion 

A log, 6 8s lA.OKh}mov' xa be aydXfxaxa 'AoxXrjmdg sehen darf, in das Tal der L. hinabfuhrte. 

fA,ev Hal 'Yyieia XevHo'D Xi'&ov, x6 ds xov Aiog xoX- Ein fast rechteekiger zentraler Platz (18x20 m) 

Kovv soxiv, war sie eine Sommerfrische fiir die 30 mit Saulenhallen an den vier Seiten nahm den 

Stadt und liegt in der unmittelbarer Nahe des groBten Teil des kiinstlichen Plateaus ein. Die 

alten Gymnasions, des Zeustempels und des Hei- westliche Portikus war dem Hiigel angebaut, der 

ligtums des Asklepios. Letzteres wurde 1931 und den von Pausanias erwahnten Tempel des Zeus 

1932 gefunden und freigelegt auf dem Htigel, getragen haben diirfte, weil der ostliche den 

ostlieh der ^oBen L.-Bucht. Bei Lukian. quom. Hausern desAbatons des Asklepieions vorgelagert 

hist. 29 wird ein Spazieorgang in Korinth vom war. Die nordliche, leider sehr zerstorte Halle, 

Kraneion bis L. erwahnt, und bei Athen. IV 156e, war sicher nach der Ebene zu geoffnet, eine An- 

vergleicht man die Qualitat des Wassers der nahme, der die geringen Punde nicht wider- 

Peirene und der L., womit jedoch die korinthische spreohen. Nur unter dieser Bedingung konnte 

oder die argivische Quelle gemeint sein konnte. 40 man L. und seine Hallen mit Pausanias eine an- 

N a m e. Obgleich die Erizahlung von der tike Sommerfrische nennen. An der Nordseite die- 

Lernaischen Hydra von den korinthi'sehen Top- ser Halle, aber etwa vier Meter tiefer, sowie an 

fern des 6. Jhdts. v. Ohr. haufig dargesteUt wird der Nordseite des Asklepieionihugels befand sioh 

(Furtwangler Myth. Lex. I 2198. v. Mas- eine Reihe von Laden, die an beiden Seiten die 

sow Die Kypseloslade, Athen. Mtt. 1916, 44ff.), untere L.-Quelle flankierten. In diese Quelle wird 

wird man der Auffassung eines korinthischen das Wasser dqirch eine verzweigte Wasserleitung 

Ursprunges der Sage kaum beipflichten konnen, gefuhrt, die, aus siidlicher Richtung kommend^ 

sondem die Benennung des Komplexes einer in ihrem Laufe aueh von der oberen L.-Quelle ge- 

tJbertragiung des Namens von der argivischen Ort- speist wird. Diese Anlage datiert aus der Zeit 
schaft her zuschreiben. Ob dies schon etwa in der ^^ des groBen Umbaus. 

Zeit Pheiidons oder in den Jahren des grofien In die sMliche Portikus miindete die StraBe 

,Synoikismos* mit Argos (491 — 487 v. Chr.) ein, und an dieser Sudseite waren auch die Ein- 

(Xen. hell. IV 8, 34. V 1, 34. Plut. Ages. 21; s. gauge der Regenwasserbehalter sowie der Quellen- 

Suppl.-Bd. rV ,Si. 1028) oder erst bei dem Umbau anlage fiir die obere L., in die man durch eine 

des ganzen Nordteiles der antiken Stadt im J. 338 Treppe zum Wasserbassin hinabstieg. Westlich 

V. Chr. (de Waele Amer. Journ. Arch. 1933, dieser Anlage befanden sich die drei Wasserbehal- 

424ff.) stattgefunden hat, laBt sich nicht mehr ter, deren erster gerade in der Mittelaehse des 

feststellen. groBen Plat^zes ist. Je ein anderer Wasserbehalter 

G e s c h i c h t e. In prahistorischer Zeit hat ist unter den Hiigeln ostlieh und westlich der L- 
ohne Zweif el schon eine Quelle oder ein Wasser- 60 Bucht. Der Gesamtinhalt dieser Eeservoire konnte 

lauf in der Bucht existiert, und zu dieser Quelle 200 cbm erreichen. Das auf den Dachem der Por- 

scheint eine StraBe gefuhrt zu haben, von der tiken gesammelte Regen wasser floB iiber den zen- 

sich noch die Einschnitte im Felsen sowie die tralen Platz durch einen Abfuhrkanal, der zwar 

Stelle des dvaXr/pfxa im nordostliohen Teil der mit der groBen Wasserleitung in Zusammenhang 

Bucht erkennen lieBen. VieUeicht war hier auch stand, jedoch gesondert neiben der unteren L.- 

in archaischer Zeit eine Nekropole, von der sich Quelle miindete. Von der ganzen Geschichte, die 

noch drei Kindersarkophage mit Beigaben in der sich an dieser SteUe der antiken Stadt abspielte, 

Nahe der StraBe gefunden haben. DaB nach dem wissen wir wenig mehr als ihren Anfang umd 



225 Letoios Letoios 226 

ihr Ende. Bei der romisehen Zerstorung im 13); damals, also 355/356, hatte er durch den 

J. 146 V. Chr. seheint der L.-Komplex wie das Kreis des Senators von Konstantinopel (Se. 295) 

benachbarte Asklepieion verhaltnismafiig wenig Themistios Audlenz bei dera Herrscher erlangt 

gelitten zu haben. Asklepieion nnd L. wurden (ep. 551, 3. Si. 75, '28). Vielleicht vertrat er 

grtindlich zerstort in der Mitte des 4. Jhdts. n. damals aucb den Wunscb der Stadt, den Liba- 

Chr., und diese von der christlichen Gemeinde nios nacb Antiochia zu bekommen; der Sicher- 

ausgefuhrte Zerstorung ist so grtindlich gewesen, belt, mit der Se. das behauptet und ep. 444— 

daB von den von Pausanias in L. erwahnten 449 als Erapfehlungsschreiben des Libanios fur 

xloveg und KaMdQai keine sichere Spur gefunden diese Reise des L. hinstellt, steht der Wortlaut 
worden ist. Schon zuvor batten wiederholte Erd- 10 von ep. 551, 3 entgegen, wo Libanios im J. 357 

beben, sowie die allgemeine Vernachlassigung an- an Themistios schreibt : Aritoiov 8e koI jiQoteQov 

tiker Kulte und heidnischer Gebaude einen all- eyvcog, rjvlxa uiag^ v/bclv /nkv rjv iyco, noQ^ 6h 

mahlichen Verfall eintreten lassen. Nach der xov PaoiUa dt v/acov o^zog ixcooei. Bs soil indes 

groBen Zerstorung wurde die L.-Bucht, sowie nicht angezweifelt werden, dafi einer der beiden 

der Asklepieionhugel und das ganze Gebiet nach Gesandten, die in ep. 444—449 wiederholte aber 

Westen zu fur eine christliche Begriibnisstatte immer ohne Nennung eines Namens erwahnt 

verwendet, deren spateste Graber aus der Zeit werden, L. war, daB also die Empfehlungsschrei- 

lustianians zu stammen scheinen, als Seuche und ben fur ihn verfaBt sind. Eine zweite Reise an 

Erdbeben in der Mitte des 6. Jhdts. die Stadt den Hof untemahm L. im J. 357, als Constan- 
entvolkerten (J. H. F i n 1 e y Speculum [Cam- 20 tins zur Feier seines 20jahrigen Regierungsjubi- 

bridge, Mass.], 1932,487). Um 650 n. Chr. wird das laums Rom besuchte und dort auch von der 

fruhere Quellenhaus der oberen L. zu einer Tauf • Stadt Antiochia begruBt werden sollte. Zu dieser 

kapelle eingerichtet, die ein Annex war der kleinen Gesandtsehaft war ursprtinglich der jtingere der 

Kirche, die in der L.-Bucht aus antiken Werk- beiden Oheime des Libanios, Phasganios, be- 

stucken erbaut wurde (Karo Arch. Anz. 1932, stimmt, lehnte es aber wegen Krankheit ab. 

37. 1933, 222. Carpenter Ancient Corinth, L. trat dann freiwillig flir ihn ein (ep. 550, 2. 

A guide to the Excavations, Athen 1933, 90f. 552, 13). Dabei erlaubt das Ende von ep. 553, 

de Waele Amer. Journ. Arch. 1934. S. den wo von der svnQa^la dieses Oheims die Rede ist,. 

Art. Korinthos Suppl.-Bd. VI). den SchluB (S e.), dafi seine Krankheit nur vor- 

[F. J. de Waele.] 30geschutzt war. Auch diesmal bekam L. eine 

Letoios {Aritolog). Verschiedene Trager Reihe von Empfehlungsschreiben von Libanios 
dieses Namens sind uns — alle nur aus Liba- mit, an Aristainetos in Bithynien ep. 550, ftir 
nios — bekannt. Nach den Angciben in dessen Konstantinopel und den Hof an Themistios 
Werken, besonders in den Briefen (zitiert nach ep. 551, an den Proconsul von Konstantinopel 
der Ausgabe von Foerster-Richtsteig) und (Si. 237. Se. 61) Anatolios ep. 552, an den con- 
den beiden grundlegenden Arbeiten von G. R. sularis Phoenices (Se. 71 II. Si. 55) Andronikos 
S levers (Das Leben des Libanius, Berl. 1868; ep. 553, an die Briider Olympics und lovinus 
im folgenden Si.) und 0. Seeck (Die Briefe ep.554.555,anBarbation(s.o.Bd. Ill S,l Si. 219. 
des Libanius zeitlich geordnet, Lpz. 1906; im Se. 94) ep. 556, an den eastrensis saeri palatii 
folgenden: Se.; wenn nichts weiteres angegeben, 40 (S e. 219) Mygdonios ep. 557, an den magister 
ist S. 197f. des Werkes gemeint), zu denen noch offieiorum (S e. 218 I) Musonios ep. 558, an den 
H. Silo m on (De Libanii epistularum libris magister epistularum (Se. 134f.) Eugnomonios 
I— VI. Gottingen 1909; im folgenden: Sil.) ep. 559; den Brief an Crescens (564) sandte Li- 
kommt, konnen die nachstehenden L. unterschie- banios dem L. nach Si. 75, 23—28. — Im J. 864 
den werden: reiste L. mit seiner Frau nach Kyrus. An den 

1) L. aus Antiochia, nach ep. 146. 787. S e. Abwesenden richtet Libanios sehnsuchtsvoUe 

Si. 265 hQchstwahrscheinlich Bruder des prae- Briefe (1175. 1190. 1202); im J. 865 ist L. wie- 

feetus praetorio Kynegios (s. o. Bd. XI S. 2527), der in der Heimat (ep. 1828). 

verwandt mit Chryses (S e. 107 I) ep. 146 und Nach S e e c k s Darstellung hatte dieser L. 
mit den Brudern Olympios (S e. 335 X) und lo- 50 im J. 363 eine Untersuchung zu fuhren gehabt 

vinus (s. 0. Bd. IX S. 2015 s. lovius. Se. 186) gegen Leute, die sich der Pflicht des Dekurio- 

ep. 554, 4. Er gehOrte einer der vornehmsten nats entziehen wollten. Er verfuhr dabei streng 

Familien der Stadt an (ep. 444. 555, 6. 557,4) ohne den Zorn machtiger Beamten zu fiirchten; 

und zeichnete sich durch Opferwilligkeit in der or. XLIX 19 = III 461, 16 F.; or. XLVIII 42 = 

tTbernahme freiwilliger Leistungen ftir die Stadt HI 448, 15 F.; ep. 1365. 1405. Wenn jedoch die 

aus (ep. 556, 4. 559, 4); besonders untersttitzte Datierung der beiden Reden durch Foerster 

er arme Schiiler des Libanios (ep. 550, 1. 552, 12). (Ill 425. 450) auf das J. 388 richtig ist, so ist 

Br war selbst redegewandt (ep. 557, 4. 559, 4) hier tatig gewesen: 

und lieB auch seinen Sohn von Libanios unter- 2) L., ebenfalls aus Antiochia, ein Sohn des 
richten (ep. 445). Die Beschaftigung mit den 60 Kynegios (ep. 1265, 4) und Neife des Vorher- 

(Jffentlichen Angelegenheiten, die er bereits auf- gehenden. Auch er besaB groBen Reichtum 

gegeben hatte, nahm er nach der Niederlassung (ep. 877) und nahm an der Verwaltung der Stadt 

des Libanios in Antiochia wieder auf, urn diesen regen Anteil; or. XXXI 47 = III 146, 10 F. 

wirksamer unterstiitzen zu kCnnen (ep. 552, 10). (der Anfang der Rede und das ndlai in § 8 ma- 

Yorher war er schon einmal in Konstantinopel chen es unwahrscheinlich, daB die Rede schon 

gewesen, um bei Constantius zu erwirken, daB 355, also unmittelbar nach des Libanios Ankunft 

er die olympischen Spiele — wohl die des J. 356 in Antiochia, gehalten wurde; Si. 190, 68). Von 

— in Antiochia mit ausrichten diirfe (ep. 552, Libanios wurde er dem Statthalter Ikarios zum 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 8 



227 Lex Papia Poppaea Lex Papia Poppaea 228 

Bau einer Brticke vorgeschlagen, aber abgelehnt; fragment (Pap. Oxy. XVII 2089) gehort viel- 

or. XXVII 3 = III 24, 15 F. Si. 166, 94. Im leicht zu dem Kommentar eines unbekannten 

J. 388 veranstaltete er fur seinen Sohn die olym- Juristen (Levy Ztschr. Sav.-Stift. XLVIII 554f.). 

pischen Spiele in Antiochia (nicht fiir 372 oder Wenn man auch den Rekonstruktionen des Tex- 

376. Si. 282); ep. 843, 3. 1017, 3; nach dem tes der LP. P. eb^nso wie denen des Gothofredus, 

letzten Brief war er damals bereits uioXiog. Heineccius, Ramos del Monzano mit Recht miB- 

3) L., ein Armenier, wie sich aus ep. 285 traut (Jors Verhaltnis Iff.), so zeigt doch eine 
(Sil. 48) ergibt. An itm ist ep. 104 (aus dem Untersuchung der juristisehen Kommentare, daB 
J. 359/360. Sil. 43f.) gerichtet. im allgemeinen der erste Teil dieser Schriften 

4) L., dessen Neffe, der einzige Sohn einer 10 von den Bestimmungen der lex lulia, der zweite 
Witwe, ebenfalls Armenier. Er war Schiiler des von den Vorschriften der 1. P. P. handelte (F e r - 
Libanios in den J. 359 und 360 (Sil. 57 gegen rini 237ff. 251ff.), weshalb man einen Versuch 
Se. 198 IV). ep. 104. 285. 294, 1. der DarsteUung des Inhalts der 1. P. P. wohl 

5) Ein in einem militarischen Rang befind- wagen darf. 

licher L., ftir den Libanios eine Bmpfehlung an II. In halt. Ein bedeutender Teil der Ge- 

den Ratsherrn von Elusa (Se. 151) Eutokios setze bezog sieh auf die Eheschliefiung, 

schreibt, ep, 519. das matrimonium secundum legem luliam et 

6) L., Sohn des eonsularis Pamphyliae (S e. Papiam contractum (s. Bd, XIV S. 2268). Die 
155) Paktinianus, ebenfalls Schiiler des Libanios ; 1. P. P. wiederholte nur diejenigen Bestimmun- 
ep. 1011—1013 (aus dem J. 391). 20 gen der lex lulia, die eine Heirat zwischen Sena- 

7) L., ein Einwohner von Tyana, auf dessen toren und Freigelassenen, wie zwischen ingenui 
Veranlassung hin Palladios aus Tyana dem Li- und infames verboten (Ulp. Reg. XVI 2; Dig. 
banios im J. 391 seine zwei Sohne zur Aus- XXIII 2, 23). Das friihere Statut wurde jedoch 
bildung schickt; ep. 1014. 1015. durch das zweite insoweit aufgehoben, als es die 

8) Ein L. wird endlich noch erwahnt ep. 897, Altersgrenzen, innerhalb derer die Ehe geschlos- 
5 (aus dem J. 388). [Ernst Wiist.] sen werden durfte, auf 25 — 60 Jahre ftir Manner 

S. 2261, 51 zum Art. Leuke Akte: und auf 20—50 Jahre flir Frauen festsetzte (Ulp. 

3) Vorgebirge im siidlichen Euboia nahe Reg. XVI 1); weitere Anderungen der Alters- 

Karystos, Strab. IX 399. Nach Bursian Geogr. grenzen beruhen auf spateren senatus consulta 

Griech. II 432 das jetzige Vorgebirge Paximadi 30 (so Gnomon des Idios Logos, §§ 24ff.). Die 

Ostl. der Petali-Inseln. Danach ware Leuke Akte 1. P. P. verlangerte auch den Zeitraum fiir eine 

gleich Kalakta Nr. 1 (s. d.) und gleich dem von zweite Heirat auf 2 Jahre fiir Witwen und auf 

Strab. 444 genannten Vorgebirge Petalia. Geyer 18 Monate fiir geschiedene Ehefrauen (Ulp. Reg. 

Topogr. u. Gesch. der Insel Euboia I (1903) 76f. XIV). Auf ihr beruhen nicht: Die dnrch behord- 

112, 1. [v. Geisau.] liche Vermittlung zu gewahrenden Ehebeihilfen, 

Lex Papia Poppaea. die Vorrechte der Verlobten, die Bestimmungen, 

I. Einleitung. Im J. 9 n. Chr. erlieB durch die in Testamenten und eidlichen Ver- 

Augustus die nach den consules suffecti M, Pa- pflichtungen Ehelosigkeit voraussetzende Bedin- 

pius Mutilus und Q. Poppaeus Secundus (Cass. gungen fiir nichtig erklart werden konnten. All 

Die LVI 10) genannte 1. P. P. Das Gesetz bildete 40 diese Gesetze finden sich namlich in dem Teil 

den Abschlufi der Politik des Augustus, durch der Juristenkommentare, der sich auf die lex 

Heirats- und Kinderpramien die oberen Schichten lulia bezieht. Man hat friiher geglaubt, daB Au- 

der romisch-italischen Rasse zu heben und den gustus das Konkubinat in der lex lulia aner- 

moralischen Verfall des Zeitalters zu hemmen. kannte und es in veranderter Form in der 

Es begann dieser Versuch mit der lex lulia de 1. P. P. von neuem bestatigte (Dig. XXV 7, 3, s. 

maritandis ordinibus aus dem J. 18 v. Chr. (s. Bd. IV S. 837. Jors Verhaltnis 17), wahrend 

Bd. XII S. 23631), er wurde fortgesetzt durch ein Cast ell i (Scr. guir., Mil 1923, 143fE.) jetzt 

scharferes Gesetz des J. 4 n. Chr. (Suet. Aug. 34). behauptet; die Gesetzgebung der klassischen Zeit 

Nach einer vaeatio von drei plus zwei Jahren er- habe diese Einrichtung nie anerkannt. (Dafiir: 
scheint dies letzte Gesetz — verandert durch 50 Per ozzi Ist. d. dir. rom.2, Rom 1928. I 375; 

Mafinahmen, die teils die Strafen mildert^n, teils dagegen: Stella Maranca BuU. d. Ist. d. 

die Belohnungen erhohten — als 1. P. P. (Jors dir. rom. XXXV 37, 1). Man hat gesagt, dafi die 

Ehegesetze 49ff. Levy Hergang 50ff.). Die Juri- 1. P. P. die Auszahlung des Gewinns, der sich 

sten nannten die gesamte Ehegesetzgebung ein- aus der Freila^sung eines zur Mitgift gehorigen 

heitlich lex lulia et Papia Poppaea, -fiiwalte iind Sklaven ergab, im Falle der Seheidung verfiigte 

Laien auch nur leges (Jors Verhaltnis 56ff., (Jors Verhaltnis 19), und daB sie die Bestim- 

63ff.), jedoch blieben die einzelnen Telle geson- mungen iiber die Seheidung einer Freigelassenen 

dert (Jors Verhaltnis 8. Rein Priv.-R. d. ohne Zustimmung ihres Patrons (Jors Ehe- 

Romer, Lpz. 1858, 462,3 [463]). gesetze 40ff. Levy Hergang 51) mindestens 

Kommentare zu der lex lulia et Papia Pop- 60 erwahnte, aber die Bezugnahme auf diese beiden 

paea wurden verfaBt von Gains (15 Biicher), Te- MaBnahmen iindet sich in dem der lex lulia ge- 

rentius Clemens (20 Biicher), Mauricianus (6Bii- widmeten Telle der Juristenkommentare (Dig. 

Cher), Marcellus (6 Biicher), Paulus (10 Biicher) XXIV 3, 63—64. XXIV 2, 11. Levy Hergang 

und Ulpianus (20 Biicher), wahrend sie im pars 137ff.). 

posterior der Digesten, in den Quaestiones und Diejenigen, die die Ehe gemaB der lex lulia 

Responsa zahlreicher Juristen (vgl. L e n e 1 Pa- et Papia Poppaea schlossen, erhielten P r a - 

lingen. iur. civ.,, Lpz. 1889, II 1255) und in mien, wahrend Recht sun fahigkeit denen 

anderen Werken besprochen wurde; ein Papyrus- drohte, die ehelos blieben oder ihre Vorschriften 



229 Lex Papia Poppaea Lex Papia Poppaea 230 

nur teilwoise erfiillten. Auf Gebieten des offent- sog. /ea; ciecman'a (Ulp. Reg. XV, XVI; s. Art. Ca- 

lichen Rechts wnrden Belohnungen in der Haupt- paci ta s Bd. IE S. 1503), da6 Ehegatten ohne 

eache durch die lex lulia gewahrt, sie sind je- Kinder sich nur znm Teil testamentarisch be- 

doch moglicherweise durch die 1. P. P. von neuem erben konnten. Mit Ausnahme von Verwandten 

bestatigt worden (das ius trium liberorum [s. mtitterlioherseits bis zum sechsten Grade oder 

Bd. X S. 1281] ftir die Vestalinnen, Cass. Die bei Verlust eines Kindes, das die Reife erlangt 

LVI 10), Befreiung von munera fiir Familien hatte, und in anderen Fallen konnten die Gatten 

mit drei (in Rom), vier (in Italien) oder fdnf nur ein Zehntel plus dem Niefibrauch eines Drit- 

(in den Provinzen) Kindem war hochstwahr- tels voneinander erben. Ein Zehntel wurde 

scheinlich durch die lex lulia et Papia Poppaea 10 jedem lebenden Kinde gewahrt, ein Zehntel dem 

zu erreichen, durch welches der beiden Gesetze noch lebenden Kinde aus anderer Ehe. J o r s 

aber im einzelnen, bleibt ungewiB (J 6 r s Ver- (Verhaltnis 35ff.) wollte diese Bestimmung durch- 

haltnis 23S.). iSicher ist, da6 die 1. P. P. eine aus der 1. P. P. zuerkennen, indem er sie fur 

Freigelassene mit vier Kindem von der tutela eine Pramie erklarte, weil auf Grund der lex 

ihres Patrons befreite (Gai. Inst. Ill 44. Ulp. Voconia einer Frau die testamenti factio passiva 

Reg. XXIX 3). Auf dem Gebiete des Patronats- versagt war (vgl. Hartmann Ztschr. f. R.- 

rechts ist die Befreiung einer freigelassenen Per- Gesch. V 229ff. C o r b e 1 1 Rom. L. of Marr., 

son von der Leistung der operas eine MaBnahme Oxf. 1930, 118f.). Ein neulich veroffentlichtes 

der lex lulia, die pratorische bonorum possessio, juristisches Fragment (Levy Ztschr. Sav.-Stift. 

die dem Patron bei der Beerbung eines Freige- 20 XL VIII 549ff.) behandelt die deeima der Frau 

lassenen mit 100 000 Sesterzen und weniger als allein im Hinblick auf ihre Zurechnung zu der 

drei Sohnen gewahrt wurde, eine Bestimmung dos oder auf Bestimmungen im Testament und 

der 1. P. P. (Gai. Inst. Ill 42ff.). Patronae und gibt so der Ansieht Jors' einige Beweiskraft. 

liberi patroni batten die gleichen Rechte zu Ein Abschnitt des Gnomon des Idios Logos 

solcher patronalen Erbfolge (vgl. im allgemeinen (§ 31), den Seckel-Meyer (S.-Ber. Akad. 

Leist Rom. Patronatrecht, II §§ 172—174). Berl. 1928, XXVI 4391) auf die 1. P. P. be- 

iSehr weitgehend wurde das Erbrecht von ziehen, handelt von der Rechtsunf ahigkeit des 
der lex lulia et Papia Poppaea beeinflufit (J o r s Gatten, mehr als ein Zehntel zu erhalten. F e r - 
Verhaltnis 28ff.). Die lex lulia bestimmte, daB rini (Opere II 245ff. 2541) meint, die Ehe- 
ein caelebs (ein nicht secundum legem 1, et P. 30 gatten erwiirben entweder die libera testamenti 
Verheirateter, s. Bd. Ill S. 1253), abgesehen von factio, wenn sie Kinder in die Welt gesetzt hat- 
einigen unten vermerkten Ausnahmen, weder ten, oder die solidi capacitas aus Verwandtschafts- 
Erbe noch sonstiger VermachtnisnutznieBer sein griinden, und zwar sei beides, wie die Juristen 
konnte, das Gesetz vom J. 4 n. Chr. versetzte den zeigten, in der lex lulia behandelt gewesen. 
orbus (den verheirateten Mann ohne ein legitimes Im FaUe Vermachtnisnehmer oder Legat inner- 
Kind, orba: verheiratete Frau ohne die erforder- halb des Datums des Testaments und des Todes 
liehe Kinderzahl, vgl. Buckland Text Book des Erblassers (in causa caduci, Vgl. Buckland 
of Rom L.2, Camb. 1932, 293, 3) in ahnliche Text Book of Rom. L.2, 319, 7) oder innerhalb 
Lage (J 6 r s Ehegesetze 55ff. F e r r e r o Augusto des Todesdatums des Erblassers und der Testa- 
e il grande impero 320), wahrend die 1. P. P. 40 mentsoffnung (caducum) nicht mehr vorhanden 
das alte Gesetz nicht in vollem Umfange besta- waren, bestimmte die 1. P. P. eine vollig neue 
tigte, sondern dem orbus gestattete, die Halfte Erbfolge fur diese hinfaUigen Vermachtnisse 
des Erbes zu erhalten (Gai. Inst. II 286 a). Ver- (caduca) aus Unzulanglichkeit. (Hier pflegte man 
wandte mutterlicherseits bis zum sechsten Grade den dies cedens legati auf das Datum der Testa- 
und offenkundige af fines waren von diesem ca- mentsoffnung zu verlegen [Ulp. Reg. XXIV 31, 
ducum aus Rechtsunfahigkeit ausgenommen (s. vgl. jedoch S o m m e r Ztschr. Sav.-Stift. XXXIV 
Bona caduca Bd. Ill S. 6851) und konn- 399].) Nach dem System der LP. P. lag die ea- 
ten so nach dem ius antiquum (solidi capacitas ; ducorum vindicatio fiir hinfaUige Vermachtnisse 
Vat. Fragm. 216 — 219) Erben werden. Jors den Wedes ^aires ob, d. h. verheiratete Manner, 
(Verhaltnis 31) meint, diese Bestimmung gehore 50 die Kinder batten, bestimmten im Testament die 
teilweise der 1. P. P. an, die Stellen in den Kom- Erben, in Ermanglung dieser den legatarii patres 
mentaren finden sich aber nur in dem auf die lex und schlieBlich auch dem aerarium (Gai. Inst. 11 
lulia bezugliehen Teile (Ferrini 238. 245. 206— 208. Ulp. B^g, I 21). Nur Verwandte in 
252). Ein neulich veroffentlichtes Diptychon aus aufsteigender Linie und Nachkommen bis zum 
Agypten (hrsg. von Sanders Amer. Journ. of dritten Grade durften das ius antiquum in An- 
Arch. XXXII 309ff.) beweist, daB auf Grund der spruch nehmen, selbst wenn sie keine Kinder 
lex Aelia und 1. P. P. spurios spuriasve nicht in batten (Ulp. Reg. XVIII 1), und den heredes 
das Geburtsregister (professio liberorum) einge- ' patres ging dann ein collegatarius coniunctus (vgl. 
tragen werden konnten, was Weiss (Ztschr. Vangerow, Lehr. d. Pand.', II § 496) voraus. 
Sav.-Stif t. XLIX 260ff., vgl. Heineccius Ad 60 Die 1. P. P. ging welter und gewahrte caducorum 
1. J. & P., Amst. 1726, 213) zu der vorsichtigen riw^^fcafio in FaUen von cadwca aus Rechtsunf ahig- 
Behauptung veranlaBt, es stehe dies im Einklang keit (Gai. Inst. II 286 a. Fr. de iure fisci 3). Das 
mit dem ius liberorum, das in der lex lulia, nicht hinf allige Vermachtnis eines NieBbrauchs wurde 
in der 1. P. P., enthalten sei. Cuq (M6l Four- durch die 1. P. P. (Perozzi Ist.2 II 695) nicht 
nier, Paris 1929, 125) zeigt, daB uneheliche beriihrt, und dies mag der Gegenstand des ersten 
Kinder unter das ius liberorum fallen (s. S p u - Teils des oben erwahnten Fragments gewesen 
rius Bd. Ill A S. 1890). sein (Pap. Oxy. XVII 2089. Levy Ztschr. Sav.- 

Augustus' Gesetzgebung bestimmte durch die Stift. XLVIII 5531). 



231 Lex Puteolana parieti faciendo ACd^ivog nvgyog 232 

Eine Bestimmung, durch welche An g e b e r n ganglich); weitere Verweisungen in Rotondi 

(delatores s. o. Bd. IV S. 2427f.), die dem prae- Leges publ. pop. Rom., Mil. 1912, 461f., und 

fectus aerarii die Rechtsunfahigkeit einer im Te- Scr. giur., I 430 (wo man die Verweisungen auf 

stament genannten Person anzeigten (Tac. ann. R a d i n und Husband streiche [1. P. von 

III 28. Suet. Nero 10), eine Pramie gewahrt 65 v. Chr.]). [A. Arthur Schiller.] 

wurde, ebenso wie Gesetze, die moralisch Lex Puteolana parieti faciendo. Unter 

Unwiirdigen (ereptoria) Erbschaften und diesem Namen ist eine Inschrift aus dem J. 105 

Legate entzogen, waren in der 1. P. P. en thai ten. v. Chr. bekannt, die 1537 zu Pozzuoli gefunden 

Die letzteren richteten sich besonders gegen Ver- wurde und heute im Museo Nazionale in Neapel 

suehe, die Gesetze zu umgehen {in fraudem legis 10 aufbewahrt wird (GIL I 2^, 698 = X 1, 1781 = 

agere), ob es aber irgendwelche Verftigungen B r u n s Font.'^ 374). Sie ist bedeutungsvoU ein- 

gab, die eine teilweise betrtigerisehe Tatigkeit mal ftir die antike Baugeschichte, weil sie mit 

wie z. Bi. das Hdeicommissum taciturn ahndeten, groBer Sorgfalt die antiken Anschauungen tiber 

ist unsicher. (Pfaff Lehre v. sog. in fraudem die Erfordernisse eines soliden Mauerbaues wie- 

legis agere, Wien 1892, 62ff. Rotondi Gli atti dergibt, s. Wiegand. Ferner ist sie auch als 

in frode alia legge, Tur. 1911, 62ff. Partsch Reehtsurkunde ein einzigartiges Dokument. Die 

Ztschr. Sav.-Stift. XLII 25 Iff.) Gemeinde Puteoli bestimmt in ihr, unter welchen 

III. Abschaffung. Hiermit sei der tJber- Bodingungen sie die Auf fiihrung einer Wand- 

blick tiber die hauptsachliehsten Bestimmungen mauer verdungen babe. Es handelt sich also nicht 

der 1. P. P. abgeschlossen. Es bleibt nur mehr 20 um eine lex im Sinne eines Volksgesetzes, son- 

tibrig festzustellen, dafi mit der Annahme der dern, um mit M o m m s e n (bei B r u n s) zu 

christlichen Religion die Strafen fiir Ehe- und sprechen, um eine '^lex dicta, um Vertragsinhalt, 

Kinderlosigkeit abgeschafft wurden (Cod. Theod. den die Gemeinde bei der Vergebung der offent- 

VIII 16, 1: 320 n. Chr.), die lex decimaria wurde lichen Arbeit dem Unternehmer auferlegte. In 

aufgehoben und das ius /i&eromm unter Honorius Z. Ill 17 ist sodann die Annahme der Bedingun- 

und Theodosdus (Cod. Theod. VIII 17, 2 — 3: gen durch den Unternehmer C. Blossius Q. wie- 

410 n. Chr.) alien gewahrt, wogegen lustinian dergegeben, wobei besonders bemerkenswert ist, 

die patronale Erfolge (Cod. lust. VI 4, 4: 531 n. daB er sich selbst als praes fur seine Unterneh- 

Chr.) und die caducorum vindicatio aus Unzu- merpflichten bezeichnet. Die Urkunde ist also in 

langlichkeit von neuem zur Geltung brachte (Cod. 30 der Entwicklungszeit zur allgemeinen Haftung 

lust. VI 51 : 534 n. Chr.). des Schuldners hin entstanden, in der man es 

Literatur: Jors tJber d. Verhaltnis d. noch fur notig fand, diese Haftung ausdriicklich 

lex lulia de mar. ord. zur 1. P. P., Bonn 1882. zum Vertragsinhalt zu machen. Literatur: W i e- 

Jors Ehegesetze d. Aug., Festg. Mommsen, gand Jahrb. f. Philol. Suppl. XX 661. v. Be- 
Marb. 1 893, 1—65. Bouch4-Leclercq seler Ztschr. Sav.-Stift. XLV 429. C o r n i 1 



Rev. Hist. LVII 241ff. Ferrini Opere, Mil. Ancient droit remain, Bruxelles 1930, 87. Krii- 
1929, II 237ff. 251ff. Levy Hergang der rom. ger Gesch. der Quellen des rom. Rechts 83. 
Ehescheidung, Weim. 1925, 48ff. 137ff. Levy Lenel Ztschr. Sav.-Stift. XXHI 98. Momm- 
Ztschr. Sav.-Stift. XLVIH 549H. Meyer Kul- sen Ztschr. Sav.-Stift. XXHI 438. Wen ger 
turgesch. Stud. u. Skizzen, 1929, 203ff. (unzu- 40 ebd. XXHI 179, 1. [Erwin Seidl.] 



Zum dreizehnten Bande. 

Linguarum, eine Insel im Adriatischen VII 1 Leusinio und im Itdn. Ant. 338 Leusinium 

Meere, die nur bei Mela H 114 genannt wird. genannten Station (vgl. Bd. XII S. 2313) und 

Aus einer Angabe In Hadria Apsoros, Dyscelados glaubt, eine Stutze fur seine Ansicht durch Ver- 
(vgl. Bd. HI S. 1867 Art. Celadussae), il6-50gleich der Angabe der Entfernung Leusiniums 

syrtos (jetzt Ossero, vgl. Bd. II S. 284), hsa (jetzt bzw. dieses Kastells von Salonae zu finden; nach 

Lissa, Suppl.-Bd. V S. 346ff.), Titana, Hydria, der Inschrift betragt sie 156, nach der Tab. Pent. 

Electrides (Bd. V S. 2314), nigra Corcyra (jetzt 157 romische Meilen; doch sein Identifizierungs- 

Kurzola, vgl. Bd. IV S. 1219), Linguarum, Dio- versuch beruht auf der irrtiimlichen Annahme, 

media, Aestria (bei Brundisium, vgl. Bd. I S. 692), die Daesitiatesn in dem Kiistenabschnitte bei 

Asine laBt sich ihre Lage nicht ermitteln und da- Ragusa zu suchen, der Wohnbereich der Pleraeer 

mit ist auch die Moglichkeit, sie zu identifizieren, war (S wo bod a Octavian und lUyricum 31), 

genommen. [Max Fluss.] wahrend ®ie in Wirklichkeit im Binnenlande an 

LIR///. Mit diesen Buchstaben, die sich nach der oberen Bosna ostlieh bis zur Drina siedelten 

einer Lesung H i r s c h f el d s auf der verstiim- 60 (Bd. V S. 1983). [Max Fluss.] 

melten StraBenbauinschrift CIL HI 3201 = 10159 Ai'd'ivog jcvQyog Ptolem. geogr. I 11, 4. 6; 

Dess. 5829a finden, hat der Name eines Ka- 13, 1. 3. 9. 10 und 6 o<aXovfiBvog A. 71. VI 13, 2, 

stells der Daesitiaten angelautet (vgl. iiber die hier mit den Ortspositionen 143° Lange und 35** 

anderen Lesungen Art. HE 1 1 1 o. S. 104). v. Breite; Ammian. Marc. XXHI 16, 60 vicus, quern 

Domaszewski Westd. Ztschr. XXI 172 Lithinon pyrgon appellant (geht irgendwie auf 

nimmt auf Grund der anderen Lesungen dieser Ptolemaios zuriick), gelegen im Lande der Saker, 

Inschrift Leu[sinium] als Nameh des Ortes an; anscheinend eine wichtige und entscheidende Sta- 

er identifiziert ihn mit der auf der Tab. Pent. tion der langen tJberlandstrafie nach China, deren 



233 Aoi^daiov Lusomana 234 

tibliche Bezeichnung als Seidenstrafie ftir Augusts ist und bei der Weinspende Verwendung fand 

Oder Traians Zeiten Berthelot 156 unniitzer- (Athen. XI 486a. Poll. X 65). [F. v. Lorentz.] 

weise bestreitet; Berthelot spottet sogar liber Aohqihol a'c^ara nannte man nach Athen. 

,un veritable roman de la Tour de Pierre*, einen XV 697 b fiotxt^d; davon hatte Klearch ge- 

internationalen Markt, auf dem sich okzidentale haiidelt (FHG II 316), der sie mit den Liedern 

und orientale Handler auf der ,Seidenstra6e* be- der Sappho und des Anakreon verglich. Das 

gegneten. Ptolemaios setzt, abweichend von seiner einzige erhaltene Stiick ist die Aufforderung 

sonstigen, nur auf das Statistische gerichteten einer Frau an ihren Liebhaber, sie bei Tages- 

Wortkargheit seiner Ortslisten, hinzu: oQfirjri^- anbruch zu verlassen, damit der Gatte sie nicht 

^tov Tcov slg rrjv S^Qav s/lijtoqsvo/lisvcov, und die 10 iiberrasche (carm. pop. 27 B. 43 D.). Die vier 

zugehorige Karte wiederholt diesen Zusatz und Verse hielt man frtiher fiir ionisch (v. W i 1 a - 

illustriert ihn wohl auch. mowitz Ind. Getting. 1889/90, 22), wahrend 

Die Lage des A, jt. hat man seit Rawlin- v. Wilamowitz Gr. Verskunst 344 sie fiir 

son meist bei Tasch-Kurgan vermutet. Unter- Trochaen und lamben (mit gewissen Freiheiten) 

einander weiehen die Skizzen bei Herrmann erklart. Am Dialekt ist nichts lokrisch. Poll. IV 

Bd. IAS. 1791 (Die Oekumene nach Marinus 65 weiB etwas davon, dafi Philoxenos eine lok- 

von Tyrus Taf. 2 Erg.-H. 209 von Petermanns rische Harmonie erfunden habe; danach und nach 

Mitteilungen) und Honigmann Bd. XIV dem Ton des Fragments scheint es, als ob sich 

S. 1785 voneinander ab. Vgl. auch, um nur schon friih die Kunstdichtung dieser Gattung 

neueste Untersuchungen zu nennen. Ant. W u r m 20 bemachtigt habe. Sicher lokrisch ist daran weiter 

Rozbor Ptolemaiovy osm6 mapy Asie (tschechisch, nichts als die Vorstellung einer groBen Freiheit 

mit englischem R6sum6, 1926); Wurm Mari- der Frau (o. Bd. XIII S. 1348f.); angebliches 

nus of Tyre (1931) je auf der Ubersiohtskarte. Gesetz des Zaleukos (Diod. XII 21, 1) yvvac^c 

Reicheres Kartenmaterial bei Berthelot. Sache ehv&sQq, . . . fA,rj8e i^isvai vvmog sk rfjg uioXscog el 

und Namen scheint Ptolemaios lediglich aus Ma- ^tt^ f^oixsvof^svrjv. Ob noch mehr, vermogen wir 

rinus von Tyrus erfahren zu haben, dieser durch nicht zu sagen. [W. KrolL] 

die Reisenotizen des Mdrjg 6 xal Tixiavog (s. d.), Aondg (Xojiddiov, Xo7ta8io>eog). Ein Kiichen- 

und Ptolemaios hat sicherlich keine Gel^enheit gefafi, dessen Form sich nicht mit Sicherheit fest- 

wahrgenommen, den Bericht des Maes zu tiber- stellen laBt. Suidas (s. v.) identifiziert die L. mit 

priifen. Es ist ubrigens von Neueren darauf hin- 30 der x^t^Qgl und sagt weiter, dafi bei den Syraku- 

gewiesen worden, daB die Bezeichnung A, tt. sanern die Bratpfannen so genannt worden seien, 

zu wenig individuell gehalten sei. Die Berech- dafi dagegen Theopomp und andere einen Behal- 

tigung dieser Ansicht wird durch Blattern in iUu- ter fiir die Gebeine eines Verstorbenen darunter 

strierten Reisewerken aus diesen Gegenden leicht verstanden batten. Hieraus und aus den Nach- 

dargetan, z. B. bei Aurel Stoin On Alexanders richten, daB die L. hauptsachlich dazu diente, 

track to the Indians (1929). Man vergesse auch Fische zu kochen (Plut. mor. 182 F. Poll. VI 51), 

nicht, daB alle anderen oben aus Ptolemaios an- konnte sich ergeben, daB sie von langlicher Form 

gefiihrten Zitate bloB dieselbe Tatsache derselben gewesen sei. Daneben verwandte man sie jedoch 

Erwahnung nach Maes betreffen und daB das auch zur Bereitung der Zukost (Schol. Aristoph. 

letzte Zitat mit den (durch Ptolemaios aus Marinus 40 Vesp. 968), zum Schmoren (Aristoph. Vesp. 511) 

umgereehneten) Ortspositionen in seiner sonst viel- und zum Gemtisekochen (Plut. mor. 125 F). Das 

leicht wunderlichenEinkleidung(dp^aA.) nach ptole- Einzige, was wir iiber die Form der L. erfahren, 

maischem Sprachgebrauche nicht auf einen Indi- ist, daB sie flach war (Poll. VI 90). Alle iibrigen 

vidualnamen hinzuweisen braucht, sondern (vgl. Erwahnungen lassen nur erkennen, daB es sich 

N b b e s Index s. ?(ahlv) ohne weiteres mit 6 um ein Ktichengef aB handelt (Poll. VI 88. X 95. 

siQYifjievog (Nobbe s.eiQrjzai) identisch seinkann. 122. Athen. I 5 c. IV 132f. 169f. VIII 343 b. 

Literatur. E. H. Bunbury History of an- Aristoph. Equ. 1034), oder aber sie lassen gar 

cient geography (1879), Index Bd. II 738 s. Stone keinen Schlufi zu (Aristoph. Plut. 812. Anth. Pal. 

Tower. H. B e r g e r Gesch. der wissensch. Erdk. XII 44). Aus Pollux (X 106) scheint sich zu or- 
der Griechen (1903) 602f. u. 623. A. Berthe- 50geben, daB das lojidbiov nicht nur kleiner, als 

lot L'Asie centrale et sud-orientale d'apres Pto- die L. war, sondern auch von anderer Form, 

lem^e (1930) 146—156. [F. v. Lorentz.] 

[Wilhelm Kubitsehek.] Lusomana (so Tab. Pent. V 4. Lumano 

Aoipdaiov {Xoipsiovj loi^ig). Wie aus dem Zu- Geogr. Rav. IV 20 S, 220, 9), StraBenstation in 

sammenhang mit Xei§(o und der tlberlieferung her- Pannonia inferior (nach d. G^ogr. Rav. in Vale- 

vorgeht, wurden GefaBe dieses Namens bei der ria) auf der StraBe Brigantio-Aquincum, 13 Mei- 

Libation verwandt. Sie hatten die Form einer len von Gardellaca, 12 vonAquincum. Pichler 

HvXiS und wurden zuweilen aus edlen Metallen Austria Rom. 161 identifiziert es mit dem heutigen 

hergestellt (Plut. Marc. 2. Athen. IX 408 d). Aoi- Bihaly oder Teteny in der Nahe von Budapest, 

pdaiov und Xoi^slov dienten zur Olspende, wah- 60 M i 1 1 e r Itin. Rom. 428 mit dem in der Nahe 

rend Xoi^lg ein anderer Name fiir das otiovSsJov von Szanta gelegenen Bicse. [Max Fluss.] 



235 Macedonica Maginensis 236 



Zum vierzehnten Bande. 

Macedonica wird nur beim Geogr. Rav. IV wie wir sehen, dem Ptolemaios urn die Festlegung 

7 S. 188, 7 Find, als ein Ort in Moesia inferior des^/i^ii^o^^rv^yos' (s.d.), biszudemdieKarawane 

trans fluvium Danubium zwisehen Optatiana und des M. vorgedrungien war. Aber Ptolemaios traut 

Napoca angefiihrt. Pinder-Parthey und nicht den Aufzeichnungen (loxoQlai) von Handlern 

im Anschlusse an sie M tiller Ptolem. I 446 und fuhrt als warnendes Beispiel (augenschein- 

imlten es nichfc fur ausgeschlossen, dafi das Wort lich auch dies nach Marinus) die Behauptung Phi- 

M. in der Vorlage des Geogr. Eav. neben Opta- lemons an, der T.ovsQvla (Irland) von Osten nach 

tiana, in der die Legio V Macedonica lag (vgl. Westen 20 Tagereisen sich erstrecken lieBe. Kauf- 

die Weiheinschrift GIL III 892 Potaissa l{ovi) leute hatt^n, das scheint allgemeine "Dberzeugung 
olptimo) m(aximo) et diis deabusque et genio 10 antiker Geographen zu sein, kein Interesse an 

loci, welcbe Optatus praef(ectus) leg(ionis) V wahrer geographischer Erforschung, sie batten 

M(acedomcae) c(onstantis?) gesetzt hat), gestan- auch immer nur ihre Geschafte im Kopf und 

den und von ihm irrtumlich als Ortsname aufge- seien, sehon um die Entfernung in der Preis- 

faBt worden sei; auch die Tab. Pent. VIII 2/3 erstellung zu verwerten, von vornherein geneigt, 

kennt zwisehen Optatiana und Napoca keinen aus Prahlsucht (dc^ dXaCovslav) auch die Lange 

Ort. Pichler Austria Rom. 162 halt M. fur ihrer Geschaftsreisen zu ubertreiben. Aus diesen 

eins mit dem bei Ptolem. Ill 8, 4 genaninten Bedenken heraus habe schon Marinus Bedenken 

MaQxodava (vgl. Bd. XIV S. 1608), meines Er- getragen, die Reise vom Steinernen Turm nach 

achtens aber nicht mit Recht. [Max Fluss.] Sera, der Hauptstadt (/birjtQOJioXig) der 2fjQai, 

Maes qui et Titianus, Kaufmann im Handel 02 7 Monate oder 36 200 Stadien wahren zu lassen, 
mit China oder viehnehr im Verkehr mit desisen obwohl zum Teil auch heftige Sturme (xei/^coveg) 
Karawanen. Er ist uns bloB durch eine einzdge Verlangsamung (dvoxdg) der Expedition verur- 
Erwahnung in Ptolem. geogr. I 11, 7 bekannt, sacht haben mogen. Es scheint, dafi schon Ma- 
die namentlieh von den letzten Bearbeitern der rinus die Distanz aus diesem Grund auf die Halfte 
indo-chinesiscben Handelsgeschichte und der Ost- der Angabe zuruckgefuhrt habe. Ptolemaios hat 
Erstreckung der Oikumene, d. h. des dem Alter- aber auch noch ein weiteres Bedenken gegen 
tum bekannten Erdviertels, unter die Lupe ge- diese Fristlange und will sich daruber wundern, 
nommen worden ist. dafi von den Expeditionsmitgliedern trotz der 

Maes (oder Makes) ist ein semdtischer Name, 7 Monate keine andere Konstatierung vorgenom- 
der selbstverstandlich bei der starken Yb\kei-^0 men woidenisU lotoQlag rivog ^ fivrj/A^i^g rjSicoo'd'ai 
mischung der hellenistischen und kaiserzeitlichen iJLvrnjLYjg-, da Ptolemaios des M. Bericht nicht 
Epoche auch aAiBerhalb der vorzugsweise semi- gelesen hat, steht uns frei, uns Gedanken uber 
tiscben Charakter trageinden Kreise begegnet. solches Bedenken zu maehen. JedenfaUs kurzt 
Auch auf rhodischen Munzen treffen wir ihn (R. nun PtolemaiO'S neuerdings die Entfernung um 
Mtlnsterberg Beamtennamen 127 = Num. mehr als die Halfte, wie seine Positionsangaben 
Ztschr. Wien XLV [1912] 127; aus Brit. Mus. bezeugen, bis auf 18100 Stadien oder 451/4 Lan- 
255). Sein Signum (s. Kubitschek Bd. IIA gengrade. DaB diese Art geographischer Dispo- 
S. 2448ff., mi fuit et signum, zweiter Name) war sition vielleicht einen Notbehelf darstellt, aber 
Titianus. Seine Heiimat hat man nach Tyrus ver- kaum noch auf wissenschaftliche Anerkennung 
legt, bloB um seine allf alligen Beziehungen zu 40 Anspruch erhebeh darf , ist oft genug, so von 
Marinus von Tyrus (vgl. Bd. XIV S. 1767, rich- Berger 623, ausgesprochen worden. — Vgl. 
tige Beleuchtung durch Honigmann) leiehter ubrigens auch Schnabel Entstehungsgesch. 
zu erklaren, und wohl auch weil Tyrus fur den des kartogr. Erdbildes des Klaudios Ptolemaios 
Handelsverkehr mit dem Osten gtinstig gelegen (== S.-Ber. Akad. Berl. 1930) 226. 
schien. Aber viel sicherer wird sich aus dem Literatur. Berger Gesch. der wissen- 
Sprachgebrauch der agyptischen Papyri die Nen- schaftl. Erdk. bei den Griechen^ (1903) 602f. u. 
Tiung loei Vtolemaios Mdi]v rivd rov ?ial Tixiavov^ 623; sowie die bei Kubitschek o. S. 233 
avbQa Manebova (namlich xrlg eniyovTjg), sial bk angefuhrte Literatur. [Wilh. Kubitschek.] 
naxQog €/a,7zoqoVj alexandrinische oder andere Hei- Magaris vicus, nur bekannt aus der Grab- 
mat aus Agypten erschliefien lassen. Marinus 50 inschrift fur Aur ("alius) Ahitus mil(es) eoh(ortis) 
braucht nie mit M. in personliche Verbindung X pr(aetoriae) (GIL X 1754 Puteoli), dessen Ab- 
gelangt zu sein und seine Vermessung des Weges stammung und Heimat mit den Worten nat(ione} 
nach dem fernen Osten nicht anders als durch Bessus natus reg(ionej Serddca vico Magari be- 
Buchhandel, Bibliotheken oder sonstige private zeichnet wird. Daraus ergibt sich die Lage des 
Verbindung erlangt zu haben. Ptolemaios hat das Ortes im Stadtgebiete von Serdica. Vgl. Schul- 
M.-Heft nie in Handen gehabt, wie er sich denn ten Rh. Mus. L 535. [Max Fluss.] 
ausdrucklich auf Marinus als Gewahrsmannberuft: Maginensis. Dem dux Pannoniae primae et 
Mdr}v ydQ qprjol tiva — ovyyQdipaod-ai tr}v dvafiB- Norici ripensis war nach der Not. dign. occ. XXXIV 
tQfjaiv ovd^ avtov eTtsh&ovia di(meiA,%pdiJievov 8e 42 auch der praefeetus classis Arlapensis et Ma- 
rivag (Berger 603: jjedenfalls um den Z'^i- ^^ ginensis unterstellt. In M. miissen wir infolge 
schenhandel zu umgehen*) uiQog zovg 2'fjQag, Es seiner Verbindung mit Arlapensis die adjekti- 
handelt sich gewiB schon dem Marinus und dann, vische Form des Namens eines Ortes in Noricum 



237 Magnes Mambres 238 

erkennen. Becking Not. dign. II 100 will statt Mambres oder lafiPQfjg (s. o. Bd. IX S. 681) 

M. Gomagensis lesen. Mit der bei Steph. Byz. agyptischer Magier, immer mit Jannes (s. o. Bd. IX 

424 ed. Meineke erwafanten Stadt Illyriens Magia 693ff.) zusammen genannt, zwei Zauberer, die 

(Bd. XIV S. 398, 2) haben wir es kaum zu vor Pharao (Exod. 7, 8ff,) wie Moses und Aaron 

tun. [Max Fluss.] Wander taten, aber dabei doch unterlagen, Am- 

S. 459 zum Art. Magnes: brosiaster (Migne L. XVII) 494: Jannes enim 

4) Von einem Mathematiker M. erwahnt Euto- ef Mambres fratres erant magi vel venefiei 

kios (s. d.) im Archimedeskommentar (258, 28 AegypHorum, qui arte magiae suae virtutibus 

Heib.) ein arithmetisches Lehrbuch Aoyionxd, Die dei, quae ^er Moysen agebantur, aemulatione 
Gegner des Archimedes haben nach Eutokios die 10 eommentieia resistere se putabant. Sed cum 

Berechnung des Ereismnfangs (dariiber Hultsch Moysis virtus in operibus cresceret, humiles 

o. Bd. II S. 519) nicht vereinfacht, sondern durch faoti, eonfessi sunt eum dolor e vulnerum deum 

Multiplikation und Division von fiinfstelligen Zah- in Moyse operatum. Ihre Nam en, im A. T. nicht 

len erschwert. Ihre Berechnung setze die Kennt- genannt, kommen in der jiidischen tJberliefermig 

nis der AoyioxiTid voraus. Die Zeit des M. ist nicht in verschiedenen Variationen vor (s. die rabbi- 

naher festzulegen. Vielleicht ist er identisch mit nischen Stellen iiber Jannes und Jambres bei 

dem bei Proklos in Euclid. 67 Friedl. erwahnten Buxtorf Lex. eh aid. talm. et rabbin. Basel 

©svbiog 6 Mdyvrjg, Zu dieser Vermutung wiirde 1639 col. 945 — 947. E. Schiirer Gesch. d. jii- 

stimmen die Angabe des Proklos iiber diesen Theu- dischen Volkes III ^, 402 — 405). Die griechi- 
dios: xal yaQ ra oxoixeia aalm owixaSsv, Da- 20 schen Texte (Euseb. praep. ev. IX 8. Grig. c. 

gegen wiirde die Datierung als Zeitgenossen Pla- Gels. IV 51. 2. Tim. Ill 8. Acta Pilati 5. Mart, 

tons sprechen. fGrinsky.] Petr. et Pauli 34 u. a. bei Schurer) haben zu- 

S. 506 zum Art. Mago Nr. 15: meist lavvfjg ^ai 2a[A§QYjg, ebenso Targ. Jon. zu 

DaB M. eine Hauptautoritat flir Baumzucht Ex. 1, 15. 7, 11. Num. 22, 22. Im Talmud 

und Weinbau war, bemerkt Lundstrom Eran. Menachoth 85a aber: s^-)?373rDn'' (Joehane und 

II 60. tJber das Verhaltnis zu Demokrits Georgika Mamre), im Tanchuma und Sohar: Jowos und 

handelt Wellmann S.-Ber. Berl. Akad. 1921, Jombros. Die lateinischen Schriftsteller (Gesta 

23; seine Annahme, da6 diese Georgika eine Fal- Pil. 5. Cyprian de un. eccl. 16 u. a., s. o. Bd. IX 

schung des Bolos seien, zwingt ihn zu der Hypo- S. 681) wie auch die abendlandiscben Schrift- 
these, dafi Bolos den M. benutzt babe, z. B. Mr 30 steller haben fur den Bibeltext in 2. Tim. Ill 8 

die Erzeugung von Bienen aus Rinderleichen fast durchweg Jannes (oder Janmes) et Mam- 

(o. Bd. Ill S. 434, 48). Das wird der Nachprii- bres. Westcott und Hort nehmen in ihrer 

fung bediirfen. Gargilius (o. Bd. VII S. 760) Ausgabe des N. T. zu 2. Tim. Ill 8, da der Tal- 

nennt 3, 1 (ed. Mai hinter Cic. de rep. 1846) mud die Form ,Mamre' zeigt, an, dafi der west- 

M, et Gelsusj 3, 3 M. et Diophanes, und Letzterer liche Text aus einer palastinischen Quelle ent- 

wird der Vermittler ftir Celsus sein (Well- standen ist. Welcher Name der urspriinglich 

m a n n 25 A. 6). 4, 1 (de castanets) sagt er: richtige war, ob Jambres oder M., ist schwer 

M. breviter ut Poenus et cui peregrinae eiusmodi zu entscheiden; doch sind beide wohl semitischen 

arboris minus nota eultura sit ,eastaneam in Ursprungs (s. St einer in Schenkels Bibellex. 
umido sieut Graecam nucem serito' — das ist 40 III 189. Eiehm WOrterbuch 66 5ff. Grelli in 

wohl Kritik des Celsus (die Stellen auch bei Herzogs Realenz. VI 478ff.). Was die Erklarung 

Marx Ausg. d. Celsus 81). [W. KrolL] des Namens betrifft, s. Riehm und St einer 

Makron, der Maler fast aller der Gefafie, o. Bd. IX S. 681 ; eine andere Erklarung ver- 

die das Topferzeichen der Werkstatt des Hieron sucht Geiger zu geben, namlich von den SOh- 

(vgl. Bd. VIII S. 1516ff.) tragen. Mit seinem nen Jambri und den Bewohnern Jamnias, den 

Namen hat M. nur einen Skyphos des Bostoner Feinden der Makkabaer (1. Mak. 9, 36f.), die aber 

Museums bezeichnet (Liste auf S. 1526 nr. 24); wenig Wahrscheinlichkeit fur sich hat. Nach 

die Merkmale seines personlichen Stils erlauben Levys Vermutung (Chald. WOrterbuch liber die 

jedoch, ihm auch die anderen signierten Arbeiten ^ Targumim [1867] I 337) soil mit Jannes ur- 
der Hieron- Werkstatt zuzuschreiben, mit Aus- 50 spriinglich Johannes der Taufer, mit Jesus, der 

nahme von nr. 25 und 26, Schalen von der Hand ,ApostatS gemeint sein, dem die Juden agyp- 

eines ungenannten Malers, wahrscheinlich seines tische Zauberei vorwarfen. Ihre Zweizahl (Targ. 

Schtilers, den man den ,Telephos-Maler* nennt Jon. zu Ex.1, 15), meint Grelli (Herzog Real- 

(vgl. B e a z 1 e y Att. Vasenmaler d. rotfig. Stils enz. VI 478), ist aus der Zweizahl ihrer Gegner, 

225. H p p i n Attic redfig. vases II 452f.), Moses und Aaron, zu erklaren. Die judische Tra- 

und von nr. 23, einem Kantharos mit nicht voUig dition macht Jannes und M. zu Sohnen des Bi- 

gesicherter Signatur des Hieron, von einem Ma- leam, den sie auch begleiten (Targ. Jon. Nu. 22, 

ler, den B e a z 1 e y nach einer Pyxis der Athener 22). Ferner erzahlt sie von dem Auftreten der 

Vasensammlung den ,Amymone-Maler* genannt beiden als Anstifter beim Befehl Pharaos, die 
hat (319). Durch Zuschreibung von unsignierten 60 israelitischen Knablein zu tOten (Targ. Jon. Pan- 

Vasen ist das Werk des M. sehr angewachsen: hedr. 106 a); sie schreibt ihn en auch die An- 

Beazley (211 — ^221) zahlt 162 Nummern auf. fertigang des goldenen Kalbes zu, als Moses, 

(Zu der in Bd. VIII S. 1523ff. gegebenen Liste dessen Lehrer sie vorher gewesen sein und mit 

sei hier nachgetragen, daB nr. 6 sich heute im dem sie einmal einen witzigen Wortwechsel ge- 

Historischen Museum in Frankfurt a. M. be- habt haben soUen (Menachoth 85 a), ausgezogen 

findet, nr. 10 in Rom, Villa Giulia, nr. 24. im war (Midrasch Tanchuma N^rn^) 115b). DaB 

Bostoner Museum.) Vgl. auch H o p p i n 38 — 93. diese Tradition iiber die beiden Magier eine 

[Hans Nachod.] eigene Schrift gebildet hat, ist uns aus folgen- 



239 Mambres ManicMismus 240 

den Stellen bekannt: a) Orig. in Matth. tract. daher ihre Abfassungszeit schon in vorchristliche 

XXXV 117 (Migne G. XIII 1769C): quod ait, Zeit gesetzt werden kann. — G. Michaelis De 

sieut Jamnes et Mambres restiterunt Moysi, Janne et Jambre famosis Aegyptiorum magis 

non invenitur in publieis seripturis, sed in Hal. 1747. — E. Hofmann Das Leben Jesu 

libro seer eto, qui supraseribitur Jamnes et Mam- nach den Apokrypben 1851. Inselin Ztschr. 

bres liber, b) Decretum Gelasii (ed. Credner f. wiss. Theol. 1894, 321 ff. [Judith Andrde.] 

Zur Geschicbte d. Kanons 220. Preuschen Ana- Mamertini, die Herren von Messana. Mit 

leeta 147ff.)- *^^*^ ^^^^^ qui appellatur Poeniten- diesem Namen (,Sohne — oder Leute? — des 

tia Janne et Mambre apoeryphus, c) DerAmbro- Mars', s. liber das oskiscbe Mamers o. Bd. XIV 
Blaster zu 2. Tim. Ill 8 (Migne L. XVIII 494:10 8 1920) nannten sich die Seldner des Agatho- 

Exemplum hoe de apoeryphis est) berichtet, dafi kles (o. Bd. I S. 756), die nach dessen Tode sich 

,Panlus' ein Werk liber die Bekehrung der beiden mit Gewalt Messanas bemachtigten; das wird 

heidnischen Magier vor sich hatte (s. o. Bd. IX mit (schwerlich verlaBlichen) Einzelhfiten ans- 

S, 695). d) Orig. c. Gels. IV 5 bezieht sich mit den gemalt von Died. XX 1, 2f. S. das Nahere o. Bd. 

Worten: smid'etaL koX zrjv jieqI Mcovoecog xal XV S. 1227. Eine ganz andere Version bietet 

lavvov Hal la^Pgov laroQiav anf die Worte des Fest. s. Mamertini 150, 13 L. aus Alfius (o. Bd. 

Numenios bei Eusep. praep. ev. IX 8 nnd aller I S. 1475, 10). Er fiihrt die Auswanderung 

Wahrscheinlichkeit an eh auf diese Apokryphe. der M. auf ein 'ver sacrum z riick; sie batten 

Nach Freudenthal aber (Alexander Polyh. sich zuerst in der regio Taurieana angesiedelt, 

[1875] 175) soil diese Geschichte aus dem Werke 20 seien dann den bedrangten Messaniern zu Hilfe 

des Hellenisten Artapanus gescbCpft, dieser also gekommen und zum Dank daltir in die Gemeinde 

der Urheber der Legend e sein, was nach Schti- aufgenommen worden. Cichorius, der diese 

rer wegen des semitischen Ursprungs der Namen Sache aufgeklart bat (E(im. Studien 58) macht 

weniger glaubhaft ist. e) M. James hat in auch wahrscheinlich, daB Alfius mit dem Eedner 

neuerer Zeit im Journ. of Theol. Stud. Lond. Alfius Flavus identisch ist, und findet ihn in 

1901 II 572 — 577: A Fragment of the Penitence dem von Ovid ex Ponto IV 16, 23 genannten 

of Jannes and M., ein Fragment der verschol- Dichter wieder quique aeies Libycas Bomana- 

lenen Apokryphe mit zwei lUustrationen, in einer que proelia dixit : er ware also als geborener 

einzigen Hs. erhalten, entdeckt; M. Forster Campaner in einem Epos tiber den punischen 

hat im Archiv f. neuere Sprachen CVIII 15 — 28 30 Krieg fur seine Landsleute eingetreten. Die 

davon einen Abdruck gegeben und ausflihrlich Stadt gilt weiterhin als die der M.; vgl. z. B. 

dieses lateinisch-altenglische Fragment der Apo- Cic. Balb. 52 iudices cum prae se ferrent . . . quid 

kryphe von Jamnes und M. behandelt. Der In- essent ... de M. Gassio Mamertinis repetentibus 

halt dieses Fragmentes ist kurz folgender: M. iudicaturi, Mamertini publiee suscepta causa 

nimmt mit Hilfe der Zauberbiicher seines Bru- destiterunt. Das zeigen auch die Mtinzen (z. T. 

ders Jamnes eine TotenbeschwOrung vor und mit Areskopf) mit der Aufschrift Maf^sQtlvcov 

fuhrt seines Bruders Schattenbild auf die Ober- Head HN2 155 (eine oskiscbe mit fAafxeQtivovf^ 

welt hinauf. Jamnes sagt ihm, daB er voll- bei J. Fried Ian der Die osk. Mtinzen. Leipzig 

kommen gerecht gestorben sei, obwohl er weiser 1850 S. 60 und Tf. VIII), Ziegel mit juaf^eQtivovfA. 

war als alle weisen Ma.gier, und zwar deshalb, 40 (z. B. bei v. PI ant a Gramm. d. osk. umbr. Dial, 

well er den beiden Brtidern, Moses und Aaron, II 492) und die Inschrift des Stenis aus Messana 

zwei Wundertatern (sich in dieser Tatigkeit) bei- mit zcoj^zo Maf^sgnvo = populus Mamertinus 

gesellt babe. M. ni6ge noch zu Lebzeiten sein en (ebd. und etwa bei Buck Elementarbuch 152). 

Sohnen und Freunden Liebes tun, da in der Un- M. kann auch das Ethnikon von Mamertium 

terwelt nur Trauer und Finsternis herrsche; denn sein ; das ist angeblich nach Ores. V 9, 6 eine Stadt 

sowie er gestorben sei, werde er im Totenreich Siciliens (J. 133 im Sklavenkriege von Calpurnius 

eine Wohnung von zwei Ellen Breite und vier Piso erobert): doeh hat man diese Angabe be- 

Ellen Lange haben (vgl. dazu Pallad. hist. Laus. zweifelt (o. Bd. XIV S. 952), jedenfalls aber eine 

XVIII 49, 9f. Butler). Gewisse Kennzeichen des Stadt in Bruttium (ebd.). Auf diese wird man 

Textes, wie auch James bemerkt, zeigen an, da6 50die Festustelle 150, 26 beziehen dtirfen, wie sie 

auch der lateinische Text eine wCrtliche U^ber- Cichorius emendiert hat; danach siedeln sich die 

setzung des griechischen ist. f) AuBerdem haben M. an in ea jmrte Sitae, quae nunc Taurieana 

wir noch zwei Anspielungen auf diese Apokryphe dicitur; dort liegt ja auch Tauriana (s. d.). Die 

in Konig Alfreds Zusatzen zu seiner Orosius- Angabe Strab. VI 254, wonach die TavQiavij xwQa 

Version (I 72, ed. Sweet 78; vgL dazu Coc- bei Thurioi liegt (Cichorius 67), ist fernzu- 

kayne Narrat. Angl. conscript. Lond. 1861, 80) halten. DaB die M. diese Stadt Mamertium ge- 

und in Alfics Homilie De auguriis (ed. Skeat grlindet und von hier aus nach Messana gekom- 

Lives of Saints I 372, 113—117), die uns einen men seien, kann eine bloBe Kombination des Al- 

anderen Teil der Sage mitteilen : die Beihilfe fius sein. DaB ein Bruder des Stesichoros Mamer- 

der beiden Zauberer an dem Zuge der Agypter 60 ties geheiBen habe (Suid.), ist unsicher; die 

durch das Eote Meer, die auch die jtidische Tra- richtige Namensform ist wohl Mamerkos (u. Bd. 

dition kennt. SchlieBlich werden Jamnes und M. Ill A S. 2458). [W. KrolL] 

auch in fruhmittelenglischen Margareten-Leben Manichaismus. 

(ed. Cockayne [1862] 16) zitiert (s. M. FOrster (Abk.: M. = Mani, M.er = Manichaer, M.ismus 

Arch. f. neuer. Sprachen CX 427). S c h ti r e r == Manichaismus.) 

Gesch. d. jtid. Volkes III 403 meint, daB erst Inhalt: 
diese apokryphe Schrift den beiden anonymen 1. Die Quellen. 
Zauberern Name und Gestalt gegeben hat und 2. Lebensdaten des Stifters. 



241 Manichaisinus Manichaismus 242 

3. GrundgedankenundAusgestaltungdes Systems. (2) Unter den Exzerpten ist an erster Stelle 

4. Der Mythus. der M.er-Abschnitt im ,Buche der Scholien* des 

a) Die beiden Prinzipien. Syrers Theodor bar Konai (Ende des 

b) Kampf und Vermischung der beiden Prin- 8. Jhdts. Baumstark Gesch. d. syr. Lit. 218) 
zipien. zu nennen: sein besonderer Wert besteht darin, 

ie) Erschaffung der Welt. da6 er eine Sprache schreibt, die mit der M.s 

d) Der Dritte Gesandte. mindestens aufs engste verwandt ist; daB man 

e) Erschaffung des Menschen. ihn als Zeugen fiir den originalen Wortlaut be- 

f) Jesus und der Novg, trachten darf, zeigt u. a. der Umstand, daB zwei 

g) Erlosung und Verdammnis, Siinde und Siin- 10 Gotternamen, die er tiberliefert, gerade k e i n 
denvergebung. edessenisches Syrisch bieten: Ban rabba ,der 

h) Schicksal der Seele nach dem Tode. GroBe Baumeister' und Sap et %iua ,der Fest- 

i) Weltende und Apokatastasis. halter des Glanzes (SplenditenensY (s. B u r k i 1 1 

5. Gemeindeordnung, Ethik und Kultus. Kel. of the Manich. 28 n. 1). — Vor dem Bekannt- 

6. M.s religionsgesciiichtliche Selbsteinordnung. werden Theodors (1898) konnte der Fihrist 

7. Christologie auBerhalb des Mythus. mit Recht die erste Stelle beanspruchen: Muham- 

8. Zur typologischen Bestimmung des M.ismus. med b. an Nadim (f 995. Brockelmann 

l.Die Quellen (umfassende Ubersicht A 1- Gesch. d. arab. Lit. I 147) hat in seiner Literatur- 

faric Les toitures manich., Paris 1918/19) zer- geschichte (Fi/imi ,Katalog') neben wertvoUen 

fallen in drei Gruppen: (1) Originalschriften in 20 historischen Nachrichten tiber M. und den M.is- 

manichaischer tJberlieferung, (2) Exzerpte aus mus auch umfangreiche Auszuge aus Schriften 

Originalschriften bei nicht-manichaischen Autoren, M.s mitgeteilt; seine Vorlagen gehen auf offizielle, 

(3) referierende Darstellungen, mit Rasonnement fur den Gebrauch arabisch sprechender Gemeinden 

und Polemik versetzt, bei Bestreitern des M.ismus. bestimmte tJbersetzungen aus teils syrischen (s. 

Die Gruppen 2 und 3 gehen ofters ineinander u. S. 260, 65) teils iranischen (s. u. S. 250, 29) 

liber, und zwischen 1 und 2 besteht uberhaupt Texten zuriick. Zum Teil dieselben Vorlagen wie 

kein grundsatzlicher Unterschied. Ein vollig un- an Nadim benutzten Schahrastani (schrieb im 

brauchbares Einteilungsprinzip ware die geogra- J. 1127; ed. Cureton, London 1846) und al- 

phische Herkunft bzw. die Sprache der Texte. Ob- Murtada (1363 — 1437; der betr. Abschnitt bei 

wohl das System in einigen Missionsgebieten nicht 30 K e fi 1 e r Mani, Berl. 1889, 346ff.). — Einen sehr 

nur seine Nomenklatur und Terminologie der wertvoUen aus Exzerpten zusammengestellten Ab- 

herrschenden Religion angepaBt, sondern auch das riB der manichaischen Lehre enthalten die Acta 

eine oder andere Lehrstiick starker betont oder Archelai (erste Halfte des 4. Jhdts.) ; das grie- 

neu aufgenommen hat, so ergibt sich doch immer chische Original dieses Abrisses ist bei Epi- 

deutlicher die wesentliche Einheitlichkeit aUer phanius panar. haer. LXVI 25 — 31 erhalten. 

t)berlieferungszweige von Nordafrika und Agypten (3) Der bedeutendste wenn auch nicht alteste 

bis China. — Ich fiihre nur die allerwichtigsten an: Polemiker istAugustin (354 — 430), der selbst 

(1) Originalschriften sind an zwei weit ausein- neun Jahre lang manichaischer Auditor war. Seine 

ander liegenden Stellen des tlberlieferungsgebiets antimanichaischen Schriften — allein diejenigen, 

ans Ldcht getreten: in Turf an (Chinesisch-Turke- 40 die er von 391—405 in Hippo Regius schrieb, 

Stan) und in Agypten. In den Turfan-Texten sind fiillen einen starken Band des Wiener Corpus — 

drei iranische Dialekte: Persisch, Parthisch, Sog- gehoren nach wie vor zu den wichtigsten Quellen 

disch, — ferner das Ttirkische (Uigurische) und des M.ismus. — Von griechisch schreibenden 

das Chinesische vertreten. Hervorzuheben sind Schriftstellern sind zunachst der Neuplatoniker 

persische Bruchstiicke von M.s Schapurakan Alexander von Lycopolis (um 300?) und der 

(M ii 1 1 e r Hss.-Reste in Estrangelo-Schrift II Bischof Titus von Bostra (f um 370) zu nennen: 

Abh. Akad. Berl. 1904); eine persische, moglicher- von der Schrift des letzteren ist aber ungefahr 

weise zum Schapurakan gehorige ausfiihrliche ein Drittel nur in einer syrischen Ubersetzung er- 

Darstellung der Kosmogonie (Andreas-Hen- halten. — Der im 6. Jhdt. schreibende Aristoteles- 

ning Mitteliran. Manichaica I, S.-Ber. Akad. 50 und Epiktet-Kommentator Simplicius (s. 

Berl. 1932, X); ein tiirkischer ,Beichtspieger fiir P r a e c h t e r o. Bd. V A S. 204ff., bes. 209, 24ff.) 

Katechumenen (Bang Mus^on XXXVI); ein chi- gibt zu Epict. enchir. c. 27 eine ausfiihrliche 

nesischer Traktat lehrhaften Inhalts (C ha van- Widerlegung der Dualisten. Er zeigt sich iiber 

nes-Pelliot Journ. as. 1911) und eine eben- das manichaische System auch in Details gut 

falls chinesische Sammlung von Hymnen (W a 1 d- unterrichtet; seine Darstellung zeichnet sich durch 

schmidt-Lentz Stellung Jesu i. M.ismus, Prazision aus, seine Polemik durch Scharfsinn, 

Abh. Akad. Berl. 1926; Manich. Dogmatik aus eindringendes Verstandnis und Objektivitat. 

chin. u. iran. Texten, S.-Ber. Akad. BerL 1933, Zitate: Acta Arch, nach Bee son (Griech. 

XIII); daneben viele kleine Fragmente, besonders christl. Schriftst. Bd. XVI, Lpz. 1906); Alex. Lye. 
Hymnen, verschiedenen Inhalts und sehr unglei- 60 nach Brinkmann (Lpz. 1895); Augustin nach 

chenWertes. — Die in Agypten gefundenen Texte Zycha (CSEL XXV, Wien 1891/92; enthalt 

sind im subachmimischen Dialekt des Koptischen auch Euodius de fide) ; Fihrist nach F 1 ti g e 1 s 

geschrieben. Sie enthalten u. a. die KscpdXaia Mani; die noch unedierten koptischen Keph(alaia) 

(s. u. S.245, 24); ein Hymnenbuch; M.s Briefe; eine nach Seiten und Zeilen der Hs., die in der Publi- 

Sammlung von Homilien. Die ErschlieBung die- kation beibehalten werden; Simplicius nach Dtib- 

ser Texte steht noch in den ersten Anfangen, vgl. ner (Paris 1840 hinter seinem Theophrast) ; Theo- 

einstweilen S c h m i d t-P o 1 o t s k y S.-Ber. Ak. dor nach P o g n o n (Inscr. mand., Paris 1898/99); 

Berl. 1933, L Tit. Bostr. nach L a g a r d e (Berl. 1859). — Ohne 



243 Manichaismus Manichaismus 244 

Verf asser wird zitiert Mani-Fund = Schmidt- Ritus diesen Vorschriften entsprach. In dieser 

Polotsk y S.-Ber. Akad. Beii. 1933, I. Man. Umgebung wuchs M. auf . DaB er zu AuBergewohn- 

Hom(ilien) ed. Polotsky, Stuttg. 1934. lichem bestimmt sei, kiindigte sich schon friih 

Sonstige Literatur (Gesamtdarstellungen, wich- durch seltsame Traume seiner Mutter und durch 

tigere Einzeluntersuchungen und Kommentare) : die Weisheit seiner Reden an. Mit zwolf Jahren 

Baur Das manich. Religionssystem, Ttib. 1831 hatte er seine erste Offenbarung: ein Engel Got- 

(grundlegend und methodisch vorbildlich; Bespr. tes, der ,Zwilling* oder ,Paargenosse*, eine Art 

von V. C [6 1 1 n] Allg. Lit.-Ztg. 1832, I 425—440. spiritus familiaris M.s (s. Mani-Fund 72) bereitete 

Schneckenburger Theol. Stud. u. Krit. VI ihn auf seine Mission vor; er solle sich von der 
1833, 875 — 898). Fliigel Mani, seine Lehre u. 10 Religionsgemeinschaft, in der er lebte, abwenden 

seine Schriften, Lpz. 1862. Cumont (zum Teil und sich auf die Aufgabe vorbereiten, fiir die er 

mit Kugener) Recherches sur le manichMsme ausersehen sei; fiir ein offentliches Auftreten sei 

I — ^III, Brtissel 1908ff. (zur Einflihrung besonders er aber noch zu jung. Nach weiteren zwolf Jahren 

zu empfehlen). H a r n a c k Lehrb. d. Dogmen- erschien ihm der ,ZwiUing* abermals, tibermittelte 

geschichte^ II, Ttib. 1909, 513 — 527. Bang Ma- ilim die formeUe Erwahlung zum djioozoXog und 

nich. Laien-Beichtspiegel Museon XXXVI 1923, hieB ihn seine Wirksamkeit aufnehmen. Soweit 

137 — 242; Manich. Hymnen ebd. XXXVIII 1925, die manichaische Legende, wie sie im Fihrist 49 

1 — 55. Burkitt Religion of the Manichees, — 51 tiberliefert ist. Obwohl die Offenbarung an 

Cambr. 1925. Schaeder Studien z. antiken den Zwolf jahrigen ein tibernommenes Motiv sein 
Synkretismus, Lpz. 1926; Urform u. Fortbildun- 20 dtirfte (der Gnostiker lustin laBt nach Hippolyt 

gen des manich. Systems, Lpz. 1927. Jackson refut. V 26, 29 p. 131, 20f. Wendland Jesus als 

Researches in Manichaeism, New York 1931. Hen- TtaMQiov dvcodsxaexsg durch Baruch die Offen- 

ning GGN 1932, 214—228. 1933, 306 — 318. — barung empfangen), hindert nichts anzunehmen, 

Ausfiihrliche Bibliographic bei Waldschmidt- daB M. sein System wirklich schon in einem fiir 

Lentz Stellung Jesu 3 — 4; Manich. Dogmatik abendlandische Verhaltnisse sehr friihen Alter 

484 n. 1 und 2. Jackson XXIVff . ausgebildet habe (an orientalischen Parallelen fehlt 

2. Lebensdaten des Stifters. Mani- es nicht) : das wurde die Starre erklaren, mit der 
chaeus (neben Manes, -is; Mavtxouog neben Md- M. sein ganzes Leben lang die einmal gef undone 
vrjg, -Tj; iran. syr. arab. Mani) wurde nach authen- Form der Darstellung auch in Einzelheiten fest- 
tischer Angabe (alBiruni Chronol. 208, 8 — 9) im 30 gehalten hat. — M. begann seine offentliche 
J. 527 ,der babylonischen Astronomen' d. i. der Wirksamkeit damit, daB er nach Indien reiste 
Aera ?iazd XaXdaiovg, der babylonischen Seleuki- und dort bereits seine erste Gemeinde griindete. 
den-Aera =;: A. D. 216/17 geboren. Die Angaben Die Grunde, die ihn veranlaBten, auBer Landes 
tiber seinen Geburtsort schwanken: jedenfalls lag zu gehen, sind ebensowenig bekannt wie die Tim- 
er im stidlichen Babylonien. Die Sprache, in der stande, die es ihm geraten scheinen lieBen, un- 
er schrieb, war dementsprechend das Ost-Ara- mittelbar nach dem bald darauf erfolgten Tode 
maische (ob das Syrische im strengen Sinne d. h. Ardaschirs wieder zurtickzukehren: am Kronungs- 
der zur Schriftsprache erhobene Dialekt von tage seines Nachfolgers Schapur (Sapor) I. trat M. 
Edessa, ist nicht sicher s. Burkitt Rel. of in Ktesiphon auf — die Regierungsjahre der 
the Manichees 116): rfj 2vqcov q?cov^ ;t^c6^£w? 40 ersten Sasaniden stehen immer noch nicht vollig 
Tit. Bostr. I 17 p. 10, 13. Fihrist 72, 10 — 11 f est und das scheinbar so genaue Datum des Fih- 
(dasselbe kann Ghaldaeorum lingua Acta Arch. rist 51, 6 (Sonntag der 1. Nisan, wahrend die 
59, 21 meinen, doch ist diese Stelle von zweifel- Sonne im Widder stand) ist unbrauchbar — , 
haftem Wert); iiber die Bezeichnungen ,syrisch' wurde vom Konig gnadig empfangen und erhielt 
und ,chaldaisch* s. Noldeke ZDMG XXV 115ff. die Erlaubnis, im persischen Reich zu missionie- 
129. Westliche Schriftsteller bezeichnen M. je- ren. Wie gewogen Schapur dem M.ismus gewesen 
doch nicht als Babylonier sondern als Perser: sein muB, geht auch daraus hervor, daB M. fiir ihn 
Alex. Lye. 4, 14. Acta Arch. 59, 19 (Wert eine persischgeschriebene Darstellung seiner Lehre 
zweifelhaft). Secundin. ad Aug. epist. p. 896, 7. unter dem Titel Schapurakan ,das Schapurische 
Doctr. patrum ed. Diekamp 306, 11: das wird 50 (Buch)* verfaBte. Als Schapur nach 30jahriger 
sich wohl nur darauf beziehen, daB M. als Ba- Regierung starb, genoB M. auch die Gunst seines 
bylonier persischer Reichsangehoriger war; tat- Nachfolgers Hormizd I. (Man. Hom. 48, 9 — 10). 
sachlich war er aber auch iranischer Abstam- Aber schon nach einem Jahre kam Bahram I. zur 
mung: von miitterlicher und anscheinend auch von Regierung, unter dem die Dinge fiir M. eine andere 
vaterlicher Seite (s. Schaeder Urform 68 n. 4) Wendung nahmen: die mazdayasnische Priester- 
war er mit dem parthischen Konigshaus der Arsa- schaft, die Magi er (Mayovoaloi), erreichte, daB er 
ciden verwandt, das im J. 226 von dem Sasaniden angeklagt und zum Tode verurteilt wurde: im 
Ardaschir (Artaxares) I. gesturzt wurde. M.s Vater J. 276 (?) wurde er in Belapat in Susiana gekreu- 
Patek (iiber den Namen s. Schaeder Iranica zigt (nach orientalischer iJberlief erung geschun- 
69) war aus seiner medischen Heimat Hamadan 60 den) und sein Kopf am Stadttor aufgehangt. 
(Ekbatana) nach Babylonien ausgewandert und An Schriften M.s sind mit Sicherheit die 
hatte sich in Ktesiphon niedergelassen. Kurz vor folgenden bezeugt: 

der Geburt seines Sohnes horte er in einem Gotzen- (1) das Schapurakan (M^uhrayan), per- 

tempel, den er zu l?esuchen pflegte, eine Stimme, sisch verfaBt, 

die ihm befahl, in Zukunft Fleisch, Wein und (2) das Lebendige Evangelium, wozu an- 

Geschlechtsverkehr zu meiden. Er gehorchte dem scheinend als eine Art Tafelband das 

Befehl, begab sich nach Dast-Maisan in Siidbaby- ,Bild {sIh6vY gehort (s. Man. Hom. 18, 5 

lonien und schloB sich einer Taufersekte an, deren m. Anm.), 



245 Manichaismus Manichaismus 246 

(3) der S c h a t z des Lebens, Mensch im Besondern stellt eine Vermischung der 

(4) die IlQay lAaxeia (,Abhandlung*)» beiden Prinzipien dar, die duieh eine der Hyle 

(5) das Buch der M y s t e r i e n, zur Last f allende Durchbrechung der zwischen 

(6) die Schrif t von den Giganten, beiden bestehenden Schranken notwendig gewor- 

(7) das Corpus der Briefe. den ist. 

Mit einer der unter 2 — 6 aufgezahlten fiinf (3) Zugleich zielt die Einrichtung der Welt 

Schrif ten wird wohl die Epistula funda- darauf hin, die beiden Prinzipien allmahlich wie- 

m e n t i zu identifizieren sein, die bei den nord- der voneinander zu scheiden; ihr Zweck, nach des- 

afrikanischen M.ern als Handbuch der Lehre in sen voUstandiger Erreichung ihr Fortbestehen 
bevorzugtem Gebrauch war; bei Aug. c. Folic. 1 10 tiberfliissig wird, ist die Wiederherstellung des 

14 p. 817, 18ff. erscheint sie zusammen mit dem ursprunglichen Zustands (anoTiaxaoxaoig xwv dvo 

jSchatz* als Bestandteil eines Kanons von quinque q?voscov Acta Arch. 22, 1), jedoch mit der Ein- 

auetores. Man konnte auf die IlQayfmxsia raten schrankung, daB das bose Prinzip fiir die Zukunft 

(so auch AlfaricII59); Cumont Rech. 4 — 5 unschadlich gemacht und einer Wiederholung der 

n. 2 zieht es vor, was der Titel allerdings nahe- Vermischung vorgebeugt wird. 

legt, sie mit dem ,Sendschreiben von den beiden (4) Der Mensch hat innerhalb dieser Weltord- 

Prinzipien* zu identifizieren, das im Verzeichnis nung die besondere Aufgabe, an der Erreichung 

der Briefe (Fihrist 73, 12) an erster Stelle auf- dieses Ziels tatig mitzuarbeiten. Vermoge des 

gefiihrt ist. ihm von Gott gesandten Novg, durch den er sich 

Von den moisten dieser Schrif ten sind kiirzere, 20 vor der iibrigen Schopfung auszeichnet, hat er 

selten langere, Stticke direkt oder indirekt iiber- sich der Vermischung bewuBt zu werden, den 

liefert. Fiir die Zeugnisse und Fundstellen kann Sinn der Weltordnung zu erkennen und seine 

aufAlfaric verwiesen werden. Lebensfiihrung entsprechend so zu gestalten, daB 

Als Work M.s fiihren einige abendlandische jede weitere Schadigung des Lichts vermieden 

Schriftsteller auch die Esq)dXaia ,Haupt- und seine Loslosung aus der Vermischung mit der 

stiicke' auf (s. A 1 f a r i c II 21ff.), deren koptische Finsternis gefordert wird. Tut er das in vollkom- 

tJbersetzung C. Schmidt entdeckt hat (s. o. S. 241, mener Weise, so wird sich an seiner Person schon 

63). Es handelt sich dabei um eine Sammlung von gleich nach seinem Tode die Trennung der bei- 

Lehrvortragen M.s, die auf seine eigene Anord- den Prinzipien vollziehen: der leibliche Tod wird 

nung nach seinem Tode als Erganzung seiner 30 ftir ihn die Erlosung, das wahre Leben, die Heim- 

Schriften zusammengestellt worden sind, auf daB kehr des in seinem Korper gefangen gewesenen 

nichts verloren ginge. Aus dem posthumen Cha- Lichts bedeuten. Andernfalls bleibt das im Men- 

rakter dieses Works erklart es sich, daB man im schen enthaltene Licht auch nach seinem Tode 

einzelnen der Sachkritik durchaus nicht enthoben noch mit der Finsternis vermischt, bis es einmal 

ist; es kann leider keine Rede davon sein, daB in den Korper eines VoUkommenen gerat. 

wir nunmehr ,unbedingt M.s Lehrsystem ohne Abstrakter, als es hier versucht worden ist, 

jede Verfalschung' vor uns batten. Das hindert lassen diese Grundgedanken sich kaum formulie- 

aber nicht, daB sie im ganzen von unschatzbarem ren. Das sinnlich-bildhafte Element ist vom An- 

Wert sind: sie erweitern unsere Kenntnis in satz an so stark, daB es sich nicht ausschlieBen 

wesentlichen Punkten, sie bestatigen und erlau- 40 laBt. Die Substanzialisierung der Begriie, die 

tern die anderweitige tiberlieferung, sie helfen Gleichordnung von Physischem und Geistig-Sitt- 

die sprachlichen Schwierigkeiten der orientali- lichem (die sich nicht etwa als Symbolisierung 

schen, namentlich der turkestanischen, Texte iiber- des letzteren durch das erstere verstehen laBt) 

winden und ermoglichen bisweilen erst deren rich- ist fiir M. offenbar nicht nur ein die Darstellung 

tiges Verstandnis (so sind die f undamentalen Be- erleichterndes Stilmittel, sondern eine das Denken 

griSe manuhmed =: vovg und grlv xivanday = erst ermoglichende Notwendigkeit. Es steht fest, 

yjvxr} erst mit Hilfe der koptischen Texte richtig daB er keinen Wert darauf gelegt hat, seine 

bestimmt worden: Mani-Fund 69 — 71). Theorie begrifflich-dialektisch zu entwickeln; alios 

3. Grundgedanken und Ausgestal- spricht dafiir, daB er dazu auch beim besten Wil- 

tung des Systems. Das gegebene Schlag- 50 len nicht imstande gewesen ware. Wohl aber legte 

wort zur Kennzeichnung der manichaischen Reli- er Wert darauf, ein System zu bieten, das die 

gion ist ,dualistische Gnosis*: sie verneint mit Ratio befriedigte. Stand ihm dafur das Mittel der 

auBerster Konsequenz die Moglichkeit, das Gute Dialektik nicht zu Gebote, so versuchte er das- 

und das Bose auf ein Urprinzip zuriickzufiihren; selbe mit der Pragmatik zu erreichen. Er kon- 
sie lehrt die Erlosung vom Bosen durch die Er- struierte eine den Menschen in den Mittelpunkt 

kenntnis des Dualismus und durch die Befolgung stellende, Uranfang, Gegenwart und Zukunft um- 

der sich aus dieser Erkenntnis ergebenden Lebens- fassende Geschichte der Welt, die, soweit sie Pra- 

vorschriften. Die Hauptsatze ihres LehrbegriSs, historic und Prognose war, durch vier Eigenschaf- 

aus denen alle iibrigen sich ableiten lassen, sind ten den Anspruch erheben konnte, als glaubhaft 

folgende: 60 angenommen zu werden: (1) sie war von ein- 

(1) Das Bose ist ein dem Guten selbstandig drucksvoUer Geschlossenheit und stellt e die ein- 
gegentiberstehendes und nicht nur essentiell son- zelnen Vorgange in sinnvoUer und verstandlicher 
dern urspriinglich auch existentiell von ihm ge- Verkntipfung dar; (2) sie beriicksichtigte alle 
trenntes Prinzip {olqxv)' ^s waltende Machte wichtigen ,Weltratser und wies ihnen historisch 
nannte M. die beiden Prinzipien Gott und Hyle, und sinndeutend ihren Platz an; (3) sie war mit 
in der Natur sah er sie durch die dvo q?vo€ig des sorgfaltiger Riicksicht auf Symmetrie und Har- 
Lichts und der Finsternis vertreten. monie aufgebaut — fast der gesamte Gestalten- 

(2) Die gegenwartige Welt als Gauzes und der und Begriffsapparat des Systems ist in Triaden, 



247 Manichaismus Manichaismus 248 

Pentaden oder Dodekaden (,Reihen*) gegliedert — , Ham divinam cogitare nisi corpoream numquam 

sie wirkte dadurch klar und asthetisch befriedi- valueritis Aug. c. Faust. XX lip. 551, 3 — 5. Man 

gend und erweckte ein glinstiges Vorurteil ftir die darf vielleicht annehmen, dafi M. sich iiber die 

Richtigkeit dessen, was sich so befriedigend aus- rettungslose Hylisierung aller menschlichen Vor- 

driicken liefi; (4) sie verdacbtigte sich nicht durch stellungen und Ausdrucksmogliehkeiten klar war 

schroffe Ablehnung friiherer Religionen, sondern und bewufit aus der Not eine Tugend zu machen 

beanspruchte, das wirklich Gute und Wesentliche suchte, um seinem Mythus zu groBerer Anschau- 

an ihnen in sich aufgenommen zu haben; sie lichkeit zu verhelfen. 

kniipfte in ihrem ganzen mythologischen Charak- (2) ,Bezeichnend ist das Streben, Gott im Hin- 
ter und in vielen Einzelziigen an altere Lehren 10 lergrund zu lassen und als Exponenten seiner Be- 
an, die den Kreisen, an die M. sich zunachst ziehungen zur Welt und zum Menschen allerhand 
wandte, vertraut waren. Wieweit M. selbst tiber- Mittelwesen einzuschieben, iiber die dann unge- 
zeugt war, mit seiner Konstruktion den wirklichen scheut fabuliert werden darf. Die gottlichen 
Sachverhalt rekonstruiert zu haben; wieweit er Eigenschaften und Wirkungsweisen werden hypo- 
das iiberhaupt fiir erforderlich hielt; ob ihm nicht stasiert ...* (Wellhausen Isr. u. jiid. Gesch.^ 
vielmehr eine gewisse ,symbolische Richtigkeit' 302). Dieses Charakteristikum der spatjiidischen 
ausreichend schien — , das sind Fragen, die leich- Angelologie teilt der manichaische Mythus mit alien 
ter zu stellen als zu beantworten sind. Fiir die gnostischen Systemen, wenn auch wohl kein ande- 
manichaische Gemeinde ist jedenfalls in weitestem res so weit geht, da6 sogar das ,Selbst' Gottes 
Umfange das Urteil des Simplicius 72, 13 — 16 als 20 hypostasiert wird (s. u.S.251,43). Zur Bezeichnung 
richtig anzuerkennen: xsQaxa yaQ nXaxxovtig tiva, des Aktes, durch den Gott diesen ,Gottern' Selb- 
ajtsQ fXTjds iivd-ovg xaXeiv a^iov, ovx (os fW'&oig standigkeit verleiht, dient der Ausdruck ,berufen*; 
XQ(x)vtai ovbs svdeLKvvo'd'al r« alio vofxi^ovoiv, 61V sie sind seine ,Beruf ungen* (Mani-Fund 66) ; das- 
wg dlrjMoLV amolg xdig leyofisvoig Tiioxevovoi; vgl. selbe Verhaltnis besteht zwischen den ,G6ttern' 
auch Alex. Lye. 16, 9ff. und ihren ,Unter-* oder ,Hilfsgottern*. Die ,Be- 

Dieser ,kosmogonische Mythus*, die Haupt- rufungen' werden ofters auch ,S6hne* des ,Be- 

leistung M.s, ist der rationale, naturphilosophische rufenden* genannt, doch werden Verben wie ,er- 

Unterbau fiir die manichaische Ethik und Er- zeugen*, ,gebaren* oder ,erschaffen* vermieden. 

losungshoffnung. Wer das von M. gebrachte Wis- Im griechischen Sprachgebiet ist fiir ,berufen' 
sen von den ,zwei Prinzipien* und den ,drei Zei- 30 und ,Berufung* nQo^dlXsiv und nQopolrj substi- 

ten*: initium medium et Hnis in sicii aufgenom- tuiert worden (s. ebd.); wenn man die fiir diese 

men hat, weiB, was er in diesem Leben zu tun valentinianischen Termini gebrauchlichen Wieder- 

und im kiinftigen zu erwarten hat. Auseulta gaben ,emanieren* und ,Emanation* aul den mani- 

priusj redet M. den Adressaten der Epistula fun- chaischen Mythus tibertragt, mufi man sich vor 

damenti an, quae fuerint ante constitutionem Augen halten, dafi M.s Gotterapparat etwas 

mundi et quo pacto proelium sit agitatum, u t wesentlich anderes ist als das Aeonen system Va- 

possis luminis seiungere naturam ac tenebra- lentins. Vor allem handelt es sich bei M. nicht 

rum (p. 208, 23 — 26). ,Scheidung der beiden Na- um eine Stufenfolge mit progressiv absteigender 

turen* umschreibt knapp und umfassend die Gottlichkeit; vielmehr ist die Gottlichkeit samt- 
Pflichten des wahren M.ers (vgl. auch Man. Horn. 40 licher ,Gotter* grundsatzlich die gleiche; sie wer- 

12, 25f.): im geistigen Sinne betatigt er sie, in- den eingesetzt, wenn der Verlauf der mythischen 

dem er die Verschiedenheit erkennt und diese Er- Ereignisse es verlangt, und ihre Bewertung, so- 

kenntnis weiter verbreitet, — im physischen, in- weit von einer solchen die Rede sein kann, richtet 

dem er sich jeder Schadigung des Lichts enthalt sich lediglich nach der Wichtigkeit ihrer Funk- 

und durch seinen Lebenswandel die Voraussetzung tion. Ferner mu6 man sich von der Vorstellung 

daftir schafft, da6 nach seinem Tode das in ihm freimachen, daB die ,Berufung* in irgendeiner 

enthaltene Licht erlost wird. Weise eine Nach- oder Unterordnung gegeniiber 

Das richtige Verstandnis des Mythus besteht dem ,Berufenden* bedeute. Unter Umstanden ist 

darin, ,das Konkrete und Abstrakte, das Mythische sogar — fiir unsere Anschauung — das Gegenteil 
und Logische, das Bild und den Begriff stets so 50 der Fall: das ,Berufene* ist manchmal der Begriff 

aufeinander zu beziehen, daB das Eine in dem — fiir uns und gewifi auch in M.s Konzeption also 

Andern sich ausgleicht und beide Formen der das Primare — und der ,Berufende* nur sein 

Darstellung nebeneinander bestehen konnen* mythischer Trager. In andern Fallen ist das Ver- 

(Baur Manich. Rel.-System 9 — 10). Dazu ist es haltnis des ,Berufenden* und einer Mehrzahl von 

erforderlich, den rein formalen, das Wesentliche ,Berufenen* das eines Ganzen und seiner Telle. ■ — 

nicht beriihrenden Charakter einiger Stilelemente Mutatis mutandis gilt dasselbe auch von der Hyle 

der mythologischen Darstellung im Auge zu be- und ihren Machten. 

halten. (3) SoUen zwei Begriff e, deren jeder durch 

(1) Die Notwendigkeit, von den Vertretern eine ,Reihe* ausgedriickt wird, miteinander in 
des Lichtreichs Handeln und Leiden auszusagen, 60 Verbindung gesetzt werden, so werden die G 1 i e- 

bringt es mit sich, daB Anthropomorphismen und der der beiden Pentaden oder Dodekaden usw. 

Anthropopathien eine sehr erhebliche RoUe spie- e i n z e 1 n der Reihe nach aufeinander bezogen. 

len. Das ist in dem MaBe der Fall, daB einzelnen Soil beispielsweise ausgedriickt werden, daB die 

,G6ttern* — wenn auch nur gewissermaBen doni^- manichaische Kirche die irdische Manifestation 

081 — so hylische Dinge wie eine menschenartige des Novg ist, so werden die fiinf Klassen der 

Erscheinung, ja sogar mannliches und weibliches manichaischen Hierarchie: bibdottaXoi, smo^oTioif 

Geschlecht beigelegt werden: omnia corpora ex tiqeo^vxsqoi, sHXeTixol, xaxrixovfA,svoi einzeln der 

tenehrarum gente esse dieitis, quamvis substan- Reihe nach als ,S6hne* je eines der fiinf Glieder 



249 Manichaismus Manichaismus 250 

des Ndvs: vovg, svvoia, qpQovrjoig, irOvf^rjoigj Ao- gegangen und aus den Baumen wiederum die 

yiofA.6g bezeichnet, ohne dafi damit ein besonders fiinf Gattungen von Lebewesen (Damonen, Teufel, 

enges und ausschliefiliches Zusanimengehorigkeits- Archonten), die die fiinf Welten bevolkern (Keph. 

verhaltnis etwa zwisehen den nQeo^msQoi und der 30, 18 — 22. Aug, c. Faust. VI 8 p. 297, 17 — 19. 

(pQovrjoig statuiert werden soil. Wie sehr diese Simplicius 71, 18 — 22): zweibeinige (Damonen 

Stileigenttimlichkeit geeignet ist, den Sinn zu ver- im engeren Sinne), vierlDeinige, fliegende, schwim- 

dunkein, zeigt die Tatsache, dai3 gerade in bezug mende und kriechende. Jede dieser Gattungen zer- 

auf das angefiihrte Beispiel gelegentlich geaufiert fallt in die beiden Sexus und ist daher von im- 

worden ist: ,Die fiinf Stufen [der Hierarchie] i^v^/a und tJSw^ erf iillt. Ferner gehoren zum Reich 
werden hier spielerisch zu den fiinf „Gliedern" 10 der Hyle, auf die fiinf Welten verteilt, die fiinf 

des Lichtathers [das sind vovg^ smma usw. frei- Metalle: Gold, Kupfer, Eisen, Silber, Blei und 

lich auch] in Beziehung gesetzt.' Zinn (diese als eins gerechnet), und die fiinf Ge- 

4. Der Mythus. schmaeksarten: salzig, sauer, scharf (? brenzlig?), 

a) Die beiden Prinzipien. Im Ur- siiB, bitter. Jede der fiinf Welten hat einen Konig, 

anfang bestanden die beiden Prinzipien vonein- dessen Gesicht der dazugehorigen Klasse von 

ander getrennt in Gestalt zweier iibereinander ge- Lebewesen entspricht: Damon, Lowe, Adler, Fisch, 

legener und durch eine Grenze geschiedener Reiche. Drache; iiber ihnen alien herrscht der ,K6nig der 

Genauer erstreckt sich das Lichtreich endlos nach Finsternis*, der zugleich ihre Gesamtheit darstellt. 

oben, nach rechts und nach links, — das Finster- an seinem Korper sind die [A,oQ(pai aller fiinf 
nisreich endlos nach unten (Fihrist 53, 6f.); geo- 20 Gattungen vereinigt (Keph. 30, 34ff. Fihrist 53, 

graphisch ausgedriickt: dem Licht gehort Norden, 10 — 12 [dauabb ,Kriechtiere* — diese sind schon 

Gsten und Westen, der Finsternis der Siiden (Sev. durch den ,Drachen* vertreten — ist verderbt: es 

Ant. bei Cumont Rech. 96; weitere Stellen bei muB ,Damonen* heilSen. Hier liegt dieselbe Ver- 

Baur 26 — 28). In dem oberen, dem Lichtreich, wechslung von mpers. dev ,Damon* und devay 

herrschte Gott, der ,Vater der GroBe*. Sein Wohn- ,Wurm* vor wie nach einer Bemerkung W. H e n - 

sitz war die Licht-Erde, ihrerseits vom Licht- n i n g s in der deutschen "Qbersetzung bei W a 1 d- 

Ather umgeben. Gottes Wesen wird durch eine schmidt-Lentz Jesus 113, 4, wo iibrigens 

Reihe von funf Begriffen umschrieben, die Ver- die Pentade nicht angemerkt ist. Fiir den betref- 

standeskrafte bezeichnen (in alien Quellen mit fenden Fihrist-Abschnitt ist damit eine iranische 
Ausnahme der persischen belegt, s. W a 1 d - 30 Vorlage erwiesen]. Simplicius 72, 16 — 18 :nievtd- 

schmidt-Lentz Jesus 42; hier nach Acta f^oQtpov to Tcaxov avanXdizovzeg, dno Xsovrog Ttai 

Arch. 15, 11): Ix'&vog nal dsxov xal ov fj,efA,vrjf4,ai xlvcov a?dcov 

vovg svvoia q?Q6vrjaig svdv/4,rjoig Xoycofxdg, ovy?csl/A,svov, vgl. 71, 20. [Auch bei den Man- 

Syrisch heifien sie seine skma^s (Theodor 127, 7), daern: G i n z a R 280, 2f. = Lidzbarskis 

eigentlich ,Wohnungen*, Hypostasen des gottlichen tlbers. 278, 19 — 21; die manichaische Quelle des 

Da-Seins (s. Schaeder Studien 316); im Fih- Kapitels iiber den Konig der Finsternis ist in den 

rist 52, 15. 54, 1 — 2 sind sie als Gottes ,Glieder* Keph. erhalten.]). Der Konig der Finsternis ist 

bezeichnet und ganz raumlich als iibereinander in den Texten teils die Personifikation der TA?/, 

liegende , Welten' gedacht. der formatrix corporum (Aug. de nat. boni 18 
Das Lichtreich wird bewohnt von zahllosen 40 p. 862, 9 u. o.; kopt. ^coYQdq?og), der ,TJvd"v/j,r]oig 

Aeonen und ,Aeonen der Aeonen* (s. H e n n i n g des Todes* (Mani-Fund 78), — teils ihr oberstes 

GGN 1933, 310f.; vgl. Iren. adv. haer. I 3, 1 von Werkzeug. 

den Valentinianern: . . . dXXd xal rj^dg km trjg Infolge der ihnen innewohnenden ,sv'dvf4.i]aig 

evxdQtoxiag Xiyovmg ,elg rovg alcbvag xcbv alcbvcov^ des Todes* liegen die ,Welten* des Finsternis- 

sTcelvovg rovg Alcovag orjfmlveiv . . . MXovoiv), reiches miteinander in dauerndem Kriege; sie sind 

Zwolf Aeonen umgeben den Vater der GroBe, zu standig von Aufruhr und unruhiger Bewegimg 

dreien auf die vier Himmelsrichtungen verteilt; (araHxog xlvfjoig Alex. Lye. 5, 8) erfiillt. 
sie heiBen seine ,Erstgeborenen*, zum Unterschied Der Vorwurf des Dyotheismus, gegen den zu- 

von den Gottern, die erst spater nach dem Angriff letzt Bang Mus^on XXXVI 1923, 204 den M.is- 
der Hyle berufen werden (s. Mus^on XL VI 262f.). 50mus hat verteidigen woUen, ist zwar dem Namen 

Das ganze Lichtreich wird vom ,GroBen Geist' — insofern der Name Gott dem guten Prinzip 

durchwaltet, einer Art ovCvyog des Vaters der vorbehaltiBn ist — aber nicht der Sache nach un- 

GroBe, welche eigentlich die praexistente Form der berechtigt. Der M.ismus ist allerdings, was Bang 

,Mutter der Lebendigen* (s. u. S. 251, 25) darsteUt. bestreitet, ,auch die konsequenteste Form des Dua- 

Das Reich des Bosen, ,das Land der Finster- lismus*. Sehr treffend sagt Simplicius 72, 20 — 24 

nis*, besteht aus ,fiinf Welten (^coofAoiYy den fiinf to 'd'av/imoxov, 6xi ndvxa ravra dvsTiXaoav did d^so- 

,finsteren Elementen*: ospfj brfd^sv evXd^siav (eine Objektivitat der Be- 

Rauch Feuer Wind Wasser Finsternis. trachtung, die man hei jedem anderen Bestreiter 

(Dies die bestbezeugte Anordnung, z. B. Theodor des M.ismus vergeblich suchen wiirde) • ^^ povXo- 
127, lOf. Keph. 68, 17 u. 6.; vgl. Henning GO/W^wt yaQ alxiov xov Tianov xov '&edv einsiv, dQxw 

GGN 1932, 216 n. 5. Die arabischen Quellen vnsoxrjoavxo Iblav xov naTiov iooxifiov avxrjv xal 

[Fihrist 53, 3f. 54, 13f. u. 6. Schahrastani 191, ioood-evfj xiMvxeg xcp dyad-tp . . .; die wesentlich- 

1 — 3. alMurtada bei K e B 1 e r Mani 347, 7f . sten Attribute der Gottheit legt M. sowohl dem 

348, 7 — 12] haben zur Unterscheidung von den guten wie dem bosen Prinzip bei: 71, 41 — 43 

Lichtelementen statt Feuer: Brand, statt Wind: 6[A,oloyg xavxa xco dya'&co Ttal xc^ Kaxco vndQxsiv 

Samum, statt Wasser: Schlamm.) Diese Elemente (paol, xo dyhiqxov koX dq)d'aQxov, x6 dvaQxov Ttal 

sind aus fiinf xafjusia ,hervorgesprudelt', aus den dxsXevxrjxov wv xl dv sit} 08fA,v6xsQov; — vgl. auch 

Elementen ihrerseits sind fiinf Baume hervor- Aug. c. Faust. XXI 4 p. 572, 23 — 26 u. o. 



251 Manichaismus Manichaismus 252 

b) Kampf und Vermischung der und sie damit von weiteren tJbergriffen abzuhal- 

beiden Prinzipien. Bei ihrer dramog m- ten, zugleich aber auch sie zu tiberlisten und 

vrioig kam die Hyle auch einmal an die obere schlieBlich in die Gewalt des Lichts zu bringen. 

Grenze ihres Reiches und erblickte das Lichtreich Ein in den Acta Arch. 40, 33 — 41, 7 uberliefertes 

in seiner Herrlichkeit. Der Anblick erregt ihr Ver- und durch die koptischen Texte als echt erwiese- 

langen und sie versammelt ihre Damonenscharen nes Gleichnis (gegen das vielleicht Aug. c. Faust, 

(bzw. die fiinf finsteren Elemente), um zur Er- XX 17 p. 557, 15 — 18 polemisiert) veranschau- 

oberung des fremden Gebiets zu schreiten. licht, wie die Preisgabe verstanden werden soil: 

Durch die Verstandeskrafte dringt die Erkennt- Similis est malignus leoni, qui inrepere vult gregi 
nis der drohendenGefahr zuGott under beschlieBt, 10 boni pastoris; quod cum pastor viderit, fodit fo- 

sie abzuwehren. Und zwar will er ,keinen von den veam ingentem et de grege tulit unum hedum et 

Aeonen ("almai ist st. cstr.) seiner ftinf ^kina's iactavit in foveam, quern leo invader e desiderans, 

entsenden', sondern ,selbst* (syr. b-naps wortlich cum ingenti indignatione voluit eum absorbere, et 

,durch meine Seele* d. h. ,durch mein Selbst') zum adcurrens ad foveam decidit in earn, ascendendi 

Kampf e ausziehen (Theodor 127, 16). Wenn das inde sursum non habens vires; quem pastor ad- 

Folgende diesem EntschluB zu widersprechen prehensum pro prudentia sua in eaveam conclu- 

scheint, indem der Vater der GroBe dem Wortlaut ditj atque hedum qui cum ipso fuerit in fovea in- 

nach doch nicht ,selbst* auszieht, sondern ,Emana- columem conservabit. Ex hoc ergo inHrmatus est 

tionen* — zunachst die ,Seele*, s. u. — mit malignus, ultra iam leone non habente potesta- 
den erforderlichen MaBnahmen beauftragt, so be- 20 tem faciendi aliquid, et salvabitur omne animarum 

weist das nur den wesentlich formalen Charakter genus ac restituetur quod perierat proprio suo 

der jGotter* als Hypostasen der Handlungen Got- gregi; vgl. Simplicius 70, 42 — 45 wonsQ orQazTj- 

tes. Der Vater der GroBe beruft also zunachst den yog^ noXsfXicov m6vx(ov, fzsQog avxdig rov oiKeiov 

GroBen Geist (der ,weiblich* zu denken ist) als oxQaxov nQotsxai, ha x6 lomov Smacoorj (bei die- 

,Mutter der Lebendigen*. Diese beruft den ,Ur- sem Bilde handelt es sich aber um wirkliche und 

menschen* (die Quellen — mit Ausnahme der ara- dauernde Preisgabe). 

bischen — bezeichnen ihn als Ersten Menschen, Mit der Verschlingung der Lichtelemente 

mit demselben Ausdruck, den sie auch ftir Adam durch die Damonen ist die Vermischung 

gebrauchen). Der Urmensch seiner seits beruft die derbeidenNaturen geschehen. Unter die- 
funf Elemente 30 ser Vermischung hat man sich nicht eine bloBe 

di^Q (hsiJLog q?cbg vdcoQ nvQ Durcheinandermengung vorzustellen, sondern eine 

(aus dem Koptischen und der verderbten Auf zah- Verschmelzung, die auf beiden Seiten zu einer Be- 

lung Acta Arch. 10, 7 — arjQ ist ausgef alien und eintrachtigung der ursprunglichen Qualitat fiihrt: 

daftir am Ende vXri hinzugefiigt — kombiniert; die Lichtelemente unterliegen in verschieden star- 

auch in den tibrigen Quellen belegt, s. Wald- kem MaBe dem EinfluB der Hyle, sie vergessen 

schmidt-Lentz Dogm. 5061). Diese Ele- ihre Heimat (Beichtspiegel IB Bang Mus^on 

mente, die nach dem Fihrist Fltigel Mani 61 pu XXXVI 145 vgl. Schaeder Studien250n. 6), sie 

die ,Glieder* der Licht-Erde, also die eigentliche werden bewuBtlos (ebd. Theodor 127, 27); die fin- 

Substanz des Lichtreiches bilden, sind die Seele. steren Elemente werden zwar nicht besser, aber 
,Seele* oder vielmehr das durch ipvxrj und anima 40 sie gewohnen sich so an die Symbiose mit dem 

nur unvollkommen wiedergegebene syr. napsa be- Licht, daB sie ohne es nicht mehr zu leben ver- 

deutet fiir M. gleichzeitig sowohl den Gegensatz mogen und daB die dereinstige Trennung von 

zum hylischen Korper wie das ,Selbst' Gottes, der ihm den Tod der Hyle bedeuten wird (Alex. Lye. 

,selbst* zum Kampf e auszieht, dabei aber eben 5, 23 — 25. Tit. Bostr. I 39 p. 24, 15f.; ahnlich 

dank der Hypostasierung seines ,Selbst' seine III 5 p. 68, 14). Die bedenkliche Auffassung von 

Transzendenz nicht aiifzugeben braucht. — Den der Qualitatsverschlechterung der vermischten 

Gegensatz der ,Seele* zur Hyle, dem Prinzip des w^xVi ^^^ ^^^ die Lehre von der Verdammnis die 

,Todes* (Belege bei H e n n i n g GGN 1933, 314 Voraussetzung bildet (s. u. S.260, 12; fiir Augustin 

n. 1) brachte M. durch den Zusatz ,die ,lebendige* war die corruptibilitas der doch mit Gott substan- 
zum Ausdruck. Die Wendung stammt aus 1. Kor. 50tiell identisch sein soUenden Seele der Haupt- 

15, 45 kysvsxo 6 uiQwxog dv&Qcojzog 'Adafi, sig yjvx^v angriffspunkt, an dem er seine Gegner, wie die 

^^0aa/: M. hat offenbarM.5a^alsGlossegestrichen, Disputationen mit Fortunatus und Felix zeigen, 

so daB der Vers den wesentlichen Kern seines Ur- auch am sichersten zu Fall bringen konnte; c. Fe- 

menschmythus enthielt (s. Mani-Fund 71 — 72). lie. II 21 p. 851, 22S. stellt er der manichaischen 

Der Urmensch bewaffnet sich mit seinen ,Soh- Blasphemie das katholische Dogma gegeniiber: 

nen*, den Elementen, wie mit einer Riistung und nos autem dicimus quidem peccasse animam per 

steigt hinab, um den Angreifer abzuwehren. Der liberum arbitrium et paenitendo purgari per mi- 

Kampf verlauft nicht ganz so, wie man es viel- sericordiam creatoris sui, quia non est ex deo tam- 

leicht erwarten soUte. Dem Angriff der Finster- quam pars eius vel tamquam proles eius, sed ex 
nis wird in einer Weise begegnet, die scheinbar 60 deo vel a deo facta est tamquam opus eius: quid 

zunachst einer Niederlage des Lichts gleichkommt, intersit inter nostram Mem et vestram perMiam, 

und in der Tat erst auf langwierigen und fiir die omnibus manifestum est, vgl. auch ebd. I 19 

Elemente leidvoUen Umwegen zum Ziele fiihrt: p. 825, 16ff.), wird bei Alex. Lye. 6, 3 — 6 mit 

der Urmensch wirft die Elemente den Damonen folgenden Gleichnis erlautert: wotisq yag sv 

gleichsam als Koder hin, den sie denn auch gierig fpavlc^ dyyslcp ovf^fxsxapdXXeo^ai nolldnig x6 kvvui- 

verschlingen. Der Plan geht dahin, durch die zeit- aQxov, ovxco ds ^al ev tfj vXrj totovxo ri xrjv yjv 

weilige Preisgabe eines Toils des Lichts die Fin- XV'^ (nad'ovoav uiaQo. xfjv ovoav rjlaxxwo^ai (pvoiv 

sternismachte fiir den Augenblick zu befriedigen elg fisxovalav Tcaniag. (Fiir die Beurteilung von 



253 Manichaismus Manichaismus 254 

Alexanders Quelle ist zu beachten, daft dieses Jedenfalls bleibt die Befreiung des Urmenschen 

Gleichnis zur ,Vermischuiig* gar nicht pafit, wohl ftir die zuriickgelassenen Elemente nicht ohne un- 

aber zu der ausgesprochen mythologischen ,Ver- mittelbare Wirkung: ,Ruf* und ,Antwort' bilden 

schlingung*: die mythologische Urform hat in zusammen die TJvS'Vfirjoig des Lebens (s. Mani- 

der ,philosophischen* Bearbeitung ein Residuum Fund 78 — 80) und gesellen sich zu den Elemen- 

hinterlassen.) ten hinzu (die ,Antwort' gilt geradezu als ,sechster 

Obwohl der Urmensch mit den Lichtelementen, Sohn* des Urmenschen). Die TJv'dvfA,rjoig des Le- 

seinen ,S6hnen*, eigentlich wesenseins ist, wird bens kennzeichnet sich schon durch ihren Namen 

im weiteren Verlauf der Ereignisse sein Schicksal als Gegenspielerin der Hyle, der TJvd'Vf^rjotg des 
von dem ihrigen abgesondert. Er verkorpert das 10 Todes; wie diese Cooygdcpog ist (s. o. S. 250, 40), so 

jBewuBtsein* — den vovg — , das ihnen abhanden CcoyQaqpsc jene beim Weltende die Letzte Statue 

gekommen ist und einstweilen im Lichtreich ge- (s. u. S. 262, 9). Was sie bis dahin zu tun hat, ist 

borgen wird, um spater zu gegebener Zeit wieder nicht voUig klar: sie scheint eine Art Ersatz ftir 

zu ihnen zuriickzukehren. Der Mythus driickt das den verlorenen vovg und zugleich eine Vorbereitung 

folgendermaBen aus: Zwar verliert auch der Ur- fiir seine kiinftige Wiedererlangung zu bedeuten, 

mensch zunachst sein Bewufitsein, er findet es gewissermaBen das nattirliche Empfinden fiir die 

aber bald von selbst wieder und betet siebenmal Zugehorigkeit zum Lichtreich (s. u. S. 257, 27), die 

zum Vater der GroBe (Theodor 127, 30f.). Dieser Fahigkeit, auf den ,Ruf* des Novg zu ,antworten'. 

erhort sein Flehen und beruf t zu seiner Befreiung c) Erschaffung derWelt. Die Haupt- 
die ,zweite Beruf ung' : den Geliebten der Lichter 20 funktion des Lebendigen Geistes ist aber die- 

-^ den GroBen Baumeister ^ den Lebendigen jenige, der er die Bezeichnung SrjfAiovQyog bei 

Geist. Der Lebendige Geist ist die Hauptgestalt Alex. Lye. 6, 8 verdankt. Mit Hilfe seiner fiinf 

dieser Gruppe; die RoUe des Geliebten der Lich- Sohne laBt er tiber die Archonten ein strenges 

ter dagegen ist vollig unklar und der GroBe Bau- Strafgericht ergehen. Einen Teil von ihnen laBt 

meister nimmt seine Funktion erst spater auf. er toten und schinden und als Material ftir die 

(Zum Folgenden vgl. Jackson Res. in Manich. Erbauung der Welt verwenden. Unter Hinzu- 

255 — 270.) ziehung der Mutter der Lebendigen werden aus 

Der Lebendige Geist steigt zur Grenze des den abgezogenen Hauten zehn (mit dem Tierkreis 

Finsternisreiches hinab und richtet an den Ur- elf: Andreas-Henning Mir. Man. I 183 
menschen einen ,Ruf *, den der Urmensch mit 30 n. 2) Himmel, aus dem Fleisch acht Erden und 

einer ,Antwort* erwidert. Ruf und Antwort, zu aus den Knochen die Berge geschaffen (Belege bei 

einem Gotterpaar hypostasiert, steigen zumLicht- Jackson Res. 314ff.), und am Firmament wer- 

reich empor, und zwar der Ruf zum Lebendigen den die am Leben gelassenen Archonten gekreu- 

Geist, der ihn entsandt hat, und die Antwort zur zigt. Mit der Aufsicht tiber den Kosmos betraut 

Mutter der Lebendigen, der ,Mutter* des Ur- der Lebendige Geist seine ftinf Sohne. Dann be- 

menschen. Nachdem so der Urmensch durch seine machtigt er sich derjenigen Lichtteile, die von 

jAntwort* auf den ,Ruf* des Befreiers seinen Er- der Vermischung unbertihrt geblieben sind und 

losungswillen kundgetan hat, begeben sich der ihre Lichtnatur daher noch unverfalscht bewahrt 

Lebendige Geist und seine ftinf Sohne, die er haben {knsivo tfjg dvvdf^scog, ooov and xfjg fA,l^scog 
unterdessen beruf en hat (Splenditenens, Rex ho-4:0ov8sv ^v axojiov nenovd'og Alex. Lye. 6, 9 — 11) 

iiorisj Adamas [Syrisch und Koptisch setzen hin- und bildet aus ihnen die Sonne und den Mond; 

zu: des Lichts], Gloriosus rex, Atlas ['Qf^o- was ev ixexQlq yeyovog Haxiq, ist, dient als Stoff 

^oQog], vgl. Jackson Res. in Manich. 296 — ftir die Sterne (ebd. 12). Ferner erschafft er die 

313) sowie die Mutter der Lebendigen in die Tiefe, tres rotas (in den koptischen Texten hqoxoi) ignis 

befreien den Urmenschen und ftihren ihn ins Licht- aquae et ventij deren Betrieb dem Gloriosus rex 

reich hinauf. Nach dem Fihrist 56, 7 durchschnei- obliegt; was man sich unter diesen Radern vorzu- 

det der Urmensch vorher noch die ,Wurzeln* der stellen hat, ist nicht ganz klar: irgendwie soUen 

ftinf Damonenklassen (sie sind ja aus ,Baumen* auch sie der Auslauterung des Lichts dienen (s. 

hervorgegangen), um weiteren Zuzug aus dem C u m o n t 31ff.). 
Finsternisreich zu verhindern. 50 Somit ist die Welt, ,ein Gefangnis ftir die 

DaB der Lebendige Geist den Elementen Machte der Finsternis, aber ein Lauterungsort 

irgendwelche Ftirsorge angedeihen laBt, wird in ftir die Seele', geschaffen und alles ftir die 

dem bisher bekannten Material nicht berichtet, Erlosung vorbereitet. Die Gottheiten der beiden 

kann aber vielleicht erschlossen werden. In drei ersten Berufungen treten vor den Vater der GroBe 

iranischen Texten (s. Waldschmidt-Lentz und bitten ihn, den Erloser zu beruf en. 

Dogm. 571 und dazu Museon XL VI 263f.) ist fol- d)DerDritteGesandte. Der Vater der 

gende Reihe von Lebenskraften belegt: GroBe beruf t den Dritten Gesandten, dessen Auf- 

Leben Kraft Lichtheit Schonheit Duft. gabe darin besteht, den Archonten das von ihnen 
Die Seele, das geht aus einer der erwahnten Stel- verschlungene Licht zu entziehen bzw. es aus der 
len (Andreas-Henning Mir. Man. I 201) 60 Vermischung mit der Hyle auszulautern, und — 
hervor, ist schon vor den ErlQsungsmaBnahmen auf Umwegen — seine Heimkehr ins Lichtreich 
der dritten Berufung im Besitze dieser Krafte. ins Werk zu setzen. Zu diesem Zwecke macht er 
Dieser chronologische Grund zusammen mit der sich die nattirliche imdv/^la der Archonten zu 
appellativischen Bedeutung von Zwv Ilvsvfm (syr. Nutze. Er nimmt in der Sonne Platz und beruft 
ruha hana) laBt es denkbar erscheinen, daB sie als zwolf Gotter wandelbaren Geschlechts (an und ftir 
,Gabe* des Lebendigen Geistes anzusehen sind: sich sind es aber ,Jungfrauen*), die sich den Ar- 
yjvx'^lnapsa ware die Liehtsubstanz, nvev[xalruha chonten investes zeigen. Beim Anblick der bir- 
die vitale Potenz der ,Seele*. gines pulcherrimae pollutionieren die mannliehen 



255 Manichaismus Manichaismus 256 

Archonten, mit der ,Sunde* verbunden entweicht ohnmachtiger Wut beobachtet die Hyle, wie durch 

ihnen aber auch das geraubte Licht. Die ,Siinde' die MaBnahmen des Dritten Gesandten das ge- 

fallt auf die Erde herab, und zwar zu einem Teil raubte Licht ihr wieder verloren zu gehen droht. 

auf das Feuchte: daraus entsteht ein ftirchter- Sie fafit den EntschluB, den gottlichen Heilsplan, 

liches Meerungeheuer, das vom Adamas des Lichts, dem die Welt dient, durch eine Gegenschopfung 

dem heros belligerem, einem der Sohne des Leben- zu vereiteln, in der sie das Licht dauernd an die 

digen Geistes, erlegt wird. Ein anderer Teil fallt Materie binden zu konnen hoSt. Unter den Da- 

auf das Trockene und aus ihm entspriefien die monen, die auf die Erde gef alien sind, wahlt sie 

ftinf Arten von Baumen und Pflanzen (aufgezahlt zwei aus, einen mannlichen namens Asaqlon und 
Andreas-Henning Mir. Man. I 181 ; Theo- 10 einen weiblichen namens Nemrael (2a7iXag und 

dor 130, 11 kurz ,die fiinf Baume'). Nunmehr iV€)^^a3<5 Abschw6rungsformelMignePGI1464B; 

zeigt der Dritte Gesandte bzw. seine zwolf Helfe- C u m o n t Eech. 42 n. 3 belegt aus Priscillian 

r(innen) den weiblichen Archonten seine mann- Saclas und Nebroel); dieses Paar soil nach dem 

liche Gestalt, mit der Wirkung, dafi die Archon- Ebenbilde des Dritten Gesandten, den die Da- 

tinnen, die infolge des im Finsternisreich getrie- monen (eigentlich vielmehr ihre am Himmel ge- 

benen Geschlechtsverkehrs standig schwanger sind, fesselten ,Eltern': das wirkliche Subjekt ist aber 

abortieren. Die Aborte fallen auf die Erde, merk- die in den einen wie in den andern wirkende Hyle) 

wiirdigerweise, wie Aug. c. Faust. XXI 12 p. 583, im Lichtschiff gesehen hatten und der immer noch 

12f. hervorhebt, ohne durch den Sturz Schaden ihre Phantasie beschaftigt, den Menschen zeugen. 
zu nehmen, und beginnen die Friichte der aus 20 Die beiden lassen sich von den iibrigen Damonen 

dem Sperma der mannlichen Archonten entstan- deren Kinder geben, fressen sie auf, um alles ver- 

denen Baume zu fressen; infolge von deren Ge- fiigbare Licht in sich aufzunehmen, begatten sich, 

halt an vXt] werden sie von Libido erftillt, begat- und Nemrael gebiert das erste Menschenpaar, 

ten sich und setzen Damonenkinder — wiederum Adam und Eva. Die Zweiheit der Geschlechter, 

fiinf Gattungen zu je zwei Geschlechtern (s. o. die die Damonen dem Menschen vererben, und 

S. 250, 7) — in die Welt. der mit ihr verbundene Fortpflanzungstrieb soil 

Unterdessen trifft der Dritte Gesandte weitere die dauernde Fesselung der ,Seele* an das ,Fleisch', 

Mafinahmen fiir die Lichtbefreiung. Er beruft den sozusagen mikrokosmischen Aspekt der Hyle, 

die ,Saule der Herrlichkeit, den voUkommenen gewahrleisten und sie damit dem Lichtreich immer 
Mann', an der die befreiten Lichtteile zu den Licht- 30 mehr entfremden: . . . dvadQaf^siv f^sv av'&ig amrjv 

schiffen aufsteigen soUen; er beauftragt den schon ov?c scovrsg (sc. oi aQxovxsg)^ si ds Kal dvadQdf^oif 

der zweiten Berufung angehorigen GroBen Bau- dva^lav djioqpalveo'&ai rwv avco, fMfiiaof^evrjv oaQm, 

meister, die Erbauung des Neuen Aeons, der ihnen oyg ddvvazov elvai navtri r(p dya'&<p xr^v na^ iav- 

zum Aufenthaltsort bestimmt ist, nunmehr auszu- rov yjvx'rjv oXoTihjQov duxowoaod'aiy xaig fjLrjxcLvaXg 

fiihren; vor allem aber setzt er Sonne und Mond, twv dgxcvzoiv tfjg vlrjg ^rxco/^evrjv Tit. Bostr. IH 

die beiden ,Lichtschiffe', in Bewegung und weist 6 p. 68, 31 — 34. 

ihnen ihre Funktion an: sie soUen die in der Welt f) JesusundderiV^ovff. Die Hoffnungen 

verstreuten Lichtteile auslautern — wie man sich der Hyle fwerden aber zuschanden. Aus dem 

das konkret vorzustellen hat, ist nicht ganz klar — Lichtreich steigt Jesus der Glanz (s. Mani-Fund 
und ihre Beforderung in das Lichtreich bewerk- 40 67f .) herab, weckt Adam aus dem ,Todesschlaf* 

stelligen: der Mond iibernimmt sie von der Saule (Theodor 130, 24) und bringt ihn zur Erkenntnis 

der Herrlichkeit und bringt sie zur Sonne, in der seiner Lage: er belehrt ihn fiber seine gottliche 

sie dann den Eest der Keise zuriicklegen. Die mit Herkunft und zeigt ihm, wie seine — Adams, s. u. 

dieser Zweckbestimmung der ,Lichtschiffe* ver- S. 258, 62 — ,Seele* eins ist mit der gottlichen 

bundene Erklarung der Mondphasen ist einer der Lichtsubstanz, die in der ganzen Welt in der Ver- 

Punkte, denen gegentiber die antimanichaische mischung mit der Hyle leidet. ,Da schrie Adam 

Polemik ihre leichtesten Triumphe feiern konnte: auf (conj. Schaeder Studien 347) und weinte 

jioot] ds Kol r\ TisQi rovro dXXo^wrla, sagt Simpli- und erhob machtig seine Stimme wie ein briillen- 

cius 72, 9 — 12, TO . . . ?cai to (pcog rfjg osXi^vrjg ovh der Lowe, er raufte sein Haar und schlug sich die 
djio rov rjXlov vof^tCsiv, dXXd yjvxdg slvai, dg ^:7i6 50Brust und rief: „Wehe, wehe tiber den Schopfer 

vovf^rjvlag scog jiavosXrjvov dnb tfjg y^g dvaoncboa, meines Korpers und iiber den FeBler meiner Seele 

0710 navGsXrivov TzdXiv scog vovfA,rjviag slg rov rjXtov und iiber die Rebellen, die mich geknechtet 

fjisxayyiCsL', vgl. Alex. Lye. 6, 25—7, 6. Acta habeni" * (Theodor 131, 4—7). 

Arch. 13, 4 — 8. Tit. Bostr. I 40 p. 25, 4. Epiph. Was Jesus im Mythus an Adam vollbracht hat, 

haer. LXVI 9, 8 (HI 30, 17 — 20 HoU). An- das voUbringt hie et nunc der Novg als seine 

dreas-Henning Mir. Man. I 187 mit n. 4; ,Emanation* (s. Mani-Fund 68ff.). Der Novg ist 

iibrigens wird Alexanders Frage 31, 7 — 11: oxs es, auf den die Religionsstiftungen zuruckgehen; 

xoivvv dno xfjg navosXrjvov 7] osXr\vri (jisiovxai, er ist ,der Vater aller Apostel*, durch deren Lehre 

{57) dnoxcoQi^oiAsvT] dvva/Liig xbv xQ^vov xovxov er in den Menschen eingeht: er ,bekleidet* die 
710V fisvsi, so)g dv Ksvwd'eloa rj asXrjvYj xcbv uiqo- 60 fiinf Glieder der Seele d. h. die Elemente Luft, 

xsQOiv yjvxcov . . . bsvxsQav ndXiv ds^rjxat dnoi^clav, Wind, Licht, Wasser, Feuer mit seinen eigenen 

beantwortet durch die schon vom lateinischen Gliedern 

Ubersetzer miBverstandene Stelle Acta Arch. 13, vovg, swoia, (pQovrjoig, sv&v/yirjoig, XoyiofjLog, 

9 — 12 xfjg o^v GsXrjvYig ^sxadtdovorjg (das Praes. aus denen weiterhin die fiinf ,Tugenden* entstehen: 

ist zu beachten) xov yofxov xcbv yjvxcbv xolg aicbai Liebe {dydnrj), Glaube, VoUendung, Geduld, 

xov naxQog, 7iaQa{A,svovGiv (TisQifx, suspicor) sv xco Weisheit 

oxvXcp xfjg do^rjg, og Holslxai diy)r\Q 6 xsXsiog, (arabische, sogdische, chinesische, tiirkische Be- 

e) Erschaffung des Menschen. In lege bei Waldschmidt-Lentz Dogm. 574; 



257 Manichaismus Manichaismus 258 

koptisch z. B. Keph. 97, 20 — 21). Durch diese so bei den chinesischen — nimmt Jesus nicht nur 

,Gabeii* wird die Seele in den Stand gesetzt, den am kosmisch-physischen Erlosungswerk teil, son- 

Anfechtungen des Fleisches zu widerstehen und dern verdrangt den Dritten Gesandten vollstandig. 

den Kampf gegen die Rebellionsversuche der Bei Augustin kommt der Dritte Gesandte tiber- 

jSunde' aufzunehmen. Auf die mit den ,Gaben' haupt nicht vor: an seiner Stelle steht stets 

ausgestattete Seele und ihren Gegenspieler, das Chri st us; nur bei Euodius de fide 17 p. 958, 1 

oib^ia ifjg d/uaQzlag mit seinen Lastern, tibertrug wird einmal beilaufig dei tertius legatus genannt. 

M. das paulinische Bild vom Neuen und Alten — Eine von alien andern Quellen abweichende 

Menschen (Col. 3, 9 — 10 und besonders Eph. 4, Darstellung des Erlosungswerks findet sich in den 
22 — 24 . , . avaveovo'&ac ds rep ozvevfAan xov voogl^ Acta Arch. 12, 7ff. Der Erloser ist hier Gottes 

viAwv . . .). Den ,Kampf des Neuen mit dem Alten Sohn; die Ausdrticke, die in bezug auf ihn ge- 

Menschen* findet man im Chinesischen Traktat braucht werden, zeigen, daB darunter Jesus zu 

schematisch ausgefiihrt: Chavannes-Pel- verstehen ist. Er vollzieht die ocorrjQia durch eine 

Hot Journ. as. 1911, 546ff. f^rjxavrj exovoa dcoSsKa xabovg (vgl. Schlier 

Durch den Novg wird der Seele das ,Bewufit- ReLgesch. Unters. z. d. Ign.-Briefen 11 Off.), eine 

sein' ihrer selbst wiedergegeben, das durch die Schopfmaschine, fjxig vno tfjg ocpatQag orQsq)OfA,€V7] 

Vermischung eingeschlafert worden war: das syr. dvifAdrm rcov d^vriOTcorvcDv tag yjvxdg und sie zu 

hauna an der o. S. 252, 38 zitierten Stelle Theodor den ,Lichtschiffen' befordert. Die Lichtjungfrau 

127, 27f. (,das BewuBtsein der fiinf glanzenden und die Verfiihrung der Archonten kommt auch 
Gotter wurde fortgenommen') bezeichnet zugleich 20 hier vor (13, 14ff.), aber in ganz andrem Zusam- 

die erste der fiinf Verstandeskrafte = vovg. Es menhang: der Mythus dient hier zur Erklarung 

muB daher geniigen, die Seele ,wachzurutteln' des Todes der Menschen. Der Dritte Gesandte 

(Theodor 130, 28), um sie bereit zu finden, die mit seinen zwolf Jungfrauen, die hier als ol deb- 

Belehrung iiber die Widernatiirlichkeit, aber auch ds^ca Kv^eQvfjxat erscheinen (21, 11), tritt voUig 

iiber den Grund und den Sinn ihres gegenwar- unvermittelt erst bei der Schilderung des Welt- 

tigen Zustands anzunehmen. M.s Lehre appelliert endes auf, ohne daB sich erkennen lieBe, welche 

an das natiirliche Empfinden der Seele, kraft I'unktion er neben Jesus noch zu erfiillen hat.] 

dessen sie den von ihm gezeigten Weg zur Er- Durch den erretteten Urmenschen ist der den 

iosung eben als den richtigen, ihrer Natur ent- Lichtelementen von Haus aus eigene vovg im An- 
sprechenden erkennen m u B. Wesson natiirliches 30 fangsstadium der Vermischung in Sicherheit ge- 

Empfinden so weit erstorben ist, daB er diese Er- bracht worden (s. o. S. 253, 11); durch Jesus wird 

kenntnis nicht mehr aufbringen kann oder will, er ihnen wieder zugeftihrt. Daraus erklart sich zu- 

dem ist nicht zu helfen: er muB verloren gegeben nachst die enge Verbindung, ja sogar voile Iden- 

werden. [Den Ausdruck ,wollen', den ich eben titat (so der persische Hymnus S 9, bearb. von 

gebraucht habe, hat M. selbst sich einmal an einer H e n n i n g GGN 1932, 214ff.), in der ein groBer 

von Aug. c. Folic. II 5 p. 832, 26 zitierten Stelle Teil der tJberlieferung Jesus und den Urmenschen 

aus dem Thesaurus entschltipfen lassen: qui . . . erscheinen laBt: bei Augustin wird Jesus mehr- 

legem sibi a suo liberatore datam servare plenius fach als ,Sohn' des Urmenschen bezeichnet (Stel- 

noluerint. In M.s Sinne beruht dieses nolle len bei B a u r 210; freilich konnte diese Bezeich- 
aber trotzdem nicht auf liberum arhitriumj wor- 40 nung auch erst aus der gleich zu besprechenden 

auf Augustin ihn festlegen will, sondern auf Ent- Lehre vom Jesus patibilis abstrahiert sein); in 

artung inf olge der Vermischung, die eben die den koptischen Texten ist der M o n d bald das 

Fahigkeit zum 'velle erstickt hat.] ,Schiff' des Urmenschen und bald Jesu; der Neue 

[In Gotterlisten und Hymnen zeigt sich mehr- Aeon steht in naher Beziehung zu Jesus, der in 

fach das Bestreben, die soteriologischen Gott- persischen und parthischen Hymnen geradezu 

heiten (die ,dritte Berufung*) so zu gruppieren, ,Neuer Aeon* genannt wird (s. Museon XL VI 

daB der Dritte Gesandte und Jesus als ihre Fiih- 259f .), — anderseits ist der Urmensch ,der Konig 

rer nebeneinander geordnet werden und beide eine des Neuen Aeons* (Man. Hom. 41, 20 m. Anm.); 

gleiche Anzahl von Hilf sgottheiten erhalten (s. die L i c h t j u n g f r a u ist die Begleiterin Jesu, 
Mani-Fund 69 n. 2. Mus6on XLVI 254). Der 50 in den koptischen Texten (z. B. Keph. 84, 18f. 

Grund dafur ist in der Zweiheit der ,Lichtschiffe' und oft in den Hymnen) ist sie aber auch die 

zu suchen, die eine entsprechende Zweiheit der in ,Seele' (ah einer Stelle speziell das Element 

ihnen wohnenden und von ihnen aus das Er- ,Feuer*), mit der der Urmensch die Damonen 

losungswerk leitenden Gotter zu verlangen schien. kodert, usw. — Ferner erklart sich daraus die 

Der Dritte Gesandte erhielt die Sonne und Jesus Vorstellung vom Jesus patibilis, die Deutung des 

den Mond. Um die gleiche Anzahl von Hilfsgott- gekreuzigten Jesus auf die in der Hyle gefesselte 

heiten herauszubekommen, wurde von den zwolf Seele (s. Baur 71 — 77. 211. 395 [seit Cumont 

Jungfrauen des Dritten Gesandten die urspriing- Rech. 48 ist es ublich geworden, Theodor 130, 31 

lich mit ihnen identische ,Lichtjungfrau', die 2o- — 131, 3 als locus classicus fiir diese Lehre zu 
(pla, abgespaltet (s. Mani-Fund 68) und Jesu und 60 zitieren. Mir scheint es notig, das Poss.-Suffix in 

dem Monde zugeteilt. Es ergeben sich auf diese napseh ,seine Seele' 130, 31 nicht auf Jesus son- 

Weise zwei parallele Reihen, ,dritte Berufung a dern auf Adam zu beziehen, da nur so Adams 

und b*: Schmerzausbrueh 131, 4fE. verstandlich wird]): 

durch diese Deutung wird die Wesenseinheit, die 
die Elemente mit dem Urmenschen verbindet, 
auch mit Jesus hergestellt. Im iibrigen ist es ein 
ausgesprochen ,gnostischer* Zug der manichaischen 

Bei den nordafrikanischen M.ern — und eben- Christologie, dafi sie das Leiden Jesu seiner Ge- 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI ^ 



a 


b 


Dritter Gesandter 


Jesus 


zwolf Jungfrauen 


Lichtjungfrau 


Saule der Herrlichkeit 


Novg. 



259 MaEichaisiEus Manichaismus 260 

schichtlichkeit entkleidet und in ein Symbol fur M,ismus schon aus diesem Grunde keine Stellej 

das Mythologumenon von der vermischten Licht- wohl aber die Beichte, die eben der Bekundung 

seele verwandelt (s. B o u s s e t Art. Gnosis der f^oerdvoia und zugleich der erneuten Belehrung 

Bd. VII S. 1525, 441.); bei Alex. Lye. 7, 17—19 dient, s. Bang Manich. Laien-Beichtspiegel Mu- 

scheint jedoch Geschichtlichkeit und symbolische seen XXXVI 1923, 137 — 242. — Unvergebbar wenn 

Deutung verbunden zu sein: der Xqiotoq -== Novg auch eigentlich nicht schuldhaft (s. o. S. 257, 39) 

sei nach VoUbringung seines Erlosungswerks ist nur die eine geistige Siinde: sich der Beleh- 

schlieBlich gekreuzigt worden und naQaoxeod'ai rung des Novg zu verschliefien, [xrj yvcovac xijv 

yvmoiv xoLcods hqojcco koI rrjv dvvafiiv xrjv d'siav aXrj'&sLav (Acta Arch. 18, 10), die yvcboig xov 
evYjQfAood'ai, sveoravQcoo'd'ai xfj vXrj, Fiir M. selbst \^ naQaKXrjxov (ebd. 19, 4. 45, 12) nicht anzunehmen, 

ist der Jesus patibilis nicht mit Sicherheit in An- f^rj Uystv dvo aQxag slvai xcov ndvxwv (Simplicius 

spruch zu nehmen. 71, 1): diesen Seelen, die in dem Mafie deterio- 

g) Erlosung und Verdammnis, riert und der Hyle assimiliert sind (s. o. S. 252, 34), 
SiindeundSiindenvergebung. Erlosung daB sie uberhaupt nicht mehr .zur Erkenntnis 
bedeutet nichts weiter als die Rtickkehr der Seele ihrer selbst d. h. ihrer gottlichen Natur zu ge- 
in ihre gottliche Heimat, ,ihre erste (urspriing- langen vermogen, bleibt die Erlosung versagtj 
liche) ovola^'j geistlos spottet Tit. Bostr. I 37 sie wandern von Korper zu Korper und werden 
p. 23, 28 — 30 }cal xovxo ys soxlv rj uiaQ' avxotg schlieBlich am Ende der Tage mit der besiegten 
E%uii!^oiA,evYi 0(0X7] Qia xai (AaKaQLoxYjg, x6 dnodo'&fjval Finsternis in den ^wXog, das ewige Gefangnis (s» 
ys xcD '&€,^ x6 olxsiov avxov. Wie schnell der Ein- 20Museon XL VI 260 n. 13) gefesselt. Von den zahl- 
zelne dieses Ziel erreicht, hangt davon ab, in wel- reichen gegnerischen Einwanden gegen diese 
chem Grade er die ,Trennung der beiden Naturen* Lehre durfte auf M.er hochstens der des Simpli- 
(s.o.S. 247, 38) fiir sich selbst durchzufiihrenvermag. cius 71, 4f. Eindruck gemacht haben, dafi Gott 
Je nachdem zerfallen die Glaubigen in zwei Klas- nach erfolgter Apokatastasis unvoUstandig (ari- 
sen : die EKleKXoi-electij die die strikte Befolgung krig) bleiben miisse, weil ^£^?y avxov dnolsoag, 
aller Vorschriften auf sich nehmen: diesen wird h) Das Schicksal der Seele nach 
die Erlosung gleich nach ihrem Tode zuteil; und dem T o d e wird in versehiedenen Ausgestaltun- 
die Haxf]xovfA,evoi-auditores, die vom Fleisch nicht gen dargestellt, zu deren Verstandnis es zweck- 
vollig loskonnen, aber die Lehre annehmen und maBig ist, von dem zugrunde liegenden Begriff 
ftir den Lebensunterhalt der Electi sorgen: auch SOauszugehen: der Aufstieg der Seele ins Lichtreich 
ihnen steht die Erlosung in fester Aussicht, je- hat zur Voraussetzung, daB ihr ,Sundlosigkeit' zu- 
doch haben sie zunachst eine Seelenwanderung erkannt werden kann. Der von M. hierfiir ge- 
{fAsxayyiofA,6g) durchzumachen und nach dem Ta- brauchte aramaische Ausdruck (zum Folgenden 
lionsprinzip ihre Siinden bzw. UnvoUkommen- s. Mani-Fund 72f.) war %akuta', der Stamm be- 
heiten solange zu buBen, bis ihre Seele in den deutet ,rein sein*, ,frei von Schuld sein*, ,fur 
Korper eines Electus eingeht. schuldlos erklart werden', ,vor Gericht obsiegen*^ 

Die Siinde ist die natiirliche Funktion und schlieBlich ,siegen' iiberhaupt, das Subst, ^akuta 

eigentliche Manifestation der Hyle. Die Seele als kann sogar ganz konkret den ,Siegespreis' bedeu- 

reine Substanz, d. h. ohne mit dem vovg gewapp- ten. Aus diesen Moglichkeiten ergeben sich zwei 
net zu sein, ist gegen den Korper und damit 40Symbolisierungen: (A) Die Seele tritt zusammen 

gegen die Siinde von vornherein voUig machtlos; mit dem Alten Menschen vor den ,GroBen Richter' 

sie kann nur dann Widerstand leisten, wenn sie var. ,Richter der Wahrheit' (nach der Gottergenea- 

im Besitze des vovg ist. Das Streben des Korper s logic Mani-Fund 74 ist er eine Emanation Jesu), 

ist demnach darauf gerichtet, der Seele diese von dessen Richterstuhl drei W«ge (Keph. 83, 

Wafe aus der Hand zu schlagen, ihr das ,BewuBt- 6 — 8. Fihrist 71, 9) ausgehen: der eine fiihrt zum 

sein* zu rauben, sie ,vergessen* zu machen, — also ,Leben* (Erlosung), der zweite zur ,Vermischung* 

das Drama der urzeitlichen Vermischung zu er- (Fortdauer der Vermischung mit der Finsternis 

neuern. Eben das wird aber durch die Religion unter Aussicht auf spatere Erlosung), der dritte 

und ihre Einrichtungen verhindert: durch Kate- zum ,Tode* (ewige Verdammnis). Die Seele des 
chese, Liturgie und Observanzen wird die Seele 50 Vollkommenen wird ,fiir schuldlos erklart', der 

standig bei ,BewuBtsein* gehalten, und wenn sie Neue Mensch ,obsiegt* iiber den Alten Menschen 

doch einmal ,vergiBt*, so steht die Kirche bereit, und geht den Weg des Lebens. — (B) Der Seele 

sie wieder zur Besinnung zu bringen. — des Vollkommenen tritt, wenn sie den Korper ver- 

Wie im urzeitlichen Kampf die Vermischung lassen hat, die ,Lichtgestalt' entgegen, d. i. ihr 

der beiden Naturen ohne Schuld des Lichts erfolgt ,zweites Selbst*, ihre verkorperte Frommigkeit 

ist, so ist auch die menschliche Seele fiir die [zum Folgenden s. Museon XL VI 1933, 270f.]. 

fleischlichen Siinden, zu denen der Korper sie Die Lichtgestalt, die nach der obenerwahnten Ge- 

treibt, nicht verantwortlich zu machen; wird sie nealogie eine Emanation des liichi-Novg ist (das 

sich der begangenen Siinde bewuBt, kehrt sie — bedeutet, daB die Bildung des ,zweiten Selbst* 
unter der belehrenden Einwirkung der Geistlich- 60 eine Wirkung des Novg ist), tragi die Ziige eines 

keit, die den Novg auf Erden vertritt — reumiitig der drei Bringer der Erkenntnis, Jesu oder des 

zur Erkenntnis ihrer Herkunft und Bestimmung Novg oder Mani's; sie hat drei Engel bei sich, die 

zuriick, so ist auch ihr Recht auf Heimkehr ins die Insignien des ,Sieges* — Siegespreis (^Qa- 

Lichtreich wiederhergestellt. Durch eine Siinde, §e2ov, zakuta indirekt durch das in dieser Bedeu- 

welcher fAexdvova folgt, wird dieses Recht nicht tung dem Arabischen fremiie xakah Fihrist 70, 1. 

verwirkt sondern nur suspendiert: die verdiente 6 bezeugt), Kleid und Krone — tragen und diese 

Strafe besteht lediglich in der Verzogerung der der Seele iiberreichen. Mit diesen Insignien an- 

Erlosung. Eine kirchliche BuBdisziplin hat im getan wird sie von der Lichtgestalt die Saule der 



261 Mamchaismug Manichaismus 262 

Herrlichkeit hinaufgeleitet. Dann geht es mit dem ist bisher nicht gefunden — 1468 Jahre: Schapu- 

Mond weiter zur Sonne — wer das Ungliick hat, rakan MiiUer Hss.-Reste II 19 und die Araber 

nach VoUmond auf der Spitze der Saule anzu- Fihrist 58, 4 == Schahrastani 192, 1 == alMur- 

kommen, findet das Mondschiff abgefahren und tada bei K e B 1 e r Mani 348, 4 v. u.). Die bei 

muB bis zu 14 Tagen warten (s. o. S. 255,64) — nnd Ausbruch des Brandes in der "Welt noch vorhan- 

die Sonne schlieBlich bringt die Seele in den Neuen denen Lichtteile, durch die in ihnen wirkende 

Aeon zur ewigen Seligkeit. (Im Fihrist ist die 'Ev&v^riOLg des Lebens (s. o. S. 254, 4) zu zweck- 

,Liehtgestalt' gespalten: hier steht neben dem maBigem Handeln angeleitet, sammeln sich, for- 

jGeleitenden Weisen' und seinen drei Engeln mieren sich zur ,letzten Statue* (s. Mani-Fund 79) 
noch eine ,Jungfrau' als verkorperte Frommig- 10 und steigen zum Lichtreich auf. 

keit; im Eoptischen [Mani-Fund 73. Man. Horn. 6] Auf das Griindlichste wird die Unschadlich- 

werden beide Darstellungen — Gericht vor dem machung der Hyle besorgt. AuBer der Abschei- 

GroBen Richter und Uberreichung des Siegesprei- dung vom Licht (s. o. S. 252, 40) und auBer der 

ses usw. durch die Lichtgestalt ^ kombiniert: Verbrennung werden noch weitere MaBnahmen ge- 

das muBte in alien Sprachen naheliegen, die nicht troHen, denen gegentiber sich allerdings die Frage 

wie das Aramaische fiir die ganze Begriffsreihe aufdrangt, ob sie notwendig erst durch die Ver- 

von ,Schuldlosigkeit' bis ,Siegespreis' ein Wort mischung vorbereitet werden muBten. Die Hyle 

haben). wird eingekerkert; damit aber nicht genug, wer- 

DieseSchilderungenbezogen sich auf die Electi. den die beiden Geschlechter, die samt der durch 
Den beiden anderen Klassen von Seelen ergeht es 20 ihr Vorhandensein bedingten sm'&v^la und '^doi^i^ 

entsprechend: die UnvoUkommenen, die Katechu- ein so wesentliches Charakteristikum der Hyle im 

menen, miissen den Weg der ,Vermischung' gehen, Urzustande war en (s. o. S. 250, 9), voneinander ab- 

die Sunder den des ,Todes' oder der ,Holle'. Fiir gesondert, so daB eine weitere Vermischung und 

die Einzelheiten der Ausgestaltung kann auf den Fortpflanzung nicht mehr erfolgen kann: das 

Fihrist 70, 12 — 71, 9 verwiesen werden. Mannliche wird in den ^coXog, das Weibliche in 

i)Weltende und Apokatastasis. das ,Grab* gesperrt (Keph. 105, 32f.; andere Texte 

Wenn durch die Tatigkeit von Sonne und Mond erwahnen die Trennung der Geschlechter nicht 

und durch die Wirkung des Novg die Auslaute- und reden entweder nur vom ^coXog oder nur vom 

rung des Lichts einen gewissen Grad erreicht hat, ,Grab': so Fihrist 58, 7. Ephraem bei Jackson 
wird das Ende der Welt herbeigefiihrt. Wann das 30 Res. 284f., wohl auch Man. Hom. 41, 6f.). SchlieB- 

zu erwarten ist, hat M., soweit bekannt, nicht ge- lich wird, um ein etwaiges Entweichen unbedingt 

sagt; nach Keph. c. 147 (s. Mani-Fund 23) scheint zu verhindern, das ,Grab* mit einem riesigen Stein 

er allzu bestimmte Voraussagen uber zukiinftige verschlossen (Fihrist a. 0.). 

Ereignisse iiberhaupt grundsatzlich vermieden zu 5. Gemeindeordnung, Ethik und 

haben. Erst im spateren M.ismus sind Spekula- K u 1 1 u s. Die Einteilung der manichaischen 

tionen in dieser Richtung angestellt worden: Glaubigen in Electi und Katechumenen ist bereits 

Schahrastani 192, 13ff. berichtet von einem aQxv oben erwahnt. Sie ergibt sich zwangslaufig aus 

yog namens Abu Sa'id, der im J. 271 d. H. = der Spannung zwischen der konsequenten religio- 

A. D. 884/85 die Gesamtdauer der ,Vermischung* sen Forderung einerseits und der Schwache des 
auf 12 000 Jahre, von denen 11 700 bereits ver- 40 Fleisches andererseits; ihre Herleitung aus dem 

gangen seien, angegeben habe. Buddhismus, die seit B a u r immer wieder ver- 

Fiir die Schilderung der Endzeit entnahm M. sucht wird, ist daher uberfltissig. 

das Material dem Neuen Testament: der ,synopti- Neben dieser Einteilung nach der religiosen 

schen Apokalypse* Mt. 24. Mc. 13. Lc. 21 (ver- Vollkommenheit steht eine Gliederung nach dem 

arbeitet in dem koptischen ,Sermon vom GroBen Rang in der Hierarchie. Der ,Fuhrer (aQxriyogY 

Krieg* Man. Hom. 7ff.) und namentlich dem der manichaischen Kirche, der jeweilige Nachfol- 

jJiingsten Gericht' Mt. 25, 31 — 46 (Mil Her ger M.s, steht auBerhalb der eigentlichen hier- 

Hss.-Reste II 11 — -15. Man. Hom. 32ff.). Das be- archischen Rangordnung, die folgende ftinf Stufen 

vorstehende Weltende ktindigt sich durch die Pa- umfaBt: (1) diddo^caXoi, (2) kntoHOJioi, (3) uiqso^v- 
rusie Jesu an. Jesus wird als ,GroBer Konig' 50 reQor, diese drei ' Stufen sind ihrem religiosen 

einige Zeit unter der Menschheit herr schen, die Grad nach Electi; ihnen folgen (4) die sTcls^ixo^ die 

infolge der immer weiter um sich greifenden Er- nicht Amtstrager in der Kirche sind, und (5) die 

kenntnis mittlerweile vorwiegend aus M.ern be- Masse der p<;aT^;^;oV|W£ra«; tiber diese Rangordnung 

steht; er wird seinen Richterstuhl inmitten der und namentlich iiber die zweite Stufe s. Schae- 

oi7tov[A,evrj errichten und die Bocke von den Scha- der Iranica llff. Frauen sind von den kirch- 

fen sondern: zur Rechten werden die Katechu- lichen Amtern, aber nicht vom Electus-Grade aus- 

menen stehen und den ,Sieg' empfangen, zur Lin- geschlossen. 

ken die Sunder; die Electi werden zu Engeln ver- Der Grundgedanke der manichaischen Ethik, 

klart. Dann kehrt Jesus ins Lichtreich zuriick und soweit sie die praktische Lebensfiihrung betrifft 
gibt damit das Zeichen zur Auflosung. Die Gotter, 60 (s. o. S. 247, 38ff.), auBert sich wesentlich in ne- 

die den Bau der Welt zusammenhalten, die Saule gativer Form, in der Forderung, alles zu vermei- 

der Herrlichkeit und die ftinf Sohne des Leben- den, was das im Menschen und in der Welt ent- 

digen Geistes, verlassen ihre Platze und begeben haltene Licht schadigen konnte. Dazu gehort 

sich ebenfalls zur Hohe; der gesamte Kosmos einerseits die Fleischeslust (s. o. S. 256, 24ff.) 

stiirzt in sich zusammen; ein ungeheures Feuer und alles was zu ihrer Erregung geeignet ist, 

bricht aus und vernichtet die Welt, die nun ihre andererseits alles ,Qualen* und ,Schadigen* der 

Bestimmung erftillt hat (die Dauer des Brandes Natur. Strikt verboten ist dem Electus also zu- 

betragt — eine Erklarung fiir die sonderbare Zahl nachst der Geschlechtsverkehr und der GenuB von 



263 Manichaismus Manichaismus 264 

Fleisch und Wein (erlaubt sind dagegen frische alMurtada 349, 9ff.; von einer ausfiihrlichen per- 

Weintrauben und — offenbar unvergorener — sischen Aufzahlung ist leider nur ein kleines 

ApMsaft s. Lagarde Mitteilungen III 47f.). Sttick erhalten: Andreas-Henning Mir. 

Der Begriff des ,Qualens' ist in der Theorie aufier- Man. II 296f .) : verboten wird u. a. der Gotzen- 

ordentlich weit: er umfaBt nicht nur die MiB- dienst, das Ltigen, der Geiz [vermutlich beim 

handlung der Tiere, das AusreiBen der Pflanzen, ,Almosen'abliefern an die Electi], das Toten, die 

das Verunreinigen des Wassers u. dgl., sondern Unzucht, der Diebstahl, die Zauberei; Schahra- 

auch si tig nsQmaxsl xafxai, ^Xanxei rr}v yfjv Kal stani 192, 8 ftihrt auch die Goldene Regel auf. 

6 Hivobv r7}v xelQa ^Xdmsi xov ds^a, weil die Luft tJber das ganze tTberlieferungsgebiet verbreitet 
die Seele aller Lebewesen ist [vgl. Fihrist 62, 13 10 ist die Reihe der ,drei Siegel*: tria signacula . . . 

,und die Luft ist das Leben der Welt*], Acta Arch. oris et manuum et sinus, vgl. die ausftihrliche Dar- 

17, 9f. Da auch vegetarische Nahrung nicht ohne stellung bei Baur 248fE. Os, manus und sinus 

solches jQualen* gewonnen und genossen werden sind die drei Korperregionen, die durch die Ge- 

kann, wiirde die konsequente Durchftihrung die- bote und Verbote ,versiegelt' und damit gegen die 

ser Grundsatze fiir die Electi den Hungertod zur hylischen Machte gesichert sind (der Begriff 

Pflicht machen und sie damit ihren Aufgaben auf ,Tabu' ist in diesem Zusammenhang schlechter- 

dem Gebiete der Lehre und Kirche entreifien. Um dings nicht am Platze; Waldschmidt- 

sie fiir diese Aufgaben zu erhalten, wird die Be- L e n t z Dogm. 589 versuchen vergebens, B o u s - 

schaffung und Zubereitung der Nahrung den set gegen Bang Museon XXXVI 230f . in 
ohnehin immer wieder in die Siinde zurtickfallen- 20 Schutz zu nehmen). — Anderes, wie die ,vier 

den Katechumenen iibertragen (die im Dienste (Eigentums)zeichen* (zuletzt Waldschmidt- 

der Electi begangenen ,Siinden' werden aber L e n t z Dogm. 527fl. Andreas-Henning 

sofort vergeben), und weiterhin die Hilfskon- Mir. Man. II 309 mit n. 3), kann hier beiseite 

struktion eingefiihrt, da6 der Durchgang durch bleiben. 

den reinen Leib eines Electus fiir die von ihm Die Hauptformen des Kultus sind Gebet und 

verzehrten Vegetabilien keine ,Schadigung' son- Fasten. Nach dem Fihrist 64, 15ff. sind taglich 

dern im Gegenteil Lauterung bedeute. — Im ,vier oder sieben' Gebete vorgeschrieben; weiter- 

iibrigen haben die Electi der Welt ganzlich zu hin (65,15ff.) erwahnt er aber nur vier und das- 

entsagen und ausschlieBlich der Religion zu leben; selbe tut Schahrastani 192, 6. Fihrist 64 apuif. 
sie diirfen keinen festen Wohnsitz haben, sondern 30 werden einige Stiicke im Wortlaut mitgeteilt, von 

miissen standig predigend in der Welt umher- denen Fliigel Mani 310 n. 241 mit Recht be- 

Ziehen; sie sind zur Armut verpflichtet und diir- merkt, sie seien ,mehr Hymnen oder Lobgesange 

fen nicht mehr besitzen als Nahrung fiir einen als Gebete*: es sind Doxologien auf Mani, den 

Tag und Kleidung fiir ein Jahr (alBiruni Chro- Vater der GroBe, die lichten Gottheiten im all- 

nol. 208, 1. alMurtada 349, 8, vgl. M tiller gemeinen und die fiinf Sohne des Urmenschen im 

Hss.-Reste II 33) ; sie haben tagelanges Fasten zu besonderen. 

tiben (muuasalat assaum alBiruni ebd.; zu diesem "Qber die Fastenordnung unterrichtet wieder- 

arab. Ausdruck s. Schaeder Iranica 21 n. 2). um am eingehendsten der Fihrist 65uff.; hier 

Das Verhaltnis der Electi und der Katechume- geniigt es zu erwahnen, daB nach 64, 5 allmonat- 
nen ist also dahin zu bestimmen, daB nur jene 40 lich sieben Tage gefastet wird; wie diese sieben 

die eigentlichen M.er sind und diese lediglich Tage sich auf den Monat verteilen, ist nicht ganz 

einer notwendigen Konzession an die hylischen klar. 

Bedingungen der menschlichen Existenz ihre Zu- Yon besonderen Festen ist das des JB^^aa am 

gehorigkeit zur manichaischen Kirche verdanken. bekanntesten. Nach Aug. c. Ep. fund. 8 p. 202, llff. 

Sie sind Anhanger der manichaischen Theorie, wurdeeszurErinnerunganM.sTodgefeiert; esfiel 

ohne die praktischen Konsequenzen auf sich neh- zeitlich ungefahr mit dem Osterfest zusammen 

men zu miissen. Was strikt von ihnen verlangt und wurde als dessen manichaische Entsprechung 

wird, sind die ,Almosen' fiir die Electi; sonst betrachtet. Eine groBere Anzahl von Hymnen auf 

leben sie in der Welt, gehen ihren Geschaften das Bfj/m enthalt das koptische Hymnenbuch; 
nach, haben Frauen (nur miissen sie sich auf 50 nach ihnen werden Augustins Angaben iiber den 

eine Frau beschranken, alBiruni Chronol. 208, Sinn dieses Festes zu modifizieren oder minde- 

4), zeugen Kinder, trinken Wein und essen Fleisch stens zu erweitern sein. — Sieben jahrliche Fest- 

(nur diirfen sie nicht selbst schlachten). — ,Die tage zur Erinnerung an die friiheren dQxrjyoi hat 

Electi [widmen sich] ihren kvxoXai, die Katechu- Schaeder Iranica 22ff. ermittelt. 

menen ihren Almosen', Man. Hom. 30, 24f.: diese In der Frage der manichaischen Sakramente 

Worte aus einer Schilderung des idealen Ge- ist immer noch nicht wesentlich iiber Baur 

meindelebens kennzeichnen den Sachverhalt mit 273 — 280 hinauszukommen. Eine Wassertaufe 

uniibertrefflicher Pragnanz. haben die M.er zweifellos nicht gehabt: sie ist 

Wenig Bedeutung haben die verschiedenen eine hylische Institution, in der der ,Geist' der 
,reihenmaBigen* Formulierungen der ethischen 60 finsteren Welt des Wassers zum Ausdruck kommt 

Vorschriften. Fiir die Electi gab es fiinf Gebote, (Keph. 30); und andere Taufriten sind nicht 

die bisher nur tiirkisch und sogdisch belegt sind; bezeugt. — Eine eucharistische Feier der Electi 

ihre sprachliche Deutung ist noch nicht soweit ist durch Aug. c. Fort. 3 p. 85, 9ff. bezeugt: 

gesichert, daB sich ihre Auffiihrung lohnte: vgl. navfi et eucharistiam audivi a vobis saepe quod 

Waldschmidt-Lentz Dogm. 579ff. Zehn accipiatis; tempus autem aceipiendi cum me late- 

Verbote gab es fiir die Katechumenen; sie sind ret, quid accipiatis unde nosse potui? Vermeint- 

am voUstandigsten, aber nicht in alien Einzel- liche turkestanische Zeugnisse fiir sakramentale 

heiten klar, im Fihrist 64, 12ff. aufgefiihrt (vgl. Mahlzeiten der M.er hat Schaeder Iranica 



265 Manichaismus Manichaismus 266 

19ff. entkraftet. DaB es kultische Mahlzeiten gab, bestimmt, mit ihnen in einer Tradition zu stehen 
die formell dem christlichen Abendmahl entspra- ' und zur abschlieBenden VoUendung ihres Werks 
chen, wird freilich kaum zu bezweifeln sein (vgl. berufen zu sein (,Siegel der Propheten' alBiruni 
die TQaneCa Man. Horn. 16, 21, 28, 11; weiteres Ghronol. 207, 19. alMurtada bei KeBlerMani 
werden die Keph. lehren); damit ist aber nicht 349, 13); ein religioser Neuerer zu sein, lehnt er 
gesagt, daB es sich um Sakramente handelt. nachdrucklich ab (Man. Horn. 47, 18ff.). Keinem 
6. M. s religionsgeschichtliche andern ,Propheten' gegeniiber betonte M. jedoch 
Selbsteinordnung. M.s Aufgabe ist zu- so geflissentlich sein Nachfolgertum wie Jesu, als 
nachst die, der Wirkung des Novg in Lehre und dessen Apostel er sich bezeichnete {omnes . . . eius 
Kirche eine feste Form zu geben. Als besondere 10 epistulae ita exordiuntur: Manichaeus apostolus 
Beauftragte des Novg, als aTiootoXoi, batten schon lesu Ghristi Aug. c. Faust. XIII 4 p. 381, 4f. Tit. 
andere vor ihm gewirkt: als erster Adam, der Bostr. Ill 1 p. 67, 15 — 17. IV 3 syr. p. 129, 31. 
erste Empf anger einer gottlichen OHenbarung; Waldschmidt-Lentz Stellung Jesu 59. 
weiterhin Seth, Enosch, Henoch, Noah, Sem (s. Mani-Fund 26f.). Dafiir sind zwei miteinander 
Henning S.-Ber. Akad. Berl. 1934, 27). In In- zusammenhangende Griinde namhaft zu machen: 
dien trat Buddha auf , in Persien Zarathustra, in erstens kann es als einigermaBen sicher betrachtet 
Jerusalem Jesus. Jesu besondere Aufgabe war es, werden, daB Jesus der einzige friihere Religions- 
den jiidischen Irrglauben, den Mosaismus mit sei- stifter war, von dessen Verkiindigung M. eine 
nem v6fj,og tfjg d/j,aQrlag, zu vernichten: aber der konkrete, quellenmaBige Kenntnis besaB (was 
Irrglaube verzog sich nur aus Jerusalem nach Ba- 20 Buddha und Zarathustra anbetrifft, so schlieBe 
bylonien (s. Man. Hom. 11) und trat hier in ver- ich mich Schaeders Ausftihrungen Gnom. IX 
anderter Gestalt in Erscheinung, namlich in der 354 auch ohne die Vorbehalte Hennings S.- 
Eeligion der Magier (die in M.s Augen sich zu Ber. Akad. Berl. 1934, 27 an); zweitens sah M. 
dem von ihm anerkannten Zoroastrismus ahnlich sich im Laufe seiner Wirksamkeit veranlaBt, seine 
verhalt wie das Judentum zu den vormosaischen Verkiindigung in groBerem AusmaBe als er ur- 
Frommen des Alten Testaments). So war schon spriinglich wohl vorgesehen hatte, auf die christ- 
zu alien Zeiten und an den verschiedensten Orten lichen Missionsgebiete einzurichten: es handelte 
fiir die Verkiindigung der wahren Erkenntnis sich fur M. darum, Jesu Rechte nicht zu schma- 
Sorge getragen worden. Aber dem Wirken dieser lern und seine eigenen zu sichern: die Stellung, 
Manner fehlte die Durchschlagskraft sowohl in die 30 die Jesus im religiosen BewuBtsein der Christen 
Tief e wie in die Breite. Uber die Grenzen ihrer einnahm, nicht anzutasten, und damit sein eigenes 
jeweiligen Heimatlander hinaus batten sie sich Unterfangen, als bloBer Apostel Jesu doch mit 
nicht durchzusetzen vermocht, und soweit sie als einer neuen Lehre hervorzutreten, in Einklang zu 
Religionsstifter aufgetreten waren und Schiller bringen. Das gegebene Mittel hierfiir war der 
hinterlassen batten, war es ihnen nicht gelungen, Schriftbeweis und die Stellen, die sich M. boten, 
Tiber ihren Tod hinaus ihre Kirchen vor Verfall waren diejenigen, an denen Jesus den kunftigen 
und ihr Gedankengut vor Verfalschung zu bewah- naQaxXrixog verheiBt (Joh. 14, 16. 26. 15, 26. 
ren. Der grundlegende Unterschied M.s gegeniiber 16, 7). Die christliche Auffassung, daB diese Ver- 
seinen Vorgangern besteht in der Endgultig- heiBung bereits durch das Pfingstwunder (Act. 2, 
k e i t und in der Universalitat seiner Re- 40 4ff.; gerade die Apostelgeschichte wurde aber von 
ligionsstiftung (vgl. M.s persisch und koptisch er- den M.ern verworfen, s. Alfaric II 162ff., — 
haltenen Aufsatz liber die ,Vorziige des M.ismus*: trotzdem heiBt es Keph. 13, 8, daB der Auf- 
Andr eas-Henning Mir. Man. II 295f. Mani- erstandene seinen Jungern seinen HI. Geist ein- 
Fund 42ff.). Von der ersteren war er schlechthin gehaucht babe) erftillt sei, widerlegt z. B. Felix, 
liberzeugt; die Riicksicht auf die letztere leitete ebenso wie es die Montanisten taten (Aug. c. 
ihn sowohl beim Aufbau seiner Lehrdarstellung Faust. XXXII 17 p. 777, 22ff.), mit dem Hinweis 
wie bei der Organisation der Mission. Sie auBert auf 1. Kor. 13, 9f. (Aug. c. Felic. I 9 p. 811, 5 — 8). 
sich einerseits in dem ,bewuBten Synkretismus' — Hier ist noch kurz darzulegen, wie M.s Para- 
(die Urheberschaft an diesem Schlagwort — ge- kletentum sich in das System fiigt. Der Paraklet 
meint ist vielmehr ,Eklektizismus* — beansprucht 50 ist (nicht nur nach der Annahme der Kirchen- 
Lidzbarski OLZ 1927, 913 n. 1), den M. lehrer, wie Baur 372 versehentlich sagt, sondern) 
getibt haben will (vgl. den soeben zitierten nach dem Wortlaut von Joh. 14, 26 (d TiaQaxXr}- 
Text), andererseits in der erst von Schaeder tog, x6 nvevfxa to ayiov) der HI. Geist. Die Kon- 
(Studien 28 Iff.) in ihrem Wesen erkannten Beweg- sequenz, M. als Parakleten demnach auch ,H1. 
lichkeit der Terminologie und Nomenclatur und Geist' zu nennen, haben nicht, wie seit Baur 
ihrerAnpassungandieVorstellungswelt derKreise, behauptet wird, die christlichen Polemiker den 
an die die Mission sich wendet: vor Mazdayas- M.ern zugeschoben, sondern diese selbst haben sie 
niern bedient M. sich weitgehend zoroastrischer gezogen; den endgtiltigen Beweis liefern jetzt die 
Ausdrticke und benennt seine Gotter vielf ach mit koptischen Hymnen, z. B. nr. 223. Den c h r i s t - 
avestischen Namen, z. B. den Urmenschen als 60 1 i c h e n HI. Geist identifizierte M., wo er ihn 
Ohrmizd, den Dritten Gesandten als Narisah; vor brauchte, voUig sinngemaB mit dem Novg seines 
Christen wird Jesus starker in den Vordergrund eigentlichen Systems (s. Waldschmidt- 
geriickt (vgl. o. S. 257, 68); vor philosophisch Lentz Dogm. 518. Henning S.-Ber. Akad. 
gebildeten ,Hellenen' verschwinden die ,Gotter' Berl. 1934, 27 n. 7; gnostischer Termino- 
hinter den Begriffen, deren Trager sie sind, so logie dagegen entstammt ,H1. Geist' als Variante 
z. B. der Urmensch hinter der y^vx'^- von ,Grofier Geist' — s. o. S. 249, 51 — zur Benen- 
So ist M.s Stellung zu seinen Vorgangern, nung der praexistenten Form der Mutter der 
seinen ,Brudern', wesentlich durch das BewuBtsein Lebendigen, s. Mani-Fund 66) : ein Beispiel, in dem 



267 Manichaismus Manichaismus 268 

det HI. Geist ganz in der Funktion des Novg er- Begriffes Novg ist ein Kernsttick des manicha- 

scheint, ist die von Aug. c. Felic. I 16 p. 819, 14f. ischen Systems; dagegen bedeutet seine Person- 

zitierte Stelle aus der Ep. fundamenti pietas spi- lichkeit so wenig, dafi auch der Name Jesus wie 

ritus sancti intima pectoris vestri adperitit, ut ein beliebiger anderer ,Gotter'name ,ubersetzt' 

ipsis oculis videatis vestras animus. Wie nun der werden kann (s. o. S. 265, 54) : in persisehen Texten 

Novg tiberhaupt ,der Vater aller Apostel* ist (s. o. heiBt er ,der Gott, dessen Reich der Verstand ist*, 

S. 256, 58), so steht er als HI. Geist und Paraklet Was fur die Historie iibrig bleibt, ist ein Reli- 

— also unter der Benennung, die er bei M.s letz- gionsstifter, der mit Buddha, Zarathustra und 

tern Vorganger Jesus tragt — speziell zu M. in schlieBlieh M. selbst prinzipiell auf einer Stufe 
diesem Verhaltnis. Wie der Novg sich in den 10 steht. 

friiheren Aposteln manifestiert hat, so auch sane- M.s urspriingliche Jesus-Auffassung charakte- 

tus spiritus paracletus . . . in ipso (sc. Manichaeo) risiert sich also einer seits durch die Enthistori- 

venire dignatus est Aug. c. Ep. fund. 8 p. 201, sierung des Gottessohnes, andererseits durch die 

25f. Dieses Verhaltnis ist flir den manichaischen Entgottlichung des Religionsstifters. Die erstere 

Stil eng genug, um als Identitat dargestellt zu ist nicht M.s eigenes Werk: sie ist aus den An- 

werden: . . . superbia, mater omnium haeretico- satzen, die die paulinisch-johanneische Christo- 

rum, inpulit hominem, ut non missum se ab para- logie bot, von der Gnosis entwickelt worden und, 

cleto vellet videri, sed iia susceptum, ut ipse para- wie so manches andere, von ihr aus in M.s Ge- 

cletus mderetur, Sicut lesus Christus homo non sichtskreis getreten. Als M. in Dast-Maisan seinen 
a alio Deij id est virtute et sapientia Dei [vgl. 20 ,bewuBtenSynkretismus'betatigte, mochteerglau- 

1. Eor. 1, 24], per quam facta sunt omnia, missus jaen, mit der Stellung, die er Jesu dem Glanz im 

est, sed ita susceptus secundum catholicam Hdem, Mythusund JesuChristoinderReligionsgeschichte 

ut ipse esset Dei Hlius, id est in illo ipso Dei anwies, dem Christentum genug getan zu haben. 

sapientia sanandis peccatoribus adpareret: sic se Die Erfahrung wird ihn bald gelehrt haben, dafi 

iMe voluit ab spiritu sancto, quem Christus pro- der gnostisch-haeretische Charakter seiner Jesus- 

7msit, videri esse susceptum, ut iam cum audimus Aulfassung den Kreis der Christen, die er gewin- 

,Manichaeum\ [so zu interpungieren] spiritum nen zu konnen hoffte, in unerwiinschtem MaBe 

sanctum intellegamus ,apostolum lesu Ghristi% einengte. Durch diesen Umstand sah M. sich ge- 

id est missum a lesu Ghristo, qui eum se missu- notigt, der kirchlichen Auffassung entgegenzu- 
rnm esse promisit. Singularis audacia ista et in- 30 kommen und die schroffe Scheidung zwischen dem 

effabile sacrilegium! Aug. c. Ep. fund. 6 p; 200, ,Gott' uiid dem Religionsstifter zu mildern, in 

3fE. Wenn Tit. Bostr. IV 16 syr. p. 136, 17fE. M.s erster Linie dadurch, daB er die Gottessohnschaft 

Anspruch, der Paraklet zu sein, mit folgender des letzteren anerkannte. Der sekundare und un- 

Argumentation zuriickweist: M. an und fiir sich organische Charakter dieses Zugestandnisses zeigt 

sei, wie die M.er zugeben, ein Mensch wie andere, sich darin, daB Jesus Christus nach wie vor auBer- 

und habe den Parakleten nur em^fangen; Emp- halb des eigentlichen Systems bleibt. Wenn das 

fangender und Empfangenes konnten aber nicht argumentum ex silentio zulassig ist, so hat M. 

identisch sein, ,wie auch unser Auge nicht das sich nicht einmal dariiber ausgesprochen, in wel- 

Licht sei, well es das Licht empfange*, — wenn chem gegenseitigen Verhaltnis stehend Jesus der 
Titus so argumentiert, so ist das begreiflich; 40 Glanz und Jesus Christus zu denken seien — und 

weniger begreiflich, daB man auch in neuerer Zeit wir wiirden einen schweren methodischen Fehler 

es ernsthaft als Streitfrage behandelt hat, ob M. begehen, wenn wir versuchen woUten, diese hochst 

unter dem von Jesu verheiBenen Parakleten einen bezeichnende dogmatische Lticke auf spekulativem 

menschlichen Lehrer d e r ,ein Wesen der oberen Wege auszufiillen. 

Sphare' verstanden habe. Die Anerkennung der Gottessohnschaft Jesu 

7. Christologie auBerhalb des My- Christi konnte aber nicht ohne einige Vorbehalte 

thus. Der M.ismus kennt also zwei Jesus: (1) Jesus gegeniiber der kirchlichen Lehre erfolgen, nament- 

den Glanz, der zu den ,Gottern* und in den My- lich gegeniiber dem Dogma der Gottmenschheit. 

thus gehort, (2) Jesus Christus (oder vielmehr Fiir M. konnte es hier nur ein Entweder — Oder 
X^rjotog, wie die M.er der griechischen Welt — 50 geben: Gott oder Mensch — tertium non datur. 

vielleicht nach marcionitischem Vorbild s. H a r - War Jesus Christus aber ,der Sohn der GroBe* 

n a c k Marcion^ 123 n. 2 — schreiben: Alex. Lye. (Keph. 12, 20 u. 6., Mius maiestatis Aug. c. Faust. 

34^ 19. Man. Hom. 72, 9), der seinen Platz in der XXXII 7 p. 766, 10) und hatte er doch, wie ,seine 

Religionsgeschichte hat. (Als dritter kommt noch Apostel predigten* (Philipp. 2, 7), bei seinem 

der Jesus patibilis der nordafrikanischen M.er Eintritt iii die Welt eine fAOQ(prj bovXov und ein 

hinzu, dessen Sinn, wie man leicht sieht, der ist, a^rjiJia d>g avd-Qconog angenommen (Keph. 12, 24 — 

den mythischen und den historischen Jesus mit- 26), so war das nur unter der MaBgabe zu ver- 

einander auszugleichen, s. 0. S. 259, 5). Der eigent- einen, daB er xcoQig ocof^avog gekommen sei (ebd.). 

liche manichaische Jesus, mit dem das im Mythus Zum Verstandnis von M.s ,Doketismus' ist es 
beschlossene System- es ausschlieBlich zu tun hat, 60 dienlich, ihm die kirchliche Lehre von der leib- 

ist nicht , Jesus who appeared in Judaea* (Bur- lichen Natur Christi gegeniiberzustellen, etwa in 

kitt Relig. of the Manich. 38ff.; Church and d«r Formulierung Augustins: , . , ut nos quidem 

Gnosis 79) sondern Jesus der Glanz: in ihm^ ist nati essemus in came peccati, — ille autem in 

dasGottliche ander Erscheinung Jesu denSchran- ,similitudine carnis peccati' (Rom. 8, 3); nos non 

ken von Zeit, Raum und Personlichkeit entriickt solum ex came et sanguine, verum etiam ex volun- 

und zu einem auBerhalb aller geschichtlichen Be- tate viri et ex voluntate carnis, — ille autem tan- 

grenzung wirkenden Erlosungsfaktor verfliichtigt: tnm ex came et sanguine, non ex voluntate viri 

die* Gestalt Jesu als mythologisches Korrelat des neque ex voluntate carnis, sed ex Deo natus est 



269 Manichaismus Manichaismus 270 

(Joh. I, 13) de pecc. merit. II 38 CSBL LX IID, Einstweilen ist nicht zu eKtseheideD, wieweit 

M. ist in demselben Sinne ,Doketist*, in dem Pau- M. selbst die theologisclie Auseinandersetzung 

lus und Augustin von 6 ^oico fxa oaQHog aptaQ- mit dem Christentum gefordert hat und wieviel 

tiag similitudo c. p. reden. Der UnterscMed be- auf die Rechnung seiner Schiller kommt. tJber die 

steht darin, daB M.s dualistische Voraussetzun- Arbeit der letzteren vgl. F. T r e c h s e ItJber den 

gen es ihm schlechterdings nicht gestatten, den Eanon, die Kritik und Exegese der Manichaer, 

Begriff similitudo auf die dureh den Zusatz pee- Bern 1832. A. Bruckner Faustus von Miieve, 

mti bestimmte caro zu beschranken, mit anderen Basel 1901. 

Worten die Realitat von Fieisch und Biut anzu- 8. Zur typologischen Bestimmung 
erkennen und nur dessen Siindlichkeit bzw. siind- 10 d e s M, i s m u s. De praescr. haer. c. 7 spricht 

lichen tJrsprung zu leugnen; Korper und Hyle Tertullian von den historischen und wesensmafii- 

sind ihm eins; ein unsiindlicher Eorper daher gen Beziehungen der alteren gnostischen Haeresien 

eine contradictio in adiecto; Fieisch und Blut, das zur griechischen Philosophie und von ihrem Gegen- 

von Gott kame, eine Unmoglichkeit, von der es satz zum Christentum. Er iindet den grundlegen- 

keine Ausnahme geben kann. Die notwendige den UnterscMed darin, daB die Haeretiker, statt 

Folge ist das x<^Gk ocofxatog (womit aueh die einfaeh zuglauben und nach Sap. Sal. 1, 1 inEin- 

Leugnung der Geburt Jesu Ghristi ausgespro- fait des Herzens den Herrn zu suchen, bei der 

chen ist). sapientia saeeularis Anleihen machen und einen 

Damit ist der ,Doketismus' erschopft. ObwoM Stoieus et Flatonicus et dialecticus Christianisnius 
M. sich auf eine positive Bestimmung der irdischen 20 einfiihren, der sich anmafit, interpres dimnae na- 

Erscheinung Jesu Ghristi nicht eingelassen hat, turae et dispositionis zu sein. Eaedem materiae 

ist doch keine Rede davon, daB er ihr reale Sub- apud haereticos et philosophos volutantuTj iidem 

stanz abgesprochen habe: hier gilt von M. (darauf retraetatm implieantur: unde malum et quaref 

weist Schaeder Utform 74 n. 2 Mn) dasselbe, et unde homo et quomodo? 

was Harnack Marcion^ 125f, von Marcion gesagt Verachtung des einfaltigen Glaubens {vos! [sc. 

hat. So bezieht sich auch die ,doketische* Auffas- Manichaei] enim wostis, temere eredentibus quam 

sung des Leidens und Sterbens Jesu Ghristi nicht vehementer insultare mleatis Aug. c. Ep. fund* 13 

sowohl auf die Realitat der Kreuzigung an sich, p. 210, 4f.), der Auf ban der Ethik und Erlosungs- 

als auf die physische Wirkung (korperlicher hoffnung auf dem Fundamente einer kiihnen Meta- 
Schmerz usw.), die sie auf einen Menschenleib ge- 30 physik und Weltdeutung, die auf die Pragen nach 

habt haben wurde. In diesem Simie sagt Faustus: dem Ursprung des Bosen und der Entstehung des 

nos specie tenus passum confitemuf nee vere mor- Menscben Antwort gibt, — das ist auch fiir den 

tuum Aug. c. Faust. XXIX 1 p. 744, 1—2. Die M.ismus charakteristisch und erlaubt das mani- 

Behauptung der Abschworungsformel (Migne G. chaische System als ein philosophisches zu be- 

I 1464 D), nach manichaischer Auffassung sei ein zeichnen. Aber deswegen ist M. noch kein Philo- 

anderer an Jesu Statt gekreuzigt w^orden, wahrend soph: s. o. S. 246, ^Q^. 

dieser hohnlaehend von weitem zugesehen habe. Was Aiq Herkunft dieser philosophischen Ge- 

findet sich bei Irenaeus (adv. haer. I 24, 4 p. 200 danken betrifft, so wird derjenige, dem es weniger 

Harvey) in bezug auf Basilides wieder (der andere darum zu tun ist, der Durchdringung des Orients 
ist hier Simon von Eyrene Mt. 27, 32 par.), wird 4o mit griechischem Gedankengut nachzugehen als 

aber durch die sonstige manichaische tTberliefe- die Quellen von M.s Bildung zu ermitteln, ihren 

rung nicht gestiitzt. griechischen Ursprung nicht alkusehr betonen 

Es ist wahrscheiniich, daB der missionarische diirfen (mit einex Tendenz, die der TertuUians 

Zwecfc, dem dm Rezeption der kirchlichen Jesus- entgegengesetzt ist): in der Gestalt, in der sie in 

Auffassung dienen sollte, zunachst in der Tat er- M.s Gesichtskreis traten und auf ihn wirkten, hat- 

reicht wurde; daB sie einem lebhaften Bediirfnis ten sie bereits aufgehort, etwas spezifisch Griechi- 

entgegenkam, zeigt die zu den eigentlich manicha- sches zu sein, und waren integrierende Bestand- 

ischenPramissen in garkeinem Verhaltnis stehende teile der Gnosis geworden. (Dagegen kann die Be- 

Rolle, die Jesus Christ us in der Hymnenliteratur, tonung des griechischen Ursprungs selbstverstand- 
sowohl der koptischen wie der iranischen, spielt. 50 Hch das Recht der polemischen tfberspitzung ftir 

Auf langere Sicht gesehen waren diese Zugestand- sich in Anspruch nehmen, wenn man der Auff as- 

nisse jedoch ftir den M.ismus von verhangnisvoll- sung entgegenzutreten hat, daB dem M.ismus im 

ster Wirkung. Fiir M. gilt in erhohtem MaBe, Gegensatz zum kathoiischen Christentum das ,hel- 

was C. H. Becker Ztschr. f. Assyr. XXVI 187 lenische Element* ganzlich fehle: Schaeder 

=•• Islamstudien 1 442 von Muhammed gesagt hat: gegen H a r n a c k). 

,Man kann sagen, ohne diese christlichen Kompro- ,Erkenntniswille und Heilsverlangen* stehen 

misse und Entlehnungen seines Stifters waren dem im M.ismus in wechselseitiger Funktionsbeziehung 

Islam viele lampfe erspart geblieben.' Sie bedeu- und sind durch sie untrennbar verbunden (aber 

teten ftir den M.ismus eine jusrdfiaoig eig aXXo nicht ,untrennbar eins*). Gesondert auffassen^ laBt 
ysvog und haben dadurch im christlichen Abend- 60 sich keins von beiden, ohne seinen spezifisch mani- 

land seine Zersetzung herbeigeftihrt: sie zwangen chaischen Sinn ipso facto zu verlieren. Ein rein 

ihn, sich auf den Boden der biblischen Theologie — ohne Beziehung auf das Heiisverlangen — auf 

zu begebeUj sich kritisch, exegetisch und dogma- die Ursachen der Dinge gerichteter Erkenntnis- 

ti'sch mit dem Schriftwort Alten und Neuen Testa- wille ist im M.ismus nicht nachzuweisen; daB es 

ments auseinanderzusetzen und den Erkenntnis- ihn gegeben habe, macht schon der auch ftir das 

grund der philosophischen Einsicht lediglich als 3. Jhdt. ganzlich unwissenschaftliche Charakter 

Kanon und kritisches Prinzip fiir diese Arbeit zu von M.s Naturerklarung unvorstellbar (man denke 

verwenden. nur an die Mondphasen o. S. 255, 45; vgl. auch 



271 Marciarius Marciaiius 272 

Henning S.-Ber. Akad. Berl. 1934, 341). Was wird ihn also, da er sich mit der Bezeichnung 

den M.ismus fur die Gebildeten der Zeit anziehend jener als aQxdXoi avd^sg und nalaioi von ihnen 

machte, war nicht die Aussicht auf Belehrung zeitlich erheblich distanziert, und angesichts 

iiber astronomische, biologische und ahnliche des Verhaltnisses des Stephanos zu ihm, friihe- 

Dinge, sondern auf ein Religionssystem, das Ver- stens im 3., spatestens im Anfang des 5. JMts. 

nunft und Erlosungsbediirfnis in gleicher Weise anzusetzen liaben. Die schon von Salmasius und 

zu befriedigen versprach. Nichts anderes besagt Holsten, neuerdings von W. S. Crawford Sy- 

auch die von Schaeder Gnom. IX 362 zitierte nesius the Hellene, Lond. 1911, 41 Of. Christ- 

Augustin-Stelle (de util. cred. 2 p. 4, 10 — 19): Schmid Gr. Lit. IF 852 behauptete Identitat 
nosti . . . non aliam oh causam nos in tales homi- 10 mit dem von Synesios als 'Eqi^iov Xoylov xvnov h 

nes incidissej nisi quod se dicebant, terribili auc- av&Qcbnoig gekennzeichneten (Syn. epist. 100 

toritate separata, mera et simplici ratione eos, = Migne ser. Gr. torn. LXVI 1472; kurz vorher 

qui se audire vellent, introducturos ad Deum et heiBt es oePaofAicorazov M., vgl. aueh den Mar- 

errore omni liberaturos. Quid enim me aliud coge- kianos in ep. 119, ebd. p. 1497; Gleiohheit mit 

bat annos fere novem spreta religione, quae mihi andern Mannern dieseis Namens — s. C. M li 1 1 e r 

puerulo a parentibus insita erat, homines illos p. CXXIX — ist ausgesehlossen) Markianos ist 

sequi ac diligenter audire, nisi quod nos supersti- unsicher. Verbinden liefie sich allenfalls mit dem 

tione terreri et Mem nobis ante rationem impe- Lob des Synesios bei M. dessen gewisses litera- 

rari dicerent, se autem nullum premere ad Rdem risch-stilistisches Verstandnis verratendes Wort 
nisi prius discussa et enodata veritate? Das Un- 20 Epit. Peripl. Men. I 1 von der aQstr] Xoyov und 

gliick des M.ismus war nur eben die wissenschaft- vorjfxdxcov aKolov'&la der jiaXaiol, seine Abneigung 

liche Unhaltbarkeit des Mythus, der ihm als ver- gegen die bloB neid'siv i'&sXovrsg, seine Nennung 

nunftgemaBes Fundament diente; sie ist neben von Xoytoc '&sol (Epit. 4) wie .sein eigenes nach 

der oben geschilderten Selbstzersetzung durch seinen Worten wenigstens ethisch bestimmtes 

Konzessionen an das Christentum der Hauptfak- literarisches WoUen (Epit. 1) und stilistisches 

tor, der fur den Untergang des abendlandischen Konnen, dessen Entfaltung von vornherein natur- 

M.ismus in Betracht kommt; sie war es auch, die gemaB sehon stark gebunden war an das Stoff- 

Augustin veranlaBte, sich vom M.ismus abzu- gebiet seiner Schriftstellerei und die Art der- 

wenden. selben (Schaffung von Ausziigen aus den Wer- 

Die manichaische R e 1 i g i o s i t a t ist be- 30 ken anderer bzw. Umformung) *). Aber es bleiben 
stimmt durch das Verhaltnis der Consubstantiali- auch Bedenken gegen seine Person: s. S. 278, 38ff. 
tat, in das Gott und die menschliche Seele ge- Eine Gleichsetzung des Geographen M. mit dem 
setzt sind. Die Gotteskindschaft besteht von Natur M. des Libanios gar ist ganz unzulassig (vgl. schon 
und braucht nicht erst per adoptionem hergestellt B. P a b r i c i u s Rh. Mus. N. P. II 369f ., auch 
zu werden. Innerhalb dieses Verhaltnisses hat fiir seine Ablehnung der Gleichsetzung mit dem 
der Begriff der Gnade keinen Raum: was Gott fiir M. des Synesios). Unsicher auch ist ein anderer 
die Erlosung der gefangenen Seele tut, tut er nicht Versueh einer genauen Datiicrung des M. (um 
aus unbegreiflicher Liebe, sondern letzten Endes 400 n. Chr.) bei Miiller p. CXXX. 
im eigenen Interesse. — Sein personliches Ver- tiber die Lebensumstande dos M. ist niehts 
haltnis zu Gott klart der M.er auf rationalem 40 bekannt; ist nach dem Fortleben seiner Schriften 
Wege, durch die yvcjoig; die eigentliche ,Fr6m- in Konstantinopel (s. S. 280, 28ff .) an einen Auf ent- 
migkeit' laBt sich etwa als ,kosmisches Verant- halt auch in Konstantinopel zu denken? tJber 
wortungsgefiihr kennzeichnen: sie bezieht sich auf ihn vor allem als Schriftsteller geben die Pro- 
die Verpflichtung, die dem Menschen in dieser omien seiner Arbeiten einigeAuskunft (s. S. 278). 
Welt aus seiner Eigenschaft als wti?-begabtes Schriften: VerfaBt hat M. zunachst, wie er 
Wesen erwachst. [Polotsky.] selbst wiederholt angibt (Peripl. maris ext. 11.3. 

Marcianus (Markianos) von Herakleia am II 2. II 19 a. E. Epit. peripl. Menipp. 14 = 
Pontos (nach dem Zusatz am Ende des ersten GGM I 516. 542. 551. 567), eine 'Emtoixr) tcbv 
Buches seines Periplus des AuBeren Meeres = evbsKa pi^Xicov 'AQre/uidcbQov rov "Ecpsoiov yew- 
GGM C. Mtiller I 540), einer Statte mit alter ^{^yQacpov (so der Titel nach Peripl. maris ext. 112, 
geographischer Tradition, griechischer Geograph nur steht hier imtof^atg; mtro/^ffg, ohne rov TJcp. 
(romischer Freigelassener oder Abkommling eines >•., Peripl. maris ext. I 3), verktirzt bei Steph. 
solchen seinem einen hoheren Stand kennzeich- Byz. s. llaXaxri : h /?' xcov knttoficbv 'AQtef^idcoQov, 
nenden Cognomen equestre zafolge? Mo mm sen sonst bei ihm TJmrof^rj rcov svdsna (s. auch Epit. 
St.-R. Ill 209.426,3). Er lebte lange*)nach Peripl. Men. I 4) oder einfach 'Em%o[x'n (s. d. 
Ptolemaios und Protagoras, dem nachptolemai- Index bei Steph. s. "Aqx). Emxoixr) tfjg 'Aqxs- 
sehen, jenem gegeniiber aber viel spater **) anzu- fAibcoQov yefoyQacplag rjxoi nsQtnXov betitelt er 
setzenden Geographen, da er sie benutzte (Peripl. seine Arbeit im Peripl. maris ext. II 19; es war 
maris ext. I 1. II 2. 5), und vor dem vielfach also ein (wie er selbst sagt, von ihm berichtigter) 
aus ihm schopfenden Stephanus von Byzanz. Man 60 Auszug aus Artemidors FscoyQacpovfAeva, besser 
gesagt, wohl ein nach Artemidor gestalteter Peri- 

*) Das besagen Marcians Worte Peripl. maris plus (s. Peripl. maris ext. I 1) in einem Buch, 

ext. 11 s?i ... xov . . . UxoXs/Lialov exxs , . , TlQcoxa- aber unter Beibehaltung der Buchabteilnngen 

yoQov .... exi jia,7)v hoi exsqcov nXsioxcov olq- (s. Berger Bd. II S. 1329, 51ff.). So zitiert 

Xalcov dvdQcov, ebd. 2 Eldcbg be Tcal sxSq ovg der Scholiast zu ApoU. Rhod. Arg. Ill 859, kurz- 

Tcov naXaicov. 

**) Wie ebenfalls Anm. 1 zeigt. Ein sonstiger *) Vgl. ferner H. Berger Die geogr. Pragm. 

zeitlicher Anhalt ist nicht vorhanden. d. Erat. 13f. Sonst: M. Miilienhoff D. A. I. 



273 Marcianus Marcianus 274 

weg, aber miBverstandlich lAQts/[iidcoQog iv rrji lAipvQtldsg aus Buch IV, e. Kw'&cov, Acog, lAaralj 

87CiX0(A,fji rcov FecoyQaq^ovf^ivcov, Als z w e i t e s ^iXmnot aus Buch V und VI, s. Sov^tg und 

schrieb M. einen IIsQinXovg rfjg e^co d'aldoorjg Aaoda/udvrsta aiis VII, s. AcoQog aus IX, s. IldX- 

icolov Tial eansQiov koI rcbv iv avrff fjieylarcov tog, KQva, Osfjuocbviov aus X und das Fragment 

vrjGcov in zwei Biichern (so lautet der Titel nach Schol. ApoU. Rhod. II 859 negl rfjg Kaoniag 

dem Zusatz zu Buch I = GGM I 540; neQinXovg d'aXdrtrjg aus XI (vgl. die Bueheinteilung bei 

nennt die Schrift M. Peripl. maris ext. 11.3 x&v C. Mtiller I 574 und Stiehle Philol. XI 

... s^co d'aXaoocov TJtoi cbxeavcov icolov nal ions- 193ff. Susemihl Alex. Lit. I 693f. ^^2). Auch 

Qiov . . . TtsQMovv, II 3 rov neQinlov rfjg s^co die Einteilung Spaniens (Steph. Byz. s. l^rjQia) 
'd'aMGarjg; vgl. auch Peripl. maris ext. I 52. 10 bei Artemidor hat M. in dessen Epitome, 

Epit. peripl. Menipp. 4. UsQinXovg kurz: Steph. wenn auch in einer der iS'telle Peripl. maris ext. 

Byz., mitunter auch UeQinXoi oder UsQioboi), Die II 1 entsprechenden modifizierten Form, gewiB 

dem Inhaltsverzeichnis zu Buch II dieses Periplus beriicksichtigt. — Sonst ware noch die Frage zu 

(GGM I 541) angehangte uberschriftliehe Be- stellen, wieweit oder ob tiberhaupt Stephanos v. B. 

merkung IIsqI rdbv dno Tcbfxrjg uiQog rag kniorj' die von ihm exzerpierten Stellen aus Artemidoros 

fAovg rfjg oltiov/Liivrjg noXsig dtaordoscov weist wohl bereits von M. in die Epitome Artemidors tiber- 

nicht auf eine besondere Schrift, sondern auf nommen vorfand. 

einen von Protagoras (der bereits ptolemaische Der von M. als eigene (Peripl. maris ext. I 3 

Entfemungsangaben von blaorjfxoi noXeig von a. E. olxsiov vnoordvreg jiovov, rov jisqltiXovv 
Alexandria aus in solche in Stadien von Rom 20 dvayQdipai jzQoecXo^s^a, dazu Epit. peripl. Men, 4 

aus umgerechnet haben dtirfte: s. C. Muller I Iblav kfjiavrov (pQovrlda Mf^evog rov dyneavov .. 

p. CXXXIII) wohl beeinfluBten zusatzlichen Teil tov nsQlnXow . . . owsyQaxpa) Arbeit empfundene 

zu dem vor aUem west- und nordwesteuropaische Periplus des AuBeren Meeres, von ihm gewiB als 

Gebiete dos Romischen Reiehes beruhrenden Erganzung gedacht zu dem des Inneren Meeres, 

Buch II (ahnlich, aber zum Vorausgehenden in in seiner Epitome Artemidors, legte sich ihm 

enger Beziehung ist die 'AvanscpaXatcooig rcbv nahe bei dem nach Totalitat strebenden Sinn des 

nQOEiQrjfAsvcov d7zdvro)v diaorrj/udrcov am Ende von Griechen und erschien ihm als notwendig ange- 

Buch I); das einzige Zitat aus jenen diaordosig- sichts des relativ weiten, in seiner Zeit nicht 

Angaben Marcians bei Steph. Byz. s. jif^ioa, der mehr iibertroffenen Wissens uber die auBeren 
ja gelegentlich Untertitel anfiihrt, so von Me- 30 Kiisten bei seinen Vorlagen Ptolemaiois und Pro- 

nipps Periplus (e. gr. s. WvXXa). Zudem zeigt das tagoras *) und der naturgemaB noch unzulang- 

Zitat Verbundenheit mit Buch II 32 (GGM I lichen Kenntnisse dariiber bei Artemidor (Peripl. 

555). Diesem Periplus des AuBeren Meeres lieB maris ext. II 2. Epit. peripl. Men. I 3 AQrsiAt- 

M. noch als drittes eine ebenfalls angeblich bwQog ... rfjg fisv d?iQcfiovg yecoyQaqplag Xslnsrai). 

berichtigte Epitome des Periplus des Inneren Die durchaus marinisch-ptolemaische Vorstellung 

Meeres des Menippo'S von Pergamon in drei von zwei getrennten Weltmeeren, einem sud- 

Buohem folgen (Epit. peripl. Menipp. 3. 5 am ostlichen und westlich-nordlichen, mit eben- 

Anfang; genauer Titel der Arbeit Marcians un- falls der Lage nach entsprechenden bzw. ent- 

bekannt, kmro^dg nal bwQ'&woeig nennt er sie gegengesetzten Inselwelten, dort der von Tapro- 
und den Auszug aus Artemidor a. 0. 4, kurz vor- 40 bane, hier, im Nordwesten, der Britanniens, be- 

her rr)v sxdooiv rcbv rQicbv pipXlcov moirjodfjiYiv). stimmten die Stoffeinteilung in zwei Biicher 

Andere Werke hat M. kaum verfaBt, vgl. F a - (Peripl. maris ext. I 1 a. E.). Bei dem schlechten 

bricius 374. tTberlieferungszustand namentlich des Periplus 

tr b e r 1 i e f e r u n g IS b e f u n d. Von dem des ostlichen Meeres, wo die den allgemeinen Ab- 

Auszug aus Artemidor, den M. ob der Genauig- schnitten folgenden jeweiligen Einzelausfiihrun- 

keit Artemidors gefertigt hat (Epit. peripl. Men. gen ofters fehlen (zu I 14. 17 a. 34 — 37. 40. 43, 

I 3 a. A.), hat sich bloB noch eine Anzahl Bruch- aber auch II 16. 27. 42. 44. 46; Hinweis darauf 

stiicke erhalten, zwei bei M. selbst (Peripl. maris schon bei Haase Allg. Lit.-Ztg. 1839, 223; so 

ext. II 4. II 19), die meisten bei Stephanos von deutet Peripl. maris ext. I 20 rfj jtQosiQrjf^ivr} 
Byzanz, der miBverstandlioh kurzweg AQrsfyildo)- 50 Ba^vXcovla, auf eine verlorene Partie), ist die Er- 

Qog iv imrofjifj zitiert (bloB s. MaXdperj genau kenntnis wichtig, daB M. in der Auswahl von 

MaQmavbg iv /5' rcbv imrofAcbv AQrs^ibcoQov, wo- Einzelangaben sich kaum allzuviel von Ptole- 

raus hervorgeht, daB er auch sonst Marcians Arbeit maios entf ernt hat, auch nach den bei Stephanos 

vor Augen hatte), ein letztes in den Scholien zu v. B. aus den verlorenen Partien M.' erhaltenen 

ApoU. Rhod. Arg. Ill 859. Sie sind bei dem Fragmenten und ihrem Vergleich mit Ptolemaios 

Untergang des Werkos Artemidors naturgemaB, zu schlieBen. Gleichwohl ware die Erhaltung der 

zusammen mit anderem von dessen Arbeit Er- 

haitenem und insofern also auch die Arbeit M.' *) tTber die Benutzung des Protagoras schon 

fur uns nicht ohne Belang fiir die Rekonstruk- Fabriciuis 373. Der Berufung auf weitere 
tion von Artemidors geographischer iSchrift, aus 60 Gewahrsmanner (Peripl. maris ext. II 2) ist kaum 

dessen fast samtlichen Biichern sie entnommen Gewicht beizumessen, so wenig wie der Bemer- 

scheinen: ,so etwa Artemidoros bei Steph. Byz. s. kung des Autors rd iXXelnovra nXeiora ovra ngoc- 

AiyvQsg, Aegrcbv MaorQa(A,eXr}, Art.-Marcian. epit. d'eig zur Berichtigung des Auszugs aus Menipp 

maris ext. II 19 iiber die NaQ^ovriala und Steph. (I 4). Nachweislich beniitzt ist sonst gelegentlich 

Byz. s. NdQ§cDv aus Buch I, Art.-Marcian. Peripl. bloB Artemidor (Peripl. maris ext. II 4. 19). An 

maris ext. I 4 uber die Saulen des Herakles, welche Autoren fiir das AuBere Meer er wenig- 

Steph. Byz. s. MaXdnr) und SoXxoi aus Buch II stens gedacht haben mag, zeigt Epit. peripl. 

und wohl III, Steph. Byz. s. TsysorQa, ^Xdvcov, Men. I 2. 



275 Marciaiiitis Mareianns 276 

Einzelpartien von Wert gewesen, schoii im Hin- und Vermessungszahlen mehr einem Stadiasmus 

blick auf darin enthaltene, von Protagoras nicht ahnelnde Periplns, nnd zwar zunachst mit einer 

aus Ptolemaios entnommene Elemente, auf den allgemeinen KundgalDe ider Art der Erledignng: 

auch die popularisierende Umrechnung ptolemai- bei dem vorab dem Osten zugewandten Interesse 

scher nnd gelegentlich anderer Angaben in Sta- des Griechen zuerst der Periplns des ostlichen 

dien bei M. znrtiekgeht (II. II 38 aus der xcjv Meeres mit dem Anfang beim fA,vxog AlXavtrrjg 

amdlcov ava[AexQr}oig des Protagoras; auch die An- des Arabisohen MJeerbusens. Entsprechend dem 

regung zu den grundsatzlichen Bemerkungen M,' gedachten Standort des griechiischen Betrachters 

iiber die Stadienvermessung im Prooimion Peripl. erscheint er als ein Periplus der rechtsseitigen 
maris ext. I 2? Vgl. auch Epit. peripl. Men. I 5; 10 Kiiste Libyens (Vermessungsangaben gelegentlich 

ziir Quellenfrage auch flir das Folgende im tibri- nur zur Eennzeichnung der Lage gegentiber 

gen schon Pabricius 3761; soidann CM til- Asien) nnd der linksseitigen Asiens (§ 9. 10). 

1 e r). Im Prooimion dieser vielleicht als eine Einzelheiten aus dem ersten Teile (libysohe Ktiste) 

Art Mittelding zwischen yso)yQa(pta und uisqI- fehlen, abgesehen von den zugehorigen Fragmen- 

jtXovg gedachten Schrift (Artemidor und Strabon ten bei Steph. Byz. s. 'Aardgtrj, "Aonlg, Tviprjig, 

schienen M. Epit. peripl. Men. I 3 beides ver- MoovXov, %Q(D^a MvqIhy), Anonona, die mit 

bunden zu haben) folgt zunachst — entgegen dem Ptolem. Geogr. IV 5, 14ff. noch ungefahr ein 

ykvoq des Periplus: s. Strab. I 1, 22 — - auBer den Bild ergeben. Blo6 die allgemeine (ptolemaische 

Angaben iiber Inhalt und Zweck der Arbeit (§ 1) Karten nachschreibende? s. J. Fischer a. 0.) 
sowie iiber Stadienvermessung (§ 2) und liber die 20Einfuhrung dazu ist erhalten. In § 15 beginnt 

Meerenge bei den Saulen, die Erstreckung des mit gleicher AUgemeineinfiihrung der Periplus der 

Mittelmeeres bis zu dem mit dem Aqa^ioq ^ohiog linksseitigen Eiisten Asiens (wiederum zum Teil 

einen Isthmus (Landenge von Suez) bildenden nach Ptolemaiois), also jener des Arabisohen Gol- 

AiyvTtxiov nsXayog (§ 3; naoh Fabricius 376, fes, dtes Eoten und Infiisehen Meeres (Fragmente 

nicht unwahrscheinlieh aus Artemidor) ein recht daraus, zu § 16, bei Steph. Byz. is. Xqvoy} und 

kompilatorischer *) allgemein-erdkundlicher Teil: Slvai, &%vm nach Marcian.), von § 17 a an fol- 

Erdmessung nach Eratosthenes und Dionysios zu gen die einzelnen Absehnitte (Arabisehe Kiiste, 

angeblich 259 000 Stadien statt 252 000 und nach Periplus der Zovmavfj, der Ilegotg, von Karma- 

Ptolemaios, dieser von M. sichtlich bevorzugt, ent- nien, Gedrosien, Indien innerhalb des Ganges und 
sprechend der sonstigen Wertung desselben, mit 30 Taprobane, Periplus des TayyrjrtKog >t6%nog, In- 

Zufiigung der Zahi der die Oikumene durchlaufen- diens auBerhalb des Gangeis, Periplus der 2iva>v 

den Langen- und Breitenlinien. S(>dann enthalt und der Meerbusen ihrer Eiisten: § 18 — 33), 

dieser allgemeine Teil die Zahl der Erdteile mit jeder wilder gegliedert in einen allgemeinen und 

Vermerk der landlaufig gewordenen Abgrenzung einen besonderen Teil mit den Entfernungszah- 

(Tanais, Kanobische Nilmiindung und Meerenge len Mr die einzelnen Teile eines groBeren Kiisten- 

bei den Saulen, § 4, wegen der Gegentsatzlichkeit sttickes. Dem folgt jeweils eine Zusammenfassung, 

zu Ptolem. Geogr. VII 5 mit Fabricius 377 enthaltend Angaben iiber Lange und Breite in 

gewiB Artemidor als Quelle zuzusehreiben)^ Ver- Stadien, die Zahl der ed-vrj oder aatQanetai^ noXeig 

messungszahlen f tir die Ktiisten ides Innern Meeres sTzlorjfAoi und Kcb^jLai^ f erner beaohtenswerte Fltisise, 
eines jeden der drei Erdteile (§ 5, heterogen ge- 40 Bafen, Vorgebirge, Buchten, alyiaXol, Inseln und 

nug in einem Periplus des AuBeren Meeres) Zusammenrechnungen in Stadien f tir groB ere Teile 

nach einer auch fiir Agathem. Geogr. inf. I 3 oder das ganze betreffende Kiiistengebiet. Die aus 

wohl anzunehmenden Quelle (Protagoras flir M. den verlorenen iSonderabschnitten (s. o.) bei Steph. 

nach Miiller, vgl. auch I 9 mit Agathem. II 11; Byz. erhaltenen Fragmente beziehen sich auf die 

an Artemidor als Quelle fiir M. und Agathem. arabisch-persischo Kiiste (Steph. Byz. s. 'Vvvrj, 

denkt Fabr i ciu s 377), Nennung der Erdteile Si'&rjvoi, ZadQdf4,r}, EaaoavTrai, MivaToi, 'OfxrjQl- 

und Meere nach ihrer GroBe (§ 6 c\3 Ptolem. tai, XadQaficoTtrai, Aomxai [hierher gehorig, 

Geogr. VII 5, 8, es fehlt, wie bei Ptolemaios, das aus M., auch Steph. Byz. s. 2axaXltrjg >c., 

Atlantische Meer, das gerade M. hatte beriick- worauf Meineke hingewiesen hat?], lotQiavd, 
sichtigen miissen in dieser seiner die Weltmeere 50 MaXXdba^ AbaQovnoXig, KoQOfxdvrj^ Msoavkrjg koX- 

bzw. ihreKiisten behandelnden Arbeit; dastJbrige nog, Aadwaxltrjg xoXnog^ KtrjOKpcov, womit also 

in §6 nach anderer Quelle! s. Fabricius 377f. auch die jusodysia beriihrt wird) und auf Tapro- 

C. Miiller zur Stelle; s. Anm. 1), der GroBe bane (s. Md^yava). Mit einer zusammenfassen- 

nach geordnete Meerbusen (§ 7, nach Ptolem. den Betrachtung der bislang gewonnenen, nicht 

Geogr. Vn 5, 10, der Zusatz ^Vo« 76viog TioXnog zum besten iiberlieferten MaBzahlen (vgl. die Ta- 

nicht aus ihm: idazu J. Fischer Ptolem. Geogr. belle dazu bei Miiller 540f.) schlieBt das erste 

Cod. Urb. Gr., Lugd. Bat. 1932, 62f.) und Inseln Buch des auch in seinen Einzelheiten recht sehe- 

(§ 8 cv> Ptolem. VII 5, 11; iiber die Frage der matischen Periplus (§ 50—52), dessen mangelnde 

Echtheit allerdings dieser Partien bei Ptolemaios Originalitat auf Schritt und Tritt erkennbar ist 
s; Berger Gesch. d. wiss. Erdk.2 638, 1). Erst 60 (vgl. Ptolem. Geogr. VT. VII oder Agathem. II 

in § 9 beginnt der hier in seinen Einzelheiten, 11, dessen Quelle M. fiir § 26 8ia to nQog dvaiv 

den Angaben von Vorgebirgen, Buchten, Inseln mX. vorlag: Miiller I 531). Bs will da weniig 

— — •- — heiBen, wenn M. seine Begrenzungen der einzel- 

*)■ OTer das vollig Gedankenlose, z. B. in der nen Landschaftsgebiete im Westen beginnt statt 

Nacheinandergabe von verschiedenen Autoren zu- im Norden nach Ptolemaios. Im z w e i t e n Buch 

gehorigen verschiedenartigen MaBen fiir die Lange folgt, ebenfalls nach Ptolemaios, aber auch Pro- 

und Breite der Erde in § 4 und 6 s. F a b r i - tagoras (von ihm stammt das von M. angewandte 

c i u s 378. Prinzip der Angabe einer Maximal- und Minimal- 



277 Mai^cianiis Marcianus 278 

za/hlvon Stadien ftir die jeweiligen Strecken zur eineinM.^g9f^aA«o?gewidmetG Epitome desPeriplus 

Errechnuiig einer Mittelzahl, die der Erreichmng des Menippos nur in geringem Ausmafi erhaltiBn. 

grofitmoglicher Genauigkeit in den Entfemungs- Aber aueh das Vorhandene gestattet noch einen 

angaben dienen soil: s. II 5; ot fjuev als Quelle Einblick in das ftir die augusteische Zeit gewifi 

zitiert II 4, daneben fiir die andere Auffassung, beachtlichfe Werk des Menippos (s. o. Bd. XV 

der M. aber nicht folgt, Artemidor; isonst znr S. 864, 45ff.). Im tibrigen ist anch hier, nach 

Quellenfrage s* schon Fabric! us 379), auf ein einem 'Viergleich der Bruchstiicke aus Menippos 

gleichfalls planentwerfendes Prooimion (§ 1 — 5) bei Stephanos mit dem Bruchjstiick des M., noeh 

der ,Periplus* der Eiisten des westliehen und die enge Abhangigkeit desselben von der Quelle 
nordlichen Okeanos. Abgesehen von den E i n - 10 festzustellen, so dafi seine Worte Epit. 4 ret kXlsl- 

z e 1 ausfuhrungen liber die ToQQaxcovrjola (§ 161.) > ^ovta TtXscara ovxa TtQood'Sig tag dh xomov 

BsXyinrj mit Ober- und Niedergermanien (§ 27 (Artemidors und Menippos) imto/A,ag Ttal bioQ- 

Forts.)^ 7ov£Qvia rfjaog (§ 42), 'Aipicov vfjaog 'd'WGsig tcov sfxavtov jcoirjod/i^svog uiovcov svaQysg 

(§ 44f.) und Libyen (§ 46f.) ist er erhalten: dazu yvcoQiof^a mX, (auch § 6 a. E.) seltsam genug 

noch die Bruohstueke bei Steph. Byz. (s. l^rjQiai anmuten. Gegentiber Artemidor vielleieht noch 

[daraus Constant. Porphyr. de adm. imp. 23], bessere Beriicksichtigung der Verhaltnisse des 

Aovatravia, NaQ^cov, lAxvravca, IdCvysg, Hiaya- romischen Weltreiches bei Menippos, jedenfalls 

d'ovQooi fstatt, so mit Recht MuUer, oi lAya'&ovQ- aueh dessen relative Genauigkeit und Sorgfalt 

ool. Auch Steph. Byz. s. 'AXavog], BQsrrla [und (s. Epit. 3 Anfang) und wohl auch der historische 
T.ov8Qvi<x'. s. Marcian. § 41; auch s. 1ovsQvri\, 20 Einschlag bei Menipp (Spuren davon bei M. 

'AX^icov Ai§ovbai, Aivdoviov [sici] aus der ver- o. Bd. XV S. 887, 54ff.) waren der Grund Mr 

lorenen Partie tiber Albion, MavQiravlai, Tlyyig, den Aiiszug auch aus diesem Periplus, dann weiter- 

Bd^at aus der nicht mehr erhaltenen Einzel- Mn angeblieh Erganzungsbedurftigkeit: Epit. 4. 

behandlung Libyenis) gewiB noeh mit anderen bei Aus der nachmenippeischen Zeit standen ihim 

ihm, nicht unmittelbar zugewiesenen. GemaB dem (vgl. den Atitorenkatalog in § 2) geeignete Werke 

Standort des Betrachters im Mittelmeerbereieh der Art offenbar nicht zur Verfiigung. Es mag 

im besondern vom Gegenpol der Landenge von sein, daB auch die Anlage des Periplus des Me- 

Suez, von der Meerenge der Saulen aus geisehen nippos (zwei Teile, ein auf die nattirlichen Ver- 

(von KdXnrj aus; vgl. auch Ptolem. Geogr. II ha-ltnisse sich griindender den Pontes, Thraki- 
4, 6), isind die Ktisten untersohieden, wie die der 30 schen Bosporos^ die Propontis, den Hellespont um- 

sudostlichen Meere, im rechts- und linksseitige: fassender und einer, der mehr den Westen, die 

in die rechtsseitigen westeuropaisehen, sohlieB- Kiisten des Mittelmeeres behandelte: s. o. Bd. XV 

lieh nach Nordosten hin umbiegenden (griechisch- S. 868, 36ff.) ihn M. als Gegenstiick ersoheinen 

romischem Interesse entsprechend sind sie auch bei lieB zu seinem Periplus des luBeren Meeres mit 

M. zunachst behandelt) und in die linksseitigen seinen beiden idem^ ptolemaisehen Weltbiid ent- 

Libyens, die zuletzt in die der ayvcoorog yfj tiber- sprechenden, ebenfalls dem Osten und dem Westen 

gehen. Nach allgemeiner Umgrenzung und einer zugehorigen Teilen. 

Einteilungstibersicht (ftir iStpanien; § 6—8) setzt Eennzeichnung des M. und seiner 

der Periplus bei Kalpe ein, wobei nach Erledigung S c h r i f t s t e 1 1 e r e i. Die Bereitstellung bloB 
einer einem bestimmten Verwaltungs- oder Land- 40 von Ausztigen oder weitjhin quellengerechten Be- 

schaftsbereich zugehorigen Ktistenstrecke, ahnlich arbeitungen von Werken f rtiherer Autoren (Arte- 

wie in Buch I, wieder Eonstatierungen allgemei- midoros, Ptolemaios - Protagoras, Menippos; vgl. 

ner Art sich anreihen (wie tiber Lange, Breite, Fabricius 375ff.) weckte in M. das Bedtirf- 

Angrenzung des betreffenden Landes, Zahl seiner nis nachdrucklicher Betonung der besonderen Art 

ed'vrj^ uioXeig ejiioYjpoi, oQrj sniorjfxa, jtora/^ol em- des Eigenwertes seiner Arbeiten: isie bestauid nach 

arjpoi, axQoxriQia iTtlorjfyia, Xif^svsg Zusammen- ihm offensichtlioh einmal in der Auffindung der 

fassungen von Stadienangaben, auch hier ent- geeigneten Form des Abrisses (Peripl. maris ext. 

sprechend idem von Protagoras tibernommenen I 1), in ftir uns allerdings kaum versptirbarer 

Prinzip, u. a.). zweckmaBiger Aiiswahl, Berichtigung und Er- 

Auf die Behandlung Spaniens (bis § 18) folgt 50 ganzung des Sltoffes au® anderen Autoren (von 

in gleicher Art die der Etiisten GaUiens (Eelto- der Nutzbarmachung unmittelbar gewonne- 

galatien, Aquitanien, die Lugdunesia, Belgike mit ner erdkunidlioher Erkenntnis ist uberhaupt nir 

Gber- und Niedergermanien: der Autor geht der gends die Rede) und in der Erreichung groBt- 

Quelie entsprechend also auch ins Innere), GroB- moglicher, ja untibertrefflicherGenauigkeit (Peripl. 

germaniens und Sarmatiens (bis § 40); dazu vgl. maris ext. I 2 ptrjdsvdg ro'6rcov — scil. rcov na- 

jeweils Ptolem. Geogr., so etwa II 11, 1. 5. 6 Xaiwv — og?i?^?^at ^gvrf^o? sagt er von sich selbst, 

fitr die vorausgeschickte Grenzziehung ftir GroB- II 2 knifAsXemarov von seiner Bearbeitung Arte- 

germanien. Mit dem gleichfalls in einen allge- midors. Dazu Epit. peripl. Men. I 4). Und doch 

meinen Teil eiiigelagerten, in der Einleitung ge- ist das vorab in den Proomien sich enthtillende 
radezu wieder eineEartengrundlage(s. u. S. 279,1) 60 Selbstbildnis des Autors das eines Mannes von 

verratenden Periplus zunachst lovsQvlag, dann starker Selbsttibersehatzung (s. Epit. peripl. Men. 

von 'AlpTcov (dazu wieder Ptolem. n 1, 2; das I Iff.). Denn seinen Ausztigen fehlte wohl, wenig- 

Einzelne verloren: s. o.) endet die Bearbeitung stens nach dem erhaltenen Teil des Exzerptes aus 

West- unid Nordeuropas. Daran angeftigt ist noch Menipp zu schlieBen (s. o.), das ihnen angeblieh 

der in den Einzelheiten (s. o.) ebenfalls nicht verliehene zweckmaBige besondere Geprage; selbst 

mehr erhaltene Periplus Westlibyens. sein als eigene Leistung ausgegebener Periplus 

tJber das ftir die historische Geographic zum Teil des AuBeren Mfeeres ist ja, vom Proomium und 

wichtige (besonders § 2) Proomium hinaus ist die dem sich als Flickwerk dartuenden allgemein erd- 



279 Marcianus Marcianus 280 

kundlichen Teil abgesehen (s, o.), kaum imhi als maris ext. I 4), den er in literarischer Ehrlichkeit 

ein Nachschreiben von Karten*) t3zw. in den Kern- noeh zu iibertreffen glaubt: Epit. peripl. Men. 3 

teilen von Hauptquellen (Ptolemaios und Prota- jurjds rov ttqooi/liIov — des Timosthenes — tov 

goras: 'S. schon Fabricius 374), nnter ge- /t^vr}fA,ovsv'd'svrog dnsxso'&ac \S(iil. Emtosthenes c<> A 

legentlicher Beriicksichtigung anderer Antoren ovde slg kf^avrbv /nsraorrjoag tovg aXlozQlovg no- 

(so Artemidors: s. o.). Der wiederholte Ausdruck vovg M. von sich. AUes in allem also verrat es 

hoher Achtung vor den Hauptqnellen (Epit. peripl. recht bescheidenes Konnen, das Werk dieses frem- 

Men. 3, Peripl. maris ext. I 1. 4. II 2; spater, des, alteres Geistesgut zusammenraffenden, fiir 

Epit. 4, scheint er Ptolemaios vergessen zu haben) rein auBere Zwecke der Unterweisung (s. e. gr. 
wirkt nur wie ein weiterer Beweis fur diese weit- 10 Epit. peripl. Men. 3. 4 a. E. und sonst) zurecht- 

gehende Abhangigkeit (Peripl. maris ext. II 4 machenden Buchgelehrten, der romischer Ntich- 

ist Artemidor zugunsten von Ptolemaios preis- temheit gleichsam Rechnung tragend nur noeh in 

gegeben). Eine Verwendung angeblieh umfang- Zusammenfassungen, Namen und Zahlen, von 

reicher Lektiire (Peripl. maris ext. I If. Epit. Vermessungen und Dingen (Peripl. maris ext. 1 2) 

peripl. Men. I 2) kommt keineisfalls in Frage das Wesen der Geographie zu sehen glaubte; so 

(auf einzelnes sei bier nieht eingegangen). Selbst ward sein Werk mit das Signum fiir eine Zeit 

in seinem Urteil tiber namhafte Trager der wis- ohne Eigenart auch auf erdkundlichem Gebiet, 

sensehaftliclien Erdkunde wie Eratosthenes scheint in Inhalt und zum Teil der Form. (Gegeniiber 

M. durchaus unter dem EinfluB der Quelle ge- dem nicht ganz unberechtigten Lobe seiner Prosa 
standen zu haben (s. B e r g e r 527). Die so viel- 20 bei C h r i s t - S c h m i d II 852 muB auf seine 

leicht aus Artemidor**) stammende Invektive M.' — zum Teil aUerdings quellenbedingte? — Weit- 

gegen jenen, dessen Proomium er Plagiateharak- schweifigkeit, auch auf die von B e r g e r 527 

ter zuschreibt, wurde ihm so erst recht zum Ver- vermerkte Abhangigkeit in Wendungen von an- 

hangnis, sofern sein anscheinend nicht einmal dern verwiesen werden: so die Stelle tiber Anti- 

ganz selbstandiges Proomium noeh besonders Ge- phanes Epit. peripl. Men. I 1 c>o iSitrab. I 3, 1. 

legenheit gibt, den Gegensatz zu sehen zwischen II 4, 2; auf anderes verweist schon Fabri- 

Wort und Leistung. Es scheint fast, als habe die c i u s 382.) 

Bearbeitung von Autoren mit Rang, wie as jeden- DaB M. seiner und der kommenden Zeit mit 
falls Artemidor und Ptolemaios waren, nicht zu- ihren minderen Anspruchen den gewollten Dienst 
letzt aber der Umstand, daB in Zeiten einer sin- 30 tatsachlich geleistet hat, besagt noeh etwa seine 
kenden Kultur schon eine rein reproduzierende Bentitzung durch Stephanos v. B., dem schon eine 
Tatigkeit liberbewertet wird, bei M. eine tTber- verderbte Hs. vorgelegen zu haben scheint (s. 
steigerung des BewuBtseins der eigenen Leistung auBer Fabrieius 382f. Miiller p. CXXXIV 2), 
verschuldet. Jedenfalls zeigt sich bei ihm, wenn durch Konstantinos Porphyr. (De them. I 17; 
man ihm in Sachlichem auch Streben nach Ge- de adm. imp. 23) wie iiberhaupt die obsehon 
nauigkeit zubilligen mag (s. Epit. peripl. Men. II), triimmerhafte hs. tlberlieferung seiner Schriften. 
voUige Unkenntnis oder Unfahigkeit in der Be- Flir die historische Geographie hat die aus 
urteilung von schopferischen Tragern der wissen- Ausziigen und Kompilationen bestehende, letzt- 
schaftlichen Erdkunde der Griechen wie Eratosthe- lich im Charakter seiner Person und Zeit begrun- 
nes (vgl. die Gleichsetzung des Eratosthenes***) 40 dete Tatigkeit M.s bzw. seine Hinterlassenschaft 
mit den aoaq^eig xal nsnlavYifXEvag rag kxboosig positiv noeh immer die Bedeutung, abgesehen 
Ttoirjodfjievoi, die keinerlei Verstandnis bekundet von der •Siehtbarmachung in etwa wenigstens der 
fiir die relativ achtbaren Leistungen des Kyre- Arbeit des Menippos von Pergamon, Protagoras 
naikers, ebenso wie die Ablehnung seines Erd- und der ihm verdankten Vermehrung der Brueh- 
messungsresultats zugunsten der bei Ptolemaios stiicke aus Artemidor, gelegentlich Kontrolle zu 
vorgefundenen Zahl: Epit. peripl. Men. 13. Peripl. sein oder gar Auskunft zu vermitteln bei der 
Herstellung des Ptolemaiaostextes (s. Muller 

*) S. 0.; die im Periplus des AuBeren Meeres p. CXXXIIIf.), trotz der vielfach verderbten hsl. 

den Kernstticken mit den Stadienangaben voraus- Textiiberlieferung. Denn das in seinem Periplus 
gehenden geographischen Orientierungen, die 50 steckende Gut aus der Geographie des Ptole- 

J. Fischer nach einer Probe fiir eine Art Kar- maios, deren Neuausgabe durch J. Fischers 

tennaehsehrift halt, stiimmen auch im tibrigen Publikation des Cod. Urb. Gr. 82 jetzt erheblich 

mit den ptolemaischen Karten, vorab des von besser ermoglicht ist, ging ja andere Wege der 

Fischer pubiizierten Codex Urbinas 82 weithin "Qberlieferung als der Ptolemaiostext, der aller- 

tiberein, wie ein Vergleich zeigt. dings noeh of ter zur Herstellung des Textes Mar- 

**) Vgl. auch Honigmann Bd. IV A S. 139, cians beizuziehen ist. 

9ff. Nach Wagner (s. u.) 21ff. 26 stammt die tJberlieferung, Ausgaben: Paris. 

Autorenliste wie die Worte iiber Timosthenes, Graec. 443, Apograph. Vat. u. Monac. (s. Bd. XV 

Eratosthenes, Artemidor vielleicht aus Protagoras S. 888, 12ff., auch iiber Ausgaben). Zuletzt ediert 
bzw. Marinos-Protagoras (?). 60 von C. M ii 1 1 e r GGM I 515ff. B, F a b r i c i u s 

***) Vielleicht ist M. gerade durch die Timo- Lectiones Mareianae, Dresd. 1848. Dazu M. J. 

sthenesMt^eVe? verwertende Tatigkeit des Erato- Chr. Jahn N. Jahrb. f. Phil. XXXVI (1842) 

sthenes (bzw. Artemidors Referat dariiber? s. 31 8S. Zur Erklarung: B. Fabricius Rh. 

Epit. peripL Men. I 3) zu der Art seiner geogra- Mus. N. F. II 1843, 366ff. Forbiger Hdb. 

phischen Besehaftigung mit veranlaBt worden d. alt. Geogr.^ I (1877) 448ff. (auch fiir Frtiheres). 

{§Qaxea xiva nQoo'&slg sagt er von Eratosthenes, E. A. Wagner Die Erdbeschreibung des Timo- 

und das angebliche nQoo'&sivai, spielte auch in sthenes von Rhodos, Lpz. 1888. H. Berg er 517. 

seinen Ausziigen eine RoUe). 527. Christ-Schmid Gr. Lit.^ II 852. J. 



281 Marcus Marcus 282 

Fischer Claud. Ptol. Geogr. Cod. Urb. Gr. 82, der Anfang von Macarius Aegyptius De patientia 

Lugd. Bat. Lips. 1932, torn. I 447ff. et discretione. Die Schriften des M. sind der For- 

[F. Gisinger.] derung einer asketischen Frommigkeit in Ge- 

S. 1646, 7 zum Art. Marcus: danken und Werken gewidmet. Meist in kurzen 

17) Marcos eremites. Asketischer Stehriftstel- Satzen (Hecpalaia) werden die Richtlinien fiir ein 

ler der ersten Halfte des 5. Jhdts. Dieser Asket, frommes Leben oder auch theologische spekulative 

von dem eine Reihe von Schriften tiberliefert Gedanken, die immer von der Askese bestimmt 

sind, war bis gegen Ende des 19. Jhdts. fast sind, formuliert. Die Schriftstellerei des M. ge- 

ein Unbekannter. K u n z e ist es gelungen zu hort zu der eines Euagrius Ponticus und Dia- 
zeigen, daJB die unter dem Namen MaQKog sqy}- 10 dochus von Photike. Diese Trias sind die klassi- 

fxirrjg oder avaxcoQTjxrig^ fAovaxog tiberlieferten schen Reprasentanten der Monchstheoretiker und 

Schriften von einem Monehe in der ersten Halfte der theologischenMonchsliteratur der altenKirche. 

des 5. Jhdts. verfaBt sein miissen. M. hat in der Literatur. Joh. K u n z e, Marcus Eremita. 

Nahe des Asketen Nilus (s. d.) bei Ancyra in Leipzig 1895; und in: Realenzykl. f. Theol. u. 

Galatien gelebt; mit diesem zusammen wird er Kirche^ XII 280 — 287. Sehr reiche Literatur- 

von Georgios monachos (nach 842) als Schiiler angaben bei 0. Bardenhewer Gesch. d. alt- 

des Johannes Chrysostomos bezeichnet. Spater hat kirchl. Literatur IV 186f. [H. G. Opitz.] 

M. die Monchsgemeinschaft bei Ancyra verlassen und S. 1647, 14 zum Art. Marcus: 

sich in eine naher nieht bekannte Wiiste begeben. 27) Nicht lange nach dem Tode des Porphyries 
Da schon eine Hs. aus dem J. 534 (Cod. Mus. 20 will M. die Vita abgefaBt haben, die nicht ohne 

Brit. Add. 12175 Wrigh t nr. 727, vgl. B au m- Reiz geschrieben ist und den Kampf des Christen- 

stark Gesch. d. syr. Literatur 91) zwei Sehrif- tums mit dem Heidentum in Gaza darstellt. 

ten in syrischer Dbersetzung tiberliefert, so darf Mannigfache Beziehungen des Porphyries zu den 

man an die Wiisten in Palastina oder Syrien groBen Zeitgenossen, der Kaiserin Eudoxia, Jo- 

denken. Die tlberlieferung der Schriften des M. hannes Chrysostomus u. a. geben der Vita eine 

bedarf noch einer kritischen Sichtung in Verbin- interessante Note, nicht zuletzt auch die Schil- 

dung mit der Ausgabe. Daflir stellt die Sehrif t derung der religiosen Zustande in Gaza. Die Vita 

von Kunze eine ausgezeichnete Vorarbeit dar, war seit 1556 bestenis bekannt und wurde vor 

auf die fiir alio Fragen verwiesen sei. Vorerst allem von Tillemont einer scharfen Kritik 
muB man sich mit dem Druek der Texte von 30 beziiglich ihrer historischen Angaben, die sich 

Fronto D u c a e u s Auctarium Bibl. SS. patr. bei den Kritikern der Neuzeit einer groBen Be- 

gr.-lat. 1 Paris 1624, der tiber Gallandi Bibl. liebtheit erfreuten, unterzogen. Tillemont wies 

Vet. patr. 8, 1 — 104 in Mignes Patrologia S)er. neun Punkte nach, an denen die Erzahlung des 

graeca LXV 905 — 1140 gelangt ist, begniigen. Marcos im Widerspruch zu der sonstigen Uberliefe- 

Photios kannte nach seiner Bibliothek Cod. 200 rung der zeitgeschichtlichen Daten steht. Diese 

einer Hs. mit 9 Traktaten, die alle in zahlreichen Unstimmigkeiten muBten eigentlich um so schwe- 

Hss., wenn auch moistens in voneinander abwei- rere Bedenken gegen die Glaubwiirdigkeit des 

chender Reihenfolge erhalten sind: 1. ttsqI vo^aov Marcos erregen, als dieser stets sich als ein Augen- 

jtv£VfA,an?iov (Migne G. LXV 905 — 929). 2. tcsqI zeuge der Ereignisse bekennt. Aber die Kritik 
rcov oio/bisvcov e^ e^ycov dixaf.ovo'&ai (LXV 929 40 Tillemonts fand fast gar keine Beachtung, auch 

— 965). ^.:iz8qI /btsravoiag (LXV 965 — 984). 4. dno- nicht als Haupt 1874 und die Bonner Semi- 

KQioig jTQog rovg ano^ovviag jzegl rov d'siov Pan- narmitglieder 1895 endlich den griechischen Text 

rlofyiarog (LXV 985 — 1028). Dieser Traktat ist der Vita bekannt machten. Kiirzlich haben nun 

nach dem Zeugnis des syrischen Kommentators H. Gr^goire und M. A. Kugener das Ver- 

der Zenturien des Euagrios Pontikos, Babai d. trauen auf die Erzahlung des M. endgultig er- 

Gr., gegen die Messalianer gerichtet (W. Fran- schuttert, als sie auf Grund einer glanzenden 

k e n b e r g Euagrius Ponticus S. 253 =: Abh. Beobachtung des Bollandisten P e e t e r is nach- 

Ges. Gott., Phil.-hist. Kl. N. F. XIII 2. 1912). Den weisen konnten, daB nioht nur an vielen Stellen 

Nachweis hierfiir und fiir die Zusammenhange Theodorets Historia religiosa (verfaBt um 444/45) 
mit den Homilien Makarios des Agypters lieferte 50 wortlich ausgesehrieben ist, sondern auch eine 

E. Peterson D. Sehrif t des Eremiten Mar- Novelle lustinians (nr. CIII), in der mit groBen 

kus tiber die Taufe und die Messalianer, Ztschr. Worten tiber das palastinensische Caesarea ge- 

f. neutest. Wiss. XXXI (1932) 273. 5. ovfjLpovXla sprochen wird, fast wortlich in einer Rede des 

voog jtQog xrjv iavrov xpvxrjv (LXV 1104 — 1109). Arcadius bei M. begegnet. Gregoire und Kugener 

6. avrcPoXr) nQog oxoXaarixor (LXV 1072 — 1101). haben der Erzahlung eine sehr tiefschtirfende 

7. tisqI vrjorslag (LXV 1109 — 1117). 8. TZQog Ni- Untersuchung gewidmet und kommen zu dem 
Tiolaov vov&sGiaL yjvxcocpsXeJg (LXV 1028 — 1053). fast einstimmig angenommenen SchluB, daB ein 
9. €ig rov MeXxi'Osds?e (LXV nil — 1140). SchlieB- Bericht des M. im 6. Jhdt. stark tiberarbeitet 
lich darf noch eine Schrift als echt gelten, die worden ist. Der Bearbeiter tritt aber so stark 
von Papadopulos Kerameus und dann 60 in den Vordergrund, daB sich nur schwer, wenn 
von Kunze Off. nach einer Jerusalemer Hs. tiberhaupt, die M. angehorende Erzahlung wird 
(Cod. Sab. 366) herausgegeben worden ist. 10. Ad- herausarbeiten lassen. Wenn auch der Wert der 
versus Nestorianos, Als unecht sind anzusprechen: Vita ftir die Geschichte um 400 endgtiltig ab- 
1. ?cs(pdXata vrjmiKa (LXV 1053 — 1069), eine getan ist, iso behalt doch die Vita einige Bedeu- 
Kompilation aus den asketischen Sentenzen des tung als historischer Roman und wird gerade zur 
Maximus Konfessor und den Homilien des Maca- Kritik anderer ahnlicher Erzeugnisse anregen. 
rius Aegyptius. 2. Ein lateinisches Brieffrag- Ftir alle Einzelheiten bleibt grundlegend die Aus- 
ment (LXV 903) ist in lateinischer "Ubersetzung gabe von Gregoire umd Kugener, die auch 



283 Mccd^aXk Maximmus 284 

bisher nieht hexangezogenes hsl. Material fur die 12 Dichter Asclepiadius, Asmenius, Easilius, 

Textkonstitution benutzt haben. Der Ausgabe ist Euphorbius, Eusthenius, Hilasius, lulianus, M., 

auch ein ausgezeichneter Kommentar beigefiigt. Palladius, Pompilianus, Vitalis, Yomanius sind 

Der Titel der Ausgabe lautet: Marc de diacre, Vie sonst voUstandig unbekannt. Ihre Zeit lafit sich 

de Porphyre eveque des Gaza. Texte etabli tra- nicht bestimmen. AUes Personliche ist in den 

duit et comments par H. Gr6goire et M. A. Gedichten vermieden bis auf den Geburtstags- 

Kugener. Paris 1930. Collection Byzantine gluckwunsch, den lulianus dem Asmeniuis dar- 

publiee sous le patronage de I'association Bude. bringt (638). Aber auch. bei diesem laBt der 

[H. G. Opitz.] mehrdefutige Wortlaut nioht mit iSieherheit den 

C. Marius s. am Ende des Bandes. 10 SchluB zu, den H. Walther Das Streitgedicht 

Ma'&aXis, Nach Hesych (s. v.) und Athenaios in der lat. Lit. des Mittelalters, Munch. 1920, 

(XI 487 c) ein TrinkgefaB unbestimmter Form. 16, 5 gezogen hat, namlieh daB 12 Schuler ihren 

Vielleicht war es eine Art Kvh^^ oder aber iiber- Lehrer an seinem Geburtstage durch poetische 

haupt nur ein MaB, wie z. B. der Tcvad'og, Wettkampfe feiem, wenn auch zuzugeben ist, 

[F. V. Lorentz.] daB die Stellung gerade dieses Gediohtes an dem 

Matisonenses heiBen nacheiner 1911 inBie- Ende der Sammlung, also an einem besonders 

tigheim an der Metter gefundenen Inschrift auf auffallenden Platz, nicht ganz ohne bestimmte 

der Basis einer Sandsteinstatuette eines Genius, Absicht erfolgt sein wird; vorsiohtiger urteilt 

Haug-Sixt Die rom. Inschr. u. Bildwerke Rie,se in den Addenda deis 2. Bandes 384, 1. 

Wiirttembergs^ nr. 580 (S. 496). R i e s e Inschr. 20 Die Anordnung der Gedichte ist so vorgenom- 

nr. 2181, die Anwohner der Metter, die als coUe- men, daB von Monosticha, also Einzelspruchen, 

gium Matisonensium bezeichnet werden, P a r e t zu Disticha, Tristicha usw. iiber das gleiche 

in Hertlein Die Romer in Wtirttemberg III 284. Thema vorgeschritten wird, wahrend in der 

Sie bildeten wahrscheinlich eine Kultvereinigung, zwolften Gruppe (627 — 638) 12 ungleich lange 

Hertlein I 137, so daB in der Nahe wohl ein Stiicke in verschiedenen VersmaBen iiber ver- 

Heiligtum anzunehmen ist. H. Fischer Fund- schiedene Gegenstande angeschloasen werden. 

ber. aus Schwaben XIX 28 erschlieBt aus dieser tJber dieses rein auBerliche Gruppierungsprinzip 

Inschrift den antiken Namen Matisa der Metter, hinaus laBt sich — vielleicht mit der einenAus- 

wogegen Springer D. FluBnamen Wiirttembergs nahme 638 — kein tieferer Beweggxund fiir die 

u. Badens 36 besser den Namen Matisona, den er 30 gowahlte Reihenf olge erkennen. Nur das ist noch 

fiir keltisch halt, oder mit Bacmeister Alem. zu ,sagen, daB innerhalb jeder Gruppe die Dichter 

"Wanderungen99ilfa^rowavorschlagt, ohnedieDeu- in der Weise gesteUt sind, daB z. Bi. M. in I 

tung des Namens zu wagen. [Alfred Franke.] an fiinfter, in II an vierter Stelle steht und so 

Matoas (Maxoag). Steph. Byz. 218 undnaeh fort bis V, wo er am Anfang erscheint, in VI 

ihm Eustath. Dion. Per. 494 berichten, daB die kommt er dann an die letzte Stelle und riickt 

Donau friiher M. geheiBen habe (Naberes Bd. IV jodesmal wieder einen Platz auf, bis er in XI 

S. 2104). Vielleicht fiihren die nur von Heka- die siebente — denn die 6 Versc' des Pompilianus, 

taio'S bei Steph. Byz. 437 genannten MatvKszai dem die ,seehste Stelle zukommt, miissen aus- 

(Bd. XIV S. 2329) nach ihm ihren Namen (Phi- gefallen sein, wie eine Randnotiz in C richtig 
lipp B'erl. phil. W. XXXIV 374). Vgl. T o m a- 40 bemerkt — und in XII die sechste Stelle erhalt. 

s <; h e k D. alten Thraker II 2, 95. P i c h 1 e r Der Ordner wollte offenbar unter den Zwolf kei- 

Austr. Rom. 164. [Max Fluss.] nen zu gut oder zu schlecht wegkommen lassen. 

S. 2432 zum Art. Maxentius: Wenn schon die ganze Sammlung bei fliich- 

Die Grabschrift des lulius lulianus (jetzt GIL tiger Priifung offenbart, daB sie in die Gattfung 

VI 37773) kann sich, wie Bang (Herm. LIII, der Streitdichtung einzuordnen ist, so zeigen das 

211f.) nachweist. nicht auf die Zeit des Galerius insbesondere die beiden als Gegenstiicke gedach- 

beziehen, sondern ist um vieles alter. ten Gedichte des Busthenius de Achille und des 

Zu S. 24471: Elmar Num. Ztschr. 1932, Pompilianus de Hectors, die je 5 Distichen um- 

23—36. — OIL XV 7940. fassen und beide in dem Vossianus Q. 86 des 

Zu S. 2462f . : Zur Christenpolitik des Maxentius 50 9. Jhdts. als Epitaphium bezeichnet werden, und 

vgl. jetzt Pineherle Studi di filologia class. das letzte Gedieht des M. (632), das sich gut 

VII 2, 1929, 132 — 143. Gr^goireRev. deTUniv. isoliert betrachten laBt, weil wie .schon erwahnt 

de Bruxelles XXXVI 1930/31, 231 — 272. Caspar die Gedichte der zwolften Gruppe kein gemein- 

Geschichte des Papsttums I 101. [Groag.] sames Thema haben. Es handelt von dem Buch- 

S. 2538, 57 zum Art. Maximinus: staben Y, den er als Pythagorae liitera bezeich- 

5) Dichter, von dem 12 Gedichte in den net und idessen Form ihm zum Gleichnis wird 

Anthologien verschiedener Hss. des 9. — 11. Jhdts. fiir die beiden Wege, die dem Menschen fiir die 

(s. u.), um von jiingeren abzusehen, iiberliefert Gestaltung seines Lebens zur Wahl stehen, die 

werden. Sie stehen hier nicht fiir sich, sondern via virtutis imd die via desidiae. Hierbei be- 
jedesnml ist eines mit 11 anderen von 11 ver-60findet er sich in trbereinstimmung mit anderen 

schiedenen Dichtern zusammengeordnet, und zwar Autoren, vgl. z. B. Pers. sat. 3, 56 mit Scholien 

in der Weise, daB immer mit Ausnahme der und Lact. inst. div. VI 3, 6, besonders Auson. 

letzten 12 (s. u.) ein und dasselbe Thema behan- Technop. XXVII 12, 9 (138 Seh.) Pythagorae 

delt wird. Dieser Kranz von Gedichten, im bivium ramis pateo ambiguis cv? Maxim, 

ganzen 12x12 (495 — 638 in Rieses A. L.) tragt di s crimine secta bicorni und Profesisores 

in der wichtigsten Hs. C = Paris. 8069, einem XVI 12, 5 (64 Sch.) Pythagorei non tenentem 

Thuaneus — iiber ihn Riese Praef. I, XLI — tramitis rectam viam; vgl. Nor den zu Aen. VI 

die subscriptio versus XII sapiencium. Die 540 und Brinkmann Rh. Mus. LXVI 619, 2. 



285 Ma^ximinus Maximinus 286 

DaB der Geist dos Prodikois hier bescliworen wird, lung Ovids entnommeott sein, an die man unwill- 

bedarf kamn der Erwahnung; vgl. C. Pascal kiirlich erinnert wird. Hier steht met. Ill 451f. 

II bivio della vita e la littera Pythagorae, Mis- nam quotiens liquidis porreximus oscula lym- 

eellanea Ceriani, Milano 1910, 57 — 67. Die Be- fhis, hie Miens ad me reswpino nititur ore. 

deutung der 'Aycov- und Gertamendiobtung ftir Unter den 12 Variationen verdient die des 

das Altertum kurz skizziert und ftir das Mittel- Euphorbius deswegen herausgehoben zu werden, 

alter eingehender dargestellt zu haben, ist ein well sie dureh ein sprachliches Indiz den Spat- 

Verdienst des oiben erwahnten Waltherschen Hng verrat, denn er gibt 526, 2 dem Riund des 

Buches. Spiegels das anscheinend nur in der Spatzeit 
DaJB die iSammlung im weisentlichen auf poe- 10 gebrauchte Beiwort purificus; ahnlich steht es 

tiscbe Schuiiibungen zuriiokzufiihren ist, zeigt mit dem von M. 543, 2 verwendeten multieolor, 

das Gedicht des Basilius in der zwolften Gruppe das ich aus frtiherer Dichtung uberhaupt nieht 

(634). Er hat sich namlich innerhalb dieser der belegen kann. 

freien Themawahl vorbehaltenen Eeihe nichts 4. Das zu Eis gefrorene Wasser als Fahrweg. 

anderes zu wahlen gewuBt als eine Inhaltsangabe Auch hier lohnt es sich, den von den Hss. ge- 

der Aeneis in 12 Hexametern. Und -damit be- gebenen Hinweisen nachzugeben. Der schon «r- 

ruhren wir eine der den 12 sapientes gesteUten wahnte Palat. 487 fiihrt namlich Verg. Georg. 

Hauptaufgaben. Sie besteht darin, entweder EI 362 puppibus ilia prius, patulis nunc hospita 

kurze Argumenta einzelner Aeneisbucher zu plaustris an, wahrend der Vossianus De glaeie 
dichten, wie sie im spateren Altertum beruhmt =20 pentametris versibus als Dberschrift hat. Mit 

war en — ahnlich steht es mit Lucan; vgl. Anth. Recht hat Ri eise daher auf die analoge Schilde- 

Lat. 806 — oder Themen zu behandeln, die durch rung in Ovids Tristien (III 10, 3 If.) verwiesen, wo 

Vergils Person und seine Stoffe angeregt sin;d. es heiBt: quaque rates ierant, pedibus nune itur 

Vergilimitation beherrscht das Ganze, ohne aber et undas frigore eoncretas ungula pulsat equi. 

wahrhaft ischopferiseh zu werden, daneiben laBt Der einzige unter den ZwoU, der sich sprachlich 

sich, wenn auch nicht ganz so stark, EinfluB hier von Vergil und Ovid hat beeinflussen 

Ovids 'beobachten, alios andere tritt dahinter lassen, ist M. Nur bei ihm erscheint patulus, 

zuriick. Sieht man unter dieser Voraussetzung das bei Vergil Beiwort der Lastwagen ist, als 

die 11 Themen an, so ergibt sich folgendes: Attribut zu puppis, und nur er hat den ovidi- 

1. AUgemeine Lebensregeln in einem Verse, 30 schen Ausdruck undas frigore eoncretas iibemom- 
und um die Sache noch schwieriger zu machen men und zu unda . . . eoncreta gelu umgeformt. 
oder noch mehr zu verkiinsteln, muB jeder Hexa- 5. Der Regenbogen, 3 Hexameter. Auch hier 
meter aus 6 Worten zu je 6 Buchstaben be- hat Riese zu M.' Versen (543), die diesmal an 
stehen. Wenn das nicht einfach geht, werden erster iStelle stehen, mit Recht auf Ovid. met. 
zwei mehr oder weniger (lulianus 505) zusam- VI 63f. hingewiesen, Verse, denen der allitte- 
mengehorige Worte zu einem Wortkomplexe ver- rierende VersschluB curvamine caelum wortlich 
einigt, so von M. 499 aesest und inarca, von entnommem ist. M. ist in der Anwendung dieses. 
Asmenius 502 paxest, von Euphorbius 504 egosum, Kunstmittels noch uber Ovid hinausgegangen, 
von lulianus 505 utvere. Schwer hat M. sich mit wenn er am Anfaoige von der varians vestis der 
seinem Spruche ludite securi, quibus aesest 40 Iris spricht, was um so mehr ins Ohr fallt, wenn 
semper inarca die Sache ebensowenig gemaeht man in dem an letzter Stelle stehenden Gedichte 
wie seine Konkurrenten, indem sie irgendwelche des Pompilianus (554) picta veste deeens liest. 
Gemeinplatze, denen man die Bezeichnung Lebenis- Auf f allend und auch auf Beruhrung mit Ovid 
weisheit kaum wird zugestehen wollen, in Verse weisend ist die Bezeichnung der Iris als Thau-^ 
setzen. M.' Spruch erinnert, besonders wenn man mantis proles im ersten und Nachholung ihres 
ihn mit dem von Riese herangezogenen Verse Namens im dritten; denn Basilius (545) und 
Anth. Lat. 82, 10 vergleicht, an Sentenzen, die lulianus (549), die ebenfalls die Genealogie der 
von der Komodie ab in der in Betracht zu Ziehen- Iris vorbringen, vermeiden die Nennung ihres. 
den Literatur (vgl. Leo Plant. Forsch.2 149f.) Namens. Bei Ovid lesen wir met. IV 480 Thau- 
immer wieder ausgesprochen werden. Am un- 50 mantias Iris, bei Verg. Aen. IX 5 nur Thau- 
geschioktesten von alien zeigt sich hier ubrigens mantias. 

Pompilianus (498), der eigentlich schon nach 6. Eine Wiederholung von 2. mit dem Unter- 

4 Worten mit seiner Weisheit zu Ende war schied, daB hier 2 Distichen zu dichten waren. 

irasci victos minime placet und um den Vers Bei dem zweiten des M. glaubt man wiederum 

zu fiillen optime f rater hinzuftigte. ovidische Klange herauszuhoren: iamque ad lustra 

2. Grabschrift fiir Vergil. Den 12 Variationen decern Titan accesserat alter, cum tibi me rapuit, 
ist in 2 Hss., dem bereits erwahnten Vossianus Mantua, Parthenope. Das erinnert auffallend an 
und dem Palatinus 487 (9. Jhdt.) das beruhmte Ovid, trist. IV 10, 31 f. iamque decem vitae f rater 
Distichon Mantua me genuit usw. vorausgeschiekt. geminaverat annos, cum perit in Verbindung 

3. Das Wasser als Spiegel. Im Vossianus 60 mit 77f. et iam complerat genitor sua fata no- 
Q. 86 steht eine von der der anderen Hss. ab- vemque addiderat lustris altera lustra novem* 
weichende "Qbersehrift de duobus heroicis versi- Dem Titan, alter M.' entspricht bei Ovid, fasit. 
bus. Mag auch die andere konkretere de unda et I 617 — allerdings in der Bedeutung Tag — ein 
speculo richtiger sein, etwas Zutreffendes ent- Titan, tertius. 

halt die erste doch und kann weiterhelfen. Denn 7. Die vier Jahreszeiten. Das Thema ist ge- 

die hier gewahlte Bezeichnung der Hexameter stellt im AnschluB an Ovid. met. II 27 — 30, wie 

als heroici versus laBt an ein Epos denken, und die Hss. bereits dadurch zeigen, daB sie die 

in der Tat kann das Thema der Narcissuserzah- Ovidverse den 12 Gedichten vorausschicken. Hier 



287 Maximinns Maximinus 288 

ist von M. in das ovidisehe Thema eine Vergil- erst bei Columella vorzukommen. tTber aestifer, 

remlniszenz hineingearbeitet, denn 577, 4 de- das M. dem Lowen als Beiwort gibt, laBt sich 

cutit ipse rigor silvis hiemalis honor em nicht mit Sicherheit urteilen. Cicero gebraucht 

stammt offenkundig aus Verg. Georg, 11 404 es Arat. 320 vom Krebs, Verg. Georg. II 353 

frigidus et silvis aquilo decussit ho no- vom Hundsstem. Ebensowenig laBt sich tiber 

rem. Denn daB M. die Argonautica des Varro semifer etwas aussagen, das Vergil zwar zweimal 

Atacimis, aus denen Vergil den prachtvoUen Vers hat, aber nioht als Beiwort eines Sternbildes des 

zitiert hat, gelesen hat, wird wohl niemand Tierkreises, wahrend Cic. Arat. 59 es vom Kor- 

annehmen. per des Capricornus sagt. M. gebraucht es vom 

8. De aurora et sole in 2 Distichen. Die 10 Kentauren, den er semifer arcitenens nennt. 
Hs. V irrt hier, wenn sie in der 'Dbersehrift von Es ist nicht besonders merkwiirdig, daB sich 
heroicis versihus spricht. Hiese hat zu M. gerade in dieser Gruppe eine Reihe von auf- 
588, 1 auf Verg. Aen. XII 77 und zu Palladius fallen den Hexameterschlussen findet, die sonst 
584, 1 gut auf Aen. VII 26 verwiesen und da- bei M. uberhaupt nicht vorkommt und bei ande- 
mit gleichzeitig Vergil als den bezeichnet, dureh ren der Zwolf nicht haufig ist. Die Erklarung 
dessen Sonnenaufgangsbeschreibungen das Thema liegt nahe. Die vielen Namen, die zur Kennzeich- 
veranlaBt sein wird. Natiirlich konnen bei diesen nung der Tierkreisbilder unterzubringen waren, 
zwolf typischen Ekphraseis, die sich im wesent- machten iSchwierigkeiten. Die Folge war, daB 
lichen, man mochte sagen aus formelhaften Ver- die Dichter sich erlaubten, was sie sich sonst im 
sen zusammensetzen, ovidisehe Vorbilder, wie sie 20 allgemeinen versagt hatten. Hierher gehort M. 
in den Metamorphosen und sonst haufig anzutreffen 621, 1 Taurique trucis frons und Basilius 623, 5 
sind, mitgewirkt haben. Zu beachten ist auch, aequoreique Capri frons, Dazu steUen .sich ein 
daB das nicht haufige Beiwort der Sterne nocti- paar FaUe aus anderen Gruppen, z. B. Vomanius 
vagus bei Verg. Aen. X 216 als Beiwort fiir den 547, 1 contigerit sol, Euphorbius 581, 1 igni- 
Wagen der Mondgottin erscheint in einer Dar- ferum Sol — vgl. Cic. Arat. 264 nach Ennius, 
stellung des ischwindenden Tages und des auf- N o r d e n Aen. VI2 448f. — und Vitalis 578, 1 
ge/henden Monde®. odoriferum ver. Aueh ein anderer ungewohn- 

9. Inhaltsangabe je eines Aeneisbuches in licher HexameterschluB, ^ ^ -^ auf mehrere 
5 flexametern, vgl. 0. Auffallend ist im letzten Worte verteilt, erscheint nur in dieser Gruppe, 
Verse M.' 599, 5, auf den das neunte Buch ent- 30 und zwar zweimal: bei Hilasius 616, 6 et duo 
fallen ist, vi Turnus potitur castris, vi pellitur Pisces — vgl. 616, 5 et Capricornus — und bei 
inde die Verwendung der stark ins Ohr fallenden Vomanius 625, 3 et pia Virgo, bei M. nicht. 
Anapher. Unwillkurlieh denkt man an Stellen Spondeische Worte im ersten FuBe des Hexa- 
wie Verg. Aen. II 491. 494 oder III 414. 417 meters laBt M. nicht zu, >drei spondeische Wort- 
und erinnert sich der beriihmten Enniusverse folgen, die er hat, hemmen dien Rhythmus nicht: 
Ann. 268. 273. Wenn auch ein Zusammenhang 566, 3 iamque ad lustra-^ 621, 6 et cui nomen 
natiirlich nicht besteht, so sieht man doch immer aquae faciunt; 632, 10 at qui desidiam luxumque 
wieder, wie stark M. sich mit der Sprache und sequetur. Spondeisches Wort im vierten FuBe 
den Kunstmitteln epischer Dichtung vollgesogen begegnet nur 499, wo aus dem Zwange, ein aus 
hat und wie ihm ihre Formen ohne weiteres zu 40 6 Buchstaben bestehendes Wort zu jfinden, aesest 
Gebote stehen. geschrieben ist. Im PentameterschluB M.' und 

10. Grabsehrift fiir Cicero, 3 Distichen. Aueh der anderen ist viersilbiger WortschluB substan- 
das ein beliebtes Thema der Rhetorenschule, wie tivisch, adjektiviseh und verbal haufig, bemer- 
R i e s e 'S Hinweis auf Cornelius Severus bei Sen. kenswert ist nur 510, 2 der Ausgang auf ein 
suas. 6, 26 zeigt. Intereissant ist die Gegenuber- dreisilbiges Verbum merui, eine Eigentiimlich- 
stellung je eines Verses bei M. (610, 2) und Pal- keit, die sich auch bei Asclepiadius, Basilius, 
ladius (606, 4): clarus honore simul, clarus et Euphorbius, Eusthenius, Hilasius und Vitalis 
ingenio co clarus erat factis, clarior eloquio. Mir findet. Einem iambischen Worte am Ende der 
scheint, der Geschicktere ist hier PaUadius, well ersten Pentameterhalfte geht M. nicht aus dem 
er ohne jedas Flickwort eine Steigerung hinein- 50 Wege und wendet es auch dann an, wenn keine 
gebracht hat, wahrend die Anapher M. nicht bestimmte Absicht vorliegt: 532, 2 et concreta 
nur zu den wenigsagenden Worten simul und et, gelii marmoris instar habet. 610,2 clarus honore 
sondern auch zu einem nicht geschiekten Bau simul, clarus et ingenio laBt sich aus dem Be- 
des Pentameters (vgl. dariiber u.) gezwungen hat. streben erklaren, die Vershalften parallel zu 

11. Die 12 Zeichen des Tierkreises, 6 Hexa- bauen, Der Vers ist 0. besprochen. 

meter. Nach einer bestimmten Stelle zu suchen, Die wichtigsten 'Hss. sind im Laufe der Be- 

durch die dieses Thema angeregt sein kann, und sprechung erwahnt worden; im ubrigen verweise 

etwa die eine oder andere Versgruppe der Geor- ich auf die Zusammenstellung bei R i e s e 11 59. 

gica oder Fasti oder Metamorphosen — z. B. 11 In jtingeren von ihm nicht benutzten Hss, be- 

79ff., wo nur fiinf Tiergestalten genannt wer- 60 gegnen auch einzelne Gedichte, eine Tatsache, 

den — herausheben zu wollen, ist bei der Be- die zeigt, daB man nicht nur wie in den alteren 

liebtheit des Gegenstandes durch die Jahrhun- Hss. aus der ganzen Sammlung bestimmte Grup- 

derte verfehlt. Immerhin ist zu beachten, daB pen ausgewahlt, sondern auch einzelnen Gedich- 

bei M. ein Wort begegnet, das zuerst bei Vergil ten zu einem Sonderdasein verholfen hat. So 

vorzukommen scheint: nubigena Aen. VII 674 bietet der von Sedlmayer Prol. crit. in 

und Vin 293 von Kentauren gebraucht, ebenso Heroid. Ovid. 23, 1 besprochene Cremifanensis des 

freilich auch bei Ovid. met. XLI 211 und 541, 15. Jhdts. das Gedicht des Asmenius 635 De 

von Phrixus, dem Sohne der Nephele, scheint es laucle horti. Interessant ist tibrigens hier, daB 



289 Maximus Media provincia 290 

in ihm das in den alten Hss. zu amhi entstellte eine saubere Editorenarbeit einiges Lioht schaf- 

lamhit, das riehtig in der Aldina steht, noch am fen. Diese ist um so notiger, als gerade die 

besten erhalten ist, denn er hat ambit, Volksfrommigkeit und die geistige Lage des 

Fiir die Ausgaben verweise ieh auf das, was 5. Jhdts. am besten aus den Predigten kennen- 

Marx 0. Bd. I S. 2392 gesagt hat. gelernt werden kann. DaB die Entwirrung der 

[Friedrieh Lenz.] tJberlieferungsverhaltnisse moglich ist, zeigen die 

S. 2576, 24 zmn Art. Maximus: bisherigen Arbeiten, z. B. Cape lies an den 

26) Biischof von Turin, lebte um die Mitte des Predigten M.' Bs folge hier fiir den praktisehen 

5. Jhdts. Tillemont beginnt seinen Artikel Gebrauch eine Liste der sicher uneehten Stucke 
iiber M. ganz mit Recht (M^moires t. 16. Paris 10 der Brunischen Sammlung. 1. Homilia 108 

1712 4° p. 31: ,Wir haben keine Kenntnis liber (Migne L. LVII 502) ==, Petrus Ohrysologus 

das Leben und die T^ten des hi. Maximus von Hom. 50 (Migne L. LII 339) nach M o r i n Revue 

Turin.* Ein M. von Turin laBt sich nur als Teil- Benedictine XV (1898) 402. 2. Sermo 2 (LVII 

nehmer an einer von Euseb von MaUand gelei- 533ff.) == Augustin. quaestiones evangel. 2, 44 

teten Synode in Mailand im Jahre 451 (ep. Leo- (Migne L. XXXV 1357). 3. Sermo 56 (LVII 643) 

nis papae nr. 97. Migne L. LIV 948 A/B) und an kann wegen des Stiles nicht eeht sein. 4. Sermo 

der Synode unter Papst HUarius in Rom am 72 (LVII 679) = Leo sermo 85 (Migne L. LIV 

19. November 465 (Dionysius Exiguus, Collectio 435). 5. Alle Sltiicke, die Bruni aus Cod. Vero- 

decret. pont. Rom.; Migne L.LXV1I 315 B) nach- nensis 51 (friiher 49) s. VI. abgedruckt hat, sind 
weisen. Gennadius (um 480) widmet in seinem20nach einem iiberzeugenden Beweise von B. Ca- 

Buche De viris illustr. c. XL M. einen Berioht pelle in Revue Benedictine XXXIV (1922) 82 

uber dessen Schriften. Nach Gennadius soil M. dem arianisehen Bischof Maximinus zuzuspreehen. 

unter Honorius und Theodosius 11. gestor'ben Bie Ausgabe von Bruni der Veroneser Texte 

sein. Diese Datierung ist auf Grund der Synodal- ist durch neuere von C. H. Turner und A. 

unterschriften zu verwerf en. Nach eigener An- Spagnolo sowie von C a p e 1 1 e vollig tiber- 

gabe (sermo 81. Migne L. LVII 695 B) ist M. holt worden. Bruni war nieht ia der Lage, die 

Zeuge des in Anaunia (Raethische Alpen) im teilweise sehr verderbte Hs. genau zu lesen. Es 

J. 397 erfolgten Martyriums der Kleriker Alex- handelt sich um folgende Stucke der Ausgabe 

ander, Martyrius und Sisinnius gewesen. Da6 M. Brunis: a) Expositiones de cap. evangeliorum 
tatsaehlich um 452 im Aimte war, geht aus den 30 (LVII 807 — 832), neu herauisgegeben von C a - 

Homilien 81 ff. hervor, die an die Gemeinde in pelle Revue Benedictine XL (1928) 49ff. b) Trac- 

groBer Bedrangnis von auswartigen Feinden, d. i. tatus IV contra paganos (LVII 781 — 794), Neu- 

aber Attila, gerichtet isind. Das sind alio Daten ausgabe: Journ. of theol. Stud. XVII (1916) 321 

liber das Leben ides M. Um so eindringlicheres — 337. c) Tractatus V contra ludaeos (LVII 795 

Zeugnis von dem Wirken des M. legt seine nicht — 806), Neuausgabe: Journ. of theol. Stud. XX 

unbetrachtliche literarische Hinterlassenschaf t ab. (1919) 293 — 310. d) Die von Turner aus dem 

Nach einigen unzureichenden Ausgaben (vgl. Cod. Veron. 51 (49) zum ersten Male als Gut des 

daruber Schonemann Bibl. hist. lit. Patr. M. herausgegebenen Sermones, Journ. of theol. 

lat. II 607—669, abgedruckt bei Migne L. LVII Stud. XVI (1915) 161—176. 314—232. XVII 
177—210) lieB Bruno Bruni auf Veranlas-40 (1916) 225—235. e) Tractatus I— III (LVII 771 

sung Papstes Pius VI. eine Sammlung aller be- — 782) sind nach C a p e 1 1 e Revue Benedictine 

kannten Schriften in Rom 1784 drucken. Diese XLV (1933) 108ff. M. gleichfalls abzusprechen. 

Ausgabe duroh den Nachdruck Mignes (Patrologia- Sie gehoren einem italienischen Bischof des 

Series lat. 57) leicht zugamglich, hat die in zahl- 5. Jhdts. an. Neuerdings wertden M. zugeispro- 

reichen Hiss, unter dem Namen des M. tiber- chen die Homilien in Cod. Casanat. 133 membr. 

lieferte Hinterlassenschaf t nach gewiB bequemen, s. XII f. 67 — 110b, publiziert von U. Moricca 

aber saehMch nieht ganz zutreffenden Gesichts- in Bilychnis XXXIII (1929) 1, 10—22. 2, 81—93; 

punkten geordnet. iS'oweit sich zurzeit ubersehen Didaskaleion N. S. VII (1929) 3 — 6. Die Echtheit 

laBt, diirfen in der Brunischen Sammlung des dieser Homilien wird jedoch noch im Zusammen- 
M. nur die Predigten, bei Bruni in Homiliae 50 hang mit den anderen unter dem Namen dies 

Tind Sermones geteilt, als eeht angesehen werden. Maximus iiberlieferten Stiioken einmal grundUch 

AUes andere ist uneeht. Die Sammlung Brunis gepruft werden miissen. Die echten Predigten 

l)edarf deshalb einer sehr kritischen Durchsicht, des M. fallen duroh ihre Ktirze auf. Man darf 

die bisher besonders erfolgreich von B. Ca- vermuten, daB in den meisten Stiicken kurze, 

pelle durchgef iihrt worden ist, aber noch zwar einfach und klar, aber gesohickt stilisierte 

keineswegs als abgeschlossen gelten kann; wie Ausziige bzw. Naohschriften der gehaltenen Pre- 

liberhaupt die Erforschung der tJberlieferung der digten vorliegen. Fiir die Geschichte des Gottes- 

groBen Prediger des 5. Jhdts. auf nicht geringe dienstes in Oberitalien und fur das idamals noch 

Schwierigkeiten stoBt, da von Ambrosius bis zu wirksame Heidentum sind die Predigten reoht 

Papst Greigor die tJiberlieferung der Predigten 60 aufschluBreich. [H. G. Opitz.] 
recht verworren ist. In diesem Urwald kann nur 

Zum fiinfzehnteii Bande. 

Media provincia heiBt auf der Tab. Pent. Bd. II A S. 258 Nr. 3), Irrttimlich sagt daher 

V 2/ VI 1 die im latere. Veron. ed. Seeck p. 249 der Geogr. Rav. IV 20 S. 219, 3: Valeria, 

OIL in 10981 iSoAria genannte Provinz (vgl. quae est medi a, appellatur provincia. VgL 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 10 



291 Meidylides Mekyberna 292 

Pichler Austria Rom. 164. Miller Itin. 1854, If. Im Art. Chalkidike Bd. VI 

Rom. 485. [Max Fluss.] S. 2069f. wird der Name ,mekybernaisch' nur dem 

Meidylides. 1) Athener, Sohn des Euthy- nordOstlichen Teil der toronaischen Bucht gege- 

machos aus Otryne, [Deraosth.] XLIV 9 — 17. 20. ben; gegen diese Ansicht sprechen aber die zi- 

Seine Gemahlin hiefi Mnesimache, von der er tierten Stellen). Als Griechenstadt wird M. aus- 

die Tochter Kleitomache hatte, die den Athener drticklich von Herodot. VII 122 und Skyl. QQ 

Aristoteles aus Pallene heiratete. Diese batten drei bezeichnet; wie wir aus Steph. Byz. ersehen, war 

Sohne: Aristodemos, Habronichos und Meidylides. die Stadt schon bei Hekataios angefuhrt. Zum 

2) Der Enkel von Nr. 1. [Demosth.] XLIV erstenmale in der erhaltenen Literatur wird sie 
10. Kirchner Prosop. Att. 9733. 9734. Scha- 10 bei Herodot a. 0. erwahnt, weil sie fur die Flotte 

f er Demosth. Ill Beil. 242. [Fiehn.] des Xerxes Schiffe gestellt haben soil. Spater 

Mekistis {cpvXrjg Mrjmaotldog), Phyle von schloB sie sich dem Seebunde Athens an und 

Eretria in einem Proxeniedekret dieser Stadt aus leistete durch viele Jahre ihre Beitrage (CIA I 

dem ersten Telle des 5. Jhdts. v. Chr.; s. Peek 226ff. BOckh Staatshaushalt II 648f., 707. Die 

Athen. Mitt, (voraussichtlich 1934). Diese Phyle, Summe betragt 100 Drachmen, ab 446/45 einige 

so wie der Personennamen Msmoto-dcoQog aus Jahre hindurch 6Q Drachmen 4 Obolen). Ge- 

Aia(fA,a), einem Demos des stidlichen Teiies des nannt ist die Stadt in den Listen nach 436/35 

eretrischen Gebiets, IG XII 9, 245, 82 und S. 194 nicht mehr, doch ist, wie Steup Thukydid. 

137, bezeugen nach Bechtel HP 315: .MrjxioTo- Studien I 46 richtig betont, daraus durchaus 
zu Kamen einer Ortlichkeit oder eines Heros';20kein SchluB zu Ziehen. — Das Entstehen eines 

wahrscheinlich einen Berg. S. Mekiston Nr. 2. bedeutenden Gemeinwesens im benachbarten Olyn- 

Mekiston {Mrjmatov) 1) Die Fackelpost im thos beeintrachtigte naturgemaB den Wirkungs- 
Aischyleischen Agamemnon 276 geht vom troi- kreis M.s. DaB sich M. an dem ovvoimofjiog des 
schen Ida tiber Lemnos, den Athos zu den Ma- Jahres 432 (Thuk. I 58) beteiligte, ist unwahr- 
Tcioxov GTtondg, von da fernhin {kHag) zum Euripos scheinlich ; die Stadt blieb bestehen und hatte 
zu den Wachtern des Messapion. Das Scholion als Bundesstadt nichts von Athen zu fiirchten. 
erklart 276 Molkiozov oQog JEv^olagy 280 Meood- Schwierig wurde ihre Lage, als Brasidas den 
mov oQog [AstaSv Evfiolag xal Boicoxlag^ dies fur Osten der Chalkidike und Torone an der Golf- 
die geographische Anschauung nicht klar. Das einfahrt ftir sich gewann, worauf Skione und 
M. muB also auf Eaboia in einiger Entfernung 30 Mende im Siiden der Pallene sich beeilten, zu 
vom Euripos liegen, und wegen der eretrischen ihm abzufallen. Die Weiber und Kinder aus die- 
Phyle MrjHtootig (s. o.) noch im Gebiet von Ere- sen Stadten rettete er vor den nahenden Athenern 
tria. Also kommt das Kandiligebirge nordwest- nach Olynthos, wurde aber dann wieder in Ma- 
lich von Chalkis (Karte IG XII 9 Taf. 5) nicht kedonien in Anspruch genommen, so daB M. 
in Frage, sondern nur die 1745 m hohe Spitze wahrscheinlich, wie frliher Sane, einer Besetzung 
Dirphys ; er kOnnte freilich nur seiner Hohe (wie durch Brasidas entging. Mit Sane wird es Thuk. 
homerisch eXdrrj ovQavofAi^Krjg) nicht wegen der V 18, 6 in der Urkunde des Nikiasfriedens er- 
Lange eines Bergkammes seinen Namen flihren, wahnt. Die Mekybernaer sollten ihre Stadt be- 
ware aber wegen der betrachtlichen Entfernung wohnen wie die Olynthier. Dieser Satz enthalt 
vom Athos, fast 180 km, sehr geeignet; R. Kie-40wohl eine Spitze gegen Olynthos; die Selbst- 
pert FOA XVI bezieht den Namen auf die standigkeit der athenfreundlichen Stadt soUte 
ganze langgestreckte Bergkette. gegen die Feindin gewahrt bleiben. (So E. 

2) Ein anderer Berg gab dem Demos der Meyer G. d. A. IV 607, Steup Thukydid. 

Mrjxhuoi von Hestiaia (s. SuppL-Bd. IV S. 749), Studien I 40ff. Anders Beloch GG II 1, 342, 

der nOrdlichsten Stadt von Euboia, den Namen. 1 : dieser meint, daB auch M. und Sane sich von 

IG XII 9, 1189, 31, Inschrift vom Artemision Athen abwandten und mit dem oben zitierten 

mit lauter Demotika der Stadt, vgl. S. 170; hier Satz nachtraglich in den Entwurf des Vertrags- 

kOnnte das Kandiligebirge noch in Frage kom- instrumentes eingefligt Wurden.) AUerdings ntitzte 

men, wenn sich das Stadtgebiet stidwarts noch die Klausel nicht viel; bald nach dem Nikias- 
ein Stlick liber den sicher histiaischen Demos 50 frieden fielen die Olynthier iiber M. her und be- 

Orobiai hinauserstreckte. Geyer Euboia 88, 4. setzten es, trotz einer athenischen Besatzung^ 

[v. Hiller.l (Thuk. V 39). Olynthos blieb weiterhin das Schick- 

Mekyberna. Mri^vpsQva (in den attischen sal der nun ganz abhangigen Stadt, die bei 

Tributlisten heiBen die Bewohner mitunter Mrj- Strab. VII 330 frg. 29 als xrjg VXvv&ov kniveiov 

xvstsQvaloij so CIA I 226. 230. 236), kleine Grie- bezeichnet wird. Gelegentlich seiner Eroberung^ 

chenstadt auf der Halbinsel Chalkidike im in- durch Philipp von Makedonien wird M. wieder 

nersten Winkel des Golfes von Torone (Skyl. QQ. erwahnt (Died. XVI 53). Die Frage ist, ob es 

Skymn. 641. Steph. Byz.), nach Harpokr. s. v. und 348 vernichtet wurde oder ob es wenigstens noch 

Suid. s. V. 20 Stadien von Olynthos entfernt. in der frtihhellenistischen Zeit weiterbestand, um 
Eine Stunde von Olynthos befinden sich an der 60 dann erst nach dem ovvoimo/u6g der neuen GroB- 

Ktiste in einem ausgedehnten Trummerfeld die stadt Kassandreia (Died. XIX 52) und unter 

Ruinen der alten Stadt. Die Statte heiBt heute deren Druck langsam zu verOden. Died. XVI 53 

Moliwopyrgos. (Struck Makedon. Fahrten I 56. spricht von einer kampflosen Einnahme durch 

Casson Macedonia 89). Nach M. soil einmal Verrat; sein Ausdruck naQeXa^s weist auf eine 

der Golf benannt gewesen sein. (Mela II 3, 34: giitliche Regelung der Verhaltnisse (vgl. z. B. 

■fiexus Megybernaeus. Plin. n. h. IV 10, 36, des- XVI 45, 2. XVII 21, 7). Gegen die iibertriebe- 

sen zerstorter Text den Namen mangelhaft liber- nen Nachrichten von der ZerstOrung chalkidischer 

liefert. Hoffmann Programm Gymn. Bromberg Griechenstadte durch Philipp von Makedonien 



293 Meliton Melkart 294 

(Demosth. Phil. Ill 26) wendet sich z. B. Koh- Hist. anc. de I'Afrique du Nord (2. 6d.) II 293. 
ler S.-Ber. Akad. Berl. 1891, 474f. Ein Gelehrter, III 6, 2. IV 302f. Di^pgriechische Wiedergabe des 
Hegesippos von M., der eine Lokalgeschichte der Wortes lautet MsX^cdd'Qog^ eine metathetische 
Pallene schrieb, lebte vermutlich in friih-helleni- Form, die nicht in MeXxaQ'&og (G r u p p e 
stischer Zeit. (Christ II 166. Schwartz Herm. o. Suppl.-Bd. Ill S. 983, 32) geandert werden 
XXXV 129 betont, dafi die Neugrlindungen Thes- muB, wahrend als fehlerhafte Schreibung MsX- 
salonike und Kassandreia die Elemente der Kul- xdv&aQog bei Euseb. laud. Const. 13, 3 zu gelten 
tur so aufsaugen muBten, dafi Schriftsteller, die hat. Nichts weiter als eine Verstiimmelung des 
als Btirger kleiner chalkidischer Stadte genannt Wortes M. ist der in Agypten und Libyen ver- 
werden, nicht unter das 4. Jhdt. herabgeschoben 10 ehrte Herakles ,Makeris* (s. Pans. X 17, 2 nach 
werden kOnnen.) Skymn. 641 fiihrt die Stadt als Timaios; Movers Phonizier II 2, 118, 222), 
nicht mehr bestehend an, doch darf aus dieser wie auch der alte Name von Heraclea Minoa, 
Stelle nicht auf eine ZerstOrung geschlossen wer- ,Makara* (nach Aristoteles; s. Heraclides pol. 29), 
den, da gerade dort groBe Verwirrung herrscht; aus Rush-Melqart (s. o.) entstanden ist. 
es wird z. B. eine Stadt Pallene erwahnt, die In der gelehrten mythologischen Gotter- 
nie existierte. Da die Lage M.s am toronaischen genealogie gait M. als Sohn eines Demarus (Phi- 
Golf betont wird, spielte vielleicht die Vorstel- Ion FHG III 568, 22), dem auch die Bezeichnung 
lung mit, daB die Bucht einmal nach M. hieB, eines Zeus Demarus zukam (FHG III 569, 24); 
zur Zeit des Autors aber nach einer anderen triSt die Erganzung (G. H o f f m a n n Ztschr. f . 
Stadt benannt war. [Lenk.] 20 Assyr. XI 1896, 248. G r u p p e Griech. Kulte 

Meliton, Bischof von Sardes, wirkte zwischen und My then I 360), nach der Demarus mit 

160 und 190 n. Chr. Nachrichten iiber ihn sind 'Adodos, dem syrischen Hadad-Baal Shamim oder 

ausschlieBlich durch Eusebs Kirchengeschichte er- aramaischen Adod (Baethgen Beitrage 67), 

halten. M. hat eine bedeutende RoUe in der Kirche identifiziert wird, das Richtige — [6] xal 'Abco- 

Kleinasiens gespielt. Er griS in den Passahstreit 8og — , dann bliebe die orientalische Umgebung 

ein, bekampfte die Marcioniten und Montanisten. gewahrt, wie auch mit der Konstruktion eines 

tJber die nicht geringe Zahl seiner Sehriften be- Elternpaares Zeus-Baal-Shamim und Asteria- 

richtet Euseb ausfiihrlich (vgl. den Index zu E. Astarte, das man flir M. ausdachte; s. Eudoxos 

Schwartz' Ausgabe der Kirchengeschichte III von Knidos bei Athen. IX 47 p. 392; Cic. nat. 
76), der neben Origenes, Anastasius Sinaita einige 30 deor. Ill 16,j 42. G r up p e Griech. Myth. 242. 

Reste bewahrt hat. M. hat vor allem eine Apo- Als Sohn des Herakles-M.-Makeris wurde ein 

logic an Marc Aurel verfaBt, in der er auf das ,Sardos' konstruiert, der mit Libyern Sardinien 

fiir das Romerreich sich so segensvoU auswirkende besiedelte (Timaios bei Pans. X 17, 2), und eine 

Zusammentreffen des Auftretens Jesu mit der Re- Tochter, die Eponyme von Karthago (Cic. nat. 

gierung des Augustus hinweist. Die erhaltenen deor. Ill 42). 

Texte findet man bequem und gut zusammen- trber Einzelheiten des M.-Kultes ist die tlber- 
gestellt bei Goodspeed Die altesten Apologe- lieferung mangelhaft. Jedenfalls war die Hera- 
ten (Gottingen 1914) 306 — 313. Eine unter dem kles-Verehrung sehr stark mit ihm vermengt, 
Namen M.s syrisch erhaltene, wohl auch syrisch und den Griechen wurde die Identifikation des 
verfaBte, Apologie (syrisch und lateinisch bei 40 M. mit Herakles gelaufig: das zeigt die bilingue 
Otto Corpus Apolog. 9, 423ff.) ist spateren Ur- Inschrift von Malta (s. o.), wie auch Euseb. 
sprungs, vgl. H a r n a c k Gesch. d. altchristl. Lit. praep. ev. I 10, 27 MslKah'Qog 6 hoI 'HQaHlfjg 
II 522 S. Im tibrigen vgl. H a r n a c k ebd. I gleichsetzt. So hat man in den Belegen verschie- 
246fE. II 358f. 51 7f. Bardenhewer Gesch. d. doner Art (vor allem in literarischen Erwahnun- 
altkirchl. Lit.^ I 455. [H. G. Opitz.] gen und Mtinzen) fur den ,Herakles'kult phoini- 

Melkart (nnpb?:), kontrahierte Form aus kischer Kolonien am Mittelmeer Dokumente der 
phoinikischem Melek qart, ,K6nig der Stadt'. M.-Verehrung zu erkennen, die von der Mutter- 
Name des lokalen Baals von Tyros, der dann stadt Tyros ausging. Die Zeugnisse sind ge- 
Schutzgott zahlreicher tyrischer Kolonien wird. sammelt und ausgewertet von G s e 1 1 a. 0. IV^ 
Die phoinikisch-griechische Kandelaberinschrift 50 303 — 313, und Gruppe o. Suppl.-Bd. Ill 
aus Malta, die von zwei tyrischen Brudern, Abdo- S. 921—983. 988—992. 998—1000, wo die zu 
sir und Osirschamar (griech. Dionysios und Sara- schwache Betonung der Gleichsetzung Herakles- 
pion), geweiht ist, gilt ,unserm Herrn, Melkart, M. zugleich mit der zu geringen Verwendung der 
dem Baal von Tyros', griech. 'HQanXsl dQxrjykr] Miinzen durch die Ausfuhrung bei G s e 1 1 zu er- 
(ClSemJ 122. 122a S. 150 Taf. 24a. CIG XIV 600. weitern ist; s. auch Ed. Meyer Myth. Lex. II 
Schroder Die phon. Sprache 232 Taf. 7, 1. 2650—52. 

Schlottmann Verb. d. Philol. Vers. Lpz. So hat man M. zu erkennen in der Herakles- 

1872, 160). Zur Wortform: Schroder 168, 2. verehrung von Syrien: Tyros selbst (vgl. 

172, 1. 7. Eine Reihe theophorer Kompositen Gruppe 981f.) besaB das Mutterheiligtum des 
zeigt das Wort in phoinikischen Eigennamen, so 60 Kultes, von dem Herodot. II 44 berichtet, es 

'Abdmelqart (Hamilkar: ,Knecht des M.'), Bod- stamme aus der Zeit der Stadtgrundung un- 

melqart (Bomilkar), Chanmelqart (,Gnade des mittelbar, die von den Priestern, Herodots Ge- 

M.') ; in der phoinikischen Benennung der Stadt wahrsleuten, auf 2300 Jahre zuriickdatiert wurde. 

Kephaloidion (oder Heraclea Minoa, Sizilien) be- Es kann sich dabei freilich nur um die Funda- 

gegnet es als Rush-Melqart, ,Kap des M.' (s. mente gehandelt haben; denn nach Menander von 

Suppl.-Bd. Ill S. 992, 11), auf Mtinzen mit Hera- Ephesos, dem Chronisten von Tyros (Joseph, ant. 

kleskopf : Holm Gesch. Siciliens III 1898, 642 d. VIII 146; c. Apion. 1 118 N.), wurde der urspriing- 

H i 1 1 Coins of anc. Sicily (1903) T. 9, 16. G s e 1 1 liche Tempel durch Konig Chiram I., einen Zeit- 



295 Melkart Melkart 296 

genossen Davids und Salomos, abgerissen und kles-M. in Tyros seinen Tod durchs Feuer fand; 

neu aufgebaut. Herodot (na^h ihm Arrian. anab. s. Eecogn. Ps.-Clem. 10, 24; Patr, gr. I 1434. 

II15. Lukian.DeaSyr.3. Paus.V25, 12)berichtet Wenn Gsell 302. 312 annehmen mochte, 

von der reichen A.usstattung des Tempels, von Herodot (VII 167) habe in seinem Bericht vom 

den vielen Weihgeschenken und den zwei kost- selbstgewahlten Flammentod des karthagischen 

baren Saulen im Innern des Heiligtums, die aus Generals Hamilkar vor Himera den Tod dieses 

Gold und nachtlich leuchtendem Smaragd be- ,Dieners des M.* mit dem des Gottes M. selbst 

standen (s. Theophrast bei Plin. n. h. XXXVII verwechselt, so laBt sich mit gleichem Recht an- 

75). Im Tempel gab es auch, nach Plin. n. h. nehmen, Hamilkar habe in seiner verzweifelten 

XXXVII 161, einen Sitz aus dem Stein ,Euseb^s*: 10 Kampflage gerade die gleiche Todesart seines 

von ihm hatten sich die Glaubigen (er)leicht(ert?) Gottes gewahlt, und darum wurden ihm als 

erhoben {ex qua [sede] pii facile surgebant), Alex- einem Heros in Karthago und in den phoiniki- 

ander der GroBe wiinschte im M.-Heiligtum dem schen Kolonien sakrale Gedachtnisopfer dar- 

tyrischen Herakles zu opfern, stieB aber auf ent- gebracht. 

schlossenen Widerspruch, der die Belagerung und Fiir die nahere Kenntnis der tyrischen M.- 

Zerstorung der Stadt nach sich zog (s. o. Bd. I Feier laBt sich aus der unberechtigten Annahme 

S. 1422). einer solchen Verwechslung kein neues Material 

Ein zweites Heraklesheiligtum von Tyros gewinnen. Wohl aber mag die Grabstatte des 

durfte ebenfalls ein M.-Tempel gewesen sein. Es Herakles-M., die auch Tyros zu besitzen vorgab 

war nach Herodot (II 44) dem UQaxXfjg Gdoiog 20 (Recogn. Ps.-Clem. 10, 24), bei der ,Auferweckung 

geweiht. Die Verhaltnisse dieser KuMbertragung des H.* eine RoUe gespielt haben, und moglicher- 

liegen noch ungeklart; denn nach Herodots An- weise dienten andere Graber des Gottes — wie 

gaben, die er sich an Ort und Stelle selbst z. B. auch Gades eines, sogar mit Gebeinen des 

machen konnte, brachten Phoiniker auf der Herakles, hatte (Mela III 46; in Hnibus Hispa- 

Suche nach Europa den Herakles-M.-Kult auf die niae Arnob. adv. gent. I 36) — ebenso dem M.- 

Insel Thasos zu einer Zeit, da man auf griechi- Fest als Ort der Mysterienhandlung. 

schem Boden vom Heros Herakles noch nichts DaB man auf diese und andere Vermutungen 

wuBte. Er glaubt deshalb, den Kult des alteren und Kombinationen hin in M. einen urspriing- 
tyrischen Gottes Herakles-M. von der Verehrung lichen Vegetationsgott, aus dem dann nach Ana- 

des j linger en Heros Herakles trennen zu mussen. 30 logie des Adonis eine solare Gottheit wurde, sehen 

Da sich der Herakles-M.-Kult auf Thasos zu hoher durfte (von Baudissin Adonis und Esmun 

Bliite entwickelte (s. o. Suppl.-Bd. Ill S. 964), 33. 172. 359. Dussaud Journ. d. Sav. 1907, 

kann wohl von dort aus eine Riickiibertragung 41), wie das Nonn. Dion. 40, 369 und Macrob. 

nach Tyros stattgefunden haben, die im zweiten Sat. I 20, 12 tun, scheint gewagt, selbst wenn 

M.-Tempel der Stadt ihren Sitz erhielt, und man man die Legende von Mtinzen aus Lixos (Lynx, 

braucht die Richtigkeit von Herodots Angaben jetzt Tschemmich, Marokko), einer sehr alten 
nicht auf Rechnung seiner bloBen Vermutung zu Statte des Herakles-M.-Kults (o. Suppl.-Bd. Ill 

setzen (Gruppe 964, 47). S. 989f.), auf den Gott mit Sicherheit beziehen 

Eine Nachricht tiber die altertiimliche Art durfte (,ShemeshS ,Maqom Shemesh*: ,Stadt der 
einer M.-Feier zu Tyros hat Menander von Ephe- 40 Sonne') ; s. Gsell II 174. IV 301. 313; Belege 

SOS bei Joseph, ant. lud. VIII 5, 3 § 146 (vgl. der Munzen bei L. Miiller Numism. Ill 

c. Apion.1119) uberliefert. Nach ihr hatte Konig 98—100. 111. 124. 164—169: der auf ihnen ge- 

Chiram I. das Fest der ,Erweckung des Herakles pragte Gotterkopf weist nicht auf Herakles, son- 

(-Melkart)* eingefiihrt. Diese 'EQa?cXsovg eysQOig dern eher auf einen Baal-Iuppiter (Gsell IV 

fiel in den Monat Peritios (Februar-Marz) und 301. 313), und mit Baal-Gestalten dieser Art darf 

hat unmittelbare Verwandtschaft mit den My- M. nicht identifiziert werden (Gsell IV 291f.). 

sterienspielen fur Adonis und Tammuz (s. Ed. Zusammen mit anderen Gottheiten kann M. 

Mey er G. d. A. IP 2, 168). Einzelheiten fehlen, in einer heiligen Zweiheit auftreten und Ver- 

doch durfte den Hintergrund der sakralen Feier ehrung finden. So war ihm und Cid in Karthago 

der Mythos von Herakles' Tod in Libyen und 50 ein Tempel geweiht (CISem. 256), wie es dort 

seiner Wiedererweckung durch lolaos abgegeben auch ein Paar Cid-Tanit gab (CISem. 247—249); 

haben. Als Herakles durch Typhon getotet wor- zu Cid s. Gsell IV 331. Das Paar Eshmun- 

den war ("Qbertragung des Osiris-Mythos auf Melkart verehrte man auf Kypros (CISem. 16. 

Herakles; Bericht des Eudoxos von Knidos bei 23f.); M.-Reshuf in Tyros (de Vogiie Mel. 

Athen. IX 47, 392; dazu Stark S.-Ber. Sachs. d'arch. or. 81. v. Baudissin Adonis 275f.). tJber 

Ges. Wiss. VIII 1856, 132. G r u p p e Griech. die verschiedenen Moglichkeiten der sachlichen 

Kulte und Mythen I 380f.), erweckte lolaos den und sprachlichen Deutung solcher gottlicher Dop- 

Freund durch die Ausdunstung einer Wachtel pelnamen und Zweiheiten s. Gsell IV 337f. 

— wahrscheinlich spielt hier die Metamorphose Die Leitung des M.-Kultes lag bei den Prie- 

der Astoria — Astarte (s. o.) in diesen Vogel mit, 60 stern; nach lustins Zeugnis (XVIII 4) kam der 

und nur so kann ein gewisser Sinn in die tTber- Priester des M. in Tyros unmittelbar nach dem 

lieferung kommen; dazu Ch. Clermont- Konig, und bei der Abhangigkeit der M.-Ver- 

Ganneau Rec. d'arch. or. VII 151. Die Wach- ehrung aller tyrischen Kolonien von der Metro- 

tel kehrt nach Phoinikien im Peritios-Monat pole diirfte das Ansehen des Priesterstandes iiber- 

zuriick; das erklart die Festzeit des tyrischen all ahnliches AusmaB besessen haben. tJber eine 

M.-Mysteriums (W. von Baudissin Adonis Erblichkeit des Amtes wird nichts berichtet. 

172). Vielleicht stand diese Feier auch in Zu- Bezeichnend fur die dauernde Macht des 

sammenhang mit dem Mythos, nach dem Hera- Gottes und seiner Priester wurde die Tatsache, 



297 Menandros MTjvvrrig 298 

da6 das Mutterheiligtum des M. von Tyros aus MijvvaLg'MiisloayysXlakomitegekhgt'werden 

alien Neugriindungen die Abgabe des Zehnten wegen xdfecootg, besonders xd?{cooig 6Qcpava>v oder 

erhielt, und mit dieser religiosen Verpflichtung kmtilrjQcov, ferner wegen Amtspflichtverletzung 

war auch die politisehe Abhangigkeit der Kolo- offentlicher Schiedsrichter (dianrjral) bei der Ge- 

nien von Tyros gewahrleistet (Ed. Meyer samtheit der Diaiteten, wegen Amtspflichtver- 

6. d. A. IP 2, 81). So suchten die Karthager den letzung irgend welcher Beamten urspriinglich 

Grund ihrer Niederlage durch Agathokles in beim Rate (Aristot. 'A'd: noX. 4, 4), spater beim 

einer Verstimmung des M. von Tyros und er- Eate, der ein vorlaufiges Erkenntnis {tcardyvcooig) 

neuerten den Tribtit dorthin (Diod. XX 14, 2f.); aussprach, ferner beim Rate gegen jedermann in 
in andern Fallen erhielt der Gott Anteil an der 10 Angelegenheiten, die der besonderen Anfsieht des 

Beute (lustin. XVIII 7, 7; vgl. Arrian. II 24). Rates unterstellt waren, wie z. B. der Schutz der 

Wenn Plin. n. h. XXXVI 39 von alljahrlichen heiligen Olbaume, hauptsachlich aber wegen Ver- 

Menschenopfern fiir Herakles-M. bei den ,Pu- geheii gegen den Staat, die unter dem Begriff 

niern*, also in Karthago, spricht, so darf man des Hoehverrates zusammengefafit wurden. Schon 

ahnlichen sakralen Branch wohl auch fiir Tyros im 4. Jhdt. wurde die slaayysXla auch ausgedeh'nt 

und andere Statten des M.-Kultes annehmen. auf Vergehen, die nicht unmittelbar als Kom- 

DaB das Standbild des Herakles-M. aus Kar- plott stiI naxakvoei tov b7j[A,ov gerichtet waren. 

thago nach Rom tiberfuhrt worden sei, schlieBt DaB diese Meldeklage an den Rat zu erfolgen 

Gsell IV 303, 9 aus der Notiz des Plinius a. 0. habe und in welchen Fallen sie zulassig sei, war 
humi starts ante aditum porticus ad nationes. 20 von friiher Zeit an gesetzlich geregelt. Die Ari- 

Aus Karthago selbst haben sich zwei mittelmaBig stot. 'Ad'. noX. 8, 4 zugrunde liegende tJberliefe- 

gearbeitete Herakles-Figurinen erhalten, die aus rung ftihrt die gesetzliche Regelung durch einen 

Grabern der Begrabnisstatte St. Monika stam- eigentlichen vofMog sioayyeliag sogar direkt auf 

men; s. Delattre Compt. Rend. 1905 Fig. Solon zuriick: xal rovg im ^axalvoei zov brjfiov 

S. 326. G s e 1 1 IV 77. II 303. [Preisendanz.] cwiotaf^svovg ekqivev (sc. t) §ov%7j) loXcovog Mv- 

S. 764, 68 zum Art. Menandros Nr. 19 und 20: r[og] vofjLov sioa[yy]eX[tag] uisqI avrcov. In die- 

M. von Hetrakleia wird von Pis.-Plut. pro nobil. ser Stelle ist das von We s se ly gelesene eiaay- 

20 (VII 269 Bern.) fur die (wenig originelle) An- ysXlag, das Wile ken Herm. XXX 623 be- 

sicht angef iihrt agrieolas ipsos unos esse reliquias statigt hat, zu halten gegen v. Wilamowitz 
ex stirpe Saturni. Den Arzt bei Plin. n. h. XIX 30 Aristot. u. Athen I 53,, 22, dem die Wortstellung 

1 13 hat S t a d 1 e r Die Quellen des Plin. (Mtinch. ,nach Untersekunda klingt* und der die Verbin- 

1891) 30 gleichgesetzt mit dem in IG II 433= dung sloayysXla nsQi nvog beanstandet, die doch 

IP 946 (Syll. 655) genannten M., IIsQyafA,r)vdg z. B. durch [Demosth.] XLIX 67 gesichert ist. 

r . . . TzaQo, rep fiaotXei EviAsvei d[iatQipcov, den In fruherer Zeit wair sloayysXXsiv noch nicht 

die Athener im J. 166/65 ©hren und der auch bei der erstarrte Terminus technicus. Das zeigt u. a. 

Sui'd. s. Asox't^rig neben Lfeschides (o. Bd. XII der Bericht iiber Themistokles-Ephialtes in Ari- 

S. 2136), dessen Zeit daduroh bestimmt ist, und stot. 25, 3, wo ftir die gleiche Klage bsiKvvvai 

Pythias als Begleiter des Eumenes genannt wird steht: ngog de rovg AQsoTzaylrag (sc. eXsysv), oti 

(s. Unger Herm. XIV 593). Ob er mit Nr. 20 bsl^si xivag ovviorafxevovg sm ?eataXvo€t xfjg noXi- 
identisch ist, steht nicht voUig fest; denn bed 40 xelag. DaB aber das Eisangelieverfahren schon 

Plin. a. 0. heiBt es: M. e Graecis auctor est alium fruh gesetzlich geregelt war, ergibt sioh aus seiner 

edentibus, si radicem betae in pruna tostam zeitweiligen Aufhebung im J. 411: sjieixa xdg 

superederint, odor em extingui; da sich Ahnliches xcov Jta^avojucov yQatpdg pcal rag eloayysXlag koI 

bei Bolos (oder Ps.-DemokritI) finidet (Paignda 4 xdg nQoo^XTjoeig dveiXov (Aristot. 29, 4). DaB das 

bei Diels VS I 132|, 16), so schlieBt Well- Eisangelieverfahren in alien wesentlichen Teilen 

mann Abh. Akad. Berl. 1921, 15 auf Be- bereits im 5. Jhdt. bestand und durch die Er- 

nutzung des Bolos durch M., der dann kaum vor eignisse des J. 411 geradezu provoziert wurde, 

etwia 150 v. Chr. gelebt hatte. Nun bezeiohnet hat gegen L i p s i u s, der die genauere gesetzliche 

aber PMn. ind. XIX— -XXVII M. durch den Zu- Fixierung mit S w o b o d a Herm. XXVIII 574 
satz qui ^loxQ^joxa seripsit, wahrend er den^ in 50 bis gegen die Mitte des 4. Jhdts. hinunterrlicken 

B. XXX benutzten im Index unter den Arzten woUte, meines Erachtens Th a 1 h e i m Eisangelie- 

auffuhrt. Letzterer konnte mit dem Pergamener gesetz in Athen, Herm. XLI 304ff. iiberzeugend 

identisch sedn; den VerfasseT der ^LoxQtjoxa (Haus- nachgewiesen; denn das owisvai snl naxaXvosi xov 

mittel) wird man vorlaufig femhalten. Sijfj^ov stammt aus dem Ratseide (Demosth. XXIV 

[W. Kroll.] 144) aus den Jahren kurz vor 500 (Aristot. 22, 2). 

S. 850, 19 zum Art. Menesthes: Bald nach dem Sturze der Vierhundert, die die 

2) Eins der mit Theseus dem Minotauros als Eisangelieklage aufgehoben batten, wurde der 

Tribut gesandten Opfer, Enkel des Skiros, Plut. vo/^ogsloayyeXxi^cog erlassen, der die Ver- 

Thes. XVII. Wohl identisch mit Menestheus Nr. 1. gehen, gegen welche mit eloayyeXla geklagt wer- 
Stoll Myth. Lex. II 2791. Vgl. Menestho auf der 60 den konnte, aufzahlte. Es ist einer der wenigen 

Fran9oisvase. Preller Gr. Myth. I^ 205, 2. Falle, wo wir den Wortlaut des Gesetzes mit 

[v. Geisau.] groBer Sicherheit rekonstruieren konnen. Auf 

S. 853, 16 zum Art. Menestho: ihn wird Xen. hell. I 7, 28 angespielt, und in der 

2) Name einer von Theseus vor dem Mino- Hauptsache ist er durch Hyp. f. Euxen. 22, wo- 

tauros geretteten attischen Jungfrau auf der Fran- mit 29 zusammengehort, erhalten. Mit Erganzung 

9ois-Vase. Weibliches Gegenstiick zu Menes- einer Stelle aus Pollux und einer andern aus 

the us Nr. 1 und Menesthes Nr, 2 (s. d.) Theophrastos im Lex. rhetor. Cantabrig. u. sloay- 

[v. Geisau.] yeXla sind die durch sloayysXla klagbaren Ver- 



299 MTJvvaig M'qvvatq 300 

brechen: 1. der Versuch zum Umsturz der Ver- Grund des vo^og eloayysXnxog zum ersten Male 
lassung: hdv rig rbv bfjfjiov tbv 'A'&rjvalcov tcara- in diesem Jahre begegnet. Bei diesem Anlafi 
Xvr} r/ ovvlrj noi enl Tiaxalvasi tov brjfAOv rj hai- oder bald nachher muB auch das Eisangeliever- 
Qixov avvaydyr). 2. Verrat: fj kdv rig noXiv nva fahren, der ProzeBgang, nach der eingelegten 
nQodcp 7} vavg rj ne^Yjv rj vavriTirjv otQaridv, ^ idv Urkunde in Demosth. XXIV 63 genauer geregelt 
rig elg rovg noXefiiovg avsv rov uzsfA,(p'd-fjvai dq?i' warden sein. Die schriftlich eingereichte Klage, 
Hvfjrai Yj fjisroiTifj TiaQ' avroig tj orQarsvijrai fxer^ ebenfalls elaayyeXia genannt, wurde entweder 
avrcbv fj dcoga XafjL^dvrj {jiag^ avrcbv suppl. Lip- beim Rate der Fiinfhundert oder direkt an die 
sius). 3. Bestechliehkeit als Redner bzw. Antrag- Volksversammlung eingereicht. Im erstem Falle 
steller: fj QrjrwQ cov (jirj Xsyrj ra aQiora r^ drjfAcp 10 entschied der Rat iiber Annahme oder Ablehnung 
rep 'Ad'rjvaicov xQ'rjfAara Xafipdvcov hoi dcogedg der Klage (Lys. XXX 22). Wnrde die Klage vom 
TtaQo. rcov rdvavrla TiQarrovrcov rco brifjicp. Es sind Rate als zulassig erklart, so wnrde der Beklagte, 
also durch dieses von Hypereides voUstandig faUs er nicht drei Burgen stellen konnte, in 
zitierte Gesetz drei Gruppen von Vergehen, gegen Haft genommen, bei Hoehverrat {nQobooia rrjg 
die mit sloayyeXla vorgegangen werden kann, :n:6Xscog) und Umsturzversuch der Verfassung 
1. Versuch des Umsturzes der Verfassung, 2. Ver- {xardXvoig rov drjfjiov) in jedem Falle (Demosth. 
rat, 3. Bestechliehkeit als Antragsteller in der XXIV 144). Darauf wurde das Erkenntnis des 
Volksversammlung. Es woUte und soUte offen- Rates, auch Kardyvoyoig genannt, von dem Pry- 
bar durch diese Aufzahlung der gesetzlich durch tanienschreiber an die Thesmotheten weiter- 
Eisangelie verfolgbaren Vergehen der willkur- 20 geleitet und von diesen an das Volk weitergegebon, 
lichen Anwendung und Ausdehnung dieses Klage- fiir das es, wie jeder RatsbeschluB problema- 
verfahrens eine Schranke gesetzt werden. Trotz- tischen Charakters, nieht bindend war (Aristot. 
dem sehen wir bald nach ErlaB dieses elaayyeX- 'Ad: noX. 59, 2). Die direkte Eisangelie an das 
riKog vofyiog eine Ausdehnung dieser Klage auf Volk war nur in der fcvgla sxteXrjoia jeder Pry- 
verwandte Vergehen: vofjicov ovrcov idv ng vno- tanie zulassig, wegen Nichteinhaltens von Ver- 
oxofxevog rt rov bfjfxov k^anarriov) (also ohne Be- spreehungen gegeniiber dem Volke nur in der 
stechuBg), eloayysXiav elvai nsQi avrov, [De- sechsten Prytanie (Aristot. 43, 3f.). Sprach die 
mosth.] XLIX 67; vgl. Demosth. XX 135 und Volksversammlung die Annahme der Eisangelie 
Aristot. Ad: noX. 43, 5 nav rig ^nooxoiJisvog ri aus, so wurde die Klage an den Rat tiberwiesen 
fXT] Tzoii^orj rep drj/AO). Wir finden ferner Eisangelie 30 zur Abfassung eines uzQo^ovXsvf^a, Auf Grund 
bei Pflichtverletzung bei einer staatlichen Gesandt- dieses Gutachtens entschied die Ekklesie, ob sie 
schaft (noQanQEO^sia) schon vor 386. Inschrif t- das Urteil selber fallen oder, was das tibliche war, 
lich bezeugt ist ferner Eisangelie bei Vergehen den Fall an ein Heliastengericht tiberweisen 
gegen den Bestand des Attischen Seebundes, da woUe. Das Verfahren zielte, namentlich bei der 
diese dem Versuche zum Umsturz der Verfassung Klagestellung an den Rat, auf moglichste Be- 
(nardXvoig rov brjfxov oder rrjg noXireiag) gleich- schleunigung ab (Hyp. f. Euxen. 22). Gegen Ver- 
gesetzt wurden. Eine miBbrauchliche, schikanose, schleppungen, die unvermeidlich waren, schritt 
ja geradezu ungesetzliche Ausdehnung der fiir man ein (Demosth. XXIV 63, eingelegtes Gesetz). 
Klager und Beklagten gefahrlichen Eisangelie er- Als Strafe finden wir in der Regel Todes- 
folgte zur Zeit des rigorosen Staatsmannes und 40 strafe und Vermogenseinziehung, einmal eine ex- 
Redners Lykurgos, woriiber sich Hypereides am orbitante GeldbuBe von 5 Talenten (Demosth. 
Anfang seiner bald nach 330 gehaltenen Ver- XXIII 167). Wahrscheinlich war der dycov bis 
teidigungsrede fiir Euxenippos in bitterer Weise um die Mitte des 4. Jbdts. rifxrirog, d. h. das 
beklagt. Friiher, heiBt es da, wurden eloayyeXlai StrafmaB wurde in jedem einzelnen Falle vorher 
eingereicht vneQ (xeydXayv dbiKrjixdrcov Hal uiegi- vom Volk fiir den Fall der Verurteilung fest- 
(pavcov, wofiir eine Anzahl charakteristischer Falle gesetzt. Spater finden wir nur Todesstraf e und 
angefiihrt werden, vwt 8e ro yiyvo/^ievov ev xfj Konfiskation des Vermogens. 
TtoXsi ndvv xarayiXaorov soriv. Das beweist er an Im ZivilprozeB war in einer groBen oder iiber- 
wirklich lacherlichen Fallen, z. B. daB zwei mit wiegenden Zahl von Privatklagen als Schutz gegen 
Eisangelie belangt wurden, well sie Flotenspiele- 50 sykophantische Anklagen die mo}(ieXia eingefiihrt, 
rinnen unter der gesetzlich normierten Taxe ver- i/e der Streitsunmie, der vom Klager, der nicht 
mieteten, und sein Klient Euxenippos vtibq rcov 1/5 der Stimmen der Heliasten fiir seinen Antrag 
Evvmvio)v Sv q?r)oiv ioQaxevai. Weitere Falle von erhielt, an den Beklagten bezahlt werden muBte. 
miBbrauchlicher Ausdehnung des v6fj,og slaayysX- Bei der Eisangelie verfolgte, wie Schol. Aischin. 
rijiog sind hervorgerufen durch die tl^berspannung I 163 ausdriicklich sagt, denselben Zweck die 
des Souveranitatsbegriffes bei der Ausdehnung hohe BuBe von 1000 Drachmen, die der Klager, 
der Gerichtsbarkeit und der Ausiibung der Recht- der nicht ^k der Stimmen fur sich erhielt, zu be- 
sprechung durch das Volk selber. Uber diese zahlen hatte (doch wohl, ohne daB es ausdriicklich 
Tendenz, die Kompetenzen der Heliaia als des iiberliefert ist, an den Beklagten). Diese Tausend- 
Volksgerichtes standig zu erweitern, die auch 60 Drachmen-BuBe ist zuerst erwahnt in Demosth. 
auf anderen Rechtsgebieten festzustellen ist, s. 0. XVIH 250 und Lyk. g. Leokr. 3. Dagegen ging 
SchultheB Das att. Volksgericht, Berner Rek- noch um 330 der Klager straffrei aus. AUezeit 
toratsrede 1921, 8. 22f. ging straflos aus der elaayysXXmv wegen Frevel 
Die Zusammenfassung und genauere Umgren- an heiligen Olbaumen und der, welcher beim 
zung der Vergehen durch den vo/biog eioayyeXriTcog^ Archon wegen ^dnwoig von Waisen oder Erb- 
der vor allem eine gesetzliche Regelung der Kla- tochtern eine Eisangelie einreiehte (L i p s i u s 
gen wegen Hochverrates brachte, muB vor 343 AR 940). Wenn so der Beklagte unberechtigter 
erfolgt sein, weil uns die Hochverratsklage auf Denunziation ausgesetzt war, ohne daB den Kla- 



301 Mi^vvfTcg Miqvvatg 302 

ger bei der Abweisung seiner Klage oder im Falle Abgesehen von der Straflosigkeit, die dem 

des Unterliegens in der Endentscheidung eine fiYjwxrig, der ja> die Klage nicht durchzuftihren 

Strafe traf ^ so erklart sich das daraus, dafi der brauchte, zugesichert war, boten einen Anreiz zur 

Staat, um sich gegen Hochverrat und Umsturz- Anbringung einer ^. die ^ ?J w r ^ a, D^nnn- 

versuche zu schiitzen, die Klagestellung moglichst ziantenpramien, die der Staat fur den Fall der 

erleiehtern mufite. Vgl. Hyp. f. Lykophr. col. 7 Anzeige dem fjirjvvtrig in Aussicht stellte, und 

dia xb amvhvmv avtoXg (sc. roig xatrjyo^oig) slvai zwar durch Heroldsruf verktinden lieB. Beispiele 

xdv dycova und col. 10 vTisQnrjdi^aag anavtag tovg von fx. dnrch Sklaven und Metoiken Thuk. VI 

vojuovg sloayysXlav 8e8co?cag vneQ ^v yQatpal nQog 28, 1 jLirjvvsrai ano /netoixcov xs xivcov nal dxo- 
xovg '&eofJLoh-exag sk xcbv vofxcov eiolv, cva uiqwxov 10 M'&cov und Andok. Myst. llf. 16. Aussetzung 

f^sv dxivbvvog siolTjg eig xov dycbva mX. Den glei- von fxrjvvxQa Andok. 27 und 40. Thuk. VI 27, 1 

chen Zweck beabsichtigte der Staat durch die fAeyoiXoig fjLYjvvxQoig brjfjLooia ovxoi (sc. oi dQaoav- 

PrivilegierungdesKlagersimEisangelieverfahren, xsg) e^rjxovvxo, Nach' Andok. 27 ^ouv xaxd x6 

daB nach Einfiihrung der Bufie von 1000 Drach- Klewvv[xov xptjcpicfjia xiXiai dQaxf^aij xaxa be x6 

men den unterliegenden Klager nicht wie in TLsioMqov ^vQiai und nach 40 (jirjvvxQa ksxt)- 

andern offentlichen Klagen zur Bu6e von lOOO QvyfjLsva maxov iivag, Vgl. aueh die aus derMitte 

Drachmen noch die partiale Atimie betrat, die des 4. Jhdts. stammende Inschrift iiber die mono- 

ihm fiir alle Zeiten verbot, wieder eine offentliche polisierte Boteliausfuhr aus Keos nach Athen IG 

Klage zu erheben (Lip si us AR 940). II 546, 18, 19, wo fiir die Denunziation evdst^ig 

Diese Ausfuhrungen iiber das Eisangeliever- 20 und (pdaig gebraucht sind. AuBer der Aussicht auf 
fabren, das wir gut kennen, wareui notig, well, Belohnung mit Geld und der ehrenvoUen An- 
was von der Eisangelie gilt, auch mit wenigen erkennung durch die Mitbiirger, und wenn der 
Ausnahmen von der ^. gilt, iiber die die Quellen /urjvvx'^g Sklave war, der Z^sicherung oder Ver- 
viel weniger eingehend berichten. Bei der groBen leihung der Freilassung (altestesBeispiel: Antiph. 
Freiheit, die in Athen dem Klager in der Wahl v. d. Erm. d. Herod. 34, um 415 v. Chr.), genoB 
der Klageform zustand, einer Freiheit, die sich der (xrjvvxrig gegeniiber dem eloayyslXag den Ver- 
bis zur Formlosigkeit steigern konnte, ist nicht zug, daB er im Falle des iVersagens seiner ^. 
zu verwundern, daB iiberall da, wo das hochnot- nicht in die Tausend-Drachmen-BuBe verfiel. 
peinliche Verfahren der Eisangelie,, die auch fiir Freilich wurde im 5. Jhdt. falsche Denunziation 
den Klager gefahrlich werden konnte, durch die 30 mit dem Tode bestraft nach Andok. Myst. 20 
Instanzen von Rat, Volksversammlung und He- d ycnQ vo/nog ovxcog slxev, ei jusv xdXrj'&fj firjvvoeis 
liastengericht durchgeftihrt werden muBte, aueh teg, dvai ddsiav, si 8s fA,rj, xshvdvai. Bei der Ver- 
eine bloBe Denunziation ([A,Yjvvoig) moglich war. fassungsrevision im Jahre des Eukleides scheint 
Bei dieser genoB der Klager oder Denunziant jedoch dieses Gesetz nicht mehr erneuert worden 
{fMiwxfjg) den Vorteil, daB er nach Anbringung zu sein, mindestens horen wir nichts mehr davon. 
der Anzeige, ohne die Verpflichtung eines eigent- Erleichtert wurde die Wahl zwischen Eisan- 
lichen Anklagers auf sich zu nehmen, sich zuriick- gelia und Menysis durch den unscharfen Sprach- 
zog, ohne im Falle des Unterliegens eine BuBe gebrauch, da sie wohl erst durch die bestimm- 
zu riskieren. tere Fassung des voiJLog sloayysXxtxog im Verlaufe 

Weil der fj^rjwxrjg nicht wirklicher Klager ist, 40 des 4. Jhdts. gegen einander scharfer abgegrenzt 

so braucht er nicht epitimer Btirger zu sein, son- wurden. Vorher wurden sloayysXXsiv, woftir auch 

dern kann auch ein Fremder oder ein Sklave, dsitcvvvai gebraucht wurde (s. o.) und firjvvsiv 

der als ocb/^a gar keine Eechtspersonlichkeit be- ohne eine genauere Begrenzung des Rechtsbegrif- 

sitzt, eine ^rjwoig anbringen. DaB aber ein fes promiscue gebraucht, so Lys. XIII 50 und 

Sklave auch bei der Totung seines eigenenHerrn besondets bezeichnend XII 48 xfj ^mjXfj (jLfjvv' 

nicht als Klager auftreten konnte, hatte bei der xyjv ylyvso'&ai nsql xcbv s loayysX icov dna- 

voUigen Rechtlosigkeit des Sklaven nie bezwei- ocov oxc yjsvdsTg slsv koI BdxQaxog koI AioxvXibrjg 

felt werden sollen, wie von Philippi Areopag ov xdXri'&fj fj,?} vv ov o tv, dXXd xd vno xcbv xQid- 

und Epheten 801 und von L i p s i u s. AR 794, 17 fcovxa nXac&svxa slayyiXXovoiv. 
mit Recht bemerkt worden ist. AuBer den Ge- 50 Immerhin fallen nicht alle Verbrechen, gegen 

nannten finden wir als fiYjwxal auch Mitschuldige, die nach Ausweis unserer Quellen (jl. erfolgte, in 

die als Kronzeugen gegen ihre Komplizen auf- die Kategorie der vom vofjLog sloayysXxixog er- 

treten, nachdem sie sich vor dem Einreichen der faBten Verbrechen. AUerdings handelt es sich 

/w. in geheimer Sitzung Straflosigkeit {ddsia) bei den uns bekannten Fallen von ^. auch mei- 

hatten zusichem lassen. tJber das hierbei beob- stens um Hochverrat, aber z, B. beim Hermo- 

achtete Verfahren und die tiberlieferten Falle s. kopidenprozeB um Religionsfrevel und in andern 

M. G 1 d s t a u b De ddslag notione et usn in Fallen um Veruntreuung von Staatseigentum, so 

iure publico attico (Breslauer philol. Abh. IV Lys. XXIX 6 und Plut. Perikl. 31 im Prozesse 

1889) und dazu SchultheB Woch. f. kl. Philol. gegen Pheidias, der von Plutarch formalrechtlich 
1890 nr. 36 und 37, fiir das Erwirken der ddsia 60 genau beschrieben ist, wahrend seinerzeit 

in geheimer Sitzung, ,bei geschlossenen TiirenS Loeschcke Histor. Untersuchungen A. Scha- 

Lys. XIII 21 siosX'&cbv bs sig xavxrjv xijv §ovXr}v fer gewidmet (Bonn 1882) behauptete, es sei ,ein 

sv dTtoQQi^xq) ©soHQixog fA,r]vvsi, oxi ovXXsyovxal aller juristischen Prazision ermangelnder Bericht*. 

xivsg ivavxto)a6fA£vot xdlg xoxs xa'&toxafAsvoig n^dy- Widerlegt von Rud. S c h 6 1 1 S.-Ber. Akad. 

liaor, vgl. ebd. 19 und 55. Solche Denunziationen Mtinch. 1888, 6f. Bei der Veruntreuung von 

durch Fremde und Sklaven waren jederzeit mog- Staatseigentum werden Crjxrjxai bestellt, eine 

lich, erfolgten aber namentlich in politisch auf- Konmiission, die das verheimlichte Staatsgut oder 

geregten Zeiten, wie im HermokopidenprozeB, die unterschlagenen heiligen Gelder aufzuspiiren 



303 MTJvvaeg Messapische Sprache ' 304 

hat; aber mit der Entdeckung der Verheim- fiel, so war er wahl kompetent, selber die Ent- 

lichung erlischt deren Tatigkeit und erfolgt die scheidung zu fallen. Wenn dagegen das vermut- 

weitere Behandlung durch den Rat. Im Falle des liche StrafmaJB seine Kompetenz tiberschritt, so 

Euktemon bei Demosth. XXIV 11 sind die ein- verfafite er ein als Gutachten zu betrachtendes 

zelnen Etappen des Vorgehens genau bezeichnet. vorlanfiges Urteil, xardyvcooig genannt, das er 

Solche ^rjxrixai, versehieden von den zur Unter- einem Heliastengericht tiberwies, das aber ftir 

snchnng aufierordentlicher Verbrechen bestellten dieses nieht bindender Natur war. Dies war der 

^Tjxrjrai, die wir nur fiir den Hermokopidenpro- Fall im ProzeB gegen die Getreidehandler in den 

zeB kennen (Andok. Myst. 14. 36. 40. 65), sind ersten Monaten des J. 386 nach Lys. XXII 6, 
uns bezeugt durch Lys. XXI 16 fur 402/01 und 10 wozu zu vergleichen v. Wilamowitz Arist. u. 

Demosth. XXIV 11, ferner Phot, und S^uid. s. Athen I 375, 4. [Otto SchultheB.] 

Cr)tr}mi (= Lex. Seguer. V 261, 4), mehr bei Merusion, Ort in Sizilien, 70 Stadien von 

Llpsius AR 117, 257. Wahrscheinlich war es Syrakus, benannt nach dem Heiligtum der Me- 

zu der Gerichtsverhandlung gegen die Getreide- roessa (s. d.), bekannt nur aus Theopomp (bei 

handler, die wider gesetzliche Vorschrift mehr Steph. Byz.) frg. 189 (FGrH II 575). 

als 50 (poQjLiol (iiber den Begriff v. "W i 1 a m o - [W. KrolL] 

w i t z Arist. u. Athen II 375, 2) Getreide auf- S. 1208, zum Art. Messapion. 

gekauft batten, gegen die die Rede des Lysias 2) Msoadmov oQog, nach Aristot. hist. an. IX 

}card rcbv oirojicoXwv gehalten ist, auf Grund einer 45 Heimat des Wisents und Grenzscheide zwi- 
fi. gekonmien. Lys. XXII 2 und 3 berichtet aller- 20 schen Paeonien und dem Maderland, heute Zwigor 

dings lediglich iiber die Verhandlung im Rate, und Malesowska-planina. [Arist.] fde mirab. ausc. 

wozu zu vergleichen ist Lipsius AR 194, 54 I nennt den Berg Hesainus. Suid. 'Hoatvov. R. 

210, 108. Sicher erfolgte in diesem Falle die Kiepert FOA XVI Text 2. [G. Kazarow.] 

Verhandlung nicht auf Gruud einer Eisangelie; Messapische Sprache. 

dagegen ist die Moglichkeit zuzugeben, da6 die I. Verbreitung. Messapisch nennt man 

Anzeige durch eine (pdaig erfolgte (Thalheim die Sprache von etwas mehr als 200 Inschriften, 

Herm. XXXVII 346), wahrend fiir die Annahme die in der heute Apulien (italien. Le Puglie) ge- 

eineY svdei^ig (so v. Wilam o wi tz 374) wenig- nannten Landschaft gefunden wurden. Die Be- 

stens der Wortlaut der Rede keinen Anhalt bietet. zeichnung als ,messapisch* beruht auf dem Sprach- 
Es ist daher vorsichtig, in diesem Falle ganz all- 30 gebrauch der Grieehen (vgl. u. die Glossen ^av- 

gemein von Denunziation zu sprechen. qwv, pio^rj, ^qevuov, PQvvbov), besonders der 

Da Athen keine Of lazialdelikte kennt, die Ver- Tarentiner, die den ihnen zunachst wohnenden 

folgung von Vergehen durch vom Staate bestellte einheimischen Stamm der Messapier zuerst ge- 

Organe und die Vertretung der Staatsinteressen nauer kennenlernten und ihm die Kenntnis der 

durch ovvrjyoQoi, auBerordentlicherweise bestellte Schrift vermittelten. Die Verteilung der Inschrif- 

Staatsanwalte, nur ausnahmsweise vorkommt, so tenfunde iiber dieses Gebiet ist ungleich: im 

begegnen wir auch der ^. als Anzeige an die Be- nordwestlichen Teil des Gebietes, der auch den 

horden, um sie zum Emsehreiten ex officio zu ,Sporn* Italiens, den Monte Gargano umfaBt 

veranlassen, so z. B. beim Ausroden eines heiligen (heute provincia di Foggia, im Altertum Gebiet 
Olbaumes; vgl. Lys. VII 16 und allgemein 40 der Dauni) sind nur vereinzelte Funde ans Licht 

[Lys.] V 5. getreten, die im Schriftgebrauch und in den 

Wir konnen keinen ProzeB, der auf Grund Sprachformen mit der Hauptmenge der Inschrif- 

emer ^. d^rchgefiihrt wurde, in seinem ganzen ten nicht ganz iibereinstimmen (in Lucera-Luceria 

Verlaufe verfolgen, diirfen aber vermuten, daB ^nd in Vieste auf dem auBersten Ostzipfel des 

die Behandlung durch Rat und Ekklesie gleich Gargano; dazu noch die Miinzaufschriften der 

war wie bei der Eisajigelie (L i p s i u s AR 814). stadte Arpi und Salapia). Auch der mittlere Teil 

Deshalb war in diesem Artikel das EisangeHe- Apuliens, im Altertum das Gebiet der Peucetii 

vertahren wenigstens m semen wesentlichsten ^^^ Poediculi, gehorte nur mit seinem am weite- 

Z^gendarzusteUen. Der emzigewesentliche Unter- gten nach Siidost gelegenen Streifen zum eigent- 
schied ist der, daB bei der ^. ein verantwortlicher 50 lichen messapischen Sprachgebiet, wahrend die 

Klager nicht vorhanden war. Wurde die Denun- wenigen vorromischen Inschriften aus Canosa 

ziation von der Ekklesie angenommen, in ernsten (Canusium), Rutigliano (18 km siidostl. von Bari, 

1 alien auf Grund emes Gutachtens von auBer- ^ntiker Name Azetium) und Ruvo (Rubi) sich in 

ordentlichen Untersuchungsrichtern (C^T9?ra/) oder ahnlicher Weise wie die Inschriften der provincia 

ernes Gutachtens des Areopags (ano(paoig), so er- ^j loggia deutlich von den eigentlichen messa- 

erfolgte die Uberweisung an em Hehastengeri^^^ pischen Inschriften unterscheiden. Erst 40 km 

vor dem doch woW die Klage durch jemand ver- giidostlich von Bari, in Monopoli (Diria?) treffen 

treten werden muBte. VieUeicht wurde auch fiir ^^^ auf die erste rein messapische Inschrift. Wei- 

^^1. X ^^ Verurteilung die Strafe im voraus tere 10 km siidsiidostlich an der KiistenstraBe 
be^mmt (L 1 p s 1 u s AR 2lo, 12). Dagegen eo liegt unweit des heutigen Fasano noch im Gebiet 

schemt in der {x. gegen Pheidias die ganze Klage, ^er Poediculi, doch dicht an der Grenze der (an- 

ihre Emleitung und die Entscheidung, durch die tiken) Landschaft Calabria die Statte von Gnathia, 

Ekklesie selber durchgefiihrt worden zu sein, das unter den Hauptfundorten messapischer In- 

wie sich aus den den Verlauf des Prozesses richtig schriften am weitesten nach Norden vorgeschoben 

darstellenden Angaben des Plutarch (Perikl. 31) ist. Hier wurden etwa 20 Inschriften gefunden. 

erschlieBen laBt; s. Rud. Scholl 7. Weitaus die groBte Masse der messapischen In- 

Erfolgte eine Denunziation gegen ein Ver- schriften stammt aber von der ins lonische Meer 

gehen, das in den Verwaltungsbereich des Rates hinausragenden siidostlichen Halbinsel Italiens, 



805 Messapische Sprache Messapische Sprache 306 

die im Altertum gewohnlich Calabria (auch Mes- namens: Bansae), mit d zn % (ace. sing, xicolom 

sapia Oder lapygia) genannt wurde. Ein dichtes aus ^diekolom ,Tag* zu lat. dies), mit k zn x (abl. 

Netz von Fimdstatten breitet sich iiber die Halb- sing, meddixud aus *meddikidd, ,Burgermeister- 

insel: Ostuni (37 km nordwestlich von Brindisi; amt', osk. mediki- oder meddikki-). Dieselben 

antikes Ethnikon bei Plin. n. h. Ill 115 Stulnini; Lautveranderungen, ausgenommen die letzter- 

17 Inschriften); Ceglie Messapico (11km siidwest- wahnte ki zu x, lassen sich mit Sicherheit auch 

lich von Ostuni; im Altertum wahrscheinlich Cae- ftir das Messapische nachweisen. Zusammenge- 

lium oder Caelia; mehr als 30 Inschriften); nommen mit dem archaologischen Befund (M. 

Francavilla Fontana (13 km stidstidostlich Ceglie, Mayer Apulien 229: die Topferware von Bantia 
etwa halbwegs zwischen Tarent und Brindisi; an- 10 ist verschieden von der Lukaniens, aber ahnlich 

tiker Name unbekannt); Manduria (15 km sud- der von Apulien) und dem illyrischen Namen der 

siidostlich von Francavilla; antiker Name, um Stadt (vgl. Polyb. Y lOS, S o ys ^IXmnog , . . 

1700 wieder eingefiihrt); Oria (30 km westsiid- avsKxrioaxo ... rfjg KaXoiKivcov xwQag Bavrlav in 

westlich von Brindisi, im Altertum Uria; 18 In- Illyrien) ergibt sich hier ein sicherer Beweis fiir 

schriften); Mesagne (15 km westsiidwestlich von die Zugehorigkeit dieser Gegend zum messa- 

Brindisi; antiker Name unbekannt); Brindisi pischen Sprachgebiet in voroskischer Zeit. Auch 

(Brundisium) ; Valesio (bei S. Pietro Yernotico, im Bruttierlande und in Ostsizilien finden sich 

17 km siidlich von Brindisi; im Altertum Bale- eine Anzahl illyrischer Ortsnamen (Acherontia; 

slum oder Baletum); die einander sehr nahe ge- Clampetia und der FluB Metaurus an der West- 
legenen und manclunal schwer zu scheidenden20kuste des Bruttierlandes; in Ostsizilien: MoQydv- 

Fundstatten von Lecce (Lupiae oder Lupia) und tiov — Murgantia; Neetum; das FltiBchen Ana- 

Kugge (Rudiae) samt dem Hafen S. Cataldo haben pus bei Syrakus, vgl. Kretschmer Glotta XIV 

zusammen 25 Inschriften geliefert; weiter slid- 93; vielleicht auch der Name des Sumpfes2'v^a;>i;c6, 

ostlich Alezio (6 km ostlich von Gallipoli mit er- von dem die Stadt den Namen hat, vgl. Kretsch- 

neutem antiken Namen Aletium; 27 Inschriften); mer 98). NachNordwest en hin finden sich illyrische 

Muro Leccese (bei Maglie; antiker Name unbe- OrtsnamenundFluBnamenentlangderganzenadria- 

kannt); Soleto 18 km siidlich von Lecce; westlich tischen Kiiste Italiens, die so eine schmale, stellen- 

von Soleto Galatina und Nardd (im Altertum Ne- weise abreifiende Verbindung mit dem zweiten gro- 

retum); Vaste (im Altertum Basta) und Diso Ben illyrischen Siedlungsgebiet in Italien, mit Vene- 
(15 km siidlich von Muro; zusammen 9 Inschrif- 30 tien, herstellen. Fiir das Messapische wird man 

ten); Ugento (21 km siidostlich von Gallipoli, im von diesem Gebiet mit Wahrscbeinlichkeit nur die 

Altertum Uzentum oder Uxentum; 9 Inschriften); Kiiste des nordwestlichen Apulien mit den Sied- 

schlieBlich Vereto nicht weit vom Vorgebirge lungen Barduli, Salapia (bedeutet ,Lagunenstadt* 

S. Maria di Leuca. von "^sal-apa ,Salzwasser^ Krahe Ztschr. f. Orts- 

Nach der Verbreitung der Inschrif tenfunde namenforsch. Ill 121. Glotta XX 188), Sipontum, 

kann es also keinem Zweifel unterliegen, daB die Uria in Anspruch nehmen diirfen. Fiir Truentum 

Halbinsel das eigentliche Kernland der messa- in Picenum am Flusse Truentus haben wir schon 

pischen Sprache in kultureller Beziehung gewesen das Zeugnis des alteren Plinius (n. h. Ill 110 

ist; dariiber hinaus a,ber durfte die messapische Truentum cum amne, quod solum Lihurnorum 
Sprache vor der Ausbreitung der Samniter im 40 in Italia relicum est), nach dem hier N o r d - 

ganzen siidostlichen Apulien geherrscht haben illyrier noch zur Zeit seines Gewahrsmannes 

(heute provincia di Bari), wenn auch die hier wohnten. Obwohl uns Unterschiede der Sprache 

sitzenden Stamme der Peucetii und Poediculi innerhalb des Illyrischen nur zwischen Venetisch 

offenbar kulturell hinter den Stammen der Halb- und Messapisch ivirklich faBbar sind, werden wir 

insel (Messapii, Sallentini, lapyges) zuriickstan- doch vermuten diirfen, daB die Liburner den 

den. Mit Sicherheit darf man iiber das Gebiet der Venetern sprachlich naherstanden als den Messa- 

messapischen Inschriften hinaus Barium (heute piern. Die Nordkiiste der Garganus-Halbinsel 

Bari; vgl. Baris und Barra auf der messapischen diirfte also gegen Nordwesten hin als die auBerste 

Halbinsel), Caelia (heute Ceglie del Campo nahe Grenze des Messapischen anzunehmen sein. 
Bari; vgl. Caelium auf der Halbinsel) und Bu- 50 II. H e r k u n f t. Seit dem glanzenden Auf- 

tiintum (heute Bitonto; vgl. Hydruntum und satz von W. Helbig (Hermes XI 257) ist es 

Uzentum auf der Halbinsel) zum messapischen allgemein anerkannt, daB die lapyger und die 

Sprachgebiet zahlen. Ziemlich deutlich sind die verwandten Stamme illyrischer Herkunft 

Anzeichen messapischer Sprache auch im nord- sind. Helbig zeigte an der schlagenden Uberein- 

ostlichen Streifen von Lukanien. AuBer Orts- stimmung einer groBen Zahl von Volkernamen, 

namen mit -nt-, die vereinzelt, weil auch sonst Ortsnamen und Personennamen, daB diesseits und 

weit verbreitet, nicht viel beweisen, aber doch jenseits des adriatischen Meeres vor der Romani-^ 

wohl hier in besonders groBer Zahl zu finden sind sierung Illyrier seBhaft waren. Aus Helbigs Liste 

(Metapontum, der FluB Casuentus, Aceruntia, seien nur einige Beispiele ausgewahlt: Acheron- 
Forentum) ist es besonders eine Eigentiimlichkeit 60 tia, Pandosia — Acheron, Acherusia, Pandosia; 

der oskischen Mundart der Stadt Bantia, die auf Calabri — TaM/?^ tor ; ^cot^ss' am Siris in Lukanien 

eine altere messapische Bevolkerungsschicht in — Xdovsg im Epirus (dazu Krahe Glott. XVII 

dieser Gegend hinweist (erkannt von Krahe 158); Sallentini — Salluntum in Dalmatien; iJfv- 

Glotta XIX 148): im Oskischen dieser Stadt ver- ^hioi in Apulien und in Hlyrien; das Ortsnamen- 

bindet sich, anders als im iibrigen oskischen suffix -ntum in Apulien und Lukanien (Tarentum, 

Sprachgebiet, konsonantisches i mit vorausgehen- Hydruntum, Uzentum, Sipontum, Grumentum 

dem I zu II (geschrieben II und I), mit r zu rr u. a.) und in Illyrien (Dalluntum, Salluntum, 

(geschrieben r), mit t zn s (Lokativ des Stadt- Argyruntum); ebenso -etum, -etium in Apulien 



307 Messapische Sprache Messapische Sprache 308 

(Neretum, Veretum, Soletum, Azetium, Baletium, den dorischen Mundarten sind nachgewiesen, vgl. 

Aletium) und in Illyrien (Foretum, Eperetium, v. B lumen thai Gflotta XVIII 153. Hesychstu- 

Buchetion). Die Liste laJBt sich leicht vermehren dien 2ff. Indog. Forsch. XLIX 169ff. Dagegen 

(vgl. Philip p Art. lapyges 731fiE. Ribezzo wird das Meoodmov oQog (Aristot. hist. an. IX 

Riv. Indo-Greco-Italica IV 83. 221. Krahe Die 45, p. 630 a, 20), o oqICsi trjv IlaiovLHTjv nal rrjv 

Balkan-IUyrischen geogr. Namen, 1925). Erwahnt MaidiTirjv xwQav eine Hindeutung auf die friihft- 

seien noch die von Philipp mit Recht hervorge- ren Sitze des noch ungeteilten messapischen Volks- 

hobenen Ethnika mit -st- wie Grumbestini, Rubu- stammes darstellen. Ganz anders erklart diese 

stini, Apamestini gegeniiber den illyrischen Orts- Spuren messapischer Siedlungen Mayer 1174. 

namen Tergeste, Ladesta, venet. Ateste. Auch der 10 Er sieht in den Messapiern ein uraltes, etwa vor- 

antiken "Dberlieferung ist die illyrische Herkunft griechisches Volk, das aus Kreta nach Apulien 

der Stamme in Apulien wohl bekannt; vgl. Paul.- eingewandert sei und dessen Sprache, wenn Spu- 

Fest. p. 60 liinds. Daunia Apulia appellatur ren von ihr vorhanden waren, ebenso unverstand- 

a BaunOj Illyricae gentis claro viro, qui earn, prop- lich ware wie die Sprache der Inschriften von 

ter domesticam seditionem excedens patria, occu- Praisos. Er kann sich dabei auf griechische "Qber- 

pavit. Plin. n. h. Ill 102 Brundisio conterminus lieferung (z. B. Herodot. VII 170; Strab. VI 279. 

Poediculorum ager. novem adulescentes totidem- 281 u. a.) stiitzen, was die Herkunft der Mes- 

que mrgines ah lUyriis XII populos genuere. sapier aus Kreta betrifft. Mit Hilfe der tiber- 

Die Einwanderung dieser illyrischen Stamme lieferten messapischen Sprachreste laBt sich jeden- 
ist zweifellos zur See erfolgt. Man darf nicht 20 falls Mayers Theorie in keiner Weise wahrschein- 

vergessen, daB die Adria zu keiner Zeit ein Hin- lich machen. Sprachliche Unterschiede zwischen 

dernis fiir ein Volk sein konnte, das durch die den vier Volkern der Halbinsel (Calabri, lapyges, 

reich gegliederte dalmatinische Kiiste zur See- Sallentini, Messapii) sind fiir uns nicht greifbar, 

fahrt erzogen wurde, und daB z. B. vom Monte Es hat den Anschein, daB unter diesen vier Vol- 

Gargano aus an klaren Tagen die dalmatinische kern die Messapier am friihesten eingewandert 

Kiiste sichtbar ist. Wir kennen ja aus neuerer sind. Dadurch gewannen sie, wie die lonier und 

Zeit eine Wanderung in derselben Richtung, wenn Achaer in Griechenland vor den Nordwestgriechen, 

auch in viel kleinerem MaBstabe; das Ergebnis einen kulturellen Vorsprung vor den andern 

sind zahlreiche albanische Dorfer an der Ostktiste Stammen. 

Italiens. Von der langen Wanderung zu Lande, 30 III. Art und Bedeutung der iiber- 

die wir sonst annehmen muBten, ist keine Spur lieferten Sprachreste. Die messapischen 

nachzuweisen. Sie hatte wohl ganz andere Wege Inschriften, deren Fundorte oben angegeben wur- 

eingeschlagen und jedenfalls die Stammesver- den, sind an Zahl verhaltnismaBig nicht ganz un- 

bande ganz aufgelost. bedeutend. Ihr Wert wird aber dadurch stark 

Die Zeit der Wanderung laBt sich zunachst herabgesetzt, daB die weitaus iiberwiegende Zahl 

einmal einigermaBen dadurch bestimmen, daB sie nichts als Namen enthalt und daB gerade die 

vor die griechische Kolonisation fallen muB. Einen langsten und wichtigsten sehr schlecht iiberliefert 

Hafen wie Brundisium batten die Griechen sicher sind. Dazu kommt, daB die Inschriften fast gar 

besetzt, wenn ihnen hier nicht eine wehrkraftige, keine Worttrennung anwenden, so daB viele Wort- 
seekundige Siedlerschar zuvorgekommen ware. 40 gebilde, mit denen die Sprachforscher arbeiten 

Das um 710 v. Chr. gegriindete Kroton wurde in mtissen, verdachtig sind, etwa bloB Zusammen- 

einer schon friiher von lapygern besetzten Gegend stiickelungen von Silben zweier Worte zu sein. 

angelegt. Man wird aber nicht fehlgehen, wenn Was die venetischen Inschriften an Interpunktion 

man die Einwanderung der illyrischen Stamme in zu viel darbieten, geben die messapischen In- 

Unteritalien noch geraume Zeit weiter hinauf- schriften zu wenig. Jeder, der sich als Sprach- 

riickt und mit der groBen Wanderung der nord- forscher mit den messapischen Inschriften be- 

westgriechischen Stamme in Verbindung bringt. schaftigt, wird sich diese Dinge vor Augen halten 

Die zahlreichen Spuren des Namens der Messapier mussen. Es wird immer zu erwagen sein, ob die 

in Griechenland, die Mayer Art. Messapioi Inschrift erhalten ist, ob sie von einem Kenner 
1179ff. zusammengestellt hat, lassen sich leicht 50 der messapischen Schrift oder von einem Lokal- 

dadurch erklaren, daB Teile dieses Stammes von forscher, dem es an der notwendigen tjbersicht 

den Nordwestgriechen auf ihren Wanderungen fehlte, abgeschrieben ist, ferner ob nicht etwa 

mitgerissen wurden, ahnlich wie Splitter von eine andere Worttrennung moglich ist. Fiir das 

,Pelasgern* in der Nordostaegeis mit den liber die wenige, was wir von der messapischen Flexion 

See wandernden Griechen bis in die Propontis wissen, sind die Inschriften die einzige Quelle, 

gelangten (vgl. Herodot. I 57) und wie die Alanen Die wichtigste Sammlung der messapischen In- 

durch die germanische Volkerwanderung mitge- schriften stammt von Whatmough (The Prae- 

rissen wurden. So ist der Messapiername bis nach Italic Dialects of Italiy II, part III 258 — 430; 

Nordostboiotien gelangt {Meoodntov ogog bei An- mit Kommentar 562—576. Appendix 619 — 626 
thedon am Euripus) und nach dem ozolischen Lo- 60 und voUstandigem Index mit wichtigen Bemer- 

kris, wo Thukydides im J. 426 v. Chr. Messapier kungen in vol. HI, London 1933). Daneben ist 

erwahnt (III 101, 2; vgl. Oldfather o. Bd. XIII wertvoU wegen der beigegebenen Lichtbilder die 

S. 1207). Ferner gab es in Lakonien einen Kult von Fr. Ribezzo begonnene Sammlung Corpus 

des Zsvg Meooaneevg in Msooansat und in West- Inscriptionum Messapicarum in mehreren Heften 

kreta einen FluB Msoodnog. Das sind also Gegen- der Zeitschrift Rivista Indo-Greco-Italica (VI 65 

den, in die Messapier mit den Nordwestgriechen — 84 Einl.; VII 227 — 252 mit den Inschriften von 

durch die sogenannte dorische Wanderung ge- Monopoli, Gnathia, Ostuni, Carbinum, Brundi- 

langt sein mogen. Spuren illyrischer Sprache in slum. IX 67 — 91 Caelium und Rudiae. X 33 — 57 



309 Messapische Sprache Messapische Sprache 310 

Uria, Manduria, Mesagne, Tarent und Baletium). nen, die die nordwestgriechischen Dia- 

Altere Sammlungen: Mommsen Die Unter- lekte mit italischen Sprachen gemein haben. So 

italischen Dialekte und Fabretti Corpus In- ergibt sich z. B. aus den nordwestgriechischen 

scriptionum Italicarum mit 2 Supplementen und Monatsnamen 'AQatvog (lokrisch) und UQaQanog 

einem Appendix von Gamurrini. Eine Aus- (epidaurisch), dafi im Gegensatz zum ionisch-ky- 

wahl bei Jacobsohn Altitalische Inschriften prischen aro- der Stamm des Wortes fur ,Pflugen* 

(Kleine Texte nr. 57, Neudruck 1927, nr. 80 indiesenMundartenvielmehr ara-lautete (Schwy- 

■ — 136a). zer Glotta XIII 11). Zusammengenommen mit 

Die messapischen Inschriften sind in einem lat. arare laBt dieser Tatbestand den SchluB zu, 
«igenen A 1 p h a b e t geschrieben (WhatmoughlO dafi auch im Siidillyrischen und Messapischen, 

530 — 540), das die illyrischen Stamme der mes- das lange Zeit geographisch zwischen dem Itali- 

sapischen Halbinsel von den Griechen Tarents schen und Nordwestgriechischen in der Mitte lag, 

tibernommen haben. Als in Tarent die ionische ein ara- ,pfliigen* vorhanden war. 

Schrift einzudringen begann wie in Athen und im Endlich besitzen wir eine Quelle der Sprach- 

iibrigen griechischen Sprachgebiet, bewahrten die erkenntnis an den messapischen r t s - und 

messapisch redenden Stamme nicht etwa die alt- Personennamen, die jetzt zusammen mit 

1;arentinisch-lakonischen Buchstabenformen, son- den iibrigen illyrischen Namen tibersichtlich ge- 

dern gingen wie ihre griechischen Lehrmeister ordnet vorliegen (K r a h e Die alten balkanillyri- 

ebenfalls zum ionischen Alphabet tiber. Doch schen geographischen Namen. Die Ortsnamen des 
bewahrten sie F, C mit dem Lautwert v, H» )-( 20 antiken Apulien und Calabrien, Ztschr. f. Orts- 

als h (nicht e). Das Zeichen X wird sowohl in namenforsch. V 1 — 25. 139 — 166. Lexikon alt- 

der ostgriechisch-ionischen Bedeutung % als Gut- illyrischer Personennamen, Heidelberg 1929). 

tural (wohl VerschluBlaut, da die messapische IV. AbriB der messapischen Grammatik. 

Sprache wirkliche Aspiraten nicht kennt) verwen- A. Schreibung und Lautlehre. a) Vokale. Idg. a 

det, wie als Zischlaut; als solcher steht es fiir ist im allgemeinen bewahrt. — e und e scheinen 

Samekh und nimmt in dem erhaltenen Alphabet ebenfalls bewahrt. Wechsel zwischen e und u vor 

von Vaste die Stelle zwischen o und q ein (p ist nt, nd in pQvvdog, Brunda, Brundisium: ^Qsvdog, 

ausgelassen). In diesem Lautwert wird es mit <^, BQsvrsaiov. — i scheint in den Endungen -ehias, 
s, Q umschrieben. Von den beiden Formen dieses -ohias, worin h den "Qbergangslaut darstellt, vo- 
Zeichens hat + immer den Wert eines Zischlauts, 30 kalisches i zu bezeichnen. Hinter Konsonanten ist 

X scheint in drei Fallen mit s zu wechseln: vor es in weitem Umfange zu konsonantischem i ge- 

t {daxtas neben dastas); am SchluB (domatriax worden und an den vorausgehenden Konsonanten 

neben damatrias) ; verdoppelt (vaxxnihi, droxxihi angeglichen. Es findet sich aber auch -ia, -io- hin- 

neben lat. Brus(s)-^ Vassi-). Qoppa 9 ist selten. ter Konsonanten. Im Genetiv Sing, der o-Stamme 

Sehr unsicher ist San, das in dem nicht erhal- wird gewohnlich -ihi geschrieben, aber auch -ehe, 

tenen und schlecht abgeschriebenen Alphabet von eihi, -ihe, -eihei. Im Wortinnern kommt auch die 
Vaste in der Form H (=\a?) zwischen r und s Schreibung ii vor. — idg. o ist zu a geworden, 

steht (umschirieben s). Ypsilon und Psei fehlen z. B. im Nom. Sing, der o-Stamme (dazimas); im 
dem messapischen Alphabet voUstandig. Die Genet. Sing, der konsonant. Stamme {platoras, 
wenigen Falle, wo Phei tiberliefert ist, hetieften 40 plastas); im Dat. Plur. -bas (logetibas) gegeniiber 

entweder rein griechisch geschriebene Inschriften venet. -bos, lat. -bus aus bos. Diese wichtige Eigen- 
oder es steht if statt 9 (Qoppa). Im stidlichen ttimlichkeit der Lautentwicklung teilt also das 

Teil des Sprachgebiets finden sich zwei Zusatz- Messapische mit dem Germanischen und Litaui- 

zeichenl^jY- Von diesen scheint 4* aus T diffe- schen, wahrend sich das sonst nah verwandte 

renziert zu sein; da es auch an Stelle eines son- Venetische in dieser Sache zum Italischen und 

stigen if Oder # erscheint {tabara,d'abara,^abaro: Keltischen stellt und idg. o bewahrt. Im Nom. 

taotas, d-aotoras,^ aotoras), wird man dafiir wohl Sing, der -io-Stamme ist 4os tiber -ias zu -ies ge- 

als Lautwert eine dentale Affrikata annehmen worden, wobei ^ sich an den vorausgehenden Kon- 

mussen. Es erscheint im Alphabet von Vaste an sonanten angleicht. — u ist dem Messapischen 
vorletzter Stelle und angewandt in 7 Inschriften. 50fremd. Zwielaute: Von i-Diphthongen findet sich 

Seltener noch ist das letzte Zeichen, das wohl aus am oftesten im Anlaut und im Inlaut ai. Wieweit 

dem Griechischen ubernommen ist und jedenfalls hier idg. ai vorliegt, ist nicht sicher. Im Auslaut 

alter als l^. Es steht an Stellen, wo sonst h als ist -ai im Dat. Sing, der a-Stamme sicher zu -a 

tJbergangslaut geschrieben wird. Nebenformen ^ geworden {ana aprodita). Von den selteneren ei 

und ^ ; umschrieben T- und oi ist ein Teil sicher Bezeichnung eines ein- 

AuBer den Inschriften besitzen wir einige fachen Lautes (t, auch ^; u). tJher die Ent- 

wenige ausdriicklich als messapisch bezeichnete wicklung der idg. w-Diphthonge ist schwer Klar- 

G 1 s s e n, denen noch einige unbezeichnete aus heit zu gewinnen. Sicher ist es, daB alle w-Diph- 

sprachlichen oder sachlichen Grunden von neueren thonge schlieBlich im Messapischen zu Monoph- 
Sprachforschern angereiht wurden. 60 thongen geworden sind. Fiir idg. au konnen wir 

WertvoUe und ziemlich sichere Schliisse auf die Entwicklung zu a an dem Namen der Stadt 

messapisches Sprachgut konnte v. Blum en- Bavora, in den Inschriften basta, heute Vaste 

■thai aus Wortern ziehen, die sich durch ihren deutlich beobachten. Dagegen ist die Vielfaltig- 

ungriechischen Lautstand (besonders b statt ph, d keit der Schreibungen fiir idg. eu {ou) verwirrend. 

statt th) als illyrische ins Nordwestgriechische Torp (s. u. S. 315) nimmt besonders in dem 

eingedrungene Lehnworter erweisen (s. o. S. 308). Namen h-eotor, teotor (vgl. balkanillyr. Teuta) an, 

WertvoUe Erkenntnisse lassen sich ferner aus daB hier eo fiir idg. eu stehe. In demselben Namen 

der Beobachtung von Spracherscheinungen gewin- erscheint aber statt eo auch ao {'d'aotor,^aotoraSy 



311 Messapische Sprache Messapische Sprache 312 

taotinai), ferner o {d'otor, totor) und endlich auch angeglichen (d-aotorassi ,Tutorisque* gegentiber 

die besonders schwer zu erklarende Schreibung balakrahiaihiM ,und des ^BaXaxQatog^); dagegen 

'&ator. In den lateinischen Inschriften erscheint ist wohl Aussprache -st- anzunehmen in vaosMlihi 

der Name als Tutor; davon abgeleitet der Fami- und hofakoassM. 

lienname Tutorius, Tutoria. Bei der Bewahrung Wechsel zwischen Tenuis und Media 'p-h^ t-d 

der Schreibung eo in Seotox, teotor, d'eotoridda findet sich vereinzelt in Metapontum (dazu Mes- 

vermutet Krahe (Glotta XIX 289) EinfluB von sapii?): Mha^ov; taimakos: Aaifiaxog; baledonas 

griech. '&sog. b) Konsonanten. Eine der fiir das (Genet. Sing, eines Mannernamens) : baleWihi 

Messapische am meisten charakteristischen Laut- (Gen. Sing, eines Ethnikons). Fiir griech. x zwi- 
entwicklungen ist die Behandlung des konsonan- 10 schen Vokalen erscheint in einem jlingeren Lehn^ 

tischen i hinter Konsonanten. Hier geht i ver- wort k (taimakos); in lahona (venet. Dat. Sing, 

loren, hinterlafit aber Ersatzdehnung des voraus- lahvnah; griech. Aox-; Beiname der Aphrodite 

gehenden Konsonanten. Daher sind in den mes- als Geburtshelferin in Weihungen von Frauen), 

sapischen Inschriften Doppelkonsonanten sehr das, wenn nicht einheimisch, doch jedenfalls ein 

haufig. Es finden sich -dd-, -II- , -nn-, -rr-, -ss-^ xx ^ehr altes Lehnwort ist, dagegen h; in logetibas 

(= ss Oder pp), -%%-. Statt -tt- ist aber immer -th- (Dat. Plur.; Name der Schicksalsgottinnen; griech. 

geschrieben. Die weitaus groBte Masse der sehr Adxeoig) die Media. Ob dieser Wechsel allgemein 

zahlreichen Beispiele dieses Lautwandels wird illyrisch ist oder erst auf italischem Boden ent- 

durch Nominative und Genetive von -io-Stammen standen, ob er ferner an bestimmte Akzentverhalt- 
geliefert (Nom. d'eotorres, %arres; Genet, dirrihi, 20 nisse gebunden war, lafit sich mit unserem ge- 

taotorrihe). Geht dem zu verdoppelnden Konso- ringen Material nicht entscheiden. 

nanten ein zweiter Konsonant voraus, so unter- Ein Wechsel zwischen b und v tritt auf in 

bleibt die Verdoppelung (Nom. argorapandes, dem Namen der Stadt Baletum, von der es Miin- 

valdes; Genet, traohan&ihij grosdihe). Feminina zen mit der Aufschrift baled'as und valed'as gibt; 

auf -ia: der Name der Stadt Uria erscheint auf ferner mit bale^aihe (balei&ashe?). 

Miinzen als orra; eine Insel bei Brundisium heifit Palatale: tTber die Vertretungen der Palatale 

Barra, sicher von demselben Worte abgeleitet wie im Messapischen sind die Meinungen geteilt. 

der Name der Stadt Barium (heute Bari); Appel- Kretschmer (Einl. in die Gesch. d. griech. 

lativum benna ,Weib*, das meines Erachtens aus Spr. 265) stellt barxidihi (Whatm. nr. 530, erhal- 
%enia hervorgegangen ist (vgl. lepont, venia, 30 ten) zu alban. bardi ,weiB*, rum. baraxd ,Storch*, 

boiot. fiavd). Krahe hat Glotta XVII 81 ff. diese skr. bhrajate ,glanzt' (dazu auch den illyrischen 

Lautentwicklung eingehend und tiberzeugend be- Konigsnamen BaQbvlhg), rechnet also das Mes- 

handelt. Er macht darauf aufmerksam, daB die sapische zu den satem-Sprachen. R i b e z z o und 

Verdoppelung sich nie bei Labialen oder Guttu- Jokl (Indog. Jahrb. XIII Abt. VII nr. 182) haben 

ralen findet, sondern nur bei Dentalen, allerdings dies durch weitere Wortdeutungen zu sttitzen ge- 

im weitesten Sinne. Ferner stellt er zur Erwa- sucht, die aber alle meines Erachtens durchaus 

gung, ob die Doppelschreibung nicht etwa als ein unsicher sind. Die Zugehorigkeit des Messapischen 

Versuch auf zuf assen ist, i-haltige Konsonanten in betrachten als unbewiesen H i r t und W h a t - 

der Schrift darzustellen. Es ist moglich, daB die mo ugh (vgl. besonders Language III 226 — 231); 
lesbisch-thessalische Entwicklung lesbisch xqIvvco, 40 unter den von Whatmough angeftihrten 

thessalisch kqswco aus *krin-io mit der messa- Gegenbeispielen scheint oro[a]gen[a]s (,Biirger 

pischen Lauterscheinung zusammenhangt. von Uria* zu lat. genus, venet. voltixenei ,Voltii 

In der Behandlung der sogenannten Mediae filii') am meisten ins Gewicht zu fallen, da es 

Aspiratae trennt sich das Messapische vom Grie- wohl einheimisches Wort sein diirfte. Leider ist 

chischen sowohl als vom Italischen und stellt sich aber die Lesung der betreffenden Inschrift sehr 

zumMakedonischen,GermanischenundKeltischen: unsicher. Was barxidihi betrifft (Genet, eines Fa- 

es erscheinen dafiir Mediae (berada zu lat. fero; miliennamens), so ist auch Ankntipfung an illyr. 

-des in hipades zu griech. ti'&r]fj,c). Sxevo^aQbog (lat. mit Volksetymologie Scenobar- 

-m im Auslaut wurde zu -n wie im Griechi- bus, idg. *bhar-dha ,Bart*) moglich. Den wertvol- 
schen, Venetischen, Keltischen, Germanischen und 50 len Nachweis der griechischen Form mit d ver- 

Slavischen (Akkus. Sling, aran, anan, bennan), danken wir Krahe (Glotta XXII 126). Auch ist 

-s- zwischen Vokalen wurde weder zu -r- wie zu bedenken, daB fiir das nah verwandte Vene- 

im Lateinischen und Umbrischen noch zu -h- wie tische Zugehorigkeit zu der centum-Gruppe fest- 

im Griechischen; die Schreibung -%-, die manch- steht (vgl. das eben erwahnte 'voltixenei). 

mal vorkommt (bixatas, daximas) mag wie im Os- B. Flexion. Nomen: Die a-Stamme bilden den 

kischen von Bantia (egmaxum Genet. Plur.) auf Nominativ und Dativ auf -a. Fest seht auch der 

stimmhafte Aussprache hinweisen. Erhalten ist Akkusativ auf -an (veinan aran; bennan). Mit 

auch s vor d, m, n (grosdihe sma[. . .], vasno). dem Dativ (und Nominativ) zusammengefallen ist 

Vor vokalischem i wird '& geschrieben in der vielleicht der Lokativ (in darand'oa, in-M ardan- 
Endung der 3. Pers. Sing. -^^ und in der an- 60 noa, sicher Bezeichnungen von Ortlichkeitfen in 

gehangten Konjunktion -'&i lat. que ,und*, wohl der groBen Inschrift von Basta Wh. 548). 

als Ergebnis eines Ausgleichs (urspriinglich nur o-Stamme: Nominativ auf -as, Genetiv auf -ihi 

vor vokalischem Anlaut des folgenden Wortes). (geschrieben auch -eihi und -ehe): Nom. daximas, 

Die Schreibung i^o-, '&eo- erklart sich durch Ent- daxomas; Genet, daximaihi. Bei den io-Stammen 

wicklung von tu- zu tiu- wie im Oskischen (tiurri wird das aus -io- im Messapischen entstehende -ia- 

,turrim*) und Boiotischen (riovxa = tvxv)' Das so (erhalten in hanqorias?) durch eine Art Anglei- 

entstandene spirantische ^ in der enklitischen chung zu -ie-, wovor die oben besprochenen Kon- 

Konjunktion -M wird an ein vorausgehendes -s sonantenveardoppelungen eintreten. Beispiele: blat- 



313 Messapische Sprache Messapische Sprache 314 

§es — hlatMhi; plator[res] — platorriM. Vor- Nommativs^a6oasalsGeiietivs^a6oaos,zusaminen- 

kommende Nominative auf -os sind entweder aus gezogen staboos. Genetive auf -aos, zu denen No- 

dem Griechisehen entlehnt (taimakos) oder dureh minative nicht bezeugt sind: vaikanetaos, paletaos; 

tinrichtige Worttrennung zu erklaren; in einem Genetive auf -os ohne bezeugte Nominative: stin- 

Oder dem andem der etwa 10 iiberlieferten schein- kaletos, vaanetos, dattetos. Es ist klar, dafi hier 

baren Nominative auf -os werden auch Genetive Stamme auf -w-Diphthonge vorliegen, die im Mes- 

von Diphthong-Stammen zu erkennen sein (z. B. sapischen, gemessen an anderen indogermanischen 

avi'&os d-otorridas Wh. nr. 515). Unerklart sind Sprachen, eine auffallend starke Triebkraft ent- 

direi Genetive auf -o^/^^ und c?a%o/i* (Wh. nr. 574). wickelt haben. Die Versuche von Torp und 

Konsonantische Stamme. r-Stamme en- 10 W h a t m o u g h, das tiberlieferte Material auf 

digen im Nominativ auf -or, im Genetiv auf -oras ^au-, -ou-, ew-Stamme zu verteilen, konnen noch 

{d-aotor — ^aotoras). Nomina auf -ar scheinen nicht als abschliefiend betrachtet werden. W a t h- 

einige belegt zu sein, doch steht bei keinem die m o u g h arbeitet (607f .) mit zu vielen unsicheren 

Bedeutung fest. Von -n-Stammen finden sich nur Formen, um seine scheinbar sehr reinliche Schei- 

Genetive auf -onas (baledonas, xonedonas). Ferner dung in -au-, -ou- und -ew-Stamme durchzufuhren. 

gibt es Stamme mit Nominativformen auf -t und — Aus me'ssapischen Lokativen sind nach S k o k 

Genetiven auf -tas, die vielleicht als -n^Stamme ZfONF I 81ff. lat. Uxentum (gegen o^av, ao^sv 

aufzufassen sind: Nom. daxet, bosat; Genet, dax- auf Miinzen) und lat. Brundisium (etwa *brendesu 

tas, dastas, baoxtas, plastas. ,bei den Hirschhornern* Lok. Plur.) abgeleitet. 

-i- und -ei-Stamme. In der groBen Inschrift 20 Verbum. Nur sehr wenige Verbalformen sind 

von Brundisium erscheint dreimal vasti (Wh. einigermaBen glaubhaft gedeutet. Als sicher gel- 

nr. 474a), mit Deecke und Torp als griech. ten kann eine 3. Sing. act. Aor. auf -es, -is (hipa- 

faoxv aufzufassen. Von diesem Worte erscheint des; hadives; apaogrebis oder, wenn apao ein 

der Dativ vastei basta ,civitati Bastae* in der eigenes Wort ist, grebis; eipeigraves) und eine 

groBen Inschrift von Vaste (Wh. nr. 548). Nur 3. Sing, Praes. act. auf -id'i (hipakad'i; inkermaM 

orthographisch verschieden scheint davon zu sein oder ninkermad'i}. Ein starker Aor. scheint zu 

das in derselben Inschrift vorkommende vasti (in sein: pido (,gab*, wenn pi-do). Konjunktivformen 

darari'&oa vasti) , syntaktisch als Lokativ gebraucht. von ber- ,fero' er scheinen zwei in der groBen In- 

Das Wort, urspriinglich wohl -w-Stamm, scheint schrift von Brindisi: maberan und berada; die 
also im Messapischen neutraler -i-Stamm zu sein. 30 erste Form ist 3. Plur. act., die zweite wohl 

Zu den -^'-Stammen gehort der schon erwahnte 3. Sing. Med. Part. Pf. dehatan Wh. 474 a, 10 

Gottername logetibas, von Kretschmer tiber- (nach R i b e z z o zu nr. 34 ,signatum* zu lat. 

zeugend als Dativ Plur. erklart (Glotta XII 278). kngo). 

Diese einzige sicher gedeutete Pluralendung ent- Sicher als Praeposition gedeutet ist in (mit 

spricht venet. -qpos (in lat. Umschrift -bos), lat. Akkus. und Dat.-Lok.); als Verbalpraefixe hipa-, 

-bus, alter -bos, gall. -§o. Wie im Lateinischen dea- eipei-, und vielleicht pi-, Konjunktionen: anda — 

bus ist diese Endung auch auf die weiblichen anda ,et — et'; enkl. -'&i ,-que*, an vorausgehen- 

-a-Stamme tibertragen worden in dem mit des -s angeglichen -si. 

logetibas verbundenen Gotternamen laidehiabas V. Die wenigen messapischen G 1 o s s e n sind 
(Wh. 526 laidehiabas logetibas, wohl eine Formel 40 gesammelt von Whatmough Prae-Ital. Dial, 

wie lat. Dis Manibus; etwa ,den Geburtsgottinnen vol. II 423 — 430. Gut bezeugt: 

[und] Todesgottinnen*). Mannliche -^^-Stamme Atabulus ventus, von Quintil. VIII 2, 13 zu 

mit dem Nom. Sing, auf -tis sind als Personen- den regionibus quibusdam magis familiaria ge- 

namen etwa ein Dutzend iiberliefert (Krahe rechnet (M. E. Schmidt Kuhn. Ztschr. LVII 

Glotta XVII 88): ettis, konkolastis; Personen- 15 sucht darin alb. avul, avel ,Dunst*). 

namen auf -etis (selten -atis) gibt es viele in den PavQiov Etym. M. p. 389, 24 siQrjtai on §av- 

lateinischen Inschriften, die auf illyrischem Boden qlov rj (^vqiov} >iam Meooaniovg orjfmlvei xtjv 

gefunden wurden. Dazu gehoren vielleicht Gene- olxlav, wg (prjoi KXscov 6 slsysionouog (Bergk Lyr. 

tive auf -eti (. . . setibenna ,des . . . setis Gattin* frg. II 363); vgl. got. bauan, alb. bans ,Wohnung*. 
Wh. 399, erhalten). 50 ^laf^Tjv bQsjiavov afjinslotofiov Xeyovoi Mso- 

Diphthong-Stamme. Es gibt im Messapischen aamoi, koX eoQtrjv Pio^ala, rjv rjiABlg TilabevtriQia 

weibliche Personennamen mit Nom. auf -o, z. B. UyofjLsv Hesych. 

moro, vasno, et'&eto (nebeni et'&eta), arrihino, vol- PQsvbov elacpov Hesych., vgl. pQsvriov. 

lasso. Damit sind zu vergleichen die zahlreiehen ^gsvtiov Steph. Byz. BQsvtsoiov . . . and Bqsv- 

weiblichen Namen auf -o in den lateinischen In- tov 'EQaxUovg tj (hg evXl(A,evog ovaa . . . ^qevxiov 

schriften des illyrisehen Sprachgebietes, z. B. yag noQa Meooaniovg tj rfjg eXd(pov xecpalr}, Sg 

Buuo, Gato, die im Lateinischen als -n-Stamme HeXevHog (Bd. IIA S. 1251) h dsvxeQq) yXcooocov. 

abgewandelt werden, im Messapischen aber viel- Strab. VI 3, 6 p. 282 C (der Hafen von Brundi- 

leicht als -oz-Stamme aufzufassen sind. Da sich slum ist einem Hirschgeweih ahnlich) tfj 8s Mso- 
die weiblichen -o-Nominative neben -a-Nomina- 60 oanla yXcbxtrj pQsvxsoiov (lieB §qsvxiov) ri xscpaXrj 

tiven im selben Namen finden (etd-eta und et'&eto), xov sXdg?ov xaXslxai. Etym. M. Bqsvxyjoiov* Pqsv- 

in einem FaUe auch bei einem Appellativum (bilio 8ov ds xaXovot xtjv sXacpov Msoodmoi nal Pqevxwv 

neben bilia ,Tochte(r*), so handelt es sich wohl Msooanloig fi nstpaXri %7\g sXd(pov. Dazu alb. brini 

um Kosenamen. ,Horn*, schwed. dial, brind, brinde (dem Messapi- 

Stamme auf it-Diphthonge. Neben Nomina- schen am nachsten stehend, wie es auch tiber- 

tiven von mannlichen Personennamen auf -as raschende Ahnlichkeiten zwischen Venetisch und 

(z. B. daximas) stehen Genetive auf -aihi (daxi- Germanisch gibt. Krahe IF XL VII 326). 

maihi). Dagegen gehort zu den mannlichen Namen Menxana: Fest. p. 190 L Sallentini, aput quos 



315 Meteorologie (Begriff) Meteorologie (Begriff) 316 

Menxanae lovi dicatus vivos (equus) conicitur in dank der unablassigen Spekulation seitens der 

ignem. Alb. mes ,Fohlen', wohl aus *mandiana ionisehen WisseiQschaft hieriiber, alle die Dinge 

(Johansson IF XIV 335. Kretschmer in der Hohe, d. h. oberhalb der Erde, in e i n e n 

Einl. 266. Glotta XVI 182). Begriff gefaBt und ra pLsxecoQa genannt. In der 

navog- aQxog Meaodmoi. Athen. Ill 111 C, uns erhaltenen Literatur seheint sieh freilich die- 

vgl. V. Blumenthal Glotta XVIII 150. ser Terminus nieht vor der zweiten Halfte des 

oljira- oicoTta Meoodmot. Hesych. 5. Jhdts. zu finden, also erst in jener Periode des 

Nicht als messapisch bezeugt, aber aus laut- griechischenGeisteslebens, dieauohfurdieSprache 

lichen Grtinden ftir das Messapische in An- der Facbwissenschaften in erstaunlicher Weise 

spruch genommen, z. B. gandeia Schol. luv. 5, 89 10 schopferisch gewesen ist. Jedenfalls aber bezeich- 

als Erklarung zu carina ,leichtes Fahrzeug'; vgl. net der Ausdruck ta /^sricoga in der Literatur 

venez. gondola, OTtaQa^aQai ol ysQQoq^oQoi zu lat. des 4. und 5. Jhdts. an vielen Stellen die Welt 

sparus ahd. spero und messap. her- in herada, ma- der Gestime ebensogut wie das Reich der Wol- 

heran, mit -a- statt gr.-idg. -o- (-qpoQoi). folvQiov ken und Winde (manchmal auoh nur eines von 

(iiberliefert yolvQiov)- xelvopog. oIkeIov TaQavtl- beiden); denn beide Bereiehe werden eben damals 

voig. Vgl. besonders v. Blumenthal Hesych- noch nioht grunidsatzlich unterschieden. Und so 

studien (1930); Glotta XVIII 146ff. bezieht sich der Ausdruck an einigen Stellen auf 

VI. Literatur: Stier KZ VI 142. Deecke die Stemenwelt, wahrend er an anderen (so in 

Rhein. Mus. XXXVI 576. XXXIVII 373. XL 133. Aristoph. Nub. 1278ff.) zunachst die atmospha- 

638. XLII 226. B u g g e Bezz. Beitr. XVIII 193. 20 risehen Dinge melnt, und wieder an anderen, wie 

TorpIFV195. K r e t s c h m e r Einleitung 263. Xen. Symp. VI 61 beide Bereiehe zugleich be- 

Glotta XII 278. R i b e z z o La Lingua degli zeichnet. (Man hat eben im 6. und 5. Jhdt. und 

antichi Messapi (Neapel 1907). Hirt Die Indo- noch im 4. die Astronomie von dem, was wir 

germanen II 607. P h i 1 i p o n Peuples primitif s M. nennen, noch gar nicht grundsatzlich unter- 

90. Conway Cambr. Anc. Hist. IV 446. What- schieden; daher wird fjistecoQog und die hiervon 

m u g h Class. Quart. XIX 68ff. Cambr. Univ. abgeleiteten Worter in 'der voraristotelischen 

Rep., Marz 1925, 665. Proceed. Cambr. [Engl.] Periode ohne Unterschied von meteorischen und 

Philol.Soc.CXXX 1925, Iff., LanguageIII226.Har- von siderischen Dingen gebrauaht.) Der Grund 

vard Stud, in CI. Philol. XLII 143. Prae-Italic ftir die Tatsache, daJB man damals beide Regio- 

Dial. vol. II 594ff. K r a h e Glotta XVI 286. XVII 30 nen iiberhaupt noch nicht grundsatzlich unter- 

81. 158. XIX 148. 287. XX 188. XXII 122. KZ. LVI schied, liegt darin, dafi in alterer Zeit, ja noch 

133. Ztschr. f. Ortsnam. Forsch. VII 7. v. Blu- bis liber das perikleisehe Zeitalter hinaus, nicht 

men thai Glotta XVII 104. 152. XVIII 146. nur im VoIksbewuBtsein, sondem auch bei den 

153. Vetter Glotta XX 30. 67. [E. Vetter.] meisten Physikem tiber die Substanz, die GroBe 

Meteorologie. und vor allem tiber die Entfernung der Gestirne 

1. Wo rt und B egriff in der Antike. von der Erde (im Gegensatz zu der der Wolken) 

In dem Wort fistscoQog, von dem dann spater noch fast kindliche Vorstellungen gehegt wur- 

fA,sz€coQoX6yog, [xerscoQoXoyia u. a, abgeleitet wer- den. Denn gerade die Frage nach den Entfer- 

den, bezeichnet der erste Bestandteil fA,sxa- die nungen der Himmelskorper hat nur erst wenige 

Veranderung, in unserem Fall die Ortsverande- 40 der Vorsokratiker emsthaft beschaftigt, und nur 

rung, der zweite, dem die Wurzel dsQ- {afsQ-) einzelne von ihnen haben bereits die erforderliche 

zugrunde liegt, das Emporheben. MstscoQog be- mathematische Bildung besessen, um sich in ihren 

zeichnet daher Diiuge, die sich ,in der Hohe* oder Vorstellungen von den Entfernungen der Ge- 

(vom Erdboden aufgehoben) ,in der Schwebe* be- stime von unserer Erde tiber das primitive Den- 

finden oder beides (vgl. des naheren zur Ge- ken erheben zu konnen. Eine entscheidende Wen- 

schichte des Wortes meine Untersuehung Ms- dung — in Richtung auf die Erkenntnis des 

rsco^og — jLisTscoQoXoyla, Philol. LXXI 414ff.). wirklichen Sachverhaltes — tritt hier augen- 

Da aber neben den siderischen die atmospha- soheinlich erst in der alten Akademie ein, an- 

risohen Vorgange und Erscheinungen das Denken gebahnt freilioh hochst wahrscheinlioh schon 

gerade der Vorsokratiker auf das starkste be- 50 durch die Spekulation ider Pythagoreer des grie- 

schaftigen, so wird begreiflieherweise das Wort chischen Westens. Aber die in modernem Sinne 

fxetscoQog auch schon in der DarsteUung rein e x a k t e Forschung tiber diese Dinge ist, soweit 

atmospharischer Vorgange in der Literalmr des wir bis jetzturteilen konnen, erst nacharistotelisch. 

5. Jhdts. V. Chr. verwendet, die zeigen kann, wie Wenn aber auch seat den Tagen des dgxriyog 

weit die meteorologische Beobachtung und die Anaximander die Beschaftigung schon der lonier 

darauf gegrundelie Spekulation damals bereits mit den fAsrscoQa erstaunlioh intensiv gewesen 

fortgesehritten war. So heiBt es in der hippo- ist, so finden -sich doch in der uns erhaltenen 

kratischen Schrift IIsqI dsQcov vddrcov roncov, die Literatur von dem Wort f^srecoQog abgeleitete 

schon V. Wilamowitz — sioher mit Recht — sprachliehe Bildungen nicht vor dem periklei- 

dem perikleischen Zeitalter zugewieisen hat, in 60 sohen Zeitalter. Erst damals entwickelt sich auch 

dem c. 8 (S. 45, 7f. Kiihl. £=: S. 62, 32f. Beib.), der Begriff des fjiexscoQoUyog, well erst damals 

in dem die Entstehung des Platzregens [o^jb^Qog) einzelne bestimmte Naturphilosophen die Erfor- 

so anschaulich geschildert wird, von den feinsten schung der jbtsrscoQa geradezu zum Hauptgegen- 

Teilchen des Wasserdamples in der Atmosphare: stand ihrer Spekulation machen und eben von 

scog jusv ovv bieoKsbaofAsvov fj xal /li'^jzco oweotrj- hier aus ftir ihr ganzes Denken nicht nur den 

Tcrj, (psQsxai iastscjoqov. Im Lauf e der Zeit — wohl AnstoB, sondern die entscheidende Richtung er- 
sicher schon im 6. Jhdt., wenn uns unsere Quel- halten, und weil dieses Studium gerade in der auf- 

len hier auch im Stich lassen — werden dann, bluhenden neuen Hochburg des geistigen Lebens 



317 Meteorologie (Begriflf) Meteorologie (Begriff) 318 

die allgemeine Aufmerksamkeit in imgewohn- lioher dos^'^g ersehien. Anaxagoras und kein an- 

lichem MaBe erregt. Denn iim perikleisehen Athen derer ist offenbar der fjLsxecoQoUyog Kax' i^oxi^v 

hat sieh. der Begriff des ^execoQoXoyog in seiner im perikleischen Athen gewesen. Diese singulare 

eigenartigen Auspragung gebildet und sonst nir- Stellung des Anaxagoras ist in der offentlichen 

gends. Das Wort findet sieh freilich in der uns Meinung Athens fiir die Entwieklung des Be- 

erhaltenen Literatur im 5. Jhdt. nur ganz verein- griSes im letzten Drittel des 5. Jhdts. von ent- 

zelt (so in der Schrift IleQl degcov vddrcov xoncov scheidender Bedeutung gewesen. Qerade an ihm 

S. 34, 24 Kiihl. == S. 57, 7 Heib., an einer Stelle, hat sieh offenbar Aristophanes seine Meinung iiber 

wo iibrigens die Worte dorQovo/A,l7j und f^ezecoQo- diese Art von ,'Wissensehaft' gebildet, und ge- 
Xoyla ganz synonym gebraucht werden, da auch 10 rade die alte Komodie hat den starksten EinfluB 

hier siderisdie und atmospharische Vorgange auf die volksttimliehen Vorstellungen iiber die 

noch gar nicht grundsatzlioh geschieden wer- Manner ausgeiibt, die von den Dingen in der 

den). Dooh wird sicher der Ausdruck sehon in Hohe mit einer Sicherheit spraehen, als ob sie 

perikleischer Zeit aueh als Stubstantiv gebraucht eben daher kamen. — Das Interesse an den 

(vgl. Philol. LXXI 428), Und zwar auch sehon Dingen zwischen Hunmel und Erde ist damals 

in weiterer Bedeutung, d. h. in der des (pvoiKog m all den Kreisen, die nieht stumpf in den Bah- 

iiberhaupt, da es Forscher, die sieh ausschlieB- nen des AUtags wandelten, erstaunlich lebhaft 

lich mit den [/.exscoQa besohaftigen, damals noch gewesen. Man fiihlte instinktiv, wie eng diese 

nicht gibt, sondern, wer iiber die Dinge in der Fragen mit denen der neuwerdenden Weltan- 
Hohe forscht, die gesamte Physis in den Bereich 20 schauung zusammenhingen. Es ist daher nicht 

seines Denkens zu Ziehen pflegt. (In diesem wei- weiter verwunderlioh, wenn aueh die Wortliihrer 

terenSinne wird gelegentlieh auoh sehon iM^r^co^o- der Sophisten ihr Interesse auf die fuxscoQa ge- 

Xoyla gesagt, vgl. Plat. Phaidr. 270 a.) richtet haben. Ihnen freilich ist die ,M.* nur 

Nun aber voUzieht sieh infolge ganz bestimm- Mittel zum Zweok. Sie brauehen sie als Lehrer 

ter Ursachen im Athen des Perikles die Entwiok- der aUgemeinen Bildung damals; vor allem aber 

lung des Begriffes iJiexecoQoloyog in malam pax- ist ihnen diese auf der ionischen Naturwissen- 

tem, spatestens im ersten Jahrzehnt des Pelopon- schaft beruhende Aufklarung zur Beantwortung 

nesisehen Krieges, falls nieht eher. Die eigent- von Weltanschauungsfragen willkommen, zur Be- 

liche Ursache hiervon ist augenscheinlich die na- antwortung freiMch meist in negativem, d. h. 
turphilosophische Spekulation des A n a x a g o - 30 atheistischem Sinme. Die Beschaftigung der So- 

r a s, in dessen Denken die ,M.* (im damaHgen phisten mit den fisxicoQa hat daher das Ansehen 

Sinn des Wortes) eine schleehthin mafigebende der M. in weiteren Kreisen sicher nicht gehoben.. 

SteUung einnimmt (Philol. LXXI 429, 31). Wenn Der Etndruck, den diese werdende Wissensehaft 

aber die M. des Anaxagoras in Athen damals sol- auf das grieehische Volk damals machte, ist fiir 

ches Aufsehen erregt hat, hat das seine ganz uns noch deutlich erkennbar auf Grund einzelner 

besonderen GrUnde. Gewifi hat sehon seine ket- eharakteristischer AuJ3erungen in der zeitgenossi- 

zerische Ansicht von der Sonne als einem ixvbQog schen literatur. Die feineren Kopfe, wie z. B. 

bidnvQog dazu beigetragen, wenn diese Ansicht der Autor der Schrift ,Von der alten Heilkunst' 

in der altionischen, d. h. milesischen Physik aueh oder ein Gorgias oder Euripides, urteilen: diese 
keineswegs unerhort war. Aber Anaxagoras ist der 40 Meteorologen reden mit der groBten Sicherheit 

erste, der solohe Lehte auf ein wirklich empirisehes von Dingen, die menschlicher Porschung tiber- 

Moment stiitzt: auf seine Schliisse aus dem im haupt entzogen sind. Man kann daher ihre Be- 

J. 468/67 erfolgten Niedergang eines riesigen hauptungen weder widerlegen noch beweisen. — 

Meteors bei Aigospotamoi, das naeh seiner Ver- Dem PhOister jener Tage aber — man denke 

mutung aus der Sonne herniedergefahren war. etwa an Xenophon — erscheint die Forschung^ 

Solohe Physik war fiir das damalige Athen, in tiber die [jiexscoQa als etwas ganzlich Zweckloses^ 

das er als erster die ionische Naturwissensdiaft Ja noch mehr: der Meteorologe kommt — nur zu 

tragt, einfach unerhort, soweit nieht die wenigen begreiflich — aUmahlioh in den Ruf des Athei- 

,Modemen* der Stadt — Perikles so gut wie Thu- sten, so daB es wirklieh gefahrUch werden kann^ 
kydides und Euripides — daflir gewonnen werden. 50 als Erf orscher der f/,exscoQa versohrieen zu werden^ 

Weit gef ahrlicher aber waren die wahrhaf t grund- Es wird daher der Ausdruck fzsxscoQoXoyog sehon 

stiirzenden Folgerungen, die Anaxagoras aus sei- friih im veraehtlichen Sinne gebraucht. Bezeich- 

ner ,M.* fiir seine Weltansohauung tiberhaupt ge- nend ist auch, daB er so oft im Verein mit dem 

zogen zu haben scheint, wenn anders Geffeken Wort ddoXeoxtjg vorkommt. Das Wort wird zu- 

(Herm. XLII 127ff.) mit seiner Entdeckung recht gleich im Sinne des Phantasten, gelegentlich so- 

hat, daB die Verse in Aristoph. Nub. 398 — 402, gar in der Bedeutung des Sehwindlers gebraucht. 

in denen fiir uns die alteste Antitheoidizee des So stehen ,Pfaffen* (Diopeithes!) wie Philister 

Abendlandes vorliogt, Gedanken des Anaxagoras der neuen Wissensehaft nicht nur verstandnislos, 

wiedergeben (Philol. LXXI 430ff.). Die Wirkung sondern geradezu feindHch gegeniiber, und nieht 
soleher Ruchlosigkeit auf das bodenstandige Athe- 60 nur diese, sondern aueh ein Gorgias und Aristo- 

nertum jener Tage konnen wir uns kaum stark pihanes. Dieser vor aUem scheint fiir die com- 

genug vorstellen. Aber als das Markanteste im munis opinio von den damaligen Meteorologen 

Treiben des ionischen Fremdlings, den ein Peri- verantwortlich. Es braucht nur an die verhang- 

kles seiner Freundschaft wtirdigte, ersehien der nisvoUe Wirkung der ,WoIken' auf den Ausgang 

Masse doch stets dessen Beschaftigung mit den des Prozesses gegen Sokrates erinnert zu werden. 

jbiexecoQa, die solche Giftbliiten zeitigte. Kein Zwei- Das Wort ^exewQoXoyia freilich ist fiir uns im 

fel auch, daB er manchem Athener, und nicht zu- 5. Jhdt. noeh nicht nachweisbar. Und gar der 

letzt dem Aristophanes, geradezu als ein gefahr- Titel ^MexecoQoXoyla^ fiir eine Schrift des 5. Jhdts. 



319 Meteorologie (Begriff) Meteorologie (Begriflf) 320 

ist auBerst bedenMioh. Denn die mit -Xoyla ge- keit, duroh die nuehteme, nur auf die Erkenntnis 

bildeten BezeichBungen der Fachwissenschaften der Wahrheit, d. h. der ursachliclieii Natur- 

sind — ^ mit Aii-snahme von dar^o^oy /a undt^foAoym, zusammenhange geriehtete Art seiner Forschung, 

bei denen dies besondere Griinde hat — samtlich auf Grund eines ftir seine Zeit nngeheuren Beob- 

relativ jnng. Und selbst wenn Ausdriicke wie aohtungsmaterials — seiner Vorganger wie seiner 

(pvGioloyia und lA^xswQoXoyia schon im 5. Jhdt. Mitarbeiter und ScMler und nieht zuletzt des 

aufgekommen sein soUten, so ist es dooh noch von iihm selbsit gesammelten und gesiohteten — 

sehr zweifelhaft, ob diese einen abstrakten Be- unter (an antiken Verhaltnissen gemessen) auBer- 

griff — die Forscliung liber ein besonderes Ge- ster Vorsicht im Ziehen von ScMussen, versucht, 
Met des Wissens — beizeichnenden Worter sohon lOein System der M. zu errichten als einer Pa- 

damals als Schriftentitel gewahlt worden sind, thologie der vier Elemente, wie sie in der Atmo- 

zumal selbst aus weit spaterer Zeit kein Beispiel sphare wirkem und leiden, ein Werk, das er sei- 

hierftir vorzuliegen soheint. Mit Sieherheit laBt nem groBen Gebaude der gesamten Physik mit 

sich daher das Wort f^tecaQoXoyla erst in Pla* voUem BewuBtsein (vgl. das Prooemiium seiner M. 

tons Phaidr. 270a nachweisen, der einzigen Stelle, und hierzu Cap^lle Herm. XLVII 514ff.) orga- 

wo es vor Aristoteles vorkommt, nisch eingegliedert hat. Es ist insbesondere sein 

Seit der Verurteilung des Anaxagoras im historisches Verdienst, daB er die M. grundsatz- 

J. 432 stand daher die Entwicklung auf dem lich, ein fiir allemal, von der Astronomie gesehie- 

Punkt, daB die ,M.* aUgemeiner Verachtung ver- den und Inhalt und Umfang ihres BegriSeis klar 
fiel: als edne bald zweek- bald ruchlose After- 20 bestimmt hat. Die grundsatzliohe Scheidung der 

wissensohaft, deren Ergebmisse so luftig und sublunaren und der himmlischen Welt haben zu- 

wandelbar waren wie die Dinge, von denen sie erst die alten Pythagoreer vollzagen. Ftir sie, 

spraeh, wie Wolken und Wind. Aber mochte auch deren epochemachende Verdienste um die Astro- 

Sokrates, dessen eimzigartiige GroBe auf seiner nomie ims leider nur sehr teilweise bekannt sind, 

Einseitigkeit, d. h. auf seiner Konzentration auf beginnt idas Reich ewig gleicher Ordnung jen- 

die Ethik, beruht, und mehr noch der alte Kynis- seits des Mondes. Auf dieser altpythagoreisohen 

mus und einzelne Vertreter der alten Stoa der Grundanschauung, die wir schon bei Alkmaion, 

Erforsehung der [jiexecoQa gleichgtiltig oder gar Empedokles und Philolaos nachweisen konnen, 

vollig ablehnend gegeniiberstehen, diese Himmel beruht — so scheint es — auch die des For- 
und Erde umfassende Forschung ging doeh ihren 30 schers, der fur das ganze spatere Altertum, ja 

Gajig. Und wenn wir auch von der Entwicklung noch bis auf Giordano Bruno, maBgebend gewor- 

der M. (in u n s e r e m Sinne des Wortes) fiir die den ist. Bis zu einem gewissen Grade ist das 

Zeit von Diogenes von Apollonia bis auf Aristo- auch richtig. Aber der tiefere Grund fur diese 

teles' Griindung des Lykeions nur ganz wenig grundsatzliche Scheidung zwischen siderischen 

wissen (winzige Spuren bei Plat. Tim. 58dff.), und atmospharischen Vorgangen durch Aristo- 

die ernste reine Erforsehung der letzten Ursaehen teles ist doch nicht nur die altpythagoreische 

der ^Vorgange und Ersoheinungen nicht nur am dualistische Kosmologie, sondern vor allem die 

gestirnten Himmel, sondern auch in dem von ungeheuren Entdeokungen von Platens Mitarbei- 

uins Atmosphare genannten erdnahen Bereich tern auf dem Gebiet der mathematischen Astro- 
ging unberirrt ihren Gang, wenn wir auch ihre 40 nomie, vor allem durch Eudoxos u. a. : auf Grund 

personlichen Trager (Meton?) fiir die genannte der mathematischen Astronomie batten jene gro- 

Periode kaum noch mit Namen benennen konnen. Ben Mitforscher des platonischen Kreises die un- 

Oetrieben ist solche, nur der Ergriindung der geheuren Entfernungen der Himmelskorper von 

Wahrheit, d. h. der wirkliehen ursaehlichen Zu- der Erde und im Zusammenhang hiermit auch 

sammenhange dienende Forschung zuerst in ihre ungeheure GroBe und demgegenuber die un- 

lonien, danach — soweit sie die f^etsco^a an- endliche Kleinheit der Erde erkannt (zur Wir- 

geht — im griechischen Westen bei den Pytha- kung dieser Tatsache auf das Denken des Aristo- 

goreern und dann von LeuMpp und Demokrit in teles vgl. z. B. Meteor. I 8, 345 b Iff.). Wie weit 

Abdera. Dann aber wird ihr iiberragendes Zen- aber fiir Aristoteles bei dieser grundsatzlichen 
trum, wenigstens soweit sie die Mathematik und 50 Scheidung zwischen irdischer und himmlischer 

insbesondere die Astronomie umfaBt, die plato- Welt — neben diesem rein wissensehaftlichen — 

nisohe Akademie, zu der Forscher wie Eudoxos ahnlich wie bei den alten Pythagoreern auch ein 

und Herakleides in nahen Beziehungen stehen, religioses Urmotiv mitgewirkt hat, laBt sich mit 

wahrend die Beschaftigung mit der atmospha- Sieherheit kaum entscheiden; doch wird man das 

rischen Physik, zumal 3ir unloslicher Zusammen- auf Grund von Jaegers Forschungen tiber die 

hang mit der Mathematik noch nicht geahnt Jugendschriften des Aristoteles mit starker Wahr- 

wurde, hier freilioh ganzlich zuriicktritt. So scheinlichkeit anneihmen dlirfen. Wie dem auch 

dunkel aber auch die Periode der griechischen sei, Aristoteles ist es, ider den Begriff der M., der 

atmospharischen Physik fiir die Zeit von etwa vor ihm alle iiberirdischen Dinge, von den Wol- 
430 V. Ohr. bis iiber Platens Tod hiaaus fiir uns 60 ken bis zur Fixsternsphare, umfaBte, auf die 

ist, das wenigstens kann keinem Zweifel unter- Vorgange in der Atmosphare, genauer auf die 

liegen, daB es das unsterbliche Verdienst des zwischen Erde und Mond (der die Grenze zwi- 

Aristoteles ist, die M. (in unserem Sinne des schen der Welt des Werdens und Vergehens und 

Wortes) als Fachwissensehaf t begriindet zu haben, dem gottlichen Ather als dem Reich der ewig in 

als eine reine Fachwissensehaft, die ihr Ziel ganz erhabenem GleichmaB wandelnden Gestirne bil- 

in sich selbsit tragt, Als Haupt des Peripatos hat det) mit bewuBter Absicht beschrankt — das 

er, unterstiitzt duroh die Autoritat seiner samt- zeigt vor allem das Prooemium seiner M., wie 

liche Zeitgenossen weit iiberragenden Personlich- auch die Tatsache, daB er das Wort f^etscoQog, 



321 Meteorologie (Terminologie) Meteorologie (Terminologie) 322 

wenn er van Naturerscheinungen oberhalb der schen Bingen als f^erscoQoXoyla be^^eichnet hat 

Erde sprieht, nie anders als dm meteorologischen und das Wort fxetscoQog, wo er von physikalisdien 

Sinne verwendet (Herm. XLVIII 325ff.) — und Vorgangen oberlmlb der Erde sprieht, nur in 

er ist der erste, der dies Gebiet fiir sich geson- meteorologischem Sinne gebraucht, nennt sein 

dert betrachtet und in einer umfassenden Mono- Schiiler Theophrast, zweifellos in bewuBtem Un- 

graphie dargestellt hat. Aristoteles und kein an- terschiede von ihm, sein eigenes Werk MexaQ- 

derer ist der Begriinder der wissenschaftlichen M. oioloyma (in wenigstens vier Biichem, von denen 

Es muB aber gleich hier gesagt werden, daB freilieh nur winzige Spuren erhalten sind) und 

Aristoteles den Begriff der M. — so scharf und sein augenscheinlioh gegen Demokrit gerichtetes 
unzweideutig er ihn auch auf das Reieh unter 10 BuehiJ^^ir^g <zl9y|Mo«^/Tov)^w£Ta^(y«GAfa;t;/a?. D^nn 

dem Monde beschrankt; denn so weit reicht naeh er gebraucht von atmospharischen Dingen nie- 

seiner und seiner Vorganger Auffassung die mals das Wort (^etscoQog und ebensowenig von 

Atmosphare — doch wesentlich weiter fafit als diesem abgeleitete Worter, sondern [lexaQoiog. 

dieses die moderne Wissensehaft tut: nach Aristo- (Wenn spatere Autoren, wie Diog. Laert. V 47 

teles gehoren zu ihr als Gegenstande der For- und Olympiodor zu Aristot. Meteor. 97, 5ff. St., 

schung aueh aUe Arten von Meteoren, femer die vgl. 175, 5ff. 178, 4ff. St., -sein meteorologi- 

Kometen und die MilchstraBe, Vorgange bzw. Er- sehes Hauptwerk als IleQi /ustecoQcov oder Me- 

scheinungen, die nach seiner Meinung diesseits recoQa bezeiehnen, so ist das offenbar eine inkor- 

des Mondes stattfinden bzw. ihren Ursprung haben rekte Bozeiohnung, vgl. Herm. XLVIH 333ff.) 
oder doch in dem unmittelbaren Grenzgebiet zwi- 20 Die Frage aber, was Theophrast zu seiner Neue- 

schen dem Ather und der oberen Schicht der rung in der Terminologie gegeniiber Aristoteles 

Atmosphare, und auf der anderen Seite die Erd- veranlaBt hat, konnen wir nur vermutungsweise 

beben und das Grundwasserproblem: well zwi- beantworten: das Vorgehen des Aristoteles, das 

schen atmospharischen und den unterirdischen Wort /usrecoQog auf meteorische Binge zu be- 

(geophysasohen) Vorgangen ein groBer Zusam- schranken, hatte keine Nachfolge gefunden. Bas 

menhang des Naturgeischehens — infolge der Wort wurde auch femer noeh vielfach auch fiir 

beiden Bereichen (dem unter und dem unmittel- himmlisohe, d. h. siderische Binge gebraucht. 

bar ilber der Erde) gemoinsamen Grundstoffe, Es war daher nach Meinung des Theophrast als 

Krafte und Vorgange — stattfindet. Betreff der spezifiseh meteorologischer Ausdruek ungeeignet. 
Erdbeben, die Arist. Meteor. II 7 und 8 be- 30 Da er aber den aristotelischen Begriff der M. 

handelt, konnen das seine eigenen Worte (II 9, ubernimmt und damit die aristoteliische Breitei- 

-370 a 25ff.) zeigen: i^fi€ig de (pai^ev rrjv avrrjv lung des Kosmos (himmlische, atmosphariische, 

elvai q)votv km fA,ev tfjg yfjg av£fA,ov, sv de rfj yfj terrestrische Binge), bedarf auch er eines beson- 

0810 fiov, £v 8s roJg vecpsoi pQovrriv nd xa yoLQ deren Terminus fiir die Vorgange im Reich der 

^Ivai ravra rrjv ovolav ravrov, dva'&vfiiaoiv ^rjQav, Atmosphare. Er wahlt dafiir ein Wort, das 

9] QEovoa fA,ev TtcDg avs^og son, d)8t ds noisZ tovg dem Attischen fremd, dagegen in der ionischen 

oeiofxovg, sv 6s toZg vsq)sot fxsra^diXXovoa sxxQivo- wissenschaftlichen Prosa hier und da gebraueh- 

jA,Evrjy ovviovrcov xal ovyKQivofxsvcjov avtcov sig lich und von der Tragodie aus dem iondisohen 

v6o)Q pQovxdg re xal dotQandg nal nQog tovtoig Bialekt ubernommen war, wenn es auch fiir den 
tdXXa td xTj g avxfj g (pvoscog bvxa. AUe diese 40 Athener noch immer fremdartig klang. Boeh ge- 

Vorgange fiihrt Aristoteles auf eine Urkraft, das rade dieser Umstand konnte dem Sohn der Insel 

Pneuma, zuriick. Denn die dva'&vpiiaoig ^rjgd, wie Lesbos, in dessen Heimatdialekt das Wort nsbdQ- 

er sie nennt, ist mit dem Pneuma identisch (vgl. oiog lautete, das Wort gerade fiir seinen Zweck 

N. Jahrb. 1905, 549 = S. 21 des SA.). — Es ge- empfehlen. Vermutlich entlehnte er das Wort 

hort aber fiir Ariistoteles auch das M e e r als geo- zunachst der Sprache der ionisohen Wissensehaft 

physisches Problem zur M. — daher handelt er und gebrauchte es fortan in spezifiseh meteorolo- 

Meteor. II 1 — 3 hieruber — ; denn der ganze Be- gisohem Sinne, wahrend er dagegen [jLsxscoQog 

reich des Wassers, soweit es in der Natur vor- naoh alter Weise fiir alle moglichen Verhaltnisse 

kommt, bedeutet mit seiner Umwelt ebenfalls verwendete — mit Ausnahme der himmli schen 
einen einzigen groBen Zusammenhang des 50 Binge, die er ovgdvia inannte (darin, daB er [jle- 

Naturgeschehens: Grundwasser, Quellen, Flusse, rscoQog nicht auch auf siderische Dinge anwendet, 

Meer, Wolkenbildung, Regen usw. — aU dieses scheint der EinfluB des Aristoteles erkennbar). 

sind Erseheinungen, die in ihrem Zusammenhang (DaB im ubrigen Theophrast in seinen (pvoLKwv 

und ihrem Rhythmus zugleieh den Kreislauf aUes bo^ai eingehend auch die meteorologischen An- 

Wassers veransehaulichen. sichten der vorplatonischen Physiker dargestellt 

Diese von Aristoteles statuiert^e Erweiterung hat, ist ,seit Diels' Doxographi Graeci allbe- 

des Umfanges des Begriffes ist auch fiir die M. kannt. Ein indirekter Amszug aus dieser Partie 

der Folgezeit, bis zum Ausgang des Altertums, der (pvoiHwv do^ai, der aus dem Syrischen ins 

und noch weit dariiber hinaus, maBgebend ge- Arabische ubersetzt ist, wurde von Bergstra- 
worden. 60Ber veroffentlioht (Neue Meteorologische Frag- 

2. Terminologie und Schriften- mente des Theophrast. S.-Ber. Akad. Heidelb. 

titel. Die Forsoher von Rang, die auf dem Ge- 1918, 9. Abh.). Dieser Auszug bietet uber- 

biet der atmospharischen Physik auf Aristoteles raschende Beriiihrungen mit Epikurs Ansichten 

folgen, haben zwar seinen Begriff der M., so wie (im Brief an Pythokles), wie sohon BergstraBer 

er ihn begrenzt hatte, iiberno^mmen, aber in der gesehen hat. E. Reitzenstein Theophrast 

Terminologie isind sie von ihm abgewichen. Wah- bei Epikur und Luerez (Orient u. Antike, 2. Heft, 

rend Aristoteles sein Werk MsxscoQoXoyixd ge- Heidelb. 1924) ist dem dann weiter nachgegangen 

nannt und die Wissensehaft von den atmosphari- und hat nach Bolls Anregung vor allem die engen 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI U 



323 Meteorologie (Terminologie) Meteorologie (Quellen) 324 

Beriihrungeii dieses Auszuges nicht nur mit dem sei hier das Buch des Kleomedes genannt, 

Epikuibrief an Pytiiokles, sondern insbesortdere das den Titel Kv^XiTtrj d-scoQia fj^srscoQcov tragt 

mit Lucrez naher nntersucht. Nach E^eitzensteins und, entsprechend der Termimologie des Poseido- 

wahrscheinliohem Ergebnis (s. auch H. Rabe nios, aus dessen grofiem Werk es ausgiebig ge- 

Philol. Woch. 1925, 289ff.) hat Lucrez hier die schopft hat, ausschlieJBlich von siderischen Din- 

Schriften des Epikur direkt benutzt. Der Py- gen handelt. Wie das auch fiir die gleichnamige, 

thoklesbrief und Lucrez Buch V und VI gehen noch unedierte, byzantinische iSbhrifteinesArchy- 

beide auf eine gemeinsame Quelle zuruck (die tasMaximns zutrifft, die Elter (Analecta Grraeca, 

nur Epikur sein kann). DaJS Epikur aber Theo- Bonn 1899) in einer Handsehrift der Ambrosiana 
phrasts (pvoLxcov do^ai. benutzt hat, hat bekannt- 10 entdeekt und von deren Einleitung er ein Stiick 

lioh schon U s e n e r Epicurea XLI ansgesprochen; aus dem Ambrosianus Gr. 222 (olim D 27 sup.) 

der von BergstraBer veroffentlichte und von Reit- herausgegeben hat. Im iibrigen wird aber Posei- 

zenstein insbesondere mit Lucrez verglichene ara- donios' Terminologie der Worte f^erscoQog und 

bische Auszug ergibt aber, dafi diese Benutzung justaQoiog in der Polgezeit nicht allgemein aner- 

der meteorologischen Partie von Theophrasts Werk kannt. Merkwiirdig ist hier der Gebraueh bei den 

durch Epikur sehr weit reicht. S. aber W. L ii c h uns erhaltenen Konmientatoren von Aristoteles^ 

Die Quellenfrage im 5. und 6. Buch des Lucrez M. Diese gebrauchen namlich, im Gegensatz 

(Breslau 1932). zu Aristoteles, von atmospharischen Vor- 

P s e i d n i s, der 'dritte groBe Meteoro- gangen keineswegs einheitlich nur fiezecogos, 
loge, hat sich der Terminologie des Theophrast 20 (Alexander von Aphrodisias gebraucht zwar bis 

nur teilweise angeschlossen. lYon atmosphari- auf einen Fall von atmoispharischen Dingen, wie 

schen Dingen gebraucht freilich auch er nur den Aristoteles, nur jLterecoQog; nur einmal [S. 133, 18] 

Ausdruck [xeraQoiog, aber die siderischen Dinge sagt er dafiir ixsraQoiog. Und Philoponos ge- 

bezeichnet er durchweg als /i^erscoqa. Dem ent- braucht fj,srecoQog stets im Sinn des Aristoteles. 

sprechen auch die Titel seiner Schriften, di^ von Ganz anders dagegen Olympiodor, der von atmo- 

den Dingen in der Hohe handeln: sein Werk spharischen Dingen mit Vorliebe fisxaQatog sagt^ 

UsqI [xsxswqcov Oder MsxewQoXoyiHd, das aus seltener fisrscogog.) Aber trotzdem behauptet Ari- 

wenigstens sechs Btichern bestand, handelte aus- stoteles' Gebrau<;h der Termini {jLsxswQog und 

EchlieBlich von siderischen Dingen. Von diesem fjLsxswQoXoyia den Sieg. Denn wenn auch, wie 
Werk veranstaltete, wie es scheint, Poseidonios 30 wir sahen, Poseidonios dem Theophrast in der 

selber (oder einer seiner Schiiler) einen wohl fiir Bezeichnung der atmopharischen Dinge als [asx- 

weitere Kreise bestimmten AbriB, den er Ms- aQoia gefolgt ist, so ist doeh weder der eine 

xscoQoloyLKf} oxoixsLoooig nannte (,Elemente der noch der andere damit endgtiltig durchgedrun- 

Himmelskunde'). Auch dieise Sohrift war also aus- gen, bei den Laien schon gar nicht und bei den 

schlieBlich der Astronomie gewidmet. Anderer- Fachleuten auf die Dauer nioht. Aristoteleis hat 

seits aber mnB es auch eine rein meteorologische den Sieg behalten: einmal infolge seiner tiber- 

Schrift des Poseidonios gegeben haben, die nur ragenden Autoritat, zumal in der peripatetischen 

(entsprechend der des Theophrast) MexaQoioXoyifid Schule, oind dann off enbar infolge der Stellnng des 

oder IlsQi jbcsxaQolcov geheiBen haben kann. (Da- Wortes (jisxscoQog im grieohischen, besonders im 
neben hat er aber auch in iseiinem groBen Werk 40 attischen Sprachleben, gegenuber dem Fremdling 

^votKog rein meteorologische ebenso wie z. B, [AexaQotog, der im Attischen nie das Btirgerrecht 

astrophysisohe Dinge behandelt.) erlangt hat. So kommt das Wort f^exscoQog als 

Eine wissenschaftlich selbstandige meteoro- eigentlicher Ausdruck fiir die atmospharischen 

logische Literatur gibt es nach Poseidonios (von Dinge zu den Byzantinern, den Arabern und ins 

seinen unmittelbaren Schiilem wie Asklepiodot lateinische Mittelalter (Albertus Magnus). Darum 

abgesehen) nicht mehr, vielmehr nur noch Kom- sprechen wir heute von M. und nicht von Metar- 

pilatoren und Exzerptoren, diese freilich in un- siologie, wenn wir eine unserer altesten und doeh 

heimlicher Menge. Als Beispiel konnen hier die jtingsten Fachwisenschaften bezeichnen. (Zuni 

Schriften eines sonst nicht weiter bekannten ganzen Abschnitt vgl. meine Untersuchungen 
Ar r i a n genannt werden, von dem bei Stobaios 50 ,MsxscoQog — (jLexecoQoloyia'' [Philol. LXXI 414ff.} 

mehrere groBere Fragmente erhalten sind. Dieser und ^hdaQotog — [AsxaQoiog^ [ebd. 449ff.] und 

Arrian hat wahrscheinlich wenigstens drei Schrif- ,Zur Geschichte der meteorologischen Literatur^ 

ten von den Dingen in der Hohe verfaBt: 1. eine [Herm. XLVIII 32 Iff.]; ferner ,Das Prooemium 

rein meteorologische (UeQi fA,exaQotcov), aus dieser der M.' [Herm. XLVII 514ft].) 

stammen frg. 2 und 3 Stob.; 2. eine Monographie 3. Quellen zur Geschichte der 

Us^l KOfA,rjxa>v (aus dieser kann das frg. 1 bei griechischenM. Spezifisch meteorologische 

Stobaios .stammen. Doeh kann dies auch aus nr. 1 Sichriften hat es (wenn wir von der immerhin 

stammen, da die Kometen ja seit Aristoteles zum zweifelhaften — den unter den dovvxama^ d. h. 

Bereich der M. gehoren. 3. UeqI {xsxecbQwv (diese den von Thrasyllos nicht in die Tetralogienord- 
Schrift war augensoheinlich astronomischen In- 60 nimg auf genommenen Schriften, angeftihrten aixtav 

halts). Dieser Arrian (woriiber vgl. Herm, XL dsQioi, vgl. Diels VS II 20, 10 und dazu die 

614ff. und dazu die Berichtigung durch v. W i - Anm. — absehen) erst seit Aristoteles gegeben und 

lamowitz Herm. XLI 157f.) hat den Posei- konnte es erst seit ihm geben (vgl. o. S. 319, 57ff.). 

donios vielfaeh wortlich exzerpiert, wenn er ihm I. Die Quellen zur voraristoteli- 

auch off enbar in Weltanschauungsfragen nicht schen M. sind daher die naturphilosophischen 

immer folgte, wie die durch Photios tiberlieferte und naturwissenschaftlichen Schriften uberhaupt, 
Nachricht von iseiner scharfen Polemik gegen die die aus der Zeit vor Aristoteles stammen, soweit 

Vorbedeutung der Kometen beweist. Andererseits sie auf uns gekommen sind, oder die Reste dieser^ 



325 Meteorologie (Quellen) Meteorologie (Quellen) 326 

d. h. 1. die Reste der Schriften der Vorsokratiker, III. Zur M. des Epikur und der 

wie sie in D i e 1 s' momumentaleni Werke gesam- Atomistik. Betreffs Leukipp und Demokrit 

melt und ediert siind: vereinzelteFragmentedieser, die Fragmente und doxographiischen Nachrichten 

vor allem aber zahlreiehe doxograpMsche Nach- im II. Bd. von Diels' Vorsokratikern; ftir die 

richten tiber meteorologische Meinungen der vor- M. des Epikur besonders wiohtig der zweite (un- 

aristotelischen Physiker (bei Diels in den mit echte) der unter seinem Namen tiberlieferten 

,A' bezeiehneten Abschn.), Nachricliten, die, wie Briefe (bei U,sener Epicurea 33ff.); femer 

wir seit Diels' fundamentalem Werk ,I)oxo- Lucrez Buch V und VI. 

graph! Graeci' wissen, f iir die Deniker vor Platon IV. Zur M. desPoseidonios. Naclist 
letizten Endes auf Tiheophrasts <pvGt?ccov bo^ai, 10 Aristoteles' (und Theophrasts) M. war zweifel- 

dagegen fiir die Zeit von Platon bis ins 1. Jhdt. los das wichtigste Quellenwerk des Poseidonios 

V. Chr. auf die sog. Vetusta Placita zuriickgelien, MsmQatoXoytxa (s. o. S. 323, 35ff.). Dieses ist zwar 

die den mafigebliohen Einflufi des Poseidonios verloren, aber, da seine zahlreichen Kompilato- 

schon in ihrer Terminologie verraten. Diese doxo- ren, deren Arbeiten iibrigens von sehr versohie- 

grapMschen Nachriehten sind jedoch in ihrer denem Werte sind, das Werk ganze Seiten lang 

Denk- und Ausdrucksform vielfach peripatetiseh fast wortlich ausgeschrieben haben, in seinen 

oder stoisch gefaiibt, so daB die Meinungen der Grundziigen und oft auch im Wortlaut dureh- 

alten Physiker, d. h. vor allem der Vorsokratiker, aus rekonstruierbar, wenn aueh manohe der Kom- 

hieraus erst auf dem Wege philologischer Kritik pilatoren in ihren Angaben tiber meteorologische 
herauskristallisiert warden miissen. 2. Einzelne, 20 Ansichten des Poseidonios erst aus zweiter oder 

iibrigens meist sehr wertvoUe, Sftucke in den dritter Hand schopfen. Zeitlich reieht die Reihe 

,hippokratischen' Schriften, vor allem in der dieser Ausibeuter des poseidonischen Werkes von 

Schrift UsqI dsQcov vddtcov roncov, aber auch seinen nachsten Schiilern, die, wie Asklepiodot 

z. B. in UsQi dialrrjg u. a. 3. Gelegentliche Be- u. a., noch dem 1. Jhdt. v. Chr. angehoren, bis 

riihrung oder Behandlung meteorologischer Fra- in die Byzantinerzeit, deren Autoren zur Rekon- 

gen bei den Historikern, Geographen, Astronomen struktion der poseidonischen M. (obgleich sie 

und anderen Autoren der alteren grieehisehen schon J. L. Ideler kannte, wenn er auch von 

Literatur. Poseidonios' Bedeutung als Meteorologen und 

II. Fiir Aristoteles und den alten iiberhaupt Physiker noch nichts ahnte) bis heute 
Peripatos: vor allem sein uns gliicklieher- 30 freilich noch kaum herangezogen sind. Von be- 

weise erhaltenes Hauptwerk zur atmospharischen sonderer Wichtigkeit als Quelle zur Wiedergewin- 

Physik, die MerscoQoXoyijid, Buch I — ^III, un- nung der poseidonischen Meteorologie sind hier 

zweifelhaft die wichtigste Quelle fur die antike insbesondere Senecas Naturales qua^stiones, aus 

Meteorologie iiberhaupt, nioht nur fiir die des denen freilich die Lehre des Poseidonios und der 

Aristoteles selber, sondern vielfach auch ftir die gedankliche Aufbau seiner Darlegungen oft erst 

seiner Vorganger, die er, oft freilich in summa- durch .scharfe philologisch-kritische Analyse er- 

rischer Kiirze, darstellt und eingehender Kritik schlossen werden muB. (Zu dem komplizierten 

unterzieht (das Werk jetzt zu lesen in der kriti- Oharakter dieser ,Quelle' vgl. vor allem R e i n - 

sohen Ausgabe von P. H, Pobes Gamlbridge hardt Poseidonios 136ff.) Muster soloherquel- 
Mass. 1919). Als QueUen bieten hierzu mannig- 40 lenkritischer Untersuohungen zu einzelnen Bii- 

fache Erganzungen bzw. Erlauterungen die uns chern sind die von E. Oder Ein angebliches 

erhaltenen Kommentare zu Aristoteles' M., ins- Bruchstuck Demokrits tiber die Entdeckung un- 

besondere der des Alexander von Aphrodisias terirdischer Quellen (Philol, Suppl. VII 231) (zu 

(Comm. in Ar. Gr. Ill 2 ed. M. Hayduck, Berl. Buch III), femer von S. S u d h a u s in seinem 

1899, von mir gegen Ideler als echt erwiesen Kommentar zum Aetnagedicht, Lpz. 1898 (zu Sen, 

in den XaQcrsg ftir Leo, Berl. 1911, 220ff., vgl. Buch VI: Sbismologie) und von A. Rehm Das 

hiearzu Diels Fragm. d. Vorsokratiker, Naehtr. siebente Buch der nat. quaest. des Seneca und 

zum I. Bd,, Berl. 1922, S. XXXVII) (zu Hippo- die Eometentheorie des Poseidonios (S.-Ber. Akad. 

krates von Chios); Olympiodor ed. W. Sttive = Munch. 1921, 1. Abh.). Wichtige Quellen zur 
Comm. in Ar. Gr. XII 2, Berl. 1900; Philoponos 50 Wiedergewinnung von Teilen der poseidonischen 

(zu Buch I der Meteorologie) ed. Hayduck c= M. sind dann u. a. die pseudoaristotelische Sehrift 

Comm. in Ar. Gr. XIV 1, Berl. 1901. IIsqI kooi^ov 4 (vgl. W, Cap ell e Die Schrift 

Von Theophrasts meteorologischen Werken ist von der Welt, N. Jahrib. 1905, 540ff. = S. 12ff. 

nur ein groBeres Stuck, das Fragment Be ventis, des SA.), die Aratscholien, die Fragmente des 

vermutlich aus seiner iSbhrift UsqI dvsfjLcov erhal- Arrian (s. o. S. 323, 48ff.), dann die Placita, ferner 

ten (die Kompilation UeQl ofjfAelcov, die eine weit- Schriften einzelner Kirchenvater wie Basilius' 

schichtige Sammlung von den auf wirklicher oder Hexahemeros, von lateinischen Autoren (auBer 

vermeintlicher Erfahrung" beruhenden Wetterzei- Steneca) Plinius n. h. II (W. K r o 11 Die Kos- 

chen enthalt, vielfach auch noch uralten Volks- mologie des Plin., Bresl. 1930). Ein groBer Teil 
aberglauben in sich birgt, stammt sicher nicht 60 der Quellen ftir Poseidonios' M. bedarf uberhaupt 

von Theophrast, zumal jede Itiologie wie tiber- noch der Aufsptirung, vor allem aber noch voller 

haupt jeder wirklich wissenschaftliche Gesichts- Auswertung. (Die Quellen zu den meteorologi- 

punkt hieriu fehlt). Im tibrigen haben wir von sehen Ansichten einzelner alter Stoiker in v. A r - 

den meteorologischen Schriften des Theophrast nims Stoicorum Veterum Fragmenta.) Wichti- 

nur ganz winzige Reste. Dazu kommen jetzt die ges und viefach singulares Quellenmaterial nicht 

,Neuen meteorologischen Fragmente des Theo- nur ftir die M. des Poseidonios, sondern lauch ande- 

phrast, ajabisch und deutseh, hrsg< von Berg- rer hellenistischer Physiker bieten auch Plutarchs 

s t r aB er (s. 0. S. 322, 57ff.). SchriftenDe prime frigidoundDefacieinorbelunae, 



B27 Meteorologie (vor Aristoteles) Meteorologie (vor Aristoteles) 328 

4. tTbersicht iiberdie Gesehichte satzlich auf rein nattirliche Ursachen zuriickzu- 

der antiken M. Die Gesehichte der griechi- f iihren suohen. Thales, vor alleni aber Anaximan- 

schen M. (denn von einer romischen kann man der und nach ihm Anaximeneis sind hier die 

im Ernst nicht sprechen) ist noch nioht gesehrie- aQxrjYsxai. Gerade die f^ericoQa pn dem oben ge- 

ben, zumal J. L. I d e 1 e r in seiner fiir seine Zeit kennzeichneten idoppelten Sinne des Wortes) bil- 

ausgozeichneten und noch heute in vielem durch- den ein Hauptsttick in der archaischen Periode 

aus Wesentlichen nicht veralteten Meteorologia der griechischen Naturforschung, wie jeder Ken- 

veterum Graecorum et Romanonun (Berl. 1832; ner von Die Is' Doxographi Graeci weifi. Und 

vgL dazu meine kurze Wiirdigung in XaQirsg fiir gerade die ionischen Physiker haben Uinen ein 
Fr, Leo 220) bei seiner Darstellung mit vollem lObesonderes Interesse entgegengebracht. Die auf- 

BewuBtsein den historisehen Gesichtspunkt fast fallend starken Gegensatze in dem Klima Grie- 

ganz in den Hintergrund hat treten lassen (vgl. chenlands, wie sie uns Neumann-Partsch 

auch seine eigene Bemerkimg in der Praefatio 13ff. anf Grund der Verhaltnisse im 19. Jhdt., 

seines Buches S. I) und insbesondere die vor- die im allgemeinen durchaus denen in der Antike 

aristotelische M., d. h. die Vorsokratiker, bei ihm entsprechen, auf solider wissensehaftlicher Basis 

nur (sehr wenig berticksichtigt werden. Und seit hochst anschaulioh dargestellt hat, hat gewifi 

Idelers denkwiirdigem Buoh sind 100 Jahre machtig als erregendes Motiv zur Entstehung 

vergangen, ohne da6 sich jemand an die bedeut- der griechischen M. beigetragen, die and^rerseits 

same Aufgabe gemacht hatte (denn von der Kom- durch die unvergleiohlich^ Beobachtungsgabe des 
pilation von 0. Gilbert schweigt man besser). 20 griechischen Volkes, alien voran des ionischen 

Hier kann natiirlich, abgesehen von Grundsatz- Stammes, wie sie uns ebenso in den homerischen 

lichem, nur eine kurze Skizze der historisehen Gleichnissen wie in den hippokratischen Kran- 

Entwicklung gegeben werden. Fiir den kiinftigen kenjournalen entziickt, machtig gefordert werden 

Geschichtsschreiber der antiken Meteorologie aber muBte. Das auffallend starke Interesise der grie- 

gilt es, auf der f esten Basis von D i e 1 s' Grund- chischen Nation an den 'Vorgangen und Ersohei- 

werk nicht nur festzusteUen, was die einzelnen nungen in der Atmosphare zeigt sich besonders 

vorsokratischen Physiker in meteorologischer Hin- auch in den hippokratischen Schriften, vor aEem 

sicht gelehrt haben — - obgleich auch dieses sehon in der Schrift tisqI olSqcov vddrcov xonoyv, aber 

oft schwierig, manchmal bei der Triimmerhaftig- auch z. B. in den ,EpidemienS wo gleich zu Be- 
keit unserer tTberliefenung unmoglich ist — , son- 30 ginn des ersten Buches, iibrigens auch c. 4f ., 

dern bei jeder ihrer Ansiehten zu untersuehen, und ebenso in Bueh III der Autor die Witte- 

wie, d. h. auE Grund welcher wirklicher odei rungsverhaltniisse des vergangenen Jahres auf der 

vermeintlicher Beobachtungen oder unter weL Insel Thasos aufzeichnet und im AnschluB daran 

chem EinfluB von Vorgangern sie zu ihrer Mei- die dem Jahr f olgenden Krankheiten, weil er den 

nung gekommen sind, d. h. nach Moglichkeit die EinfluB des Elimas bzw. der Witterungsverhalt- 

Genesis der meteorologiisohen Ansohauungen zu nisse auf den mensehlichen Organismus klar er- 

ergriinden, ist die zweite Hauptaufgabe der Ge- kannt hat und in seiner weitreichenden Bedeu- 

schichte der griechischen M. Und die dritte ist, tung dafiir wtirdigt, wie das auch der Autor 

die Gesamtheit ihrer meteorologisohen Lehren nsQl dsocov mit vollem BewuBtsein tut. Die glan- 
in ihiem Zusanmienhang untereinander und mit 40 zende meteorologisehe Beobachtung des bedeuten- 

ihren sonstigen Anschauungen vom Naturge- den Verfassers der ,Epidemien' I und III zeigt 

schehen zu betrachten. Zunachst aber muB erst auch sein erstaunlicher Reiehtum an sprachlichen 

einmal die Gesehichte der einzelnen meteorologi- Ausdrucksmitteln zur Bezeiehnung atmosphari- 

schen Problemgruppen gesehrieben werden, was sober Vorgange (so spricht er I 4 von vdara 

bisher nur fiir einzelne Gebiete oder Teilgebiete Xd§Qa). Von der Art der Bewolkung sagt er ia^i^- 

geleistet ist. Freilich, eine wirkliehe Gesehichte ali^Qia rd nXeioxa oder der Himmel ist XaiXanm- 

der griechischen M. v o r Aristoteles kann von brig und smveq>eXog. Die Etesien disonaof^evcog 

uns iiberhaupt nicht gesehrieben werden, da da- envsvoav (im Gegensatz zu den ovvsxscg). Was 

fiir unser Quellenmaterial viel zu triimmerhaft ferner dem Loser des Buches sofort auffallt, das 
ist, so daB unsere Erkenntnis hier immer duroh- 50 sind die exakten astronomischen Zeitbestimmun- 

aus fragmentariseh bleiben wird. gen fiir die meteorologi'sehen Angaben (so in 

I. Die grieehische M. vor Aristo- ,Epidemien* I 4), nach dem jeweiligen Auf- und 

teles. Auch die grieehische M. hat eine Vor- Untergang der wiehtigsten Gestirne (wie Pleja- 

geschiehte, eine vorwissensehaftliohe Periode so- den und Arktur) der Tag- und Nachtgleiche, der 

zusagen, d. h. das Zeitalter des mythisehen Den- Wintersonnenwende usw. Kurz, auch die Schrift 

kens, wie wir es noch bei Homer und Hesiod dieses bedeutenden Arztes verrat uns, daB hier 

vor uns haben. Die Geburtsstunde der wirkliehen ein Sohn des Volkes tsprioht, das auch die wis- 

M. aber fallt zusammen mit der griechischen senschaftliehe M. begriinden soUte. 
Wissenschaft iiberhaupt. Diese aber beruht auf Inwieweit freilich schon der dQxv\y6g Thales 

der fiir immer epochemachenden Geistestat derGOuber Fragen der atmospharischen Physik nach- 

milesischen Physiker, die die Fesseln der mythi- gedacht 'hat, liegt wohl fiir uns fiir inmier im 

schen Denkweise, die in den atmospharischen Diinkeln, da schon Platon und Aristoteles keine 

Vorgangen und Erscheinungen ebenso wie in dem Schrift mehr von ihm besaBen. Und etwaige 

seismischen Gesebehen das Walten von person- spatere Nachrichten in ^dieser Hinsicht gehen 

lichen, iibermenschlichen Machten, von Gottern zweifellos auf eine seinen Namen mit Unrecht 

sieht — in sehleehthin beispielloser Genialitat tragende Schrift des 5. Jhdts. zuriick. (Die vav- 

sprengen und aUe Vorgange zwischen Himmel tiKri doxQoXoyia, woruber D i e 1 s VS I 12 [zu 

und Erde mit klarem BewuBtsein, d. h. grund- 12, 35]. Aus dieser Schrift wohl auch die Nach- 



329 Meteorologie (vor Aristoteles) Meteorologie (vor Aristoteles) 330 

richten bei Apul. Flor. 18 S. 37, lOff. Helm = dann verursacht das Zerrcifien (der Wolke) den 

S. 11, 29ff. Diels: Thales Milesius ... repperit Schall, die Zerdehnung aber gegeniiber (d. h. im 

. . . vetitorum flatus . . . tonitruum sonora mira- Kontrast mit, s. Burnet 67) der Siehwarze del 

cula). Und wenn wir auch kaum zweifeln dlirfen, Wolke den Lichtstralil (20, 4). Genauer ist der 

dafi schon Thales, der Sohn der Seestadt Milet, Donner, wie wir aus Sen. II 18 c= VS 20, 5ff. 

aueh den meteorischen Vorgangen sedne lebhafte erfahren, der Schall der durch das Pneuma ge- 

Aufmerksamkeit zugewandt hat — man denke sehlagenen (d. h. zerrissenen) Wolke. (Ob die fol- 

auch an seine Erklarung der Nilsobwelle, wor- genden Aoisftihrungen bei Seneca schon dem Ana- 

iiber N. Jahrb. 1914, 333f. — wir wissen dariiber ximander selber oder erst einem jiingeren Phy- 
niehts. Ungleich besser stehen wir dank unserer 10 siker angehoren, bleibt unsicher.) Die Starke 

tJberlieferung fiir unsere Kunde von Anaximan- dieses Schalles hangt von der Starke des Pneu- 

der, iseinem groBen Naehfolger, der augenschein- mas ab. Auch bei heiterem Himmel donnert es 

lich auch den atmospharischen Vorgangen sein zuweilen, weil auch dann das Pneuma durch die 

lebhaftes Interesse zugewandt hat. Und Anaxi- dicke und zerrissene Luft ausbricht. Manohmal 

mander ist es, der isie als erster in der Geschiehte horen wir es auch nur donnern, well das Pneuma 

des wissenschaftlichen Denkens auf rein physika- wohl zur Erweekung des Schalles, nicht aber zur 

lisehe Ursaohen zuriiokgefiihrt hat. Das uns er- Entziindung der Flamme stark genug ist. So ist 

haltene doxographiscihe Material iberichtet seine auch der Blitz von Wolke zu Wolke (fulguratio) 

Erklarung von Gewittererscheinungen, der Nie- die Schleuderung der sich ausdehnenden und wie- 
derschlage, d. h. des Regens und den ersten Ver- 20 der zusammenschlagenden Luft, die eine sehwache 

such einer Windgenese. Schon Mh hatte man Flamme verursacht, die nicht zur Entladun^ 

beobachtet, dafi die Sonne ,Wasser zieht* und bald kommt. Dagegen ist der zur Erde herniederfah- 

darauf Regen folgt. Auf solchen Beobachtungen rende Blitz (fulmen) das Einherfahren eines ge- 

beruht augenseheinlich Anaximanders Erklarung waltsameren und dichteren Pneumas. — Wir er- 

des Regens: dieser entsteht aus der feuohten kennen also schon bei Anaximander nicht nur 

Ausdunstung der Erde, die von der Sonne em- drei der vier Hauptgebiete der antiken M., son- 

porgesogen wird. Ebenso ist es eine uralte Beob- dern auch schon die drei Hauptfaktoren der me- 

achtung, dafi sich mit dem Auf gang der Sonne teorischen Erscheinungen: die Sonne, die Luft, 

die Winde (z. B. die Talwinde) erheben, die sich d, h. insbesondere das Pneuma, und die (in der 
mit Sonnenuntergang wieder legen. So lag der 30 Luft enthaltene) Feuchtigkeit — Grunderkennt- 

Gedanke nahe, der (Slonne bei der Entstehung des nisse, die fur die weitere Entwicklung von mafi- 

Windes eine mafiigebende RoUe zuzuweisen. Und gebender Bedeutung werden soUten. 

so erklart Anaximander (VS I 17, 6ff. kombi- Aber erst bei A n a x i m e n e s finden sich die 

niert mit 20, 12ff.) den Wind als eine Stromung vier Hauptgebiete der M. deutlich entwickelt: 

der Luft^ in dem deren feinste Ausdunstungen Winde, Niederschlage, Gewittervorgange und die 

abgesondert und, wenn sie zusammengeballt sind, optisohen Erscheinungen in der Atmosphare. Bei 

von der Sonne in Bewegung gesetzt oder ,ge- dem strengen Monisten Anaximenes mufite gerade 

schmolzen* werden. — Ungleich schwieriger war hier die Auswirkung seines Weltprinzips, der 

die Erklarung der Gewittererscheinungen. Der Luft, in besonderem Mafie zur Geltung kommen. 
Sonne ontscheidenden Einflufi hierbei zuzuweisen, 40 Schon seine allgemeinen Bemerkungen iiber die 

ging nicht an, zumal sie beim Gewitter meist Luft, d. h. tiber ihre Eigenschaften, die trotz 

verdunkelt ist. Von der Naturkraft aber, die wir ihrer Unsichtbarkeit ihre (korperliche) Existenz 

Elektrizitat nennen, hatte man im Altertum und erweisen, zeigen den wirklichen Physiker: er 

im Mittelalter noch kaum eine wirkliehe Ahnung. stellt ihr Dasein aus ihren Temperaturunter- 

Andererseits offenbarten die Gewittervorgange, schieden, ihrem Feuchtigkeitsgehalt und ihrer 

insbesondere Blitz und Donner, eine gewaltige Bewegung fest (s. VS 23, 12ff.). In meteorologi- 

Kraf tentfaltung, eine ,Entladung*. Solche Kraft- scher Hinsicht erweist sich vor aUem seine Grund- 

entfaltung vermochte man sich nur durdh einen anschauung von ihrer Ausdehnung (und Wieder- 

Stoff vermittelt zu denken. Da man aber schon verdichtung) als fruchtbar: so erklart er infolge 
friih, z. B. beim Blasebalg, beobachtet hatte, 50 stufenweiser Verdichtung djer Luft die Entstehung 

welche Gewalt zusammengeprefite, unter starkem von Wind, Wolken und Wasser (22, 24f. 23, 15ff. 

Druok stehende, Luft, die uns entgegenhaucht, und 23, 29ff.; alle drei Stellen aus der gleiehen 

haben kann, lag es nahe, an solch komprimierte Urquelle, Theophrasts cpvoiKcov 86^ai). Des ge- 

Luft, d, h. das Pneuma als Ursache dieser Ent- naueren erklart er (S. 25 nr. 19) die Entstehung 

ladungen zu denken, da das Feuer nicht nur zur des Windes ,aus Wasiser und Luft*. Sein gewalt^ 

Erklarung des Donners, sondern auch zur Erkla- sames Einherfahren aber, d, h. die machtige Luft- 

rung der dem Gewitter oft unmittelbar vorauf- strpmung, die wir Wind bzw. Sturm nennen, ver- 

gehenden oder mit ihm gleichzeitig stattfinden- mochte er nur infolge eines (in seinen Urspriin- 

den Wirbelstiirme unge^ignet erschien. So er- gen) ,unerkennbaren Umschwunges* zu erklaren, 
Mart Anaximander samtliche Gewitterersohei- 60 Bei noch starkerer Verdichtung der Luft ent- 

nungen, wie Blitz und Donner, aber auch Wind- stehen die Wolken, aus denen bei noch weiterer 

hosen und Wirbelsturme aus dem Pneuma als Zusammendrangung Regenschauer herausgeprefit 

ihrer gemeinsamen Ursaohe (VS 20, If. kombi- werden. Wenn aber das sich aus den Wolken er- 

niert mit 20, 5). Wenn dieses, von einer dicken giefiende Wasser gefriert, entsteht der Hagel; 

Wolke eingeschlossen, infolge seiner Feinheit und der Sohnee dagegen, wenn die Wolken in feuehr 

Leichtigkeit gewaltsam ausbricht (auf S. 17, 9 terem Zustande gefrieren. So lauten die diirf- 

ist statt sfmmrovzog vieknehr sKninxovrog mit tigen Nachrichten bei Hippolytos (VS 23, 32), 

Cedren zu schreiben^ vgl. S» 20, 3 und 20, 8), die durch Aetius (25, 15) eine bedeutsame Er- 



331 Meteorologie (vor Aristoteles) Meteorologie (vor Aristoteles) 832 

ganzung erhalten: Schnee (entsteht beim Gefrie- ken und Winde tiberhaupt noeh nicht unterschie- 

ren), ,wenii zusannnen mit dem Feuchten etwas den wurde, 

Luftartiges {nvsvfAatiKov) von der Wolke nm- Wie fragmentarisch nnser Wissen von der 

Schlossen wird. (Hier wird zum erstenmal bei voraristotelisohen M. ist, konnen Tins die Nach- 

der Erklarung des Schnees dem Pneuma eine Mit- riehten iiber die Ansichten des Xenophanes 

wirkung zugeschrieben. Das sollte in der Ge - zum BewuBtsein bringen, denn gerade sie konnen 

schichte des Problems von besonderer Bedentung zeigen, daB die Geschichte einzelner meteorolo- 

werden.) Von Gewittervorgangen ist uns mir gischer Probleme, die doch die Voraussetzung 

eine Notiz iiber -seiDe Erklarung des Blitzes er- Mr eine Geschichte der M. im ganzen bildet, vor 
halten (23, 33f .) : wenn die Wolken dureh die Ge- 10 Aristoteles bei der Diirftigkeit unseres Wissens 

wait der zusammengedrangten Luftmassen (nvev- einfach unmoglich ist. Gleichwohl aind diese 

f^ara) zerrissen werden, entsteht ein leuchtender Nachrichten fiir unsere Kenntnis der altionischen 

und feuriger Strahl {avyrj\ EinfluB des Anaxi- M. von ganz erheblichem Wert. Zunachst zwei 

inander?). Besonders aber scheinen die opti- Grunderkenntnisse des Xenophanes: einmal von 

schen Phanomene das Interesse des Anaximenes der Sonne als erregendem Motiv (der aQxrixfj 

erweckt zu haben: wenn schon das Meerleuohten akta in der Sprache der spateren Doxographen) 

sein Nachdenken erregt hatte (25, llf.; tibrigens aller meteorischen Vorgange, sodann seine Fun- 

legt Th. G m p e r z G. D. I 49 durch seine Aus- damentalerkenntnis, daB das Meer der Mutter- 

deutung dieser kurzen Notiz dem Anaximenes schoB aller Wolken, Winde und Pliisse ist (frg. 
gewisse moderne physikalische Ansohauungen 20 30). Xenophanes kennt augenscheinlich bereits 

bei, die so fur seine Zeit ganz unmoglich sind!), den Kreislauf des Wassers und bildet in gewis- 

so muBte das in noch hoherem Grade bei der sem Sinne schon die Grundlehre des Herakleitos 

Iris der Fall sein, die dem naiven Volksglauben von der odog avco naxcx) vor. An seinen einzelnen 

damals noeh als Botin der Gotter gait (23, 34f. meteorologisehen Ansichten ist zunachst bemer- 

tind insbes. 25 nr. 18): wenn die iSbnnenstrahlon kenswert - — auch das paBt gut zu dem ,Sturm- 

auf dicke Luft treffen, dann erscheint deren obere vogel der griechischen Aufklarung*, wie ioh Xeno- 

Schicht, die von den Strahlen idurchgltiht wird, phanes einmal genannt habe — , daB er gerade 

rotlich, dagegen die dahinter liegenden Sohichten solehe Phanomene, die dem Volksglauben als die 

schwarz, da die Strahlen von der Feuchtigkeit Erscheinung ubernatiirlicher Machte, d. h. von 
uberwaltigt (d. h, ausgeloscht) werden. (Hier 80 Gottem erschienen, auf rein physikalisohem Wege 

haben wir den ersten primitiven Versuch, die erklart, wie z. B. das St. Elmsfeuer (VS 58 

Farben der Iris zu erklaren.) Den Mondregen- nr. 39) oder die Iris (frg. 32). Auf der anderen 

bogen erklart Anaximenes auf ahnliche Weise Seite finden sich bei Xenophanes — fiir einen 

(25, 22f.). DaB dieser nur selten erscheint, liegt archaischen griechischen Physiker etwas ganz 

daran, daB nicht dauemd VoUmond ist und der Natiirliches — noch groteske Naivitaten, so seine 

Mond ein schwacheres Licht als die Sonne hat. Meinung von den Gestirnen (einschlieBlich Sonne 

Wenn es hiernaeh scheinen konnte, daB Anaxi- und Mond), die eich taglich (aus gliihend gewor- 

menes die meteorischen Vorgange ausschlieBlieh denen Wolken) entziinden und abends wieder 

aus der Luft und der in ihr enthaltenen Feuch- verloschen (Burnet 134 hat gemeint, Xeno- 
tigkeit erklart hat, so zeigt uns doch eine augen- 40 phanes habe seine Erklarungen nicht in wissen- 

scheinlich gut fundierte Nachricht (24, 37: die schaftlichem Ernst gegeben, sondern nur, umdie 

knioriixaoiai erf olgen bia xov TJkov fA,6vov^ hierzu Volksgotter [Helios] zu diskreditieren, indem er 

E. Pfeiffer Stud. z. ant. Sternglauben 22. 46), sie als vergangliche Dinge hinsteUte! DaB Bur- 

daB auch er, wie schon Anaximander, dabei auch liet hier voUig im Irrtum ist, wird schon durch 

der Sonne einen entscheidenden Anteil zugewie- die ganz analogen Anschauungen des Herakleitos 

sen hat. Naheres wissen wir freilich dariiber erwiesen.) 

nicht, aber diese kurze Notiz kann uns daran er- DaB gerade Herakleitos auf dem Gebiet 

innern, wie triimmerhaft unsere Quellen fiir die der atmospharischen Physik stark durch Xeno- 

voraristotelische M. sind. phanes beeinfluBt ist, ergibt sich schon aus dem 
Diirftig all diese Nachrichten von der altesten 50 doxographischen B-ericht (VB 69, 14ff,) von der 

griechischen M., primitiv noch, aber doch grund- odog avoi Kcirco, wonach Herakleitos fast alle atmo- 

satzlich hochst bedeutsam ihre ersten, rein phy- spharischen Vorgange auf die Ausdiinstung des 

sikalischen, Erklarungsversuche, mag uns auch Meeres zuriickfiihren woUte. Fiir die Folgezeit 

ihre Erkenntjids von den ungeheuren AusmaBen aber sollte vor allem seine Unterscheidung (die 

dieses Kosmos und den Ursaehen, z. B. der Be- wohl schon auf einen alteren Physiker zuriick- 

wegung der Himmelskorper noch kindlich er- geht) von zwei Arten der dvad-vf^iaoig bedeutsam 

scheinen; woUte doch Anaximander von der Aus- werden, von denen die belle und reine (die vom 

diinstung des Urmeeres nicht nur die Winde, Meere) zur Ernahrung der Gestirne diente, die 

sondern auch die ,Wenden' {xQOTtal) von Sonne dunkle (von der Erde ausstromende) dagegen fiir 
und Mond herleiten, wahrend sein etwas jiingerer 60 die Feuchtigkeit die Quelle war. Auf Grund der 

Landsmann Anaximenes meinte, daB die Gestirne versehiedenen Ausdunstungen woUte er auch Re- 

ihre Wenden vollzogen, indem sie, von der zu- gen und Wind erklaren (69, 26ff.). Wenn aber 

sammengedirangten und (dnfolgedessen) wieder ein Kenner wie Diels (Herakleitos griechisch 

zuriickschlagenden {avrnvnov) Luft gestoBen, zui und deutsch, S. VII) von Herakleitos gesagt hat: 

Umkehr gezwungen wiirden (25, 5f.) — An- ,Die Naturwissenschaft verdankt ihm niehts*, so 

schauungen, die uns zugleich wieder daran er- diirfte das trotzdem riohtig sein. Denn Eigenes 

innern, daB in der , Weltanschauung' dieser alten vonBelanghatoffenbarHerakleitosgegeniiberseinen 

Denker das Reich der Gestirne und das der Wol- groBen physikalischen Vorgangern nicht gegeben. 



833 Meteorologie (vor Aristoteles) Meteorologie (vor Aristoteles) 384 

D i e 1 s' Satz tiber Herakleitos trifft aueh auf allem dieses: Anaxagaras erkennt, unter der Ein^ 
P a r m e n i d e s zu, wie das bei dem Schopf er wirkung der Erkenntnis des Anaximenes, als 
der eleatisohen Ontologie von vornherein nioht erster die entsclieidende Bedeutung der Tempe- 
anders zu erwarten ist. Etwas anders steht es raturunterschiede und -veranderungen ftir die 
(hinsichtlich der M.) mit E m p e d o k 1 e s, ob- Entsteiiung der atmoispharischen Vorgange, wie 
gleich dessen naturwisseaschaftliche Forschung er denn auch schon (vielleicht nach Xenophanes) 
sich ganz iiberwiegend der organischen Natur, die Sonne als lefete Ursaehe aller meteorischen 
also physio- und biologisehen Problemen, zu- Erscheinungen erkannt hat. Diese letztere Er- 
wendet. Yon gewissem Interesse ist hier aber kenntnis wird sehr schon durch seine Erklarung 
sein Yersuch der Erklarung von Blitz und Don- 10 der Tatsache beleuchtet, daB in der Nacht die 
ner (21 A 63). Naeh unseren leider nur sehr sum- Fortpflanzung des Schalles weit besser als am 
marischen Berichten hielt er den Blitz offenbar Tage vor sieh geht: wird doch idie Luft am Tage 
fiir die Auswirkung von Sonnenstrahlen, die in durch die iSonnenwarme in eine zitternde und 
die Wolken eingedrungen seien, wodurch aus die- Zuckungen nnterworfene Bewegung versetzt, wie 
sen die entgegenstehende Luft herausgedrangt man schon an dem Hinundherwirbeln der sog. 
wiirde; die a^eoig (das Wort nicht anzutasten, Sonnenstaubchen erkennen kann. Diese zischen 
s. B i g n n e Empedocle 349. D i e 1 s' Nachtr. und rauschen Tags iiber und verhindern so durch 
zu VS I, IS. XXXI) des Lichtes (d. h. des Peuers) ihr Gerausch die ungestSrte Fortpflanzung des 
und die Zertriimmerung der Wolke verursache Schalles, d. h. sie machen die Stimmen auf gro- 
dabei den Donner, das Aufleuchten der Flamme 20 Bere Entf ernung schwer vernehmbar. Nachts da- 
den Blitz. In unseren QueUen (21 A 64) horen gegen, wenn die Ein wirkung der Sonnenwarme 
wir dann nur noch von seiner Erklarung der aufgehort hat, hort auch das Schwingen der Luft 
schragen Bewegung der Winde, die er augen- auf, so idaB dann menschliche wie tierische 
scheinlich als einen Ausgleich der einander ent- Stimmen auf weitere Entfernungen horbar sind. 
gegengesetzten Stromungen des erdigen und des Also auch hier ein richtiger SchluB aus richtigen 
feurigen Elementes erklarte. Beobachtungen. Auch die optischen Problemeder 
Weit besser sind wir tiber Anaxagoras' atmospharischen Vorgange haben das Naehdenken 
atmoispharische Physik unterrichtet, was seinen des Anaxagoras lebhaft beischaftigt. So erklarte 
letzten Grund vermutlich darin hat, daB in sei- er die Iris (393 nr. 86) daraus, daB die Sonnen- 
nem Deuken die /^szscoQa eine ganz andere Eolle 30 strahlen von einer dichten ihnen gerade gegen- 
wie bei dem Physiker des Organischen, Empedo- tiberstehenden Wolke reflektiert werden, ahnKch 
kles, spielen. Ich kann hier auf die Darstellung die Nebensonnen. (TzaQTjXioi), die er am Pontes 
der M. des Anaxagoras in meiner Anaxagoras- beobachtet hatte. Wenn er aber den Schnee, der 
Studie (N. Jahrb. 1919, 96ff.) verweisen, derenEr- doch aus dem von Hause aus schwarzen Wasser 
gebnisse ich hier kurz zusammenfasse. Schon seine durch Gefrieren gebildet ist, seltsamerweise fiir 
Erklarung der Winde ist bemerkenswert (VS 375, sehwarz erklart hat, so hat er dabei doch richtig 
381, vgl. 385, 18ff.); sie entstehen, wenn die Luft gefiihlt, daB die weiBe Farbe des Schnees, der, 
von der Sonne verdtinnt (aufgelockert) wird und geschmolzen, doch farblos ist, ein wirkliches Pro- 
die erhitzten LuftteHchen nach dem (Nord-) Pol blem bietet (vgl. hierzu Herm. XLV 332f. und 
zu entweichen und von dort wieder abgestoBen 40 demgegeniiber Kranz Herm. XLVII 129, 1). 
werden. Mehr konnen wir leider inf olge der tiber- Historisch wichtig soUte von der M. des Anaxa- 
aus diirftigen tJberlieferung von der Windlehre goras noch die Tatsache werden, daB er Gewitter 
des Anaxagoras nicht wissen, denn die Vermutun- und Erdbeben aus der gleichen Ursaehe (einge- 
gen von C. Fredrich Hippokratische Unters. schlossenen Athermassen) hergeleitet hat (vgl. 
165 (auf Grund von Hippokrates Ile^l diahrjg II VS 394, 28f. mit 393 nr. 84, insbes. mit Z, 30ff.), 
38) sind, wie ich 8. 97 gezeigt habe und wie Denn hierdurch ist er der Ahn der pneumati- 
jetzt auch E e h m anerkennt, hinfallig. Einen schen Theorie geworden, die sogar noch bei Ari- 
beachtenswerten Fortschritt der Erkenntnis be- stoteles naehwirkt, wenn dieser das Pneuma als 
deutet auch Anaxagoras' Erklarung des Hagels gemeinsame Ursaehe der Erdbeben und der Ge- 
(zu den QueUen hieriiber N. Jahrb. 1919, 97, 5)< 50 wittererscheinungen betrachtet, eine Ansehauung, 
Anaxagoras hat namlich bereits erkannt, daB die zu der freilich letzten Endes schon Anaximander 
Luft in der Nabe der Erde bedeutend warmer (bzw. Anaximenes, da VIS 2 nr. 28 an der Am- 
als die in den hoheren Schichten der Atmosphare mian-Stelle doch wohl Anaximenes zu lesen ist) 
ist. Denn die die Erde umgebenden Luftschich- den Grund gelegt hat. Erwahnung verdient iioeh 
ten erfahren eine doppelte Erwarmung, einmal des Anaxagoras SteUung zu Problemen, die mit 
durch die direkt auftretenden, dann aber auch denen der M. in eigentlichem Sinne in engerem 
durch die von der Erde reflektierten Sonnenstrah- Zlusammenhang stehen, so zum Grundwasserpro- 
len. Doch reicht diese Reflexion nur bis zu einer blem (N. Jahrb. 1919, 99), wie er denn natiirlieh 
gewissen Hohe. Wo sie aufhort, beginnt die den Kreislauf alles Wassers kennt, und anderer- 
kalte Region der Atmosphare. Wenn nun die 60 seits zur Nilschwelle (vgl. N. Jahrb. 1919, 100 
Wolke in diese emporgetrieben wird, gefriert das und insbes. in meiner ie antike Geschichte dieses 
in ihr enthaltene Wasser, d. h. sie verdichtet Problemes gebenden Arbeit ,Die Nilschwelle', 
sich alsbald zu Wasser, das dann sofort gefriert. N. Jahrb. 1914, 337ff.), wo seine Antwort wirk- 
Baher hagelt es mehr im Sommer und in heiBen Mch den ersten Schritt zur Losung des vielum- 
Gegenden, weil dann die Warme 'die Wolken bis strittenen Problems bedeutet. 
in die kalteren Regionen der Atmosphare empor- So verdient Anaxagoras den Namen des f^s- 
treibt. Hier haben wir die erste Theorie znr Er- tscoQoXoyog auch in dem modernen Sinne des 
klarung des Hagels. Wichtig aber ist hierbei vor Wortes und in der griechischen M. vor Aristo- 



335 Meteorologie (vor Aristoteles) Meteorologie (vor Aristoteles) 336 

teles (abgesehen von gewissen Hippokratikerii) hohlraumreichen Itegionen festgehalten imd durcb 

den ersten Platz. Umfassung eigener Haute zu festen Korpem zu- 

Dem Anaxagoras schliefit sich Archelaos sammengeballt waren, inf olge der mannigfachen 

in seiner Erklarung der Gewittererscheinnngen Mischung den AnstoB zur Bewegung in die Tiefe 

durchaus an; wie es scheint, auch in seiner Er- erhielten (teilweise Nacbhall dieser Lehren bei 

klarung des Donners, von der zweifellos bei Ae tins Epikur 44, 13ff. Us.)- Aueh seiner Erklarung 

(VS 47 A 16) in dean Zusatz (jiaQaw&elg usw.) des Windes legte Demokrit seine Atomtheorie 

die Rede ist. Nicht ohne Interesse ist es iibri- zugrunde; dieser beruht nach ihm auf der Zil- 

gens, dafi einzelne der spateren Vorsokratiker die sammendrangung einer Masse von Atomen in 
elektrisehen Vorgange liin der Atmosphare fiir 10 einem engen Raum, wo sie sich gegenseitig im 

rein optisehe, d. h. rein subjektive Erscheinun- Wege sind und daher stoBen und drangen, wah- 

gen hielten, wie Kleidemos (desisen eingehende rend die Luft still und ruhig ist, wenn in einem 

Wetterbeobachtung je nach den Jahreszeiten groBen leeren Raum sieh nur wenig Atome 

unter landwirtsehaftlichem Gesichtspunkte [VS befinden. 

415 nr. 5] iibrigens die Benutzung eines Para- Unter den Nachrichten iiber die meteorologi- 

pegma voraussetzt) die dozQani^ (415 nr. 1) und sehen Ansicbten des Demokriteers Metrodor 

Metrodor von Chios, der freilieh der Sinneswahr- von Chios (VS II 142 nr. 10 — 18), die deut- 

nehmung (und nicht nur dieser) grundsatzlich lioh den EinfluB des Empedokles (so VS 57 A 

skeptisch gegeniibersteht, das St. Elmsfeuer, das 14f.), vielleicht auch den des Anaxagoras ver- 
der griechische Volksglaube bekanntlich als das20raten, ist von besonderem Interesse — weil sie 

hdlfreiche Erscheinen der Dioskuren in Sleenot bestimmte kosmische periodische Vorgange zu 

betrachtete (VS II 141 nr. 10): M. rcov oqcovzcov gewissen atmospharisehen, zu bestimmter Jah- 

6(pd'a'kfjL(bv fisxa beovg koX Tcaxanlri^ecog elvai reszeit regelmaBig auftretenden in ursachliche 

ordfirjdovag. Beziehung setzt — seine Erklarung der Etesien 

Lehrreich fiir die Geschichte der voraristoteli- (nr. 18): diese wehen rov nQog xaXg oQ^toig 

schen Naturwissenschaft sind die, wenn auch im uiaxvvMvrog dcQog vnoxcoQovvrt, rep rjXlfp xaxk 

ganzen sehr dlirftigen, Nachrichten tiber die me- trjv ■d'SQivrjv tQonrjv imovQosovTog, eine Ansicht^ 

teorologiischen Ansichten der A t o m i s t e n. Von die tibrigens zugleioh verrat, dafi ihr Autor eben- 

Leukipp wissen wir freilieh nur etwas von seiner falls noch zu den Meteorologen gehort, die Ster- 
Erklarung des Donners (54 A 25), den er auf 30 nenwelt und Wolkenreich noch gar nicht unter- 

Feuer, das in dicken Wolken eingeschlosson ist scheiden. 

und mit Gewalt aus diesen ausbricht, zuruck- Bei Diogenes von Apollonia, dessen 
fiihrt. Und wenn wir von Demokrit nur seine Hauptinteresse physiologischen Problemen zuge- 
Erklarung der Milchstrafie und der Kometen wandt ist und dessen gesamtes Denken stark 
kennten (55 A 91 u. 92), so verdiente die Atomi- eklektischen Oharakter hat, werden wir von vorn- 
stik auf dem Gebiet der M,, soweit wir auf herein keine ori;ginelle moteorologische Lehre 
Grund unserer Quellen urteilen konnen, uber- erwarten. Das wird durch die kurzen Notizen 
haupt kaum Erwahnung; denn in seiner Erkla- bestatigt (VS 418 nr. 16), die von seiner Erkla- 
rung von der Milchstrafie und den Kometen folgt rung der Gw^ittererscheinungen handeln. Hier> 
Demokrit durchaus der des Anaxagoras (vgl. auch 40 nach fiihrte er den Donner auf ein Hineinfahren 
N. Jahrb. 1919, 94). Aber die Nachrichten tiber von Feuer in eine feuchte Wolke zuriick, wobei 
rtemokrits Erklarung der Gewittererscheinnngen dessen Erlo schen den Schall, das Aufleuchten den 
(55 A 93) zeigen, dafi er in durchaus origineller BHtz bewirke; aber auch dem Pneuma sohrieb 
Weise -seine Erklarung auf seine Gmndlehre von er eine Mitwirkung zu (nach Sen. nat. quaest. 
den Atomen und dem Leeren begrundet hat. Lei- II 20 hatte er die eine Art des Donners auf 
der ist der doxographische Bericht nur aufierst Feuer, die andere Art, namlich die, die sine 
summariseh, so dafi unser Verstandnis liickenhaft splendore erepuerunt, auf das Pneuma zuriick- 
und teilweise unsicher bleibt. So erklart er den gefiihrt). Hier wirkt (betreff des Feuersi als Ur- 
Donner daraus, dafi ein ungleichartiger Komplex saehe) augenscheinlich die Anschauung des Em- 
(von Atomen) die ihn umschliefiende Wolke zur 50 pedokles nach; betreff des Pneumas wohl die des- 
Bewegung nach unten zwingt {pQm>trjv . . . in Anaxagoras. (An eine Verknupfung anaximandri- 
ovyHQLfiaxog [/betr. dieseis undemokriteisehen, d. h. sober und leukippischer Lebre (durdh Diogenes,, 
erst poseidoniscben. Terminus Jaeger Nemesiois wie sie Die Is hier feststellen woUte [Verhandl. 
72 Anm.] dvco[A,dlov xb nsQisdrjcpbg avxb vecpog d. Stettiner Philologenvers. 977, Rh. Mus. XLII 
TtQbg rrjv ndxco (poQav ex^iaCofjiivov. Aus diesen lOf. Arch. f. Gesoh. d. Philos. I 249] ist hier 
Worten laBt sich Demokrits Auffassung freilieh iiberhaupt nicht zu denken. Insofem haben 
nur unsicher herauslesen). Der Blitz, d. b. die Nestle [Zeller F 358 A.] und Gilbert 
daxQOJtrj, beruhe auf einem Zusammenstofi von [624, 2] mit ibren Zweifeln durchaus recht.) 
Wolken, infolgedessen die Feueratome (xd ysvvrj- Unsere Achtung vor der Leistung der vor- 
ri?id xov TivQog Aetius) die sich inf olge von Rei- 60 sokratisehen Meteorologen, d, b. derer vor Ari- 
bung aneinander an demselben Punkt zusammen- stoteles, erfabrt aber noch eine iiberraschende 
drangten, durch die liickenreichen Hohlraume Steigerung, wenn wir z-ur Erkenntnis des da- 
(dQai(bfjLaxa) durchgeseiht wiirden (dirj'&sixac). Der maligen physikalischen Denkens von den Vor- 
HEQavvog dagegen erfolge, wenn aus reineren und gangen in der Atmosphare gewisse Partien aus; 
f eineren, gleichmafiigeren und festgefiigten FeuJer- den S'chriften des Corpus Hippocrateum 
atomen die Bewegung erzwungen wird (vgl auch heranziehen. Die eine stebt in der Sebrift UsqI 
Irg. 152). Der jiqtjoxi^q dagegen, wenn lucken- degcov c. 8f., wo der Autor zur Erklarung der 
reicbere Zusammenballungen von Feuer, die in Nebel- und Regenbildung etwa folgendes aus- 



337 Meteorologie (vor Aristoteles) Meteorologie (Aristoteles) 338 

fiiihrt: Bei der Verdunstung der Gewasser wer- cpvotv ra5 poQea' ano yaQ votiov noXov nvecav, 

den nur die feinsten und leiehtesten Bestandteile and xtovog noXXfjg xal xQvozdXXov xal jidycov ioxv- 

diirch die Sonne emporgezogen, wahrend die gro- qcov d^^co^erog, roloi fAsv s^sios nhrjoiov avtov 

ben und grofieren zuriiekbleiben, so bei Binnen- oi^covoiv dvdyKYj xoiov nveetv Sxoiov nsQ rj[Mv 6 

seen (Ufivai), die daher (falls sie keinen gentigen- §0QEag. 'Enl be ndoav xwQriv ovxexi oixdiog uiaQa- 

den Ab- und ZufluB haben) salzig werden, weil ylvsrar did yaQ rcov sq?6dcov xov riUov nal vjio 

eben beim VerdunstungsprozeB der Salzgehalt tijv fjLsorjfxPQirjv nvecov, kxnivexai x6 vyQov vnb xov 

ihres Wassers zuriickbleibt. tJbrigens erstreekt rjliov dno^Y)Qaiv6[Aevog bs aQaiovxar dio dvdy?crj 

sich der VerdunstungsprozeB infolge der Ein- ■d'SQiJiov avxov xal ^rjQov kv&dbs noQaylvsad'ai. Tjv 
wirkung der Sonne auf alle Dinge auf Erden, 10 f^ev ovv xdioiv eyytoxa x^oQ^oioiv dvdynri xoiavxriv 

die FeueMigkeit in sieh enthalten, aueh auf den bvvafAiv dTtobibovat d'eQf^ijv xal ^rjQTjv xal noisei 

menschliehen Korper (was dann. des naheren nach- xomo iv xfj Ai§vr}' xd xe ydg (pvofA^eva i^avalvei 

gewiesen wird). Vom der Masse der Ausdunstun- xal xovg dv&Qcojtovg Xavd'dvei dno^rjQalvcov' axe 

gen von den Gewassern aber wird der trtibe und yaQ ovk excov ovxe ex '&aMaorjg infxdba Xa§slv 

dunkle Teil (to d-oXeQav Pial vvaxoetbeg S. 45, 2 ovxe ex Tioxaf^ov, ex xcbv C(po)v ?cal etc xCbv (pvo- 

Kiihl. c= S. 62, 28 Heib.) ausgesehieden und f^evcov s?cmvei x6 vyQov. ^'Oxoxav be xd nekayog 

wird zu rir\Q unid oiilxhri verdictitet, wahrend die neQaicjori, axe •d'eQfiog echv xal aQaiog^ noXXfjg 

feinsten und leiehtesten Bestandteile in der Atmo- vyoaolrjg e/A,mf/,7zXr}oi xrjv x^^QV^ efAninxwv avdyxt) 

sphare in der Scliwebe bleiben und dabei von der be xov voxov '&eQfj,6v xe nal vyQov elvai, okov iayj xcbv 
Sonne ausgekocht und gesuBt werden. Solange 20 z^^''<^^ ^^ Moieg alxlai elotv. (Ebenso verhalten 

nun diese Teilohen in der Atmosphare zerstreut sieh audi die bvvdfjueg der anderen Winde. Ent- 

(bie<yxebaafievov) bleiben, verharren sie in der sprechend den einzelnen Gegenden verhalten sich 

Sehwebe und werden (durch den Wind) weiter- die Winde f olgendermaBen. D i e Winde, die vom 

getragen. Wenn sie aber durch einander entgegen- Meere her in die Lander einfallen oder vom 

gesetzte Winde zusanimengeballt werden, gSien Schnee oder Eisi oder Seen oder Fliissen her, 

sie, d. h. die Partien von ihnen, die am stark- all diese nvevfjiaxa vyQalvai xal yjvxei Tcal xd 

sten verdiohtet sind, als Regen nieder, vor allem, cpvxd xal xd C<Sa xal vyelrjv xdloc o(b/A,aoi naQexei, 

wenn auf die Woliken, die vom Winde znsammen- oxooa fArj vjteQ^dXXei yjvxQoxrjxi. Und diese 

geballt und in Bewegung geraten sind, plotzlich sehaden, weil sie fieydXag xdg fiexa^oXag ev xoioi 
ein Wind aus entgegengesetzter Eichtung und 30 ocb^aot ifmoieei xov d-eQfiov xal xov yjvxQov, 

andere Wolken auftreffen. Dann findet eine Das aber leiden die, welche wohnen ev x^Q^oig 

immer istarkere und starkere Verdiohtung jener klwbeoi xal &eQ/ioioiv eyyvg noxafjLwv loxvQcby. 

Wolken statt, die dann schlieBlich infolge der Die iibrigen Winde aber usw. Der Autor sprieht 

Schwere {vjio ^dQeog) als Regensehauer (dfxpQoi) dann insbesondere noch von der Wirkung der 

herniedersttirzen. — Hier haben wir die erste Winde, idie xaxd y^v noQayivexat und von denen 

wirkliche l^eorie der Regenbildung, die uns die vneQ xd oQea vneQnijixovxa naQayivexai eg xdg 

zeigt, daB dem Autor der Kreislauf des Wassers noXiag.) Dieiser Autor leitet also den Notos vom 

ganz bekannt ist, wenn er auch dabei noch die Siidpol her, laBt dann aber die Natur dieses 

Abkuhlung des in den Wolken enthaltenen Windes sieh im Lauf seines Wehens von Suden 
Wasserdampf es, insbesondere durch ihr Auftreffen 40 nach Norden mannigfach verandern, entsprechend 

auf vorspringende hohe Gebirgsmassive, als Fak- der physisehen Eigenart der Gegenden, uber die 

tor der Niederschlage aufier acht laBt. Erwah- er streicht. Er hat also bereits die wechselnde 

nung verdient iibrigens noch, daB der Autor auch Natur der weite Strecken uberwehenden Winde 

der Qualitat von iSbhnee- und Eiswasser seine im Prinzip schon voUig richtig erkannt. Vor 

Porschung zuwendet und idaB er bei der Gelegen* allem aber: dieser Autor, d. h. seine spekulative 

heit mit Hilfe von Messungen feiststellt, daB in M., steht durchaus auf dem Boden der pytha- 

einem GefaB enthaltenes Wasser, das unter freiem goreischen Erkenntnis von der Kugelgestalt der 

Himmel gefroren und danaeh wieder geschmolzen Erde und parmenideischen Zonenlehre, ein Fall, 

ist, hierbei infolge von Verdunstnng an Menge der zum mindesten in der voraristotelisohen M, 
erheblich verloren hat. — Hier haben wir (fie 50 einzig dasteht. Und er zieht seine Sk^hliissie auf 

alteste Verwendung des Experimentes im Dienste Grund dieser mit derselben Sicherheit wie z. B. 

der M. — Das andere f iir die Geschichte der M. Aristoteles (der iibrigens II 3, 358 a 29ff. das 

denkwiirdige Stiick ist eben jene Partie der Kapitel von UeQi bialxrjg zu beriicksichtigen 

Schrift HeQl bialxrjg (II 38 S. 530 Littre, Z. 3 scheint) Meteor. H 5, 362 a 34ff. und b 30ff. 

V. u.), die Fred rich f alschlieh. hat auf Anaxa- auf Grund mathematisch-geographischer Erwagun- 

goras zuriickfuhren woUen (s. o. S. 333, 43ff.). Hier gen auf eine stidliche gemaBigte Zone und ilhre 

sprieht der Autor von den uzvevfiaxa rjvxiva <pvoiv Natur schlieBt. Ob und inwieweit freilich der 

exei xal bvvafyiiv exaoxa. Alle Winde ihrer Natur Autor als Meteorologe hier original ist oder ob 

nach ifvxovot xal vyQalvovoi. Aid be d-eoiv x^- er von einer verschollenen ,Quelle' abhangt, kann 
Qioyv xal xoTzoiv, bi d>v naQayivexai xd nvevfiaxa 60 hier nicht untersucht werden. Der Wert des 

eg xdg x^Q^^ exdoxag, bid(poQa yivexai dXXr]Xo)v, Stiickes fiir die Geschichte der griechischen IVi. 

ipvxQoxeQa d-eQfJioxeQa, vyQoxeQa ^rjQoxeQaj vooeQcb- wird dadurch nicht beriihrt. 

xeQa vyieivoxeQa. Trjv be alxlrjv ixdoxcov q>^e XQV H- Aristoteles. Zwischen dem Ausgang 

yivcboxeiv. Und dann wendet sich der Autor zur der ersten groBen Periode der griechischen M. 

Herkunft des Boreas und des Notos. Hier sind und der zweiien, die durch das groBe Werk des 

seine Ansfuhrungen tiber den Siidwind so denk- Aristoteles bezeichnet wird, scheint eine Liicke zu 

wiirdig, daB ich sie im Wortlaut hersetze (S. 532» zu klaffen, wenigstens fiir unsere Kenntnis, zu- 

4ff. L.): 6 be voxog nveei (jiev aTid xcbv 6fA,oio)v xrjv mal da in jenem Zeitabschnitt (etwa 388 — 347), 



339 Meteorologie (Aristoteles) Meteorologie (Aristoteles) 340 

in dem die Akademie Platons das Zentrum der bis jetzt iibersehen laBt, nieht feststellen. Er- 

geisteiswissenschaftlichen Forschung ist, von ein wahnt mag noch sein, dafi der Inhalt des (zwei- 

paar Bemerknngen im Timaios (58 dS., insbes. lellos echten, vgl. Herm. XL VII 514S.) Prooe- 

59 e) abgesehen, die griecMsche M., soweit wir miums der M. ebenfalls darauf hinweist, dafi das 

auf Grund der erhaltenen Literatur urteilen kon- Werk erst spat, d. h. wohl erst wahrend des 

nen, keinerlei Forderung von Belan^ erfahrt. zweiten athenischen Aufenthaltes (335—322) des 

Sicher ist auf jeden Fall, daB erst Aristoteles der Aristoteles verfaBt ist. 

Wissenschaft von den Vorgangen und Erschei- 2. AufbaudesWerkes. Vorweg sei zur 

nungen in der Atmoisphare einen nenen Auftrieb auBeren Form der M. bemerkt, daB die Bnch- 
gibt, ja sie sozusagen ganz neu schafft, d. h. in 10 und Kapiteleinteilung des Werkes sicher nicht 

einer groBen, wohlgegliederten MonograpMe erst sehon von Aristoteles, sondern erst von einem 

systematise}! begriindet. Eine besondere Gunst Spateren (Andronikos?) herriihrt (so hangen z. B. 

des ScMcksals hat uns sein Grundwerk erhalten, III 1 und II 9 aufs engste miteinander zusam- 

das flir die gesamte griechische M. eine Quelle men, so daB es sehon deswegen unglaublich ist, 

aUerersten Ranges ist, da diese eben in ihr ihre daB die iiberlieferte Buch- und Kapiteleinteilung, 

endgiiltige Gliederung und klassische Gestaltung durch die aufs engste zusammenhangenden Par- 

erfahren hat. tien auseinandergerissen werden, sehon von Aristo- 

Ar is tot els' M. I. Das Werk. 1. Seine teles selber herriihrt); zur iuneren aber, d. h. zur 

Abfassungszeit. Fiir die Gesehichte der Methode der Darstellung, daB Aristoteles bei 
griechischen atmospharischen Physik kann esSOjedem Problem zunachst die Ansichten seiner 

nicht gleichgiiltig sein, wann das bedeutendste wichtigsten Vorganger referiert und kritisiert 

wissenschaftliche Werk, das das Grundbuch der (wobei sich meist sehon verschiedene Aporien er- 

M. bis ans Ende der Antike, ja bis tief in das geben) und dann erst auf Grund der so geschaf- 

Mittelalter hinein werden sollte, verfaBt worden fenen Basis seine eigene Ansicht entwickelt (durch 

ist. Die Griinde I d e 1 e r s freilich (Aristoteles' diese systematische Bertioksichtigung seiner Vor- 

Meteorol. I S. IXf., vgl. auoh 11 266) dafiir, daB ganger wird er bekanntlich zum a^iriyExriq der 

das Werk v o r dem Alexander zug, also vor 335, Doxographie seines Schiilers Theophrast). 

verfaBt sein miisse, da es die ganze, erst durch Ubersicht a potiori iiber die 

Alexander erschlossene, KenntSis Vorderasiens Gliederung der aristotelischenM. 
voliig: ignoriere, sind, wie sehon Jaeger Ari- 30 I. 1. — 3. Allgemeiner Teil. 

stoteles 325, 1 gezeigt hat, nicht sticlihaltlg (wie 1. Prooemium: Begriff der M. Von frtiheren 

Meier noch B o 1 c h e r t Aristoteles' Erdk. von und kiinf tigen wissenschaf tlichen Arbeiten des 

Asien und Libyen, Berl. 1908, z. B. 38fE., wah- Aristoteles, 

rend J. Partsch Das Buch des Aristoteles vom 2. Die Elemente und die Endursache {a^%ai 

vSteigen des Nils, S.-Ber. Sachs. Ges. 1909, 568 und nQcozT] ahla). 

das Werk unmittelbar vor dem Alexanderzug ver- 3. Der Raum zwischen der Erde und den 

faBt sein laBt). DaB an der Stelle Meteor. Ill 1, auBersten Sternen: von Luft und Ather. Die 

371 a 31, wo der Brand des Tempels von Ephe- zwei Schichten der sublunaren Sphare {drfA.lg und 

sus (vom J, 356) erwahnt wird, das Wort vvv vjieKfcav/ua), 

nichts beweist, hat sehon Z e 1 1 e r II 2^ 155 Anm. 40 4. — 8. Vorgange und Erscheinungen im V7is?c~ 

und naeh ihm Jaeger 326 Anm. betont. Von ptjocv^aiMeteore, Sternschnuppen, ;i;aa/waTa, /^d^vij^o^ 

mehr Gewicht als Argument fiir spatere Abfas- und blutige Farben am nachtlichen Hianmel. — 

sung ist aber die Stelle III 2, 372 a 29, wo es Die Kometen und die MilchstraBe. 

von dem Mondregenbogen heiBt: ev heoiv vneQ 9. — 12. Vorgange und Erscheinungen in der 

za nevzfjHovta dig £V8zvxo/j,sv fA,6vov, eine Aus- dr^lg (die Entstehung der verschiedenen Arten 

drucksweise, die schlecht zu einem jiingeren der Niederschlage: dr/Lilgy Wolken, Nebel, Regen, 

Mann paBt, wie Jaeger treffend sagt. Jae- Tau, Reif, Regen, Schnee, Hagel). 

g e r, der iibrigens durchaus dafiir ist, die M. erst 13. Vom Ur sprung der Winde und aller Arten 

spat anzusetzen, d. h. dem zweiten athenischen von nvev(A,ara. Im Zusammenhang hiermit vom 
Aufenthalt des Aristoteles zuzuweisen, das Werk 50 Ursprung der Fliisse und vom Meere. Zuerst wird 

also erst nach 335 zu setzen, hat iibrigens die eine Reihe von Aporien hierzu aufgeworfen. Dann 

Stelle Meteor. I 7, 345 a 2ff. nicht beriicksichtigt, aber wird von den Winden und nvsv(A,axa nur 

wo Aristoteles einen Kometen unter dem Archon- kurz gesprochen, um so mehr aber von der FluB- 

tat des Nikomaohos erwahnt. Da dieser Niko- bildung und vom Grundwasserproblem. (Hier 

machos im J. 341 v. Chr. Archon war (I d e 1 e r liegt eine Storung in der Komposition des Gan- 

I 408. Zeller II 2, 154, 4) und diese Stelle zen vor. Denn von den Winden spricht Aristo- 

der M. durchaus nicht den Eindruck macht, als teles des Naheren erst viel spater, d, h. II 4ff.: 

ob sie ein spaterer Zusatz des Verfassers ware erst hier nimmt er nach langer Unterbrechung 

(wozu auch gar kein psychologischer Grund vor- den I 13, 6 =: 349 b 2ff. abgebrochenen Fa- 
lag), so wird man sehon auf Grund dieser Stelle 60 den wieder auf, wie sehon I d e 1 e r I 541 be- 

4ie Ablassung des Werkes mit ziemlicher Sicher merkt.) 

heit erst nach dem J. 341 ansetzen durfen. DaB 14. Vom AVerden und Vergehen von Quellen 

es aber erst nach Beginn des Alexanderzuges und Fliissen, von Land und Meer, von Volkern 

verfaBt ware, kann, wenn es auch durchaus mog- und Landschaften in der grenzenlosen Zeit. 

lich ist, schwerlich exakt bewiesen werden. Man 11. 1. — 3. Vom Meere, seinen physikalischen 

wird daher die Abfassungszeit der M. bis auf und chemischen (S^lzgehalt) Problemen. 

weiteres nach 341 setzen diirfen, aber wie lange 4. — 6. Die beiden Arten der dva'&vfxlaaig und 

danach, laBt sich mit unseren Mitteln, soweit sich die Entstehung der Winde. Die Ursachen von 



341 Meteorologie (Aristoteles) Meteorologie (Aristoteles) 342 

Nord- uttd SMwinden. Die einzelnen Windarten barte* Elemente immer eine Grundeigensehaft 

und ihie Ursachen. Die Windrose. (jedes Element hat bekanntlich zwei Grundeigen- 

7'^ — 8. Die Erdbeben. schaften) gemeinsam haben, also nur auf f olgeade 

9. — III. 1. Gewittererseheinungen: ^^ovtjJ, Weise: Feuer (troeken und warm) wird zu Luft 

dozQajii^, 8JiV€q?lag, iv(p(ov^ nQr^oxYjQ, HSQavvog. (warm und feucht), dieise zu Wasser (feucht und 

in. 2. — 6. Die optischen Erscheinungen in der kalt), dieses zu Erde (kalt und troeken), und um- 

Atmosphare; aXcog^ iQig, TzaQrjXioc^ gafdoi. gekehrt: Erde wird zu Wasser, dies zu Luft, 

Im Wesentlichen ist diese Gliederung maB- diese zu Feuer. 

gebend ftir alle folgenden meteorologischen Werke Instruktiv vom Kreislauf der Elemente, hier 
der Antike geblieben. Der Satz 378 a 12 — 14 10 genauer von Wasser und Luft in der Atmosphare, 

{ooa /UEV ovv sQya — rooavza nal roiavra) be- I 9, 346 b 23ff.: Wahrend die Erde in ibrer 

deutet den Abschlufi der eigentlichen M. des Ari- Lage verharrt, wird die sie umgebende FeucMig- 

stoteles. Denn mit dem folgenden Satz (378 a 15f£.) keit von den Strahlen der Sonne und der son- 

wendet er sich bereits zu den Stoffen in der Erde stigen Warme aus dem Weltraum in Dampf ver- 

selbst; wie zwei Arten der ava'&vjbiiaoigy unter- wandelt und steigt in die Hohe. Wenn aber die 

scheidet nun Aristoteles auch zwei Gattungen von Warme, die dieise Feuchtigkeit emporgefiihrt hat, 

Stoffen {ocojLtara) in der Erde: die oQv^ird und die diese verlafit (indem sich ein Teil der Warme in 

IxsralXsvrd. Das dann folgende Buch IV handelt den Weltraum zerstreut, ein Teil erHscht, weil 

nun aber nicht etwa von diesen, sondem von rein er zu fern in die Luft tiber der Erde empor- 
chemischen IV.organgen (der anorganischen und 20 gehoben wurde), dann ballt sich wieder die mfAig 

insbesondere der organischen Chemie). Es bietet infolge der Abkiihlung zusammen und es wird 

daher ein altes Problem hinsichtlieh der Kompo- dann Wasser aus Luft und fallt als solche® zur 

$ition des Ganzen. Denn da6 dieses IV. Buch nicht Erde hernieder. — Diese Bewegung ist wie ein 

zur M. des Aristoteles gehort, sondern ein ganz flieBender Strom, der sich (gewissermaBen) im 

andersartiges Werk fiir sich ist, und dafi zwischen Kreise auf und nieder bewegt (ein ewiges Auf 

dem in. und IV. Buch eine Liicke in der von und Ab. Der Kreislauf aber bezieht sich in Wahr- 

Aristoteles bestimmten Reihenfolge seiner Schrif- heit darauf, daB aus Wasser Luft, aus Luft wie- 

ten ist, und daB in dieser Liicke seine Schrif t der Wasser wird und so fort ins Unendliche). Die 

von den oQVKzd und fj.szaXXsvrd gestanden hat, durch diesen Strom bewegte Stoffmassse ist ein 
hat gegen Vicoriiercato, Ideler u. a. schon S p e n . 30 Gemisch von Luft und Wasser. Wenn die Sonne 

gel tJber die Reihenfolge der naturwiss. Schrif- naher ist, flieBt der Strom der dx^jLlg auf warts; 

ten des Aristoteles (Abh. Akad. Munch., Philos.- wenn sie sich entfernt, der des Wassers ab warts, 

philol. Kl. [1849] 149ff.) gezeigt (vgl. iibrigens Und dieser Vorgang findet ohne Aufhoren statt 

auch die immer noch lehrreichen Bemerkungen gemaB der Ordnung (Kaxd rrjv td^iv). In Wahr- 

von Zeller [II 2^, 87, 2 isowie 472 und 474fi.], heit sind iibrigens nicht die vier Elemente ftir 

der freilich das Buch noch fiir echt halt, und Aristoteles die Prinzipien, sondern die zwei 

demgegeniiber jetzt insbesondere Jaeger Ari- Gegensatzpaare ,warm — kalt, troeken — feucht*, 

stoteles 41 2f. sowie Rehm bei Gercke-Norden durch deren paarweise Verbindung sie erst eait- 

11^ (1933) 36. Der Versuch von Hammer- stehen. Vgl. L. Spengel 148ff., ferner insbe- 
Jensen (Herm. L 113ff.), das Buch auf Straton 40 sondere die seharfe Zritik von G o m p e r z 

von Lampsakos zuriiokzufiihren, ist nicht gelun- (Griech. Denker III 46ff.) an Aristoteles' Physik, 

gen, wenn auch vielleicht die Gedanken in c. 9. besonders an seiner Elementenlehre. Im tibrigen 

386 b Iff. (vgl. auch 387 b 27ff.) ,Keimzellen' ftir vgl. Bon it z Index Ar. 702 a 18ff. Zeller II 

gewisse Lehren Stratons, z. B. von der Elastizitat 2^, 487ff. B a u m k e r Problem d. Materie 242ff. 

der iStoffe, gewesen sein konnten. Dieses IV. Buch G i lb e r t Meteorol. Theorien 176ff. D i e 1 s Ele- 

scheidet daher hier ftir uns vollig aus. mentum 23ff. (tiber Begriff und Terminologie des 

3. Grundztigederaristotelischen Element^es bei Aristoteles). — Charakteristisch 

M. Grundlage dieser bildet, wir wir gesehen ist ferner die (wahrscheinlich von den Pytha- 

haben (o. S. 320, 20ff.), die scharf dualistische goreern iibernonmiene) Lehre des Aristoteles vom 
Kosmologie des Aristoteles, nach der zwischen der50Gleichgewicht der Elemente (loorfjg 

Welt diesseits und der jenseits des Mondes eine rcov Gtoixdcov) I 3, 340 a Iff.: Wenn, wie die 

untiberbrtickbare Kluft ist. Dort die Welt der Fruheren glaubten, die Raume zwischen den Ge- 

ewig unveranderliehen Bahnen der gottHchen Ge- stirnen und der Erde voll ,Feuer' waren, dann 

stirne, hier die Welt des Werdens und Vergeihens, waren langst alle anderen (d. h. die drei ande- 

der vier sog. Elemente, die standig im tJbergang ren) Elemente zugrunde gegangen. Dann ware 

auseinander und ineinander begriffen sind (vgl. ja aUes andere langst zu Asehe geworden. Der 

I 3 und 9). Ist doch jedes von ihnen in jedem Weltraum zwischen Himmel und Erde kann aber 

von ihnen dwdf^et enthalten. So wird z. B. auch nicht allein von Luft erftillt sein. Denn 

Wasser aus Luft und Luft aus Wasser. Aber dann stande ihre Masse in gar keinem Verhalt- 
dieser Wechsel voUzieht sich doch nur in einer 60 nis zu den anderen Elementen; von einem Gleich- 

ganz bestimmten Reihenfolge, weil Elemente ent- gewicht der Elemente konnte dann keine Rede 

gegengesetzter Grundqualitaten, wie z. B. das sein, auch dann nicht, wenn beide Elemente (Luft 

Feuer (== troeken und warm) und Wasser (= kalt und Feuer) diesen Weltraum ftillten. Denn im 

und naB) nicht direkt ineinander tibergehen kon- Verhaltnis zur GroBe des Weltalls ist die Masse 

nen, sondern nur durch Vermittlung eines andem des Erdballes sozusagen ein Niehts, und in dem 

jbenachbarten* Elementes. Daher kann der "Dber- ErdbaU ist doch auch noch die gesamte Masse 

gang der Elemente ineinander nur in eiaer sol- des Wassers enthalten. 

ehen Reihenfolge geschehen, daB zwei ,benach- Aristoteles sieht sich aber gezwungen, zwei 



343 Meteorologie (Aristoteles) Meteorologie (Aristoteles) 344 

grundverschiedene, ubereinander gelagerte S'<;hich- reichender Quellenkenntnis ein ausgezeiehnetes; 

ten der Atmosphare zu unterscheiden: die der meteorologischesSachverstandnisvereint.Hierkann 

Erde benacbbarte ist die axfxig, die dvvdf^sc Was- nur noch ein Wort zu ihrer allgemeinen Charak- 

ser ist; aus ihr werden die Niedersehlage stam- teristik gesagt werden (vgl. auch o. S. 319, 66ff.). 

men. Aber die Blitze ebenso wie die Meteore, Aristoteles hat hier ein System der M. als einer 

Stermschnuppen und Kometen (die ja naeh Ari- Pathologie der vier Elemente, wie sie in der 

sto teles ebenfalls der sublnnaren Sphare ange- Atmosphare wirken und lei den, errichtet, das- 

horen), die doch offenbar Feuer sind, vermag er weit liber anderthalb Jahrtausende in Geltung 

aus 'der dt/ulg nicht herzuleiten, sondern nur aus geblieben ist. Auch hier ist freilich, vom Stand- 

einer Kegion, deren Stoff bvvd[A,ei Feuer ist. Diese 10 punkt der modernen Naturwissenschaft aus be- 

Region ist die des vneKKav^a, das sich bis zum trachtet, noch vieles reine Spekulation, und nur 

Monde, d. h. bis zur unteren Grenze des Athers zu oft vermissen wir den exakten Beweis fur seine 

erstreckt: nicht Feuer, wie die Friiheren mein- bo^ai^ und manche seiner Grundannahmen (wie 

ten, sondern eine trockene Ausdiinstung, die bvvd- seine Elementenlehre und die von den ,natiir- 

lj£i Feuer ist. So wird also nach Aristoteles der lichen* Orten dieser) ist nichts als eine petitio 

Erdmittelpunkt bis zum Monde von vier Kugel- principii, die sich nur historisch, d. h. durch die 

schichten umgeben: um die feste Erde schlingt Einwirkxmg seiner Vorganger oder aber aus sei- 

sich die Wasserhiille, die von der dxiilg umschlos- ner personlichen Eigenart erklaren laBt. Docb 

sen wird und diese wieder vom vjiEKxavpia. Die- diesen Mangel hat er mit der gesamten Natur- 
ser ganze tzeqI yfjv nooixog wird von dem gott- 20 wissenschaft bis tief in das 18. Jhdt. hinein dureh- 

lichen Ather, der bis zu den anfiersten Fixsternen aus gemeinsam. 

reicht, umgeben. Um aber den Ursprung der Unsere Kenntnis der altperipateti- 
dxpLig und ihr gegeniiber den des vnexnavfia zu schen M. (seit Aristoteles) ist aufierst gering^ 
begreifen, sieht sich Aristoteles (und wohl schon nicht nur deshalb, weil eine neuere wisisenschaft- 
einzelne seiner Vorganger, wie Herakleitos [VS liche Sammlung der Fragmente der alten Peri- 
ls 55, 28ff., vgl. 59, 8ff.], der diese Anschauung patetiker fehlt. Soweit wir bisher urteilen kon- 
vermutlich von alteren ionischen Physikem Tiber- nen, haben zwar auch verschiedene der alten 
nommen hat) gezwungen, zwei Arten von dva- Peripatetiker, wie insibesondere Theophrast, 
d-vfiiaoig zu unterscheiden, die feuchte und die das Gebiet der M. welter gepflegt, aber kaum 
trockene. Auf dieser doppelten Ausdunstung be- 30 irgendwie wirklich neue Gedanken oder For- 
ruht die Zweiteilung der gesamten M. des Ari- schungsmethoden hierbei auf gebraeht. Auch durch 
stoteles. Denn samtliche meteorische Vorgange die Veroffentlichung des arabischen Exzerptes aus 
und Erscheinungen haben ihren materiellen Ur- Theophrast (vgl. o. S. 322, 57ff.) wird an diesem 
sprung (d. h. ihre nmterielle Ursaehe) entweder Urteil nichts geandert. Auch das uns erhaltene 
oig, Zu den Vorgangen und Erscheinungen infolge groBere Fragment aus der Schxift De ventis (die 
der dxixlg^ d. h. infolge der feuehten Ausdun- Schrift wird auch von Alexander von Aphrodi- 
in der feuehten oder in der troekenen dvad-v/A^la- sias ofter zitiert) zeigt den Autor nirgends als 
stung, gehoren alle Arten von Niederschlagen, Trager eigener neuer Gedanken gegeniiber Ari- 
andererseits die optischen Phanomene in der stoteles, unid die wenigen Fragmente, die andere 
Atmosphare; zu denen infolge der troekenen dva- 40 spatantike Autoren (wie z. B. Plut. Aet. Gr. 7 
'&vfiiaoig gehoren: 1. die Meteore, Sternschnup- das von den jtXcpddeg vecpeXai) anfiihren, ergeben 
pen, Kometen, die MilchstraBe usw., 2. die Winde fiir die Geschichte der nacharistotelischen M. 
(II 4, 360 a 12, vgl. anch 361 a 25ff.) und 3. die kaum etwas von Belang, wie z. B. das bei Olym- 
Gewittererscheinungen. All diese (doxQanrj und piodor 97, 6ff. und 175, 6ff. erhaltene Fragment 
pQovxrj, rvcpmv, nQTjoxrjQ, KSQavvog) haben die- tiber die sehrage Bewegung der Winde und deren 
selbe dQxVi namlich die trockene dva'&vfj,iaoig, Ursachen, wo Theophrast eine andere (iibrigens 
(vgl. II 9, 369 a lOff. und 370 a 25ff.). augenscheinlich von Empedokles entlehnte) Atio- 

Was aber ist die dQxv^ d. h. die bewegende logie als Aristoteles gibt, aber zugleich bekundet, 

Ursaehe aller meteorischen Erscheinungen? Wie daB er (im Gegensatz zu seinem Schiller Straton) 
schon einzelne seiner Vorganger, erkennt Aristo- 50 Aristoteles' eigentumliche Lehre von den ,natiir- 

teles klar, daB der ftir alle meteorischen Vor- lichen Orten* der Elemente unbedenklich tiber- 

gange entscheidende AnstoB der Kreislauf der nommen hat. Von einem gewissen Interesse ist 

Sonne ist (I 9, 346 b 20ff.): dadurch daB diese aber das Fragment bei Olympiodor 80, 31ff. St., 

(im Sommer oder im Winter) der Erde naher wonaeh Theophrast fiir die Bntstehung von Was- 

oder ferner kommt und Trennung oder Vereini- ser in der Atmosphare nicht nur Abktihlung 

gung (der Elemente) bewirkt, ist sie Ursaehe (yw^ig), sondern auch Zusammendrangung {mXrj- 

von Werden und Vergehen (im Bereich des Irdi- ocg) halt, unid zwar unter Hinweis auf die Regen 

schen liberhaupt). So zeigt er z. B. II 5 die Be- in dem heiBen Aithiopien, wo doch keine Abkiih- 

dentung der Sonne und ihrer Tages- und Jahres- lung stattfinde, eine Begriindung, die nur zeigt, 
bahn fiir die Entstehung oder Nichtentstehung 60 wie sehr hier die empirische Kenntnis von den 

der Winde (vgl. auch 11 6, 364 b 14ff. vom Ein- wirklichen atmospharischen Verhaltnissen im 

fluB des Tageslaufes der Sonne auf den Wechsel Innem Afrikas (zumal nachts) fehlt. Noch diirf- 

der Winde, ferner II 8, 366 a 14ff. und 368 b 20ff.). tiger ist das, was wir von meteorologischen Leh- 

Auf die Behandlung der einzelnen meteorolo- ren des Straton wissen (vgl. u. Bd. IV A 

gischen Probleme durch Aristoteles kann hier S. 300, 13ff.). So will es nach dem jetzigenStande 

nicht naher eingegangen werden. (Durchaus w^ert- unseres Wissens scheinen, als ob die alten Peri- 

voU noch heute I d e 1 e r Meteorologia veterum patetiker zwar ebenfalls manche meteorologischen 

Graecorum et Romanorum, zumal er mit weit- Schriften verfaBt, aber in rein wissenschaftliehex 



345 Meteorologie (Poseidonios) Meteorologie (Poseidonios) 346 

Uinsicht gegeniiber Aristoteles kaum etwas von stark, daB man ihn leicht fiir nicht mehr und 

Eelang auf diesem Gebiet geleistet liatten. nicht weniger als einen Epigonen des Aristoteles 

Dieses Urteil darf sicher auch von E p i k n r halten konnte. Ja, es laBt sich an einem Bei- 

gelten, obgleich wir von dessen AuBemngen znr spiel, das wir hier vorfiihren, well es ungemein 

Atiologie der meteorischen Vorgange nnd Er- lehrreieh ist, in durchans uberzeugender Weise 

scheinungen sowohl in dem nnter seinem Namen zeigen, daB Poseidonios auch in der Grundkon- 

gehenden Brief an Pythokles sowie bei Lucrez VI zeption der Erklarung einzelner meteorologiseher 

eine wahre Fiille haben. Aber Epikur gibt hier Erscheinungen bzw. solcher, die die gesamte an- 

zu den einzelnen meteorischen Vorgangen nur tike M. zu den atmospharischen Vorgangen ge- 

•eine Auswahl verschiedener alterer Erklarungen, 10 rechnet hat, von der des Aristoteles so gut wie 

die er, wie wir Jetzt (vgl. o. S. 323, Off.) mit aller gar nicht abgewiehen ist, obgleich inzwischen 

:Sicherheit wissen, groBtenteils dem groBen Werke sehon eine ganz andere, in Wahrheit der der 

des Theophrast (den cpvoiKcbv do^at) verdankt. modernen Astronomic entsprechende, Auffassung 

Von eigener Forschung des Epikur ist hier keine von Wesen und Natur der Kometen aufgekom- 

•Spur; er -stellt (auf Grund alterer do^ai) nur ver- men und dem Poseidonios hinreichend bekannt 

schiedene Moglichkeiten rein physikalischer Er- goworden war. Ich meine die Eometentheorie, 

Marung der meteorischen Vorgange auf (der Leser die ich hier etwas naher bespreche, da sie fur 

kann sich dann darunter eine auswahlen), ohne die Geschichte der antiken M. tiberhaupt mehr 

sich fiir eine davon zu entscheiden, Denn ihm oder weniger charakteristisch ist, vor allem aber, 

Icommt es ja nur darauf an, einleuchtend zu 20 da sie leicht als typisch fur die Leistung des Me- 

machen, daB all diese vielberufenen meteorischen teorologen Poseidonios erscheinen und zur Be- 

Vorgange mit rechten Dingen, d. h. auf rein antwortung der Frage nach seiner wissenschaft- 

•nattirlichem Wege zugehen und keinerlei tiber- lichen Selbstandigkeit bzw. nach seiaem Verhalt- 

natiirliche Machte dabei mitwirken. Ist doch die nis zu seinen Vorgangern leicht als maBgebend 

Physik nach Epikur gerade und nur dazu da, den erachtet werden konnte. Denn liber die Kometen- 

Menschen von der Gotterfurdit und der Todes- theorie des Poseidonios konnen wrr dank R e h m s 

furcht zu befreien. So kommt Epikur als selb- mustergiiltigerUntersiuchung (S.-Ber.Akad.Miinch. 

standiger Forscher mit eigenen Gedanken und 1921, Philos.-philol. Kl. l8.) mit voUer Sicher- 

Ergebnissen fiir die Geschichte der wissenschaft- heit urteilen. Dazu ist es notwendig, wie dies 

lichen M. der Griechen nicht weiter in Betracht. 30 schon Rehm mit vorbildlicher Methode getan hat, 

Wie steht es demgegenliber mit der M. des sich die Kometentheorie des Aristoteles in den 

Poseidonios? Vor einem halben Menschen- Grundziigen klarzumachen, wie sie uns in seiner 

alter war die Ansicht unter den Poseidonios-For- Meteorol. I 7 vorliegt, aber auch I 6 (Kritik des 

schem noeh ziemUch allgemein, daB seine M. im iVristoteles an seinen Vorgangern) zur Verglei- 

Grunde doch nur eine Reproduktion der des Ari- chung mit der kriti,schen Doxographie des Po- 

stoteles, wenn auch mit allerlei Zusatzen, Erwei- seidonios heranzuziehen. Von den Vorgangern 

terungen, Modifikationen, Erganzungen im Detail des Aristoteles hatten Anaxagoras und Demokrit 

auf Grund eigener Beobachtung und Forschung, (vgl. Capelle N. Jahrb. 1919, 94ff.) die Kome- 

aber im ganzen doch nur eine gelehrte Neubear- ten fur einen ,Zusammenschein* (ovf^cpaaig) von 

beitung der des Aristoteles sei. Das muBte man 40 zwei Planeten erklart (Spiegelungstheorie). Da- 

um so mehr glauben, als sich viele Einzelerkla- gegen hatten die alten Pythagoreer gemeint, der 

rungen meteorologiseher Probleme dureh Posei- Komet sei einer der Planeten, der aber nur ganz 

donios mit denen des Aristoteles so eng beriihr- selten und nur niedrig iiber dem Horizont er- 

ten, daB man glauben konnte, Poseidonios habe scheine (Plane tentheorie), Ahnlich war die An- 

dabei den Text der M, des Aristoteles vor Augen sicht des Hippokrates von Chios und seines Schii- 

oder doch in erstaunlicher Weise im Gedachtnis lers Aischylos; nur meinten sie, dafi der Komet 

gehabt. Dazu kam, daB Poseidonios manche seinen Schweif (fcoft?]) nicht von sich selber habe, 

Grundeinteilungen und Grundauffassungen zwei- sondern daB dieser nur auf einer Reflexion (dvd' 

fellos aus Aristoteles' M. iibernommen hat, wie nXaoig) unserer oyjtg zur Sonne beruhe (Verbin- 
nicht nur die Scheidung der drei Reiche der sideri- 50 dung der Planeten- und der Spiegelungstheorie). 

schen, atmospharischen und irdischen Region (der Fiir Aristoteles, dessen Kritik an diesen Vorgan- 

eaelestia, sublimia, terrena bei Sen. nat. quaest.), gern I 6, 343 a 20 beginnt, war es nicht schwer, 

sondern insbesondere die Einteilung samtlicher diese archaischen do^ai zu widerlegen. Er selber 

meteorologiseher Vorgange und Erscheinungen in aber denkt sich die Entstehung der Kometen f ol- 

solche, die der trockenen, und in solche, die gendermaBen und entwickelt damit die dritte 

der feuchten dva'&vfxlaoig entstammem. Auch die antike Grundanschauung liber diese (die sog. Luft- 

eigentiimliche Lehre des Aristoteles von den ,na- wirbeltheorie). Aristoteles nimmt bekanntlioh (vgl. 

ttirlichen' Orten der Elemente hat Poseidonios o. S. 342, 68ff .) zwei Grundarten der irdischen dra- 

offenbar ohne Bedenken iibernommen, wahrend 'dvfilaoig, eine feuchte und eine trockene, an. Die 

er andererseits — das hatte zu denken geben 60 trockene und warme, die zu oberst der die Erde 

konnen — die altionische Lehre von der Ernah- umgebenden Dunsthiille lagert (als von Aristo- 

rung der Gestirne, insbesondere von S'onne und teles so genanntes vTtsKKav^a), aber auch noch 

Mond, aus den irdischen Gewassem beibehalten viel von der ihr benachbarten, unterhalb ihrer 

hat, eine Lehre, die doch schon von Aristoteles befindlichen, Luft, steigt (infolge ihrer Leiehtig- 

auf Grund tiberlegener Einsicht scharf abgelehnt keit und ihrer Tendenz nach dem ,naturlichen* 

war. Vor allem aber schien die Ahnlichkeit in Ort des Feuers) nach oben bis an den auBersten 

der Erklarung der einzelnen Probleme mit der Rand der irdischen Atmosphare (die nach Aristo- 

dos Aristoteles nicht nur in auBerer Hiasicht so teles, entsprechend uralter Vblksanschauung, bis 



847 Meteorologie (Poseidonios) Meteorologie (Poseidonios) 348 

zum Monde reicht; vgl. o. S. 320, 60ff.)j so dafi sie nen naehgewiesen hat, beinahe alle Argumente 
von dem Weltwirbel, der EyKvnXiog q)OQd^ er- des Aristoteles gegen seine Yorganger verwertet 
griffen nnd in diese hineingerissen wird (womit hat, entstehen die Kometen aus Verdichtungen 
augenseheinlich von Aristoteles die kreisformige {mirjij,ara, d-QOfji^cbosig) trockener Lnftmassen in 
Wirbelbewegung des A t h e r s gemeint ist). In- den ohersten Schiehten der Atmosphare, die dem 
folge dieser reiBend schnellen Bewegung wird Ather nnmittelbar benachbart sind, der ja nach 
die dva'&vf^laotg da, wo sie evTiQaxog ist, ent- stoischer Lehre durchaus feuriger Natur ist. Diese 
ziindet {eKnvQomai 344 a 14). Wenn nun in eine Luftverdicknngen, dnreh ihre Beriihrung mit dem 
solche Verdiehtung der trockenen dva'&vfA,laoig Ather in dessen Wirbel mit hineingerissen, ge- 
inf olge der von oben (d. h. aus dem Ather) kom- 1 raten alsbald in Brand nnd kreisen nun mit die- 
menden Bewegung eine dgxv ^vQoy^yi? (vgl. hier- sem zusammen solange herum, wie ihre ,Nah- 
zu Eehm 36) hineintriftt, die nicht zu stark rung* (aus der trockenen dva'&v/A,laoig) reicht. 
und nicht zu schwach ist, und zugleich von unten Hier haben wir genau dieselbe Grundkonzep- 
(von der Erde her) eine svKQaxog dva'&vfj,laoig tion der Erklarung der Kometen, d. h. ihrer Ent- 
aufsteigt, dann entsteht ein Komet, je nachdem stehung, wie bei Aristoteles. Poseidonios hat also 
die Dunstmasse geformt ist (344 a 21ff.). Und diese im Mnzip durchaus iibemommen, und das 
infolge der evcpvia des vneHKavixa verbreitet sich eben ist das Charakteristische, dafi er die duroh- 
dann die Flamme raseh in die Lange. Seine Be- aus das Eichtige treffende Kometentheorie des 
wegung aber und sein Bleiben an einem Ort Apollonios von Myndos, die von Seneca mit sol- 
scheinen der eines Planeten {doxYjQ) zu entspre- 20 cher Energie und tJberzeugungskraft verteidigt 
chen. Wenn nun in der unteren Region selber wird — dafi namlich die Kometen durchaus jen- 
(d. h. im Bereich der irdischen Atmosphare) der seits der irdischen Atmosphare existieren und, 
Anfang der ovomoig (der Zusammenballung und mit Seneca (nat. quaest. VII 22) zu reden, aeterna 
Verdichtung von Massen trockener dvad-vfAlaoig) opera naturae sind — , nicht angenommen. son- 
ist, dann ersebeint der Komet fiir sich selbst. dern scharf bekampft hat, auch hier, wenn aueh 
(Von dieser Art Kometen, also den echten Kome- unbewufit, im Bann der wissenschaftlichen Auto- 
ten, unterscheidet nun aber Aristoteles und mit ritat des Aristoteles. So zeigt er sich auch hier 
ihm spater auch Poseidonios, eine zweite, voUig nicht als ein epochemachender Forscher, der kuhn 
andersartige Gruppe, die ihre Entstehung darin ganz neue Wege betritt, sondem, wie wir gleich 
hat, daB sich an einem der Gestirne [der Fix- 30 sehen werden, nur als der ,behutsame Fortbildner' 
sterne oder der Planeten] infolge der Zusammen- aristotelischer Lehre (bzw. der des Epigenes), so 
baUung von trockener dvad'vi^laotg infolge der daB seine Kometentbeorie — auch darin hat 
Bewegung [des Athers] eine koiayj bildet, nicht Rehm voUig recht — nicht als eine besondere 
an dem Gestirn selber, wenn es auch fiir uns so Ruhmestat seiner Wissenschaft gelten kann. Er 
scheint, ahnlich, wie dies bei der aXcog um Sonne hat aber — auch das ist bezeichnend — auf 
oder Mond der Fall ist. Diese zweite Gruppe Grund eigener Beobachtung und der Beriieksioh- 
kann fiir uns hier auBer Betracht bleiben.) DaB tigung von Ergebnissen seiner Yorganger die 
diese ,Bildung' (ovoxaoig) der (echten) Kometen Lehre des Aristoteles in einzelnen Punkten er- 
aber wirklich feuriger Natur ist, wird auch durch weitert, wie Relmi gezeigt hat, vor allem im Zu- 
die Tatsache bewieisen, da,B die Entstehung der 40 sammenhang mit der Frage nach der ,Ernahrung' 
meisten Kometen Slturme und Diirre anzeigt. Sie der Kometen die Tatsache, daB sie vorwiegend 
entstehen eben infolge der tlberfulle einer sol- am Nordhimmel ersoheinen, und ebenso die 
chen Aussoheidung trockener dva-Ovf^laoig, so Eigenbewegung mancher Kometen sowie ihre 
daB die Luft notwendig trockener ist, wahrend Heiligkeitsschwankungen zu erklaren versucht. Er 
die feuchte Ausdiinstung infolge des tJbergewich- hat auch die Kometen nach ihrer verschiedenen 
tes der warmen und trockenen zersetzt und auf- Gestalt in einzelne Gruppen eingeteilt und — was 
gelost wird. — Wenn aber die Kometen nur sel- wichtiger ist — er hat die Region, in der sie 
ten und nur -vereinzelt und mehr auBerhalb als entstehen, gegeniiber einer gewissen Unklarheit 
innerhalb der Ekliptik erscheinen, so ist davon des Aristoteles (vgl, Rehm 37) scharfer be- 
die Ursache die Bewegung der Sonne und der 50 stimmt, wenn auch hierin nicht ohne Yorganger 
Planeten, die nicht nur die Warme ausscheidet, (Epigenes). Und sicher ist, daB Poseidonios das 
sondern auch jede Zusammenballung (von Diin- Kometenproblem und dessen verschiedene Lor 
steii) auflost; der Hauptgrund davon aber ist die sungsversuche, so wie sie ihm von seinen Vor,- 
Tatsache, daB der groBte Teil der trockenen dva- gangern tiberkommen waren, griindlieh durchge- 
'O'vixiaoig sich in der Region der MilchstraBe an- dacht, ja durchgearbeitet hat, aber im Prinzip 
sammelt..— So weit in Kurze die Theorie des neue Wege ist er hier wirklich nicht gegangen. 
Aristoteles, der wir die des Poseidonios gegen- Aber das Beispiel der Kometentbeorie ist trii- 
tibersteUen. (tJber unsere ,Quellen* dieser — ins- gerisch, wenn man ©s zur Beantwortung der Frage 
besondere Arrian. bei Stob. I 230, 16ff. W., Frag- — nach der Originalitat des Meteorologen Poseir 
ment des Poseidonios bei Maass Comm. in 60 donios oder nicht — als wahrheitsweisendes An 
Arat. reU. 546, 8ff. Diog. Laert. YIII 152. Sen. zeichen verwerten wollte. Man darf eben nicht 
YII 20, 2, vgl. II 13f. IleQi kooiaov 2, 392 b 2ff. die summarischen Exzerpte aus dem meteorologi- 
Lyd. de mens. lY 116 [S. 155, 7ff. W.]. Vgl. auch schen Handbuch des Poseidonios, wie sie in UeQl 
Stob. I 228, 15ff. [Lehre des Epigenes]; Herm. koojuov 4, bei Arrian, in der Isagoga II des Ano- 
XL 626ff. und jetzt vor allem Rehm a. 0.). nymus I bei Maass, bei Lyd. de ost. u. a. vor- 
Nach Poseidonios, der die gesamten Kometen- liegen, als Grundlage benutzen, wenn man das 
lehren seiner Yorganger genau gekannt und kri- eigentliohe Wesen der poseidonischen M. erfassen 
tisch gepruft hat, wobei er, wie Rehm im einzel> will. Hder konnten schon f ruber gewisse Gedan- 



349 Meteorologie (Poseidonios) Meteorologie (Poseidonios) 350 

ken, vor allem in Senecas naturales quaestiones, ausgestattete, schopferische Krafte ersehaut Ganz 
stutzig machen. So scheint bei Sen. II 22 der besonders gilt das von dem Element der Lnft 
Grundsatz der Erklarang des Blitzes als typisch (bzw. dem Pneuma) und der ihr innewohnenden 
flir die Methode der Naturerklarung des dort be- Spannung (rovog). Sehr gliicklich hat Reinhardt 
nutzten Autors (Poseidonios) iiberhaupt. Es wird hier den Kardinalnnterschied zwischen der chry- 
hier emplohlen, die (zwei) Arten der Entstehnng sippischen Lehre vom ro'Pog und der des Poseido- 
(Erzeugung) irdischen' Feuers festzustellen (durch nios festgestellt: bei Chrysipp ist der Begriff des 
Reibung, andererseits durch Schlag harten Metal- rovog im Grunde nur eine rationalistische Mate- 
les auf gewisses Gestein) und daraus zu schlieBen, rialisierung der aristotelischen eldrj; bei Poseido- 
daB dementsprechend auch die Entstehung des 10 nios dagegen ist dieser tovog eine durehaus in- 
Blitzes (= atmospharischen Feuers) sein musse. tuitiv (also nicht rein rational) erfaBte Lebens- 
Hierzu scheint der III 16, 4 ausgesprochene kraft (vis vitalis bei Sen. V 6). Denn der Autor 
Grundsatz crede infra, quicquid vides supra aus- der M. der rein systematischen Srtiicke bei Seneca 
gezeichnet zu passen. Und die Partie, in der ist ausgesproehen Vitalist, der nicht nur der q)v- 
dieser Satz steht, ist schon von S u d h a u s Aetna aig als Ganzem, sondern gerade auch den ver- 
74 als poseidonisch erkannt. Nattirlich liegt an schiedenen Elementen, d. h. Elementargewalten 
beiden Stellen der naturales quaestiones die tJber- ein eigenes Leben, eigene (aktive) Krafte zu- 
zeugung zugrunde, dafi -^ inf olge der E i n h e i t schreibt. Die Urkraf t dieser Elemente verf olgt 
des Kosmos — tiberall in diesem dieselben Natur- Poseidonios durch alle Bereiche der Natur in der 
gesetze gelten mtissen, eine Auffassung, die der 20 bunten FuUe ihrer Gestaltungen, die er in alien 
dualistischen Kosmologie des Aristoteles durehaus Lebens- und Naturerseheinungen mit umfassen- 
widerspricht. Das Zweite,- was gerade in Senecas der Universalitat auf einheitliche Urkrafte, die 
naturales quaestiones den hatte stutzig machen von ihm beinahe personlich geschaut werden, zu- 
konnen, der in Poseidonios dem Meteorologen nur ruckzufuhren sucht, wobei sich ihm die Urpoten- 
einen Epigonen des Aristoteles sieht, ist die liber- zen des Elements vor allem in der organischen 
aus haufige x4.nalogie zwischen der Erde und Natur offenbaren. Die Analogic der meteorischen 
einem C^ov (III 15. Pernor 'Ti 4, 2. Auch VI (ebenso wie der geophysischen) Yorgange mit 
3, 1, Andererseits VI 14 und 18, 6f. und 24, 2 denen in organischen Korpern ist ihm daher nicht 
[zu dieser Stelle insbes. Reinhardt 160]). nur, wie dem Aristoteles, eine blofie Metaphor; 
Dazu treten eigentiimliche AuBerungen von der 30 sie bedeutet ihm vielmehr das Wesen der Dinge 
vis vitalis der Luft (V 6 gegen Ende), womit die selbst. So ist ihm das Element der Luft nicht 
Stelle VI 16, 1 (vom Pneuma) augenscheinlich etwa ein Gemenge von Atomen, das von einzel- 
innere Verwandtsohaft der zugrunde liegenden nen Vacua unterbrochen wird (so Straton, vgL 
Anschauung zeigt. — Schon all diese Momente Bd. IV A S^ 290, 60ff. 294, 31ff.), sondern eine 
konnten daran erinnern, daB der diesen Stellen zu- ,gewachsene Einheit', d. h. nicht eine auBere, me- 
grunde liegende Physiker ein Stoiker, d. h. Pan- chanische, sondern eine innere, organische, wesen- 
theist, gewesen ist. Aber das tiefere, das eigent- hafte, eine Lebenseinheit. Nur aus solcher Ein- 
liche Wesen der poseidonischen M. iiberhaupt, heit heraus kann Poseidonios die verschiedenen 
die ja freili^h schon hiemach — zumal was ihre Grundeigenschaften der Luft, wie ihre Wider- 
philosophische Begriindung anbetrifft — von der 40 standskraft, Tragkraft, Elastizitat usw. verstehen 
des Aristoteles ganz erhebliche Unterschiede zeigt, und ebenso die Spannung der Luft als Bewegung* 
ist doch erst durch K. Reinhardt Poseidonios und endlich (in den Ccpa) als organische, schop- 
137ff. (in seinem Kapitel uber die M. des Posei- ferische Lebenskraft. — Diese wahrhaft vitali- 
donios) wirklich erkannt worden, der seine — hier stische Auffassung von der Natur wie von den 
wirklich n^eue — Auffassung von dem Meteorolo- einzelnen Elementen wirkt sich nun auch in der 
gen Poseidonios in durehaus iiberzeugender Weise M. des Poseidonios, die ein wiirdiges Gegenstiick 
durch seine von philosophisehem Geiste getrage- zu seiner groBartigen Geophysik ist, aus, und 
nen Darlegungen zur Geltung gebracht hat. Bei zwar und gerade auch in seiner Erklarung der 
seiner Untersuchung der naturales quaestiones einzelnen meteorischen Vorgange und Erschei- 
des Seneca als (direkte oder indirekte) QueUe furSOnungen, so der Wdnde oder der Gewittererschei- 
die M. des Poseidonios hat Reinhardt unzweifel- nungen ebenso wie (auf geophysischem Gebiet) 
haft richtig erkannt, daB in ihnen nicht die ,zete- der Erdbeben, des Grundwasserproblems und der 
matischen' Partien, die meist auf Asklepiodot Lehre von den Erdsaften und den Thermen. Denn 
zuriickgehen, sondern die rein s y s t e m a t i - in all diesen Erscheinungen off enbart sich die 
schen Ausfiihrungen den echten Poseidonios tiberrationale Eigenkraft der Elemente, der Luft 
offenbaren, und eben diese Stiicke zur Grundlage (des Pneumas) ebenso wie der Erde, die als ein 
seiner Sehliisse auf den die dort entwickelte M. tcpov keineswegs nur passiver Natur ist, sondern 
erftillenden, d. h. ihr zugrunde liegenden, sie tra- ganz bestimmte, ihr eingeborene, Urkrafte (auch 
genden G e i s t der Quelle des Seneca, d. h. des die der elementaren Bewegung) besitzt. Auf der- 
Poseidonios gemacht. Reinhardt hat ferner er- 60 selben vitalistischen Grundanschauung (oder sagen 
kannt, daB derGeist dieser systematischen Stiicke wir lieber: auf diesem selben neuen Natur-, ja 
gegeniiber Aristoteles, aber auch gegenuber der Lebensgefiihl) des Poseidonios beruht auch seine 
alten Stoa (Chrysipp) eine ganz neue Naturan- groBartige Anschauung von der Sonne und ihren 
schauung verrat, die sowohl die Natur als Ganzes mannigfaehen Kraften und Wirkungen, die ja go- 
als organiseh-schopferische Allkraft erfaBt, wie rade auch fur die meteorischen Vorgange und 
auch die gerade fur die M. so bedeutsamen Ele- Erscheinungen von tiefgreifender Bedeutung ist, 
mente der Luft, des Wassers und der Erde durch- Wirken doch in den meteorischen Vorgangen 
aus dynamisch, als aktive, mit Eigenbewegung himmlische und irdische Krafte zusammen. Ganz 



351 Meteorologie (Einzelnes) Meteorologie (Einzelnes) 352 

analog sehaut Poseiidonios auch das Meer als eine von Berges- und Wolkenhohen. Nach 

selbsttatige schoplerische Einheit, d. h. dnrchaus Aristoteles liegen die Gipfel der hoehsten Berge 

dynamisch-vitalistisch (noch Strabons bekannter jenseits der Wolken nnd Wmde (Meteor. I 3, 

Satz nXsiarov rj d'dXaxta yso)yQa(pei nxX, ist ein 340 b 36ff.; cpalvExai yaQ 7<al vvv rj rcbv dvsfA,(ov 

Nachhall dieser Anschauung) und ebenso den viel- ysveoig ev rdig Xi/n-vdCovoi rojzoig rfjg yfjg xal ovx 

bemfenen Kreislauf der Elemente als einen ,der vneQ^dllei [so zu lesen trotz Fobes, der vnsQ^dX- 

Lebenskraft des Alls entquellenden, organischen Xsiv liest] rd nvevfA,axa xcov vyjrjXoxdxcov [viprjXcov 

ProzeB'. Und wenn Reinhardt sagt, Poiseidonios v. 1.]; Sqcov. Vgl. Problem. 26, 36. 944 b 12ff.: 

habe mit seiner M. im Grunde ,Ursachenerkla- he enl xdlg oqpodQa viprjldig oQeoiv ov yivetat xd 
rung eines Mannigfaltigen in <^d. h. aus) einer 10 jrvev^ara olov em xw 'ii&cp nal xdlg aXXotg xdlg 

naturbedingten Einheit bezweckt', so ist dies xoiovxoig). Der Grund fur dieses Dogma scheint 

nachweislich richtig. Man braucht ja nur an Po- in der aristotelischen Physik zu liegen, wonach 

seidonios' Lehre von der Sonne und den mannig- die Winde nur im Tiefland, in ruhigen Luft- 

faehen Wirkungen ihrer Kraft in alien Bereicben schichten entstehen konnen; in den hoctisten Re- 

der Natur (von iden Gesteinen im Erdinnern liber gionen der Luft dagegen, die durch die nsQKpoQa 

die Pflanzen und Tiere bis hinauf zum Menschen xov bXov in Mitleidenschaft gezogen werden, ist 

und den verschiedenen Rassen infolge der ver- dies unmoglich (vgl. Meteor. I 2, 340 b 32ff., da- 

sehiedenen Klimata) zu denken, wie wir sie ins- zu die antiken Kommentare). Und well (infolge- 

besondere in dem Exkurs Diodors iiber Arabien dessen) die dxfxlg nieht so hoch reicht, fallt auf 
sehen, und wie es schon, lange vor Reinhardt, 20 den hohen Bergen weder Tau noch Reif (Meteor. 

E. Oder (Philol. Suppl. VII) auf Grund der I 10, 347a26ff.: yivsxai bh af^cpco [Tau und Reif] 

Diodorpartie glanzend ausgefuhrt hat, oder an al^glag xal vrjveixiag . . . orjj^stov 8s oxc ylvexai 

Poseidonios' allseitige Verfolgung, d. h. Beob- xavxa did xd /birj ttoqqco /LiexscoQiCeo^ai xrjv dxfj,lda' 

achtung und Ergrundung der mannigfaehen Wir- im ydQ xdlg oqsgiv ov ylvsxai ndxvr}). Es herrscht 

kungen der Erdbeben und ganz besonders des ja auch auf den hohen Bergen eine starke Luft- 

Vulkanismus, wie sie zum ersten Male S. S u d - stromung, die die Reifbildung verhindert (347 a 

ha us in seiner Erklarung des Atnagedichts als 34f.). Auch hagelt es auf den hohen Bergen 

urposeidonisch erkannt und dargestellt hat. auBerst selten (I 12, 348 a 20fE.). — (Hiemach 

So grundlegend hier aber Reinhardts Erkent- miiBte man annehmen, daB Aristoteles auch 
nisse von dem Geist, der ganz neuen, vitalisti- 30 Schneefall auf hohen Bergen fiir unmoglich ge- 

schen Naturanschauung des Poseidonios auch halten hat. Er kennt aber Schnee auf hohen 

sind, so ist damit tiber die M. des Poseidonios Bergen vom Augensohein [348 a 22f .] : wojzsq xal 

doch noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn xtjv x''Ova Sgco/uev im xdlg vyjrjXocg fxdXioxa yiyvo- 

es giibt doch zu viele meteorische Einzelerschei- fxevrjv. Trotzdem bleibt er bei seiner Ansicht, 

nungen, bei dene-n die vitalisti sche Grundan- daB die hohen Berggipfel jenseits der dxfA,ig lie- 

sehauung des Poseidonios gar keine oder doch gen. Er muB sich also wohl die Gipfel der hoch- 

nur eine ganz geringe Rolle spielen kann, wo sten Berge schneefrei gedacht haben.) 

vielmehr allein eine rein rationale, physikalische (tJbrigens nimmt Aristoteles an der Erage, 

Erklarung Platz hat, wie z. B. die Niederschlage. wie hoch denn die hoehsten Berge sind, noch 
Und es wird eine Forderung an die PMlologie 40 kaum Interesse. Daher iibernimmt er auch von 

der Zukunft bleiben, zunaehst einmal — syste- anderer Seite ganz unmogliche Angaben iiber 

jnatisch — auf Grund sorgfaltigster Kleinarbeit Bergeshohen, ohne sie tiberhaupt nachzuprtifen 

die samtJichen QueUen der M. des Poseidonios, [vgl. W. Capelle Berges- u. Wolkenhohen 13]. 

d. h. seiner Erklarungen jeder meteorischen Ein- Und die Hohe der Wolken bestimmt er nur rela- 

2;elerscheinung, zu sanmieln und auf Grund die- tiv und nur auf Grund rein theoretischer Er- 

^es Materials dann zu ergriinden, wie weit in wagungen.) 

dem Meteorologen Poseidonios der Vitalist, d. h. Diese Ansicht des Aristoteles, daB namlich 

der Naturphilosoph (oder soUen wir lieber sagen: die Gipfel der hoehsten Berge jenseits der Winde 

der Dichter oder der Seher?) den reinen Physi- liegen, steht nicht nur mit der Wirklichkeit in 
!ker verdrangt oder gar unterdriickt hat bzw. wie 50 Wider spruoh, son dem auch mit einer anderen 

sich in dem Bilde des Meteorologen Poseidonios physikalischen Grundanschauung des Aristoteles 

der intuitive ,Mystiker' und der exakte, rein selbst. Denn es herrscht, so lehrt er (I 10, 347 a 

xational-empirische Physiker miteinander mischen 341), auf den hohen Bergen eine so starke Luft- 

und vertragen. Hier bleibt (aUein schon in der stromung (infolge der iv kvkXm nsQtfpoQa)^ daB 

Durchforschung und Sammlung der QueUen) noch sich nicht einmal Reif dort bilden kann, wie wir 

unendlich viel zu tun. sahen. Und doch soUen die hoehsten Berggipfel 

Wie schon gesagt, eine wirklich selbstandige, jenseits der Winde liegen. Dieser ungeloste 

originale, selbst beobachtende und forschende M. Widerspruch scheint darauf hinzudeuten, daB 

gibt es nach Poseidonios bis ans Ende der Antike Aristoteles diese Ansicht anderswoher tibemom- 
und noch weit dariiber hinaus nicht mehr, so daB 60 men hat. Hier scheint wirklich noch die Home- 

hiermit diese historische Dbersicht ihren natur- rische Anschauung vom Olymp und der tiber ihm 

Mehen AbschluB findet. ewig liegenden Heiterkeit (Od. 44ff.) nachzuwirken 

Spezielle M.: einzelne besondere meteoro- oder ein weitverbreiteter Volksglaube. 

logische Probleme und Lehren, die auBerhalb Es fehlt bei Aristoteles hier noch durchaus 

des traditioneUen Problemkreises der antiken M. das Moment der Empiric, dank der er leicht hatte 

liegen. erfahren konnen, daB die hohen Berge keines- 

1. In hohem MaBe charakteristisch fiir die wegs jenseits der Wolken und Winde liegen. Es 

.antike M. sind die Meinungen der alten Physiker fehlt auch zur Bestimmung der Bergeshohen (eine 



353 Meteorologie (Einzelnes) Meteorologie (Einzelnes) 354 

Frage, die eben Aristoteles noeh kaum inter- turns — in der ,sich doch sogar ein interessanter 

essiert) noch jede Verwendung der Mathematik. Versuch zur Erklarung des ewigen Schnees finidet: 

Das Zeitalter der exakten Wissenschaften beginnt bei Gregor von Nyssa, Hexahem. S. 96 C 3ff. M,, 

eben erst, wenn aueh nnmittelbar, nach Aristo- vgl. G a p e 1 1 e 44f. — jede Spur, 

teles. Denn erst sein Schiiler Dikaiarchos unter- Wir vermissen gegenuber diesem Problem 

nimmt als erster mit Hilfe der Dioptra und bzw. gegenuber dem Dogma des Aristoteles, duroh- 

mathematischer Berechnungen Bergmessungen. aus das Moment der Nachpriifung auf Grund der 

Sein Motiv ist dabei ein rein wissenschaftliciBies: Empirie, d. h. der Autopsie. Aber niemand ist 

in dem Streit urn die Kugelgestalt der Erde will auf den Gedanken gekommen, die Saehe durch 
er diese gegen aJle Einwande sicherstellen. Und 10 Ersteigung eines oder mehrerer solchen hohen 

er zeigt auf Grund seiner Messungen, da.B selbst Berge selber nachzuprufen. Diese innere Ein- 

die hocbsten Berge viel zu klein sind, als dafi sie stellnng gegentiber einem bedeutenden natur- 

an der Kugelgestalt der Erde etwas andern konn- wissenschaftlichen Problem (d. h. der zur Tat 

ten (Cape lie 15). (tTber die antiken Nachfol- reizende Gedanke, die von anderer Seite behaup- 

ger des Dikaiaroh bei seinen Hohenmessungen tete Losung derselben gewissermafien durch Ex- 

Capelle 18ff.) periment nachzupriifen) ist eben modem, nicht 

Das Dogma des Aristoteles von den hohen antik. Im Altertum hat man hohe Berggifpfel 

Bergen, die jenseits der Wolken und Winde Me- nur aus religiosen Motiven (Hohenkult von Him- 

gen, hat sich trotz allem mit geradezu erstaun- melagottern) erstiegen (Cape lie 371). 
iicher Hartnackigkeit bis ans Ende der Antike20 2. Von besonderem Interesse sind die leider 

unbestritten behauptet. (So kann noeh Alexander sehr sparlichen Nachrichten antiker Physiker von 

von Aphrodisias zu Meteor. I 3 S. 16, 12ff. H. Klimaanderungen in Griechenland. Be- 

sagen: (bfA,oX6y7}rai ds oqt} ziva nal vneQvecpsXa stimmte AuBerungen hieriiber finden sich wohl 

Hal vneQYjvsfAa elvai tcxX. [vgl. Capelle 26]. nur bei Theophrast. c. pi. V 14, 2ff.: 

Und noeh im 8. Jhdt. n. Chr. finden wir dasselbe holI oXcog ol utqouqov ovx sxjirjYvvvrsg xoitoi 

Dogma bei Isidor von Sevilla, De nat. rer. 30, 5 naxeog ovrog rov aeQog vvv exnriyvvovoi^ Ka'&dnsQ 

und sonst [Capelle 43, 4].) ol ne^l AaQiooav rr^v ev QsrraXic^' rots [jlIv yaQ 

Ja, es gibt eine ganze Reihe spatantiker Auto- iveozrjKotog vdazog tvoXXov xal XsXifA,vo)f4£vov rov 

Ten — die augensdh.einlich alle auf die gleiche jcsdlov Ttaxvs 6 ar]Q rjv xal rj %(DQa d'SQfAoteQa. 
TJrquelle, wahrsoheinlich Pofieidonios (C a p e 1 1 e 30 xomav b^ k^axd-evtog xal ivlorao-&ai xwlvd-evrog 

28), zuriickgeben, der aber das Argument schon rj te x^Q^ yjvxQotsQa yeyovs xal [at] eTcnri^eig 

aus alterer (peripatetischer) Quelle iibemommen TtXsiovg- or^/usiov de Xeyovoiv, on rots [asv fjoav 

hat — , die als empirischen Beweis fiir das Dogma eXdai xal aXXo^i xat ev avtip rep aorei fxeydXai 

des Aristoteles die (angebliche) Tatsache verwen- xal xaXai, vvv 6e ovbafjuov^ xal at afjmeXot rots 

den, da6 die Asche von den Opfem auf den fA,sv ovx e^ejti^yvvvzo, vvv de noXXdxig, on ds ro 

hohen Berggipfeln noeh nach Jahresfrist unver- vSwq ovx del ipvxQozeQag jtotei, dXX* oneQ xal ro 

andert daliege. (Einige Autoren, wie Plutarch bei nQozeQov eXex'&r} or^/Lielov ro uteQi Aivov yevofxsvov 

PhUoponos zur Meteor. I 3 S. 26, 32ff. H., femer avzi] yaQ dXeeuvoveQa doxei vvv ysyovsvai TiXfjaiai- 

Olympiodor zu Meteor. I 3 S. 22, 26ff. St., spre- zeQov ovzog zov 'Tj^qov. ravrrj (abv o^v do^eiev av 
ohen gar von in die Asche eingesehriebenen Buch- 40 d Xejtzog drjQ nrixzixmzeQog slvar rfj ds ndXiv naxv- 

staben, die noeh nach Jahresfrist unverandert rsQog- dxivrjzozsQog yaQ, 6 6' svxlvrjzog sv:rtr]xz6- 

seien, vgl. Capelle 25ff.) In sehr merkwiirdi- zsQog ... 

ger Weise sucht einer dieser s:patantiken Kom- sv rs ^iXlnnoig nQozsQov fuv f^aXXov s^smrj- 

mentatoren von Aristotelesi* M. (Philoponos 33, yvwzo, vvv d^ enel xazanod-eig s^rjQavrai ro Tcksl- 

S.ff H.) theoretisch den Widerspruch zwischen der ozov rj rs x^Q^ naoa xdrsQyog yeyovsv fjzzov noXv* 

(angeblichen) Tatsache der noeh nach Jahresfrist xaizoi XenzozeQog 6 drjQ di* a^gpo) xal did ro dve^- 

unverandert auf den Berggipfeln daliegenden rjQdvd-ai ro vdwQ xal did ro xarsiQyda^ai rijv 

Opferasehe und der aristotelischein Lehre von der x^Q^"^' V 7^Q aQyog ipvxQorsQa xal naxvrsQov 

ev xvxXq) neQKpoQd, die die hoehsten Berge in exei rov deQa did ro vXcbdijg elvai xal fxrirs rov 
Mitleidenschaf t zieht, zu losen (vgl. Capelle 50 rjXiov 6[A,oioig diixvsio'&ai (xrjrs rd nvsvpiara dta- 

35, 1). Ob diese merkwiirdige Kompromifi-M. von jrveiVf d(A,a ds xal avrrjv exsiv vddzwv ovQQodg xal 

Philoponos selbst stammt oder auf einen alteren ovozdoeig nXeiovg^ o xal uieQi rag KQTjvidag r^v r&v 

Autor zuriickgeht, ist kaum zu entscheiden. Aber Bqcxxwv xazoixovvzwv anav ydQ ro nediov dev- 

sie klingt, schekit mir, stark nach Poseidonios. dQa)v nXfjQeg fjv xal vddzo)v: onoze vvv fxdXXov 

GemaB dem Dogma, dafi die hoehsten Gipfel {rj} (jiqozsqov exnrjyvvoiv e^r^Qafjifjievoiv rcov vdd- 

jenseits der Wolken und Winde liegen, hatten ro)v, ov rrjv Xem:6z7]za rov deQog alziazeov, wg 

die alten Physiker auf ihnen gar keinen Schnee riveg qpaaiv, 

annehmen diirf en (Capelle 43, 3). Denn sedne Aber hier handelt es sich nur um ganz be- 

Entstehimg ohne jede Wolkenbildung, bzw. ohne stimmte lokale Ursachen (die auf rix^i], 3- h. auf 
jede dzf^lg, hatte ihnen vollig unmoglieh ersehei- 60 Einwirfcungen von seiten des Menschen, nicht 

nen mtissen. Aber zur Aneikennung der TatsacUe auf der q?voig des Landes beruhen) von raumlioh 

selber zwang sie seit dem Alexanderzuge die Er- eng begrenzten Klimaanderungen, die Theo- 

fahrung, die fiir den Westen durch die Nachrich- phrast, der Botaniker, auch durch Wandlungen 

ten von Hannibals Alpeniibergang bestatigt wurde. in der Vegetation dort bestatigt sieht. Die an- 

Eben diese Erfahrung aber hatte jenes, mit sol- dere iStelle findet sich in dem Fragment De .ventis 

cher Hartnackigkeit festgehaltene Dogma umstur- 13f., wo Theophrast Nachrichten aus Kreta er- 

zen miissen. Davon fehlt aber in der meteorolo- wahnt, wonach die Winter dort jetzt viel stronger 

gisehen Literatur, selbst des ausgehenden Alter- als friiher seien, eine Behauptung, die durch fol- 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 12 



855 Meteorologie (Einzelnes) Meteorologie (Einzelnes) 356 

gende Argumente gestiitzt wurde: damals seien vironment*, m which animals live). — Der Aus- 

die Berge dort bewohnt und das Land reich bebaut druck (to nsQiexov) fur ,Klima* in unserem Sinne 

gewesen (GetreiideMder nnd Baumpflanzungen). findet sich, scheint es, erst in hellenistischem 

Denn damals habe es doch viel Regen gegeben, Griechisch. In diesem Sinne spricht Theophrast 

aber keinen Schnee nnd keine harten Winter, h. pi. I 3, 5 vom arjQ neQUx(ov. Vgl. femer 

Jetzt dagegen sei das Bergland dort unfrucht- Strab. I 9C (p. 11, 18 Mein.) und insbesondere 

bar und liege unbewohnt da. Theophrast laBt I 2C (p. 2, 19 Mein.): xrjv evKQaoiav tov nsQi- 

die Sache unentsehieden, reehnet aber mit der sxovxog (wo noeh deutlich die eigentliche Bedeu- 

Mogliehkeit ihrer Wahrheit. Ein Grund fiir die tung der umgebenden Luft durehschimmert). 
behauptete Klimaanderung dort wird hier tibri-lOl 7C (p. 8, 27ff. Mein.); axinwxa Ttal fisYs^ 

gens nicht angegeiben. Jedenfalls reehnet auch xai djioari^f^ara ?cal xXlfmra drjkovvtes xal ^dXnrj 

hier Theophrast nur mit einer lokalen Klimaande- >cal y^vxv ^«* ojiXcog tf]v tov neQisxovxog q>voiv. 

rung. Und an beiiden Stellen handelt es sich Plutarch Alex. 52 (== VS II 146, 13f.) spricht 

offenbar um solche, die in geschichtlicher Zeit, von der HQdoig tov neQiexovtog), 
d. h. seit Menschengedenken erfolgt sind. — DaB ubrigens in Griechenland in historischer 

Ganz anders liegt die Sache bei Aristoteles, der Zeit, von den Tagen Homers bis auf die G^gen- 

in dem benihmten Kap. I 14 der M., wo er unter wart (von lokalen Veranderungen abgesehen) von 

der Perspektive des heraklitischen Udvxa qsI vom wirkMchen Klimaanderungen gar keine Rede sein 

Werden und Vergehen von Landem und Meeren, kann, hat schon I d e 1 e r Meteorologia veter. Gr< 
Flussen und Volkern im Lauf der unendlichen 20 et Rom. 206ff. treffenid gezeigt und seitdem vor 

Zeit spricht und dabei auch grofie, wenn auch allem Neumann-Part sch 88S. Vgl. auch 

raumlich begrenzte Erdperioden annimmt, auch J. Part sch Agyptens Bedeutung fiir die Erd- 

mit Anderungen des Klimas reehnet, die, ent- kunde (Lpz. 1905) (betr. der alten Mittelmeer- 

sprechend dem sich allmahlich vollzieheaden lander iiberhaupt). 

Weehsel von Land und Meer, erfolgen (I 14. 3. Etn singulares Stuck antiker, d. h. helle- 

352 a 5ff.), z. B. in Argos und Mykenai, Ergeb- nistischer M. ist uns bei Diod. Ill 50, 4^5 Ende 

nisse, die er auf Gruiid von Spekulation, ge- erhalten, Hier wird nichts Geringeres als die 

nauer auf Grund von Vergleichungen zwischen ,Fata morgana* der libysehen Wuste in er- 

Homerisehen Angaben und gegenwartigen Zu- staunlich ansSiaulicher Weise beschrieben, dabei 
standen, jedenfalls nicht infolge unmittelbarer 30 auch, auf Grund intimer Kenntnis, im Gegensatz 

Empirie gewonnen hat. Ubrigens hat schon der zu dem Eindruek, den das Phanomen auf den 

alte Platen mit ahnlichen Moglichkeiten gerech- Fremden macht, auf das Verhalten der Eingebo- 

net, an jener Stelle der Gesetze (VI 782 a f.) renen, falls sie einmal auf ein solehes treffen, hin- 

namlich, wo er von ozQocpal wqcov navxdiai und gewiesen. Und dann wird c. 51 unter Bezug- 

ihren Folgen spricht, die sich auch auf die Kul- nahme auf xivhg twv q?vci?ccov, die es untemom- 

tur der Rebe und Olive erstreckten. men haben, die alriai einer solch paradoxen Er- 

Dies, d. h. in Wahrheit das, was sich bei scheinung zu ergriinden, eine rein wissensohaft- 
Theophrast findet, ist aber, soweit ich sehe, auch liohe, streng physikaliseh-geographische bzw. me- 
alies, was die antike M. zur Frage von bestimm- teorologische Erklarung der Fata morgana ge- 
ten Klimaanderungen innerhalb Griechenlands zu 40 geben, die hier freilich nur angedeutet werden 
sagen hat, da ihr Beobachtungsfeld noeh zu eng kann. DaB diese Atiologie des wunderbaren Pha- 
und die Zeitraume, die sie tibersah, noeh zu kleia nomens, ebenso wie ihre vorhergehende Beschrei- 
waren. Auch hier ist offenbar die Spekulation bung, nicht Diodors geistiges Eigentum ist, be- 
(Pkton — Aristoteles) der empirischen Forschung darf keines Wortes. Es laBt sich auch wahr- 
(Theophrast) weit vorausgeeilt. scheinHch maehen, ja meines Erachtens geradezu 

(tTbrigens bedarf es wohl kaum der Belege beweisen, zumal wenn man gewisse Ergebnisse 

dafiir, daB sowohl ,Klima* wie ,Atmosphare*, zum von Immischs ,Agatharehidea* beriicksiditigt, 

mindestens seit Aristoteles, ganz klare Begrifie daB diese Partie des Diodor aus Agatharchides 

der antiken M. sind. In den uns erhaltenen Frag- stammt. (Fiir moglich hat dies schon Schwartz 
menten der Vorsokratiker findet sich der Aus- 50 Bd. V S. 673 erklart, wenn er auch meinte, daB 

druck TO ji€Qi€xov, wie es scheint, fiir ,Atmo- das nioht strikt bewiesen werden konne.) Aber 

sphare* zuerst bei Anaxagoras (frg. 2 und 14). die streng physikalische Erklarung der ,Fata 

Anaxagoras gebraucht das Wort a]£r erst in all- morgana* diirfte kaum das Eigentum des Agath- 

gemeinerer Bedeutung == der uns iiberhaupt um- archides sein, zumal an verschiedenen Stellen 

gebenden Stoffmasse, vgl. frg. 2. In ahnlicher stratonische physikalische Begriffe und Termini 

Weise wird es einmal in der hippokratischen durohschimmem (vgl. insbes. 51, 4f. die Worte: 

Schrift De morb. W 44 (566, 4 v. u. Littre) ge- . . . tov xsvov xai tfjg aQaicoascog snioncofisvrig . . . 

braucht. Ahnlich, d. h. im Sinn (des uns (die M'qovv vno tfjg ndXiv Qvixr}g . . . evXoyog vno tov 

Erde) umgebenden Weltraums scheint es von owaxoXovd'ovvtog eidcoXov yjaveo&ai toig 6y?ioig* 
Demokrit gebraucht, falls Aristoteles (VS II 22, 60 rovto dh xatd trjv nQog to oteQSfiviov nQoontoaofrV 

27f.) hier seine Ausdrucksweise iibernommen hat. TteQi&Qv^so^ai xal navtaxod-ev uiQooxeofisvoy xata- 

Vgl, von Demokrit insbesondere ViSi 55 A 106 yjvxsiv td ocbfiata twv nsQitvyxo-vovtoiv), so daB 

(aus Aristoteles), wo die Ausdrucksweise der des man vermuten darf, daB letzten Endes diese Atio- 

Aristoteles iiber die gleiche Lehre des Leukipp logic der ,Fata morgana* von Straton selber her- 

entspricht (VS H 8, 23ff.; aus Aristot. de anima riihrt, der ja wahrend seines Aufenthaltes in Ale- 

404 a 10, wo Hicks in seinem Kommentar xandreia leicht von dieser seltsamen Erscheinung 

S. 216 zu den Worten tov nsQisxovtog erklart Naheres gehort haben kann. JedenfaUs aber atmet 

,the surrounding atmosphere*, ,the physical en- diese Erklarung des Phanomens, mag sie auch 



357 Meteorologie (Literatur) Methodiker 858 

Diodor zunaehst dem Agatharchides verdanken, physikalische Geographic v. Griechenland. Bres- 

echt stratonischen Geist. Und sicher bedeutet lau 1885. Zeller Philosophie der Griechen F 

dieser Exkurs Diodors ein wirklioh kostbares, in (bearb. von W. Nestle), Lpz. 1920, II 2^ (Neu- 

der uns erhaltenen Literatur leider einzig da- druck), Lpz. 1921. E. Oder Ein angebliches 

stehendes, Stiiek hellenistischer M. gegenliber Bruehstiici des Demokrit usw. (Philol., Suppl. 

einem nagado^ov Libyens, das den Griechen erst VII [1898] 23 Iff.). S. Sudhans Aetna, Lpz. 

dureh den Handelsverkehr und die Expeditionen 1898. 0. Immisch Agatharehidea, Heidelberg 

der Ptolemaerzeit bekanut werden konnte. 1919. K. Reinhardt Poiseidonios, Miinchen 

Im tibrigen sei hier nur noch auf ein paar 1921. W. Capelle Herm. XL 614ff. XLV 
besondere Probleme der alten M. hingewiesen, 10 321ff. XLVH 514ff. XLVIII 32 Iff.; Philol. LXXI 

die sieh zum Teil anderswo schwer eingMedem 414ff. 449ff.; Die Schxift von 4et Welt, Lpz. 1905 

lassen. Da ist eine alte Prage die nach der Ur- (=: N. Jahrb. 1905, 529ff.).; Die Nilsehwelle (N. 

sache der weifien Farbe des Schneeis, der dbch, Jahrb. 1914, 317 — 361); Berges- u. Wolkenhohen 

geschmolzen, alsbald zu farblosem Wasser gewor- bei grieeh. Physikem (c= Iltoix^la V), Heidel- 

den ist, eine Frage, deren Losung in der griechi- berg 1916; Art. Erdbebenforschung 

schen M. eine lange Geschiehte hat, die von den Suppl. -Bd. IV S. 344; Art. Straton, H.Diels 

Vorsokratikern (Anaxagoras, vgl. o. S. 334, 33) bis Doxographi Graeci, Berl. 1879; Die Fragmente 

auf Poseidonios und seine Ausschreiber reicht. der Vorsokratiker I. II^, Berl. 1912. Dazu die 

Aber sehon friih haben griechisehe Physiker rich- ,Nachtrage', Berl. 1922. Aristot. Meteorol. ed. 
tig erkannt, dafi die Weifie des Schnees, der 20 Fob es, Cantabrigiae Massachutensium 1919. 

groBtenteils aus Pneuma (d. h. eingeschlossener Aristot, de mundo ed. W. L. Lorimer, Paris 

Luft) besteht, eben diesem verdankt wird. Vgl. 1933. A. Rehm und K. Vogel Exakte Wissen- 

iiber dieses physikalisch-optische Problem Herm. schaften, Gercke-NoMen, Einl.'* II 5, Lpz. 1933. 

XLV 321ff. [W. CapeUe.] 

Ein amderes Problem, das ebenfalls eine lange Methodiker. Die methodische Schule ist neben 

Geschiehte und daher schon in der Antike eine der dogmatischen unid der empirischen die wich- 

reiche Literatur erzeugt hat, ist die Frage nach tigste Arzteschule der Kaiserzeit. Ihr Mterarisches 

der zweckmafiigen Einteilung des Horizonts und Werk ist verloren, bis auf einzelne Biicher des 

damit der Winde, d. h. die Win dro se, bei der Soran (die griechisch iiberlieferten: Soran, ed. J. 
die achtstrichige des Aristoteles und die zwoH-30 Ilberg, Lpz. 1927, CMG IV, die in lateinischer 

striohige des Poseidonios eine besonders starke tlbersetzung erhaltenen: Caelius Aurelianus, de 

Nachwirkung auf die Folgezeit, d. h. bis ans morbis acutis et chronicis, iiber die Ausgaben 

Ende der Antike und weit dariiber hinaus gehabt 1 1 b e r g Vorlaufiges zu Caelius Aurelianus, S.- 

haben. Vgl. hierzu insbesondere Kaibel Herm. Ber. Sachs. Ges. phil.-hist. El. LXXVII 1925, 

XX und hiergegen, insbesondere betr. des Poisei- H. 1,7). Die zahlreichen Fragmente sind noch nicht 

donios, Capelle Die Schrift von der Welt 14ff., gesammelt. Es fehlt jede Darstellung der Lehre, 

wo aber die Zeiehnung zu beriohtigen ist; ferner die sie im Zusammenhang der allgemeinen Ent- 

H, Steinmetz De ventorum descriptionibus wicklung zu verstehen suehte; nur Arbeiten zur 

apud Graecos Romanesque (Gottingen 1907), Chronologie und zu einzelnen Arzten der Schule 
dessen Polennk gegen mich freilich verf ehlt ist 40 sind gemacht. Das Material findet sich am voll- 

(vgl. E e h m 80f .), und jetzt vor aUem A. R e h m standigsten in den Geschichten der Medizin (J. 

Grieeh. Windrosen (S.-Ber. Akad. Mlinoh., Philos.- Fr. K. He c ke r Gesch. d. Heilkunde, Berl. 1822, 

philol. Kl. 1916, Iff.). I 394ff. K. Sprengel ^ersuch einer pragma- 

Endlieh sei hier noch auf ein seheinbar ab- tischen Gesch. d. Arzneikunde, Halle 1823, IF 

seits liegendes, aber doch fiir die Geschiehte der 28ff. H. Haeser Lehrbuch d. Gesch. d. Med., 

Weltanschaung und der Physik nicht unriehtiges Berl. 1863, I^ 268ff. 304ff. R. Fuchs Geisch. d. 

Gebiet hingewiesen, die sog. ,Asitrometeorologie*, Heilkunde bei d. Grieeh., Handb. d. Gesch. d. 

beidersiohzweiBberzeugungen gegeniiberstehen: Med., Neuburger-Pagel, Jena 1902, 328S.). 

die einen sehen in den Gestirnauf- und -unter- I. Anh anger der Schule, chrono- 
gangen und ihren Begleiterscheinungen nur a3?-501ogischeFragen. Als Anhanger der Schule 

/zeia, wahrend die andem den Gestimen, und werden genannt: Thessalos, Themison, Proklos, 

zwar nicht nur Sonne und Mond und den andem Reginos, Antipatros, Eudemos, Mnaseas, Philon, 

antiken Planeten sowie den Kometen, sondern Dionys, Menemaichos, Olympikos, ApoUonides, 

aueh den Fixstemen eine direkte Wirkung auf Soran, lulian (Gal. X 52-— 53K.). Die meisten 

die Witterung zuschreiben, eine Anschauung, die dieser Arzte werden auch in der ps.-galenischen 

zwar — bezeichnenderweiso' — von Poseidonios sloaycoyrj angefiihrt (XIV 684 K.; statt VXvfima- 

geteilt, aber von Geminus c. XVH {uzsqc imorj- ?e6g ist VXvfimxog zu lesen, vgl. M. We 1 1 m a n n 

fiaotcbv twv aoTQcov) auf das soharfste bekampft Herm. LVII 406, 4). Sonst wird noch M. Modius 

wird, moglieherweise nach Panaitios, wie Erwin Asiaticus erwahnt (Kaibel Epigr. graec. 306. 
Pfeiffer zu erweisen sucht, der dieses ganze60116). "Dber Zeit, Leben und Lehre der einzelnen 

Gebiet zum erstenmal im Zusammenhange und vgl. die entsprechenden Artikel der R.E. und M. 

mit gutem Erfolge behandelt hat, wenn auch Wellmann 396ff. (uber Meges, den er noch 

einzelne seiner Ergebnisse anfechtbar sind (Uroi- nennt, vgl. S. 360, 50). Mehr enthaltende Listen 

X£ia II, Lpz. 1916). geben Unsicheres oder Falsches. 

Literatur. J. L. Ideler Meteorologia AUgemein gilt als Griindef der methodischen 

veterum Graecorum et Romanorum, Berl. 1832; Schule Themison von Laodikea, selbst ein Schiiler 

Aristotelis Meteorologicorum libri IV, 2 voll., Lpz. des Asklepiades von Bithynien, dessen Anschau- 

1834—1836. Neumann und Partsch Die ungen er in seiner neuen Lehre nur umformte; 



359 Methodiker Methodiker 360 

Thessalos, zur Zeit Neros, soil dann die metho- methodischen Schule. Aber Themison steht zur 

dische Systematik vollendet haben (so zuletzt Metho de doch in edner besonderen Beziehung: 

We 11 maun 396. 401. 405). Diese Anschauung quomodo Themison scribens eelerum passionum 

geht auf den Verfasser der ps.-galeniseben eioa- curationes antiquorum peccatis assentiens quae- 

yo}yr\ zuriick, >der sagt: iLcs'&odiH'^g de fJQ^s f^sv dam incondita dereUquit, nam necdum purgaverat 

Bsfiiacov 6 Aaodixevg rfjg UvQtag tiolq 'AokXrjmd' suam sectam et oh hoc phreniticorum ordinans 

Sov rov loyiKov 8q)odiao'&€tg elg xrjv svqsoiv tfjl curationem quibusdam erroribus implicatur, ip- 

fxs'&obtxfjg alQsosoyg, heXelcoos de avtrjv @eooaXd$ sius quoque inspicienda sunt singuki (16, 1557- 

6 TQaXhavog (XIV 684 K.). Aber das kann nicht Er hatte schon eine eigene Schule, als er das von 

riehtig sein. 10 Caelius zitderte Werk sehrieb, aber er machte im 

Denn Galen selbst, der einmal Asklepiades, Sinne des Caelius, im Sinne der M. noch Fehler, 

Themison und Thessalos als diejenigen bezeich- die er spater, nachdem er seine Sekte gereinigt 

net, auf die die Elemente der metho dischen An- hatte, vermied. Denn: haec nunc Themison phre- 

schauung zuriickzufiihren seien (olg sc. Xoyoig , . . nitieis eurandis ordinavit. sed post ex methodica 

wv 6 Ao7ihf\7iiabrig nal Sefjuiocov xal SeaoaXog secta multa bona contulit medicinae (165). Erhat 

E'd'evzo xa aroixela XVIII a 256 K.), nennt doch spater Lehren der methodischen Schule aufge- 

Thessaloa den Griinder der Schule (rov rfjg atQe- nommen und so sedn eigenes System von Fehlern 

oewg avtwv [se. rcbv fM'&odixcbv] aQ^avta ©eooa- frei gemacht. Die methodische Schule ist also 

Xov I 276 K.) und die M. die Schtiler des Thes- auch nach der Meinung des Soran unabhangig 

salos und Thessaleer (rovg xrjv &eooaXov nQeoPev- 20 von Themison entstanden, sie ist nicht von ihm 

ovxag aiQeaiv, ol and vov BeaoaXov X 305 K. gegriindet worden, der vielmehr, nach Soran, 

ol OeoodXeiot X 269 K,). Themison ist der, der selbst durch die Methode beeinfluBt worden ist. 

vor Thessalos die Wurzel der Schule legte {nQo Ob auch Soran in der Lehre des Themison den 

xovxov o xrjv QtCav avxoig xfjg kfiTtXri^lag xavxrjg Ausgangspunkt der M. sah, bledbt ungewifi. Er 

vTzo^sfAsvog X 52 K.), aber nicht ihr Griinder. behauptet dagegen, was Oelsus und Galen nicht 

Damit stimmt auch tiberein, was Celsus sagt: sagen, daB Themison noch von den M. gelernt 

,Gewisse Arzte unserer Zedt behaupten, auf Grund habe, dafi er sogar Naehfolger des Thessalos s©i, 

der Lehre des Themison, wie sie selbst es aage- daB er Thessalos als Zeugen anfiihre (Themison 

sehen wissen woUen, folgendes . . . eine Modi- . , , in quibusdam errare eognoscitur nondum sec- 

zin . . ., die sie dahih definieren, daB sie gleich- 30 tam methodum respiciens, m. ch. II 1, 57; veterum 

sam ein bestimmter Weg sei, den sie Methode methodicorum . . . alii solutionem ut Thessalus 

nennen* (quidam medici saeculi nostri, sub auc- manifestat atque eius decessores ut Themison, II 

tore ut ipsi videri volunt Themisone, contendunt 7, 96: Themison vero iudicavit attestante Thes- 

. . . medieinam . . . quam ita Rniunt ut quasi viam salo, II 13, 188). Die Entwicklung des Themison 

quandam qudm fied'odov nominant . . . esse conten- ist nach Soran kompliziert. Er war in seiner 

dant, 26, 12 Mx.). Also auch nach der Meinung Jugend Schiiler und Anhanger des Asklepiades 

des Oelsus ist Themison nicht der Griinder der (vgl. auch m. ch. I 4, 140. 5, 179). Dann gnindete 

methodischen Schule; die M. berufen sich nur er eine eigene Schule, die er spater wieder nach 

auf ihn und stellen ihre Lehre als Ergebnis der methodischen Lehren umgestaltete, so dafi er in 

seinen, als Interpretation seiner Anschauungen 40 manchen Fragen wie ein M. sehrieb (m, ch. V 2, 

hin. Celsus fiihrt als Behauptung der M. an, was 51), er konnte sieh nicht an sein eigenes Gesetz 

Galen ftir Tatsache halt: die Lehre des Themison halten (m. ch. I 5, 179). 

ist die Wurzel der Methode. Weil Themison nicht Die Ubereinstimmung von Celsus, Soran und 

der Areheget der Schule ist, sondern nur der, von Galen in ihren Angabon liber Themison macht 

dessen Lehren sie ausgeht, kann Celsus die M. die einzige ihnen entgegenstehende Behauptung 

auch als Rivalen des Themison {Themisonis der pseudogalenischen sioaycoyi^ unglaubwiirdig: 

aemuli 27, 17) bezeichnen; seine Schiiler konnte Themison kann nicht der Areheget der methodi- 

er so nicht nennem. Wer die Methode gegriindet schen Schule sein (da seine eigene Schule nicht 

hat, sagt Celsus nicht. Themison selbst hat nach die methodische ist, ist ein Sbhiiler des Themison 

ihm nur die asklepiadeische Lehre in bestimmten 50 auch kein M., darum ist es Meges nicht, gegen 

Punkten geandert und damit die eigene Lehre Wellmann 405). Ist aber Thessalos der Grlin- 

geschaffen (ex cuius [sc. Asclepiadis] successori- der der Methode, wie Galen sagt und wie Soran 

bus Themison nuper ipse quoque quaedam in se- andeutet, der von Thessalos und seinen Anhan- 

nectute deflexit, 18, 31 — 19, 1). Als einer der gem spricht (Thessalus et eius sectatores, m. a. 

Naehfolger des Asklepiades ist er aber Dogma- I 1, 22), wenn er die M. meint? Auf welche Zeit 

tiker (wie die iibrigen ,aemuli Asclepiadis^ ist die Griindung der Schule anzusetzen? 

20, 24). Thessalos war zur Zeit des Nero der ange- 

Auch nach Soran hat nicht Themison die sehenste Arzt: eadem aetas Neronis prindpatu ad 

methodische Schule gegriindet. Caelius Aurelia- Thessalum transilivit (Plin. n. h. XXIX 6); er 

nus schildert idie Behandlung der Phrenitis nach 60 widmete eines seiner Biicher dem Nero (Gal. X 

der Lehre der Schule (haec est secundum metho- 7 K.). Genaue Angaben iiber seine Lebenszeit sind 

dum curatio phreniticae passionis) und gibt dann nicht erhalten, aber selbst dann, wenn er auf der 

die Meinung anderer Schulen und ihrer Meister Hohe seines Erfolges unter der Regierung des 

wieder (dehine aliarum seetarum principes quid Nero schon ein Mann von iiber 60 Jahren war, 
ordinaverini persequamur, m. a. I 11, 99). Er kann die methodische Schule von ihm kaum vor 

spricht fiber Dioklos, Erasistratos, Asklepiades dem Ende des 2. oder dem Anfang des 3. Jahr- 

und schlieBlich iiber Themison, er reehnet ihn zehnts n. Chr. gegriindet worden sein. Wie stim- 

also zu den Piihrern anderer Sekten, nicht zur men dazu die anderen chronologdschen Angaben? 



861 Methodiker Methodiker 862 

Celsus sagt, Arzte seiner Zeit, seiner Genera- ware um diese Zeit ein Mann van iiber 70 Jahren 

tion (medici saeculi nostri, 26, 12) hatten die gewesen; so kann er noch von Thessalos und der 

Medizin,diesiele'hrfcen,Methodegenannt(26,23ff.). Methode gelernt haben, wie Scran behauptet. 

Von Irzten der Generation des Celsus ist also der Anch von diesem Ansatz ergibt sieh also etwa dde 

Name der Methode zuerst gebraucht worden, von gleiehe Griindungszeat wie unter der Vorans- 

ihnen muB die Schnle gegriindet worden seiii. setznng, daB Thessalos der Griinder der Sehule 

Celsus schreibt gegen das Ende der Regierung ist. Es spricht nichts dagegen, daB Thessalos der 

des Tiberius, etwa um 30 n. Chr.; die Sehule Archeget der Methode war (selbst wenni man den 

kann darum friihestens am Anfang des 1. Jhdts. Tod des Asklepiades auf 40 v. Chr. setzt, wie es 
n. Chr. entstanden sein. Keinesfalls ist es mog- 10 etwa aus der an sich nicht zwingenden Datierung 

lich, die Sehulgriindung auf das Ende der Re- Wellmanns folgen wtirde, ware bei sonst 

publik oder gar auf das J. 40 v. Chr. zu setzen gledchen Annahmen die eigene Lehre des Themison 

(Wellmann 396; es gibt fur diese Datierung im 1. Jahrzehnt des 1. Jhdts. n. Chr. entstanden. 

keinen Anhalt mehr. Antonius Musa, der den Themison ware allerdings, wenn die Methode 

Kaiser Augustus 23 v. Chr. behandelte, anderte, nach 20 n. Chr. gegriindet wurde, damals schon 

wie W e 1 1 m a n n meint, die Lehre des Themison. liber 80 gewesen). 

Da aber Themison nicht der Griinder der Me- Warum nennt aber Celsus den Thessalos nicht, 

thode und seine Lehre nicht die methodische isl;, warum schweigt er liber den Griinder der Me- 

ist damit iiber die methodische Sehule nichts thode? — In seinem Zusammenhang muBte er 
ausgesagt. tTbrigens scheint Antonius Musa nicht 20 den Arehegeten der Sehule nicht nennen; daB er 

die Lehre des Themison sondern die des Askle- von gewissen Arzten sprieht, die die Methode ver- 

piades verandert zu haben, dessen Horer er ja treten, hat fast etwas Verachtliches, wie Celsus 

wie Themison war. Nach Celsus hat auch The- tiberhaupt das methodische System voUkommen 

mison [ipse quoque 19, 1] die Lehre des Askle- ablehnt. 

piades geandert, andere taten also das gleiehe. Es ist durchaus wahrscheinlich, daB Thessalos 

Piin. n. h. XXIX 6 berichtet, es sei die Sekte des die Methode griindete. Die einzige widersprechende 

Asklepiades wie alle friiheren verlassen worden; Angabe (Gal. XIV 684 K.) ist jedenfaUs schon 

spricht er von Anderungen des Themisen und deshalb unglaubwiirdig, weil die sie bedingende 

dann von solchen des Musa, so wird also gegen Voraussetzung, daB Themison der Begrunder der 
Wellmann zu emendieren sein: sed et i/^a 30 Methode gewesen sei, sicher falsch ist. Sie scheint 

[sc. placita Aselepiadis] mutavit). DaB die metho- auf eine Interpretation der GalensteUe zurucfczu- 

dische Sehule friihestens am Anfang des 1. Jhdts. gehen, aus der die ps.-galenische Sehrift selbst 

gegriindet wurde, ist sicher. die Liste der von ihr liberlieferten Anhanger, 

Die Voraussetzung der Methode ist die Lehre wenn auch unvollstandig, ubernimmt (Gal. X 

des Themison, iiber dessen Lebenszeit keine ge- 52f. K.). Themison hat, wie Galen sagt, vox dem 

naue Nachrieht erhalten ist; es steht nur fest, daB Wirken des Thessalos die Wurzel der Methode 

er den Asklepiades gehort hat {auditor eius [sc. gelegt, daraus entstand (jLS'd'obiKfjg be ^q^b iiev 

Aselepiadis] Themison fuit, Plin. n. h. XXIX 6). &sf/,locov . . . hsXelcoos 8k avtr^v ©eooalog . . .; 

Asklepiades kam spatestens 91 v. Chr. naeh Rom die Wichtigkeit des Thessalos fiir die Grundung 
(vgl. Wellmann Ilbergs Jahrb. XXI 1908, 40 der Sehule stand ja nach den anderen Angaben 

685). Wair er damals ungefahr 30 Jahre (ich des Galen fest*). Moglich ist aber auch, daB Thes- 

nehme ein etwas anderes Alter an als Well- sales erst spater als Hauptvertreter der Methode 

m a n n 396, der die Bliite des Themison auf die herausgehoben und aus sachlichen Grtinden zum 

J. 90 — 80 setzt), so kann er bis etwa 30 v. Chr. Arehegeten der Sehule gemacht worden ist. Viel- 

gelebt haben, da er im hochsten Gredsenalter leicht hatte die methodische Sehule am Anfang 

starb (suprema in seneeta, Plin. n. h. VII 37). ebensowenig wie die empirische ihre Lehre auf 

Wann Themison sein Schuler war, ist nicht iiber- den Namen eines Menschen gestellt, sondern sieh 

lief ert. War er es als junger Mensch, wie es nur nach ihrem Prinzip genannt (vgl. D e i c h - 

nattirlich ist, etwa mit 20 Jahren (Themison ... g r a b e r Die griech. Empirikerschule, Berl. 
seque inter initia adseripsit illi [sc. Asclepiadi], bO 19^0 y 43, 11). Vielleieht bringt Celsus, der als 

Plin. n. h. XXIX 6; nach Soran ist Themison als Zeitgenosse schreibt, 'dieser Tendenz entspreehend 

junger Mann noch in Fehlern des Asklepiades keinen Namen. Soran und Galen, die die histo- 

heiajOigen [in iuventute, m. a,. H 12, S4:]), undhoite rische Entwicklung aus einem groBen zeitHchen 

er den Asklepiades kurz vor dessen Tod, so wiirde Abstand iibersehen, fiihren dann Namen an, wie 

die Anderung, die er an seinen Lehren vornahm, man spater auch Griinder der empirischen Sehule 

etwa in das 2. Jahrzehnt des 1. Jhdts. n. Chr. angeben zu konnen glaubte. 

fallen, da er sie als Mann von iiber 60 Jahren Die am Anfang des 1. Jhdts. n. Chr. wahr- 



machte (in senectute, Celsus 19, 1; proeedente 

vita, Plin. n. h. XXIX 6). Viel friiher kann die *) Die historisehen Angaben des Galen wer- 

eigene Sehule des Themison auch nicht gegriindet 60 den also, wie es der Tendenz der ps.-galenischen 

worden sein, da Celsus sagt, es sei unlangst ge- Sehrift entspricht, doxographisch-isagogiseh zu- 

schehen (nuper, 19, 1); mit dieser Zeitangabe rechtgem-acht (vgl. Diller Herm. LXVIII176/77). 

spricht er auch noch an einer anderen Stelle von Will man wegen der wahrscheinlichen zeitlichen 

Themison (105, 27) wie von Caissius (28, 23). Da Naihe derbeiden Schriften eine direkte Abhangig- 

die neue Lehre des Themison die Voraussetzung keit nicht annehmen, so miiBte man hier wie im 

der Methode ist, ist diese selbst friihestens im folgenden mit einer gemeinsamen Vorlage und 

2. Jahrzehnt des 1. Jhdts. n. Chr., vielleieht aber einer je nach der Eigenart der Autoren versehie- 

auch erst im 3. Jahrzehnt entstanden. Themison denen Wiedergabe rechnen, 



363 Methodiker Methodiker 364 

scheinlich von Thessalos gegrtindete Schule hat stehen in einer Polemik gegen ihre Anschaunng) : 

bis zum Ende des 2. Jhdts. eine grofie Anzahl qui, cum disputant, quemadmodum sanis homini- 

von Schiilern gehabt. Trotzdem die M. mitein- bus agendum sit^ praeeipiunt, ut gravibus aut 

ander tiber fast alle wichtigen Fragen stritten locis aut temporibus magis vitetur frigus, aestus, 

und die Grundlehren verscbieden faBten {oi . . . satietas, labor, libido; magisque ut conquiescat 

anavteg aXlYjXotg re xal rco SeooaXcp ditjvix'&rjaav isdem locis aut temporibus, si quis gravitatem 

Gal. X 35 K.), blieb die aufiere Einheit der Schule corporis sensit, ae neque vomitu stomaehum neque 

gewahrt. Die ps.-galenische shaycoyi^ stellt 3 M.: purgatione alvum sollicitet (Oelsiis 28, 28—34; es 

Olympikos, Menemachos und Soran den anderen ist nach dem Wortkut unmoglich [istis auciori- 
gegeniiber und sagt, dafi sie mit den vorher ge- 10 6ws], die zitierten Satze mit Wellmann 399 

nannten tiber bestimmte Punkte in Streitigkeiten als Fragment aus einer dogmatischen Schrift des 

geraten seien (disoraolaoav ds uibqI rivcov iv avzfj Themison zu bezeichnen). 

Gal. XIV 684 K.). Scheinbar waren also die Die Lehre tiber die Behandlung der Kranken 

anderen miteinander einiger, und die Differenz unterscheidet sich dagegen grundsatzlieh von der 

zwischen diesen dreien und den tibrigen M. war empirischen und dogmatischen Theorie. Denn die 

besonders groB. Darum hat man von einer Um- M. glauben, dafi es nicht notig sei, die erkrankte 

bildung Oder Neubildung der Methode dureh Korperstelle oder tiberhaupt eine Ursache der 

Olympikos gesprochen und auf Grund dieser Krankheit zu kennen; auch Alter, Konstitution 

Stelle ihn und seine Anhanger als Jung-M. den des Patienten, seine Gewohnheiten, Klima unid 

Alt-M. gegentibergestellt (Wellmann 406ff.). 20 Gegend sind gleichgtiltig ftir die Behandlung. 

Dazu geben die Worte keinen AnlaB, zumal doch Die Krankheit allein lehrt, was man wissen mufi 

Streitigkeiten der M. untereinander in Fragen (Gal. Ill 12, 14 — ^20). Der Arzt braucht also 

der Lehre so haufig sind. Die Gegentiberstellung keine anatomischen oder physiologischen Kennt- 

scheint aus der gleichen Schrift des Galen ent- nisse, keine aUgemeinen oder spezieUen Atio- 

nommen zu sein, aus der die Liste der Schul- logien, er beobachtet nur bestimmte allgemeine 

angehorigen und die Chronologic der Schulgriin- Zustande (eommunia, xoivoxrjxsg) desKorpers. In 

dung stammt. Denn Galen zahlt zuerst Thessalos, der Diatetik gibt es drei solcher Kommunitaten: 

Themison und eine Reihe von M. auf und sagt, die Trockenheit, die Fltissigkeit des Korpers und 

tiber ihre verschiedenen Lehrmednungen soUte einen aus beiden gemischten Zustand so wie dessen 

vielleicht einmal spater geredet werden, und zu- 30 Abwandlungen nach den verschiedenen Stadien 

sammen mit denen, die jetzt genannt worden der Krankheit: . . . mediei . . . contendunt nullius 

seien, soUte dann auch tiber Menemachos, Olym- causae notitiam quicquam ad curationes perti- 

pikos, Apollonides, Soran und lulian gesprochen nere; satisque esse qiuxedam eommunia morborum 

werden (dXXa rffg fiev eTisivcov 8m(pcovlag 'locog av intueri, si quidem horum tria genera esse, unum 

Ttots Tiai voreQov slrj fjLvrjfjLovevoai, xal ovv avtoXg adstrictum, alterum fluens, tertium mixtum. nam 

ys xdig vvv elQYjfAevoig rov . . . Mevsfjiaxov Hal . . . modo parum excernere aegros, modo nimium, 

VXvfiTtisidv — xal jijioXXcovtdov xat HcoQavov xal modo alia parte parum, alia nimium: haec autem 

. . . lovXiavov Gal. X 53 K.). Wie in der Liste der genera morborum modo acuta esse, modo longa, 

tibrigen Schulangehorigen sind nicht alle von et modo increscere, modo consistere, modo minui 

Galen angeftihrten Namen wiederholt, ihre Reihen- 40 (Celsus 26, 12; vgl. Gal. Ill 12, 20-43, 12). Es 

folge ist etwas geandert. Aber die Kontrastierung gibt also eigentlich nur drei Krankheiten, und 

gerade dieser beiden Gruppen geht offenbar auf das sind solche des ganzen Korpers. Was den 

den galenischen Text zurtick. Galen selbst deutet Namen dieser Kommunitaten angeht, stimmen 

mit keinem Wort an, dafi etwa die Abweiehung alle M. miteinander uberein, aber sie verstehen 

der spater genannten Arzte von der Methode unter ihnen Verschiedenes. Wahrend die einen 

grofier sei als die der anderen, und es gibt auch trocken und flussig nach den nattirlichen Aus- 

kein anderes Zeugnis fur idiese Behauptung. Man scheidungen bestimmen, erklaren viele andere 

muB also annehmen, daB die Schule trotz aller Trockenheit und Fltissigkeit ftir Zustande des 

sachlichen Differenzen die auBere Einheit wahrte. Korpers : nveg (a,sv yaQ . . . xaig Kaxh tpvaiv Ik- 

II. Lehre. Angaben tiber die methodische 50 ^qIosoi naQafxexQovot x6 oxsyvov koI x6 Qowbsg, 

Lehre finden sich vor allem bei Celsus und Galen loxof^ivcov (xbp avxwv oxsyvcooiv ovo/^dCovxsg x6 

(nQog TQaov^ovXov neQi aQioxTjg alQeaecog I 106ff. ndd-og, d[xexQCog 6' skhqlvoiasvcov qvolv, aXXoi 

K.; neQi aiQsoecov xdlg eioayofAevoig scr. min. Ill ^s xiveg . . ., ovh oXlyog xoQog, iv avxacg xcov 

ed. G. Helmreich, Lpz. 1893, Iff.) und in der ocofidxcov raig diad'sosoi xa nd-&7] (paolv slvai nal 

ps.-galenischen eloaycoyrj (Gal. XIV 674 K. ; vgl. f^s/LKpovxal ys dsivwg xdlg slg x6 TisvovfjLsvov dno- 

tiber das Material als ganzes Wellmann 400. ^Xmovoiv (Gal. Ill 23, 6 — 12; vgl. X 35 K.). 

406). Keiner der erhaltenen Berichte gibt die Die Behandlung folgt unmittelbar aus den 

Lehre voUstandig; aus alien zusanmien aber laBt beobachteten Kommunitaten; sie besteht darin, 

sich das System rekonstruieren. daB der Arzt den dier Krankheit entgegengesetzten 

Die Diatetik der Gesunden, die die M. wie 60 Zustand herbeizufuhren versucht. Den trockenen 

fast alle antiken Arzte lehrten, ahnelt der Dia- Korper muB er feucht machen, den feuchten zum 

tetik der anderen Schulen. Aus der einen kurzen Trocknen bringen. Auch die Behandlung richtet 

Nachricht, die erhalten ist, wird deutlich, daB die sich vor allem auf den ganzen Korper, der ja 

M. die Individualitat des Menschen, die Verschie- krank ist. Je nach der Verschiedenheit der Kom- 

denheit des Klimas und des Ortes ebenso be- munitaten und der Stadien ist dieses Ziel ver- 

achteten wie Dogmatiker und Empiriker: estque schieden zu erreichen: cognito igitur eo, quod ex 

etiam proprium aliquid et loci et temporis istis his est, si corpus adstrictum est, digerendum esse; 

quoque auctoribus (den M.; denn diese Worte si profluvio laborat, continendum; si mixtum 



365 Methodiker Metbodiker 366 

mtium hahet, oceurendum subinde vehementiori seinem Ausmafi festgelogteis Vorgehen: to /lev 

malo. et aliter aeutis morbis medendum, aliter s^co'&ev, <hg oxoXcytp xal §sXog xal ndv otisq aXXo- 

vetustiSy aliter increseentibus, aliter subsistenti- tQiov^ kvdeltevvxat r^y teXslav e^aiQsatv, tcov de kv 

bus, aliter iam ad sanitatem inclinatis (Cels. 26, r^ ocofiazi to /lisv t^ ronq) aXXorgiov thg ino- 

18; vgl. Gal. Ill 13, 12 — 19). Nur nach diesem ;^v^a . . . svdsixvvtm rr}v fisxd^soiv ^ anoxata- 

einen Grundsatz ist die Lebensweise des Kranken oxaoiv els rov Xbiov xonov. x6 be T<p fxsyii^ei d^Xo- 

zu wahlen uBd sind die Mittel zu geben, deren xqiov d>g xd ajtoaxi^fiaxa ... xd ptsv dtaigiasi iaov^i 

Eigensfchaftien man aus der Erfahrung kennt xQV<^^<^^j '^« ^^ nsQiaiQsaei xsXeiq xcov nsQixxmv 

(Gal. I 119 K.). Mehr als die Kommunitaten xd de x'^ iXXeiy^et dXXoxQiov ovx (og ns^ixxsvov, dXX' 
braucht der Arzt nieht zu beobachten {horum oh- 10 cog hbeeg, olov xd xoXo^cbfjiaxa ... to dvcmXr}- 

servationem medicinam esse, Cels. 26, 23). Qovod-ai imCTjxei fiat evdeixwxai (Ps.-Gal. XIV 

In der Chirurgie glauben einige M. ebenfalls, 681 K.). Die verschiedenen Falle weiden also d^ 

mit den drei genannten Kommunitaten auskom- verschiedenen Kommunitaten untergeordnet, fiir 

men zu konnen (koI neiQcovxal y' ol fxev xcov xaxd die genau angegeben ist, wie weit der arztliche 

diaixav voorjf^dxcovy evioi 6e nal ndvxcav dnXwg Eingriff jeweils gehen mu6, so dafi der Chirurg, 

bvo xoivoxrjxag imdeixvvvac pcai xiva xqIxtjv fzixxi^v der die Kommunitat beobachtet, sogleich weiB, 

Gal. ni 12, 23 — 13, 2). Die meisten aber nehmen was er zu tun hat. In der Diatetik, bei der Ver- 

besondere chirurgische Kommunitaten an und ordnung von Mitteln liegt es komplizierter. 

unterscheiden einen doppelten Eingriff, je nach- Obwohl die M. sich in ihrer Theorie von den 
dem ob ein Fremdkorper von auBen her in den 20 Dogmatikem und Empirikern unterscheiden, han- 

Korper eingedrungen ist oder ob sich von innen deln sie doeh in der Praxis ahnlich wie jene (z. B. 

her im Korper selbst eine Geschwulst bildet: a! Gal. Ill 20, 2ff.). Es steht fiir sie zwar unbedingt 

8e iv xeiQovQfiaig xoivoxTjxeg xaxd xr]v xov dXXo- fest, daB die Behandlung den entgegengesetzten 

xQiov vne^aiQeoiv. bixxdv be xo dXXoxQiov, rjxoi ydg Zustand bewirken muB, aber sie geben nicht jedem 

i^coMv eoxcv, 7] xcov iv xcp acb/uaxi, xd (xsv e^cod'ev Menschen jede Mediizin, sie beriicksichtigen das 

dnXovVf xQia be eibt) xcbv ev acofjiaxi (Ps.-Gal. XIV Alter des Patienten. Sie wenden, wenn sie auch 

681 K.; vgl. Gal. I 193 K. eine kurze Angabe der vor allem Mittel fiir den ganzen Korper geben, 

chirurgischen Kommunitaten; scr. min. Ill 15, fiir seine verschiedenen Telle nicht die gleichen 

8ff. Sext. Emp. Hyp. 1 238). Es gibtalso im ganzen Arzneien an, was man erwairten soUte, da d^s er- 
vier chirurgische Kommunitaten, die einen Ein- 30 krankte Organ ihrer Theorie nach keine Bedeutting 

giiff erf ordem. W e 1 1 m a n n 400 behauptet, die hat. Und doch stiitzen sie sich nicht wie Dogma- 

chirurgischen Kommunitaten seien erst von Thes- tiker und Empiriker auf atiologische Erkenntnisse 

sales, jedenfaUs erst spat unterschieden worden, oder auf Beobachtungen iiber das Alter, die Kon- 

da Celsus in seinem Bericht iiber die methodisehe stitution der Menschen oder die Jahreszeiten, aus 

Schule nichts iiber sie sage. Celsus erortert aber denen jene die Differenz der Mittel erschliefien 

in der Einleitung zu seinem Werk, in der er (z. B. Gal. Ill 6, lOff. 19, 20ff.), sondem nur auf 

auch von den M. spricht, nur die diatetischen die Kommunitaten und die Stadien der Krank- 

Lehren der verschiedenen Schulen, wie er aus- heit. Aber die Erkrankungen werden den drei 

driickiieh hervorhebt (19, 4), und behandelt also Hauptkommunitaten, dem Pesten, dem Fliissigen 
die methodisehe Chirurgie ebensowenig wie die 40 und dem Gemischten, je nach der Verschieden- 

empirische und dogmatische. Da die Angaben des artigkeit dei betroffenen Organe, untergeordnet, 

Galen iiber die Lehre der M. mit denen des Celsus ahnHch wie in der Chirurgie. So zerf allt die 

iibereinstimmen, soweit ein Vergleich moglich ist, qpXeyf^ov^ in eine trockene und eine gemisehte 

kann man die von ihim und Slpateren beschrie- Erkrankung. Zur trockenen gehoren Entziindun- 

benen chirurgischen Kommunitaten als die alte gen an der Hand, am Fufi, an Armen und Beinen, 

Lehre der Schule ansetzen; daB sich die M. zu- an den Schenkeln und jedem anderen Korperteil, 

erst nicht um die Chirurgie kiimmenten, wie an dem keine Absonderung nach auBen stattfindet, 

Wellmann meint, ist sehon an sich unwahr- zur gemischten Form gehoren die Erkrankungen 

scheinlich. Anhangsweise gehort zu den chirurgi- des Mundes, der Augen und der Nase (Gal. Ill 
schen Kommunitaten die prophylaktische: eoxt be 50 29, 252.). Damit ist eine Verschiedenartigkeit 

jtaQd xdg ev x^^Qov^ylaig xeaoagag fcoivoxrjxag xal der Behandlung nach der Verschiedenheit der zu- 

xd XeyovfA^evov jiQoqpvXaxxixdv elbog, o Tiol avxd elg grunde liegenden Kommunitat erreicht, und die 

Kotvoxrixa xdxxexai ml xcbv brjXrjxrjQicov xal xo^i- M. miissen ebenso individuell wie die Andern 

Kcbv xal lopoXcov Ttdvxcov xal baxexcov . . . (Ps.- behandeln. Und in gleicher Weise werden alle 

Gal. XTV 682 K.; diese Unterscheidung ist viel- Krankheiten je nach dem Unterschied der affi- 

leicht erst spat, vgl. S. 368, 18). Sie umfaBte also zierten Organe verschiedenen Kommunitaten an- 

Vergiftungen und ahnUche Falle. gehort haben, wodurch jeidesmal schon eine 

Der Arzt muB aber nicht nur wissen, daB man andere Behandlung gegeben war. 

bei bestimmten Erscheinungen eine trockene oder Dann aber bestimmt auch die GroBe der Kom- 
feuchte Lebensweise vorzuschreiben und Mittel 60 munitat die Dosierung der Heilmittel (to {xiyed'og 

zu geben hat, die einen entgegengesetzten Zu- twv xocvoxrjxcov . . . evbeixwxai fisye&og fiorjdif}- 

stand hervorrufen, 'daB man Fremdkorper ent- f^dxcov Gal. I 194 K.). Wenn die M. wie alle 

femen muB. Es kommt fiir ihn darauf an, zu Anderen bei alten Menschen nicht dieselben Heil- 

wissen, in welchem MaB er die Lebensweise mittel verwandten wie bei jungen (Gal. IH 20, 

andern soil, welehe Medikamente in weleher 3ff.), und in jeder Jahreszedt andere (ebd. 20, 

Dosis anzuwenden sind, wiegroB der chirurgisohe 16ff.), so brauchten sie nur anzunehmen, daB die 

Eingriff sein muB. In der Chirurgie folgt aus Kommunitaten, die ja doch in den einzelnen Fal- 

jeder Kommunitat ein genau bestimmtes und in len immer verschieden sind, im Alter und in der 



367 Methodiker Methodiker 368 

Jugend, in den einzelnen Jahreszeiten nicht gleich Theorie und Praxis der M. bestehen (z. B. Gal. 

stark auftreten; dann konnten sie aus dieser Ver- HI 188, 24ff. vom empirischen Standpunkt aus, 

schiedenheit der Kommunitaten eine DiSerenzie- 22,19 yoiJi dogmatischen). Schliefilich wurd'en die 

rung der Behanidlung ableiten. So folgte wieder Grundbegriffe der Methode, Kommunitaten und 

aus der einen Beobachtung praktisch das gleiche, Stadien, die Art der Folgerung aus ihnen einer 

was ftir Dogmatiker und Empiriker erst aus ein«r eingehenden Kritik unterworfen und fiir pbilo- 

Fiille Yon Beobachtungen sich ergab. sophisch unhaltbar erklart (z. B. Gal. I 162 K.). 

AuBerdem wurde die Dosierung der Mittel und Wie sich die M. auf diese Angriffe verteidigten, 

der Lebensweise nach dem Stadium der Krankheit ist nicht uberliefert; daB sie sich verteidigten, 

eingerichtet (oiovrac rov KaiQov rov vooi^fA,atog 10 nnd mit guten Griinden, ist sicher. Denn die 

Tiors {Mv rijv 'tQoq)rjv, noxe be zrjv noiav xQo^prjv Gegner, aus deren Bericht allein die Methode be^ 

evbelavvo'd'ai Gal. I 211 K.). Auch Celsus hatte kannt ist, schweigen nur gegen besseres Wissen 

schon davon gesprochen, dafi man nicht nur nach tiber die Antwort der M. auf die gegen sie er- 

der Verschiedenheit der Grundkommunitaten son- hobenen Vorwurfe. So laBt Galen einmal den Em- 

dern auch nach der Versehiedenheit der Stadien piriker Einwendungen machen, deren Wid^r- 

verschieden behandeln miisse (26, 2 Iff.)* So wird legung durch den M. in den Angriffen desDogma- 

auf Grund eines scheinbar nur das Allgemeine tikers vorausgesetzt ist (vgl. Ill 26, lOff. mit 

beriicksichtigenden Systems doch eine indivlduelle 21, 4ff.; d^gegen ist nicht sicher zu entscheiden, 

Behandlung moglich. (Im iibrigen yergleiche man ob die Einfiihrung der prophykktisehen Kom- 
zu der MittelMre der M., zur GestaltungderDia-20 munitat [Gal. Xiy682 K.], die den ehirurgischen 

tetik der Kranken und zur Chirurgie die Hand- Kommunitaten angehangt scheint, nicht erst 

bticher und vor allem Th. Meyer- Steineg durch die Argumentation der Gegner [Gal. HI 

Das medizinische System der M., Jenaer medizin- 18, 24ff.] veranlaBt ist; in diesem Fall ware also 

histor. Beitrage, Jena 1916; dort sind diese Era- die Polemik berechtigt und vor der Anderung 

gen vom sachlioh-medizinischen Standpunkt aus der Lehre eine Verteidigung unmoglich gewesen). 

behandelt). Schwierigkeiten und damit die MogHchkeit zu 

AUe Grundsatze der Behandlung glaubten die Einwanden bestehen wirklich. Die Vermisehung 

M. als Wissen i^evbei^ig), nicht etwa nur als Be- dogmatischer und empirischer Prinzipien ist un- 

obachtung (-criQYjoig) hinstellen zu konnen. Sie klar. Der Verzicht auf alles, was in der friiheren 

waren darin mit den Dogmatikern einig, daB Er- 30 Medizin erprobt worden war, ist schwer verstand- 

fahrung fiir den Arzt nicht ausreiehe, und be- lich. Wider spruchsvoU scheint vor allem der me- 

kampften aus diesem Grunde die Empiriker. thodiscbe GrundbegriJf, die evdei^ig rcov q?aivo- 

Andererseits leiteten sie ihr Wissen nicht wie die (Aevwv. Alle Erkenntnis soil aus den Erscheinun- 

Dogmatiker aus logischen tJberlegungen, sondern gen abgeleitet werden, aber sie soil doch mehr 

aus den Erscheinungen selbst her, aus denen die als Beobachtung, svdei^cg nicht xriQrjoig sein. Wie 

Empiriker die Erfahrung gewannen; sie behaup- kann aus den Erscheinungen mehr als Beobach- 

teten eine svdei^ig rcov q)aivo^8v(ov. So nehmen tung folgen? Wissen ist doch nur aus logischer 

sie in der Begriindung ihrer Lehrsatze eine eigen- Argumentation moglich (uber svdei^ig als dogma- 

ttimliche Zwischenstellung zwischen Dogmatikern tisch-logischen Begriff vgl. z. B. Gal. Ill 5, 17ff.; 

und Empirikern ein (Gels. 26, 26ff. Gal. Ill 14, 40 uber xrjQrjoig als empirischen Begriff und seine 

8ff.). Da sie aber mit absoluter Giiltigkeit ihrer Versehiedenheit von der dogmatischen svdsi^ig 

Erkenntnis rechnen und den individuellen Ge- ebd. 7, Iff.). Wie kann sich der M. demgegentiber 

gebenheiten theoretisch keinen Raum lassen, sagt verteidigen? 

der Verfasser der ps.-galenischen sloaycoyi^ mit Sextus Empiricus, der meint, daB der Skep- 

Recht: ol ds f^s&odtKol xal bC oXov smarrjfZTjv tiker nur der methodischen Arzteschule angehoren 

avrrjv (sc. rijv laxQiKYjv) anoxaXovotv (XIV 684 K.). dtirfe, da sie allein skeptisch sei (Hyp. I 236), 

Dabei umfaBte ihr System nicht viele Lehrsatze; sagt: coouisq o^v naxa rrjv dvdyxr^v rcov nad'cov 6 

sie konnten fur sich in Anspruch nehmen, dafi OTcejitiKog vjtb ixev blyjovg im noxov SbrjyeTrai, vno 

sie alles, was der Arzt wissen muB, in sechs Mo- be h/uov sm tQoq^rjv, Kal enl n, rcov aXXcov 6fj,olcog, 

niaten zu lehren imstande waren (Gal. Ill 15, 13). 50 ovrcog xal 6 fjied-obiTcog iaxgog vtzo rcov nad'wv em 

Und sie betrachteten es zugleich als den groBten ra xardXXrjXa obrjysirai, vno [asv orsyvcooecog enl 

Vorteil (to [xeyiorov dyad'ov) ihrer Lehre, daB xrjv j^a^j^coafj^, wg 7caraq)evyet, rig dnb rfjg bid 

manalsM. so wenig zu lernen habe (Gal. 14, 17ff.). y>vxog emrerafjievov nv?cvc6oecog enl dUav, vno 

HI. Einwande gegen die Lehre; be gvoeoyg enl rrjv inox'yjv avrfjg, wg xal ol 

philosophische Voraussetzungen; h §aXaveiq» IbQwn noXXco neQiQQeo^jievoi >tal 

historische Abhangigkeit. Gegen die e>eXv6jLievoi enl rrjv enox^jv avrov naQayivovrai 

metho'dische Lehre haben die Gegner schwerwie- xal bid rovro enl rov ipvxQov deQa xaracpevyov- 

gende Einwande erhoben. Sie haben zu zeigen oiv (238). Er parallelisiert also das Gesetz, nach 

versucht, daB die Methode kein selbstandiges Sy- dem sich der Skeptiker in seinem Handeln 

stem, sondern je nachdem, wie man sie verstehe, 60 richtet, dem Grundsatz, nach dem der M. den 

ein tibertriebener Dogmatismus oder ein platter Kranken heilt. Und wie fiir ihn der Sprach- 

Empirismus sei. Dazu bedeute die Vernachlassi- gebrauch in der skeptischen und methodischen 

gung der Beobachtung von Jahreszeiten und Ort- Schule voUkommen miteinander ubereinstimmen 

lichkeiten, das AuBerachtlassen der menschlichen (239), versteht er auch die evbei^ig rcov qpaivo- 

Konstitution eine Verengung, die die Behandlung fievoov skeptisch: ?cal ro rfjg evbei^ecog ovo/m dbo- 

der Menschen in eine Reihe mit der Behandlung ^dorcog naQ<xXafA,^dvei (sc. 6 fj.e'&obiKog) dvrl rfjg 

der Ti ere stelle (Gels. 27, 17ff.). Die Polemik hat and rcov qpaivof^evcov nad'cov rcov re xard (pvoiv 

auch die Widerspriiche aufgezeigt, die zwischen xal rcov na^d cpvoiv obrjyi^oecog enl Tcardlhrjla 



369 Methodiker Methodiker 370 

shac boxovvxa, <x>g xal enl dlipovg nal em Xifiov Behandlung wird als das Beschreiten des von den 

Kai rcov aXXcov vTzefiifjLvrjoTiov (240). Wie jeder Erscheinungen vorgezeichneten Weges betrachtet 

Affekt notwendigerweise seine Befriedigung dnrch (vgl. Wellmann 403). Zugleich bedingt die 

Herbeifiihrung des entgegengesetzten Zustandes Skepsis der Methode den eigenartig zwischen 

erzwingt, so verlangt der ausgetrocknete Korper dogmatischer nnd empiriseher Medizin vermit- 

des Kranken Fliissigkeit, der feuchte Troekenheit. telnden Standpunkt. Der Skeptiker, der am Ende 

Diesem in den Erscheinungen liegenden Gesetz einer Entwicklung steht, setzt gegen sie keine 

folgt der methodische Arzt, wenn er den Kran- positive neue Erkenntnis, er prtift sie vielmehr 

ken durch Zufiihrung von Fliissigkeit oder durch nur auf ihre formale Znverlassigkeit; dabei ist 
Austrocknung, inuner im entgegengesetzten Sinne 10 alles Fruhere der Iniialt seiner Gredanken. Sein 

des Bestehenden, heilt. Dieses Gesetz der Erschei- Handeln ist dem der Anderen ahnlich, wenn es 

nungen nennt er svdei^ig rcov cpaivofjievcov. Der auch durch ein anderes Gesetz bestimmt ist. 

M. kann sich also gegen die Einwande, die man Ebenso ist in der Methode auch nur die Begriin- 

ihm macht, von der skeptischen Philosophie aus dung der Lehre von der der vorhergehenden Schu- 

verteidigen. Aus ihr wird verstandlich, was sonst len verschieden, das Handeln selbst ist gleich 

angreifbar und dunkel scheint. Dann mtissen aber geblieben. 

alle Grundbegriffe der Methode skeptisch zu er- Die philosophische Voraussetzung der Methode 

klaren sein. Die methodische Medizin muB als ist also der Skeptizismus. Aber in welcher Weise 

"Umsetzung der anesidemisehen Skepsis vexstan- ist sie von den gleichzeitigen und iriiheren medi- 

den werden (Wellmann hat zuerst die Ein- 20 zinischen Lehren abhangig, aus welcher medizi- 

wirkung des Skeptizismus auf die Methode be- nischen Problematik geht sie hervor? Die Me- 

merkt, und zwar im AnschluB an das Urteil des tbode ist durch das System des Themison und 

Sextus [403]. Aber ler aufiert sich nicht dariiber, damit dnrch die asklepiadeische Lehre bestimmt; 

ob er Sextus zustimmt und zieht aus dem EinfluB, alle Z?eugnisse stimmen in dieser Angabe iiberein. 

soweit er ihm gegeben scheint, keine Konsequenz Und zwar ist die Anschauung des Themison des- 

fiir die Interpretation des methodischen Slystems). halb der Ausgangspunkt der Methode, weil er den 

Der Skeptiker erklart die Erscheinungen fiir BegriS der Kommunitaten in die Medizin ein- 

das einzig Wahre, dariiber, da6 sie gegeben sind, geftihrt hat. Galen sagt: cpaivQf^svag ydvv elncov 

gibt es keinen Streit (Hyp. I 21 — 22). So ver- slvai tag xoivotrixag 6 oo(pwtaxog OeooaXog, oXiyov 

ehren die M. nichts anderes als die Erscheinungen 30 voxsqov ov [a,6vov ovbsva rcov siAnQood'ev laxQcov 

(Gal. ni 16, 9ff.). tJber alles, was nicht Erschei- IdsTv avxdg q)r)oiv, dXX^ ov8s xbv nQcbxov yevvi^- 

nung ist, enthalt sich der Skeptiker des Urteils, oavxa Ssfjilowva. rovxqj yaQ o'5v drj fiovq) jtaga- 

er behauptet zwar nicht, daB das Verborgene un- X^Q^^h ^GL'^dneQ TtaxQl xe>cva yvrjoia xdg xsquxco- 

erkennbar sei, aher er hat es nooh nicht erkannt, 8sig kxeivag Kotvoxrjxag (Gal. X 35 K.). Themison 

und es geht ihn nichts an (Hyp. I 236). So laBt anderte das asklepiadeische iSiystem, indem er aus 

der M. es auf sich beruhen, ob das Verborgene den Atomen und Poren Kommunitaten machte 

erkannt werden kann oder nicht, er verneint es (vgl. uber Asklepiades und die Methode W e 1 1 - 

nicht, wie der Empiriker (Gal. IE 14. 14), es ist m a n n 396, 3). Weil er den Begriff der Kom- 

fur ihn unniitz. Der Skeptiker bezweifelt zwar munitaten zuerst formulierte, muBten die M. ihre 

nicht die Moglichkeit, daB es eine Ursache gibt, 40 Lehre fiir eine Interpretation seines Systems hal- 

aber er halt es fur unmoglich, sie zu erkennen, ten, wie Celsus sagt, oder in ihm die Wurzel ihrer 

ebenso wie es fiir ihn kein Zeichen des Verbor- Lehre sehen, wie Galen sagt. Sie haben nur die 

genen gibt (Hyp. Ill 13ff. II 97ff.). Die M. Kommunitaten des Themison skeptisch erklart 

lehnen jede atiologische Erkenntnis ab, sie ver- (q^atvo/nevag yovv dncov elvai xdg xoivoxrjxag), 

zichten auf Semiologie, Physiologic und Anatomic. Warum verstanden sie sie aber skeptisch? Zu 

Der Skeptiker ist sich der Schwierigkeit der Be- ihrer Zeit stritten die Empiriker und Dogmatiker 

griffe Kommunitat und Beweis bewuBt und ver- dariiber, wie Erkenntnis iiberhaupt moglich sei. 

wendet sie nur in einem bestimmten, den Er- Die einen behaupteten, dafi die logische Erkennt- 

scheinungen und den aus ihnen ableitbaren Grund- nis die konstitutive sei, und raumten der Erfah- 

satzen des Handelns entsprechenden Sinn (Hyp. 50 rung nur eine bedingte Bedeutung ein; die ande- 

I 237. 240. II 228). Wenn man einen gleichen ren leiteten alles Wissen aus der Erfahrung ab. 
Sinn der Begriffe fiir die M. voraussetzt, werden Asklepiades, der Lehrer des Themison, iiberspitzte 
ihre Aussagen verstandlich und einleuchtend die Einwande gegen die Moglichkeit einer allein 
(Gal. I 190 K. steht eine Erorterung der M. iiber auf der Erfahrung beruhenden Erkenntnis, indem 
die Kommunitaten, die in der Art ihrer Argu- er leugnete, es konne iiberhaupt etwas mehrmals 
mentation ganz skeptisch ist). Das gleiehe gilt in der gleichen Weise beobachtet werden (Gal. 
fiir die Begriffe des Ganzen und des Teiles (Hyp. Ill 9, 9ff.). Damit war die Grundlage der empiri- 

II 215ff.). Jede dieser Anschauungen, das ganze scben Medizin wie jeder Empiric bedroht, die 
System ist wirklich skeptisch. nur unter der Voraussetzung moglich ist, daB es 

In den dogmatischen Schulen der Medizin 60 eine Beobachtung sich gleichbleibender Objekte 

war die dogmatische Philosophie fruchtbar ge- gibt. Zugleich war das Unwiederholbare der In- 

macht worden, in, der empirischen die akademische dividualitat stark betont und so fiir den Arzt und 

Skepsis (vgl. Quell, u. Stud. z. Gesch. d. Naturw, sein Handeln eine neue Schwierigkeit aufgezeigt. 

III [1932] 253ff.). In der Methode ist die anesi- Denn er muB Individuen erkennen und behan- 
demische Skepsis medizinischausgewertet worden; deln; die Menschen sind alle verschieden. Wenn 
damit war die letzte Philosophie des HeUenismus sich niemals das Gleiehe wiederfindet, wie soil er 
in die Medizin aufgenommen. Schon der Name wissen, was er im eimzelnen Fall zu tun hat? 
fAed'obog weist auf die skeptische Haltung hin: die Dogmatiker und Empiriker batten immer mehr 



371 Methodiker Methodiker 372 

individuelle Gegebenheiten in Rechnung gestellt, Sinne wird auch Hippokrates als Skeptiker inter- 

sie aber doch in allgemeinen Satzen zu erfassen pretiert, Diog. Laert. IX 73). 

versucht. Sie setzen vorans, daB die Individuen IV. Zeitgenossisehe und ^pate 

als Individuen gleich seien und also doch all- UrteileiiberdieMethode. Die Methode 

gemein erkannt werden konnten. Alter, Konsti- war im 1. Jhdt. n. Chr. in Rom angesehener als 

tution maijhten jedesmal eine andere Behandlung der Dogmatismus und der Empirismus. Die 

notig, aber das gleicbe Alter, die gleiche Konsti- Romer haben die methodische Medizin schon des- 

tution bedingten 'die gleiche Behandlung. Die halb bevorzugt, wdl sie weniger Mittel anwendete, 

Lehre des Asklepiades machte diesen Ausweg weil die Lebensweise, die verordnet wurde, mehr 
unmoglich. 10 die gewohnten Tatigkeiten beriieksichtigte oder 

Die Problematik wird durch die Auseinander- bestehen lieB. Und das war fiir das Ansehen der 

setzung mit der hippokratisehen Skepsis und Em- Sehule entscheidend. Denn die Geschichte der Me- 

pirie verscharft. Die hippokratisehen Arzte hatteii thode i-st bereits durch das Urteil der Romer, der 

eine Medizin gelehrt, die ganz auf den einzelnen Herren, bestimmt, die ein ganz anderes Verhaltnis 

Menschen und das fiir ihn Richtige gestellt war. zur Mediizin batten als die Griechen. Von Anfang 

Sie batten alle allgemeinen Erkenntnisse abge- an lehnten sie harte und scharf eingreifende Be- 

lehnt. Sohon fiir sie wair jeder Mensch so unver- handlungen ab, der erste griechische Chirurg, der 

gleichlich, daB man sich in seinem Handeln nur nach Rom kam, machte sich wegen der Brutalitat 

nach dem richten konnte, was man an ihm beob- seiner Verordnungen bei ihuen verhaBt (Plin. 
achtete (Quell, u. Stud. 256). Dogmatiker und 20 n. h. XXIX 6). Die Medizin, die sie selbst auf- 

Empiriker interpretierten die hippokratisehen gezeichnet hatten, war auf wenige Mittel gestellt, 

Schriften. 8o muBte aueh die als Dogma auf- die schnell wirken soUten und die moglichst an- 

gefaBte alte Lehre allmahlich mit der von den genehm sein muBten. Schon Asklepiades ver- 

Schulen vertretenen Anschauung in Gegensatz ge- dankte einen Teil seines Erfolges dem Umstand, 

raten, die Forderung, das Individuum als schlecht- daB er nur angenehme Mittel gab, daB er, was 

hin einzigartig gelten m. lassen, erhielt durch die leicht schien, auch wahr sein lieB (Plin. n. h. 

Autoritat des Hippokrates ein noch starkeres XXVI 7. Gel's. 104, 27S.). Die M. tibernahmen 

Gewicht. durch Themison vieles von der praktischen Be- 

Vom Dogmatismus und von der Empirie her handlung des Asklepiades. Zudem lag in ihrem 
gab es keine Moglichkeit, die Schwierigkeiten zu 30 Grundprinzip, daB der Patient immer das bekam, 

losen. Der Skeptizismus konnte einen Ausweg was ilun in seinem Zustand angenehm sein muBte: 

bieten. Denn in ihm fand sich die gleiche Ab- dem ausgetrockneten Korper wurde Fliisisigkeit 

lehnung aller allgemeinen Grundsatze, die gleiche zugefiihrt, der mit Flussigkeit liberftillte Korper 

Beschrankung auf das Jetzt und Hier wie in der wurde von dem ihn bedrtickenden tJbermaB be- 

hippokratischen Empirie (Quell, u. Stud. a. 0.). freit. 

Ging der Arzt von deu skeptischen Grundsatzen Dann aber war die methodische Sehule etwas 

des Handelns aus, und machte er die Affekte des Neues. Thessalos, der sich selbst den tJberwinder 

menschlichen Korpers zum Gesetz seiner Behand- aller frtiheren Arzte nannte (iaxQoviKrig^ Plin. 

lung, dann richtete er sich nicht nach einem aus n. h. XXIX 6), schrieb in der Widmung seines 
seiner Erfahrung oder seinem Verstand stammen- 40 Buches an Nero: naQabebcoxcag vmv atQsoiv xat 

den Prinzip, das er auf den Kranken anwendete, <w? f^ovi^v ahj'&fj bia x6 rovg nQoyevsotsQovg ndvxag 

sondern die Behandlung wurde in jedem Fall iaxQovg firibsv naQabovvai ovfxtpeQov nQog xs vyeiag 

durch den einzelnen Menschen an den Arzt heran- ovvxrjQTjoiv xal voacov anaXkayr\v (Gal. X 8 K.). 

getragen. Der Arzt richtete sich dann einzig und Das gefiel den Menschen des 1. Jhdts. n. Chr., die 

allein nach dem Menschen, den er behandelte. etwas Neues verlangten. Wie in der Dichtkunst 

Damit war die aufgestellte Forderung erflillt, die das griechische Vorbild aufgegeben wurde, wie 

Medizin war zugleich im Sinne der hippokra- man in allem eigene Wege zu gehen versuchte, so 

tischen Empirie umgestaltet. muBte auch die Medizin dieser Zeit etwas noch 

Es besteht nur ein wesentlicher Unterschied nicht Dagewesenes leisten, wenn sie Anklang 
zwischen der hippokratisehen und der metho- 50 finden sollte. Die M. sprachen nur im Ton ihres 

dischen Losung. Wahrend der hippokratische Arzt Jahrhunderts, wenn sie sich etwas darauf zugute 

meinte, wegen der Notwendigkeit individueller taten, die Medizin zu revolutionieren. 

Erkenntnis und Behandlung, die in der Medizin Schon im 2. Jhdt. n. Chr. wird diese Haltung 

keinen MaBstab auBer der Empfindung des Kran- verurteilt; der Archaismus verlangt von den Men- 

keu (alo'&rjotg xov ocofxaxog) zulasse, sei es schwer schen groBere Bildung. Die M. sahen ein, daB 

zu behandeln, konnte der M. mit gutem Gewissen sie ihre Lehre dieser neuen Gesinnung anpassen 

behaupten, es sei nichts leichter als das. Denn muBten, aber sie gaben daruin keinen wesent- 

indem er das skeptische Gesetz der in den Affek- lichen Lehrsatz des iSjystems auf. Soran nahm zwar 

ten liegenden Notwendigkeit (dvdyxrj xcov na'&wv) die Atiologie, die Physiologie wieder in die Me- 
zum Prinzip erhob, befreite er den Arzt von der 60 dizin hinein, aber er sagt: xov fikv olv (pvainov 

Unsicherheit des subjektiven, unbestimmten axgrjaxov ovxa jiQog xo xeXog, q)8Qexoo(A,ov be nQog 

Mafistabes. Der M. war sich selbst dessen bewuBt, XQtioxoiJLd'&siav -(CMG IV 4, 6 — 7; vgl. C. Aure- 

daB seine Lehre im Gegensatz zur hippokratisehen lianus, die Stellen bei M e y e r-S t e i n e g a. 0. 

stehe, aber doch nichts anderes als ihre Umande- 45ff.). Nur um der Bildung wiUen soil der Arzt 

rung sei. Darum kehrte er den ersten Aphorismus also mit diesen Dingen Bescbeid wissen. Damit 

des Hippokrates um und sagte rj fihv xsxvr] §Qa- war die methodische Lehre so umgeformt, daB sie 

xsia, 6 be fitog fm^iQog statt 6 fxev filog §Qaxvg, V ^^^^ ^^ der neuen Zeit bestehen konnte. Galen, 

be xexvr} [AaxQif) (Gal. Ill 14, 24ff.; in diesem der als strenger Archaist es unverschamt findet, 



373 Methodios Michar 374 

wenn jemand wie Thiessalos ein^m Aphorismus des des Dialoges de recta fide, der wohl auch in Klein- 

Hippokrates widerspricht (Gal. X 8 K.), wendet asien gelebt hat. Die Behauptung des Hierony- 

sioh immer nur gegen die M. des 1. JMts., wahrend mus, M. habe gegen Ende der groBen Verfolgung 

Soran und die, die ihm folgen, ofienbax die me- das Martyrium erlitten, kann zu recht bestehen, 

thodischen Arzte sind, mit denea man sich naeh damit ware etwa 311, als Todesjahr festzulegen. 

seiner Meinung auseinandersetzen kann, weil sie Wenn auch kein originaler Geist hat doch M. 

sich in manehem zum Wahreren bekannt haben nicht zuletzt gerade wegen der Zusammenfassung 

(Gal. ni 26, 19fE.). Aber die Vorwiirfe Galens der allgemeinen religiosen und theologischen Uber- 

sind ungerecht, sie sind unhistorisch. Die Me- zeugungen seiner Zeit in unverkennbarer Bezie- 
thode paBte sich im 2. Jhdt. n. Chr. mit dem 10 hung zur alexandrinischen Theologie, jedoch mit 

gleichen Recht dem Bildungsideal der Zeit an, betonter Herausstellung seiner Ablehnung gewis- 

mit dem sie im 1. Jhdt. n. Chr. original sein ser Theologumena einen tiefen Einflufi auf die 

\7ollte. Spateren ausgeiibt und ist viel gelesen und eben- 

Trotz dieser Einwande war aber die sachliehe so oft ausgeschrieben worden. Sein Ruhm hat sich 

Bedeutung der methodischen Schule nie bestrit- auch bei den Slaven verbreitet, so dafi eine Anzahl 

ten. Auch Galen zweifelt nicht, daB die Methode seiner Schriften erst neuerdings wieder durch die 

neben der dogmatischen und der empirischen die altslavische "Dbersetzung bekannt geworden sind. 

wichtigste Arzteschule ist; immer stellt er diese Er schrieb nach dem Muster des platonischen 

drei Schulen in den Mittelpunkt der Erorteaning. Symposions eine Schrift gleichen Titels liber die 
So nimmt die ps.-galenische eioaywyrj drei Grund- 20 Jungfraulichkeit, f erner iiber den freien Willen 

lehren der Medizin an: die dogmatische, diei em- (teilweise nur slavisch erhalten), einen Dialog 

pirische und 'die methodische (Gal. XIV 678 K.); "Ayla6<p(x)v oder ,tJber die Auf erstehung' (teilweise 

entsprechend wird die Medizin in den Kompen- nur slavisch erhalten) mit deutlicher Polemik 

dien bis zu Isidor von SeviMa, eingeteilt (Ety- gegen Origenes, ebenso wie er sich gegen die Aus- 

mologiae IV 2). Die Pragung, die Soran dter Me- legung des Origenes zur Hexe von Endor wandte. 

thode gegeben hatte, gait da.bei als die maB- Weiter sind zu nennen Schriften wie: ,'Ober das 

gebende, weil sie 'dem Geist der spaten Jahrhun- Leben und die verniinftige Handlung', ,tJber die 

derte 'entsprach; er hatte die Norm der Methode Unterscheidung der Speise, iiber die junge Kuh* 

wieder hergestellt, und seine Werke iibersetzte ,tJber den Aussatz', ,tJber den Igel' (Prov. 24, 
man wegen ihrer sachlichen Bedeutung ins Latei- 30 50), tzeqI ysvrjtcov, gegen Porphyrins, ein Hiob- 

nische wie die Werke des Hippokrates und Galen. kommentar. 

Auch im Mittelalter blieb die Methode in Gel- AbschlieBende Ausgabe: Die griech. christl. 

tung; man setzte sich mit ihren Gedanken in- Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte Bd. 27, 

haltlich auseinander (vgl. P. D i e p g e n Gesch. d. hrsg. v. Bonwetsch, Lpz. 1917, mit alien 

Med. 1923, P lOOff. II 7. 43. 53. 56). Dagegen Zeugnissen aus der Vaterliteratur iiber M. Um- 

war die Schatzung des methodischen Systems im fassende Monographic: Bonwetsch Die Theo- 

Beginn der Renaissance gering, wie Prosper Alpi- logic des M. von Olympos, Abh. Gott. Ges. phil.- 

nus sagt, der am Anfang des 17. Jhdts. dieLehre hist. Kl. N. F. VII 1 (1903). Ferner vgl. Bar- 

umfassend darstellte und die eingehende Beschaf- denhewer Gesch. d. altkirchl. Lit.^ II 334ff. 
tigung mit ihr wieder aufnahm (De medicina 40Harnack Gesch. d. altchristl. Lit. I 468ff. II 2, 

methodica libri XIII 1609). Auch im 17. und 147ff. Die jiingste Literatur findet man bei Rau- 

18. Jhdt. hatte sie auf die medizinische Entwick- schen-Altaner Patrologie, Freiburg 1931, 

lung noch einen EinfluB (vgl. Diepgen III 1321 [H. G. Opitz.] 

48. 71). Micha (Mlxo), magischer Name im Pap. 

Seit dem 19. Jhdt. ist die Methode nur noch Mimaut Z. 484 (Gr. Zauberpapyri I S. 52), hier 

historisch interessant. Die Medi'zinhistoriker (bis vielleicht aus Michael verklirzt; vgl. den Namen 

auf K. Sprengel 28) sehen in ihr eines der Mlxag auf einer Aschenurne, Preisigke Sam- 

wichtigsten und groBartigsten Systeme der alteii melbuch I (1915) 1648; hebr. i^n^ Msixd LXX. 

Medizin (H a e s e r I 268. F u c h s I 328. Pagel- in einem Diebfindezauber hat der Zaubernde zu 
^^i^^.°.t^.F?r^>T^^^, ^^ ^' ^^^^^- ^' M^d., 50sagen: ,Ich bin Xicha, Micha — Ich bin, (der 

Berl, 1915,92. M. Neu burger Gesch. d.Med., ^qIQ)^ was im Herzen des Menschen ist^ Ja- 

8tuttg. 1906, I 303). Weniger giinstig urteilen coby. Arch. f. Rel. 1931/32, 204, verbindet bei 

uber sie die Philologen, die sie an Bedeutung den geiner Herstellung der koptischen Texteinlage: 

Lehren der Dogmatiker und der Empiriker unt^- jch bin Xicha, Micha bin ich*. [Preisendanz.] 
ordnen (Wellmann 397. A. Rehm und K. Michar und Michev, zwei Krafte der Gno- 

rr^if 1 tS^ino^o ^if enschafteu, Gercke-Norden gtiker, am Ort der Lebenswasserquelle aufgestellt 

^^ lJ\' \' \ ^ ^1 [Edelstein.] ^nd durch den Barpharanges, ebenfalls eine 

Methodios, Bischof von Olympos (Lykien), gnostische Kraft, gereinigt (vgl. das oft gebrauchte 

gegen 300 n. Chr. tJber sem Leben ist nicht viel Zauberwort der griechisch-magischen Texte ,Se- 
mehr bekannt, als daB er Bischof von Olympos in 60 sengenbarpharangesO- Innerhalb der Krafte Mi- 

Lykien gewesen ist. Euseb, der ihn in der Prae- char-Michev schuf der ,Herr der ganzen ErdeS 

paratio evangelica wohl ausschreibt, nennt ihn aber der ,SelbstvaterS die Aeonen der Sophia, inner- 

hier wohl mit Absicht nicht, denn nach Hiero- halb von ihnen die leibhaftige Wakrheit, und 

nymus wuBte Euseb urn die polemische Haltung hier befinden sich auch die Pistis Sophia selbst, 

des M. gegen Origenes. M. gehort zu der Gene- der praexistierende Jesus und seine zwdlf Aeonen. 

ration der ostlichen Kirche zwischen 270 und 300, Text eines anonymen altgnostischen Werkes bei 

von der er durch seine Schriften als einziger ein C. Schmidt Koptisch-gnost. Schriften (1905) 

Zeugnis gibt. Als erster benutzt M. der Verfasser 362, 7ff. Vielleicht gehOrt Michar zu Michdr, 



375 Miete Miete 376 

als Zauberwort gebraucht im koptischen Text pflicht des Mieters zur Zahlung des M.-Zinses m 

Brit. Mus. Ms. Orient. 5525 bei A. K r o p p Aus- einem neben der maneipatio Muciae causa ge- 

gew. Kopt. Zaubertexte (Brliss. 1931) I 18 Z. 90. schloissenen nexum festgelegt worden sei, zerreiBt 

[Preisendanz.] die notwendige Wechselbeziehnag der beiden Ob- 

Miete. I. Zn alien Zeiten hat der Mensch da- ligationen, der des MJietens und der des Vermie- 

naeh gestrebt, Gtiter, die ihm zur Befriedigung ters. GroBere Anertennung gewann die Lehre, 

seiner Bediirfnisse notig -sind, als Edgen zu er- dafi man nrspriinglieh z wei Stipulat i on en; 

werben. Und in der Tat ist das aueh heute noch verwendet babe, dnreh (die eine babe sich der 

die alledtt mogliche Art, in den GennB soldier Mieter den Gebraueh der Sache, durcb die zweite- 
Guter zu gelangen, die durch den Gebraueh zer- 10 der Vermieter das Entgelt ausbedungen (B e k - 

stort werden {res quae usu consumuntur bzw. ker Ztsehr. Sav.-Stift. HI 442; die Aktionen I 

quae usu minuuntur). Anders steht es — und 167. The ring Geist des rom. Reohts III 6. 52. 

stand es seit jeher — mit jenen Slachgiitern, die 175. 232. 244. K u n t z e Kursus des rom. Reehts. 

durch den Gebraueh keine Veranderung erleiden. 424. Girard Nouv. Reiv. hist. Till 539, 1; Ma- 

Wohl ist aueh hier im Interesse einer dauemden nuel 535). Aueh hiear wirkt die Zerreifiung des 

Befriedigungsmoglichkeit des Bediirfnisses das zweiseitigen Vertragsverhaltnisses in zwei ge- 

Streben des Mensehen auf Erwerb zu Eigentum trennte, voneiriander unabhangige Vertrage ge- 

gerichtet. Aber nur zu oft laBt es der Mangel kunstelt und unwahrseheinlich (naeh Iherings 

der zum Erwerb notigen Mittel nicht dazu kom- Ansieht n. 151 ware eine materielle Abhangigkeit 
men oder erscheint bei bloB voriibergehenden Be- 20 der beiden Stipulationen dadurch herbeigefiihrt 

diirfnissen der Aufwand beim Erwerb zu Eigen- worden, daB die eine Verpfliehtung unter der Be- 

tum zu hoch und unrentabel. So kam man sehon dingung der zweiten eingegangen wurde und um- 

frtih dazu, die Befriedigung maneher Bediirfnisse gekehrt. Das ist aber sehwer vorstellbar und, wie- 

dadureh sieherzustellen, daB man sich den Ge- B e c h m a n n riehtig bemerkte, ein ewiger Kreis- 

brauch f remder Giiter gegen Entgelt versehaffte. kuf . Gegen die Auf nahme zweier Stipulationen 

Bei der verhaltniismafiig spaten Ausbildung von Degenkolb Platzrecht 195, 2. 207. Beeh- 

Privateigentum an Grund und Boden, nimmt es m a n n Der Kauf I 352f . 458f . P e r n i c e Labeo 

nieht Wunder, daB die M. zuerst als Gebrauehs- I 467). Die Diskussionsfahigkeit dieser Hypothese 

tiberlassung von MobiUen erseheint, Sowohl fur fordert aber als unumgangliehe Voraussetzung, 
das romische wie fiir das griechisehe Reeht 30 daB die Stipulation sehon so weit entwiekelt war, 

laBt sieh das mit voller Sicherheit aus der Ter- daB ihr Inhalt aueh in einem faeere (die Ge- 

minologie ersehliefien. Da,s griechisehe exbibovai brauehsliberlassung ist ja ein solches) bestehen 

und eKla[A.§dveiv paBt wie das romische loeare und konnte. Nun sind derartiige Sponsionen auf fa- 

conducere nur auf bewegliche Saehen, die der cere dem alteren Reeht durehaus fremd. Neben 

Vermieter zum Mieter stellt, der Mieter mit sieh dem ursprungliehen Anwendungsgebiet der Stipu- 

ninmat. Kann so die Frage nach dem Gegenstand lation auf ein certum (certa pecunia, certa res} 

der altesten Miete an Hand der Terminologie ist meines Erachtens das faeere erst tiber den 

(vgl. Burckhard Zur Geseh. der locatio con- Umweg einer Konventionalstrafe und einer fa- 

duetio 28, anders Mommsen Sit.-R. II 441, 1; c^^/^asa?iema^^i;averhaltnismaBigsehrspatGegen- 
Ges. Sehr. Ill 137 und Degenkolb Platzrecht 40 stand der Stipulationssehuld geworden. Von andem 

und Miete 134) mit edmiger Sicherheit beantwortet wird schlieBlieh dieprekaristische tJber- 

werden, so ist es sehon nicht mehr moglich, einen 1 a s s u n g einer Sache gegen Entgelt als jenes 

groBeren Grad von GewiBheit zu erlangen, wenn Geschaft angesehen, daB vor der eigentlichen 

man die Frage nach der juristiischen Konstruk- locatio conductio ihren wirtschaftlichen Erfolg 

tion der alteren M. aufwirft. Im wesentlichen zu erreichen bestimmt war. Irgendwelche Sicher- 

muB diesbezugHeh fiir das romische Reoht (uber heit wird man aber bei dem Stand des derzeit 

die grieehischen Verhaltnisse, die hier wie im zur Verfiigung stehenden Quellenmaterials nicht 

folgenden nieht weiter beriicksiehtigt werden sol- gewinnen konnen. 

len, vgl. den ausgezeiehneten Art. Mlo'd'coo ig Aueh die Frage, woher der privatrechtliehe 
von S c h u 1 1 h e i s Bd. XV S. 2095f.) eine 50 Konsensualkontrakt der locatio conductio stammt, 

Antwort darauf gesucht werden, durch welches laBt sieh nieht reoht beantworten. Die Schrift- 

Reehtsgesehaft der wirtschaftliehe Erfolg der M. steller, welehe als Vorlaufer der locatio conductio 

in der altesten Zeit erreieht wurde, und eine zwei Stipulationen annehmen, glauben, 

zweite auf die Frage, woher der spatere privat- daB es zur Ausbildumg der Miete dadureh gekom- 

reehtliehe Konsensualkontrakt, die locatio-conduc- men sei, daB allmahlieh die Stipulationsform ab- 

tio stammt. Manche stellen sich vor, daB sich der gestreift wurde und so der zweiseitige Konsen- 

Verkehr vor der Entstehung des formlosen Kon- sualkontrakt entstanden >sei. Aber ebenso wie es 

sensualkontraktes des vorhandenen Mittels der in hoehstem Grade unwahrseheinlich ist, daB die 

maneipatio (bzw. einer traditio) mit pactum Xlagbarkeit der M. urspriinglich durch zwei Sti- 
Hduciae bedient babe, um den Effekt der M. zu 60 pulationen erreieht wurde (s. o.), ist es aueh un- 

erreichen (Bechmann Der Kauf nach gemeinem glaubwiirdig, daB isich ein formloser Kontrakt 

Reeht I 421; dagegen sehon Bekker Die Ak- aus der in alterer Zeit doch streng formalen Sti- 

tionen I 34). Diese Ansieht findet wohl in der pulation (vgl. Gai. Inst. Ill 92 mit Inst. lust. Ill 

romisehen Sitte, gewaltunterworfene Freie zur 15, 1) entwiekelt habe. Eine andere Ansieht will 

Dienstleistung einem anderen ins mancipium zu die privatrechtliehe locatio conductio aus den 

geben, eine gewisse Stiitze. Die weitere Beeh- publizistischen Vertratgen des romi- 

mannsche Vermutung aber, daB die Leistungs- schen Staates herleiten (Mommsen St.-R. 11 



377 Miete Miete 378 

441, 1; Ges. Schr. Ill 132f. bes. 137, 138. Hey- pflichtungen (schonuiigsvoUe Boniitzung, Riick- 

drovsky tJber die rechtl. Grundlage d. leges gabe, Entgeltleistung) in der Weise ubemahm, 

-contractus 104), und zwar sollen die locatio con- daB sie an eine res, d. h. an eine Leistung von 

ductia rei und operis aus den zensorischen Ver- der Gegenseite als Bedingung gekniipft wurden. 

tragen, die locatio conductio operarum aus den Vor der tlbergabe des M.-Objektes bestand da- 

allgemeinon magistratischen Apparitorenvertragen nach nur eine bedingte Verbindlichkeit des Mie- 

entstanden sein. Als Anhaltspunkte Mr diese ters und daneben eine bloBe Anwartschaft auf 

Hypothese wird der Umstand angeftihrt, daB die den Giebraueh. Erst spater habe sicb diese An- 

altere M. nur dann klagbar war, wenn das Ent- wartisehaft zu einom Forderungsreeht gegen den 
gelt in einer festen Geldsumme bestand. Das sei 10 Vermieter verdichtet. Di-ese Ansicht scheint nach 

aber den publizistischen Usanzen entnommen. der Lage der Quellen, welche die Perfektionierung 

Auch die Remission soil aus dem Formular fur des M.-Vertrage.s in alterer Zeit erst mit der 

die Publikamenkontrakte stammen. Aber eimer- tJbergabe des M.-Objektes eintreten lassen (ygl. 

seits kann es sieh dabei auch bloB um einen Ein- unten IV), einige Wahrscheinlichkeit fur sich zu 

:fluB des staatlichen Rechtes auf die Gestaltung haben. Doch ist in Anbetracht der mangelnden 

einzelner Details eines (schon existierenden privat- Quellen (es wurde isich um Quellen aus dem 6. 

Techtlichen ReohtsverhaltJiisses handeln, ander- bis 4. Jhdt. v. Chr. handeln) und bei Bertick- 

seits bestehen zwisehen dem staatlichen und dem sichtigung des Umstandes, daB moglicherweise 

priyaten Vermogensverkehr so tiefgreifende Un- mehrere historische Wurzeln in Betracht kommen, 
tersehiede (vgl. Burckhardt Zur Gesch. d. 20 eine sichereEntscheidung derzeit nichtzuerwarten. 

locatio cond. 181), daB diese Ansicht nicht reeht II. Terminologie. Im romischen Recht 

o'iaubhaft erscheint. Wieder andere halten dieM. heiBt das Vermieten locare, der Vermieter lo- 

fiir einen selbstandig gewordenen speziellen An- cator; das Mieten conducere, der Mieter conduc- 

wendungsfall der emptio venditio. Ausgehend tor, (Doch kommen vielfach, je nach dem Inhalt 

von der Festusstelle (s. venditiones) venditiones des M.-Vertrages, auch andere Bezeichnungen 

dicebantur olim censorum loeationes, quod velut vor, so colonus, inquilinus usw., vgl. das bei den 

fructus publicorum loeorum venibant (ahnlich auch besonderen M.-Verhaltnissen Gesagte.) Der M.- 

in Athen, vgl. Art. Mlad'coo ig) sieht man in Vertrag wird locatio conductio oder locatio et 

der M. den Kauf der Friichte (als res futurae) conductio genannt. Eine scharfe terminologische 
einer fruchttragenden Sache. C u i a c i u s Obser- 30 Trennung des locare vom conducere besitaiid 

vationes IX 15. Scheuerl Nexum 54. I he- nach einer Nachricht von Gaiius in Dig. 19, 1, 19 

ring Abhandl. 64. Molitor Les obligations und 20 nicht zu jeder Zeit: Veteres in . . . appel- 

en droit romain I 378. Girtanner Stiipu- lationibus promiscue utebantur. Idem est in loca- 

lation 379. Demelius Ztschr. f . Rechtsg. II tione et conductione (tiber die Moglichkeit eines 

195. Fr. Mom m s e n Beitrage z. Obligationen- Schreibversehens in :?= Dig. h. 1. 19 vgl. F r a e n- 

recht I 353. 365. Ill 428. Degenkolb Platz- kel Herm. LX 428). Das scheint die nahezu sichere 

recht 141. Dagegen Windscheid Heidelb. ethymologische Deutung von iocare = versteUen 

Krit. Ztschr. II 141. Tiktin De natura bila- und conducere = mit sich fuhren, ins Wanken 

teralium obligationum 38. Diese ErklSrung des zu bringen. Bs diirfte aber meines Erachtens so 
Ursprungs der M. paBt aber, trotzdem sie sehr 40 zu erklaren sein, daB die veteres, die friiheren 

viel fiir sich hat, nicht fur alle M.-Verhaltnisse, Juris ten, von denen uns Gains berichtet, zu 

insbesondere nicht auf die historisch wohl alteste einer Zeit gelebt haben, in der die Erinnerung 

Form der M., die beweglicher Sachen, auch nicht daran verlorengegangen war, daB die M. ur- 

auf die Wolmungs-M. und nur schlecht auf die spriinglieh nur auf bewegliche Sachen zugeschnit- 

Werk.-M. Vielfach halt man die altere M. flii ten war und erst sipater auch auf andere Gegen- 

einen Realkontrakt. Durch die Hingabe des stande erstreckt wurde. Damit war zugleich auch 

M.-Objektes sei eine Empfanghaftung aihnlich die lebendige Vorstellung von der Ortsverande- 

wie beim Darlehen entstanden. (Degenkolb rung, welche die res mobilis als einzig mogliches 

Platzrecht 168f. 166f. u. pass. Pernice Labeo M.-Objekt friiher immer mitmachte, verblaBt und 
I 466. K a r 1 w a Rom. Rechtsgesch. I 635, 50 war die urspriingliche Sonderbedeutung der Aus- 

P e r z z i Istituzionis H 289. S i b e r Rom. driicke verwischt woriden (anders Schmidt 

Recht II 203, 1. Dagegen schon friiher Bech- Ztschr. Sav.-Stift. XI 131). Selbst als sich mit 

m a n n Kauf I 330ff . u. pass. Dernburg Kom- der Zeit bei der f ortschreitenden Emtwicklung 

pensation 599, B u r c k h a r d Zur Gesch. d. loc. des juristischen Denkens und der juristischen 

cond. 51). Im Bereich der romischen Quellen Kunstsprache wieder eine Sonderbedeutung von 

findet sich aber keine Spur davon, daB die Real- locare und conducere hferausgebildet hatte, kommt 

kontrakte in alterer Zeit eine groBere Ausdeh- es noch in ungenauer Sprache zu untersehieds- 

nung gehabt hatten als etwa im klassischen laser Verwendung der beiden Ausdriicke (so z. B. 

Recht. Auch ware es ja vollig unverstandlich, in Dig. h. t. 9 § 3, wo locator statt conductor 
daB das Prinzip des Realkontraktes, wenn es 60 steht (zur Annahme einer Interpolation oder 

schon langst im wesentlich gegenseitigen Ver- eines Schreibversehens Digesta lust. ed. Bonfante, 

trag anerkannt war, sioh erst so spat, langsam Ricobono bzw. H a y m a n n Ztschr. S^v.-Stift XL 

und zogemd in den unwesentlich gegenseitigen 238, 3 besteht kein Grund. Si vero usw. ist aller- 

Realkontrakten des klassischen Rechtes hatte dings nicht klassisch: Hay man n a. 0. Schulz 

durchsetzen konnen. Eine vermittelnde Ansicht Griinh. Ztschr. XXXVIII 35, 77; weitere Litera- 

vertritt Degenkolb (Platzrecht 206 u, pass.). tur besonders zu den folgenden Belegen im Index 

Die Klagbarkeit der M. sei danach vorerst nur Interpol.); in Dig. h. t. 15 § 9 ist sta,tt conduc- 

einseitig entstanden, indem der Mieter seine Ver- tione locatione, in Dig. h. t. 30 pr. statt locavit 



379 Miete Miete 380 

eonduxit; in Dig. h. t. 22 § 2 locat statt con- ramnung des bloJBen Gebrauehes besteht, wah- 

ducit und in Dig. 50, 17, 45 pr. statt conductio rend die Pacht als der Produktion dienend er- 

locatio iiberliefert). Die Betzeichnung des Vermie- scheint, in der "Dberlassiung von Einkommen ins- 

ters einer Sache, der die Saohe verstellt, und die besondere von Frtiohten, (fie durch die Tatigkeit 

des Dienstnehmers, der sich bzw. sieine Dienste des Paehters erst zu erwarten sind, ihr wesent- 

vermietet, entsprieht vollig der etymologischen liches Kriterium hat, laBt sich ftir das romisehe 

Bedeutung deis locare, Schwierigkeiten seheinen Eiecht wohl anwenden, hat aber in den Quellen 

nur die Bezeichnungen der Parteien bei der Werk- keine zwingende Grundlage. Unter der locatio 

M. zu maohen. Hier wird der Unternehmer, der conductio operarum ersoheint die t^berlassung 
die Arbeit leisten soil, als conductor, der Bestel- 10 der Arbeitskraft einer freien Person in der Weise, 

ler als locator bezeichnet. Schmidt Ztschr. dafi sie nach den Weisungen des Dienstgebers 

Sav.-Stift. XI 131, erklart das aus einer WiUkur unid im Bereiche der Wirtsehaft desselben ver- 

des Spraohgebrauches, der die Tenninologie hier wendet werden kann, jeidoch mit der Einschran- 

anders fixiert babe als sons! Von einer solchen kung, da6 es sich um operae locari solitae han- 

Willkur isl; aber keine Rede. Bei der Ausbildung delt (Naheres unten). Die locatio operis ersoheint 

der Terminologie ist auch hier die Ortsverande- in erster Zeit als tJberlassung einer Sache zur 

rung, das Verstellen (locare) des Werkmateriales Bearbeitung, in spaterer Zeit als Bestellung eines 

durch den Besteller und das Mtnehmen (condu- Werkes. Vgl. die Meinung des Cassius Gai. IV 

cere) desselben durch den Unternehmer ausschlag- 147. Auch dariiber Naheres unten. 
gebend gewesen (Partsch Vom Beruf des ro-20 Bei alien Formen der M. wird vorausgesetzt, 

mischen Rechts [1920] 48). daB das Entgelt in einer Summe Geldes besteht 

III. Begriff derMiete. Eine Definition (uber Ausnahmen s. u.). War die vertragsmafiige 

der M. aus dem Munde eines romischen Juristen Gegenleistung etwas anderes als Geld, hemschte 

ist uns nicht erhalten. Eine mehrfaeh immer unter den Juriisten dariiber Streit, ob es sich um 

wiederkehrende allgemeine, aber doch mehr auf eine M, handle (Gai. Ill 144). Nach Entstehung 

die Saoh-M. zuigeschnittene Charakteristik ver- der Klagbarkeit der Innominatrealkontrakte lag 

sichert uns nur eindringlich, daB die locatio et em solcher vor und es ware das entstandene 

conductio proxima est emptioni et venditioni (Inst. Rechtsverhaltnis mit einer actio praescriptis ver- 

3, 24 pr. Dig. h. t. 2. Gai. Ill 142); auchihreEnt- bis geltend zu machen. Dies ist fiir den Fall des 
geltlichkeit wird ofters betont. DasFehlen einer 30 Gebrauchstausches in Inst. 3, 24, 2 tiberliefert; 

Definition mag damit im Zusammenhang stehen, aber auch fiir den M.-Dienstvertrag und fiir den 

daB unter dem Namen locatio conductio drei von- Fall, daB die Gegenleistung nicht in Geld, son- 

einander sehr verschiedene Geschafte erscheinen, dem einer anderen Sache besteht, ist die Anwen- 

die Sach-M. locatio condudtio rei, die Dienst-M. dungsmoglichkeit der actio praescriptis verbis 

locatio conductio operarum und die Werk-M. die nicht zweifeUiaft. 

locatio conductio operis^ zum anderen damit, daB Grofie Schwierigkeiten bereitete den romischen 

das Definieren befcanntiich nicht die Sltarke der Juristen die Abgrenzung der M. vom Kauf. Da- 

romischen Juristen war. Der Begrifi der locdtio von beriehtet uns insbesondere Gains in III 

conductio rei, fiir die, wie fiir die locatio con- 145 — 147. Adeo autem emptio et venditio et 
ductio operarum und operis, ebenfalls keine Defi- 40 locatio et conductio familiaritatem aliquam inter 

nition iiberliefert ist, kann nach den Quellen da- se habere videntur, ut in quibusdam causis quaeri 

hin bestimmt werden, daB damit die entgeltliche soleat, utrum emptio et venditio contrahatur an 

Uberlassung des Gebrauehes einer bewegHchen locatio et conductio: veluti si qua res in perpe- 

oder unbeweglichen Sache auf Zeit bezeichnet tuam locata sit , . . si gladiatores ea lege tibi 

wird. Die heutzutage gelaufige, verschiedene Be- tradiderim, ut in singulos, qui integri exierint . . . 

zeiohnung von M. und Pacht ist den Romem denarii XX mihi darentur, in eos vero singulos, 

fremd geblieben, wenn auch in ispaterer Zeit qui occisi aut debilitati fuerint, denarii mille . . . 

wenigstens fiir die landHche Pacht der Begrifi si cum auriHce mihi convenerit ut is ex auro suo 

colonatus gepragt wurde. Inhaltlich unterschei- certi ponderis certaeque formae anulos mihi fa- 
den sich (Be M.-Verhaltnisse, die wir heute zu 50 ceret, et accipereit . . . denarios GG .. . 

trennen gewohnt sinid, die M. und Pacht, im Eine Reihe romischer Juristen hat sich in 

romischen Reoht nur sehr wenig (K o h 1 e r Arch. diesen Fallen fiir das Vorliegen einer M. ent- 

f . d. civ. Praxis LXXI 397 ff.). Der Hauptunter- schieden. Von der superficies, deren Entwicklung 

schied besteht im Wesentlichen darin, daB die M. ihren Ausgangspunkt von der M. genonmien hat 

ein Recht auf die Nutzung, die Pacht neben dem (Dig. 39, 2, 18, 4, und 43, 18, 2, dazu Schmidt 

Recht auch eine Pflicht zu dieser beinhaltet, die Ztschr. Sav.-Stift. XI 132f.), ebenso aber auch 

der Verpachter mit actio locati geltend machen von der Emhpyteuse unterscheidet sich die M. 

kann (Dig. h. t. 24, 2). Die Stelle ist durch In- durch ihre zeitliche Begrenzung, die spater als 

terpolation veriderbt. Nach dieser soil auch der ein wesentliches Kriterium angesehen wird (anders 
Wohnungsmieter die Pflicht zur Nutzung haben 60 noeh Gai. IV 145 res in perpetuam locata), 

(Solazzi Mssio in bona 17, 2), Vgl. auch IV. AbschluB de,s M.- Vertrages. In 

Paul, n 18, 2. Im Falle ausdriieklioher Verab- altester Zeit ist zur Perfektionierung des Ver- 

redung darf der Verpachter das Grundstiiek auch trages auch die "Cbergabe des M.-Objektes not- 

weiter verpachten (relocare Dig. h. t. 51 pr.) und wendig (vgl. Per nice Labeo I 466. Karlo wa 

hat nur wegen eines eventuellen Minderertrages I 635. Perozzi Ist.2 n 289. Siber II 203, 

an Pachtzins die actio locati. Die heute iibliche 1). In klassischer Zeit ist das nicht mehr notig, 

Untenscheidung von M. und Pacht, wonach die wenn auch die "Qbergabe des M.-Objektes bei der 

M. nur der Konsumption dient, also in der Ein- locatio conductio rei in der Regel beim AbschluB 



381 Miete Miete 382 

des M.-Vertrages vor sich gegangen sein wird. Hinweise auf sie, Dig. h. t. 29. 30, 4. 51 pr. 55, 2. 

Der M.-Vertrag ist zu einem Kontekt geworden, 25, 3. 61 pr. Dig. 43, 18, 1 pr. Gai. Ill 145. Als 

der nudo consensu zustande kommt (Dig. h. t. besandereKlauseln diirfen hervorgehoben werden: 

1 locatio et eonductio . . . non verbis sed con- eine lex commissoria Dig. h. t. 13, 10 ut 

sensu contrahitur, sicut emptio et venditio. Die si ad diem effectum non esset, relocate id licerei; 
Stelle ist in dem weggelassenen Teil nicht ganz . eine relocatio erseheint auch in der Klausel 

heil. Perozzi Ist.2 I 97, 1. II 33, 3. Slber in Dig. h. t. 51 pr. ut si non ex lege coleretur 

Naturalis obligatio 2, 2. Weiteres bei Leon- relocare eum mihi liceret, Garantieklau- 

hard Art. Conductio o. Bd. IV S. 902, seln bei Vermietung von dolia und bei Weide- 
1161ff.). Die gegenteilige Ansicht (Perozzi 10 land; die vertragsmafiig vorbehaltene adpro- 

Ist. II 289) laBt sich nicht mit Sicherheit be- batio Dig. h. t. 24 pr. ut arbitratu domini opus 

weisen. Die Hanptsttitzen Dig. 19, 1, 21, 4 und adprobetur (vgl. auch Dig. h. t. 60, 3) und das 

Dig. 18, 1, 75 gehen doch wohl davon aus, idaB Vorsehen der r emissio mer cedis Kar- 

sich der Verkaufer ein M.-Objekt bzw. ein Riick- Iowa II 640. Eine Reihe erhaltener M.-Vertrage 

kaufsrecht ausbedungen hat. Iter M.-Vertrag bzw. in B r u n s Font.^ 328f. 

Kaufvertrag ist aber damit noch nicht geschlos- V. Locatio conductio rei. Von den 

sen, der Kaufer nur verpflichtet auf Verlangen drei Anwendungsformen der M. diirfte die locatio 

des Verkaufers den Vertrag abzuschlieBen. Die conductio rei die alteste sein. Sie ist die tTber- 

actio venditi, die in der SteUe erwahnt ist, dient lassung der Nutzung einer Saebe gegen Entgelt. 
der Geltendmachiung dieser VerpflicMung. (Gegen 20 Der darauf geriehtete Vertrag ist wenigstens in 

Perozzi auchLongo Corso di dir. K). Zum klassischer Zeit ein Konsensualkontrakt, kommt 

AbschluB des M.-Vertrages gentigt also in klas- also durch bloBe Vereinibarung zu klagbarer Wir- 

sischer Zeit die Einigung liber Gebrauch und kung. Zu seinem Zustande^kommen ist Einigung 

Entgelt. Dig. h. t. 2 pr. . . . ut emtio et venditio uber die Sache, den Gebrauch und das Entgelt 

ita contrahitur J si de pretio convenerit sic et lo- no tig, Dig. h. t. 1, 2pr. Bei der Gestaltung des 

catio et conductio contrahi intellegitur, si de mer- Vertragsverhaltnisses haben die Parteien vollige 

cede convenerit. Eine besonidere Art des Ab- Freiheit und es ist ihnen wie beim Kauf erlaubt, 

schlusses des M.-Vertrages ist die sog. relocatio in Wahrunig des eigenen Interesses den Mitkon- 

tacita, die stillsehweigende Fortsetzung des M.- trahenten zu ubervorteilen, sofern nur die bona 
Verhaltnisses nach Ablauf der vereinbarten M.- 30 Mes nicht verletzt wird. Dig. h. t. 22, 3 Quern- 

Dauer. Nach Dig. h. t. 13, 11 verlangert die admodum in emendo et vendendo naturaliter con- 

relocatio eines praedium rusticum das abgelaufene cessum est, quod pluris sit minoris emere, quod 

M.-Verhaltnis um ein Jahr. Die Grundsatze, die minoris sit pluris vendere, et ita invicem se cir- 

bei der relocatio eines praedium urbanum in Dig. cumscribere ita in loeationibus quoque et conduc- 

h. t. 13, 11 auf uns gekommen sind, sind Gegen- tionibus iuris est. Fiir die vorklassisehe Zeit wird 

stand weitreichender Kontroversen, Nur das eine der M.-Vertrag vielfach als Realkontrakt ange- 

ist sicher, daB der Mieter fiir die Zeit des wirk- sehen (s. daruber o. I und IV). Fur das klassi- 

lichen Wohnens den M.-Zins schuldet (Literatur sehe Reeht weinigstens der friiheren Periode, 

zur Steitfrage in den Pandektenlehrbiichem von glaubt dies auch, doch wohl mit Unrecht 
Windischeid, Dernburg, Vangerow). 40 Perozzi Ist.2 II 289. 

(Erwahnt sei, daB in den Quellen auBerdem re- GegenstandderM. konnen alle in com- 

loeatio zur Bezeichnung des Wiedervermietens mercio befindlichen Saohen sein, Ausnahme machen 

durch den Vermieter bei Saumnis des Mieters diejenigen, die durch einmaligen Gebrauch zer- 

verwendet wird, z. B. in Dig. h. t. 13, 10.) Die stort werden. Letztere konnen nur zu einem be- 

relocatio tacita wird von Costa La locazione sonderen, den Verbrauch ausschlieBenden Ge- 

fiir byzantinisch gehalten. branch mietweise iiberlassen werden. Von ding- 

Leg es locationis (auch conductionis ope- lichen Rechten sind nur der usus fructus Dig. 33, 

ris, operis locandi). Wie beim Kauf hat auch bei 3, 66, If. und die operae servorum Dig. 7, 7, 3 

der M. die Kautelarjurisprudenz Pormulare ftir Gegenstand der M. Bei der habitatio ist die Ver- 
den AbschluB des VertragCiS gesohaffen, in denen 50 mietung dann moglioh, wenn der dinglich Be- 

das Wichtigste an Nebenverabredungen nieder- reohtigte selbst mitwohnt Dig. 7, 8, 8 pr. sed ne- 

gelegt war. In groBen Stucken sind uns solche que locabunt seorsum; Dig. ebd. 2 § 1. Dig. ebd. 

Formulare bei Cato und Varro erhalten. Die 3. 4pr. DaB auch fremde Siachen wirksam ver- 

Herkunft dieser Formulare ist strittig, doch uber- mietet werden konnen, ergibt sich aus Dig. h. t. 

wiegt die Annahme, dafi sie von den erwahnten 7. 9pr. 9, 6. 10. Ein besonderer Fall der Ver- 

Schriftstellem selbst herriihren. Cato agr. 14 mietung fremder Saehen ist die After-M. (sublo- 

—15. 16. 136 — 137. 144 — 145. Plin. n. h. XVIII 3. catio). Auch eine eigene Sache kann, wenn der 

Varro De re rust. II^ 6, 7. Gebrauch einem andern zusteht, gemietet werden 

Eigenartig sind zwei Formulare, die als leges Dig. 41, 2, 28. DaB dieis schon im klassischen 
venditionis bezeichnet werden, Cato 149 die lexQOUeehi moglich war, wird gegen Windscheid 

pabuli hiberni vendundi und 150 die lex fruc- und Perozzi vonLongo Corso di diritto R. 

tus ovium vendundi, die sehr an die Konstruk- La loc. cond. und Costa La locazione behaup- 

tion der offentlich-rechtlichen Verpachtung erin- tet. Sonst kommt bei irrtiimlicher oder wissent- 

nern, bei der urspriinglich die Friichte auch ver- licher M. der eigenen S^che allerdings ein M.- 

kauft wurden. Erwahnt erscheinen leges loca- Verhaltnis nicht zuistande. Bemerkemsswert ist, 

tionis fundi bei Varro 11 6, 7 leges colonicae daB vom M. -Vertrag auch unselbstandige Bestand- 

ebd. I 2, 17. 18. Hygin. 132, 11. Plin. ep. IX teile einer Sache erfaBt werden konnen. 

37. Auch in den juristisehen Quellen finden sich Entgelt. Ob das Entgelt in einer bestimm- 



383 Miete Miete 384 

ten Geldsumme baste'hen miisse, seheint ebenso (Stockwerk, Zimmer, Dig. h. t. 30. Dig. 13, 7, 

wie beim Kauf in klassiseher Zdt streitig ge- 11, 5). Daher kann aueh der Eigentumer die ver- 

wesen zu sein. Jedenfalls bejaht sehon Gains III mietete Saehe ein^m Dritten, ohne auf das M.- 

142 — 144 die Frage (man vgl. aueh Costa La Verhaltnis Riicksicht nehmen zu mtissen, tiber- 

locazione. L o n g o Corso di diritto Romano. tragen. Der Mieter mufi dem Kauf er den Besitz 

S i b e r Rom. Recht II 204). Wenn aueh erst eine tiberlassen und wiirde sieh im Falle gewaltsamer 

justinianische Stelle, Inst. Ill 24, 2, das Erfor- Abwehr dem Interdiktum unde vi aussetzen. Dig. 

dernis, daB das Entgelt in einer Summe Geldes 43, 16, 12. Der Eigentumer wird aber aus demM.- 

bestehen miisse, feststeUt, so kann man doch die Vertrag, also dem personliehen Rechtsverhaltniis 
Wahmehmung machen, daB das Entgelt in klas- 10 zum Mieter, unter Umstanden schadenersatz- 

sischer Zeit regelmaBig in Geld besteht. Im Lauf e pflichtig. Aueh die Abrode des Vermieters mit 

der Kaiserzeit wird allerdings bei der Grund- dem Kaufer, daB ein bestehender M.- Vertrag auf- 

stiiekpaeht nahezu das Gegenteil die Regel. Be- recht bleiben soUe, bindet diesen nur dem Ver- 

steht naoh justinianiisehem Recht das Entgelt kaufer gegenuber, ohne dem Mieter Rechte zu 

nicht in Geld oder wie bei der Pacht in Frtieh- geben. Dig. h. t. 25, 1. 32. 33. Dig. 19, 1. 13. 

ten, sondern in anderen Leistungen, so kommt 30. Bei -der Niutzung der Sache hat sieh der 

eine locatio conductio nicht zustande. Die Reehte Mieter nach aUgemeiner Regel wie ein bonus pa- 

aus diesem Vertrag .sind mit actio praescriptis ter families zu verhalten, der Paehter insbeson- 

verbis geltend zu maehen. Dartiber berichtet Inst. dere daftir zu sorgen, daB die versohiedenen Ar- 
III 24, 2 ftir den Fall, daB die Gegenleistung in 20 beiten zeitgerecht vorgenommen werden. Fur die 

einer Gebrauehsuberkssung besteht (Gebrauehs- Besehadigung des M.-Objektes haftet der Mieter 

tauseh). Wenn als Entgelt Dienstleistungen ge- bei Vorliegen von dolus oder culpa; fiir den Ver- 

schuldet werden (Mietdienstvertrag) wird wohl lust desselben — nach manehen aueh fur die Be- 

daaselbe gegolt^n haben. Wenn bei der Pacht schadigung durch Dritte — hat er nach den 

Friichte als Gegenleistung gesehuldet werden, so Grundsatzen der custodia-Haftung einzustehen. 

konnte ihre Menge im voraus absolut bestimmt Schulz Griinh. Ztschr. XXXVIII 27f. Ztschr. 

werden, Varro III 16, 10. Cod. 4, 65, 8. 21. Das Sav.-Stift XXII 65. Kunkel Ztschr. Sav.-Stift. 

Entgelt konnte in diesem Fall aber aueh relativ, XLV 276. Dagegen K u b 1 e r Utilitatsprinzip 

in einer Quote der gesamten gezogenen Fnichte 21. 2. Haymann Ztschr. Sav.-Stift. XL 232. 
bestimmt sein, Plin. epist. IX 37. Dig. h. t. 25, 30 RegelmaBige Abntitzung und Besehadigung oder 

6. Cod. 4, 65, 21. Ob in diesem Fall, der sog. Verlust durch hohere Gewalt hat er jedenfalls 

Teilpacht (colonia partiaria), nach romischer An- nicht zu vertreten, Dig. h. t. 30. 4; 13. 7; '25, 3 

schauung ein Gesellschaftsvertrag vorlag, wie u. a. m. 

etwa V a s e r Die colonia partiaria des romischen Er haftet aueh fiir das Versehulden seisner 

Reehtes behauptet hat, ist streitig, wird aber Sklaven und der von ihm verwendeten Leute, Dig. 

auf Grund von Dig. h. t. 25, 6: partiarius co- h. t. 11 pr. u. 4. Der Mieter hat aueh Vorsorge 

lonus quasi societatis jure et damnum et lucrum fiir den Fall zu treffen, daB er die Detention der 

eum domino fundi partitur, wohl so zu entschei- M.-Sache aufgibt, ist aueh zu einer diesbezug- 

den sein, daB nur fiir die Berechnung des Pacht- lichen Verstandigung an den Vermieter verpflich- 
zinses wie beim Gesellsehaftsvertrag Gewinn und40tet. Dig. h. t. 13, 7. 29. Nach Beendigung des 

Verlust beriicksiehtigt werden soUte, im iibrigen M.-Verhaltnisses ist er verpfliehtet, den M.-Gegen- 

aber die Grundsatze der M. galten. Das Entgelt stand zuriickzustellen. Das mit actio furti Er- 

konnte endlich aber aueh in einer Summe Geldes langte kann er sieh behialten, Dig. h. t. 6. Ist 

und in Naturalleistungen des Mieters bestehen, vgl. der Mieter in seinem uti frui gestort worden, hat 

Colum. r. r. 7, 2. Martial. VII 31. XIII 121. Ohne er nur actio conducti, also den personliehen An- 

besondere Abrede ist der M.-Zins nach Gebrauch spruch gegen den Vermieter, so insbesondere wenn 

zu entriehten. Dig. h. t. 24, 2, doch kommt es der Vermieter das M.-Objekt verauBert hat und 

aueh vor, daB er im Vorhinein oder in Teilbe- der Kaufer die Fortsetzung des M.-Verhaltnisses 

tragen geleistet wird (s. aueh Art, Colon at us). verweigert. Dig. h. t. 25, 1, oder wenn der Ver- 

Die Entgeltlichkeit ist Essentiale negotii, wird 50 mieter das M.-Objekt vermaoht hat, D'ig. h. t. 32, 

jedoch naohtraglich dem Mieter die Zahlung des aber aueh, wenn das Grundstiick eingezogen 

Entgeltes erlassen, so bleibt folgerichtig das Ge- wurde, Dig. h. t. 33; aueh bei damnum infectum 

sehilft trotzdem M. Dig. h. t. 5. hat zwisehen Mieter und Vermieter nicht die 

Auf Grund des M.-Vertrages erhalt der Mieter cautio damni infecti Anwendung zu finden, son- 

nicht das Reoht auf Besitz, wohl aber auf Deten- dern nur die actio locati bzw. conducti. Fiir die 

tion, wenn sieh die iSlache dazu eignet. Dig. 43, tTberlassung des Gebrauehes hat der Mieter den 

26, 6, 2. Dig. 6, 1, 9. Dig. 43, 17, 3, § 3. 7. vertragsmaBigen M.-Zins zu Idsten. 

Vgl. aber aueh Dig. 38, 2, 15, 12. Er hat das Die Reehte und Pflichten des Vermieters er- 

Reeht auf Ausbeutung der Sache, bei der Boden- geben sieh aus dem Gesagten bereits deutlich 
paoht aber aueh die Pflicht zur Nutzung. Die 60 genug, erwahnt soil nur werden, daB eine kurze 

Nutzung des Mieters wird in den Quellen mit re Zusammenstellung der Verpfliehtungen des Ver- 

hui Dig. h. t. 7; 8; 8 pr. 1; 15 § 1, 2, 8; 24, mieters sieh in Diig. h. t. 15, 1 findet, ex conducto 

§ 4. 5, aueh mit re uti bezeiehnet. Dig. h. t. 27 pr. actio conductori datur. Gompetit autem ex his 

28 pr. Aueh das uti frui schafft dem Mieter kein causis fere: ut puta si re quam conduxit frui ei 

Recht an der Saehe, daher konnen als Gegen- non liceat (forte quia possessio ei aut totius 

stande der Miete aueh unselbstandige Bestand- agri aut partis non praestatur, aut villa non re- 

teile einer Sache erscheinen, vorausgesetzt, daB flcitur vel stabulum vel ubi greges eius stare 

die Moglichkeit eines uti frui daran besteht oporteat) vel si quid in lege conductionis con- 



385 Miete Miete 386 

venit^ si hoc non praestatur. Auch fiir Entzug hauser (insula) durch einen S'klaven des Eigen- 

des uti frui dureh Eviction Imt er einzustehen. turners (insularius) verwaltet (Dig. 8, 16.1. Dig. 

DaB er fiir alien Schaden, den der Mieter durch 14, 3, 5, 1. Dig. 50, 16, 166 u. 203). Aus den 

mangelhafte Erfiillung seines Vertrages erleidet, Verwaltungsgesehaften, die der insularius ab- 

einzustehen hat (Dig. h. t. 19, 5), unterscheidet schlieBt, wird der Herr haftbar {actio institu- 

sich in niehts von der allgemeinen Kegel, ebenso toria). Auch Freigelassene als Prokuratoren kom- 

weniig die Regelung des Aufwandersatzes. Auch men vor, Petron 96. In spaterer Zeit sehen wir 

hier wurden im klassisohen Eecht die Regeln der die Gesehafte des Hausverwalters aber auch be- 

negotiorum gestio angewendet, im nachklassi- auftragte Freie fiihren. Dig. 14, 3, 1. 5, si quid 
schen Recht sind die Vorschriften tiber den Auf- 10 cum insulario gestum sit vel eo, quern quis aedi- 

wandersatz bei der rei vindieatio und hereditatis Hcio praeposuit, Fiir den voriibergehenden Woh- 

petitio auf die Miete erstreekt worden. Dig. h. t. nungsbedarf der Reisenden war durch Herbergen 

19, 4 et verius . . . reddat ist interpoliert, (deversoria oder diversoria Dig. 7, 1, 13. 8. Dig. 

Longo Corso di diritto R. und Index Interpol. 20, 2, 3 und meritoria Dig. 7, 1, 13, 8. Dig. 17, 

Das M.-Verhaltnis findet sein Ende naeh der 2, 52. 15. Dig. 47, 10, 5, 5) gesorgt. Zum Ein- 

im Vertrag ausdriicklich bestimmten Zeit. Hat- stellen vonTieren standen stahula zur Verfiigung 

ten die Parteien die Dauer des M.-Verhaltnisses Dig. h. t. 15, 1, welehe von Stallwirten {stabu- 

in das Belieben des Vermieters gesteUt, so endet larii) Dig. 4, 9, 1 pr. u. 5; 5 pr. Dig. 47, 5, 1.6 

sie langstens mit dem Tod des Vermieters, Dig. vermietet wurden. Die Handwerker endlich mie- 

h. t. 4. Nach Beendigung des vertragsmaBigen 20 teten zum Betrieb ihres Gewerbes tabernae, in 

M.-Verhaltnisses ist eine stiUsohiweigende Ver- denen sie vielfach auch ihr Wohnbediirfnis be- 

langerung (relocatio tacita) anerkannt, und zwar friedigten, Dig. 50, 16, 183. Mit taberna wird 

bei praedia rustica um ein Jahr, Dig. h. t. 13, allerdings auch die Wohnstatte der Armsten in 

11, 14. Ob Ahnliches auch bei den praedia urbana der Bevolkerung bezeichnet, Horat. carm. I 4, 13. 

gegolten habe, ist streitig, Dernburg^ II 310. Tac. hist. I 86. Bei der armeren Bevolkerung 

Ober besondere Endigungsgrunde der Sach.-M. s. kommt es auch wohl vor, daB mehrere in einem 

Leonhard Art. Conductio o. Bd. IV S. 861. Raum hausen, auch daB mehrere gemeinsam eine 

Die Verpflichtungen des Meters macht der Wohnung mieten. Dig. 9, 3, 1, 10, die sie dann 

Vermieter mit der actio locati geltend. Die des zum Gebrauch z-immerweise unter sich aufteilen, 

Vermieters werden mit actio conducti erzwungen. 30 wobei der Zugange wegen das medianum, der 

Die Formeln der beiden Klagen sind uns nioht mittlere Raum, gemeinsam bleibt. Dig. 9, 3, 5, 2. 

liberliefert, die Klageformeln hat L e n e 1 Ed.3 zu VieHeicht haben die cenacula eigene Zugange von 

rekonstruieren versueht. Es sind Bonae-Mei- der StraBe, Liv. XXXIX 14, 2 cenaculum super 

Klagen, die wie alle diese dem iudex viel freies aedes datum est^ scalis fereritibus in publicum 

Ermessen ermogliohen, das aUerdings gegen Ende obserati^ aditu in aedes verso, 

der klassi'schen Zeit idurch die vielen von den Die M.-Wohnung in der insula ist ein Ergeb- 

Juristen aufgestellten Regeln, die auch in das nis sozialer Umsohichtung und des Anwachsens 

Corpus juris iibergegangen sind, gehemmt wird. der stadtischen Bevolkerung. In den insulae 

Besondere M. -Verhaltnisse, Woh- wohnen aber nicht mir arme Leute. Die Woh- 
n u n g s - M. Die Wichtigkeit des Wohnungs- 40 nungen in den ersten und zweiten Stoekwerken 
bediirfnisses muB schon friih zur Ausbildung sind sehr gut ausgestattet gewesen und dienten 
einer Wohnungs-M. beigetragen haben, wenn auch den wohlhabenden Biirgem als Wohnstatte (Calza 
die Lehre, daB man es bei dieser mit dem ur- Le case d'affito in Roma antica 1916). 
spriinglich ersiten Mietverhaltnis zu tun habe. Die Dauer der Wohnungs-M. ist regelmaBig 
wohl nicht haltbar erscheint. Der Wohnungs- geringer als die der Paeht. Gewohnlieh wird sie 
mieter heiBt in den Quellen inquilinus (Cic, mit einem Jahr festgesetzt, luven. Ill 233. Mar- 
Phil. 2. 41. i Suet. Nerva 44. Dig. 7, 8, 2 § 1. 4. tial. XII 32, doch kommen auchlangere M.-Zeiten 
Dig. h. t. 19 § 4. 5. 24 § 2; 25 § 1. 2; 58 pr. vor, Dig. h. t. 60 pr.; besonders auf fiinf Jahre 
Dig. 20, 2, 2. Dig. 41, 2, 37. Dig. 43, 17, 1. 1. abgeschlossene M. sind iiberliefert, GIL IV 1136. 
3, 3. Dig. 43, 32, 2 uber die anderen Anwen- 50 Dig. h. t. 24, 2. Vielleieht wurde das Ende des M.- 
dungen des Wortes siehe Leonhard Art. I n - Verhaltnisses bei der ersten M. ohne Rticksieht 
quilinus o. Bd. IX S. 1559), habitator (Dig. auf die gehannten Zeitraume mit erstem Juli f est- 

6, 1, 59. Dig. 9, 3, 1 § 8. 9. Dig. 9, 3, 6, 2. gesetzt. Der erste Juli seheint namlich der all- 
Dig. 19, 2, 27 pr. und 1. 30 pr. Dig. 39, 2, 37. gemeine Umzugstermin in Rom gewesen zu sein, 
43, 1) Oder seltener auch insularius Dig. 1, 15, 4. Dig. h. t. 60 pr. Dig. 20, 4, 9 pr. GIL IV 138. 
Er hat entweder ein ganzes Haus Dig. h. t. 7 u. Petron. 38. Buet. Tib. 35 u. a. m. tTber die Mog- 
9 pr. Oder einen Teil desselben Dig. 13, 7, 11 §5 lichkeit der Verlangerung der abgelaufenen M. 
oder ein Stockwerk {cenaculum Dig. 7, 1, 13 § 3. durch relocatio tacita «s. o. 

8. Dig. 43, 17, 3. 7, 8, 2, 41 pr. 13, 7, 11, 5. Vielfach wiard die jederzeit mogliche einseitige 

Dig. h. t. 27 pr.; 30 pr.) eine Kammer {cubiculum) 60 Bntziehung des M.-Objektes durch den Vermieter 

Dig. 9, 3, 5 § 2 direkt vom Hauseigentiimer ge- behauptet. Dagegen vergleiehe Per nice Ztschr. 

miete t, oder von einem Untemehmer, der ganze Sav.-Stift XIX 92, 3 unter besonderem Hinweis 

Hauser Dig. h. t. 30 pr. oder Stockwerke Dig. 13, auf Martial. 32 quas non retenta pensione pro 

7, 11. 5, gemietet hat und sie evtl. geteilt an bima portabat uxor. So hatte Martial gewiB nicht 
TJntermieter weitervermietet. Dig. h. t. 7, 8; gesprochen, wenn Vaoerra ohne Berticksichtigung 
30 pr.; 38 pr.; 60 pr. Dig. 13, 7, 11. 5. Das des ersten Juli gekiindigt worden ware. Doch ist 
Gewerbe des Untervermieters ist das cenaculum das eine sicher, daB in gewissen Fallen der Ver- 
sxercere Dig. 9, 3, 5, 1. Vielfach werden die Zins- mieter dem Mieter 4m M.-Objekt sofort entziehen 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 13 



887 Miete Miete 388 

kann, wie bei MiBbrauch der Wohnraume, bei fruits, 1889. Desvaux Du louage de biens ru- 

Eigenbedarf, ja auch zur Reparatur des Hauses, raux, 1893. Ferrini Arch. f. ziv. Praxis LXXXT 

Dig. h. t. 35 pr.; 30 pr. Cod. 4, 65, 3. Iff. Ha j j e iStudes sur les locations a long terme 

Zur Sieherung des M.-Zinses steht dem Ver- et perpetueUes dans le monde romain, 1926. Har- 

mieter ein gesetzliches Pfandrecht an den in- d o u i n Des garanties accordees au bailleur d'im- 

vecta und illata, dem Kram {frivola Dig. 13, 7, 11, meubles, 1890. Jacobi Remission des Pacht- 

5) des Mieters zu. zinses 1856; M. und Paeht. Immerwahr Die 

Die Oberaufsieht iiber das M.-Wesen in der Kiindigung historisch und systematisch darge- 

Hauptstadt fiihrt der praefectus vigilum (Mo mm- stellt, 1902. Kantorowicz Die Lehre von der 
sen St.-R. II 1058), der auch die Hauserverwal- 10 Unter-M. 1902. Karlowa Rom. Rechtsgesch.il 

ter beaufsichtigt, Dig. 1, 15, 4. 632. Mommsen Ges. Schr. Ill 132f. Pe- 

Speicher-M. Zur Aufbewahrung von be- rozzi Inst. 2 ET 289f. Petroni Fine della lo- 

weglioher Habe wird in Rom seit altersher ein cazione stipulata dair usufruttuario nel diritto 

horreum, ein Magazin oder Speicher gemietet, romano-Filangieri, 1899, 404f. Pfizer Arch. f. 

Dig. 33, 7, 7. Dig. 33, 9, 3, 11. Dig. 41, 1, 60. ziv. Praxis LXXI 4451 RavierduMagny 

Naheres tiber die verschiedenen Arten des hor- Les origines de la vente et du louage. 1894. Ru- 

reum insbesondere auch tiber die in privatem lant De iure expellendi conductores, quod sin- 

Eigentum befindlichen horrea s. Art. H r r e u m. gularibus sucoessoribus competit, 1690. T h e - 

Die horrea wurden entweder zur Ganze oder teil- baud Du louage, 1891. Tommaso Bruno 

weise, etwa nur ihr KeUer apotheea (bedeutet 20 Digesto italiano XIV 981 f. Zahlreiche Aufsatze 

auch das Magazin selbst, Dig. h. t. 11, 3. Dig. in der Ztschr. Sav.Stift. Vgl. dazu das Register 

30, 6. Dig. 33, 7, 12, 34) oder darin befindliche zu den Banden 1—50. 

Schranke armaria Dig. 5, 1, 19, 2 oder ein durch VI. Die locatio conductio opera- 

Saulen abgegrenzter Raum intercolumnia loca rum. Diese ist der Vertrag, in dem der eine 

oder mit Gestellen versehene Telle loca armaria Kontrahent dem andem seine Dienste fiir einen 

(Br^uns Font. 329) vermietet. Die Speicher-M. bestimmten Zeitraum gegen einen bestimmten 

nnterscheidet sich von der gewohnlichen Platz-M. Lohn in Geld verspricht, Dig. h. t. 38 pr. 

durch eine besondereHaftung des Vermieters.Dieser Der gesehichtliehe Ursprung dieses Rechts- 

haftet namlich fiir custodia. Von vertragsmaBiger institutes wird nach der alteren von Mommsen 

tTbernahme solcher Haftung berichtet Dig. h. t. 30 begriindeten Lehre in den Apparitorenvertragen 

55 pr., eine SteUe, in der allerdings die Haftung des offentliehen Rechtes gesehen. Mehr Anhalts- 

auch fiir hohere Gewalt iibernommen erscheint. punkte hat jedoch die Ansicht, welche die locatio 

Im ausgebildeten Recht haftet der Speicher- conductio operarum von der Vermietung der 

vermieter schon ohne besondere Abrede fiir cu- Sklaven zu Dienstleistungen herleitet. (D e - 

stodia. Biermann Ztschr. Sav.-Stift. XII 56. s c h a m p s M61. G^rardin 157ff., vgl. auch P e - 

Seek el Handlexikon 117. Schulz Griinh. rozzi Ist.2ll 299, 2.) Danach seien die Sklaven 

Ztschr. XXXVIII 28. K u n k e 1 Ztschr. Sav.-Stift. urspriinglich wie jede andere res vermietet wor- 

XLV 276. Vgl, Dig. h. t. 60, 9 und Coll. 10, 9, 1. den. Gegenstand dieser M.-Verhaltnisse waren 

S c h i f f s - M. In der Regel war in Rom der dabei die Sklaven selbst, nicht ihre Dienste. Als 

Transport von Waren und Personen nicht, wie es 40 es aber im Laufe der Zeit iiblich geworden war, 

heute geschieht, Gegenstand einer Werk.-M., son- die operae servorum zum Gegenstand von Ver- 

dern das Transportmittel Objekt einer locatio con- machtnissen zu machen, wurde es auch iiblich, die 

ductio rei gewesen (s. aber auch locatio conductio operae servorum selbst zum Gegenstand einer lo- 

02?ms V a 1 e r i Osservazioni critiche sul concetto catio conductio zu machen. Das biirgerte sich 

di trasporto-Riv. dir. comm. XVIII [19201 465ff.). aber auch bald beziiglich der gewaltunterworfenen 

Der Verfrachter mietete das ganze Schiff selbst, Freien ein, der Hauskinder, der in mancipio be- 

begleitete dann in der Regel den Transport selbst findliehen Freien usw., so wie beziiglich der operae 

oder durch seine Leute und bestimmte die Route iuratae libertorum. SchlieBlieh kam man auch 

des SchiSes selber. Dig. 14, 1, 1, 15. Dig. 14, dazu, daB man den Gewaltfreien die Moglichkeit 

2, 10, 2; doch kommt auch die M. von Teilen 50 zugestand, operas suas oder se locare, Paul. H 

eines Schiffes vor, in welchen Fallen die Fiihrung 18, 1. Homo liber ^ qui statum suum in sua po- 

des Schiffes einem exercitor obliegt. testate habet, et peiorem eum et meliorem facere 

Literatur (AUgemeine Fragen und I. c. rei. potest: atque ideo operas suas diuturnas noe- 

Zur Erganzung vgl. man auch die Literatur- turnasque local, 

angaben bei den Art. Colonatus, Conduc- Die Dienst-M. hat in Rom, da die Sklaven- 

t i und Locatio) Albrecht De remissione arbeit iiberwog, nur untergeordnete Bedeutung 

mercedis ob sterilitatem indulgendam 1779. Ba- erlangt. Diesem Umstand wird es auch zuzu- 

latto L'istituto della tacita ricondizione 1893. schreiben sein, ^^ Ai^ locatio conductio operarum 

B r a u d Essay sur Thistoire des baux h. long in den QueUen so stief miitterlich behandelt wird. 

terme h Rome, 1907. Burckhard Zur Gesch. 60Mit der oben angedeuteten Entstehung der Dienst- 

d. loc. cond. 1889. Costa Storia del diritto M. aus der Sklaven vermietung diirfte es auch zu 

Romano priv. 1911, 391 ff. Cuq Daremb.-Sagl. erklaren sein, daB die Dienst-M. nur auf niedere 

III 12, 1286f.; Les institutions juridiques des Dienstleistungen beschrankt ist, ja daB es so weit 

Romains 1902, II 4231; Nouv. Rev. hist. geht, daB die Dienstnehmer in einer sozial sehr 

XXni 1(1899) 631; M6m. de FAcad. des gedriickten Stellung erscheinen. In einer Stelle 

Inscr. XI/1 441 Degenkolb Platzrecht und wird sogar davon gesprochen, daB sie servorum 

Miete. 1867. Delaplanche De la location loco verwendet werden. Dig. 7, 8, 4 pr. sed et 

de biens ruraux a prix d'argent et ^ portion de cum his, quos loco servorum in operis habet^ 



389 Miete Miete 390 

habitabit, licet liberi sint vel servi alieni. (Vgl. trotz ihrer Kennzeichnnmg als sordidum nieht 

aueh den AusschluB der actio furti gegen den unter die locatio conductio operarum. Audi hier 

mercennarius Dig. 47, 2, 90.) greift zur Durchsetzung des proxeniticum, des 

Der Dienstnehmer wird, wie der unfreie Ar- Maklerlohnes, extraordinare Rechtshilfe Platz, 

beiter, operarius (Varra r. r. I 18, 4. 17,' 2. Dig. 50, 14, 1 und 3. 

Colum. Ill 21, 10), auch opera (Dig. 45, 1. 137, DieDienste /sind nach Anordnung und GeheiB 

3) Oder mercennarius (Dig. 43, 24, 3pr. Dig. 47, des Arbeitgebers innerlialb der festgesetzten Zeit 

2. 90. Dig. 48, 19, 11, 1) genannt. Es sind Leute zu leisten Cod. 4, 65, 22. Hat derselbe Dienst- 

quorum operae, non quorum artes ementur (Cic. nehmer zwei Dienstgebern seine Dienste zugesagt, 
off. I 150). Vom Dienstgeber heiBt es, dafi er sie 10 sind die Dienste dem ersten Kontrahenten zu- 

in operis habet (Dig. 7, 8, 4 pr.). Beim Dienst- erst zu leisten, Dig. h. t. 26. In operis duobus 

vertrag heiBt es eum conducere (bzw. locare) oder simul locatis convenit priori conductori ante 

operas (suas) locare (conducere) Dig. h. t. 38 pr. satisHeri. Bei der Ausfiihrung der Dienste, die er 

Dig. 48, 19, 11, 1. Dig. 47, 2, 90. Coll. IV 3, 2. personlich zu leisten hat, haftet der Vermieter 

Die Dienstleistungen, die Gegenstand nieht nur ftir dolus, sondern auch ftir culpa, 

der Dienst-M. sein konnen, werden von den ro- auBerdem steht er daftir ein, daB er die Fahig- 

misehen Juristen als facta quae locari solent be- keiten, die er zugesagt hatte oder die vorauszu- 

zeichnet. Dig. 19, 5, 5, 2 ... sf tale sit factum ^ setzen waren, wirklich habe. Dies ergibt sich 

quod locari solet, puta ut tabulam pingas, pe- aber mangels von Quellenzeugnissen ftir die 
cunia data locatio erit. Eine genauere B^griffs- 20 Dienst-M. nur aus Analogieschltissen (vgl. Dig. 

bestimmung der operae quae locari solent ist in h. t. 25, 7. Dig. h. t. 60, 2. Dig. h. t. 9, 5. Dig. 

den juristischen Q^^Uen aber nieht zu finden. 9, 2, 27, 29). 

Bei Cic. off. I 150 erscheinen sie als artes illibe- Das Entgielt (merces) muB in Geld bestehen, 

rales et sordidi quaestus den artes liberales gegem- sonst liegt keine Dienst-M. vor (analog. Dig. 19^ 

tibergestellt. Inliberales et sordidi quaestus mer- 5, 17, 3). Das Entgelt muB auch gezahlt werden, 

cennariorum omnium, quorum operae, non quorum wenn der Arbeiter ohne eigene Schuld nieht ar- 

artes ementur; est enim in illis ipsa merces auc- beiten fcann. Dig. 19, 2, 38 pr. Qui operas suas 

toramentum servitutis . . . OpiRcesque omnes in locavit, totius temporis mercedem accipere debet, 

sordida arte versantur, nee enim quicquam in- si per eum non stetit, quominus operas praestet, 
genuum habere potest ofHcina. Minimeque afies 30 Dig. h. t. 19, 9. Dig. 50, 13, 1, 13. Das in Dig. 

eae probandae, quae ministrae sunt voluptatum: h. t. 19, 9 uberlieferte Reskript des Antoninus 

Getarii, lanii, coqui, fartores, piscatores . . . adde und Severus laBt die® auch ftir den Fall gelten, 

hue, si placet, unguentarios, saltatores totumque daB die dem Dienstgeber personlich zu leistenden 

ludum talarium . . . Es sind durchausniedere Dienst- Dienste durch den Tod desselben unmoglioh wer- 

leistungen, denen wir hier begegnen. Fleischer, den, schrankt dies aber damit ein, daB der Ar- 

Metzger, Koche, Kellner u. dgl. Sehr haufig isind beitnehmer nieht anderweitig ftir seine Dienste 

©s Taglohner, die im landwirtschaftlichen Betrieb bezahlt wurde. Cum per te non stetisse proponas, 

verwendet werden. Varr. r. r. I 17, 2 omnes agri quominus locatas operas Antonio Aquilae solver es, 

coluntur hominibus servis aut liberis aut utris- si eodem anno mercedem ab alio non accepisti, 
que: liberis, aut eum ipsi colunt . . . aut mercen- 40 Mem contractus impleri aequum est. 

nariis. Colum. HI 21, 10. Dig. 45, 1, 137, 3. Literatur. Adnet Le louage des services, 1892. 

Poseidonios (S^n. ep. 88) teilt die artes illiberales Armirail La Locatio conductio operarum, 1892. 

und die sordidi quaestus ein in artes ludicrae und Cuq Daremb.-Sagl. HI 12, 1291f. Dankwardt 

in artes vulgar es et sordidae. Zu den ersteren Iherings Jahrb. XFV 228f. Deff^s De la lo- 

zahlte er die Tatigkeiten der Komodianten, Tan- catio operarum et de la conductio operis, 1888. 

zer, Schauspieler, Musikanten, Sanger u. dgl., Deschamps Sur rexpression ,locare operas* 

kurz die Dienstleistungen jener Leute, die zur et le travail comme objet de contrat ^ Rome. 

Unterhaltung der Zuhorer dienen sollten. Auch M61. G^rardin 1907, 157f. Hachmeister 

die Dienste der freien Gladiatoren gehoren hier- Gefahrtragung bei Arbeitsmiete, 1887. Labor- 
her. CoU. leg. mosaic. IV 3, 2 Vel etiam ilium bO derie Rev. g^n. de droit. XXXIII (1909) 193f. 

qui operas suas, ut cum bestiis pugnaret locavit, Lebrun Du louage de services, 1885. Tom- 

Die artes vulgar es et sordidae sind die, welche in m a is o Dig. italiano XIV 985f . Vgl. auch die 

mechanischer und groBtenteils manueller Arbeit Aufsatze der Ztschr. Sav.-Stift. im Register zu 

bestehen und die Lebenshaltung erleichtem sollen. Bd. 1 — 50. 

Es sind aber nioht nur die Dienste der Koche Locatio conductio operis. Dnter 

und sonstiger Dienstleute, die im Haushalt Ver- der locatio conductio operis (Werk-M.) yerstanden 

wendung finden, sondern auch die der Sekretare, die romischen Juristen die Hingabe einer Sache 

Schreiber (Hausverwalter u. dgl. m.) darunter zu zur entgeltlichen Bearbeitung und Rtickgabe der 

verstehen. Nieht dazu gehoren die Dienste der bearbeiteten :S!ache. 

Anwalte, Irzte, Lehrer, Buchhalter (librarius) 60 Der igesehichtliche Urspung dieses Reehts- 

und der notarii; deren Entgelt {honorarium, sa- instituteis ist dunkel. Vielfach wird angenonunen, 

larium oder selten merces genannt) wird im Wege daB die locatio conductio operis im offentlichen 

der extraordinaria cognitio eingefordert. Dig. 50, Reeht zuerst in Gebrauch gekommen sei (Momm- 

13, 1. Keine Dienst-M. lag auch bei den agrimen- sen Ges. Schr. EI 136f. Cuq Daremb.-Sagl. Ill 

sores vor (auch sie erhielten ein Honorar: Dig. 1291). Auch mehrere versehiedene Wurzeln wie 

50, 13, 1. Bemerkenswert ist die Beschrankung Steuerpacht und stadtische Werkverdingung 

ihrer Haftung auf dolus allein. Dig. 11, 6, 1 pr.). (Costa Storia di dir.Rom. 394), oder zensorische 

Auch die Tatigkeit der Makler {proxeneta) faUt Vertrage und Abspaltung aus der locatio conduce 



391 Miete Miete 392 

tio operarum (Cuq a. 0. Wachter Pand. II llOf. Heumann-Seckel Handlexikon unter 

479) werden angenommen. Die Terminologie — custodia. Schulz Ztschr. Sav.-Stift. XXXII 62f. 

conductor heiBt hier der dieSiaelie zur Bearbeitung Griinhuts Ztschr. XXTIH 21 f. Krit. Vierteljahrs- 

tibernimmt, locator der Beisteller, der sie weggibt schr. L 33. K u n k e 1 Ztschr. Sav.-Stift. XLV 276, 

— scheint aber nahe zu legen, dafi auch diese aber aueh Heymann Ztschr. Sav.-Stift. XL 

M.-Form sich zuerst anMobilien entwickelt habe, 190f. Sieber Eom. Recht II 248, aber auch 

1st das richtig, gewanne die Ansicht, dafi sich die Lusignani Studi suUa responsabilita per cu- 

M. aus einem Realkontrakt entwickelt habe, fiir stodia 41. 

die locatio conductio operis groBes Gewicht. Noch Auch tragt der Untemehmer die Gefahr des 
in spaterer Zeit gilt ja der Satz nee posse ullam lOMBlingens des Werkes (dazu H a y m a n n Ztschr. 
locationem esse, uhi corpus ipsum non detur Sav.-Stift. XLI 155f. Dig. 14, 2, 10 pr. [zur 
(Dig. 18, 1, 20). Interpolation vgl. Index interpol. besonders Hay- 
Das Wesentliche der Werk-M. liegt in dem mann 155]. Dig. 19, 2. 15, 6 und 62. Qb 
okonomischen Effekt, dem opus, der bezweekt erst Tribonian dem Handwerker die Geltend- 
wird. Dig. 50, 16, 5, 1 ,Opere locato eondueto': machung der Fehlerhaftigkeit des tibergebenen 
his verbis Laheo signikcari ait id opus, quod Materiales ermoglioht hat (Dig. 9, 2, 27, 29, dazu 
Graeci dnorsXsaf^a vocant, non sQyor, id est ex Haymann Ztschr. Sav.-Stift. XL 190) mag 
opere facto corpus aliquod perfectum. Wohl ist zweifelhaft sein. Die tJberwalzung der Gefahr 
zu seiner Herbeifiihrung vom Unternehmer Ar- auf den locator ftir den FaU des kasuellen Unter- 
beit zu leisten, deissen sind sich aueh die romi- 20 gauges ist nachklassische Einschrankung. 
sohen Juristen durchaus bewufit gewesen. Dig. Der L o h n (merces) fiir das Werk mu6 nach 
h. t. 22, 2 locat enim artifex operam suam, aber klasisischer Lehre in Geld bestehen, sonst kommt 
sie tritt ganzlich gegentiber dem opus in den ein Werkvertrag nioht zustande. Doch gibt in 
Hintergrund id est faciendi (scil. operis) neces- Fallen, in denen eine andere Gegenleistung ver- 
sitatem. einbart wurde. Dig. 19, 5, 52 eine actio prae- 
Wie schon erwahnt, wird bei der Werk-M. scriptis verbis, DaB der Lohn in Geld bestehen 
regelmaBig ein Gegenstand zur Bearbeitung iiber- muB, scheint frtiher nicht gegolten zu haben, 
geben, Dig. 18, 1, 20. Bei manchen Formeri etwa jedenfalls berichtet uns Cato (agr. 16) von eigen- 
beim Hausbau geniigt es aber, daB ein zur artigen Werkvermietungen an einen Partiarius: 
HerstelLung des Erfolges wesentlicher Bestandteil 30 calcem coquendam partiario qui dant^ ita dant; 
vom BesteUer bereitgestellt wird aliter atque si 13: vineam redemptori partiario quomodo des. 
aream darem, ubi insulam aediRcares, quia tune Das Entgelt kann fiir das Werk in Bausch und 
a me substantia proRciscitur. Wiirde allerdings Bogen bestimmt sein, corpus aversione locatum 
das bestellte Werk voUstandig aus dem vom Un- oder nach Stiickeinheiten (ad pedes) oder nach 
ternehmer beigestellten Material herzustellen Zeiteinheiten {ad dies) bemessen werden. Dig. h. t. 
sein, so liegt nach Ansicht der romischen Juristen 36. 51, 1. Dig. 14, 2, 10, 2. Wird der Lohn 
nicht Werk-M., son dem Kauf vor, Dig. 18, 1, nach pedes oder dies berechnet und gezahlt, so 
20. 65. Dig. h. t. 2, 1. (Doch Ehrenberg liegt in der Regel Werkfiihrung in eigener Regie 
Iher. Jahrb. XXVII 253.) Die W e r k e, die des Bestellers vor. Dann erscheint der conductor 
Gegenstand der Werk-M. sein konnen, konnen40njur als Werkzeug deiS locator. Die Verbindlich- 
unendlich mannigfaltig sein, vom Aufwerfen eines keiten des conductor erloschen in diesen Fallen 
Grabens und Flicken oder Wasehen eines Roekes mit der Fertigstellung des Werkes. Mit der 
bis zum Ban eines Tempels und dem Malen eines Dienst-M. teilt diese Art Werk-M. die Eigenheit, 
GemaMes finden sich Beispiele in den QueUen. daB die Tatigkeiten des Unternehmers vom Be- 
DaB auch hier der Grundsatz gait, daB es sich steller standig beeinfluBt werden und der Lohn 
um operae locari solitae Dig. 19, 5, 5, 2 handeln wie beim mercennarius in Teilbetragen bezahlt 
miisse (vgl. Dankwardt Iher. Jahrb. XIII 309) wird, sie unterscheidet sich aber von ihr wesentlich 
1st nicht erweislich (vgl. neuestens P e r o z z i dadurch, daB der Untemehmer nicht auf Zeit, 
Ist.2 297). sondern fiir das Werk gedungen ist. Wie die Be- 
Die Tatigkeit des Unternehmers heiBt 50 rechnung des Lohnesi erfolgen kann, kann auch 
technisch opera und stempelt ihn zum artifex die Bezahlung auf einmal oder in Teilbetragen 
Plant. Aul. 455; Pseud. 806; Trin. 843. Gai. Inst. geschuldet werden, die dann nach MaBgabe des 
III 147. Dig. h. t. 2, 1. 22, 2. Dig. 19, 5, 22. Fortschrittes der Arbeit Dig. h. t. 51, 1 odernadi 
Wie das Werk zustande kommt, ist mangels Billigung des Werkes dureh den Besteller Dig. 
Abrede gleichgiiltiig Es kann durch eigene Ta- h. t. 24 pr. geleistet werden. Bemerkenswerter- 
tigkeit des Werkmieters, oder dureh die seiner weise wird hier der Lohn vom locator und nicht 
Angestellten, oder eines von ihm selbst gedun- wie sonst vom conductor gezahlt. tTber den 
genen Werkmieters verfertigt werden, vgl. Dig. Grund M o m m s e n Ztschr. Sav.-Stift. VI 263 
45, 1. 137, 3. An Stelle des artifex erscheint — 267. Manehmal wird wie im offentlichen Recht 
vielfach ein Kapitalist, der ohne selbst Facbmann 60 der Lohn im Wege einer Versteigemng festge- 
zu sein, die HersteUung von Arbeiten iibemimmt, setzt. Der zur Lizitation einladende ist derjenige, 
sie durch Angestellte, Taglohner oder durch in der das Werk in Verding geben wiU. In einem 
gesellschaftsahnlichem Verhaltnis stehende Mit- Ansehlag wird der Termin der Lizitation und die 
unternehmer herstellen laBt; vgl. Per nice Ztschr. Bedingungen des Vertragsabschlusses mit Aus- 
Sav.-Stift. VII 98ff. nahme des Lohnes kundgetan. Unter den catoni- 
Beziiglich des iibernommenen Materials haftet schen Vertragsformularen finden sich auch Be- 
der Werkmieter fiir custodia. Gai. Ill 205 stimmungen fiir solche Anschlage. Cato agr. 144, 
— 206; vgl. Lehmann Ztsohr. S^v.-Stift. IX 4. 146 (dazu Karlowa Rom. Rechtsgesch. 11 



393 Miete Miete 394 

650). Das Bieten erfol^ durch Unterbieten. Das liert. Das ist fiir eine vertragsmafiig ausbe- 

Versprechen einer Leistung an die Mitbietende'ii, dungene probatio durch Dig. h. t. 24 pr. sioher- 

mn ,sie idadurch vom Unterbieten abznhalten, ist geistellt. Dasselbe wird aber wohl auch fiir die 

verboten. nicht ausdrucklich ausbedungene gegolten haben 

Eine besondere Bedeutung hat bei der Werk- (Arg. Die Wirkung ider probatio bei der nego- 

M. die sog. probatio operis. In den Quellen als tiorum gestio Dig. 3, 5, 8 unid der degustatio in 

probare Dig. h. t. 37. 60, 3. 62 oder mit adpro- Dig. 18, 6, 16. Argumente allgemeiner Natur bei 

bare Dig. h. t. 24 pr. bezeichnet, bedexitet sie Samter Ztschr. &v.-Stift. XXVI 133). 

einerseits die Anerkennnng des Werkos als ver- Wegen Nichtriickgabe des iibemommenen Ma- 
tragsmafiig hergestellt von Seite des Bestellers, 10 terials ist eine litis aestimutio durch ius iuran- 

anderseits aber auch den durch den Unternehmer dum in Dig. h. t. 48, 1, tiberliefert. tJber die 

vorgenommenen Nachweis, daB das Werk ver- actio oneris aversi im besonderen Fall der Trans- 

tragsmaBig hergesteUt sei, Dig. h. t. 36; 51, 1. port-M. s. u. 

Die probatio kann vertragsmaBig dem BesteUer Die ProzeBformeln fiir das klassische Schrift- 

oder einem Dritten zustehen; sie wird vielfach formelverfahren sind uns nicht tiberliiefert (Re- 

durch ausdriicklichen Vorbehalt in einer Kkujsel konstruktionsversuche bei L e n e 1 Ed.^). Er- 

des Werkvertrages ausbedungen. Dig. h. t. 24 pr. wahnung findet vdie actio locati bei ider Werk-M. 

ut arbitratu domini opus adprobetur; Dig. h. t. in Dig. h. t. 11, 3. 13, 1. 13, 3 und in Cod. 4, 

60, 3 ut probatio aut inprobatio locatoris aut 65, 14, die actio conducti in Dig. h. t. 19, 7. 
heredis eius esset. Diese Klausel ist aus den 20 Besondere We rkvertrage. Lehrlings- 

offentlicben Vertragen in die privaten iiberge- vertrag. Im klassisehen Reoht wurde der Sklave 

gangen und bereehtigt den BesteUer zu einer ein- oder das Hauskind d'uroh mancipatio Hdueiae 

seitigen Begutachtung des Werkes, die er aber causa in die Gewalt des Lehrherrn gegeben, wo- 

nicht nach WiUktir, sondern boni viri arbitratu durch der Sklave ins Eigentum, das Hauskind 

vornehmen muB. Hat der Besteller die probatio in das mancipium und damit in den Hausstand 

vorgenommen, war aber dabei durch betriige- des Lehrherrn gelangte und in personliche Ab- 

risches Verhalten des Untemehmers beeinfluBt hangigkeit geriet. Im nachklassischen Recht er- 

worden, so ist die so zustande gekommene Werk- scheint der Lehrlingsvertrag als locatio conductio 

billigung ungiiltig. Dig. h. t. 24 pr. Neben der operis (Dig. 17, 1, 26, 8. Dig. h. t. 13, 3). Ge- 
ausdrucklich ausbedungenen probatio erseheint 30 legentlich findet sioh auch die Konstruktion als 

in den QueUen eine stillsehweigend vereinbarte Innominatrealkontrakt Dig. 19, 5. 13, 1. Die 

als regelmaBiger Inhalt des Vertrages, die aber friihere personliche Gewalt des Lehrherrn ist zu 

wie Dig. h. t. 37 erkennen laBt, ein zweiseitiger einem Ztiehtigungsrecht abgeschwaeht Dig. 7, 1. 

Vorgang ist. Sie erseheint als ein Versuch des 23, 1. Dig. 9, 2. 5, 3. Dig. 48, 19, 16, 2. Der 

Untemehmers darzutun, daB das Werk vertrags- Lehrmeister idarf nun auch den Lehrling nicht 

niaBig hergeisteEt sei, und als ein Anerkennen maBlois ausniitzen. Dig. 21, 1. 17, 3. 5. (Lit.: 

dieses Umstandes von Seiten des BesteUers. Die Cugia Profili del tirocinio industrial© 1921.) 

probatio muB in beiiden Fallen innerhalb be- Seefrachtvertrag. Wird fiir den Warentrans- 

stimmter Zedt vorgenommen werden, Vitruv XI port nicht das ganze Schiff oder Telle des Lade- 
8, 2- — 3. Die Zeit bestimmt sich nach dem Yer- 40 raumes gemietet, sondern der Transport als sol- 

trag bzw. aus ider Natur der Sache. (Fiir offent- cher verdungen, liegt Werkverdingung vor. Fiir 

liche Bauten sind ispater Garantiefristen von diesen Seefrachtvertrag (locatio conductio operis) 

15 Jahren festgesetzt worden Cod. Theod. 2, 15. gilt als Besonderheit, daB die Nichtauslieferung 

1. Cod. 2, 20, 8, was aber ins Privatrecht nicht der transportierten Ware nicht mit der Vertrags- 

iibergegangen ist.) Wird innerhalb dieser Zeit klage, sondern mit der deliktisoh gefarbten actio 

die probatio nicht vorgenommen, so wird wohl oneris aversi, von der uns in Dig. h. t. 31 be- 

ebenso wie bei der degustatio des Weinkaufes richtet wird, geltend gemacht wurde. Aller Wahr- 

Dig. 18, 6, 16 die Billigung des Werkes ange- scheinlichkeit nach ist ihre Anwendung auBer 

nommen worden sein. Die Bedeutung der pro- Gebrauch gekommen, vgl. L e n e 1 Ed.^ 300. Seit 
batio erhellt wohl am besten aus der Lex Puteo- 50 der Zeit Ciceros wurden fiir den Seefrachtver- 

lana quod eorum viginti iurati probaverint, pro- trag in steigendem MaBe Bestimmungen des rho- 

bum esto quod eis inprobarint, improbum esto. disehen Seerechtes maBgebend. S. d. Art. Lex 

Das Werk ist als nicht verf ertigt zu betrachten. R h o d i a Bd. XH iSl 2405. Anklange an den 

Die Wichtigkeit der probatio ergibt sich auch modernen Summenfrachtvertrag finden sich in 

aus den Bauinschriften auf offentlichen Bau- Dig. h, t. 31. 

werken OIL I 571. 577. 1216. 1223. 1227. 1245. Locatio conductio operis irregu- 

1247, ja sie muB so wichtig gewesen sein, daB laris. Erhalt der Unternehmer zur Bearbeitung 

man es aiuf sich nehmen konnte, abgehenden Material und kann statt der erhaltenen vertret- 

Zensoren die Amtszeit zu verlangern, damit sie baren Sachen auch andere gleichartige verarbeiten, 
die probatio bei den von ihnen verdungenen 60 so liegt ein .gemischtes Geschaft vor, das als Dar- 

Werken vornehmen konnten, Li v. XLV 15. tTber lehen in Yerbindung mit Werkvertrag behandelt 

die Wirkung der probatio bei der locatio conduc- wird. In diesen Fallen wird der Empf anger Eigen- 

tio operis des offentlichen Rechtes berichtet uns tiimer des Materials und tragt als solcher die 

Dig. 48, 11, 7, 2 ne in acceptum feratur opus pub- Gefahr des wirtschaftlichen Unterganges Dig. 34, 

licum faciendum . . . antequam . . . probata . . . lege 2. 34 pr. und Dig. h. t. 31 (dazu S i b e r Rom. 

erunt. Im Privatrecht befreit die probatio den Recht H 205 und Ind. Interpol, besonders Be- 

Unternehmer von seinen Yerbindlichkeiten, wah- s e 1 e r Ztschr. Sav.-Stift. XLY 467). 

rend andererseits der BesteUer die actio locati ver- Literatur. H a a s e De opere locate et conducto 



395 Miliarium Miliarimn 396 

Romanorum, 1814, Dankwardt Iherinigs Jahrb. fAaivovtcov rfjg Pc6/j,rjg Kahlxai rojiog ^fjoxoi, 

Xin 299f . P^ronne Dii louage d'ouvrage, Sonst verwendeten die Griechen fur m. die Wor- 

1885. Forgeau Du louage dWvrage, 1886. ter kIcov (Plut. C. Gracch. 7; Galba 24), orjfAsiov 

B 1 z e Arch. f. ziv. Prax. LVII Abh. 5. D e f f e s (Herodian. II 13, 18. VIII 4, 2. Suid.; Bd. II A 

De la locatio operamm et de la conductio operis, S. 1339, 9); Polyb. sagt III 39, 8 orjf^sioco, XXXIV 

1888. Gandouin La locatio conductio operis, 12, 3 TcaraotrjXoco flir ,m. aufstellen*. iiiUaQiov 

1889. Rossi Die locatio conductio operis iire- steht auf m. des Kaisers Aurelian an der Strafie 
gularis, Studi Senesi VII 181 f. Ehrenberg Smyrna — Sardes IGR IV 1482c, danach erganzt 
Iherings Jahrb. XXVII 253f. BoulangerDu 1483; die Erganzung IGR IV 695 fA{iXidQiov) I 
louage d'oiuvrage', 1890. M i c h o n Locatio con- 10 ist unsicher; ebenso lesen wir das Wort auf einem 
dnctio operis faciendi, 1890. Erman Les theo- Papyrus des 6. oder 7. Jhdts. n. Chr. (Pap. Lond. 
ries romaines sur Tentreprise avec les materiaux 1905. Meinersmann Latein. Worter und 
de I'entrepreineur, 1892. V^dry Du louage d'ou- Namen in den griech. Papyri 37). Im 3. Jhdt. n. 
vrage, 1892. DodopoulosDu louage d'ouvrage Chr. wurde auch das Wort fieihov, iieiXiv, fA,lhov, 
k Rome, 1893. Glatard Locatio condnctio das etwa seit Eratosthenes in der Bedeutung 
operis, 1893. Gnq Daremb.-So^gl. IE 1291. Br. ,Meile* vorkommt (Metrol. script. I 201, 9), auf 
T m a s Digesto italiano XIV 896. P e r o z z i thrakischen Steinen der Kaiser Septimius Severus, 
Ist.2 II 296. Mehrere Aufsatze in der Ztschr. Sav.- Heliogabal, Alexander Severus, Maximinus und 
Stif t., bes. S c h u 1 z XXXII 62f . H a y m a n n Gordian III. fiir m. gebraucht (IGR I 669. 17 Ilavr 
XL 190f. Vgl. auch die Angaben bei Art. C n- 20 taXecorcov nohg to {a^elXiv avhxrjoev. 670. 672. 
d u c t i und Locatio. Dort auch iiber die M.- 687 to /LtslXiofv] dvsorrjoev rj 2sQ8cbv noXig. 688. 
Verhaltnisse des offentlichen Rechtes. 692. 693. 724. 725. 741. 753. 772). Auch lat. mi- 

[Arn. Herdlitczka.] Hum steht gelegentlich fiir m., so auf dem m. aus 

Miliarium. 1) Meilenstein. Die Abkiirzung Cypern unter Septimius Severus (D e s s. 422 = 

m. gilt auch fiir die Mehrzahl. OIL III 218). Die doppelsprachige Inschrift dieses 

I. Literatur. Berger Cber die Heer- Steines ist von einem Steinmetzen eingemeifielt 
straBen des rom. Reiches, 2 Programme d. Luisen- worden, der kaum Latein verstand: mUia erexit 
stadt. Gewerbeschule, BerL 1882. 1883. Laf ay e Seb(aste) Papos =: Paphos, ferner auf m. des 
MiUiarium bei Daremb.-SagL III 1897f. Hirsch- Heliogabal in Kappadokien GIL III 6903. 6912. 
f eld Die rom. Meilensteine, S.-Ber. Akad. BerL 30 6930. 6931: milia restituta per M, Ulp. Theo- 
1907, 165f. = KL Schriften 703f. Martinori dorum leg. Aug. pr. pr. 

Le vie maestre d'ltalia 1930f. (mir nur I via Fla- III. Form derm. Die aufiere Form der m. 

minia zuganglich). Miller Itin. Rom. 1916, be- sah seit ihrem Entstehen und bis in die spateste 

senders wichtig wegen der Karten. Weitere Lite- Kaiserzeit hinein unseren Kilometersteinen nicht 

ratur im Laufe der Arbeit. unahnlich, nur waren sie hoher. Schon zur Zeit 

II. Name. Auf Inschriften und bei Schrift- der RepulDlik hatten sie im allgemeinen zylin- 
stellern liest man haufiger miliarium als die zu drische Gestalt, weshalb bereits bei Cato agr. 
erwartende Wortform milliarium. Diese findet 20. 22, 135, 6 der Zylinder im Becken der Oliven- 
sich z. B. D e s s. 9370 = IGR I 1056 unter ^u- quetschmaschine den Namen m. tragt. Der m. des 
gustus; D e s s. 218 =■ OIL VI 1256 unter Clau- 40 Popillius, der an der 132 v. Chr. gebauten StraBe 
dius; D e s s. 5382 = GIL X 1064: a milliario ad von Rimini nach Atri stand, hat die ganz unge- 
cisiarios qua territorium est Pompeianorum; Not. wohnliche Form eines Dreieckprismas, dessen 
d.scav. 1928, 129 unter Septimius Severus; Des s. Grundflache ein gleichschenkliges Dreieck mit 
7212 I Z. 30 = GIL XIV 2112; Dess. 7213 Gipfelwinkel nach unten bildet (Ritschl PLME 
Z. 4 = GIL VI 10234 intra milliarium I et II ah Taf. 54 A. a = Daremb.-Sagl. 1897 Abb. 5029). 
urhe euntihus; Ammian. Marc. XXI 9, 6. XXIV Als durchschnittliche Gesamthohe der m. kann 
2, 3. XXXI 5, 9. man ungefahr 180 — 300 cm angeben, von denen 

Vereinzelt trifft man auch miliarius sc. lapis, 50 — 80 cm im Boden stecken, so daB die sicht- 

z. B. auf der Popilliusinschrift von 132 v. Chr. bare Hohe 130 — 220 cm ausmacht. Eine Erlaute- 
(CIL F 638 =:Dess. 23 = Ritschl PLME 50 rung dieser Angabe an Beispielen wird zweck- 

Taf. 51 B) und Rom. Feldmesser I 343, 10 Lachm. maBig sein. ,1. Daremb.-SagL 1898 Abb. 5030 

AuBerdem bedienten sich die romischen Schrift- zylinderformiger m. des Augustus von der via 

steller gerne des bloBen Wortes lapis, wie Liv. II Domitia in der Provence, Gesamthohe 294 cm, 

11, 7. Ill 6, 7. 69, 8. V 4, 12. 37, 7. Tac. ann. I Umfang 198 cm; Hohe iiber dem Boden etwa 

45. XIII 26. XV 60; hist. IV 11. 60. Flor. epit. 220 cm; Abb. 5031 pfeilerformiger m. des Tibe- 

I 22, 44. Ammian. Marc. XVII 1, 8. 4, 14. XVIII rius von der^elben StraBe, Gesamthohe 291 cm; 

6, 22. XIX 8, 5. XXIV 1, 3. XXV 5, 6. 8, 6. iiber dem Boden etwa 230 cm; Abb. 5032 zylin- 

XXIX 4, 6. XXXI 3, 5. Varr. r. r. Ill 2, 14. Plin. derformiger m. des Claudius, uber dem Boden 

ep. X 8, 6. Quint, inst. IV 5, 22. Instit. I 25, 16. 234 cm; oben am Schaft ausgesparter quadratischer 
Rutil. Namat. II 8. Das Fragm. Vat. (coll. libr. iur. 60 Rahmen fiir die Inschrift. 2. Hag en RomerstraBen 

Anteiustin.) Ill 57 braucht m. und lapis in zwei der Rheinprovinz^ 17. 18 Abb. 15. 16 sechs m. in 

unmittelbar aufeinanderfolgenden Satzen einzig, Koblenz, woven je einer des Claudius, Nerva und 

um im Ausdrucke abzuwechseln. DaB Martial. VII Traian mit Inschriften, Steine mit viereckiger, 

31, 11 fiir ein Landgut beim dritten m. rus mar- groBtenteils im Boden steckender Basis von 59 

more tertio notatum sagt, wird niemanden in — 75 cm, der Schaft oben abgebrochen, daher jetzt 

Erstaunen setzen. Auch Strab. V 3, 2 p. 230 hat nur mehr 70 — 162 cm hoch. 3. Dragendorff- 

das Wort lapis ubernommen: [xsxa^v yovv tov Kriiger Das Grabmal von Igel Taf. 12, 1 = 

nsfiTcrov xal xov skxov Xid'ov xcbv td (jLiha diaorj- H a g e n^ Taf. 3 m. vor dem Stadtor in Igel, zy- 



397 Miliarimn Miliarimn 398 

linderformig, oben gerade abgeschnitten, 180 auf einem noch anzuftihrenden des C. Cincios 

— 200 cm iiber dem Boden. 4. Not. d. Scav. 1928 (OIL P 22), in der Kaiserzeit z. B. auf m. des 

Abb. p. 132 m. des Septimius Sever us von der Vitellius in Sardinien (Dess. 243), des Vespa- 

StraBe durch das Pustertal 190 cm tiber dem sian und des Nerva in Italien (Dess. 5819. 

Boden, Durchmesser unten 58, oben 52 cm. 5820), des Traian an der via Traiana (Dess. 

5. Germania Romana II 29, 1 = Vollmer Inscr. 291) und in Arabien (CIL III 141763. &. 6. 7)^ auf m. 
Bavariae Rom. Taf. 65 =;^ Bltimlein Bild. a. des 4. Jhdts. in Sardinien (Dess. 720) und 
d. r6m.-germ. Kulturleben Abb. 33 = M u z i k - Arabien (T h o m s e n Die rom. Meilensteine der 
Perschinka Kunst und Leben im Altert. 81, Provinzen Syria, Arabia und Palastina, ZDPV XL 
2== Haug-Sixt Rom. Inschr. Wiirttembergs 10 nr. 204). M. mit Doppelzahlung haben vielfaeh 
2 = Hertlein Die Romer in Wlirttemb. I die eine Zahl iiber, die andere unter der In- 
Taf. 5 der m. aus Isny, jetzt Museum Augsburg, schrift, z. B. D e s s. 5821 : Yl / im^, Caesar / divi 
gesetzt 201 n. Chr., jetzige Hohe noch 154 cm. Nervae / Hlius Nerva / Traianus Aug, / Germani- 

6. Not. d. Scav. 1902, 538. m. des Augustus in eus / Dacicus, / pontif, max., / trib. pot. XLll, / 
Bologna, quadratische Basis, hoch3Meter,ungefahr imp. VI j cos. V, p. p. / XVllII silice sua pecunia / 
30 Doppelzentner schwer; rechts und links je ein stravit / XLVllll. Die Zahl 6 bezeichnet hier die 
kleinerer m. des Consuls M. Aemilius Lepidus. 6. Meile des Decennovium, des durch die pomp- 
Weitere Beispiele Germ. Rom. II 29, 4 (Mus. tinischen Siimpfe fiihrenden Teiles der via Appia, 
Speyer). Vollmer Taf. 62 — 67 (darunter einige die Zahl 49 die Entfernung von Rom; das Decen- 
im Nat.-Mus. Miinchen). H a g e n^ Taf. 2 (Mus. 20 novium, durch XVIUI bezeichnet, begann also 
Trier). Revue Biblique XL (1931) Taf. 13 — 15. bei m. 43. Ein weiteres Beispiel von der via 

Die m. sind gewQhnlich aus der Gesteinsart ge- Appia ist der m. Caracallas Dess. 5822; Bei- 

hauen, die man in moglichster Nahe der StraBe spiele von der via lulia Augusta aus der Zeit 

vorfand. In Italien finden sich haufig solche aus Hadrians werden folgen. 

Marmor und Travertin, im Rhein- und Mosel- Die Inschriften der m. sind in republikani- 

gebiete aus Kalkstein, in Ration und uberhaupt scher Zeit von lapidarer Ktirze: Name, Amt, 

in den Alpenlandern aus Kalkstein und Sand- Meilenzahl, wie Dess. 5813: Q. Fabius Q. f. 

stein und Tonschiefer, in Griechenland und Klein- Labeo j procos. / XGUj oder mit Ortsangabe 

asien oft aus Marmor, in Syrien und Arabien Dess. 5810: L. Gaecili(us) Q. f. / Metel(lus) 
meist aus Sandstein. Die meisten m. haben oben am 30 cos. / GXIX / Boma. In der Kaiserzeit werden sie 

Schafte eine eingemeiBelte Inschrift; Steine ohne ausfiihrlicher, da gewohnlich Titel und Amter 

jegliche Inschrift finden sich nicht haufig, und des Kaisers angefiihrt werden; vor dem Namen 

wo welche zutage getreten sind, wie an der via steht in der Regel imp(erator); Tiberius, Claudius 

Domitia (CIL XII 5614. 5615. 5618) und anders- und Nero lassen diesen Titel weg. Mit Diocletian 

wo (Hirschfeld 172, 4. Bd. lA S. 2429, kommt Dominis Nostris etc. auf. Die Inschriften 

34f.), war die Zahl der Meile oder allenfalls des des Septimius Severus und des Diocletian mit 

Stadions wohl aufgemalt. Das gleiche diirfen wir ihren Mitregenten ferner die einiger Kaiser des 

annehmen bei m. mit eingemeiBelten Inschriften 2. u. 3. Jhdts. mit ihren Titeln und Ahnentafeln 

aber ohne Meilenzahl, z. B. Dess. 5808 =• CIL haben in Syrien, Arabien und anderswo gelegent- 
F 657: T. Quinctius T. f. / Flamininus / cos. 40 lich einen fiir m. betrachtlichen Umfang. Als 

(123 V. Chr.) / Pisas, oder Vollmer 485 vom einziges umfangreiches Beispiel fiihre ich die des 

J. 195 n. Chr. [a]b Aug. m. p. j a leg. m. p., oder schon zitierten m. Not. d. Scav. 1928, 129 an: 

m. des Tiberius von der Strafie Forum lulii — Reii Imp. Gaes. L. Septimius / Severus Pius, Perti- 

(CIL XII 5445. 5447. 5449), oder endlich m. des nax, / Aug., Arab., A(d)iab., Parth. max., / 

Nero zwischen Nizza und Aix (CIL XII 5459. pont. max., trib. pot. Villi, / imp. Xll, cos. 11, 

5468. 5469. 5471. 5473 — 5475). p. p., procos, et / Imp. Gaes. M. Aurelius An- 

Gewohnlich steht die Meilenzahl unmittelbar toni(n)us Pius, Aug., trib. pot. 1111, pro cos., et 

unterhalb der Inschrift. Dabei ist zu beachten, Se[ptim]ius [Geta] / milliaria vetustate col- 

daB in republikanischer Zeit iiberall, in den an laps[a] j restituerunt cura(m) agente / M. luventio 
Italien anstoBenden Provinzen bis in das 2. Jhdt. 50 Suro Proc(u)lo, / leg. pr. pr. ab Ag(unto) m. p. / 

n. Chr. hinein, auf gewissen StraBen Italiens und LXVU. Wichtig sind jeweilen die Angaben tiber 

in Arabien sogar noch im 4. Jhdt. die bloBe Mei- die Zahl der Consulate und Volkstribunate der 

lenzahl ohne m(ilia) p(assuum), und zwar mit Kaiser, weil sie die genaue Datierung der Anlage 

oder ohne Ortsangabe steht; Beispiele daftir am oder Reparatur der betreffenden StraBe ermog- 

leichtesten zuganglich bei Des s. 5802f. 5825f. lichen. Doch das fiihrt uns schon zum folgenden 

Im Rheinlande fugen schon m. des Claudius m. p. Punkte. 

bei, z. B. D e s s. 5830 ab Mog(ontiaco) m. p. LVl. IV. Geschichte der m. Der romische 

Griechische m. der Kaiserzeit setzen fast regel- Staat war nicht der erste des Altertums, der die 

maBig fii(Xia) oder [A,{iha) meistens vor die Zahl, Lange der Wegstrecken durch auBere Zeichen zu 
z. B. IGR IV 1315 and BvatstQcov fxi. b\ oder 60 bestimmen suchte. Aus Indien wissen wir durch 

auf der doppelsprachigen Inschrift IGR IV 1385 Megasthenes bei Strab. XV 1, 50 p. 708 ==: FHG 

nach dem griechischen Texte and I!f4,vQvr]g /a. 7\\ II 430, daB Beamte, denen die Sorge um den 

nach dem latein. Smirna m(ilia) Vlll. Gelegent- Wegebau oblag, an den StraBen in Abstanden von 

lich steht die Meilenzahl von der Inschrift entfernt je 10 Stadien je eine Saule (ozrjXrj) aufgestellt 

unten auf der Basis des m. (CIL III 1415516. i"?. haben, auf der die Streckenlange und Wegkreu- 

Dess. 5827). Nicht ganz selten sehen wir sie zungen verzeichnet waren. Und aus dem Perser- 

auch oberhalb der Inschrift, in republikanischer reiche ist die von Sardes nach Susa fiihrende K6- 

Zeit auf dem genannten m. des Popillius, ferner nigstraBe, deren Entfernungen von Station zu 



399 Miliarium Miliarium 400 

Station nach Parasangen = ungefahx 1 Weg- Postumia 148 v. Chr., wovon der m. D e s s. 5806 

stunde f estgesetzt waren, durch Herodot. V 52f . = OIL P 624 = Ritschl Taf . 55 A stammt, 

wohlbekannt. Xen. an. I 2, 5f. zeichnet beim Auf- zur ErschlieBung Liguriens und Istriens. Die Ro- 

marsch der Armee des jiingeren Kyros von Sardes mer sahen also an ihren LandstraBen besonders 

aus die oxad'fjioi und jzaQaodyyac sorgfaltig anf; in der Umgebnng der Hauptstadt schon Yor der 

auch Ktesias, Persica 64 Mtiller (in Anhang zur Gracchenzeit m. zur Geniige. Ihre Verbreitung 

Pariser Herodotausgabe) wuBte vom dgid'fidg hatte wohl dazu beigetragen, daB man, wie schon 

otad'i^cbvy TjiAeQwv, nuQaoayycbv von Ephesus bis erwahnt, den Zylinder im Becken der Oliven- 

nach Baktrien und Indien zu erzahlen; leider quetschmaschine (trapetum) ebenfalls m. nannte. 
besitzen wir dariiber nur diese kurze Feststellung 10 Allgemein aber wurden die StraBen Italiens und 

des Photius. Wie aber die Parasangen kenntlich des Reiches erst durch den Unternehmungsgeist 

gemacht waren, wird nicht gesagt. Aus Agypten des C. Gracchus mit m. versehen (Pint. 7, 2). 

wissen wir dagegen von Wegsteinen, die viel- Eben zu seiner Zeit hat der Consul des J. 132 

leicht aus der Ptolemaerzeit stammen. Sie wurden v. Chr. P. Popillius die StraBe von Rimini nach 

auf der StraBe Sakkara — ^Fayum gefunden. Es Atri mit m. besetzt; einer davon ist vorhanden 

sind inschriftlose Steine, von denen die groBeren und schon zitiert (Dess. 5807 = CIL P 637; 

im Abstande von je 1 Schoinos = 4 Meilen, die vgl. Polyb. XXXIV 11, 8 = Strab. VI 3, 10 

kleineren im Abstande von je 1/12 Schoinos stan- p. 285). Derselbe Popillius hat auch die nach 

den (Flinders Petrie Ten years digging in ihm benannte StraBe in Siiditalien angelegt und 
Egypt^ 80; A season in Egypt 36. Hirsch-20mit m. versehen, wie er in der selbstbewuBten 

feld 166). In Attica encSich hat der Tyrann Inschrift von Forum Popillii, heute PoUa erzahlt 

Hipparchos an den von Athen ausgehenden Stra- (Dess. 23 =: CIL P 638 = Ritschl Taf. 5 IB): 

Ben Hermen aufstellen lassen mit Aufschriften, viam fecei ah Regio ad Capuam et in ea via port- 

die u. a. auch Entfernungsangaben enthielten teis omneis, miliarios tabelariosque poseivei. Mit 

(0. Bd. VIII S. 701, 5f.). Das sind Vorganger den ,Tafelchensteinen' meint er, wie ich mit 

der romischen m. Freilich sind wir nicht in der Oxe Bonner Jahrb. CXXXI 219 glaube, Stadien- 

Lage zu entscheiden, ob sie den Rbmern als Vor- steine, deren 8 auf eine Meile gingen. 127 bekam 

bild gedient haben. auch die StraBe von Venafrum nach Capua m. 

Die Geschichte der romischen Meilensteine (Dess. 5809 = CIL P 654 == Ritschl 
wird von selber zu einer Geschichte des romi- 30 Taf. 56 A), und 123 die StraBe Florenz — Pisa 

schen StraBenbaues, von der aber in diesem Ar- (Dess. 5808 =; CIL P 657). Vielleicht zur via 

tikel nur einige wichtige Ausschnitte geboten Caecilia gehorte der kaum viel spater errichtete 

werden konnen. Der alteste romische m., von dem m. Dess. 5810 = CIL P 661. Etwa zur Zeit 

wir bisher Kenntnis haben, stand in den pomp- SuUas fiihrte man an dieser StraBe, die von Rom 

tinischen Stimpfen. Er ist von den curulischen zum adriatischen Meer ging, Verbesserungsarbei- 

Aedilen P. Claudius, Sohn des Appius und C. ten aus, bei denen die Strecken der Arbeitslose 

Furius gesetzt worden, aber nicht am Fundorte nach m. bezeichnet wurden, z. B. af mil(iario) 

ad Medias, heute Mesa. Denn die Zahlen 53 und LXX[XXV]111 ad mil{iarium) CX ... (Dess. 

10 bezeichnen, wie Mommsen CIL X p. 1019 ver- 5799 = CIL P 808). 

mutet hat, die 53. Meile von Rom und die 40 In der Gracchenzeit oder kurz nachher stellte 

10. Meile des Decennovium; Mesa aber liegt man auch an wichtigen StraBen in den Pro- 

62 Meilen von Rom. Der Stein wird also 9 Meilen vinzen m. auf. Wir wissen das von der via Do- 

weiter nordlich gestanden haben und nach Mesa mitia, die von Emporiae, jetzt Ampurias in Spa- 

verschleppt worden sein (Dess. 5801 =• CIL P nien, durch die Provence nach der Rhone fiihrte, 

21; anders H til sen Bd. IV S. 2268, 11). aus Polyb. Ill 39, 8 mma yaQ vvv §s§r}[Adxiomi 

C. Furius war cos. 251, P. Claudius 249 v. Chr. nal oeorjiA^slcoxat Kara oradlovg oxrco did 'Fo)- 

(Bd. VII S. 316 nr. 9); der m. wurde also /nalcov km^sXwg, ,diese Strecke ist jetzt von den 

wahrend des ersten punischen Krieges aufgestellt. Romern sorfaltig ausgemessen und in Abstanden 

Wir diirfen annehmen, daB er uberhaupt zu den von je 8 Stadien mit m. besetzt'. Oxe meint, weil 
ersten romischen m. gehore, und begreifen ganz 50 Polybios hier anders als an den Stellen XXXIV 

wohl, daB die wichtige Appische StraBe zuerst 11, 8 und 12, 3 diese StraBe nicht nach ixiha 

m. erhielt. Von der via Ostiensis ist aus der sondern nach je 8 Stadien markiert sein lasse, 

ersten Halfte des 2. Jhdts. v. Chr. der 11. m. mtissen neben den m. auch Stadiensteine an ihrem 

erhalten, und zwar an der Stelle, wo eine Neben- Rande angebracht gewesen sein. Das ist moglich. 

straBe abzweigte. Er tragt die Inschrift: XI. 0. Aber vorhanden ist von ihr iiberhaupt kein mit 

Ginci(os) aidile(s) pleib(ei) (CIL P 22; Bd. Ill Inschrift versehener Stein aus der republikani- 

S. 2555 nr. 1). Ebenfalls von einem plebeischen schen Zeit, und es ist recht zweifelhaft, ob die 

Aedilen wurden m. an der via Flaminia oder der inschriftlosen Steine (CIL XII 5614. 5615. 5618) 

Tiburtina aufgestellt (Dess. 5802= CIL P 829: der Gracchenzeit zugewiesen werden diirfen. 
P. Menates P. /. / aid pi. / XXX); auch Popillius 60 Ebenso fehlen m. aus republikanischer Zeit von 

und Caecilius, die an der StraBe nach Praneste m. der via Egnatia, die von Dyrrhachium iiber Hera- 

gesetzt haben, waren vielleicht aid. pi. (CIL P 633). klea nach Thessalonike und zum Hebrus, heute 

In Oberitalien dagegen wurden zwei StraBen von Maritza, und endlieh nach Constantinopel lief. 

Consuln gebaut, die via Aemilia 187 v. Chr., Von dieser StraBe kennnen wir meines Wissens 

wovon die zwei m. Dess. 5803. 5804= CIL P iiberhaupt nur 3 m. aus dem J. 217 n. Chr., wo- 

617. 618; abgeb. Not. d. Scav. 1902, 538 stam- von zwei achtMeilen vonLychnidos in derNahe von 

men, zur politischen und wirtschaftlichen Er- Ochrida und einer 7 — 9 Meilen von Philippi ge- 

schlieBung des befriedeten Polandes, und die via standen haben (CIL III 711. 712. 14207). Und 



401 Miliarium Miliariiim 402 

doch berichtet Polyb. XXXIV 12, 3, sie sei bis lieB sich im J. 20 die Leitung des Strafienwesens 
Kypsela in der Nahe des Hebrus nach Meilen ab- iibertragen (jzQoordrrjg rcov tzsqI xtjv Fco/Lirjv odojv 
gemessen und mit m. versehen worden (Karsorr)- aiQS'd'elg) und stellte den goldenen Meilenzeiger 
XcojuevT)). Dagegen besitzen wir aus dem ehe- auf (Dio LIV 8), der als Ausgangspunkt aller 
maligen Reiche Pergamum m. des Consuls 129 v. StraJBen Italiens betrachtet wurde (Plut. Galba 
Chr. M'. Aquillius, der 129 — 127 die asiatischen 24). Tatsachlich war auf ihm angegeben, wieweit 
Dinge zu ordnen hatte. Er hat mit Riicksicht auf die wichtigsten Stadte Italiens und des Reiches 
die griechisch sprechende Bevolkerung der latei- von Rom entfernt seien. Die Meilen wurden aber 
nischen Inschrift der Steine eine griechische tlber- nicht vom Forum, sondern von den Toren der 
setzung folgen lassen, so auf dem 5. m. der Strafie 10 Serviusmauer aus gezahlt (Plin. n. h. Ill 66. Dig. 
Ephesus— Tralles CIL P 649: M\ Aquillius M\ L 16, 144; Bd. IX S. 2317, 50f. Suppl.-Bd. IV 
/. / COS. I F; darunter Mdviog "AnvlUog \ Ma- S. 499, 45f . P 1 a t n e r - A s h b y Topogr. diction. 
vl(yu I vnarog Tcofmlcov / E. Aufierdem sind von of ancient Rome s. milliarium aureum). Als Weg- 
ihm erhalten der 131. m. der Strafie Ephesus — herr nun hat Augustus einmal die via Flaminia 
Smyrna — Pergamum (D e s s. 27 = CIL^ 647 = in ihrer ganzen Lange von Rom bis Rimini aus- 
IGR IV 264), der 3. m. von der Strafie Perga- gebessert (Mon. Ancyr. 35. Des s. 84 = CIL XI 
mum— Elaea (CIL P 648 = IGR IV 270), der 365 = Rushf or th Lat. hist, inscr.2 nr. 29). 
223. m. von der Strafie, die von Pergamum viel- Aufierdem verordnete er, dafi die Triumphatoren 
leicht liber Sardes nach Philadelphia und Hiera- die Beutegelder zum Strafienbau verwenden soll- 
polis fiihrtc! (CIL P 646 = IGR IV 880), und 20 ten (Suet. Aug. 30). Schon vor dieser Verordnung 
endlich der 29. m. von der Strafie Ephesus — hat Calvisius Sabinus nach Ausweis von m. die 
Sardes (CIL P 650 == IGR IV 1659). Auf diesem via Latina in der Nahe von Rom wiederherstellen 
letzten m. ist zugleich vermerkt, dafi der Enkel lassen (CIL X 6895. 6897—6900. 6901 == D e s s. 
des Consuls, der Quastor L. Aquillius Florus ihn 889: C, Calvisius G. f. / Sabinus cos. / imp, / 
und natiirlich auch alle anderen Steine der Strafie XGVI); etwa 18 v. Chr. wurde eine andere Strecke 
wiederhergestellt habe; das geschah bei Anlafi der Strafie von Augustus selber instandgesetzt 
einer griindlichen Reparatur der Strafie selber. (CIL X 6903). Messala besserte die Strafien nach 
Das ist das alteste Beispiel eines m. mit In- Tusculum und Alba aus (Tibull. I 7, 57f.). Aber 
schriften aus verschiedener Zeit und von verschie- m. sind hier nicht erhalten, auch nicht von der 
denen Mannern. In der Kaiserzeit werden wir 30 via Flaminia, die sicher damals schon damit ge- 
genug derartige Beispiele feststellen konnen. Auch schmiickt war; s. Bd. VI S. 2495, 56f. Dagegen 
in Spanien sind aus den letzten Jahrzehnten des besitzen wir wiederum m. aus dem J. 16 von 
2. Jhdts. V. Chr. m. gefunden worden. Einer der via Salaria (CIL IX 5943. 5950 = D e s s. 
davon stand an der bei Polyb. Ill 39, 6f. genann- 5815: imp. Caesar Divi f. / Augustus cos. XI / 
ten Ktistenstrafie von Carthago nova bis Em- tribu. potest. VlII / ex s. c. / XCVllII, und un- 
poriae, und zwar 21 Meilen nordlich von Barce- gefahr aus demselben Jahre von der via Appia 
lona; er war von W. Sergius M'. f. gesetzt wor- (CIL IX 5986. 5989 = X 6914. 6917). Die Re- 
den (D e s s. 5812 = CIL P 840). Zwei andere paraturen an der via Latina, Salaria und Appia 
mit den Zahlen 92 und 94 waren an der Strafie hat der Kaiser ex s(enatus) c(onsulto)y auf Se- 
Barcelona — ^Lerida von Q. Fabius Labeo aufge- 40 natsbeschlufi hin vorgenommen, aber im J. 2 v. 
stellt worden; die Zahlung geht von Barcelona Chr. die Reparatur der via Aemilia von Rimini 
aus (CIL P 824. 823 =: D e s s. 5813). Die via bis Piacenza nicht mehr (D e s s. 9371 = Not. d. 
Herculea genannte Ktistenstrafie bestand schon Scav. 1902, 539). Dieser Reparatur war 10 Jahre 
seit langem; Hannibal war bereits auf ihr auf- friiher, nach der Einrichtung der Seealpenpro- 
marschiert. Die Arbeit des Sergius bestand also vinz, die Anlage der via lulia Augusta vorange- 
in einer griindlichen Ausbesserung. Die Strafie gangen, die von Piacenza aus zunachst bis nach 
in das Ebrotal ist dagegen von Fabius als Mili- Tortona die via Postumia benutzte und von dort 
tarstrafie angelegt, oder wenigstens umgebaut iiber Vada Sabatia, jetzt Savona nach Antipolis, 
worden. Schulten macht Bd. VIII S. 2039, heute Antibes f tihrte. M. an ihr sind aus der 
41 mit Recht darauf aufmerksam, dafi dies bis 50 Gegend der Tropaea Augusti bei Monaco erhal- 
zur Regierung des Kaisers Augustus die einzigen ten, und zwar von Augustus (CIL V 8085. 8088. 
spanischen Strafien gewesen seien, die mit m. 8098. 8100. 8101. 8105. 8094 = Dess. 5816), 
versehen waren und zwar deshalb, weil in den dann von Reparaturen durch Hadrian (CIL V 8095. 
Messungen Agrippas, von denen Plin. n. h. Ill 8102. 8103. 8106) und durch Antoninus Pius 
16f. und IV llOf. Kunde gibt, so starke Fehler (CIL V 8087. 8089. 8090. 8096. 8097. 8099. 
vorkommen, wie sie beim Vorhandensein von m. 8107; sie zahlen 553. 589. 590. 601. 602f. 603. 
nicht denkbar waren. 604. 605. 606. 607. 608 Meilen von Rom aus). Auf 
Soweit wir bisher ersehen konnen, sind die m. den Steinen Hadrians wird die Strafie via lulia 
der republikanischen Zeit von hoheren Beamten, Augusta genannt; zwei von ihnen (V 8095. 8102 
die Strafien neu zu bauen oder wiederherzustel- 60 = Dess. 5823) haben Doppelzahlung; iiber der 
len hatten, gesetzt worden. Auftraggeber war der Inschrift stehen CCXII und CCX]VI Meilen von 
Staat, der wohl auch die Kosten fiir den Bau Piacenza, unter der Inschrift DCI und DCV Mei- 
der Strafie und fiir die gewifi nicht sehr billigen len von Rom; 8103 und 8106 hatten jedenfalls 
m. ganz oder teilweise bestritten hat, soweit nicht auch diese Doppelzahlung, doch ist die obere 
die Gemeinden oder Landschaften verpflichtet Zahl verloren. Der m. des Antoninus Pius 8090, 
waren, die Strafien zu unterhalten. Mit der Mo- der bei Bordighera stand, hat nur die Zahl X als 
narchie trat an Stelle des vom Staate beauftragten Lokalzahlung. Zehn Jahre spater liefi Augustus 
Beamten der Kaiser als Wegherr auf. Augustus die Fortsetzung der Strafie bis Arelate, heute 



403 Miliarium Miliarium 404 

Aries, ausbessern, wie ein m. mit Lokalzahlung 4629 — 4961. Strab. IV 6, 11 p. 208 berichtet, 

IX beweist (OIL XII 5444). Dieser Abschnitt An- dafi Agrippa, der Schwiegersohn des Kaisers Au- 

tibes-Arles wurde von Tiberius wiederum repa- gustus, von Lyon aus ein StraBennetz angelegt 

riert (CIL XII 5441). Auch von der via Domitia habe, und zwar eine StraBe durch die Cevennen 

sind m. des Augustus erhalten, aber alle ohne in die Saintonge und nach Aquitanien, eine zweite 

Meilenzahl (Hirschfeld CIL XII p. 667); ein nach dem Rhein, eine dritte in das Gebiet der 

Beispiel aus dem J. 4/3 v. Chr. ist wie schon er- Bellovaker und Ambiani, etwa nach Samarobriva, 

wahnt, abgebildet Daremb.-Sagl. 1898, Abb. 5030, dem heutigen Amiens und weiter nach Gesoria- 

die Inschrift CIL XII 5630. An derselben Stelle cum, eine vierte nach Marseille, eine fiinfte an 

Abb. 5031. 5032 sehen wir m. des Tiberius und 10 den Genfersee und in die westliche Schweiz. Na- 

Claudius. Die des Claudius an der via Domitia tiirlich sind auch an diesen Strecken tiberall m. 

sind an der schon erwahnten Besonderheit kennt- gesetzt worden; aber vorhanden sind aus dieser 

lich, daB die Inschriften in einem Rahmen Zeit keine. Uberhaupt ist im allgemeinen zu 

stehen. [Auch spatere Kaiser haben sich um diese beobachten, daB in ununterbrochen dicht bewohn- 

StraBe bemiiht; m. sind gefunden von Augustus, ten Gebieten diese Merkzeichen der HauptstraBen 

von Tiberius, von Claudius, von Antoninus Pius, vielfach verschwunden sind. Auch von der Alpen- 

von Diocletian, von Galerius, von Mian, von straBe des Drusus, die der Prinz nach dem ra- 

Constantin (CIL XII p. 667). Augustus lieB auch tischen Feldzuge anlegen lieB, bekommen wir 

an der StraBe Narbonne — ^Toulouse Arbeiten aus- erst durch zwei zufallig erhaltene m. seines 

fiihren; ein m. aus dem J. 13 n. Chr. (CIL XII 20 Sohnes Claudius Kunde. Dagegen sind von der 

5671 = Dess. 5817) und einer zwischen Nar- StraBenstrecke Concordia in das Norikerland 

bonne und den Pyrenaen aus dem J. 2 v. Chr. vier m. aus den J. 2/1 v. Chr. mit den Zahlen 33, 

(CIL XII 5668) bezeichnen die Entfernung von 34, 35, 41 von Concordia aus gerechnet erhalten 

Narbonne XX und XVI, dazu zwei Entfernungen (CIL V 7995. 7996. 7998. 7999). Wir sehen, 

von Rom 921. 902 und 917. 898. Die groBere welch groBes Gewicht Augustus auf ein geord- 

Zahl gibt nach Hirschfelds einleuchtender Er- notes StraBennetz in verschiedenen Teilen des 

klarung die Entfernung auf der via Domitia, die Reiches gelegt hat. Er hat librigens auch fiir den 

kleinere die Entfernung auf einer Abktirzung, StraBenbau wenigstens in Italien groBe Summon 

die vielleicht von den Gemeinden um Narbonne aus dem kaiserlichen Fiskus aufgewendet. Das 

herum als Wegverbesserung angelegt worden war. 30 sagt einmal die schon erwahnte Inschrift des 

Wichtig ist die vom ersten romischen Kaiser neu 27 v. Chr. errichteten Triumphbogens D e s s. 84: 

angelegte StraBe in der spanischen Provinz via Flaminia et reliqueis celeberrimeis Italiae 

Baetica. Deren m. geben die Entfernungen vom vieis consilio et sumptibus eius muniteis, und 

Baetis, heute Quadalquivir und vom Augustus- dann der Denar vom J. 16 bei Eckhel VI 

bogen bei Ossigi (Bd. II S. 2763, 52) bis zum 105 = Rushf orth nr. 30, auf dessen Revers 

Ozean, d. h. bis nach Gades, jetzt Cadiz an (CIL eine Saule steht mit der Aufschrift S. P. Q. R. 

II 4703. 4701 =:Dess. 102 = Rushforth imp. Gae(sari) quod v(iae) m(unitae) s(unt) ex ea 

nr. 9: imp. Caesar divi f. / Augustus cos. Xlll, p(ecunia) q(uam) is ad a(erarium) de(tulit). Die 

trib. I potest. XXI, pontif. max. / A Baete et Provinz Baetica in Spanien hat ihm fiir seine 

lano August. / ad Oceanum / LXllI. Diese nach 40 Ftirsorge eine kostbare Statue auf dem Forum 

Befriedung der Provinz im J. 2 v. Chr. gebaute Romanum gestiftet (CIL VI 31267 = Dess. 

StraBe fand ihre Fortsetzung in einer schon be- 103 =: Rushforth nr. 7); vieUeicht hat er 

stehenden StraBe nach Carthago Nova (CIL II auch dort den Bau der nach ihm benannten 

4936 — 4938 aus dem J. 7 v. Chr.). Nach Umord- StraBe ganz oder teilweise selber bezahlt. 

nung der spanischen Provinzen (Bd. VIII S. 2037, Der Nachfolger des Augustus, Tiberius hat 

6f.) wurde sie weiter nordlich nach Valencia ge- seine Aufmerksamkeit einmal dem StraBennetz 

ftihrt, wo sie wie vorher in Carthago Nova an in Afrika geschenkt. Von dort horen wir, daB er 

die KiistenstraBe nach Ampurias AnschluB fand. und der Proconsul L. Asprenas im J. 14 oder 15 n. 

Sie erhielt in der Folge den Namen via Augusta, Chr. viam ex castris hibernis Tacapes muniendam 

wie m. des Vespasian und Domitian beweisen 50 curavit; legio 111 Aug. (CIL VIII 10018. 10023 

(CIL II 4697 = Dess. 5867. II 4722. 4721 =Dess. 151. Tout ain Mem. des antiquaires 

=: Dess. 269). Sie wurde aber nicht nur von de France 1903, 157f.); es ist die Strecke Tacape, 

diesen Kaisern, sondern auch von Tiberius (CIL heute Gabes, nach dem StraBenknotenpunkt The- 

II 4712 — 4715), Caligula (CIL II 4716 = Dess. veste, jetzt Tebessa. Hier sind der Kaiser und 

193), Claudius (CIL II 4718), Nero (CIL II 4719. der hohe Magistrat, der den StraBenbau leitet, 

4734 =; Dess. 225. 227) und Nerva (CIL II einander verfassungsgemaB gleichgesteUt; Afrika 

4724. 4725) ausgebessert. Eine weitere StraBe war senatorische Provinz. Zwei Jahre spater lieB 

legte Augustus im Osten der Provinz Spanien von er infolge des Auf standes der pannonischen Le- 

Bracara Augusta nach Olisipo an, wovon der m. gionen mehrere StraBen von Salona aus in das 

CIL II 4868 = Rusforth nr. 8 Zeugnis ab- 60 Innere von Bosnien bauen. Dariiber berichtet eine 

legt. An dem verzweigten und gut angelegten Inschrift in Spalato, jetzt nach dem verbesserten 

StraBennetze Spaniens haben viele Kaiser Verbes- Texte von Abramic veroffentlicht von S a r i a 

serungsarbeiten vornehmen lassen, von denen noch Klio XXVI 279; die fruhere Veroffentlichung CIL 

eine groBere Anzahl von m. vorhanden sind. Mil- III 3198. 3201 z==.. 10156. 10159 = D e s s. 5829 

ler 149f. hat sie bei den einzelnen Strecken in und a ist danach richtigzustellen. Ausgefuhrt 

seinen Kartenskizzen eingezeichnet; die wichtig- wurden die Arbeiten unter Leitung des Legaten 

sten StraBen verzeichnet auch Schulten Bd. VIII pro pr. P. Dolabella; die eine StraBe fiihrte 

S. 2039, die Inschriften der m. stehen CIL II 156 Meilen weit in das Gebiet der Daesitiaten, 



405 Miliarium Miliarium 406 

wohl in das obere Bosnatal (Bd. IV S. 1982. Sa- den m. bei Eabland gesetzt habe, sei der Aus- 
ria 180), die zweite 158 Meilen weit ad Bat- gangspunkt der StraBe in Italien noch nicht be- 
[hinum fljumen, nach S a r i a = Bosna, wohl in stimmt gewesen. Die Strafie verlief gegen Norden 
das mittlere FluBtal, die dritte 77^2 Meilen weit liber Bozen — ^Meran — ^Vintschgau — ReschenScheid- 
ad imum montem Ditionum Ulricum, d. h. nach eck — Inntal— Fernpafi — Augsburg vermutlich nach 
Eastello di Grab (Bd. V S. 1230, 29f. Sari a der Endstation Submuntorium bei Druisheim, 
a. 0.); Kaiser Claudius setzte den Bau von Ra- 7 km von der Donau entfernt. Bei diesem KasteU 
stello di Grab bis in das Sanatal fort. Die m. von sind viele Miinzen von Augustus bis Gratian ge- 
diesen StraBen, zusammengestellt von B a 1 - funden worden (Cartellieri 89. Bd. I A 
1 i f und P a t s c h Rom. StraBen in Bosnien und 10 S. 54, 62f.). Die StraBe diente dem gesamten 
Hercegovina, 47f. 52f. stammen, soweit sie sich Wagenverkehr von Italien nach der Donau. Uber 
zeitlich bestimmen lassen, nicht vom Bau des Ti- den Brenner, der eine bedeutende Abktirzung be- 
berius, sondern von spateren Reparaturen; sie deutet, fiihrte bis zum Ende des 2. Jhdts. n. 
zahlen von Salona aus, z. B. CIL III 10168: a Chr. nur ein SaumpaB. Erst unter Septimius Se- 
S(alonis) XXXlllL Von der Fortsetzung der verus wurde von Verona aus die StraBe nach 
dritten Strecke unter Claudius sind die m. bei Trient, von dort der via Claudia Augusta f olgend 
12f. und Patsch 52 nr. 18. 2 und 52 nr. 5. 14 nach Bozen, dann durch das Eisacktal, iiber den 
erhalten; sie geben die Meilen 36. 43. 46. 69 von Brenner nach Wilten bei Innsbruck, von dort 
Magnum aus an (Miller 477. Bd. XIV S. 487 iiber den Seef elder Sattel nach Partenkirchen und 
s. Magno). Eine Inschrift Dess. 2478 = CIL 20 Augsburg gefuhrt; vgl. dariiber Cartellieri 
3200 weiB auBerdem zu sagen, daB Abteilungen 93f.; Heuberger Ration im Alter t. u.Friihmittel- 
der VII. und XL Legion, die unter Dolabella in alt. I 21 9f. 228f. Von dieser StraBe sind mehr als 
Dalmatien standen etwa 18/19 n. Chr. (Bd. XII 20 m. erhalten, die Cartellieri 169f. zusammen- 
S. 1617, 5f.) eine 167 Meilen lange StraBe an- gestellt hat. Sie berechnen bis zum Brennersattel 
angelegt haben. Da Anfang und Ende der In- die Entfernungen von Verona und Trient, nord- 
schrift verloren sind, konnen wir nicht entschei- lich davon von Augsburg aus. Von Septimius Se- 
den von wo und wohin. S a r i a 180 vermutet von verus stammen V o 1 1 m e r 462. 460. 459 = CIL 
Salona bis Banjaluka an der Save; da aber Itine- III 5980. 457 = CIL III 5982. 454 = CIL III 
rarien und Peutingerkarte ftir diese Strecke hoch- 4981. 450 == CIL III 7978, die anderen von Ma- 
stens 113 Meilen berechnen, kann seine Ansicht 30 ximinius und Maximus, Diocletian, Constantin, 
kaum richtig sein. Die gleiche Inschrift erzahlt Maxentius, Constantin II., lulian, Valens und 
weiter, daB auch die via Gabinia von Salona nach Gratianus, Maximus und Victor. Man sieht aus 
Andetrium, heute Much, gebaut worden sei. Von dieser Namenliste, wie sorgfaltig die Brenner- 
Claudius ist aus dem J. 47 auch eine StraBe straBe bis zum Ausgang des Romerreiches unter- 
von Epidaurum, jetzt Ragusa Vecchia gegen Tre- halten worden ist. Mit ihr trat die via Claudia 
binje zu errichtet worden (CIL III 10175); aus Augusta in den Hintergrund, so zwar, daB die 
dem 4. Jhdt. haben wir Nachricht von einer Re- Peutingerkarte sie gar nicht mehr verzeichnet. 
paratur derselben (CIL III 10176). Ungefahr bei Franzensfeste mtindete die durch 
Die schon angedeutete Verbesserung der von 6 m. des Septimius Severus, Marcinus, Gordian, 
Drusus errichteten AlpenstraBe nach Ration ist 40 Philippus und Diocletian bezeugte Pustertal- 
eine hervorragende Leistung aes Kaisers Clau- straBe in die BrennerstraBe ein; sie stellte die 
dius; vgl. dazu Cartellieri Die rom. Alpen- Verbindung mit dem Drautale her (CIL III 5707. 
StraBen uber den Brenner usw. 45f. Wir haben 5708. 5706. 5705. 6528. Not. d. Scav. 1928, 129). 
von ihr einzig durch 2 m. Kunde. Der eine mit Von Wilten bei Innsbruck aus gingen zwei Ab- 
tadellos erhaltener Inschrift stammt aus Feltre zweigungen der BrennerstraBe, eine dem Inn ent- 
und ist veroffentlicht CIL V 8002 = D e s s. 208 lang abwarts bis nach Pons Aeni unweit Rosen- 
= Vollmer 469 =' R u s h f o r t h nr. 33: Ti heim; vielleicht stand an ihr ein verschoUener m. 
Claudius Drusi f, / Caesar Aug, Germalnicus pon- (Cartellieri 142). Die andere Abzweigung 
tifex maxulmus, tribunicia potestajte VI, cos. IV, ging nach Bregenz, belegt durch die beiden m. 
imy. XI, p. p. I censor mam Glaudiam / Augustam 50 des Decius Vollmer 453 = CIL III 5988 a 
quam Drusus / pater Alpihus hello patejfactis B(rigantiq) m. p. XGllX und 455 = CIL III 
derexerat munit ah j Altino usque ad flumen / 5989 a B(rigantio) m, p. CXll, aber nicht etwa 
Danuvium m. p. CCGL. Das war im J. 47. Der liber den Arlberg, sondern auf kurzerem Wege 
andere, ahnlich lautende m. ist in Rabland bei vielleicht liber Lermoos — ^Reute^Sonthofen — 
Meran gefunden worden; er stammt aus dem Immenstadt (Cart ellieri 140f.). 
J. 46 und sagt a flumine Pado ad flumen Danu- Nicht kleinere Bedeutung als die beiden die 
vium (CIL V 8003 =sVollmer 465 mit Abb. via Claudia Augusta nachweisenden m. hat ein 
Taf. 64). Die DrususstraBe wird, wie dieser Stein dritter des Claudius, der in St. Saphorin in der 
angibt, etwa vom Po aus, wohl im AnschluB an Nahe von Vevey am Genfersee gefunden wurde, 
die via Aemilia oder Postumia liber Verona — 60 nebenbei gesagt, der alteste von alien bisher in 
Trient das Etschtal hinaufgeflihrt haben. Unter der Schweiz an das Licht gekommenen m. Der 
Claudius machte man aber im Verlauf des Baues noch vorhandene Teil mit der Inschrift ist abge- 
Altinum zum slidlichen Ausgangspunkte und bildet bei Stahelin Die Schweiz in rom. Zeit^ 
fiihrte die StraBe durch das Piavetal nach Feltre 325; die Inschrift auch CIL XII 5528: Ti. Clau- 
und von dort durch das Suganatal nach Trient. dius Drusi f. / Caesar Aug. Germ. / pontif. max., 
So nimmt C a r t e 1 1 i e r i 53 an; und ich glaube, trih. pot. Vll, / imp. XII, p. p., cos. IITL. / 
er hat recht damit, wenn er meint, als man die F{oro) A(ugusti) XXXVII. Die Daten weisen auf 
StraBenarbeiten im Vintschgau begonnen und das J. 47 n. Chr. (Bd. Ill S. 2801), aber noch 



407 Miliarium Miliarium 408 

vor dem Antritte des Censorenamtes. Forum Au- nen des 3. und 4. Jhdts. von Speyer und Worms 

gusti Vallensium hiefi Octodurus, heute Martigny aus CIL XIII 9092—9096. R i e s e 283. 290. 306, 

im Wallis, seitdem Claudius den Bewohnern des 307: (a) col. und c. N(emetum). CIL XIII 9087 

Ortes und der Umgebung, den Veragrern das La- == Riese 300: c(ivitate) V(angionum), auf 

tinerrecht verliehen hatte (Plin. n. h. Ill 135). einem Stein des Decius sogar von Vro(magus) 

Martigny ist der Ausgangspunkt der Strafie tiber heute Brumath aus (CIL XIII 9097 =: Riese 

den GroBen St. Bernhard. tTber diesen ftihrte zu 270). Das sind Lokalzahlungen. Im Rheinlande 

Strabons Zeit von Aosta aus noch ein SaumpaB rechnen die Steine bis zu der Grenze von Nieder- 

(IV 6, 7 p. 205 ^ /Ltsv 8ia rov IIoivlvov Isyofxevov germanien am Vinxtbache bei Burg Rheineck von 

(peQsrai Csvysoiv ov §axri Kara xa aKQa rcov jiX- 10 Mainz aus, z. B. die des Claudius CIL XIII 9143 

jzecov). Aber etwa im Marz 69 n. Chr. konnten =' Riese 24 ;=:Dess. 5830: ab Mog(ontiaco) 

vier Legionen des Vitellius mit den Trainkolon- m. f. LVI. CIL XIII 9145 = Riese 23, abge- 

nen den 2472 m hohen PaB iiberschreiten, hi- bildet Hagen^ 17: ab Mog. m. p. LIX; vgl. CIL 

bernis adhuc Al'pibus, wie Tac. hist. I 70 aus- XIII 9138—9151; weiter unten zahlte man von 

driicklich betont, und das will heiBen 2 — 2^/2 m Koln aus, so CIL XIII 9153 = Riese 135 von 

tief Schnee und in den tieferen Lagen Lawinen- Marc Aurel: a col. Agripp. m. p. XXX. An der 

gefahr. Caecina, der kommandierende General StraBe wurde gearbeitet unter den Kaisern Clau- 

dieser Armee, der sich tiberlegt hatte, ob er nicht dius, Nerva, Traian, Antoninus Pius, Marc Aurel, 

gegen den Procurator Petronius Urbicus nach Septjmius Severus, Heliogabal, Decius, den Gegen- 

Noricum Ziehen woUe, hatte den Marsch Tiber den 20 kaisern Postumus und Victorinus, unter AureUan, 

GroBen St. Bernhard unter diesen Umstanden Numerianus, Diocletian, Maximian, Valentinian 

sicher nicht gewagt, wenn nicht eine fahrbare und Valens, Licinius. In Koblenz standen an der 

StraBe tiber den PaB angelegt gewesen ware. Ftir Stelle der jetzigen Hinterhauser RomerstraBe 48 

die Anlage der StraBe kommen nur Tiberius, Ca- — 52, westlich von der antiken StraBe, 2,5 m 

ligula, Claudius oder Nero in Betracht. Da macht von der StraBenkante entfernt, sechs m. parallel 

es nun der m. von St. Saphorin sehr wahrschein- zur StraBe, und zwar, von Norden nach Suden 

lich, daB Claudius deren Erbauer war und diese gerechnet, 0,5. 1. 1. 1,50. 3 m voneinander ent- 

Arbeit ungefahr gleichzeitig mit der via Claudia fernt. Beim ersten, fiinften und sechsten m. ist 

Augusta in die ratischen Alpen hat durchfuhren die Inschrift ausgekratzt; der zweite ist der 
lassen. Damit stellte der Kaiser gute Verbindun- 30 schon erwahnte des Claudius Riese 23; der 

gen zur Donau und zum Rhein her. Vom Genfer- dritte CIL XIII 9146 = Riese 79 von Nerva 

see fuhrte die St.-BernhardstraBe weiter iiber aus dem J. 97, der vierte CIL XIII 9147 = 

Aventicum, heute Avouches, Solothurn nach Cam- Riese 81 von Traian aus dem J. 98. Offenbar 

bete, heute Kembs im ElsaB, ein besonderer ' hat Traian die von Nerva begonnene Reparatur- 

Strang auch nach Augusta Rauricum, heute Basel- arbeit fortgesetzt. Die Meilenzahl dieser Steine 

augst. In Kembs stieB sie mit der von Lyon ist 59 von Mainz (Hagen^ 19 mit Lageplan; 

liber Besan^on an den Rhein fuhrenden StraBe dazu Abb. 15. 16). An diesem Beispiel sehen wir, 

zusammen. Sie wurde nach dem Ausweis von m. daB die m. an dieser StraBe von Norden gerech- 

noch von Constantin instand gestellt (CIL XII net links standen, was begreiflich ist, da rechts 
5519. 5521. 5522). In Paudex bei Lutry am Gen- 40 der Rhein floB. Anderseits sind die Koblenzer- 

fersee hat sich ein m. des Antoninus Pius aus steine ein Sttick vom Rande der StraBe entfernt. 

dem J. 140 gefunden mit Zahlung von Avouches Hier ist nun der Moment, um eine ftir das 

(CIL XIII 9062 = R i e s e Das rhein. Germanien StraBennetz der Schweiz, Galliens und Ger- 

in den antiken Inschriften 123: Avent{ico) m. p. maniens wichtige Frage zu besprechen. In Gallien 

XXXVIII). In Min(n)odunum, heute Moudon, war nicht die Meile das tibliche WegmaB, son- 

stieB die unter dem StraBennetz des Agrippa er- dern die Leuga, deren Lange 1^/2 romische Meilen 

wahnte StraBe von Lyon her tiber Genf, Colonia betragt (s. Bd. XII S. 2154). Die Gallier konnten 

Equestris, heute Nyon auf unsere StraBe. M. da- sich von ihrem althergebrachten LangenmaBe 

von mit Zahlung von Nyon CIL XII 5531. 5534. nie recht trennen. Einsichtige romische Kaiser 

5536. XIII 9058. S t a h e 1 i n^ 325, 2. 327, 5, 50 haben daher schon in der ersten Halfte des 

alle aus dem 3. Jhdt. n. Chr. In Baselaugst und 2. Jhdts. n. Chr. in einzelnen Gegenden Galliens 

in Kembs mundete die St.-BernhardstraBe in die das LeugenmaB zugelassen. Es ist unter Antoni- 

RheintalstraBe ein. nus Pius im J. 140 angewendet worden auf 

Diese ftihrte von Bregenz am Bodensee tiber StraBen, die von Lemonum oder Limonum, heute 

ad Fines, heute Pfyn, Winterthur, Vindonissa, Poitiers, ausgingen, so CIL XIII 8943 — 8945 mit 

heute Windisch, tiber den Botzberg nach Basel- doppelter Zahlung nach Lim(onum) und von Fi- 

augst, dann immer dem linken Rheinufer ent- n(ibus), heute Aunay an der Grenze des Santonen- 

lang tiber StraBburg, Mainz, Koln, nach Holland gebietes, ebenso CIL XIII 8931. 8938: Fin(ibus} 

und an die Nordsee. Zahlreiche m. von Claudius XI.j Lim(ono) X und Fin. Vll, Lim. XIV. Dieses 

an legen beredtes Zeugnis ab tiber die Bedeutung 60 Fines ist Ingrande-sur-l'Anglin an der Grenze der 

dieser wichtigenMilitarstraBe. Auf Schweizergebiet Bituriges. Aber schon auf einem an der StraBe 

ist bisanhineineinzigerm.beiMumpf zutagegefor- Bordeaux — Saintes bei Saint Ciers-la-Lande zu- 

dert. Er stanmit aus der Zeit des Antoninus Pius tage getretenen Stein des Traian mit der Zahl 

und zahlt von A(ugusta) R(aurica) aus (CIL XIII XXVII (CIL XIII 8898) ist Leugenzahlung anzu- 

9077 =i' Riese 124 = Stahelin2 347, 2). nehmen, da die Fundstelle von den beiden Orten 

Die m. der StraBe sind bei Riese verzeichnet, ungefahr je 50 km entfernt ist. jAuf einem Steine 

und der StraBenzug von Bingen an grtindlich be- Hadrians endlich CIL XIII 8906 von der StraBe 

handelt bei H a g e n^ 6f. Gezahlt wird auf Stei- Clermont- Vichy steht die Angabe Aug (us tone- 



409 Miliarium Miliarium 410 

meto) \Arvern (orum) l(eugae) XVIL Man braucht haft bezeichnen will, muB man annehmen, das 

gar nicht mit B e s n i e r Rev. des Etudes anc. Leugenmafi sei aus praktischen Griinden bis zur 

XXVIII 350 und Hirschfeld 185 zu ver- Kopf station Arbon am Bodensee angewendet wor- 

muten, die beiden Steine des Traian und Hadrian den, Aber offiziell bildete doch Pfyn das Ende 

seien aus dem Pictonenlande an ihre FundsteUe der Leugenrechnung. Die Leugengrenze lief, wie 

verschleppt worden, sondern darf ruhig annehmen, Roth Gesch. der Leuga, Bonn. Jahrb. XV 14, 

dafi seit Traian die Leugenzahlung auf Weg- festgestellt hat, von Pfyn nordlich iiber den 

steinen nicht nur im Poitou, sondern auch in der Rhein nach den Donauquellen, dann langs der 

Saintonge und Auvergne auf regionalen StraBen rauhen Alb bis nach Lorch; von hier an fallt die 
in Anwendung gekommen und von da an geblie- 10 Leugengrenze mit der Reichsgrenze zusammen; 

ben sei. Mit Septimius Severus, spatestens 202 n. vgl. auch Heuberger a. 0. I 67. 78. 81. 

Ghr., wird sie in den Tres Galliae (Aquitania, Leugensteine vom J. 202 sind: ein verschleppter 

Lugdunensis, Belgica) und in den beiden Ger- in Treycovagnes GIL XIII 9067 = Riese 161: 

manien iiberall tiblich und bleibt for tan auch be- Aventic(o) leug. XXI; einer in Chavornay, an 

stehen. Eine Ausnahme machen merkwtirdiger- der Strafie Gex — ^Avenches GIL XIII 9066 = 

weise m. des gallischen Gegenkaisers Postumus Riese 162: Aventicum .. .XXlllySi(th.QihQMg&D., 

(258/59) GIL XIII 9023 m. p. LXXII von Autun weil die Entfernung von Ghavornay uber Yver- 

an der StraBe Lyon — Boulogne-sur-Mer, XIII don nach Avenches in der Luftlinie 52 km be- 

8879 m, p. Vlll. 8882 m. p. V im Gebiete der tragt; ein dritter bei Ziilpich an der StraBe 

Vellaver an der oberen Loire. XIII 9092 = Riese 20 Koln— Trier GIL XIII 9137 == R i e s e 160, bis- 

283 mit Entfernungsangabe a col. N(emetum) ist her der einzige, auf dem das Wort leugae ohne 

die Zahl verloren; Riese erganzt ohne Grund Abktirzung eingemeiBelt ist; ein vierter endlich 

l(eugae). Die Leugenzahlung tritt auch auf der bei Soissons GIL XIII 9031 = Riese 386 

Peutingerkarte und im Itinerarium Antoninum in = Dess. 5847: ah Aug. Suess. leug. VU. Ob- 

Erscheinung. Auf der Karte steht segm. II 5 bei wohl nun strenggenommen Leugensteine nicht 

Lyon als Endpunkt der gallischen StraBen usque Meilensteine sind, wird doch fur beide das Wort 

hie le(u)gas; das Itin. Ant. 359 — 363 zahlt auf m. gebraucht, wie es schdn im Altertum geschehen 

der militarisch und verkehrspolitisch gleichwich- ist (Dess. 5882 a). 

tigen StraBe von Lyon nach Boulogne-sur-Mer, Die eben genannte StraBe von Koln nach 

dem antiken Gesoriacum nach Meilen und Leugen 30 Trier hat sich nach Ausweis der m. ebenfalls der 

zugleich. Die Leugenzahlung gestattet auch eine Fursorge mehrerer Kaiser, so des Hadrian, An- 

ziemlich genaue Ansetzung der Grenzen Galliens. toninus Pius, Mare Aurel, Septimius Severus, 

Bei der StraBe iiber den GroBen St. Bernhard Gallus, Victorinus, Gonstantius und Maximian des 

geht die Meilenrechnung bis Uromagus, heute Magnentius erfreut. Die m. zahlen von Trier und 

Oron-la-Ville; von hier ab nach Minodunum, von Koln aus (GIL XIII 9133—9137. 9154. 12090 

heute Moudon, ist schon Leugenzahlung auf der = Riese 100. 119, beide abgebildet Hagen^ 

Peutingerkarte und im Itin. Ant. 352 (Zahl 6 Taf. 2. Riese 314. 136. 160. 285, abgebildet 

=1 Leugen, da Moudon von Or on in der Luft- Hagen^ 116). Nebenbei wurde in Koln von den 

linie etwa 15 km entfernt ist). Die Grenze lag Stadttoren aus gerechnet (Hagen^ 145). Eine 

also bei Uromagus und zog sich zwischen Lau- 40 zweite Abzweigung von der RheintalstraBe nach 

sanne und Vevey an den Genfersee hinab. Ander- Trier ging von Bingen aus; gezahlt wurde nach 

seits zahlte Nyon nach Ausweis von m. des Ausweis der mit Traian beginnenden Steine von 

3. Jhdts. zur Narbonnensis (GIL XII 5530 — 5535. Trier aus. Beim Policher Halt, 9 Leugen von 

Anz. Schw. Alt. 1918, 134. Genava IV 236 nr. 35). Trier, fand man je einen m. des Caracalla und des 

Das Nordufer des Genfersees war demnach nur Gonstantin (GIL XIII 9129. 9130 = Riese201. 

ostlich und westlich von Lausanne ein Sttick weit 305); sie und fiinf andere m. standen hier un- 

gallisch. Der in Sitten im Wallis gefundene Leu- mittelbar nebeneinander (H a g e n^ 334), ein 

genstein GIL XII 5518 =; Riese 271 Aven(tico) ahnlicher Fall wie in Koblenz. Das Dorf Detzem, 

leug. XVU muB aus gallischem Gebiete ver- im Mittelalter decima hat seinen Namen vom 

schleppt sein. Im Osten der Schweiz war seit 50 10. Leugenstein von Trier, ebenso Quint vom 

Griindung der Provinz Ratien, zu der das Boden- 5. Leugenstein der StraBe Trier — ^Neuwied (H a - 

seebecken mit gentigendem Hinterland geschlagen g e n^ 258f .). Ein beachtenswerter m. ist auf dem 

wurde, ad Fines, heute Pfyn im Thurgau, der an der RomerstraBe Trier — ^Reims liegenden 

Grenzort. Die Tab. Pent, und Itin. Ant. 238. 251 Grabmal von Igel zu sehen. Zwei Manner fahren 

zahlen denn auch von Westen her bis Pfyn nach auf einem von einem Maultierpaare gezogenen 

Leugen, das Itin. 251 von StraBburg an mit Mei- zweiradrigen Wagen aus einem Stadttore heraus. 

len und Leugen zugleich. Von Pfyn bis Arbon, Uber dem Riicken der Tiere sieht man den in 

dem romischen Arbor Felix hat die Tab. Pent. anderem Zusammenhang angefiihrten m. mit der 

21. Itin. Ant. an beiden Stellen 20. Die Luftlinie Legende l(eugae) llll; soviel betragt gerade die 

Pfyn — Arbon ist 36 km; also 24 Meilen. Da zu- 60 Entfernung von Igel bis zur Trierer Moselbrticke, 

dem die RomerstraBe nicht geradeaus durch das von der aus also gezahlt worden ist. Auch in 

Tal ging, wie die heutige StaatstraBe, sondern Trier zahlte man nicht vom Marktplatze der 

den sonnigen Hangen des Ottenberges entlang Stadt aus und in Igel steht der m. ebenfalls vor 

einen bedeutenden Umweg machte, sind die Zah- dem Tore. So bekommt man den Eindruck, daB 

len der Tab. Pent, und des Itin. Ant. als Leugen- in gallischen Landen ahnlich wie in der Stadt 

zahlen zu betrachten; denn 44 — 46 km machte Rom die Berechnung der StraBenstrecken nicht 

die RomerstraBe bis Arbon sicher. Wenn man vom Stadtinneren ausging. Bei genauer Nach- 

^Iso nicht die Angabe beider Quellen als fehler- priifung konnte man das wohl noch mancherorts 



411 Miliarium Miliarium 412 

beobachten wie z. B. in Pompei nach dem am An- Kempten ging die Strafie iiber Isny, wo der wie- 

fang der Arbeit zitierten m. D e s s. 5382. Der derholt abgebildete m. CIL III 5987 = V o 1 1 - 

Igeler m, steht, vom Zahlorte Trier aus gerech- m e r 470 gestanden hat: Imp. Caesar / L. Sep- 

net, rechts an der StraBe. timius Severus Pius / Pertinax Aug. Arabicus / 

Eine auBerst wichtige Abzweigung der Rhein- Adiab. Parthicus Maximus / pontif. max., trib. 

talstraBe ging von Argentorate, jetzt StraBburg, pot. Villi, / imp. Xll, cos. 11, p. p., procos., et / 

aus nach Orenburg, dann durch das Kinzigtal Imp. Caesar Marcus Aurel. / Mtoninus Pius Aug. 

nach Rottweil; dort mtindete eine StraBe von trib. / pot. IIIl, procos., et j [imp. P. Sep timius 

Vindonissa, jetzt Windisch her ein, und der Geta Anton.] / vias et pontes rest. / a Camb(oduno) 
Strang wurde nun weiter an die Donau gefiihrt. 10 m. p. / XL Drei m. der StraBe tragen diese In- 

Wir wissen davon durch einen in Offenburg ge- schrift, die in das J. 201 verweist. Die Zeile mit 

fundenen m. CIL XIII 9082 = D e s s. 5832 dem Namen Geta ist ausgekratzt, aber teilweise 

= Riese 45 = Vollmer 495 == Bd. VI doch noeh lesbar. Von Augsburg aus fiihrte auch 

S. 2662, 3f. mit leider verstlimmelter Inschrift, eine StraBe uber Rosenheim nach Salzburg, die 

der man den Kaisernamen Vespasia]no und den ebenfalls von Septimius Severus ausgebessert 

Legatennamen On. Cor[nelio Clemen] te, ferner wurde (CIL III 5990 = 11982 = Vollmer 

iter de[rectum ab Argen]torate / in R[aetiam] 476. Ill 5991 =i Vollmer 477: ab Aug. m. p. 

entnehmen kann. Ist die Erganzung des Legaten LX. Ill 5750 = Vollmer 478). Aus Sochtenau, 

richtig, und das ist sehr wahrscheinlich, well Cn. zwisehen Inn und Chiemsee, stammt der m. CIL 
Pinarius Cornelius Clemens 74 n. Chr. unter 20 III 5751 = Vollmer 479, der mindestens 3, 

Vespasian in Obergermanienkommandierte(Bd. VI wahrscheinlich 5 Inschriften tragt, deren alteste 

S. 2661, 31f.), so haben wir den Bau der StraBe vielleicht von Septimius Severus. Von Salzburg 

in dieses Jahr zu versetzen. Die ZugangstraBe ging die StraBe weiter iiber Wels der Donau zu, 

von Windisch her, die auf der Peutingerkarte bis sie mit der StraBe Regensburg — Boiodorum, 

verzeichnet ist (Miller 262), wurde wenigstens jetzt Innstadt bei Passau — ^Wien zusammen- 

vom Rhein an vielleicht gleichzeitig angelegt. stieB. Ein bei Engelhartszell gefundener, aber 

Man woUte mit diesen StraBenbauten den in langst wieder verlorengegangener m. CIL III 

StraBburg und Windisch stationierten Truppen 5755= 11846 = Vollmer 484 berichtet von 

bequeme Zufahrtwege zum limes Germanicus und Caracalla viam iuxta amnem Danuvium fieri 
eine Verbindung mit Augsburg und Regensburg 30 iussit a Boioduro ad Saloaton oder ahnlich; Voll- 

schaffen. Von Rottweil fiihrte namlich die StraBe mer vermutet leise, aber kaum mit Recht, es 

weiter iiber Sumelocenna, heute Rottenburg und konnte Salsovia 24 Meilen vor der siidlichen 

liber Ttibingen nach Grinario, heute Kongen Donaumiindung gemeint sein. Dieser StraBenbau 

(CIL XIII 9084 == V 1 1 m e r 493 = H a u g - war die Folge des Alamanneneinfalles 213 n. Chr. 

Sixt nr. 499; abgebildet Hertlein I Taf. 5 und hing zusammen mit der Wiederherstellung 

oben: a Sumel. m. p. XXVIIll, unter Hadrian). des Limes und seiner Kastelle (Bd. IAS. 56, 

Von dort ging es nach der Peutingerkarte nach 38f.). Von Wien fiihrte die StraBe durch das 

ad Lunam. Hier gabelte sich die StraBe: ein Donautal nach Karnuntum. M. von Septimius 

Strang fiihrte bei Giinzburg iiber die Donau und Severus und folgenden Kaisern mit der Angabe a 
weiter nach Augsburg, der andere dem nordlichen 40 Kar(nunto) m. p. XXI sind erhalten (CIL III 

Donauufer entlang; die Wegrichtung wird durch 4642. 4644. 2645). In Karnuntum kreuzte die 

einen m. aus der Wende des 2./3. Jhdts. bei Berg- StraBe von Aquileia tiber Emona, jetzt Laibach, 

mannshofen, Kreis Donauworth angegeben (CIL Savaria, jetzt Steinamanger, Scarbantia, jetzt 

III 5995 = Vollmer 491). Bei Ickstatten Odenburg. M. sind in Pannonien nur von einer 

stand ein m. aus dem J. 201 mit Zahlung ab Abzweigung Scarbantia — Vindobona erhalten von 

Aug(usta) m. p. XXXX, a l(e)g(ione) m. p. LVl Antoninus Pius, Decius und Licinius (CIL III 

(CIL III 5996 = 11985 = Vollmer 490). Die 4647. 4649. 4652 a Vind(obona) m. p. 11 und drei- 

StraBe von ad Lunam her war also hier schon in mal m. p. 1111). Die Weiterfiihrung dieser sicher 

die StraBe Augsburg — ^Regensburg eingemiiiidet, schon vorromischen StraBe von Karnuntum tiber 
von der wir noch CIL III 5998 = V o 1 1 m e r 50 die Donau nach der Ostsee ist die von Plin. n. h. 

489. Ill 5997 ==: D e s s. 438 = V o 1 1 m e r 488. XXXVII 45 erwahnte BernsteinstraBe (vgl. 

Vollmer 485, alle 3 mit der Doppelzahlung Schwyzer zu Tac. Germ. 45). Von Karnuntum 

ab lAug. ab Ig., und CIL III 5999 = Vollmer donauabwarts bis Aquincum sind mehrere m. 

487 besitzen. Der Platz Regensburg beherbergte erhalten von Caracalla und spateren Kaisern; sie 

zur Zeit dieser Steine schon die Legio III Italica zahlen von dem wichtigen Truppenplatze Brige- 

(Bd. XII S. 1532, 47f.), weshalb die Entfernung tio aus, und zwar auf warts gegen Arrabo (CIL 

von dort einfach mit ab legione bezeichnet wurde. Ill 4638. 11342) und abwarts gegen Aquincum, 

Die StraBe Regensburg— Augsburg setzte sich heute Altofen (CIL III 3744—3748. 4626. 4627. 

iiber Kempten nach Bregenz fort. M. sind be- 4630. 4634. 10655—10658. 11332—11334.11331: 
zeugt von Inningen, GroB Aitingen, Tiirkheim 60 « Br(igetione) m. p. 11. 11341: a Br. m. p. V); 

(Vollmer 474 d c a), Kaufbeuren (CIL III die StraBe mit den m. ging der Donau ent- 

5993 = Vollmer 472: ab Aug. m. p. XXXI), lang bis zum Castell Crumerum, heute Neudorf 

bei Kempten (CIL III 11984= Vollmer 473: (Bd. IV S. 1726), von dort weg aber uber Land 

ab Aug. m. p.] LXI). CIL III 5992 = Vollmer geradewegs nach Aquincum. Eine zweite StraBe 

471 gefunden bei Kempten mit Angabe 40 Mei- fiihrte von Crumerum immer der Donau ent- 

len von Augsburg muB verschleppt sein; denn lang als VerbindungsstraBe zwisehen den Ka- 

schon in der Luftlinie ist Kempten von Augsburg stellen; Itin. Ant. 266 gibt als Stationen Salva 

etwa 70 km, also etwa 47 Meilen entfernt. Von mansio, ad Herculem castra, Cirpi mansio, Ul- 



413 Miliarium Miliarium 414 

eisia castra. Zwischen dieser letzten Station und dunum aus; CIL III 4623. 15200. 15202 rechnen 
Aquincum sind die m. CIL III 3738 — 3743 von von Siscia, heute Sissek aus. Von Belgrad, das ja 
Alexander Severus und Maximinus erhalten; sie schon zu Mosien gehorte, ging die Strafie wo 
rechnen von Aquincum aus. Die bedeutende Ko- immer moglich der Donau entlang bis zu ihrer 
lonie Aquincum war Kopfstation mehrerer Stra- Miindung. Diese Strecke wurde schon unter Ti- 
Ben. Hier sei nur die Donau abwarts bis Mursa berius angelegt, wie die Felseninschrift bei Bol- 
an der Drau, heute Osiek oder magyar. Eszeg, jetin aus dem J. 33/34 beweist (CIL III 1698). 
erwahnt, weil an ihr besonders viele m. erhalten Dann sind bemerkenswert die Felseninschriften 
sind. Sie stammen von den Kaisern Septimius von Titus und Domitian bei Orsova CIL III 
Severus, Macrinus, Heliogabal, Alexander Severus, 10 13813 a — d, die sich auf Reparaturen der durch 
Maximinus, Philippus, Decius, Constantius und Alter und FluB verdorbenen StraBe beziehen. 
Galerius, und vielleicht Constantin (CIL III Traian hat sie 100 n. Chr. an dieser Stelle neu 
p. 465). Caracalla ist hier nicht vertreten, be- angelegt, wobei er groBere Sprengarbeiten vor- 
greiflich, da sein Vater kurz vorher die StraBen- nehmen lassen mufite (D e s s. 5863 = CIL III 
strecke instand gestellt hatte. Die StraBenbau- 1699 montibus excisis, anconibus sublatis viam 
tatigkeit Caracallas reichte also hochstens bis fecit). Eine Anzahl von m. CIL III 7602 — 7612 
Aquincum. Es sei mir daher erlaubt, die Frage der Kaiser Septimius Severus bis Diocletian sind 
aufzuwerfen, ob mit dem Saloaton auf dem m. in der Dobrudscha zutage getreten. Auch gibt es 
V 1 1 m e r 484 nicht die Station Salva mansio welche von der Abzweigung der StraBe der Kuste 
gemeint sein konnte. Die m. nach Mursa zahlen 20 des Schwarzen Meeres entlang CIL III 12513. 
ab Aq(uinco) und zwar haben wir Meile 1. 3. 6. 12514. 7613 ab Protomis m. p. XXVIL 7614 
8. 9. 10. 15. 34. 36. 40. 45. 46. 47. 55. 63. 66. a Tomis. 7616 a Gallatide VII; sie stammen von 
73. 86. 97. 113. 137. 160 (CIL III 3707—3736 Hadrian, Antoninus Pius und Marc Aurel. Die 
6467—6469. 10621—10652). Bei Meile 8 standen Endstation dieser Fortsetzung war Konstanti- 
5 Steine (CIL III 3713. 3715 — 3718). In Mursa nopel. Hier endete auch die andere Abzweigung 
miindete auch die DraustraBe ein, die in Celeia, der DonaustraBe von der Station Viminatio, 
heute CiUi von der schon genannten StraBe heute Kostolatz, halbwegs zwischen Belgrad und 
Aquileia — Emona im Savetale — Karnuntum ge- Orsova aus. Sie fuhrte nach der Tab. Pent, iiber 
kreuzt wurde. Zwischen Emona und Celeia stan- Naissus, heute Nisch, Serdica, jetzt Sofia, Philip- 
den die m. CIL III 11316. 11318: a Celeia m. p. 30popel und Adrianopel. Innerhalb Thrakiens sind 
XXXV\ der eine von Lucius Verus, der andere bis gegen Adrianopel hin m. mit griechischen In- 
von Constantius und Mitregenten. Von Cilli bis schriften der Kaiser Septimius Severus, Helio- 
Virunum, heute Zollfeld, ist die Weiterfuhrung gabal, Alexander Severus, Maximinus und Gor- 
der DraustraBe im wesentlichen nur durch m. dian III. erhalten; sie sind schon eingangs wegen 
sichergestellt (CIL III 5709. 5710. 5732—5736. des Wortes fislhov angefiihrt. Nach den Inschrif- 
5738. 5741. 5742; vgL Miller 441). Von Viru- ten wurden sie zu Ehren von dem und dem 
num fuhrte die HauptstraBe iiber Noreia in das Kaiser, unter dem und dem leg. Aug. pro prae- 
Murtal und von dort tiber Wels nach Salzburg, tore von den Stadten Pautalia (IGB I 669. 670. 
eine Abkiirzung vom Murtale tiber die Radstadter 672), Serdica (687. 688. 693), Philippopel (724. 
Tauern ebenfalls nach Salzburg. Nur von dieser 40 725), Traianopel (741) und Adrianopel (772) 
Abkiirzung haben wir m. (CIL III 5725. 5726 aufgestellt. Der jtQso^svxrjg 2s§aaxov dvtiotQa- 
mit Zahlung von Salzburg). Von Mursa aus rrjyog hat die Arbeiten an der StraBe angeordnet; 
fiihrte die DonaustraBe in einem Arm zunachst die Gemeinden haben sie ausgeftihrt und ver- 
nach Sirmium, jetzt Mitrovic, bis wohin noch von mutlich bezahlt. Besondere Erwahnung verdient 
Aquincum aus gezahlt wurde (CIL III 6466 IGR I 672 =s Kalinka Antike Denkmaler in 
= 10652 w. p. CGXXV). Von Sirmium ging es Bulgarien nr. 61: ayad'tji xv%yii. \ vjcsq lysag xal 
weiter zur Donau nach Singidunum, jetzt Bel- oooltrjQsiag xal vUrjg / tov xvqIov ruicbv M. 'Av, / 
grad, mit Zahlung von Sirmium aus (CIL IH FoQdiavov Mrvxovg / Evos^. os§. xal tfjg e[>cl- 
10615. 10616). Der andere Arm fiihrte geradezu cpdeordtrig Avyovaxrjg / ^a^ovQtag 2a^iviag / 
an die Donau, dann moglichst dem Flusse ent- 50 TQay?evXXlvr]g, rjysfiolvevovxog trjg ©Qaixcbv knnQ- 
lang ebenfalls nach Belgrad. Ein bei Nestin ge- ;jj/a? / IlofjLncovvov / Ma[yia]vov nQsoj^, 2s^. 
fundener m. dieser Strecke zahlt 209 Meilen von dvtio[xQax]if)[yov / dveoxtjosv] / ^ IlavxaXsco/xcbv 
Aquincum (CIL III 3703 = 10651); Alexander uiohg x6 fA,cXio[v, / evxvxoog, Neben der dem Neu- 
Severus hatte ihn aufstellen lassen; der Name griechischen sich nahernden Sprache und den 
Aquincum ist sicher zu erganzen. Andere m. des Formeln bona fortuna und felieiter am Anfang 
Nerva, Marc Aurel, Heliogabal und Gordian rech- und Schlusse des Textes ist hier bemerkenswert, 
nen a Malata Cusum (CIL III 3700 — 3702; auf daB der Stein nicht nur dem Kaiser Gordian III., 
3700 stehen Inschriften des Nerva und des Helio- sondern auch der Kaiserin Furia Sabinia Tran- 
gabal), d. h. vom Donaukastell Milatis, spater quillina gewidmet ist. Der Name Faburia mag als 
Bononia, heute Banostor bis Cusum, heute Peter- 60 Versehen gelten (s. G r o a g Bd. VII S. 370, 52f .). 
wardein, welcher Ort wohl auch ein Kastell be- Als erste Kaiserin erscheint auf m. lulia Domna, 
saB. Die Verbindung von Belgrad nach Italien die Gattin des Septimius Severus IGR IV 924 
fand statt durch die StraBe im Savetale von Sir- — 926), spater Herennia Etruscilla, Gattin des 
mium tiber Laibach. Hier besitzen wir m. mit Decius (IGR IV 771), Ulpia Severina, Gattin 
den Kaisernamen Antoninus Pius, Marc Aurel Aurelians (IGR IV 1482 c =i CIL III 472). 
und Septimius Severus zwischen Laibach und Von den StraBen Asiens besitzen wir merk- 
Neviodunum (CIL III 4616. 4618. 4620. 4617, wtirdigerweise m. erst wieder aus der Zeit de& 
4621. 4622 — 4624), mit Zahlung von Nevio- Kaisers Claudius, die ersten seit der Gracchen- 



415 Miliarium Miliarium 416 

zeit. CIL III 476 meldet, da6 51 n. Chr. eine pro praetore Caesennius Gallus die Pflasterung 

StraBe von Ephesus aus verbessert wurde; Auf- der StraBen in den Provinzen Galatien, Cappa- 

schrift und Angabe der Meilenzahl XXX . . . ab dokien, Pontus, Pisidien, Paphlagonien, Ly- 

Epheso sind lateinisch, nicht mehr doppelsprachig caonien und Kleinarmenien nnternommen; so 

wie seiner zeit bei M'. Aquillius. Dagegen kennen sagt der m. CIL III 318 = D e s s. 263. Auch 

wir vom gleichen Kaiser einen m. der Insel diese ^rbeit dauerte begreiflicherweise mehrere 

Kreta mit griechischer Inschrift. Sie berichtet, Jahre; 82 n. Chr. wurde sie durch Domitian fort- 

daB ein Quaestor im Auftrage des Kaisers die gesetzt (CIL III 312 = Dess. 268). Der erste 

Wege bergestellt habe (IGR I 980). Von Nero m. gibt 71 Meilen als Entfernung zwischen An- 

meldet eine doppelsprachige Felsinschrift von 10 cyra und Dorylaeum bis zum Standorte an, und 

Sarykara, drei Stunden von Nicaea entfernt, er zwar nur lateinisch, der zweite die Zahl VIII, t]' 

habe durch den Proconsul C. lulius Aquila die lateinisch und griechisch. Besonders bemerkens- 

verfallene StraBe von Apamea in Bithynien bis wert ist die Tatigkeit Traians. Eine aufmehreren 

Nicaea wiederherstellenlassen (CIL III 346=: IGR m. sich findende Inschrift lautet nach der siche- 

III 16; Bd. X S. 168, 19f.). Fiir denselben Kaiser ren Herstellung von Thomson nr. 71a: Imp, 

hat der Legatus pro praetore C. Umidius Quadra- Caesar divi Nervae f, Nerva Traianus Aug. Ger- 

tus die StraBe von Antiochia am Orontes bis zur manicus, BacicuSj pont. maximus, trih. pot. XVlll, 

neuen Kolonie Ptolemais, heute Akka, in Phoini- imp. VU, cos. VI, p. p., redaeta in formam pro- 

kien vielleicht gebaut (munivit) oder dann gehorig mnciae Arabia viam novam a Rnibus Syriae us- 

instand gesetzt (Thomson nr. 9 a 2; vgl. Honig- 20 que ad Mare Bubrum aperuit et stravit per G. 

m a n n Bd. IV A S. 1653f .). Die Inschriften auf Glaudium Severum leg. Aug. pr. pr. (folgt Meilen- 

diesem und alien spateren m. dieser StraBe sind zahl). Zur Unterwerfung Arabiens durch Traian 

lateinisch; Septimius Severus hat neben der la- vgl. Dio LXVIII 14, 5; Bd. II S. 359, llf. Mit 

teinischen Meilenzahl II die griechische B (CIL Hues Syriae ist die Siidgrenze gemeint, die unge- 

III 205 =;Thomsen 12), Constantin •&' von fahr vom Siidende des See von Genesareth nach 

Beirut, aber danach CCXXI von Antiochia (CIL Osten verlief (s. Kartchen Bd. II S. 360) ; Claudius 

III 209 = Thomson 7). Caracalla lieB die Severus war Statthaiter Arabiens (s. Bd. Ill 

StraBe beim Grenzflusse Lykos durch Spreng- S. 2868 nr. 347). Die neue StraBe ging von 

arbeiten verbreitern, die von der legio III Gallica Bostra aus tiber Philadelphia und Medaba nach 

Antoniniana durchgefiihrt wurden (CIL III 206 30 Petra und weiter nach Aila, heute El-Akaba am 

=: Dess. 5865 = Thomsen 5). Auf dem Roten Meer. Der stidliche Toil bis Medaba wurde 

eben genannten m. CIL III 205 steht geschrie- 111 fertiggestellt (Thomsen 121a. 126bl 

ben, Q. Venidius Rufus, leg. Aug. pr. pr. und 127 a. 138 a. 143 a), der nordliche 3 Jahre spater. 

praeses der Provinz Syria Phoenice habe im Diese StraBe gehorte in das System der strate- 

Auf trage seiner kaiserlichen Herren Septimius gischen GrenzstraBen vom Euphrat bis zum Roten 

Severus und Caracalla die StraBen und m. (vias Meere. Sie war dauerhaft angelegt, 6 m breit 

et miliaria) erneuern lassen. Wir konnen wenig- und verband die zahlreichen KasteUe und Wacht- 

stens an 2 m. nachprtifen, daB der zweite Statt- tiirme zur Sicherung der Ostgrenze des Reiches 

halter der 194 gebildeten Provinz Syrophoenice (Bd. XIII S. 654f.). Ohne Zweifel folgte sie der 

seinen Auftrag nach Moglichkeit ausgefuhrt hat. 40 uralten KarawanenstraBe ostlich des Jordans und 

Sie zeigen die 17. und 18. Meile westlich von Pal- des Toten Meeres. Auf der Strecke Bostra — Petra, 

myra an und standen nach Thomsen an der die im allgemeinen gut untersucht ist, sind tiber 

StraBe Palmyra — ^Emesa, heute Horns (CIL III 300 m. zutage gefordert (Thomsen 67 — 173 

6723. 6725 == Thomsen 42. 41); auch auf und Taf. 1, wo alle m. an der Fundstelle einge- 

ihnen war jedenfalls die griechische Meilenzahl zeichnet sind); der stidlichste Toil bis Aila ist 

neben der lateinischen geschrieben; etwas Grie- mangelhaft erforscht; immerhin hat man auch 

chisches ist es wenigstens. Aber die Inschrift dort m. gesichtet (Thomsen 174. 175). Die 

eines Obelisken CIL III 202 = Thomsen 28 Steine stammen von fast alien Kaisern bis in das 

verrat uns, daB diese StraBenerneuerung etliche 4. Jhdt. hinein. Der StraBe wurde also sehr groBe 

Jahre fortgedauert hat. Die Widmung auf ihr 50 Aufmerksamkeit gewidmet, was bei ihrer Be- 

ist namlich 213 an Caracalla gerichtet. In diesem deutung als opus valli (CIL III 14149^), als 

Jahre hat die Colonia lulia Aug. felix Heliopoli- LimesstraBe recht begreiflich ist. Die m. Traians 

tana, jetzt Baalbek durch den Praeses von Syro- zahlen, soweit die Zahlen tiberhaupt erhalten 

phonikien D. Pius Cassius vias et miliaria her- sind, auf der ganzen Strecke von Petra aus 

stellen lassen. Die Kolonie hatte also die Kosten (Thomsen 87a. 138a = CIL III 1414930. 

der Erneuerung wenigstens fiir die Strecke Tri- 146 a =^: CIL III 14149^^). Ein in der Nahe 

polls — Heliopolis selber zu bezahlen. Ahnlich von Philadelphia gefundener m. des Hadrian 

wird man wohl auch andere leistungsfahige Ge- rechnet als einziger von dieser Stadt aus nach 

meinden zum Tragen der Auslagen herangezogen Nor den (Thomsen 110). Da er eine wichtige 

haben. 60 Reparatur im Nordteile der StraBe schon 15 Jahre 

GroBziigig ist die Tatigkeit einiger Kaiser im nach ihrer Erbauung voraussetzt, kann ich den 

StraBenbau des Ostens von der Regierung Vespa- Verdacht nicht unterdriicken, er mochte ur- 

sians an. Dieser Kaiser hat zusammen mit Titus spriinglich an der StraBe Philadelphia — Gerasa 

und Domitian im J. 78 durch den Procurator gestanden haben, auf welcher einer der Steine 

L. Antonius Naso die StraBen Bithyniens griind- bei Meile 6 von Philadelphia sicher von Hadrian 

lich erneuern lassen (CIL III S. 6993 = D e s s, stammt (Thomsen 211 a), Die m. des Commo- 

253). Nach dem Tode Vespasians haben Titus dus (Thomsen 86 a 2. 88 b 1. 100 a 2. 101 b 

und Domitian im J. 80/81 durch den Legaten = CIL III 14150^. 103 b), des Pertinax (Thom- 



417 Miliarium Miliariiim 418 

sen 77 a 1. 83a), des Septimius Severus (Thorn- stellen kann, daB Kaiser Vespasian, imp.] Gae- 

sen 76b. 83b. 106b =; CIL III UlSO^), des sar ... / Ve]spasian[us ... [curante M. Ulpio 

Caracalla (T h o m s e n 70. 72. 73 a. 74 a. 77 b. Tr]a[i]ano / le]g. Aug. pro pr. den StraBenzug 

78a 1. 81c. 88c. 95a. 97a. 101c), des Helio- gebaut oder ausgebaut habe (Mouterde Me- 



(T h m s e n 74 b 1), des Maximinus langes des I'univ. S. Joseph, Beyrouth XV 6, 233 

(Thomson 88 d) und des Diocletian (Thorn- nr. 27). Der Vater des Kaisers Traian war legatus 

sen 78 a 2. 79 a) rechnen von Bostra aus; m. pro praetore Syriae in den Jahren 76/77 n. Chr. 

des Septimius Severus (Thomson 118a =i CIL (Prosop. Imp. Rom. Ill nr. 574); in eines dieser 

III 14150) des Heliogabal (Thomson 119a. Jahre fallt also der Bau. Der Abschnitt Damas- 
125 c. 1 = CIL III 14149^3, 14149^"^) und deslOkus — Palmyra ist noch wenig untersucht. Dagegen 

Constantin (Thomson 116a 1. 119b 1 = CIL kennt man die Stationen zwischen Palmyra und 

III 14150^. 14150^) von Medaba aus; der m. des Sura genau; Honigmann hat sieBd. IVAS.1666 

Septimius Severus Thomson 126 cl = CIL verzeichnet. Diocletian hat die ganze Strecke als 

Til 14149^3 zahlt a Rab[ba] m. p. XVI, ebenso verstarkte strategische GrenzstraBe umbauen und 

126 d 1 = CIL III 14149^4; Marc Aurels m. slid- mit Kastellen versehen lassen, von Palmyra bis Da- 

ich von Medaba rechnen von Petra aus (T h o m- maskus mit teilweise veranderterRichtung.DieSta- 

j e n 126 a 1. 143 c =: CIL III 14149^1. 1414923), tionen Palmyra— Damaskus gibt Honigmann 1680, 

jbenso die m. siidlich von Rabba des Septimius dazu Erganzungen von D u n a n d Rev. Bibl. XL 

Governs (Thomson 143 d2 = CIL III 1414924), 416f. 579f. Plan mit eingezeichneten Militarposten 

ies Caracalla (Thomson 152. 156=: CIL III 20 und m. Mouterde 226, teilweise auch Du- 

1414917^ 1414915), (jes Alexander Severus (Thorn- nand 581. Die m. sind am besten veroffentlicht 

5 e n 157. 164 a 2 = CIL III 1414914. 141499) ^nd D u n a n d 2271 416f. P. P i d e b a r d hat im 

ies Gordian (Thomson 138b =: CIL 1414931). J. 1930 die Richtung der StraBe mit Flugzeug 

V^ielleicht noch unter Traian wurde von dieser festgestellt. In der Folge trug sie wie auch die 

StraBe aus von der Ortschaft Esbus iiber den Umgebung von Palmyra (Procop. bell. Pers. II 

Jordan nach Jericho hiniiber eine Verbindungs- 1, 6) den Namen Strata Diocletiana, z. B. Dess. 

3traBe gebaut. Marc Aurel hat sie ausbessern 5846 = CIL III 6719 = Thomson 52, oder 

[assen (Thomson 230 a == CIL III 14154), D u n a n d 4301 432 unten: strata / Diocletiana / 

ebenso Heliogabal (Thomson 229 a == CIL a Garneia [B]eriarac[a / mil. [VI]. Auf dem 

III 14151) und Maximinus (Thomsen 230 b 30 StraBenstiick zwischen den Kastellen Valle Alba, 

= CIL III 141541 mit der Entfernungsangabe jetzt Khan-el-Manqtira, und Auraca, jetzt El 

aTzd TJo^ovvzog /nflXia] g) und Diocletian (Thom- Basiri lesen wir auf iiber 20 m. Diocletians in 

sen 230 c ab Esb[unte] m. p. V) und Galerius der ersten Zeile deutlich ISTRA (D u n a n d 238. 

(Thomsen 229 b) und andere. Eine zweito Ver- 240. 242. 420 — 429), was Dunand in prima strata 

bindungsstraBe ftihrte von Philadelphia nach umsetzt. Mouterde dagegen meint, es liege 

Gerasa. Sie wurde spatestens von Hadrian ange- vielmehr die Vulgarform istrata vor, da Prothese 

legt (Thomsen 211 a =; CIL III 14168). Marc von i vor sc, sp, st seit Mitte des 2. Jhdts. sich 

Aurel hat sie ebenfalls ausgebessert, und spatere auf Inschriften findet. Dunand 579f . halt aber 

Kaiser sind seinem Beispiele gefolgt; m. bei an seiner Auflosung mit Recht fest mit dem Hin- 

Thomsen 199 — 214 stehen 3, 4, 5, 6, 8, 9, 40 weise, daB nach den m. die StraBe ein Sttick weit 

10, 11, 13 Meilen von Philadelphia und 13, 9, 8, in zwei Ziigen, einem inneren und einem auBeren 

4, 3, 2, 1 Meilen von Gerasa. Die Fortsetzung gefuhrt worden sei, und daB der innere Zug den 

von Gerasa nach Pella und von dort iiber den Namen ^prima sira^a erhalten habe (vgl. Plan 581); 

Jordan hat schon vor Traian bestanden; denn vom auBeren Zuge, der unfern vOn Palmyra 

sein Legat Claudius Severus lieB sie 112 n. Chr. durch die Wiiste ging und in Djebel Seis sich 

wiederherstellen (Thomsen 215 = CIL III mit dem inneren Zuge ver einigte, stammt der m. 

141762; vgl. 216. 218a. 220 = CIL III CIL III 6726 = Thomsen nr. 57, tibrigens 

14176^-6). M. bis 12 Meilen von Gerasa und schreiben alio m. mit Ausnahme der genannten 

10 Meilen von Pella, sind, moistens mit schlecht strata, und der prothetische Vokal ist wohl eher 

erhaltenen Inschriften, besonders von Marc Aurel 50 im Satzzusammenhang nach einem Konsonanten 

und von Commodus erhalten (Thomsen 218b als auf amtlichen m. am Satzanfang zu suchen 

— 228). Die Fortsetzung der von Traian angeleg- (vgl. L e u m a n n Lat. Gramm.^ 98). Das Wort 

ten LimesstraBe nach Palmyra fuhrte wahrschein- strata selber findet sich^ worauf Hirschfeld 

lich wie der Karawanenweg iiber Nemara und die 176 aufmerksam gemacht hat, auf Inschriften fast 

Oase Rubbe. Sicheres wissen wir davon noch 100 Jahre friiher als in der Literatur. Es ist auch 

nicht; vgl. die Orientierung von Fabricius zu lesen auf einem m. aus Ausculum Dess. 

Bd. XIII S. 654, 22f. Die Fortftihrung der 5882 = CIL X 1885: ad stratam refic(iendam) 

TraianstraBe von Bostra nach Damaskus ist durch etc., den Hirschfeld 176, 3 spatestens in das 

die Peutingerkarte bekannt; s. Miller Karte 260 3. Jhdt. versetzt, dann auf m. des Maximinus 

und Text 817. Bd. IVA S. 1650. M. sind von 60 und Maximus CIL III 11341. 11342: pontes et 

beiden Strecken bis jetzt nicht sichergestellt. stratas vetustate conlapsas restituerunt. Den 

Bessor kennen wir die Fortsetzung der StraBe t^bergang zu diesem Gebrauch bilden etwa Dess. 

von Damaskus aus iiber Palmyra nach Sura am 5873 = CIL VIII 10322 aus der Zeit Hadrians: 

Euphrat. Sie ist schon vor der TraianstraBe ent- via nova a Girta Rusicadem strata etc., und 
standen. Zwischen Palmyra und Aracha, heute Dess. 5861 == CIL VIII 2122: Macrinus und 

Erek, ist namlich neulich ein m. mit der Meilen- Diadumenianus viam stratam novam instituerunt. 

zahl 15 gefunden worden, aus dessen stark zer- Die m. in Syrien und Arabien haben fast 

storter Inschrift man noch mit GewiBheit fest- durchweg lateinische Inschriften. Einzig unter 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 14 



419 Miliarium Miliarimn 420 

lulian wurden auf friiheren Steinen Zurufe ehren- anderseits aber auch von Amastris in Paphla- 
der Art in griechiseher Sprache mitten durch gonien, von Appia, Kibyra und Hierapolis in 
den alten Text oder oberhalb oder unterhalb von Phrygien, von Bages und Thyatira in Lydien und 
ihm beigefiigt, besonders auf der StraJSe Phila- anderen Orten aus. Die Ausgangspunkte der 
delphia — Gerasa. Beispiele sind T h o m s e n StraBen batten wohl in der Regel auch die Repa- 
203 a 1. 2 = CIL III 141752 [slg] xov ai&va raturkosten zu tragen, so Smyrna unter Sep timius 
Avyovoxe 'lovXtave; 203 c 1. 2 iiber einer getilg- Severus, wenn es auf m. der StraBe Smyrna- 
ten Inschrift vielleicht Constantins: slg d-eog, elg Sardes heiBt ^ Xaf4,jiQozdr7j xai oiQcbtri rfjg lAolag 
lovXiavog 6 Avyovorog; ebenso siidlich von Me- ?{at dig vecoKOQog rcbv ^e^aorcov Hf^vQvaicov no- 
daba z. B. Thomsen 126 e 1. 2 =: CIL IIIlOA«? aveorriGey hn^ dv&vjidrov AolXiavov Fevxiavov 
1414945 [avzoJxQarcoQ lovha[v6g] Avyovorog etg (IGE IV 1482 b. 1483), oder wenn Tliyatira sich 
alsl §a[oiXsvg]', vgl. Thomsen 126 a = CIL auf m. unter Kaiser Tacitus als XaixnQoxdxri &va- 
III 1414941-44. 127 a— c =. CIL III 1414938-40 reiQ^vcov 7i6Xig (IGR IV 1165 a), unter Gordian, 
= Dess. 5845 und a. b. Thomsen 200. 241 a 1. Cams und Carinus als Aa^?r. Kat fA,sylorr) 0v. no. 
Auf dem m. Thomsen 208 d steht nur 'lovXiavog (IGR IV 1315. 1305), unter Diocletian gar als 
ivif^rjoev svrvxcbg r(p }ido/^cp fA,(iXia)'&^ und 20Sc===. Xa/n, ?c. 8iaorjfA,(ozdzrj) 0v. no. (IGR IV 1166. 
QILllllAlli^ Avym)0tslovXiavhvi7idv syevvri'&Yig. 1206a) bezeichnet, oder unter Diocletian Silan- 
Sogar die Meilenzahlen stehen auf der StraBe dos als XafxnQozdxT} Sdavdeov noXig rj f^rjXQonoXig 
Bostra — Petra am haufigsten rein lateinisch, ein xfjg Moxadrjv^g (IGR IV 1380) oder Hieropolis 
Zeichen dafiir, daB sie in erster Linie dem ro- 20 als XanfmQoxdxr] leQonohxcbv nohg (IGR IV 695). 
mischen Militar diente. In Palastina finden sich Das StraBennetz Afrikas hat seit Tiberius die 
unter einigen Kaisern, wie Marc Aurel, Septi- Aufmerksamkeit manchen Kaisers auf sich ge- 
mius Severus, Caracalla und Maximinus rein grie- zogen, wofiir schon mehr als 1000 m. zeugen. Von 
chische Entfernungsangaben teils eigener Art, Traian sind welche aus dem J. 100 erhalten zwi- 
wie Thomsen 276 = CIL III 1415516 dnd schen Lambaesis und Thamugadi (CIL VIII 10186. 
"EXsvd'eQonolsojg /a^IX. P'; 246 a = CIL III 14155^1 10210 = Dess. 284) und aus dem J. 105 von 
and ^Kv&onoXsog f^isxQ'' ^^^ [A^iXia y'; 249 dnd der LimesstraBe, die nordlich der Salzseen nach 
^X(aovlag) Neag tioXeog fytsxQt tt)ds fj,(lXia) k'; Capsa fiihrte (CIL VIII 22348). Von der Station 
288 = CIL III 12085 [dnd K]oX(o)vlag) AlX(lag) Gemellae, heute Mlili aus ging eine Verbindungs- 
iwe;^;^t<56«|W/AfaIII; alsjbishieher*. EinmalThom- 30 straBe um das Auresgebirge herum nach Lam- 
sen 303 ■=='■ CIL III 13595 ist dem Steinmetz baesis; iiber das Gebirge selber wurde eine StraBe 
ein Fehler unterlaufen: dnd KoX. MX. ... K]a- 145 gebaut (CIL VIII 10230 == Dess. 2479). 
nsxoXi [vag] fjL. ... statt KancxwXlvag; die von Von Lambaesis fiihrte die StraBe iiber Thamugadi 
Hadrian neugegrundete Stadt Jerusalem bildete nach Cirta, heute Constantino und weiter nach 
den Ausgangspunkt mehrerer StraBen. Rusicade, heute Philippeville am Meere. In Capsa 
In Kleinasien haben wir bereits an m. des fand die LimesstraBe AnschluB an die langst be- 
M'. Aquillius aus dem 2. Jhdt. v. Chr. und an stehende Strecke Capsa — ^Tacape. Die StraBe 
einem des Nero doppelsprachige Inschriften Cirta — Rusicade wurde unter Hadrian von den 
feststellen konnen. Dteser Branch wurde von spa- Grundbesitzern Cirtas neu angelegt und gepfla- 
teren Kaisern weitergefiihrt, so von Vespasian, 40 stert, d. h. die Besitzer durften bezahlen und 
Domitian und Nerva auf m. bei Thyatira in Ly- dafiir auf der Saule in Philippeville prangen 
dien (IGR IV 1193. 1194), von Hadrian in Gala- (Dess. 5873 = CIL VIII 10322). Die Gemeinde 
tien (IGR III 138. 145), von Sep timius Severus Cirta dagegen hatte die Ehre, die Briicken der 
auf der StraBe Smyrna — Sardes (IGR IV 1482 neuen StraBe nach Rusicade auf ihre Kosten 
= CIL III 471-475), wahrend vom gleichen bauen zulassen (Dess. 5872 = CIL VIII 10296); 
Kaiser in Pontus eine rein griechische Inschrift ausgefuhrt wurde die Arbeit durch den Legaten 
vorliegt mit Zahlung dnd AfjidoxQEwg (IGR III Sex. lulius Maior. 185 n. Chr. hat Commodus an 
82). Gordian lieB auf m. der StraBe Thyatira — dieser StraBe Reparaturen vollziehen lassen (Dess. 
Sardes wieder doppelsprachige Inschriften an- 397 =:; CIL VIII 10307). Aber schon 34 Jahre 
bringen (IGR IV 1315), Cams und Carinus grie- 50 nachher hatte sie durch Regengusse und Alter 
chische (IGR IV 1305), Diocletian, soweit ich so stark gelitten, daB sie von Heliogabal griind- 
sehe, iiberall griechische (IGR IV 1208. 1530. lich erneuert werden muBte (z. B. Dess. 471 
1552. 1553. 1385 = CIL III 7201), Kappa- = CIL VIII 10304). 20 Jahre spater trat wieder- 
dokien kennt auf den m. fast ausschlieBlich la- um derselbe Fall ein, wie m. Gordians III. zu 
teinische Inschriften mit griechiseher Meilen- berichten wissen (z. B. Dess. 5869 = CIL VIII 
zahl(IGRIIIp.48). Ein Stein der StraBe Daldis— 22371). Auf die StraBe Rusicade— Sitifi bezieht 
Sardes enthalt 4 Inschriften des 3. und 4. Jhdts. sich die Feststellung auf einem m. Caracallas: 
und dazu noch das Wort loviJLevxi^ dasFoucart mas exaustas (sol) restituit ac novis mun[itio]- 
zweifelnd als statio iumentorum deutet (IGR IV nib(us) dilatavit und zwar auf Kosten der Gegend 
1364). Die Nennung des Carinus Caesar zusam- 60 (D e s s. 5862 =; CIL VIII 10335). Auf m. des 
men mit seinem Vater Cams auf dem genannten Hadrian vom J. 123 steht viam Karthagine T he- 
rn, von Hierocaesarea in Lydien (IGR IV 1305) vestem stravit 'per leg(ionem III) Aug(ustam). Die 
ist deshalb auffallig, weil der Prinz wahrend des erhaltenen Steine geben die Meilen 43. 62. 76. 77. 
Perserfeldzuges seines Vaters den westlichen Teil 81. 85. 86. 120 an (CIL VIII 22007. 10067 
des Reiches zu verwalten hatte (Bd. II S. 2455 = 22022. 22040. 22042. 22050. 10048. 10081 
nr. 75. 2456 nr. 77. Prosop. Imp. Rom. Inr. 1223). = 22071. 22129). Gute 100 Jahre spater wurde 
Gezalilt wurde in Asien einerseits von den wich- diese StraBe, longa incuria corrupta und dilapsa 
tigen Kiistenstadten Ephesus und Smyrna aus, von Maximinus und seinem Sohne im J. 237 wie- 



421 Miliarimn Miliaxium 422 

derhergestellt, wie mehrere m. beweisen (OIL gabe zu erf tilleii wie unseie Wegweiser an Strafien- 

VIII 10047 = Dess. 488. VIII 10063. 10073. kreuzungen. Ganz gleich Hegt der Fall beim m. 

10075 = 22056. 10083. 10095. 22020. 22123). von Alichamps in Frankreich (Dess. 5837), der 

Die Namen der beiden Fursten wurden offenbar 14 Leugen nach Avaricum, heute Bourges, 12 Leu- 

nach der in Afrika erf olgten Erhebung der beiden gen nach Mediolanum, heute Chateaumeillant 

Gordiane ausgekratzt, nachher aber wieder ein- und 25 Leugen nach Neriomagum, heute N^ris 

gemeiBelt, wahrscheinlich, wie Mommsen zuCIL angibt. Bourges liegt nordlich, Chateaumeillant 

VIII 757 vermutet, durch den Legaten Capel- etwas siidwestlich, Neris siidostlich von Ali- 

lianus, welcher die Gordiane in Karthago ver- champs. 

nichtet hat (Bd. Ill S. 1504). Aus Mauretanien lo ^- Nachdem wir auf unserem Rundgang durch 

weiB ein m. zu melden, dafi Commodus die Pro- das Romerreich mancherlei die m, betreffenden 

vinz mit neuen KasteUen ausgestattet und die Fragen besprochen haben, miissen wir zusammen- 

von Alter zerfaUenen m. wiederhergesteUt habe fassend noch einige grundsatzliche sie betreffende 

(Dess. 5849 ==: GIL VIII 22629 burgis novis Punkte erortern, deren Behandlung nach Vor- 

provincia munita miliaria conlapsa vetustate re- lage eines Teiles des Materials nun wesentlich 

stituit). Das geschah zusammen mit dem erwei- vereinfacht ist. 

terten Ausbau der schon vorhandenen Festungs- a) Die Bedeutung der StraBen Afrikas und ge- 

anlagen zum Schutze des privaten und staatlichen wisser andererReichsteile tritt besonders klar durch 

Grundbesitzes gegen Feinde von innen und aufien die Tatsache hervor, daB bei ihrer Anlage oder 
(Bd. XIII S. 667, 53f.). Wenn aber sein Nach- 20 Reparatur Militar verwendet worden ist. Das war 

folger Septimius Severus miliaria novae praeten- schon unter Tiberius bei der StraBe Tacape— 

turae ,der neuen Schutzwehr* anlegen (Dess. Theveste der Fall; unter demselben Kaiser hat die 

5850 = GIL VIII 22602) oder miliaria nova 7. und 11. Legion in Dalmatien StraBen gebaut, 

praetenturae ,neue m. der Schutzwehr' (GIL VIII die 4. skythische und 5. makedonisehe Legion 

22611) anfertigen lieB, so handelte es sich ent- haben unweit Orsova an der DonaustraBe gear- 

weder um eine neue nach Siiden vorgeschobene beitet (GIL III 1698). Traian lieB in Sieben- 

LimesstraBe, oder man setzte an der schon be- biirgen durch die cohors I Flavia civium Romano- 

stehenden neue m.; vgl. Bd. XIII S. 668, 30f. rum equitata eine StraBe bauen (GIL III 1627), 

Sie flihrte jedenfalls bis nach Sitifi (GIL VIII Hadrian durch die legio 111 Augusta die StraBe 
10351. 1036 =; D e s s. 5851). An einer StraBe in 39 Karthago — ^Theveste pflastern. Die StraBe tiber 

der Gegend von Lamasba hat Garacalla die m. den Djebel Aures in Afrika hat unter Antoninus 

erneuert (GIL VIII 22437. 22446. 22447. 22454. Pius ein Fahnchen der legio VI Ferrata angelegt; 

22514. 22500 = Dess. 5852). Auf m. des Helio- die LimesstraBe in Mauretanien wurde unter Sep- 

gabal und des Alexander Severus, die ebenfalls timius Severus von der 1. pannonischen Gohorte 

von Lamasba aus zahlen, steht geschrieben, mi- besorgt; Garacalla endlich hat die legio 111 Qal- 

liaria commeantibus innovavit (GIL VIII 22428. lica mit einer StraBenerweiterung in Syrien be- 

22438. 22439. 22455. 22458. 22468. 22469. 22427 auftragt. 

=: Dess. 5853. 10401 = 22506 =; Dess. 5854). b) Was uns die m. erzahlen von der Bezah- 

Man denkt beim Lesen dieser Inschriften unwill- Jung der Kosten fiir ihre HersteUung und Auf- 
ktirlich an Quint, inst. IV 5, 22, wo von der Zerglie- 40 stellung und, was in der Regel damit verbunden 

derung der Rede in abgegrenzte Telle die Rede ist, war, von der Bestreitung der Auslagen fiir die 

welche dem Zuhorer eine erwiinschte Ruhepause StraBenarbeiten, haben wir in mehreren Fallen 

gewahren non aliter quam facientibus iter multum schon gehort; moistens muBten die Gemeinden 

detrahunt fatigationis notata inseriptis lapidibus bezahlen. So war es auch noch in Beirut 258 n. 

spatia; ,denn es ist auch ein GenuB, das MaB Chr. nach Thomsen8al: col luL [Felix Bery- 

der geleisteten Arbeit zu kennen'. Nicht wenig tus] d(ecreto) [d(ecurionum)] p(ecunia) [publica]], 

SelbstbewuBtsein verraten m.-Inschriften desUsur- An Stelle der Gemeinden, fiir welche die Bela- 

pators M. Aemilius Aemilianus (253) an der StraBe stung dann doch oft zu driickend wurde, traten 

Lamasba — Zarai, wenn er sich riihmt die m. orbis, gelegentlich Landschaften ein, wie Abilene unter 
die m, der ganzen Welt wiederhergesteUt zu 50 Marc Aurel (GIL III 199 =: Dess. 5864 

haben (GIL VIII 22473), Spatere Kaiser haben = Thomson 31), odei die populi Bostrenorum 

auf m. derselben StraBe diese Formel wiederholt, auf der StraBenstrecke Bostra — ^Philadelphia unter 

so Aurelian (Dess. 5855 = GIL VIII 10374 Diocletian (Thomson 82 a 1), wobei der Vor- 

miliaria orbis sui restituit), ferner Tacitus (GIL ort immerhin den groBten Beitrag geleistet haben 

VIII 22474), Diocletian (22475) und Maximian wird. Fast regelmaBig erscheinen in Gallien und 

(22477). Noch ein m, Afrikas verdient hier Er- im oberrheinischen Germanien die Gaue {eivi- 

wahnung, trotzdem Kubitschek Bd. IX tates) als Trager der Kosten, so GIL XIII 8928 

S. 2317 bereits dariiber gesprochen hat. Dessen aus der Zeit des Kaisers Tacitus: c(ivitas) P(ic- 

Inschrift ist dort und Dess. 5836 = GIL VIII tonum), L(emono) XVI, F(inibus) XX, oder GIL 
10118 = 22247 veroffentlicht. Der Stein wurde 60 XIII 9032: c. Amb(ionum), a S(amarobriva) 

von Heliogabal aufgestellt. Aber der Name dieses l(euga) 1. Aus Obergermanien fiihre ich an GIL 

Kaisers wurde ausgekratzt und durch den des XIII 9105 == Riese 242: imp. Marco Aurelio 

Alexander Severus ersetzt, der seinerseits spater Alexandro Pio Felici Aug, c. S(ueborum) N(icre' 

ebenfalls ausgemeiBelt wurde. Der m, stand in turn), a Lop(oduno I. Ill; vgl. auch GIL XIII 

Vatari, wo die StraBen Karthago— Theveste und 9106 = R i e s e 249. GIL XIII 9116 = R i e s e 

Girta-Theveste kreuzten; er gibt die Entfernungen 207: civitas Aquens(ium), ab Aquis leug. 1111; 

von Karthago, Hippo Regius, Girta, Lambaesis vgl. GIL XIII 9114 ==; Riese 240. Bei Baden- 

und Theveste an, hatte also eine ahnliche Auf- Baden handelt es sich allerdings moglicherweise 



423 Miliarium Miliarium 424 

nur um die Gemeinde. Hie und da haben die Forum Appi auf Kosten von Nerva iind Traian 

Gemeinden die Erlaubnis erhalten, Mittel, die (GIL X 6824 = D e s s. 280), des Decennoviums 

sonst fur andere Zwecke bestimmt waren, zur In- durch Traian (Dess. 5821 usw. s. Bd. IV S. 2267), 

standhaltung oder den Bau von StraBen zu ver- oder desselben Kaisers neue Strafienanlage von 

wenden. Unter Antoninus Pius z. B. durfte die Benevent Tiber Venusia und Tarent nach Brindisi 

Gemeinde Milev in Afrika den Pflasterzoll dafiir (GIL IX 6003. 6005 = D e s s. 291). Marc Aurel 

brauchen (de vectigali rotari GIL VIII 10327 und Lucius Verus haben diese Strafie, die den 

= Dess. 5874), und fur die Wiederherstellung Namen Via Traiana erhielt, wiederum aus Pri- 

der Strafie Nuceria — Salernum durfte unter Gor- vatmitteln ausbessern lassen (GIL IX 6011). Ga- 

dian III. das vectigal ordinarium benutzt werden 10 racalla liefi ein Stuck der via Appia etwa von 

(GIL X 6955 == Dess. 5876). Gelegentlich be- Tarracina weg mit neuen Pflastersteinen belegen 

zahlen, es war zur Zeit lulians, in Brixellum, quo Rrmior commeantibus esset, weil das bis- 

heute Brescello am Po der Gemeinderat und die herige Marmorpflaster nichts taugte (GIL X 6854 

Grundbesitzer zusammen StraBenarbeiten (GIL =; Dess. 5822). Fast mochte ich glauben, dafi 

XI 6658). Die Grundbesitzer von Girta in Afrika die neue Strecke der via Gassia von Volsinii, 

wurden, wie wir gesehen haben, schon unter Ha- heute Bolsena, in das Gebiet von Ghiusi, die Kaiser 

drian zu einer Strafienpflasterung verpflichtet. Traian als via nova Traiana bauen liefi, aus dem 

Dieser Kaiser bezahlte an eine Reparatur der via kaiserlichen Fiscus bezahit worden sei, trotzdem 

Traiana von Benevent aus 1 147 000 HS, wahrend die zwei m. das nicht ausdrilcklich sagen. Sie 

die Grundbesitzer 569100 HS beitragen mufiten 20 geben Meile 13 und 17 an (Not. d. Scav. 1913, 

(GIL IX 6075 = Dess. 5875; vgl. IX 6072. 342. 1925, 36); der zweite enthalt neben Traians 

iTot. d. Scav. 1897, 160). Wiederholt berichten Inschrift noch eine des Diocletian mit Mitregen- 

m.^ dafi wohlhabende Privatleute, die bekannt- ten und eine des Gonstantin. Auch Hadrian hat 

lich in den Gemeinden Italiens sehr grofie Auf- wenigstens die via lulia Augusta auf eigene 

wendungen fur offentliche Werke machten, Stra- Kosten repariert; die m. GIL V 8095 usw., die 

jBenarbeiten bezahit haben. Hadrian erlaubte davon berichten, sind schon zitiert worden. In 

einem Duumvir in Aeclanum, zwei Meilen der anderen Fallen zog er es allerdings vor, Beitrage 

Traianstrafie zu bauen oder zu pflastern (GIL IX zu leisten, wie wir oben gesehen haben. "Dbrigens 

1414 =; Dess. 5877); am selbenGrte hat ungefahr scheint auch Gommodus einmal einen Zuschufi 

70 Jahre spater Geminia Sabina zu Ehren ihres 30 an die Reparatur einer Strafie in Spanien, viel- 

verstorbenen Sohnes drei Meilen Strafie gepfla- leicht sogar der via Augusta geleistet zu haben; 

stert (GIL IX 1156 = D e s s. 5878). In der Nahe es waren 1 289 000 HS (GIL II 4918). Noch in 

von Aeclanum haben zwei Privatleute ebenfalls spater Kaiserzeit wurde es durch die muniRcentia 

ein Strafienstiick gepflastert (GHj IX 1048 des Valentinianus moglich, das Stiick der Strafie 

= Dess. 5879). Aus Venusia horen wir das Aquileia — ^Lienz oben auf dem Monte della Groce 

gleiche von einem Q. Gvius (GIL I 1265. IX 438 oder Plockenalpe, uhi homines et animalia cum 

= Dess. 5880). Ein curator viarum sternen- periculo commeahant, instandzustellen (CIL V 

dnrum in Aiitae rtihmt sich, 10 Meilen Weges 1862 = D e s s. 5885). Wenn die Inschriften auf 

auf eigene Kosten gepflastert zu haben (GIL IX den m. wie Widmungen an den Kaiser aussehen, 

2345 =, Dess. 5881). Anderswo gibt einer 40 oder wenn der Kaisername gar zur blofien Datie- 

2000 HS an eine Strafienausbesserung (GIL X rung im Ablativ steht, oder wenn ex auctoritate 

1885 = Dess. 5882). Im Helvetierlande hat des Kaisers oder ftir ihn (vtisq) gebaut worden 

ungefahr 200 n. Ghr. der Duumvir von Aven- ist, dann diirfen wir wahrscheinlich annehmen, 

ticum M. Dunius Paternus den Felsendurchstich dafi die Gegend bezahlen mufite, auch wenn die 

bei der Pierre Pertuis machen lassen, so dafi eine Arbeiten unter Leitung von kaiserlichen Legaten 

Strafie in das obere Birstal gefiihrt werden konnte; oder Procuratoren ausgeftihrt wurden. Eine andere 

das erzahlt die Felsenschrift GIL XIII 5166 Frage ist es, wer die Kosten des Strafienbaues 

= Riese 2029 =: Stahelin^ 343, 2 =:: Bd. X begleichen mufite, wenn, wie z. B. in Thrakien, 

S. 1146, 21 f, Ein m. der Prozessionsstrafie auf auf den m. nur steht, die Gemeinden haben die 

den Donon, den heiligen Berg der Mediomatriker 50 Meilensteine errichtet. Bis jetzt fehlen uns, so- 

in den Vogesen, endlich meldet, dafi L. Vatinius weit ich sehe, trotz GIL III 202. 205 die Mittel 

Felix vom Vicus Saravus aus auf einer Strecke zu einer bestimmten Antwort; es mufi bei der 

von 12 Leugen m. habe auf stellen lassen (GIL XIII schon geaufierten Vermutung sein Bewenden 

4549 == Dess. 5882a =: Riese 2582; s. Bd. lA haben. Selbst wenn die Kaiser ,m. errichteten', 

S. 2429, 28f. 0. Suppl.-Bd. Ill S. 411, 57f.). Wer bin ich gar nicht uberzeugt, dafi sie sie selber be- 

die Kosten trug, wenn Militar oder kaiserliche zahlt haben. 

Ijegaten oder Procuratoren Strafienbauten aus- c) Schon einige Male haben wir auf den m. 

fuhrten, entzieht sich unserer genauen Kenntnis. eigentliche Ehrbezeugungen an die Kaiser ange- 

Der kaiserliche Fiscus wurde jedenfalls nicht zu troffen. Mit Gommodus sind sie meines Wissens 
haufig damit belastet. Denn wenn der Kaiser be- 60 aufgekommen; er wird einmal GIL VIII 10307 

zahlt hat, steht es gewohnlich auch auf der In- nobilissimus omnium et felicissimus principum 

schrift verzeichnet. Traian hat z. B. in der Pro- genannt. Garacalla ist auf m. der Westschweiz 

vinz Afrika an der Strafie Karthago — Hippo opera pacator orbis (GIL XIII 9068. 9072 = Riese 

militum suorum et pecunia sua eine Brticke ge- 204. 205). Von Heliogabal heifit es einmal (GIL 

baut (GIL VIII 10117). Am haufigsten finanzier- III S. 6900 = Dess. 467) b(ona) f(ortuna). ... 

ten die Fiirsten begreiflicherweise Strafienver- Antonino Pio Fel. etc ... dicatissima numini eius 
besserungen in Italien. Wir wissen von der metropolis Ancyranorum usf.; die civitas TJlpia 

Pflasterung der via Appia von Tripontium bis Sueborum Nicretum ist ihm devotissima (GIL XIII 



425 Miliarium Miliarium 426 

9104 = Ri e s e 215). In Afrika ist die col. Val- 1. Jhdt. n. Chr. tritt dieser Fall noch selten auf; 

lis dem numen des Licinius ergeben (D e s s. 680). ich fiihre Thomsen 9 an mit Inschriften des 

Hier konnen wir gut den Unterschied der Tern- Nero und Vespasian; vom 3. Jhdt. an wiederholt 

peramente zwischen Siiden und Nor den beobach- er sich haufig. Ani dem m. Vollmer 479 a 

ten. Einige Kaiser erhalten den Zunamen inviebus, steht auf einer Seite die Inschrift Caracallas, auf 

so zuerst Caracalla (Riese 208), der Gegen- der anderen die lulians; zwischen ihnen sind 

kaiser Victorinus (CIL XIII 12090 = Riese Spuren einer dritten oder vierten. IGR IV 1194 

285), Florianus (CIL VII 1156 = Dess. 592), == CIL III 71911 hat zwei doppelsprachige In- 

Maximian (CIL VIII 10396 = Dess. 616), Ma- schriften des Domitian und des Nerva; sie liegen 

xentius (CIL V 8015 = Dess. 669 u. a.); Con- lOnur 5 Jahre auseinander. IGR IV 1553 tragt zwei 

stantin heifit invietus und liberator rei Romanae Inschriften griechischer Sprache, auf einer Seite 

(Dess. 693 mit Anm.); Constantius und Maxi- die des Diocletian, auf der anderen die des Arka- 

mianus sind invietissimi et clementissimi semper dius und Honorius. Der m. CIL III 7308 aus 

Augusti, Severus und Galerius nobilissimi ac bea- Eleusis enthalt 3 Inschriften, des Constantius und 

tissimi Caesares (Dess. 656 mit Anm.), und Licinius, Valentianus und Valens, Arkadius und 

victores (CIL III S. 6633 = Dess. 657), und Honorius. Auf IGR IV 1482 = CIL III 471—475 

invicti (CIL XIII 9154 =: Riese 301). Nume- stehen 5 Inschriften, eine des Septimius Severus, 

rianus, Constantius und Constantin lassen sich eine griechische des Aurelian und der Ulpia Se- 

b(ono) r(ei) p(ublicae) n(atus) betiteln (CIL VII verina, eine des Diocletian, eine des Constantin 

1165. 1166; vgL 1187. XI 6632 = Dess. 5827. 20 und die 5. von Valentinian und Valens; weitere 

III 11844 = Vollmer 481), Magnentius bono Beispiele etwa Dess. 5824. 5827 = CIL XI 

nostrae rei publieae natus (CIL II S. 2625 6664. 6632. T h o m s e n 77. 125. 126. Manchmal 

= D e s s. 743), Maximus und Victor b. r. p. n(ati) hat man auch die altere Inschrift ausgekratzt und 

(CIL V 8030. IX 6069 = X 6974. IX 6062 = X die neue eingemeiBelt; zum genannten Beispiel 

6968. IX 5961). Die dritte Inschrift des m. Not. d. Des s. 5836 noch T h o m s e n 88 a die des Marc 

Scav. 1925, 36 lautet: bono generis humani creati Aurel durch die des Constantin ersetzt, IGR IV 

imp. D. N. Constantini perpetui semper Aug(usti). 1165 die Inschrift des Tacitus durch die des Dio- 

Magnentius laBt sich liberator orbis Romani, re- cletian. Bei Thomsen 203 c 1 . 2 steht an 

stitutor libertatis et rei publieae, conservator mi- Stelle der getilgten Inschrift das schon angefuhrte 
Z?'^wm ei |?romnciaZmm nennen (Dess. 742), Theo- 30 ft? d'sog usw. CIL III 6918 — 6920 sind 3 In- 

dosius und Valentinianus v(ictores) ac triumph(a- schriften aufeinander geschrieben, wobei die 

tores) (CIL XII 5494 == Dess. 806). Diese Bei- fruhere Schrift entweder entfernt oder unter der 

spiele, die keinen Anspruch auf Vollstandigkeit spateren versteckt ist. 

machen, mogen abgeschlossen werden durch Die Namen mehrerer Fiirsten sind auf m. ge- 

einen m. des lulian in Pannonien CIL III 10648, wisser Gegenden iiberhaupt ausgemeiBelt worden, 

auf dem steht ob deleta vitia temporum praete- ohne durch neue Namen ersetzt worden zu sein. 

ritorum. Zusammen mit den erwahnten Zurufen Teilweise ist das die Wirkung der nach ihrem 

an denselben Kaiser auf m. Arabiens konnen wir Tode ausgesprochenen damnatio memoriae, teils 

von einem beriihmten Falle ausgedehnter Propa- sonst der Wunsch, sie aus dem Gedachtnisse aus- 

ganda sprechen. Es wirkt fast so, wie wenn man 40 zuloschen. Ich habe mir, ohne Vollstandigkeit 

heute an Kilometersteinen Plakate anklebte. Und der Belege zu erstreben, vorgemerkt: Domitian 

zwar ist es Propaganda gegen das Christentum fiir (CIL II 4838 = D e s s. 5833. Ill 312 = Dess. 

ein neues Heidentum. 268), Geta (CIL III 5987. 5990 = Vollmer 

d) Wir haben schon einige Male beobachten 470. 476. VIII 22602 == Dess. 5850. IX 5980 

konnen, ich erinnere an Koblenz, Policherhalt, an =r.X6908=:Dess. 5858. XIII 9137. 9067.III5987. 

die Stelle des 21. m. von Karnuntum oder des XIII 9031 = Riese 160. 161. 163. 386. Dess. 

8. m. von Aquincum donauabwarts, daB mehrere 5847), Heliogabal (CIL VIII 22427; vgl. 22482. 

m. an einer Stelle stehen. Besonders zahlreiche 22486. XIII 9104. 9117. 9115 = Riese 215 

Beispiele finden sich an der StraBe Bostra — ^Petra — 217. IGR I 687), Alexander Severus (CIL III 
in Arabien, sozusagenan jeder zweitenMeile bis50l0651. VIII 22458. 22469. 10118 = 22247 

Tiber Medaba hinaus (Thomsen 72f. 118f.), =r. D e s s. 5836. XIII 9114. 9105 = R i e s e 240. 

ebenso an der StraBe Philadelphia — Gerasa 242. IGR I 688), Maximian (Dess. 684 = CIL 

(Thomsen 206f.). Es kommen Haufungen bis XII 5470. IGR 1 688 und passim), Galerius (Dess. 

zu 10, sogar bis zu 15 m. vor (Thomsen 118. 636 =: CIL V 8016 und passim), Licinius (Dess. 

136. 141. 209. 275). Nach meiner Uberzeugung 714 =. CIL V 8015 b). 

sind das in erster Linie Denksteine dafiir, daB e) Die Entfernungen sind auf alien m. in 

der Beauftragte des Kaisers die betreffende StraBe runden Zahlen ausgedriickt, auch da, wo es sich um 

hat ausbessern lassen. DaB die Haufungen sich groBe Streckenhandelt, wie etwa von der Narbonne 

besonders zahlreich an der LimesstraBe in Arabien nach Rom. Auch fiir die Entf ernung von Altinum 

finden, mag zugleich mit dem Kaiserkult in der 60 an die Donau ist die runde Zahl 350 Meilen an- 

Armee zusammenhangen. gegeben. Auf einigen Steinen am Anfang einer 

Aber mancher Kaiser begnligte sich damit, StraBe, von Kubitschek Wegbauinschriften ge- 

seinen Namen auf die schon dastehenden m. ein- nannt (Mitt, der k. k. Zentralkomm. 1906, 46), die 

meiBeln zu lassen, vielfach wohl aus Sparsam- wie die m. von Feltre und Rabland, die Gesamt- 

keit. Denn neue m. kosteten ein hiibsches Stiick strecke entweder der StraBe oder dann der an ihr 

Geld. Wir haben auch davon bereits Beispiele ausgefiihrten Arbeiten bezeichnen, stehen aller- 

getroffen, das erste auf einem m. des M'. Aquillius, dings etwas pedantisch genaue Zahlen, ja sogar 

ein anderes auf einem w. Traians und sonst. Im Bruchzahlen. Wir haben bereits gehort, daB 



427 Miliarium Miliarimn 428 

unter Tiberius von Salona nach Rastello di Grab H i r s c h f e 1 d 168, er sei damals der einzige in 

eine StraBe von 77^/2 Meilen gefiihrt worden sei. den pomptinischen Siimpfen gewesen. Das wird 

In einer Inschrift des Claudius aus Civitatomassa, stimmen. In welcher Zahl sie aber an den tibrigen 

dem antiken Foruli, heiBt es viam Claudiam no- Strecken der via Appia standen, wissen wir nicht. 

'vamaForulisadconfluentisAlternum(iiesAlterni) Wenn Plut. C. Gracch. 7 berichtet, dieser Poli- 

et Tirinum per passuum XXXXVU GLXXXXll tiker habe jede StraBe Meile fiir Meile abmessen 

(47192) sternendam curavit (Dess. 209 = GIL und als MaBzeichen steinerne Saulen aufstellen 

IX 5959). Die in anderem Zusammenhang zitierte lassen, so ist damit noch nicht gesagt, dafi ein 

Inschrift von Aeclanum Dess. 5875 gibt an, solches Zeichen an jedem einzelnen Meilenpunkte 
Hadrian habe die via Appia longa vetustate amis- 10 gesetzt worden sei. Vom m. des Postumius zwi- 

sam unter Zuzug der Grundbesitzer 15^/4 Meilen schen Genua und Cremona mit den Zahlen 27 

weit machen lassen. Von demselben Hadrian ist und 9, und von der Inschrift des Popillius in 

endlich auf einer Stele in Theveste geschrieben, er PoUa bekommt man zwar den Eindruck, es habe 

habe die StraBe Karthago — ^Theveste 19 F^/iooMei- Meile um Meile ein m. gestanden, zwischen Ca- 

len weit pflastern lassen. Soviel machte wohl die pua und Reggio sogar noch Zwischensteine. Und 

Lange der StraBe aus (Dess. 5835 = CIL VIII von der via Domitia sagt die zitierte Stelle Polyb. 

10114 =; 22173). Ill 39, 8 deutlich, ein Zeichen sei xam otadlovg 

f) Der Ausgangspunkt der Meilenzahlung war, opcrcb, also Meile fur Meile hingestellt worden. 
nach Ausweis der m., fiir Italien begreiflicher- Auch fur die von M'. Aquillius im vorderen 
weise hauptsachlich Rom. Das sehen wir z. B. 20 Kleinasien gebauten StraBen diirfen wir jede 
an der via Aemilia und Postumia. Daneben haben Meile einen m. annehmen, ebenso fiir die via 
die m. aber gewohnlich noch Lokalzahlung, z. B. Caecilia auf Grund der Bauinschrift Dess. 5799. 
Dess. 5804 = CIL P 618 Und nachher erst recht wenigstens auf den von 

M, Aemilius M. /. M, n, Rom ausgehenden StraBen. Wir miissen nur auf 

Lepidus cos. Bemerkungen von Schriftstellern achten, die von 

nil GGXXGVI XXI m. sprechen, wie Cic. Att. VIII 5, 1 p\)stea audivi 

d. h. 286 Meilen von Rom, 4 Meilen von Bo- a tertio miliario . . . multa mala eum dixisse 

logna, 21 Meilen von Modena. Auch an der via oder Varr. r. r. Ill 2, 14 fundum in Sabinis qui 

Augusta haben m. Hadrians Zahlung von Rom est ad quartum et vieesimum lapidem, oder Liv. 
aus. Auf der via Appia gait diese Zahlung jedochSOlI 11, 7 ad secundum lapidem via Gabinia und 

nur bis Capua; von dort begann neue Zahlung III 6, 7 ad tertium lapidem ma Gabinia, oder die 

bis nach Benevent (CIL IX 5980—5997); nach angeftihrte Stelle Strab. V 3, 2 p. 230, oder Tac. 

Benevent haben nur m. des Hadrian auf der via ann. XV 60 quartumque apud lapidem subur- 

Traiana Zahlung von Benevent und von Rom bano rure; hist. II 24 ad duodecumum a Gremona, 

(CIL IX 6072; vgl. CIL IX p. 580). An der Via oderFrontin aq. 6 vigesimo miliario extra portam; 

Domitia haben wir nur auf m. zwischen Nar- 3 via Praenestina inter miliarium septimum et 

bonne — Pyrenaen und Narbonne — ^Toulouse aus octavum. Dazu kommen Angaben von der aqua 

der Zeit des Augustus Entfernungsangaben von Claudia (Dess. 218 = CIL VI 1256) a milliario 

Rom getroffen. Sonst wird in den Provinzen des XXXXV und a milliario LXII, in der lex coUegii 
Reiches haufig von den Garnisonstadten aus ge- 40 Aesculapi et Hygiae (Dess. 7213 = CIL VI 

zahlt, wie von Mainz, Koln, Trier, Regensburg, 102M Z. 4) via Appia ad Martis intra milliarium 1 

Augsburg, Karnuntum, Aquincum, um nur einige et 11 ab urbe euntibus, und in der Eingabe des 

Namen aus dem Rhein- und Donaugebiet zu nen- Arrius Alphius vom J. 155 n. Chr. (Dess. 8380 

nen. In Gallien wurde an den von Lyon aus- =: CIL VI 2120 Z. 19) via Flaminia inter miliar. 

gehenden HauptstraBen von wichtigen Orten aus II et III euntibus ab urbe. An der via Augusta 

gezahlt, die zugleich Vororte von Gauen sein und an der StraBe des Augustus von Concordia 

konnten, aber nicht muBten. In Sudwestfrank- indasNorikerlandkonnen wir andenSteinenselber 

reich rechnen einige m. des 2. und 3. Jhdts. vom ablesen, daB jede Meile einer stehen muBte. Das 

Gauvorort und Grenzort des Gaues aus; die Bei- gleiche ist der Fall bei den MilitarstraBen im 
spiele CIL XIII 8928. 8931. 8938. 8942—8945 50 Rheinland, der Donau entlang zwischen Aquincum 

haben wir in anderem Zusammenhang schon und Mursa und bei der LimesstraBe von Bostra 

kennengelernt; dazu noch 8927. Ein m. zahlt vom bis Petra in Arabien und deren Abzweigungen, 

Gauvorort L(emovicibus), heute Limoges und von bei StraBen in Spanien und in Afrika und sonst. 

Pr(aetorio) im gleichen Gau (CIL XIII 8911). In Eine Ausnahme machten wohl die AlpenstraBen. 

den ubrigen Provinzen herrschte, soweit nicht Cartellieri macht 168 darauf aufmerksam, daB 

Truppenlager in Betracht kamen, Zahlung von fast alle an den StraBen nach Ration erhaltenen 

groBeren Orten vor, die wohl regelmaBig auch m. in der Nahe von romischen Stationen oder 

zum StraBenunterhalt verpflichtet waren. Auf Ortschaften, bei Kastellen und FluBiibergangen 

den von Gauen und Gemeinden gesetzten m. sind gestanden haben. Daraus zieht er den SchluB, daB 
die Ortsnamen so stark abgekiirzt, daB sie nur 60 sie nur an Punkten dieser StraBe gesetzt wurden, 

von Einheimischen ver standen werden konnten. die fiir den Verkehr wichtig waren. Ich stimme 

Den schon angefiihrten Beispielen fiige ich einzig ihm bei und glaube, daB es bei anderen Alpen- 

noch CIL XII 9050 = Riese 202 bei: G. M. straBen ebenso gewesen sei. Das mag eine Ur- 

l. X. . . ., will heiBen, civitas Mediomatricorum. sache sein, warum in den Alpen nicht mehr m. 

g) Es erhebt sich noch die nicht unwichtige zum Vorschein gekommen sind. Wir besitzen im 
Frage, in welchen Abstanden m. aufgestellt wur- ganzen ungefahr 4000 Stiick; beinahe 1/3 davon 
den, ob jede Meile einer oder erst nach groBerer stammt aus Afrika; vom kleinen und groBen St. 
Entfernung. Vom altesten m. aus Mesa meint Bernhard sowie von der DrususstraBe vom Po 



429 Miliarium Miliarium 430 

his etwa nach Landeck im Tirol besitzen wir da- VII. Zum ScMusse noch ein kurzes Wort iiber 

gegen nur wenige. "Obrigens haben wir einen m. die Bedeutung der m. Wie wir aus den bisherigen 

von Constantius II. aus dem J. 354/55 n. Chr. Ausfiihrungen klar genug erkennen konnten, sind 

mit der Meldung, daB er viis munitis, pontibus sie in erster Linie wichtig fur die Kenntnis der 

refecti(s), recuperata repuhlica, quinarios lapides Entwicklung und Ausbreitung des romischen 

per Illyricum fecit ab Atrante ad flumen Savum Strafiennetzes bis in die auBersten Winkel des 

milia passus CCGXLVI. Er ist in Sirmium ge- machtigen Eeiches. Wer wiirde diese StraBenmar- 

funden, stand aber ursprtinglich wohl 5 Meilen kierungen ohne weiteres in Siebenbiirgen oder 

davon entfernt; denn am Kopf der Inschrift steht am Rande der Wiiste in Arabien und Syrien und 

m. p. V (Dess. 732 == OIL III 3705); anders 10 in Afrika suchen? Sie zeigen uns mit aller Deut- 

Kubitschek 47. Hier ist nun ausdriicklich lichkeit, daB die Romer jedes neu erworbene Ge- 

festgestellt, daB nur alle 5 Meilen ein Stein ge- biet durch moglichst zweckmaBige StraBenanlagen 

setzt wurde; es war eben auch eine BergstraBe. wirtschaftlich zu erschlieBen und politisch zu 

VI. Ein Blick auf die spateren Schicksale der sichern suchten, nicht anders als es moderne Ko- 

m. ergibt merkwiirdige Ergebnisse. Einer des Ha- lonialmachte durch Anlage von Eisenbahnen ge- 

drian an der StraBe Smyrna — Sardes wurde zur macht haben. Innerhalb des Reiches geben uns 

Zeit des Diocletian auf den Kopf gestellt, well die m. mancherlei Auskunft iiber die Abgren- 

die obere Seite beschadigt war; der neue Oberteil zung von Gebieten und Provinzen, z. B. 

erhielt nattirlich eine neue Inschrift und auf der iiber die Grenze von Ratien und Gallien und 

Gegenseite spater noch eine lateinische des Con- 20 Germanien. Ein einziger m. des M'. Aquillius, 

stantin (IGR IV 1489). Zwei andere schon oben der an der Grenze von Phrygien und Pisidien 

zitierte in Cordova bekamen im J. 1730 neue In- stand (CIL III 4177 = P 646 = IGR IV 880), 

schriften, CIL II 4701 = Dess. 102 aus dem bestatigt die Angabe des Polybius (XXI 24, 7) iiber 

J. 2 V. Chr. hoc anno natus est d.n. Jesus Christus die Gebietserweiterung des Pergamenerreiches 

und CIL II 4712 aus dem J. 35/36 n. Chr. hoe infolge des Friedens, den die Romer 188 v. Chr. 

anno passus d. n. Jesus Christus iuxta Gassio- mit Antiochus dem GroBen von Syrien geschlos- 

dorum. Einem m. in Bosnien, der noch an seiner sen haben. Von groBer Bedeutung konnen die m. 

urspriinglichen Stelle steht, kratzen die Bauern fur die Festlegung von Ortschaften sein, deren 

Kornchen ab als Arznei fiir krankes Vieh. Und genaue Lage aus anderen Quellen nicht zu be- 

nicht sehr weit von ihm stehen zwei andere 5 Meter 30 stimmen sind. Und wenn wir auf der Peutinger- 

voneinander entfernt, um die sich eine Sage ge- karte und auf den Itinerarien das groBartige 

rankt hat. Zwei Burschen freien um ein Mad- Spinnennetz der romischen StraBen so anschau- 

chen, das beide gleich liebt. SchlieBlich bestimmt lich betrachten konnen, so diirfen wir nicht ver- 

sie, daB sie den heiraten werde, der den groBeren gessen, daB die Zuverlassigkeit der Karten und 

Weitsprung mache. Die beiden m. wurden als Verzeichnisse in hohem MaBe von den Entfer- 

Zeichen gesetzt, um die Sprungweite des Gltick- nungsangaben der m. abhangig sind. 

lichen fiir alle Zeiten zu verkiinden (B a 1 1 i f und Aber die StraBenzeichen haben auch Bedeu- 

P a t s c h 20). Mancher m. wurde auch als Grab- tung fiir die Geschichte, wie es sich an mancher 

stein benutzt, wie in El-Mote in Arabien (Thom- Stelle der Arbeit gezeigt hat, vor allem fiir die 

sen 185. 186 = CIL III 1414935. 36)^ in Kadeljik 40 Verwaltungsgeschichte des Reiches. Wir konnen 

in Kleinasien auf dem armenischen Friedhof (CIL aus ihnen ablesen, wer den StraBenbau geleitet 

III 309. 310), in Port-Talbot in England. Dieser hat, wer mit der Ausfiihrung der Arbeiten beauf- 

letzte m. bekam als Grabstein die Aufschrift: tragt worden ist, allenfalls wer die Kosten dafiir 

hie iacit (so!) Gantusus pater Paulinus (CIL VII bestreiten muBte. Und da sehen wir besonders 

1158). Andere m. benutzte man als Weihwasser- deutlich, wie schon der erste romische Kaiser 

becken in Kirchen, indem man oben eine Hoh- unter Ausschaltung von Senat und Beamten als 

lung fiir das Weihwasser ausmeiBelte (V o 1 1 - Wegherr des Reiches aufgetreten ist, wie nur Ti- 

m e r 477 b. 491 a), oder als Bildstock mit Ma- berius in Afrika und spater Septimius Severus 

donnastatuette (V o 1 1 m e r 480 = CIL III 5749); in Cypern (Dess. 422 = CIL III 218) den Pro- 

einen richtete man gar als Opfer stock fiir die 50 consul und Claudius in Kreta einen Quastor (IGR 

Kirche von St. Kathrein in Tirol her (V oil- I 980) in Anlehnung an altrepublikanische Tra- 

mer 460). Wieder andere m. wurden verbaut, dition mit StraBenarbeiten betraut haben, wie 

einer in eine Kirchenmauer in Smyrna (CIL III aber sonst in der ganzen Kaiserzeit der Procu- 

476), einer in eine Treppe (Vollmer 492); rator oder der kaiserliche Legat als Beauftragter 

andere dienten als Wehr- und Prellsteine (V o 1 1- ihres Oberherrn gewaltet haben, einmal sogar die 

mer 474a. e); einer steht als Schmuck der leg. llll Scyt., leg., V Maced. (CIL III 1698). 

Kirchhofmauer in Bourg St. Pierre an der StraBe Durch m. lernen wir eine groBe Zahl von legati 

liber den groBen St. Bernhard (CIL XII 5519). In Augusti pro praetore und ihren Wirkungskreis 

Arabien benutzte man m. bei einem Bahnbau kennen; so hat man erst neulich durch sie er- 

(Thomsen 89); einer dient in Sabba als Walze 60 fahren, daB Manilius Fuscus 194 n. Chr. Legat 

(T h m s e n 65), ein zweiter in Pannonien als von Syrien gewesen ist (Amer. Journ. of archeol. 

Schweinetrog (CIL III 6467), ein dritter als XXXVI 287f.; vgL Bd. XIV S. 1140 nr. 25; IV A 

StraBenwalze (CIL III 10648), ein vierter wurde S. 1630). Auch fiir die romische Militargeschichte 

in Schalchen bei Traunstein eine Zeit lang als konnen die m. von Bedeutung werden, wie CIL 

Dengelstein benutzt (V o 1 1 m e r 479 a). Und der III 206, der uns sagt, daB die in Syrien stehende 

altehrwiirdige m. von Mesa dient im dortigen legio 111 Gallica im J. 216 n. Chr. noch nicht 

Posthause ganz prosaisch als Tischbein. Doch ge- aufgelost war; s. Bd. XII S. 1526, 65. Dazu 

nug der Beispiele. kommt, daB durch m. geschichtliche Tatsachen 



431 Miliarium Min 432 

Oder Vorgange entweder erschlossen oder wenig- formig, was es nicht heifit; es bedeutet nur 

stens beleuchtet oder erhartet werden konnen. So ,schrag nach unten* und wird klar aus der Ab- 

ersehen wir z. B. aus CIL XIII 9061. 9068 bildung bei Mau Kom. Mitt. IX 353 (s. Bd. II 

= R i e s e 204. 9072 = Riese 205 und Hagen^ S. 2749, 17). Ebd. IV 9 spricht Seneca von minora 

339, daB der Weltfriedenbringer Caracalla zur m. Dieselbe Form meint wohl Pallad. I 39 (de 

Vorbereitung seines Germanenfeldzuges in der balneis) 3 m. vero plumbeum, cui aerea patina 

Schweiz und bis in das Rheinland hinab zerfal- suhest, inter soliorum spatia statuamus fornaee 

lene Strafien und Briicken hat wiederherstellen suhieeta, ad quod m. fistula frigidaria dirigatur 

lassen. Erwahnenswert ist an dieser Stelle auch et ab hoc ad solium similis magnitudinis fistula 
der schon angefiihrte m. CIL XIII 9032, der 10 procedat^ quae tantum ealidae ducat interiun, 

unter Maximinus Caesar gesetzt worden ist und als quantum fistula illi frigidi liquoris intulerit. Ebd. 

bis jetzt spatestes Dokument noch den Stadt- V 7, 7 vas aeneum m-o simile idest altum et an- 

namen S(amarobriva) statt des in Gallien iiblich gustum. Paul. sent. HI 6, 65. Den Namen nennt 

gewordenen Gaunamens bringt. Er bildet mit Athen. Ill 98 c und die griechische Bezeichnung 

anderen Erwagungen den Beweis dafiir, daB die iWoAs/??/?, f erner Anth. Pal. XI 244. Vgl. Schmidt 

Ersetzung der alten keltischen Stadtnamen durch Heron I p. XLIX; Bibl. math. HI 4, 337, wo die 

die Gaunamen und damit die Aufhebung der alt- in der Ausgabe gegebene Rekonstruktion begrtin- 

keltischen Gauverf assung friihestens durch einen det ist. D i e 1 s Ant. Technik^ 60. [W. KroU.] 

amtlichen ErlaB Constantins verfiigt worden sein S. 1764, 16 zum Art. Min: 
kann; s. Hirschfeld 193f., bes. 200f. Als 20 2) Igyptischer Gott, von den Griechen dem 

Einzelheiten seien schlieBlich noch angeftihrt die Pan gleichgesetzt. 

Tatsache, daB die civitas Nemetum, das heutige tJberblick: 

Speyer, auf einem m. des Postumus sich als co- A. Literatur und Name. 

l(onia) bezeichnet (CIL XIII 9092 = R i e s e B. Wesen des M. 

283); wenn nicht ein Irrtum des Steinmetzen vor- C. Entwicklung des Kultes. 

liegt, muB der gallische Gegenkaiser der Stadt D. Hauptkultorte. 

diese Rangerhohung verliehen haben, die aber E. Kult und Feste. 

nachher nicht mehr anerkannt worden ist; vgl. A. Literatur (im folgenden nur mit der 

CIL XIII 9093. 9094. 9096 = Riese 290. 292. betreffenden Nummer angefuhrt). Eine zusam- 
307. Mommsen CIL XIII 2 p. 161. Dann wissen 30 menhangende Darstellung des Gottes fehlt noch; 

wir nur aus der Inschrift eines m., daB Magnus doch hat vor allem Gauthier in einer Reihe 

Decentius Caesar den Namen Flavins hatte (CIL von Biichern und Einzelaufsatzen wichtigste Vor- 

XII 5677 = Less. 746). Eine auBerst lebhafte arbeit geleistet und eine Unmenge von Material 

Tatigkeit im Wiederherstellen der StraBen be- dargeboten. Dazu gehoren: 

sonders Italiens hat im beginnenden 4. Jhdt. Ma- I. Les fetes du Dieu Min (Publ. de I'lnstitut 

xentius entfaltet, wie wiederum die m. beweisen fran^. d'archeol. orient. II 1931). 

(Belege Bd. XIV S. 2461, 26f.). Endlich sind II. Le personel du Dieu Min (ebd. Ill 1931). 

diese leblosen Steine in mancher Provinz leben- III. Le reposoir du Dieu Min (Kemi II 41 — 82). 

dige Zeugen der Romanisierungstendenzen der IV. Besprechung des Aufsatzes von Selim Has- 

romischen Regierungen; ich erinnere an Moesien, 40 san liber die Hymnen auf M. in: Bulletin 

Kappadokien und Arabien. [K. Schneider.] de I'lnst. fran?. d'archeol. orient. XXX. 

2) Badeofen in Form eines Meilensteines. Eine Literatur in Werken anderer Forscher: 

ausfiihrliehe Beschreibung gibt Heron Pneum. II V. E. Meyer G.d.A. I 22 §§ 180. 169 Anm. 

34 (I 304 Schm.); danach ist in einen groBeren 220. 247. 272. 

Zylinder ein kleinerer in der Mitte eingefugt, in VI. a) A. Erman Ig. Religions 18f; b) Igypten 

dem sich die Kohlen befinden; daB auf diese eine u. ag. Leben im Altertum^ 43. 101. c) Er- 

Figur von oben blast, um sie anzufachen, ist eine man-Ranke Dasselbe^ 28. 71. 

dor vielen Spielereien Herons (Bd. VHI S. 1045). VII. K. Set he Amun und die 8 Urgotter von 

Vergleichbar ist im Prinzip der pompeianische Hermopolis (Abh. Akad. Berl.). 
Herd Overbeck-Mau^ 442 und die authepsa 50 VIII. Wiedemann Zweites Buch Herodot 

(Bd. n S. 2594, Mau Pompeii2 398 und die Li- 366fE. 

teratur im Anh. 53; besonders lehrreich ein IX. W. M. M ii 1 1 e r Egypt. Mythol. 132. 

von Schulthess Arch. Anz. XXVI 311 be- X. V. v. StrauB u. Tornay Die altag. 

schriebenes BronzegefaB, eine Ait Samovar, in Gotter und Gottersagen I 237. 351. II 256. 

Avenches: es ist 44 cm hoch und hat einen Um- XL R o e d e r Urk. zur Relig. des alten Agypt. 

fang von 75 cm; darin steht schrag ein Rohr von Aus ihm gebe ich, wo moglich, Ubersetzun- 

20 cm Lange und 36 cm Umfang zur Aufnahme gen agyptischer Texte. 

der Kohlen, das unten ein Rostgitter mit drei halb- XII. Z'tschr. fiir ag. Sprache u. Altertumskunde, 

mondformigen Offnungen hat). Eine andere Form abgekiirzt: AZ. 

des M. meint Sen. quaest. nat. Ill 24, 2 teere60Xni. Lepsius Denkmaler aus Agypten und 

solemus dracones ex miliaria et complures for- Athiopien, abgekiirzt: LD; die Textbande 

masj in quibus acre tenui fistulas struimus per dazu, abgekiirzt LDT. 

declive ^'^circumdatas, ut saepe eundem ignem Name. Agyptisch wird' der Name des M. 

ambiens aqua per tantum fluat spatii, quantum meist mit sein em Fetischzeichengeschrieben, einem 

efRciendo calori sat est: frigida itaque intrdt, mehrfach eingekerbten, langlichen Stiick Holz 

effluit calida (benutzt, um Empedokles' Theorie (Lit. I 135), das nach Sethe (Urgesch. § 19) 

der heiBen Quellen zu erklaren). Hier faBt W. an ednen Riegel erinnert. Das Zeichen wird von 

Schmidt Bdbl. math. 341 per declive als spiral- anderen Gelehrten als Donnerkeil (M o r e t Le 



433 Min Min 434 

Nil et la civilisation eg. 54) oder als Blumen- geben: ,dei die Weiber raubt, Herr der Ma/dchen* 

guirlande erklart (P e t r i e Koptos 9). Die Lesung (Lit. VI a 18). 

dieses Zeichens war lange umstritten: Wiede- B. WesendesM. Die typische Darstellung 

m a n n (Lit. VIII) las es Ghem, wahrend es noch des M. ist die eines stehenden Mannes mit eri- 

friiher Amsi gelesen wurde. Die richtige Lesung giertem Phallus; oft umfaBt seine Linke dieses 

ist Mnw (Erman-Grapow Ag. Worterbueh Glied, doch wird sehr haufig der linke Arm ganz 

II 72), vokalisiert Min, wie PlutSreh (de Isid^ fortgelassen. Der rechte Arm ist stets hoch er- 

c. 56) und die griechische Umschreibung agyp- hoben und halt in der Faust eine GeiBel. Auf 

tischer Eigennamen zeigt, die mit diesem Gott dem Kopf tragt er eine Krone mit zwei hohen, 
gebildet sind (z. B. Uafuvig in vielen Dokumen- 10 geraden Federn (Abbildung Via 18). Agyptische 

ten aus Koptos: Reinach-Weill Annales und griechische Texte spielen wiederholt auf diese 

du service XII Iff. SIpiegelberg AZ LI 75. Gestaltung desGottesan: 1. auf das Federnpaar: 

LXVI 42). Bisweilen werden aber solche Namen ,der mit seinen Federn den Himmel schneidet' 

ganz ins Griechische ubersetzt: so heiBt derselbe o. a. (Lepsius Alteste Texte I 7. 8 c= Lit. X 

Namie im agyptischen Text Pa-Min (d. h. der des I 237. Totenbuch c. 17, 15ff. = Lit. XI 240. 

M.), im griechischen: Ilavlaxog (Sethe Abh. Sargtexte, Spruch 45 =; Recueil de travaux XXX 

Gott. Ges. N. F. XIV nr. 5 S. 10, 4). Erhalten 193 = Lit. XI 209. Petrie Koptos S. 19 

hat sich der agyptische Name in der Bezeichnung Taf. 20 usw.); 2. auf den erhobenen Arm mit der 

seines Hauptkultortes, der koptisch als Schmin GeiBel: ,der den Arm hebt und die GeiBel tragt* 
(Spiegelberg Kopt. Handworterbuch 299), 20 (AZ LXII 88. Brugsch GroBe Oase, uber- 

arabisch als Achmim auftritt, wahrend die Grie- setzt: Lit. VII 21). Darauf geht auch das haufige 

chen ihn Ilavdg noXig oder IJavcov noUg be- Beiwort des M. /J- *— ,der den Arm hoch tragt* 

nennen. Bei den griechischen Stellen, die auf (Louvre C 30. C a u 1 f i e 1 d The Temple of the 

agyptischem Boden Pan erwahnen, ist Vorsicht Kings Taf. 49 b); 3. auf den erigierten Phallus 

geboten: die Griechen setzen auch einen ganz gehen eine ganze Fiille von Beiworten, die im 

anderen — dem M. freilich ahnlichen — Gott Lauf der Darstellung noch erwahnt werden. Hier 

ihrem Pan gleich, namlich den Widder der Stadt nur das eine Bei wort: ,Herr des Phallus* 

Mendes, des heutigen Thmuis (z. B. Herodot. II (B r u g s c h a. 0.). 

42; vgl. 46. Ailian. var. hist. frg. 35: xov iv Beschreibungen seiner Statue geben auch grie- 
Mhbr] XQayov Uavol tsQov . . . Suid. s. Msvbrjv. 30 chische Texte: a) sort be xal xov d'eov ayaXfxa 

Cosmas, Gomm. ad Gregor. Naz. 119. 850. Dabei (A.sya oQ'&iaKov x6 aibdiov . . ., sjtaiQsi ds [Adoxiyag 

wird der Widder von Mendes von den Griechen xfj de^ia . . . (Steph. Byz. s. Ilavdg Tzohg) ; b) o'&sv 

immer als Bock, von den Romern als Ziege be- ev Ko7iX(p x6 ayaliia xov "Oqov Uyovoiv ev xfj 

zeichnet). Andererseits wird ebenso eindeutig M. kxsQa x^^Qf' Tv(pd)vog aibola naxsxBiv (Pint, de 

als Pan bezeichnet (vgl. griechischen Namen von Iside c. 55; nur verwechselt er hier den eigenen 

Achmim. Diod. I 18. Plut. de Iside 14, wo aber Phallus des M. mit dem, den Horus dem Seth 

eine Verwechslung der Kultorte vorliegt). Nicht abgerissen hatte. DaB M. dem Horus gleich- 

besser geht es uns mit der Bezeichnung ZZ^tWo?: gestellt wurde, werden wir noch sehen; hier nur 

auch sie wird beiden agyptischen Gottern bei- einen Hinweis auf Plut. selbst: xov . . . "^Qqov 
gelegt (Widder von Mendes bei Diod. I 88. Min-. 40 slco'&aoi nai Mlv ngooayoQevEiv, c. 56); c) sv ds 

Suid. s. IlQLanog [iiber den dabei genannten Gott xfj svovv/uqy TtQaxovv x6 aldoiov avxov ivxsxafxe- 

Horus spater]; bei Procop. bell. Pers. I 19 wird vov . , , xa ds nxsQa . . . (Suid. s. TlQianog. Codin. 

IlQlanog genannt, wo die Parallelen bei Diod. Ill de orig. Constant. 15 fiigt vor xa ds nxsQa ein: 

9 und Strab. 822 Pan haben). Diese Unsicherheit sxei ds xal nxsQa-, iiber die dabei erwahnte 

in der griechischen Bezeichnung hat schon bei Sonnenscheibe spater). Suidas erwahnt die GeiBel 

den klassischen Schriftstellern dazu gefuhrt, die nicht, sondern laBt M. ein Zepter tragen, wie es 

beiden verschiedenen agyptischen Gotter fiir iden- sonst die Gotterfiguren in der Hand halten. 

tisch zu halten: so versteht Strabon unter Pan Diese Hauptattribute hat M. schon in der 

einmal (802) den mendesischen Gott, das andere alleraltesten Zeit: In dem Schutt des Tempels von 
Mai (813, wo er von IJavcov noXig spricht) unseren 50 Koptos hat Petrie (Koptos 7ff. C a p a r t Les 

M., ebenso wird eine Geschichte, die sich auf den debuts de Fart en Egypte 217 == Primitive art 

Widder von Mendes bezieht (wie es kam, daB sich in Egypt 223) drei Riesenstatuen des M. gefun- 

Pan in einen Bock verwandelte: Nikand. Met. ap. den, die aus der altesten Zeit stammen (vgl. 

Antonin. Liberal. 28. Hyg. fab. 16; vgl. Ovid. S. 446). Auch sie zeigen den Phallus, und eine 

met. V 321) von Nigidius Figulus (Sphaera Gr. Offnung in der rechten Hand beweist, daB sie 

87) auf Panopolis d. h. die Stadt des M. ubertragen. einst einen Gegenstand (GeiBel) getragen hat. 

SchlieBlich bezeichnen die Griechen gelegent- Ob auf dem Kopf eine Federkrone befestigt war, 

lich wohl auch noch einen dritten Gott, Amon, ist nicht mehr zu sehen, aber anzunehmen. DaB 

mit Pan (Diod. I 25. IH 9 =: Strab. 821); doch bei diesen Statuen der rechte Arm nicht er hoben 
fallt dieser ja, wie spater gezeigt wird, oft mit 60 ist, sondern am Korper anliegt, erklart sich aus 

M. zusammen. Freilich ist in einem Punkte auch technischen Schwierigkeiten. trberhaupt haben 

im Altagyptischen das Wesen des M. dem des bis in die spateste Zeit die Statuen des M. etwas 

Widders von Mendes sehr nahe gekommen: wenn von der archaischen Haltung ehemaliger (Holz-) 

die klassischen Schriftsteller von diesem Widder Idole bewahrt: die Beine sind nie abgesetzt; da- 

erzahlen, ihm prostituierten sich Jungfrauen (Cos- her wird vielfach von der ,mumienartigen' Ge- 

mas a. 0. Plutarch bruta rat. uti 5 (989 A). Clem. stalt des M. gesprochen, weil ja auch bei der 

Alex. Protrept. 32, 4), so paBt das ausgezeichnet Mumie gewohnlich die beiden Beine einheitlich 

zu dem Beiworte, das agyptische Texte dem M. umwickelt sind. 



435 Min Min 436 

In den Pyramidentexten wird M. mit dem ganz anderem Sinne zu denten, als es oben ge- 

Gottesdeterminativ (Sperber auf Stange) gekenn- schehen ist. Wie dem auch sei, M. ist auch der 

zeichnet, das auf dem Kopf eine Federkrone Gott der Felder oder Garten; speziell in Achmim 

tragt; an ihr flattert ein langes Band herab. muB eine Gartenanlage gewesen sein, die dem M. 

Dieses Band, das spater auch bei den Statuen des gehorte (Lit. VII 21), die als hsp bezeichnet 

M. erscheint, wird gelegentlich bei Festprozes- wurde; mit ihr wird M. in zahlreichen Texten zu- 

sionen dazu benntzt, die Figur des Gottes, die sammengebracht (z. B. Petri e Koptos B. 19 

schwankend einhergetragen wird, vor dem Vorn- Taf. 20. Lit. IX; weitere Angaben auch K e i - 

tiberkippen zu bewahren (Lit. I 1611). Auch die mer Gartenpflanzen Iff. und Lit. I 231 ff.). Doch 
alteste Zeichnung des M. auf Schief er (P e t r i e 10 auch eine Gegend bei Koptos hat diesen Namen 

Abydos I Taf. 3, 48) zeigt dieses Band. gehabt (Erman-Grapow Worterb. Ill 162). 

Schon diese DarsteUungen vereinen zwei voUig Nach Gauthier (Lit. I 232) hiefien die Ter- 

verschiedene Eigenheiten des M., einmal den rassen, mit denen das Niltal in die Wiistenrand- 

Fruchtbarkeitsgott, wie er auch in der gebirge bei Koptos iibergeht, die ,Treppen (o. a.) 

Identifizierung mit Pan zum Ausdruck kommt, des Gartens* (hsp); er schlieBt daraus, daB einst 

dann aber den starken Gott. Dabei ist aber auf diesen Terrassen groBe Gartenanlagen gewesen 

die dUrch die GeiBel angedeutete Starke nicht sein miissen. Als Gott des fruchtbaren Acker- 

etwa im Sinne von Manneskraft zu deuten; wird landes erhalt M. die Erstlinge der Ernte bei dem 

doch in der Hieroglyphenschrift die GeiBel auch groBen Feste des Fruhjahrs-Ernteopfers (Medinet- 
zur Schreibung desWortes ,Starke, Sieg* benutzt; 20 Habu und Ramesseum: Lit. VIbl02f. Vic 280. 

sondern die GeiBel und die Federn kennzeichnen Wilkinson Manners and customs III 60. 

M. deutlich als Ko nigs gott. Diese beiden Kees-Bissing Das R'-Heiligtum. Die Dar- 

Eigenschaften des Gottes sind schon von Anfang stellungen 52. Besonders aber in alien Einzel- 

an nicht zu trennen, auch gelingt keine genaue heiten in Lit. I). Vor allem aber ist ihm die 

Aufteilung auf seine beiden Kultorte, Achmim = L^ttichpflanze heiHg: fast regelmaBig werden 

Panopolis und Koptos. In Achmim ist M. eigent- hinter seinem Bilde mehrere Lattichpflanzen dar- 

lich nicht der Gott dieser Stadt, sondern des gestellt, wenn sie auch in DarsteUungen spaterer 

Gaues, der mit demselben Symbol geschrieben Zeit geradezu die Form von Baumen annehmen. 

wird wie der Gott. Somit nimmt S e t h e (Ur- (Die Frage ist zur Gentige geklart durch K e i - 
gesch. § 48 S. 38) an, M. sei eigentlich hier zu 30mer AZ LIV 140ff. und Gartenpflanzen Iff.; Lit. 

Hause, wahrend er sich in Koptos (dessen Haupt- I 161ff. 166.) Auch unter den Gaben, die dem 

gottheit dem Gauzeichen entsprechend ein Brtider- Gott dargebracht wurden, finden sich meist Lat- 

paar gewesen sein muB) tiber einen alteren, dort tichpflanzen. DaB von alien Pflanzen gerade diese 

verehrten Gott gelagert habe, der RIM oder llhs so bevorzugt wird, hat darin seinen Grund, daB 

hieB. Dagegen nimmt Gauthier an, Koptos die Agypter ihrem GenuB potenzsteigernde Wir- 

sei der alteste agyptisehe Kultort des M. (Lit. I kung zugeschrieben {ag. Text: Chassinat Le 

S. M u. 285; dariiber weiter unten). temple d'Edfou I 82. II 44 nach Gauthier: ,de 

1. Der Fruchtbarkeitsgott. Die phal- faire executer aux membres du dieu ... la fonc- 

lische Natur des M. spricht sich auBer den schon tion sexuelle*; griech. tJberlieferung: Kallimachos 
angeftihrten Belegen auch in einer ganzen Reihe 40 bei Athen. II 69). Doch auch mit anderen Pflan- 

von Kultbeinamen aus, in denen oft von seiner zen wird der Gott identifiziert, so mit der Dum- 

,Schonheit* die Rede ist, unter der zumeist ganz palme (Totenbuch c. 142) und dem tm'-Baum 

konkret der Phallus zu verstehen ist (vgl. lit. (dem jujubier oder fieXiXcorog nach Lit. I 234. 

1 138f.); auch heiBt er in verschiedenenVarianten Annales du Service IX 112. Sethe Dramat. 

,Stier der Frauen* u. a. Ja, sein gewohnlichster Texte II 145). 

Beiname ist ,Stier seiner Mutter* (KafAfjcpig, Ka- In der Tierwelt ist ihm besonders der frucht- 

^?yg9??? oder Z^^(^- Wessely Ephesia Gramm. bare Stier zu eigen: wie er selbst unter dem 

1886, 20 nr. 171), auch ,der Stier, der seine Bilde eines Stieres Kamephis genannt wird, so 

Mutter begattet* (Pap. Berlin, Hierat. Pap. I wird er auch in seinem groBen Feste teilweise 
Taf. 14; vgl. Morel Rituel du culte journ. 124f. 50 durch einen weiBen Stier vertreten, der in den 

R e d e r Debod-Kalabscheh 76 u. Taf. 29. Auch Festziigen einhergefiihrt wird (Lit. I, besonders 

im Hymnus des groBen M.-Festes von Medinet- 177). Gauthier nimmt an, im Verlaufe des 

Habu bei Lit. I 230f.). Auf diesen Sonderzug Festes sei schlieBlich dieser Stier dem Gotte 

muB noch spater eingegangen werden. Wie uber- geopfert worden; das ist moglich; aber merk- 

all, so wird auch in Agypten die menschliche wiirdig ist, dafi an keiner SteUe der sonst bis ins 

Fruchtbarkeit zum Symbol der Fruchtbarkeit in einzelne gehenden Festdarstellungen und -beschrei- 

der Natur; diese Symbolisierung erwahnt bei M. bungen irgendwie ein solches Opfer angedeutet 

ausdriicklich Suidas (s. IlQiajiog), Gauthier wird. Den Stier voUends mit Gauthier als Stier 

win diese vegetative Natur des Gottes auf dem des Osiris anzusehen, haben wir — trotz der 
tJmwege tiber die Gleichsetzung des M. mit dem 60 Krone, die er tragt — , keine Veranlassung. 

Osiris erklaren; doch ist dieser Weg vollig un- 2. Der Konigsgott. Diese Seite seines 

notig. Somit ist M. auch der Gott der Frucht- Wesens scheint mit seinem Kultorte Koptos ver- 

barkeit in der Vegetation. Ja E. Meyer (Lit. V kniipft zu sein und leitet sich aus geographisch- 

P § 180) deutet die ganze seltsame Gestalt dieses historischen Griinden her. iSethe (Urgesch. 

Gottes als Schutzgott der Feldflur, der ursprung- § 2021). Kees (AZ LVII 132ff.) und Gau- 

lich als abschreckendes Bild im Felde aufgestellt t h i e r (Lit. I 285f .) nehmen an, daB in pra- oder 

gewesen sei, wie Priap oder Hermes: danachware proto-dynastischer Zeit die Stadt Koptos oder der 

die mit der GeiBel erhobene Rechte natiirlich in Gau eine Rolle als Zentrum eines Konigtums 



437 Min Min 438 

gespielt haben muB. Doch mufi schon in der einen Tierschwanz in den Handen halten, der das 

altesten Zeit sein Konigscharakter auch irgend- Wahrzeichen des Konigs ist. Ja, M. hat sogar 

wie mit seiner Eigenschaft als Gaugott von Ach- unter seinen Beinamen den elnes ,Tragers des 

mim verbunden gewesen sein: wird doch schon Konigsschurzschwanzes* (Lit. I 1Q4. 106). Als 

auf den uralten M.-Statuen von Koptos unter den ein Konigssymbol sieht Kees (Opfertanz 128) 

dem Gewand des Gottes eingekratzten Zeichen auch ein Zeichen an, das dem M. heilig ist una 

auch sein — dem Zeichen des Gaues von Ach- als ,Gottesschatten* aufzufassen ist (Erman- 

mim entspreehendier — Fetisch mit der Feder, G r la p o w Worterb. IV 433). Gauthier (Lit. 

dem Sinnbild des Konigsgottes, gefunden. I 154f.) zeigt, dafi die Tore des Tempels ganz 

In bezug auf die Verbindung des M. mit dem 10 speziell in den Schutz des Gottessehattens des M. 

Konigtum weist vor allem Kees (a. 0.) auf die gesteUt werden. Andere Beiworte betonen seine 

engen Beziehungen hin, die M. zu den beiden GroBe und seine Macht (livre de I'embaumement 

Eeichsheiligtiimern, den Itr-tj (E r m a n - G r a- = Lit. XI 124. LDT II 166. Demotische Inschrift 

powWB I 147) und den 4nw-t (WB IV 152f.) des Parthenius in den Annales de la Mission 

als einziger Gott mit dem offiziellen Reichsgott XII 6); dem entsprechen die griechischen Be- 

Re unterhalt; das hat sogar dazu gefiihrt, dafi zeichnungen 'd'edg fxeyag (Porph. bei Euseb. praep. 

ein Teil der Stadt Achmim und spater auch von ev. V 13), d'sbg jusyiotog (griechischer Text der 

Koptos (ja wohl auch die Stadt Achmim und eben zitierten demotischen Inschrift: LDT VI 75 

Koptos selbst, Lit. I 123f.) als snw-t bezeichnet Gr. 24) und ^vQiog {CIG add. 4716 d^). 
wird. 20 3. DerSonnengott. Schon durch seinen 

In der Zwischenzeit zwischen dem Alten und Titel ,K6nig der Gotter*, vor aUem aber durch 

dem Mittleren Reich tritt Koptos und damit seine Verbindung mit den beiden Reichsheilig- 

auch M. erneut in enge Beziehung zum Konigs- ttimern tritt M. neben R^, den Sonnengott Agyp- 

tum; in dieser Zeit mufi Koptos wieder Sitz eines tens (vgl. Kees AZ LVII 132ff. 135). Ermaii (Lit, 

Konigsgeschlechtes gewesen sein, das einen groBen Via 17) fiihrt den Beinamen des M. ,Stier seiner 

Teil Agyptens beherrschte; zum mindesten waren Mutter* darauf zuriick, M. musse ein alter Sonnen- 

diese Konige mit den Feudalherren des Gaus von gott gewesen sein: durch die Begattung seiner 

Koptos leng verwandt (Set he GGA 1912, 718 Mutter erzeuge er sich stets von neuem, wie es 

bei der Besprechung von Weill D^crets royaux. regelmaBig auch vom Sonnengott gesagt wird. So 
Kees Beitrage zur altag. Provinzialverwaltung 30 wird denn dem M. auch — wie dem Sonnengott — 

GGN 1932 Fachgruppe I Heft 12, 113f.). die Schopfung der Welt zugeschrieben: ,der die 

Die enge Verbindung des M. mit dem Konig- Erde gebildet und die Menschen geschaffen hat* 

tum zeagt sich am deutlichsten in der Darstellung (AZ LXII 94) und ^der groBe Machtige, der von 

seines groBen Festes, dessen Beschreibung und selbst entstand, der Agypten und die Wiiste er- 

Erklarung nunmehr am besten bei Gauthier schuf* (ebd. 88). Auch die typische Haltung des 

(Lit. I) zu finden ist (vgl. aber auch IV b 101. M., der mit seiner Linken seinen Phallus um- 

IVc71): hierbei werden unter anderem die Sta- faBt, deutet genau auf die Situation, wie der 

tuen der verstorbenen Konige in Prozession ein- Sonnengott Itm-Tte durch Onanierung die Welt 

hergetragen; vor allem aber bildet die feierliche erschuf (Lit. Via 32. 18; vgl. Apophisbuch 28f. 
Verkiindigung der Thronbesteigung des Konigs 40= Lit. XI 108. Ahnlich Pyramidentexte § 1652). 

durch die Entsendung von vier Vogeln nach den Dazu kommt noch, da<B das agyptische Wort fiir 

vier Himmelsrichtungen einen wichtigen Be- Onanierung (Pyramidentexte § 1248; vgl. Worter- 

standteil des Festes. Auch bei dem Jubilaumsfest buch I 57) mit einem Deutzeichen gesehrieben 

der Konige scheint daher M. eine RoUe gespielt wird, das nicht nur in der Haltung der linken 

zu haben (heh-sed-lidjyd Sesostris' I. bei P e t r i e Hand genau den M.-Darstellungen entspricht, 

Koptos 11 ==: Taf. IX 1; zu vergleichen ahnliche sondern auch wie bei M. die rechte erhoben zeigt 

Szenen bei Kees AZ LII Q^ und LD III 119 e. (vgl. Junker Onurislegende 36). Im Mittleren 

143 d. 167 und Mtooires de la Miss, de I'lnstit. Reich wird M. dann mit dem Sonnengott R§ ver- 

XI 47). bunden. Schon auf dem Slarge des Harhotep 

Hinweise auf Konig- und Herrschertum finden 50 (XI. Dynastie) findet sich ein Text, in dem M. 

sichbeiM. schon in den Pyramidentexten (§ 1928 c. fast ganz dem Sonnengotte gleichgesetzt wird 

256a. 19993c; vgl. Lit. VII 22). Zahlreich — (Z. 494ff. = Lepsius Alteste Texte 24fE.). 

besonders in den spateren Zeiten — sind die Bei- Der Tote sagt von sich: ,lch hin Be, ich bin M, 

worte, die M. selbst als Konig bezeichnen: schon an seinem pr4-Fest\ Und in der XII. Dynastie 

seit dem Mittleren Reich heiBt er ,Konig der ei scheint schon die Verbindung R-Min als eine 

Gotter* (Lit. I 175. Louvre C30: Set he Lese- Einheit (Bergman n Recueil de travaux IX 32; 

stticke 65. Petri e Koptos 19 Taf. 20 usw.J. vgl. Lit. I 1811), aber erst seit der XVHI. Dy- 

Daneben aber auch in Beziehung auf Agypten nastie wird dieser Gott in der Form Min-Be tib- 

selbst jKonig* oder ,Konig von Oberagypten* oder lich; nun erhalt er auch den dem eigentlichen 
,Herr der Krone* (Rochemonteix Edfou 115. 393. 60 Sonnengott gebiihrenden Titel: ,Herr des Him- 

Piehl J. H. 59, 9, Berl. 7287; zu vergleichen mels*. So wird denn bei seinem groBen Feste 

Kairo 20098 c= Set he Lesesttick 65: ,er emp- (Lit. I 179f.) ein Tanzlied gesungen, das ganz 

fangt die Krone*) oder ,der auf seinem groBen wie ein Morgenlied auf den Sonnengott anmutet; 

Sitz* (= Thron) (LDT II 166. Petrie Koptos die Erwahnung der Stadt Herj-aha, eines Zen- 

19 Taf. 20). M. als Konig auch in dem Hymnus trums des Re-Kultes, in diesem Liede verstarkt 

des Britischen Museums aus D§r-el-bahri (Hierogl. noch diesen Eindruck. tJberhaupt muB bei der 

texts IV Taf. 50). Dazu gehort auch, daB in der Gleichsetzung des M. mit dem^ Sonnengott irgend- 

Prozession bei seinem Hauptfeste zwei Priester je wie heliopolitanische Theologie die Hand mit im 



439 Min Min 440 

Spiel gehabt haben. Das laBt sich auch noch gut die griechische Insehrift aus Achmim. (Re- 

daran erkennen, daB bei dem groBen. Konigsfest cueil de travaux XI 148 nr. 22 =; Preisigke 

in Bubastis in der Priesterprozession der Hoh-e- Sammelb. 293), in der neben ji^rjg ovf^/^axog und 

priester von Koptos unmittelbar auf den von Zevg 'OXvfXTiLog auch. Ildv ovozQarevofuvog um 

Heliopolis folgt, einmal sogar als einziger neben Schutz auf der Reise gebeten wird. 

ihm (N a viile Festival hall of Osorkon 23. 14j. Der starkste Beleg aber fiir die siegreiche 

In Abydos wird in der XIX. Dynastie einmal Starke des M. liegt in seiner friih erfolgten 

dieser Doppelgott M.-Ee mit der Sonnenseheibe Gleichsetzung mit Horns, und zwar jener beson- 

auf dem Kopfe nnd dem Zepter in der Hand dar- deren Form des Horus, die als ,Hoi^s der Starke* 

gestellt (Mar let te Abydos I 39a. II 20 c. = lObezeichnet wird (IZ LVII 132) und alsFalke mit 

Z i p p e r t Der Gedachtnistempel Sethos' I. zu Doppelfederkrone dargestellt wird. Bei diesem 

Abydos § 264) und in Ha/mmamat tragt M. zwei- Beiwort wird das agyptische Wort fiir , stark' mit 

mal die Federkrone mit der Sonnenscheibe, wie derselben GeiBel geschrieben, die M. stets in der 

sie sonst nur beim Sonnengott vorkommt (C o u - Hand tragt (vgl. Erman-Grapow Worterb. 

yat et Montet Les inseript. hi^rogl. et hitot. H 314). Junker (Onurislegende 36) mochte so- 

du Ouadi Hammamat nr. 23 und 25 = LD 275 c gar die Anderung der Haltung des rechten Armes 

und 286 h). Das ist auch griechischen Schrift- (bei den uralten Koptosstatuen anliegend [vgl. 

stellern noch bekannt: Codin (de origg. Constant. 434], spater stets erhoben) auf diese Angleichung 

15) berichtet: ex^t be . , . Kara iieoa ... t(x>v des M. an Horus zuriickflihren (Horus fuhrt oft 

7txeQ(bv dioKoeidovg xv^Xovg, wozu hinzuzunehmen 20 den Beinamen , stark an Arm, mit erhobenem 

ist Suid. s. IlQiajcog in einem offenbar unvoll- Arm*). Das geht aber nicht, well diese Gleich- 

standigen Auszug, in dem von den Federn und setzung nicht in so alte Zeit zuriickfiihrt; denn 

der Scheibe im Bilde des Priap die Rede ist: bereits im Alten Reich (vgl. S. 435) ist die Nor- 

ravrov yaQ rep tjXIc^ do^d^ovoiv. malform der M.-Gestalt erreicht. Aus demselben 

Im Neuen Reich ist die Zusammensetzung Grund ist die Annahme Gauthiers zurtickzu- 

M.-Re so sehr zu einer Einheit geworden, daB weisen (Lit. I 286f.), in das groBe M,-Fest sei die 

man damit Personennamen bildet: Nesu-Min-Re Kronungsfeier des Konigs iiber die Gleichsetzung 

(==. ,er gehort dem M.R.^ C o u y a t et M o n t e t des M. mit Horus, der ja den Konig symboli- 

nr. 38; leider ist die Zeit nicht festzustellen). sierte, hineingekommen. Moglicherweise liegt 

In der Spatzeit, besonders unter den Ptolemaern, 30 zwar eine Urverwandtschaft vor zwischen dem 

ist diese Form des M. besonders popular: jetzt Gott des Gaues von Achmim mit dem Horusgott 

erhalt der Hohepriester der alten M.-Stadt Ach- des Gaues von Letopolis, dessen Hauptstadt 

mim geradezu den Titel; ,erster Priester des M.- mit demselben Symbol (Erman-Grapow 

Re, des Herrn von Achmim (C o u y a t et M o n- Worterb. Ill 280) geschrieben wird, wie der Gau 

t e t nr. 20). Jetzt wird M. uberall mit diesem von Achmim und sein Gott; doch ist die Gleich- 

Doppelnamen aufgefuhrt: in Dendera (LDT II setzung des M. mit Horus, von der wir hier spre- 

184. 255), in Edfu (Rochemonteix Edfou I chen, ein Werk spaterer Z'eit. Meyer (Lit. V 

394. LD IV 79), in Achmim (Recueil de trav. § 272) glaubt, diese Gleichsetzung sei in die Zwi- 

XXXVI 51 ff. = LDT II 166), in Karnak (LD schenzeit zwischen Aitem und Mittlerem Reich 

IV 12 a = LDT III 55), in Kalabscheh in Nu- 40 anzusetzen. Das muB stimmen; denn auf dem 

bien (Gauthier Le temple de K. Tai 76 B Sarge des Harhotep (Kairo 28 023 II 4551. 

S. 217). Dasselbe ist der Fall bei den aus der = Lepsiu s Alteste Texte 121 == Lit. XI 240), 

Spatzeit stammenden literarischen Texten (Met- der der XI. Dynastie angehort, ist diese Gleich- 

ternichstele 86ff. = Lit. XI 30. Livre de Tem- setzung so fest, daB zu einem Text ,M. bei seinem 

baumement. Pap. Boulag 3, 14, 4== Lit. XI 304). Herauskommen* eine Glosse erklaren kann: ,das 

So kann denn griechische tJberlieferung geradezu ist Harendotes*. Auch die Sinuhe-Geschichte, 

von einem Ilav riXiaKog sprechen (Prokl. in Tim. deren Abfassungszeit schwerlich viel jiinger ist 

279 E f .). als Sesostris L, kennt Min-Hor (S e t h e Lese- 

4. Seine Gleichsetzung mit Horus. stucke 12 Z. 8). Auf den Denkmalern selbst aber 

Auch hier mtissen wir wieder von der Konigs- 50 erscheint die Gleichsetzung nicht vor der Mitte 

eigenschaft des M. ausgehen. Alle Konigsgotter der XII. Dynastie und steigert sich gegen Ende 

sind zugleich starke, siegreiche Gotter; das trifEt des Mittleren Reichs. In dieser Zeit kommt auf 

auch auf M. zu. Seine Kraft wird betont, der den Grabsteinen in Abydos (zu vergleichen die 

Respekt, den er den Menschen einfloBt, hervor- Grabsteine inKairo) M. haufig in der Doppelform: 

gehoben (Erman-Grapow Worterb. IV 461 M.-Hornacht vor. Damit wird denn auch einmal 

Brugsch GroBe Oase bei Lit. VII 21. AZ das Hauptfest des M., sein ,Herausgehen' zum 

LXn 86ff., vor allem aber in immer neuen Va- ,Herausgehen des neuen M.-EJ' (fieri. 1624, 

rianten in den M.-Hymnen Kairo 20 089 und Ausf.-Verz. 85). Alle Belege, die ich von dieser 

Louvre C30 = iSethe Lesestucke 65; vgl. auch neuen Doppelform kenne, sind — wenn ich von 

Gauthier Bulletin de I'lnstitut XXX 556). 60 der Spatzeit absehe — an Abydos gebunden; 

Er verleiht dem Konig Starke und Sieg (LD III somit muB die Gleichsetzung im Kultgebiet dieser 

212). Eine Erinnerung an diese Seite des M. Sta^dt vor sich gegangen sein. M. selbst war 

bewahrt noch Diodor (118), wenn er bei Gelegen- freilich schon frtiher nach Abydos gekommen: 

heit der Erzahlung des groBen Kriegszuges des das beweist die Schieferplatte aus dem Alten 

Osiris erwahnt: uvaQala^eiv 6' enl rrjv oxQareiav Reich (S. 435), auBerdem aber die Beobachtung, 

Tial rbv Uava. DaB unter ihm M. zu verstehen daB das Hauptfest des M. schon zu Beginn der 
ist, zeigt die Fortsetzung des Textes, die von XII. Dynastie (altester Beleg aus der Zeit Se- 
Achmim d. h. Uavbg noXig spricht. Dazu paBt sostris' I. = Diimichen Kalender-Inschr. 



441 Min Min 442 

Taf. 43) eine wichtige RoUe unter den Festen Der Hohepriester idieser Stadt flihrt auch den 

spielt. Namenbildungen mit M. tanchen in Aby- Titel eines Priesters des Horus (Reeueil de trav. 

dos gegen die Mitte der XII. Dynastie auf (Kairo XXXYI Taf. 3f.). 

20 326), vielleicht schon in der ersten Halfte Vor alleni aber ist es die Stadt Koptos, auf 

(Kairo 20 519). Der Name anf dem zuletzt an- die die Gleichsetzung des M. mit Horus riiek- 

gefiihrten Grabstein: ,M. im Gold(?)-Hause' gewirkt hat. Wenige Belege aus der groBen FuUe 

deutet auf ein bestimmtes Zimmer im Osiris- mtissen geniigen: Auch hier finden wir unter den 

tempel hin, in -dem M. verehrt wurde, d. h. wohl Haupttiteln des obersten Priesters des M. den 

seine Kultstatue aufgestellt war. Dieses Zimmer eines Priesters des Horus (B r u g s c h Diction, 
wird im Mittleren Reich noch mehrmals erwahnt 10 geogr. 1374). In der Spatzeit wird ais Haupt- 

(Londoner Inschrift bei Set he Lesestiicke 75 gott des Gaues bezeichnet: ,Horus, der identisch 

und Kairo 20 457. 20 538). Auch der spatere ist mit M., der sich seiner Starke (ag.: nacht) 

Osiristempel von Abydos hat ein Zimmer dieses riihmt' (Brugsch Diction, geogr. 1358f.). In 

Namens (Inscription dedicatoire 33. Mariette dem letzten Z*usatz spiiren wir wieder deutlich 

Abyd. II 33). Auch in Koptos gibt es in spaterer jene Horusform des Hornacht heraus, die die 

Zeit ein Zimmer dieses Namens (Rituel de I'em- Gleichsetzung zwischen Horus und M. so begiin- 

baumement =• Pap. Boulaq nr. 3 S. 10, 8). stigt hatte. Auch in dem ,Horus mit erhobenem 

Vom Mittleren Reich an gehort M. zur Neun- Arm', mit dem M. von Koptos einmal identifiziert 
h e i t von Abydos, wofiir die Grabsteine genugend ist (Petri e Koptos 11 Taf. 19) werden wir die- 
Beispiele bieten. Einmal taucht sogar eine Spe- 20 selbe Form zu erkennen haben. Gelegentlich wird 
zialform des M. in Abydos auf: ,M. des Ptah- der Gott von Koptos schlechtweg als Horus be- 
Snofru' (Kairo 20686 aus der Zeit Sesostris' HI.*), zeichnet (D e Morgan De la frontito a Kom 
die auf Memphis weist. Nun wird M. — dem Ombo I 332. AZ XX 203). Daher nennt Ailian 
Horus gleichgestelt — zum Sohne des Osiris (hist. an. VII 18) den Gott des Tempels von 
(Louvre C 30. Kairo 20 188. 20 517. 20 612 usw.) Koptos Apollo, und Plutarch (de Iside c. 55) er- 
und damit auch zum Sohne der Isis (Louvre C 30. wahnt in dieser Stadt das Standbild des Horus, 
Kairo 589. Zip pert Gedachtnistempel § 2i26). von dem er berichtet: sv rPj kxsQa piQi Tvcpcbvog 
Besonders deutlich erscheint diese neue Funktion alboia naxkxeiv. Daran konnen wir trotz seines 
in dem M.-Harnacht-Hymnus aus Kairo (20 089 Mifiverstandnisses den bekannten Typ der M.- 
= Set he Lesestiicke 65): er wirft die Feinde 30Figur erkennen; bemerkt er doch gleich imnach- 
seines Yaters Osiris nieder; er racht ein en Vater; sten Kapitel: xov ^Qqov slw'&aoiv nal Mlv nQooa- 
er erhalt Krone und Erbe seines Yaters; ja er yoQsvsiv. Ebenso sagt Suidas (s. IlQianog), nach- 
entlehnt dem Horus sogar die Geburt aus der dem er die M.-Figur besehrieben hat: to ayaX(A,a 
Deltastadt Chemmis. Ahnliche, wenn auch nicht IlQiannov xov "Qqov uzao' Alyvnxloig TiaXovf^svov. 
ganz so weit gehende Gleichsetzungen zwischen Nachdem M. zu einer Form des Horus geworden 
M. und Hor finden sich in anderen M.-Hymnen war, kam auch Isis, die sonst dem Kreis des M. 
(z. B. Louvre C 30), der sich zwar nur an M., fremd ist, nach Achmim (S. 441) und besonders 
nicht an M.-Hr richtet, M, aber mit den Namen nach Koptos. Koptos wurde, wie wir noch spater 
,Hor mit starkem Arm* und ,Hor mit erhobenem sehen, geradezu einer der Hauptkultorte dieser 
Arm' bezeichnet (das zweite Beiwort auch sonst 40 Gottin. Ihr standiger Beiname ,Gotte&mutter' 
noch; z. B. Caulfield The temple of the zeigt, dafi sie — entsprechend der Gleichung M. 
kings Taf. 49 b. P e t r i e Koptos Taf. 19 S. 11). = Horus als Mutter des Gottes aufgefafit wurde; 
Auch in einem weiteren M.-Hymnus (Lange doch, da ja M. zugleich auch der Gatte seiner 
S.-Ber. Akad. Berl. 1927, XXYIII) wird M. stan- Mutter ist, so wird sie damit auch die Gattin 
dig dem Hor gleichgesetzt. Hier sehen wir nun des M. Das hat in Koptos dazu gefiihrt, dafi 
aber, wie nicht nur Hor dem M. Eigenschaften schlieBlich (XIX. Dynastie, vgl. Lit. II 17) dort 
lieh, sondern umgekehrt, wie er solche von M. er- die Dreiheit: M., Isis, Horus verehrt wird: M. 
halt. Da heiBt es: ,das Herz des Hor verband sich und Isis als die Eltern, Horus als der Sohn. Da- 
mit seiner Mutter Isis, als er geschlechtlichen Um- mit ist aber hier M. mit einem Male mit Osiris 
gang mit ihr pflog, indem seine Seite an ihrer 50 identisch geworden. Doch damit sind wir schon 
Seitie war'. Derselbe Zug erscheint wieder in einem von der urspriinglichen Anschauung abgekommen. 
spaten Kalender (Pap. Sallier lY 18, 3): am Diese setzt stets M. dem Horus gleich. 
26. Mechir ,erblickt M. von Koptos Isis, indem Somit dringt M. auch in die Kultorte ein, die 
saine Schonheit (= Phallus) auf ihr ist'. Dieser eigentlich dem Horus gehoren: so wird schon im 
merkwtirdige Zug ist in die Isissage von M. aus Mittleren Reich M. mit der Isis-Horus-Stadt Ne- 
hineingekommen, da er ja als Kamephis zugleich zeri verbunden (Kairo 20328; zu vergleichen auch 
Sohn und Gatte seiner Mutter ist (S. 435). mehrere Tanzliedchen der Lit. I). Dann aber 

War einmal in Abydos M. dem Horus gleich- kommt M. auch nach Edfu, dem ApoUonopolis 

gesetzt, so geht diese Identifizierung von dort Magna der Klassiker, wo Horus spater geradezu 
aus auch nach Achmim und Koptos tiber und 60 den Beinamen erhalt, der von Hause dem M. 

verbreitet sich auch iiber die anderen Kultorte eigentiimlich ist: seheni (vgl. Erman-Gra- 

des M. In Achmim wird M. ebenfalls in der Form p o w Worterb. lY 218). 

des Horus verehrt; dazu tritt noch Isis (Lit. II 17. Diese Gleichsetzung M. = Horus betont be- 

Mariette Denderah lY 73. Weiteres Material senders die Spatzeit in den Terrakotten, die be- 

zum Kult des Horus und der Isis in Achmim: senders bei Horus sich gern grotesker Darstel- 

LDT II 164. Scharff AZ LXII 89ff. 94. Der lungen erf rent (Weber Die ag. und griech. 

Stift-er dieser Stele aus der Zeit Hadrians heiBt: Terrak. 55 und 78). Sie bringt auch noch einen 

,den Hor, der Herr von Achmim, geschenkt hat'). fur die Burleske besonders geeigneten Gott hin- 



443 Min Min 444 

ein, den Priap, den sie bisweilen geradezu wie am Eingang dieses Felsentales gelegen haben» 

M. darstellt (Weber 106 Abb. 67). Sehr haufig erscheint als Attribut neben M. eine 

5. Der Fels- und Wtistengott. Auch merkwiirdige spitze kegelformige Kapelle mit 

dieser neue Zug im Wesen des M. lafit sich bis einem niedrigen Eingangstor davor (Abbildnngen: 

auf die alteste Zeit zuriickfiihren: schon die ur- Lit. Via 19. Petri e Koptos Taf. 10. Lit. IX 

alten Statuen von Koptos, von denen ich schon 137f.). Sie wird von Erman als eine in den 

gesprochen habe, zeugen davon: bei ihnen ist die Felsen gehanene Kultkapelle gedeutet, wahrend 

Oberflache, das Gewand (?), uberstreut mit Bar- Gauthier (Lit. I 142ff.) sie als eine Remini- 

stellungen, die sich auf die Wiiste beziehen, mit szenz an die alteste Art afrikanischen Wohnungs- 
Wiistentieren nsw.; da auch Meerfische dabei auf- 10 banes erklart, als eine spitz zulaufende Rund- 

treten, so mussen wir als den Bereich des M. die hutte mit Rauchabzugsloch. Er verweist darauf^ 

Wiiste betrachten, die sich bis zum Roten Meere daB in den Darstellungen des Landes Punt ahn- 

erstreckt. Damit haben wir aJber eine feste Loka- liche Wohnstatten vorkommen. Diese Deutung 

lisierung dieser Eigenschaft des Gottes auf wird, scheint mir, der eigentumlichen Form dieses 

Koptos gewonnen: hier beginnt die uralte Kara- Gebildes eher gerecht; man wird sie daher an- 

wanenstraBe, die zum Roten Meere ftihrt (Bae- nehmen mussen, freilich ohne dafi man damit 

d e k e r Agypten ^ 225). Gauthier (Lit. I schon die Ansicht Gauthiers liber die Herkunft 

XL 89. 285f.) betrachtet diese Seite des M. als des Gottes teilen miiBte. Solche Rundhiitten sind 

seine ureigenste, urspriinglichste. Anfanglich ein nach Grabungen an Wohnstatten der vorhisto- 
Gott der Wtistenstamme zwischen Nil und Rotem 20 rischen Zeit auch in Agypten selbst iiblich ge- 

Meere, habe er, als diese Stamme siegreich in wesen. Diese Kapelle, die bis in die spateste Zeit 

Mittelagypten eindrangen und in der Nabe von als Kultsitz des M. bezeichnet wird (z. B. in der 

Koptos ein groBes Reich begrtindeten, seinen groBen Weihinschrift des groBen Koptostempels 

Einzug in Agypten gehalten und sei dementspre- aus der Zeit des Philadelphos: P e t r i e Koptos 

chend zuerst nach Koptos, dann nach Achmim 19 Taf. 20), ja auch an anderen Orten zur Kenn- 

und so fort gekommen. Dieser Deutung kann ich zeichnung des M. von Koptos bentitzt wird (z. B. 

mich nicht anschlieBen. Sie erklart zwar neben M a r i e 1 1 e Abyd. 79 = Capart Abydos 

seiner Eigenschaft als Herr der Wiiste hin- Taf. 35) hatte den -Namen Sehen (Erman- 

reichend seine Eigenschaft als Konigs- und auch Grapow Worterb. IV 218. Lange S.-Ber. 
als Sonnengott, nie und nimmer aber laBt sich 30 Akad. Berl. 1927 XX,VIII). Mit diesem Wort ist 

aus seiner RoUe als Beherrscher der Wiiste seine ein anderes: iehenet eng verwandt, womit die 

Haupteigenschaft, die des Vertreters der vegeta- Texte das Klettergeriist bezeichnen, das bei den 

bilen und animalischen Fruchtbarkeit, herleiten. M.-Festen erriehtet wird (dariiber spater: S. 458). 

Wir miissen schon bei der bisherigen Deutung Gauthier (Lit. I 149) gibt nun — von der 

(Erman Lit. VI a 18. E. M e y e r Lit. V 247. uralten Kapelle des M. ausgehend — eine andere 

St rack Dynastie der Ptolemaeer 257 nr. 109) Erklarung: was man bisher als Wettklettern auf 

bleiben: M. ist ein alter agyptischer Gott, der in einem Klettergerust bezeichnet habe, sei nichts 

Koptos am Eingange jenes Wustentales seinen anderes als die Errichtung eines primitiven Ka- 

Kult hiatte, durch das die Karawanen zum Roten pellchens nach Art der uralten Kultstatte des M., 
Meere zogen. Da benutzten die Reisenden die 40 natiirlich aus ganz leichtem Material, weil es ja 

Gelegenheit, dem letzten groBen Gotte des Nil- nur fiir die Dauer des Festes bestimmt war. Die 

tales beim Abschied ihre Bitten um Sehutz fiir die Inschriften: ,das AufsteUen der §ehenet\ die da- 

gefahrliche Reise, bei der Riickkehr ihren Dank bei stehen, unterstiitzen diese Deutung (Lit. bei 

fur sein gluckliches Geleit darzubringen. Somit Gauthier; Beispiele; LD IV 42b. Gayet 

hat sich seine Eigenschaft als Herr der Wiiste Le temple de Louxor 86 Taf. 10. 53. W.M. Miil- 

rein lokal entwickelt. Analogien fiir solche Ent- ler Egyptian Researches I 34f. Taf. 42. II 34. 

wicklung gibt es hinreichend. Solche Inschriften Mariette Denderah I Taf. 23). Fast regel- 

fiir M. sind bei Koptos und in der benachbarten maBig sind mit dem AufsteUen dieses Geriistes 

Wiiste in FuUe erhalten (Lit. VI b 627f . AZ XX Leiite aus Nubien und Punt beschaftigt, so daB, 
203). Die alteste dieser Inschriften stammt aus 50 wenn diese Deutung richtig ist, Gauthiers An- 

der V. Dynastie (LD II 115 e); besonders wichtig nahme, die Form der Kapelle stamme aus der 

ist eine aus der XI. Dynastie (LD II 149 Fig.), Fremde, stark gestiitzt wird. Auf jeden Fall 

weil in ihr erwahnt wird, man habe in der Wiiste spielen die Beziehungen zur Wiiste und zum Aus- 

durch die Gunst des M. einen Brunnen entdeckt, lande im Kulte und besonders an den Festen des 

dessen Vorhandensein den Weg uberhaupt erst M. eine bedeutende RoUe. Sein standiger Titel 

benutzbar gemacht habe. Das unter dem Namen ist ,Herr der Wiiste*, besonders in der XI. und 

Wddi Hammdmdt bekannte Wiistental, durch das XII. Dynastie in Hammamat (Lit. I 197f. Sethe 

die KarawanenstraBe fiihrt, ist voU von agyp- Lesestiicke 12), ebenso ,Herr des Ostens, Herr der 

tischen und griechischen Inschriften und Graffiti Fremdlander, Herr des Lapislazulis und Mala- 
zu Ehren des M. (veroffentlicht von C o u y a t et 60 chits' (Lit. I 202f. Lit. VIal8. Petrie Koptos 

Montet Les inscriptions hierogl. et hi^rat. du 19 Taf. 20. Sethe Lesestiicke 65. Mit dem 

Ouadi H., und LD VI 97. GIG Add. 4716 d^ff.). Lapislazuli wird er auch sonst in Verbindung ge- 

Die Beinamen des Gottes weisen deutlich nach bracht: Lit. I 199ff. Gesang des Negers von Punt. 

Koptos; auch die in Koptos verehrte Dreiheit Petrie Athribis Taf. 34 col. 15). Auslander, 

M.-Isis (mit dem schon oben erwahnten Bei- besonders Nubier oder Neger und Beduinen, treten 

namen ,groBe Mutter*) und Horns erscheint des noch in spaterer Zeit bei seinem Feste handelnd 

ofteren. auf (Lit. I 89. 91). Ja, der Gott wird gelegent- 

Die alteste Kultstatte des M. in Koptos muB lich selbst mit dunkler oder gar schwarzer Haut- 



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farbe dargestellt (Petrie Koptos 176 Taf. 11 gegebene Hathor habe den Namen: ,das schone 

nr. 3. LD III 189 h = LDT V 141. 143. 145f. Horusauge*. Auch die in Achmim verehrte Gattin 

Prisse d'Avennes Histoire de Tart 6g. I des M., die Gottin Triphis, bedeutet ja das 

Taf. 16). Horusauge, das geraubt nnd wieder zurtick' 

Von der WiistenstraBe bei Koptos ansgehend, gebracht wurde (Junker Onurislegende 36. 86f , 
verbreitete sich seine Geltung als eines Beschtitzers 134. 143). Ein Text in der Pansgrotte (Junker 
der Wiistenreisenden auch auf viele andere Gegen- Onurislegende 90. Kees Recueil de travaux XXVI 
den. So finden sich solche Bitt- und Dankinschrif- Taf. 3) erwahnt: ,der Gott suchte sein Auge auf 
ten auch bei Achmim (Preisigke Sammelbuch diesem Augenschminke-Berg*; darunter mu6 ein 
286. 293; Recueil de travaux XI 149 nr. 4). Hier 10 Hohenzug verstanden sein, der in der NShe von 
gibt es seit der XVIII. Dynastie am Eande der Achmim lag. Femer erscheint unter den Titeln 
Wiiste eine Felsengrotte, die seinemKult geweiht des Hohenpriesters von Achmim auch der: ,der 
ist, von Lepsius ,Pan'Sgrotte* genannt (LDT das Horusauge sucht (oder findet)' (Erm an- 
il 163ff. Zu vergleichen auch Kees Felsheilig- Grapow Worterb. Ill 471. 469. LDT II 166 
tum des M. in Recueil de travaux XXXVI). Andere = Kees Recueil XXXVI 53f.). Daher spielt 
derartige Inschriften finden sich bei Redesije auch bei den Kulthandlungen im Dienst des M. 
(Baedeker Agypten^ 354. LD HI 141 a die "Uberreichung des Horusauges eine bedeutende 
[Hierogl.] und VI 81. SyU. or. 7Q. 72. 38 [griech.]) RoUe (Junker Onurislegende 88). Und wie 
und in der Nahe von Edfu; in ihnen (GIG Add. sonst bei der "Dberreichung des Horusauges Tanz^. 
4836 bff. 483 a usw.) wird M. als fvoSo?, liTT^Jptfoo?, 20 zeremonien tiblich sind (ebd. 100), so haben 
ocoxYiQ, TcvQiog augeiufen oder gepriesen. Hier auch in Achmim Tanze einen wesentlichen Be- 
mu6 es in der Spatzeit einen besonderen M.- slandteil des Kultes gebildet. Damit wird auch 
Tempel gegeben haben: ein Mann erhalt unter das Beiwort %0QBvx7ig zusammenhangen, dasAri- 
Ptolemaios Auletes den Auftrag avaTiad'aqai x6 stides (or. 41) dem Pan gibt. Dafi damit unser 
vbQevfxa x6 km xov Uavsiov nax^ 'A^coXXcovog noXiv M. gemeint ist, machen die haufigen Priestertitel 
(ebd. 4837). ,Tanzer des Gottes*, auch ,Tanzerin des Gottes^ 

Auch die groBe Bedeutung, die der Kult des sicher (Zusammenstellung: Lit. II 92. 113). 

M. besonders im Neuen Reich und in der Spat- Seit wann M. auch in dieser Mondeigenschaft 

zeit in Nubien genossen hat, hangt zum Teil gedacht wird, ist nicht zu sehen; der alteste Be-- 
mit der eben ausgefiihrten Eigenschaft des Gottes 30 leg ist die oben zitierte Inschrift aus der Pans-- 

zusammen. grotte: er gehort der XVIII. Dynastie an. Wenn 

SchlieBlich mag seine Eigenschaft als eines aber Kees (AZ LVII 131 mit Anm. 5) mit seiner 

Erretters aus Wtistennot auch dazu gefuhrt haben, Vermutung, das Hauptf est des M., das im ,Mon!d- 

da6 er spater einmal (Metternichstele 86f =<Lit. monat*, d. h. im Pachons, gefeiert wurde 

XI 90) als Heifer gegen SchlangenbiB angerufen (B r u g s c h Thesaurus 238f .), sei eigentlich ein 

wird, eine Gefahr, die ja gerade den Wtisten- Mondfest, Recht hat, dann miiBte M. schon ganz 

reisenden droht. friih im Alten Reich als Mond aufgefaBt sein; 

6. Der Mond gott. Mit keiner der bisher denn gerade in dieser Zeit wird das genannte 

behandelten Eigenschaften des M. scheint der Zug Fest sehr haufig angefiihrt. Allerdings gibt die 
in Verbindung zu stehen, der ihn als Mondgott 40 bis in die kleinsten Einzelheiten gehende Be- 

faBt. Wir milBten hochstens annehmen, daB seine schreibung dieses Festes, die Gauthier (Lit. I) 

Fassung als Sonnengott zu eng sei und er viel- gibt, nicht einen einzigen Zug, der auf den Mond- 

mehr als Hinamelsgott, dessen Macht sich nicht charakter des Gottes deutet. Gauthier erklart 

nur in der Sonne, sondern auch im Monde mani- daher ausdriicklich (17), das Fest habe weder 

f estiere, gefaBt werden mtisse, wie ja auch Horus, etwas Astronomisches an sich, noch habe es 

mit dem M. so friih zusammengebracht wurde, irgendwie mit dem Mond zu tun. Gehalten aber 

ein Himmelsgott war, dessen beide Augen Sonne hat sich diese Auffassung von M. bis in die aUer- 

und Mond bedeuteten. iSb formuliert Kees spateste Zeit; so sagt noch Stephanos von Byzanz 

(Opfertanz 128) das Wesen des M. Auch in einem (s. Ilavog noXig) bei der Beschreibung der Statue 
agyptischen Text treten Sonnen- und Mondeigen- 50 des M. : knaiQei dk fjidoxtyag xfj bs^iq, {slg} obXtj- 

schaft des M. nebeneinander auf (Livre de Tem- vriv, fjg eidcoXov (paoiv elvai xcw Ildva. 

baumement. Pap. Boulaq 3, 14, 4 = Lit. XI 304) : C. EntwicklungdesKultes. DaB M. 

,M. gibt den Glanz der Sonne im Osten und den zu den altesten Gottheiten zahlt, zeigen schon die 

Aufgang des Mondeig im Siiden.* Diese Mond- alten in Koptos gefundenen Statuen. Sie werden 

eigenschaft des M. laBt sich nun mit Sicherheit meist in vordynastische Zeit gesetzt (Lit. Vic 

auf Achmim lokalisieren; in Koptos finden: wir 493. V § 169 A. XI S. V. Steindorf f Aegyp* 

nichts davon. In Achmim wird M. ausdriicklich tiaca, Festschr. f. Ebers 130. 140). Petrie (Jour- 

als Mond bezeichnet (Pap. Boulaq 3, 12, 22 = nal of society of Arts 1901, 594) halt sie fiir 

Lit. XI 303; vgl. auch 3, 12, 19f. = Lit. XI 302). friihdynastisch, wahrend er sie anfangs (Petrie 
Auch in der Pansgrotte bei Achmim wird der 60 Koptos 7f.) ebenfalls fiir vordynastisch erklarte. 

Mond erwahnt (LDT II 169). Im Tempel des M. Auf jeden Fall aber kommen wir mit ihnen in 

selbst in dieser Stadt hat ein Bezirk den Namen ganz friihe Zeit zuriick. Aus der I. Dynastie gibt 

,Mondhaus* (IZ LXII 86. Gauthier BuU. d. der Palermostein das Fest ,Geburt des M.'. Auch 

Inst. X 1061 Petrie Athribis Taf. 78), Jun- die im Grabe des Chasechemui in Abydos gefun- 

k e r (Onurislegende 36) hebt hervor, daB eine dene Schieferplatte mit dem Bilde des M. (S. 435) 

Folge dieses Wesenszuges des M. es sei, daB auf ist ein Beleg fiir die alteste Verehrung, falls sie 

ihn auch die Horussage vom geraubten Auge wirklich aus der Zeit dieses Konigs stammt. Auch 

iibertragen sei; die dem M. in Achmim bei- die Tempelgeschichte von Koptos geht bis in das 



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Alte Reich zuriick. P e t r i e kaufte ein Stiick groBe Bedeutung des Gottes in dieser Zeit. In 

Alabastervase mit dem Namen des Chufu, das von diese Zwischenzeit f allt denn auch anscheinend 

Eingeborenen im Tempel von Koptos gefunden seine Gleichsetzung mit Horus; sie mag mit den 

war (Petrie Koptos 4 Taf. 21, 3). Aus der Zeit erneuten Beziehungen des M. zum oberagypti- 

der Konige Pepi 1. und Pepi 11. sind Reste eines schen Konigtum zusammenhangen. Dnrch sie 

Statuenthrones dort gefunden (ebd. S. 4 Taf. V hat Kult und Volksglaube an M. eine gewaltige 

7 und 8). Pepi II. hat in drei Erlassen die Pri- Erweiterung erfahren: kommt er doch so in 

vilegien des Tempels bestatigt (Weill Decrets engste Verbindung mit dem immer starker in 

royaux und dazu als notwendige Erganzung den Mittelpunkt des Volksempfindens tretenden 

Set he GGA 1912, 705ff.). Auch in Achmtm 10 Osiriskreis. In dessen Hauptort Abydos ist M. 

muB schon im Alton Reich ein Tempel des M. schon f riiher gekommen, aber erst durch seine 

bestanden haben, wenn auch direkte Belege nicht Verbindung mit M. beginnt er, in Abydos eine 

gefunden sind. Aber schon friih im Alton Reich wichtige RoUe zu spielen. Vom Ende der Xn. Dy- 

muB sich sein Kult weiter verbreitet haben; so nastie an wird er standig mit ,Horus dem Star- 

wohl schon nach Abydos, vor allem aber nach der ken* verbunden: aus dieser Zeit sind in Abydos 

Reichshauptstadt Memphis: das Fest ,Heraus- eine ganze Anzahl von Hymnen auf diese Doppel- 

kommen des M.' spielt in den Totentexten eine gottheit erhalten, die ohhe Zweifel im Kult weit- 

groBe RoUe (Lit. V § 220). Den Kult des M. von gehende Verwendung gefunden haben (vgl. Selim 

Sakkarah erwahnt auch ein demotischer Papyrus Hassan Hymnes relig., Publications du Ser- 

(Kairo Cat. gen. 31 168; vgl. Brugsch Diet. 20 vice des Antiq. 1930 und als notwendige Ergan- 

geogr. 758). Personennamen mitM. sind sehr haufig zung dazu Gauthier Bull, de Tlnst. fran^. 

(Hoffmann Die theophoren Personennamem d'archeol. orient. XXX). Die Gleichsetzung des 

des Alten Agyptens), vor alien Dingen aber sind M. mit Horus hat sich riickwirkend auch auf 

die Priesteramter des M. regelmaBig in den Han- seine alten Hauptkultorte erstreckt, vor allem auf 

den ganz hochgestellter Personen (Prinzen und Koptos, fiir das die Hineinnahme der Isis in der 

deren Nachkommen. Ke es AZ LVII 131. Voll- Zukunft entscheidende Bedeutung bekommen 

standige Liste der Priester bei Gauthier soUte. 

Lit. II). In den Resten des Sonnenheiligtums des Weniger im kultisehen Sinne, desto starker 
Ne-woser-Re aus der V. Dynastie haben sich eine aber im theologischen Sinne ist fiir M. die eben- 
Erwahnung des M.-Festes und eine Darstellung 30 falls im Beginn desi Mittleren Reiches erfolgte 
des Gottes gefunden (K e e & Die groBe Festdar- Gleichsetzung mit dem Sonnengotte R^ geworden. 
stellung zu B i s s i n g Das Re-Heiligtum des Sie wird, wie schon bemerkt (S. 438) auf Heliopolis 
Ne-woser-Re frg. 482 und 197. S. 52 und 29). zuriickzufiihren sein, scheint aber nicht tiber den 
Welche Bedeutung der M.-Kult in Memphis hat, in dieser Zeit ebenfalls sowohl dem M. wie dem 
laBt sich noch daraus ersehen, daB der dortige Re gleichgesetzten Amon vor sich gegangen zu 
Kult auch nach anderen Orten ausgestrahlt ist: sein (vgl. dazu Kees AZ LVI 131. Brugsch 
Kees weist darauf hin, daB der Kult des M. in Religion und Mythologie 675). 
Abydos in einer Kapelle des groBen Tempels vor Denn Amon ist die dritte Gottheit, mit der M. 
sich ging, die ausschlieBlich memphitischen Got- etwa um die gleiche Zeit identiJBiziert wurde; und 
tern, besonders dem Nefertem, geweiht war 40 diese Identifizierung ist fiir alle Folgezeit fiir M. 
(Saal V, vgl. M a r i e 1 1 e Abydos I 39 a. Zip- von der entscheidendsten Bedeutung gewesen. 
pert Der Gedachtnistempel Sethos I. zu Aby- Tritt doch gerade jetzt Amon seinen entscheiden- 
dos § 264). Ferner sehen wir schon (S. 441), den Siegeszug in Kult und Volksempfinden vom 
wie eine gaoaz speziell memphitische Form des kleinen, bisher so gut wie unbekannten Lokalgott 
Gottes, der M. des Ptah-Snofu, in Abydos Ein- zum alles beherrschenden, spater geradezu mono- 
gang gefunden hat. In ptolemaischer Zeit noch theistisch gedachten Reichsgott an. In diesen 
wird M. sogar mit der Vereinigung der beiden Siegeszug wird nun M. mit hineingenommen. Und 
Lander, die in Memphis vor sich gegangen ist, dabei ist dasdas Merkwiirdigste: M. ist bei dieser 
in Verbindung gebracht (Rochemonteix Identifizierung durchaus der Gebende, Amon der 
Edfou I 394). 50 Empfangende. Sethe hat (Lit. VII 19ff.) im 
In der Zeit zwischen dem Alten und dem einzelnen dargelegt, was aUes Amon schon in dieser 
Mittleren Reich muB der Kult des M. einen sehr Zeit von M. entlehnt hat: die Federkrone, die 
starken Auftrieb erfahren haben, indem sein Kult ithyphallische Darstellung, eine Ftille von Bei- 
wiederum in ganz enge Verbindung zum Konig- worten,vielleicht sogar dais des ,K6nigs der Got- 
tum trat (vgl. S. 437). Sethe weist darauf hin, ter', das ktinftig das wichtigste Pradikat des 
daB in dieser Zeit 'auch mehrere Konigsnamen mit neuen Gottes wurde, eine Fiille von Kultsymbolen, 
dem Namen des M. gebildet sind. Von mehreren Kulthandlungen, Festzeremonien usw. (zu vgl. 
Konigen dieser Zwischenzeit sind Erlasse erhalten auch Lit. I 132f. 136f.). Ja, haufig wird dieser 
(Weill Decrets royaux und Sethe, vgl. S. 437) neuen Form des Amon als Gattin ,Isis, die Got- 
mit Dorf- und Giiterschenkungen an den Tempel 60 tesmutter' beigegeben, die wir in Koptos als Ge- 
des M. in Koptos und anderen Verordnungen zu- nossin des M. kennengelernt haben (vgl. S. 442). 
gunsten des M.; in einem dieser Erlasse finden DaB diese Gleichsetzung des M. mit Amon in 
wir den hochsten Beamten des Landes, den Ve- Theben vor sich gegiamgen ist, darii'ber kann kein 
zier: er ist zugleich Gauvorsteher des Gaues von Zweifel herrschen. Sethe weist auf die un- 
Koptos und Oberpriester des M. Auch daB der mittelbare Nachbarschaft des Gaues von Koptos 
Tempel in Koptos, wie aus den genannten De- mit dem von Theben hin; doch mag neben diesem 
kreten hervorgeht, gegen jede Anforderung selbst ortlichen Grunde auch die Beziehung des M. zum 
koniglicher Behorden geschutzt wird, zeigt die Konigtum, die gerade in der Zeit vor Beginn des 



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Mittkren Belches wieder neu gekniipft war, da- gesetzt wird, oder mit dem andieren Namen 

zu beigetragen haben, <dafi der Gott, der nunmehr wechselt. Das ist besonders deutlich in Redestje 

zum typischen Eonigsgott wurde, nach dem Vor- (LD III 141 a), wo in ^in- und derselben Darstel- 

bilde des alteren geformt wurde. Moglich ist lung der Gott selbst als Amon-E^ bezeichnet wird, 

anch, daB die beiden Gotter dieser benachbarten der diesem Gott gegentiberstehende Konig aber 

Gaue urverwandt gewesen sind (Lit. VI a 73 und den Gott als Min-Amor-Ee anredet. Auch die zahl- 

17. V§ 180. 186. 275). IS e t h e weist auf einen reichen griechischen Graffiti von Redesije be- 

Pyramidentext (§ 1712) bin, wo in dem Parallel- nutzen durchweg den Namen 11 dv, nicbt aber 

texte zum Namen des M. eine zerstorte Form 'Af^f^cov zur Bezeichnung des dort verehrten Got- 
eines Gottesnamens mit Vorschlag-t stand, die 10 tes (Syll. or. 70. 72. 38. LD VI 81). 

Sethe in seiner Ausgabe der Pyramidentexte wohl Im Neuen Reich ist vor allem in Theben M. 

mit Recht zu Imu erganzt hat; freilich sieht er in und die ithyphaUische Form des Amon (Amon- 

diesem Gott nicht den mit denselben Konsonan- R^) ebendieselbe Person; das zeigt sich in dem 

ten geschriebenen Amon (vokalisiert Amun), son- bun ten Wechsel der Namensbezeichnung dieser 

dern eine altere Form des M. (vokalisiert Amm), Gottheit. So wechseln in Medinet-Habu im Tem- 

auf jeden Fall aber ist — besonders in Hinsicht pel Ramses' III. ohne Grund die Bezeichnungen 

auf die friihe Gleichsetzung dieser beiden Gotter Min-Kamephis (auch mit dem Zusatz: ,Gotter- 

— diese Namensahnlichkeit trotz der versehie- konig*), Min-Ee, Amon-Ee, Amon-E^ kamephis, 

denen Vokalisation auffaUend. AUerdings, wenn Amon kamephis usw. (LD III 212f. IDT III 183. 
diese Urverwandtschaft des M. mit Amon wirk- 20 185. IZ LII 66. Champ olli on Monum. 

lich Tatsache sein soUte, dann mtiBte Sethes 209—^214). Ahnliche Falle lassen sich an fast 

Annahme von der Herkunft des Gottes Amon aus alien anderen Tempeln Thebens nachweisen: in 

Hermopolis falsch sein (-vgl. Lit. VII). Ga.u- Karnak (LDT III 16), in Luxor (Sethe Urkun- 

thier (Lit. I 139) weist sie daher auch zuriick den der XVIII. Dynastie 1031), in Gurna (LDT 

und halt Amon von Ursprung an fiir einen the- III 90). Ebenso wird auf einer Stele der XVIII. Dy- 

banischen M. nastie der ithyphaUische Gott, dessen Priester 

Dieser VerschmelzungsprozeB muB ebenfalls der Inhaber dieser Stele ist, bald als Amon, bald 

schon vor dem Mittleren Reiche oder ganz zu Be- als Amon^M., bald nur als M. bezeichnet (Sethe 

ginn dieser Zeit erfolgt sein; denn schon in der Urkunden der XVIII. Dynastie 1031. Mo ret 
XI. Dynastie finden wir diese neue Form des 30 Revue eg. N. P. I 1). Am deutlichsten wird dies, 

Gottes in Konosso in Nubien (LD II 150 a. b. Zu wenn man die Gottesbezeichnungen bei denselben 

der Bestimmung des dort genannten Konigs vgl. Pestzeremonien in den verschiedenen Texten ver- 

Lit. V § 277 A). In Karnak baut Sesostris I. gleicht: 

diesem neuen Gott eine Kapelle, deren Telle 1 , Jmow-i?^ in Luxor (G a y e t Louxor Taf . 10) 

jtingst von Chevrier aus verbauten Resten =: Min-Amon-E^ in Dendera (Lanzone 

zusanmiengestellt sind (Annales du Serv. XXVIII Dizionario III Taf . 334 und M a r i e 1 1 e 

196ff. u. Taf. 4). Gegen Ende des Mittleren Rei- Denderah I Taf. 23) =; ,M. von Koptos* in 

ches finden wir diesen Gott mit der Bezeichnung Karnak (W. M. M ti 1 1 e r Egypt. Researches 

Min- Amon in einem liturgischen Lied auf M., in 1904 Taf. 42). 

dem dieser im iibrigen ganz im abydenischen Stil 40 2. Amon-E^ in Luxor (G a y e t Taf. 46. 54f.) 

dem Horus gleichgesetzt ist (Lange E. liturg. = M. in Medinet-Habu, LD III 21 2f.) == 

Lied auf M., S.-Ber. Akad. Berl. 1927, XXVHI). Min-Amon-Ee in Karnak (LD IV 12 a = 

War anfangs M. bei dieser Gleichsetzung der LDT III 55). 

Gebende gewesen, so dreht natiirlich spater, als 3. Amon-Ee in Karnak (LD III 143 d) und in 

Amon der alles beherrschende Gott geworden ist, Medinet-Habu (K e e s AZ LII 66) = M. im 

Priesterauffassung die fSacheum: nun ist es Amon, Ramesseum (LD III 162ff.). 

der von Urzeit an auch schon in Koptos gesessen Im Durchschnitt scheint bei den Festen des 

hat (Recueil de travaux XXXII 69 nr. 36. 43. 53. M. die Bezeichnung des Gottes mit diesem Namen 

Lit. Via 97). in Theben vorzuwiegen (so in Medinet-Habu 

Im Neuen Reich ist der Befund derart, daB 50 [LD IE 212ff.], in Karnak [W. M. M tiller, 

diese ithyphaUische Form des Amon mit den dem oben], im Ramesseum [LD III 162ff.]), nur in 

M. entlehnten Beiworten und Zeremonien, meist Luxor ist auch hier der Ersatz durch den Namen 

auch mit Isis als Gattin, in keinem der zahl- Amon-E$ Regel. In den Szenen des gewohnlichen 

reichen Tempel der Ost- und Westseite Thebens Kultes aber ist die alte Bezeichnung im Schwin- 

fehlt, doch zumeist so, daB der Name des M. den. Erst in ptolemaischer Zeit scheint sich M. 

nicht einmal mehr genannt wird. So hatte diese wieder in starkerem Mafie von Amon (und Amon- 

Erweiterung des Kultbereiches des M. leicht da- Ee) freizumachen. 

hin fiihren konnen, daB M. voUig in dem iiber- Auf aU die vielen Einzelformen und Kulte des 

ragenden Amon aufging, wenn nicht dem BewuBt- M. in Theben einzugehen, ist natiirlich nicht 
sein der Agypter M. immer noch als das eigent- 60 Raum; nur eine Sonderform in Medinet-Habu 

liche Vorbild vorgeschwebt hatte und M. an (,M., der inmitten der Widdersphinxe' bei Lit. 

anderen Orten, so vor allem in Achmim, aber auch VII 24, 4) soil erwahnt werden. 

in Koptos, obwohl Amon auch hier eindrang. Die Gleichsetzung des M. mit dem neuauf- 

noch in seiner alten unvermischten Form verehrt kommenden Amon, die dem M. in Theben Eingang 

ware. DaB aber der Igypter in dem ithyphalli- verschafft hat, wirkt aber auch auf die alten 

schen Amon immer noch M. erkennt, zeigt die Kultorte des M. selbst zuriick: In der Zeit Thut- 

Tatsache, daB noch aUe Zeit hindurch sehr oft mo sis' III. heiBt eine Tiire im M.-Tempel zu 

zum Namen Amon oder Amon-Re noch M. hinzu- Koptos: ,Amon, der in seinem Denkmal glanzt' 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 15 



451 Min Min 462 

(Petrie Koptos 13 ==? Taf. 13); derselbe Konig Auch hkr ist er nicht mehr mit Amon verbun- 

betet Amon-Re in Koptos an (LDT 11 256). Auf den. Ebensowenig in Kalabcheh: GauthierLe 

direkte Kultbeziehungen zwischen Theben und Temple de Kalabcheh Taf. 55 a (S. 162). Taf. 76 b 

Koptos weist hin, da6 der Hohepriester von The- (S. 217). 

ben im M.-Tempel von Koptos eine Weihnng vor- Die Bedeutung, die der Kult des M. noch in 

nimmt (Petrie Koptos 16). In der Kaiserzeit der spatesten Zeit in Nubien nnd noch weiter 

wird hier ein Tempel fiir Isis und Amon gebaut siidlich gehabt hat, geht auch aus klassischen 

(LDT II 256). In Achmim treffen wir schon in Schriftstellern hervor; besonders sei er bei den 

der XVIII. Dynastie in der Felsengrotte (LDT 11 Blemmyern und Nabataeern verehrt worden (Pro- 

164 = LD III 114 a — d) Amon-R^ neben M. an; 10 cop. bell. Pers. I 19': ^al ovx rfHiord ye tov TlQia' 

auch erscheint hier unter dem Namen Amon eine nov) und im Gebiet des aethiopischen Reiehes 

auch sonst noch vorkommende Form des M. (halb von Meroe (Diod. Ill 9. Strab. XVII 822). Aus 

als Vogel, halb die gewohnte ithyphallische Ge- dieser stidlichsten Gegend agyptischen Einflusses 

stalt: LDT 11 165, vgl. LDT II 242). Selbst in sind mir ithyphallische Darstellungen des M. 

das Wiistental von Hammamat dringt in der oder Amon in Begerauie und Naga bekannt (LDT 

XIX. Dynastie Amon ein, sowohl in seiner ge- V 297. 342). 

wohnlichen thebanischen Form mit seinen lib- Wir sind damit schon in die jiingsten Zeiten 

lichen Beinamen (Couyat et Montet Les in- Agyptens gekommen. Schon im Ausgange des 

scriptions hi^rogl. et hi6rat. du Ou^di H. 43. 45. Neuen Reiehes und in der Spatzeit konnen wir 

61. 69. 105. 110. Taf. 8. 9. 17. 23. 40 [bis]. 45) 20 wohl den Kult des M. in alien wichtigen Teilen 

als auch mit dem Kopf seines Tieres, des heiligen Agyptens teils nachweisen, teils ohne weiteres 

Widders (ebd. 64. 115. Taf. 19). annehmen. Nur einige wenige Hinweise auf wich- 

Das deutlichste Beispiel fiir den Aufsehwung, tigere Kultstatten, die bisher noch nicht erwahnt 

den der M.-Kult durch seine Vereinigung mit dem sind, soUen hier noch gegeben werden: 1. In 

Reichsgott Amon erhielt, scheint mir in den Esneh, wo ein M.-Fest im Tempelkalender er- 

nubischen Tempeln vorzuliegen. In Nubien hat scheint, gait er als Sohn des dort verehrten Haupt- 

sich ja vom Mittleren Reich an der Kult des gottes Chnum (Nachweise bei Lit. I Iff.). 2. Ein 

Amon ganz besonders ausgebreitet; hierhin hat besonders wichtiger Kult mu6 der in Sais ge- 

er nun die M.-Gestalt und seine Beiworte, aber wesen sein (Belege: Lit. I 31 f.); fur die Bedeii- 

auch den Namen des M. mitgenommen. Schon zu 30 tung des dortigen M.-Kultus spricht die Beob- 

Beginn dieser Zeitperiode kommt die ithyphal- achtung, da6 in dem ganz weit im Stiden Ober- 

lische Form des Ainon nach Konosso (LDT IV agyptens gelegenen Esneh ein Fest des ,M., des 

129f. =: LD II 150 c.b; vgl. LD II 151 h.f., Herrn von Sais* gefeiert wird. 3. Von einem 

vom Ende dieser Zeit). Vor allem aber ist es die Panheiligtum in Alexandrien berichtet Strabo 

Zeit der Bliite des Neuen Reiehes, die XVHI. und (795) im Serapeumsgebiet, dessen Beschreibung 

XIX. Dynastie, in der M. — meist in der Be- (Udvsiov, vxpog ti xstQonoirixw otQopdoeideg if/,- 

zeichnung Amon — , begleitet von seiner Mutter q>s^sg o^'d'cp (nsr^coSsi dia noxklov rrjv dvdpaoiv 

= Gattin Isis in die nubischen Orte gekommen sxov) geradezu die Erinnerung an jenes uralte 

ist, so nach Ouadi es Sebota (Amon-M. oder Heiligtum des M. heraufbeschwort, tiber das 

Amon-R^: Gauthier Le temple de Ou. e. S. 40 schon fruher (S. 444) ausfiihrlich gesprochen 

Taf. 25 a. 64 a. Q. = S. 73. 234. 175. LDT V wurde. DaB wir bei dem von Strabon erwahnten 

89), nach Derr (Amon R6: Blackmann The Pan-Tempel wirklich den Tempel eines agyp- 

temple of D. 44 = Taf. 33), nach Abu Simbel tischen Gottes, nicht etwa den des griechischen 

(M.-Amon, aber auch M. allein: LDT 141. 143. Pan zu verstehen haben, ist durch die Lage im 

1451 154. 157 — 161), nach Soleb (LDT V 238), agyptischen Stadtteil NeKQonoXig beim Serapeum 

nach Nagah (LDT V 143). ^ schon an sich wahrscheinlich, wird aber doch noch 

Doch finden wir auch schon in dieser Zeit in ausdrticklich durch zwei im Serapeum zu Ale- 

einzelnen nubischen Orten die alte, noch nicht xandrien gefundene Stolen (Breccia Annales 

mit Amon gleichgesetzte Form des M. von Koptos du Service des Antiq. VIII 65f. Lit. II 98) be- 

wieder, so in Elesieh (LDT V 11 IS.) und in Ibrim 50 statigt, auf denen ein Schreiber des ,M. des Herrn 

(LDT V 129). In ptolemaischer Zeit erscheint M. vom Serapeum* erwahnt wird. 

in Verbindung mit Amon auch in Assu^n (De In der Spatzeit, wohl unter den Persern, 

Morgan Catal. des monum. de la frontiere h kommt eine ganz besondere Form des M. (Amon) 

Kom Ombo I 51. Mariette Monum. div. 24), auf, die nach den zahlreichen Belegen eine ge- 

sonst aber ist in Nubien in dieser Zeit die Ver- wisse Bedeutung gehabt haben mu6, ohne dafi es 

bindung mit Amon wieder geschwunden. Das ist mir moglich ist, ihr Wesen zu erklaren. Es sind 

die gleiche Entwicklung, wie wir sie bereits in dies Darstellungen des Gottes, bei denen aus 

Theben (S. 450) beobachtet haben: M. hat sich einer Art von liegendem Sack, der sich nach hinten 

wieder von Amon gelost: so in Philae (vielfach hochwolbt, der mit der Doppelfederkrone ge- 

auf den Photos der Nubischen Expedition der 60 schmuckte Kopf des Gottes herauskommt. Die 

Berliner Akademie, femer LDT IV 142); iibrigens Belege stammen alle aus der Zeit der Perser oder 

muB er in dieser Zeit auch in dem der Insel Ptolemaer (D a r e s s y hat tiber diese Formen 

Philae gegenuberliegenden Osirisheiligtum Aba- eine besondere Abhandlung unter dem Titel Une 

ton verehrt sein; das zeigt der Beiname ,Herr nouvelle forme d'Amon verfaBt in Annales du 

des Abaton*, unter dem M. in den nubischen Service des antiquit^s IX [1908] 64f. Dazu: 

Orten Deb6t und Dakkeh verehrt ist (IZ LXIII Couyat et Montet Les inscriptions hi^rogl. 

Taf. 5. LDT V 67. Roeder Deb6t bis Bab et hierat. du Ouadi Hammamat nr. 58 [S. 54 

Kalabcheh Taf. 29 (§ 204). Taf. 104 (§ 206]. Taf. 15] und nr. 106 [S. 74 Taf. 27]. Dort auch 



453 Min Min 454 

gute Abbildung^n. Dazu auch Lit. VII § 28). Das wird diese Stadt allgem'ein als Hauptkultort des 

Ganze, reich ausgeschmiickt, ruht auf einem trag- M. angesehen und M. meist mit dem Beinamen 

baren Tempelchen, war also fiir den Prozessions- ,der von Koptos' bezeichn^t (zu dem Namen der 

gebranch bestimmt. Daressy sieht darin eine Stadt vgl. Erman-Grapow Worterb. V 163. 

Form des Amon, der nach seinem Tode (er sei in S p i e g e 1 b e r g Eopt. Handworterbuch 296; 

dem Sack verborgen) als Gott Chons neu auf- iiber die Lage nsw.: Bae deker Agypten^ 225). 

erstehe; er bringt namlich diese Art Sack in Be- Wenn auch naturgemajB alle die vorher genannten 

ziehung zu dem Namen des Chons, als dessen Wesensarten des M. in Koptos Eingang gefunden 

Symbol ein ahnliches Zeichen gelte, und dessen haben, so scheint es doeh im wesentlichen seine 
Name von dem Verb chenes (,verwesen*) komme. 10 Eigenschaft als Konigsgott zu sein, die historisch 

Darin steeken mehrere Irrtiimer: Der Name des mit dieser Stadt verbunden ist. So erklart es sich 

Gottes Chons kommt nicht von dem Worte fiir auch, daB seine Verbindung mit dem Konigs- und 

,verwesenS das vielmehr c/iewesc/i lautet (Erman- Kriegsgott Horus gerade den Kult in Koptos 

Grapow Worterb. Ill 301); wenigstens glaube stark beeinflufit hat. Nunmehr wird in dieser 

ich, daB Daressy an dieses Wort idenkt; danli Stadt und im Tempel des M. eine Dreibeit ver- 

scheint dieses sackartige Gebilde nicht ein Symbol ehrt, die aus M., Isis und Horus besteht (vgl. 

dieses Gottes zu sein. AUerdings hat es eine ge- S. 442). Sie erscheint schon im Mittleren Reich 

wisse Ahnlichkeit mit dem oben besprochenen (Lit. VI b 630. VI c 565), wird aber erst im Neuen 

Gebilde: es wird auf einer Stange getragen und Reich die ubliche Kultgenossenschaft in Koptos 
ist eine Art Standarte oder Kultsymbol (Erman- 20 (vgl. auch Lit. 11 17. 20). Der Tempel, der in 

Grapow Worterb. EI 300). Doch hilft uns ptolemaischer Zeit gebaut wird, hat drei Ein- 

auch das nicht weiter. Ferner verweist Daressy gauge, fiir jeden Gott dieser Triade einen beson- 

auf die Beschreibung des Kultbildes des luppiter deren (Petri^e Koptos 18 Taf. 22, 1. 2). Auch 

Amon in der Oase Siwah (Curt. IV 7, 23): id, in der groBen Weihinschrift des Philadelphos 

quod pro deo colitur, non eandem efRgiem hahet, werden diese drei Gotter als Inhaber des Tempels 

quam vulgo dis artifices accommodavere: um- angerufen (ebd. 19 Taf. 20); ebenso in der demo- 

hilico maxime similis est habitus, smaragdo et tischen Insehrift des Parthenios (AZ LI 83 

gemmis coagmentatus. Diese Schilderung konnte 21. lOf.). Doch tritt M. in griechischer Zeit stark 

allerdings wirklich die oben geschilderte Form zuriick, so daB eine griechische Insehrift (Catalog, 
des M. (Amon) wiedergeben. Leider sind agyp- 30 General du Musee du Cairo. Milne Greek in- 

tische Inschriften und Darstellungein aus der scriptions 29) bei der Aufzahlung der drei Gott- 

Oase Siwah nur in ganz geringer Zahl und nur heiten Ilav erst an letzter Stelle nennt. Denn in- 

ganz unzureichend veroffentlicht. Ich habe nur an zwischen ist ja der Isiskult der aUes iiberragende 

einer SteUe (Jomard Voyage de Syouah Taf. 14) Kult in ganz Agypten geworden, der auch in 

gefunden, daB im Tempel von 0mm Beydah der Anschauung des Auslandes geradezu Agypten 

(Baedekor Agypten^ 393) neben anderen Gott- reprasentiert; er hat also auch in Koptos den 

heiten M. verehrt wird. Im Haupttempel der alten M.-Kult voUig in den Schatten gestellt. Das 

Oase findet sich unter den wenigen Resten M. zeigen ganz deutlich die demotischen und grie- 

nicht (AZ LXIX 17ff.; wenn der dort auf S. 23 chischen Urkunden aus Koptos aus der Zeit des 

abgebildete Omphalos aus Napata wirklich ein 40 Parthenios (AZ LI 75ff. XLI 42. Annales du Ser- 

Nachbild des Omphalos von Siwah ist, dann ist vice XII Iff.). Koptos ist geradezu einer der 

nattirlich meine oben ausgesprochene Vermutung wichtigsten Kultorte dieser Gottin geworden. 

von der Ahnlichkeit des sackartigen M.-Symbols Schon Ramses 11. bezeichnet einmal Koptos 

mit diesem Omphalos irrig). Auch in den ande- (Petrie Koptos 15 Taf. 19, 1) geradezu als 

ren Oasen muB der Kult des Amon-M. eine RoUe ,deine* (d. h. der Isis) ,Stadt*. Doch gilt offiziell 

gespielt haben; iiberliefert ist er noch aus Char- der .Tempel bis in die spateste Zeit hinein immer 

geh (Brugsch Reise nach der Gr. Oase Gh. Taf 10). noch als Tempel des M. (Annales du Service XII 

DaB aber die oben geschilderte Form dieses 15 aus der Zeit Neros). Doch hat sich M. gewisser- 

Gottes nicht etwa nur dem Amon gehort, son- maBen aufgespalten: einerseits ist er in Koptos 

dern auch dem (mit Amon identifizierten) M,, 50 so stark mit Horus verschmolzen, daB er von den 

zeigen die Beischriften (so bei C o u y a t et Klassikern geradezu als ^Qgog oder 'AnolXayv be- 

Montet nr. 58 und 106 und Annales du Service zeichnet wird (vgl. S. 441f.) und die offizielle 

III Taf. 2 S. 143f.). LJste bei Brugsch (Religion u. Mythologie 

D. DieHauptkultorte. Nach den vielen 1358ff.) den Gott geradezu als ,Hr, der identisch 

Erwahnungen von Kultorten im vorhergehenden ist mit M.* bezeichnet, andererseits ist er wieder 

eriibrigt sich eine zusammenfassende Aufzahlung dem Vater des Horus Osiris gleichgesetzt (vgl. 

aller bekannten Kultstatten des M., zumal das S. 442); das entspricht ja auch dem eigentlichen 

Material eine befriedigende Darstellung nicht er- Wesen dieser Dreiheit. Somit ist es erklarlich, 

moglicht. Nur von den beiden Hauptkultorten daB sich auch in Koptos der Kult des Osiris 

Koptos und Achmim muB in Erganzung der 60 selbst findet (Petrie Koptos 16. 19 [Taf. 20]. 

vielen schon angefuhrten Einzelheiten noch eine 21). Auch den Kult des Amon trifft man ge- 

knappe Zusammenstellung des Wesentlichen ge- legentlich in Koptos, vor allem in der Zeit der 

geben werden. XVIILDynastie: ThutmosisIH. betet vor Amon- 

I. Koptos. Wir sehen schon, daB M. in l?g (LDT II 256); eine Tur aus der Zeit desselben 

Koptos als Urgott nicht in Frage kommt, sondern Konigs ist mit dem Namen des Amon bezeichnet 

sich iiber das dort ursprtinglich verehrte Briider- (Petrie Koptos 13f. Taf. 14ff.). Auch in spa- 

paar gelegt hat (vgl. S. 435), mit deren Zeichen der terer Zeit scheint der Kult des Amon fortzu- 

Gau symbolisiert wird. In historischer Zeit aber dauern (LDT H 257). 



465 Min Min 456 

Das Heiligtum des M. in Koptos im einzelnen dieses Kultortes des M. ist Ipw (E r m a n - G r a- 
zu beschreiben, die agyptischen Bezeichnungen pow Worterb. I 69); erst unter dem Einflusse 
seiner einzelnen Teile anzugeben und seine Ent- des M,-Kultes tritt mit der Zeit an die Stella 
wicklung zu verfolgen, ist hier nicht der Raum dieses Namens ein auf M. beziiglicher: Ghente- 
(ich. verweise nur auf die Materialsammlung und Min (Brugsch Dictionn. g^ogr, 19 und 1075. 
den Plan in P e t r i e's Koptos, besonders Taf. 1, Baedek^ar Igypten^ 222). "Bber den Namen 
vgl. auch Kees AZ LVII 130 und Lit. I 123f.). der Stadt und fiber andere Orte dieses Gaues 
Mit dem Heiligtum mu6 eine besondere Anlage haben ausfiihrlich gehandelt S'piegelberg 
verbunden gewesen sein, die agyptisch als chetiu (Recueil de travaux XXVI 163). Kees (IZ LVII 
(=: ,Treppe, Terrasse*, Erman-GrapowlO 128). S c h a r f f (IZ LXII 92), vor allem aber 
Worterbucb III 348f. Brugsch Religion u. Gauthier (Bull, de I'lnst. d'archeol. or. IV 
Mythologie 1358ff. Petrie Koptos 19 Taf.20) 39ff. X 89ff. XI 49ff.), Griechisch erseheint der 
und die standig in dem M.-Titel: ,der a^uf seinem Name als Xefjifxig (Herodot. 11 91, wohl auch 
chetiu' ^ auftritt. Gauthier scheidet dabei zwei Plut. de Iside c. 14; zwar ist hier nicht deutlich, 
verschiedene chetiu : 1. die nach dem Wiisten- ob nicht das unteragyptische -Xe/^^e? [Erman- 
rande terrassenformig aufsteigende Landschaft Grapow Worterb. I 13] gemeint ist; doch 
bei Koptos, die zur Anlage von Garten benutzt scheint mir die gleich darauf f olgende Erwahnung 
sei (Lit. I 2311; dazu zu vgl. Erman-Gra- von Koptos doch auf den M.-Kultort Mnzu- 
pow Worterb, III 349: chetiu-hesep) und ein weisen) und als Xefjifjicb (Diod. I 18, wo dietlber- 
Gestell, auf das die Kultstatue des Gottes bei den 20 setzung Ilavbg jtoXig deutlich zeigt, dafi Achmim 
Prozessionen gesetzt wurde (Lit. HI, vgl. noch gemeint ist). Im Koptischen entwickelt sich 
Lit. n 31). Diese Feststellung Gauthiers dieser Name zu ^MW (Spiegelberg Kopt. 
ist ohne Zweifel richtig, aber sicher zu eng Handworterb. 299), woraus dann das arabische 
gefaBt: im Tempel in Koptos selbst mu6 eine Achmim geworden ist, womit heute noch die 
feste Anlage gewesen sein, auf der die Kult- Stadt bezeichnet wird. In griechischer tJber- 
statue ftir gewohnlich stand; sie wurde dann setzung lautet der Name der Stadt Ilavbg nohg 
aus leichterem Material bei den Prozessionen je- (Diod. I 18. Steph. Byz. s. v.), aber auch Uavwv 
weilig hingestellt, wenn die Statue des Gottes noXig (Strab. 813). DaB damit trotz der Plural- 
abgesetzt werden soUte; in der Spatzeit scheint form von Pan unsere Stadt gemeint ist, zeigt die 
es sogar zu einer eigenen Bauanlage erweitert 30 Erwahnung, diese Stadt sei durch ihre Leinen- 
zu sein; denn es wird von den ,Stieren des weberei benihmt, was durch die Bemerkung von 
chetiu' gesprochen, wobei das Wort mit dem Gauthier (Bull, de I'lnst. IV 62; vgl. auch 
Deutzeichen fiir Haus determiniert ist (Lit. II 56). L e f e b v r e Proceedings of Bibl. archeol. 1886, 
Zu dem Tempel gehorten dann noch Pelder (oder Juni) ftir einen Stadtbezirk von Achmim aus agyp- 
Garten), die mit hesep bezeichnet werden (vgl. tischen Quellen bestatigt wird. Ubrigens taucht 
S. 436). Der Tempelbesitz mu6 recht betracht- gelegentlich auch in der agyptischen tlberliefe- 
lich gewesen sein, wenn man die groBe Zahl der rung eine Mehrzahl von M.-Gestalten in Achmim 
Titel von Sehreibem, Intendanten usw. ansieht, auf: so werden in der Felsgrotte (LDT II 165 = 
die Gauthier auffiihrt (Lit. II 123). Durch Kees Recueil de travaux XXXVI 51ff.) einmal 5, 
ein Dekret Antefs X. wird bei der Achtung eines 40 ein anderes Mai 15 M. angefiihrt. Und auch Plu- 
hohen Beamten ausdriicklich sein Grundbesitz tarch (de Iside c. 14) spricht von einer Mehrzahl 
dem M. von Koptos zugeeignet (Petrie Koptos von Panen und Satym in Chemmis. Lateinisch 
Taf . 6f. zu dem Konig, dessen Numerierung sehr erscheint fiir den Namen der Stadt die zusam- 
schwankt, vgl. Lit. V 302. 309 mit Anm.; dazu mengezogene Form Panopolis (Nigid. Figul. 
noch Nachtrage S. XIX). SchlieBlich muB auch Sphaera Gr. 87), die im Itinerarium Antonini 
noch wie in Achmim so auch in Koptos eine (§ 166, 3) zu Fano verkiirzt wird. 
Felsenkapelle zum Kulte des M. verwendet sein DaB M. urspriinglich nicht der Gott dieser 
(Brugsch Geographic 831). Im Tempel desM. Stadt gewesen ist, sondern des ganzen Guues, 
selbst befanden sich drei Prozessionsbecken, auf sahen wir schon frtiher (S. 435. 440). Ob auch hier 
denen die drei Gotter der Triade bei Prozes- 50 die urspriingliche Kultstatte in einer Felsgrotte 
sionen einhergefiihrt wurden (Petrie Koptos gelegen hat, wie es von Koptos angenommen wird, 
15f. Taf. 19, 1. Couyat und Montet Les ist nicht bekannt; jedenfalls aber hing die An- 
inscriptions . . . du Ou^di Hammamat Taf. 27. schauung von seinem Kult in einer solchen Grotte 
Lit. Vn 21). Die Titel der Priester und Prie- so eng mit dem Begriff des Gottes zusammen, daB 
sterinnen, vor allem eine Liste aller uns bekann- in der XVIII. Dynastie fiir seinen Kult in der 
ten Hohenpriester von Koptos, die im Alten (?) Nahe von Achmim eine Felsengrotte angelegt 
undMittleren Reich zugleichNomarchen des Gaues wurde (LDT 11 163ff. Kees Recueil de travaux 
gewesen zu sein scheinen, gibt Gauthier (Lit. XXXV 5 Iff.). Sein Hauptheiligtum aber bleibt 
n 15f. 21ff.). Die in Koptos gefeierten M.-Feste immer noch der groBe Tempel in der Stadt selbst 
flihrt Gauthier im Anfang seiner groBen Fest- 60 (LDT II 164. 166). Zu ihm gehort auch in Ach- 
beschreibung (Lit. I 2ff.) an. Eine Zusammen- mim der bekannte ,Garten* (Lit. VII 21) und die 
stellung der Lokalgottheiten, Hohenpriester, Prie- ,Treppe*, die bei dem Kult dne besondere RoUe 
ster und Priesterinnen aus ptolemaischer Zeit spielte (IZ LXII 99; vgl. S. 455). Eine Beschrei- 
findet sich bei Brugsch (Diction, geogr. bung dieses Tempels, den er den des Perseus 
1358ff. 1374. Geographic 830; einzelne inter- nennt, gibt Herodot (II 91): es ist ein vierecki- 
essante Priestertitel auch bei Cony at und ges Heiligtum mit sehr groBem Eingangspylon; 
Montet). ringsherum wachsen Dattelpalmen (wohl der an- 
il. Achmim. Der ursprungliche Name geftihrte ,Garten'). Vor den Pylonen ragen zwei 



457 Min Min 458 

groBe Stamdbilder (sicher des Konigs, der den gilt ebenfalls als Muttex und Gattin des M. und 

Tempel, oder wenigstens diesen Teil des Tempels wird ebenfalls mit Isis identifiziert. Von Ach- 

erbaut hatte). In dem Tempel steht das ayaXfm mim aus ist sie als Gattin des M. auch nach Den- 

des Gottes. Von diesem Standbild gibt Stephanus dera tibergegangen (LDT II 184). 

von Byzanz (s. Ilavdg cioXig) eine klare Beschrei- Herodot setzt M. in Achmim dem griechischen 

bung, die der gewohnten Haltung der M.-Statuen Perseus gleich. Alio Versuche, diese Gleichsetzung 

entspricht. Ein Teil des Heiligtums, spater das durch Anahnlung eines agyptischen Beinamens 

ganze Heiligtum, dann wohl auch die ganze Stadt, des M. an den Namen des grdeehischen Heros zu 

hatte den Namen senut (K e e s AZ LI 122ff. Lit. erklaren (Wiedemann Herodot, zweites Buch 

I 123f.). Ein anderer Teil hatte die Bezeichnung 10 368; Philol. L179. Maspero Histoire des peubl. 

,Mondhaus* (vgl. S. 445). Die standigen Arbeiten, d'orient 22) sind gescheitert (Sourdille H6ro- 

die bei solch einem grofien Heiligtum notig sind, dote et la r^lig. de I'ifigypte 207fF. G a u t h i e r 

erforderten einen eigenen ,Oberbaumeister des Lit. I 35). Und doeh ist kein Zweifel, daB Hero- 

Tempels des M.*, wie wir ihn an einer Stelle dot mit Perseus wirklich unseren Gott M. gemeint 

kennenlernen (LDT II 164). Neben diesem Haupt- hat. Beim Feste dieses Gottes ist ihm besonders 

tempel muB es noch mehrere andere Heiligtiimer ein yvf^vinog aycov aufgefallen, um so mehr, als 

des M. in Aehmim gegeben haben. Zur Zeit Po- das der einzige Pall einer derartigen Veranstal- 

cockes waren noch Keste von drei solchen Heilig- tung in Agypten war, auf den er traf ; zwar be- 

tiimern zu sehen (Wiedemann Herodot, schreibt er ihn nicht genauer, sagt aber, die 

zweites Buch 366ff.). Champollion (Lettres 20 Preise seien TtxYjvea, xhuveg, d8QfA,ata gewesen. 

88) erwahnt noch einen Tempel aus der Zeit des Nun spielt — wenn auch nicht direkt ftir Achmim 

Ptolemaeus Philopator. iiberliefert, aber auf jeden Fall anzusetzen — bei 

In Achmim gait M. besonders als Gott der einem Feste des M. eine Zeremonie eine RoUe, 

Fruchtbarkeit und wurde daneben auch als Mond- bei der eine Anzahl von Menschen (meist Nubier 

gott verehrt. Ihm zur Seite stand als Mutter und oder Neger) auf ein schrag nach oben zusammen- 

zugleich Gattin die Triphis (Ml LI 68ff. LVIII laufendes Gerlist hinaufklettem. Zwar miissen 

155f. LXII 91. Gauthier Bull, de ITnst. IH wir nach den Deutungen Gauthiers annehmen, 

165ff. Spiegelberg Demot. Studien I 30), daB es sich hierbei nicht um ein Wettklettem 

die Verkorperung des geraubten und wieder- im Sinne eines dycov gehandelt hat, sondern nur 

gebrachten Mondauges (vgl. S. 445). Sie hatte 30 um ein Mittel, ein Gertist fiir die Nachbildung 

ihre eigenen Priester (AZ LI 68) und vielleicht des uralten Kultgebaudes des M. aufzuschlagen 

auch einen besonderen Tempel: wenigstens wird (vgl. S. 444); auch die oben auf der Stange an- 

ein nQooxdtYjg xfjg TQiqpidog erwahnt (AZ LI 68. gebrachten Symbole (,riche, dignity, sanctuary* 

LD VI 75 Gr 24). Sie hat speziell den Beinamen nach W. M. M tiller Egypt. Researches 1904, 

aperet-ast, etwa ,di© voUkommen Thronende* 34; auch in Edfu ist wenigstens eins dieser Z'ei- 

(Ahmed Bey Kamal Catalogue gen^rale du cben zu sehen LD IV 42 b) seien nicht, wie Miil- 

Mus^e du Cairo, Steles ptolem. et rom. 21 114ff.). ler sie auffaBt, Preise, wie sie unsere Kinder wohl 

Da aber nun auch in Achmim als Gattin und bei Schulfesten oben von den Kletterstangen her- 

Mutter des M. Isis erscheint, so geht dieser Bei- abholen, sondern Symbole des Gottes M., wo- 
name auch auf sie tiber (K e e s Recueil de tra- 40 durch diese Anlage als ein Heiligtum bezeichnet 

vaux XXXVI 51ff. AZ LXII 97. BrugschRel. werde. Aber es mag in der Spatzeit immerhin 

u. Myth. 677). Als der Sohn dieses Paares gilt dazu gekommen sein, daB diese Zeremonie, die 

ein jugendlicher Gott, der Kolanthes, den S p i e- urspriinglich nur ein Mittel war, um einen anderen 

g e 1 b e r g genauer festgestellt hat (AZ L 40ff . Zweck zu erreichen, zum Selbstzweck geworden ist 

LI 65. LVIII 1551; vgl. auch Scharff AZ und wirklich eine Art Wettklettem diamit verbun- 

LXII 90, der in der Anm. 3 die griechische In- denwar,oderwenigstensvondenZuschauernsoauf- 

schrift &Qimdi K€Xdv&a{i} Ilavl d'soig ovvvdaig gefaBt wurde. Es ist nicht unwahrscheinlich, dafi 

zitiert). Der Name dieses Gottes wird auch als Herodot selbst dieses Fest mit angesehen hat, zum 

Personenname verwandt (S p i e g e 1 b e r g AZ mindestens aber guten Gewahrsmannem folgt. Er 
LVHI 155f.). 50 kann dann diesen Wettstreit um so eher als einen 

Neben dieser Gottergruppe erscheint auch in yv/btviKog dycov bezeichnen, als auf den agyptischen 

Achmim wieder die Dreiheit Min-Isis^Horus, wie Darstellungen die Kletternden wirklich nackt er- 

wir sie schon aus Koptog kennen (AZ LI 65. scheinen, oder nur mit einem schmalen Lenden- 

LXn 92. Pap. Harris 61, 11). Doch nimmt band bekleidet. Ich erwahnte schon, daB fiir Ach- 

Gauthier p^it. II 17) an, daB hier M. eigent- mim diese Zeremonie zwar nicht direkt belegt ist, 

lich nicht als Vater des Horus gilt, sondern mit aber Maspero (Recueil de travaux XVII 99 

Horus identisch ist. NaturgemaB hat auch Osiris, Anm. 6) erwahnt, in den Grabern von Achmim 

wahrscheinlich dem M. gleichgesetzt, in Achmim batten sich unter dem Totengerat mehrfach kleine 

seinen Einzug gehalten (Spiegelberg Recueil Leitern gefunden, die er mit dem genannten Fest 

de travaux XXVI 161ff. Scharff AZ LXE 60 in Verbindung bringen will. 

86ff.), ebenso wie auch Amon nach Achmim ge- Ein weiteres Fest in Achmim erwahnt eine 

kommen ist (vgl. S. 450). SchlieBlich tritt ofter von Spiegelberg (AZ LI 68f.) veroffentlichte 

in Verbindung mit M. in dieser Stadt auch die demotische Inschrift. 

Gottin chentet-iabtet, ,die Herrin des Ostens*, auf Zum Kult in Achmim gehoren auch der Harem 

(Brugsch Dictionnaire geogr. 1391; Rel. u. des Gottes, an dessen Spitze die ,Gattin des M.* 

Myth. 390. 678. Lanzone Dizionario III 34. zu stehen scheint (Lit. II 109ff.). Tanzer, Musi- 

Sourdille H^rodote et la religion de r%ypte kanten, Tanzerinnen usw. vervollstandigen seine 

211. Lit. I 183). Sie ist eine Form der Hathor, Priesterschaft. All diese Priester usw. des M. in 



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Achmim sind von Gauthier (Lit. II; Liste der behandeln, das wohl in den meisten groBeren 

Hohenpriester 15f. 2 Iff.) znsammengestellt (zu Tompeln des Amon (M.) im Neuen Reich gefeiert 

vgl. auch: Brugsch Diet, g^ogr. 1374. AZ wnrde. AusfiihrHchere Darstellungen mit In- 

LI 68. LVII 1291 Kairo Catal. general 22 209. schriften sind nur aus dem Bamesseum und aus 

23 053. CouyiatetMontet Hammtodt, pas- Medinet-Habu erhalten. Doch erscheinen einzelne 

sim. Erman-Grapow Worterb. V 639. LD S'zenen des Festes auch in der Dekoration anderer 

VI 75 Gr.). Wichtige Einblicke in Kultverhalt- Tempel. Der Yerlauf des Festes, mit dem unter 

nisse, Titulaturen, Hymnen im Bereiche des M. der Regierung Ramses' III., moglicherweise aber 

in Achmim gibt uns der Denkstedn aus der Zeit stets, auch eine Thronbesteigungsfeier des Konigs 
Hadrians, den Slcharff (AZ LXII 86ff.) ver- 10 verbunden war, ist etwa folgender (Literatur 

offentlicht auch: Lit. VI b 101. Vic. 71. 280. Kees AZ 

E. Der K u 1 1. tJber den taglichen Dienst LVII 132. Wilkinson Manners and Customs 

an M., der wohl im allgemeinen dem Dienst an III 60): In feierlichem Zuge wird der Konig, 

den anderen agyptischen Gottem gleich gewesen umgeben von seinem Hofstaat, zur Kapelle des 

sein wird, erfahren wir einiges durch eine In- M. getragen; dort steigt er von der Trage herab 

schrift (Stele C 10 d'Uriage = Sethe Urkunden und verehrt den Gott durch ein groBes Opfer. 

der XVni. Dyn. 1031), die Gauthier (Lit. 11 Nun wird M. in groBer Prozession einhergetragen, 

31ff.) genauer auswertet: Hier lemen wir die vor ihm wird sein Sinnbild, ein weiBer Stier, 

Dienstobliegenheiten des gewohnlichen wab-Frie- gef iihrt. Wahrend der Prozession werden vor dem 
sters kennen. Ein anderer Priester, der speziell 20 Gott Tanzlieder rezitiert; auch werden wohl 

dem M. eigene semaw^i-Priester, hatte vor allem Kulttanze getanzt. Hinter dem Gott wird eine 

die Pflicht, den Gott zu kleiden und zu schmlicken Reihe von Kultemblemen einhergef iihrt, der Konig 

(Lit. II 49ff.). Raucherungen vor dem Gott (z. B. schlieBt sich mit seinem Gefolge an, in dem auch 

LD III 171. G a y e t Le temple de Louxor Tal 32), die Konigin eine Rolle spielt, auch werden — dies 

WasserausgieBen (z. B. Gayet ebd. Taf. 32), schon ein Teil der eingeschobenen Thronbestei- 

Weindarbringen (anscheinend besonders haufig; gungszeremonien? — die Statuen seiner verstor- 

z. B. LD in 274 n. 152. 167 a. LDT V 143. benen Vorganger einhergetragen. Inzwischen ist 

Gayet ebd. Taf. 65) sind Kulthandlungen, die die Statue des Gottes bei einem (wohl in einer 

auch vor alien anderen Gottern voUzogen wer- kleinen KapeUe befindlichen) Unterbau angekom- 
den, dem Gotte M. lajber sind vor allem folgende 80 men (vgl. S. 455), auf den sie gesetzt wird. Der 

— mit seinem Charakter als Fruchtbarkeitsgott Konig begibt sich hinein, um dem Gotte wieder 
zusammenhangende — Zeremonien eigen: Milch- ein feierliches Opfer darzubringen. Nach dem 
opfer (CouyatetMontet Hammam§,t nr. 30), Verlassen dieser Kapelle bringt er dem weiBen 
Darbringen von Blumen und Pflanzen, wohl regel- Stier ein Ahrenopfer dar, die Erstlinge der Ernte. 
maBig Lattichpflanzen (z. B. LD III 182S. 248 a. Wahrend dieser Feierlichkeiten werden natlirlich 
LDT III 183f. V 1571 Morga.n Catal. des Mo- wieder Hymnen gesungen und Tanzei zelebriert. 
num. I 51. Mariette Monum. divers 21); Daran scheinen sich nun — die Reihenfolge ist 
ferner eine merkwiirdige Kulthandlung, bei der nicht klar auszumachen — die Zeremonien der 

— taglich? — der Phallus des Gottes einge- Thronbesteigung des Konigs anzuschlieBen. Ob 
wickelt wurde (Gayet Le temple de Louxor 40 dieses Fest nur in dieser Zeit zuf allig mit dem 
Taf. 8. Mariette Abydos II 541); vielleicht Fest des Gottes verbunden wurde, weil das Thron- 
hangt damit auch das Salben des Gottes zusam- besteigungsfest des Konigs gerade in den Monat 
men (LD III 189 h. LDT V 159; Abydos, unver- des groBen M.-Festes fiel, oder ob es ein fester 
offentlicht). RegelmaBig wird ihm auch das Bestandteil dieses Gottesfestes war — gewisser- 
(Mond-) Auge uberreicht (z. B. AZ LXIII Taf. 5. maBen zur Legitimierung des Konigs dem Konigs- 
Photo nr. 156 der Nubischen Expedition der Berl. ' gott M. gegeniiber — ist nicht zu entscheiden. 
Akademie). Dartiber habe ich schon bei der Be- Ich neige mehr der zweiten Ansicht zu. In den 
handlung seines Wesens als Mondgott gesprochen Darstellungen unserer "Dberlieferung werden vier 
(vgl. S. 446). Ebenda ist auch schon erwahnt, Vogel ausgesandt, um in den vier Hauptweltrich- 
daB bei der tTberreichung des Auges Tanzzere- 50 tungen die Thronbesteigung des neuen Konigs 
monien iiblich sind. AUerdings konnte diese Art zu verktinden. Auch das Auftreten der vier Horus- 
von Kulthandlungen, die im M.-Kult besonders sohne, die dieselbe Aufgabe batten, hangt damit 
gepflegt zu sein scheinen (vgl. die verschiedenen zusammen. Da ferner bei sonstigen Thronbestei- 
Tanzlieder im groBen M.-Fest bei Lit. I, die viel- gungsszenen der Konig vier Pfeile nach den vier 
fachen Erwahnungen von Tanzern und Tanze- Weltrichtungen abzuschieBen pflegt, so miissen 
rinnen des M., z. B.'^LDT II 166. Recueil de wir die Tatsache, daB auch in unseren Darstel- 
travaux XXXVI 51ff. AZ LXH 95. 97: ,der Tan- lungen der Konig Pfeile in der Hand halt, dahin 
zer, der den Gott befriedigt mit dem Vorlesen ausdeuten, daB also auch diese Zeremonie in 
seines Tanzrituals'; vgl. auch Lit. II 91 ff. 113) diesem Teil des M.-Festes vorgenommen wurde. 
auch mit sednem Wesen als Fruchtbarkeitsgott 60 Das ganze Fest schlieBt mit Libation und Rauche- 
zusammenhangen. rung. Daftir, daB, wie Gauthier annimmt, im 

Andere Kulthandlungen werden vor M. bei Verlauf dieses Festes auch der weiBe Stier, das 

seinen groBen Festen vorgenommen. Gauthier Sinnbild des Gottes, als Opfer geschlachtet wurde, 

stellt am Anfang seiner ausfiihrlichen Behandlung ist kein Anhalt vorhanden; es ist auch sonst 

der Feste des M. (Lit. I) alle einzelnen Feste zu- sehr unwahrscheinlich. 

sammen, von denen die tJberlieferung berichtet, Gauthier identifiziert dieses groBe Ffest 

nach Orten und Daten gesondert, um dann aus- mit dem seit den altesten Zeiten immer wieder 

fiihrlich das groBe Fest des Monats Pachon zu erwahnten Feste ,Auszug des M.'. Auch das ist 



461 Minaioi Minaioi 462 

nicht ganz sicher, well in den Inschriften selbst legt. Es "bedarf heute wohl keines Beweises mehr, 

das groBe Fest als das yder Treppe* (d. h. jenes dafi die genannten griechischen und lateinischen 

Unterbaus, auf den die Statue des M. bei der Formen die Wiedergabe jenes Nam ens ist, den 

Prozession gesetzt wird), bezeichnet wird. Auf dieses Volk oder genauer gesagt, dieser Stamm 

jeden Fall aber spielt das Fest des ,Auszuges des — denn um einen solchen handelt es sich — in 

M.* besonders im Alten und Mittleren Reich eine den altstidarabischen Inschriften ftihren, M'n, 

ganz b&sonders wichtige Rolle und ist auch fiir das noch heute im Namen der Ruinen der alten 

den Toten dadurch von ganz besonderer Bedeutung Stadt Qarnawu, Ma'in fortlebt, fiir welchen Na- 

geworden, dafi er auch an diesem Tage einen An- men J. Hal^vy, dem wir die genaue Kenntnis 
teil an den gespendeten Opfern zu erhalten hofft. 10 dieser Ruine verdanken, Me* in schreibt (Rapport 

tJber dieses Fest handelt Gauthier ausflihr- sur une mission arch^ologique dans le Y^men 

lich (Lit. I 17ff.) und weist Kees' Vermutung, JA VI. s6v. t. XIX, 1872, 32, Voyage au Ne- 

es sei ein Mondfest gewesen (IZ LVn 131 mit djran II, Bull. Soc. de G^ogr. S^r. t. VI, 1873, 

Anm. 5) zurtick. Naeh einer Glosse im Totenbuch 600). Tkac mag also Recht haben, wenn er im 

(Grapow Religiose Urkunden 18—21, tJbers. Art. Saba u. Bd. II AS. 1314 der Schreibung 

8 — 9) soil dieser ,Auszug* des M. mit seiner ,Ge- Mslvaloi den Vorzug vor Mivdioi einraumt, 

hurt' identisch sein. Als Vorlaufer dieses Festes welch erstere auch der Septuaginta nicht fremd 

wird also das auf dem Palermostein angefiihrte ist. Wenn wir dann im folgenden den inschrift- 

Fest ,Geburt des M.* angesehen (vgl. auch Lit. V lich belegten Namen Wn^ durch Ma*'in(um) um- 
§ 220). Andererseits wird in einer Notiz im Pap. 20 schreiben, so folgen wir der islamischen Tra- 

Sallier (IV 18, 3) der Auszug des Gottes im Monat dition (vgl. al-HamdanI, Si fa fiazirat al- 

Mechir mit seiner Vereinigung mit Isis zusam- 'Arab ed D. H. Mtiller, Leiden 1884—1891, 167, 

mengebracht: ,M. zieht aus Koptos aus ... er 6—12. 168, 9. 203, 16. Jklll VIII bei D. H Miil- 

sieht Isis, indem seine Schonheit (d. h. sein Phial- 1 e r Die Burgen und SchlOsser Siidarabiens 

lus) auf ihr ist* (zu vgl. Lit. I 8). nach dem Iklil des Hamdani II Sitzungsberichte 

Nattirlich konnen hier nicht alle Berichte iiber Akad. Wien XCVII 3 [1881] 1047. Die auf 

Feste des M. gebracht werden; zu erwahnen sind Stidarabien beziiglichen Angaben Naswan's im 

nur noch einzelne Festzeremonien, durch die der gams al-'Ulum E. J. W. Gibb Memorial Series 

Gott wieder mit dem Konigtum in Verbindung XXIV, Leiden 1916, 99f.). Im iibrigen sei gleich 
gebracht wird, so dafi die Vermutung, die ich 30 hier hervorgehoben, da6 der Name Ma*ln durch- 

vorhin aussprach, das Thronbesteigungsfest sei aus nicht an einer einzigen Lokalitat haftet, 

ein fester Bestandteil des M.-Festes, neue Stiitzen sondern in gleicher Form im Yemen als Namen 

erhalt. Mehrmals fiihrt der Konig vier Kalber eines Berges (fiebl Ma' in), kaum 800 m von 

vor den Gott, wobei die Vierzahl wieder schlieBen Gaiman entfernt, vorkommt (nach Glasers geo- 

laBt, daB auch dieser Zug irgendwie mit der graphischem Material) und in der Form Ma'^in 

Thronbesteigung zusammenhangt (Ga^yet Le auch in Nordarabien belegt ist (vgL A. Musil 

Temple de Louxor Taf. 55. Legrain Kamak Arabia Petraea III Wien 1908, 109). Im Gegen- 

238 = LDT III 55 = LD IV 12 a). Auch bei satz hierzu halt F. Ho mm el Die altisraelitische 

dem Jubilaumsfest des Konigs muB M. irgend- tjberlieferung in inschriftlicher Beleuchtung, 
wie eine Rolle spielen, weil eine Reihe von Zere- 40 Munchen 1897 ; Aufsatze und Abhandlungen II 

monien, die damit verbunden sind, auch bei Festen (Munchen 1900) 232 ; Ethnologie und Geographic 

des M. erscheinen: so der Ruderlauf, der Jubi- d. alt. Orients (Munchen 1926) 134f., 550. 679 

laumslauf und der Vasenlauf (Kees Opfertanz und D. Nielsen Handbuch d. altarab. Alter- 

Pe trie Koptos 11 Taf. 9. Bis sing- B ruck- tumsk. I (Kopenhagen 1927) 65 Ma' an fiir die 

mann Denkmaler Taf . 34. LD III 119 e. 143 d. altere Aussprache, welcher Name identisch sei 

167. IZLII 66. Mem. del'Inst. XI Taf. 47). Zum mit der altsumerischen Bezeichnung fur Ost- 

SchluB ist noch der Zeremanie Erwahnung zu arabien, Magan und dem biblischen Ma'on. Wenn 

tun, die bisher unter dem Titel ,Kletterstangen- man sich fur letztere Gleichang auf die Septua- 

fest* als selbstandiges Fest betrachtet wurde, ginta berufen konnte, die Me'dnlm bzw. Me'umm 
wahrend Gauthier sie nur als vorbereitenden 50 durch Mivaloi wiedergibt (s. o.) und in Esra 2, 50, 

Teil eines anderen Festes ansieht und als das Nehm. 7. 52 hne Me'umm durch viol MoowI/a 

Aufschlagen der uralten Kultstatte fiir die Zweeke (var. fioowsifA) und viol Msivcov (var. fAssivwf^i) 

des Festes deutet (vgl. S. 444 und 458). ersetzt, so kann die Zusammenstellung mit Magan 

[A. Rusch.] doch hOchstens als Vermutung gebucht werden. 

Minaioi (Plin. n. h. VI 157. XII 54 Mslvaloi Auf altere Identiflzierungsversuche, die den Namen 

[var. Mrjvaloi, Msvaloi], Mivaloi bei Strab. XVI der Minaer mit Mina sCidlich von Mekka in Zu- 

768, 776, Agatharchides de mari erythraeo V GGM I sammenhang brachten (so schon J o m a r d Etudes 

176f. 387 Mivvaloi, Ptolem. VI 7, 23 Mivaloi [var. geogr. et hist, sur I'Arabie bei Mengin Histoire 

Mfjvaloi], Steph. Byz. Mivaloi, eines der vier sommaire de TElgypte sous le gouvernement de 
Hauptvolker Siidarabiens. Von den klassischen 60 Mohamed-Aly [Paris 1839] 389, 9, 1, 390) und 

Autoren abgesehen, findet sich der Name dieses die Minaer in der Gegend um das heutige Mekka 

Volkes auch in der Septuaginta in I. Chron. 4, 41, und siidlich davon ansetzten, brauche ich hier 

II. Chron. 20, 1. 26, 7 als Mivaloi fiir me'unlm um so weniger einzugehen, als Tkac (1316f.) sich 

bzw. me'Omm des hebraischen Textes, bei Hiob mit diesen Ansichten bereits eingehend ausein- 

2, 11 Zwfpag, Mivalcov paodsvg fiir So far ha- andergesetzt hat. Wenn wir heute den unteren 

na'amati. In der spater noch zu erwahnenden (Jauf, der nordwestlich der alten Sabaermetropole 

minaisch-griechischen Altarinschrift von Delos ist Marib anzusetzen ist (vgl. E. Glaser Skizze der 

die gleiche Form wie bei Strabon (Mivaiwv) be- Gesch. und Geogr. Arabiens 11, Berl. 1890, 50), 



463 



Minaioi 



Minaioi 



464 



nicht nOrdlich von Marib, wie ihn J. Hal^vy's 
Karte zeigt, als Kernland der Minaer ansprechen, 
so leiten uns bei diesem Ansatz in erster Linie 
die Fundorte der minaischen Inschriften, vor 
allem die Stadte Madin, Baraqis, Inabba, Harim, 
al-Baida', as-Sauda, Kamina, die zu beiden Seiten 
des Gail al-IJarid liegen (vgl. die unten folgende 
Kartenskizze und E. Glas er Skizze II 55). Diesem 
perennierenden Wasserlaufe, der im Bilad Arhab 
bei Sira* entspringt, verdanken die Oasen des 
(janf ihre Fruchtbarkeit. Die bedeutendste Rninen- 
statte dieses Gebiets ist ohne Zweifel Ma'in, 
das auf einer befestigten AnhOhe von 280 m 
Lange und 240 m Breite II/2 Stunden Ostlicbi von 
al-Hazm Hamdan liegt. Die Umfassungsmauern, 



sind. Am grofien Tore hat sich eine dreizeilige 
Inschrift (Hal. nr. 257) erhalten. Zu den beiden 
von Hal^vy erwahnten Stelenreihen, die Inschriften 
tragen, gehoren auch die Hierodulentexte Hal. 190 
und 231— 234. (J. Hal ^vy Rapport 32f., 75f.; 
Voyage au Nedjran II 600. D. H. Mliller 
Burgen II 1006, 1008f.). 

In der Ruine Ma'm hat zuerst Mordt- 
mann (bei D. H. Mtiller Burgen II 1011, 1, 2, 
10 vgl. ZDMG XLIV 188) das inschriftliche Qar- 
nawu, die Hauptstadt des minaischen Reiches 
erkannt, welche Identifikation sich auch F. Hom- 
mel Sudarabische Chrestomathie (Mtinchen 1893) 
tirbersichtskartchen des G6f (das, wie ich nebenbei 
bemerke, durch die Skizzen in E. Glasers Karten- 




MASSTAB: 1: 1,380.000 



Hap»be\ Nasan 



I Richl-un9 auf 

Ragwan 



die am Rande des Abhangs verlaufen, sind nur 
auf der Nordseite zum Tell erhalten, die Tore 
auf der Ost- und Westseite sind hingegen ganz 
gut erhalten, ebenso die benachbarten Tiirme von 50 
stattlicher Hohe. Die gewaltigen Blocke sind so 
gut zubehauen und aneinandergefugt, dafi man 
StoBf ugen nur schwer bemerken kann ; die moisten 
sind mit Inschriften versehen. Innerhalb der 
Mauern sind fast alle alten Denkmaler zugrunde- 
gegangen, da die Araber mehrmals den Versuch 
machten, sich hier festzusetzen. Ihre Ziegelhauser 
sind wieder zu Staub geworden und auch die 
Moschee verfallen, die man aus dem Material der 
minaischen Bauten errichtet hat. Nicht weit von 60 
ihr erhebt sich ein kleiner Tempel aus himyari- 
scher Zeit, der fast unversehrt dasteht und meh- 
rere Stolen umschliefit. 

Zwanzig Minuten Ostlich der Hauptruine sieht 
man in einer Bodensenkung, die el-Mihyar heiBt, 
zwei lange Stelenreihen, die anscheinend zu zwei 
fast aneinanderstofienden Tempeln gehsrten, von 
denen nur die beiden angrenzenden Tore erhalten 



buch S. 2 und 62f. iiberholt ist) 110 und im 
Index der Eigennamen 133 anschloB (vgl. auch 
Hommel Ethnologic 135. 604. 679. 681f. Mordt- 
mann Beitrage zur minaischen Epigraphik, Er- 
ganzungshefte zur ZA nr. 12 [Weimar 1897], 41; 
iiber weitere Literatur zu dieser Frage vgl. Tkac 
1319). Wenn Glaser Skizze II 14 22. 25. 134. 
166. 232f. die so naheliegende Gleichung Ma'^in = 
KoLQva (oder KaQavd bzw. Kagvava bei Era- 
tosthenes) = Qarnawu ablehnte und KaQva mit 
einem Karn genannten Orte, am ehesten mit 
dem machtigen (Jebel Qarn oder Qaran bei 
Baihan oder el- Qarn im Bilad Ruha Ostlich vom 
Wadi Bana verselbigt (24), so ist das nur unter 
dem Einflusse seiner Minaertheorie verslandlich. 
Freilich gesteht er (24) zu, dab zur Entscheidung 
der Frage iiber das Qarnu der minaischen In- 
schriften erst noch weitere Inschriftenfunde aus 
den nOrdlichen Gegenden abzuwarten seien. Was 
von Glasers Identifikation en in diesem Falle zu 
halten ist, zeigt seine Verlegung von KaQva bei 
Eratosthenes in den Norden der arabischen Halb- 



465 Minaioi Minaioi 466 

insel (25. 166) und ihre Qualifikation als Be- 465 + 466. 467. 451 + 453,2. 476. 480. 530. 

duincDstadt. Wie die Sabaer in der Inschrift 478/78. 520 = Glaser 1159 + 1160. 524+525 + 

Glaser 1155 zu Beduinen gestempelt werden, 526. 534 = Glaser 1164). Die Stadt, die wohl 

um seiner Theorie gerecht zu werden, miissen als die zweitbedeutendste des minaischen Eeiches 

anch die Minaer der Zeit des Eratosthenes und zu betrachten ist, hat sich nach inschriftlichen 

des Periplus auf diesen Nenner reduziert werden Zeugnissen bis in die spatsabaische Zeit erhalten. 

— historische UnmOglichkeiten , die vielleicht Inabba, bei Ptolem. VI 7, 34 als Ymqpa iiberliefert, 

mehr als alles andere die schwache Fundamen- mit dem es schon von H a 1 e v y (Rapport 44 ; 

tierung dieser Theorie aufzeigen. Da6 KaQva (so Voyage au Nedjran 601) zusammengestellt wurde, 
auch Eustath. zu Dion. Per. 954) vom KaQva 10 liegt im WadI Madab, zwischen diesem und dem 

bei Ptolem. VI 7, 31 zu trennen und mit dessen fiebel Laud und stellt die am weitesten nach 

KaQfAav pao'deiov (VI 7, 34) zusammenzustellen Osten vorgeschobene alte Ansiedlung dar (s. d. 

ist, und bei Plin. n. h. VI 157 als Garmon, beim Art. Inapha). Die Euine hat schon Hal^vy in 

Geogr. Eav. II 6 als Gorman erscheint, hat schon hoffnungslos verfallenem Zustande angetroifen, 

Tkac (1318) gezeigt. Der Bedeutung des Platzes Inschriften fanden sich nicht, waren also offenbar 

als Hauptstadt des minaischen Eeiches entspricht in andere Orte verschleppt word en, so daB uns 

die Fiirsorge um die Wehrhaftigkeit der Stadt. der alte minaische Name von Inabba vorlaufig 

Hal. 443, 2 berichtet vom Bau der Stadtmauer, unbekannt bleibt. Medinat Haram, wie Inabba 

von ausgiebigen Befestigungsarbeiten Hal. 192+ und el-Hazm am linken Ufer des Wadi Madab 
199 = Gl. 1150 (Ehodokanakis Stud. z. Lexiko- 20 gelegen,* ist nach Halevy (Rapport 29—31. 33. 

graphic u. Gramm. d. Altstidarabischen, S.-Ber. 72) eine Viertelstunde stidlich von el-Hazm ent- 

Akad. Wien CLXXX 3 [1917] 57f. 60ff.), Glaser fernt. Die Euine ist auch von Hamdani Iklil VIII 

1083, 2* 5 vom Bau eines Turms bzw. eines (D. H. Miiller Siidarabische Altertiimer im 

Tempels (oder Herrensitzes mit Turm B. Glaser kunsthistorischenHofmuseum, Wien 1899, 34) und 

Altjemenische Studien herausg. v. 0. Weber Naswan im Sams ayuium ('Azimuddin Ah- 

MVAG XXVIII 38—40), Hal. 238 = Glaser 283 mad 109) unter dem Namen Madlnat Haram er- 

vom Bau von Wehranlagen (Ehodokanakis wahnt.WirkOnnen also wohl annehmen,daB in alter 

Stud. II 31. 37), Hal, 193 und 520 {= Gl. 115+ Zeit dieselbe Vokalisierung des im Konsonanten- 

1160) von der Errichtung eines Turms und Be- gerippe als Hrm bzw. Hrmm in den Inschriften 
festigungsanlagen. Daneben erfahren wir aus 30 erhaltenen Ortsnamens iiblich war. E. Glaser 

Hal. 239, 257. 1, 3 den Namen des Tempels des Eeise nach Marib (Samml. E. Glaser I, hrsg. v. 

Gottes 'Attar dii-qbd in Ma'in, Esf^, nach dem D. H. v. Miiller und Ehodokanakis, Wien 1913) 83, 

der Gott auch einfach 'Jl Esf hiefi. (Hal. 240, 165 schreibt Haram, in Skizze II 29, 134 Harim, 

10. 243, 14). Ihm gait naturgemafi auch die aber das ist, wenn richtig, wohl jiingere Aus- 

Fiirsorge der regierenden Dynastie. sprache. tJbrigenshatauchdie von Captain Miles 

Baraqis, wie die Euinen der alten minaischen an A. Sprenger (Die alte Geogr. Arabiens, 

Stadt Yatll heute heifien, ist weniger ausgedehnt Bern 1875, 158) mitgeteilte Liste von Stadten im 

als Ma'in und liegt eine halbe Tagereise westlich 6auf die Form Haram. Die Stadt wurde allem 

von el- Gail und zwei Stun den von Megzer ent- Anschein nach mehrmals aufgebaut und liegt auf 
fernt. Die alte Stadtmauer ist noch zum grofien 40 einem Hiigel von ungefahr 250 m Lange und 

Teil erhalten und tragt zahlreiche Inschriften. 180 m Breite. AuBer einem Stelenfragmente und 

Innerhalb und auBerhalb der Stadt liegen zahl- einigen Steinen ist nichts mehr erhalten. Punf 

reiche Stelen, die grofien Offentlichen Gebaude in Minuten vom Platze entfernt stehen 16 Stelen 

Triimmern, zahlreiche Tempelruinen sind noch in 2 Eeihen, die auf ein stein ernes Tor zulaufen. 

erkennbar. (Halevy Eapport 43. 85. D. H. Mul- Sie erheben sich in der Eegel 2 m 60 iiber dem 

ler Burgen II 10081). Die Identitat von Baraqis Boden, sind 55 cm breit und 25 cm dick. Von 

mit Yatll hat schon Halevy (Eapport 44) er- besonderem Interesse ist die leider nur kurze 

kannt, dem sich auch D.H. Miiller (Burgen II Beschreibung, die Halevy den Eesten des Tem- 

1010). Glaser (Bemerkungen zu Glaser 1234 = pels widmet, der sich an die Stelenreihen an- 
Hal. nr. 478 + 479 im Tagebuch I), H o m m e 1 50 schloB. Die Mauern dieses Bauwerks sind ein- 

Ethnologie 135. 663. 676 — ^679, 681) und andere gestiirzt. Die Decke war von viereckigen Saulen 

anschlossen. getragen, die in gewissen Abstanden aus der Mauer 

Eine ganze Eeihe von minaschen Bauinschrif- vorsprangen. Die Wande beim Eingang tragen 

ten aus Baraqis gewahrt uns Einblick in die reichen ornamentalen und figuralen Schmuck 

Baugeschichte der Stadt, in der nicht nur vor- (Friichte, Tierleiber und Fabeltiere, menschliche 

nehme Herren ihre Eesidenzen erbauten (Hal. 527. Figuren), und es ist sehr zu bedauern, daB Halevy 

520, 15 = Glaser 1159 + 1160), sondem gewiB auch es unterlassen hat, von diesem ftir die Beurteilung 

die Gotter von Yatil ihre Heiligttimer batten. der minaischen Kunst so wichtigen Wandschmuck 

Vom Bau eines Tempels des Gottes Nkrh be- wenigstens Zeichnungen anzufertigen. Was sich 
richtet wenigstens Hal. 485, und Hal. 542 = Glaser 60 aus den Inschriften fiir diese alte Siedlung er- 

1088 = 1318 erwahnt ,die Tempel und Gutter gibt, ist bei F. Hommel Ethnologic 685—689 

der Stadt Yatll im Freien (also d'sol jiqo jivXcov) und M. Hartmann Der islamische Orient. Be- 

und in der Stadt* (vgl. EES nr. 3028). Aber richte und Forschungen 11, die arabische Frage 

auch als Festung muB Yatil imposant gewirkt (Lpz. 1909) IV 179 — 182 ausfiihrlich zusammen- 

haben. Mehrfach ist vom Bau und Arbeiten an gestellt worden. Die ZugehOrigkeit dieses kleinen 

der Stadtmauer und ihren Befestigangsanlagen StadtkOnigtums zum minaischen Kulturkreise er- 

die Eede. Die Tiirme ftihrten verschiedene Na- hellt aus dem, was wir aus den Inschriften tiber 

men, deren wir mindestens sieben kennen (Hal. die Eeligion seiner Bewohner erfahren. Frei- 



467 Minaioi Minaioi 468 

lich haben sich die religiosen Vorstellungen im es beachtenswert, dafi diese in der iiberwiegenden 

Wandel der Zeiten geandert, was gewiS zum Mehrzahl in sabaiseher Sprache abgefaBt sind. 

Telle aucb mit polltischen Yeranderungen zu- Wenn Hal. 178 wirklich aus Haram stammt, ware 

sammenhangen wird. Von der in Haram regie- die Beziehung, vielleicht Abhangigkeit von Ma" In 

renden Dynastie sind uns nur wenige Namen diirch die_Erwahnnng derminaischenKOnigeHafn 

bekannt, die D. H. M tiller Stidarabische Alter- Sdqund'Ilyafa* Yfs gegeben. Hal^vy (Voyage au 

ttimer 34 mit den einschlagigen Belegen zusam- Nedjran, 583) und nach ihm Glaser (Skizze II 

mengestellt hat (vgl. auch dessen Burgen II 1005 29, 134) hat in den bei Plinius (n. h. VI 157) zu 

Anm.). AuBer einem deifizierten KOnig Yada'samh den Minaern gereehneten Charmaei die Einwoh- 

ergeben sich folgende Eegenten: lOner der Stadt Haram sehen wollen, was schon 

Ha wtaf att H o m m e 1 Ethnologic 689 fur sehr f raglich ansieht ; 

Ma'dikarib Raidan ich halte diese Gleichung ftir ebenso unraOglich 

Yadmurmalik wie Sprengers (Alte Geographie Arabiens 157) 

Bi-*" Attar Zusammenstellung mit Banat Harm. Gleichfalls 

Watar'il (Drhn) am linken Ufer des Wadi Madab (inschriftlich 

Ob diese Reihenfolge auch als chronologisch Mdb) westlich von Haram liegt die Ruine Kamna, 

geordnet anzusehen ist, mag als zweifelhaft gelten. die schon von ihrem Entdecker Hal^vy (Voyage 

F. Ho mm el Ethnologie 687 halt Hawtar'att fur au Nedjran II 602, vgl Rapport 29, 79) und nach 

einen Nachfolger des Watar'il. Von historischem ihm von Sprenger (Alte Geographie Arabiens 
Interesse ist vor allem die Gestalt des K0nigs20l59) und Glaser (Skizze II 61) mit Caminacum 

Yadmurmalik. Nach der noch bustrophedon ge- bei Plinius (n.h. VI 160) zusammengestellt wurde. 

schriebenen und so wohl altesten Inschrift aus Glaser (Skizze 11 61) schreibt den Namen Kd- 

Haram, Hal. 154, betraut dieser KOnig einen ?mnah, Hal6vy und Sprenger, sowie al- 

seiner Vornehmen mit der Leitung des Kriegs HamdanI (beiD. H.Mtiller Siidarab. Alterttimer 

gegen das osthch von "Aden anzusetzende Reich 34) Kamna. Doch gibt Glaser in seiner Reise 

von Ausan und den ostsud^stiich von Haram nach Marib 83, 182 die Form Kamina neben 

gelegenen Stadtstaat Nasan, welch letzteres zwei Kumna an. Inschriftlich erscheint der Stadtname 

Jahre lang belagert wurde. Da die Zerstorung als Kaminahu, das nach M. Hartmann (Arab, 

der Stadt auf GeheiB des sabaischen Mukarrib Frage 178) wohl Kamna' u zu lesen ist. 

Kariba'Il Watar erfolgt, ist wohl anzunehmen, 30 Wie Haram steht auch Kamina schon friih 

daB Yadmurmalik diesem Waffenhilfe gegen unter sabaischem EinfluB, wie dort dominiert auch 

Nasan geleistet hat oder sogar im Abhangig- hier in den Inschriften das Sabaische als Abfas- 

keitsverhaltnis zu ihm stand. Zum Lohn fiir seine sungsprache. Nach der Sirwahinschrift Glaser 

Hilfe wird er in Glaser 1000 A 17 mit einem 1000 A 17 (s. o.) ist Nabat' all, K5nig von Kamna, 

Teil der Nasan gehOrigen Wasser (und vielleicht mit Dammleitungen belehnt, die urspriinglieh 

auch deren Irrigationsgebiet) belehnt. Vielleicht dem Staate Nasan gehOrten. Zwar ist in der In- 

hat Yadmurmalik auch den Krieg gegen Ausan schrift Glaser 1000 A 17 von kriegerischen Hand- 

im Bunde mit dem sabaischen Herrscher gefuhrt. lungen Kamna's diesem Staate gegenuber, wie 

Glaser 1000 A handelt zu Anfang (Z. 4-6) aus- sie uns von Seiten des benachbarten Haram aus 

ftihrlich von diesem Feldzug, an den sich in 40 Hal. 154 bekannt geworden sind, nicht die Rede; 

Glaser 1000 A 14 ein zweiter Feldzug gegen da aber das Gleiche auch fiir Haram gilt, liegt 

Nasan anschloB (vgl. Rhodokanakis Alt- wohl der SchluB nahe, daB die Belehnung Lohn 

sabaische Texte I S.-Ber. Akad. Wien CCVI, 2 fiir die Waffenhilfe oder ftir ,wohlwollende Neu- 

[1927] 23ff. 53.), der drei Jahre dauerte und tralitat' dargestellt haben wird; sagt doch auch 

auch gegen das unweit nord westlich von Haram Hal^vy (Voyage au Nedjran II 602) von Ka- 

gelegene Nasq gerichtet war. Wenn die sabaische minahu ,probablement vassal de Saba'. Wie dem 

Inschiift Glaser 1000 etwa in die Diadochenzeit auch sei, in der Liste der uns bekannten KOnige 

anzusetzen ist, haben wir damit auch eine von Kamna, liber die Hartmann (Arab. Frage 

MOglichkeit zeitlicher Einordnung fiir das Stadt- 175—178), D. H. M tiller (Sudarab. Alter- 

kOnigreich Haram gegeben. tJber die nahen Be- 50 ttimer 16) und H o m m e 1 (Ethnologie 691) ge- 

ziehuiigen zu Saba' hinaus — vielleicht gerade handelt haben, ist Nabat'ali wohl an erste 

als Folge dieser — muB aber auch auf irgend- Stelle zu setzen. Nicht sicher ist es, ob dieser 

welche politischen Bindungen mit dem Reiche von aber identisch ist mit dem gleichnamigen Kc- 

Hadramot geschlossen werden. Denn nach Hal. nige in Hal. 327. 

151 (= RES nr. 274:^) verwaltet ein hoher Be- Die Liste ergibt unter dieser Voraussetzung 

amter des Konigs Yadmurmalik als Kablr (Stadt- 1. Nabat'all \ 

halter) das genannte Land, und in der aus Haram j' I Hal. 327. 329 -4- 

stammenden Inschrift Hal. 149, 5 ist von einem 2. 'Ilsami ''Nabit ) ^^^ (aus Nasq) 

Kriege gegen Hadramot die Rede (vgl. Rhode- q 'TlQnm** \ 

kanakis Stud. I 59). Die Abhangigkeit von 60 , I 0,1 070 / i n -n 

Saba , die, wie wir gesehen haben, schon in fruher . xroi^oLi- a - 1 iei-uaiij 

Zeit besteht, hat sich wohl lange — obwohl viel- ^* m -/ 

leicht mit Unterbrechungen — erhalten; stammt ^- Mas udum j Qj^ser 1081 

doch Hal. 1 70 REIS nr. 2755 aus der Zeit der n xm- ■} I fans Kamna) 

K6nige von Saba' und Du Raidan (s. Tkac Art. 6. Wahbum ) ^ ^ 

Saba), ganz abgesehen von den Weihungeh an Nicht sicher scheint, wo der in HaL 272 ohne 

sabaische Gottheiten, von denen in den Inschrif- Titel genannte Nabat^ali unterzubringen ist, ja 

ten aus Haram Ofters die Rede ist. "Obrigens ist ob er tiberhaupt unter die Konige_gehort hat. 



469 Minaioi Minaioi 470 

Ungeklart ist auch die Frage, ob 'Ilsamf Nabit storten Stadten an, wahrend Strabon (XVI 782) 

(2) nicht identisch ist mit 'Ilsami' (3), oder Na- davon nichts zu berichten weiB. 

bat'all Amir eventuell dieselbe Person wie Na- Westslidwestlich von Eamna liegt nnweit, 

baf all (1) (vgl. Hartmann 176. Hommel 691). gleichfalls am linken Ufer des WadI Madab, zwi- 

Wie _dem auch sei, wichtig ist in jedem Falle, schen diesem und Wadi Sa'ba, die Euine as- 

da6 'Ilsami' Nabit nnd sein Stamm Kaminahu Sarida, auch Qaribat as-Sanda (vgl. Hommel 

nach Hal. 327. 329 + 330 zweiTiirme in derStadt Ethnologic 677, 3, 689f. 695f. Glaser Eeise 

Nasq fiir sabaische Gotter, die Stadt Marib und nach Marib 83. 182. Sprenger Alte Geogr. 

Saba'erbaiiten(vgl.D.H.MullerBurgenII1004). Arabians 158), die Halevy (Eapport 29. 82f.; 
Das fiigt die Inschrift gut in jenen Kreis 10 Voyage au Nedjran 602) es-Soud nennt und als 

politischer Bindungen ein, die der Stifter von ausgedehnten Euinenkomplex, eine Stunde nord- 

Glaser 1000 geschaffen hatte _und darf wohl so (Jstlich von dem gleichfalls bedeutenden al-Baida 

gedeutet werden, daB auch 'Ilsamf Nabit in (Nasq) entfernt, beschreibt. Es liegt auf einer 

Abhangigkeit von Saba' steht. Ubrigens deutet AnhOhe und wurde wohl durch eine Feuersbrunst 

die Formel ,Nabat*ali, KOnig von Kaminahu und zerstOrt. As-Sauda war vermutlich der Mittel- 

sein Stamm Kaminahu* in dieser Inschrift, die punkt einer bedeutenden Industrie, vor allem der 

mit ,]Srabaf all, KOnig von Kaminahu und Ka- Metallindustrie. Noch heute bedecken eine Menge 

minahu' in Glaser 1000 A 17 wechselt und den Schlacken den glasierten Boden. Geringe tjber- 

Staat Kamna reprasentiert, auf dieselbe staatliche reste der Umfassungsmauer und einige Stolen 
Organisation dieses Stadtstaates, wie sie Ma*in, 20 sind alles, was von der einstigen Herrlichkeit 

Saba', Qataban und wohl auch die iibrigen alt- ubrigblieb. Den alten Namen der Stadt kennen 

siidarabischen Staaten besafien. Das ist aber auch wir leider nicht. D. H. Mliller Burgen H 1010 

so ziemlich alles, was wir ans den Inschriften hat die Euine mit der minaischen Stadt Qarnawu 

fiir die Geschichte Kamnas herausholen konnen. identifiziert , wahrend Hommel (Ethnologie 

Weitergehende Schliisse miissen als verfriiht be- 695 — 697) in ihm die Stadt Nasan wiedererken- 

zeichnet werden. So ist z. B. als kaum richtig die nen woUte. Beides ist unrichtig (vgl. A. Groh- 

Konstruktion aufzufassen, die Hartmann (Arab. mann Historisch-geographische Bemerkungen zu 

Frage 176f.) fur den Werdegang Kamnas aufstellt. Glaser 418/419, 1000 A, B bei Ehodokanakis 

Nach ihm hatten sich kurz vor dem Auftreten Altarab. Textel 136f.; ob die Ansicht Hommels, 
der Mukarrib von Saba', als die KOnigsgewalt 30 as-Sauda' sei mit dem in Hal. 206 erwahnten 

von Ma'^in besonders schwach war, die Stadt- Yafi'an identisch, das als alter Name der Stadt 

bevOlkerungen mit ihren ehrgeizigen Sippenhaup- anzusehen sei, zutrifft, laBt sich zur Zeit nicht 

tern an der Spitze als ,K()nigreiche' konstituiert. sicher entscheiden). Sicher ist nach der Inschrift 

Kamna hatte einige umliegende Orte an sich Hal. 353 — Glaser 1144 (vgl. Ehodokanakis 

angeschlossen und ware auf gutem Wege gewesen, Studien II 29ff.) jedenfalls, daB as-Sauda unter 

sich zu einem groBeren Staatswesen auszuwach- der Eegierung des minaischen KOnigs 'Ilyafa' Ysr 

sen, als die Sabaer auf der Bildflache erschienen zum minaischen Eeiche gehCrte. Wenn al-Ham- 

und all den Stadtchen im IJaridbecken ein Ende dani (vgl. D. H. Miiller Burgen II 1003. 1005) 

machten. Sprachlich drticke sich dieser Wandel as-Sauda' als eine der Burgen des Stammes Nasq 
im Ersatz der S-Sprache (minaisch) der Inschrif- 40 bezeichnet, so liegt dem vielleicht eine Erinne- 

ten durch die H-Sprache (sabaisch) aus, woraus rung an spatere ZugehOrigkeit zu dieser Stadt 

allerdings nicht zu viel geschlossen werden diirfe. zugrunde. Am rechten Ufer des garid, siidwest- 

Als Basis fiir diese Konstruktion ist zunachst lich von as-Sauda', folgt dann die Euine al-Baida' 

die Annahme Hartmanns aufzufassen, der (auch garibat al-Baida), in der schon Haldvy 

Konig von Kamna hatte in Nasq etwas zu sagen richtig das Nescus (ISfesca) des Plinius erkannte 

gehabt, well er dort eine Bauinschrift errichtete (vgl. Voyage au Nedjran II 603, wo eine aus- 

(Hal. 327). Ferner ergibt sich ihm ahnliches auch fuhrliche Beschreibung gegeben wird, die stark 

fiir Haram aus der Inschrift Glaser 1081, von der verkiirzt auch in Eapport 80 wiederholt ist). Die 

er annimmt, daB sie aus dieser Stadt stamme. Euine nimmt schon dadurch eine Sonderstellung 
Was zunachst Nasq anbelangt, auf das noch 50 ein, daB sie nicht wie alle andern auf einem 

zuruckzukommen ist, so hat der KOnig von Htigel liegt, sondern sich auf einer gleichmaBigen 

Kamna dort, wie aus dem oben gesagten ersicht- Sandebene hinzieht. Die Triimmerhaufen, die das 

lich ist, bei seiner Bautatigkeit daselbst, wohl Innere der Euine erfiillen, erlauben es zwar nicht, 

kaum aus eigenem Antrieb, sondern wahrschein- sich irgend eine Vorstellung von den Gebauden, 

lich auf Einwirkung von Saba' aus gehandelt, die hier einst standen, zu machen. Die auBere 

woraus sich dann auch zwanglos die Anwendung Umfassungsmauer hat sich auf einer langen 

des Sabaischen erklart. Die Inschrift Glaser 1081 Strecke erhalten, vor allem im Slidosten, und 

aber stammt nach Glaser s Angaben (Tage- die Zitadelle, die einen Durchmesser von 300 bis 

buch in 18) angeblich aus dem dof, nach 310 m hatte, ist sogar groBer als jene von Ma'In. 
Hommel Aufsatze und Abhandlungen 169 aber 60 Die Stadt enthielt auch einen Tempel, der der 

aus Kamna, kann also auf keinen Fall mit Sicher- SchutzgOttin der Stadt (Dat Nasq) geweiht war 

heit fur Schliisse beziiglich Harams herangezogen und von dem sich noch einige Stolen erhalten 

werden. Da diese Stadte geographisch Saba' nahe- haben. Die Stellen aus den Klassikern, die Nasq 

lagen, ist ihre Anlehnung an diesen Staat be- (al-Baida) betreffen, hat schon Tkac (1354. 1433. 

greiflich. Zuzugeben ist aber, daB eine solche 1435. 1440. 1454) zusammengestellt und be- 

zu Zeiten der Schwache Ma'ams naturgemaB star- sprochen. Die einzelnen Formen des Stadtnamens 

ker sein muBte. Plinius (VI 160) fiihrt Kamna {I^doxa fiir "AoKa bei Strab. XVI 782, Naseus 

(Caminacum) unter den von C. Aelius Gallus zer- [Plin. n. h. VI 154], Nesca [160], Naseos bei 



471 Minaioi Minaioi 472 

Amraian. Marc. XXIII 47) lehnen sich durchaus 520 von Tempelbauten und Eenovierung der 

eng an den inschriftlicli belegten Namen Nasq^'^^ Stadtmauer die Eede ist, haben wir es wohl mit 

an. Wiewohl sich unter den 74 aus al-Baida einem grOBeren Orte zutnn, dessen Name auch 

stammendeii Inschriften keine einzige minaische auf das dem Gotte Wadd geweihte Tal (in Hal. 

befindet, alle vielmehr sabaisch abgefaBt sind, 192 -+- 199, 6) iibertragen wurde. 

kann docb kein Zweifel dariiber besteben, daB Bevor wir auf die im oberen (rauf gelegenen 

die Stadt urspriinglich minaisch war. Darauf Ruinenstatten kurz eingehen, seien noch jene 

denten sehon die Gotternamen, die sicb bier finden. Stadte besprocben, die Plinins VI 160 bier im 

Die hier verehrte, nach der Stadt benannte solare minaischen Gebiete anfiihrt. Nestum hat Glaser 
G(Jttin Dat Nasq fand tiber diese Stadt hinaus 10 Skizze II 62 mit dem in HamdanT's Sifa fiazirat 

auch im Kultus von Haram und Baraqis (Yatil) al-'Arab 167,21 erwahnten Nesm verselbigt; Ma- 

einen ehrenvollen Platz. Nasq ist schon sehr frtih gusum (var. Masugum) entspricht nach ihm (61) 

in sabaischen Besitz gekommen. Bereits der Mu- lautlich fast genau Magzir, das siidlich von al- 

karrib Yada'' 'II Byn, Sohn des Yifi-'amara Watar Baida am Wadi el-Ferda liegt; eventuell kCnne 

hat Nasq rait einer Umfassungsmauer umgeben, aber auch an Magza" oder llagza'at ,Furt' ge- 

wie die zahlreiehen Doubletten ein und desselben daeht werden (vgl. T k a c 1435). In seiner Reise 

Textes (Hal. 280ff.) auf dieser bezeugen. Yada' 'il nach Marib 97f. hat Glaser noch eine neue Deu- 

Byn ist also wohl als Eroberer der Stadt zu be- tung dieses Namens vorgetragen. Von der Variante 

trachten. Von der Erweiterung des Stadtterri- Masugum ausgehend ware ^die Gegend knapp 
toriums berichten die Inschriften Hal. 349 und 20 siidlich der Ruine Harada, (Jaww Masaq (ausge- 

352 (vgl. Rhodokanakis Studien II 126f.) fiir sprochen Masag) gemeint, die wohl nach irgend- 

die Zeit des Mukarrib Kariba'Il Byn und seines einer alten Ortlichkeit Masaq (alte Form Masaqum) 

Sohnes Damar'ali Watar (zur Reihenfolge dieser ihren Namen hatte; vielleicht babe eine der drei 

Herrscher siehe auch Rhodokanakis Kata- in der Nahe dieses (5aww gelegenen Ruinen, 

banische Texte zur Bodenwirtschaft II S.-Ber. Harada, Medinet Hatim Taiy und .el-Qoreibe, im 

Akad. Wien GXCVIII 2 [1922] 54f.). Nach ihm Altertum Masaq geheiBen. tJbrigens wiU Glaser 

hat dann der Mukarrib Sumuhu-'^aliya Yanaf in (Reise nach Marib 97) das bei Hamdani (3auf 

,seiner Stadt Nasq' gebaut (Hal. 339-J-340). Die von el-Mahura (den er bei Ragwan sucht) genannte 

Stadt ist dann oifenbar von Saba' abgefallen, Gebiet in al-Magtiza verbessern und damit einen 
denn der Stifter der Kolossalinschrift Glaser 1000 A 30 neuen Beleg fiir Magusum gewinnen. Damit kamen 

(Z. 14), Kariba'Il Watar, muBte sie nach dreijahri- wir allerdings schon stark siidlich und seitab jenes 

ger Belagerung wieder erobern und dem sabai- Gebiets, das wir als das minaische Kernland an- 

schen Staate unterwerfen (vgl. Rhodokanakis gesehen haben. Labecia (Labaetia) hat Sprenger 

Altsab. Texte I 29, 53). Die Stadt bleibt dann (Alte (ieogr. Arabiens 159) nach der ihm von 

lange in der Hand der Sabaer. Noch Plinius Kapitan Miles mitgeteilten Liste gaufischer Stadte 

(n.h. VI 154) nennt Nascus unter ihren Stadten, mit Lakbak identifiziert. Glaser (Skizze II 61f.) 

und ihre (ebd. 160) berichtete ZerstOrung durch bemerkt hierzu, daB Lakbak ein Schreibfehler 

Aelius Gallus — nach Strab. XVI 782 hat der fiir Bakbak oder Bakbaka sei, wie die Ruine tat- 

rOmische Feldherr sie nur erobert — diirfte kaum sachlich heiBe, und vermutet, daB Labecia (aus- 
auf Wahrheit beruhen, wie schon Tkac (1433) 40 gesprochen wie Labekia) vielmehr identisch sei 

hervorgehoben hat. Jedenfalls nennt Ammian. mit Lawaq, einer Ruine in Sihat am Abhange 

Marc. XXIII 47 sie eine civitas eximia, Ob aus des Gebel Qadm, etwa zwei Wegstunden nord- 

dem Umstande, daB Strabo von einem KOnig Qstlich von Ma' in. Auch die Qa*' Labba, westlich 

(paadevg) von Nasq spricht, gefolgert werden von el-Baida, kame vielleicht in Betracht (vgl. 

kann, daB die Stadt sich wieder zum selbstandi- Tkac 1436), Ho mm el (Ethnologic 699 und 

gen Stadtstaat entwickelt hat, ist unsicher. Anm. 3) halt die Ortschaft Gar el-Labba, die bei 

Wesentlich kurzer konnen wir uns hinsijjht- H a 1 e v y (Rapport 247) als Fundstelle der Texte 

lich einiger kleineren Ortschaften im unteren Gauf Hal. 598 —606 angefiihrt wird und eine Stunde 

fassen, iiber die leider genauere Nachrichten zur westlich von al-Baida liegt (ebd. 92, sie ist offen- 
Zeit noch ausstehen. Hier ist zunachst Hirran50bar in der von Glaser Qa' Labba genannten 

westnordwestlich von al-Baida zunennen, das ober- Ebene anzusetzen), fiir Labecia des Plinius und 

halb der Einmiindung des Harid in das Wadi glaubt in dem von Hal. 606 gebotenen Lhh, das 

Swaba auf dessen rechtem Ufer liegt, das wohl er Lahha-ha liest, den alten Namen der Stadt 

dem in Hal. 192 -{-19^, 6 = Glaser 1150 genann- und den Urtyp des lateinisch iiberlieferten Orts- 

ten Hrn gail Wadd entsprechen diirfte (vgl. namens zu finden. H o m m e 1 stellt weiterhin dies 

Rhodokanakis Studien II 55. 57. 71). Bereits Labbaha in Paralelle zu Kamina-hu und meint, 

Hommel Chrestomathie 103. 110 hat das Hrn genau so wie dieses durch Caminacum (also siid- 

dieser Inschrift wie auch in Hal. 520, 1 5. 19 = arabisch h durch c, d. h. k) wiedergegeben sei, so 

Glaser 1159-1-1160 dem heutigen Hirran gleich- seiLabb-ba durch Labecia umsehrieben, Spren- 
gesetzt, das Hal^vy (Rapport 29) kurz erwahnt 60gers und Glasers Gleichsetzungen mit Lakbak 

(torrent de Hirran gail Hirran, vgl. oben die bzw. Lawaq abzulehnen. "Obrigens babe schon 

minaische Bezeichnung dieses FluBlaafs). Frag- Hal6vy in der Note zu Hal. 606 (J A XIX 

lich ist es, ob in Hal 164f. (RfiS nr. 2751) tat- 1872, 514) Lahahu dieser Inschrift mit Labecia 

sachlich Hirranier gemeint sind, wie Hommel identifiziert. Sehr wahrscheinlich ist diese Gleieh- 

(Ethnologie 686, 1) meint, und in Hal. 532 = setzung ja allerdings nicht, aber es ware ja immer- 

Glaser 1316, 2 = RES nr. 3019 tatsachlich Hirran bin mOglich, daB Labecia irgendwie aus dieser 

(statt Hrr) zu lesen ist, wie Ryckmans (RES V v. 1. versehrieben ware. Stehen wir bei diesen 

301) annimmt. Da in Hal. 365, 2 (R]ES 2879) und Gleichstellungen auf schwankendem Boden, so 



473 Minaioi Minaioi 474 

scheint beachtlich, da6 Athrulla,_das Glaser S. 467,65) stammt, dafi damals der Stamm Ma'm 

recht unwahrscheinlich mit el-'Ula (bzw. Hasr in drei Stadten Qarnawu, Yatll und S*b ange- 

'ula) zusammenstellte (Skizze II 62, in Beise^nach siedelt war (vgl. Rhodokanakis Studien II 130 

Marib 97 verlegt ^r es lediglich in den (jauf), Anm. 2, Katabanische Texte zur Bodenwirtschaft 

von D. H. M tiller unter Bentitzung der Variante II 8 und Anm. 2. 9 Anm. 1, 84). Ob das in 

'Ad'Xovla der minaischen Hauptstadt YatU gleich- Glaser 1548/49 als Wohnsitz eines Teils des 

gesetzt wird^(Art. Athrulla, vgl. Tkac 1362), Stammes Main (hanu Mdin) erwahnte g'b mit 

Im oberen Gauf baben wir dann nach Hommel gu'tib bei San'a identisch ist, wie Glaser 

(Etbnologie698f.)nochBetNimran,wohlnachHal. woUte (Notiz zur Inschrift im Tagebuch, vgl. 

597 mit dem inschriftlichen Nimran zusammenzu- lORhodokanakis Kataban. Texte II 8 Anm. 1) 

bringen, ferner Hizmet abu Taur, oder wie Gla- oder nicht eher in minaischem Gebiete lag, wie 

ser in Tagebuch I 69 ^schreibt IJaribet abu Rhodokanakis (9 Anm. 1) annahm, mag 

Taur, westlich von el-Harasif, genau nOrdlich von heute noch nicht zu entscheiden sein. Auffallig 

es-Sauda eineinhalb Stunden entfernt. Der Name ist auf jeden Fall, daJS die sabaische Inschrift Os. 

kommt von einem Steine in Form eines Stieres, 27, 1, in der ein ,Sarr der Minaer' (Sari'um 

ist also wohl nicht alt. Hommel mochte diese Mo'iniyan) erwahnt ist, aus dem nicht weit von 

Ruine mit dem inschriftlichen Maniyatum (bzw. gu'tib gelegenen 'Amran stammte, der Mann seine 

Mnht) in Hal. 596 zusammenstellen. An kleineren Weihung aber an den Gott Almaqah von Hir- 

Ruinen erwahnt Glaser (Reise nach Marib 83, ran richtet. Es werden also gewiB Minaer auch 

Tagebuch I 69V) noch Maq'im (Miq'im), Siraqa, 20 auBerhalb des minaischen Eemgebiets gewohnt 

Bekbek, el-Harasif, el-Haqas. Eine Reihe anderer haben. So finden wir in der Inschrift Glaser 

Ortsnamen, die sich aus den Inschriften gewin- 1396 = 1610 =: SE 83 (aus Kohlan-Timna') den 

nen lassen, sind leider nicht zu lokalisieren. Wenn Stamm Ma'in neben dem Stamme Qataban und 

wir uns Glasers Versicherung (Reise^ nach Marib zwei anderen Stammen als Besitzer von Feldern 

83) vor Augen halten, da6 der Gauf die an in der siidlich von der Stadt Timna' (Kohlan) 

Inschriften reichste Gegend sei, in der noch Tau- am Wadi Baihan gelegenen, Sdw genannten Land- 

sende von Texten zu finden sind, und damit ver- schaft (vgl. Rhodokanakis Kataban. Texte 

gleichen, was wir bis jetzt an minaischen Texten II 5f ., 7, zur Position Rhodokanakis Die 

besitzen — es sind deren kaum 235 — so wird Inschriften an der Mauer von Kohlan-Timnal 

uns klar, wie viel wir noch von dort zu erwarten 30 4ff., 9 Anm. 4). Die Verbindung des Stammes 

haben und wie sehr Vorsicht in der Beurteilung Ma'in, von dem ein Teil offenbar hier im Be- 

aller mit diesem Staate zusammenhangenden reiche der Hauptstadt des qatabanischen Reiches 

Fragen am Platze ist. angesiedelt war, mit dem fiihrenden Stamm Qa- 

So mag es z. B. vorlaufig als wahrscheinlich taban, die beide dem Konig dieses Reiches unter- 

gelten, daB auch der nordOstlich von Ma'in ge- stehen, weist darauf bin, da,6 Ma'in damals in 

legene Stadtstaat von Nasan, dessen geographische Abhangigkeitsverhaltnis zu Qataban stand, ob- 

Lage ich nach Glasers Materialien bei Rhode- wohl es eigene Konige hatte (s. u.). Dieses 

kanakis Altsab. Texte I 135 — 137 bestimmt Suzeranitatsverhaltnis Ma'ins zu Qataban gehort, 

babe (die Stadt Nasan, heute garibet Nasan, die wie sich aus Rhodokanakis' chronologi- 

in den Inschriften Hal. 154, 7. 395, 1. 371, 6 ge- 40 scher Einordnung der Inschriften ergibt (vgl. 

nannt ist, lag auf der Siidseite des Ka*ab (Jebel Kataban. Texte I 35. II 98) zeitlich vor die In- 

el-Laud, nordostlich von Ma'in, etwa sieben bis schrift Glaser 1000 A. Wir stehen nun vor der 

acht Stunden entfernt), wenigstens urspriinglich Frage, wie wir uns die Erscheinung zu erklaren 
zum minaischen Staatenverband gehOrte. Jeden- haben, da6 Minaer hier im Bereich des qata- 

falls sehen wir Nasan in Glaser 1000 A auf Seiten banischen iSltaates, ja tatsachlich vor den Toren 

der Saba feindlichen Machtegruppe, die nach der seiner Hauptstadt als possessores erscheinen. Am 

durch einen Yorganger des Stif ters dieser In- ungezwungensten ist da doch wohl die Erklarung, 

schrift vollendeten Niederringung Ma'^ins Saba's daB das alte minaische Siedlungsgebiet in die 

Widerpart ist und nun von Kariba'll Watar be- Region des heutigen Wadi Baihan libergegriffen 

siegt wird. 50 hat. Vielleicht zog sich der Bereich des Stam- 

Haben wir^ nun das eigentliche minaische mes Main vom drof nordlich von Marib-Mariaba 

Kernland in Gauf kennen gelernt, dessen Aus- in siidostlicher Richtung auf das ^aw Kudaif zu, 

dehnung wir wohl noch nicht voll abzuschatzen das westlich von Sabwa-Sabota, der Hauptstadt 

vermOgen, so erhebt sich die Frage, wie sich dies Hadramots liegt (s. die Kartenbeilage 5 zu G 1 a - 

Gebiet einerseits zu den von den klassischen ser Reise nach Marib). Diese Annahm© wiirde 

Autoren den Minaern zugewiesenen Wohnsitzen, in wiinschensworter Weise gestutzt durch die An- 

andererseits zu deren Meivala verhalt. Wenn wir gabe des Plinius (n. h. XH 54), wo es im AnschluB 

Mivaiot als ein gentilicium im engeren Sinne an die als pagus Sabaeorum bezeichneten Atra- 

und als Stamm Ma*in fassen, wie es uns in mitae (Hadramotiten) heiBt attingunt et Minaei, 
den Inschriften Qfters begegnet (vgl. die Zusam- 60 F^P^s alius, und VI 155 Atramitis in mediterra- 

menstellung bei Hartmann Arab. Frage 379ff.), neo iunguntur Minaei, die Minaer also beide Male 

so ergibt sich als Stammgebiet in der Zeit der als Nachbarn der Hadramotiten bezeichnet sind. 

altesten minaischen Inschriften die Teilstrecke Tkac hat also wohl Recht, wenn er (1334) das 

des Wadi garid, in der die beiden Hauptstadte bei Eratosthenes (Strab. XVI 768) erwahnte Mi- 

Ma*in und YatTl liegen. Diese Begrenzung scheint o^a/a, das von den Weihrartichkarawanen von 

sehr enge, und in der Tat lernen wir aus Ailana in 70 Tagen erreicht werde, als ,vormali- 

der Inschrift Glasers 1548f., die aus der Zeit gen Minaersitz im Katabanenreiche oder unmit- 

der Konige von Saba' und Du Raidan (s. o. telbar an seiner Grenze* anspricht. Der Eratosthe- 



475 Minaioi Minaioi 476 

nischen Weglange steht allerdings die urn 5 Tage- Eine lose Verbindung zwisehen dieser und 

reisea geringere Distanzangabe zwisehen dem dem in Hal. 535 + 578 (=: Glaser 1155) erwahn- 

weiteren Gaza nnd der Hauptstadt Thomna ten Main Masran schien zunachst gegeben, als 

(=iTimna -Kohlan) bei Plin. n. h. XII 63 gegen- H o m m e 1 in seiner Besprechung von D. H. 

iiber, aber es ist ja nicht ausgeschlossen, da6 sich Miillers Edition der Texte von el-' Ola' (Aufsatze 

im Zeitraum von mehr als 200 Jahren, die zwi- u. Abhandlungen 6fi.) diese beiden Worte als ,die 

schen beiden Nachrichten liegen, die Verkehrs- nordliehe Minaercolonie" faBte. Glaser, dem 

verhaltnisse erheblich gebessert batten, tlbrigens Ho mm el schon 1889 diese Deutung mitgeteilt 

konnte wobl auch Minoa, das Steph. Byz. als hatte, hat dann in Skizze II 452 die Meimmg ver- 
alten Namen von Gaza anfiihrt, in irgendwelchen 10 treten, Ma'in Masran bedeute einfach ,die agyp- 

Beziehungen zu Minaia stehen, wie dies anschei- tischen Minaer* und die Minaer seien zu den 

nend auch Sprenger Die alte Geographie Ara- Hyksos zu rechnen, die Inschrift in die Zeit des 

biens 232 angenommen hat. Auf jeden Fall ist Auszugs der Hyksos aus Agypten zu verlegen. 

es bezeichnend ftir die Stabilitat der ethnologi- Im f olgenden (456) meint dann Glaser im Zu- 

schen ScMchtungsverhaltnisse, daB die Wohn- sammenhange mit der Lokalisierung des in der 

sitze der Minaer sowohl im 6of, wie Glaser 1548f. genannten Inschrift erwahnten Sarr und A' stir, 

beweist, als auch im Reich Qataban, was aus die er unter Ma%n Masran mitverstanden wis- 

Plinius hervorgeht, sich kaum wesentlich im Laufe sen woUte, das H o m m e 1 mit ,die Minaer von 

der Jahrhunderte verschoben haben. Wenn wir Masran* tibersetzt hatte, es konne dies auch 
auch bisher Minaer nur im Binnenlande ange- 20 einfach ,das agyptische Minaergebiet* heifien. 

troffen haben, aus dem allein inschriftliche Zeug- Masran ware sonach der Name eines nordlichen 

nisse zu uns sprechen, so werden wir doch kaum Grenzgebietes zwisehen Minaern und Agyptern, 

das Recht haben, die Nachricht des Eratosthe- nach Hommel die Sinaihalbinsel, wahrschein- 

nes anzuzweifeln, der ausdriicklich versichert, dafi lich aber der ganze Isthmus von Suez bis Gazza 

die M. in dem gegen das Rote Meer zu gelegenen und das stidliehe Palastina, oder es sei ein ein- 

Teile saBen. Der Zusatz, ihre groBte Stadt sei faches Adjektiv ,agyptisch*. Im Zusammenhang 

Kama (= Qarnawu), zeigt klar, daB auch er den damit tibersetzt er dann Ma'm masran ,die agyp- 

6auf zu ihrem Gebiete gerechnet haben muB. tischen Mina)er' oder ,das agyptische Minaer- 

Wieweit das minaische Gebiet in die Ktisten- gebiet', womit zur Zeit der Inschrift offenbar nur 
ebene (Tihama) hineinreichte, ist nicht mehr zu 30 die am Isthmus von Suez und ostlich davon woh- 

ermitteln, und wenn T k a c, der sich ausftihrlich nenden Stamme gemeint sein konnen, wahrschein- 

zu dieser Strabonstelle und alien Irrwegen, die die lich bis tiber Gazza hinaus, das uns als alte Mi- 

versehiedenen Interpretationsversuche dieses wich- naerkolonie ohnehin aus den Insehriften bekannt 

tigen Passus in historischer Auswertung gegan- sei — ich bemerke, daB die Insehriften Gazza 

gen sind, geauBert hat (1319 — 1322), annimmt, nirgends als Minaerkolonie bezeichnen — , viel- 

der Ktistenbesitz der Minaer ware zur Zeit des leicht sogar bis Sur (Tyrus). Glaser (457) 

Plinius oder luba kaum tiber die Gegend des geht dann auf Hal. 578 (das mit Hal. 535 den 

heutigen Qonf uda hinausgegangen und hatte slid- Text von Glaser 1155 bildet) ein, wo von Ma- 

lich nicht tiber die geographische Breite von sran und Ma'm (den Minaern von) Masran und 
San'a' hinausgereicht — der Qarid hatte die Stiid- 40 am Schlusse der Zeile von ,dem Wasser dieser 

grenze des Minaerreiches gebildet, wahrend diese beiden* die Rede sei. Das erinnert ihn so sehr 

in der Bltitezeit noch stidlicher angesetzt werden an dais in der Bibel sehr haufig vorkommende 

mtisse — , so sind das lediglich Vermutungen. Nahal Misrajim (das Wadi von Agypten, das er 

Auf festem Boden stehen wir aber jetzt hinsicht- dem Wadi el-*Aris gleichsetzt), daB wir bei 

lich des Nachweises einer nordarabischen Kolonie Masran, besonders wenn es Landesname ist, ab- 

der Minaer. solut nur an das Gestade von el-'Aris und das Ge- 

Es ist das Verdienst Jul. Eutings, in dem lande des Wadi el-'Aris denken konnen. War 

nordlich von Medina gelegenen el-' Ola, das eine damit Ma'in Musran — ohne jeden trif tigen 

wichtige Station der langen KarawanenstraBe Grund — hoch in den Norden auf die Sinaihalb- 
gewesen ist, die Gaza und Petra mit den slidara- 50 insel verle^ worden und von Glaser mit Agyp- 

bischen Produktionsgebieten der kostbaren Aro- ten in Zusammenhang gebracht, so hat H. Wink- 

mata verband, zuerst neben lihyanischen Texten ler (Musri Meluhha, Ma'in MVAG III 1898/1, 

auch Bruchsttieke von 25 groBeren minaischen In- 23) sowohl das sicher ,Agypten* bedeutende Msr 

schriften und etwa 50 minaischen Graffiti ent- in Glaser 1155 (dessen tlbersetzung er hier S. 20 

deckt zu haben, ftir deren ErschlieBung D. H. bietet) und Glaser 1083, als auch Jfwsran mit dem 

M ti 1 1 e r (Epigraphische Denkmaler aus Arabien, in assyrischen Quellen genannten Lande Musri 

Denkschr. Akad. Wien XXXVII, 1889) und identifiziert, der minaischen Provinz, die er in 

Mordtmann (Beitrage zur minaischen Epi- Nordwestarabien sucht. H. Winkler hat dann 

graphik, Erg.-H. zur ZA nr. 12, Weimar 1897, neuerdings bei E. Sehr a der Die Keilinschrif- 
hier ME zitiert) die erste Pionierarbeit geleistet 60 ten und das Alte Testament^, Berlin 1903, 140ff. 

haben, wahrend J a u s s e n und Savignae zu diesem Problem Stellung genommen. Er sieht 

noch eine ganze Anzahl weiterer Texte (im gan- die in el-'Ola' gefundenen minaischen Insehriften 

zen etwa 200) aus dieser Fundstatte herauszu- als Beweis ftir das Vorhandensein einer minai- 

holen wuBten (Mission arch^ologique en Arable schen Ansiedlung hier und ftir die Herrsehaft der 

n, Paris 1914). Es war von vornherein klar, Minaer auch tiber Nordarabien an. El-'Ola' sei also 

daB hier eine weit nach Norden vorgeschobene eine nordarabische Provinz der Minaer und falle 

Kolonie Ma'Ins vorliege, aber welchen Namen raumlich mit dem von den Assyrern im 8. und 

mochte diese getragen haben? 7. Jhdt. v. Chr. als Musri bezeiehneten Lande zu- 



477 Minaioi Minaioi 478 

sammen, an das im Siiden sich das Meluhha ge- scheinlich, daB wir die minaische Kolonie sich 

nannte Gebiet anschlieBt. Nach assyrischen so weit nach Norden erstrecken lassen konnen 

Quellen ist der Konig von Musri als lebensab- (man vergleiche die Kartenbeilagen bei Musi 1), 

hangig vom Konig von Meluhha anzusehen, in sondern halte Ma'an mit M u s i 1 (243 — 247) fiir 

dem wieder wohl nur der Konig von Main zu identisch mit biblischem Ma' on und Ma'tin; wenn 

verstehen sein wtirde, zu dessen Gebiet eben el- Musil hinsichtlich des Zusammenhangs dieser 

'Ola' gehorte, und das bis an die Grenze von Slid- beiden Formen mit Ma'in sagt ,Whether the 

palastina reichte. Ihm folgt 0. Weber (Studien name Ma'on arose from Ma'in or not, I cannot 

zur stidarabischen Altertumskunde, MVAG VI 1, decide, because both are purely Semitic and both 
1901, 34); wenn er daran aber die Bemerkung 10 are frequently met with in northwestern Arabia*, 

scWieBt, dafi die in el-'Ola' aufgefundenen mina- so kann ich mich diesem Urteil nur anschliefien. 

ischen Denkmaler eben von in jenem Musran an- Auf dem lautlichen Gleichklang allein sind eben 

sassigen Minaern gesetzt ^eien, so rechnet er wohl Zusammenhange nicht aufzubauen. Wenn die LXX 

el-'Ola' wie Winkler zu dieser minaischen mehrfach Minaer fiir Ma'tinim eingesetzt hat, so 

Provinz. In der zweiten Auflage von ,Arabien vor kann das Versehen sein, wie sde ja auch Ma'on 

dem Islam' (Der alte Orient III 24) meint dann mit Midian verwechselt hat, kann aber auch so 

Weber, diese Provinz und Musri habe sich in erklart werden, da6 man den sicher sehr gelau- 

der geographischen Lage mit dem Lande Midian figen Namen hier an Stelle eines vieUeicht schon 

gedeckt, eine Positionsbestimmung, die auch F. weniger bekannten oder nicht mehr verstand- 
H m m e 1 (Ethnologic 606, 2 und bei D. N i e 1- 20 lichen eingesetzt hat. Damit soil durchaus nicht 

sen Handbueh der altarabischen Altertums- geleugnet werden, dafi es moglich ist, daB 

kunde I 69 und vgl. MVAG VI 30) vertrat, auch in Ma'an sich einmal Minaer aufgehalten 

der el-'Olai' (603) nachgerade als Sud-Midian be- haben, aber die Ma'in Musran genannte Land- 

zeichnete. In gleicher Richtung bewegt sich auch schaft kann man nicht ohne weiteres so weit nach 

die Ansicht von H. G r i m m e, der in OLZ XIII Norden verlegen. Das wahrscheinlichste ist dem- 

(1910) 55 die minaische Kolonie Musran fiir den gegenuber, daJB MaHn Musran mit der minaischen 

nachsten Nachbar Midians und Msr der Inschrift Kolonie von el-'Ola' zusammenfallt, die ja schon 

Glaser 1155 mit H. Winkler (MVAG III 23f.) die moisten Forscher, die sich mit dieser Frage 

fiir identisch mit dem ebenda genannten Msrn beschaftigten, als Bestandteil dieser Landschaft 
halt, wiewohl er die Gleichung HartmannsSO angesehen haben. Rhodokanakis (bei 

(Msr = Agypten) nicht vollig ablehnt. Sehr Nielsen Handbueh 1 131, 2) hat {nCn) msrn in 

richtig hat daher Grimme (58) Msr bzw. Msrn diesem Komplex (in Glaser 1155 und 1302) als 

als Appellativum in der Bedeutung ,Grenzmark' ,Grenzer* und msrn (wie H. Grimme) als ,Grenz- 

oder pluralisch als ,Grenzmarken' gefaBt und mark* gefaBt und in m'n msrn die im nordlieh- 

gemeint, die Minaer hatten damit das am weite- sten Grenzgebiet, in der Handelskolonie el-'Ola' 

sten nach Norden gelegene Stuck ihres Reiches (Dedan), dislozierten Minaer gesehen. Damit fallt 

bezeichnet. Mit der Zeit hatte sich das Appella- dann naturgemaB auch jede Beziehung zu Agyp- 

tivum zum Eigennamen verschoben, was dann ten und die Ursache, diese minaische Kolonie in 

die Artikelsetzung (die Endung -aw) uberfliissig dessen Nahe nach Norden zu verlegen. Als Haupt- 
machte. Die Inschrift Glaser 1155 zeige in fest-40ort dieses Gebiets haben wir sicher Dedan (in- 

gewordenen Verbindungen wie ,Statthalter der schriftlich Ddn, in ME 13, 2 h-hyth Wdb-Ddn 

Mark* {kbry msrn) und ,Minaer der Mark' (M'n ,imTempel des Wadd zu Dedan* und 11, 8 Kbr-h 

msrn) appeUativisches Msr, wahrend isoliert ste- M'n b-D[dn] ,der Statthalter der Minaer in De- 

hendes ,Mark* hier wie in den Hierodulenlisten [dan]*; zu letzterer Erganzung vgl. schon Ho m- 

von Qarnawu als reiner Eigenname in der Form mel Ethnologie 603, 2) anzusehen, das auch 

Msr stehe. Als Eigenname hatten auch die Frem- in den Hieroduleninschriften Glaser 942 = 1277, 

den der spateren Zeit das Wort gefaBt, und so 944 = 1268, 946 =; 1270, 961 ==i 1241, 963 = 

kame es, daB die Assyrer nur mit Musur und 1243, 974, 976 = 1255 und 1025 genannt und 

mit Musran operierten. M. Hartmann (Ara- mit dem heutigen Gebiet von el-'Ola' identisch 
bische Frage 3811) hingegen bemerkt, die mi- 50 ist, was schon Glaser (Skizze H 155) und C. 

naische Kolonie, deren Mittelpunkt Dadan (heute Conti Rossini Storia d'Etiopia I (Milano 

el-' Ola') war (zu dieser Identifikation vgl. auch 1928) 93 erkannt und auch M. Hartmann 

A. Musil The northern Hegaz, New York 1926, (Arab. Frage 381) angenommen hat (s. o.), wah- 

293ff.), sei ein Stiick Ma'in gewesen, habe aber rend H o m m e 1 (Ethnologie 606, 2) dais in- 

zum Unterschiede vom Mutterreich ,das agyp- schriftliche Zairan mit el-'Ola' identifizierte. Die 

tische Ma'in* geheiBen. Hartmann meint Gleichung el-'Ola' = Dedan ist gesichert durch 

dann (382 Anm. 7), man ware eigentlich geneigt, eine minaische Grabinschrift (A. J a n s s e n - 

Ma'an zu schreiben, well die ma'inische Kolonie R. Savignac Nouvelle inscription min^enne 

in Ostagypten (ein besonderes Land Musri sei d'El-'Ela. Dedan, Rev. bibl. VII [1910] 521 — 
nicht anzunehmen) an der Stelle des heutigen 60 532, vgl. Lidzbarski Ephemeris f . semit. Epi- 

Ma'an gelegen haben wird. Das anzunehmen war graphik III, GieBen 1915, 273), in der Dedan als 

um so verlockender, als die slidliche Siedlung von Sterbeort des Stifters der daselbst gefundenen 

Ma'an den Namen Ma'an al-Masriyye oder al- Inschrift genannt wird. Die beiden Herausgeber 

Kebire fiihrt (Musil The northern Hegaz 4) dieser Inschrift haben mit Recht in Qoreiba oder 

und H. Winckler (MVAG III 24) Ma%n der unmittelbaren Umgebung von el-' Ola' das 

Musran als Nomen gentilicium Ma%n al-Musriyyu Emplacement von Dedan gesehen und die Mei- 

(das musraische Main) gefaBt hatte. Trotz dieses nung vertreten, daB die Oase von el-'Ola' frtiher 

Gleichklangs halte ich es aber nicht fiir wahr- den Namen Dedan getragen habe. Dedan war als 



479 Minaioi Minaioi 480 

Eesidenz des minaischen Statthalters sicher ein geschlossen hatte, kommt in seiner Darstellung 

ansehnlicher Ort, an dem auch dem minaischen der altsudarabischen Geschichte in Nielsens 

Reichsgotte Wadd ein Tempel errichtet war. Da Handbuch der altarabischen Altertumskunde 1 67 

dieTexte von el-'Ola' (ME 117) die beidenKonige zu einem noch hoheren Alter des minaischen Reichs, 

Waqah'il Sadiq und Abu-Karib Yatf erwahnen, dessen Anfang er auf ca. 1300 v. Chr. ansetzt, 

die in Glaser 1087 (=:Hal. 504) mit dem qataba- wahrend die Anfange der stidarabischen Schrift 

nischen Konige Sahir Yagil Yuhargib genannt und Kultur in Siidarabien gewiB noch mehrere 

werden, welch letzterer der Vater des in Glaser Jahrhunderte zuriicklagen und bei vorsichtiger 

1000 A als Bundesgenoss© deisi Kariba'il Watar von Schatzung der Mitte (vielleicht sogar noch der 

Saba' namhaft gemachten Warawa'il von Qata- 10 ersten Halfte) des 2. vorchristlichen Jahrtausends 

ban gewesen ist, so miissen diese beiden mi- zugeschrieben werden diirften. Das Ende des 

naischen Konige in der nicht lange vor Glaser minaischen Reiches setzt H o m m e 1 um eine Ge- 

1000 A liegenden Epoche regiert haben und neration vor etwa 680 v. Chr. an, in welches un- 

muB sonach auch die Kolonie von el-'Ola' in gefahre Datum der Stifter der grofien Sirwah- 

diese Zeit zunickreichen (vgl. Rhodokanakis inschrift gehoren wtirde. 

Die Sarkophaginschrift von Gizeh, Ztschr. f . Se- Ich brauche mich hier um so weniger auf alle 

mitistik II [1924] 123, 2). Wie lange die Minaer Diskussionen fiir und wider einzulassen, die Gla- 

hier als Herren saBen, ist nicht genau fest- sers Theorie ausgelost hat, als Tkac alles Ein- 

zulegen; da die Konige Waqah'il Sadiq und III- schlagige bereits kurz zusammengefaBt hat (1504 
yafa' Yastir in den minaischen el-'Ola'-Texten er- 20 — 1511). Nachzutragen ware, daB auch Lemon - 

wahnt sind, ist die Provinz wohl im Zeitraum, n y e r La controverse min^o-sab^enne (Rev. des 

der zwischen diesen beiden Herrschern liegt, in Sc. Phil, et Th^oL 1910, 581f.) imAnschluB an 

minaischem Besitz. Das Ende des minaischen die Erorterung des Delosaltares zu diesem Pro- 

Staates hat dann wohl auch die minaische Ko- blemStellung genommen und De Lacy 0' Lear y 

lonie in Dedan des notigen Riickhalts am Mutter- Arabia before Muhammad, London 1927, 94f. sich 

lande beraubt, Libyan und Nabataer waren hier den Gegnern G 1 a s e r s angeschlossen hat. Wenn 

wohl dieErben der verblassenden minaischen Macht. ich mich hier nur auf das wichtigste beschranke 

Hier wie schon ofter im Lauf e der vorliegenden und nur auf einzelne Punkte des ganzen Fragen- 

Darstellung standen chronologische Schichtungs- komplexes naher eingehe, so geschieht dies auch 
probleme zur Diskussion, und es muB nun auf die 30 deshalb, weil ich nicht den Untersuchungen vor- 

Frage eingegangen werden, wie eigentlich das greifen mochte, die von anderer Seite (K. Mla- 

Reich von Main zeitlich in die Geschichte des ker in Graz, einem Schtiler von Rhodokanakis) 

vorderen Orients einzugliedern ist, und vor allem, im Gauge sind und im Zusammenhange mit den 

in welchen Beziehungen Saba' und Ma'in zuein- Hierodulenlisten von Ma'in auch die chronologi- 

ander stehen. D. H. Miilier (Burgen II 101 Iff.) schen Probleme behandeln werden. Ich mochte 

hat als erster eine Liste der minaischen Herrscher aber inzwischen mit allem Nachdruck auf die 

vorgelegt und zu dem Problem dahingehend Stel- ebenso vorsichtigen wie wohlbegriindeten Auf- 

lung genommen (1031), daB Minaer und Sabaer stellungen verweisen, die Mordtmann in 

als rivalisierende Volker anzusehen seien, also seiner Rezension von G 1 a s e r s Skizze I (ZDMG 
nebeneinander bestanden (vgl. Tkac 1504).40XLIV 181ff.) und in seinen Beitragen zur mina- 

Demgegeniiber trat Glaser mit einer ganzlich ischen Epigraphik (105, 115), D. H. M tiller 

anderen Auffassung des Verhaltnisses der beiden im Anz. d. Wiener Akad. 1909 nr. 2 sowie Tka c 

Staaten auf den Plan, das er in seiner nie im im Art. Saba u.Bd. II AS. 1511 vorgetragen haben 

Buchhandel erschienenen und daher schwer er- und die auch heute sehr beachtenswert erscheinen. 
reichbaren Skizze I im 3. Kapitel, Das Konigreich Zunachst ist festzustellen, daB wir auf Grund 

der Minaer (Main), 46 — 55, dargelegt hat. Gla- des uns zur Zeit vorliegenden inschriftlichen Ma- 

s e r stellt hier fest, daB das minaische Reich dem terials noch keinerlei Anhaltspunkt fiir die zeit- 

sabaischenvorangegangenseiunduml500 V. Chr., liche Festlegung des Aufkommens des Minaer- 

wahrscheinlich sogar 2000 v. Chr. begonnen habe reichs besitzen. Mordtmann (183) hat zwax 
und im Kampfe, den Glaser 1000 schildert (63), 50 darauf verwiesen, daB Assurbanipal ca. 645 v. Chr. 

zu Ende gegangen sei. Ausfiihrliche Referate tiber Abyateh, den Konig der Araber, unterworfen habe 

seine, in Fachkreisen als Minaertheorie bekannte und dieser nur ein Konig von Main gewesen sein 

Lehre, sind vor allem 0. Weber Studien zur konne, da dieser Name, der gleich 'Abyd" (Abl- 

siidarabischen Altertumskunde I (MVAG VI 1901, yada') zu setzen sei, nur dem minaischen Konigs- 

6fl;.) und D. Nielsen Studier over oldarabiske geschlechte eigen war. Nach meiner Ansicht ist 

indskrifter, Kopenhagen 1906, 84ff. zu danken. aber auch damit kein Terminus a quo gegeben, 

Weber (36f.) ist nicht nur fiir G 1 a s e r s Mi- da die Identifizierung der beiden Namen doch sehr 

naertheorie eingetreten, sondern hat sich auch problematisch ist, wie es wohl auch nicht angeht, 

mit den Einwendungen der Gegner dieser Theorie den Abi-yata' auf einer Nachpra^e einer alexan- 
auseinanderzusetzen versucht; er erklart sich fiir 60 drinischen Tetradrachme des numismatischen 

das hohere Alter der Minaer gegeniiber den Sa- Kabinetts der Universitat Aberdeen mit den Abi- 

baem, halt die Sirw^hinschrift (Glaser 1000, yada' der minaischen Konigsreihe zusammenzu- 

ca. 600 V. Chr.) fiir den Terminus ad quem und stellen, wie dies G. F. Hill Catal. of gr. coins 

berechnet die Dauer des minaischen Reiches auf of Arabia, Mesopotamia and Persia (Lond. 1922) 

mindestens 600 Jahre, so daB wir in die Zeit LXXXIIf . und C. Conti Rossini Monete 

von mindestens 1200 bis spatestens 600 v. Chr. sud-arabiche RRAL XXX 9—10 (1922) 242 getan 

kamen. H o m m e 1, der sich von allem Anfang hat. In der Kontroverse hat die Inschrift Glaser 

an mit H. Winckler G 1 a s e r s Minaertheorie an- 1155 (Hal. 535 + 578) von allem Anfange an eine 



481 Minaioi Minaioi 482 

bedoutsame Rolle (g^spielt und weittragende ler Studien z. vorderasiat. Geseh. (MVAG III 
Schltisse sind aus ihr gerade ftir das gegenseitige [1898] 146f.) gegen die Ansetzung der Inschrift 
Verhaltnis von Minaern und Sabaern gezogen Glaser 1155 in die Hyksoszeit und gegen die Zu- 
worden (vgl. die Ausgabe von H. Winckler sammenstellung d^r Mdy mit den Matoi gewendet 
MVAG III [1898] mit Faksimile, Dbersetzung und gemeint, wenn die Mady die M'^doi sein 
ebd. 20). Diese Weihinschrift ist gestiftet von soUten, so konne der Ffeldzug des Kambyses 525 
zwei Kabiren von Musran und Main musran fur nicht gut fiir die Zeit passen, in der sudarabische 
die Errettung aus einem tlberfaU, den Saba' und Kaufleute ,in der Mitte von Agypten' vom Kriege 
gaulan auf der KarawanenstraBe zwischen Ma'in uberrascht werden konnten. Die langen Revolu- 
und Ragmat gegen sie und ihren Besitz ge- 10 tionsjahre des 4. Jhdts. lagen am nachsten. 
richtet batten, und aus dem Kriege, der zwisehen Bieser Auffassung trat dann, den Stand der 
dem Herren des Sudens und dem des Nordens Frage zusammenfassend, 0. Weber MVAG VI 
gefubrt wurde, und ihre Errettung inmitten [1901] 22ff.entgegen, der Glaser 1155 wie Ho m- 
Igyptens (Msr) wahrend der Emporung, die zwi- mel (Ethnologie 142) in die Bliitezeit des mi- 
schen Mdy und Msr stattfand. Im ScliluBpassus naischen Reiches und seiner midianitischen Kolo- 
ist Abyada' Yatf, Konig von Ma'in, erwahnt. nien, ja sogar in die ersten Zeiten des minaischen 
Glaser (Skizze 1 57S .) hat aus der Erwahnung Reiches verlegt. Da Weber die Gleichung 
von Saba' und Jlaulan, welch letzteres er sudMeh Musran mit assyr. Musri vertritt (vgl. dariiber 
von Main ansetzt, den SchluB gezogen, dafi es o. S. 477, 8), welche Kolonie die Minaer um 700, 
sich um zwei Stamme, nicht um ein Konigreich, 20 wie aus den Keilschriften hervorgehe, nicht ge- 
handle, das minaische Reich damals schon in Ver- habt batten, weil die Assyrer damals den ganzen 
fall gewesen sei, wahrend das kleine Saba im Norden Arabiens unter ihre Oberhoheit brachten, 
Aufstreben begriffen war. In dem ,Herrscher des im Verlaufe des 7. und 6. Jhdts. aber die Fest- 
Landes rechts' (so gibt Glaser du yamnat wie- setzung der Minaer nicht erfolgt sein konne (am 
der) sieht er Mesopotamien oder irgendeinen Anfang des 6. Jhdts. sei ja nach Glaser 1000 das 
syrisch-kleinasiatischen Staat, im ,Herrscher des minaische Kerngebiet bereits sabaisch), so kon- 
Landes links* (du sa'mat) Agypten, beides unter nen nach dem 8. Jhdt. die Minaer in Musri keinen 
der Voraussetzung, daB das minaische Reich sich EinfluB gehabt haben, den Glaser 1155 und 1302 
bis hinauf nach Syrien (Gaza) erstreckte. Mdy aber voraussetzen. Wenn wir Ma'in musran im 
deutet er als Edomiterland, Medien konne kaum 30 o. S. 478, 31 bezeichneten Sinne fassen und mit 
darunter verstanden werden. In Skizze II 452 el-'Ola' identifizieren, wird freilich der Hauptein- 
erklart Glaser dann, daB die ganze Inschrift wand W e b e r s gegen die zeitliche Ansetzung 
aus der Zeit des Auszuges der Hyksos aus Agyp- von Glaser 1155 in die Zeit um 525 v. Chr. bin- 
ten stamme, weil in ihr vom glticklichen Ent- fallig. Fiir diese ist spater auch v. Bissing 
kommen der Stifter der Inschrift aus der Mitte (Rec. d. trav. XXXI Y [1912] 126ff.) eingetreten. 
Agyptens die Rede sei, und versetzt die Inschrift Er hat in den Mdy die Meder gesehen und Glaser 
in den Beginn des 17. Jhdts., vielleicht um 1155 sonach in die Zeit des Kambyses oder seiner 
1650 V. Chr., wahrend Ho mm el in seinem Re- Nachfolger gesetzt. Eine einwandfreie Bezeugiing 
ferat liber Glasers Skizze I (Glasers historische fiir ein minaisches Konigreich fiir diese Periods 
Ergebnisse aus neuen sudarabischen Inschriften, 40 (6./5. Jhdt. v. Chr.) stelle nicht nur Hiob 2. 11, 20 
Beil. z. Allg. Ztg. 1889 nr. 291, 6) die Meinung dB,x,woiiSLchdeiLXXein2co(pagMirmcov paodevs 
ausspricht, daB Glaser 1155 der Situation nach erscheint, sondem dazu passe auch, daB Erato- 
auf die letzten Jahrhunderte vor 1000 v. Chr. sthenes bei Strab. XVI 768. 776 und Agatharchi- 
paBt (vgl. seine Auffassung 0. S. 479, 41). Dem- des bei Diod. Ill 42 von den Minaern als einem 
;gegenuber hat M. Hartmann (ZA X [1895] noch bestehenden Volke reden — selbst wenn wir 
31 f. und spater Arab. Frage 130f. 421) die An- annehmen, daB dies den QueUen des Eratosthenes 
setzung der Inschrift um 525 v. Chr. vertreten, und Agatharchides entstamme, steigen wir schwer- 
der sich auch Mordtmann (Beitrage 106) und lich iiber das 5., sicher nicht in das 7. und 8. Jhdt. 
Ed. Meyer (ZA XI [1896] 327f.), sowie Conti v. Chr. hinauf. Als einziges Argument fiir das 
Rossini anschlofi (Monete sud-arabiche 242, 50 Alter des minaischen Reiches, das Beachtung ver- 
wo der Konig Abiyada' Yati' aus Glaser* 1155 un- diene, sieht v. Bissing mit Glaser den Um- 
gefahr auf 525 v. Chr. angesetzt wird, vgl. auch stand an, daB die in den minaischen Inschriften 
Storia d'Etiopia I 93). Glaser wendet sich frei- bekannten Konige auf den Miinzen Arabiens nicht 
lich (MVAG II [1897] 249S.) gegen die Zusam- vorkommen, und umgekehrt die Miinzkonige nicht 
menstellung der Mdy mit den Medern oder Per- in den Inschriften. Aber diese Miinzen sind atti- 
sern, raumt (252) allerdings die Moglichkeit ein, scbetn Miinzen des 4. Jhdts., Alexandermiinzen und 
daB auch an die agyptische Polizeitruppe der Ma- romischer Pragung nachgeahmt, die ersteren im 
zoy (Matoi), an Medien, das biblische Mizzah so- Laufe des 4. Jhdts. v. Chr. entstanden (so R e g - 
wie den persischen Satrapen Mazaios gedacht wer- ling 127, 6) oder wie v. Bissing annimmt, 
den konne. Entscheidend iseien also die Kriterien, 60 nicht iiber die zweite Halfte des 4. Jhdts. 
die er in iDezug auf das Alter der minaischen In- hinaufzuriicken. Dann ist aber z. B. von 550 — 
schriften angegeben babe, die ohne Ausnahme 350 v. Chr. reichlich Platz fiir jene inschriftlich 
gegen die Perserzeit und fiir ein weit hoheres Alter bezeugten Minaerfiirsten, auch dann, wenn wir 
sprechen, wobei wieder auf das Fehlen minaiseher keinerlei gleichzeitige Regierungen annehmen 
Miinzen hingewiesen wird, das gegen ein Be- (128). Letztere Ausfiihrung v. B i s s i n g s steht 
stehen des minaischen Reichs zur Zeit des Kam- freilich in scharfem Gegensatz zu Weber 
byses oder Alexanders d. Gr. spreche. Auf Seite (MVAG VI [1901] 24), der gegen Hartmanns 
der Agyptologen hat sich vor allem W. M. M ii 1- Datierung des minaischen Reiches von etwa 550 
Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 1^ 



483 



Minaioi 



Minaioi 



484 



— 200 V. Chr. einwandte, daB keine Rechenkunst 
der Welt die uns iiberlieferten mindestens 26 mi- 
naischen Konige auf diesen Zeitraum zu verteilen 
vermoge, fur die Dauer des minaisehea Reicheis 
vielmehr mindestens 600 Jahre zu beanspruchen 
seien. Dagegen, wie gegen Glasers ahnliche Be- 
rechnungsmethoden muB gesagt werden, daB eine 
durchschnittliche Regierungsdauer von 25 Jahren 
im Orient nicht als Norm angenommen werden 
kann. Man braucht nur einen Blick auf die Re- 
gierungsdauer islamitischer Dynastien zu werfen, 
um dies einzusehen. Die 14 Herrsclier aus dem 
Hause Umayya haben z. B. nur 86 Jahre, die 
ersten 26 'Abbasiden 231 Jahre regiert, diese Da- 
ten stehen also in grellem Gegensatz zu den 
600 Jahren, die Weber, oder den 750 Jahren, 
die G laser (Skizze I 55) als Regierungszeit 
der minaischen Dynastie von 26 (odermit Glaser 
30) Herrsehern angenommen hat (vgl. auch Horn- 
m e 1 Chrestomathie 90. Nielsen Handbuch I 
66). Wir miissen uns aber noch gegen eine andere 
schwerwiegende Folgerung wenden, die aus Glaser 
1155 gezogen wurde. Bereits Glaser (Skizze I 
58) hat den Ausdruck Saba' wa-Qaulan in Glaser 
1155, 2 so aufgefaBt, als handle es sich um zwei 
S t a m m e, Saba' sei damals nur erst ein Stamm 
gewesen, der mit einem anderen benachbarten eine 
kleine Razzia unternahm, an ein (sabaisches) Konig- 
reich sei nicht zu denken. H. Winckler (MVAG 
III 1898, 18. 22) nahm, dariiber hinausgehend, 
an, daB die Sabaer damals noch im Norden saBen 
und zu den Aribi der assyrischen Annalen hiel- 
ten. Auch Weber (MVAG VI [1901] 23; Ara- 
bien vor dem Islam 28) verlegt die Sabaer in den 
Nordwesten Arabiens und halt sie fiir einen Be- 
duinenstamm. In MVAG VI 53 faBt Weber 
seine Auffassung der Situation in Glaser 1155 
dahin zusammen, daB das hier geschilderte Er- 
eignis im Norden stattfand, indem er auf Gla- 
sers Lokalisierung der (Jwln in Zentral-Nord- 
westarabien (Skizze II 323— 326f. 339f.) verweist, 
und fahrt fort: ,Dann kann aber auch Saba' da- 
mals nicht ein machtiges siidarabisches Reich ge- 
wesen sein, vielmehr laBt die ganze Art, wie Saba' 
auf gleicher Stufe wie gawilan genannt wird, 
keine andere Erklarung zu, als die, daB damals 
Saba' eben wie gawilan ein nordwestarabischer 
Beduinenstamm war, der von der Plunderung der 
reichbeladenen Karawanenziige lebte/ Endlich 
spricht auch H o m m e 1 (Ethnologie 142, bei 
Nielsen Handbuch I 65) von den Sabaern als 
rauberischem Stamm, den Ort des tJberfalls (die 
StraBe zwischen Ragmat [bei Negran] und Main, 
das H m m e 1 mit Ma'an bei Petra identifiziert) 
nimmt er unweit von Midian an. Wer so dedu- 
zierte, fiir den mufite sich naturgemaB der An- 
fang der siidarabischen Geschichte in nebelhaften 
Fernen verlieren. 1st es dochan sich schon auBerst 
gewagt, aus einem tTberfall auf eine Handelskara- 
wane den SchluB zu ziehen, der Angreifer mtisse 
zu den Beduinen gehoren, sintemalen schon 
Winckler (MVAG III 21) auf die islamisehe 
Parallele (t)berfall der mekkanischen Karawane 
durch Muhammed und die Seinen) hingewie&en 
hat. Die Formel Saba' wa-JJaulan in Glaser 1155 
ist durchaus nicht anders zu fassen als die par- 
allelen Ausdriicke Saba' ^t7a-Z)a/^r (Glaser 1000 A 
18), Saba' wa Yhblh (Hal. 51, 5. Glaser 904) oder 



Saba' wa-Himyar^ (CIH 347, 5, 334 = Glaser 
825, 3). Mit Rhodokanakis (Altsabaische 
Texte 110 und bei Nielsen Handbuch der alt- 
arab. Altertumsk. I 120) ist die Sache vielmehr 
so aufzufassen, daB die Leitung dieses Unterneh- 
mens Angehorige des die herrschende Schicht stel- 
lenden Stammes Saba' innehatten, die es im Ver- 
eine mit dem befreundeten Stamme Qaulan durch- 
fiihrten. Die Sabaer haben damals also einen wohl- 

10 organisierten Staat gebildet, und die erwahnte 
Kampfhandlung bildet wohl eine Etappe im Rin- 
gen Saba's um die Vorherrschaft in Sudarabien, 
und die Herrschaft iiber die HandelsstraBen, ge- 
hort also wohl in eine Linie mit Glaser 418/19, 
den beiden fragmentarischen Dokumenten des 
groBen Ringens zwischen Saba' und Main. In 
welchem Abstande Glaser 1155 von dieser In- 
schrift steht, ist nicht abzuschatzen. Im Herrn 
des Nordens und des Siidens, die im Kampfe 

20 gegeneinander stehen, sind nach Rhodokana- 
kis wohl siidarabische GroBen zu erblicken, in 
M'n, das mit Ragmat durch eine KarawanenstraBe 
verbunden ist, ist eher Main als Ma'an bei Petra 
zu sehen. 

Uber die Geschichte des minaischen Staates 
erfahren wir aus den bislang zur Verfiigung 
stehenden Texten leider nur sehr wenig; auf einige 
Hauptphasen seiner wohl sicher sehr bewegten 
Geschichte fallt durch sie wohl sparliches Licht, 

30 aber die Einordnung dieses Wenigen ist um so 
schwieriger, als fest bestimmbare Punkte, von 
denen wir ausgehen konnten, kaum vorhanden 
sind. Wir konnen nur hoffen, daB wenigstens ein 
Teil des reichen inschriftlichen Materials, das der 
Boden des 6auf birgt, uns bald zuganglieh wird 
und unsere diirftigen geschichtlichen Kenntnisse 
bereichert. Zunachst sei die Liste der uns bis jetzt 
bekannten minaischen Konige in der von Weber 
(MVAG VI 59f.) eingehaltenen Anordnung auf- 

40 gefiihrt. Da uns die Art, wie diese Namen von den 
alten Siidarabern ausgesprochen wurden, nur zum 
geringsten Telle erschlieBbar ist, sie andererseits 
aber von verschiedenen Sabaisten verschieden um- 
schrieben worden sind, beschranke ich mich auf 
die Wiedergabe des Konsonantenbestandes. Die 
Filiation ist durch einen vertikalen Strich an- 
gedeutet. 



50 



1. 'lyf Wqh 

2. Wqh'l Sdq 

! 

3. *bkrb Yf 

I 

4. ^myf Nbt 



II 



5. 'lyf Yf 

5 a. X 

6. 'lyf Rym 

7. Hwf tt 



III 



60 



r 8. 'byd'' Yf (Abyada* Yatf 

I 
9. WqFl Rym 

10. Hfn Sdq 

I 

11. 'lyf Yfs 

ri2. Yf'l Sdq 



IV < 



13. Wqh'l Yt' 

14. 'lyf*' Ysr 

I 

15. Hfn Rym 



f 16. 'byd'^ ('Abyada'') 

17. Slkrb Sdq 

18. Hfnm Yt; 



485 Minaioi Minaioi 486 

yj ( 19. Yf '1 Eym R:fiS 2743) hatte sich die beachtliche Tatsache er- 

( 20. Tb'krb (Tubba'' kariba) geben, daB ein Beamter des Konigs dieser Stadt 

/ 91 'i^v/q* /»A■hT7Qrlq•=^ Hadramot als Statthalter veiwaltet hat (s.o. S. 467, 

^^^ ^ i 22 W '1 ^ ^ ^ 55): DaB dieser Staat schon in alter Zeit von einer 

' • - mitderminaischenverbtindetenDynastiebeherrscht 

22 a. Yf '1 wurde, ergibt sich aus den Inschriften, die auch 

23. (22) Hyw erkennen lassen, daB Ma'in in diesem Bunde die 

24. (23) Htn Dr . . _ Oberhand hatte (vgl. RhodokanakisbeiD. 

25. (24 j 'byd' Rym ('Abyada' Riyam) Nielsen Handbuch 111 und Anm. 3). Leider ist in 

26. (25) Wqh'l Nbt 10 Hal. 423 der minaische Konig, der ein Zeitgenosse 

27. (26) ['bjyd*' ('Abyada') des Konigs [Yd]' 'b (iylfn] von Hadramot war, 

28. (27J Hln . . . nicht genannt, die Lesung Malik Ma'inim iibrigens 

Die Belege fur die einzelnen Herrscher sind f^^gf'' ''fooJ^^]{ ^o/o^ *i?^t^ ^f'T 

schon bei H a r t m a n n Arab. Frage 126-130 i^.: ]^?S nr. 2928 und S. 242) Die Tatsache des 

angefiihrt. H a r t m a nn hat folgendl Anordnung Bundnisses zwischen Ma m und Hadramot ergibt 

I: 12-15; U: 5.8-11; HI: 1^; IV: 6. 7; V: ^.f. f ? ^^^^ ^^\ ? (bi^uhuwwat ahiu Ab-yd 

16-18; Vi: 19. 20; VII: 21. 22; dann folgen 26, }j^ >Vf.^^ ^^p^l!' ^t s^i^em Bundesbruder 

25. 21. 22. 22a. 23. Homm^l, der schon in /% ^^ ^f- ^l^^^'^^rV' v^l^^^^ 
Ethnologie 139. 683f. 1034 zur Frage des Zu-^^^ ^J.^' ^1 Umgekehrt stand das Verhaltnis 
sammenhangs der einzelnen Gruppen gehandelt ^0 z^J ^_Qataban, das wir uns wohl als Oberherrn 

hatte, hat in seiner Geschichte Stidarabiens im f^'""' f denken haben Schon Rhodokana- 

UmriB (bei Nielsen Hdb. 1 66ff.) unter Anfiihrung ^ ]^ ^^* nachgewiesen, dafi das mmaische Reich 

der Belege folgende Gruppierung vorgeschlagenl ''^^^ %«^ % ^^^^ ^ohn des Dr Krb und 

1 P^mria T (r^v 1 if & & & jioch uutcr cmem seiner Nachiolger, Shr Ygl 

i Gr5 II mit 5 ulld Gruppe III, zu fol- ^f^rgb, der in Hal. 504 (= Glaser 1087) als Zeit- 

gendem Stammbaum verbunden (die Zirfern der gposse (und wohl Oberherr) der mmaisehen Ko- 

oben gegebenen Liste sind in Klammern bei- I'f "^Si\} J> .ivT^v ^-V ?• ,7 f 

(V0CTnhSi\ Sohnes lyf Ysr ( Iliyafa Yasur) erschemt (vgl. 

gegeoenj: ^ ^^^^^^ ^^^^^ j ^^ ^^^ ^^^ ^^ gg^ ^j g__^^ ^ 

'_J^ 30 und Anm. 4) zu Qataban in einem Abhangigkeits- 

' Shhr*ln verhaltnis stand. In der groBen Mariber Inschrift 

^ ^ ^ s V . gu auxyjif ^^^ Verbundeteu (Dhs.m, Mh'mrm, 'Amirum) im 

-jyie^i 1 Kampfe gegen das aufstrebende Saba' und wird 

Hfnm Dr . . . 'lyf Rym (6) /-r-^-- _, xja j^^7c+\ von diesem unter furchtbarenVerlusten geschlagen. 

^ ^ ^ (Ji^onigj^agmmot; ^ghrend auf Seiten der Truppen des qatabani- 

Hwftt(7) 'byd*Yt'(8) 2 Sohne schen Konigs Smhwtr 4000 Mann fallen, verlieren 

I ~ die verbiindeten Minaer Mh'mrm (Muha'mir) und 

Wqh'l Rym (9) 'Amir deren 45 000, auBerdem 63 000 Gefangene, 

I 40 abgesehen von 31 000 Stiick Kamelen, Rindern, 

Hfnm Sdq (10) Eseln und Kleinvieh (vgl. Rhodokanakis 

j Altsabaische Texte I 5f. 8). Mogen diese Zahlen 

'lyf Yfs (11). Siuch iibertrieben sein, so entrollen sie vor uns 

doch das Bild gewaltiger Kampfe, in denen sich 

Gesichert ist hievon lediglich die Reihe 8 — 11, ganz bedeutende Krafte gegeniiberstanden. Da in 

die genealogische Verbindung der Vorganger die- der etwas spateren Inschrift Glaser 1000 Qataban 

ser Herrscher aber, wie Hommel selbst zugibt, bereits Saba's Bundesgenosse gegen 'Ausan ist 

hypothetisch (vgl. unten zu Hal. 193, 2). Auf und auch Hadramot an der Seite Saba's steht, 

69, 1 des Handbuchs laBt Hommel auch die Ma'in aber nicht erwahnt wird, hat man ange- 
Moglichkeit offen, 6 unter Hfnm Dari[h?] zu 50 nommen, der Krieg in Glaser 418f. bedeute das 

stellen (zu diesem Stemma vgl. auch D. H. M ii 1 - Ende des minaischen Reiches, zumal sich Saba's 

ler Burgen II 1013. 1019. Ha rt man n Arab. Schlage ja hauptsachlich gegen Ma'In richten 

Frage 173). (man beach te das Zahlen verhaltnis der qatabani- 

3. Gruppe IV. Hommel (72) nimmt an, daB schen und minaischen Verluste). Wahrend aber 
Hfnm Rym noch einen vor oder nach ihm zur Glaser, der merkwiirdigerweise annimmt, daB 
Mitregierung unter dem gemeinsamen Vater 'lyf der Hauptschlag gegen Ma'in nach Glaser 1000 
Ysr gekommenen Bruder mit dem Beinamen Nbt von dessen Stifter Kariba'Il Watar gefiihrt wor- 
hatte, den er mit "Wqh'l Nbt identifizieren mochte. den sei (Skizze I 62f.) und diese Inschrift in die 

4. Gruppe V. spate Mukarribperiode (etwa 150 — 175 Jahre 
r 5. Gruppe VI. 60 nach dem Aufkommen der Mukarrib) verlegt, Gla- 

Nr. 22a und 23 will Hommel (73) an die ser 4181 aber 20— 30 Jahre jtinger sein laBt und 

Gruppe VI anschlieBen oder zwischen Gruppe V in Skizze II 18 die Entstehung des groBsaba- 

und VI stellen, wobei Yf '1 (22 a) vieUeicht ischen Reiches um und vor 1000 v. Chr. annimmt, 

identisch ware mit nr. 22. In Ethnologie 1034 haben Nielsen (Studier 48. 83) und Hommel 

nimmt Hommel an, daB ein weiterer Minaer- (Ethnologie 142) das Ende der Mukarribperiode, 

konig Nbt Krb Sdq aus Hal. 202, 2 zu er- in das die Inschrift Glaser 1000 ohne Frage ge- 

schlieBen sei. hort, auf die Zeit um 500 v. Chr. gesetzt. Weber 

Aus den Inschriften aus Haram (Hal. 151 = (MVAG VI 37) hat die Inschrift Glaser 1000 um 



487 Minaioi Minister 488 

100 Jahre alter erklart und auch Ho mm el so spricht das doch stark fiir das Bestehen eines 

neuerdings (Handbuch I 74) den Stifter dieser zwar von Saba' abhangigen, aber immerhin unter 

Inschrift um 680 v. Chr. angesetzt, womit er eigenen Konigen stehenden S t a a t e s Main in 

wohl der zeitlichen Bestimmun^ Conti Ros- sabaischer Zeit, nach dem Siege Glaser 418f . 

sinis nahekommt, der in Storia d'Etiopia I 96 (eine andere Ansicht vertritt Hommel im Hand- 

annimmt, daB Kariba'il Watar nieht lange nach buch I 73 und Anm. 2). Wie lange Main als 

der Zeit Sargons (also nach 715 v. Chr.) die Su- Staat dann noch bestand, wissen wir nicht. Wenn 

prematie Mains brach. Hartmann (Arab. Tkac (1511) die Dauer des min. Reiches bis 

Frage 421) hat dagegen die Ansicht vertreteri, z. 2. Jhdt. v. Chr. animmt, so muB das nach dem 
daB die Sabaer um 400 v. Chr. die Stelle der Mi- 10 heutigen Stande unserer Kenntnis der Geschichte 

naer einnehmen. Ein fester Ansatz ist also allem des alten Siidarabien ebenso fur moglich erachtet 

Anschein nach im Streite der Meinungen um das werden, wie Mordtmanns Verlegung dieses Ab- 

Alter von Glaser 1000 noch nicht zu gewinnen. schlusses minaischer Selbstandigkeit vor 1. Jhdt. 

DaB der o. S. 486, 23 erwahnte qatabanische Konig v. Chr. Unmoglich ist lediglich G 1 a s e r s An- 

^hr Hll ben Dfkrb (Sahr Hilal b, Dirlkariba) sicht (Skizze II 10. 21. 68. 95. 131. 287), die Mi- 

wirklich identisch sei mit dem §hr Hll der Gold- naer seien zur Zeit des romischen Feldzugs nach 

miinzen aus Harib (vgl. D. H. Miiller Stidarab. Arabia Felix, ja sogar schon zur Zeit des Erato- 

Altertiimer 73, Typ mit Kopf auf Avers und Re- sthenes Beduinen gewesen, Ein Blick auf die 

vers. G. F. Hill Catalogue of the Greek coins obenerwahnte Inschrift Glaser 1548f. zeigt dies 
of Arabia S. LXXVI), wie dies nach Ho mm el 20 mit ebensolcher Deutlichkeit wie Plinius' Angaben 

(Handbuch I 101) keinem Zweifel unterliege, und tiber Ackerbau und Handel der Minaer. 

daB Warawa'Il Gailan Yuhanlm in Glaser 1402. [Adolf Grohmann.] 

1932, wie Glaser.vermutet hat, mit dem Mlinz- Minister und ministerium wird im amt- 

konig Warawa'il Gailan (bei Hill Catalogue lichen Sprachgebrauch der Spatantike fur die ver- 

S. LXXVI. D. H. Miiller 78) identisch ware, schiedensten Dienststellungen und -leistungen 

muB nach dem heutigen Stande unseres Wissens verwendet. Sklavendienste, sermlia ministeria, 

als ausgeschlossen gelten. Ist doch der erwahnte z. B. in Cod. lust. IV 19, 22 (vom J. 294). VI 6, 6 

Mtinztyp durch Hill (S. LXXVII) auf die (292); maneipiaj quorum ministeria usw. Ill 33, 

Periode von 50 — 150 n. Chr. bestimmt. In so 9 (293), wo der Titel des Abschnittes lautet de 
spate Zeit kann aber Glaser 1000 doch wohl 30 tisu fructu et habitatione et ministerio servorum. 

unmoglich gehoren, dagegen sprechen auBer Vgl. weiter Cod. lust. VII 14, 10 in ministerio 

historisehen auch stark palaographische Indizien. sermtutis mit VII 14, 6 (293). 16, 16 (293). 16, 

Zwar kennen wir zurzeit nur einen qatabani- 36 (294) und VII 15, 1, 2 a (530). Hierher gehort 

schen Herrscher namens Warawa'il, aber immer- auch Cod. Theod. IV 6, 3 (336), wonach der Sohn 

hin m e h r e r e mit dem Namen Sahr (oder Sa- des Kaisers Licinius compe[dibus vincjtus ad gy- 

hir) Hilal (vgl. meine Zusammenstellung Katab^- naecei Garthaginis ministerium deputetur; vgl. 

nische Herrscherreihen im Anzeiger Akad. Wien dazu Dig. XL VIII 8, 8 u. 36 und Cod. lust. IX 

1916 nr. 10 S. 2, 4). Es ist also nicht so ohne 47, 9 in ministerium metallicorum damnari oder 

weiteres geraten, hier Identifikationen zu wagen, dari. ministeria bedeutet Sklavenschaft in Cod. 
zumal wenn noch andere Bedenken dagegen spre- 40 Theod. XVI 2, 10 (S e e ck Regesten zum 26. Mai 

chen. AUe zeitlichen Bestimmungen, wie auch 346). 2, 14 (6. Dez. 356, S e e c k Regesten) = 

D. H. Mullers (Sabaische Denkmaler 3) Vex- Cod. lust. I 3, 2, 4. ministerium ancillae findet 

legung der Konige 'Ilyafa' Yasur und Abu Karib sich Cod. lust. VII 10, 4. 16, 16 (293). 16, 36 

Yatr in die Zeit kurz nach Sargon grunden sich (294), vgl. IV 23, 2 (293). Cod. Theod. XV 7, 4 

ebenso wenig auf inschriftlich verbtirgte Tat sachen, (380) u. 7, 9 (381) quae ludieris ministeriis depu- 

wie G 1 a s e r s Ansatz der beiden Herrscher um tentur. XV 8, 1 (343) vile m. prostituti pudoris 

1000 Jahre friiher (Skizze II 65).^ Allerdings las- explere. Cod. Theod. VII 13, 8 (380) wird von 

sen sich auch fur das Bestehen eines minaischen famosarum ministeriis tabernarum gesprochen; 

selbstandigen Reiches bis in das 2. Jhdt. v. Chr. vgl. Cod. Theod. IX 7, 1 (326) = Cod. lust. IX 
lediglich indirekte Nachrichten (Eratosthenes, 50 9, 28 ministra cauponae und si potantibus mini- 

Plinius) ms Treffen ftihren (Mordtmann sterium praebuit. Haufig werden Heifer bei Ver- 

ZDMG XLIV 184). Wenn aber Hal. 354, 2 von brechen als ministri und ihre Mitwirkung als 

einer Verbriiderung (Btindnis) zwischen Saba' ministerium bezeichnet, so bei Falschmiinzerei 

und Main spricht (vgl. Ho mm el Ethnologic Cod. Theod. IX 21, 2, 5 mit 4 (318, Seeck 

697. Hartmann Arab. Frage 386), so ware ein Regesten zmn 20. Nov.) = Cod. lust. IX 24, 1, 5, 

solches Btindnis am ehesten in der Zeit zwischen bei Frauenraub Cod. Theod. IX 24, 1 u. 5 (Seeck 

Glaser 41 8f. und 1000 anzunehmen und damit Regesten zum 1. April 326), zitiert in Cod. lust, 

auch erklart, warum Main in letzterer Inschrift IX 13, 1, 4, vgl. Cod. lust. I 3, 53, 5 (533), eben- 

nicht mehr genannt ist und der sabaische Herr- so IX 13, 1, 3 a, bei der Mitwirkung an verbote- 
scher hier nur mit den friiheren Bundesgenossen 60 nen heidnischen Opfern Cod. lust. I 11, 7, 2 (451). 

Mains, Muha'mir und 'Amir, Krieg fiihrt. Wenn Auch das blandum m. iniustae delationis Cod. 

dann die beiden Konige Yata' 'il Riyam und Theod. X 10, 12, 1 (380) gehort hierher und die 

Tubba'karib in Hal. 485 den Schutz der Gotter unerlaubte Mitwirkung der Pachter kaiserlicher 

von Main und Yatil und aller Gotter und Patrone Giiter bei Exekutionen, nulli exsecutionis suae 

und Konige und Stamme von Saba' und Gaww turbulentum ministerium audeant commodate 

(d. h. des sabaischen Starts, der ganzen Nation) Cod. Theod. X 26, 1 (426) = Cod. lust. XI 72, 1. 

anrufen (vgl. Rhodokanakis Grundsatz 41 ; Hier sei angef iigt, daB lustinian I. gelegentlich 

Kataban. Texte I 36 Anm. 1, 145. H 45 Anm. 1), die den Soldaten verbotenen conductiones aliarum 



489 Minister Minister 490 

rerum als sordida m. bezeichnet Cod. lust. IV 65, Cod. Th^od. IX 3, 1, 1 [320]) ='Cod. iTist. IX 
35. Ferner Mitwirkung bei verbotener Purpur- 4, 1, 4f. und Cod. Theod. IX 3, 6 (380). Im 
farberei Cod. Theod. X 20, 18 (436), das ofHeium Dienste eines Statthalters wird Cod. Theod. IX 
mms^emmgwe gesetzwidrigen Entgegenkommens 27, 3 (Seeck Kegesten zum 12. Juni 382) == 
gegentiber den beim Aushebungsgeschaft verwen- Cod. lust. IX 27, 1 neben seinem domesticus (s. 
deten Personen Cod. Theod. VII 13, 9 (380), bei Bd. V S. 1298, 34f.) und manipularius audi 
verbrecherischen Anschlagen und Tumultversuchen der m. als Teilnehmer an Erpressungen genannt; 
Cod. Theod. IX 14, 3, 6 (397; vgl. Gothofre- dabei nahm Gothofredus an, daB mit m. 
d u s) = Cod. lust. IX 8, 5, 6, beim Eingehen die privaten Diener gemeint seien, das scheint 
verbotener Patrociniumsverhaltnisse Cod. lust. XI 10 aber um so weniger sicher als auch sonst die 
54, 1, 1 (468) und endlich bei Unterschlagung Tatigkeit von Unterbeamten als ministerium be- 
off entlicher Gelder Cod. lust. IX 28, 1 (415). zeichnet wird, und zwar auch solcher des Statt- 
M. als Dienstleistung im Sinne von munus findet halters wie des domesticus und cancellarius (s. 
sich ganz aUgemein ftir munera in Cod. Theod. Bd. Ill S. 1457, 18f.) in Cod. lust. I 51, 5 (415), 

VI 35, 11 (381). Cod. lust. I 2, 11 mit X 49, 2 ferner der exceptores (s. Bd. VI S. 1565) in 
(445) spricht von m., Diensten fiir den reisenden Cod. lust. XII 19, 12, 1 unter Anastasius I., der 
Kaiser, von denen niemand ausgenommen war. chartularii (s. Bd. Ill S. 2193) in Cod. Theod. 
Diocletian verbietet Cod. lust. XI 55, 1 ne quis VII 22, 8 (372) als m. chartularum; vgl. Cod. 
ex rusticana plebe — mularum Hsealium vel equo- Theod. VIII 4, 20 (407) quicumque ad chartas vel 
rum ministerium subire cogatur, Durch Cod. 20 tabulas vel quodcumque aliud m. cohortalis opta- 
Theod. VIII 5, 21 (364) wurde verboten, den Pro- verit, wo deutlich wieder von Unterbeamten des 
vinzialen ftir die Staatspost pro rotarum tritura Statthalters die Kede ist, weiter der apparitores 
ae ministeriis Geld abzunehmen (s. o. Bd. IV des Praefectus annonae nach Cod. Theod. XIV 
S. 1854, 39ff. und G 1 h f r e d u s). Cod. Theod. 15, 4 (398), vgl. I 6, 7 (376) == Cod. lust. XII 

VII 11, 1 (406) = Cod. lust. I 47, 1 wird m. fiir 58, 1. Auch fiir Unterbeamte von illustren Am- 
die Darreiehung eines Privatbades an den Ma- tern wird die Umschreibung qui ministerium suum 
gister militum gebraucht. Cod. Theod. X 20, 14 eis accomodant in Cod. lust. VII 44, 2, 1 (371) 
(424) =1 Cod. lust. XI 8, 11, 1 spricht von muri- verwendet. Beachtlich ist, da6 lustinian I. auch 
leguli quos sollemnibus ministeriis inservire ma- von der Tatigkeit des sacrum consistorium als von 
nifestum est (s. Bd. XVI S. 662), ebenso sind 30 occupationes, quas circa nostrae pietatis ministe- 
Dienstleistungen von Collegia in Cod. Theod. XII ria habere noscitur spricht in Cod. lust. VI 63, 
19, 1 (400) damit gemeint (s. o. Bd. IV S. 465, 5, 3 (529). Denn in diesem Sinne nennt derselbe 
43ff.). patriae ministerium wird die Decurionats- Kaiser in De emend. 2 (539) den Tribonianus 
pflicht genannt in Cod. Theod. XII 1, 94 (383); legitimi operis nostri ministrum (vgl. hiezu die 
vgl. Nov. Valent. XXXV 5 vom 15. April 452. ministri des Vandalenkonigs Hunerich bei Vict. 

Weiter wird minister und ministerium von Vit. Ill 19 p. 44, 30 Halm. Mon. Germ. A. A. 

Dienststand und -leistung in militarischen und III 1) und sagt bei dem Auftrag zur Abfassung 

zivilen Stellen aller Art gebraucht, von sehr unter- der Digesten Cod. lust. I 17, 1, S ad tuae sinceri- 

geordneten, und zwar dies in der Mehrheit der tatis (Tribonian) optimum respeximus ministe- 
Falle, bis zu den hochsten hinauf. Ganz aUgemein AOrium, eine Aufgabe, die nach I 17, 1, 14 m nostri 

ist Cod. Theod. VIII 5, 23 (365) von Personen die imperii vestrique ministerii gloriam durchgefiihrt 

Rede, qui — ab omnium se civilium et publi- werden soil, und ebenso in Cod. lust. 1 17, 2 (533) 

corum ofHciorum ministerio removerunt', vgl. Cod. Triboniano — omne m. huiuscemodi ordinationis 

lust. XII 57, 13 (442). Die Militartauglichen be- imposuimus. Vielleicht hangt dieser Sprach- 

zeichnet einmal Cod. Theod. VII 22, 7 (Seeck gebrauch mit der Verwendung des Wortes mini- 

Regesten zum 13. April 365) als militaribus ap- sterium fiir Dienste, die unmittelbar dem Kaiser 

tos ministeriis. Das censuale ministerium, die oder doch bei Hofe geleistet wurden, zusammen, 

Stellung der censuales, munizipaler Apparitoren so fiir den Dienst, m., der cubicularii in Cod. lust, 

recht niedrigen Ranges (s. o. Bd. Ill S. 1913, 45ff.) XII 5, 2 (428) fur die sacri cubiculi ministeria nach 
erscheint in Cod. Theod. VIII 2, 4 (384) = Cod. 50 Cod. lust. XII5,4,3 (473, vgl. Seeck Regesten 137, 

lust. X 71, 2. Der Reitknecht, der agaso (s. o. 41). Zusammenfassend werden Hofbedienstete sacro 

Bd. I S. 737), des stationarius der Sicherheits- ministerio nostro deputati in Cod. lust. XII 25, 4 

polizei (s. 0. Bd. Ill A S. 2213) darf zuvor nicht (474) genannt oder in sacro nostro militantes 

schon m. eines anderen stationarius gewesen ministerio Cod. lust. XII 20, 6 unter Anastasius I. 

sein (Cod. Theod. VIII 4, 2 vom J. 315). Die Im Gegensatz zu anderen Amtern erscheinen die 

Tatigkeit der stationarii (stationarii apparitoris sacri palatii ministeria in Cod. Theod. VII 4, 35 

sollieitudo) wird Sirmond. 14 (I 918, 15 von (423) = Cod. lust. XII 37, 15: annonas omneSj 

Mommsens Ausg. d. Cod. Theod.) als ministra quae universis officiis atque sacri palatii ministe- 

nuntiorum et indicium umschrieben, jedenfalls riis et sacris scriniis ceterisque cunctarum admini- 
aber gehorten sie selbst zu den wenigst ange- 60 culis dignitatum adsolent delegari. Schon 365 

sehenen Unterorganen, als Constantius II. befahl unterschied Valentinian I. in Cod. Theod. VII 6, 1 

ne quis ex ultimis negotiatoribus — vel deformis = XII 6, 4 qui palatinae militiae privilegiis ful- 

ministerii stationariis — aliqua frui dignitate ciuntur vel qui officiis ac ministeriis perfuncti 

pertemptet nach Cod. lust. XII 1, 6 (Seeck Re- merito stipendiorum consecuti sunt dignitates; 

gesten zum 6. Juli 355). Die ministri dev stra- Yghreliquam. atque offtciapalatina in Cod. Theod. 

tores (s. Bd. IV A S. 829), denen die Beaufsich- XII 1, 147, 3 (416). Das sacrum m. in Cod. Theod. 

tigung der Untersuchungsgef angenen oblag, waren VI 32, 2 (422) meint im besonderen Sinne die 

also Gefangniswarter (vgl. Gothofredus zu ministeriales (s. u.), die zur speziellen Bedienung 



491 Minister Minister 492 

der kaiseiiichen Personen da waren (vgl. Cod. est, presbyterorum vocabulo religionem mentiun- 

Theod. XIV 20, 1 vom J. 413 mit Cod. lust. XII tur seu etiam se diaconos — appellant. Hier und 

20, 6. 25, 4). Es geht aber nicht an, bei der oben- wenn Honorius Cod. Theod. XVI 5, 52, 5 (412) 

erwahnten Gegeniiberstellung der sacri palatii m. clerici ministrique eorum (Donatisten) ae perni- 

auch die Einschrankung auf die ministeriales an- ciosissimi sacerdotes aufzahlt, konnte man versucht 

zunehmen. Andererseits faBt Gothofredus sein, in den m. die Diakone zu sehen; aber ein 

zu Cod. Theod. VII 4, 35, der darunter decuriones andermal werden von demselben Kaiser durch 

(s. Bd. IV S. 2353), silentiarii (s. Bd. Ill A Cod. Theod. XVI 5, 54, 1 (414) die episcopi, pres- 

S. 57), proteetores, domestici und ahnliche sieht, byteri omnesque antistites eorum (Donatisten) et 
den Kreis zu weit, sind doch zum mindesten die 10 rninistri verurteilt und in Cod. Theod. XVI 2, 41 

agentes in rebus durch Anastasius I. in Cod. lust. (412) zahlt Honorius die der Bischofsgerichtsbar- 

XII 20, 6 von den in saero nostra militantibus keit unterstellten Kleriker auf episcopus vel pres- 

ministerio getrennt. Man wird also aus dem Kreis byter, diaconus et quicumque inferioris loci Ghri- 

dieser ministeria die scriniarii, die unmittelbaren stianae legis minister. Zweifelhaft ist, ob in Cod. 

Untergebenen des magister ofHciorum, die des Theod. XVI 5, 24 (394) = Cod. lust. 8, 5, 2 ne 

comes sacrarum largitionum und des comes rerum antistites eorundem (Haretiker) audeant Mem in- 

privatarum, dazu die militarische Umgebung des sinuare, quam non habent, et ministros creare, 

Kaisers ausnehmen, aber auBer den speziell als quod non sunt, Bischofe und Kleriker im allge- 

ministeriales Bezeichneten alle dem castrensis (s. meinen oder Presbyter und Diakone usw. einander 
Bd. Ill S. 1774) unterstellten Hofbediensteten, 20 gegeniibergestellt sind. tJbrigens findet sich auch 

dazu die silentiarii und ihre decuriones und sehr bei Ambrosius de off. I 30, 152 der Gegensatz von 

wahrscheinlich auch die Untergebenen des prae- sacerdotes und ministri (vgl. Ill 9, 57), wobei 

positus sacri cubiculi einbeziehen. Man kann auf man in II 27, 134 episcopus ut membris suis uta- 

die entsprechenden diver sa m. am Hofe Geiserichs tur clericis et maxime ministris qui sunt vere 

verweisen (Vict. Vit. I 43 p. 11, 6). Mii vielleicht an die Diakone denken darf. Sicher 

ministri heiBen im besonderen Sinne auch ist bei Vict. Vit. Ill 35 (p. 49, 14f.) Muritta, der 

Kleriker, wobei nur selten alle Kleriker oder secundus in officio ministrorum, Diakon, als wel- 

doch alle auBer den Bischofen so bezeichnet wer- cher er III 34 (p. 49, 7) geradezu bezeichnet war, 

den, so Cod. Theod. XVI 2, 47 (425) == Sirmond. wahrend vorher presbyteri und der archidiaconus 
6 (I 912, 9), wo die Kleriker der Bischofsgerichts- 30 erwahnt sind. Aber auch er verwendet m. allge- 

barkeit wieder unterstellt wurden mit der Begriin- mein fiir Kleriker mit EinschluB der Diakone 

dung, fas enim non est, ut divini muneris ministri gegenliber Bischofen und Presbytern (I 27 p. 9, 

temporalium potestatum subdantur arbitrio; vgl. 30). Auch in der Passio martyrum 4 (Mon. Germ. 

Sirmond. 14 (409) (I 918, 23): episcopos et alios A. A. Ill 1 p. 59, 20 Halm) primo sacerdotum et 

ecclesiae catholicae ministros mit Sirmond. 15 ministrorum copiosissimam — turbam — exilio 

(412) (I 920, 12f.). Ebenso ist Cod. lust. I 3j 27 crudeli detrusit (Hunerich), ist m. nicht notwen- 

(466) quisquis — ad consortium se contulerit cle- dig nur von Diakonen zu verstehen. Dagegen be- 

ricorum et inter ministros verae orthodoxae fidei statigen Inschriften den Gebrauch von m. speziell 

maluerit — numerari zu fassen. Die Bischofe sind fiir Diakone, so D i e h 1 Inscr. Lat. Christ. Vet. 
auch mit einbegriffen in einer Umschreibung qui^O 1194, 1 altaris primus minister j d. i. Archidiakon, 

divino cultui ministeria religionis inpendunt, id der in den Anmerkungen auf Sidon. ApoU. ep. IV 

est qui clerici apyellantur in Cod. Theod. XVI 2, 25, 4 lector hie primum, sic minister altaris — 

2 (319). Auch bei Cod. Theod. XVI 6, 7 (413), post archidiaconus und Gloss. IV 406, 10 archi- 

wo die Regierung des Theodosius II. den Euno- diaconus maior minister hinweist; weiter fiir 

mianern Strafen androht qui episcoporum seu altaris minister 1196, 12. 1230. 1462 Anm. 1. 

clericorum vel ministrorum nomine usurpato 1645, 7. 1987, 3f. Unsicher, obwohl wahrschein- 

huiuscemodi coetibus praesunt ist doch wohl am lich ist, ob auch ecclesiae minister 3445, 1 (vgl. 

ehesten an den Gegensatz von Bischof und dem 1642 a) -einen Diakon bedeutet; vgl. auch M a n s i 

iibrigen Klerus zu denken. Gelegentlich wird III 37 E. 153 B. 

ministri auch fiir die Anhanger einer haretischen 50 m. in diesem Zusammenhang wird vom G o t - 

Lehre angewendet, so Cod. Theod. XVI 5, 8 (381). tesdienst gebraucht, so Cod. Theod. XII 1, 99 

5, 12 (383) und 5, 53 (412). Wie auch im heid- (383) divinam., ebenso Sirmond. 12 (407) (1 916, 6) 

nischen Kult sacerdotes, ministri usw. geschieden und Cod. lust. X 3, 51, 1 (531). Cod. Theod. XVT 

wurden (Cod. Theod. XVI 10, 14 vom J. 396), so 2, 2 (319) qui divino cultui ministeria religionis 

stehen die ministri gewohnlich den sacerdotes, den inpendunt. XVI 2, 39 (408) = Sirmond. 9 (I 

Presbytern, gegenliber, so Cod. Theod. XVI 2, 31 914, 9) ecclesiae m. XVI 6, 4, 4 (405) si qui — 

(398) = Cod. lust. I 3, 10: sacerdotibus et mini- interdictis coetibus seu ministeriis praebuerint 

stris und nachher sacerdotum et catholicae eccle- coniventiam. Sirmond. 10 (420) (I 914, 3) clerici 

siae ministrorum und sacerdotibus aut ministris, sacris m. servientes. Cod. lust. I 3, 32 (472) locis, 
wozu Gothofredus anmerkt ^ministri sunt 60 quibus — ecclesiarum ministeriis obsecundant. 

diaconi et ceteri clerici^ Einmal findet sich das Vgl. auch Cassiod. var. IX 15, 10 p. 280, 35 

m. diaconi von dem presbyteri fastigium und ex- Mon. Germ. A. A. XII Momms. Dagegen sind die 

orcistae ofHcium geschieden in Cod. Theod. XII 1, ministeria ecclesiarum in den Acta Synhod. ebd. 

121 (390). In einem gegen die Haretiker gerich- p. 446, 1 und ministeria allein in Var. XII 20, 3 

teten ErlaB (Cod. Theod. XVI 5, 5 vom J. 379) p. 377, 3 vom Kirchengerat gesagt, wie 

heiBt es omnes — superstitionis magistri pariter auch die ministeria divina bei Vict. Vit. I 39 

et ministri, seu illi sacerdotali adsumptione epi- p. 10, 11 den vasa minis terii in I 25 p. 7, 14 ent- 

scoporum nomen infamant seu, quod proximum sprechen (vgl. m. fiir Tafelgeschirr bei Paulus III 



493 Ministeriales Ministeriales 494 

6 § 86 ed. Eriiger und Script. Hist. Aug. Vita dem Sinne von den sacro ministerio deputati in 

Alex. Sev. 41, 4). [W. EnBlin.] Cod. lust. XII 25, 4 (474) oder von in sacro mili- 

Ministeriales bezeichnet einen besonderen tantes ministerio von Cod. lust. XII 20, 6. Da- 

Teil der kaiserlichen Hofbediensteten. Nach der gegen scheint zu sprechen, da6 ein ErlaB, in dem 

Not. dign. or, XVII 4 (p. 41 S e e c k) und occ, XV von denen qui palatinis intra aulam obsequiis 

5 (p. 159) unterstanden die m. dominici oder m. do- deputandi sunt die Rede ist, im J. 390 an den comes 

mini dem castrensis sacri palatii (s. Bd. Ill et castrensis gerichtet ist (Cod. Theod. VI 30, 12). 

S. 1774f.), auBerdem wexden sie erwahnt in Cod. Seeck Bd. Ill S. 1775, 54ff. nimmt an, dafi 

Theod. VIII 7, 5 vom 24. November 326 (Seeck auch die schola vestis sacrae zunachst der Ge- 

Eegesten): n — qui ministeriales et paedagogiani 10 nGhtshsukeit des castrensis unterstand. Auch 

et silentiarii et decuriones existunt. Zu Cod. lust. Gothofredus zu Cod. Theod. VI 32, 1 (II 

XII 25 lautet der Titel De castrensianis et mini- 230 b unten der Ausgabe des Marvillius, Lyon 

sterianis, wahrend der entsprechende Titel des 1665) rechnet sie zu den castrensiani (vgl. auch 

Cod. Theod. VI 32 einfach Be castrensianis lautet. S. 230 a) unter Verweis auf Corippus (vgl. 

Es bleibt also zunachst die Frage off en, ob mini- BockingI 266f. Heumann-Seckel Hand- 

sieriani ein Parallelausdruck fiir castrensiani, fiir lexikon zu den Quellen d. rom. Eechts^ 343 m. = 

alle Untergebenen des castrensis sacri palatii, ist ministerianus. D u n 1 a p The Office of the Grand 

oder speziell mit den sonst ministeriales Genann- Chamberlain, University of Michigan Studies 

ten gleichzusetzen ist. Die m. sind zweifellos nur Hum. Ser. XIV 212 ,m. known also as ministe- 

freie Palastbedienstete, doch spiegelt sich in ihrer 20 riani*). Vergleichen wir Corippus in Laud. lust. 

Bezeichnung noch die Erinnerung an die friihere II 86ff. accelerant Hdi, cur a est ut cuique, ministri 

Zeit, da Sklaven und Freigelassene den Kaiser obsequiis praebere manus, promuntque feruntque 

bedienten. Die m. gehoren zu dem fruher castren- Augustas vestes pretiosaque cingula gemmis et 

ses ministri genannten Hofgesinde (H i r s c h - capitis diadema sacri mit III 214ff. adfuit obsequio 

fold Verwaltungsbeamte 313, 3), die schon Ter- castorum turba virorum, illis summa Mes et plena 

tullian. de cor. 12 kannte: est et alia militia re- licentia sacris deservire locis atque aurea fulcra 

giarum familiarum. Nam et castrenses appellan- parare, regales mensas epulis onerare superbis, 

tur. Diese bildeten das collegium castrense conservare domum sanctumque intrare cubile, in- 

(Waltzing iStude hist, sur les Corporations ternas munire fores, vestesque parare, so sind hier 

Professionelles I 282). Nach der Vita Alex. Sev. 30 zweifellos auch die Aufgaben der nach der Not. 

41, 3 aulicum ministerium in id contraxit, ut es- dign. dem castrensis sacri palatii unterstellten 

sent tot homines in singulis officiis, quot neces- mit umschrieben, aber ebenso die der cubicularii, 

sitas postularet, ita ut annonas, non dignitatem so daB wir auch damit zu keiner Klarung kommen. 

acciperent fullones et vestitores et pistores et pin- Wenn aber Suidas fmyiotsQiavog mit naaxQevoiog 

cernae, omnes castrenses ministri, quemammodum wiedergibt, wobei ihm oder einem Abschreiber der 

pestis ilia instituerat, sed amionas singulas, mx Fehler unterlaufen ist, daB ixayiotsQiavog statt 

binas. Das von Salmasius eingeftigte et om- ^iviorsQiavog gesetzt wurde, sind doch die magi- 

nes castrenses erscheint deshalb unnotig, well nach striani die dem magister ofRciorum unterstellten 

Hirschfeld die fullones zum collegium ca- agentes in rebus, so wird man doch ministeriani 

strense gehorten, der auch die vestiarii nach CIL 40 als Parallele zu castrensiani fassen, die dann die 

VIII 5234 ex [famijlia cast[ren]si ex num[ero ministeriales mit umfaBten und danach war die 

ve]stiarioru[m] heranzieht. Auch ein cellarius ge- oder eine schola vestis, vielleicht fiir die Tafel- 

horte zu diesem Collegium (CIL VI 7281 =Dess. tiicher und -wasche, dem castrensis unterstellt. 

7361 b). Aus den Rechtsquellen lafit sich fur die Spater muB aber dann ministeriales der umfas- 

Tatigkeit der m. nur entnehmen, daB sie unter sendere Begriff geworden sein, wenn Isidor an- 

anderem auch mit der Vorsorge fiir die kaiserliche cuius mit ministerialis domus regiae wiedergibt 

Tafel oder fiir die Verpflegung des Hofes befaBt und wenn wir den mittelalterlichen Sprach- 

waren nach Cod. Theod. XIV 20, 1 (413): qui gebrauch berucksichtigen. 

ministerii nostri causa exhibendi piscis cura vel Zu den Hauptaufgaben der castrensiani und 

sollicitudine tenentur, plus a se exigi quam quo 50 damit der zu ihnen zu rechnenden m. gehorte der 

emere potuerint, protestantur, si quidem in tri- Dienst fiir die kaiserliche Tafel (s. Bd. Ill 

cenis libris sibi solidus ministretur et multo dis- S. 1774, 57ff.). Hierher gehoren also der Hyper- 

parem quantitatem vix aegreque valeant comparare. echius (s. Bd. IX S. 280), der unter dem Usur- 

Ideoque per mcena pondo piscis, primae scilicet pa.tor Procopius eine Truppenabteilung fuhrte und 

qualitatis, memoratis solidus ministretur. Unter den Ammian. Marc. XVI 8, 5 antehac celiac 

dem Titel De castrensianis et ministerianis in Cod. (C 1 a r k), oder wohl richtiger rectoris (G a r d t - 

Theod. XII 25, 3 unter Kaiser Leo und Anthe- h a u s e n) castrensis apparitorem, id est ventri 

mius (467/72) auch ii qui in schola vestis sacrae ministruin et gutturis nennt. Derselbe erzahlt von 

militant angefiihrt. Da aber schon Cod. Theod. dem Casar Gallus, er sei gereist relicto palatino 

XI 18, 1 vom J. 412 unter den Hofbeamten den 60 praeter paucos tori ministros et mensae (XIV 

comes sacrae vestis neben den anderen cubicu- 11, 4) und nach XV 3, 4 wurde Mercurius (s. 
larii kennt (s. Bd. IV S. 671, 83; vgl. B 6 ck i n g Bd. XV S. 1016, 3) a ministro triclinii rationalis 

Not. dign. II 298) und ihn nach dem castrensis (vgl. auch Hist. Aug. Marc. Ant. 17,6 und Alex. Sev. 

nennt, bleibt die Frage, ob auch diese vestiarii zu 41, 4). Als Hof uniform trugen diese Hofbedien- 

den dem castrensis unterstellten m., die man dann steten eine Tunica mit eingewirkten Goldborten 

mit ministeriani gleichsetzen konnte, gehorte oder nach Ammian. Marc. XXVI 6, 15 tunica auro 

ob man ministeriani als eine weitere Fassung fiir distincta ut regius minister indutus mit Cod. 

kaiserliche Palastbedienstete nehmen muB etwa in lust. XI 8, 2 in Erweiterung von Cod. Theod. X 



495 MivvrjXog Misphragmuthosis 496 

21, 2 nemo vir auratas habeat aut in tunicis aut sis peculii (s. Bd. Ill S. 1773f.) nach Cod. Theod. 

in linteis paragaudas, nisi ii tantummodo, quibus VI 36, 1 (dazu Gothofredus) = Cod. lust. 

hoe propter imperiale ministerium concessum est. XII 30, 1 (Seeck Regesten zum 23. Mai 326). 

Sie beniitzten ihre SteUung zur Gewinnung von Im J. 356 wurden sie nach ihrer Verabschiedung 

Privilegien und Ehren, nicht zuletzt auch zu ihrer von der Verpfiichtung susceptor vestium zu werden 

Bereicherung, denn unter den palatini, gegen die befreit (Cod. Theod. VII 6, 1 = XII 6, 4) und 

lulian mit gerechtem Zorn einschritt (Ammian, ebenso von der Pflicht, das Mancipat des cursus 

Marc. XXII 4, 1; vgLEnBlinKlio XVIII 118), elabularis (s. Bd. IV S. 1857, 59ff.) zu iiber- 

waren auch die m. Und es ist nicht unwahrschein- nehmen (Cod. Theod. VIII 5, 23). Aufstieg zu 
lich, daB sich die m. in MaB und Gewicht zu 10 hoheren Eangstufen erscheint auch fiir sie ge- 

ihren Gunsten geirrt haben; denn so darf man geben nach Cod. Theod. VI 35, 7 (367) mit 35, 

wohl die AuBerung des anonymen Gromatikers 13 (386). Im J. 423 wurden ihre Beztige (anno- 

(Schriften der rom. Feldmesser I 372, 7f.) ver- nae) adariert (Cod. Theod. VI 4, 35 == Cod. lust, 

stehen: ministeriales imperatorum maiores in ac- XII 37, 15). Wie vonanderen Amtern waren auch 

cipiendOj minores in dando mensuras habuisse von ihrem Haretiker ausgeschlossen (H a e n e 1 

(vgl. Bo eking I 267, wahrend Gothofredus Corpus LegumS. 258a vom J. 455). Ihxen Gerichts- 

II 231 bei den hier erwahnten m. an andere Be- stand hatte schon Kaiser Marcianus geregelt (Cod. 

amte denkt). lust. XII 25, 4, 3; vgl. Ha en el Corpus Legum 

Der Eintritt der m., wie der der iibrigen dem 258 b) und Leo I. teilweise modifiziert (Cod. lust. 
castrensis Unterstellten erfolgte mindestens seit 20 XII 25, 3). Von Leo II. und Zeno wurde 474 der 

390 auf Grund eines kaiserlichen Anstellungs- magister ofHciorum als ihr aUeiniger Gerichtsherr 

dekretes (Cod. Theod. VI 30, 12; dazu Gotho- bestellt und ihnen Vorrechte im ProzeBverfahren 

f redus). Es wurde iiber sie eine Matrikel ge- und bei den Sporteln gewahrt (Cod. lust. XII 

fiihrt (s. Bd. XIV S. 2254, 58) mit drei Rang- 25, 4 mit 20, 6). Vgl. KarlowaRom. Rechts- 

stufen prima, secunda, tertia forma sacri mini- gesch. I 847f . Lecrivainin Daremb.-Sagl. Ill 

sterii. Der Aufstieg erfolgte nach dem Dienstalter 2, 1930. D u n 1 a p The Office of the Grand Cham- 

von der tertia forma aufwarts. Bei dem starken berlain in University of Michigan Studies Hum. 

Zudrang wurden auch supernumerarii (Dberzah- Ser. Vol. XIV 212fE. [W. EnBlin.] 

lige) in den einzelnen formae gefiihrt, doch muB- Mivv^i'og, Homer nennt bei der Erzahlung 

ten, damit das Aufrticken der statuti (Festange- 30 des Feldzugs des Nestor gegen die Epeer einen 

stellten) der nachgeordneten formae nicht durch FluB M. (II. XI 722, dazu Strab. VIII 3, 28 

das Einriicken der supernumerarii in der prima p. 352) in der Nahe von Arena, an dem die 

und secunda forma unmoglich wurde, abwechselnd Pylier sich sammeln, um dann am nachsten Tage 

ein supernumerarius und ein statutus des nachsten den Alpheios zu erreichen und dort zu iiber- 

Ranges in frei werdende Stellen einriicken. Wer nachten. Welcher FluB gemeint ist, ist nicht zu 

aber dem entgegen irgendwie die Einreihung bestimmen, immerhin haben anscheinend die an- 

unter die statuti irgendeiner forma durch kaiser- tiken Homer erklarer, die ihn mit dem Anigros, 

liches Spezialdekret erlangt hatte, soUte strafweise wohl dem heutigen Mavropotamos, stidlich Sa- 

als letzter supernumerarius der tertia forma in mikon an den anigraischen Grotten gleichsetzten 
der Matrikel gefiihrt werden (Cod. Theod. VI 40 (Strab. VIII 3, 19 p. 346f. Pans. V 6, 2f.), un- 

32, 2 vom J. 422 mit Cod. lust. XII 25, 2). Schon gefahr recht. Die Entfernungen, ungefahr 7 km 

416 war angeordnet worden, daB in zweijahrigem von Kakovatos— Pylos, knapp 20 km vom Al- 

Turnus die Hochstgestellten ausscheiden und ent- pheios, passen nicht iibel, und Arene kann sehr 

sprechend andere aufsteigen soUten (Cod. Theod. gut die mykenische Siedlung sein, die DOrp- 

VI 32, 1 =; Cod. lust. XII 25, 1). Mit den ande- feld auf einem der niedrigen Hiigel im PaB 

ren Hofbediensteten erlangten auch die m. Privi- von Klidi unter Samikon, auf denen einst da& 

legien. So gewahrte ihnen Constantin I. im J. 314 Fort Klidi stand, gefunden hat (Athen. Mitt, 

nach der Entlassung fiir sie und ihre Nachkom- 1913, 112, dazu Karte Taf. IV und Olympia Bd. 

men Befreiung von den munera sordida (Cod. I Mappe Bl. 1). Der Grund fiir die antiken 
Theod. VI 35, 1 = Cod. lust. XII 28, 1 ; vgl. 50 Homererklarer war allerdings aufier der allge- 

Cod. Theod. VI 35, 4) und 319 ebenso Befreiung meinen Gleichsetzung von Arene und Samikon 

von den Decurionatspflichten (Cod. Theod. VI 35, eine an den Haaren herbeigezogene Etymologic: 

3 == Cod. lust. XII 28, 2, wo das diversa obse- snsl ovv tj rs vjixiotrjg tov 'AvlyQOv Ttal at ava>co- 

quia palatina des Cod. Theod. mit qui — in ofRcio nal xfjg d'aXdxtrjg /liovt^v judlXov rj qvoiv naQs- 

castrensis sacri palatii militant wiedergegeben xovoi xdig vdaoc, [Movrfiov, denn so ist offenbar 

wird) und bestatigte diese Privilegien im J. 328 mit Curtius zu lesen. Parts ch Mi/liv^iov, Mei- 

(Cod. VI 35, 5; erneut bestatigt 381 durch Cod. neke 'JEXivvwv) tov] Mivvrjiov cpaoiv ei^rjod'ai 

Theod. VI 35, 11). Wer von ihnen seiner Herkunft nQoteQov. 

nach decurionatspflichtig war, wurde nach 1 5 Dienst- Zum Anigros s. Leake Morea I 51 if. Ex- 
jahren schon von Constantin I. dieser Verpflich- 60 p^dition de Mor^e I 53ff. B o b 1 a y e Recherches 
tung enthoben (Cod. Theod. VIII 7, 5) und diese 134f. Curtius Peloponnes I 8lf. 116 (bei den 
Zeit 383 auf 10 Jahre herabgesetzt (Cod. Theod. letzteren beiden falscher Ansatz des A.). Bou- 
VI 35, 12; vgl. Gothofredus). Dagegen wur- tan M^moire sur la Tiphylie, Archives des mis- 
den die Decurionatspflichtigen unter ihnen durch sions II 1, 193ff. bes. aber Bur si an Geogra- 
Kaiser Honorius im J. 418 ohne Riicksicht auf phie Griechenlands II 279, 1. 280f. Partsch 
Dienstzeit allgemein wieder ihren Pflichten zu- Oljaupia I 14. Dorpfeld Athen. Mitt. 1913, 
gefiihrt (Cod. Theod. XII 1, 147, 3). Endlich gab 112ff. [Ernst Meyer.] 
ihnen Constantin I. auch das privilegium castren- Misphragmuthosis (so bei Georg. Bjnk. nach 



497 Mochos Mobel 498 

Africanus und Eusebius vgl. FHG II 574f. ; Mrjcp- 1. Zusammenfassende Literatur. 

Qafiov&coocg Joseph, c. Apion. I 86. 88. 95, vgl. die Eine mit reichem Abbildungsmaterial versehene 

Tabelle beiEd. Meyer Igypt. ChronolooieSS) er- und auf umfassender Kenntnis der Monumente 

seheint in der besonders durch die Haufigkeit des beruhende Darstellung des M.-Bestandes der 

Namens Thutmosis und die Ahnlichkeit der Thron- Antike hat neuerdings Gisela M. A. Richter 

namen verwirrten KODigsfolge der agyptischen 18. gegeben (Ancient furniture. A history of Greek, 

Bynastie bei den Ausschreibern des Manethon (zur Etruscan and Roman furniture, Oxford 1926). Da- 

Textuberlieferungs.Art.Manethon,Sothisbach neben ist nach wie vor mit Nutzen auch hinsicht- 

und Gelzer Sext. lul. Africanus) als Nachfolger lich der Abbildungen das altere Werk von Koep- 
eines Misaphris (Africanus), Miphres (Eusebius) 10 p e n und B r e u e r heranzuziehen (Gesch. d. 

oder Mephres (Joseph. I 95) genannten KOnigs, Mobels. Eine Stillehre fiir Bau- und Mobeltisch- 

und als Vorganger eines Konigs ,Tuthmosis'. ler. Berl.-New York 1904). Von Einzelarbeiten, 

Dabei wird er mit dem Befreiungskrieg gegen die auch ftir die Gesamtentwicklung der antiken 

die Hyksos, deren Hauptstadt Auaris erst Tuth- M.-Kunst mancherlei ergeben, sei neben dem Werk 

mosis, Sohn des M., eingenommen haben soil, von Caroline L. Ransom (Studies in ancient 

in Zusammenhang gebracht (s. Bd. I S. 1744). furniture. Couches and beds of the Greeks, Etrus- 

Wahrscheinlich ist sowohl in Misaphris bzw. cans and Romans, Chicago 1905) der Art. Kline 

Mephres (nach Joseph. I 95 12 Jahre, 9 Monate von Rodenwaldt (Bd. XI S. 846—861) er- 

Regierungszeit), als in M. (25 Jahre 10 Monate wahnt, aus neuester Zeit schliefilich die Dar- 
Regierungszeit) Thutmosis III., der Eroberer Sy- 20 stellung von E. Pernice (Hellenist. Tische, 

riens, zu erkennen, entstellt aus seinem Thron- Zisternenmtindungen, Beckenuntersatze, Altare 

namen, der keilinschriftlich als Manahpirja wie- und Truhen = Hellenist. Kunst in Pompeji V 

dergegeben wird. Hinter seinem angeblichen 1932). 

Nachfolger (Sohn) Thutmosis versteckt sich an- Die zuletzt genannten Darstellungen von Ran- 

scheinend nach der angegebenen Regierungszeit som, Rodenwaldt und Pernice sind vor 

von 9 Jahren 8 Monaten (Joseph. I 96) anstelle allem auch fiir die stilistische Entwicklung 

des wirklichen Thronfolgers Amenophis (H.) Thut- antiker M.-Formen von Wichtigkeit, die bei den 

mosis IV., vgl. Ed. Meyer Agypt. Chronologic zusammenf assenden Werken von R i c h t e r und 

89. Mesphres kehrt Plin. n. h. XXXVI 64 als Koepp en-Br euer etwas vernachlassigt wird, 
Wiedergabe des Thronnamens Thutmosis' III. 30 da sie mehr auf die technische Seite der antiken 

auf den beiden Obelisken wieder, die vor dem M., im Hinblick auf die Unterrichtung moderner 

Tempel Caesars in Alexandria standen (ebda. 69) Kunsttischler, Bezug nehmen, und deshalb die 

und aus Heliopolis stammen {qui regnabat in einzelnen M. getrennt behandeln (vgl. die ein- 

Solis urbe); jetzt in London und New York gehende Anzeige des Richterschen Werkes 

(,Nadel der Kleopatra*). [Herm. Kees.] von Pernice Gnom. 1927, 360ff.). So bleibt 

S. 2314 zum Art. Mocbos: eine zusammenfassende Stilgesehichte der antiken 

M. ist auch von Diels VS II 26 und Zel- Wohnungseinrichtung noch eine lohnende Zu- 

ler 16 1048 behandelt worden. Was liber sein kunftsaufgabe. Voraussetzung dafur ware aller- 

Buch berichtet wird, geht wohl meist auf Po- dings eine starkere Beachtung dieser Monu- 
seidonios zuriick, indirekt wohl auch die Mit- 40 mentengruppe in den groBen Ausgrabungspubli- 

teilungen bei Damask. I 323, 6 R., in denen die kationen und eine Sammlung des Denkmaler- 

Lehre des M. von der neuplatonischen Entstel- materials fur alle Arten von M. nach Perioden 

lung zu sondern ist. DaB Poseidonios schon die und Stilformen, wie es fiir die agaische Zeit 

tJbersetzung des Laetus benutzte, ist bei dessen Kulczycki (Eos XXXIII 580ff.) getan hat. 

lateinischem Namen unwahrscheinlich ; denn Lai- 2. Der M. -Bestand des antiken 

tos ist kein mSglicher Name, und Benselers Ha uses. Kretisch-mykenischeZeit. 

tJbersetzung ,Volkmann* unmOglich. Der Laitos Weite vielraumige Palastanlagen sind das Kenn- 

des Tatian (Bd. XII S. 517) wird rait dem zeichen der kretisch-mykenischen Wohnweise, und 

identisch sein, den Plut. aet. phys. 2. 6 (V 374, sie zeigen, dafi der Mittelpunkt auch des kultu- 
12. 379, 9 B.) fiir physikalische Eragen anfiihrt 50rellen Lebens dieser Zeit in das Innere der prach- 

und gewifi auch sonst benutzt. Anders Diels tigen Hausanlagen gelegt wurde. In ihnen be- 

Herm. XL ^15. fW. KrolL] wahrte man seine Schatze auf, sie wurden in 

Mobel. Die hier gebotene Darstellung kann jeder Weise kostbar ausgestattet, und es ist nur 
sich beschranken auf die Schilderung des M.-Be- natiirlich, daB auch der Hausrat, die Ausstattung 
standes im ganzen, mit dem man sich die antiken der Raume mit M. und Geraten, dem auBeren 
Wohnraume ausgestattet zu denken hat, sowie prachtigen Rahmen entsprach. Da die monu- 
auf die Untersuchung der stilistischen Entwick- mentale "Oberlieferung von M. fiir diese Epoche 
lung, die die Wohnungseinrichtung im Laufe des sehr gering ist und schriftliche Quellen ganzlich 
Altertums erfahren hat. Die Schilderung der ein- fortfaUen, muB der Mobelbestand in den kretisch- 
zelnen M., ihrer verschiedenen Formen, ihrer 60 m.ykenischen Palasten aus mittelbaren Dar- 
stilistischen Entwicklung im einzelnen und ihrer stellungen rekonstruiert werden. Als M. nachzu- 
Verwendung im antiken Hause muB den Spezial- weisen oder zu erschlieBen sind fiir den kretisch- 
artikeln iiberlassen bleiben. Eine Zusammen- mykenischen Kulturkreis mehrere Arten von 
steUung der in Frage kommenden Stichworte aus Thronsesseln und Stiihlen, ferner groBe, wahr- 
diesem Werk und aus Daremberg-Saglios scheinlich holzerne Truhen fur den taglichen Ge- 
Dict. des antiq. nebst einigen Erganzungen aus branch. Nicht dargestellt sind dagegen auf un- 
der Literatur der letzten Jahre findet sich am serem Denkmalerbestand Klinen oder Betten, die 
SchluB des Artikels. also wohl als M. kaum eine RoUe spielten. Ebenso 



499 Mobel Mobel 500 

lassen sich Tische als Gebrauchsmobel des tag- Altertum unbekannt geblieben, erst die romische 

lichen Lebens nicht nachweisen. Die auf Denk- Zeit schuf vergleichbare M. (s. u.). 

malern vorkommenden Tische dienen stets sa- Charakteristisch fur die griechische Woh- 

kralen Zwecken (vgl. die sorgfaltigen Zusammen- nungseinrichtung der klassischen Zeit ist auch 

stellungen von Kulczycki 580ft.). Es erscheint das Fehlen von M., die zum Ablegen und Auf- 

allerdings bedenklich, aus den fehlenden Dar- stellen von kleineren Gebrauchsgegenstanden 

stellungen dieser M. auf ihr ganzliches Fehlen in dienten. Die auf Vasenbildern haufig zu beobach- 

kretisch-mykenischer Zeit zu schlieBen. Nur so- tende Sitte, derartige Gegenstande (namentlich 

viel kann angenommen werden, daB sie im Haus- Toilettengerate und Gebrauehsgeschirr, auch ge- 
halt dieser Zeit entfernt nicht die RoUe spielten, 10 legentlich Kleidungsstiicke) an den Wanden auf- 

wie spater in griechischer und romischer Zeit zuhangen, wird also wohl auch die tatsachliche 

(Rodenwaldt o. Bd. XI S. 852). Dadurch tTbung wiedergeben. In hellenistischer Zeit wur- 

unterscheidet sich die kretisch-mykenische Periode, den die Wande der Zimmer oft mit paneelbrett- 

abgesehen von der unten behandelten stilistischen artigen Wandvorspriingen ausgestattet, auf denen 

Verschiedenheit, auch in ihrem M.-Bestande die verschiedensten Gegenstande, die teils zum 

namentlich durch das Zuriicktreten der Liege-M. Gebrauch, teils nur zum Schmuck dienten, Platz 

von der griechischen Zeit. fanden. 

Griechenland. Aus den homerischen Ge- Durchaus zu beachten ist auch der EinfluB, 

dichten lafit sich ein ziemlich genauer Uberblick den das siidliche Klima und die daraus sich er- 
iiber den Bestand an M. im homerischen Hause 20 gebende Lebensweise der Griechen auf die Woh- 

gewinnen. Yon den drei Grundformen von M., nungseinrichtung ausgeiibt haben. Sowohl im 

den Sitz-M., Liege-M. und Aufbewahrungs-M., frtihgriechischen und klassisch-griechischen Haus 

sind die ersteren am starksten vertreten und mit vorgelagerter avlrj wie auch im hellenisti- 

bereits in mehrere Untergruppen differenziert schen Peristylhaus ist der freie Hof der Haupt- 

{^Qovog, 7iho[A,6g, bicpQog), Ihnen gegentiber tret en aufenthaltsort der Familie. Die Zimmer des 

die Euhebetten auch weiterhin stark zuriick. Als Hauses selbst dienten liberwiegend als Schlaf- 

M. zur Aufbewahrung von Haushalts- und Ge- raume und zum Aufenthalt bei ungtinstiger 

brauchsgegenstanden dienten Truhen und Kasten Witterung (vgl. F. Luckhard Privathaus im 

einfacher Form. An weiteren M. werden auBer ptol. u. rom. Agypten, Bonn 1914, 59f.). Eine 

den wohl ziemlich verbreiteten FuBschemeln 30 solche Lebensweise wirkt sich auf die Innen- 

Tische erwahnt, die bei Mahlzeiten und Gelagen einrichtung des Hauses insofern aus, als das Be- 

offenbar allgemein in Gebrauch waren. diirfnis nach leicht transportablen M., insbeson- 

Der ftir das homerische Haus nachzuweisende dere Stiihlen und Tischen, besteht (daher wohl 

Bestand an M. erfahrt wahrend des ganzen grie- auch die Beliebtheit des Klappstuhles. R i c h - 

chischen Altertums fast keinerlei Erweiterung ter 39ff.). Dem Sudlander, nicht zum wenigsten 

trotz der starken Veranderungen in GrundriB- dem Griechen der klassischen Zeit, fehlt das fiir 

gestaltung und Raumanordnung des griechischen den Nordeuropaer so charakteristische Streben, 

Hauses. Wohl aber andert sich die Wichtigkeit sich sein Haus und seine Zimmer recht wohn- 

und Haufigkeit des einzelnen M.s innerhalb der lich einzurichten, indem er M. in sie herein- 

griechischen Wohnungseinrichtung. Die sich voll- 40 stellt, die dann ihren festen, unverrtickbaren 

kommen durchsetzeride Sitte des Liegens bei Platz an einer bestimmten Stelle des Zimmers 

Mahlzeiten und geselligem Beisammensein be- haben. Seine Anspriiche an den M.-Bestand eines 

wirkt, daB die Sitz-M. aus ihrer beherrschenden Hauses sind erschopft, wenn er diejenigen M. 

Slellung verdrangt werden und die Liegemobel bequem zur Hand hat, die er zum Sitzen oder 

ihnen als gleich wichtig an die Seite treten. Hier- Liegen, bei der Mahlzeit oder zum Aufbewahren 

mit im Zusammenhang steht die erhohte Wichtig- von Kleidern und Gebrauchsgegenstanden benutzt. 

keit und Ausbildung, die die Speisetische er- Hellenismus. Mit der heUenistischen 

halten. Es burgerte sich namlich die Sitte ein, Zeit beginnen neue Anschauungen und Ten- 

fiir jeden am Mahl Teilnehmenden einen beson- denzen auch in der Inneneinrichtung des Hauses 

deren kleinen Abstelltisch bereitzustellen, so daB 50 sich bemerkbar zu machen. Der fiir den fort- 

zu einem gut eingerichteten Hause stets eine geschrittenen HeUenismus charakteristische aus- 

ganze Anzahl solcher leicht beweglicher Speise- gesprochen dekorative Sinn, der bei der Dar- 

tische gehorte. stellung der stilistischen Entwicklung noch ge- 

Die Komplizierung der Lebensbedingungen, die nauer zu betrachten sein wird, wirkt sich aller- 
schon im 5. Jhdt. und namentlich dann in hel- dings auf den M.-Bestand nur wenig aus (vgl. 
lenistischer Zeit durch die Ausgestaltung der P e r n i c e Gercke-Norden Einl. II 1^, 35). Die 
internationalen Beziehungen und des Handels- altgewohnten, leicht beweglichen M. blieben auch 
verkehrs herbeigefiihrt wurde, brachte einen er- weiterhin im Gebrauch, nur ftihrte die Ausgestal- 
hohten Besitz an hauswirtschaftlichen Geraten tung der Innenraume, namentlich auch die Bo- 
und beweglicher Habe mit sich. Hausrat der ver- 60 malung und Verzierung der Wande dazu, daB an 
schiedensten Art und Herkunft sammelte sich im festen Stellen der Wande Tische aufgesteUt wur- 
griechischen Hause, zu dessen sicherer Auf- den, die in das allgemeine System der Wanddeko- 
bewahrung Kasten und Truhen jeder Art und ration wohl mit einbezogen wurden, und die zum 
GroBe benotigt wurden. Jedoch land eine Ent- Abstellen von Geschirr oder auch zum Aufstel- 
wicklung und Neuschopfung von M. ftir die Auf- len von Terrakotten, Bronzen oder dekorativen 
bewahrung iiber die Truhenf orm hinaus nicht Gef aBen dienten (P e r n i c e Hellenist. Kunst in 
statt. Ein M., das dem heutigen Schrank ent- Pompeji V 4). Das Vorhandensein solcher Tische 
sprochen hatte, ist dem ganzen griechischen zeigt, daB in hellenistischer Zeit schon ein ge- 



501 Mobel Mobel 502 

wisses Bediirfnis nach Schmuck-M. vorhanden die vor allem in der spateren Kaiserzeit sich ein- 

war. Starkere orientalische Einfliisse fiihrten da- btirgerten, seien die korbstuhlartigen Sessel mit 

zu, daB die Einrichtung des Hauses nicht nuraus hoher, runder Rtickenlehne (Richter 124) so- 

M. bestand, die zu rein praktischen Gebrauchs- wie die mit Rtickenlehne verselienen, also unserem 

zwecken verwandt wurden, sondern dafi man auch modernen Sofa sehr ahnlichen Klinen (Richter 

M. gebrauchte, die mehr reprasentativen und de- 133f.) erwahnt. 

korativen Wiinschen dienten. Natiirlich finden Eine Moglichkeit, gewisse landschaftliche Be- 
sich solche prunkvoUeren Einrichtungen nur in sonderheiten im M.-Bestande der romischen Pro- 
den Hausern der wohlhabenden Burger, wahrend vinzen zu ermitteln, ist weder durch die litera- 
die armere Bevolkerung nach wie vor mit weni- 10 rische "Dberlieferung noch durch die erhaltenen 
gen, sehr bescheidenen Gebrauchs-M. ausgekom- Denkmaler gegeben. 
men sein wird. 3. Die stilistische Entwicklung 

Romische Zeit. Sowohl fiir die Hausein- des antiken Mobiliars. Bei den Unter- 

richtung der Etrusker wie fur die der altromi- suchungen, die der stilistischen Entwicklung an- 

schen Zeit fehlt uns die Moglichkeit, den Be- tiker M. gewidmet worden sind, ist bisher das 

stand an M. mit Sicherheit zu bestimmen* Wah- Hauptaugenmerk auf die stilistische Entwicklung 

rend die Etrusker, soweit aus den Graberfunden des einzelnen M.s und seiner Abwandlungen ge- 

und aus gemalten oder gravierten Darstellungen legt worden. Auch in dem Buch von Richter 

Schltisse gezogen werden diirfen, in den tag- sind die Einzel-M. getrennt fur sich behandelt, 
lichen Lebensgewohnheiten und damit wohl auch 20 ohne daB eine nach Perioden gegliederte zusam- 

in der Einrichtung ihrer Wohnraume sich stark menfassende tlbersicht iiber die Gesamtentwick- 

an griechische Vorbilder anschlossen, ist fiir das lung des antiken Mobiliars gegeben wird. Das 

altromische Haus mit groBter Einfachheit der fiihrt einerseits zu unnotigen Wiederholungen, 

Einrichtung und bewuBter Beschrankung auf die andererseits zum AuseinanderreiBen zusammen- 

wichtigsten und notwendigsten Gebrauchs-M. zu gehoriger Dinge. Sttihle, Klinen und Tische 

rechnen, wie es dem niichtern-praktischen Sinn zeigen eine durchaus parallel verlaufende Ent- 

des romischen Biirgertums entsprach. wicklung ihrer Stilformen, und auch die Truhen 

Das Eindringen griechischer Sitte und Kultur fiigen sich dem wechselnden Stil der Wohnungs- 

brachte eine langsame, aber dann auch vollstan- einrichtung und dem jeweiligen Stande des hand- 
dige Umwandlung der Innenausstattung und des 30 werklichen Konnens ein. Im folgenden sollen 

M.-Bestandes hervor. Die M. des hellenistischen einige Perioden der Stilentwicklung, soweit sie 

Hauses wurden in das romische Atriumhaus liber- nach dem bisherigen Stande der Forschung und 

nommen und zusammengebracht mit den alten aus den veroffentlichten Denkmalern zu erschlieBen 

romisch-italischen M.-Formen. Als solche sind sind, betrachtet werden. 

vor allem die groBen, mit Metall beschlagenen, Kretisch-mykenische Zeit. Die M. 

schweren Truhen anzusehen, die als wuchtige M.- dieser Epoche zeigen sehr eigenartige Formen, 

Stiicke, oft auf einem besonderen Postament, im die sie von den spateren griechischen M. stark 

Atrium an der Wand standen, und von denen in unterscheiden. Fiir die Sitz-M., von denen sich 

jedem wohlhabenden Hause wohl mehrere Exem- die moisten Darstellungen nachweisen lassen, sind 
plare zu finden waren (vgl. die grundlegende Be- 40 charakteristisch die nach innen gebogenen FiiBe, 

handlung und Zusammenstellung von P e r n i c e wie sie sich an dem Thronsessel aus Knossos 

Hellenist. Kunst V 7 Iff.). Sie scheinen schon fiir (F i m m e n Kret.-myken. Kultur Abb. 42. Vgl. 

das romische Haus der hellenistischen Zeit kenn- Kulczycki 580f ., Abb. 1 — 5) finden. Die hier- 

zeichnend gewesen zu sein. in sich auBernde Vorliebe fiir geschwungene Linien 

Der M.-Bestand der augusteischen Zeit und (vgl. auch die Abb. 6 u. 8 bei Kulczycki) 

der nachfolgenden Kaiserzeit zeigt in seinem Um- scheint kennzeichnend fiir die M.-Formen des 

fang nur geringe Veranderungen und Erweite- ganzen agaischen Kulturkreises gewesen zu sein 

rungen gegeniiber dem fiir die hellenistische Zeit und gibt ihnen ein ungriechisches Aussehen. Der 

zu erschlieBenden. Mehr und mehr wurde die Stil dieser M. verrat ein deutliches Abriicken von 
Wanddekoration zum wichtigsten Faktor bei der 50 den tektonischen, nattirlichen Grundformen, er 

Ausstattung der Raume. Gemalte Saulen, Ni- zeigt das Streben nach technisch eigenartigen 

schen, Wandvorspriinge, Sockel usw. machten Losungen, die auf eine weit entwickelte, absolut 

jedes M., das sich nicht der allgemeinen Dekora- unprimitive und oft etwas weichlich anmutende 

tion der Zimmerwand einordnete, unnotig, ja Lebenskultur hinweisen. 

direkt storend. Hinzu kam die Kleinheit der Archaisch-griechische Zeit. Ein 

eigentlichen Wohn- und Schlafraume in den ge- vollkommener Bruch mit der kretisch-mykeni- 

wohnlichen Burgerhausern, die zusammen mit der schen Tradition tritt in der Epoche der geometri- 

oft nur sparlichen Beleuclitung eine nur geringe schen Kunst ein. Schon bei Homer, bzw. in der 

Moblierung gestattete und erf orderte (P e r n i c e seinen Schilderungen der Wohnungseinrichtung 
Einl. 36). Fiir Pompeii mehrfach nachgewiesen 60 zugrunde liegenden Zeit, scheinen die M.-Formen 

sind frtiher nicht vorkommende, groBe Wand- recht einfach und primitiv gewesen zu sein. Be- 

schranke (armaria). Sie wurden durch Mauer- zeichnend ist, daB die von ihm bei der Beschrei- 

nischen gebildet, die mit Tiiren versehen und dann bung von M. gebrauchten schmtickenden Beiworte 

als Vorratsschranke benutzt wurden (Per nice sich fast durchgangig auf das Material und die 

Hellenist. Kunst V 71). Eigentliche Schranke im auBere Ausstattung (xQvosiog, (pasivog, GiyaXoeig^ 

heutigen Sinne sind dagegen auch fiir die noiKiXog, aQyvQoi^Xog) oder auf allgemeine tech- 

romische Zeit nicht nachzuweisen. nische Eigentiimlichkeiten (StrcoroV, ^i/^jyAoV, l^a^o?, 

Von neuen Formen von Sitz- und Liege-M., tQrjrog) beziehen. Beiworte, die besondere und 



503 Mobel Mobel 504 

spezielle Eigentiimlichkeiten der Konstruktion be- rechtfertigende Einschneidung der Beine. Den 

treffen, fehlen. Die M.-Formen scheinen also ein- Charakter behaglicher Gebrauchs-M. kann man 

fach und glatt gewesen zu sein, groBere Pracht allerdings diesen Klinen und Stiihlen nicht zu- 

zeigte sich wohl nur in der Verwendung wert- sprechen, sie haben etwas Ornamental-Feierliches, 

voUen Materials, in der Ausschmiickung und Ver- und zugleich eine an unser Biedermeier erinnernde 

bramung der einfachen, tektonischen Formen Geziertheit, so daB es schwer fallen wiirde, sich 

durch bunte Verzierungen und vor allem in dem ein mit diesen M. eingerichtetes Zimmer als wohn- 

reichen Gebrauch bunter Decken und Kissen, die lieh vorzustellen. Aber sie passen zu manehen der 

iiber die M. ausgebreitet wurden (vgi. Richteir 4). alteren Korenstatuen von der Akropolis, die ein 

Die Bilder der geometrischen Vasen zeigen 10 ganz ahnliches kiinstlerisches Empfinden ver- 

uns M., die unter Verzicht auf jede formale Aus- raten. Fiir die Ornamentik sei neben den Vasen 

gestaltung einzig die tektonischen Grundformen auf die Terrakotta-Simen und Stirnziegel der 

aufweisen. Wieweit die Vasenmaler aus stilisti- archaisch-griechischen Tempel verwiesen, die so- 

schen Griinden sich von den wirklichen Formen wohl in den Motiven wie auch in der Lebhaftig- 

der Gebrauchsmobel entfernen, ist freilich nicht keit der Farbengebung viele Analogien zu den 

zu entscheiden; aber es ist kaum anzunehmen, ,ionischen* M. zeigen. 

daB in dieser Zeit schon ein Sinn fiir Formen- Um die Wende zum 5. Jhdt. bildet sich aus 

schonheit und Gefalligkeit der Wohnungseinrieh- den betrachteten M. eine Sonderform heraus, die 

tung vorhanden gewesen ist. die schon von Anfang an vorhandene Entlehnung 

Im Anfang des 6. Jhdts. voUzieht sich ein 20 architektonischer Einzelformen (vgl. vor allem 

durchgreifender Stilwandel in den Formen der den AbschluB von Klinen- und Stuhlbeinen mit 

griechischen M. Orientalische Einflusse machen aiolisch-ionischen Voluten) noch weiter treibt. 

sich aufs starkste geltend und fiihren vor allem Namentlich eine bestimmte Gruppe von Stiihlen 

zu einem Eindringen zahlreicher animalischer ohne Riickenlehne mit niedriger Armlehne zeigt 

Motive in die M.-Kunst. Die Beine von Tischen, stark architektonischen Aufbau (vgl. P e r n i c e 

Stiihlen und gelegentlich auch Klinen zeigen tie- Gnom. 1927, 364). 

rische Formen oder endigen wenigstens in Tier- Klassische griechische Zeit (5. Jhdt.). 

fiiBe, die Enden der Stuhllehnen werden als Tier- Schon kurz vor den Perserkriegen setzt in Athen 

kopfe gebildet, die Armlehnen werden von Sphin- eine Eeaktion gegen die ionische Hberfeinerung 
gen getragen und auch zwischen den Stuhlbeinen 30 von Kunst und Geschmack ein, die sich nach dem 

werden Fliigelwesen u. dgl. angebracht. Trotz Siege iiber die Perser noch in verstarktem MaBe 

seines ungriechischen Charakters hat sich dieser bemerkbar macht. Obgleich die ionischen M.- 

animalische Stil im 6. Jhdt. weit ausgebreitet und Formen auch weiterhin noch auf Darstellungen 

bis zum Anfang des 5. Jhdts. gehalten (Per- begegnen, treten doch daneben in groBer Zahl 

nice Gnom. 1927, 362). Er zeigt eine Betonung andersartige M. auf, die bedeutend einfachere 

schwungvoUer Linien in Verbindung mit einer Formen zeigen. Das weist darauf hin, daB 

Verlebendigung aller Einzelformen, wie sie dem namentlich die Gebrauchs-M. nach den Perser- 

tektonischen Sinn griechischer Kunst im Grunde kriegen einfacher und schlichter im Aufbau ge- 

fremd war. Mit der Entwicklung einer selbstan- worden sind (Rodenwaldt 856). Zugleich 
digen griechischen Kunst und dem Eindringen 40 weicht die archaische Strenge der Formengebung 

rein griechischer Formen und Ornamente auch in einer schwungvoUeren, bequemeren Linienfiih- 

die M.-Tischlerei wird mehr und mehr von diesen rung. Die attischen Grabrelief s und Vasenbilder 

tierischen Bildungen wieder aufgegeben. Nur ein- des 5. Jhdts. zeigen an Stiihlen und Klinen gut 

zelne Motive, wie die in Tierkopfen endigenden durchgebildete und vollkommen dem Material ent- 

Lehnen, erhalten sich auch noch in anderen Stil- sprechende Formen, die auf Ornamentik fast ganz 

perioden bis zum Ende des 5. Jhdts. verzichten und die ausschliefilich die zweckdien- 

Als eigentlich griechische M.-Formen des liche und zugleich kiinstlerische Verarbeitung des 

6./5. Jhdts., muB man die auf Vasen in vielen Materials zum Ausdruck bringen wollen. 

Exemplaren dargestellten Stiihle und Klinen be- Als Vertreter dieses klassischen griechischen 
zeichnen, deren Hauptmerkmal die in Form einer 50 M.-Stils kann der nXiofiog, der leichte, nament- 

doppelten Palmetto eingeschnittenen Beine sind lich von Frauen gebrauchte Lehnstuhl, gelten 

(vgl. Rich terl3ff. 58ff.). Der Ursprung dieses (vgl. Richter Abb. 129ff.). Er wird der be- 

Stiles, der im Gegensatz zu dem orientalisierend- liebteste Gebrauchsstuhl des 5. Jhdts., der mit 

animalischen durchaus ornamental eingestellt ist, seiner bequem geschwungenen Lehne geradezu 

wird im ionischen Kleinasien zu suchen sein. Im zum Ausruhen einladt. Die Beine der sonstigen 

Laufe des 6. Jhdts. hat er sich dann iiber das Stuhlformen und auch der Klinen sind jetzt iiber- 

griechische Festland verbreitet und ist auch dort wiegend rundgedrechselt, das Material kommt 

der herrschende geworden. Die M. dieses Stils hierbei voU zur Geltung und jede Uberladung mit 

bemiihen sich, einen harmonischen Ausgleich zu Wiilsten und Verzierungen am oberen und unteren 
finden zwischen der — modern gesagt — Work- 60 Ende der Beine wird vermieden (vgl. die Abbil- 

form der M. und dem Bediirfnis des griechischen dungen bei Richter Abb. 86 — 94. 184/85. 192). 

Kunsttischlers nach lebhafter Farbengebung und Bei den Klinen macht sich auBerdem in der 

eleganter Formendurchbildung. Die Geradlinig- zweiten Halfte des 5. Jhdts. ein Streben nach 

keit und Strenge der Konstruktion dieser M. wird symmetrischer Bildung bemerkbar, das in der 

gemildert und zu kiinstlerischer Wirkung ge- hUvti aixtpiTiscpalog (Rodenwaldt 857) seinen 

bracht durch die iiberall verwandten ornamen- Ausdruck findet. 

talen Motive, ganz besonders durch die eigen- So sind bei den einzelnen M. Formen erreicht, 

artige, vom handwerklichen Standpunkt kaum zu die als klassisch anzusehen sind, und die Ein- 



605 Mobel Mobel 506 

fachheit und Schlichtheit mit edler, schwung- iibeiiadenen M.-Formen des 4./3. Jhdts. eingesetzt 

voUer Linienfiihrung vereinigen. Nicht dagegen hat. Das Ornament tritt zuriick, elegantere und 

ist anzunehmen, daS schon im 5. Jhdt. der Ver- leichtere Formen werden bevorzugt, der Ge- 

such gemacht wurde, die Gesamteinrichtung eines brauchszweck der M. wird wieder mehr betont. 

Raumes einheitlich und stilgerecht zu gestalten. Auch hier ist allerdings die Entwicklung im ein- 

Dem Einzel-M. und seiner formalen und tech- zelnen nicht genau zu verfolgen, namentlich eine 

nischen Durchbildung gait auch in dieser Zeit Untersuchung der Sitz-M. steht noch aus; aber 

noch das Hauptinteresse des M.-Tischlers, eine die Entwicklung der Betten- und Klinenformen 

gegenseitige Rticksichtnahme von M.-Formen und (Rodenwaldt 859) und die von P e r n i c e 
Raumgestaltung fand nicht statt (P e r n i e e 10 (Hellenist. Kunst V IS.) zusammengestellten Tisch- 

Einl.4 33). formen zeigen die hervortretende Vorliebe fiir 

Nachklassische und hellenisti- geschmackvolle, oft aus Metall oder Marmor her- 

s c h e Zeit. Die Beherrschung der technischen gestellte M., die die Tradition des 5. Jhdts. zum 

Mittel, die die selbstverstandliche Voraussetzung Teil fortsetzen, zum Teil typisch hellenistische 

jeder klassischen Kunstform ist, fiihrt in nach- Motive (wie die schonen Lehnenbeschlage mit 

klassischen Perioden fast stets zu einer tJberstei- Tierkopfen an Klinen: Rodenwaldt a. 0. 

gerung der rein auBeren, formalen und ornamen- Ransom Taf . VIII — XVII. Vgl. die neuesten 

talen Kunstmittel und einem Nachlassen des inne- Zusammenstellungen und Untersuchungen von 

ren kiinstlerischen Gehalts. Die griechischen M.- Greifenhagen Rom. Mitt. XLV 137ff. und 
Formen konnten sich dieser Entwicklung nicht 20Neugebauer Athen. Mitt. LVII 29S.) neu 

entziehen. Das allgemein im 4. Jhdt. sich be- hinzunehmen. Die Geradlinigkeit der altgriechi- 

merkbar machende Streben nach einem gewissen schen M.-Formen, die auch in der klassischen Zeit 

Luxus der gesamten Lebenshaltung spiegelt sich noch nicht verschwunden war, weicht jetzt, nach- 

wider in den M.-Formen und ihrer Ausgestaltung. dem auch die technischen Schwierigkeiten end- 

Zunachst werden Klinen und Stiihle mit Decken giiltig tiberwunden sind, dem geschwungenen 

und Kissen reich ausgestattet. Dann erfolgt je- Kontur, der sich in den Lehnen der Stiihle und 

doch auch eine barocke Umstilisierung der ein- Klinen, in den durchweg rundgedrechselten Bei- 

zelnen M.-Formen. An den Sesseln und Klinen nen und in den geschwungenen Tischftifien (P e r- 

mit eingeschnittenen Beinen, die nach ihrem Zu- nice Taf. 1 — 3) deutlich zeigt. 
riicktreten im 5. Jhdt. offenbar im 4. Jhdt. wie- 30 Der Gesamteindruck hellenistischer Wohnungs- 

der mehr auf treten, wird eine Fiille dekorativer und Zimmereinrichtungen, fiir dessen Beurteilung 

Elemente an Fiifien, Beinen und Lehnen ange- die jetzt schon tiberall verbreitete Verkleidung 

bracht (vgl. Richter Abb. 49 — 51. 54. 169/70). und Dekoration der Wande als wesentliches Ele- 

Das Gefiihl fiir die Schonheit des Materials und ment hinzukommt, wird gegentiber der klassischen 

die zweckmaBige Gebrauchsform des M.s wird Zeit eine groBere Ausgeglichenheit, einen ge- 

voUig unterdriickt von der Sucht nach Verzierung wissen Sinn ftir Geschmack und ,Innendekoration' 

und prachtiger Ausgestaltung der Einzelteile. im heutigen Sinne gezeigt haben, der sich in 

Seine starkste Verbreitung fand dieser barocke, dieser Zeit wohl zum letzten Male wahrend des 

iiberladene M.-Stil nach Ausweis der Denkmaler Altertums gegentiber den immer tibermachtigeren 
in Unteritalien. 40 orientalischen Einfltissen zur Geltung hat bringen 

Fiir das griechische Festland sind die Zeug- konnen. 

nisse und Denkmaler aus dem 4. und 3. Jhdt. Etrusker und Romer. Gisela R i c h - 

sehr sparlich, so daB sichere Schliisse nicht ge- ter (102ff.) hat mit Recht auf die starke Ab- 

zogen werden konnen. Im allgemeinen ist anzu- hangigkeit der etruskischen M.-Formen von den 

nehmen, daB bei der Herstellung luxurioser M. griechischen Vorbildern hingewiesen. In der Bil- 

das Metall eine erhohte Bedeutung gewann. Wah- dung der Stiihle, Klinen und auch der Tische 

rend die Gebrauchs-M. des einfachen Mannes wohl zeigen sich die starksten Analogien zu griechi- 

in der Regel noch aus Holz bestanden und schmuek- schen M. Aber trotz der Ahnlichkeit der M.- 

lose Formen zeigten, sind bei wertvoUeren M. Typen im ganzen finden sich in den stilistischen 
reichere und vielgliedrigere Formen, die meist 50 Einzelheiten bedeutende, fiir die etruskisehe 

aus Metall gearbeitet wurden, vorauszusetzen (vgl. Kunst charakteristische Abweichungen. Die Orna- 

Richter Abb. 69. 186 — 189). Abb. 69 bei mente an den Beinen und Lehnen der Sessel und 

Richter zeigt bereits einen M.-Typus der friih- Klinen werden in einer mehr orientalisch als 

hellenistischen Zeit, den Vollmoller (Athen. archaisch anmutenden Weise bereichert. Ein ge- 

Mitt. XXVI 37 Iff.) naher behandelt hat. Wohl wisser horror vaeui scheint die etruskischen M.- 

unter orientalischem EinfluB entstanden M.-For- Tischler dazu gebracht zu haben, moglichst alle 

men, deren Kennzeichen wulstige, massige Glie- glatten Flachen mit dekorativen Elementen aus- 

der sind, und die sowohl in Kleinasien wie auch zufiillen (Richter Abb. 263), den einfachen 

in Makedonien und spater auch in Etrurien auf- Schwung rundgedrechselter Beine durch zahlreiche 
treten (Rodenwaldt 858). Mit orientalischen 60 dazwischengesetzte Wiilste zu unterbrechen (Rich- 

Einfliissen zusaiomenzubringen ist wohl auch die ter Abb. 258/59), oder durch reichen Metall- 

im 4. Jhdt. neu auftretende Form des runden beschlag den Kontur des M.s zu beleben (R i c h - 

Tisches mit drei TierftiBen (Richter Abb. 210. ter Abb. 249). Gerade das letzte Beispiel (Thron 

212/13), die dann namentlich in der romischen aus dem Regolini-Galassi-Grab. Rom, Mus. Gre- 

Zeit sehr beliebt wurde. gor.) zeigt, wie sehr die Vorliebe fiir Metallarbei- 

Die Funde in Kleinasien (Priene, Magnesia ten auch auf die M.-Formen EinfluB gehabt hat 

a. M.) zeigen, daB schon in der Bliitezeit des Hel- und der Freude an reicher Verzierung entgegen- 

llenismus eine entschiedene Reaktion gegen die gekommen ist. In den Haushalten vornehmer 



507 Moireas Molaria 508 

Etrusker hat offenbar das Holz als Material fur liches gilt auch von den monumentalen Tischen 

M. nur eine untergeordnete Eolle gespielt. Dieser (R i c h t e r Abb. 333/34). Der hierdurch erreichte 

Vorliebe fiir metallene M. entsprechen auch die Gewinn an konstruktiver Festigkeit wird wieder 

ftir Etrurien charakteristischen Sesselformen mit aufgehoben durch die mehr und mehr iiberhand 

groBer runder Lehne (R i c h t e r Abb. 247/48. nehmende Vergroberung der Einzelformen und 

Per nice Gnom. 1927, 367) und die weitver- der dekorativen Elemente. 
breiteten namentlich in Praeneste gefundenen 4. Literatur zu einzelnen M. 

runden Bronzecisten. a) Sitzmobel. 

Fiir die Bestimmung des altromischen M.- R. E.: Art. Bisellium (Neumann) 

Stils fehlen uns alle Mittel, da sowohl die Quellen 10 Bd. Ill S. 502; Sedile (Hug) Bd. IIA 

wie auch die bildlichen Darstellungen fur diese S. 10231; Sella (Hug) Bd. IIA S. 1309f.; 

Zeit versagen. Erst in der spatrepublikanischen Sella curulis (Kiibler) Bd. IIA S. 1310 

Zeit setzen die Wandgemalde und Funde ein. Zu- — 1315; Solium (Hug) Bd. IIIA S. 929f.; 

gieich berichten die Schriftsteller von dem Ein- Subsellium (Hug) Bd. IV A S. 502ff.; 

setzen des Handels mit Luxus-M. und dem star- Stuhl (Hug) Bd. IV A S. 398 — 422; Thro no s. 
ken Import griechischer und orientalischer M. Daremb.-Sagl.: Art. Cathedra (Saglio) 12, 

nach Rom (vgl. Kruse Art. Mensa Bd. XV 9701; Sella (Chapot) IV 2, 1179—1181; 

S. 942). Das Luxusbediirfnis der Romer, das den Solium (Chapot) IV 2, 1391f.; Subsellium 

Wert und die Pracht des verwandten Materials (Chapot) IV 2, 15511; Thronus (Chapot) 
hoher schatzt als die Schonheit der tektonischen 20 V 278 — 283. 
Form, ftihrt zu dekorativer Uberladung und oft b) Liegemobel. 

unschoner Stilmischung. Auch bei den romischen R. E.: Art. Betten (Mau) Bd. Ill S. 370 

M. trat das Holz als Material mehr und mehr — 373; Kline (Rodenwaldt) Bd. XI 

zurtick, da die Bronzearbeit bedeutend mehr S. 846—861; Lectica (Lamer) Bd. XII 

Moglichkeiten zu dekorativer Ausgestaltung der S. 1056 — 1 108; Sigma (Rodenwaldt) 

Einzelformen hot. Neben der Bronze werden die Bd. IIA S. 23231; Triklinion. 
verschiedensten kostbaren Materialien, wie Schild- Daremb.-Sagl.: Art. Lectus (Girard) III 

patt, Elfenbein, Silber oder ganz seltene Furnier- 1014 — 1023; Triclinium V 440 Anm. 
holzer zur Verzierung der M. verwandt. Natiir- Vgl. f erner Oikonomos Athen. Mitt. LI 

lich wird auch der Marmor bei der Herstellung 30 75S. Greifenhagen Rom. Mitt. XLV 137ff. 

von M. in weitem Mafie herangezogen worden Libertini Riv. R. 1st. di Archeol. II 9m. 

sein. Tische, Banke und Sessel aus Marmor wer- Neugebauer und Greifenhagen Athen. 

den in den geraumigen Atrien oder im Tablinum Mitt. LVII 29ff. 
aufgestellt und entsprechen dem Bediirfnis des c) Tische. 

Romers nach pomposen und wuchtigen M.-Formen. R. E.: Art. Mensa (Kruse) Bd. XV 

Der romische M.-Stil ist nicht zu trennen von S. 938 — 944; T r a p e z a. 
der Gesamtausstattung des romischen Hauses und Daremb.-Sagl.: Art. Mensa (d e R i d d e r) III 

seiner Hauptraume mit Wandgemalden und 2, 1720 — 1726. 
Wanddekorationen, ja er geht stilistisch auch zu- d) Truhen und Kasten. 

sammen mit den architektonischen Formen von 40 R. E.: Art. Armarium (Mau) Bd. 11 

Tiir- und Fensterumrahmungen, von Wandglie- S. 11761; Cist a (Mau) Bd. Ill S. 2591ff.; 

derungen durch Saulen, Gebalke und Nischen. Truhen. 

Ganz anders als in griechischer Zeit ordnen sich Daremb.-Sagl.: Art. Armarium (Saglio) II, 

die Formen der M. in den Gesamtstil des Wohn- 4321; Cista (Fer nique) I 2, 1202—1205. 
raumes ein (vgl. Koeppen-Breuer Gesch. Fiir den Wortgebrauch zu vergleichen sind 

d. M.s 216). AUerdings ist zu beachten, dafi von f erner auBer Pollux die groBen Lexika: Thes. 1. 

ejner wirklichen Ausstattung mit M. nur in den G., P r e i s i g k e Worterb. d. Papyrusurk. und 

Hausern reicher Burger oder in kaiserlichen Pa- (soweit erschienen) Thes. 1. 1. Mancherlei Litera- 

lastbauten gesprochen werden kann. Die gewohn- tur auch bei Mau-Mercklin-Matz KataL 
lichen Wohn- und Schlafraume in Pompeii und 50 d. arch. Inst., Neubearb. II 868ff. (s. v. Betten, 

Ostia sind meist so klein, daB sie auBer wenigen, Mobel, Stuhle, Tische) und 740f. (Cisten). 
zum taglichen Gebrauch notwendigen M. kaum [Reincke.] 

etwas enthalten haben werden. Die M.-Formen, Moireas (MotQeag), Bruder und Vormund des 

von denen sich Beispiele erhalten haben, werden Arkesilaos, des Begriinders der mittleren Aka- 

tiberwiegend zur Einrichtung der Reprasentations- demie, hatte diesen zum Rhetor bestimmt. Arke- 

raume, d. h. also des Atriums und des Tablinums, silaos entzog sich ihm jedoch durch die Flucht, 

gedient haben. wobei ihm sein anderer Bruder Pylades behilflich 

Bei der Ausbildung der einzelnen M.-Formen war, um sich ganz der Philosophic hinzugeben 

im Laufe der romischen Kaiserzeit laBt sich ein (Diog. Laert. IV 6, 28 und 43. Ind. acad. Here. 
gewisses Streben nach tektonischer Zusammen- 60 XVII 3, vgl. W. Gronert Kolotes und Menede- 

fassung nicht verkennen. Das griechische Tri- mos 49, 225). [K. v. Fritz.] 

klinion wird zum einheitlichen Sigma umge- Molaria, kleine Stadt oder Dorf Sardiniens, 

staltet (Rodenwaldt Bd. IIA S. 23231), von Hafa 24000, von ad Medias 17000mp. ent- 

und die Betten erhalten erst in der spateren fernt, Itin. Antonin. 82; das heutige Mulargia, 

romischen Kaiserzeit eine organische Ausgestal- an der StraBe von Tibula nach Caralis. — Por- 

tung (Rodenwaldt Bd. XI S. 8601). Ahn- biger III 548. [Judith Andree.] 



509 Molibodes MoXnoC 510 



Zttin sechzehnten Bande. 

Molibodes (Moh^cbdTjg vfjaog) heiBt bei Pto- M. tibexall in Gilden vereint waren oder ob sie 

lem. Ill 3 eine Insel an der West- (nicht Ost-) auch, wie gelegentlich die Hymnoden (Poland 

Kiiste Sardiniens. Zur Etymologie vg\. Boi- 48f.), einzeln als Funktionare anderer Vereine 

saeq s. fioXvpdos, ein dem Iberischen entliehe- auftraten. 

nes Wort wie lat. plumbum (Walde), und -cbdrjg, Als die altesten erscheinen nach unserer tTber- 

also ,nach Blei riechende (Insel)^ Ob identisch mit lieferung die M. von Milet, so dafi auch die schwer 

Isola del toro oder mit Isola di 8. Antioco mu6 zu entscheidende Prage aufgeworfen worden ist 

dahingestellt bleiben, desgleichen ob sie ehedem (L u r i a 124), ob nicht die anderwarts bestehen- 

mit der Insel Sardinien zusammenhing. Vgl. Ta- den Molpenvereine vielfach erst von Milet ent- 
bulaeinPtolemaeiGeographiamvonC.M1illerl4f. lOlehnt sind. Die Zeugnisse fiir Milet erstrecken 

nnd E. Pais Storia della Sardegna 2, carta I, II. sich iiber mehr als ein halbes Jahrtausend (s. u.): 

[Joseph Waldis.] R I, m 122. 123. [124.] 125. 126. 127. 133. 134,16. 

MoXjtol, Bezeichnnng fiir Sanger, die, soweit 31. 143, 32, 146, 42. 150, 66. 157. 159. 160. VII 

wir sehen, in Genossenschaften vereint waren. Die 203, a 26S. Ganz auffallig ist hier auch das Vor- 

Tatsache, dafi es sich dabei oSenbar um eine rein kommen der entsprechenden Eigennamen. Wenn 

kultische Erscheinung handelt, sucht B i e 1 o h - sie in unserer tlberlieferung in der kurzen Spanne 

1 a w e k Wien. Stud. XLV 8 etymologisch durch vom Ende des 6. bis Mitte des 5. Jhdts. sogar 

den Hinweis auf eine keltische Wurzel, die ,loben, noch haufiger bezeugt sind (9 Falle) als von da 

preisen, ehren* bedeutet, zu begriinden. Zunachst in den nachsten fiinf Jahrhunderten (7 Falle), 
denkt man und dachten wohl die M. selbst bei 20 so konnte auch das wohl ein Zeichen sein fiir die 

dem Worte an Gesang. Denn daB das Singen sich mindernde Bedeutung der Institution. Dabei 

offenbar eine Hauptbeschaftigung der M. war, ist es vielleicht bezeichnend, dafi in der alteren 

lehrt das fur die ganze Frage vor allem mafi- Zeit vor allem der Name Molpagoras begegnet, 

gebende ,Kultgesetz* der milesischen M., in dem der ,an die Debatten in diesem Kreise* erinnert 

Bestimmungen verschiedener Zeiten vereint sind, (v. Wilamowitz GGA 77. Luria 123): He- 

wie V, W i 1 a m w i t z S.-Bex. Akad. Berl. 1904, rodot. V 30 (der Vater des Aristagoxas) ; R 122, 

619ff. und Rehm Milet I, III 279f. in hoch- I 29 (498/97 v. Chr.), I 35 (492/91), I 40 

stens noch in einigen Kleinigkei'ten bestrittener (487/86), I 59 (468/67), I 83 (444/43), I 86 

Weise festgesetzt haben. Die einzigartige Urkunde (441/40). Spater findet sich Molpagoras nur noch 
ist publiziert: v. Wilamowitz a. 0. Rehm 30zweimal: R 123, 27 (290/89). 125, 47 (54/53). 

nr. 133 (danach, wenn notig R 133 zitiert, sonst Neben Molpagoras tritt schon zeitig das seltenere 

werden nur die Zeilen desselben angegeben). Molpios (R 122, I 15: 512/11 v. Chr., I 50: 

SGDI III 2, 5495. Syll.s 57. V oil g raff Mne- 477/76), spater auch MoXTisog (R 122, 11 43: 

mos. XLVI 416f. Cauer-Schwyzer 726. 372/71), MoXmvog (122, II 63: 352/51), MoX:^fjg 

Solmsen-FraenkelIG58. Wiederholt wixd (122, II 79: 336/35) und MoXnag (151, 25: 

nach diesem Kultgesetz der Paian beim Opfer ca. 180 v. Chr.; ein Verwandter desselben Namens 

(8. 12. 13), viermal bei einer einzigen Prozession CIG II 2854), zuletzt MoXnog (I 152 passim: 

angestimmt (28ff.). So definiert auch Hesych. (W.* nach 167 v, Chr.). 

(pdog, vfjtvcpdog, Tiioirjzrjg, Daher erscheint die durch M. begegnen dann in der milesischen Kolonie 

V. Wilamowitz gewahlte tlbersetzung ,Salier* 40 Aigiale auf Amorgos in einer Weihung ihres 

(GGA 1914, 78), die Busolt (Griech. Staatsk. I iiohzaQxri^ag an Apollon (IG XII 7, 415) und in 

192,4), Luria (Philol. LXXXIII 130), Fraen- einer Urkunde wohl aus dem Ende des 1. Jhdts. 

k e 1 u. a. aufgreifen, zunachst nicht naheliegend, v. Chr., in der zehn M. unter Fiihrung vielleicht 

wie Danielsson Eranos XIV 1, 1 betont, eines Priesters, jeden falls eines Stephanephoros, 

wenn auch xituelle Tanzbewegungen nicht aus- eine Weihung [vtisJq tfjg Gcor7}Qi[ag xov olJqxib- 

geschlossen zu sein brauchen. v. Wilamowitz Qswg vornehmen (IG XII 7, 418). Nun gibt es 

vergleicht Glauben d. Hell. I 129 schliefilich die auch im amorgischen Minoa einen Molpagoras (IG 

M. auch mit den Kureten. XII 7, 335). Dazu kommen Personlichkeiten in 

Wie fiir die Hymnoden (Z i e b a r t h o. Bd. IX andexn von Milet beeinfluBten Orten, wie Molpa- 

S. 2520. Poland Festschr. z. 700-Jahr-Feier d. 50 goras in Pantikapaion (CIG II 2105 = los PE II 

Kreuzsch. z, Dresden 46ff.) und Thesmoden (s. d.) 14) und Olbia (Suppl. ep. gr. Ill 594) sowie Mol- 

ist die Heimat der M. Kleinasien, nur scheint pas (Mionnet II 633) in Abydos (s. Hiller v. 

ihre Verbreitung viel beschrS,nkter, und ihr Ur- Gaertringen Bd. XV S. 1591, 32ff.) und Mol- 

sprung geht, soweit wir sehen, auf viel altere ^ pos in dem benachbarten Tenedos (Plut. quaest. 

Zeiten zuriick. Es ist das ionische Gebiet, fiir das graec. 28 p. 297 D). 

sie ausschliefilich bezeugt sind. Dort finden sich In Ephesos nehmen etwa im 2. Jhdt. v. Chr. 

auch vor allem vom entsprechenden Wortstamm 27 /L(oX:n;€voavrsg unter Datierung nach dem staat- 

gebildete Eigennamen, nicht nur der allerdings lichen Prytanen und ihrem Pri ester eine Weihung 

haufigste Name MoXnayoQag^ auf den v. W i 1 a - vor (Jahresh. V Beibl. 65) und beim Daitisfeste 

mowitz GGA 1914, 77 (vgl. Luria 123f.) 60 der Artemis ist unter andern religiosen Funk- 

hinweist. Fraglich kann dabei scheinen, ob die tionaren ein vermutlich derselben Genossenschaft 



511 MoXnoC MoXnoC 512 

entlehnter M. gegen Gebtihrenzahlung beteiligt vorstaatlichen Mannerbund mit Luria 123ff. 

(Jahresh. VII 211 Beibl. 44. XVIII Beibl. 286). sehen v\rird, sondernRehmS.284beipflichten, dafi 

Schon durch ihren Namen sind deutlich als hier aus einem privaten KoUegium ein staatliches 

Genossenschaft bezeichnet die ovfAiAolnoi von Teira geworden ist. Jedenf aUs aber ist die Geschichte 

(Athen. !Mitt. XXIV 93, 1), bei denen ein Opfer- der M.-Vereinigung mit der Milets aufs engste 

funktionar {d-vrevg) in einer unter einem leQsvcov verkniipft. Auf Grund von R e h m S. 279ff. und 

vorgenommenen Weihung die Genossen vereint v. Wilamowitz GGA 74ff. hat diese ganze 

(s. Poland Bd. IV A S. 1161). Entwicklung Hi Her v. Gaertringen Bd. XV 

Eigennamenkonnenauchanderwartsimlonier- S. 1595S. verfolgt. Seit 525/24 ist die Liste der 

gebiet auf M. weisen, wenn auch nicht aus ihrem 10 eponymen Leiter der M., die an Stelle der alten 

Vorkommen ohne weiteres auf gleichartige Ver- Konige getreten waren, in groBer zeitlicher Aus- 

haltnisse wie bei den bekannten Molpenvereinen dehnung erhalten (Rehm S. 241 ff.). Die Aristo- 

geschlossen werden darf (v. Wilamowitz kratie der M. ist so die eigentlich regierende 

GGA 77f.). Evfjiolnog MoXnov gab es in lasos Korperschaft und hat die ganze politische Macht 

<CIG 2671 1, 4) und M6lnog (Mionnet HI (v. Wilamowitz GGA 76ff. Rehm S. 284). 

353), Molnog nv&ayogov in Samos (Syll.^ 333, 1 : DaB es sich um einen solchen begrenzten Teil der 

nach 306 v. Chr.), MoXnayoQag in Keos (? Suid.; Biirgerschaft, nicht um alle Biirger bei den M. 

s. aber Polyb. XV 21), MoXnig in Chalkis (IG XII Milets handelt, wie V o 1 1 g r a f f 426 (,omnes 

9, 1180), hier auch Molmxr] MoXmdog (1181), fere cives, exceptis indignis') annimmt, zeigen, 

einen lonier Molpagoras (Pint. sept. sap. p. 147 B). 20 abgesehen von alien andern Griinden (Luria 

Freilich kamen diese Namensbildungen auch 119f.) schon die Verhaltnisse in andern Gemein- 

auBerhalb des ionischen Gebiets im engern Sinne den. Nach dem Siege von Mykale wurden unter 

vor, so besonders Molpis: in Athen (Zehnmann: Charopinos (479/8 v. Chr.) mit der staatlichen 

Suid.), wo ja auch das Geschlecht der Eumolpiden Reform auch die Verhaltnisse der M. geregelt. 

solche Bedeutung hatte, in Lakedaimon (Athen. Trotz der Not der Zeit wurde das Hauptfest (s. u.) 

IV 140a. e u. s), Thera (IG XII 3, 337, 5: weiter gefeiert (v. Wilamowitz GGA 79), 

2. Jhdt. V. Chr.), wie auch noch andere Namen wenn auch sich Anderungen (R 133, 40 — 42) im 

vom betreffenden Wortstamme: Molpadios und Betrieb des Vereins notig machten (s. u.). Unter 

Molpadia, Molpe, Molpeus, Molpion, Molpothemis Philtes (450/49 n. Chr.) wurden nach Beendigung 

(Pape-Benseler); auch gab es^auf Kypern 30 des Biirgerkrieges (Glotz Compt. Rend. 1906, 

eine ^ea a fAolnobwQa (Schwyzer 682, 6). 51 Iff.; Hist. gr. II 157) auch die Verhaltnisse 

Charakteristisch bleibt ftir die M., soweit wir der M. erneut geordnet und besonders ihr Kult 

sehen, die Verehrung des ApoUon. Das gilt nicht (o^yia) durch einen BeschluB (R 133) festgelegt, 

nur ftir Milet, wo ja ApoUon der eigentliche auch im Hieron, wenn auch nicht auf Stein 

Stadtgott ist (v. Wilamowitz GGA 69) und (v. Wilamowitz GGA 76) aufgezeichnet, da 

der A. Delphinios der Gott der M. (R 159. 160. der zur Macht gelangte Demos im Kult an dem 

133, 11. 15. 24), sondern auch fiir Aigiale (IG Verhaltnis des Staates zu den Gottern nichts 

XII 7, 415; vgl. 416. 417) und Teira (s. o.), andern woUte (Rehm S. 283). Die M. behalten 

wo der Gott vielleicht sogar einen auf die M. freilich nur noch sakrale Funktionen (v. W i 1 a - 

beztiglichen Beinamen tragt (Mo[Xnaoti^g]', s. 40 m o w i t z GGA 76f.), wahrend der EinfluB des 

Contoleon Rev. M. Grr. XII 385). Jedenf alls Staates weiter besteht. Das Hauptfest, fiir das 

darf die Bemerkung von v. Wilamowitz, daB die die M. wohl von Anfang an bestimmt waren, war 

M. ,keineswegs bloB ftir den Apollondienst da ja doch ein staatliches (s. u.). Immerhin begegnen 

«ind* (S.-Ber. 622) nicht dahin verstanden werden, wir noch in Staatsurkunden aus der Zeit um 200 

als sttinde ApoUon nicht im Mittelpunkt des Mol- v. Chr. (R 143, 32. 146, 42. 150, Q6) einer Er- 

penkults, nicht nur in Milet (Vollgr af f 422: innerung daran, daB den M. einmal eine gewisse 

,unice fere* etwas iibertreibend). DaB die M. KontroUe tiber den Zivilstand der Milesier zu- 

nebenbei auch andere Gotter ehren konnten und stand. Denn wenn hier von einer sfA, (xolndlg evoxa- 

auch ehrten, ist ebenso selbstverstandlich, wie die oig neben der biKr} ^evlag die Rede ist, so konn- 

Techniten (s. d.), die erklarten Diener des Dio- 50 ten also damals wenigstens formal noch bei ihnen 

nysos, sich -auf diesen nicht beschrankten. Nicht Klagen anhangig gemacht werden, die sie aber 

nur gibt es besondere Anlasse und Grtinde fiir wohl an ein Volksgericht weiter leiten muBten 

die M. in Milet, Hestia (R 133, 13. 41), Hekate (v. Wilamowitz GGA 77). DaB manche er- 

(28. 36; 129), Hermes, die Nymphen (29) und ganzenden Bestimmungen in der Zeit vor (R 133, 

Heroen wie den Keraites (30f.; s.Btirchner 13. 33f. 38f.) und nach Philtes (8—10. 23—25. 

Ed. XI S. 253) zu verehren, sondern gewiB auch 36f. 43 — 45) zum Kultgesetz hinzukamen, ist sehr 

die '&sol hxsfAevioi des Delphinions (R 159: um wahrscheinlich, wenn auch manche Einzelheit bei 

300 V. Chr.; s. auch 130. 131) genossen ihre Ver- Rehm S. 280 unsicher bleiben muB. Mit seinen 

ehrung. Nachtragen wurde das uns tiberlieferte Kultgesetz 

Die Bedeutung der M.-Vereine zeigt sich be- 60 wohl nicht erst um 100 v. Chr., wie Rehm S. 280 

senders in ihren engen Beziehungen zu den Staats- meint, sondern wohl schon um die Mitte des 

gemeinden. LaBt sich das auch ftir Ephesos er- 2. Jhdts. in Stein aufgezeichnet, da in ihm kein 

kennen (s. o.), so erscheint dieses Verhaltnis doch Bezug genommen wird auf um 130 v. Chr. ge- 

ganz eigenartig in Milet. Die Grtindung seiner troffene Bestimmungen. Werden doch in diesem 

M.-Gnde, des altesten bezeugten Vereins der Hel- neuen Kultgesetz Opfer ftir den Demos der Romer 

lenen iiberhaupt, reicht bis in dunkle Zeiten zu- und die Rome festgesetzt (R I, VII 203, a26ff.; 

rtick, wenn man auch nicht in ihr einen uralten s. u.). Ein weiteres Kultgesetz aus dem Ende 



518 MoXnot MoXnoC 514 

des 1. Jhdts. n. Chr. verbietet die Naturallieferung werden sie von Danielsson 16f. gedeutet. 

einer svcoxLa in Geld mnzuwandeln (R 134, Mfi Dafi es sich trotz des wahrscheinlichen Zusam- 

30ff.). Im l.Jhdt. n. Chr. werden aucheinmal(Milet- menhangs ihres Namens mit ovog hier mn ein 

Bericht VII 67) bei einer Festmahlstiftung neben Geschlecht handelt, zumal der Esel in gewissen 

den Biirgern die fAolmKol bedacht, ofEenbar nicht Beziehungen zu ApoUon steht (Vollgraff 425), 

M. selbst, sondern Jugend aus M.-Familien, die wird meist zugestanden, und die von v. Wila- 

cine Anwartschaft fiir den Klub batten (Luria mowitz 625f . angenommene Beziehung auf 

120), wie etwa die Hymnodensohne in Pergamon ihre dienende Stellung als ,Eselinge' fiir die Er- 

(Poland Gesch. d. griech. Vereinsw. 302f.). Die klarung mit Recht weniger betont. Im deutlich 

Aisymnetenlisten(R122ff.) zeigen, welches Ansehen 10 sich abhebenden dritten Hauptabschnitt (Rehm 

die M. zu alien Zeiten, auch als sie geringere poli- S. 280) desKultgesetzes (31 — 40) werden diePflich- 

tische Bedeutung besafien, genossen. Denn in ten und Rechte der Onitaden in groBer Detail- 

diesen Urkunden, die den Wechsel der Zeiten so lierung gegeben. Sie erscheinen als Lieferanten 

lebhaft widerspiegeln, finden sich Alexander d. Gr. fiir alles zum Opf er notige Gerat (v. W i 1 a m o - 

(334/33 V. Chr.), Demetrios Poliorketes (295/94), witz S.-Ber. 631f.): Gerate in Ton, Eisen und 

Antiochosl.(280/79),j^aad£u?ilf«i^^a6arjy^ (86/85), Erz, Holz, Wasser, Tische {KV7i%oi), Kienholz, 

Augustus {AmoKQaxcoQ KaioaQ '&eov viog 17/16 Matten (qitioi so!), das Fleisch zu verteilen, Fes- 

und 7/6), Gains Caesar (1/2 n. Chr.). Wenn da- seln fiir die Opfertiere, cpalayKxriQia (Walzen 

neben freilich ungemein haufig der Gott die v. Wilamowitz; wohl eher ein Opferinstru- 

<xlov[A,vritvg (R I, VII 203, a 33) iibernehmen mufite, 20 ment?), Beleuchtung {Xvxvog xal alsKpa (bei [?] 

so bedeutet das ja, daB sich keiner fand, der die den Stephanephoren, vielleicht ein spaterer Zu- 

finanzielle Last des Amtes auf sich nehmen woUte satz). Ferner haben sie zu besorgen das Braten 

und daB daher die Kasse des Vereins einzutreten der Eingeweide, das Kochen der Fleischstiicke, 

hatte. Noch iiber 31/32 n. Chr. hinaus (s. auch das Kochen und Zerlegen der Hiifte und des 

S. 515, 55ff.) hat der Verein bestanden, da fiir ,Funfstucks' {neiJindg bedeutet kaum jFunfteF, 

dieses Jahr der letzte bekannte Aisymnet in einer sondern wohl ,Fiinff aches'. Danielssoti 9f.). 

am Ende abgebroehenen Liste bezeugt ist (R 128, Auch das Letzte in diesem Zusammenhange, die 

17f.); charakteristisch genug war es eine Frau. fj,olQ7]g M^tg kann nicht der ,Empfang eines An- 

Trotz der so maBgebenden Beziehungen zum teils' heiBen, wie man meinte, denn es handelt 

Staate zeigt die M.-Gilde doch auch wieder den 30 sich hier noch um eine Verpflichtung der Oni- 

Charakter eines privaten Vereins. Sie hatte ihre taden, um die gerechte ,Verteilung* der Opfer- 

besonderen Statuten und faBte ihre Beschliisse. stiicke, die sie vorzunehmen haben (Vollgraff 

Sie hatte ihre Beamten, auf deren Bestellung sie 423f. Luria 115f.). Als ein Zusatz wird wegen 

freilich nur beschrankten EinfluB ausliben konnte der Konstruktionsanderung angesehen der weitere 

<s. u.). Sie hatte ihren eigenen Besitz, von dem Auftrag fiir die Onitaden, die Fladen (UazQa 

sie Auf wendungen, namentlich an Opfern, machte Syll.^ 57 Anm. 23) in Kuchenart von einem halben 

(and /^oXtzcov 14), vor allem ihren eigenen Wein- Scheffel fiir Apollon zu backen, die fiir Hekate aber 

keller (16. 44). In Milet bezeichnete man auch besonders. Dagegen soUen die Onitaden im Grunde 

gewissen Besitz als Eigentum der Hestia (40). nur Reste erhalten (v. Wilamowitz S.-Ber. 

Von ihren Mitteln bestritten sie die Ausgaben, 40 637) : alle Hiiften auBer denen, die die Stephan- 

verpflichteten gewisse Kreise ihrer Mitglieder zu ephoren bekommen, alle Haute, drei Opferteile 

Leistungen (31ff.) oder gewahrten Freiheit davon {^vaXri(A,axa Syll.3 Anm. 25) von jedem Opfer, 

{axsUlrj 43). Sie besaBen ein eigenes Heim (12. was von Raucherwerk bleibt, den Wein, der im 

20), dem freilich das staatliche Hieron des Del- Mischkruge iibrig ist, ein Fiinferteil (?) fur den 

phinischen Apollon gegeniibersteht, in dem sie Tag. Die Not der Zeit brachte es offenbar mit 

Dienst tun (s. u.) und ihre wichtigen Beschliisse sich, daB im J. 479/78 beschlossen wurde, falls 

wenigstens aufstellen (5). Aber sie hatten doch die Onitaden ihre Pflichten nicht erfiillen konn- 

auch wiederum fiir die Ausiibung ihres Kults im ten, soUten die Stephanephoren mit den Hestia- 

-eigenen Hause ihren besonderen Ritus [naxonsQ geldern (s. o.) aushelfen. AuBerdem wird die Be- 

•E(ji(Ao}.ncb(v) 12. 17). 50 stimmung getroffen, daB es den Stephanephoren 

Wenn zum SchluB eine auch nur mogliche iiberlassen bleibt, iiber die Forderungen der Oni- 
Ausdeutung des unsicher iiberlieferten Kult- taden zu entscheiden. Deutlich hebt sich aus 
gesetzes der milesischen M. zu geben ist, so muB alledem eine gewisse Inferioritat der Onitaden 
zuerst versucht werden, die dort genannten Per- hervor, sowie wohl ihre nicht zu groBe Anzahl, 
sonlichkeiten in ihrer Bedeutung f estzulegen. Eine da ihnen em ganz bestimmter beschrankter Kreis 
groBe Schwierigkeit bereitet der Gebrauch des von Pflichten zugewiesen wird (Danielsson 
Numerus, der die Freiheit laBt, den Singular kol- 16f.). Beides spricht dagegen m ihnen mit 
lektiv zu fassen (R e h m S. 284. Danielsson v. W 1 1 a m o w 1 1 z (S.-Ber. 626; OGA 79) und 
; 12f. Vollgraff 420f.), ja sogar die Moglich- Rehm (S. 284) die gewohnlichen Mitglieder zu 
\keit gibt, einen jahrlich wechselnden Funktionax 60 sehen, die nicht zu den Stephanephoren gehorten. 
•als durch pluralis iterativus bezeichnet anzusehen Wenn aber diese, wie wahrschemlich (s. u. , J^unk- 
tDanielss o n llf.). tionarewaren, wobleiben dann dieangeseneneren 

Schon der Kreis dei M. wird umstritten, wenn M., die nicht mit Resten abgespeist werden? Ab- 

^i^Vvixdbat als nicht zu ihnen gehorig bezeichnet gesehen also davon, daB die Onitaden kaum als 

werden. Als vieUeicht,auBerhalb der M.-Gilde, aber auBerhalb des Vereins stehend anzusehen^smd^, 

in naher Verbindung mit ihr stehendes Priester- erklart sie Danielsson gewiB mit gutem Grund 

geschlecht, das moglicherweise an Stelle der nach fiir Minderberechtigte, die urspriinglich einem be- 

Persien ausgewanderten Branchiden getreten sei, sonderen Geschlecht angehorten. Viel weiter wird 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI ■'• ' 



515 MoXnoi MoXnoC 516 

man wohl nicht kommen konnen. Einen besonderen nebensachlichen Funktionareii des KfjQv^ und 

Weg schlagt Luria 114ff. ein, der die Onita- coaSoV behauptet, da6 er ,uberhaupt im Kollegium 

den mit den 10 und 16, wie er meint, genannten keine RoUe spielt'. Da6 das weltliche Oberhaupt 

veov identifiziert, um dann unter Beibringung von dem Priester bei der Verrichtung religioser Funk- 

ethnologischen Parallelen einen uralten Manner- tionen in einem griechischen Vereine vorausgehen 

bund zu konstruieren, in dem die Altersklassen konnte, zeigt z. B. das Verhaltnis des Epimeleten 

eine Rolle spielen. Wie aber die von ihm verge- zum Priester bei den athenischen Techniten (s. d.). 

nommene Gegeniiberstellung der Stellen 9 — 10 Bedeutung aber hat der Priester, wie in fast jedem 

und 34- — 35 nicht von ihrem im wesentlichen griechischen Vereine (Poland Gesch. d. gr. Ver- 
gleichen Sinn iiberzeugen kann, so fehlt es auch 10 einsw. 339S.) gewiB auch bei den milesischen M., 

in den Worten liber den Wettkampf (s. u.) an wie bei denen von Aigiale, Ephesos undTeira (s. o.), 

einem sichern Anhalt fiir seine weittragende Er- gehabt. So verbaut es wohl die Erkenntnis, wenn 

klarung, die sachlich vielleicht nicht ganz fern man ihn dort, wo er tiberliefert ist (16) beseiti- 

liegen mag, und man wird mit den iibrigen Er- gen will. Auch wer mit ihm nichts rechtes anzu- 

klarern vsog als Adjektiv zu fassen haben. "Qber fangen wei6, wie v. Wilamowitz (S.-Ber. 

die schwer zu erklarende Angabe 17f. s. S.518, 52ff. 625) und Luria (119, 13), wagt nicht unbedingt 

Von den besonderen Funktionaren steht in den Text zu andern. So schlagen zweifelnd vor: 

seiner Bedeutung vollig fest der Aisymnetes, ein Rehm {y)eQaiol, Luria 119, 13 etwa sqscd als 

alter Titel, der sowohl vorlibergehende Funk- Bezeichnung einer Altersklasse. 
tion wie stehendes Amt bezeichnen kann (s. 20 Das eigentlich entscheidende schwierige Pro- 

Toepffer Bd. I S. 1088ff.). Er ist in Milet blem ist die Deutung des orscpavrjcpoQog (s. d.), 

das Oberhaupt der M. und in gewissem Sinne des einer Bezeichnung, wie sie fiir leitende weltliche 

Staates. Seiner Theorie entsprechend sieht Luria wie religiose Funktionare ublich war. Da6 im 

126 in diesem ,Fristkonig' geradezu die Inkar- Kultgesetz der M. unter dem Worte nur Priester 

nation des ApoUon. Ob der Molparchos in Aigiale, zu verstehen seien, behauptet Vollgraff 421 

der a*us der Weihung des (jioXjiaQX'yioag IG XII 7, im Zusammenhang mit seiner auch sonst nicht 

415 zu erschlieBen ist, ihm gleich zu stellen ist, er- wahrscheinlichen Erklarung der M. v. Wilamo- 

scheint vielleicht fraglich. In Milet ist der Aisym- w i t z GGA 79 sieht in den Stephanephoren 

net der Eponymos der M. (R 133, 1 fioXjicov eine hoher stehende Kategorie der Vereinsmit- 
alovfA,vo)vtog) wie des Staates, wie die Listen zei- 30 glieder, im Unterschied zu den ,niederen Genos- 

gen, die die Aisymneten bieten vom J. 525/24 ab, sein', den Onitaden (s. o.). Ihm schlieBt sich im 

mit der tJberschrift otds fioXjtcbv r](i)ovfj,vr}a<xr wesentlichen Luria 120f. an. Wenn sie in der 

(Rehm I, III 122. 123. [124?]. 125. 126. 127). jtingsten Liste der Aisymneten (R 128) diesen 

Die spatesteunvollstandigeListe(128),diejetzt mit gleichgesetzt werden, so wie auch in Aigiale als 

dem J. 31/32 n. Chr. schlieBt, ist iiberschrieben: Weihender der ots(pavrj(poQY}oag ebenso auftritt 

Gts(pav7jq?6Q0i oi nai alovfA,vf}tai. Denn unter dem (IG XII 7, 416. 417) wie entsprechend sonst der 

Titel or£q)avrj<p6Qog tritt der Obmann sicher in fAolnaQxrjoag (415), so fragt es sich doch, ob die 

hellenistischer Zeit auf (s. u.). Als Vorsitzender Worte stets promiscue gebraucht werdisn, wie 

nimmt er die Weihungen an die Gottheit vor: Danielsson 13 annimmt, und in welchem 
/LioXjtcdv aiGV(A,vriGag (R 159. 160), wie man ihn 40 Umfange. Auffallig erscheint es auch D ani el s- 

seinerseits ehrt ^. aioviAvrjoavta (R 157). Uber son, daB im M.-Gesetz aiov^vrjtrjg stets nur im 

seine Opfertatigkeit (s. I, VII 203, a 26ff.) wie Singular, oxscpavrjcpoQog standig im Plural ge- 

die ihm zustehenden Ehren s. u.; daB der Gott braucht wird. Rehm 284 gibt die sehr nahe- 

selbst bisweilen als Aisymnet eintreten muBte, liegende Erklarung, daB orscpavrjcpogot den 

war schon (s. o.) zu betonen. Wie der Aisymnet Aisymneten mit seinen Prosetairen bezeichnet. 

vom Staate zu bestellen war (v. Wilamowitz Erst spater erscheint der Aisymnetes allein unter 

GGA 77. Danielsson 4f .), so wahlte er sei- dem Namen orsqpavrjcpoQog, wie die Wendung 6 

nerseits seine fiinf Beigeordneten (jiQooetaiQoi), at. juera rcov nQoosraiQcov zeigt. So bringt in 

aus drei wohl wechselnden Phylen genommen Urkunden vom Ende des 3. Jhdts. ab der Ste- 
(Syll.3 57, Anm. 3; s. u.). Wie sie auch sonst in 50 phanephore mit seinen Beigeordneten das Staats- 

Staatsurkunden (vgl. IG P 22, 7) genannt werden, opfer beim AbschluB von St^atsvertragen dar 

so assistieren sie dem Obmann bei den Staats- (Rehm 143, 41f. 144, A 10. 146, 53. 150, 22). 

opfern (s. u.), oder besorgen das Opfer allein Bei der Eidesleistung aber 149, 51 werden die 

(R I, VII 203, a 33i.), wenn ApoUon Aisymnet ist Prosetairen nicht neben dem Stephanephoren ge- 

(s. 0.). DaB die Einrichtung der nQoahaiQoi noch nannt. Freilich bleibt in den Eponymenlisten die 

in der Kaiserzeit irgendwie existiert, zeigt eine Bezeichnung des Obmanns als Aisymnetes (Luria 

Weihung von ihnen fiir ihren Stephanephoros aus 117), wahrend dann in der jtingsten (128; nach 

der Zeit wohl des Commodus (R 121). 31/32 n. Chr.) die Doppelstellung als staatlicher 

Eine umstrittene Personlichkeit ist der Prie- Eponymos und Leiter der Gilde durch die be-; 
ster. Handelt es sich auch bei der ganz gesicher- 60 zeichnende Wendung or. ol xal ala. betont wird,: 

ten Stelle um einen spateren Zusatz (45), so er- Wie der Aisymnet fiir die Darbringung manches 

scheint er doch hier in bedeutsamer Weise, so- Opfers genannt wird und noch in der Kaiserzeit 

gar vor dem Aisymneten, als der, der dem wibog fiir die anschlieBende evwxia (s. o.) zu sorgen hat, 

das Mnvov zu gewahren hat, wahrend jener nur so werden fiir den Opferdienst auch Stephan- 

das aQioxov liefert. Da er im Genufi der Sporteln ephoren insgesamt genannt. Ihnen werden die' 

(7£^?7) ist, ist das sehrbegreiflich (RI,VII203,a30. Opfertiere tibergeben (R 133, 14f.), sie nehmen 

36f.). Es erscheint daher nicht angebracht, wenn das Opfer vor (23). Sie werden auch geehrt durcb 

Rehm S. 284 von ihm, wie von den in der Tat Gewahrung besonderer Opferanteile (9. 34f. 38f.)i; 



517 MoXnoC Molnoi 518 

Als Auszeichnung hat vielleicht auch die Zuwei- mowitz 623. Vollgraff 421), was den 

sung der Beleuchtung (s. o.) zu gelten (33f.). Stephanephoren zusteht, erhalten die Neuge- 

Sie werden wohl als die Fiihrer ihrer Genossen wahlten die Halfte (Danielsson 9; ,das 

bei der Staatsprozession genannt (181), sie betei- Entsprechende* v. Wilamowitz. Rehm. 

ligen sich aber auch am Wettkampf (15f., s. u.). Syll.s 57) zuerst (nQolayydvsi), die andere Halfte 

Wie sie fiir Aufrechterhaltung des Betriebs zu bekommen dann, mtissen wir annehmen, die alten 

sorgen haben, da ihnen die Kasse zuganglich ist, Stephanephoren. Damit beginnen die neuen das 

zeigt ihr Verhaltnis zu den Onitaden (s. o.). Opfer (ob aQxo als Dittographie anzusehen ist 

Auf Grund dieser Feststellungen tiber die im oder dQx6{ixsvoi} zu erganzen, macht keinen 
Kultgesetz genannten Personlichkeiten lafit sich 10 wesentlichen Unterschied). Die Mischkriige wer- 

etwa folgende Deutung desselben, die zugleich den wie im M.-Haus gemischt, vielleicht wird 

Erganzungen zum Treiben des Vereins bietet, auch gespendet (v. Wilamowitz 624 lehnt 

versuchen. In vielen Einzelheiten ist die Deutung dies ab) und der Paian gesungen. Dann opfert der 

iiber die erste Erklarung von v. Wilamowitz scheidende Aisymnet von der erhaltenen Halfte 

(S.-Ber.) nicht hinausgekommen; auf sie ist also der Gottin des M.-Heims Hestia, und (vielleicht 

im allgemeinen zu verweisen. ein Zusatz) er allein [avxog ■= fiovog Daniels- 

Rehm S. 280 hat drei Hauptpunkte erkannt, son 10; ,sua sponte et pecunia* v. Wilamo- 

um die es sich handelt. Der erste Teil nach der w i t z) soil spenden (nicht die doch eben noch 

Einleitung (6 — 18) beschaftigt sich mit derWahl beteiligten Stephanephoren) und den Paian sin- 
des Vorstandes und dem 'Ubergang vom alten zum 20 gen. ijn 4. Tage (dem 10. des Monats) finden die 

neuen Regiment. Was am ersten genannten Tage, djLtdXrjti^Qia statt, ein neues Wort, das vielleicht 

dem 7. des Monats (hier !EJj56o^aZa), der dem , Wettkampf f est* bedeutet (D an i els son 11,2). 

Apollon geweiht ist, zu geschehen hat, wird nicht Es handelte sich dabei gewifi um das fiir den 

gesagt. Vielleicht batten da die M. nur bei sich Vereinsomafigebliche (s. S.510,21ff.)Paiansingen. 

zu tun (v. Wilamowitz 623); moglicherweise Es sei auch hier an die Hymnoden von Pergamon 

handelte es sich um die Ehrung des alten Vor- erinnert, von denen ein jeder seinen Hymnos bie- 

standes (Vollgraff 419). Am 8. (Daniels- ten muBte (Poland Gesch. d. gr. Vereinsw. 

s n 3) wird die Wahl durch einen religiosen Akt 267 t). Wenn B a n n i e r 284 und L u r i a 114 

eingeleitet. Die Wiederherstellung des Textes ist als Zweck des Wettkampf es die Wahl des Aisymne- 

hier ganz unsicher. Unter alien, nur mit Beden- 30 ten ansehen, so vertragt sich das, abgesehen von 

ken gemachten Vorschlagen (R e h m S. 279. Syll.^ alien andern Schwierigkeiten, nicht mit der poli- 

57, Anm. 8. Vollgraff 416) entspricht der tischen Bedeutung des Aisymneten. Der Wett- 

eigenartige von Danielsson 5ff., dem Luria kampf ist nichts anders als eine festliche, aber 

113, 3 zustimmt, am meisten der Uberlieferung: zugleich religiose Veranstaltung, bei der sich die 

(alo.) d7iohtK{v)dt id IsQa ,streut das Opfer- neuen Stephanephoren in ihrer Kun^t des rituel- 

schrot*), ^(c) odiXd/va ansloooi (,womit sie die len Sanges zeigen soUen und daher auch den Prie- 

Eingeweide darbringen soUen*). Die folgenden ster hinzunehmen (in etwas anderer Weise halt 

Worte o de aiovfjLvrjxrig kol 6 nQooexaiQog nQooai- auch Danielsson 11 ff. an der Erwahnung des 

Qeitat nimmt nur Vollgraff 417 seiner abzu- Priesters fest), der, wenn man die Worte preBt, 

lehnenden (s. S.512, 18f.) Auffassungentsprechend 40in dem betreffenden Zeitpunkt nicht erst ange- 

passivisch. Da jedenfalls der Aisymnet vom Staat treten ist. DaB dieser Wettkampf in alter Zeit 

zu stellen war, so ist unter Streichung von 6 noch tiefer begrtindet war, ist wohl moglich. 

(v. Wilamowitz 623. Danielsson2; ein- Jedenfalls sind die tiberlieferten Worte ol oxsfpa- 

facher als {x)6{gy Rehm S. 279. Syll.^57) nQooe- vfjqpoQoi oc xs vsot Tcal 6 lsQ£co{g} bis auf den 

xaiQog als Ace. pi. zu konstruieren. Danach wahlt einen Buchstaben in Ordnung, und auch die Er- 

der Aisymnet selbst seine Beigeordneten (v. W i - orterungen (Danielsson 12) tiber das sonst 

lamowitz 623), ein Verfahren, das Luria nicht unbedenkliche Auftreten von xs — ?<;«/ er- 

113 nicht ablehnen durfte. Ob sie Mitglieder der ledigen sich. Bei diesem Wettkampf e ist alles 

Gilde waren oder wurden, ist wohl zweifelhaft. fiir die Feier nicht vom Staate, sondern von der 

V. Wilamowitz sieht sie nur als Vertreter der 50 Gilde {djid fioXjccov) selbst zu liefern. Zwei voU- 

Gemeinde an. Luria 113f. nimmt die Erklarung kommene Opfertiere werden den Stephanephoren 

von B a n n i e r Rh. Mus. N. F. LXXIV 281 an, iibergeben, dem Apollon Delphinios geopfert und 

der unter Beibehaltung der Uberlieferung uber- der Wein der M. getrunken. Die Mischkriige wer- 

setzt ,der Aisymnetes und der Prosetairos (kollek- den gespendet (s. o.) wie im M.-Haus. Auffallig ist 

tiv; s. S. 513, 51) nimmt die Spender hinzu', die Bestimmung iiber den abtretenden Aisymne- 

ein Sinn, der sich schwerlich aus den Worten ten, daB er dasselbe leistet und bekommt wie der 

beim Fehlen jeden Objekts mit Deutlichkeit er- Onitade (s. o.). Nach Danielsson 14 kann 

geben kann, Vor der Wahl werden alle Mischkriige man daran denken, daB er seinen Nachfolger be- 

gespendet (= geweiht? v. Wilamowitz) und diente, so wie sonst immer ein einzelner Onitade 

der Paian angestimmt. Am nachsten Tage (dem 60 Dienst tat. Moglicherweise aber soil mit den 

9. des Monats) treten die Neugewahlten (vsoi), Worten gesagt werden, daB mit seinem Abgang 

also (s. S. 516, 44ff.) alle Stephanephoren, nicht der Aisymnet zunachst in die Reihe der ,dienen- 

nur der Aisymnetes, in ihre Ehrenrechte ein. den Briider* trat, um dann wieder aufzusteigen. 

Trotz des freilich schwer (als Doppelverbin- Die zweite Gruppe der Bestimmungen des Kult- 

dung?) zu erklarenden ?iai ist hier wohl kein Ein- gesetzes (18 — 31) betrifft das staatliche Hauptfest, 

schiebsel (Rehm Syll.^) anzunehmen (Daniels- den Zug nach Didyma. Jetzt liefert naturlich die 

son 9). Von Hiifte und Fiinffachem (nsf^- Stadt alsHauptopfer (Hekatombe: Stengel Bd. VII 

(jzdg; so Danielsson; Fiinftel v. Wila- S. 2786; man braucht nicht mit Vollgraff 



519 Molnoi Monnica 520 

422 anzunehmen, da6 eine wirldiche Hekatombe im M.-Heim und Anteil an den Eingeweiden von 

infolge der Notzeit so zusammengeschmolzen ist) alien Opfern, auch der Transport seines Wein- 

drei voUkommene Opfertiere, darunter ein weib- anteils zu den kiihlen Statten (ipvxTi^Qia Kiihl- 

liches und ein unkastriertes, Das gibt Gelegen- gruben: Danielsson 19f.) auf seine Kosten 

heit, die andern Leistungen der Stadt ,ins M.- wird ftir ihn bestimmt. Wie der Herold in alter 

Haus' einzuschiebenrjein voUkommenes Opfertier Zeit bei Herrichtung des Konigsmahles tatig ist, 

fur die Thargelien und ebenso ftir die Metageit- lehrt ja auch Horn. II. XVIII 558. In dem andern 

nien, ftir das Geburtsfest des ApoUon aber, die Zusatz wird die Verpflegung des o)i86g geregelt 

Hebdomaia, zwei; auBerdem fur jedes Fest ein (s. o.), der offenbar nicht am Opfer teilnimmt wie 
MaB Wein nach alter Berechnung (xovv rb^ uia- 10 der Herold. DaB dieM. noch einen Sanger brauch- 

Xaiov), wie charakteristischerweise betont wird. ten, ist auffallig. Moglicherweise handelte es sich 

Es ist gewiB kein Zufall, daB um 130 v. Chr. be- mehr um einen Musikanten (v. Wilamowitz 

stimmt wird (R I, VII 203, a 26ff.), daB gerade 638), der vielleicht fiir das Einstudieren der 

am 7. Thargelion und 12. Metageitnion dem De- Paiane notig war. 

mos der Romer und der Rome ein voUkommenes Vgl. auBer den Publikationen der Inschrift 

Stieropfer darzubringen ist (s. o.). Das hangt S. 509 v. Wilamowitz GGA 1914, 76ff. 

wohl mit diesen Festen irgendwie zusammen. Danielsson Eranos XIV (1914) Iff. Ban- 

Wenn betont wird, daB der Basileus, ,der geist- nier Berl. Phil. W. 1918, 977flt. Bielohla- 

liche Reprasentant der Stadt* (v. Wi 1 a m o w i t z w e k Wien. Stud. XLIV Iff. 119ff. XLV Iff. B a n- 
627) bei den genannten drei Opf erhandlungen 20 n i e r Rh. Mus. LXXIV 280fE. L u r i a Philolog. 

assistiert (naQlorarai), so tut er das wohl als LXXXIII 113ff. [F. Poland.] 

ihr Gast, keineswegs aber ist er ,als minder- Monnica, Mutter Augustins. 

berechtigtes gemeines Mitglied' (Luria 127) an- Literatur. HauptqueUe Augustins Con- 

zusehen, wenn es heiBt, daB er nicht mehr erhalt fessiones, die Dialoge de beata vita, de ordine. 

als die (andern) M. Als Einleitung fur die Pro- Das von H a r n a c k und Boissier auf gewor- 

zession ist dann zunachst an einer wohl ohne fene Problem des Quellenwertes der Confessiones 

ganz hinreichenden Grund fur eingeschoben er- kann hier nicht diskutiert werden, vgl. Referat 

klarten (Rehm. Syll.^ 57) verderbten Stelle bei P. Schafer Das SchuldbewuBtsein in den 

(23 — 25) vom Beginn des Opfers am Taureon die Gonfessiones des hi. Aug., Wiirzb. 1930, 7ff. He- 
Rede. Was es heiBen soil, daB dabei, ,von den 30 lene G r o s La valeur documentaire des Conf . de 

linken Seiten* begonnen wird, bleibt trotz ver- S. Aug. Paris 1927 war mir nicht zuganglich. 

schiedener Vorschlage (v. Wilamowitz 628. H. Weinand Die Gottesidee, der Grundzug d. 

Danielsson 18) ganz fraglich; ob weiterhin Weltanschauung d^s hi. Aug. (Forsoh. z. christl. 

durch die Erganzung >cQrjXYjQioa{vreg xQYjtriQa)g Lit.- u. Dogmengesch. X [1910]) 3ff. bauscht in 

isaasQag SGDI 5495 die Stelle geheilt oder ein seiner Zeichnung der M. einzelne Untersehiede 

anderer Ausfall anzunehmen ist, erscheint ebenso zwischen Confessiones und den Dialogen zu sehr 

zweifelhaft. Ein verhaltnismaBig klares Bild gibt auf. Letztere sind nach Augustins Angabe die 

dann die Schilderung der groBen Prozession mehr oder minder genaue Wiedergabe historischer 

(v. Wilamowitz 628ff. Be the Tausend Jahre Gesprache. Das hat isich bestltigt (D. Ohl- 
altgriech. Lebens 60f.). Zwei Steinwiirfel (yvA-40mann De S. Aug. dialogis in Cassiciaco script. 

Xol) werden getragen, ein seltsamer Branch, an StraBb. 1897, 1 — 17). Fur fiktiv halt sie neuer- 

dem wohl nicht mit Rehm I, III S. 164 zu riitteln dings Gudemann (Silvae Monacenses 1926, 

ist, der versuchsweise an Korbe mit Weihegaben 16ff.), mit Recht abgelehnt von Philippson 

denkt. Einer wird bei der Hekate vor dem Tore, Rh. Mns. LXXX 144ff. Doch bleiben Gudemans 

mit Binden umwunden {sotefAf^evog v. Wilamo- Nachweise, daB die Wirklichkeit der Dialoge 

w i t z), aufgestellt und mit ungemischtem Weine Augustins oft mit der Topik des fiktiven Dia- 

besprengt {Haxaonevdexe kann aber auch unper- loges ubereinstimmt, weiter beachtlioh. Bei ihrer 

sonlich gesagt sein: Rehm a. 0.), der andere Kritik darf nicht ubersehen werden, daB Imitatio 

wird nach Didyma vor die Tiir geschaSt. Fast in den Zeiten Augustins nicht mehr nur ein rhe- 
malerisch erscheint dann die Angabe des weiten 50 toriseher Begriff war, sondern eine groBe prak- 

Prozessionsweges, den man nach diesen Verrich- tisehe Bedeutung fur alle Gebiete des Lebens er- 

tungen einschlagt: die breite ProzessionsstraBe, langt hatte (vgl. auch die urkundenmaBige Be- 

die zur Hohe, von der Hohe durch den (Eichen)- nutSumg der Dialoge in den Confessiones nach 

Wald (bQVfAog) fiihrt. Der Paian wird zuerst an- Misch Geseh. der Autobiogr. P 434, 2). — Unter 

gestimmt bei der Hekate vor dem Tore bei Dy- den Augustinbiographien hat selbstandigen Quel- 

namis, dann auf der Wiese auf der Hohe bei den lenwert die seines Schtilers und Freundes Possi- 

Nymphen, dann beim Hermes des Enkelados bei dins von Calama (ed. W e i s k o 1 1 e n Princeton 

Phylios, in der Gegend des Keraites bei den (noch 1919; sorgfaltige Behandlung dnrch Harnack 

uns wohlbekannten) Bildnissen des Chares. Ge- Possidlus Augustins Leben, Abh. Akad. Berl. 
opfert wird im Jahre des ,Allopfers* (r/rai^^voi^ 601930 nr. 1 [Hinweis Theile r s]). AusderMenge 

'hogy s. Syll.3 57, Anm. 19) beim Keraites ein der iibrigen (von denen viele keine wissensehaft 

Schaf (dagtov Syll.^ Anm. 20), bei Phylios Rau- lichen Ziele verfolgen) hebe ieh hervor die Vita 

cherwerk alle Jahre. der Mauriner (Migne L. XXXII 65 — 158), 

Der dritte Hauptteil (31—40) gibt die Rechte Loof s RE. prot. Theol. II 259. — Eine Auf- 

und Pflichten der Onitaden (s. o.). Zwei deutlich in zahlung der zahlreichen Biographien M.s bei 

der Inschrift abgesetzte Nachtrage betreffen nicht U. Chevalier Repertoire des sources hist, du 

als Mitglieder zur Gilde gehorige Funktionare. MA., Biobibliographie IP, Paris 1907, 3248f. Die 

Der Herold erhalt Befreiung von alien Leistungen erste chronologisoh geordnete Vita M.s stellte aus 



521 MonniGa Monnica 522 

den Conf essiones zusammen der Canonieus W a 1- almlieh klingende Namen auch in anderen Ge- 

ter (12. JMt.), abgedr. in d. Acta Sanctorum bieten der Mittelmeerwelt, und man konnte dar- 

der Bollandisten z. 4. Mai Bd. XIV (1866) 479ff. ans schliefi^n, daB der Name von Einwanderern 

(zitiert AA. SS.) mit Erganzungen. Im Anhang naeh Africa mitgebracht wnrde. Da die zu den 

dieser Vita befindet sich ein unechter Brief Augu- Cognomina des afrieanischen Namensstammes 

stini ad s or or em liber M.s Leben; er enthalt tretenden Gtentilicia dnrobweg romisch sind (GIL 

einiige sonst nicht tiberlieferte Angaben. Man VIII 7698 ist unklar), wiirde man zunaebst den 

muB aber wahrscheinlieh mit Falschnng rechnen lateinischen Reichsteil ins Auge fassen nnd von 

(abgedr. auch bei B o u ga u d [s. u.] 465ff.). Vgl. den griechischen nnd arabischen (vgl. Littmann 
auch Wetzer u. Weltes Kirchenlex. VHP (1893) 10 bei Preisigke Namenbueh 512) Namen auf Mov- 

1774. The Catholic Enzyclop. X (1913)482 (Hugh absohen, die auch nie -vv- zeigen. Auf etruskisch- 

T. Pope, unzuverlassig) s. Monica. — E. B o u - illyrisch-keltisohem Boden jSnden wir Mon(n)inus^ 

gaud Histoire de 8arnte Monique, Paris 1866 Mon(n)ius bzw. Mun(n)inus, Mun(n)ius. Aber es 

(voUstandigos Material zu legendarem Heiligen- sind Gentilicia (einmal in Numidia das undurch- 

bild ohne historische Kritik verarbeitet). Zuletzt: sichtige Monius Honoratus VIII 6297), und bei 

E. Munding Monika u. Aug. in: Benedikt. der Wahrscheinlichkeit zufalligen Gleichklangs 

Monatssehr. XII 1930, 261ff. (in der Hauptsaehe wird man sie nicht mit den gleichlautenden afri- 

Wiedergabe der betr. Stellen der Confessiones). canischen Gognomina in Verbindung bringen wol- 

B. Leonhardt Aug. und seine Mutter: St. len (vgl. W. Schulze Eigennamen 195. 520, 
Augustin 430 — 1930, Z. Jhdt.-Feier dargeb. v. 20Krahe Altillyr. Personennamen 78). Gogno- 

d. dtsch. Provinz d. Augustinereremiten, Wurzb. mina dos Stammes Monn- o. a. kommen auBer- 

1930, 29ff. (mir nicht zuganglich). halb Africas nur sehr selten vor, und von dieisen 

Name. Die -traditioneUe Sehreibung ist gehoren noch viele zugewanderten fremdstam- 

Monica. Die hsl. tJberlieferung zeigt jedoch liber- migen Personen, so GIL VI 13360 Monnina, viel-^ 

wiegend Monnica. In dieser Form kommt der leicht VI 27009 Monnula. Ill 4832 Monna (weeren 

Name vor Aug. conf. IX 13, 37 in alien Hss. des semitischen Namons Aggaeus des coniux). 

auBer H (s. IX) und dem schlechten V (s. X) Auf die vereinzelte Inschrift L, Percennio Lascivo 

und in den dem 9. Jhdt. angehorenden Hiss, des qui et M[o]nnicus eq. r. VI 31665 Eom, neben 

Grabepigramms der M. Anth. Lat. 670 Riese das sich die Gognomina Aur. Monnus X 6792 
(dagegen Par. s. XI: Monica). Das Zeugnis in 30 Aenaria und wohl Aur. Munnus IX 2080 Bene- 

qiiidam codd. bei Possidius vit. Aug. 2 nach Sa- vent christl. stellen, kann man sich nun alkin 

linas (vgl. Migne L. XXXII 36, 2) ist sehr un- nicht stiitzen. Weiter habe ich gerade diese mas- 

sicher (vgl. Weiskotten 32f.). Monnica ist culinen Formen in Africa nicht gefunden, wie 

ferner ein haufiges Gognomen auf afrieanischen uberhaupt mannliche Trager von Gognomina des 

Inschriften (ohne Zufiigung eines Nomen nur auf Stammes Monn- in Africa auBerordentlich selten 

den drei christl. GIL VIII 25132. 27959. Inscr. sind (56 : 7), Es erscheint also unbegriindet, den 

Christ. 3998 A Diehl), besonders verbreitet im Ursprung des afrieanischen Namensstammes auBer- 

Bezirk von Oirta und Lambaesis. AuBerhalb Afri- halb Africas zu suchen. Vielmehr neige ich an- 

cas habe ich Monnica in dem durch Indices zu- gesichts des vielgestaltigen Eigenlebens, das der 
ganglichen lateinischen und griechischen Materia] 40 Stamm Monn- in Africa ganz im Gegensatz zu 

tiberhaupt nicht feststellenkonnen. GIL VI 18466 alien anderen Gebieten mit Hilfe indogermani- 

ist das nach einigen Abschriften gelesene Monica scher Suffixe, also nach der Romanisierung, ent- 

(danach P a p e Worterb. griech. Ei^enn. s. Mo- wiekelt, zu der Annahme einheimischer Herkunft. 

vipia) langst verbessert in Manlia. Auch auf den Verschiedene Indizien machen es gelegentlieh 

Inschriften ist der Name meist mit nn geschrie- wahrscheinlieh, daB die Trager sokher Namen 

ben. Gegentiber 13 FaUen Monnica (Inscr. ehrist. maurischer Herkunft sind: GIL VIII 4406 Sta- 

3998 A Diehl Hadrumetum Monnika weist auch biria Monnica qui et 6 u sura. 9019 Aelia Monna 

sonst einige griechiische Buchstaben auf) stehen ist die Tochter einer Aemilia Maura quae et 

4 Monica: GIL VIII 4246 ni in Ligatur, ebenso Misinna. Auch ein in Thignica (Africa pro- 
anis statt annis. 3084 liederlich ausgefuhrt? Es 50 cons.) gefundener Altar mit der Inschrift Monnae 

bleiben 9151 Auzia. 25132 Garthago christl. ^m^. sacr. (VIII 14911) laBteher an den einheimi- 

(Einige Stellen aus dem Thesaurusarchiv ver- schen Namen einer einheimischen Gottheit denken. 

danke ich der Freundlichkeit von G. Meyer.) Weiter vorzuidringen reiehen meine Kenntnisse 

Sprachlich ist Monn-ica wohl eine mit dem be- nicht aus. Ich habe daher W. G z e r m a k ge- 

kannten hypokoristischen /s-Snffix gebildete Ab- beten, mir sein Urteil liber den Namen Monnica 

leitung von dem haufigen (14 Falle in Africa) zu sagen. Er stellte mir gtitigst die folgenden 

Gognomen Monna, dessen Stamm auch oft mit Bemerkungen zur Verfiigung: ,Zweifellos ist der 

anderen Suffixen verbunden ist {-ata 1, -ina 7, Name berberischer Provenienz. Leider ist das 

-is 1, 4us 1, osa 2, -osus 4, -ula IS, -ulus 1 Girhsi). Berberische der ersten nachchristliehen Jahr- 
Die Grthographie von Monna zeigt stets nn, das 60 hunderte fast gar nicht bekannt, so daB es sehwer 

Hauptverbreitungsgebiet ist Nordafrica. Gleiohes wird, den Namen mit modemen Berberworten in 

gilt von der gesamten Gruppe der tibrigen suf- Verbindung zu bringen; der Tuaregname •', ll 

fixalen Bildungen, abgesehen von vereinzelten Fal- Mineku (unbekannter Etymologie) m. ist aus laut- 

len der Sehreibung mit n, namlich GIL VIII 9932 lichen Griinden davon zu trennen, da schon aUein 

Monina, datiert auf 544, und Monula 3443. 7324, -ca eine lateinisehe Endung darstellt. Eher 

Munula 7662 (nur hier Vokal u), konnte man den Namen ^ ! H Munia f. (ebenfalls 

Die Herkunft des iSltammes Monn- ist bisher tuareg) heranziehen, der ebenfalls keine gesicherte 

noeh nicht genauer untersucht worden. Es gibt Etymologie zulaBt. Dafiir, daB es sich tatsaoh- 



523 Monnica Monnica 524 

lich. um ein berberisches Wort gehandelt hat, geholt und in S. Agostino beigesetzt worden (AA. 
sprieht hingegen der Umstanid, daB n neben nn SS. 493ff.). Maphaeus Vegius (15. Jhdt.) 
erscheint, denn der Wechsel von einfachem Kon- miBt in dem ihm zugoschriebenen Epigranim auf 
sonanten mit geminiertem ist in den berberisehen das Grab M.s in S. Agostino d e Rossi Inscr. 
Dialekten haufig zu beobachten, z. B. sedis ,6* christ. II 1 (1886) 446, 198 Monica. 
(tuareg) neben sddis (tazerwalt-silh), essen ,wis- L e b e n. Geburts- nnd Todesdatnm ergeben 
sen* (tuareg) neben sX sen, (tazerwalt-silh) und sich aus Augustins Angabe conf. IX 11, 28, daB 
geradezu typisoh fur manche Dialekte. Die Ber- sie quinquagesimo et sexto anno aetatis suae, tri- 
beristik steckt iiberhaupt noch zu sehr in den eensimo et tertio aetatis meae starb. Die Ohrono- 
Anfangen und selbst die berberisehen Namen aus 10 logie ihres Lebens ist also abhangig von der des 
lateinischen Quellen, die altlibysch inschriftlich Augustin. Ich folge in dieser der allgemein an- 
nachgewiesen sind (z. B. Masinissa als Msnsn), genommenen Ansicht, die auch o. Bd. II S. 2363 
sind etymologisch noch ungeklart. Diese Tatsache vertreten wird. Zur Diskussion dieser Fragen 
diirfte sich weniger aus der historischen Weiter- vgl. die Maurinervita Migne L. XXXII 118ff.. Je 
entwicklung des Berberisehen erklaren, sondern nachdem man sich hier entscheidet, muB man fur 
vielmehr aus der Sprachgeschichte des Berbe- M. zu anderen Ergebnissen kommen (so teil- 
riischen selbst hervorgehen, das ja keineswegs weise Pope naoh C. Baron i us Ann. eccl. ad 
homogen ist. Heute konnen schon mindestens ann. 389 Bd. rv [1624] 630ff.). Augustin hatte 
zwei Sehichten untersehieden werden, die gewifi am 13. November 387 das 33. Lebensjahr vol- 
nicht nur rassisch, isondern auch spraehlich und. 20 lendet. Also starb M. vor diesem Datum. Es ge- 
kulturell durchaus versehioden waren: die hellen, schah apud Ostia Tiberina, ubi remoti a turbis 
blonden und blauaugigen Cmhu-liihjQr und die post longi itineris laborem instaurabamus nos 
dunkler komplexiierten (Hamiten) Chnu-LibjeT, navigationi (conf. IX 10, 23). Augustin befand 
die (wie im Englisehen das Grermanische) den sich nach seiner in der Nacht vom 24. zum 
Innenaufbau der Sprache (Pronomina, Grundele- 25. April 387 zu Mailand erfolgten Taufe in Be- 
mente, Flexion usw.) geliefert haben. Es maeht gleitung iseiner Mutter auf der Rtickreise nach 
den Anschein, als gehorte die iiberwiegende Mehr- Africa. Dies ist also der terminus post quem. 
heit der Berbernamen jener zweiten ( .mhu-) Er verschob die tJberfahrt nach dem Tode seiner 
Spraehschicht an, und zwar nicht nur heute (so- Mutter auf das J. 388. Man hat mit Wahrschein- 
weit die Berber nicht arabische Namen tragen), 30 lichkeit vermutet, daB wahrend des Aufenthaltes, 
sondern auch schon vor zweitausend Jahren.* Das den die neuntagige Erankheit (conf. IX 11, 28) 
Ergebnis dieser interessanten Erorterung Czer- und der Tod M.s verursachte, der SohluB der 
m a k s ist also, daB, soweit Sicherheit heute zu Schif fahrt dazwischen kam (Maurinervita Migne L. 
erreichen ist, Monnica ein romanisierter Berber- XXXII 121). Die Schif fahrt ruhte vom 11. No- 
name ist und daB die Formen Monnica und Mo- vember bis 10. Marz (s. Bd. IIA S. 410). Der Tod 
nica als Dialektvarianten nebeneinander zu Recht M.s kann also in den (Sommer oder wahrschein- 
bestehen. licher) Herbst 387 gelegt werden. Vorher war sie 
Vermutungsweise mochte ich fiir den schlieB- 65 Jahre alt geworden. Ihr Geburtstag fallt dem- 
lichen Sieg der traditionellen Schreibung Monica nach in die Zeit zwischen iSommer 331 und Herbst 
folgenden Grund anfiihren. Von einer Verehrung40 332. — Alle traditionellen Tagesdaten (28. April 
der M. innerhalb der katholischen Kirche horen AA. SS. 478 E; 4. Mai: [Aug.] ep. ad sor. 6) 
wir bis ins 12. Jhdt. niehts (AA. SS. 493). Dann sind ohne jede Gewahr und unwahrscheinlioh. 
sucht der Canonieus Walter von der Abtei M. stammte aus christlich-katholischem ECause. 
S. Nicolas d'Arrouaise (Arr. hieB ein Waldgebiet (Als Name ihrer Mutter wird [Aug.] ep. ad sor. 1 
im Bez. Bapaume-Wassigny Demangeon La Facundia angegeben.) Die Erziehung der Tochtei 
Picardie, Paris 1925, 432; Stift aufgehoben 1790. war einer alten Dienerin des Hauses anvertraut, 
Heimbucher Orden und Kongreg. F [Pader- die als Madchen schon den Vater auf dem Riicken 
born 1933] 413) die Reliquien in Ostia und bringt getragen hatte. Ihren erzieherisehen EinfluB 
sie 1162 heimlich in seine Heimat. tTber die Iden- wertete M. spater ihrem Sohne Augustin gegen- 
tifizierung der Gdbeine in Ostia schrieb er einen 50 iiber hoher als den der Mutter. Sie erzahlte, wie 
Bericht, abgedr. AA. SS. 489. Danach fragen die ihnen als Madchen das unmaBige Wassertrinken 
Fremden die Clericer der Kirche S. Aurea, ob hier ausgetrieben wurde, damit sie nioht spater als 
die Mutter Augustins begraben sei. Es folgt eine Hausfrauen und Verwalterinnen der Vorrate und 
Art Interpretation der Worte Augustins conf. IX des Weinkellers statt des Wassers ebenso gierig 
8, 17 apud ostia Tiberina. Dann erkundigt man den Wein tranken, und wie isie selber doch aus 
siGhweitei: quo nomine appellatis earn, et ille ait: jugendlicher Nichtsnutzigkeit sich das Wein- 
nos vocamus earn Primam. cui abbas: non ita, trinken angewohnt habe, wenn isie von den Eltern 
inquit, nominavit earn in I. Conf. S. Augustinus, geschiekt wurde, um im KeUer den Wein vom 
sed Monicam. tunc ille respondit: ipse nominavit PaB zu zapfen. Da warf ihr einmal im Streit eine 
cam Graeca lingua, nos autem Latina. Monica 60 Dienerin, die diese Unart wuBte, das Schimpf- 
enim Qraece, Una vel Prima dicitur Latine. Es wort meribibula an den Kopf. Das traf sie, und 
handelt sich also offenbar um das Grab einer sie libte eine rigorose Selbsterziehung (conf. IX 
Prima, die die Ostienser Clericer mittels einer 8, 17 — 18; diese Stelle benutzt spater lulian zu 
unmogliehen ,Etymologie' mit Monnica gleieh- einem Angriff auf Augustin: Aug. op. imp. c. lul. 
gesetzt batten. Dabei bot Monica das giinstigere I 68). 

Schriftbild, das dann natiirli<?h beibehalten wer- Sie heiratete einen Heiden Patricius (Name 

den niuBte. — Im 15. Jhdt. sind noch einmal (conf. IX 9, 19. 13, 37), ubi plenis annis nubilis 

Reliquien als die der M. von Ostia nach Rom /acf a es^ (conf. 1X9, 19), also wohl mit 12 Jahren; 



525 Monnica Monnica 526 

denn in diesem Alter erreichten die Madchen die Kindes und versuchte den Fiinfzehnjahrigen ,vor 

Ehemtindigkeit (s. a. Bd. XIV S. 2264; dazu paBt Hnrerei und boson ders (so) Ehebruch* zu wamen. 

[Aug.] ep. ad sor. 2 cum esset annorum XIll). Der schlug es in den Wind (conf. 113,6 — 7; vgl. 

Patricius war ein maBig ibegiiterter Curiale von dazu Alf aric L'evolution intellectuelle de St; 

Tagaste (conf. II 3, 5. Poss. vit. Aug. 1; iiber die Aug. I, Paris 1918, 11, 2). Sonst aber, wie ihr 

gedruckte Lage dieser ,S'klaven der Steatsverwal- Sohn, selber ein ,Padagoge von Gottes Gna(fen', 

tung* [Rostovtzeff Ges. u. Wirtsch. II 234] spater von ihrer Erziehung fein sagt: terram po- 

vgl. Bd. rV S. 2343ff.; iiber den Ort Bd. IVA tins unde postea formarer quam ipsam iam ef- 

S. 2008), entsprechend den Aaiisehauungen des figiem (fluctibus temptationum) committere vo- 
Heidentums von laxer sittlieher Auffassung, tole- 10 lebat (conf. I 11, 18; vgl. das zutreffende Urteil 

rant gegen seine christlichen Hausgenossen (conf. von Harnack Keden u. Aufs. N. F. Ill [1916] 

I 11, 17), von gutmiitiger Art, aber gelegentlich 92 tiber M.s EinfluB auf Aug.). Eirwa 369/70 ge- 

heftig aufbrau&end. M. ertrug diese Ausbrtiehe wann sie ihren Mann fiir das Christentum, und 

wie seine eheliohe Untreue schweigend. Aber wenn er wurde Catechumen. M. selber scheint damals 

sie ihn wieder ruhig und verniinftig sah, Melt sehon die Taufe empfangen zu haben {matris in 

sie ihm den Spiegel seines Verhaltens vor. So pectore iam inchoaveras templum tuum conf. II 

wahrte sie die Eintracht des gemeinsamen Lebens. 3, 6). Auch hier soil nach B e r t r a n d 522 Pa- 

Und sie empfahl dieses Verfahren auch den Ehe- tricius sieh wieder wahrscheinlich durch einen 

frauen ihrer Bekanntschaft: quae observabant ex- politisohen Grund, die Kursanderung Valentinians 
pertae gratulabantur , quae non observabant sub- 20 gegeniiber dem Heidentum, haben bestimmen las- 

iectae vexabantur (conf. IX 9, 19). Durch die sen. Dooh wurde das Heidentum auch noch von 

gleiche sanfte Geduld gewann sie die im Hause Valentinian mit der gleichen Toleranz behandelt 

wohnende Sehwiegermutter, die durch Klatscherei wie von den Vorgangern lulians, und es besaB 

der Magde aufgebracht war. Von Klatscherei hielt gerade in der wostlichen Reichshalfte im Sym- 

sich M. fern, sie lebte naoh der Maxime homini maehuskreis noch eine recht aktive Zentrale. Das 

humano parum esse debeat inimieitias hominum Heidentum des Patricius wird von Harnack 

nee exeitare nee augere male loquendo, nisi eas Possidius Aug. Leben 28 Anm. auf Grund von 

etiam exstinguere bene loquendo studuerit (conf. Poss. vit. Aug. 1 (Aug.) parentibus honestis et 

IX 9, 20 — 2i). Kinder werden mehrere erwahnt: christianis progenitus bestritten: Er sei chri- 

Aug. ep. 211, 4 eine Tochter, die nachdem sie ^0 stianus gewesen, aber nicht, wie seine Gattin, 

Witwe geworden war, als Oberin der Nonnen In Melis, d. h. er sei, wie damals unzahlige andere 

Hippo lebte (Poss. 26; der Name Perpetua wird Christen, erst kurz vor dem Tode getauft worden. 

tiberhaupt nur in dem Abdruck der ep. [Aug.] Harnack schatzt Poss. Biographie ,als die 

ad sor. von Mo mbri tins erwahnt; Falschung reinste und zuverlassigste, die wir aus dem 

ist anzunehmen). Ein Sohn war auBer Augustin kirchlichen Altertum besitzen*, ein. An diesem 

bei ihrem Tode in Ostia zugegen conf. IX 11, 27, Punkte hat er sie tiberschatzt, denn er wird durch 

wohl derselbe, der beat. v. 1, 6; ord. I 2, 5 Na- folgende Stellen der Confessiones klar wider- 

mgius genannt wird. Ihr groSer Sohn ist Augu- legt: I 11, 17. II 3, 6. IX 9, 19. 22. 13, 37. An 

stinus, der ihr als sie 22/23 Jahre aJt war, ge- der zuerst genannten wird tota domus, einschlieB- 

boren wurde. Wenn das Heiratsalter M.s richtig 40 lioh des noch nicht getauften Catechumenen 

erschlos-sen ist, erscheint es unwahrsoheinlich, Augustin, dem pater solus, qui tamen non evieit 

daB er, wie vielfach angenommen wird, der alteste in me ius maternae pietatis, quominus in Chri- 

war. M. lieB ihn gleich unter die Catechumenen stum crederem, sicut ille nondum erediderat, 

aufnehmen, lehrte ihni die Anfange des Chriisten- entgegengestellt. Nach H 3, 6 ist Patricius erst 

tums und wollte ihn, als er einst von akuten 369/70 catechumenus et hoe recens. Possidius' An- 

Krampfen befallen wurde, t^ufen lassen. Doch gabe erklart sich als summarische Kiirzung; 

der Knabe wurde bald gesund, und es unterblieb Harnack 14 bemerkt selber den kursorischen 

(conf. I 11, 17. Ill 4, 8). Es besteht kein Grund Charakter der Kap. 1—5 der Vita, 

zu der Annahme, hier sei ein Einspruch des Pa- Im J. 370/71, bald nach seinem tJbertritt zum 

tricius maBgebend gewesen. Dies erwagt L. Bert- 50 Christentum, starb Patricius. M. gelang es, auch 

rand St. Augustin, Kev. des deux mondes XIV weiterhin die Mittel zum Studium ihres Sohnes 

(1913) 506; er verlegt das Ereignis in die Zeiten aufzubringen (conf. Ill 4, 7). Augustins tJber- 

des lulianus Apostata, wo es vielleicht nicht op- gang zu den Maniohaeem war dann der Grund, 

portun erschienen sei, sich zur besiegten Partei daB sie es zeitweiise zu einem Bruch mit ihm 

2u bekennen. Jedoch lulian ftihrte den Grund- kommen lieB (conf. Ill 11, 19), was vermutlich 

satz vollster Glaubensfreihei/t durch (s. Bd. X in die kurze Zeit der Lehrtatigkeit Augustins in 

S. 48), und wie J. Norregaard Augustins Tagaste um 375 f allt. Das einfachere Gemiit 

Bekehrung, Tiib. 1923, 23, 3 einwendet, Augustin M..s (s. u.) hat sich wohl dadurch vor der ischarfen 

hatte den Aufschub dann schwerlich der Mutter rationalen Kritik Augustins am katholischen Chri- 

zugeschoben. M. und Patricius erkannten die un- 60 stentum schiitzen wollen (conf. Ill 12, 21 non- 

gewohnliche Begabung dieses Sohnes (conf. I 16, nullis quaestiunculis iam multos imperitos exa- 

26 bonae spei puer) und setzten ihren Ehrgeiz gitassem, sicut ilia indieaverat, vgl. 11, 20. Holl 

darein, ihm trotz ihrer sparlichen Mittel eine Aug. iiinere Entwicklung [Abh. Akad. Berl. 1922 

sorgfaltige Ausbildung zu geben. Dabei glaub- nr. 4] 5f.). Of ter versuchte sie hochmogendeLeute 

ten sie beide, ihm die Freiheit des Auslebens zu- zu veranlassen, EinfluB auf ihren Sohn im ka- 

billigen zu miissen (conf. II 2, 4. 3, 5. 8. Poss, tholischen Sinne zu nehmen, wobei sie einmal 

vit. Aug. 1). Indessen sah M. im Gegensatz zu von einem Bischof (von Antigonus, der 348 fiir 

ihrem Manne auch Gefahren in der Art ihres die Nachbarstadt Madaura [s. d.] erwahnt wird, 



527 Monnica Monnica 528 

wie P a p i n i Der hi. Augustin, iibertr. v. Stefan dieser Stelle die gleiobe rigorose Auffassung von 
Berlin 1930, 66. 330 Mr nieht unwahrscheinlich praktisoher christlicher Sittlichkeit. Man hat 
halt?) jene Antwort erhielt: ita vivas fieri non einen Widerspruch in der hier zutage tretenden 
potest^ ut Hlius istarum lacrimarum pereat (conf. Strenge und dem ex mlentio erschlossenen wider- 
Ill 12, 21). Das Verhaltnis zu Augustin blieb spruchslosen Hinnehmen des Concubinates in 
auch nach der durch einen Traum M.s herbei- friiheren Zeiten geseheni und idaher anidere Griinde 
geftihrten auBerlichen Versohnung, wie es scheint, ausfindig zu machen geisueht, namlich materielles 
kiihl. Augustin ging, ohne seinen nachsten An- Interesse an der Sieherung des Lebensunterhaltes 
gehorigen von seinem Vorhaben etwas zu sagen, durch eine reiehe Mitgift u. dgl. (u. a. S c h a f e r 
nach Carthago (Aug. c. Acad. II 2, 3). M. scheint 10 43f. 60f.), Diese sind gewiB nicht ganz von der 
ihm gefolgt zu sein. Denn mit alien Mitteln ver- Hand zu weisen, aber M.s oben angeftihrte Mah- 
sucht siie 383 wohl in Carthago die Abreise ihres nung an den jungen Sohn (conf. II 3, 6 — 7) zeigt 
Sohnes nach Rom zu verhindem oder ihn zu be- deutlich ischon damals (ca. 370) eine etwas hohere 
gleiten ^- amabat enim secum praesentiam meam Bewertung der rechtmafiigen Ehe. Das mu6 nach 
more matrum, sed multis multo amplius, sagt der Auffassung der Zeit durchaus nicht die aus- 
Augustin — doeh dieser entzog sich dem ihm driickMehe Verdammung des Coneubinats be- 
lastigen Drangen durch eine Tausehung und fuhr dingen (ilber die schwankende SteHung des Chri 
nachts ab, wahrend M. in einer Kapelle am Hafen stentums zum Concubinat s. Bd. IV S. 837f. und 
sehlief (conf. V 8, 15). Danaeh blieb sie langere z. B. HoU 11. Scliafer 611), wenn fiir M. 
Zeit ohne Nachrioht von ihm (conf. V 9, 16 e^20auoh kein Zweifel dariiber bestehen konnte, was 
hoe [Aug. Krankheit in Rom] ilia nesciehat). So fiir das personliche Leben des Christen als das 
fuhr sie schlieBlich dem iSbhne, der 384 nach VerdienstvoUere anzusehen war. Abgesehen hier- 
Mailand gegangen war, nach (in Begleitung der von empfiehlt aber der Widerstreit von Planen 
Concubine Ausrustins und deren Sohn Adeodatus und Stimmungen, den die Confessiones fiir diese 
[Schafer 45]? Diese wie andere Vermutungen, Zeit zeigen, an eine Vielheit von Motive© bei 
mit denen man das Dunkel, in dem Augustin die alien Beteiligten zu denken. So mag z. B. auch 
Gefahrtin dieser Jahre gelassen hat, zu lichten M.s alter Bhrgeiz, den Sohn in angesehener 
sucht, entbehren jeder sicheren Grundlage). Stellung zu sehen, mitgespielt haben. Ehrgeiz 
Einige (so W. T h i m m e Aug. geistige Entwiek- war es jedenfalls auch — neben materiellen Er- 
lung, Berl. 1908, 26, 2) mochten diese Reise auch 30 wagungen — , der Augustin den Abschied von der 
mit materiellen Sorgen begrtinden. Man kann Concubine und die Verlobung nahelegte (u. a. 
daran erinnem, da6 die Lasten der Curialen nach Norregaard 59. H. Becker Augustin, Lpz. 
dem Tode auf die Erben iibergingen. In Mailand 1908, 60). Entscheidenid waren schlieBlich die 
fand M. Augustin auf dem Wege zum katho- Vorstellungen der Umgebung (zweimal insta- 
lischen Christentum. Sie lernte Ambrosius ken- batur), zum ersten Male und in besonderem Grade 
nen (conf. VI 1, 1), und aus dieser Bekanntschaft auch die M.s (vgl. Alfarie 365f., der im 
entwickelte sieh eine von gegenseitiger groBter iibrigen jedoch die Bedeutung von M.s EinfluB 
Wertschatzung getragene Beziehung, als Ambro- fiir Augustin iiberschatzt). Aber eine befriedi- 
sius ihren frommen Lebenswandel sah (conf. VI digende Losung erreichte M. damit nicht (conf. 
2, 2). M.s christlicher Glaube war unerschiitter- 40 VI 15, 25). 

lich und verf ehlte nieht den Eindruck auf Augustin Im Sommer 386 sah M. die Bekehrung ihres 

und andere (conf. Ill 11, 20. VI 1, 1; beat. v. 4, 27; Sohnes, die zu ihrer Freude (conf. IX 10, 26) zur 

Traumvisionen conf. Ill 11, 19. V 9, 17. VI 1, 1. Entsagung vom weltlichen Leben fiihrte (conf. 

13, 23 Unterscheidung inter revelantem te VETI 12, 30). Im Herbst begleitete sie Augustin 
[Deum] et animam suam somniantem). Ebenso und seinen Kreis auf das Landgut Cassiciacum 
unbedingt gehorcht^ sie den auBeren Forderungen (conf. IX 4, 8). Neben der Besorgung des Haus- 
der Kircbe, so wie sie sie in Africa kennengelemt haltes (c. Aead. 11 5, 13) findet sie Zeit, an den 
hatte, und war davon etwas preiszugeben nur der Lesegemeimschaften (ord. I 11, 31: maiores nostri 
Autoritat des Ambrosius gegenuber bereit. So quorum libros tibi [M.] nobis legentibus notos 
nahm sie auch manohe AuBerlichkeit aUzu emst 50 esse video; keineswegs etwa nur heilige Schriften) 
(vgl. conf. V 9, 17. IX 7, 15. VI 2, 2. ep. 36, und Diskussionen der Gesellschaft teilzunehmen. 

14, 32 = 54, 2, 3 das humorvolle Intermezzo Besonders stark ist sie beteiHgt in dem Gesprach 
ord. I 8, 22; zur Beurteilung Gudeman 20, de beata vita. Wohl vermag sie der Kasuistik 
Philippson 147, 1. M.s Ansicht beat. v. 3, ihres Sohnes nicht gleich zu folgen (3, 19, vgl. 
19 [Deum] qui bene vivunt habent propitium, auch 3, 21 si hoc poscit ratio, non possum ne- 
qui male infestum), Vielleicht kann dieser Zug gare)^ aber ohnedies findet sie immer wieder mit 
im Wesen M.s, der sich iibereinstimmend aus ,glaubiger Intuition* treffsieher das rechte ab- 
Confessiones und Fruhschriften ergibt, dazu bei- schlieBende oder weiterfiihrende Wort (2, 8. 10. 
tragen, eine letzthin viel behandelte Stelle im 11. 16. 4, 27. 35. T hi mm e 64). Bei denschwie- 
Leben M.s und Augustins auf^uhellen. M. unter- 60 rigen Dialogen de ordine ist sie zeitweise zu- 
stiitzt in Mailand eifrig die Bestrebungen, die gegen (vgl. I 11, 31), beschrankt sich aber bis 
Augustin von seinem monogamisehen Concubinat, auf II 7, 22f. auf das Zuhoren. Anfang 387 
das otfensichtlich nicht ohne tiefere Zuneigung (0 h 1 ni a n n 25f. mit Lit. Thimme 6ff.) kehren 
jahrelang bestanden hatte, losen und zu einer alle zur Taufe Augustins nach Mailand zuriick 
rechtsgiiltigen Ehe mit einer standesgemaBen (conf. IX 6, 14). Zusammen mit ihren beiden 
Frau bringen woUten: maxime matre dante Sohnen Augustin und Navigius, Adeodatus und 
operam quo me iam coniugatum baptismus salu- gleichgesinnten Schtilern und Freunden Augustins 
taris ablueret (conf. VI 13, 23). Wir erkennen an trat sie im Spatsommer 387 die Riickreise nach 



529 Monobolon Morgetes 530 

Africa iiber Ostia an. t^ber M.s sorgendes Wir- Text des Nomokanon wie der lateinischen Version 

ken in diesem Kreise nach der Taufe conf . IX 9, iiberlieferten Lesart pcovdof^ovo^oXov ausgehend hat 

22 a. E. Am Gartenfenster des Gasthauses Lamer 1988 beides zn den Wiirfelspielen ge- 

apud Ostia Tiberina (die Stadt Ostia [s. d.] da- stellt. Condomonoholon ist ein Spiel mit ttovdoi = 

mals sclion im Zustand des Verfalls) hatte sie dotQayaXot (dazu Man Bd. II S. 1793. Deubner 

14 Tage vor ilirem Tode allein mit Augustin ein Arch. Anz. 1929, 272ff.). Unter m. kann man dann 

Gesprach tiber den Anf stieg zum Ewigen, das ein Spiel mit xvfioi vermuten. Ich verweise daranf, 

naeh dem Inhalt und der Form, in die es der daB alle von Lamer 1945. 1948ff. angeftihrten 

augnstinische Berieht kleidet, von starkstem Namen von Wiirfen, die den Bestandteil -^oXog 
Eindruck ist (zuletzt dariiber W. T h e i 1 e r Por- 10 enthalten {a^oXa, dvafioXog, sv^oXog, TcaXXi^oXog), der 

phyrios u. Aug., Schr. Konigsb. Gel. Ges. X 1 p^vj^^/a angehOren. Bel dem problematisch en Versuch 

[1933] 66f.). Fiinf Tage danach ergriff sie das einer naheren Bestimmung des m. ist auszugehen 

todliche Fieber (conl IX 10, 23 — 27). tlber den von den bei Lamer 1940. 1945f.besprochenenBe- 

Gedanken, fern der Heimat sterben zu miissen deutungen von poXog. Verwendung nur eines 

und nicht in dem Grabe, das sie sich einst neben Wtirfels oder gar Astragals kommt nicht in Frage 

ihrem Manne bereitet hatte, liegen zu konnen, (ebd. 1942f.). M, mOchte ich daher als ein Spiel 

war sie erhaben (conf. IX 11, 27f. 12, 36). So verstehen, das aus je einem Wurf jedes Spielers 

wurde sie unter Anteilnahme vieler Christen in besteht (tiber Gewinnchancen bei Wiirfei und 

Ostia beerdigt (conf. IX 12, 32). — Das Yerhalt- Astragal Lamer 1942). Es war dann wohl nur 
nis zwischen M. und Augustin wurde ' seit dem Zu- 20 mOglich, TiXsiaxo^oXivda zu spielen, jedenfalls 

sammentreffen in Mailand immer inniger (vgl. nicht in der Art wie bei Suet. Aug. 71 (I^amer 

beat. V. 1, 6; conf. IX 12, 30; cur. pro mort. ger. 13, 1956), wo horrende Summen auflaufen konnten. 

16). Wir konnen ord. II 1, 1, 17, 45 noch beob- Das war es, was lustinian wohl eigentlich ver- 

achten, wie der bildungsstolzo Rhetor mit deut- hindern wollte. [W. Hartke.] 

liehem Erstaunen in der einfaehen christlichen Mons. Miller Itin. Eom. 938. Das eastrum, 

Frau Werte entdeckt, die seine muhsam errungene von dem Reste erhalten sind, bildete ein Paral- 

Bildung und Philosophie wettmachen konnen lelogramm von 45 und 40 ni Seitenlange. Ge- 

(ord. II 20, 52 und besonders I 11, 32, dazu naue Beschreibung bei Tissot G^ogr. de la 

Norregaard 87). AJIerdings behalt er in den prov. Rom. de TAfrique II 404. 410. Neben den 
Frtihschriften ihr gegeniLber das sichere Gefiihl 30 Lagerresten sind noch Spuren von zwei groBen 

der Uberlegenheit, die spater in den Confessiones Gebauden erkennbar. Numidischer Bischofssitz. 

nur noch selten zum Ausdruck kommt. Toulotte G^ogr. de TAfrique chretienne. Mon- 

Es sind drei Distichen mit der tJberschrift treuil 1892. Heute Kasbait. [Windberg.] 

versus inlustrissime memorie Bassi ex consul, e. Moo (Mcoco) scheint eine kyprische Gottheit 

scripti in tumulo Monnicae iiberliefert (Anth. gewesen zu sein, wenn Neubauer Comm. phiL 

Lat. 670 R.). Piper Ztschr. f. Kirch. Gesch. in hon. Momms. 688, 32 die Namen auf einem 

I 1877, 228f. B. de Rossi Inscr. christ. II 1 Weihrelief von Kypros mit Schlange und Delphin 

(1886) 252 vermuten den Anicius Bassus cos. 408 richtig gelesen hat als Mavrj, Mcoco, Hrj'&i, Ocod 

als Verfasser (Seeck Bd. I S. 2200 Nr. 31; (s. Mor. Schmidt, Samml. Kypr. Inschr. in 
Zweifel scheint W i s s o w a Bd. IE S. 109 Nr. 32 40 epichor. Schrift, Jena 1876, XIV 1). ^ 
zu haben). Als Abfassungszeit nimmt de Rossi [Preisendanz.] 

mit Beziehung auf v. 3 (Aug.) sermns pads Mopti, (Miller Itin. Rom. 890. 910. 944) 

caelestia iura die Zeit naeh der Donatistendispu- lag in der Chaine des Babor im zerklufteten 

tation 411 und vor den pelagianisehen Streitig- Tell-Gebirge, etwa 50 km von der Mittelmeer- 

keiten an, in die Augustin 412 eingriff. kiiste entfernt, zwischen Igilgili (Djedjelli) und 

[W. Hartk^,] Sitifis. Es ist an der durch verschiedene Kastelle 

Monobolon oder -os heifit das erste der fiinf gesicherten StraBe Sitifiis— Castellum Victoriae 

durch Cod. lust. Ill 43, 1,4 erlaubten Gliicks- wohl als geschlossene Siedlung angelegt. Cag- 

spiele, das nur hier erwahnt wird. Als zweites nat L'armee Rom. d'Afrique (Paris 1912) II 
folgt, ebenfalls nur hier erwahnt, co72c?omowo- 50 631. Marquardt-Mommsen ROm. Staatsaltert. 

bolon (-os). Die Bedeutung dieser Termini geriet 176—178. Toutain Les cites Rom. de la Tu- 

in Vergessenheit, und so wurden im Mittelalter nisie (Paris 1896) 324. Bischefe werden genannt 

vieleVersuche gemacht, sie zu erklaren, wobei in den J. 411, 419, 484. Toulotte G^ogr. de 

man sich den Weg durch die Aenderung in eon- TAfrique chretienne Montreuil. 1892. Altes puni- 

tomonoholon verbaute. Gemeinsam ist diesen Ver- sches Einflufigebiet, jedoch bisher ohne punische 

suchen, die C. F. Gliick Ausf. Erlauter. d. Pan- Funde. Meltzer-Kahrstedt Gesch. d. Kart- 

decten XI (Erlang. 1809) 326 verzeichnet (wert- hager III 1913. Heute El Uarcha. [Windberg.] 
los die von Lamer Bd. XIII S. 1989 hierzu Morgetes (MoQyrjxsg)^ einer der altesten 

zitierte altere Lit.), daB sie in ihm ein korper- Volksstamme, die man im auBersten Stiden Ita- 
liches Geschicklichkeitsspiel suchen, well wir mehr- 60 liens und in Sizilien unterschied. Er war ganz- 

fach von Verboten des Gliicksspiels mit Wiirfeln lich in Dunkel gehiillt, bis die von Grabungen 

hOren (Hartmann Bd. I S. 1359. Lamer unterstutzten Untersuohungen des Unterzeich- 

1910f.). Die Ansicht von Cujacius contomono- neten die Aufmerksamkeit auf ihn lenkten: Klio 

holon sei ein Sprung mit Stange, m. also ein XXI 288ff.; Molfetta u. Matera (1924) 1 u. 286ff. 

Sprung ohne Stange, ist dann iibernommen worden ApuHen 10. 16. 330. 391. 397. Eine groBere An- 

bei Daremb.-Sagl. I 2, 1485. Ill 2, 1991. Dort zahl von Ortsnamen in Sizilien, dort spezieU an 

werden fiir den Stabsprung auch Abbildungen der Osthalfte, und in Unteritalien tragt ihren 

beigebracht. Von der richtigen im griechischen Namen, manchmal mit geringen Modifikationen. 



531 Morgetes Morgetes 532 

Auf dem Festlande beherrscht der mythische K6- Fundstatte, bei Molfetta,, von altersher der Name 

nig Morges das ganze (Sikulerland, worunter Morigini (Morea Chartularium Cupersanense 

aufier der Insel Sikania Siid-Campanien, Calabrien [Monte Cassino 1892] 24), wie dies schon von 

Tind zum Teil Lukanien, also der grofite Teil Anfang an von meiner Seite betont wurde (Le 

Stiditaliens zu verstehen ist. Sein Reich deekt staz. 195; Matera u. MoK. 287). MoQylvoi nnd 

sich, was den Kontinent betrifft (Antioch. v. Sy- seine Wortgruppe (vgl. Klio XXI 296) steht neben 

rakus bei Dion. Hal. I 22. Strab. VI 257. 270), MoQyrjrsg wie an der klein-asiatischen West- 

mit dem was man anf anglich Italien nannte, d. h. kiiste FaQylvoi neben FaQyi'd'eg, wie Aminaer (s. u.) 

mit Tarent als Grenze und mit AusschluB des neben Amitas, dem FluBnamen, wie Teanum 
bereits den lUyriern verfallenen lapygerlandes 10 neben Teate (K r a h e Ztschr. f. Ortsnamen-For- 

(Klio 302ff. Apulien 330), dessen Tradition anf schnng Vni 158). Zn dem S der Gergithen vgl. 

diese Weise teilwels verlorenging. Die Abfolge "Onlrjd'eg Art. Miletos Bd. XV S. 1589, 25, 

mit Italos geklart Klio 303. Eine Notiz, die welches in meinen friiheren Publikationen noch 

moglicbenfalls auf den dort reisenden Archilochos, nicht geltend gemacht werden konnte. 

den Bewunderer der Siris-Landschaft, zurtickgeht Erst eine zweite Frage, um die unzweifel- 

(s. Art. Metapontnm Bd. XV S. 1355, 5), haften Zusammenhange zwischen Insel- und Fest- 

verkniipft den Morges genealogiseh mit der Siris, landkultur zu beleuchten, konnte sich darum 

andererseits mit dem westlichen Calabrien; doeh drehen, in weloher Richtung sich der ganze Pro- 

konnte dieses Zweite auch Zusatz der achaischen zeB bewegte habe, ob nach der Insel zu oder von 
Sirisleute sein. 20 da hinweg. Anfangs konnte man den Ursprung 

Mit diesen Nachrichten begegnen sich in be- in Sizilien suchen, weniger aus inneren Griinden 

merkenswerter Weise die archaologischen Ergeb- als dem Hintergedanken zuliebe, welcher die Ver- 

nistse in Ost und West. Nur da6 hier Apulien bindung sizilischer Urbevolkerungen mit Iberern 

mit eingesehlossen ist, wie es dem alten, auch und Nordafrika nicht aufgeben mochte. Indem 

hier herrschenden Sikulemamen entspricht; eine man heute die Urbewohner, speziell die Sikaner 

Tradition, die nicht sof ort mit dem ersten Ein- des Westens, wovon die Insel notoriseh ihren alte- 

bruch der lUyrier um 1000 v. Chr. erloschen sten Namen hat, ganzlich auf sich beruhen laBt, 

konnte, Hom. Od. XX 383. XXIV 210. 366. 389. kann man auf Grund des jetzigen Fundbestandes 

V. D u h n und H e r bi g nach Mayer, Hel- und der in der Klio a. 0. hervorgehobenen geo- 
big, Perrot; vgl. Niese 218, 3, s. Ma- 30 graphischen Tatsaehen konstatieren, daB die 

tera u. Molfetta 275; Apulien 330; Le stazioni durchdenMorgeten-Namen— wareesvorlaufigauch 

preistoriche di Molf. (1904) 132. Die Anlage der nur als Exponenten — gekennzeichnete Bewegung 

anfangs runden, dann viereckigen Hutten, die sich nicht am Garganos totiauft, sondem dort 

der Graber inmitten der bewohnten neolithischen vielmehr einsetzt (alles Nahere s. in dem Bnche 

Statten, Steinsetzungen aus ziemlich groBen M. M. Illf .), daB sie genauer auf den kleinen Inseln 

Blocken, im GrundriB analog der Abfolge der zwischen beiden Adria-Kiisten, den Tremiten, die 

Hiitten; ferner die Keramik mit ihrer ziemlich Briicke zum tJbergang fand, auf der dann am 

primitiv beginnenden, spater charakteristischen Anfang der Eisenzeit auch die lUyrier heriiber- 

und reichern Ritzmusterung, wozu sich mit der gekommen sind: Molfetta und Matera 289. Von 
Zeit die brillant bemalte, feine Keramik balka 40 Apulien wiederum weisen andere Momente nach 

nischen, zuletzt wesentlich thessalischen Charak- dem Osten hin, wobei sogleich der Fiktion wider- 

ters gesellt: diese Phanomene, nicht eines oder sprochen sein mag, als ob jemals von seiten des 

das andere, sondern gewohnlich alle zusammen Unterzeiehneten oder Anderer fiir diese neoli- 

kehren vom Garganos bis nach Tarent herunter thische Urbevolkerung selber Illyrien als Heimat 

wieder — Anfange schon auf den Tremiten (Dio- hypothetisch angenommen worden sei. Mon. d. 

medes-Inseln) — und ebenso an der Ostkuste Line. XXXI 367 (vgl. Klio XXV 381, 4). 

Siziliens, wahrend Kalabrien bis jetzt noch aus- Was nach dem nahen Osten, den nordlichen 

steht, als ob eine See-Verbindung mit Umgehung Balkanlandern (man vermeide den Namen Grie- 

dieser Landschaft bestanden hatte — ; doch kon- chenland) hinweist, ist vor Allem der aus Ari- 
nen, meint r s i (unten), iiberraschende Funde 50 stoteles und Hesych hervorgehende Umstand, daB 

mit der Zeit immer noch kommen. Immer ist die die Aminaer, ein thessalischer .Sitarnm, ganz 

Lage nahe der Meereskiiste im Gegensatz zu den oder teilweise nach Mittelapulien, der spateren 

bergliobenden Insel-Sikulem der Bronzezeit. Ma- Peuketia wanderten; nahezu richtig N i s s e n It. 

tera bildet das unmittelbare Riicken- um nicht zu Ldk. II 691, 1 und Pais Italia ant. II 34, von 

sagen Hinterland zu Tarent und der noch schwach Neueren der Sachverhalt mannigfach entstellt. 

besiedelten Metapontinerkuste. Eine gemein- Ganz ersichtlich gehort dazu, nach den obigen 

same Bezeiehnung fiir diese ganze Sltatianenreihe Beobaehtungen, der mittel-apulische FluBname 

hat nach meinem Vorgang r s i vorgeschlagen Amitas oder Ammitas, der nach Makedonien und 

und dafiir zunachst im Namen der Presiculi oder dem Bottiaerlande zuriickweist; liber die Lesart 
Proto-Sikuler nach meiner ersten Publikation Le 60 s. Apulien 350; verdruckt Philipp Bd. IX 

stazioni preistor. di M. (1904) akzeptiert, Bull. S. 740, 2, vgl. 745, 44. Auf den Mtinzen, viel- 

Paletn. 3^, 1903, 166, vgl. Mon. d. L. 27, 1921, leicht einem Mtinzverband mehrerer Achaerkolo- 

136. Damit wurde die ganze Gruppe unzweideutig nien in Kalabrien etwa nahe dem Siris-Gebiet (s. 

von den Sikulern erster bis vierter Periode (nach Pais), scheint diie Reminiszenz an die alten 

r s i s Einteilung) geschieden. Aber ein bestimm- Aminaer eine Verschiebung nach Westen zu er- 

tererSammelnamewar bereits anderweitig gegeben leben. 

und brauohte nur ergriffen zu werden. Nicht zu- Die tTberlieferung der vorbezeichneten beiden 

fallig haftet an der wichtigsten friihapulisohen Quellen laBt deutlich erkenn^en, daB der Aminaer- 



533 Moria Moses Chorenafi 534 

Wein Italions nach einer bestimmten Volker- Juda(Gunkel: Jeru'el2. Chroii.20, 16)istscliwer- 

sohaft benannt war. Ganz Ahnliches gilt ftir das lich zu denken, da dies Gebiet auBerhalb des Hori- 

seltsame ^oQyiov, ebenfalls die Bezeiehnimg ge- zontes des (elohistischen) Sagenerzahlers liegt, und 

wisser Weinsorten (an der Lesart nichts zu korri- nocb weniger an Jerusalem, welches in der alten 

gieren!). Nur da6 wir in diesemFall nicht in den israelitischen Sageniiberlieferung tiberbaupt keine 

Balkanlandem stehenbleiben konnen, sondem nach Eolle spielt und dessen Berg auch nicht von weitem 

dem westlichen Klein -Asien gewiesen werden, den sichtbar ist (Gen. 22, 4). Anders der weithin sicht- 

Heimatlandern der Rebe tiberbaupt. Da im Phry- bare Garizira. Die Entfernung von drei Tagen (22, 

gischen y und d wechsieln, so zieht zunaohst M or- 4) ist fur eine Reise von Beersaba nach Sichem 
diaion die Blioke auf sich. Ferner: Wer die 10 nicht unpassend. Der Name des Berges, der 22, 14 

Nachbarschaft der Elymer und deren Gleichheit urspriinglich deutlich genannt gewesen sein mu6, 

mit denen von Makedonien und besonders Sizilien, ist um der Deuturjg auf Jerusalem willen absicht- 

wo auch die Ortsnamen wiederkehren, nicht gel- lich verdunkelt (vgl. den im elohistischen Texte 

ten laBt — vgl. aber die Karte zu Klio 1927 — hier auf fallenden Gottesnamen Jahwe) und enthielt 

der wird sich doch dem Gewicht der Tatsache offenbar eine Beziehung auf den Garizim als Berg 

nicht entziehen konnen, da6 wir wiederum, der ,Schauung' des Gottes (vgL dazu auch 22, 8 und 

gleichwie in Siiditalien und Sizilien, in den Kreis 12,7). Seit Stade haben viele Forscher an denNa- 

eines Morges oder Morgos geraten. Denn der In- men des ,Baumes More' bei Sichem (Gen.l2, 6 ; lud. 

haber der Idaischen Hohk auf Kreta und ihres 7, 1) erinnert, an den M. anklingt. fHolscher.] 
Geheimkultus hieJB in vorhistorisehen Zeiten teils 20 Moschenl nach Plin. n. h. VI 28 ein Volks- 

Morgos, teils Arkesios und gelangte hierher von stamm an der Grenze zwischen Armenien und 

Kleinasiens Siidwestecke auf dem Wege liber Ear- Adiabene, wohl zusammenzustellen mit den Mo- 

pathos (mit Demos Arkesia und der Ortschaft Ar- ooxrjvol Joseph, ant. I 6, 1, Gen. Meoxv'^cbv Zo- 

kesine) und A-morgos (mit dem oft bemerkten nar. I 5. Josephus sagt liber sie: Moaoxrjvol ds 

Vorschlags-a); Klio XXI 300; Myth. Lex. Ill 53 Iff. vjio Moaoxov ^tio'&svrsg Kannadoxat, /Liev aQti 

V 1010. Den Morgeten scheinen also auf dem HSKXrivxai, jfj; ds aQxaiag avtcov jzQoariyoQiag 

Wege nach Apulien die Aminaer, etwa die Trager orjfieiov dsl^vvxai • nohg ycnQ eon uiaQ amdig sti 

der brillanten bemalten Keramik, gefolgt zu sein tcoI vvv MdC«««, dyjXovo'x xoig ovvisvai Svva/Lisvoig 

und mit der Bezeichnung der Rebe als ^oQyiov ovtco Tioxh TzgooayoQevd-ev ndv x6 s'&vog (ebenso, 
nach den fernen Quellgebieten dieser neuen 30jedoch kiirzer [ohne Erwahnung von MdCa?<a] 

Kultur zuriickgedeutet zu haben. Zonaras). Vgl. ferner Art. Mooxot, 

Literatur, auBer T ii m p e 1 Myth. Lex. Anstatt einen Zusammenhang zwischen den bei 

II 3210. Or si BuU. Pal. 1927, 199f. G. Her- Plin. n. h. VI 28 genannten Moscheni mit den 

big ReaUex. d. Vorgesch. Xn 158. v. Duhn Moaox^vol bei Joseph, ant. I 6, 1 (bzw. [im Gen.] 

DLZ 1924, 1995, riohtiger als It. Graberkunde I Meax^vcbv Zonar. I 5) anzunehmen, wird man 

39; ders. in Vorgesch. Jahrb. I 1926, 95. Real- moglicherweise eher die Moscheni des Plinius zur 

lex. d. Vorg. VIII 276. M e n g h i n Wien. Pra- Landschaft Moxoene zu stellen haben (S c h a - 

hist. Ztschr. 1928, 60. S. Reinach Rev. arch. chermeyr Bd. XVI S. 409. Montzka Die 

1925, I 196. Childe Journ. heU. stud. 1925, Landschaften GroBarmeniens bei griech. und rom. 
167. W. Gaerte Mannus 1925, 385f. Schacher- 40 Schriftstellern II 6), wahrend die kappadokischen 

m e y e r Klio XXV 256ff, A. van Gennep Moooxyjvoi (Msoxrjvol) wohl mit den in den assy- 

Mercure de France 1925, 491. VanfreyLa rischen Inschriften genannten Muski und weiter 

geographie XLIII 411. [Maximilian Mayer.] mit den Mooxoi (Msoxoi) (s. zu diesen Herr- 

Moria. Der Berg M. (hebr.: har hammdrijjct. mann o. Bd. XVI S. 351f.) zu kombinieren sind, 

LXX: oQog xov 'AfA,oQsid, Vulg.: mons Moria), auf wobei es belanglos bleibt, ob der Name der Stadt 

dem Salomo den Tempel baute (2. Chron. 3, 1). MdCapia auf den Namen der Moooxrjvoi (oder der 

Der Name kommt sonst nur noch im hebraischen Mooxor. Herrmann Bd. XVI S. 351) tatsach- 

Texte von Gen. 22, 2 vor, wo vom ,Lande M* die lich zuriickgeht oder nicht. [J. Sturm.] 

Rede ist. Da hier ein Land genannt sein muBte, Moses Chorena^i, armenischer Geschiehts- 
kann dieser Text nicht der ursprtingliche sein. 50 schreiber. Zur Biographic M. haben wir in seiner 

Wahrscheinlich hat, wie noch der Syrer gelesen ,Geschichte Armeniens* folgende Ziige: in der 

hat, urspriinglich , Land des Emoriters' Cams 7ia' a- tlberschrift 1, 1 wird der Geschichtsschreiber 

morl) dagestanden. Schon Josephus (antiq. lud. ,M o s e s' und der Herkunft nach Chorena^i' 

I 224: to McoQiov oQog) las ahnlich wie der MT, genannt. Letzteres laBt als Geburts- oder Aufent- 

wahrend LXX iibersetzten: elg trjv yrfv trjv viprjXi^v, haltsort C h o r e n bzw. C h o r e a n voraussetzen, 

Die masoretische Lesung will die Opferung Isaaks anderwarts unbekannt. Aller Wahrscheinlichkeit 

nachJerusalemauf denTempelbergverlegen; eben- nach gehorte M. dem Priesterstand an: er war 

so das Onkelostargam und der Araber, welche aus der Schule des hi. Mesrop (Masto?). Nach 

jLand der Verehrung' tibersetzen. Aquila iiber- der ephesinischen Synode wurde er nach Alexan- 
setzt: xaxacpavfj. Andere Ubersetzer deuten ,Land60dria gesandt, um sich dort den griechischen Stu- 

der Vision* (drds hammaf'd\ Symm. xfjg dmaoiag, dien zu widmen (3, 61). Der Reiseweg ging iiber 

Vulg.: visionis, das samaritanische Targum: ha- Edessa — hier besichtigte er gelegentlich das 

zlta). Die samaritanische Tradition sieht den ,Berg Staatsarchiv (2, 10) — und Jerusalem. Nach Be- 

des Schauens', in dem Berg Garizim bei Sichem endigung der Studien besuchte er Rom, Athen 

und verlegt bis heute die Szene von Gen. 22 hier- und Konstantinopel (3, 62). Als er heimkehrte, 

her (ZDPV VI 198. VIl 132f.). Vermutlich spielt waren die Meister, der Katholikos Sahak und der 

die Sage von Isaaks Opferung urspriiglich wirk- Wardabet Mesrop, schon gestorben (3, 68). Hier 

lich hier. Denn an eine Kultstatte in der Wtiste verlieren wir die Spuren seines Lebensweges. 



535 Moses Chorenaji Moses Chorenafi 536 

M. war, schon im vorgeriickten Alter, von altarmenischer tFbersetzung. Da M. beide Quellen 

Krankheiten bedriickt und doeh stets mit XHhei- in armenischer tlbersetzung bentitzte und diese 

setzungen beschaftigt (3, 65), als ihm der Auftrag im J. 695 verfertigt sind, war somit einwandfrei 

des jungen Bagratidenftirsten Sahak zukam, in die Abfassungszeit nach dem J. 695 festgestellt. 

aller Eile eine Greschichte des armenischen Vol- G. Chalathian schob diesen Termin nm ein Jahr- 

kes zu schreiben (1, 1). Der Auftrag kam seiner hundert vorwarts, indem er unter M.' Quellen 

geistigen Veranlagung erwunscht, er legte die auch das Geschichtswerk des Priesters Leontius 

Hand an die Arbeit und brachte sie gliicklich zur (790) nachwies. Die Verhaltnisse zwischen M. und 

VoUendung. Leontius erorterte naher N. Akinian. 

Es nimmt uns wunder, dafi die folgenden fiinf 10 Die Ergebnisse der bisherigen Forschungen 

Jahrhunderte weder seine Person noch sein Ge- formuliere ich folgendermaBen: 

schichtswerk kennen. In der Literaturgeschichte 1. M. behandelt die Ereignisse des 5. Jhdts. 

ist von ihm erst bei Johannes Katholikos die Rede. wie ein Zeitfremder. 

Johannes benutzt in seinem, um 920 abgefaBten 2. Er verffigt liber eine Schriftsprache, die 

Geschichtswerke ,Moses Geschichte Armeniens', in erst gegen die Wende des 6. Jhdts. (nach 572) 

der Gestalt, wie sie uns erhalten ist. Sein jiingerer nach griechischem Muster geschmiedet, im Laufe 

Zeitgenosse Thomas Arcruni ist nicht nur mit der Jahrhunderte poliert, als Schriftsprache gait, 

dem Geschichtswerke gut vertraut, sondern weiB 3. Sein Geschichtswerk ist den Schriftstellern 

auch von M.' Lebensgang zu erzahlen. Nach ihm des 5. — 9. Jhdts. unbekannt geblieben. 

starb M. unter Kaiser Zeno, 120 Jahre alt (vgl. 20 4. M. benutzt Quellen, 'die ihren Ursprung in 

Paralip, 34, 7). Stephanos Asoiik (1004) kennt nachklassischer Zeit haben. Auffallend ist die 

ihn der Herkunft nach als aus Taraun und dem Kirchengeschichte des Sofcrates, die erst im J. 695 

Stande nach als Bischof von Bagrevand und ins Armenische iibersetzt wurde. 

Arsarunik'. Die apokryphe Disputatio contra 5. Die Sympathie fiir die Bagratiden und die 

Chalcedonenses laBt ihn in Konstantinopel unter Antipathic gegen die Mamikonier, die in seinem 

Markian in dogmatische Fragen eintreten und Geschichtswerke bemerkbar sind, konnen ihren 

Lob ernten. Grund erst nach dem J. 775 gehabt haben. 

Nicht nur die Angaben der Spateren, sondern 6. Es bestehen innere Beziehungen zwischen 

auch die des M. erwecken ernste Bedenken und M. und Leontius: Gleiche Weltanschauungen, 

Zweif el an der Glaubwiirdigkeit der Mittei- 30 gleiche Sympathien und Antipathien, gleiche 

lungen. Ortskenntnisse, gleiche Quellen, gleiche Aus- 

Als im J. 1736 die Gebriider Whiston das drucksweise usw. Beide sind Anhanger der Bagra- 

Geschichtswerk des M. und die ihm zugeschriebene tiden, beide haben ihre Gewahrsmanner aus der 

Geographic in lateinischer tlbersetzung der euro- Bagratidendynastie. Dies verweist auf die Identi- 

paischen Gelehrtenwelt zuganglich gemacht hat- tat beider Autoren. M. ist ein Pseudonym des 

ten, ermangelten ernste Forscher nicht, ihren Be- Leontius. 

denken iiber die Glaubwiirdigkeit des armenischen 7. Sahak, der junge Furst aus dem Hause der 

Historikers sowie iiber die Abfassungszeit seiner Bagratiden, der G^ewahrsmanu M.', ist aller Wahr- 

Werke Ausdruck zu verleihen. Die Versuche scheinlichkeit nach mit dem gleichnamigen Fiir- 
Tschamtschians, Saint-Martins und andrer, die40sten von Siidarmenien identisch, der um 810 den 

Widerspriiche zwischen M. und den auswartigen Mahdi niederschlug (Dion. Tell-Mahre bei Michel 

Historikern zu beseitigen, miBlangen. Angesichts le Syrien, Chronique 3, 52 — 53 ed. Chabot). 

der Unmoglichkeit, M. mit den abendlandischen zu 8. Als annahernde Abfassungszeit fiir das Ge- 

versohnen,schlug der gelehrte Wiener Mechtitharist schichtswerk ist das J. 820 anzunehmen. Nur bei 

J. Gathrdjian vor, die Geschichte der armenischen dieser Auffassung erhalt 1, 22 einen Sinn, indem 

Arsakiden nach den griechischen und lateinischen M. seinem Herzenswunsche Ausdruck gibt, daB 

Quellen wiederzugeben, ohne sich von M. beein- er, da er die Geschichte der glorreichen Konige 

flussen zu lassen, indem er bemerkte, daB es ihm Armeniens zu schreiben habe, eigentlich unter 

unmoglich sei, die Sonnenuhr nach der Dhr zu diesen Konigen auf die Welt hatte kommen soUen, 
richten, die er in der Tasche trage (1852). Es50jedoch gezwungen sei, jene Geschichte unter 

war dem deutschen Gelehrten A. v. Gutschmid be- fremdem Joch, fremden Konigen und schweren 

schieden, schonungs- und vorurteilslos in die Ge- Verhaltnissen zur VoUendung zu bringen. 

heimnisse des armenischen Historikers einzudrin- 9. Weil Fiirst Sahak seinen Sitz in Siid- 

gen (1876). Hinsichtlich der Glaubwiirdigkeit des armenien hatte und M. in seiner Geschichte dieses 

Historikers war sein Urteil vernichtend. In einer Siidarmenien in den Vordergrund riickt, die 

zweiten Arbeit (1883) beriihrte v. Gutschmid auch Hauptszenen der altesten Geschichte in dieser 

die Abfassungszeit des Geschichtswerkes'. Er unter- Gegend vorfiihrt und Alki als einen von den Vor- 

strich darin einige Stellen, die die Abfassungs- faln-en der Bagratiden auserwahlten Ort beson- 

zeit annahernd auf das 7. Jhdt. verwiesen. ders hervorhebt (2, 53), so konnen wir daraus 

Was V. Gutschmid aus historischen Grtinden 60 schlieBen, daB M. durch diese Schmeichelei seinem 

voraussetzte, das hat A. Carriere aus Quellen- Gewahrsmann huldigte und selbst dort zu 

studien bewiesen. M. hatte unter andern die vita Hause war. 

Silvestri und dieMalalas-Chronik(Bd. IXS. 1795) 10. DaB M. seinen Namen und seine Zeit 

vor Augen, die auf das 6. Jhdt. verwiesen. Die selbst verfalscht hat, scheint unwahrscheinlich zu 

Resultate des franzosischen Porschers gaben den sein. Einige Stellen seines Geschichtswerkes las- 

armenischen Gelehrten Anregung, der Sache naher sen vermuten, daB solche Absichten ihm fern- 

zu treten. M. Ter-Mowsissian veroSentlichte die lagen. Die Falschung lastet auf einem seiner Zeit- 

vita Silvestri und Sokrates' Kirchengeschichte in genossen,#^lnirznai3iseinemTodesichdaranwagte. 



537 Moses Chorenafi Moses Chorena9i 538 

11. Hier konnen wir zugleich die Frage stel- wie die Zeitgenossen, so bewunderte auch die 
len, ob er sein Werk zum Abschlufi gebracht habe Nachwelt den Geschichtschreiber ob seiner Ge- 
bzw. ob seine Arbeit in urspriinglicher Fassung lehrsamkeit. 

uns erhalten sei. Aus 1, 3. 3, 67 gelit liervor, daB Quell en. M. war fremder Sprachen unkun- 

<ler Verfasser vorhatte auf einige Fragen zuriick- dig. Alle Qnellen, die er beniitzte, fand er in 

zukommen. Da diese Versprechnngen unerfiillt ge- der einheimischen Literatur. Dem Historiker, der 

blieben sind, mtissen wir annehmen, daB die Ar- zum erstenmal versuchte, eine zusammenfassende 

beit entweder unvoUendet geblieben oder am Ende Geschichte seines Volkes zu schreiben, war es vor 

verstiimmelt ist. Die letztere Annahme scheint allem unentbehrlich, Quellen zu haben, die ihn 
wahrseheinlicher zu sein, weil das dritte Buch mit 10 zur Wiege seines Volkes fiihrten. Aus den Schrif- 

c. 67 unerwartet aufhort. Das darauf folgende ten seiner Vorganger konnte er nicht viel lernen. 

<!. 68 hat mit den vorangehenden keinen Zusam- Er war mehr auf personliche Erkundigungen bei 

menhang. Leuten der alteren Generation und auf direkten 

12. Der Epilog, der als c. 68 dem Werke an- Besuch des historischen Milieus angewiesen. Dazu 
gehangt ist, gehort aller Wahrscheinlichkeit nach bedurfte es ausgedehnter Reisen und langeren 
dem Geschichtswerke nicht an. Inhaltlich ist er Aufenthaltes in den Hauptzentren des alten Ar- 
ein Klagelied, das auf wirtschaftliche, politische meniens. Durch diese Reisen verschaffte er sich 
und moralische Verhaltnisse der zweiten Halfte Kenntnisse aus Autopsie und nahm zugleich die 
des 8. Jhdts. sehr genau paBt. Als solches scheint Gelegenheit wahr, seine Landsleute naher kennen- 
es urspriinglich mehr dem Geschichtswerke des 20 zulernen. Auch monumentale Quellen verstand er 
Leontius angehort zu haben, als SchluBwort jenes zu benutzen. Der Ertrag dieser Reisen besteht be- 
Werkes. sonders in der lebendigen Anschauuhg von den 

13. Ein ungenannter Zeitgenosse hat um die kulturellen Leistungen der Vorfahren und in 
Mitte des 9. Jhdts. das Geschichtswerk revidiert, deren Bewunderung. Was er durch personliche 
den Namen des Verfassers verfalscht, die Abfas- Anschauung und durch miindliche Uberlieferung 
5ungszeit in das 5. Jhdt. versetzt und einige Zu- als Beute gewann, das vermengte er mit dem, 
satze hinzugefiigt, um die Entdeckung der Fal- was er aus der Literatur schopfte. In den allge- 
schung zu verhtiten. Fiir solche Zusatze halte ich: meinen Umrissen war seine Arbeitsmethode fol- 
Die letzten Zeilen 3, 61, das ganze c. 3, 62 und gende: Die tTberlieferung festhalten, sie literarisch 
manch andere Stellen wie in 3, 1. 68 usw. 30 umarbeiten, den Zusammenhang mit der Welt- 

Komposition. M.' Geschichte Armeniens geschichte auf suchen, wo dieser f ehlt, ihn durch 

ist in drei Biicher eingeteilt. 1. Genealogie des phantastische Kombinationen ersetzen. Die lite- 

armenischen Volkes: die Entstehung, Entwick- rarische tJberlieferung, wo und wie er sie nur fin- 

iung und Verbreitung der Armenier. Hayk ist der den konnte, ist stark ausgentitzt; wo dies nicht 

Btammvater, der sich heldenhaft gegen Bel ver- anging, hat die Phantasie die mangelnden Quel- 

teidigt. Aram organisiert das Volk und Tigranes len ersetzt. Es ist zwecklos, hier diese erdichteten 

hebt es zur Macht empor. 2. Mittlere Geschichte: Quellen oder Zitate aufzuzahlen. Die Hauptquel- 

Die Arsakidendynastie gelangt zur Herrschaft, der len, die M. historisch oder stilistisch beniitzte, 

Hof und das Nacharartum werden neu umgebil- sind die folgenden: 1. Bibel, 2. Eusebios' Chronik 
det. Das Christentum wird als Staatsreligion aner- 40 und Kirchengeschichte, 3. Faustus von Byzanz, 

kannt, Konig Tiridat und Gregor der Erleuchter 4. Agathangelos, 5. Lazar von P'arpi, 6. Sebios, 

glanzen als Faktoren politischer und kirchlicher 7. Pseudo-Kallisthenes' Alexanderroman, 8. Philo 

Macht. 3. SchluB (der Geschichte unserer Heimat) : der Hebraer, David der Philosoph, Gregor von 

Nach dem Tode des Konigs Tiridat sinkt die po- Nazianz, Nonnos-Scholien, Epiphanies von Cy- 

litische Macht des Landes und zuletzt bricht die pern, 9. Sokrates' Kirchengeschichte, 10. Vita Sil- 

Arsakidendynastie mit dem Konigreiche zusam- vestri, 11, Malalas, 12. Heiligenlegende usw. 

men, es erloscht auch mit Sahak (gest. 439) das Die Freiheit, die M. sich erlaubt hat, die Quel- 

Patriarchat im Hause Gregors. len nach seinem Gutdunken auszulegen, die Ten- 

Patriotismus war es, der M. bestimmte, die denz, alles zum Vorteil der Bagratiden und zum 
Geschichte des armenischen Volkes zu schreiben. BONachteil der Mamikonier auszunutzen, die Nei- 

Die Entwieklung des politischen Lebens im gung, wo die Quellen mangelten, die Lticken mit 

9. Jhdt. und die Machterhebung der Bagratiden Phantasie auszufuUen und das Erdichtete bekann- 

machten es notwendig, das vielgeprufte Volk ten und unbekannten Namen zuzuschreiben, das 

durch die Darstellung einer glorreichen Ver- alles entwertet die Arbeit als historische Quelle, 

gangenheit des Landes zu begeistern und ihm die Uns argert: insbesondere sein unedles Verfahren 

jungen Fiihrer als Erben einer tapferen Fiirsten- gegentiber Faustus von Byzanz ; obwohl er dem 

familie vertraut zu machen. Das Unternehmen M. zur Geschichte des 5. Jhdts. als Haupt quelle 

war keine leichte Arbeit, da die RoUe der Bagra- gedient hat, verschweigt doch M. nicht nur seine 

tiden in der Geschichte ganzlieh zuriickgedrangt Quelle, sondern verfalscht auch absichtlich die 
war, dagegen die Mamikonier, die vor kurzem ihre 60 Geschichtsziige, indem er die Heldentaten der 

Rolle ausgespielt hatten, in der Geschichte eine Mamikonier anderen Nacharars zuschreibt und die 

ruhmvoUe Stellung einnahmen. Die Aufgaben, Mamikonier selbst als Morder brandmarkt. 

die von ihm als einem Geschichtssehreiber zu er- Infolge dieser Auffassung entbehrt M. aller 

fiillen waren, brachte M, mit Erfolg zur VoUen- Glaubwurdigkeit. Es bleiben bei ihm wertvoU 

dung. Ohne Zweifel war es ein Machwerk, was einzig die Volkssagen und die Bruchstiicke antiker 

da zustande kam, ist aber literarisch ein Meister- Lieder. Doch empfiehlt sich groBe Vorsicht, die 

sttick, um die Gemiiter patriotisch zu entflanmien. sachlichen Elemente von Phantasieerzeugnissen zu 

Seine Glaubwiirdigkeit wurde nicht bezweifelt; unterscheiden. 



539 Moses Choreuafi Moses Chorenafi 540 

Literatur. Die kritische Ausgabe des ar- Phil.-Mst. Kl. N. F. Ill 2). v* M z i k Neue Ge- 

menischen Textes: Tiflis 1913. Ubersetzungen: sichtspunkte zur Wiirdigung der Bedeutung der 

Mosis Chorenensis Historiae Armeniacae libri III. Geographic des Ptolemaios fiir die Orientalistik 

Accedit eiusdem scriptoris Epitome Geographiae (mit den einleitenden Abschnitten der ,Weltschau* 

. , . Latine verterunt . . . G. et G., Gul. W h i - Ps.-Moses Xorenagi' in deutscher trbersetzung) 

s 1 n i filii. London 1736. V. L a n g 1 o i s Moise Litterae Orientales LIV (1933) 1—16, 

de Khorene, Histoire d'Arm^nie, Paris 1869 (Coll. Das Buch der Chrie. Diesen Titel ftihrt 

des historiens . . . de TArmenie 2 (Paris 1869) 45 die armenische Bearbeitung der Aphthonischen 

— 115). Untersuchungen: A. v. Gu t s chmidKl. Progymnasmata (Bd. I S. 2797), weil sie in den 
Schriften III 282 — 338. A. Carriere Nouvel- 10 erhaltenen Hss. gleich mit XQ^''<^ anfangt. Baum- 

les sources de Moise de Khorene. Vienne 1893 gartners Vermutung, daB im Archetypus die ersten 

— 1894. Chal at hi an Das armenische Epos in 2 Abschnitte (Avd'og und dn^yrif^a ausgef alien 

der Gesch. Armeniens des M. von Choren (russ.). seien, kann man beistimmen. Die urspriingliche 

Moskau 1896; Armenische Arsakiden in der "Oberschrift des Werkes scheint texvr) QrjtoQixi^ zu 

Gesch. Armeniens des Moses von Choren (russ.). sein (vgl. S. A s o i i k 2, 2). 

Moskau 1903. F. Haase Die Abfassungszeit der Der armenische Bearbeiter folgt im wesent- 

armenischen Gesch. des Moses von Khoren. Oriens lichen Aphthonios. Ihm sind auch die Progymnas- 

Christianus N. F. X— XI (1920—1921) 77 mata des Nikolaos von Myra bekannt. Theons 

— 90. N. Akin ian Moses Khorenatzi. Die Abfas- Progymnasmata, deren armenische Dbersetzung 

sungszeit der Gesch. Armeniens und die Person- 20 aus dem 6. Jhdt. ich neulich in nr. 870 der ar- 

lichkeit des Geschichtsschreibers in neuem Lichte menischen Hss. des Staatsmuseums zu Erivan ent- 

betrachtet. WZKM XXXVII (1930) 204—217; deckt ha.be (vgl. HandesAmsoreay XLVIII 

Lfeontius der Priester und Moses Chorenagi (arm.), [1934] 197 — 212), sind von ihm entweder gar 

in jLiterarlsche Untersuchungen* Bd. EI (Wien nicht oder sehr wenig beniitzt. Alle heidnischen 

1950) 127 — 291. Ausfiihrliches Literaturverzeich- Elemente hat der Bearbeiter sorglich vermieden 

nis in der kritischen Ausgabe 1913 S. LIII — ^LXII. und dem Werke einen rein christlichen Charakter 

Die Geographie des M.' Chorena^i ist gegeben. Die Abfassungszeit faUt aller Wahr- 

im Grunde eine tJbersetzung von Pappos' x<^Q^- scheinlichkeit nach in die erste Halfte des 7. Jhdts. 

yQacpia oIkov^svikti, die im wesentlichen auf (etwa um 640). 

ptolemaische Karten angewiesen ist. Pappos hatte 30 Im Epilogs des Werkes nennt sich der Bearbeiter 

das diocletianische Zeitalter vor Augen. Die ar- ,Lehrer Moses*, preist die Erhabenheit der Redner- 

menische "Dbersetzung wurde um die Wende des kunst und ermahnt seinen Schtiler namens Theo- 

5. Jhdts. verfaBt. Der Archetypus existiert leider dor, sich darin zu iiben. S. A s o li k identifiziert 

weder im Original noch in der trbersetzung. Die ihn mit M. Chorena^i; ihm folgen die spateren 

hsl. tJberlieferung hat uns die armenische "Dber- (Mechithar Ayriwane9i, Kirakos Ganzakeci). M. 

setzung in zweifacher Redaktion aufbewahrt, in Chorena^i ist wohl mit dem Werke bekannt, sein 

einer langeren und in einer ktirzeren, in beiden Verfasser kann er jedoch nicht sein. Weil das 

stark verderbt. In einigen Hss. wird die kiirzere Werk als Lehrbuch der Rhetorik in den armeni- 

M. Chorenagi zugesehrieben. Wenn Patkanian sie schen Schnlen eingefiihxt war, so sind ihm auch 

Anania Siraka^i zuschreiben will, so weicht dies 40 einige Schuliibungen von spateren als Exerzitien 

wahrscheinlich nicht weit von den Tatsachen ab. einverleibt. 

Ananias' Mitwirkung ist vielmehr an der langeren Literatur. Die erste Ausgabe besorgte 

Redaktion zu vermuten, besonders an jenen Stel- J. Z ohr ab Venedig 1796. Der Text wurde auch 

len, die deutlich aus iranischen und christlichen in die Gesamtausgabe vom J. 1842 und 1865 auf- 

Quellen stammen. Zusatze aus spaterer Zeit, ins- genommen. Untersuchung: Ad. Baumgartner 

besondere aus arabischen QueUen, sind in der Geo- tJber das Buch ,Die Chrie*: ZDMG XL 457—515. 

graphie in Massen verstreut. Ob M. an der Redak- Kommentar zu der rsxvrj yqaiiiiaxmr] des 

tion irgendwelchen Anteil gehabt hat, ist schwer- Dionysios Thrax. 

lich zu bejahen; ihm war aber die Geographie be- Unter dem Namen M. sind uns in den Hss. 

kannt. J. Markwart, der die Identitat des Ge- 50 zweierlei Kommentare erhalten. Der eine wird 

schichtsschreibers und des Geographen fiir wahr- dem Grammatiker (K'ertoi) M. zugesehrieben und 

scheinlich halt, versetzt die Abfassungszeit ins ist wahrscheinlich eine trbersetzung aus dem 

9. Jhdt. Griechischen (hrsg. N. A d o n t z Dionysius Thrax 

Literatur. Ausgabe der langeren Redaktion: und armenische Kommentatoren. russ., Petrograd 

Geographie de Moise do Corene d'apres Ptole- 1915, 159 — 179). Der zweite, der mit dem Namen 

mee, texte armenien, traduit en frangais par le M. Chorena^i betitelt ist, scheint eine armenische 

P. ArseneSoukry, Venise 1881". Kiirzere Re- Bearbeitung zu sein, wahrscheinlich von derselben 

daktion Saint-Martin M6moires historiques Hand, die die Progymnasmata bearbeitet hat. 

et geographiques sur I'Armenie II (Paris 1819) Polemische Schrift gegen Dyo- 

301 — 394. M.' gesamte Schriften, Venedig 1843 gophysiten. Im Buche der Briefe wird eine Schrift 

und 1865. Ch. Patkanian Die armenische Geo- ahnlichen Inhalts eingefiihrt, als deren Verfasser 

graphie des 7. Jhdts., Petersburg 1877 (arm. u. ,Bischof M. Chorena^i* genannt wird. Sprachlich 

russ.). — Untersuchungen: H. Htibschmann wie inhaltlich mu6 sie nach dem J. 600, vielleicht 

Die altarmenischen Ortsnamen. Mit Beitragen zur um die Wende des 7. Jhdts. verfafit sein. Aus- 

historischen Topographie Armeniens und einer gabe: Buch der Briefe, Tiflis 1900, 22—28. 

Karte: Indog. Forsch. 1904, 193 — 490. J.Mark- Brief an SahakArcruni (Geschichte 

wart Eransahr nach der Geographie des Ps.- des Muttergottesbildes von Hogea^-Wank') ist ein 

MosOiS Xorenac'i, Berlin 1901 (Abh. Gott. Ges., mit Entlehnungen aus der armenischen Geschichte 



541 Mot Multa 542 

des M. durchsetztes Apokryph aus dem. Anfange lieit in der Interpretation nieht zn, nnd anch die 

des 11. Jhdts., vgl. P. Vett er bei NirscM Lehr- Beutung des Mummi-M. ist tmsicher: ,UrgrandS 

buch der Patrologie III 244—246. Baumgart- ,MutterS ,WirrwarS ,die Mutter* soUen in Frage 

ne r ZDMG XL 492—495. kommen; vgl. P. Jensen Kosmol. der Babjlonier 

Es werden M. weiter zugeschrieben: Marty- 270. H. Gunk el ScbGpfung und Cbaos, 7, 402. 

rium der hi. Hripsime und ihrer Gefahrtinnen, 7 (Zimmern). Tiele Gesch. der Eeligion im 

Homilie iiber die hi. Hripsime, "Dber die Ver- Alt. 1 177f. Er, Delitzsch Abh. Sachs.Ges.XYII 

klarung Christi, Am Peste des Tabernakels (auch 2 (1896), 93, 8. 119. Lagrange fitud. s6m. 

David dem Unbesiegten zugeschrieben) und Hym- (Par. 1905) 370. W. Drexler Myth. Lex. II 
nen. [R N. Akinian.] 10 3224. Eberh. S c h r a d e r 490-493. 

Mot (Mcoz), mit dem Cbaos und Pneuma [Preisendanz.] 
einer der Urstoffe in der phoinikischen Welt- Maabis^ Plu6 in Pamphylien, dessen Wasser 
scbGpfungslehre Taauts bei Sanchunjaton; s. Phil, hineingeworfene Gegenstaode versteinerte, Anti- 
BybL bei Euseb, praep. ev. 1, 10 (PEG III 565, gon. Karyst hist, mirab. 135 {150). Vielleicht der 
2). Der, seiner Wortbedeutxmg nach unerklarbare, einheimische Name fiir den Katarraktes, dessen 
Stoff entstand aus der Selbstbegattung des Pneu- Wasser stark absetzt, Ritter Asien XIX 657. 
ma, des weltordnenden Lufthauches; als Deu- Lanckoronski StadtePamphiliens und Pisidiens 
tungsvarianten nennt Phil. ,SchlammS iXvg und I 1, [W. Ruge.] 
vdazcbdovg f^l^ecog afjipig, ,Faulnis wassexiger Mi- Multa (s. auch die Art. "E^rtipolrj Bd. YI 
schung^; s. Ed. Meyer, G. d. A. 112 2 (1931) 20S. 29f. Sacramen turn Bd. I A S. 1668ff. Se- 
181. M. selbst gait als Erzeugetin des Samens pulcxalmulten Bd. II A S. 1622S. Se- 
der ganzen SehOpfung, als Licht leuchtet es in pulcriviolatio Bd. II A S. 1625ff.). 
Eiform mit den Gestirnen und Sternen. Mit der I. Die neueste etymologische Forschung scheint 
Bedeutung der M. haben sich E. Be nan (Mem. zu zeigen, daB letzten Endes w. und damnum {in 
Ac. Inscr. 23, 2. 254), 0. Grup p e (Gr. Kulte u. der Bedeutung ,Strafe'; s. Art. Damnum Bd. IV 
Myth. I 376), Fr. Lukas (Grundbegriffe in den S. 2063) eine verwandte Bedeutung batten. Zu- 
Kosmogonien 1893, 141 — 145), W. Drexler nachst wird ubereinstimmend exklart, dafi die 
Myth. Lex. 11 3222f. und W. v. Baudissin ursprtinglichere Form moUam (osk.) lautete und 
beschaftigt. Um die sprachliche Erklarung hat auf Gdf. ^molcta zuruckzuftlhren ist. Walde- 
man sich oft vergeblich gemiiht. H. EwaldSOPokorny Vergl. Worterb. d. indogerm. Spra- 
Abh. Gdtt. Ges. (phil.-hist. 01.) V (1851) 30 dacbte chen II 2971 melk; als Parallelwurzel zu melg, 
an arab. w.ac?(^a, Stoff ', Schr<5 der Ph()n. Spr ache nimmt als Grundbedeutung dieser Sprachwurzel 
133 und Baudissin Studien z. sem. Bel.- etwa ,woruberstreichen* an, stellt damit in Zu- 
Gesch. I 12 an das semitische ,Wasser '(^-jo), Mo- sammenhang ebenso lat mulceo ,giattend strei- 
vers Phoenizier I 136 an ag. ,Mutter*, Mut J. chen' wie lat. mulcare ,iibel zuxichten' und leitet 
Hanvy M^l. Graux 1884, 59f. andert in To)Mo6r, schlieBlich multa von mulcere ab, so daB m. 
um so eine phoinikische Abform vom hebr. TeJiom, eigentlich so viel wie ,Besanftigung, Schmerzens- 
MeerS zu konstruieren, [Preisendanz.] geld zur Gutmachung eines Sehadens' bedeutet 

Motene {Motrjvi^, mit mehreren Hs.-Var., hatte. Diese Erklarung bringt m. nahe heran an 
s. Mliller-Fischer zu Ptolem. V 12, 4 [1 40 die Bedeutung ,Gabe, Losegeld', die M o m m s e n 

p. 988]), Landschaft in GroBarmenien am Flufi Strafr. 13, 1 dem Wort damnum beilegte, wahrend 

KvQog (Ptolem. V 12, 4). Die Korrektur in 'Qzrjv^ freilich Walde-Pokornyl 764 damnum mit 

(s. Fischer a. 0.) ist nicht sicher, da M. auch bandvrj ,Aufwand*^ c?ap5 ,Schmaus, Opfermahl' zu- 

mit Ma den a (Eutrop. VIII 3. Sext. Euf. in sammenbringt und mit ,Aufwand, Vermogens- 

LuculL 15) zusammengestellt werden kann. minderung* wiedergibt. Auch G. v. Beseler 

[J. Sturm.] kommt, ob zwar m, im Sinne von ,Drohung, Ver- 

Moymis (Mcovf^ig) gait nach Damaskios I sehrung, Gefahxdung, Beeintrachtigung' von mul- 
322, 3 E.^ in der babylonischen Kosmogonie als care ableitend, zum Ergebnis, da6 damnum und 
Sohn des "Ajtaocov und der Tav&s. Apason, sumer. m, der Grundbedeutung nach sehr verwandt seien 
apsu, bedeutet das (Stifi ) Wasser unter, um und 50 (Ztschr. Sav.-Stift. XLV 415; iiber Jamntim Beitr. 
liber der Erde (Lit. bei Schrader-Zimm ern- zur Kritik der rom. Bechtsquellen IV lOlf. VgL 
Winkler Die Keilinschriften^ 1903, 492, 1); auch Leo nhard Art. Damnum). Schwerlich 
Tauthe oder Oaaxa (Berosos), babyl. tidmtu, werden sohin aus etymologischen Erwagungen 
tamtu, ist das (Salz-) Wasser (ebd. 492, 2), von heraus Grundunterschiede zwischen multa, dam- 
dim Babyloniern nach Damaskios ,G (51 term utter' num und 'poena (vgl. diese Art.) festzustellen 
genannt {^rixriQ •d'scbv). In M., dem Sohn, glaubt sein. Diese mussen vielmehr aus der Rechtsge- 
Damaskios die ,intelligible Welt' sehn zu durfen schichte gewonnen werden. Einige etymologische 
[voTjtdv 7c6ofzov)\ darauf ist gar nichts zu geben. Brklarungsvexsucbe seien noch angefiihrt, weil sie 
M. erscheint auf der ersten Tafel des babyloni- auf das abzielen, was uns historisch als multa ent- 
schen keilinschriftliehen Textes des Schnpfungs- 60 gegentritt. Schon in alter Zeit wurde m. gerne 
mythos, der um 2000 v. Chr. aufgezeichnet sein durch das ahniich lautende Zahlwort erklart (Varr. 
wird, als Bpitheton der Tiamat in der Form 1. 1. V 177. Abex z. B. auch Mommsen Stxafr. 
mummu, doch scheint sich an spaterer Stelle 50 ,Vielung') und dabei bedacht, daJB die m. als 
Mummu-M. als Sohn des Apsu an einem Kampf Verwaltungs-, bes. Polizeistrafe oft in einer Mehr- 
zu beteiligen. Offenbar liegt aber hier eine Ver- heit von Akten solange zusatzlich auferlegt wurde, 
wirrung des Textes oder Verstandoisses vor. Die bis das gewiinschte Verhalten der betroffenen Per- 
sprachliche Sehwierigkeit und schlechte Uber- son durchgesetzt war. "Dber den Vervielfaltigungs- 
lieferung der WeltschOpfungstafel lassen Sicher- charakter der Multstrafe s. Varr. a. 0., ferner 



643 Multa Multa 544 

z. B. K a r 1 w a Eom. Eechtsgesch. I 167; dieser als vielleicht in so manclien anderen, insonderheit 

weist auch auf die iterative Form multitare ftir aueh weit mehr als die attische empolri — im 

das sich wiederholende multam dicere hin. Verein mit den so beliebten Vermogenskonfis- 

M m m s e n Strafr. 50. L^crivain Daremb.- kationen in hervorragendem MaBe das Etickgrat 

Sagl. Art. Multa III 2014. Mit a^slysiv und mul- der staatlichen Autoritat — auch und gerade 

gcre, weiter mit Kraftentziehung, vermogensrecht- ideologisch — stiitzte. Es ist bezeichnend, 

licher Entziehung, Zuchtigung, coercitio bringt daB Cic. rep. II 16 von Eomulus sagt: multae 

unseren terminus H u s c h k e Die Multa und das dietione . . . non vi et et supplieiis coercebat, Vgl. 

Sacramentum 121 in unmittelbaren Zusammen- auch Mommsen Strafr. 50. Das Multierungs- 

hang. lOrecht der Staatsorgane leitete sich im romischen 

Die m. war ihrem Wesen nach von jeher eine Staate, soweit wir dies rechtsgeschichtlich ver- 

Vieh- bzw. Geldstrafe. Das vermerkten die Alten folgen konnen, aus der coercitio der Trager der 

(Varr. 1. 1. V 177; r. r. II 1, 9. Cic. rep. II 9,16. Staatsexekutive her (Cic. leg. Ill 6. Buschke 

Plin. n. h. XVIII 3, 11. Fest. s. Maximam mul- 4f. llff. Mommsen St.-E. I 136ff.; bes. aber 

tam; Multam; Ovibus; Peculatus [Bruns FIE auch 1421; Strafr. 50fl; uber die coercitive Mult 

711 13ff.]. Cell. XI 1, 2. Dig. L 16, 131, 1: multa als die eigentliche, ursprungliche 1012; Ztschr. 

specialis peccati^ cuius animadversio hodie pe- Sav.-Stift. XXIV 41 Neumann Art. Coercitio 

euniaria est; poena autem non tantum pecuniaria, Bd. IV S. 201 ff.), stand also vorerst dem Eex, 

verum capitis et existimationis irrogari solet), den Consuln sowie dem Dictator, den decemviri 

ebenso wie das neuere Schrifttum darin einig ist 20 legibus scribundis zu, f erner den Praetoren, Cen- 

(Eein in PaulyE.E. Art. Multa V 191. Buschke soren, Provinzialstatthaltern, Volkstribunen, ple- 

4. Karlowa I 167. Mommsen 50. Lecri- beischen und curulischen Aedilen, dem Pontifex 

vain a. 0. Ktibler Gesch. rom. Eechts 74f.). maximus tiber die Priester, den tribuni militum 

Aber nur das Substantiv hielt den Grundbegriff gegenuber ihren Soldaten (Polyb. VI 37, 8), den 

fest (Mommsen 13, 1). Multare hingegen wurde, Zehnmannern des servilischen Agrargesetzes 

wie schon das haufige morte multare (etwa Cic. (64 v. Chr. Cic. leg. agr. II 33), dem curator 

Tusc. I 22; Verr. II 1, 14) zeigt, fur alle Strafen aquarum (lex Quinctia de aquaeductibus [9 v. 

verwendet. DaB sich diese Geldstrafe aus einer Chr. Bruns FIE 'I 113ff.]), manchen Personen 

Viehgeldstrafe entwickelte (vgl. die vorhingenann- auf Grund besonderer Mandierung der Coercition 

ten Belege), ist eine Erscheinung, die ja nur sehr 30 (M o m m s e n St.-E. I 144) u. a., nicht aber den 

gut zu dem paBt, was uns die Geschichte des Quaestoren (Mommsen St.-E. I 142f . Anders 

Geldes auch sonst lehrt. Der konservativen Art Huschke 351 111. Karlowa I 171). Wah- 

der Eomer ist es zuzuschreiben, daB zu einer Zeit, rend die coercitive Multbefugnis etwa der Consuln 

da sich die Geldwirtschaft schon langst durch- und Praetoren ihrer ideologisch ursprtinglichen 

gesetzt hatte, die formlichen Worte (verba legi- oder wenigstens abgezweigten potestas, ihrem 

tima) der Verhangung einer (coercitiven) m. (mul- imperium, das durch leges erst eingeschrankt ge- 

tae dictio) auf Stiick Vieh, und zwar mannliche dacht wurde, entsprang, fiihrte sich die Zustan- 

Schafe und Einder, wenigstens 1 a u t e n muBten digkeit etwa der Tribunen zum Straf diktat von 

(so nach Varr. bei Gell. XI 1, 4. Non. s. oves vornherein auf leges zuriick, und zwar auf die 

p. 216. Buschke 15. Karlowal 167), wenn 40 lex Aternia Tarpeia aus dem J. 454 v. Chr. (Dion, 

sie eine multa iusta sein soUte. Poena war der X 50. Gell. XIII 12, 6. 9. Buschke 33ff. Kiib- 

allgemeinere Begriff, der nicht nur die G e 1 d - 1 e r 75). Das Strafdiktat, also in unserem Falle 

strafe umfaBte. Zum Wesen der m. gehorte ferner, die multae dictio, richtete sich, wie dies ftir den 

daB sie — wohl nicht zuletzt wegen ihres Ur- ureigensten Wirkungskreis der m., die coercitio, 

sprungs aus der coercitio (unten II) — , soweit nur natiirlich ist, gegen den nee oboedientem 

ihre Bedeutung auch ausgedehnt wurde, immer (Brechung eines Widerstandes) et noxium (Ahn- 

nur der Offentlichkeit (z. B. populo, aerario, fisco, dung eines deliktischen Verhaltens). Vgl. Cic. leg. 

municipio, colonis) zuflieBende Geldstrafen meinte III 6. Wie verhaltnismaBig bald nach der Ein- 

(vgl. Mommsens Abgrenzungen, Strafr. 14, 2. richtung einer republikanischen Verfassung in 

10131; Ztschr. Sav.-Stift. XXIV 4ff.), sohin BuBen 50 Eom seit dem Valerischen und drei Porcischen 

Oder Schadenersatz in die Tasche des privaten GesetzenTodesstrafe und GeiBelung eines Biirgers 

Gegners und Konventionalstrafen nie umfaBte. vom Magistrat (von dem Dictator abgesehen) 

II. Die coercitive Multa der Ee- nicht rechtskraftig verhangt wurden, sondern die 

p u b 1 i k. Im griechischen Eechte fand sich als betroffene Person die Eechtskraft von einer pro- 

Gegenstiick zur romischen m. die km^olrj (Lip- vocatio ad populum (plebem) abhangig machen 

s i u s Das attische Eecht 32 u, passim. Thai- konnte (vgl. etwa Dionys. V 19. Ktibler 74), so 

heim Art. 'Em^olrj Bd. VI S. 29), die, na- wurde wenige Jahrzehnte spater auch die Zustan- 

mentlich in Athen, ideologisch ebensosehr als ty- digkeit der Beamten zum Multdiktat auf eine 

pisches Kennzeichen einer griechischen Behorde Maximalmult eingeschrankt. Nach Plut. Poplic. 

wie die m, als ein solches einer romischen Be- 60 11 wurde die multa maxima oder suprema durch 

horde gait. Auch scheint der Terminus em^olri eine lex Valeria eingeftihrt, was aber nicht anzu- 

spater eine in manchem ahnliche Ausdehnung wie nehmen ist, nach Dionys. X 50 durch die lex 

der Ausdruck m. erfahren zu haben. Sowohl in Aternia Tarpeia, moglicherweise auch durch die 

der impoXri als in der m. kam seit jeher der obrig- lex Menenia Sextia aus dem J. 452 v. Chr. Vgl. 

keitliche, der autoritare Charakter — namentlich Karlowa I 168. Ktibler 75. Mommsen 

der Verwaltungsakte — zum Ausdruck; m. war Strafr. 50f. ist bez. der Gesetze skeptisch. Bochst- 

der Typus eines Strafdiktates. Kein Wunder, daB maB der Strafe waren 2 Schafe und 30 Einder 

die m. gerade im romischen Staate — vielmehr (vgl. die erw. Belege, dazu noch Fest. s. Maxi- 



545 Multa Multa 546 

mam multam; Ovibus; Peeulatus; Supremum). log zu dem unten II zu Sagenden). Vgl. Momm- 

Solche Multen, auch die hochste, konnten auf ein- s e n 52. 

mal verhangt werden, ietwa gegen den noxius je Es soUen hier nicht all die verschiedenen Mult- 

nach der GroBe des Vergehens und der Straf- falle aufgezahlt werden, die uns die Quellen be- 

wiirdigkeit, sie konnten aber auch in zusatzlichen richten; sie waren ja ohnehin nur ein kleiner Teil 

Stufen in einer Mehrheit von Verwaltungsakten aus dem tiberaus reichen Anwendungsgebiet der 

bis zur endlichen Brechung des Widerstandes dik- m. in der coercitio. Uber wasserrechtliche Multen 

tiert werden; dies ist etwa so zu verstehen, da6 coercitiven Charakters Mommsen 824 (samt 

der Magistrat oder Tribun mit einer m. von einem Anm. 5). E. Weiss Ztschr. Sav.-Stift. XLV 100. 

Schafe begann, dann zu einer Mult von einem 10 101, 5 (Frontin. aqu. urb. Rom. 97. Vielleicht 

weiteren Schafe, ferner von einem Rinde usw. auch die Lex rivi incerta [Bruns288]). Besonders 

aufstieg. Die Straf zusatze soUten nach Gell. XI die lex Quinctia de aquaeductibus (Br uns 113f. 

1, 3 nur in dies singulos, von Tag zu Tag, statt- Dazu Mommsen 53, 2). Ins coercitive Mult- 

haben. Uber mannigfache Einzelheiten und Ver- recht gehoren auch die Disziplinarfalle der Be- 

mutungen zur eigentiimlichen Anzahl von 2 Scha- amten, Geschworenen u. dgl., soweit sie nicht im 

fen und 30 Rindern s. Rein 193. Besonders magistratisch-comitialen, im Quaestionen-, Recu- 

ausfiihrlich Buschke 46 — 88 u. passim. Ear- peratoren-, oder in der Kaiserzeit in einem mit 

Iowa I 167 — 169. Als das Viehgeld gegentiber Anklage verbundenen Cognitionsverfahren ver- 

dem Metallgeld zurticktrat und bei den Stucken handelt wurden. Eine Disziplinarmultbefugnis 

Vieh faktisch sowieso ein Wert in Metallgeld mit- 20 hatte der hohere Beamte gegentiber dem nie- 

gedacht wurde, sah sich die Gesetzgebung ge- deren, vielleicht auch gleichrangigen, insbesondere 

notigt, einen Umrechnungskurs festzusetzen, um auch der vorsitzende Beamte gegentiber den Ge- 

auch in dieser Hinsicht magistratischer Coerci- schworenen, Senatoren, Gemeinderatsmitgliedern 

tionswillkiir zu steuern. Das Schaf wurde 10 Assen u. dgl. (Mommsen St.-R. I 139f. Der sacro- 

gleichgesetzt, das Rind 100 Assen, so daB die Stra- sancte Charakter des Volkstribunen freilich lieB 

fen zwischen 10 AB und 3020 AB schwanken konn- seine Bestrafung nicht zu [Mommsen St.-R. II 

ten (Fest. s. Maximam multam; Ovibus; Peeulatus). 297f . K ti b 1 e r Art. Sacrosanctum Bd. I A 

Gellius (XI 1, 2. 3) fuhrte die Umrechnung auf S. 1684ff.]); z. B. Multbefugnis des Consuls gegen 

eine lex Aternia zuruck, doch ist eher an eine lex den Praetor (Liv. XLII 9); gegen Magistrate 

lulia Papiria aus dem J. 430 v. Chr. zu denken 30 tiberhaupt Lex Osc. tab. Bant. 8ff. (Bruns 50); 

(Cic. rep. II 60. Liv. IV 30, 3. K a r 1 o w a I 169f. 14ff. (B r u n s 51); m. des Fontifex maximus 

Mommsen Strafr. 51 [s. Anm. 1]. K u b 1 e r gegen flamines Cic. Phil. XI 8. Liv. XXXVII 51; 

75). Als eine weitere Eingrenzung des Multie- m. des vorsitzenden Magistrats gegen Senatoren 

rungsrechtes war vielleicht schon sehr fruh der Cic. Phil. I 12; de orat. Ill 4. Plin. epist. 

Grundsatz aufgekommen, daB die m. das halbe IV 29. Plut. Cat. min. 37. Gell. XIV 7, 10. 

Vermosren des Betroffenen nicht tibersteigendurfte: De viris ill. 72, 6; gegen Geschworene lex 

magistratus multare lieeto, dumtaxat minoris par- Acilia rep. (122 v. Chr.) 45 (B r u n s 66). Plin. 

Us pecuniae lieeto (lex Silia de ponderibus publi- epist. V 9 (21); gegen deeuriones Lex Tarentina 

cis [B r u n s FIR7 I 46], lex Osca tab. Bant. 12f.; 26ff. (B r u n s 121); als militarische Disziplinar- 

18 [Br uns 50. 51. 53]. Karlowa I 168). 40 mult (wohl nicht erst in der Kaiserzeit) Dig. 

Glaubte der Beamte uber das Maximum des Straf- XLIX 16, 3, 1. Unter die coercitive Mult wird 

ausmaBes hinausgehen zu soUen, ,so konnte er man auch das Recht der Censoren stellen konnen, 

das nur in einer Vorentscheidung, gegen welche bei unwahren Steuerdeklarationen und in manchen 

Provocation an das Volk zulassig war, so daB anderen Fallen den Steuerbetrag von einem Viel- 

von dessen BeschluB noch der ErlaB der Mult* — fachen der abgeschatzten Summe zu berechnen 

multam remittere — ,oder die definitive Condem- (Ktibler 91). Der zu vermutende Zusammen- 

nation abhing' (Liv. XL 42. Karlowa I 169). hang des Interdictenverfahrens mit der Verwal- 

Richtete sich die Provocation gegen Magistrate, tungs-, besonders Polizeitatigkeit des Imperium- 

so kam die Sache vor die comitia tributa, wenn tragers laBt auch eine Verwandtschaft der coerci- 

gegen Volkstribunen oder plebeische Aedilen, so 50 tiven Mult mit dem interdietum nicht unwahr- 

vor die concilia plebis (Mommsen Strafr. 154ff. scheinlich erscheinen (Buschke 64 — 81 u. pas- 

169). Es kam auch vor, daB ein solcher Volksbe- sim. Per nice Ztschr. Sav.-Stift. V 33f. Wlas- 

schluB, iudicium populi, die m. zwar erlieB, jedoch s a k ebd. XXV 138ff. B e r g e r Art. Interdic- 

aussprach, daB der Betroffene dem primaren ma- tum Bd. IX S. 1701 den Zusammenhang mit 

gistratischen Befehl gehorchen musse (Cic. Phil. dem Verwaltungsverfahren eher ablehnend, S. 1702 

XI 8. Liv. XXXVII 51. Huschke 1091). Die ver- aber doch mit Ubb elohde der Meinung, daB 

schiedensten Maximalsatze mogen kraft Gesetzes das interdietum aus dem imperium entsprang und 

gegolten haben. Gelegentlich dtirfte, z. B. bei Spe- insofern mit verwaltungsmaBig, polizeimaBig ge- 

zialmagistraten mit beschranktem, auch nur vor- schtitzten Verhaltnissen im Zusammenhang stand, 

tibergehend gedachten Wirkungskreis, tiberhaupt 60 W e n g e r Institutionen 237. 242 u. passim), 

von einer Strafbegrenzung abgesehen worden sein. Endlich gehort in gewissem Sinne hieher das 

Andererseits ist manchmal ,auch die eigentlich der sacramentum der legis actio sacramento (K 1 i n g- 

ludication vorbehaltene Berufung an die Comitien mtiller Art. Sacramentum Bd. IAS. 1668ff.). 

auf diese coercitiven Multen erstreckt worden*, so An die m. im bisher dargestellten Sinne dachte 

daB die Multen solcher Beamter (etwa des Ponti- wohl Ulpianus, wenn er erklarte (Dig. L 16, 131, 

fex maximus) immer erst einer Volksversamm- 1): inter multam autem et poenam multum in- 

lung vorgelegt werden muBten, freilich dann wohl terest, cum poena generate sit nomen, omnium 

durch keine Hochstgrenze eingeengt waren (ana- delietorum coercitio, multa specialis peccati, cuius 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 18 



547 Multa Multa 548 

animadversio hodie pecuniaria est. Poena war der sen 1014). Die in historischer Zeit angesehensten 

allgemeine Strafbegriff (s. o. I), m. aber auBerdem und als comitiatus maximus (Cic. leg. Ill 11) be- 

aueh insofern enger, als sie von Ulpianus deutlich zeichneten comitia centuriata batten mit Multen 



mit der coereitio in Zusammenhang gebracht wird 
mit der coereitio specialis peecati, des besonderen, 
ad hoc mit Strafdiktat belegten tlbertretungS' 
falles: (ebd.) multa ex arbitrio eius venit, qui 



nichts zu tun, wenn hier ein argumentum e siL 
(Mommsen 169) erlaubt ist. Der Multprozefi kam 
vielmehr vor die jiingeren Comitien, die patricisch- 
plebeischen comitia tributa und die rein plebei- 



multam dicit — quin immo multa ibi dicitur, ubi schen concilia plebis. Dieses Multverf ahren ging 

specialis poena non est imposita (vgl. auchLeon- zwar wie das coereitive auf die Initiative von Be- 
hard Art. Indicium publicum Bd. IX 10 amten zuriick, war jedoch weitaus formlicher. 

S. 2501 f.). jGoercitio^ in der Verbindung ,omnium Volkstribune, plebeische und curulische Aedilen,. 

delictorum coereitio' freilich ist in verschwom- endlich der Pontifex maximus batten die Initia- 

mener Bedeutung gebraucht. Indes ist dieser tive zu diesem Verf ahren (Mommsen 156ff. 

Multbegriff viel zu eng gefaBt und dadurch auch Leonhard Art. Indicium publicum 

die poena als Gegenbegriff nicht richtig bestimmt Bd. IX S. 2501), das sich in drei Hauptstadien 

(wie gleich unten u. unter III, IV, V gezeigt wer- gliederte. Ihnen ging eine eventuelle orientierende 

den wird), wenn Ulpianus meint: poena non irro- Voruntersuchung voran, deren Ergebnis den Be- 

gatur, nisi quae quaquae lege vel quo alio iure amten zur Ladung des Angeschuldigten zum form- 

specialiter huic delicto imposita est — und Paulus lichen Verfahren (diei dictio) bestimmen mochte. 
sagt (Dig. L 16, 244): ex hoc quoque earum 20 Bei erste Hauptabschnitt nun war die anquisitio, 

rerum dissimilitudo apparere poterit, quia poenae die Untersuchung (im Gegensatz zur quaestio der 

certae singulorum peccatorum sunt, multae contra, coereitio), die vor der durch Ansage benachrich- 

quia eius iudicis potestas est, quantam dicat — , tigten Biirgerschaft (contio, vgl. K ii b 1 e r 68) 

woran sich allerdings bezeichnenderweise ein das stattfinden mufite. Hier hatte der Beamte den 

kaum Gesagte wieder aufhebender interpolierter Sachverhalt darzulegen und den Tatbestand zu 

Nachsatz schlieBt: nisi cum lege est constitutum erlautern. An das in der anquisitio in Aussicht 

quantam dicat (vgl. auch Mommsen Strafr. genommene MultausmaB war der Beamte jedoch 

1013, 2 Ende). DaB vielmehr auch coereitive nicht gebunden; wenn es nun zum zweiten Haupt- 

Multen — nur von solchen soil jetzt die Rede sein abschnitt, zur multae irrogatio (bzw. in sacrum 

— bisweilen durch Gesetz tatbestandsmaBig wie 30 iudicatio) — wofern nicht zum Freispruch oder 
im Hinblick auf das StrafausmaB festgelegt Capitalurteil — , sohin zur magistratischen Ur- 
wurden, hat viel Wahrscheinlichkeit fiir sich. teilsfallung, zur Indication kam (iiber Multam in- 
Vielleicht waren als Belege fur solche fixe Multen rogere: iudicare ausfiihrlich Mommsen 166, 3. 
die m. von 2000 nummi der LexOsca tab. Bant.^^ 1015, 2). Der dritte Hauptabschnitt wurde durch 
und die m. von 1000 nummi ebd. 26 (Bruns FIR*^ die provocatio ad populum (plebem) hervorgerufen,, 
I 50. 53), ferner die m. von 5000 Sesterzen der welche im magistratisch-comitialen Verfahren dem 
lex Tarentina 31 (Bruns 121), weiter die m. Verurteilten immer zustand (Cic. leg. Ill 6: 
von 100 000 Sesterzen der lex Quinctia lOff. 20ff. Gum magistratus iudicassit inrogassitve, per po- 
(Bruns 1131) u. a. anzusehen (wenn auch die pulum multae poenae certatio esto). Der Beamte 
Formel ,dare damnas esto' Bedenken begrtindet, 40 konnte im Fall der Provocation von seinem Urteil 
so ist doch beachtlich, daB die fixen Multen der abstehen oder er muBte als Volkstribun oder pie- 
lex Quinctia mit ganz gewiB coercitiven Multen beischer Aedil das concilium plebis, als curulischer 
[16. 19. 38f.] durchmengt sind. Anders z. B. Aedil oder pontifex maximus die patricisch-ple- 
Buschke 261, wohl auch Mommsen 1020, 5; beische Tribusversammlung einberufen und dort 
jedoch 53, 2. E. Weiss llOf. bezieht die Stellen sein Urteil verteidigen. Die Volksversammlung 
auf die Cognition, nahert deren Deutung daher konnte die m. aufheben oder bestatigen, nicht 
vielleicht unserer Auffassung). SchlieBlich war ja aber abandern. Nicht moglich war ferner, und 
auch das mit der coercitiven Mult verwandte sa- zwar wegen der Zustandigkeit verschiedener 
cramentum ^esetzlich festgelegt (mit 500 bzw. Comitien, eine Verbindung von Kapital- und 
50 AB. Gai. IV 14. Vgl. K 1 i n g m ti 1 1 e r Bd. I A 50 Geldstrafe (Mommsen 163ff. 10151). Die repu- 
S. 1668f.). blikanische Entwicklung und besonders die des 

Eine Eigentumlichkeit der coercitiven m. war, magistratisch-comitialen Verfahrens lieB die Geld-, 

daB mit ihr im Gegensatz zur kriminellen Strafe tiberhaupt die Vermogensstrafe immer mehr in 

nicht die Rechtsfolge der infamia verbunden war den Vordergrund treten; namentlich ,der pie- 

(Mommsen Strafr. 53. 996ff. P f a f f Art. beische StrafprozeB wurde in immer freierer Weise 

Infamia Bd. IX S. 1539. Vgl. auch Cod. lust. gehandhabt und nach Herkommen dem Tribun 

I 54, 1, eine Stelle, die wohl vorwiegend an die die Wahl zwischen dem KapitalprozeB vor der 

coereitive m. denkt). patricisch-plebeischen und dem MultprozeB vor 

III. Multaimmagistratisch-comi- der plebeischen Btirgerschaft freigestellt' (Momm- 
tialen Verfahren. Hier finden wir m. be-60sen 1571 10141 1038. Leonhard Bd. IX 

reits in einer die coereitio iiberschreitenden Be- S. 2501). Wenn auch im Fall einer Provocation 

deutung, namlich als kriminale Geldstrafe, die erst die Volksversammlung endgultig uber Ja 

— wie iiberhaupt dieses Verfahren — an be- oder Nein der Bestrafung entschied, war doch 
stimmte Delikte durch Gesetz oder Herkommen Voraussetzung die vom Magistrat nach eigenem, 
gekniipft war (Mommsen Strafr. 151 samt nicht immer und nur sehr allgemein eingeschrank- 
Anm. 1. 1014f. 1037f. Ztschr. Sav.-Stift. XXIV tem Ermessen fe?tgesetzte multa. Als solche- 
5). Dieses Verfahren hat die Geldstrafe ur sprung- Schranke begegnel gelegentlich die gesetzliche 
lich wahrscheinlich gar nicht gekannt (M o m m - Vorschrift, daB die m. das halbe Vermogen des^ 



549 Multa Multa 550 

Verurteilten nicht iiberschreiten dtirfe (z. B. lex 29f. CXXIX 37. CXXX 50 [hier auch ein Inter- 

Lat. tab. Bant. 12 [B r u n s FIR? I 54]) oder das rex]. CXXXI 13. CXXXII 32 [Bruns 130—140]. 

um 1000 Sesterzen vermindert gedachte halbe M o m m s e n Ges. Scbr. Ill 230f.). Gai. IV 46 — 

Vermogen (Gell. VI 3, 37, aus einer Rede M. Catos fiber die actio in factum gegen den qui in ius 

zitierend. Fronto ad Anton, imp. I 5 p. 103 N. vocatus neque venerit neque mndicem dederit; 

Mommsen 1016). Die Spanne der geiibten item contra eum, qui vi exemerit eum^ qui in 

Multen war sehr groB; es sinduns Geldstrafen von ius vocaretur — meint mit diesen recuperato- 

2000—1 000 000 A6 bekannt (Liv. II 52, 5. XLIII rischen Verfahren vielleieht auch Multverfahren 

8 a. E. Cass. Dio XLVII 18. Mommsen (Wenger Art. Recip eratio Bd. I A S.426; 

592. 1015). Auch die Strafe von 1 000 000 Se- 10 Institutionen 94). Gelegentlich mag statt der Re- 

sterzen im Fragm. Tudertinum 5f. (Bruns 158) cuperatoren auch ein Einzelgeschworener in Mult- 

gehort hieher, insofern diese BuBe auch durch das prozessen aufgetreten sein (W e n g e r a. 0.). Ein- 

Verfahren mit multae irrogatio auferlegt werden mal (lexLucerina [Bruns 283]) begegnet uns die 

konnte (Mommsen 158, 3. 1015, 4. 1017, 3. legis actio 'per manus iniectionem als Multver- 

1019, 2. Ztschr. Sav.-Stift. XXIV 6, 4). fahren, und zwar mit der coercitiven Mult alter- 

IV. Multa imQuaestionenverfah- nierend (Mommsen 811, 4). — Aber auch die 

r e n. Fiir Multen kam dieses Verfahren wenig in anderen Beispiele von Multen in der lex Urson. 

Betracht. Es handelte sich um einen aceusato- (LXI 7fE. LXXIII 5ff. LXXIV 14ff. LXXV 21ff. 

rischen ProzeB, je nach den Fallen durch spezielle LXXXI 27ff. LXXXII 38ff. XCII 16i. XCIII 25f. 

Gesetze sehr verschieden geregelt, in dem ein 20 XC VII 20a. CIV 17ff. [Uber Multverfahren bei 

engerer, weiterer oder auch sehr weiter Kreis von Grenzverriickung Mommsen 822f.]) sind auf 

Personen zur Anklage legitimiert war. In sehr das Recuperatorenverf ahren zu beziehen (W 1 a s - 

verschiedener Weise gebildete, recht umfangreiche s a k ProzeBgesetze II 325). Dberhaupt — wenn 

Geschworenenbanke, sei es unter einem mit bloBer wir Mommsen (Ges. Sehr. Ill 96) f olgen — 

Leitung betrauten, sei es unter einem auch Stimm- wurde jeder MultprozeB dieser Epoche, wofern er 

recht ausiibenden Vorsitzenden, der keineswegs nur zivilprozeBartig aufgezaumt war, von Recu- 

immer Beamter sein muBte, fallten das XJrteil peratoren entschieden. Vgl. auch E.Weiss Ztschr. 

(Mommsen Strafr. 186ff.). Wenngleich auch Sav.-Stift. XLV 102, 3. 108, 3. Solches diirf en wir 

Vermogenstrafen sehr haufig vorkommen, so daher wohl auch annehmen z. B. fiir: die wasser- 

doch vorziiglich als Confiscationen oder sei es ein- 30 rechtliche MultprozeBrede des alteren Cato (de 

fache, sei es multiple SchadenersatzbuBen an den aqua sive de multa, frg. 6 lord, Dazu E. W e i s s 

Geschadigten. Trat die Gemeinde selbst als ge- 97ff.). Cic. Verr. II 1, 155. 156 (MultprozeB 

schadigte Anklagerin auf, so wurde die Sehaden- beim Stadtpraetor. Mommsen 1019, 1. E. 

buBe zur Mult (z. B. bei Sacrilegium und Pecula- Weiss 102); Cie, Cluent. 91. 96. 103; lex 

tus, Mommsen 771). Das Urteil beschaftigte Mia municipalis (45 v. Chr.) 19. 97. 107. 125. 

sich zunachst nur mit der Schuldfrage; in einem 140 (Bruns 103ff.); lex Salpensana (81—84 n. 

anhangenden Streitabschatzungsverf ahren (litis Chr.) XXVI 8ff. (Bruns 145); lex Malacitana 

aestimatio) erfolgte dann der Geschworenenspruch (81—84 n. Chr.) LVIII Iff. LXI 53f . LXII 67ff. 

iiber die Entschadigungssumme (Mommsen (Bruns 151ff.); das mit Multsanktion geschiitzte 

446f. 725. 1020 samt Anm. 1). Von fixen Geld- 40 wasserrechtliche Gesetz bei Frontin. aqu. urb. 

strafen wissen wir fast gar nichts. Eine einzige Kom. 97 (Bruns 289. Dazu Mommsen 823, 6. 

feste m. von 50 000 Sesterzen (auf Grund der lex E. Weiss 101, 7); vielleieht auch fur die Mul- 

Fabia) beim plagium konnte vielleieht mit dem ten des Statutes einer romischen Walkergenossen- 

Quaestionenverf ahren zusammengebracht werden gchaft (Bruns 394ff. Dazu E. Weiss 105ff.); 

(Coll. 14, 3, 4. 5. Fragm. de iure fisci 9. Paul, I das Fragm. Tudertinum 5 (Bruns 158). 

6 a, 2 [hier ist aller dings von einer irrogatio foenae Zur Klage legitimiert erscheinen bald bloB die 

die Rede]. Mommsen 782. 1018, 2). Magistrate (z. B. lex Lat. tab. Bant. 9 [Bruns 

V. Multa im Recuperatorenver- 54]. Fragm. Tud. 5. Lex Tar. 6. 35f. [Bruns 

fahren, Hier fand die m. reiehliche Anwen- 120f.]), bald ,jeder romische bzw. landstadtische 

dung, sei es als fixe Geldstrafe, sei es manchmal 50Biirger* (z. B. lex Mamilia IV [Bruns 96]. Lex 

auch als aestimatorisehe. Dieses Multverfahren i^lia mun. passim. Lex Urson. passim. Lex Sal- 

bewegte sich durchaus in den Formen des ana- pensana XXVI M. Lex Malacitana LVIII 3ff. 

logon Zivilprozesses (Mommsen 176ff. Ztschr. LXII 71f. Plagium [Mommsen 782]. Bescha- 

Sav.-Stift. XXIV 6ff. E.Weiss ebd. XLV 101), digung des praetorischen Albums Dig. ll 1, 7 pr. 

stellte sich jedoch im einzelnen als ein ,hybrides [Mommsen 672, 6].Huschke 260f. W 1 a s - 

Verfahren dar, welches mit den Formen des Pri- sak Art. Actio Bd. I S. 319f. Mommsen 

vatprozesses gewisse Elemente des Strafprozesses Ztschr. Sav.-Stift. XXIV 8. W e n g e r Art. R e - 

verband' (W 1 a s s a k Rom. ProzeBgesetze II 325). c i p e r a t i Bd. I A S. 426). Fiir die Initiative 

Als Leiter des Verfahrens in iure kennen wir fiir wurden sehr haufig die Worter petere, petiiio, 

Multprozesse dieser Art: den Consul, Proconsul 60 ^ersecwfio exigere, exactio gebraucht (Momm- 

(Lex agraria [111 v. Chr.] 33. 37 [Bruns FIR sen Strafr. 1017, 3. Mitteis Rom. Privatrecht 

71 80f.]), Praetor (Lex. Lat. tab. Bant. 9 [B r un s I 89ff.), fiir den Gesetzesbefehl: multa esto; dare 

54], lex agr. a. 0. [auch Propraetor]), praetor damnas esto (Lex. Tar. Lex lulia mun. Momm- 

peregrinus(EdietumdeaquaeduetuVenafrano[Zeii sen 1018, 1; Ztschr. Sav.-Stift. XXIV 2). DaB 

des Augustus] 65 [Bruns 251]), Spezialcurator die Multen im Verfahren mit Recuperatoren ahn- 

(lex Mamilia [59 v. Chr.] V [Bruns 96]), ein Hch den Geldschulden behandelt wurden, zeigt 

Duovir Oder Praefectus (lex Ursonensis [44 v. Chr.] lex Lat. tab. Bant. 9f.: Sei postulahit quei petet, 

XCV Anfang, CXXV 27. CXXVI 46. CXXVIII p(raetor) recuperatores [. , . . quos quotque dari 



551 Multa Multa 552 

opojrteat dato, iuhetoque eum, sei ita pariat, con- amtenverfahren. In mancher Hinsicht war es in 

dumnari popul(o)j facitoque ioudicetur. Uber den Verhandlungsformen sehr frei, setzte auch 

Wesen und Eigenart des Eecuperatorenverfahrens nicht das Vorhandensein formlicher ProzeBpar- 

sowie seine Schleunigkeit s. M o m m s e n Strafr. teien voraus und erfolgte bald auf Anklage hin, 

179 samt Anm. 2. Wlassak Rom. ProzeBgesetze bald aber auch rein von Amts wegen (Momm- 

II 324ff.; ludikationsbefehl 51ff. Wenger Art. sen Strafr. 233fL 260ff. 280ff. 340ff. 346ff. 

R e c i p e r a t i S. 421. 425. 426ff. Einen eigen- Wlassak Art. C o g n i t i o Bd. IV, bes. 2159. 

artigen Zusammenhang von Eigentums- und Kleinfeller ebd. 222ff. W e n g e r Institu- 

Multverfahren im Wasserrecht zeigt auf E. Weiss tionen rom. Zivilpr. 26. 59ff. 249ff. "Dber das was- 
104f. 112. Bisweilen kam es vor (z. B. lex Lat. 10 serrechtliche Cognitionsverfahren E. Weiss 

tab. Bant. 9ff. Fragm. Tud. 5f.), daB das magi- Ztschr. Sav.-Stift. XLV 109ff.). Auch im Cogni- 

stratisch-comitiale und das recuperatorische Mult- tionsverfahren (in diesem weiten Sinne des Wor- 

verfahren zur Wahl gestellt wurden (Mo mm s en tes) haben wir zwischen 1. Ermessensmulten, die 

158f. [samt Anm. 3]. 1018). Schadenersatzmulten zumeist an StrafhochstausmaBe gebunden waren, 

begegnen ganz selten, z. B. einfacher Schaden- 2. Multen, die sich als Ein- oder Vielfaches einer 

ersatz in lex Urson. LXXV 22, lex Malac. LXII auf Grund einer litis aestimatio ermittelten Scha- 

68; doppelter Schadenersatz, wenn eine streitver- denssumme darstellen, und 3. gesetzlich fixierten 

fangene Sache in sacrum dediziert wurde, in XII Multen zu unterscheiden. Es soil hier nicht eine 

tab. XII 4 (Dig. XLIV 6, 3), doch gehort der Fall Aufzahlung der verschiedenen, tiberaus zahl- 
hieher nur, wenn die eine Alternative, von der 20 reichen Multen gegeben werden (eine ausfiihrliche 

die Stelle spricht, daB namlich eine Fiskalstrafe Zusammenstellung mit Quellenverzeichnis gibt 

vorlag, richtig ist; vierfacher Schadenersatz in lex L e c r i v a i n Daremb.-Sagl. s. Multa III 1016ff., 

Tar. 4f . (ausdriicklich als m. bezeichnet. M o m m- allerdings mit den Geldstrafen durchmischt, die 

sen 1020; Ztschr. Sav.-Stift. XXIV 9). In der nicht der Offentlichkeit zukamen, also keine Mul- 

weitaus groBeren Zahl der Falle finden wir im ten waren). Bei der groBen Freiheit in der Wahl 

Recuperator enverfahren die m. jedoch im Sinne einer Straf art wie in der des Straf m a B e s, 

einer jBxen Geldstrafe, z. B. 50, 100, 1000, 2000, die im romischen Straf recht zumeist, besonders 

4000, sehr gerne 5000 und 10 000, aber auch aber in der Cognition herrschte (Mommsen 

20 000, 50 000, 100 000, 1 000 000 Sesterzen 340f. 346f.), ferner bei den groBen zeitlichen Un- 
(Fragm. Tud. 5. Mommsen 1019). Manchmal 30 terschieden der die Multen nennenden Quellen- 

war fiir den Klager eine Quote statuiert (Plagium, stellen und bei der trotz groBer Zahl immer noch 

Mommsen 782. Dig. XXIX 5, 25, 2. Zu dieser bedenklichen UnvoUstandigkeit dieser Stellen ver- 

Frage tiberhaupt Mommsen Ztschr. Sav.-Stift. mag eine solche Aufzahlung ein richtiges Bild 

XXIV llf.). Die festen Geldstrafen ruhten immer ohnehin nicht zu geben. 

auf Spezialgesetzen (Mommsen 1017; Ztschr. 1. Die Kaiserzeit brachte neben der kaiser- 

Sav.-Stift. XXIV 9). lichen Gewalt selbst (Mommsen Strafr. 260 

In den Abschn. Ill, IV und V haben wir ein tiber Cass. Dio LI 19, 6f.) und den senatorischen 

die coercitio bereits weit uberschreitendes Anwen- wie kaiserlichen Statthaltern in den Provinzen 

dungsgebiet der m., und zwar auch des term. (vgl. auch Dig. L 16, 131, 1 am Ende, tiber die 
techn., kennengelernt. Multa wurde genau so wie 40 Multkompetenz von magistratus und praesides 

poena fiir durch Gesetz auf bestimmte Delikte promnciarum) eine groBe Zahl neuer Beamter, 

gesetzte feste Geldstrafen (oder astimatorische denen ein Multierungsrecht zustand, so besonders 

BuBen) gebraucht (s. schon o. II gegen Ende). den praefectus urbi (Mommsen 272f. 281), 

M. unterschied sich von poena, wie wir gerade p7aefectus vigilummidpraefectus annonae(M.omm- 

unter IV und V gesehen haben, aber auch darin sen 274f.), die curator es urbium {aorvvof^iKol 

nicht, quod de poena provocatio non est — at Dig. XLIII 10, 1, 2), die praefecti praetorio 

multae provocatio est, nee, ante debetur, quam (M. o mm sen 261. 2S2), den comes Or ientis,prae- 

aut non est provocatum aut provocator victus est, fpctus Augustalis, die vicarii praefectorum prae- 

wie Paulus meint (Dig. L 16, 244). Dies zeigen torio (Mommsen 282), schlieBlich Gewalt- 
gerade die Klagen im Recuperatorenverfahren, 50 trager kraft spezieller Delegation (Mommsen 

die ja keiner Provocation unterlagen. Dennoch 2701). DaB schon in den ersten Jahrhunderten 

geht es aber zu weit, wennLabeo (ebd.) behauptet: der Kaiserzeit Kompetenzvorschriften fiir Maxi- 

Si qua poena est, multa est: si qua multa est, malmulten, nach Beamtengruppen gegliedert, gal- 

poena est. Denn m. war immer nur eine Geld- ten, durfte wohl aus Dig. II 5, 2, 1 zu entnehmen 

(Viehgeld-) Strafe, und zwar nur eine solche, die sein: Si quis in ius vocatus non ierit, ex causa a 

der Oftentlichkeit zufiel (vgl. schon o. I, M o m m - competenti iudice multa pro iurisdictione iudicis 

sen 1013). damnabitur ([itp.] H u s c h k e 137. Mommsen 

VI. Multa im C g n i t i n s V e r f a h r e n. 51, 4. 52, 1). Fiir die Zeit seit dem Ausgang des 
Dieses schloB an die republikanische coercitio an, 4. Jhdts. kennen wir bestimmte Maximalsatze 
breitete sich aber besonders im Wege der statt- 60 (fiir die Aedilen der Zeit Neros s. Tac. ann. XIII 
halterlichen, der kaiserlichen und der von diesen 28): Die gewohnlichen Statthalter durften bis 
Instanzen delegierten Gerichtsbarkeit weit aus. 12 solidi, die vicarii und sonstigen iudices spec- 
Die Cognition stand dem ordentlichen Straf- wie tabiles bis 18 solidi, die Beamten mit proconsu- 
ZivilprozeB zunachst als cognitio extra ordinem larischer Gewalt (Proconsuln von Asia und Africa, 
zur Seite, umfaBte jedoch schon gegen Ende des Mommsen 283) bis 36 solidi multieren, und 
Principates als ordentliche Cognition alle staat- zwar konnten diese Beamten gegen dieselbe Per- 
liche Rechtspflege und war ein reines, oft vor son wegen f ortgesetzten Vergehens nur dreimal 
zwei bis drei Instanzen sich abwickelndes Be- im Jahre die Maximalmult verhangen (Cod. lust. 



553 Multa Multa 554 

I 54, 6). Die Multbefugnis der praefecti prae- verfahrens war der Magistrat, Tribun oder Be- 

torio ging bis 50 Pfund Gold (Cod. lust. I 54, 4); amte sonst, der die m. verhangt bzw. in der Volks- 

fiir den Kaiser kann ein Strafliochstausmafi wohl versammlung mit Erfolg verteidigt hatte, der 

nicht bestanden haben (zu all dem ausfiihrlich Dirigent eines Quaestionenverfahrens (Lex Acilia 

Huschke 137ff. Ferner Mo mm sen 51, 4. 57 [Bruns 67f.]), der Praetor oder sonstige 

Kiibler 311). Kein ius multae indicendae batten Gerichtsherr eines Recuperatorengerichtes (Lex 

z. B. die kaiserlichen Finanzbeamten (rationales). Lat. tab. Bant. lOf. [Bruns 54]. Zu all dem 

VgL Cod. lust. I 54, 2. Mommsen 275. In der Mommsen 1022 samt Anm. 2. 3). Fine Voll- 

Kaiserzeit fand die coercitive m. auch als allge- streckungsklage (etwa actio iudicati) gab es nicht. 
meines Exekutionsmittel (Beugestrafe) weite An- 10 Voraussetzung war, daB keine intercession provo- 

wendung (Mommsen 1023). — 2. Solche Mul- catio, appellatio u. dgl. mehr der m. etwas an- 

ten begegen selten, z. B. geht die m. Dig. XVIII haben konnte, daB sie sohin rechtskraftig war. 

1, 46 auf Leistung der vierfachen, die m. Dig. Coercitive Multen der Tribunen durf ten nach Wei- 

XLIX 14, 46, 2 auf Leistung der einfachen Scha- sung Neros an die Quaestoren von diesen erst 

denersatzsumme an den Staat. — 3. Fixe Multen nach vier Monaten in das Stadtbuch eingetragen 

waren zahlreich; sie finden sich namentlich bei werden, von welchem Zeitpunkt an sie rechts- 

Amtsvergehen (Mommsen 1018f. Lecrivain kraftig und voUstreckbar waren (Tac. ann. XIII 

201 7f.). 28). Den Zahlungspflichtigen, der nicht sofort 

Grundsatzlich fielen die Multen zwar an den zahlte, verhielt der voUstreckende Beamte — 
Staat, doch wurden gerade in der Kaiserzeit die 20 evtl. unter Anwendung der Coercitionsmittel — 

Anklager- und Angeberpramien und -quoten dazu, dem Quaestor, spater dem Praefecten des 

immer allgemeiner (Mommsen Ztschr. Sav.- Aerariums Biirgen (praedes) zu stellen. Konnte 

Stift. XXIV 12. Pramien im wasserrechtlichen der Schuldner Leistungsbtirgen nicht aufbringen, 

Cognitionsverfahren s. bei E. W e i s s ebd. XLV so kam es in alter Zeit zur Schuldhaft, spater 

111). Auch in der Kaiserzeit scheint die coercitive jedoch zur Beschlagnahme des Vermogens und 

Mult von der kriminellen sich in manchen Aus- Veranstaltung des Konkurses durch den voUstrek- 

wirkungen unterschieden zu haben, so (s. o. II kenden Beamten. Fine Frage fur sich ist es, wie 

Ende) etwa darin, daB die erstere infamia nicht bei der Vermogensexekution nachgeholfen wurde, 

nach sich zog (Cod. lust. I 54, 1 : Multa damnum wenn der die VoUstreckung leitende Beamte an 
famae non irrogat), Ferner ist uns aus der friihen 30 sich kein imperium und daher auch nicht das 

Kaiserzeit bekannt, daB gegen coercitive Multen Recht zur missio in bona hatte — ob etwa durch 

der Volkstribunen bei den Consuln und dem Se- spezielles Mandat seitens eines Imperiumtragers 

nate (Tac. ann. XIII 28, unter Nero), gegen solche (Mommsen 1023f. W e n g e r Institutionen 

der municipalen Duovirn bei den Decurionen (lex rom. Zivilpr. 226ff. K u b 1 e r 73). An die Stelle 

Malacitana LXVI [Bruns FIR' I 155], 81 des Konkurses mit emptio bonorum trat aber in 

— 84 n. Chr.) Einspruch erhoben werden konnte, der Kaiserzeit immer haufiger gerade bei der 

in ahnlicher Weise gegen die m. des Legaten Multenexekution derDistraktionskonkurs (Momm- 

beim Proconsul (Dig. XLIX 3, 2). Moglicherweise sen 1024. Wenger 229f.). Das Cognitionsver- 

dachte Paulus an diesen Unterschied, wenn er fahren endlich wird sicher auch fiir die Multen die 
Dig. L 16, 244 als Unterschied zwischen m. und 40 Spezialexekution allgemein iiblich gemacht haben, 

poena konstruiert, gegen die letztere gabe es keine wof em die m. den Schuldner nicht bankrott 

provocatio, wohl aber gegen die m. (s. o. V Ende. machte (Wenger 230f.). Den Versteigerungs- 

Zu all dem Mommsen 54 samt Anm. 1. 2. 3). erlos, soweit er nicht anderen Gliiubigern oder 

Spater wird dieses Rechtsmittel sich von der all- dem Anklager bzw. Denunzianten als Pramie zu- 

gemein geltenden Appellation an den Kaiser, kam, lieferte der exekutierende Beamte regel- 

Mandanten oder hoheren Beamten nicht abge- maBig an den Quaestor, Vorsteher des aerarium, 

hoben haben (Mommsen 260, 2. 275ff. 282f.). Hscus oder sonst eine offentliche Kasse (Tempel- 

VII. Multen anderer Herkunft. kasse) ab. Die kaiserlichen Finanzbeamten griien 

1. "Hber die Sepulcralmulten vgl. Pf aff Art. spater auch aktiver in die Multenexekution ein; 
Sepulcralmulten Bd. II A S. 1622; Art. 50 seit Severus zog der Fiskus die Strafgelder durch- 
Sepulcriviolatio Bd. II A S. 1625ff. — gangig selbst ein (Momm sen 1024ff.). Uber die 

2. Im Testament konnten Multen als Sank-^ Sonderregelung der Einziehung des sacramentum 
tion gewisser Anordnungen, besonders solcher durch die tresmri capitales vgl. Klingmtiller 
der Pietat, dem Erben oder sonst letztwillig Bd. IAS. 1669. Besonderes gait fiir die Ver- 
Bedachten auferlegt werden (Dig. XXXV 1, 6 pr.; wendung der aedilicischen Strafgelder in der Re- 
ebd. 27. Cic. Verr. II 2: 8, 21f.. 9, 25. 16. publik; sie brauchten nicht an die Staatskasse ab- 
17. 18. 22. 23. 24. Herat, sat. II 3, 84ff. Testa- gefiihrt zu werden, sondern die Aedilen konnten 
mentum Gall. II [Bruns 310]. Huschke 303ff. schon bei der Verhangung sakrale Zwecke in 
ausfiihrlich auch tiber die Moglichkeiten juristi- Aussicht nehmen: in sacrum iudicare (Fragm. 
scher Konstruktion). — 3. Geldbufien zugunsten 60 Tudertinum 6 [Bruns 158]. Mommsen 166. 
des Staates konnten endlich auch in Vertragen 1015. 1025. Neumann Art. Coercitio Bd. IV 
festgesetzt werden, die der Staat mit Privaten S. 203). Die Aedilen konnten diese Gelder, ,ahnlich 
schloB (Dig. XLIX 14, 1 pr.: poenam Hsco ex con- wie der Feldherr die Beutegelder, zu eigener 
tractu privato deberi. Cic. fam. V 20, 3. 4. Dig. L Verwendung einziehen. In Anwendung dieser VoU- 
8, 3 pr. Huschke 345ff.). macht haben die Aedilen haufig aus solchem Pro- 

VIII. Zwangsvollstreckung und zeBgewinn stadtische Tempel ausgeschmiickt oder 
Verwendung der Multen. Betreibende erbaut oder auch zu Ehren der Gottheiten Volks- 
Partei und zugleich Leiter des VoUstreckungs- feste ausgerichtet* (Mommsen 1025). In alter 



655 Murrenses Muta 556 

Zeit diirften die Strafgelder iiberhaupt vornehm- nischen und frankischen Herrschaft scheinen ro- 
lich sakraler Verwendung zugefiihrt worden sein. mische Handwerker in dieser Ansiedlung sitzen 
— Konnte die Geldstrafe beim Schuldigen oder geblieben zu sein, denn die Keramik auf dem 
den praedes nicht hereingebracht werden, so tra- Reihengraberfriedhofe von Murr bildet eine Fort- 
ten in der spateren Kaiserzeit Ziichtigung (Dig. setzung romischer Topfertradition, Veeck Ger- 
XLVIII 19, 1, 3) und bisweilen Bergwerkstrafe mania X 107 und Die Alamannen in Wiirttemberg 
(Cod. Theod. IV 8, 8) als Ersatzstrafen an die 126. Hertlein 156. [Alfred Franke.] 
Stelle (M m m s e n 985. 1029). Muta. Die dea Muta, nur erwahnt Ovid. 

Das wichtigste Schrifttum. "Dber fast. II 583 und bei dem aus ihm schopfenden 
das alteste und altere Schrifttum orientieren 10 Lactant. inst. I 20, 35, war nach Ovids Sagen- 

Rein Pauly E.E. Bd. V S. 191ff. und Huschke darstellung fast. II 583if. eine Nymphe des ro- 

Die Multa und das Sacramentum (1874) 1. Aus mischen Tibertales und hatte den Nam en Lara 

dem alteren Schrifttum seien genannt: Bruns (v. 599; s. Bd. XII S. 792. Tabeling Mater 

Die rom. Popularklagen, Ztschr. Rechtsgesch. Ill Larum [= Frankf. Studien z. Religion I 1932] 

341ff. Huschke a. 0. Karlowa Rom. Rechts- 40ff. 70, 1); urspriinglich habe sie wegen ihrer 

gesch.I167ff. (1885). Neueres Schrifttum: Momm- Geschwatzigkeit den Namen Lala {vgl. MXog) 

sen Strafr. (1899); Die Popularklagen, Ztschr. gehabt, eine Angabe, die wohl als Eigenmach- 

Sav.-Stift. XXIV Iff. L6crivain Art. Multa, tigkeit Ovids oder seiner Quelle anzusehen ist; 

Daremb.-Sagl. Ill 2014ff. Ferrini Esposizione vgL W. F. Otto Wien. Stud. XXXV 65. Tabe- 
storica e dottrinale del diritto penale romano 20 1 i n g 70, 1. Als luppiter die sprOde Nymphe 

(1905). Wlassak Rom. ProzeBgesetze II (1891) luturna (s. Bd. X S. 1348f, und Wissowa 

324ff.; Der Judikationsbefehl der rom. Prozesse Myth. Lex. II 7621), zu der er in Liebe entbrannt 

(1921) 51ff. Kiibler Gesch. des rom. Rechts war, die aber vor den Bewerbungen des Gottes 

(1925) 74f. u. passim. E. Weiss Der Rechts- in ihr feuchtes Element floh, mit Hilfe aller 

schutz der rom. Wasserleitungen, Ztschr. Sav.- iibrigen Nymphen Latiums auf der Flucht auf- 

Stift. XLV 87ff. Eine Reihe von Artikeln dieser halten woUte, verriet Lara diesen Anschlag der 

Realenzyklopadie, besonders Actio Bd. I vor luturna und hinterbrachte die E.unde von dieser 

allem (Actiones populares) 318ff. Goer- Liebschaft sogar der luno, obwohl luppiter und 

c i t i Bd. IV S. 201ff. C o g n i t i o i m S t r a f- ihr Vater Almo (s. Bd. I S. 1589) sie gewarnt 
p r z e B Bd. IV S. 218ff. Indicium p u b 1 i - 30 batten. Zur Strafe raubte ihr der Gott in seinem 

cum Bd. IX S. 2499ff. Reciperatio Bd. I A Zorne die Sprache und libergab die Ungltickliche 

S. 405; vor allem 426f. [Walter Hellebrand.] dem Mercurius als Totengeleiter zur Abfiihrung 

Murrenses heifien die Bewohner des Lager- in die Unterwelt, wo sie die Nymphe der inferna 

dorfes des Kastells Benningen, gegeniiber der Ein- jtalus (v. 609f.) sein soUte. Der Gott tat ihr auf 

mtindung der Murr in den Neckar; die mcani M. dem Wege zum Totenreich Gewalt an, und sie 

weihten dem Vulcan einen Altar OIL XIII 6454 wurde durch ihn Mutter der lares, qui eompita 

(H a u g - S i X t nr. 323. R i e s e nr. 2179). Der servant (v. 6151). 

Name der Murr ist wahrscheinlich keltisch und Ovid identifiziert diese dea M., deren Natne 

vieUeicht zu lat. marSj got. marei, ahd. muor = durch die Sage erklart werden soil, mit einem 
Moor, Sumpf zu stellen, Holder Altcelt. Sprach- 40 der bestimmten, fiir die mater Larum iiblichen 

schatz II 657. S p r i n g e r Die FluBnamen Wilrt- Namen (neben Mania, s. Bd. XIV S. 11101, 

tembergs u. Badens 56. Die Romer fanden ohne Larunda s. Bd. XII S. 880, Lara, vgl. Tabe- 

Zweifel den keltischen Namen des Flusses schon ling 42), dem der dea Tacita (s. Bd. IV A 

vor und benannten vieUeicht das Kastell und das S. 19971; weitere Literatur bei Hoefer Myth. 

Lagerdorf danach. Infolge der giinstigen Lage an Lex. V 2). Diese wurde am 21. Februar, dem 

der Murrmtindung gewann das Lagerdorf bald Be- Tage der Feralia (s. Bd. VI S. 2206) als Ab- 

deutung und Ausdehnung, denn wir finden darin schluB der dies parentales durch ein Zauber- 

ein collegium peregrinorum GIL XIII 6453 und opfer, das nach Ovids beschreibender Darstellung 

6451 (H a u g - S i X t nr. 328 und 329. R i e s e gegen die bOse Zunge und den bosen Blick helfen 
nr. 2177 und 2178) und eine Vereinigung von 50 soUte {Jiostiles linguas inimicaque vinximus ora 

Schiffern CIL XIII 6450 (H a u g - S i x t nr. 330. v. 581 ; vgl. T a b e 1 i n g 74ff.), verehrt. Hierdurch 

R i e s e nr. 2176) und es hat nach den gefundenen sowie auch durch ihren Namen ist sie deutlich 

Resten sich iiber den Neckar hiniiber in das Murr- als Unterweltsgottheit und nach Ovids Sagen- 

tal hinein erstreckt, so daB es sich auch nach dem iiberlieferung als Larenmutter charakterisiert 

Hinausschieben des Limes nach Osten und der Das gleiche gilt infolge der Gleichsetzung bei 

Aufgabe des Lagers Benningen welter erhielt, Ovid auch ftir die dea M. Als Nymphe erwahnt 

wahrend benachbarte Lagerdorfer, wie Bockingen die dea Taeita auch Plut. Num. 8 in der Ver- 

und Walheim, eingingen. Schmacher Siede- bindung mit KCnig Numa, der viel mit Musen 

lungs- u. Kulturgesch. d. Rheinlande II 78. Hert- verkehrte, der besondere Liebling einer aus ihrer 
1 e i n Die Romer in Wiirttemberg I 65. Aus den 60 Schar, die er Tacita nannte und den ROmern zu 

hier angesiedelten Brittonen wurde nach 145 ein besonderer Verehrung empfahl (fA,lav Movoav idloyg 

numerus Brittonum Murrensium ausgehoben, der ?cal SiaqpeQovtcog idlda^s ospeo'&ac tovg 'PcofAalovg, 

in Bockingen stand, CIL XIII 6471 (Haug- Taxltav TtQoaayoQsvoag olov otcoTirjXTjv i] ivsdv. 

Sixt nr. 376. Riese nr. 1751), vgL Fabri- tJber iveog ==: ,sprachloSj stumm' vgl. Tabeling 

cius Die Besitznahme Badens durch die Romer 71, 4. Walde-Pokorny Vergl. WOrterb. der 

79; vieUeicht ist auch der Ziegelstempel Haug^ indogerm. Sprachen I 108). 

S i X t nr. 446. R i e s e nr. 1757, 4 auf sie zu be- Wi s s o w a Religion 2 235 (vgl. auch Abh. 

Ziehen, Hertlein 67. Selbst unter der aleman- 1401 Myth. Lex. I 9751), der die dea Taeita 



557 MutterrecM Mutterrecht 558 

als eine Indigitation der Larenta (uber die rich- Kind wird hier in den Hintergrund geriickt, und 

tige Namensform Larentina vgl. Tabeling 40f. die Beziehung von Mutter-Bruder und Schwester- 

42, 3. 73, 1) betrachtete, die mit der Larenmnt- kindern (sog. Avunkulat) tritt hier iiberall, vor 

ter nichts zu tun habe, sieht alles bei Ovid Er- allem im Erbgang, hervor. Der Vater ist in einer 

zahlte als ein Werk freier Phantasie an, obwohl streng mutterrechtlich aufgebauten Familie zwar 

vom Dichter ausdrticklich v. 584 antiqui senes der Erzeuger seiner Kinder, bleibt aber als sol- 

als Quelle seiner Erzahlung angeftihrt werden. cher rechtlich auBerhalb der Familie, gilt nur als 

Die Umgestaltung des Namens dea Tacita zu nachster und bester Freund seiner Kinder. Diese 

dea M., der Larenmutter, wird von Wissowa werden auch meist nicht nach dem Vater sondern 
als Erklarungsversuch Ovids fiir die ihm dunkle 10 nach der Mutter benannt, weil der Anteil der 

Gestalt der dea Tacita und die ganze Darstel- Frau am Kinde in dieser Sphare iiberbetont, der 

lung als willkiirliche Ubertragung einzelner Ele- des Mannes unterbetont, ja stellenweise direkt 

mente der griechischen Mythologie angesprochen. geleugnet wird. Es gibt auBerhalb des antiken 

Die Verbindung der dea M. mit Lara habe Ovid Kulturkreises, auf den — allerdings im weitesten 

hergestellt, ,weil in der an Familienbeziehungen Umf ang — die nachf olgende Skizze sich beschran- 

armen italischen Gottersage Larunda eine der ken wird, mutterrechtlich aufgebaute Volker, bei 

wenigen Gestalten ist, die als Mutter bestimmter denen die Vater ihfe eigenen Kinder gewisser- 

Gottheiten auftritt, so dafi es nahe lag, nach mafien ,verdienen* miissen, um sie wirtschaftlich 

dem fehlenden Vater Umschau zu halten, vor zu gebrauchen (E. Thurnwald Mutterrecht 
allem aber deshalb, weil der Name Lara — den 20 bei Ebert Reallex, VIII 1927, 360ff.). Die Stel- 

Ovid aus diesem Grunde willktirlich an Stelle lung der Frau ist unter den nach M. lebenden 

des sonst allein bezeugten Larunda setzte — zu Volkern stark begunstigt; manchmal (nicht iiber- 

der ganz in der Eichtung der ovidisehen Etymo- all) tritt auch eine groBere sexuelle Ungebunden- 

logien liegenden hellenisierenden Umdeutung in heit zutage. Streng zu scheiden ist zwischen M. 

Lala Gelegenheit bot und so einen guten Gegen- und Frauenherrschaft (Gynaikokratie) oder Mut- 

satz zu der ikf. dea abgab.' terherrschaft (Matriarchat). Von der Existenz des 

Demgegeniiber glaubte schon W. F. Otto M.s darf man niemals auf Gynaikokratie schlie- 

Wien. Stud. XXXV 67f. den Konstruktionen Ben, wie das Joh. Jak. Bachofen in seinen 

Wis so was unter Betonung der Gtiltigkeit der beriihmten Schriften zur Sache getan hat; iiber 
rSmischen Sagenform nicht folgen zu kOnnen. 30 diesen lange Zeit arg verkannten Verfasser von 

Jetzt hat Tabeling in der Bd. IVA S. 1998 ,Das Mutterrecht' (1861) vgl. noch ablehnend B. 

angekiindigten, oben angefiihrten Untersuchung D e 1 b r u c k Abh. Sachs. Ges. XXV, phil.-hist. 

uber die Mater Larum 73ff. diese abfallige Be- Kl. XI [1890] 387ff. 591ff., schon mehr ver- 

urteilung des dichterischen Schaffens von Ovid stehend E. Salin SchmoUers Jahrb. 1926, 839ff. 

unter Hinweis auf den ,Wert mythologischer und E. F e h r 1 e Bachofen und das Mutterrecht, 

tberlieferung der ROmer als Erkenntnisquelle Neue Heidelb. Jahrb. 1927, lOlff. So groB auch 

ftir das Wesen romischer Religion* mit guten der EinfluB der Frauen in manchen mutterrecht- 

Griinden abgelehnt und Wis so was Annahme lich aufgebauten Staaten gewesen ist, so darf 

von bewufiter Erfindung bzw. willkiirlicher tjber- von einer Frauenherrschaft in den allermeisten 
tragung griechischer Motive als unmOglich er- 40 Fallen nicht gesprochen werden, W. G. B e c k e r 

wiesen. Denn die Gleichsetzung dea Taeita — Platens Gesetze und das griech. Familienrecht 

dea M. — Larenmutter ist nicht willkiirlich, (1932) 29, 4. Das Matriarchat ist nur die auBerste 

sondern von Anfang an zu Recht bestehend. Konsequenz des M.s, ein Stadium, das hochst 

Auch die Tatsache, daB der Zauberhandlung, die selten erreicht wird. Auch Frauenregierung eines 

ausdrticklich gegen die bOse Zunge gerichtet ist, Staates besagt noch nichts fur besonders unab- 

und der von Ovid erzahlten Sage von der Be- hangige Stellung des Weibes. ,Politische Frauen- 

straf ung der schwatzhaften Lara dasselbe Motiv herrschaft und gesellschaftliche Frauenmacht sind 

von der Unschadlichmachung der bSsen Zunge zu- oft ganz verschiedene Dinge* (Thurnwald IV 

grunde liegt, ist fur die Echtheit der ovidisehen 93, vgl. auch VIII 70). 

Darstellung beachtenswert. Die Vorstellungen 50 Im Gebiet der vorantiken M.-V61ker ist oft 

der Sage stimmen deutlich mit denen uberein, mit M. die Geschwisterehe verbunden gewesen, 

die als notwendige Voraussetzungen der Kult- dartiber Kornemann Mitt. Schles. Ges. f. 

handlung anzusehen sind (Tabeling 81). Die Volksk. XXIV (1923) 17ff.; Die Stellung der Frau 

hier vorliegenden gleichen Grundvorstellungen in in der vorgriech. Mittelmeerkultur, ,Orient u. 

Sage und Kult bzw. das Entsprechen der Grund- Antike* IV (1927) 13H.; ja dies ist das eigentlich 

ziige der Sage mit wesentlichen Bestandteilen des Charakteristische fur diese M.-Volker gewesen, 

Kultes weisen auf einen echt rOmischen Kern der wahrend bei Primitiven oft gerade das Gegenteil 

Sage hin, die demnach mit Recht zur Erklarung der Fall ist, namlich die Meidung von Bruder 

der dea M. als einer Unterweltsgottheit und einer und Schwester (Thurnwald VIII 373). K - 
Erscheinungsform der Larenmutter wie dea Tacita 60schaker (Fratriarchat, Ztschr. f . Assyr. VII 

u. a. herangezogen werden darf. [Mielentz.] [XXI] 81) hat einen von Kornemann (Ge- 

Mutterrecht. Von M. sprechen wir bei all schwisterehe 35) ausgesprochenen Gedanken auf- 

denjenigen Volkern, bei denen die leibliche Ab- genommen und in hochst beachtenswerter Weise 

stammung von der Mutter und nicht von dem dahin weitergefiihrt, daB die Geschwisterehe in 

Vater die Grundlage der rechtlichen und gesell- diesen vorantiken mutterrechtlich aufgebauten 

schaftlichen Existenz eines Menschen darstellt, Familiensystemen vielleicht der erste Einbruch 

sog. Mutterfolge. Das Verhaltnis von Vater und des Vaterrechts gewesen ist. ,Denn in einer Fa- 



659 MutterrecM Mutterrecht 560 

milie, die den Vater ausschloB, mochte es ftir den im Osten), nach Zerschlagung der alt en Clanver-. 
Mann, abgesehen von dem Streben, die Sippe frei fassung in ,Gro6familien' zerfallend, mit dem 
von fremdem Blut zu halten, ein Weg sein, sich selbstherrlichen ,koniglichen Manne* an der Spitze, 
eine Familie zu grtinden, indem er sich mit der ,der iiber die freien und unfreien Menschen ge- 
Schwester verband. Er blieb dann als Vater in bietet, die zu seinem Hause gehoren* (v. W i 1 a- 
der Familie und erlangte Gewalt tiber Frau und m o w i t z Staat u. Gesellsch. d. Griechen^ 33), 
Kinder, allerdings nicht in seiner Eigenschaft sind vaterrechtlich organisiert und zeigen, zu- 
als Vater sondern als Bruder, durch die fratria nachst wenigstens, eine wesentlich sehlechtere 
fotestasy die hier an Stelle der fatria potestas Stellung der Frau. Im Tierbestand, in welchem 
erscheint* (daruber Weiteres u. S. 564). K o - 10 bis dahin der Stier (auch im Kulte) die hochste 
s c h a k e r tragt diese Hypothese ,unter den Stelle eingenommen hatte, tritt seitens der Neu- 
starksten Vorbehalten* vor. Sie ist aber sehr dis- zugewanderten an der Spitze jetzt das Pferd auf 
kutabel; wir haben bis heute keinen anderen (Kornemann Stellung der Frau 5, 3), zu- 
Ausweg fiir die Erklarung des Zusammenhangs nachst als Hauptzugtier des Streitwagens, dann 
von M. und Geschwisterehe, der alien Forschern auch als Keittier, wie der Esel im Bereiche des 
sofort aufgefallen war. von den Semiten im Orient eroberten Wohnrau- 
Die ethnologische Forschung hat auf der brei- mes (Ed. Meyer G. d. A. II 2^ [1931], 224. 
teren Grundlage, auf der sie diese Dinge betrach- Feist bei Ebert Keall. VI 57), das Pferd bald 
tet, gefunden, ,da6 sich gerade bei Volkern mit auch im Kulte der indogermanischen Volker fuh- 
sozialer Gruppenbildung oder Schichtung, also in 20 rend (grundlegend Malt en Arch. Jahrb. XXIX 
ho her organisierten Gemeinwesen, die mutter- 251ff., XL 156 m. A. 7). Auch hier sind es also 
rechtlichen Zustande ausgebildet haben. Sie sind ,Viehhalter', die neben der Viehhaltung friih- 
weder bei schweifenden Jagern und Sammlern, zeitig auch Ackerbau treiben, von denen die neue 
noch auch bei wandernden Eroberervolkern zu vaterrechtlich-patriarchalische Verfassung ihren 
treffen, sondern hauptsachlich bei solchen Hack- Ausgang genommen hat. ,Der Konig unter den 
bauern, die ein seBhaftes und trotz aller Kampfe Haustieren und der konigliche Mann im Haus- 
doch geordnetes und verhaltnismafiig wesen erscheinen gleichzeitig in Vorderasien und 
friedliches Leben fuhren* (T h u r n w a 1 d IV 85). am Mittelmeer* (Kornemann 6), wo bis da- 
Die vaterrechtlich-patriarchalische Herrschaft des hin Stierkult und M. iiber weite Gebiete ge- 
Familienoberhauptes dagegen geht von V5lkern 30 herrscht batten. Stier und M. geben der alteren 
aus, die durch Wanderungen und Raubunterneh- Kultur die Signatur, Pferd und Vaterrecht der 
mungen GroBfamilien, die mit Horigen und Skla- jtingeren. ,Europa auf dem Stier* ist das Sinn- 
ven ausgestattet sind, schufen; sie drticktennach bild der alteren Welt. 

Erbeutung und Versklavung fremder Frauen auch Ein Blick auf die raumliche Ausdehnung der 

die Stellung der eigenen Frau herab, wobei sehr oft alten M.-V6lker soil vorangehen. Es ist hochst 

auch der gesonderte Giiterbesitz der Manner fiir wahrscheinlich, daB diese Unterschicht, die ,Sub- 

die Frau positionsverschlechternd wirkte. ,H6chst stratsvolker*, wie wir sie nennen woUen, ethnisch 

wahrscheinlich ging diese Bewegung von V i e h- keine Einheit gebildet haben, ohne daB wir den 

h a 1 1 e r n aus und verpflanzte und iibertrug sich Beweis fiir diese Behauptung heute schon erbiin- 

von da aus auf andere (d. h. auch Bauern-) 40 gen konnten. Aber die Tatsache, daB sowohl der 

Stamme* (so Thurnwald IV 90, vgl. VIII nordafrikanische (libysche) Kulturkreis mit 

376. X 52). Diese aus der Betrachtung der pri- Agypten als Hauptvertreter wie der vorder- 

mitiven, aber auch mancher fortgeschritteneren asiatisch-siideuropaische, der in Kleinasien 

Volker der gesamten Erdoberflache gewonnenen und K r e t a seine Mittelpunkte hat, endlich Telle 

allgemeinen Satze erhalten durch die nachf olgende des westeuropaischen Gebietes mit S p a n i e n 

Behandlung des M.s bei den vor den Indoger- als Zentrum und Hauptausstrahlungsgebiet dazu 

manen und Semiten im mittelmeerisch-vorder- gehort haben, zeigt von feme wenigstens, wie 

asiatisch-afrikanischen Wohnraum. seBhaft ge- ausgedehnt und zugleich wohl ethnisch differen- 

wesenen Volkern und, seiner Ablosung durch die ziert diese afrikanisch-asiatisch-europaische Vol- 

vaterrechtlichen Einrichtungen der genannten 50 ker-Unterwelt zusammengesetzt gewesen ist. Wer 

Neuvolker, die in Ost und West dann iiber die M. studieren will, muB diese vor indogerma- 

alte Substratsbevolkerung seit ca. 2000 v. Ghr., nischen und vor semitischen Volker aufsuchen; 

stellenweise wie in Kleinasien (Hethiter) auch denn nur hier kann er das Phanomen erfassen 

schon friiher, geschichtet wurden, im allgemeinen und die vielfachen von hier aus bei den Neu- 

ihre Bestatigung. Die Vorvolker (nicht ,Ur*- volkern verbliebenen Uberlebsel verstehen lernen. 

volker, mit welcher Bezeichnung man sparsamer Vorausgeschickt sei der folgeuden Ubersicht 

umgehen soUte), wo wir sie in Nordafrika, Vor- uber die Substratsvolker eine Bemerkung iiber 

derasien und in Europa erfassen konnen, stehen, eine neuere Richtung der linguistischen Forschung, 

als die neuen Volker ankamen, auf einer sehr welche zwischen die alte (vorindogermanische) 

hohen Kulturstufe, am hochsten vielleicht in 60 und die neue (indogermanische) Bevolkerung eine 

Kreta. Sie fiihren offenbar ,ein seBhaftes und eigenttimliche Zwischenschicht vermutungsweise 

trotz aller Kampfe doch geordnetes und v e r - einschiebt. Kretschmer Glotta XIV 300ff ., 

haltnismaBig friedliches Leben*. Beweis der Urheber dieser Arbeitshypothese, nennt diese 

z. B. in JS:reta das Fehlen von Befestigungen um Zwischenschicht ,protindogermanisch'. Nach seiner 

die Stadte und die Herrensitze. Die einwandern- Ansicht ist der Indogermanisierung Siideuropas 

den, auf Raub ausgehenden Neuvolker (Indo- und Kleinasiens ein VorstoB einzelner indogerma- 

germanen im Norden und Westen und Semiten nischer Stamme oder Schwarme vorhergegangen, 



561 MutterreGht Mutterrecht 562 

der sein Ziel noch nicht erreicht hat. Er ist alter halten. Stark und in eigenttimlicher Weise sind 
als die alteste wirklich von Erfolg gekronte indo- auch I r 1 a n d und Schottland mit den 
germanische Einwanderung, diejenige der H e - Gebrauchen und Sitten der Vorbevolkerung 
t h i t e r in Kleinasien, die unzweifelhaft f ruber (Pikten) durchsetzt. Fiir die alte Westwelt ist 
erf olgt ist, als die der sudeuropaischen Indo- richtig die Bemerkung von C. Schuchhardt 
germanen in ihre spatere Heimat. Nach Kretsch- (Die Antike IX 310): ,Es zeigt sich jetzt, wo in 
m e r hat dieser protindogermanische VorstoB S p a n i e n, in England und Irland archaologisch 
in der Sprache der noch alteren unvermischten eifrig gearbeitet wird, von Jahr zu Jahr deut- 
Vorbevolkerung bereits Spuren hinterlassen; er licher, daB ein alter vorindogermanischer Kultur- 
nennt dieselben ,indogermanoide* Element e in 10 gurtel von GroBbritannien liber Frankreich und 
den alteren Sprachen. Wieweit aber dieser alteste Spanien durchs ganze Mittelmeer sich um Mittel- 
indogermanische VorstoB, wenn er historische europa legt. Iberisch-ligurisch-pelasgisch wird 
Realitat besitzt, auch auf die Kultur der Alt- man ihn nennen diirfen.* Ganz eigentiimlich 
bevolkerung eingewirkt hat, ist noch nicht unter- liegen die Verhaltnisse in 1 1 a 1 i e n. Hier gab 
sucht und bleibt daher hier noch unberiicksichtigt. es vor der Einwanderung der indogermanischen 
Wir geben, unbekiimmert darum, hier nur eine Italiker auch eine Altbevolkerung, im Norden 
tJbersicht uber die alte vorindogermanische Be- und in der Mitte vielleicht verwandt mit den 
volkerung. spater nur noch um den Golf von Genua herum 
Im libyschen Kulturkreis ist durch die und in die Provence hinein sitzenden Ligurern, 
semitische Hberschichtung Agyptens mancherlei 20 die aber ihrerseits jetzt als indogermanisch so 
von den alten libyschen, auch hier greifbaren gut wie erwiesen sind, Vetter o. Bd. XIII 
mutterrechtlichen Zustanden zugrunde gegangen S. 525ff.; GlottaXX42 (hier die neuere Literatur). 
(iiber den libyschen Untergrund in Agypten vgl. Im ubrigen aber ist die Geschichte Italiens und 
den vorziiglichen Aufsatz von G. Moeller Siziliens dadurch mit einer besonderen Kurve 
ZDMG LXXVIII [N.F.III] 36ff.). In Vor der- versehen, daB erst um das J. 1000 v. Chr. Split- 
as i e n hat in Siidbabylonien die Einwanderung ter der Vorbevolkerung Kleinasiens in Gestalt 
der Sumerer das durch die Ausgrabungen von Ur der E t r u s k e r in zwei Wellen (F. S c h a c h e r- 
und Uruk deutlich bereits greifbar gewordene meyr Etrusk. Frtihgeschichte 1929, dazu P. 
dortige Vorvolk (subaraischen Ursprungs?, V. Kretschmer Glotta XX 219ff.) und der 
Christian Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien LVIII. 30 E 1 y m e r (M a 1 1 e n Arch, f . Eel. XXIX 25ff.) 
Delaporte Die Volker des antiken Orients in das langst indogermanisch besiedelte West- 
Ill [1933] 178) iiberschichtet und seine soziale land hereingekommen und zu Herrenvolkern, das 
Gestaltung fiir uns schwer erfafibar gemacht. Die eine in Italien, das andere in Westsizilien, ge- 
Sumerer ihrerseits sind Qstlicher (indischer?) worden sind. So haben wir hier die merkwtirdige 
Herkunft und ganz anderer Basse als die Alt- Tatsache, daB Substratsvolker der Ostmittelmeer- 
bewohner des nordlich von Siidbabylonien ge- zone im Westen in friihhistorischer Zeit noch 
legenen Landes E 1 a m mit der Hauptstadt Susa, einmal ti b e r gelagerte Volker geworden sind, 
wo wir nach der neueren Forschung bei den dor- allerdings nicht ohne starke Italisierung (Etrus- 
tigen ,Hallastammen* (dariiber F. W. K 6 n i g ker) und Graezisierung (Elymer) seitens der hier, 
Gesch. Elams, Der alte Orient XXIX 4 [1931] 6) 40 und nur hier, zur tJ n t e r schicht gewordenen 
in M.-Gebiet eintreten. Weiter nordlich wohnten Indogermanen. 

einst ebenfalls Vorvolker aus derselben Schicht, Am Kretertum, dem vornehmsten Sub- 

deren Reste heute noch imKaukasus korper- stratum im spater griechisch gewordenen Ost- 

lich und sprachlich f ortleben. Als ein gewaltiges mittelmeerbecken, und am Etruskertum, 

Volkerreservoir alter Rassen erweist sich immer dem versprengten Stiick altanatolischen Volks- 

mehr Kleinasien, an welchem die moderne tums auf dem italischen Boden im Westbecken, 

Forschung linguistisch zum erstenmal diese Sub- konnen wir heute, vor allem auf Grund der Bo- 

stratsmasse erf aBt und als nicht indogermanisch denf orschung, am eingehendsten auBerhalb Agyp- 

und nicht semitisch erwiesen hat (grundlegend tens und Kleinasiens die dem M. ehemals unter- 

die Forschungen von P. Kretschmer, vgl. 50 worf enen Volker des Mittelmeergebiets und ihre 

jetzt E. Forrer ZDMG LXXVI [1922] 17fE. Brauche studieren. Wer einmal den Wandmale- 

Ed. Meyer S.-Ber. Akad. Berl. 1925, 244ff., reien aus den kretischen Palasten im Museum 

zum groBten Teil wiederholt G. d. A. II 12 [1928] von Candia gegeniibergestanden hat mit ihren 

3ff.; endlichE. A. Speiser Mesopotamian origins, Massenszenen, in denen die Frau bei den ver- 

The basic population of the Near East 1930). schiedensten Gelegenheiten gleichberechtigt neben 

Dieser Teil ist im Osten auch am friihesten (d. h. dem Manne in der Offentlichkeit erseheint, oder 

schon im 3. Jahrt.) indogermanisch Iiberschichtet dieDarstellung einzelnerFrauen aus der damaligen 

worden. Was Kreta und Griechenland vornehmen Gesellschaft mit ihren raffinierten, 

betrifft, so sind die kleinasiatisch-karischen Vol- ganz modern anmutenden Toiletten bewundert 

ker oder, wie in Kreta, entfernte Verwandte von 60 hat, wer die hohe Bedeutung der Frau im Glau- 

ihnen, ehemals auch im europaischen Teil der ben und im Kult jener Volker an der Hand des 

Agais seBhaft gewesen. Ebenso wohnten durch archaologischen Materials sich klar gemacht hat, 

das tibrige Siideuropa und durch West- wer auf den Wandmalereien des Stackelberggrabes 

europa hindurch ehemals andere Volker als in von Corneto vornehme Frauen und Madchen der 

der historischen Zeit. Auch hier hat ein Gebirge, Etrusker mit Spannung den Wettspielen ihrer 

die Pyrenaen, in Gestalt der Bask en einen Sohne und Briider zuschauen (Weege Etrusk. 

Restbestand davon in Spanien bis heute er- Malerei [1921] 60 mit Beilage II) und in Kreta 



563 Mutterrecht Mutterrecht 564 

gar Frauenselber bei den religiosen Stierspielen Mittleren Reiches ist der Erbe nicht der Sohn des 

Oder sonstigen gymnastischen Veranstaltungen Fiirsten, sondern der Sohn seiner altesten Toch- 

in der Tracht der Manner (Lendenschurz) und ter (dies nach G. E. o e d e r bei Ebert Reall. VIII 

das Haar kurz geschoren aktiv sportlich mitwir- 380). Nikolaos von Damaskos (frg. 103 m Jac. II) 

ken gesehen hat, dem ist es klar geworden, da6 berichtet von denbenachbarten Athiop en: ,Sie 

hier eine andere Welt lebendig gewesen ist, wie lieben am meisten ihre Schwestern, und die Ko- 

diejenige der spateren klassisch-griechischen Zeit, nige des Landes hinterlassen die Konigsherrschaft 

wo es jeder griechischen Fran auBer der Prie- meist nicht i h r e n Sohnen, sondern denen ihrer 

sterin der Demeter Chamyne von Elis bei Todes- Schwestern. Nur wenn ein solcher nicht vorhan- 
strafe verboten war, 'den Wettkampfen der nack- 10 den ist, wahlen sie den schonsten und streitbar- 

ten Manner in Olympia zuzuschauen, oder wie sten aller Manner zum Konig.* Fiir die libyschen 

diejenige in Italien, in der das Wort mulier M.-Gebiete ist wieder Herodot nach Hekataios 

taceat in ecclesia gepragt worden ist (S c h r a - unser Hauptzeuge (IV 168f£.), vgl. dazu G. M o e 1- 

der Sprachvergl. u. Urgesch. 11^ 367. Weege ler Die Agypter und ihre libyschen Nachbarn, 

60. Kornemann Stellung der Frau lOi). ZDMG N.F. Ill (1924) 55fE.: bei den Konigen 

Die Alten hatten noch eine Vorstellung von von Tenerifa (Kanarische Inseln) war noch lange 

den mutterrechtlichen Verhaltnissen, die der alte- die Geschwisterehe tiblich (59). Ein besonderes 

ren Gesellschaftsordnung zugrunde lagen. Was Gewicht wird auch in Elam, wo Geschwister- 

die kleinasiatischen Zustande betrifft, so ehe im Herrscherhaus anzunehmen ist (von 

ist unser altester Zeuge hier Herodot. Er erzahlt 20 hier haben die Perser diese Sitte rezipiert), auf 

von den lydischen Madchen (I 93), dafi sie sich die Abstammung von der Mutter gelegt (grund- 

selbst verheiraten, nicht wie unter vaterrecht- legend: F. W. Konig Mutterrecht und Thron- 

lichen Verhaltnissen vom Vater oder seinem Stell- f olge im alten Elam, Festschr. Nat.-Bibl. Wien 

vertreter verheiratet werden. Noch eingehender 1926, 529ff.). In dem scharf ausgepragten Thron- 

spricht sich derselbe Forscher iiber die Lykier folgerecht der Dynastie herrscht das Erbrecht des 

aus (I 173): ,Ihre Sitten sind zum Teil kretisch, Bruders. Als einmal der jungere Bruder vor dem 

zum Teil karisch. Eine ganz besondere Gewohn- alteren gestorben ist, geht das Erbe auf den 

heit aber haben sie, die sonst kein anderes Volk altesten Sohn des altesten Bruders, bzw. dessen 

hat. Sie benennen sich nach der Mutter und nicht Bruder, in Ermangelung solcher auf 'den altesten 

nach dem Vater. Denn wenn ein Lykier den 30 Sohn des jtingeren Bruders iiber, Koschaker 

anderen fragt, wer er sei, so wird er sein Ge- Fratriarchat 5 Iff., der aber darlegt, dafi diese 

schlecht von der Mutterseite angeben und seiner ,fratriarchale' Familienverfassung wohl nur in der 

Mutter Mutter herzahlen', dazu Nymphis bei Herrscherfamilie anzunehmen ist, da die susischen 

Plut. de mul. virt. 9 p. 248 D. und Nikolaos Urkunden fiir die biirgerliche Gesellschaft nichts 

von Damaskos frg. 103 K. Jac. II: ,Die Lykier Ahnliches aufweisen; vielmehr scheint hier das 

ehren die Frauen mehr als die Manner und Patriarchat mit Sohneserbrecht schon durch- 

nennen sich nach der Mutter. Auch hinter- gedrungen zu sein. Dieser Forscher hat das fra- 

lassen sie ihre Erbschaft den Tochtern und triarchale Familiensystem dann zum erstenmal 

nicht ihren Sohnen', vgl. S z a n t o Zum lyki- nach alien Richtungen und an alien Orten, wo 

schen Mutterrecht, Ausgew. Abh. hrsg. von Swo- 40 wir es bis jetzt beobachten konnen, verfolgt (9ff.). 

boda 1906, 136ff. A. B. Mulier Wien. Stud. Einem solchen System ist im Gegensatz zum 

XXVIII 330ff. In Karien ist seit uralter Zeit mit pater familias der hater, und zwar einer GroB- 

M. die Geschwisterehe verbunden, sicher im Fiir- familie, die urspriinglich in Hausgemeinschaft 

stenhaus (Arrian. anab. I 23, 7). Danebenher lebte, als Haupt eigentiimlich, und das Verhaltnis 

geht die Thronberechtigung der Schwestergemah- des Ehemanns auch zur exogamen Frau gilt hier 

lin im Falle des Todes des Brudergemahls Strab. als Bruder-Schwesterschaft, d. h. auch die fremde 

XIV 658, J u d e i c h Kleinas. Stud. 248, 1. Es Frau kann nur als S c h w e s t e r in die Ehe- 

scheint, daB auch hier das Erbrecht iiber die Frauen gewalt ihres Mannes kommen, ahnlich wie spater 

ging (Kornemann Geschwisterehe 31). Der in den hellenistischen Konigsfamilien, in denen 

Geschwisterehe begegnen wir auch im altesten 50 die Geschwisterehe iiblich war, die Konigin auch 

Agypten und nachmals wieder im ptole- dann als Schwestergattin bezeichnet wird, wenn 

maischen Konigshaus, hier aber in Nachahmung sie aus einer anderen Familie stammte (K o r n e- 

der Geschwisterehen im persischen Konigshaus mann Stellung der Frau 52f.). 

(Kornemann Stellung der Frau 13ff. und Die Bruderfolge findet sich auch in den Herr- 

u. S. 569). In Agypten sind noch andere Rest- scherfamilien der nichtarischen P i k t e n in Bri- 

bestande mutterrechtlicher Erscheinungen zu be- tannien (Kornemann ebd. 28ff. auf Grund 

obachten, so z. B. daB die Frau ihren Gatten der wertvoUen Forschungen von H. Zimmer. 

wahlt (auch in dem griechischen Papyrus vom Koschaker 81, 1), die (Zimmer Ztschr. 

J. 172 V. Chr. Kornemann-Meyer Pap. Sav.-Stift. Rom. Abt. XV 218f.) nach M. lebten, 

Giss. I 1 nr. 2, wo ein Angehoriger der ptole- 60 wie auch das in Irland noch spater auftretende 

maischen Territorialarmee, Antaios aus Athen, Anrecht der Kinder auf die Beerbung des miitter- 

von einer Makedonierin, Olympias, geheiratet lichen Eigens, sogar dem Vater gegeniiber, be- 

wird: k^sboxo eavzrivX) und ihre Kinder erzieht. weist (Thurnwald Ebert Reall. IV 89). Die 

Auch wird in , Agypten dem Namen des Kindes Brudererbf olge hat sich dann auch in den angel- 

gern derjenige seiner Mutter hinzugesetzt und sachsischen Konigreichen des 8. — 10. Jhdts. er- 

oft auch die Namensfprm des Sohnes nach dem- halten (Koschaker 68ff.). Mit Irland steht seit 

jenigen der Mutter gewahlt. Noch im Adel des unvordenklichen Zeiten die Westkiiste Frank- 



565 Mutterrecht Mutterrecht 666 

X e i c h s und Spaniens in engster Verbin- Die Grundung ihres auBerromischen, am 4. Mei- 

dung. Fiir letzteres Land berichtet Strabon (III lenstein der Via Latina gelegenen Heiligtums 

p. 165 C) von den Kantabrern, daB diese nur ihre wurde auf die Bedrohung Roms durch Coriolan 

Tochter zu Erben einzusetzen pflegten, die ihrer- zuriickgefiihrt, ,die der Sage nach etwa in der 

seits ihre Brtider verheirateten. Kurz vorher ist Gegend des Tempels durch das Eingreifen der 

von der Tapferkeit der kantabrischen Manner Frauen unter der Fiihrung der Mutter und der 

und Frauen die Rede, und es wird dann die Gattin des Angreif ers abgewendet worden war* 

Sitte der Couvade (des ,Mannerkindbetts') er- (Wissowa 257ff.)> ^^^^ diesen Rest von Frauen- 

zahlt, als sei es eine keltische Sitte. Aber dieser hilfe im Kampf vgl. u. Z. 50ff. Bei alien Italien 
seltsame Branch ist sicher^ wie so viele, v o r - 10 betreffenden Frauenerzahlungen bleibt allerdings 

indogermanisch. Denn er findet sich schon bei den vielfach oft unlosbar, wieweit voritalische tTber- 

Basken, in schottischen und irischen Gegenden, lebsel oder etruskische Zubringsel aus der ost- 

im fruhmittelalterlichen franzosischen Epos lichen M.-Sphare vorliegen. Die Etrusker erschei- 

jAucassin und Nicolette' (Thurnwald Ebert nen als Vertreter der alteren Ehe- und Frauen- 

Reall. VIII 22ff.), dann vor allem auf Inseln, die sitten in dem beruhmten Fragment des Theopomp 

Altes infolge ihrer Abgeschlossenheit gem langer (II B 577 nr. 204 Jac), dessen tTbertreibungen 

bewahren, so auf den Balearen, welter bei den bis zu einem voUendeten Weiberkommunismus 

Korsen (Diod. V 14 aus Timaios); aber nicht nur langst erkannt sind: G. Koerte Bd. VI 

hier im Westgebiet, sondern auch im Osten des S. 754. Pohlmann Gesch. der soz. Frage IP 

M.-Raumes kommt die Couvade vor, so bei den 20 256H.; dazu e r t e 1 ebd. 582. K a z a r o w Ri* 

Albanern auf dem Balkan (N. J o k 1 Ebert Reall. Stor. ant. VI 1906, 501 ff. K o r n e m a n n Stel- 

I 93), bei den Tibarenern im Pontosgebiet (Schol. lung der Frau 35f ., der mit H. Z i m m e r darin 

Apoll. Rhod. II 1011. Plut. de prov, Alex. 10. die Unfahigkeit jiingerer vaterrechtlich denken- 

Ed. Meyer G. d. A. I P, 25. S c h r a d e r Die der Schriftsteller sieht, den mutterrechtlich orga- 

Indogermanen 1919, 56f.), endlich sogar in In- nisierten Volkerschaften gerecht zu werden. Die 

dien (R. Schmidt Liebe und Ehe in Indien Tatsache, daB auf etruskischen Grabinschriften 

530ff.), d. h. in demselben Gesamtraum, in wel- der Muttername allein oder an erster Stelle und 

chem wir auch dem M. begegneten. Die Sitte ist nur ausnahmsweise der des Vaters angegeben ist, 

vielleicht auch wie die Geschwisterehe (dariiber ist vielleicht aus mutterrechtlichen Zustanden zu 

o. S. 558) ein Ergebnis des tJbergangs zu vater- 30 erklaren, laBt aber auch andere Erklarungsmog- 

rechtlichen ZustandeUj insofern (nach Bach- lichkeiten zu, vgl. Wenger Misc. Ehrle II 

of en) der Vater dadurch bestrebt war, seinen [1924] 11 unter Beniitzung von Hinweisen G. 

Anteil an dem Kinde vor der Welt f estzustellen Herbigs, Kornemann Stellung der Frau 

(so auch Ed. Meyer a. 0., eine andere Erkla- 36. 99. 

rung als ,Vorbildzauber* bei Thurnwald 23). Diese kurze tJbersicht iiber die hierher gehori- 

Hervorzuheben ist noch, daB die ganze Epoche gen Zustande einzelner Volker zeigt, daB wir uns 

und der gesamte Raum des M. in Europa und vor dem Erscheinen der Indogermanen und Se- 

Vorderasien mit einem starken Hervortreten des miten im Mittelmeergebiet in einer mutterrecht- 

Weibes auch in der gottlichen Sphare und im lichen Welt bewegen, in der die Frau eine ganz 

Kult dieser Frauengottheiten bei fast alien be- 40 andere Stellung in Familie, Staat und Gesellschaf t 

handelten Volkern zusammengeht. Eine Frauen- innegehabt hat als spater. Sie war die schwester- 

gottheit ist an manchen Stellen die oberste Gott- liche Gefahrtin des Mannes im Leben und bei der 

heit in der vorindogermanischen Gotterwelt. Der Arbeit, war nicht nur die Gebarerin, sondern 

Mutter-Erde-Kult hat vielleicht doch in letzter auch die Erzieherin der Kinder, denen sie ihren 

Linie dort seine Wurzel (Einwendungen dagegen Namen gab und die sie beerbten. Sie war im Sport 

bei F a r n e 1 1 Arch, f . Rel. VII 70ff . und bei gleichberechtigt mit dem Mann, stand — wenig- 

F ehrle N. Heidelb. Jahrb. 1927, 115ff.; vgl. stens in Kreta in den hoheren Schichten — ge- 

auch V. Wilamowitz Gl. d. HeU. I 202ff.). sellschaftlich auf einem sehr hohen Niveau und 

Sicher geht der Kult der Magna mater (Kybele) war stellen weise auch am Staate, ja sogar am 

und derjenige der Artemis von Ephesos in die 50 Kriege aktiv beteiligt. Die griechischen Ama- 

karisch-kleinasiatische Epoche zurtick, ebenso die zonensagen i stammen aus dieser Welt und zeigen 

alteste weibliche Hauptgottheit in Kreta, ,die sowohl bei den kleinasiatischen wie bei den liby- 

Herrin der Tiere* (v. W i 1 a m o w i t z Gl. d. schen Volkern eine altere Realitat, in der die 

HelL I 122ff.), und die Vorlaufer zahlreicher De- Frau selbst im Waffenhandwerk aktiv mitwirkte 

meterkulte in Griechenland. Aus Italien gehort (grundlegend der der Forschung vorauseilende 

hierher Mater Matuta, der das Fest der Matralia Art. von J. Toepffer Bd. I S. 1754ff.; dazu 

geweiht war (11. Juni), eine Festfeier der Ma- Rostowzew Le culte de la grande d^esse 

tronen noch in historischer Zeit. Bezeichnend ftir dans la Russie merid., Rev. et. gr. XXXII [1919], 

ihr Alter ist: sie empfing von seiten ihrer Glau- 469ff. Kornemann Stellung der Frau 39ff. 

bigen ein Gebet, in welchem man zuerst der 60 Thurnwald Ebert Reall. IV lOlf. mit Hin- 

Schwesterkinder und dann erst der eigenen ge- weisen auf alte Amazonenstaaten im Kaukasus und 

denken durfte, wozu G. Wissowa (Religion^ [nach chinesischen Quellen] im Gebiet des Kaspi- 

11 Of.) bemerkt: ,wohl eine Erinnerung an eine schen Meeres). Auch wo die aktive Beteiligung 

vorzeitliche, von der spateren abweichende Auf- am Kampfe nicht mehr nachweisbar ist, lernen 

fassung des Verwandtschaftsverhaltnisses'. Auch wir eine merkwtirdige Frauenhilfe fiir die kamp- 

eine zweite Frauengottheit aus Italien, die For- fenden Manner kennen, und zwar fast gleich- 

tuna Virgo oder Muliebris, zeigt Altertumliches, lautend bei den Persern unter Kyros in der Ent- 



567 Mutterrecht Mutterrecht 568 

scheidungsschlacht mit den Medern (Trogus-Iusti- gesch. Grundlagen der Eingdichtungen R. Wag- 

nus I 6, 13ff.), in der lykischen Bellerophontes- ners^ 1909, 46. B runner und Roethe bei 

sage (Plut.de virt. mul. 9; grundlegend iiber Bel- Mommsen Zum alt. Strafrecht 56.65. 0. Schra- 

lerophontes M a 1 1 e n Arch. Jahrb. XXXX 121ff.) der Reall. 912. W i 1 d a Das Strafrecht der Ger- 

sowie in einer Erzahlung des irischen Cuchulinn- manen 1842, 855ff. Sonstige mutterrechtliche Rest- 

Sagenkreises (H. Zimmer Ztschr. Sav.-Stift. bestande kommen auch auf anderen Gebieten in 

Rom. Abt. XV 239), am besten darstellbar mit Kleinasien und im jiingeren Griechenland vor. 

den Worten des lustinus: pulsa Persarum acies In der altphrygischen Erezastes-Inschrift glaubt 

cum paulatim cederet, matres et uxores eorum R. Meister Ber. Sachs. Ges. LIII(1911)II24 
obviam oecurrunt, orant in proelium revertan- 10 eine Angabe der Abstammung des vornehmen 

tnr, cunctantibus sub lata veste ob scena Phrygers Vrekyn in drei Generationen nach den 

corporis ostendunt rogantes, num in Miittern gefunden zu haben. Doch ist die Deu- 

uteros matrum vel uxorum vellent refugere, Auch tung der Inschrift nach G. H e r b i g (bei W e n- 

hier wieder ein Motiv, das im auBersten Osten ger Misc. Ehrle II 1924, 8, 2 und nach mund- 

und im auBersten Westen des alten M.-Gebiets licher Mitteilung) ,in wesentlichen Punkten min- 

uns entgegentritt und daher wohl mit M. irgend- destens noch unsicher*. Dagegen wird auf einer 

wie) zusammenhangt. Die Vorstellung von der vonder InselKos stammendenNamenliste (Paton- 

Macht des entbloBten MutterschoBes ist offenbar Hicks Inscr. of Kos 368 = SGDI III 3706) 

uralt (Material hierzu bei 0. J a h n S.-Ber. Sachs. ftir die Teilnehmer an einem Opf erkult dem des 
Ges. 1855, 93. Kornemann Stellung d. Frau 27. 20 Vaters stets noch derjenige der Mutter beigefiigt 

82) und lebt wie bei den Persern so auch bei den und nur bei dieser die Ahnenreihe bis zum drit- 

Spartanern in der historischen Zeit weiter (vgl. ten oder vierten Glied angegeben, was man auf 

Plut. Lacaen. apothegm. 241 B von der Lakedai- die ehemalige karische Bevolkerung der Insel zu- 

monierin, die ihre aus der Schlacht geflohenen riickgefiihrt hat, R. H e r z o g Koische Forsch. u. 

Sohne schilt: dvaavQa/j,evr] Hal imdsl^aaa avxolg Funde 1899, 183ff. ANeppiModonaL' isola 

xYiv Kodlav) in abgeschwachter Form auch bei di Coo, Memorie dell' istituto stor.-arch. di Rodi 

den Romern (s. o. S. 566 das aus der Coriolansage I (1933) 59f. Dieselbe Deutung wird bei einer 

Mitgeteilte) und bei den altesten Germanen Nachricht der Alten (Aristoteles bei Polyb. XII 

(Tac. Germ. 8, 1), wo allerdings nur von Ent- 516) von ganz anderer Stelle nahegelegt. Hiernaeh 
bloBung der Brust beim Zuriickweichen der 30 habe der Adel ,der hundert Hauser* in Lokroi 

Manner in der Schlacht die Rede ist. Epizephyrioi seine Abstammung auf Grund der 

Damit sind wir bei den Uberlebseln der alten weiblichen Linie hergeleitet. T e p f f e r (Att. 

mutterrechtlichen Sitten und Brauche unter den Geneal. 195) bemerkt dazu: ,Da die beste Dber- 

neuen vaterrechtlich organisierten Volkern ange- lief erung des Altertums die Leleger als Vorf ahren 

kommen, einem Kapitel, das unerschopflich ist, der Lokrer betrachtet, so wird man auch in die- 

und aus dem nur einiges noch mitgeteilt sei. Vor sem Falle den Ursprung dieser Einrichtung an 

allem ist sehr oft in den mythischen Vorstellun- der Siidwestkiiste Kleinasiens zu suchen haben, 

gen der jiingeren Volker der Niederschlag der wo die frlihesten Wohnsitze dieses dunklen Volks- 

alteren Kultur erhalten. So ist die Geschwister- stammes ubereinstimmend angenommen werden* 
ehe allein bei den Persern im Konigshaus (auch 40 (vgl. dazu A 1 y Philol. LXVIII 428ff . und 1 d - 

hier zur Reinerhaltung der Rasse, wie bei Vieh- father Bd. XIII S. 1181f. 1257fE,). Nach Po- 

ziichtern verstandlich, H u s i n g Mitt. d. Anthro- lybios an derselben Stelle, wieder im AnschluB 

pol. Ges. Wien LX 24), dagegen bei den tibrigen an Aristoteles, wird das Amt eines (piaXf}q>6Qog 

Indogermanen nur in der Gotterwelt konserviert. in Lokroi von Jungfrauen, dia trjv ano rwv yvvat- 

Bei den Griechen leben Zeus und Hera in Ge- kwv evyeveiav, bekleidet. Anspielungen auf eine 

schwisterehe, Hom. II. XVI 432. XVIII 356 (ku- hohe Position lokrischer Frauen auch bei Pindar 

aiyvi^rrj aloiog rs). Nach XIV 296 hat Hera (Pyth. II 18f.); weiter hervorragende Stellung 

diese Ehe ohne Vorwissen ihrer Eltern geschlos- der Frau in der lokrischen Schopfungssage mit 

sen. Hephaistos, beider Sohn (II. XIV 338), steht Pandora, ,der Mutter der Menschen*, an der Spitze. 
Hera viel naher als Zeus und wird in der altesten 50 Nossis aus Lokroi (Anth. Pal. VI 265) gibt den 

Form der Sage, weil er ein Kriippel ist, von der Namen ihrer GroBmutter neben der Erwahnung 

Mutter und nicht, wie das bei vaterrechtlich orga- ihrer eigenen Mutter, nicht aber den ihres GroB- 

nisierten Volkern die Regel ist, vom Vater aus vaters. Auf einer lokrischen Vase ist ein Mad- 

dem Olympos geworfen. Seiner Herkunft nach chen im Gymnasium dargestellt mit einem knap- 

ist Hephaistos bekanntlich ein vorgriechischer pen Stuck Kleidung um die Lenden, Oldfather 

karischer Oder lykischer Gott (Malten o.Bd. VIII Bd. XIII S. 1345ff. 1349. 

S. 326) und hat mutterrechtliche Anschauungen tfher mutterrechtliche Rechtsbestande in der 
mit in den griechischen Olympos gebracht, so Ehe und Erbf olge bei den Germanen J. F i c k e r 
richtig J. H. Thiol Klio XIV 384f. Beztiglich Unters. zur Rechtsgesch. Ill 1896, 449ff. u. V 1, 
sonstiger Anspielungen auf Geschwisterehen bei 60 (1902) 70ff. H. Meyer Friedelehe und Mutter- 
Homer und Hesiod z. B. Alkinoos-Arete, vgl. recht, Ztschr. Sav.-Stift. Germ. Abt. XLVII 224S. 
KunstBerLPhiLW. 1920 nr.3„64ff. Geschwister- L 368f, LII 2761 369f., der auch hier Mutter- 
ehe zwischen Okeanos und Tethys nimmt Aku- rechtliches zu finden glaubt (vgl. XLVII 242f. 
silaos (GeneaL frg. 1 Jac. I 49) an. Und wie bei 27 If. 278); dagegen Koschaker Fratriarchat 
den Griechen steht es auch bei den Germanen; 88f.; zu der beriihmten Stelle bei Tac. Germ. 20 
tiber Geschwisterehe im germanischen Mythos sororum Hliis usw. vgl. S. Feist Ebert Reall. 
(Sigmund und Signy) W. Golther Die sagen- IV 288. Doch zurtick zu den Griechen: Der Fluch, 



569 Mutterrecht Mutterrecht 570 

der auf dem Labdakidenhause lastet und zur des, Geschwisterehen eine gelaufige Erscheinung 

Heirat des Oidipus mit seiner Mutter lokaste waren und als eine Gott wohlgefalllge Einrich- 

fiihrt, sogar zur Erzeugung von ' Kindern aus der tung galten (ein Mann hatte seine sieben Schwe- 

Sohn-Mutter-Ehe gesteigert ist (Pherekyd. frg. 95 stern als Frauen). Sehr stark durchsetzt mit vor- 

Jac. I 86, dazu die Ausfiihrungen im Kommentar arischen ' (dravidischen) Volkern und entsprechen- 

41 6f.), ist nur auf dem Hintergrund der alter en den Frauensitten war auch Indien, das langst 

Kulturwelt verstandlich (vgl. Malinowski nicht so hinduisiert war, wie man gewohnlich 

Mutterrechtliche Familie und Oedipus-Komplex, glaubt, vgl. H. Mueller Untersuch. uber die 

Imago X 1924), ebenso die Sage von Myrrha Gesch. der polyandrisehen Eheformen in Siid- 
(Ovid. met. X 320ff.), die, verliebt in den eigenen 10 indien, Berl. 1909, 49. Kornemann Stellung 

Vater, nicht ruht, bis sie sich ihm hingegeben der Frau 48ff. 

hat; vgl. das Selbstgesprach der Stindhaften Literatur. AUe Forschung tiber M. mu6 

ebd. mit Hinweisen auf das Tierleben und die- ausgehen von dem bertihmten Werk des lang ver- 

jenigen Volker, bei denen solches (Sohn-Mutter-, kannten, jetzt wieder entdeckten J. J. Bach- 

Tochter-Vater-Vermahlungen) vorkommt. Die Ver- o f e n Das Mutterrecht, Eine Untersuchung uber 

wurzelung der kleinasiatischen Amazonensage die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer reli- 

in der alteren Zeit ist oben (S. 566) schon be- giosen und rechtlichen Natur 1861, 2 1897, wo 

handelt. In hethitischen Texten, in denen im zwar der wissenschaftliche Apparat in der aus- 

tibrigen Vaterrecht herrscht, treten merkwiirdige giebigsten Weise dargeboten wird, das Phanomen 
Rechte der Frau tiber die Kinder neben dem 20 aber mehr durch Nacherleben als durch Begreif en 

Gatten oder nach seinem Tode auf, ja es kommt der Einzeltatsachen zu verstehen gesucht wird, 

ein richtiges Gewaltverhaltnis der Frau vor, das vgl. zu der merkwurdigen Methode B. Delbrtick 

so weit geht, dafi ab und zu VerstoBung und Abh. Sachs. Ges. XXV 1890, 387ff. 591ff. E. S a- 

Wiederaufnahme des Kindes durchdieMut- Hn SchmoUers Jahrb. 1926, 839ff. E. F e h r 1 e 

ter stattfindet, J. H. Thiel Klio XXIV 38Bf. J. J. Bachofen und das Mutterrecht, N. Heidelb. 

K r s e c Ztschr. Sav.-Stift. Rom. Abt. LII 167, Jahrb. 1927, lOlff., auch M. Schroter Ein- 

dazu Koschaker Fratriarchat 26, 2. Die Ge- fiihrung zur Neuausgabe von Bachof ens ,Das 

schwisterehe war bei den Hethitern streng ver- lykische Volk* in ,Die Schweiz im deutschen Gei- 

boten,daruberhinausgehend sogar der Geschlechts- stesleben' XXX (1924). Friiher als die Philologen 
verkehr unter Nahverwandten (falsch K o r n e - 30 und Historiker sind die Ethnologen an das hoch- 

m a n n Geschwisterehe 32, 5, berichtigt aber bedeutende Buch, das eine Fundgrube an Material 

schon Stellung der Frau 44, 135 und von E o - darstellt, wieder herangetreten und haben mit 

s c h a k e r Fratriarchat 6, 2). Je weiter wir dann ihm gearbeitet, vgl. die ethnologische Literatur 

in Asien ostwarts gehen und je diinner die indo- zu dem Problem bei T h u r n w a 1 d Art. Mutter- 

germanische Oberschicht dort wird, desto starker recht in Ebert Reall. VIII 379f. Auf der philo- 

haben die alten mutterrechtlichen Vorstellungen logisch-historischen Seite hat dann zuerst die 

durch die dunne Oberdecke noch durchgestofien, Linguistik die Drehung voUzogen, vgl. S c h r a - 

wie die schon behandelte Rezeption der Ver- der Reall. der indogerman. Altertumsk, unter 

wandtenehe durch die Perser zeigt, von wo dann Mutterrecht; Sprachvergl. u. Urgesch. IF 367f. 
die Ptolemaer und andere hellenistische Konigs- 40Kretschmer in vielen Arbeiten, bes. Glotta 

hofe diese Sitte tibernommen haben (das gesamte II 2103. und ebd. XIV BOOS. Zuriickhaltend 

Material hierfiir bei Kornemann Stellung der unter den Altertumsforschern E. S z a n t o Zum 

Frau 13ff.). Durch die Funde von Dura-Europos lykischen Mutterrecht, Ausgew. Abh. 1906, 136f!., 

sind dann eigentiimliche Verwandtenehen auf dem dazu B. M ii 1 1 e r Wien. Stud. XXVIII 330if . 

Boden dieser ehemals makedonischen Kolonie, die Vorauseilend J. Toepffer Art. Amazones 

jetzt auf dem Boden des Partherreichs lag, aus Bd. I S. 1754ff., gut auch Old father Art. 

dem Jahre 344 der seleukidischen Ira, d. h. aus Lokris und Lokroi Bd. XIII S. 1255ff. 

dem J. 32/33 n. Chr., auch im Bereich der vor- 1345f., auf Abwege geraten H. v. Prott Arch, 

nehmen Familien dieser Stadt bekannt geworden, f. Rel. IX 87!E., glanzend der Keltologe H. Z i m- 
F. Cumont Les unions entre proches ^DourasOmer Ztschr. Sav.-Stift. Rom. Abt. XV 1894, 

et Chez les Perses, Compt. rend. 1924, 53ff. und 239ff. Z. Deutsche Alt. XXXIII 281ff. S.-Ber. 

Ders. Fouilles de Doura-Europos 1925, 344f. Akad. Berl. 1910, II 1104ff.; vgl. auch Po- 

J. Johnson Dura Studies, Philadelphia 1932, korny Beitr. zur altest. Gesch. Irlands, Ztschr. 

17f.; auch Kornemann Klio XIX 358ff.; celt. Phil. XI 1917 u. XII 1918. Die letzte Phase 

Stellung der Frau 13ff. Fur die Farther- und der Forschung wird eingeleitet durch das Empor- 

Neupersersitten auf diesem Gebiete vgl. man die bliihen der Orientalistik auf Grund der Ausgra- 

altere der von M i n n s aus Avroman in Persisch- bungen mit ihren glanzenden Resultaten in alien 

Kurdistan publizierten Urkunden (aus dem J. 88 Teilen der ostlichen Welt und der dadurch auf 

V. Chr.), wo unter den drei Frauen des damaligen ganz neue Basis gestellten rechtshistorischen For- 
Partherkonigs die erste und dritte in gleicher 60 schung; im allgemeinen orientierend iiber die 

Weise als 6fA.onaxQia avtov abslcpr) kol yvvri be- dadurch gewonnenen Fortschritte E. A. S p e i - 

zeichnet werden (Minns Journ. hell. Stud. XXXV s e r Mesopotamians origins, The basic population 

22e. = P. M. Meyer Jurist. Pap. 120 nr. 36, of the Near East 1930. L. Wenger Der heu- 

Cumont 20) und Bartholomae Die Frau tige Stand der rom. Rechtswissenschaft, in Wen- 

im sasanidischen Recht, Kultur u. Sprache V ger Mtinchener Beitr. zur Pap.-Forsch. XI (1927) 

(1924) 16, der hervorhebt, dafi noch im neupersi- 61f. (zum Problem Mutterrecht). San Nicold 

schen Reich, vor allem bei den GroBen des Lan- Beitr. zur Rechtsgesch. im Bereiche der keil- 



571 Mutunm" Mutuum 572 

schriftl. Quellen, Oslo 1931; Romische u. antike M., von mutare andem, vertauschen (Walde 

Rechtsgesch., Rekt.-Rede Prag 1932. Spezielle Et. W.2 Ernout-Meillet s. muto, -as) be- 

Literatur aus diesem Gebiet: F. W. Konig Mat- deutet wohl das, was man einander ,wechselseitig' 

terrecht und Thronfolge im alten Elam, Festschr. zu geben pflegt, insbesondere also mutua peeunia 

der Nat.-Bibl. in Wien 1926, 529ff. F. Cumont das zinslose Gefalligkeitsdarlehen von Geld im 

Compt. rend, de I'acad. des insc. 1924 53ff., Gegensatz zum zinsbaren Geschaftsdarlehen (fenus^ 

dazu Kornemann Klio XIX 358ff. C. Bar- s. Bd. VI S. 2187 u. Angei). Im weiteren Sinne 

tholomae Die Fran im sasanidischen Recht, kann aber auch m. vom zinsbaren Darlehen ge- 

,Kultur u. Sprache' H. 5, Heidelb. 1924. MiB braucht werden, wie schon die den Bedeutungs- 
Mac Donald The position of women as re- 10 unterschied entwickelnde Stelle Non. 139 (706 

fleeted in Semitic codes of law, Diss. Toronto Lind.): ut graece ronog quasi partus mutui 

1931, 39ff. 71. Koschaker Zum Levirat nach sumti, vor allem aber alle Juristenstellen bewei- 

hethitischem Recht, Revue hittite et asiatique II; sen, die von der Zinsvereinbarung beim m.- han- 

Fratriarchat, Hausgemeinschaft und Mutterrecht deln; vgl. Buschke 12. Windscheid- 

in Keilschriftrechten, S.-A. aus Ztschr. f. Assyr. Kipp § 370, 1. Der Begriff scheint urspriinglich, 

N. F. Bd. VII (XLI). t}ber Mutterrechtliches ahnlich wie das hellenistische evxQrioxelv (P r e i - 

auch H. Meyer in seinen Studien tiber Friedel- sigke-KieBling Worterb. d. griech. Pap.- 

ehe und Mutterrecht auf deutschem Boden, Ztschr. Urk. I 629. K u n k e 1 Ztschr. Sav.-Stift. XLVIII 

Sav.-Stift. Germ. Abt. XLVII 242f. 271f. 278 mit 289), eine Art Euphemismus enthalten zu haben, 
Literatur; vgl. ,Ligurisches' Erbrecht, ebd. L 20 vorausgesetzt dafi der von Varro behauptete Zu- 

(1930) 354ff. Erster Versuch der Zusammenfas-- sammenhang mit einem aus dem Italischen ent- 

sung ftir das Gesamtgebiet (Orient, Slid- und lehnten (so D e m e 1 i u s Ztschr. f . Rechtsgesch. II 

Westeuropa) bei Kornemann Die Geschwister- 218f. Mommsen RG^o I 154. Heinichen^ 

ehe im Altertum, Mitt. Schles. Ges. f. Volksk. 528. Walde Et. W.^. Boisacq Diet. etym. 

XXIV 17ff.; Die Stellung der Frau in der vor- gegen RoB Rh. Mus. N. F. VIII 295. Voigt 

griech. Mittelmeerkultur, ,Orient u. Antike* IV, lus nat. II 646, 781) (Aolxog wirklich bestan- 

Heidelb. 1927; erganzend dazu J. H. Thiol den hat (Zweifel bei Herwerden Lex. gr.^ s. 

Zum vorgriech. Mutterrecht, Klio XXIV 383ff., [Aonol avitf^ot); denn das sikilische Spriehwort 

vgl. fiir die dann folgende klassisehe Zeit mit den /bioXrov avtl f^oltov (etwa: ,eine Hand wascht die 

vielen Nachwirkungen 0. Braunstein Die 30 andere*) ist nur verstandlich, wenn fA,o2rog schlecht- 

politisehe Wirksamkeit der griech. Frau 1911, hin die ,Gefalligkeit* bedeutete. Vgl. Sophron 

69ff. K. K u n s t Berl. phil. W. 1920 nr. 3, 64ff. frg. 168 (FCG p. 179). Varr. 1. 1. V 179 (=: Bruns 

J. Bisinger Der Agrarstaat in Platons Ge- FIR"^ II 54) : Si datum quod reddatur, mutuum, 

setzen, Klio-Beiheft XVII (1925) 95ff. W. G. quod Siculi ,moeton'; itaque seribit Sophron ^moe- 

Becker Platons Gesetze und das griech. Fa- ifow aw^mo e^' [Korr. doch wohl sicher zu emend.: 

milienrecht, Wenger-Otto Miinch, Beitr. z. Pa- anti moet{u)]. Hesych. s. /^lonol avrif/^oi (dort mit 

pyrusforsehung u. alten Rechtsgesch. XIV (1932) v. Wilamowitz bei Kaibel FCG zu lesen: ^ 

25ff. 53, 5. 67, 2. 85. 180f. BedeutungsvoU yciQ x^Q^^ (aoIxov- olov xaQiv {avxl xaQi'T^og}; vgl. 

auch C. Schuchhardt Westeuropa als alter Schoell zu Varro). Allerdings tritt bei Varro 

Kulturkreis, S.-Ber. Akad. Berl. 1913, 131ff.; Die 40 diese Beziehung schon nicht mehr hervor, er 

Indogermanisierung Griechenlands, ,Die Antike' scheint vielmehr an die Rechtspflicht zum reddere, 

IX 303ff. (S. 319 sehr richtig: ,Der alte mittel- nicht an die gesellschaftliche Pflicht zur Wieder- 

landische Untergrund ist nie erstorben.*) Zu vergeltung durch eine gleiche Gefalligkeit zu den- 

warnen ist vor K r e i s c h g a u e r Die Religion ken. Arangio-Ruiz Ist.^ 293, 1 sieht die Be- 

der Griechen in ihrer Abhangigkeit von den ziehung zu mover e, mutare darin, dafi eine Be- 

mutterrechtl. Kulturkreisen, Jahrb. von St. Ga- wegung der zum Darlehen gegebenen Saehen statt- 

briel II (1925) 107ff. [Ernst Kornemann.] findet; ahnlich Mommsen a. 0. Bei klassi- 

Mutuum. Schrifttum: 1. Auswahl aus schen Juristen (Gai. Ill 90 [vgl. Gai. epit. II 9, 1 

neueren Gesamtdarstellungen: Windscheid- u. lust. inst. Ill 14 pr.]. Paul. 28 ad ed. Dig. XII 

Kipp Lehrb. d. Pandektenrechts^ II § 370—373. 50 1, 2, 2; vgl. 2 inst. Dig. XLIV 7, 3, 1. African. 8 

Dernburg Pandekten^ II § 85 — 89. S o h m - quaest. Dig. XVII 1, 34 pr.) und spateren Samm- 

Mitteis-Wenger Institutioneni'^ 392ff . S i - lem alten Sprachgutes (Non. p. 439 ed. L i n d - 

b e r Rom. Recht II § 78. B o n f a n t e Ist.^ § 158. s a y p. 706: quod sub amieo effectu Hat meum 

P e r z z i Ist.2 II §161. Arangio-Ruiz Ist.^ tuum usu temporis necessarii. Boethius ad Cie. 

293ff. GirardManueF531ff. — 2.Fuhrendege- top. II 16 [Cic. scholiastae edd. Orellius et Bai- 

meinreehtliche Monographie: Ph. E. Huschke terus Tur. 1833 =: 0pp. omnia V 300]: quod m. 

Die Lehre des romischen Reehts vomDarlehn und datur, ex meo Ut accipientis. Isid. orig. V 25, 18 

den dazu gehorigen Materien, Stuttgart 1882. — ed. Lind.: m. appelatum est, quia id quod 

3. Das textkritische Schrifttum zu den romischen a me tibi datur, ex meo tuum Ht) wird das Wort 

Rechtsquellen ist nur angeftihrt, wenn ein anderer 60 mit dem pron. possess, der 1. und 2. Person in 

als der iiberlieferte Text zur Beweisfiihrung ver- Vetbindung gebracht, was trotz Huischke 1 

wendet wird; die Verweisung auf den uberliefer- sprachlich unhaltbar ist und vielleicht aus dem 

ten Text soil nicht bedeuten, dafi dieser nach Bestreben erklart werden kann, fiir den Rechts- 

Form und Inhalt als rein klassisch angesehen satz, dafi die Haftung auf Riickgabe des nicht 

wird. Fiir Dig. I — XXXV ist allgemein der Index durch Formalkontrakt verbindlich gemachten Dar- 

interpolationum edd. Levy-Rabel (I. Suppl. lehens Eigentumserwerb des Empf angers, und 

I. II) zu vergleichen. zwar in der Regel aus der Hand des Glaubigers 



573 Mutuum Mutuum 574 

voraussetzte (s. u. I 3), ein mnemotechnisches Vindob. II 1 (lurispr. anteiust.^ I p. 493) {mutuae 

Hilfsmittel zu geben. autem dari possunt res non aliae, quam quae pon- 

I. M utui datio als Haftungsge- dere^ numero, mensura continentur) die entschie- 

schaf t (Realkontrakt). Die romische Juris- denere Lehre belegt. Die bei Paul. 28 ad ed. Dig. 

prudenz hat die Darlehenshingabe (mutui datio) XII 1, 2, 1 fiir die Beschrankung auf vertretbare 

— offenbar schon lange vor den uns inhaltlich Sachen gegebene Begriindung, auf der die schlechte 

iiberlieferten Juristenschriften (De melius Ztschr. gemeinrechtliche Bezeichnung dieser Sachart als 

f. Rechtsgesch. II 220f.) — als Haftungsgeschaft ,Fungibilien* beruht (vgl. S i b e r 56, 4) und die 

anerkannt, d. h. sie begriindet zu Lasten des Emp- wohl mit S i b e r in der Fassung quoniam eorum 
f angers eine obligatio auf dare von Sachen glei- 10 datione possumus in creditum ire, quae in genere 

cher Art in gleicher Menge, die mit einer den kon- suo functionem reeipiunt per solutionem {magis} 

kreten Klaggrund nicht angebenden actio in per- quam specie: nam in ceteris rebus ideo in credi- 

sonam (condictio) geltend gemacht werden kann. tum ire non possumus, quia aliud pro alio invito 

1. Innerhalb des klassischen Systems der Haf- creditori solvi non potest als im Kern (Erweite- 
tungsgeschafte (Kontrakt system) steht die Dar- rung durch erlauternde vorjustinianische Glos- 
lehenshingabe an der Spitze der 1. Gruppe ,Eeal- seme nicht ausgeschlossen!) echt betrachtet wer- 
kontrakte*: Gai. Ill 89. 90 (quattuor genera sunt: den kann, scheint dahin zu gehen, daB nur ver- 
aut enim re contrahitur obligatio aut verbis aut tretbare Sachen sich typischerweise als 
litteris aut consensu. Re contrahitur obligatio Gegenstand der dem Darlehen wesentlichen gat- 
velut mutui datione)-, vgl. 2 aur. Dig. XLIV7, 1, 1. 20tungsmaBig bestimmten Rtickgabepflicht eignen, 
2; epit. II 9 pr. 1. lust. inst. Ill 13, 2. 14 pr. — wahrend bei anderen Sachen nur der Wille der 
Modestin. 2 reg. Dig. XLIV 7, 52 pr. 1. Haftungs- konkreten Partei {invito creditori solvi non 
begrtindender Tatbestand ist also der Eingang der potest) die fiir die Erfiillungsfunktion des Lei- 
als Darlehen gegebenen Sachen in das Yermogen stungsgegenstandes maBgebenden Gattungsmerk- 
des Empfangers (H u s c h k e 8ff . : ,Verm5gens- male f estlegen konnte. In creditum ire = credere 
geschaft') verbunden mit dem beiderseitigen Wil- ,i'Di engeren Sinne* (S e c k e 1 bei H e u m a n n^ 
len, ut obligatio constituatur (Paul. 2 inst. Dig. S. Ill; s. Bd. VI S. 1699f.) ist der tibliche 
XLIV 7, 3, 1). Das Bestreben, den Kontraktstypus Ausdruck fiir den wirtschaftlichen Tatbestand des 
Darlehen von den ursprunglich nicht durch den ,Kredits', nach Ansicht des Verf. von § 1 gibt es 
Anspruch auf die versprochene Gegenleistung 30 also auch (typische) ,Kreditgeschafte* nur in bezug 
(actio praescriptis verbis), sondern nur durch auf vertretbare Sachen; es ist daher kaum glaub- 
condictio der Vorleistung geschutzten einseitig lich, daB aus der gleichen Feder der § 3 stammt, 
voUzogenen Tauschgeschaften abzugrenzen, zwingt in dem zur Begriindung des Satzes: Creditum 
zur Betonung des Umstandes, daB der Empf anger ergo (in Wahrheit weder eine Folgerung aus § 1, 
sich zur Ruckgabe von Sachen der gleichen Art noch aus dem von der angeblichen Etymologie des 
(kraft Auslegung des typischen Parteiwillens auch Wortes m. handelnden § 2!) a mutuo differt qua 
in gleicher Giite: Pomponius 27 ad Sab. Dig. genus a specie in erster Linie darauf hingewiesen 
XII 1, 3) verpflichtet; andererseits wird hervorge- wird, ein creditum sei auch bei nicht vertretbaren 
hoben, daB das Darlehen sich durch die gene- Sachen und spezieller Riickgabepflicht moglich. 
rische Rtickgabepflicht von denjenigen Realkon- 40 Diese auch sprachlich nicht einwandfreien Satze 
trakten unterscheidet, die den Empfanger zur (vor extra fehlt et, ut c. ind.) sind vermutlich 
Riickgabe in specie verbinden: Paul. 28 ad Sab. eine Schulglosse zu § 1, deren Verfasser aus der 
Dig. XII 1, 2 pr. {M. damns recepturi non eandem Erlauterung von Celsus-Ulp. zum Titelbrum de 
specien quam dedimus — alioquin commodatum rebus creditis (Dig. XII 1, 1, 1; vgl. Lenel Ed. 
erit aut depositum — , sed idem genus: nam si perp.^ 231f.) unbesehen die Begriffsbestimmung 
aliud genus, veluti ut pro tritico vinum recipia- von cre(iere in einer weiterenBedeutung (=z weeks 
mus, non erit m.) spaterer Riickforderung anvertrauen) iibernommen 

2. Obwohl eine Verpflichtung zur Riickgabe hat. Vgl. Buschke 2 — 8 und aus der im Ind. 
einer entsprechenden Menge gleichartiger Sachen int. angefiihrten Literatur vor aUem Brass- 
an sich bei Sachen aller Art denkbar ist (vgl. 50 1 o f f . — Singular ist der FaU des Muranendax- 
Goldschmidt Handb. d. Handelsrechts I 2 lehens des Hirrius an Caesar (Plin. n. h. IX 55, 
[1868] § 61, 31. Windscheid-Kipp§ 370, 171. Buschke 1, 3). Andere als Sachleistungen 
3), beschrankt das romische Recht den Kontrakt s- konnen nicht Gegenstand des Realkontrakt s m. 
typus m. auf die heute sogenannten vertretbaren sein: Paul. (?) 5 quaest. Dig. XIX 5, 5, 4, wo 
Sachen (§91BGB.); vgl. Brassloff Wien. Stud. mutuufn ofkcium naturlich nur im aUgemeinen 
XXXVI 348f.: Gai. Ill 90 {mutui autem datio pro- Sinne gebraueht ist (H u s c h k e 20). 

prie in his fere rebus contingit, quae res pondere, 3. Neben der "Dbertragung des Eigentums 

numero, mensura constant, qualis est pecunianume- durch traditio (causa credendi) werden folgende 

rata, vinum, oleum, frumentum, aes, argentum, Begriindungstatbestande der Riickgabeverpflich- 
aurum); vgl. 2 aur. Dig. XLIV 7, 1, 2; epit II60tung anerkannt: 

9, 1. lust. inst. Ill 14 pr. Dabei ist zu beachten, a) Die blofie Einigung mit dem Inhaber (De- 

daB nur die tJberlieferung des C. Veron. die vor- positar): Ulp. 26 ad ed. Dig. XII 1, 9, 9 mit 

sichtigere — offenbar altere — Fassung {proprie, Berufung auf Nerva, Proculus und Marcellus; 

fere) des Satzes bewahxt hat (a. A. H u s c h k e ebenso Africanus (lulianus) 8 quaest. Dig. XVII 

16, 1, der fere streicht und proprie im Sinne einer 1, 34 pr. mit der Begriindung, daB hier unmittel- 

charakteristischen Eigentiimlichkeit des Darlehens barer Eigentumsiibergang stattfande. Solange diese 

im Gegensatz zu anderen Realkontrakten erklart); Einigung noch von einer Bedingung {si emisses, 

fiir die spatklassische Zeit ist durch Ulp. inst. fr. si voles) abhangig ist, bleibt nach Ulp. 34 (?) ad 



575 Mutuum Mutuum 576 

Sab. Dig. XII 1, 4 pr.; 2 ad ed. Dig. eod. 10^ (vgl. euniam daret ml suam vel nostram, ut nobis sol 

Buschke 59. a. A. B r i n z Krit. Vierteljahrs- veretur, obligatio nobis pecuniae creditae adquire- 

schr. XXV 190) das Rechtsverhaltnis bis zum retur); weitere Belege und Literatur bei Mit- 

Bedingungseintritt depositum, doch trifft den t e i s PR I 226. 

Empf anger die Gefahr. Bei einer mit der Hinter- c) Die Vereinbarung zwischen Glaubiger und 

legung unmittelbar verbundenen Gebrauchsgestat- Schuldner, dieser soUe das aus einem anderen 

tung entscheidet sich der Verfasser der Paulus- Rechtsgeschaft Geschuldete als Darlehen behal- 

sentenzen (II 12 == Coll. X 7, 9) nicht ohne Zo- ten, wird von Ulp. 26 ad. ed. Dig. XII 1,11 pr. 

gern fiir m.; Si pecuniam deposuero eaque uti in dem Falle als ausreichend angesehen {puto mu- 
tibi permisero, mutua magis videtur quam depo- 10 tuam pecuniam factam) — a. A. wohl Mian nach 

sita, ac per hoc periculo tuo erit. Ebenso geht be- AMc. 8 quaest. Dig. XVII 1, 34 pr. (Rabel 

reits aus einer (vielleicht von Paulus glossierten) Grundz. 460, 6) — , da6 der Verkaufskommissionar 

Entscheidung Papinians (9 quaest. Dig. XVI 3, den Verkauf ausgeftihrt und den Preis verein- 

24) hervor, daB man liber die Frage der Formel nahmt hat (Ulp. 31 ad ed. Dig. XIX 5, 19 pr. 

(actio depositi oder certae creditae pecuniae) und echt?), schon vorher steht aber die zu verkaufende 

vielleicht sogar tiber die Verbindlichkeit einer Sache auf Gefahr des Schuldners, wenn der 

formlosen Zinszusage gestritten hat. lustinian sah z^eck des Geschaftes Kreditgewahrung, nicht 

das Geschaft als depositum (gemeinrechtlich sog. VerauBerung der Sache war: Ulp. a. 0., weitere 

depositum irregulare) an und belastete den Schuld- Belege bei R a b e 1 a. 0. H u s c h k e 59f . Diocl. 
ner nach den Regeln der bonae Mei iudicia auch 20 et Max. 293 C. lust. IV 2, 8 lassen im gleichen 

ohne formliches Versprechen mit der Pflicht zur Falle bereits den von den Parteien einverstand- 

Verzinsung: Dig. XVI 3, 29, 1, wohl aus der ange- Hch geschatzten Wert als Darlehenssumme gelten, 

fiihrten Sentenzenstelle umgeformt; vgl. die von es ist aber in dem Falle wohl (gegen Buschke 

Ktibler Ztschr. Sav.-Stift. XXIX 189ff. ver- 21) auch fiir das Kapital Stipulation anzunehmen, 

arbeitete Textkritik, f erner Bd. V S. 234. Rabel so daB es sich nicht um die verpfiichtende, son- 

Grundz. d. rom. PR (Enzyklop. d. Rechtswiss. v. dern nur um die den Formalkontrakt ,ausfiillende' 

Holtzendorff-Kohler^ I) 4601 S ohm -Mitt ei s- (s. u. S. 579) Wirkung der Valutazahlung han- 

Wenger 398, 5. Siber 188f. Arangio- delt. In dieser Form enthalt der Vertrag die Ge- 

Ruiz 301f. fahr einer Bewucherung des Kreditnehmers; fiber 
b) Die Auszahlung durch den Delegaten des 30 lust. Nov. 136 c. 3 vgl. Mi 1 1 ei s Ztschr. Sav.- 

Kreditgebers: African. (lulian.) Dig. XVIIl,34pr.: Stift. XIX 2051, iiber das Verhaltnis zum spa- 

item quod, si a debitor e meo iussero te accipere teren ^contractus mohatrae' S i b e r 184. — lulian 

pecuniam, credita Rat, id enim benigne receptum hat nach African, a. 0. unter Ablehnung der Ana- 

est, Diese zurxickhaltende — in ihrer Echtheit logic aus den zu a und b angeftihrten Entschei- 

allerdings nicht unbestrittene — Formulierung dunsren und in Anlehnung an seine Verweigerung 

erregt Bedenken gegen die bei Ulp. 26 ad ed. der Darlehensklage gegen den Verkauf skommissio- 

Dig. XII 1, 9, 8 demselben lulian zugeschriebene nar diese auch gegen den ^rocwra^orversagt, der das 

luBerung nee dubitari, quin si meam pecuniam Guthaben des Geschaftsherrn (ohne Wahrung der 

tuo nomine voluntate tua dedero, tibi adquiritur Stipulationsform) als ,kreditierte* Summe nebst 
(sic!) obligatio (H u -s c h k e 31ff. P e r n i c e 40 Zinsen anerkannt hatte, weil man es nicht zulas- 

Labeo III 222, 4. Ind. itp. I 160 Angef.), doch ist sen konne, daB aus anderen Rechtsverhaltnissen 

auch diese Bemerkung fiir lulians Zeit sachlich nuda pactione pecuniam creditam fieri posse. 

zutreHend, zumal derselbe Jurist nach dem bei Diese vom Standpunkte der Aktionenlehre und 

Ulpianus unmittelbar voraufgehenden Satz mit mit Riicksicht auf die Zinsfrage (Kipp bei 

Aristo sogar Anspruchserwerb durch den unbeauf- Stammler Das ges. Deutsche Recht I 260, 4) ver- 

tragten Geschaftsfiihrer (si nummos meos tuo standliche Zurtickhaltung gibt Ulp. 31 ad ed. Dig. 

nomine dedero velut tuos absente te et ignorante) XII 1, 15 auf, indem er Hin- und Riickzahlung 

zugelassen hat, falls nicht auch hier der Text ver- des Geldes fingiert und damit das der hellenisti- 

andert ist, und auch 14 dig. (Ulp. 31 ad ed. Dig. XVII schen Praxis (vgl. Rabel Ztschr. Sav.-Stift. 
1, 6, 6) den procurator, der iussu domini eine50XXVin 319ff. s. krt. ovyyQacpri syngrapha u. 

Geldsumme unter Vereinbarung fester Zinsen emp- Bd. IV A S. 1383f.) gelauiSge Verrechnungsdarlehen 

fangen hat, unbedenklich als Darlehensschuldner (§ 607 II BGB.) anerkennt. Literatur bei W i n d - 

behandelt. Nach Celsus 6 dig. Dig. XII 1, 32 ge- scheid-Kipp § 370, 11. Rabel Grundz. 

ntigt auch die Uberweisung eines Schuldners durch 460. Siber 184. 

den Kreditgeber (Huschke51. a. A. Brinz d) Scheitert der Versueh, dem Empf anger das 

Krit. Vierteljahrsschr. XXV 185f. 197f. Wind- Eigentum an der Darlehensvaluta durch traditio 

scheid-Eipp § 370, 10 a. E.), nach Papinian zu verschaffen, z. B. an der mangelnden Ge- 

(3 resp. Dig. XIV 3, 19, 3) die promissio an den schaftsfahigkeit (Gai. II 82. lust. inst. II 8, 2) 

Delegatar des Kreditnehmers (Huschke 53). oder Verfiigungsmacht (Hingabe fremden Geldes 
Zugunsten des Darlehensgebers ist also — wohl 60 ohne Zustimmung des Eigentiimers: Paul. 28 ad 

im Zusammenhang mit der Kassenfiihrung durch ed. Dig. XII 1, 2, 4) des Gebers, so bleibt dem 

Banken — der strenge Grundsatz durchbrochen, Eigentumer die Verfolgung mit den gewohnlichen 

daB man durch Rechtsgeschafte unabhangiger Klagen (rei vindicatio, condictio furtiva, viel- 

Dritter keine Rechte erwerben kann: Paul. 3 leicht auch actio ad exhibendum) unbenommen. 

qusiest. Dig. XLY 1,126, 2 (per liberam personam, Versagen diese, weil der Empf anger das Geld 

quae neque iuri nostro subiecta est neque bona gutglaubig verbraucht hat, so helfen die Quellen 

fide nobis servit, obligationem nullam adquirere mit einer condictio (sog. condictio de bene de- 

possumus. plane si liber homo nostro nomine pe- pensis), ohne daB klar zu erkennen ware, ob sieh 



577 Mutuum Mutuum 578 

die Juristen als deren (fiir die Formulierung Viertelja^rsschr. LXI 140) der altera Jurist ein 

gleichgiQtigen) Beigriindung'statbestaiid ein m. (so Darlehen angenommeii zu haben, wenn der Geber 

Theoph. paraphr. inst. II 8, ed. F err i n i p. 145, Schenkung, der Nehmer Darlehen wollte (was in 

28) Oder das blofie ungeirechtfertigte Haben des den Fallen der ,ve.rschamten Schenkungsannahme* 

Bteiklagten anf Kosten des Klagers vorgestellt — Lange 68 — interessegemaB ist); Ulp. a. 0. 

haben. Vgl. die Angaben bei Windscheid- (vgl. auch Paul. 2 inst. cit. SchluBsatz) lehnt es 

K i p p § 370, 8. S i b e r Naturalis obligatio in diesem Falle ebenso ab wie in den zweifellosen 

(S.-A. a. d. Gedenkschr. f. Mitteis 1925) 45ff. Dissensf alien des § 1 (Geber wollte depositum 

4. Reehtswirkung der Darlehenshingabe ist oder Nehmer wollte commodatum ostendendi gra- 
die einseitige Verpflichtung des Empfangers zur 10 tia), bei denen ja der eine Teil gar keine tTber- 

Riickgabe von tantundem eiusdem generis. Die tragung zu Eigentum (datio) im Sinne hatte. 

etwa vorher getroffene Kroditgewahrungsabrede c) Die Modalitaten der Verpflichtung bestim- 

ist fur den Kroditgeber nur bei Wahrung der men sich grundsatzlich nach der beim Empfang 

Stipulationsform (vgl. Paul. 2 ad ed. Dig. XLV des Darlehens getroffenen formlosen Vereinba- 

1, 68) verbindlich. Im einzelnen gilt fur die Be- rung: Ulp. 26 ad ed. Dig. XII 1, 7 (omnia, quae 

griindung der Rtickgabepflicht: inseri stipulationibus possunt, eadem possunt 

a) Genugt die Gesehaftsfahigkeit des Emp- etiam numerationi pecuniae, et ideo et condi- 
f angers nieht fiir den wirksamen Absohlufi eines ciones). So kann Herabsetzung der Sehuldsumme, 
Verpflichtungsgeschafts (z. B. Miindel ohne aiic- aber nicht Heraufsetzung (tJlp. eod. Dig. eod. 
toritas tutoris oder mit auctorifas des zugleich 20 11, 1), vor allem eine Zeit fiir die Riickgabe (Sa- 
als Glaubiger beteiligten tutor), so entsteht keine bin. bei lulian. 4 ex Minicio Dig. eod. 22: si 
obligatio: Gai. Ill 91. Ulp. 40 ad Sab. Dig. XXVI dictum esset quo tempore redder etur [dieere wohl 
8, 5 pr. (zur Textkritik und zu den Fragen der sog. technisch; vgl. Sen. benef. Ill 10, 1]) vereinbart, 
Naturalobligation und der Bereicherungshaftung auoh (nachtraglich) ein pactum de non petendo in 
des Mtindels vgl. aufier den Angaben im Ind. tempus (z. B. durch Entgegennahme ktinftiger 
itp. II 140 Sib er Rom. R. II 221f. Ztschr. S!a.v.- Zinsen: Florentin. 8 inst. Dig. 11 14, 57 pr.) ge- 
Stift. Lin 471 ff.). Ebenso wird von einer bei schlossen werden. Gonventio liber den Ort der 
Gains bekampften (vgl. die Literaturangaben bei Rtickgabe: Sabin.-Iulian. a. 0. (vgl. Diocl. et Max. 
Ehrhardt lusta causa traditionis, Roman. 293 C. lust. IV 2, 9), tiber eine Zahlstelle Ulp. 76 
Beitr. 4, 55f. Aran gio -Ruiz 2821), von lu-BOad ed. Dig. XXXIX 5, 19, 3; vgl. Buschke 
stinian aber mindestens an der entsprechenden 13. 27. 

Stelle (inst. HI 14, 1. Schrader ad h. 1. d) Dagegen wird — wohl eher aus Griinden 

p. 490) aufgenommenen Ansieht fiir die ,Real. der Wlucherbekampfung als aus den juristischen 

obligation* des Empfangers der Zahlung einer Griinden, die Perozzi II 254 fiir ausschlag- 

Nichtsehuld nach Analog] e des (mit der gleichen gebend ansah, — hinsiehtlich des Zinsverspre- 

Formel zu belangenden) Darlehensschuldners Ver- chens an dem Satz des Zivilrechts, daB ex nudo 

pflichtungsfahigkeit gefordert, ein Satz, der mit pacto actio non naseitur (Paulus sent. II 14, 1), 

der uns gelauiigen scharfen Trennung rechtsge- streng festgehalten (African. 8 quaest. Dig. XIX 

schaftlicher und nicht-rechtsgeschaftlicher Schuld- 5, 24: respondit [scil. lulianus] pecuniae . . . ere- 
entstehungstatbestande in .schroffem Gegensatze 40 ditae usuras nisi in stipulationem deductas non 

steht; Literatur bei Levy Ztschr. Sav.-Stift. LIV deberi). Der deshalb bei jedem verzinslichen Dar- 

311, 1. lehen unentbehrliche Formalkontrakt nimmt regel- 

b) Geber und Empfanger miissen gleiehmafiig mafiig auch die Riickgabeverpfliehtung mit alien 
den WiUen zur Obligationsbegriindung haben Modalitaten in sich auf, wodiurch die lefeteren 
(Paul. 2 inst. Dig. XLIV 7, 3, 1: hoc animo dari zugleich im Interesse beider Parteien klargestellt 
et aceipi, ut obligatio constituaiur), YOTSLHem also werden; vgl. Girard 540. Arangio-Ruiz 
von den gleichen Vorstellungen liber die wesent- 295. Beispiel Tript. aus Siebenbiirgen GIL III 
lichen Momente des GeschSfts ausgehen (consen- 934 = Brunis FIR'^ nr. 153, 2 p. 352. Freier 
sus), Darum gibt Celus 6 dig. Dig. XII 1, 32 urteilte man — wohl mit Riioksieht auf die in 
demjenigen, der einem anderen (durch tTberwei- 50 der Formel dem ludex iiberlassene Streitwert- 
sung eines Schuldners, s. o. S. 575) eine Geld- schatzung (Diocl. et Max. 294 C. lust. IV 32, 23. 
summe verschaflft hat, die dieser irrtiimlich als Buschke 197) bei Darlehen in Naturalien 
Darlehen eines Dritten ansah, gegen den Emp- (Alex. 223 Cod. lust. IV 32, 11), ferner bei Geld- 
fanger keinen Anspruch aus Darlehen (non quia darlehen von civitates (Paul. libr. sing. reg. Dig. 
pecuniam tibi credidi [hoc enim nisi inter consen- XXII 1, 30) und beim fenus nauticum (s. Bd. Vl 
tientes fieri non potest gl.'^, Ygl' Ind. Itp. 116^]), S. 2200ff.), indem man dort die formlos ver- 
sondem nur einen solchen qais ungerechtfertigtem sprochenen Zinsen als klagbar ansah. tlber die 
Haben (sog. condictio liwentiana). Vielleicht im sog. Naturalobligation bei solchen Zinsen vgl. 
Znsammenhang mit der durch Gai. HI 91 be- Siber Nat. obi. 61 S. 

zeugten Verwandtschaft zwischen m. und solutio 60 5. Darlehenshingabe und Formalversprechen 

indebiti scheint allerdings nach Ulp. 7 disp. Dig. der Riickgabe. 

XII 1, 18 pr. vgl. m. Mian. 13 dig. Dig. XLI a) Das liber die Verpflichtung des Scihuldners 

1, 36 (so aus der neuesten Literatur zu der be- abgeschlossene Formalgeschaft, das nach den uns 

ruhmten , Antinomie* Lange Das kausale Ele- liberlief erten klassischen Quellen stets Verbalkon- 

ment im Tatbestand der klassischen Eigentums- trakt ist (der in der alteren Zeit gerade fiir Dar- 

tradition, Lpz. rechtswiss. Stud. LIII 63ft. E h r - lehensgeschaf te libliche Libralakt, das n&xum, s. 

hardt 1381 A.A. BettiStudi Bonfantel 309. den betr. Art und vorlaufig Siber 162f. mit 

M n i e r ebd. Ill 225. (S c h o n b a ii e r Krit. weiteren Angaben, ist auBer Gebrauch, die klas- 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 19 



579 Mutuiun Mutuum 580 

sische Uterarum obligatio — vgl. Bd. XIII S. 787ff. gebers und eine sie beurkundende sog. cautio 

Siber 11 180 mit weiteren Angaben — ist in simplex: Kreller 296ff. gegen Sum an Atti 

den iustinianischen Quellen ausgemerzt), absor- R. Ist. Ven. 1918/19 LXXVIII 2, 225ff. Ygl, 

biert nach der von Pompon. 24 ad Sab. Dig. St oil Ztschr. Sav.-Stift. XLVII 515ff.) gestiitzlSn 

XLVI 2, 7 mit dem typischen Parteiwillen (quia zivilrechtlichen Leistungsanspruch des Glaubigers 

id agitur, ut sola stipulatio teneat) begrtindeten konnte der Schnldner den Umstand, dafi er Va- 

Ansicht die vorher implendae stipulationis gratia luta nicht erhalten babe und daher nach Billig^ 

(vgl. zu diesem Bild, wonaeh die Zahlung den keitsrecht zur Erfiillung nicht verpflichtet sei, mit 

Inhalt fur die Form des Haftungsgeschafts dar- Riicksicht auf den ,strikten* Charakter der Klage 
stellt, auch Scaevola 2 quaest. Dig. XIV 6, 6:10aus dem formlichen Haftungsgeschaft nur mit 

quia expleta est numeratione substantia ohliga- Hilfe einer in die Klagformel einzuftigenden ex- 

tionis. Kreller Zur Gesch. der exceptio non ceptio geltend machen. Dazu diente zweifellos die 

numeratae pecuniae, Studi Riccobono 11 289) er- sog. exceptio doli generalis (Gai. IV 116. 119. 

folgte Zahlung, so dafi es gar nicht zur Ent- Ulp. 76 ad ed. Dig. XLIV 4, 2, 3), auBerdem aber 

stehung einer Realobligation und deren Beseiti- wohl auf Grund spatklassischer Praxis (Ulp. eod. 

gung durch das neue Haftungsgeschaft liber die 4, 16: in factum . . . erit excipiendum, utj si forte 

gleiche Schuld (novatio) kommt. Diese Ansieht pecunia non numerata dicatur, obiciatur exceptio 

tragt Ulpianus (46 ad Sab. Dig. XLVI 2, 6, 1) pecuniae non numeratae; 7 disp. Dig. XVII 1, 

als feststehend vor (unus contractus est) und er- 29 pr.: et [si quidem sciens] {quamvis} praeter- 
streckt sie auf den ganz gleich liegenden Fall der 20 miserit exceptionem [vel doli vet] non numeratae 

Auszahlung des Geldes nach AbschluB des For- pecuniae. Antonin. 215 C. lust. IV 30, 3: excep- 

malgeschafts. Ebenso entscheidet Paul. 3 quaest. tione opposita [seu doli seu] non numeratae pe- 

Dig. XLV 1, 126, 2: nam quotiens pecuniam mn- cuniae. Diocl. et Max. 293 ? C. lust. IV 30, 9: in 

tuam dantes eandem stipulamur, non duae obli- factum dandam exceptionem convenit) eine in fac- 

gationes nascuntur^ sed una verborum, der indes, tum konzipierte exceptio, die ^exceptio non nume- 

falls der folgende Satz echt ist (Literatur bei raiae pecuniae', deren Formel vermutlich etwa ge- 

Siber Nat. obi. 2, 5, dazu Pringsheim lautet hat: — extra quam si pecunia quasi credita 

Ztschr. Sav.-Stift. XLVI 354), gegeniiber einer petitur, quae tunc cum cavebatur N° N° numerata 

(offenbar ex intervallo, so daB ihre Existenz kein non erat, aut si ea pecunia postea N° N° numerata 
Indiz gegen den Verpflichtungswillen beim Real- 30 est. Auf Grund dieser Formel brauchte der pro- 

gesohaft darstellt!) nachfolgenden unwirksamen missor nur darzutun, daB ihm das vorgesehene 

sponsio die dem ius gentium angehorende ,na- Darlehen bei AbschluB des Formalkontraktes nicht 

turalis obligatio' aus der numeratio bei Bestand ausgezahlt war (was offenbar nach der Geschafts- 

lassen will. Wohl erst durch die Kompilatoren praxis ebenso haufig zutraf wie heute die Vorein- 

sind an der sedes materiae die dem klassischen tragung einer Darlehenshypothek, vgl. § 1139 

Grundsatz von der AusschlieBlichkeit der Formal- BGB.), die nachtragliche Auszahlung muBte der 

geschafte entsprechenden Entscheidungen von Glaubiger beweisen. Dieses Schutzmittel hatte der 

tJlpianus (26 ad ed. Dig. XII 1, 9, 4—6) im Schuldner aber nur innerhalb einer bestimmten 

Sinne eines Hilfsanspruchs aus dem Realkontrakt Frist (annus ufilis?, 5 Jahre nach Diocl. et Max. 
verandert und zur Grundlage eines Mischtypus 40 294 C. Herm. Wisig. IfMommsen-Krtiger 

von Haftungsgeschaft ,re et verbis' (vgl. [tllp.] CollectioHIp. 234], 2 Jahrenachlust. 528C. lust. 

Dig. XII 1, 9, 3. 4. [Modestin.] Dig. XLIV 7, IV 30, 14 pr.), die er bis lustinian (c. cit. § 4ff.) 

52, 3. G. Segre Studi Simoncelli 1917, 331ff. durch gerichtliche Geltendmachung der Einrede 

nach S 1 11 Ztschr. Sav.-Stift. XLVII 514. R i c- oder des ihr entsprechenden Anspruchs auf Auf- 

cobono ebd. XLIII 3171) gemacht worden. hebung seiner Formalverpflichtung und Heraus- 

Entgegengesetzt fiel die Entscheidung aus, wenn gabe der Urkunde (condictio incerti?) wahren 

die erfolgte Auszahlung des Darlehens in Form muBte. Mit der Verwandlung der Stipulation in 

eines ,nomen' (d. h. nach richtiger Ansieht wohl einen rechtsgrundabhangigen Schriftakt (R i c - 

einer vom Glaubiger ausgestellten Urkunde, nicht c o b o n o Ztschr. Sav.-Stift. XXXV 214ff. XLIII 
eines Eintrags in dessen Hausbuch: He ck Archiv 50 262ff.) wurde die (nunmehr mit der exceptio doli 

f. d. civil. Praxis CXVI 129ff. Siber 180S. s. verschmolzene) exc. n. n. p. zu einer befristeten 

Bd. XIII S. 791 f.) bezeugt war: dann gait nur ,Beweiseinrede* gegen Urkunden; vgl. die lustini- 

die Realobligation, die Urkunde wurde zur schlich- anischen Constitutionen C. lust. IV 30, 14 — 16 u. 

ten Beweisurkunde (nomen arcariwm, Gai. HI 131. lust. inst. Ill 21. Einzelnes und Schrifttum bei 

Heck 153; a. A. Kniep zu Gai. Ill 88ff. Kreller. 

S. 200ff.). Ebenso hat man im Gegensatz zum For- II. Als actio steht dem Darlehensglaubiger 
malkontrakt tiber die personliehe Haftung bei 1. bei formellem Riickgabeversprechen die die- 
der formlosen conventio tiber die Pfandhaftung sem zugeordnete, also bei sponsio (stipulatio) schon 
angenommen, daB sie erst mit der Auszahlung nach den XII Tafeln die legis actio per iudicis 
der Valuta wirksam werde (Paul. 5 resp. Dig. 60 postulationem (Gai. fr. Antin. =: Pap. Soc. Ital. 
XX 3, 4; weitere Belege und Literatur bei Krel- 1182 ed. Arangio-Ruiz 1933, 178ff.) und da- 
1 e r exc. n. n. p. 289ff.), daB aber bei Vorliegen neben. da es sich immer um certa pecunia oder 
des auBeren Verpfandungsaktes der Verpfander eine andere certa res handelte, nach den leges Si- 
den Niehiempfang der Valuta beweisen mtisse lia und Galpurnia die legis actio per condictionem 
(Sev. et Antonin. 197 C. lust. VIH 32, 1, vgl. (Gai. IV17a— 20 erganzt durch frg. Antin. 204ff.) 
IV 30, 1; bestr. vgl. Kreller 293ff.). zur Verfiigung. Dieses, nach Gai. IV 20 damals 
b) Gegeniiber dem auf die Stipulation (nicht nicht mehr erklarliche, Wahbecht bestand fiir die 
aber gegeniiber dem auf die Leistung des Kredit- Zeit des Formularprozesses wohl insofern fort^ 



581 Mutuum Mutuum 582 

als der stipulator eines certum sowohl die actio trakt wird daher in der klassischen Praxis wohl 

(eerta) ex stipulatu wie die condictio certae (ere- vor allem als Hilfskonstruktion bei den hel- 

ditae) 'pecuniae (Formel: L e n e 1 Ed. perp.3 237) lenistischer Sitte entsprechenden ,cautiones 

hatte; vgl. Arangio-Ruiz Ist.^ 316. In der simplices' Anwendung gefunden gaben. 

wohlitp. Ulp.-Stelle Dig. XII 1, 24 (Seek el bei III. Die r omische Recht sset zunghat 

H e u m a n n^ s. stipulari 556/57) wird die erst- sich — abgesehen Yon der Zinsregelung (s. Bd. VI 

genannte ausgeschlossen. S. 2187ff.) und der unter I 5 b besprochenen by- 

2. Aus dem Realkontrakt kann es nach unseren zantinischen Ordnung der Beweiskraft von Schuld- 

Nachrichten vor den die I. a. per cond, einfiihren- scheinen — mit dem m. befafit 

den Gesetzen (Gai. IV 19) nur die allgemeine 10 1. durch Mafinahmen gegen Gelddarlehen an 

Schuldklage (/. a. sacramento in personam: Gai. Rlii familias. Nachdem schon Claudius im J. 47 

IV 13. Arangio-Ruiz Pap. Soc. Ital. 1182 n. Chr. lege lata saevitiafn creditorum coercuit, 

p. 44; Ist.3 114) gegeben haben, seitdem scheint ne in mortem parentum pecunias Hliis familiarum 

diese nach Gai. IV 20 neben der Z. a. per condic- fenori darent (Tac. ann. XI 13), also durch ein 

tionem zur Wahl gestanden zu haben. Deren Ver- Strafgesetz die Bewucherung der zwar verpflich- 

wandtschaft mit der — nach Gai. IV 18 nur ,non tungsfahigen (Gai. 3 ad ed. prov. Dig. XLIV 7, 

propriety d. h. ohne Zusammenhang mit einem 39), aber bis zum Tode des nachsten Gewalthabers 

condicere=denuntiare so gena,imien — Formel des grundsatzlich vermogenslosen Haussohne (Ein- 

spateren Verfahrens, der ,abstrakten* condictio zelnes bei S i b e r 310f.) einzudammen versucht 

(s. Bd. IV S. 849ff.), wird jetzt dadurch be- 20 hatte, veranMte nach Suet. Vesp. 11 (s. Bd. VI 

leuchtet, daB auch die durch frg. Antin. 205ff. S. 2685) Vespasian in dem Bestreben, dem mit 

bekanntgewordene Formel dieser I. a. den Klag- den politischen Wirren vor seinem Regierungs- 

grund nicht nannte. Die in Cod. lust. VII 35, 5 antritt (coercente nullo, andere Deutung dieser 

(Diocl. et Max. 293) erwahnte mutui actio ist Worte bei Huschke 153) verbundenen Sitten- 

sicher keine von der condictio verschiedene Klage verfall zu steuern, ein Senatusconsult, nach dem 

(Huschke 1 98. v. M a y r Ztschr. Sav.-Stift. Miorum familias feneratorihus exigendi crediti ius 

XXV 205, 4), auch die bloBe Moglichkeit, den numquam esset, hoc est, ne post patrum quidem 

Klaggrund in die intentio einer condictio aufzu- mortem. Dieses SC. flihrt in den Rechtsbiichern 

nehmen, ist mit Lenel Ed. perp.s 237 abzuleh- (Inst. lust. IV 7, 7. Dig. XIV 6. Cod. lust. IV 

nen. Die von den Formeln abstrahierende byzan- 30 28. Paulus sent. II 10 C. Greg. Wisig. 10 [Momm- 

tinische Theorie konnte aber natlirlich nach dem sen-Krliger Coll. Ill p. 231]), nach dem Vater- 

Klaggrund die ,Darlehensklage* von der Klage morder (so Theoph. paraphr. inst. IV 7, 7 ed. 

aus ,ungerechtfertigtem Haben* unter scheiden: Ferrini p. 450, gegen die Glaubwurdigkeit 

Theoph. paraphr. inst. Ill 14 ed. Ferrini 319 dieser Quelle v. Beseler Beitr. IV 130f.; vgl. 

(baveiaxog condicticios und indebitos condicticios). auch Sohm-Mitteis-Wenger 393f., 1 ; 

Die Beschrankung des Glaubigers aus der ein- dafi schon die Klassiker im Zusammenhang mit 

fachen mutui datio auf diese allgemeine Formel, dem Sc. Mac. an den Vatermord dachten, zeigt 

bei der die Festlegung des wirklichen Streitgegen- Ulp. 29 ad ed. Dig. XL VIII 9, 7), dessen ProzeB 

standes noch apud iudicem erortert werden konnte die Veranlassung zu seinem Ergehen war, den 

(Cic. pro Roscio com. 4/5, § 10 — 15) und nach40Namen Macedonianum (s. Bd. XIV S. 127 Nr. 1) 

der in spatklassischer Zeit herrschenden Ansicht und lautet nach Ulp. 29 ad ed. Dig. XIV 6, 1 pr. 

einer positiven, nach Celsus einer negativen Son- im entscheidenden Teil: ne cui, qui Rlio familias 

dervereinbarung der litem contestierenden Par- mutuam pecuniam dedisset, etiam post mortem 

teien bedurfte (Ulp. 26 ad ed. Dig. V 1, 61 pr. parentis eius, cuius in potestate fuisset, actio pe- 

Solemus quidem dicere id venire in iudicium, de titioque daretur. Dieser Text ist in den Erlaute- 

quo actum est inter litigantes: sed Gelsus ait rungswerken zum Edikt (Nachweise bei Lenel 

[periculose . . . in iudicum eingearbeitete Glosse?, 274, 2, fiir besonderes Erlauterungsdelikt H. Krxi- 

andere Heilungsversuche s. Ind. itp. suppl. I 88] g e r Ztschr. Sav.-Stift. XXXVII 298) ausfiihrlich 

non de quo actum est ut veniret, sed id non venire, kommentiert, das Gelegenheitsgesetz hat noch 

de quo nominatim actum est, ne veniret; vgL 50 nach einem Jahrhundert der hochklassischen Juris- 

Lenel Ed. perp.s 237), bei der ferner nach dem prudenz (z. B. Scaev. 2 quaest. Dig. XIV 6, 4 u. 

praetorischen Edikt (Lenel 235ff.) das alte Pri- 6 mit Hinweis auf eine damals wohl rechtssprich- 

vileg des Darlehensschuldners sich freizuschworen wortliche Fassung des Verbotes: vulgo dicitur Ulio 

(Diod. I 79, 1 ; vgl. S e i d 1 Der Eid im ptol. familias credi non licere) interessanten StofE, der 

Recht, Diss. Mtinchen 1929, 63ff. Plant. Cure. Rescriptenpraxis (Dig. XIV 6, 15. Cod. lust. IV 

496; Pers. 478; Rud. 14. Sail. Cat. 25, 4. Isid. 28, 1—6) haufig Gelegenheit zur Entscheidung 

orig. 26, 20 Lindsay; vgl. P a r t s c h Ztschr. Sav.- von Zweifelsfragen und noch lustinian (Cod. eod. 7) 

Stilt. XXXI 41 6f.) unter gewissen Vorausset- AnlaB zu einem gesetzlichen Eingriff geboten. 

zungen fortbestand und im Falle des Gelddar- Hervorzuheben ist, dafi — dem Wortlaut der Ver- 

lehens mit der Durchfiihrung des Streitverfahrens 60 fiigung entsprechend — die Verletzung des Ver- 

die Gefahr der plus petitio (Cic. pro Rose. com. botes nur durch amtsrechtliche Mittel, denegatio 

4, lOf. Gai. IV 53f.) und auch fiir den Klager eine actionis (Ulp. 29 ad ed. Dig. XIV 6, 1, 1. 7, 6; 

besondere ProzeBgefahr (restipvlatio tertiae par- untechnisch 9, 2, ebenso wohl lust. inst. IV 7, 7. 

tis: Gai. IV 13. 171. Lenel 238f.) verbunden Huschke 172f. Wlassak Ztschr. Sav.-Stift. 

war, mag dazu beigetragen haben (s. o. S. 578), XXXIII 151. Le vy ebd. L 285. D till Der Gute- 

den romischen Verkehr (abgesehen von Freund- gedanke im romiscjfien ZivilprozeBrecht, Munchen 

schaftsdarlehen) auf das Darlehen mit formellem 1931, 203ff. Schonbauer Ztschr. Sav.-Stift. 

Rtickgabeversprechen hinzulenken. Der Realkon- LII 261 f.) oder Einschaltung einer exceptio 



583 Mutuum Mytenische Kultur 584 

senatusconsuUi (Macedoniani) (ygl. Lenel Bd. Worterb. s. davsl^co, ddveiovj daveio/biogj bavsiGtiqgy 

perp.3 § 279) bekampft wird und da6 — im baveiotiHog^bdvog^naQd'd'SGig^oiaQa'd'riiiri^naQaxaxa- 

Einklang mit dem Zweck des Gesetzes — jede d'rjHYj, 7caQa?caTatl'&rjfA,i, szaQazl'd'rjfjLi. M. Modi call 

Zustimmung (endgiiltig nach lust. Cod. IV mutuo nei papiri greco-egizi dell'epoca tolemaica, 

28, 7 auch die nach&agliche) und Bereiche- Palermo 1911, und die tschechiseh geschriebene 

rung des Gewalthabers die normale Haf tung Habilitationsschrif t von J. G v e 1 1 e r tiber Da- 

(auch die des parens selbst mit den sog. adiecti- neion und Darlehen im Rechte des ptolemaischen 

cischen Klagen des XVIII. Ediktstitels, Lenei Agyptens (Arbeiten aus dem Seminar des rom. R. 

257H.) sicherte, andererseits aber auch der red- zu Prag, hrsg. v. Sommer, Nr. 3, Prag 1934, 

liche Glaubiger den ungeschwachten Anspruch 10 Auszug erscheint Ztschr. Sav.-Stift. LV) waren 

behielt (lulian nach Pompon. 7 var. lect. Dig. mir nicht zugangig. Arangio-Ruiz Linea- 

XIV 6, 19) und jeder Glaubiger das wirksam Ge- menti del sistema contra ttuale nel diritto dei 

zahlte Oder gutglaubig Verbrauchte behalten papiri c=: Pubbl. Univ. catt. ser. 2 vol. 18, 57S. 

konnte (Siber Nat. obi. 52S.); vgl. im einzelnen Berichte liber neuerschienene Urkunden und 

Huschke 149ff, V\^indscheid-Kipp§373. Literatur bei P. M. Mever Ztschr. f. vergl. 

2. durch die Aufnahme der Hinga.be von Geld- Rechtswiss. XXXIX 260ff. XL 201; Ztschr. Sav.- 

darlehen in den Kreis der den Provinzialstatthal- Stift. XLIV 600f. XLVI 329f. XLVIH 616ff. L 

tern und ihrer Umgebung verbotenen Formen der 530. LII 390f. LIV 364f . [H. Kreller.] 

geschaftlichen Betatigung: Modestin. 10 pand. Mykenische Kultur. Konventionelle Bezeich- 

(Principalibus constitutionibus cavetur, ne hi qui 20 nung (zuerst bei Furtwangler-Loeschcke 

provincias regunt quive circa eos sunt negotientur Myk. Vasen 1886, Xlff.) ftir die vorgeschichtliche 

mutuamve pecuniam dent fenusve exerceant), dazu Kultur Griechenlands im 2. Jahrt. v. Chr., vom 

Paulus sent. II 1, la. 1 b £= Dig. XII 1, 34 u. Beginn des kretischen Einflusses im 17./16. Jhdt. 

Hon. et Theod. 408 Cod. lust. IV 2, 16. Husehke (MM III, vgl. Bd. XI S. 1766) bis zum Unter- 

57. Vgl. auch die bei Mo mm sen St.-R.^ Ill gang dieser Kultur im 12./11. Jhdt. Zusammen- 

1154 erwahnten politischen Darlehensverbote aus fassende Behandlungen: Milchhofer D. An- 

republikanischer Zeit. fange d. Kunst in Griech. 1883. Perrot-Chi- 

IV. Aus dem griechischen Quellenkreise ist fur p i e z Hist, de I'Art VI 1894. Springer- 

das Verstandnis des romischen Darlehensrechts Michaelis-Wolters Gesch. d. Kunst I 

vor allem die Verwendung des ddvsiov als haf- 30 (Altertum)i2 1923, 121ff. H. Bossert Altkreta^ 

tungsbegriindender Akt heranzuziehen, namentlich 1923 Abb. 192ff. Fr. W^inter Kunstg. i. Bild. 

auch in der Form, dafi die beurkundete Auszah- 13. FimmenD. kretisch-myken. Kultur^ 1924 

lung eines Darlehens als erfolgt gilt und darum (noch immer grundlegend). Bd. XIS. 1718ff. Nach 

die Urkunde tiber ein ,fingiertes ddvsiov' belie- der jetzt fast allgemein angenommenen Auffas- 

bigen schuldrechtlichen Zwccken (als sogenannter sung sind die ersten Griechenstamme um 2000 

abstrakter Schuldsehein) dienen kann. Diese v. Chr. aus dem Norden der Balkanhalbinsel ein- 

von M i 1 1 e i s Reichsrecht u. Volksrecht 459ff. gewandert (Haley-Blegen AJA XXXII 1928, 

iiberzeugend dargelegte Lehre (altere Litera- 141ff. Ed. M e y e r G. d. A. I 2^, 804ff . B e 1 o c h 

tur daselbst) kann heute als herrschend be- GG P 67S.). Die von Sir A. Evans vertretene 

zeichnet werden (Schrif ttum bei M i 1 1 e i s - 40 Ansicht, daB die Trager der mykenischen Kultur 

Wilcken Grundz. II 1, 116f., ferner E. Weiss auf dem Festlande minoische Einwanderer oder 

Griech. Privatr. I 241 f. 437fE. F. Web er Unters. Eroberer seien, hat ebensowenig Anklang gefun- 

z. gr.-ag. Oblig.-R. == Munchener Beitr. XV 6f., den wie die D o r p f e 1 d s, der sie fiir Phoinikier 

ablehnend vor allem Brandileonein den von oder (in jiingster Zeit) fiir Hanebu aus Stidarabien 

St oil Ztschr. Sav.-Stift XLVII 51 7f. besproche- und Syrien halt (Evans The Shaft Graves a. 

nen Abhandlungen, s. auch Bd. IV A S. 1381ff.). Bee-hive Tombs of Myc. 48f. 93. Dor pf eld 

Die romische Jurisprudenz hat gegeniiber diesen Athen. Mitt. L 86ff.; Alt-Olympia 1935). 

— offenbar schon in klassischer Zeit auch unter Sporadische Beziehungen des Festlandes zu 
romischen Biirgern (vgl. Gai. Ill 133: quodam Kreta sind schon im 3./2. Jahrt. nachweisbar. 
modo iuris civilis est talis obligatio) verwendeten 50 Vielleicht ist hier Melos die Vermittlerin gewesen, 

— unwahren Zahlungsbeurkundungen starke Zu- von der beide Telle den Obsidian bezogen (vgl. 
rtickhaltung getibt, indem sie zur Verbindlichkeit Fimmen 119; Excav. at Phylakopi 216ff. 
des nomen transscripticium als Literalkontrakt Evans Palace of Minos I 55). Die ersten Be- 
Bezug-nahme auf eine causa antecedens (bestehende weise unmittelbaren und f ortgesetzten Verkehrs 
Verpflichtung des Schuldners oder eines Dritten: bilden gegen Ende des 17. Jhdts. vereinzelte 
Gai. Ill 128 — 130, wohl auch des Schuldners Scherben der jiingeren und spaten kretischen 
gegeniiber einem Dritten: Liv. XXXV 7, 2 ut in Kamares-Keramik (MM III, vgl. Bd.XIS. 1758fi.) 
socios, qui non tenerentur iis legibus [scil. fae- und nicht wenige festlandische Nachahmungen. 
nebribus] nomina transscriberent) verlangten, eine Minoische Originale sind bisher nur auf Ai- 
Tendenz, die — mit bezug auf die byzantinische 60 gina und in Asine aufgetaucht (Welter Arch. 
cautio — ebenso bei lustinus Cod. lust. IV 30, 13 Anz. 1925, 31 8f. A. P e r s s o n Bull. Soc. 
zu beobachten ist. R., Lund 1924/25, 76f. Taf. 29), in Tiryns und 

Im iibrigen sind fiir das griechische Recht zu Mykenai bloB einheimische Nachahmungen (Furt- 

vergleichen: L i p s i u s Att. R. u. Rechtsverf. 716 wangler-Loeschcke Myk. Tongef. Taf. 6. 

— 738.Mitteis-WilckenGrundz.IIl,116f. H. Schliemann Tir. Taf. 261 Keramo- 

257ff. P. M. Meyer Jur. Pap. 141ff. Prei- pullos 'Aqx. 'Ecprifji, 1918, 52ff. Phot. d. 

s i g k e Fachworter s. bdvstov onsQfidtcov, nagd- Inst. Athen. Tir. 1035). Sonst besitzen wir keine 

d'soig, 7zaQa(?cara)'d"^7i7}. Preisigke - Kiefiling Zeugen aus dieser ersten Phase kretischen Ein- 



585 Mykenische Kultur Mykenische Kultiir 586 

flusses. Aber unmittelbar darauf, seit etwa dem Aber auch wo Formen, Technik und Stil der kost- 

zweiten Drittel des 16. Jhdts., setzt eine so starke baren Funde aus den Scbachtgrabern entsprechen- 

Befruchtung des Festlandes durch die uberlegene den kretischen Stiicken durchaus gleichen, be- 

minoische Kunst ein, dafi man Jahre lang die steht vielfaeh ein oHenbar rassisch bedingter 

mykenische als einen bloBen Ableger von jener Gegensatz in der Wahl der Darstellungen: in My- 

ansehen konnte. Allmahlich tritt aber die off en- kenai iiberwiegen in aufierordentlichem MaBe, so- 

bar auf volkischer Verschiedenheit, dem Gegen- gar auf dem Schmuck der Frauen, Jagd und 

satz zwischen griechisch-arischer und kleinasia- Krieg, welche die ganz pazifistisch anmutende 

tisch-minoischer Basse bferuhende Selbstandig- minoische Kultur verscbmaht; dafiir fehlen die 
keit des Mykenischen immer klarer hervor. Den 10 auf Kreta so beliebten Bilder des Kultes und des 

Ausgangspunkt bilden heute wie vor 60 Jahren hofischenLebens.Wahrendhier die Frauen eineauf- 

die von Schliemann 1876 entdeckten sog. faUend beherrschende RoUe spielen, erscheinen sie 

Schachtgraber von Mykenai (vgl. Bd. XVI auf Bildern aus denSchachtgrabern nur sehr selten. 
S. 1017ff. Schliemann Mykenae 1878. G. Das gleiche gilt fur die minoischen Kultsym- 

Karo D. Sch. v. M. 1930 — 1932, im folgenden bole. Dagegen ist die zweimal im III. Schacht- 

Sch.). Es sind sechs in den weichen Felsen ge- grab vertretene nackte Gottin (Sch. 305. 322) der 

triebene, einst mit einer Balkendecke und Erd- minoischen Kunst in jener Zeit schon seit Jahr- 

aufschiittung bedeckte, kleinere und groBe Gru- hunderten fremd, wie ja diese in ihren Wurzeln 

ben, deren Gestalt schon etwas ganz Neues orientalische Kultur eine stark ausgesprochene 
bietet, ebenso die fiirstlich reiche Ausstattung, 20 Scheu vor jeder Nacktheit hatte. Den einzig- 

wahrend bis dahin die moisten f estlandischen artigen Reichtum an Waff en hat E. Fr. B r u c k 

Graber ganz oder fast leer waren. Insgesamt waren (Totenteil und Seelgerat im griechischen Recht, 

hier neun Manner, acht Frauen und zwei Saug- Miinch. 1926, 27ff. 63E) schlagend aus denBrau- 

linge unverbrannt bestattet. Einzigartige Beson- chen des griechischen Epos und aus germanischen 

derheiten sind vor allem die Relief stolen tiber Rechtsvorstellungen erlautert: die dem besiegten 

den Griiften, die auBerordentliche Fiille der Waf- Feinde abgenommenen Waff en sind eigenster 

fen, das Vorkommen nordischer Formen und Rechtsbesitz auch noch des toten Kriegers und 

massenhafter Bernsteinperlen, die goldenen Mas- mtissen ihm ins Grab folgen (vgl. Sch. 340, 2). 

ken, die fiinf von den neun mannlichen Leichen Dagegen ist eine goldeneAdlerkette des V. Schacht- 
trugen. Diese sind offenbar die altesten Versuche 30grabes (Sch. 129 Abb. 48), in Stil^und Bedeutung 

von Bildnissen auf dem Festlande Europas und rein minoisch, bloB Ersatz ftirs Grab, wahrend 

stehen mit ihrem dem klassisch-griechischen ent- der Erbe des hier Bestatteten das echte Abzeichen 

sprechenden Rassetypus dem minoischen (klein- fiirstlicher Wlirde getragen haben wird. 
asiatischen) klar gegentiber (E. Fischer Sch. Wir gewinnen den Eindruck einer reichen, 

320i.). Beziehungen Mykenais zu Anatolien be- etwas barbarischen Dynastie. Die Manner tragen 

zeugt ein hethitisches SilbergefaB in Form eines wohl Schmuck (Diadem, Halsketten, Armreifen), 

Hirsches (Sch. 94. 300. v. Bissing Arch. Anz. aber er ist kiinstlerisch nicht wertvoU. Auch die 

1923/24, 106); ferner mit groBter Wahrschein- Frauen zeigen mehr Pracht als Geschmack, ab- 

lichkeit ein Silbertrichter, auf dem die Belage- gesehen von wenigen kostbaren Kunstwerken 
rung einer in ihrer Befestigung Troia II ent- 40 (Sch. Taf. 24: drei Insiegel, zwei Ringe aus Gold), 

sprechenden Kustenstadt durch mykenische Heer- Wahrend die Fiirstinnen sich der verkunstelten 

scharen zu sehen war (Sch. 106ff. Abb. 35i. minoischen Hoftraeht (Bd. XI S. 1757) willig 

174i. Abb. 83ff.): die erste historische Dar- gebeugt zu haben scheinen, ist Itir die Krieger 

stellung der europaischen Kunst. neben dem vielfaeh dargesteUten kretischen Len- 

Dieser Trichter ist, ebenso wie fast samtliche denschurz der kurze festlandische Chiton und 

anderen Schatze aus den Schachtgrab'ern, in wohl auch der Mantel bezeugt (Sch. 173f£.). Beide 

Technik und Stil rein minoisch. Bei sehr vielen Geschlechter erf reuen sich an zum Toil sehr kunst- 

MetallgefaBen, Waffen und Kostbarkeiten aller voUem Tafelgeschirr aus Edelmetall, auch Ge- 

Art kann man nicht sicher entscheiden, ob sie fafie aus Alabaster, Fayence, StrauBeneiern kom- 
auf Kreta oder in der Argolis hergestellt wurden. 50 men vor. Die Waffen iiberragen an Zahl, Schon- 

Erweisbar ist letzteres fiir die Grabstelen, fiir heit, prunkvoUem Zierat, verfeinerter Technik 

zahlreiche offenbar unbeholfene oder auch bewuBt alle anderen Beigaben, iiberhaupt alles, was die 

abweichende Nachahmungen minoischer Vorbilder gesamte Antike auf diesem Gebiet geleistet hat. 

(vor allem Schmucksachen), fiir einige festlan- Besonders stolz miissen die mykenischen Herren 

dische GefaBformen (besonders Kantharoi und auf ihre Gespanne gewesen sein; die zahlreichen 

einhenklige hochfiiBige Becher) und die Ver- Jagd- und Kriegsbilder zeigen einen leichten, 

schmelzungen von solchen mit kretischen For- zweiradrigen Rennwagen und gedrungene, strup- 

men, endlich fiir eine Gruppe von Schmuck- pige, kleine Pferde, die sich von den hochgeziich- 

stucken nordischer Pragung und einer anderen, teten Rassetieren auf etwas jiingeren kretischen 
deren Ornamentik von der minoischen im inner- 60 Darstellungen stark unterscheiden (Sch. 338f .). 

sten Wesen abweicht (Sch. 187f. 224ff. 258ff.). Jedoch kommen weder Pferdeskelette noch Reste 

Unter den TongefaBen befindet sich nur ein ein- von Zaumzeug oder Wagen in mykenischen Gra- 

ziges echt minoisches, aber zahlreiche einhei- bern vor. Agyptische Kunstwerke fehlen in den 

mische Nachahmungen neben altmodischer mono- Schachtgrabern, exotische Stoffe wie Elfenbein 

chromer und mattbemalter Ware, die mit Kreta und StrauBeneier kamen gewiB aus Kreta nach 

nichts zu tun hat (Sch. 25 Iff.). Zu den Reliefs der Mykenai, nicht direkt aus Afrika oder Asien. Da- 

Grabstelen gibt es keine Parallelen auf Kreta, gegen reichte der nordische Handel nicht tiber 

wo groBere Plastik in Stein iiberhaupt fehlt. das Festland hinaus (u. S. 597). 



587 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 588 

Den ungeheuren, so plotzlich auftretenden noch altere beim Heraion von Argos von C. Ble- 

Keichtum (an Gold allein enthalten die Schacht- gen geoffnete Kammergraber reichen in die 

graber gegen 14 kg; Sch. 166ff.) kann man durch Schachtgraberzeit hinauf (Wace Chamber Tombs 

Handelsverkehr nicht erklaren; dazu ist die Ar- at Mycenae, Archaeologia LXXXII 1932, 1222. 

golis viel zu arm. Die mykenischen Herren wer- nr. 516. 517. 518. 529. Blegen AJA 1925, 

den sich mit Gewalt Schatze und kunstfertige 417ff. Sch. 337, 1); es sind nur wenige, kein ein- 

Sldaven aus Kreta geholt haben, wo gerade zur ziges ist alter als die Schachtgraber, die ganz 

Zeit der Schachtgraber eine furchtbare Zerstorung tiberwiegende Masse junger, meist sogar viel 

des Palastes von Knossos durch Erdbeben und j linger. Dasselbe gilt fiir die friihesten bisher be- 

Feuersbrunst ihnen den "Dberfall erleichterte 10 kannten kretischen Kammern (A. Evans Tomb 

(Evans Pal. of Minos II 3182. 3472.). Auch of Double Axes, Archaeol. LXV 1914, 62. E. J. 

andere minoische Herrensitze sind damals in Forsdyke BSA XXVIII 2452.). Auch diese 

Flammen aufgegangen. Die fiir Kreta so unheil- Grabform wird wohl in Mykenai entstanden sein. 

voU begonnenen Beziehungen sind dann friedlich Auf die alte tJberlieferung des Grabschachtes 

fortgeftihrt worden. Es laBt sich in den meisten deuten die fiir Leichen eingetieften Gruben vieler 

Fallen nicht entscheiden, ob ein Kunstwerk auf Kammern; andere Skelette lagen einfach auf dem 

Bestellung eines festlandischen Herrn auf Kreta Boden. Die Toten wurden stets unverbrannt be- 

ausgefuhrt worden ist, oder von einem Kreter in stattet, wie das auf dem Festland und den Inseln, 

Mykenai oder einem von ihm geschulten einhei- auch auf Kreta, vom Beginn der Kupferbronze- 

mischen Meister. Unmittelbar nach der Schacht- 20 zeit (Friihhelladisch und Friihminoisch) bis zum 

graberperiode, noch vor dem Ende des 16. Jhdts., Ende der minoisch-mykenischen Kultur tiblich 

verschwinden auch die meisten der oben ange- war. Dorpfelds Theorie eines Dorrens oder 

fiihrten wesenhaf ten Unterschlede: minoische Dar- Rostens der Leichen, (Mel. Nicole 1905, 992. 

stellungen, Kultszenen, Eeigen, Gottheiten und N. Jahrb. XXIX 12.) scheint mir dem Grabungs- 

Fabelwesen, Stierspiele und Akrobaten verdrangen befund zu widersprechen (Sch, 339, 4, wo aller- 

in wachsendem MaBe die alten Bilder des Krieges dings gesagt werden soUte, daB Spuren von Dor- 

und der Jagd; auf trotzige Ahnen folgen ver- rung an Skeletten nur selten nachweisbar sind). 

feinerte Geschlechter, deren Schmuck sich von kre- Aus dem Felskammergrab hat sich o2enbar 

tischem schlechterdings nicht mehr unterscheidet. das Kuppelgrab (die Tholos) entwickelt, vielleicht 

Unsere Kenntnis der frtihen mykenischen Kul- 30 zunachst ungewoUt, indem man eine vom Ein- 

tur beruht fast ausschlieBlich auf den Schacht- sturz des weichen Gesteins bedrohte Kammer mit 

grabern, deren Dynastie o2enbar der Wandel der Mauern verkleidete (vgl. Evans Tomb of Double 

Begrabnissitten ebenso verdankt wird wie die Axes Taf. 1). Aberschon gegen Ende des 16. Jhdts. 

Verbindung mit minoischer Kunst. Von gleich- hatte sich in Mykenai eine Kunstf orm ausgebildet, 

zeitigen Griiften weniger vornehmer Familien wis- die rasch zu den groBartigsten Schopfungen my- 

sen wir uberaus wenig (ein bescheidenes, etwas kenischer Architektur fiihren sollte. Die Entwick- 

jiingeres kleines Schachtgrab BSA XXV 52.), lung ist Bd. XVI S. 10182. kurz dargestellt. In 

desgleichen von den Festungs- und Hausbauten sie reihen sich die auBerhalb von Mykenai ent- 

des 16. Jhdts. In Tiryns (s. d. Art.) hat Kurt deckten Kuppelgraber so ein, daB zur ersten 

M u 1 1 e r eine ummauerte Burg und ein mit 40 Gruppe bisher nirgends Parallelen nachweisbar 

Fresken geschmticktes Herrenhaus fiir diese Zeit sind, die zweite durch folgende Tholoi vertreten 

erwiesen. Die noch sehr unvollstandigen Grabun- wird: Heraion bei jArgos (BSA XXV 3302. Myk. 

gen in der Unterstadt von Tiryns lehren wenig- Tongef. Taf. 12), Dendra-Mideia (A. Persson 

stens, daB damals die alten vormykenischen Kur- The Royal Tombs at Dendra 1931, 82.). Vaphio- 

venbauten voUig vergessen waren und bloB recht- Amyklai (T sunt as TJcprjf^, clqx- 1889, 1292.), 

eckige, geradwandige Hauser errichtet wurden. Pylos (Skias-Kuruniotis ebd. 1909, 2742. 1912, 

"Dber ihre Ausstattung laBt sich nichts Naheres 268. 1914,992.), Kakovatos (Dorpfeld-K.Miiller 

sagen. Vgl. K a ro Fiihrer d. Tiryns2 1934, 35. 41f, Athen. Mitt. XXXIII 2952. XXXIV 2692.), 

Eine grundlegende Umgestaltung der G r a b- Kampos, Vasiliko, Kopaiiaki, Bodia in Messenien 

form ist noch im 16. Jhdt. erfolgt. An Stelle 50 (Tsuntas T)q>f}f^. olqx. 1891, 1892. V aim in 

des Schachtes ohne Zugang, der bei jeder Nach- Bull. Soc. R., Lund 1926/27, 592. 1927/28, 1802. 

bestattung von oben geo2net und dann wieder zu- Etudes topogr. sur la Messenie anc. 1930, 59. 

geschiittet werden muBte, tritt nun das in den 64. 94. 103. 113. 146. 185), Thorikos in Attika 

weichen Felsen getriebene K a m m e r g r a b mit (St a is IlQaKx. 1893, 122. TJqprj/^i. olqx. 1895, 

langem, schmalem Zugang (Dromos) und nach 2212.), Kapakly bei Volo in Thessalien (K u r u- 

jeder Beisetzung durch groBe Steine verschlos- niotis ebd. 1906, 2112.). Zur dritten Gruppe 

senem Tor: also eine Art Grabhohle. Die un- endlich gehoren die Kuppelgraber von Tiryns 

regelmaBig rechteckigen oder runden, oben flach (Dragendorff Athen. Mitt. XXXVIII 3472. 

gewolbten Felskammern sind bald kleine Einzel- Karo Fiihrer^ 35f. Abb. 11), Argos (Bull. hell. 

graber, bald geraumige Familiengrtifte, bisweilen 60 LIV 480), Arkines in Lakonien (Tsuntas 

mit Anklangen an die Hausform. Sie liegen meist TJeprjfA,. Aqx. 1891, 1892. 1889, 1322. IlQaxt, 

in Reihen oder Gruppen an sanften Berghangen, 1910, 277), Menidi bei Athen (Lolling D. 

wo der weiche Fels leicht zu bearbeiten war. Man Kuppelgrab v. M.), Marathon (Arch. Anz. 1934, 

findet sie liber das ganze weite Gebiet der myke- 148), Orchomenos (H. Bulle Orchomenos I 85f. 

nischen Kultur hin verbreitet, und ebenso auf Perrot-Chipiez Hist, de I'Art VI 4402.), 

Kreta, vom 16. bis zum 12. Jhdt. zu Dutzenden Sesklo, Dimini und Gura in Thessalien (T s u n - 

und Hunderten. Ihr Ursprung ist noch nicht ge- tas Ai/lh^viov koI 2sokXov 115. 1522. Athen. 

klart. Die altesten in Mykenai von A. J. B. Wace, Mitt. XXI 1896, 247. Fr. S t a e h 1 i n D. hellen. 



589 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 590 

Thess. 169). Die angeblichen Tholoi von Eleusis Jahrhunderte bestehen blieb. Dieses Format 

und Kephallenia sind gar keine Graber (K u r u - scheint bis zu den grofiartigsten Schopf ungen des 

niotis jEXsvoiviaKd I 251f£. Abb. 14S. Kav- 14. Jhdts. (Atreus, Klytaimestra, Orchomenos) das 

vadias IlQam, 1912, 250f£., dazu Marina- erreichbare HochstmaB einer Konigsgruft darzu- 

tos 'AQX''-E^<PVf^- 1932, 291; neugefundene kleine stellen, vergleichbar etwa den fast gleich langen 

Tholos von Zakynthos Arch. Anz. 1934, 161f.), die griechischen Riesentempeln (Lange 100 — 110 m: 

von Koronta in Akarnien wohl blofie Felskammern Ephesos, Didyma, Samos, Olympieion von Athen, 

'Sotiriadis IlQaHT, 1908, 100). iiragas, Selinus). Einzig der Konig von Orcho- 

Nicht nur kann sich mit den neun Kuppel- menos hat es darin den mykenischen gleichgetan. 

^rabern von Mykenai keine andere Statte auch 10 Das mittlere Format schwankt im Durchmesser 

Lur entfernt zahlenmaBig messen (Kakovatos, Ko- etwa zwischen 10 und 12 m, das kleine zwischen 

)anaki und vielleicht Bodia besitzen deren drei, 8 und 9 bzw. 5,50 und 7 m. DaB man aber bei 

?*ylos, Thorikos, Dimini zwei, alle anderen nur diesen fast ausnahmslos beraubten Grabern aus 

lines); auch in der Bauweise sind auBerhalb von der Kleinheit nicht auf weniger reiche Ausstat- 

^lykenai bloJB zwei Fortschritte zu verzeichnen: tung schlieBen darf, beweist Dendra mit seinen 

n Kakovatos und Bodia scheint sich der Mauer- kostbaren Schatzen. 

)au schon einer wirklichen Kuppel genahert zu Nur in zwei Kuppelgrabern sind unversehrte 

laben, indem die Blocke nach innen leicht geneigt Bestattungen erhalten. In der Tholos von Vaphio 

rerlegt waren, in Orchomenos ist die Seitenkam- ist eine Grube den Grabraubern entgangen, die 
ner, die dieses Grab allein mit seinem Vorbild, 20 sonst gewissenhaft gepliindert batten (T s u n - 

iem Atreusgrabe von Mykenai teilt, kein bloB in t a s 'Ecprjix. clqx- 1889, 144ff. Taf. 7f£.). Hier lag 

len Felsen getriebenes Gelafi, sondern sauber aus ein Mann, mit doppelter Halskette aus 80 Ame- 

316cken aufgefuhrt und an Wandsockel undDecke thystperlen und Armbandern aus je 12 Gemmen 

nit kunstvoUen Flachreliefs geschmiickt (0 r - geschmiickt, an den Fingern je einen goldenen, 

.and OS Aslxiov I 1915; uiaQaQx, 50S. Bos- bronzenen und eisernen fting. Das Eisentritt 

sort Altkreta^ Abb. 206). Diese Seitenkammern hier zum ersten Male im minoisch-mykenischen 

dnd eine vereinzelte Variante gegentiber den sonst Kreise auf, noch als besonders kostbares Edel- 

t'or- und nachher liblichen Gruben im FuBboden metall gewertet, in merkwiirdiger tJbereinstim- 

les Kuppelraums oder des Dromos, in denen die mung mit der spateren griechischen tfberlief erung, 
Leichen beigesetzt wurden. Doch lagen diese oft 30 welche die ,Erfindung' des Eisens um 1450 v. Chr. 

luch einfach auf dem Boden der Tholoi wie der ansetzt (Marmor Barium All, S. 6. 56ff. Jac). 

Felskammern. Beide haben offenbar sowohl als An der linken Seite des Toten lagen zwei kost- 

Begrabnisstatte im engeren Sinne wie als Kult- bare Dolche mit flammenahnlichen Goldeinlagen 

caume ftir Totenfeiern gedient. Von diesen sind (T sunt as 146 Taf. 7, 1. 2; Bruchstticke zweier 

luch bisweilen Holzkohlenreste erhalten (Evans inkrustierter Dolche mit figtirlichen Darstellungen 

Shaft Tombs 3f.). fanden sich noch in der Tholos selbst: Mari- 

Ein Vergleich der Durchmesser der Kuppel- n a t o s Essays in Aegean Arch. 63fE. Evans 

caume ist lehrreich; wo die Hohe meBbar ist. Pal. of Min. Ill 126ff.). Neben den Handen der 

pflegt sie etwas geringer als jener zu sein; langst zerfallenen Leiche hatte man je einen der 
Gfruppe 1 : Kyklopengrab etwa 8, Epano Phurnes 40 beriihmten Goldbecher mit Stierfang und Rinder- 

3twa 11, Aigisthos liber 13 m. — Gruppe 2: in weide und einen glatten silberneu gleicher Form 

M^ykenai Panagia etwa 8, Kato Phurnes etwa 10, aufgestellt (K. Miiller Arch. Jahrb. XXX 1915, 

Lowengrab etwa 14 m. Heraion etwa 9,50, Den- 325ff. Taf. 9fE. Evans II 175 Abb. 88), ferner 

Ira 7,30, Vaphio 10,15 — 10,35, Kakovatos 12, links noch eine Silbertasse mit Goldrand und 

12,9 und 10,15—10,35 m, Thorikos 9,15 und -henkel (T sunt as Taf. 7, 15), eine Schmink- 

9 X 3,50 (dieser elliptische Bau ist vielleicht gar spachtel und einen Ohrloffel aus Silber. Am Kopf- 

kein Grab), Kapakly 10 m. — Gruppe 3: in ende des Grabes lag eine groBere Gruppe von 

Mykenai Atreusgrab etwa 14,50 (Hohe 13,20), Bronzen (T sunt as 145f. Taf. 8): langes Schwert, 

Klytaimestra 13,40, Genien 8,40 (Hohe etwa 8), sechs Schlachtmesser, zwei Lanzenspitzen, langes 
liryns 8,50 (Hohe wohl etwas mehr), Menidi 50 Skeptron (?), Rasiermesser (?), runde Spiegel- 

B,35 (Hohe 8,74), Orchomenos etwa 14, Dimini scheibe, Kohlenpfanne und Feuerhacke, Schopf- 

8,30 und 8,50 (Hohe etwa 9). — Eine Sender- loffel, ftinf Waagen mit Bleigewichten; dazu zwei 

gruppe des 15./14. Jhdts. bilden die messenischen steinerne und drei tonerne Dampen, zwei Alabaster- 

Graber von Bodia (Durchmesser 6,85 und 5,15, gefaBe, in einem ein Silberlo&el, vier Tonbecher 

Hohe 5,80 und etwa 5 m), Vasiliki (Durchmesser mit Wellenmuster und Stiicke eines Silbervas- 

6,50, Hohe etwa 5,50), Kopanaki (Durchmesser chens (T sunt as Taf. 7, 13. 17—20). Zu FtiBen 

5,35, Hohe etwa 4,50 m) durch ihre Kleinheit. — des Toten fand man bloB ein Bronzemesser und 

Die im Verhaltnis zum Durchmesser groBere Hohe zwei ganz eigenartige Beile gleichen Metalls 

ist eine Besonderheit der spatesten, schon dem (Taf. 8, 1. 2), sowie vier weitere Bleigewichte. 
13. Jhdt. angehorenden Kuppeln wie Menidi, Di- 60 So gewinnen wir ein klares Bild der Ausstat- 

mini und Tiryns; letztere unterscheidet sich tung eines vornehmen mykenischen Kriegers aus 

durch ihr geschwungenes Profil von alien anderen. dem Anfang des 15. Jhdts. Merkwiirdig ist die 

Von Anfang an sucht man bei den vornehmsten Verbindung fast weibischen Schmuckes und Toi- 

Griiften einen Durchmesser von 13 — 14 m zu er- lettengerats mit reichen Waff en und einer Fiille 

reichen, beim Aigisthosgrab mit seinen unregel- von Trinkgeschirr; jene sind ganz minoisch, diese 

maBigen kleinen Steinen eine bewundernswert festlandisch. Aber der WaSen sind wenige, wenn 

ktihne Leistung, die aber, wie die spatere Ver- man sie mit den wahren Rtistkammern des 4. und 

schonerung der Fassade lehrt, mindestens zwei 5. Schachtgrabes vergleicht, der kretische EinfluB 



S91 Mykenische Eidtur Mykenische Kultur 592 

hat sichbedeutend.verstarkt. AbernochsindRinge Zwisclien den Leichen des Konigs und der 

u»d Gemmen blofie Schmucksaeben (24 an den Konigin lagen weitere kostbare Beigaben: ein 

Handgelenken alleinl), nicht Insiegel praktischen StrauBenei, in Gold, Silber, Bronze und Glas als 

Gebrauchs wie im Minoischen (Bd. XI S. 1761f. Rhyton gefaBt, also noch reicher ausgestattet als 

17811). Dort scheint man auch nicht die Verbin- die der Schachtgraber (Persson 17 Abb. 14. 

dung von goldenem, silbernem (oder bronzenem) 37. Taf . 3) ; ferner eine einfache Steatitlampe (37f . 

und eisernem Ring zu kennen, die in mittelmyke- Abb. 23) und eine Halskette aus goldeneu und 

nischen Grabem mehrfach wiederkehrt, wohl als glasernen Epheublattgliedern eines in jtingeren 

Abzeichen hochsten Ranges (Kakovatos: K. Miil- Kammergrabern haufigen Typus (Persson 38 
ler Athen. Mitt. XXXIV 1909, 275 Taf. 13, 35. 10 Taf. 18, 2). Die Fiirstin war im iibrigen viel 

Dendra: A. Persson The R. Tombs of D. 56f .). weniger reich ausgestattet als ihr Gemahl (die 

Auch das Kuppelgrab von Dendra ist schon Beisetzung beider in einer Grube deutet darauf, 

im Altertum geplundert worden (Per sson 8ff.). dafi es ein Ehepaar war). Sie lag ebenfalls auf 

Immerhin lieferten Dromos und Torweg noch dem Rucken, die Rechte auf der Brust, die Linke 

eiuige kleine Goldsachen; zahlreich lagen sie, an die Seite gelegt; diese trug am Handgelenk 

mit Schmuck aus Halbedelsteinen, Glas, Fayence eine schone Karneolgemme. Zwischen die Brtiste 

und etwas Bronze- und Steingerat, verstreut auf hatte man eine grofie Tasse mit Knopfhenkel 

dem Boden der Tholos, offenbar Beigaben von gestellt; sie besteht aus Silber mit goldenem Fut- 

mindestens drei Leichen, die dort bestattet wur- ter und tragt aufien fiinf monumental stilisierte, 
den, nachdem die ersten Inhaber der Gruft, ,K6- 20 in Gold und Niello eingelegte Stierkopfe (P e r s- 

nig, Konigin und Prinzessin', langst in den ftir son Taf. 1. 12ff.). Merkwtirdig, daB die kostbare 

sie ausgehobenen Gruben unter dem FuBboden Halskette nicht um den Hals der Leiche geschlun- 

lagen. Die groBte Grube enthielt zwei auf einer gen war. Eine winzige, fein granulierte Gold- 

Lehmschicht ausgestreckte Tote. Rings um den btichse (Persson 39. 58f. Taf. 27) lag in der 

Schadel des Ftirsten fand man eine Reihe von Nahe ihres Kopfes, ebenso einige kleine goldene 

Schmuckstiicken aus blauem Glas, die offenbar Schmuckstiicke, gegen 150Fayenceperlen (Taf. 15), 

die Eberhauer der Hebne aus den Schachtgrabern endlich Scherben zweier TongefaBe (u. Z. 45ff.). 
und einigen jungeren Griiften nachahmen (P e r s- Eine zweite, kleinere Grube barg die Leiche 

son 36. 63ff. Abb. 41 ff. Taf. 25, 1; vgl. Sch. eines jungen Madchens. Um den Hals trug sie 
217ff. Wace Chamber Tombs 212ff. Taf. 38). 30 eine Kette aus 36 goldenen, vorne groBeren, hin- 

Ob ein Dutzend Glasplattchen mit figtirlichen ten kleineren Rosetten, unter den Briisten einen 

Reliefs, in denen Per s son 65 und 11 9ff.,meines Giirtel aus Golddraht mit Spiralgehangen, den 

Erachtens zu Unrecht, Europa auf dem Stier und ersten aus minoisch-mykenischem Kreise erhalte- 

die Chimaira vor Bellerophon erkennen will, von nen (Persson 15 Abb. 12. 40 Taf. 18, 1). Noch 

der Helmzier stammen, bezweifle ich; viel eher einige Perlen aus Gold, Fayence, Glas, sowie 

gehoren sie zu der Halskette aus Achat und formlose Stiicke von Elfenbein und Bronze wur- 

Bergkristall, Taf. 25, 2. den um die Leiche herum gefunden, wahrend ein 

Auf der Brust des Fursten lagen: 1. machtige schwerer kleiner Goldring mit Darstellung eines 

goldene Tasse mit getriebener ,Meerlandschaft' wappenartigen Paares merkwiirdiger Fabelwesen 
(Persson 43ff. Titelbild u. Taf. 9—11); sie 40 (40. 55f. Taf. 17) liber den Deckplatten der Grube 

enthielt sechs prachtvolle groBe Gemmen und vier lag, also wohl eine nachtragliche Beigabe war. 
Ringe aus Eisen, Kupfer, Blei und Silber (P e r s- Eine dritte Grube enthielt Menschen- und 

son 32f. 56ff. Abb. 35. 119ff. Taf. 19). — Hundeknochen, belanglose Brocken von Gold, 

2. Schlanker Silberbecher altertumlicher Form Bronze und Glas, ein paar Fayenceperlen und 

(vgl. Sch. 204f. Taf. 138f., aus Alabaster), mit Scherben derselben groBen Biigelkanne, von der 

wunderbar lebendiger Hirschjagd (Persson andere Telle tief unten in der Grube des Fiirsten- 

51ff. Abb. 30 Taf. 17). — 3. Silberbecher der paares und auch auf dem Boden der Tholos, ja 

Vaphioform mit rennenden Stieren in Relief, sogar im Dromos aufgetaucht sind (Persson 

innen mit glattem Goldblech gefiittert (P e r s - 66 Abb. 46). Diese gehort ebenso wie die GefaBe 
s n 49ff. Abb. 28 Taf. 2. 16). —4. Glatte Silber- 50 aus Edelmetall ins 15. Jhdt. Andere Vasen aus 

tasse (P e r s s n 33. 50 Abb. 29, Form wie Sch. diesem an Tongeschirr auffallend armen Grabe 

226f. Taf. 117). — 5. Runde Bronzebtichse (Pers- setzt Persson ins 14. Jhdt., kaum mit Recht. Ein 

son 34. 53f. Abb. 32). Auf hoherem Niveau, Biindel diinner Kupferbarren erklart er anspre- 

vielleicht ein spateres Weihgeschenk, lag ein Holz- chend als feme Vorlauf er der eisernen SpieBe 

becher mit Bronzeverkleidung, viel jiingerer Form {o^sXol) des Pheiden von Argos, die im Heraion 

(Persson 31. 52ff. Abb. 31). wieder zutage kamen (Svoronos Journ. int. 

Zu beiden Seiten der Leiche waren vier Schwer- arch. num. IX 192). Die Frage ist noch ebenso- 

ter angeordnet, wahrend zu ihren FtiBen ein fiinf- wenig geklart wie uberhaupt die Bedeutung der 

tes auf einem Hauf en mit vier Lanzenspitzen, dritten Grube von Dendra. Dagegen ist eine vierte, 
zwei Messern, einem Paar kleiner, bleierner Stier- 60 mit Erde, Kohlenresten und Bruchstiicken von 

horner (offenbar von einer Helmkappe) lagen Gold, Bronze, verbranntem Elfenbein, sowie Per- 

(P ers son 36f. 60ff. Abb. 37ff. Taf. 20ff.). Diese len aus Fayence und Halbedelsteinen gefiillte, 

Waff en sind aus denen der Schachtgraber welter aber ohne Knochen, offenbar eine OpEergrube; da- 

entwickelt;sehrlehrreichistaberderGegensatzzwi- zu stimmt ihre Lage am Eingang der Gruft 

schen den machtigen Schwertern des 16. Jhdts. und (Persson 18. 59 Abb. 36 Taf. 26). 
den schmalen,eleganten von Dendra, die wie Parade- Die iibrigen alteren Kuppelgraber haben keine 

degen anmuten. Sie finden in jungeren Kammergra- annahernd ebenbiirtigen Schatze geliefert, natur- 

bern von Mykenai und Kreta genaue Gegenstticke. lich nur weil sie vollstandig ausgeraubt sind. 



593 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 594 

Eeste kostbarer Beigaben sind tiberall geblieben, der weitesten Verbreitung mykenischen Exports, 

vor allem aber TongefaBe. Die reichste Serie, aus von Syrien und Kypros bis Sizilien, von Makedo- 

Kakovatos, hat K. M tiller grundlegend behan- nien bis Nubien (u. S. 613), ist die Keramik 

delt (Athen. Mitt. XXXIV 302ff.). Sie reicht von noch keineswegs erforscht* Was man mykenische 

der Wende des Altmykenischen (Spathelladisch I) Koine nennt, setzt sich aus mehreren zeitlich und 

bis tief ins Reifmykenische (Spathelladisch II) raumlich getrennten Gruppen zusammen. Indes- 

herein. Neben ganz vereinzelten importierten sen bleibt der Grabtypus auf dem ganzen weiten 

kretischen Stticken finden wir eine Fiille oft vor- Gebiet der eigentlich mykenischen Kultur im 

trefflicher festlandischer Nachahmungen minoi- wesentlichen unverandert. Sonderformen treten 

scher Keramik, vornehmlich des sog. Palaststils lOnur an der Peripherie auf: auf Kephallonia sind 

(Bd. XI S. 1784). Die Argolis, vor allem My- im 14./ 13. Jhdt. groBe Felskammern mit zahl- 

kenai, mag im 15. (und auch im 14.) Jhdt. den reichen, meist in zwei Reihen angeordneten, gleich 

groBten Teil der Peloponnes mit Tongeschirr ver- groBen Gruben beliebt (Kavvadias U/oaTit. 

sorgt haben. Diese bluhende Industrie hat sogar 1912, 247ff. Marinatos 'Aqx- 'Ecprni. 1932, 

schon damals auf Kreta zurtickgewirkt. Allmah- 17ff. Abb. 19ff.); auch die Keramik bietet hier 

lich sind zahlreiche f estlandisch beeinfluBte Vasen und auf Ithaka eigenartige Spielarten (H e u r t - 

des Spatminoischen II zutage gekommen, erstaun- 1 e y 111. Lond. News 14. Januar 1934, 45. P a y n e 

licherweise sogar in dem 1930 von Evans slid- Journ. hell. stud. LII 246 Abb. 9). Auf R h o - 

lich von Knossos entdeckten Konigsgrabe (Ver- d o s, wo die jungmykenische Topferei eine beson- 

offentlichung in Pal. of Minos IV steht bevor. 20 ders hohe, in manchen Formen selbstandige Bliite 

Pendlebury Handbook to the Pal. of Min. erreicht hat (u. S. 598), gibt es auch Varianten 

1933, 59S. Taf. 8). Besonders haben die schonen der Grabform (A. Maiuri Annuario d. Scuola 

hochfiiBigen Becher der friihmykenischen Keramik, Ital. Atene VI/VII 235fE.). 

die bis zum Ende der mykenischen Kultur Tiber- Wahrend die mykenischen Graber nach For- 

aus haufig bleiben, auf Kreta Anklang gefunden men und Inhalt seit dem Beginn des 16. Jhdts. 

(eines der friihesten Beispiele der Silberbecher eine geschlossene Entwicklungsreihe bieten, wis- 

des ,K6nigsgrabes' von Isopata, Evans Prehist. sen wir bis kurz vor 1400 iiber Festungs- 

Tombs 155 Abb. 139), am moisten die von Ble- und Wo hub a u fast nichts. Burgen wie My- 

gen und Wace nach den korinthischen Fun- kenai, Tiryns u. a. miissen wahrend jener ganzen 

den ephyraeisch genannte Spielart (BSA XXII BO Zeit befestigt gewesen sein; dies hat K. Mull er 

182ff. B 1 e g e n Korakou 54ff. Taf. 6f.). Wahrend fiir Tiryns (s. d.) erwiesen, ebenso aber auch, daB 

so die Keramik des Festlandes eine namhafte die alteste, friiher dem 16. Jhdt. zugeschriebene 

Selbstandigkeit bewahrt, sind Schmuck, Gemmen Burgmauer erst ins Ende des 15. gehort. Kreta, 

und Ringe, Elfenbein- und Bronzearbeiten sowie wo alle Befestigungen fehlen, kann hier kein Vor- 

GefaBe aus Edelmetall und Waffen von minoi- bild abgegeben haben, die Burgen auf den Kykla- 

schen fast nie unterscheidbar. Hier herrschte den sind ganz anderer Art (T s u n t a s "E(pYj^. 

Kreta unumschrankt. Mittelgriechenland und die dgx, 1899, 117. 127, besonders Phylakopi, Exc. 

Inseln haben bisher an altermykenischer Keramik at Phyl. 5ff. 30ff. F i m m e n Kret.-myk. Kultur^ 

sehr wenig geliefert (z. B. Pagasai, Athen. Mitt. 3 If. Abb. 17ff.: doppelte Mauerringe mitTurmen). 

XIV Taf. 9), das Grab von Kapakly (o. S. 588) 40 Wir wissen nicht, ob und woher fremde Anregun- 

geringe lokale Ware. gen auf den mykenischen Festungsbau gewirkt 

Den Kuppelgrabern parallel gehen in alien haben. Ebensowenig ist uns die Gestalt der Her- 

Phasen der Entwicklung zahlreiche F e 1 s k a m - renhauser vor dem 14. Jhdt. bekannt. Da die 

mergraber. Dem 15. Jhdt. gehoren ganz oder erhaltenen alteren Freskenreste (s. Art. Tiryns) 

teilweise vor allem einige reiche Griifte von My- in Technik und Stil rein minoisch sind, darf man 

kenai an (T sunt as TJqpfjfi. olqx- 1888, 119ft. vermuten, daB in der Periode tibermachtigsten 

Taf. 7ff. Wace Chamber Tombs nr. 515. 517. kretischen Einflusses, im 15. Jhdt., auch die Pa- 

518. 529. 530. 532. 533. Bosanquet Journ. laste den minoischen nachgebildet wurden; aber 

hell. stud. XXIV 317ff. Taf. llff.), ferner entspre- die selbstandige Architektur der Kuppelgraber 

chende von Argos (W. Vollgraff Bull. hell. 50 und das Beibehalten des alteinheimischen Mega- 

XXVIII 364ff ., einzigartiger Krater mit Wildenten ron als Hauptraum in den spaten Palasten mahnt 

377ff. Abb. 3ff. Bossert Altkreta2 Abb. 261), zur Vorsicht. Zu Beginn des 14. Jhdts. wird in 

Prosymna-Heraion (Blegen AJA. XXIX 1925, Mykenai (Bd. XVI S. 1020f.) ein groBer Fiirst, 

413ff.), Tiryns (unveroff.. Museum von Nauplia), wohl der Bauherr des Atreusgrabes, die alten 

Asine (Bull. Soc. R., Lund 1924/25, 80 Taf. 18). Schachtgraber durch Aufschuttung und Platten- 

Da die groBeren Kammern oft viele Jahrzehnte ring zu einem groBartigen Konigsfriedhof zusam- 

in Gebrauch blieben, enthalten sie nattirlich dann mengefaBt, die kyklopische Ringmauer mit dem 

Beigaben verschiedener Perioden. Wace hat Lowentor und einen neuen Palast geschaffen 

(124ff.) mit Recht betont, daB den alteren Kam- haben. Diesem darf man wohl die alteren Fres- 

mern ein breiter, kurzer Dromos (1 : 3 — 4) eignet, 60 kenreste von Mykenai zuschreiben (G. R o d e n - 

den jiingeren ein langer, schmaler, mit keilf ormig waldt Athen. Mitt. XXXVI 22 Iff. Taf. 9ff. Ti- 

nach innen geneigten Wanden (1 : 6 — 161). Bei ryns II 185ff. Fries d. Meg. v. Myk. 53), dem 

den Dromoi der Kuppelgraber kann man eine entsprechenden Herrenhaus von Tiryns einen 

ahnliche Entwicklung beobachten. Teil der Tiryns II 5ff. Taf. Iff. verofientlichten 

Die jungmykenischen Kammergraber umfas- Gemalde. Namhafte mykenische Festungen ken- 
sen eine doppelt so lange Zeit als die beiden vor- nen wir sonst nur in Mideia (P e r s s o n 3ff . 
hergehenden Perioden (SH III = 1400—1200 Fimmen 38 Abb. 27), Argos (auf der Larisa, 
V. Chr.) ; aber innerhalb dieser zwei Jahrhunderte, W. Vollgraff Mededeel. Akad. Amsterdam 



595 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 596 

1928 nr. 4. 1931 nr. 3), Athen (Akropolis, BSA XXIV 189ff. Taf. 7ff. XXV 162ff. 187ff. 

Cavvadias-KawerauD. Ausgrab. d. Akr. 214ff. 232ff. Taf. 25ff. 33. 35. 39f .). Die Muster 

1907, 7 If.), Gla (Arne) in der Kopaisebene (F. de entsprechen durchaus den minoischen, ebenso die 

Kidder Bull. hell. XVIII 295ff. N o a c k Athen. Verteilung der Fresken, mit Ausnahme der be- 

Mitt. XIX 405ff.; Homer. Palaste 19ff.), Malthi malten FuBboden, die auf Kreta nicht gebraueh- 

in Triphylien (V aim in Bull. Soc. R., Lund lich waren. Die Darstellungen lebensgrofier und 

1927/28, 2ff. Arch. Anz. 1934, 158f.). In wel- kleinerer Frauen, die Stierspiele und die (wenig 

chem zeitlichen Verhaltnis sie zu Mykenai und zahlreichen) Kultszenen, Sphingen u. a. konnten 

Tiryns stehen, wird erst nahere Erforschung aus minoischen Palasten stammen, die freilich 
lehren; daran fehlt es bisher fast voUig. Der grofi- 10 langst zerstort waren, als die tiberwiegende Masse 

artigste Mauerring ist der von Gla: er umfaBt der festlandischen Gemalde entstand. Aus diesem 

in einer Starke von 6 m (also gleich den Mauern Zeitabstand erklart sich auch das fast voUige Feh- 

von Tiryns und Mykenai) mit vier Toren eine len der auf Kreta im 17. — 15. Jhdt. so beliebten, 

ehemalige Felseninsel von rund 3 km Umfang lebensvollen Pflanzen- und Tierbilder alteren Stils. 

(also mehr als jene beiden Burgen zusammen) Durchaus selbstandig sind die auf dem Festlande 

und laBt sich nach seiner Bauart am ehesten der bevorzugten, Kreta fremden Jagd- und Kampf- 

zweiten Burg von Tiryns (14./13. Jhdt.) verglei- darstellungen, wahrend die Volksmengen minoi- 

chen. Vielleicht hat ihn derselbe Fiirst von Orcho- scher Miniaturfresken keine mykenischen Gegen- 

menos angelegt, der sich fiir sein Grabmal den stucke finden. So treten aus der zunachst auffal- 
Erbauer des Atreusgrabes von Mykenai verschrieb. 20 lenden Gleichartigkeit beider grofien Gruppen von 

Merkwtirdig nur, daB er dann seine eigene Resi- Wandgemalden bei naherer Betrachtung wesen- 

denz viel weniger gut bef estigt hatte. Leider sind hafte Unterschiede hervor. Den Gegenbeweis lie- 

weder Gla selbst noch die groBartigen Entwas- fern die Freskenfragmente der ganz unter minoi- 

serungsanlagen des Kopais-Beckens, die ,Deich- schem EinfluB stehenden Inseln Melos und Thera 

bauten der Minyer* eingehend untersucht (H. (Excav. at. Phylakopi 70ff. Abb. 60ff. Taf. 3. 

B u 1 1 e Orchomenos I 1907, 115ff. Taf. 7). Ratsel- B o s s e r t Abb. 70. Perrot-Chipiez Hist, 

haft ist auf Gla das fast voUige Fehlen von Scher- de I'Art VI 536^. Abb. 210ff.); sie diirften Werke 

ben, auch in dem ganz eigenartig in zwei Fltigeln kretischer Maler sein, zeigen jedenfalls keinerlei 

angelegten, weitraumigen Palast, dem einzigen eigene Zuge. 

leidlich erhaltenen und freigelegten Herrenhause 30 Kiinstlerisch stehen den Wandgemalden am 

auBerhalb von Tiryns und Mykenai. Denn von der nachsten die ReliefgefaBe aus Metall, Stein, 

Kadmeia in Theben hat Keramopullos nur Elf enbein, Fayence und die geschnittenen Steine 

einen Teil ausgraben konnen i^Ecprjfi. olqx* 1909, und Goldringe. Der Stil ist hier, bis auf die 

57ff. Taf. Iff.), auf der Akropolis von Athen sind wenigen o. S. 585 erwahnten Ausnahmen des 

bloB zwei Saulenbasen aus mykenischer Zeit ubrig 16. Jhdts., einheitlich und voUig minoisch. Auch 

geblieben, Mideia ist unbertihrt, auf der Larisa die Darstellungen schlieBen sich seit dem 15. Jhdt. 

von Argos einzig das monumentale Tor des kleinen mehr und mehr den kretischen an, Jagd und 

Burgringes Zeuge dafiir, daB in seinem Innern Krieg verschwinden fast vollig, neben sehr zahl- 

einst wohl ein vornehmes Haus stand. So sind reichen Tierbildern nehmen Kultszenen und Got- 
wir Tiber festlandische Palaste sehr viel weniger 40 tererscheinungen einen breiten Raum ein. Bei den 

unterrichtet als iiber kretische. Das kleine alJermeisten Stiicken konnte man ohne Fundan- 

Herrenhaus von Malthi (Arch. Anz. a. 0.) kann gaben nicht sagen, ob sie auf Kreta oder auf dem 

man kaum einen Palast nennen. Festlande zutage gekommen sind. Eine zusammen- 

Auch von steinernem Wandschmuck besitzen fassende Behandlung steht fur alle diese Denk- 

wir lediglich aus Mykenai, Tiryns und Orchomenos malergattungen noch aus. GefaBe aus Edelmetall 

(o. S. 589) Proben; sie gleichen vollig den be- und Stein: K. M tiller Arch. Jahrb. XXX 242ff. 

trachtlich alteren minoischen (Evans Pal. of Taf. 9ff. Per s son o. S. 591f. Bossert 

Minos II 16Sff. Abb. 83f. 590f£. Abb. 368f£. 694ff. Abb. 275. 282ff. W.a c e BSA XXIV 201fif. Taf. llfi. 

Abb. 436f.; Shaft Tombs 71ff. Abb. 48ff.). Das- Elfenbeinreliefs: T sunt as 'E(pri(jL. &qx. 1888 
selbe gilt von den Fresken, die in groBerer 50 Taf. 8ff. Bossert Abb. 223ff. W a c e BSA 

Menge erhalten sind. Abgeseiien von Tiryns und XXV Taf. 59; Chamber Tombs at Myc. 28 

Mykenai haben Theben (Keramopullos Abb. 14. Gemmen und Ringe: Furtwangler 

Taf. Iff. Bossert AltkretaS Abb. 214) und Or- Ant. Gemmen III 13ff. Taf: 2ff. Evans Journ. hell, 

chomenos (B u 1 1 e 71ff. Taf. 28ff. Bossert stud. XXI 1901, lOlff. (die ebd. XLV IS. = Ring 

Abb. 221) bedeutende Komplexe geliefert, kleinere of Nestor behandelten Stucke halte ich groBten- 

Bruchstiicke Zygouries in der nordlichen Argolis teils ftir falsch). Bossert Abb. 315fE. Athen. 

(B 1 e g e n Zyg. 37 Taf. 3) und Gla (d e R i d d e r Mitt. LV 121fE. Taf. 2f. 

289fi.). Der Reichtum verschiedenartigster Dar- Monumentale Plastik fehlt offenbar nicht zu- 

stellungen ist auBerordentlich groB, vor aUem fallig auf Kreta, sondern ist dem Minoischen 
natiirlich in Tiryns und Mykenai; erstere hat 60 wesensfremd (Evans' Versuch, aus vieldeutigen 

Rodenwaldt (Tiryns II) erschopfend ver- Resten groBe Statuen zu erschlieBen, Pal. of Mi- 

offentlicht, von letzteren eine Reihe wichtiger nos III 419fi. Taf. 36f., hat mich nicht iiber- 

Stiicke; auch hat er eine "Ubersicht gegeben, die zeugt); aber auch auf dem Festlande bleiben sie 

durch die englischen Grabungen erganzt worden vereinzelt. Den vielversprechenden Ansatzen der 

ist (TJ(pr]fj„ aQX' 1887, 162ff. Taf. lOff. Athen. Stelen iiber den Schachtgrabern war bis auf wenige 

Mitt. XXXVI 221ff. Taf.9ff. XXXVIT 129ff. Taf.8, Fragmente wohl des 15.— 14. Jhdts. keine Weiter- 

Arch. Jahrb. XXXIV 87ff. Taf. 7ff. Fries d. Me- entwicklung beschieden (Evans 111 192ff. 

garons v. M. 1921, 21ff., Obersicht 69f. Lamb Abb. 133ff. Bossert Abb. 237. Brit. Mus. 



597 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 598 

Cat. Sculpt. I 1, 14ff.). Die groBartige Schopfung mykenischen Kultur bestehen: so spate Typen wie 

des Lowentorreliefs steht ganz allein, desgleichen die Griffzungenschwerter nordischer Form und 

ein bemalter Stuekkopf von Mykenai (T s u n t a s die Lorbeerblattfibeln, sowie die StabdreifuBe fin- 

'E(p7}[A,. aQx. 1902, Iff. Tal. If. Bossert den sich ebenso auf Kreta wie auf dem Festlande 

Abb. 249; vereinzeltes Brucbstiick eines Stuck- (Schwerter: Tiryns, Athen. Mitt. LV 135 Beil. 37. 

reliefs G. Rodenwaldt Fries, d. Meg. 69 Muliana, 2/9???^. d^;^. 1904, 45f. Abb. 11. Fibeln: 

Anm. 152). Indessen lehren uns diese wenigen Mykenai, "EcprjiJi. aQx. 1888, 167 Taf. 9. 1891 

Proben doch eine ganz andere, man darf sagen Taf. 3. Blinkenberg Fibules grecques et 

griechische Einstellung zum monumentalen orient. 41 f. DreifiiBe: Tiryns, Athen. Mitt. LV 
Relief kennen, wahrend die rein ornamentale Pla- 10 131ff. Beil. 33, vgl. XLV 1920, 128fE. E. Hall 

stik (Bossert Abb. 202ff. W a c e BSA XXV Vrokastro Taf. 34. G j e r s t a d Stud, on Prehist. 

367 Abb. 80 Taf. 52. 55) gar keine Selbstandig- Cyprus 238f.). 

keit gegentiber Kreta aufweist. Dasselbe gilt von Wahrend der ganzen mykenischen Entwick- 
den iiberaus seltenen festlandischen Kleinbron- lung vom 16. — 12. Jhdt. bewahrt allein die K e - 
zen (T s u n t a s MvHf/vac Taf. 11. Bossert ramik eine namhafte Selbstandigkeit gegenuber 
Abb. 250f.), naturlich mit Ausnahme von ein paar der minoischen. Zunachst sind Ton und Firnis 
sjrischen Importstiicken (T sunt as 'EfprnA. aQ%, nicht die gleichen, wenn auch die Ilnterschiede 
1891, 21ff. Taf. 2). Der Schmuck aus Gold oft schwer faBbar sein mogen. Festlandische For- 
und Halbedelsteinen weist vollends kaum selb- men behaupten sich und wirken sogar auf Kreta 
slandige Ztige auf: sowohl die Fundstiicke aus 20 zuriick, und zwar schon im 15. Jhdt., wo sonst die 
Mykenai i^E(pYifj. aQX- 1887, Taf. 13. Geislinger minoische tJbermacht am starksten ist. Seitdem 
Katalog V. Gillierons Nachbild. myk. Altert. 24ff. Kretas Macht gebrochen ist (um 1400 v. Chr.), 
W a c e BSA XXV 334fE. 353fE. 363ff. 371ff. 379ff. wachsen naturgemaB Eigenart und Ausbreitungs- 
Taf . 61 ; Chamber Tombs at Myc. 26f . 58i. 72ff. bereich des Festlandes. Erst in dieser Zeit erobert 
86f. 191ff. Taf. 8f. 13. 20. 25. 29ff. 35f£.) wie fast die mykenische Keramik (nicht die minoische!) 
alle die massenhaft an anderen mykenischen Stat- rasch die ganze agaische Welt, bis nach Make- 
ten ausgegrabenen konnten aus kretischen Gra- donien, Troia, dem westlichen Kleinasien, Kypros, 
bern stammen. Vgl. die kurze Zusammenstellung Syrien, Agypten; ja sogar bis nach Unteritalien 
K a r Sch. 350ff . Vereinzelte Ausnahmen besta- und Sizilien dringen mykenische Vasen (vgl. die 
tig en die Kegel, so die einzigartigen radf ormigen 30 Fundstatistik u. S. 61 Iff.). Die bezeichnendsten 
Zierrate aus Tiryns, Athen. Mitt. LV 1930, 127ff. spateren Formen (beste Ubersicht noch immer 
Beil. 30 a. 31 (einzige mir bekannte Parallelen Furtwangler-Loeschcke Myk. Vasen. 
in Bohmen Schranil D. Vorg. Bohmens u. Bossert Abb. 268fE.) sind groBere oder klei- 
Mahrens 1928, 147 Taf. XXVIII 29. Childe nere dreihenklige Kratere, ebenfalls dreihenklige. 
The Danube in Prehistory 329 Abb. 184). Auch niedrige ,Pyxiden*, geradwandige oder leicht 
dashaufigeVorkommendesBernsteinsim 15.Jhdt. geschwungene Trichter, zweihenklige Feld- 
ist unkretisch (K. M ii 1 1 e r Athen. Mitt. XXXIV flaschen, Kannen mit spitzer oder runder Mtin- 
278ff. Wace Chamber Tombs ^Q. 197. 204f.). Bei dung, einhenklige Tassen und geradwandige 
dem billigen Ersatzschmuck aus Glas oder Fayence Becher, kleine Btigelkannen fiir Ole, groBe fur 
findet sich mehr Selbstandiges, besonders die 40 Wein (u. S. 602) oder Wasser — lauter minoische 
iiberaus haufigen quadratischen oder rechteckigen Typen, wenn auch oft mit eigenartig festlandi- 
Reliefplattchen (P e r s s n 65 Taf. 26. 35. schen Besonderheiten. Unkretisch, meist aus alter 
Evans Journ. hell. stud. XXI 117ff. Abb. 12H. mittelhelladischer Tradition erwachsen sind da- 
Bull, hell. II Taf. 13ff. und sonst oft). Gold- und gegen die ein- oder zweihenkligen, hochfuBigen 
Glasschmuck wurde zum groBen Teil mit Stein- Becher, die zweihenkligen Kantharoi und Napfe, 
formen hergestellt (z. B. S c h 1 i e m a n Mykenae die ganz besonders haufig sind. Eine Abart, der 
121f. Abb. 162f. T s u n t a s Ecpriix. aQx- 1897, Becher mit Ringen an den FtiBen, ist bisher nur 
97ff. Taf. 7), die leicht von Ort zu Ort gelangen auf Ithaka nachweisbar (0. S. 594). Rhodes eigen- 
konnten. Es mag in mykenischer Zeit wandernde tiimlich sind dreifiiBige, kantige GefaBe mit Btigel- 
Goldschmiede wie den Od. Ill 425 erwahnten 50 henkel, an dem der Deckel hangt, Kratere mit 
Laerkes gegeben haben; das erklart die Einheit- zahlreichen Buckeln auf der Schulter und grobe 
lichkeit gerade dieser Funde. Topf e mit vielfach durchlocherter Wandung (Myk. 
Eine ganz ahnliche Gleichformigkeit tritt iib- Vas. II 15. Ill 22. VII 38. Annuario Sc. Ital. 
rigens auch bei Waff en, G era ten und Atene VI/VII 108ff. Abb. 24ff. 115 Abb. 35. 191 
BronzegefaBen zutage. In den Schacht- Abb. 114). Auch an eigenartigen figiirlichen oder 
grabern herrscht noch eine gewisse Selbstandig- rait plastischen FtiBchen verzierten GefaBen ist 
keit einzelner WaSentypen (Karo Sch. 194ff.), Rhodes reich (Arch. Jahrb. XXVI 1911, 259ff. 
ebenso im Kuppelgrabe von Vaphio (Ecprjf^. aQx- Abb. llf. Annuario VI/VII 135^. Abb. 57f?. 170ff. 
1889 Taf. 7, 1. 8, 1. 2. 9). Dagegen bietet Dendra Abb. 98ff.). Kypros ist wohl das Ursprungsland 
ebenso wie die Kammergraber von Mykenai und 60 der spaten, groBen Kratere mit meist figiirlichen 
anderen Orten eine voUige tJbereinstimmung mit Darstellungen (A. Murray Excav. in Cyprus 7 
kretischen Funden: vgl. etwa Persson 95ff. Abb. 10. 37 Abb. 65. 39ff. Abb. 67ff. 48f. 
Abb. 67ff. Taf. 8ff. 18ff. 30ff. T s u n t a s !E7^»y^. Abb. 74ff. 73 Abb. 126f. Gjerstad Studies 
aQx. 1888, 119ff. Taf. 7ff. 1891, Iff. Taf. Iff. on Prehist. Cyprus 21 Iff. M. Nilsson Bull. 
WaceOhamber Tombs 187ff.Taf. 7 mit Evans Soc. R. Lund 1932/3, 29ff. Taf. 1); sie kommen 
Prehist. Tombs 36ff. Abb. 35ff. 51ff. Abb. 48ff. aber gelegentlich auch auf Kreta und Rhodes vor 
87ff. 105ff. Taf. 89ff. Diese tlbereinstimmung (Evans Prehist. Tombs 96f. Abb. 105f. An- 
bleibt sogar bis zum Ende der minoischen und nuario VI/VII 93 Abb. 8. 151f. Abb. 74f.), nicht 



599 Mykenisclie Etiltur Mykenische Kultur 600 

auf dem Festlande, wo dafiir ein weit geoffneter zen Spitzen verkummerten Armsttimpfeii. Erstere 
Typus mit anliegenden Henkeln (Myk. Vas. XXXI sind barhauptig, letztere tragen eine hohe Krone, 
297, vgl. VI 32. XVI 93, Ehodos) und einer mit beide bisweilen einen Halsschmuck. Bei beiden 
waagrechten Doppelhenkeln in der Spatzeit auf- ist der Unterkorper saulenformig, haufig hohl, 
treten (die beriihmte Kriegervase, Myk. Vas. unten ausladend, ohne Angabe der FiiBe. Ein 
XLIIf. Bossert Abb. 2651 Annuario VI/VII 216 solches Idol gedoppelt Marinatos Arch. Anz. 
Abb. 138. Murray 8 Abb. 14. 33 Abb. 61. 1933, 303 Abb. 15; Mutter mit Kind 'E(pr)(jL, aQx^ 
35 Abb. 63. 45 Abb. 71). Feinere Unterschiede 1888 Taf. 9. Ganz vereinzelt kommen sitzende 
in den Formen einzelner Landschaften werden sich Idole vor, Thronsessel mit oder ohne verkum- 
noch feststellen lassen. Wie groB aber die Einheit- 10 merte kleine Figiirchen (W i n t e r a. 0. S c h 1 i e- 
lichkeit der mykenischen Koine im 14./13. Jhdt. mann Tiryns Taf. 23), einmal ein solches, ein- 
war, lehrt ein Vergleich mit den verschiedenen mal ein Paar auf einem Bett (unveroffentlicht, 
geometrischen Stilen Griechenlands im 10./9. Jhdt. Sammlung Vlastos, Athen und Museum in Buda- 
Dies gilt auch fiir die Verzierung: auf dem gan- pest). Neben den Tausenden der einfachsten Fi- 
zen Gebiet jener Koine herrschen dieselben Linear- gtirchen spielen solche Absonderheiten ebenso- 
muster (vor allem Spiralen, Schuppen, Netz- und wenig eine RoUe wie die sehr seltenen grofieren 
Gitterwerk), dieselben Pflanzen (Lilien, Papyrus, Exemplare i^Eq)r}[A. olqx- 1888 Taf. 9. Winter 
Palmen, Epheu) und Tiere (besonders Oktopoden, a. 0.); im allgemeinen sind jene Gottinnen 7 — 
Nautili, Purpurschnecken, Vogel). Von den noch 13 em hoch. Da sie in Grabern und Hausern glei- 
leidlieh naturnahen Bildern des beginnenden 20 chermafien vorkommen, konnen sie nicht Abbilder 
14. Jhdts. fiihrt die Entwicklung zu zerfaserten, von Gattinnen oder Sklavinnen sein. Persson 
schematisehen Gebilden, in denen ohne Zwischen- vergleicht sie ansprechend mit agyptischenUscheb- 
stufen die urspriingliche Form gar nicht erkenn- tis (R. Tombs of Dendra 85. 89). In einem groBen 
bar ware. In die Spatzeit f allt eine Sondergattung, Megaron von Asine standen einige eigenartige 
die den sonst spar samgefiillten Grund mit Mustern, Hole auf einer altarartigen Bank (Persson 
besonders auch groBen Rosetten und Wasservogeln Asine 75 Abb. 41. Nilsson Minoan-myc. Reli- 
geradezu voUstopft (Myk. Vas. XXXVIIIf. BSA gion XXf. Taf. 4; vgl. Wace 215f. Abb. 50); 
XXV Taf. 7. 9. Clara Rhodes VI/VII 140ff.); eine ein besonders groBer Kopf scheint bartig zu sein. 
andere, die zum ersten Male Rinder, Hirsche, Rehe, Man darf auch den massenhaft gefundenen ge- 
Pferde, Gespanne und Menschen einfiihrt, ist in 30 wohnlichen Idolen religiose Bedeutung nicht ab- 
der Argolis durch die Kriegervase und zahlreiche sprechen. Eine groBe Anzahl lag auf und neben 
Scherben (Myk. Vas. XXXVIIIff. Schliemann einer steinernen Altarplatte in der tief sten Schicht 
Tiryns Taf. 14ff. Bossert Abb. 264. 267), auf des Athenaheiligtums von Delphi (Demangel 
Kypros durch die ebenerwahnten Kratere ver- Fouilles de D., Le Sanct. d' Athena Pron. lOff. 
treten. Innenzeichnung wird nun nicht selten in Abb. 12ff.) und bezeugt die Kontinuitat des Kul- 
WeiB auf Firnisgrund gesetzt (Myk. Vas. VIIl tes von mykenischer bis in hellenistische Zeit. 
49. Bossert Abb. 267. 270); schon fiirs Die mykenischen Idole sind vielleicht Zeugen eines 
14. Jhdt. ist diese Technik durch Scherben aus Wiedererstarkens uralter friihhelladischer Tradi- 
Tell Amarna bezeugt (Fimmen 165 Abb. 163). tion; vgl. Blegen Zygouries 185f. Taf. XXI 1. 
Neben den ganz dicht mit Mustern gefuUten Ge- 40 E v a n s Shaft Graves 49. 

faBen geht in der letzten Periode mykenischer Wohl ebenfalls Weihegaben sind die auch 

Keramik eine Gattung einher, welche im Gegensatz recht zahlreichen Rinder, die ein paarmal von 

zu jenen den malerischen Schmuck aufs auBerste kleinen Mannern angetrieben werden, und die sel- 

beschrankt: wenige Streifen, Wellenlinien, Spira- tenen Zweigespanne mit einem oder zwei ganz 

len, Haken, Kreise. Die Leitform ist der meist verkummerten Figiirchen auf dem Wagen (W i n- 

kleine, zweihenklige Napf. Beide Gattungen hat ter a. 0. Wace 21 6f. Taf. 23f. Brit. Mus. Cat. 

Wace (BSA XXV 30ff. Taf. 5ff.) zu seiner Gra- Terrac. S. 4. 71 Abb. 11). Ganz vereinzelt ein 

nary Class zusammengefaBt (genannt nach einem Hirsch und ein Stier mit Mannchen auf seinem 

als Getreidespeicher gedeuteten Bau zwischen Kopf (Slg. Vlastos). AUe diese Tonfiguren kom- 
Schachtgrabern und Lowentor). 50 men in Grabern wie in Hausruinen vor; in letz- 

Der Keramik reihen sich die Tonfiguren teren bezeugen sie hauslichen Kult (vgl. das 

an, die merkwurdigerweise in den Schachtgrabern ebenerwahnte Megaron von Asine), ebenso eine 

ebenso fehlen wie in den Griiften des 15. Jhdts. Stuckplatte aus einem vornehmen Hause von My- 

Erst seit dem 14. scheinen sie aufzutreten, dann kenai, auf der zwei Frauen eine gewappnete Got- 

aber gleich in Massen. Aus dieser zeitlichen Grenze tin anbeten (T s u n t a s jE(prjfi. gqx- 1887 Taf. 10. 

erklart sich wohl die Verschiedenheit der fest- Rodenwaldt Athen. Mitt. XXXVII 129ff. 

landischen Terrakotten von den minoischen. Die Taf. 8). Dagegen fehlen besondere Kultraume, wie 

gebrauchlichen Typen sind wenig zahlreich, alle sie auf Kreta so haufig sind, in den festlandischen 

sehr summarisch und schematisch modelliert; sie Palasten. Hier dienten neben dem Hof altar, der 
halten sich unverandert bis ans Ende der myke- 60 freilich bloB in Tiryns vorhanden ist, die Herde 

nischen Kultur. An Zahl und Bedeutung obenan im Megaron gewiB auch als Opferstatten (s. dar- 

stehen die weiblichen Idole (Schliemann liber Art. Tiryns). Aber sonst sucht man 

Mykenae Taf. 16ff. Tiryns Taf. 25. Winter vergebens nach Spuren mykenischen Kultes, ab- 

Typen d. figtirl. Terrac. 2f . Wace Chamber gesehen von dem ofEenbar mit besonderem Eifer 

Tombs 215ff. Taf. 15. 22f. 44ff. Annuario VI/VII gepflegten Toten- und Heroenkult, dessen groB- 

234), stets langgewandet und auf recht stehend, artige Zeugen Kuppelgraber und Plattenringe von 

mit unter der Brust gekreuzten Armen (die auch Mykenai sind. Vereinzelt sind bisher die Weihe- 

fehlen konnen) oder mit hocherhobenen, zu kur- gaben aus einer Hohle von Klenies oberhalb von 



601 MykenisGhe Kultur Mykenische Kultur 602 

H. Vasilios-Kleonai (unveroff., Museum Nauplia), ein einheitlich minoisches Gewand, das zum Geiste 
die Reste eines zerstorten Heiligtums in derselben (ier hellenischen Heldensage sehr schlecht pafit. 
Gegend (Arch. Anz. 1913, 116) und die o. S. 600 Naheres zu diesem fiir das Mj^kenische entsehei- 
erwahnten aus dem Athenabezirk in Delphi. An dend wichtigen Problem wird die Miinchener Dis- 
allen diesen Orten sind blo6 die tiblichen Ton- sertation von R. H a m p e Frtihe griech. Sagen- 
figuren zutage gekommen. Wesentlich bedeutsamer bilder in Boiotien bringen. 
ist ein kleines, von einer Mauer umgebenes Me- Oben S. 601 habe ich auf die auBerordentlich 
garon unter dem Telesterion von Eleusis, das fein durchorganisierte minoische Verwaltung im 
erste mykenische Beispiel eines Tempels und Te- 2., ja sogar schon im 3. Jahrt. hingewiesen. Be- 
menos (Kuruniotis AeXtlov XIII 1930/31, 10 zeichnenderweise fehlt davon im Mykenischen jede 
naQaQx, 20 Abb. 4. Arch. Anz. 1933, 213ff. Spur. Den Tausenden kretischer Siegelab- 
Abb. 9). Im Minoischen gibt es nichts dergleichen. drtieke von Schriftstticken auf Papyrus oder 
Die mykenischen Gotterdarstellungen, Kult- und Pergament fehlen auf dem Festlande Gegenstiicke, 
Opferszenen unterscheiden sich in nichts von den bis auf ein paar vereinzelte (Bull. Soc. R. Lund 
minoischen. Sehr beliebt sind Fabelwesen, neben 1923/24, 162ff. BSA XXIV 205f.). Niemals fin- 
Sphinx und Greif voi allem die typisch minoi- den sich hier die mit Schriftstempein und Kon- 
schen Damonen in Gestalt menschlich handeln- trollmarken versehenen Abdriicke, die besonders 
der Tiere oder als Tiere vermummter Menschen in Knossos und Hagia Triada lehrreiche Einblicke 
(hervorragende Beispiele: Wandgemalde von My- in die minoische Biirokratie bieten (Evans 
kenai 'E(pr}(A,. aQx. 1887 Taf. 10; Goldring von 20 Scrip ta Minoa I 32f. 43. 146. 159ff. D. Levi 
Tiryns Athen. Mitt. LV 121fE. Taf. 2f. Beil. 30. Annuario VIII/IX 71ff.). Die ebenfalls nach Tau- 
Glasplatten Journ. hell. stud. XXI 101. 117 Abb. 1. senden zahlenden minoischen Schrifttafeln 
12ff. Karo Religion d. ag. Kreises Abb. 82ff.). sind freilich in ganz liberwiegendem MaBe in 
Es handelt sich fast stets um Lowendamonen, die Knossos zutage gekommen, das ja als Residenz 
mit unerschopflicher Phantasie zusammengestell- naturgemaB die Staatsarchive barg (Evans 19ff. 
ten minoischen Mischwesen fehlen auf dem Fest- 38ff.); aber einzelne solcher Tontafeln finden sich 
lande. Sie sind auch auf Kreta offenbar nicht reli- doch an alien anderen wichtigeren minoischen 
giosen Vorstellungen entsprungen, sondern dem Statten, ganz abgesehen von den Insiegeln, Stem- 
Bediirfnis nach immer neu differenzierten In- peln, Siegelabdrticken mit Bilderschrift. Dagegen 
siegeln der minoischen Burger. Darum sind sie 30 fehlt dies alles voUig auf dem Festlande. Die ein- 
auch im wesentlichen auf die Bliitezeit des 17. — zigen Schriftdenkmaler sind hier ein SteingefaB 
15. Jhdts. beschrankt (Hauptfund von Siegelab- aus Asine, das P e r s s o n als griechische Weihung 
drucken Journ. hell. stud. XXII 79ff. Taf. 6ff. zu deuten versucht hat (Corolla archaeologica 
Hagia Triada, D. Levi Annuario VIII/IX 114ff. Princ. Gustavo Adolpho dicata 1932, 208ff.), und 
Taf. 12ff. Hafen von Knossos, Evans Pal. of eine Reihe von grofien spatmykenischen GefaBen, 
Minos II 254 Abb. 149). Auf dem Festlande fehlt fast alle Biigelkannen, mit kurzen aufgemalten 
jenes Bedurfnis, von der organisierten Verwal- Inschriften, die sich wohl auf den Inhalt beziehen. 
tung des minoischen Staates ist nichts zu spiiren; Die meisten sind in Tiryns aufgetaucht (Phot. d. 
dagegen scheinen hier die Damonen eine wich- Inst. Tir. 234/35. 646 — 654. B o s s e r t Abb. 
tigere religiose Rolle gespielt zu haben. 40 330f .), andere in Mykenai und Theben, eine in 
Sehr bedeutsam ist das Fehlen von gesicher- Orchomenos (Evans 57f. Abb, 31; zusammen- 
ten DarsteUungen griechischer Heldensagen f assend zu diesen Inschriften J. P. H a r 1 a n d 
im minoisch-mykenischen Kreise. Wahrend kre- Amer. Journ. Arch. XXXVIII 83ff.). Man sieht, 
tische Gottheiten wie die groBe Herrin der Natur daB die minoische Bilderschrift zwar Eingang 
und die gewappnete Gottin mit der Rhea-Kybele-- auf dem Festlande gef unden hatte, aber hier 
JJotvia '&riQ(bv und der Athena gleichgesetzt wer • nicht annahernd die Rolle spielte, wie in ihrem 
den konnen, scheinen mir die Versuche, helle- Ursprungslande. Offenbar waren die Grundlagen 
nische Heroen auf unseren Kunstwerken nachzu- des staatlichen und sozialen Lebens ganz andere. 
weisen, trotz der hohen Autoritat M. Nilssoris Nur in einer Hinsicht weist das Festland eine 
(Minoan-myc. Religion 44ff. Mycenaean Origin of 50 entwickeltere Technik auf: im Ingenieur- 
Greek Mythology 1932) nicht beweiskraftig: die we sen. Die minoischen Kreter lieBen im allge- 
wenigen Beispiele aus dem ungeheuren minoisch- meinen die Natur gewahren. Wohl bauten sie 
myk. Bilderschatz, bei denen an hellenische My- StraBen und legten Wasserleitungen an (Evans 
then gedacht werden kann (Studniczka Athen. Pal. of Minos I 141ff. 363. 378ff. II 60ff. 367f. 
Mitt. XXXI 50ff. Persson 0. S. 591. V. Sa- III 170f. 492fE.); aber es findet sich auf Kreta 
lis Theseus u. Ariadne 27f£., dazu Athen. Mitt. nichts, was sich auch nur annahernd mit dem 
LV 123f.), lassen sich samtlich auch anders er- groBartigen Netz von Strafien, Brucken, Wach- 
klaren; zum Teil liegen geradezu falsche Deutun- tiirmen der Argolis vergleichen lieBe (S t e f f e n 
gen der Bilder vor. Wenn auch die heldisehe Vor- Karten v. Myk. 8ff . N i 1 s s o n Homer a. Mycenae 
zeit, in der jene Mythen spielen, zeitlich der my- 60 115), oder mit den ,Deichbauten der Minyer' (o. 
kenischen entspricht, und mehrmals gewiB histo- S. 595. G e i g e r Bd. XI S. 1346ff. Art. K o - 
rische Ereignisse des 2. Jhdts. sich in der Helden- pais) oder der Perseia von Mykenai (Bd. XVI 
sage spiegeln, ist die Kultur, in welche diese von S. 1023f. Am. Journ. Arch. XXXVIII 1934, 123ff.). 
der griechischen Dichtung seit dem Epos versetzt Auch hier auBert sich ein vom minoischen ganz 
wird, eine rein hellenische, nur in einzelnen auBe- verschiedener, ihm an Gestaltungswillen und 
ren Ziigen vom Auslande beeinfiuBte. Dagegen -kraft weit tiberlegener Geist. Man konnte aus 
iragt die mykenische Kultur, trotz der o. S. 585f. der Betrachtung solcher Werke, wie aus den ge- 
betonten wesentlichen selbstandigen Ziige, doch waltigen Befestigungen der Burgen, wohl den 



603 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 604 

Glauben an eine mykenische Grofimacht schopfen, bisweilen kaum behelligt fortlebten (z. B. Vro- 

wie man sie den minoischen Kretern niemals zu- kastro im ostlichen Kreta, E. Hall Vrokastro 

tiauen wiirde. Indessen lassen sich solche Schltisse 1914). Auch auf dem Festlande ist die myke- 

aus dem archaologischen Befunde nicht ableiten. nische Kultur zwar geknickt, aber nicht gleich 

Die mykenische Koine bedingt keineswegs einheit- radikal ausgerottet worden. Eine letzte I'hase 

liche politische Gestaltung auf dem ganzen groJBen kiimmerlichen Nachlebens f olgt auf die Vernich- 

Gebiet ihrer kiinstlerischen Geltung. Einheitlich, tung der politischen Macht. Weder groBere Bau- 

wohl unter mehreren Fiirsten zusammengefaBt, ten gibt es mehr, noch Wandmalerei oder sonst 

erscheint nach dem heutigen Stande unseres Wis- namhafte Kunst, sondern bloB eine sehr einfache 
sens lediglich das Festland, aber auch dieses mit 10 Keramik mit spatmykenischen Formen und weni- 

Ausnahme betrachtlicher Teile wie Aitolien, Akar- gen, geometrisierenden Mustern und diirf tiges Me- 

nanien und Epirus, der groBeren Halfte von Thes- tallgerat, bei dem Eisen zum ersten Male eine RoUe 

salien und ganz Makedonien. Wahrend Kephal- zu spielen beginnt. Ohne feste Begrenzung fiihrt 

Ionia, Ithaka, Leukas, Euboia, Aigina und die an- das Submykenische liber ins friiheste, sog. Proto- 

deren der Peloponnes vorgelagerten Jnseln offen- geometrische. Diese ununterbrochene Entwick- 

bar jenen Fiirstentiimern untertan war en, wissen lung wird besonders klar durch Grabfunde von 

wir tiber die Kykladen und Sporaden noch kaum Athen erwiesen (Agora: Hesperia II 1932, 4881. 

Bescheid. Melos und Ehodos scheinen im 14. — Kerameikos: Kraiker Arch. Anz. 1932, 203ff. 

13. Jhdt. mykenisch beherrscht, wohl auch be- 1934, Fdber. Forsch. u. Fortschr. X 53f.), ferner 
siedelt gewesen zu sein, Kreta dagegen ein be- 20 durch eine Nekropole von Salamis (Wide Athen. 

scheidenes, selbstandiges Leben fortgeftihrt zu Mitt. XXXV 17ff.) und thessalische kleine Kuppel- 

haben. Die mykenischen Scherbenfunde in Troia VI graber (Marmariani, Heurtley BSA XXI Iff. 

und Milet lassen sich ebenso durch bloBen Han- Liste ahnlicher GraJber lOff. Anodranista, Stah- 

delsverkehr erklaren wie die in Agypten oder lin D. hellen. Thess. 1481; Kapakly, unveroS. im 

GroBgriechenland. DaB es an einigen dieser Orte Museum von Volo), die genau wie die gleichzeitigen 

mykenische Faktoreien gab, ist wahrscheinlich, auf Kreta (Bd. XI S. 1786f., off enbar unter mykeni- 

aber nicht erweisbar. Auf Kypros spielt myke- schem EinfluB entstanden) geometrische Vasen 

nischer Import eine so groBe RoUe, daB man hier enthielten. Vgl. auch die Graber von Skyros, BSA 

bltihende Niederlassungen annehmen darf (vgl. vor XI 78ff. In Kleinasien bietet Assarlik (Myndos) 
allem das reiche Material bei A. Murray Excav. 30 westlich von HalikarnaB wichtige Parallelen (P a- 

in Cyprus 6ff. 33ff 72f£.; anders Gjerstad ton Journ. hell. stud. VIII 64ff.), in Syrien die 

Studies on Prehist. Cyprus 327f.). Indessen ist Philisterkeramik (Fimmen Kret.-myk. Kultur^ 

auf Kypros der alteinheimische, orientalische Ein- 191ff.), die wie die obenerwahnte syrische (S. 603) 

schlag doch sehr fuhlbar. Dasselbe gilt von den von der f estlandisch mykenischefh abhangen diirfte. 

reichen Funden aus den neuen franzosischen Gra- Gesichert ist dies ftir die Auslaufer des Mykeni- 

bungen in Nordsyrien (C. F. A. S c h e f f e r schen auf Kypros, die noch geraume Zeit ins 

Syria X 1929, 285f£. XII 1931, Iff. XIII 1932, 1. Jahrt. herabreichen und, offenbar unter syri- 

iS. XIV 1933, 93fE.), deren mykenische Vasen und schem EinfluB, auch reichen Goldschmuck, Elfen- 

Idole nicht minoische, sondern mykenische Pra- beinreliefs, FayencegefaBe umfassen (A. M u r r a y 
gung zeigen. Wir stehen hier noch am Anfang 40 a. 0. mit Taf. Iff.). In alien Fallen handelt es 

der Erforschung. sich um kraftloses Absterben oder um tJbergange 

Erwiesen ware die mykenische oder vielmehr zu dem dann bald aufstrebenden geometrischen 

die achaiische GroBmacht, wenn E. Forrers Stil. Der Umschwung steht zwar zeitlich mit der 

EntzifEerung und Deutung der sog. Achijava-Ur- sog. dorischen Wanderung in Zusanmienhang, 

kunden von Boghaz-Koi als gesichert gelten konn- aber die einwandernden Dorer waren nicht die 

ten (F r r e r Reallex. d. Assyr. I s. u. Ahhijava, Trager jenes Stils. Das beweist vor allem die 

dagegen zuletzt F. S o m m e r Die Ahhijava-Ur- Graberreihe vom Kerameikos. In Athen, bis wo- 

kunden 378f.; vgl. A. Gotze Gnom. X 177ff.). hin die Dorer nicht vordrangen, hat sich das Geo- 

Jene Urkunden beziehen sich aber keinesfalls auf metrische gerade am Folgerichtigsten und Rein- 
Mykenai selbst, sondern allenfalls auf ein klein- 50 sten aus der verwandten submykenischen Orna- 

asiatisches Reich, und gerade hier ist der myke- mentik entwickelt (Kraiker a. 0.). Die Dorer 

nische Befund bisher unbedeutend. So kann ich haben jedoch den ihnen offenbar artgemaBen Stil 

an eine politische Bedeutung der mykenischen bald ubernommen und ihrerseits ausgebildet, wie 

Kultur, die den GroBmachten des Orients oder besonders die geometrische Keramik der Argolis 

Agypten auch nur annahernd ebenbiirtig gewesen lehrt (E. K u n z e Tiryns V, in Vorbereitung; 

ware, nicht glauben (vgl. Karo Sch. 348f.; einen vorlaufig Karo Fiihrer d. Tiryns^ 46f.). Hier 

abweichenden Standpunkt wird Fr. S c h a c h e r- sind die betreffenden Graber in die spatesten 

m e y r in seinem bald erscheinenden Buche mykenischen Ruinen eingebettet, also beide 

Achaeer und Hethiter begriinden). Kulturperioden durch einen offenbaren Bruch 

Ftir das Ende der mykenisch-minoischen Kul- 60 geschieden. Schweitzer Gnom. X 337. 

tur gibt es kein ganz gesichertes Datum. Die An- Fundstatistik 

satze der beruf ensten Kenner schwanken zwischen auf Grund von Fimmen Die kretisch-myke- 

tund 1200 und 1100 v. Chr. tJberdies ist diese nische Kultur^ 1924 (im Folgenden: F.) erganzt. 

entscheidende Wende nicht an alien Statten gleich- Argolis 

zeitig eingetreten. Jedoch handelt es sich wohl AUgem. Frickenhaus u. W. Mtiller 

um eine allgemeine groBe Katastrophe, der ge- Athen. Mitt. XXXVI 21ff. Klio 1910, 390f. H. 

rade die wichtigsten Burgen und Stadte zum Lehmann Die Ebene von Argos 1935 (Ti- 

Opfer fielen, wahrend entlegenere Ortschaften ryns IV). 



605 Mykenische Kulto Mykenische Kultur 606 

Mykenai, Burg und Graber s. Bd. XVI S. 1015if. Schinochori bei Argos. Myk. Kammergraber, je 
F. 11. AsXt, 5, 1919, naQ. 34ff. Rod en- eine Leiche auf iBank in der Mitte. Ausgr. Re- 
waldt D. Fries d. Megarons v. Myk. 1921. naudin Bull. Ml. XLIV 386. XLVII 190ff. 
Wace Journ. hell. stud. XLVI llOff. BSA Skala. Myk. Burg und Nekropole. F. 11. 
XXIV 185i. XXV IS. Chamber Tombs at Myc. Malandr6ni (Lyrkeia). Vormyk. und myk. Sied- 
1932. Evans Shaft Graves a. Bee-hive Tombs lung. H. Lehmann Tiryns IV. 
of Myc. 1929. St. Casson Art a. Archaeol. Nemea. Myk. Siedlung und Graber. F r i c k e n- 
XXX Slff. Karo D. Schachtgr. V. Myk. 1930 haus-Mtiller 26. Ausgr. von Blegen 
—1932. AJA XXXVIII 123ff. Wachturm auf AJA XXXI 436S. 

der Kuppe des H. Elias, BSA XXV 429ff., an 10 H. Vasilios (Kleonai). Myk. Votivterrakotten. 

dessen Nordwesthang Siedlungsplatz. Das von Arch. Anz. 1913, 116. 

Mykenai beherrschte System befestigter Stra- Zygouries. Siedlung und Graber. Ausgr. von 

Ben meisterhaft behandelt von S t e f f e n Kar- Blegen Zygouries 1928. 

ten von Myk. 1884, 8£f. Klenies (Kleonai). Hohle mit Kultresten von 

Phy-chtia im W. von Mykenai. Kammergrab. Bull. neolith. bis spatgriech. Zeit. Funde in Nauplia 

hell. LV 476. Arch. Anz. 1931, 262. (unveroff., Versuchsgrabung N. Bertos). 

Prlphtani, siidlich von Charvati. Myk. Siedlungs- Megalochorio (Methana). Myk. Scherben. F r i k- 

spuren und Kammergrab (Mitt. Wredes). kenhaus-Muller35. 

Berb^ti, Ebene ostlich von Mykenai, mit befestig- Karak^si (Eileoi). Myk. Graber. F. 13. 

ter Akropolis. H. L e h m a n n a. 0. Kammer- 20 Kastri (Hermione). Myk. Scherben. F. 13. Frik- 

grab (Mitt. Wredes). kenhaus-Miiller37. 

Vreserka, zwischen Mykenai und Prosymna. Sied- KeMdi (Mases?). Auf einem Hiigel etwa 3 km 

lungsspuren und myk. Scherben. links vom Wege nach Hermione sah H e u r t - 

Prosymna (Heraion bei Argos). Siedlung und ley gut erhaltene myk. Mauerstticke. 

Graber. F. 12. Blegen AJA XXIX 413ff. Thermisi, nordostlich des gleichnamigen Kaps, 

AeXr, 11, 1927/ 28, :n;aQ. 42f. Arch. Anz. 1926, auf einem Felsvorsprung tiber den Salzwerken, 

41 6f!. 1928, 585ff. Journ. hell. stud. XLVII 237f. byzant. Festung und spatmyk. Scherben (Mitt. 

Mideia (Dendra), Akropolis, Kuppelgrab, Kam- Heurtleys). 
mergraber. F. 12, dazu A. Persson Art a. Vorgelagertelnseln 
Arch. XXII 231ff. XXV 277ff. The Royal 30 Hydra. Myk. Scherben. Fr ickenhaus-Miil- 
Tombs at Dendra 1931. Arch. Anz. 1927, 371f!. 1 e r 38. 

Tiryns, s. K a r o Bd, VI A. Burg, Unterstadt, Poros. Myk. Scherben und Grab. F. 13. 

Graber. F. 12, dazu K. Mil Her Tiryns III Aigina. Myk. Siedlungen und Graber. F. 9, da- 

1930. Arch. Anz. 1927, 365ff. 1930, 112ff. zu Welt er Arch. Anz. 1925, Iff. (Stadtmauer 

(Unterstadt). Athen. Mitt. LV 119ff. (Schatz). u. a. Bauten). 317f£. 1926, 432f. 1928, 611f. 

J. Day AJA XXX 442f. Karo Fiihrer d. 1930, 128. 1931, 274. Goldschmuck Evans 

Tiryns2 1934. Journ. hell. stud. XHI 195ff. 210ff. Brit. Mus. 

Nauplia. Myk. Scherben im Stadtgebiet, Kammer- Cat. Jewellery 5 Iff. 

graber im Nordosten. F. 13. Korinthia 

Asine (bei Tolon). Burg, Unterstadt, Graber. 40 Altkorinth. Myk. Vasen aus dem Stadtgebiet. F. 9, 

Persson BulL Soc. R., Lund 1920/21, lOff. dazu Arch. Anz. 1915, 213f. 1916, 164. 1931, 

1922/23, 25ff. 1923/24, 162ff. 1924/25, 23ff. Art 243ff. AJA XXIV Iff. XXVII ISlff. Art a. 

a. Arch. XXI 263ff. Arch. Anz. 1927, 378ff. Arch. XXXI 153ff. (Graber). KyklopischeMauer- 

1930. 1 13f. N i 1 s s n Minoan-myc. Relig. XXff reste auf Akrokorinth Arch. Anz. 1927, 363 nach 

Kandia. Kleine myk. Burg. F. 13. Fricken- Ausgr. Blegen s Acrocorinth 28 erst nach- 

haus-Muller 26. Arch. Anz. 1927, 365. myk. Vormyk. und myk. Siedlungen ostlich von 

Vormyk. und myk. Scherben sah Heurtley. Korinth. Blegen Korakou 1921. G6nia, Me- 

Iria. Myk. Scherben. Arch. Anz. 1911, 150. Bei trop. Mus. Stud. Ill 55ff. 

Kato Iri sah Heurtley grofie myk. Blocke. Neukorinth. Altermyk. Grabfund im Museum von 

Dimana, auf dem Wege nach Epidauros. Myk. 50 Altkorinth. Arch. Anz. 1933, 223. 

Mauerreste und Scherben. Arch. Anz. 1911, Perachora. Myk. Scherben. Arch. Anz. 1931, 259. 

150. Kyklopische Briicke bei Kasarmi. Myk. Sikyon. Myk. Scherben. F. 9. 

Siedlung bei Trachia zwischen Epidauros (Hie- Lakonien 

ron) und Troizen. Arch. Anz. 1927, 365. Thyreatis. Myk. Scherben bei Astros, Chersonisi(?), 

Nea Epidauros. Myk. Kammergraber. F. 13. Helleniko (?). Wrede Arch. Anz. 1927, 365. 

Frickenhaus-Miiller 29. Myk. Warte Sparta. Myk. Siedlung am Menelaion. BSA XV 

zwischen Ortholithion und Choritz^, Siedlung 109ff. XVI 4ff. 

bei Phurkaria gegentiber Hydra. Arch. Anz. Amyklai (H. Kyriaki). Myk. Siedlung und Gra- 

1927, 365. ber F. 11, dazu Arch. Anz. 1926, 424. Buschor- 

My-li (Lerna, gegentiber von Nauplia). Vormyk. 60 v. M a s s o w Athen. Mitt. LII Iff. 

und myk. Siedlung. Athen. Mitt. XXVI 24. Vaphio bei Amyklai. Siedlungsreste und Kuppel- 

Wace-Thompson Prehist. Thessaly 224. grab. TJcprjfj,. aQX- 1888, 197ff. 1889, 129ff. F. 10 . 

Argos. Siedlung auf der Apsis, Kammergraber, Gerdki (Geronthrai). Siedlungsreste und Graber. 

Kuppelgrab. F. 11, dazu Arch. Anz. 1928, 587ff. BSA XI 96ff. XVI 72ff. 

Bull. helL LII 476fL LIV 461f. Burg auf der Kutiphari (Thalamai). Biigelkanne, Tod- Wace 

Larisa: Vollgraff Mededeel. K. Akad. v. Cat. Sparta Mus. 222. 

Wetensch. Amsterdam 1928, nr. 4. 1931 nr. 3. Arkines am Taygetos. Kleine Kuppelgraber. P. 10. 

Bull. hell. LII 476fE. Kalyvia-Kastania (Pellane). Spatmyk. Kuppel- 



607 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 608 

grab. AsXt. 10, 1926, Tza^. 41ff. Journ. hell. Arkadien 

stud. XL VII 257. Palaiochori (Kynuria). Myk. Vasen, wohl aus 

Monemvasia. Myk.Kammergr. Mitt.Karachalios. Kammergrabern. AsXt. 9, 1924/25, jza^. 18ff. 

Kampos an der Grenze Lakoniens. Kuppelgrab. Tegea. Kuppel- und Kammergraber, Scherben im 

T sunt as TJcprjfj,, aQx- 1881, 1892. V. 185f. Athena-Bezirk. F. 10. 

Kavvadias IlQOLotoQ. "AqxaioXoyla 296f. Orchomenos. Myk. Scherben. F. 10. 

Bossert Altkreta2 250f. Attika 

Kythera. Mittelmyk. Kammergrab mit drei Ab- AUgem. Curtius-Kaupert Karten von 

teilungen. Aelx, 1, 1915, 191ff. F. 11. A. 1881—1900. Wrede Attika 1934, 6fL 26f. 

Messenien 10 mit Karte. 
AUgem. M. N. V a 1 m i n Etudes topogr. sur Athen. Myk. Burg, Graber, Scherbenf unde. F. 8, 

la Messenie anc. 1930 (abgek. V.). dazu Aeht. 1, 1915, naQ. 35. Arch. Anz. 1931, 

Thuria, Karteroli, Myk. Kammergraber. V. 59f. 64. 213. 1933, 198. Kerameikos: Athen. Mitt. LI 

'Eq>riiJi. h^i. 1911, 117ff. 1926, 134ff. Arch. Anz. 1927, 347. 1932, 203ff. 

Tsukaleika. Myk. (?) Burg. V. 71ff. 1933, 277ff. 1934,' Fdber. W. Kraiker Forsch. 

Bouga-Kallirhoi. Kuppelgrab. V 94. Bull. Soc. u. Fortschr. 1934, 53f. 

R., Lund 1927/28, 190H. Menidi. Kuppelgrab. Ausgr. L o 11 i n g D. Kupp. 

Stylari-Kopanaki. Vier Kuppelgraber. V. 103. v. M. 1880. F, 8f. Wrede Attika Taf. 8. 

Bull. Lund 1927/28, 201ff. Dazu Siedlungshiigel bei Kukuv4ones (Mitt. 

Bugari bei Mandres, Maliki bei Aetos. Je 1 Kup- 20 M 6 b i u s). 

pelgrab, 2 bei Gli^ta. Mitt. V. Dekeleia (Tatoi). Bugelkanne. Furtwangler- 

Lutro. Vormyk. und myk. Scherben. Mitt. V. Loeschcke Myk. Vas. 41. 

Kochla. Myk. Bronzeaxt, Mitt. Valmins. Chasia am Barnes. Panshohle. Myk. Scherben. 

Malthi ulld Bodia. Myk. Burg mit kleinem Her- 27^>?^. a^i. 1906, 100. 

renhaus, zwei Kuppelgraber. V. 112H. Bull. Eleusis. Myk. Burg, Siedlung, Graber, wohl auch 

Lund 1926/27, 59ff. 1927/28, 180ff. Arch. Anz. Heiligtum; F. 9, dazu Kuruniotis Aelx, 

1930, 115. 1934, 1581 13, 1930/1, naQ, 17ff. Art. a. Arch. XXXII 3ff. 
Kyparissia.Myk. Scherben auf der Akropolis.V.131. AJA XXXVII 271f£. Arch. Anz. 1931, 231ff. 
Pylos (Tragana) Myk. Akropolis und Kuppelgra- 1932, 125ff. 1933, 212ff. 1934, 149. My- 

ber. !E'9?7?^. a^;i;. 1912, 268. 1914, 99fE. TJ^ctptJT. 30 lonas ""ElBvoivianS. I Iff. Wrede Attika 

1909, 274ff. Hohle mit myk. Scherben am Ko- Taf. 13. 

ryphasion. F. 10. Kuppelgraber bei Osmanaga. Phaleron. F. 8. 

TlQaKx. 1925/26, 140f. Arch. Anz. 1915, 1901 H. Kosmas bei Altphaleron. Ausgr. My lonas 

1927, 384. V. 1461 Bull. hell. LIV 461f. Arch. Anz. 1931, 227fE. 
Pidima. Vormyk. und myk. Scherben. V. 52. Glyph^da (Aixone). Myk. Graber. Arch. Anz. 
Mothone. Myk. Scherben. V. 153f. 1922, 250. 

Kardamyli. Myk. (?) Burg. V. 201f. Tr^chones, Haliki, Vdri. Myk. Kammergr. F. 8. 

Leuktra. Myk. Scherben auf der Burg. V. 203. Sunion. F. 8. 

Messene. Am Ostabhang myk. Reste. Mitt. V. Thorikos. Vormyk. u. myk. Burg u. Graber. Eq)y]ii, 

T r i p h y 1 i e n und E 1 i s 40 6.^%. 1895, 221H. F. 7f. W r e d e Attika Taf. 6. 

Kakovatos (nach Dorpfeld Alt-Pylos). Myk. Kaki Thdlassa. Hohle mit myk. Scherben. F. 7. 

Akropolis und alte Kuppelgraber. Athen. Mitt, Wrede Attika Taf. 7. 

XXXIII 295ff. XXXIV 269ff. XXXVIII 97ff. Porto Raphti. Myk. Kammergraber. F. 7. Aelx, 

(Dorpfeld, K. M tiller). 11, 1927/28, naq, 60S. Arch. Anz. 1928, 574. 

Arene (Kleidi). Myk. Burg und Hauser. F. 10. Brauron. Myk. Burg und Kammergraber. F. 7. 

Pisa. Siedlung und Graber. F. 10. Raphina. Vormyk. und myk. Siedlungshiigel. 

Olympia. Apsidenhauser mit myk. Scherbe. F. 9. Mitt. W r e d e s. 

Athen. Mitt. XXXVI 163ff. XLVIII 48fE. Arch. Marathon. Kuppelgrab bei Vrana, Arch. Anz. 

Anz. 1930, 115ff. W. Dorpfeld Alt-Olym- 1934, 148. Die Akropolis am Agriellki wohl 

pia 1934. 50 auch myk. Arch. Anz. 1932, 130. Sotiria- 

Damiza (bei Amalias), Mikr5s Botias, Bartholo- di s TJnexrjQig x. Uavsmox. ©sooaXoviKTjg 1928. 

mio, Gurziimisa. Spatmyk. Kammergraber. Katosiili (Trikorinthos). Myk. (?) Mauerreste. 

Arch. Anz. 1932, 142f. HQaxx. 1931, 71ff. Aphidna (Kotroni). Myk. Burghiigel und vor- 

1932, 57ff. myk. Graber. Athen. Mitt. XXI 385ff. Wr e d e 

A c h a i a Attika Taf. 5. 

Eine Reihe spatmyk. Nekropolen (Kammergraber), Pikermi, Velanideza, Vurvdtsi bei Koropi und am 

von N. Kyparissis ausgegraben, stidlich Wege von dort nach Vdri. Myk. Kammergra- 

von Patras H. Vasilios Chalandritsis, Prosto- ber. Arch. Anz. 1930, 10. Vgl. Prah. Ztschr. 

vitsa, Trumbes, Mdnesi, Mitopolis {UQam. XIX 307ff. 

1928, llOff. 1929, 86ff. 1930, 81ff. 'AQx-'^fp^M- 60 H. Christos bei Koropi. Kyklop. Mauerreste. Athen. 
1919, 98. Arch. Anz. 1922, 308. 1930, 120f. Mitt. XVI 220. Phot. d. Inst. Attika 29. 31. 

1931, 263. Bull. hell. LII 481f. LIII 501. LIV Sp^ta. Myk. Siedlung und Kammergraber. F. 6. 
483f . LV 477f .), ferner in und um Patras (Arch. Markopulo u. Umgeb. Myk. Kammergraber. F. 7. 
Anz. 1925, 334f. 1934, 160f. Bull. hell. XLVII Keratea. Myk. Grab. Arch. Anz. 1916, 142. 
512); in der Umgebung von Aigion (Gume- Salamis. Kyklopische Mauern und Graber. F. 9. 
nitza, Liverpool Ann. IV 131. IlQam. 1925/26, Megara. Kyklopische Mauerreste und myk. Scher- 
43ff. 130f. Aelx. 9, 1924,/25, naQ. 14ff. Arch. ben im Stadtgebiet und auf der kleinen Akro- 
Anz. 1926, 427f. 1927, 385. 1934, 160). polis von Nisaia. F. 9. 



609 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 610 

Euboia Mdnesi, Dadi (Amphikleia), Glunista (Dryma^a), 

Chalkis. Pelskammern von Tr;fpa. Papava- Rev. 6t. gr. 1912, 259fi. F. 5. 

siliu IleQl x(bv ev Ev^olq. aQxaicov rdq?(ov Halae. Arch. Anz. 1913, 104f. 

21ff. HQa^it, 1910, 265f. 1911, 237ff. Schiste. F. 5. 

Eretria. Myk. Scherben. Arch. Anz. 1922, 316. Delphi. Siedlung, Graber, Heiligtiimer. Fouilles 

Livddi bei Aliv^ri. Myk. Kammergrab. IlQaKx, de D. V 1, 5ff. (P e r d r i z e t). D e m a n g e 1 

1909, 207. Sanct. d' Athena Pronaia SS. Arch. Jahrb. 

Kat^kolu, Bellusla, Oxylithos, Enoria. Papa- XXVI 2543. Arch. Anz. 1925, 327. 

vasiliu a. 0. 24f!. 39S. Aitolien und Akarnanien 

Boiotien lOKalydon. Myk. Scherben. i7^a;t;r. 1908, 99ff. 

Theben. Myk. Burg (Kadmeia) und Graber. F. 6, Thermos. Mattbemalte und myk. Keramik. F. 4. 

dazuAusgr. KeramopuUos ^£Ar. 3, 1917, Aslx, 1, 1915, 268ff. 2, 1916, 179ff. UQaKX, 

25ff. BOa. 1232. 5, 1919, naQ, 33f. iJ^o^r. 1931, 64f. 1932, 551 Arch. Anz. 1932, 147. 

1927, 32ff. 1928, 452. 1929, 602. 'Aqx. T]<prjf^, Stratos. Tumulus am Acheloos. Lokale Keramik; 

1930,292. Arch. Anz. 1922, 2672. 1928, 575f. nichts Myk. erwahnt. Wace-Thompson 

1930, 103. Prehist. Thessaly 229. 

Thespiai. Heurtley sah myk. und altere Scher- Koronta. Reste von zwei kleinen Kuppelgrabern. 

ben auf einer niedrigen Anhohe siidlich der UQaxx. 1908, 100. 

Strafie von Theben nach D6mbraena. Palairos. Myk. Scherben. Liverpool Ann. IV 133. 

Eutresis. Ausgr. H. Goldman Excav. at Eutre- 20 lonischelnseln 

sis 1931, 1862. Arch. Anz. 1927, 3512. Myk. Korfu. Myk. Scherben bei Kephali. Arch. Anz. 

StraBenreste H e u r 1 1 e y BSA XXVI 39. 1913, 1062. 

Livaddstro. Friih- und spatmyk. Scherben. Heurt- Leukas. Ansiedlung, Graber, Wasserleitung von 

leya. 0. 402. Nidri. Dorpfeld und GoBler Alt- 

Thisbe. lltermyk. Grabfunde. Evans Journ. Ithaka 1927, 1962. Arch. Anz. 1934, 162. 

hell. stud. XLV 12. Jungmyk. Kammergraber Ithaka. Myk. Funde aus Grabungen de Bos- 

und Scherben. Heurtley a. 0. 41. set (1813 — 15, in Neuchatel) : Benton BSA 

Haliki. Myk. Mauern und Scherben auf der Akro- XXIX 1132. (vgl. Rev. arch. 1900, 1282. K a v , 

polls. H e u r 1 1 e y a. 0. 40. vadias UqoIgxoq. !4^;uatoAoy/a 365 Abb. 4372.). 

Arkopddiquelle, Erythrai, Dritsa (Eleon). Myk. 30 Scherben am Westufer der Polisbucht Bull. 

Scherben. F. 6. heU. XXIX 1502. Ausgr. H e u r 1 1 e y s BuU. 

Tanagra. Myk. Vasen in Athen. Furtwang- hell. LIV 4872. LV 4792. Arch. Anz. 1931, 

ler-Loeschcke Myk. Vas. XX 141—145. 265f. 1932, 149i 1933, 2352. 1934, 162. 

H. Elias bei Schimatari. Myk. Haus. BSA XII Kephallenia. Kuppel- und Kammergraber bei 

94f. Krdne (Argostoli), Masarakata, Kokkoldta, Lia- 

Dr^mesi, Vlicha, Chalia. F. 6. Heurtley hat k^ta, Lixiiri. F. 4. Rev. arch. 1900 II 1282. 

spatmyk. Scherben bei Dramesi aufgelesen. (Vasen in Lyon). Kavvadias UqoIoxoq. 

Ash. I, TtaQ. 55f. !Aqx- 3552. Kyparissis AeXx. 5, 1919, 

Haliartos. Kyklopische Burgmauer. Phot. d. Inst. Tta^. 922. Marinates 'Aqx. 'Ecprifji, 1932, 

Boeot. 13. Minysches und Mattmalerei in Chae-40 12. Bull. hell. LIV 486. LV 478f. Arch. Anz. 

ronea und Athen. F. 6. Myk. Siedlung, Ausgr. 1922, 282. 1931, 267f. 1932, 148f. 1933, 239f. 

R. P. A u s t i n BSA XXVIII 129. Journ. heU. Zakynthos. Myk. Kuppelgrab. Ausgr. Benton. 

stud. XLVI 234f. Arch. Anz. 1927, 351. Arch. Anz. 1934, 161f. 

Kal^mi zwischen Haliartos und Livadia. Vormyk. Thessalien 

und myk. Scherben. Heurtley a. 0. 42. Ts. = T s u n t a s J.« nQoloxoQiTial aKQonoXsig 

Livadia. Myk. Vasen in Athen. Furtwang- Aifjirjvlov xal HeopiXov 1908. — W-T. = Wace- 

ler-Loeschcke Myk. Vas. XIX 134. Thompson Prehistoric Thessaly 1912. 

Ptoion. Felsplateau 100 m tiber dem ApoUon- Karditsa (Tsipusi). Myk. Kuppelgrab (Ausgr. 

heiligtum. Zwei kyklopische Mauerringe. Ob- Arvanitopullos). BuU. hell. XLIV 395. 

sidianfunde. BuU. heU. XLVII 512. 50Pherai. Myk. Reste (?). Arch. Anz. 1922, 247. 

Eopaisbecken: Polyjira, Pyrgos (Tegyra). Myk. 1926, 429. 

Funde B u 1 1 e Orchomenos I 1162. H. loannis, Giira. Kuppelgrab. W-T. 208. Fr. S t a h 1 i n 

Pyrgos H. Marina. Desgl. Athen. Mitt. XIX D. heUen. ThessaUen 1924, 169. 

442. Wace-Thompson Prehist. Thessaly Anodrauista. Submyk. Kuppelgrab. Ausgr. Arvani- 

12. — Gla. Felseninsel mit gewaltiger Ring- topullos i7^a«r. 1911. 351ff. Stahlinl48f. 

mauer und Herrenhaus. Ausgr. F. deRidder Zer^lia. Neolith. und spatere Siedlung. F. 3. 

BuU. hell. XVIII 2952. F. Noack Athen. W-T. 1502., myk. Scherben 159. 

Mitt. XIX 4052.; Homer. Palaste 192. F. 6. Pthiothisches Theben. Myk. Stuck, Terrakotten, 

Orchomenos. Myk. Siedlung, Stuck, Vasen. GroB- Scherben. F. 3. W-T. 1662. 

artiges Kuppelgrab. F. 5. AeXx. 1, 1915, :;ra^. 6OV0I0 (lolkos). Myk. Vasen F. 3. ,Palast* mit 

512. Orchomenos I (H. Bulle 1907). II. Ill Stuckresten (Ausgr. Arvanitopullos). 

(E. Kunze 1931. 1934). Arch. Anz. 1922, 247. Stahlin 63f. 

L k r i s und P h k i s Kapakly bei Volo. Kuppelgrab. 'EcpYjfi, olqx- 1906, 

Giiva. Myk. Felsgrab. Athen. Mitt. XXXI 394f. 2112. 1912, 2292. BSA XXXI llf. 

Antikyra. Kammergraber. Athen. Mitt. XIV 2672. Demetrias-Pagasai. Myk. Hauser und Graber. 

Memnon 1908, 98. ngaxx. 1907, 111. Athen. Mitt. XIV 2622. HQaxx, 1916, 31f. 

H. Marina, Drachm^ni. P. 5. Stahlin Dem. u. Pag. 1934, 129, 2. 162f. 

Elatea. Myk. Scherbo. Paris Elat^ee 283. Arch. Anz. 1922, 247f. 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 20 



611 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 612 

Dimini. Myk. Vasen Ts. 150ff. Zwei junge Kup- Jerakini. Eine Stunde nordostlich vom Orte auf 

pelgraber. F. 3. einem Hiigel spatmyk. Scherben (Mitt. Heurt- 

S^sklo. Spates Kuppelgrab. Ts. llSff. W-T, 68. leys). 

Vpgos bei Sesklo. Ts. 118ff. W-T. 85. Myk. noch Olynthos. Spatmyk. Scherb. Arch. Anz. 1932, 160. 

nicht gesichert. W a e e BSA XX 128. 

Rini. Magula. W-T. 130ff. Vielleicht auch Myk. Bubusta (Westmakedonien). Arch. Anz. 1928, 

Ts^ngli. Magula. Ts. 9. 131. W-T. 86ff., myk. 603f. 

Scherbe 114. Kykladen 

Pharsalos. Myk. Scherben auf der Akropolis. F. 2. Mykonos. Kuppelgraber. Athen. Mitt. XXIII 362. 

Myk. Siedlungen bei Palaikastro und Kturi. 10 Delos. Siedlungsreste und Graber. F. 13, dazu 

Ausgr. B^quignon Bull. hell. LVI 90ff. Ch. Pi card Bull. hell. XLVIII 247ff. Rev. 

Arch. Anz. 1932, 150f. arch. 1927, I 348 (myk. Grab als Abaton, viel- 

Mylos. Magula am Enipeus. Myk. Scherben. leicht eines der Graber der hyperbor. Jung- 

W-T. 9. 207. frauen). Arch. Anz. 1925, 326. Dugas- 

Tsdni. Magula. Liverpool Ann. I 152ff. W-T. Rhomaios Explor. de D^los XV 1934, 7ff. 

135ff., myk. 145. Taf. If. 

Larissa. Myk. Scherben von der Akropolis. F. 2. Kythnos, Seriphos. Je eine myk. Vase. F u r t - 

Chasdmpali. Vormyk. und myk. Siedlung. IlQaKx, wangler-Loeschcke Myk. Vas. 32. 

1910, 186. Siphnos. Myk. Scherben. F. 14. 
Tsini. W-T. 11. nr. 88. Mittelmyk. Scherben sah 20 Pares. Myk. Siedlung. F. 14. 

Heurtley. Naxos. F. 14. Ausgr. Welter Arch. Anz. 1930, 

Metiseli. Magula mit myk. Scherben. W-T. 8. 207. 134f. Journ. hell. stud. L 244. 

Marmariani am Siidabhang des Ossa. Kuppelgra- Amorgos. Myk. Vasen. F. 14. 

ber mit submyk. Vasen. Ts. 121. W-T. 53f. Melos. Phylakopi. Die letzte Periode der Obsi- 

Heurtley-Skeat BSA XXXI Iff. dianstadt nicht mehr unter minoischem, son- 

Rachmdni am Eingang zum Tempetal. Spatmyk. dern spatmyk. EinfluB. F. 15. 

Vasen, ein Grab. W-T. 25S. BSA XXXI 11. Thera. Lokale Vasen unter minoischem und viel- 

Bab^ am Eingang des Tempetals. Spatmyk. Va- leicht auch myk. EinfluB. F. 15, dazu Re- 

sen. Liverpool Ann. I 133. Athen. Mitt. XXXIV n a u d i n Bull. hell. XLVI 113ff. A b e r g 

1909, 84. W-T. 207. 30 Bronzez. u. frtiheisenz. Chronol. IV 133ff. 

G<5nnos. Kleines Kuppelgrab. Stahlin D. hel- Sporaden 

len. Thessalien 32ff. Lesbos, Thermi. Ausgr. W. Lamb BSA XXX 

Tsaritsdni und eine andere Magula bei Elass6na. Iff. XXXI 148ff. Arch. Anz. 1933, 249. Myk. 

Myk. Vasen. W-T. 12. 207. Auf dem grofieren Scherben F. 15, 

H. Elias-Berg kl. Kuppelgraber. Stahlin 24. Chios. Hohle von H. Galas (Myk.?). F. 15. 

Sophddes. Mittelmyk. Scherben sah H e u r 1 1 e y. Samos. Tigani. Myk. Scherben und Grab. Arch. 

Makedonien Anz. 1931, 287f. Heraion. Arch. Anz. 1933, 252. 

Allgem. Wace BSA XX 123ff. L. Rey Bull. Rhodes. Zahlreiche myk. Nekropolen (Liste Ann. 

hell. XLI— XLIIL St. C a s s o n Macedonia 1926, Sc. ital. VI/VII 251ff.). F. 16, dazu Ann. 11 
102ff. 127ff. Heurtley BSA. XXVIII 158ff.40 27m. VI/VII 86ff. (lalysos). II 299ff. VI/VII 

Proc. Congr. Preh. Sc. 1932. Saloniki und Um- 248ff. (Lelos). Boll, d' Arte VI 328ff. Arch, 

gebung. F. 95. BSA XXIII 51ff. Casson 134. Anz. 1927, 407f. 1928, 633ff. 1932, 180 (laly- 

Sarats6 bei Saloniki. Ausgr. Heurtley-Rad- sos, Kamiros). Clara Rhodes 1 16!f. VI/VII 133f!. 

ford BSA XXX 113ff. Bull. hell. LIII 510. Kos. Hohle von Aspri Petra. Myk. Scherben Ann. 

Arch. Anz. 1930, 124ff. VIII/IX 275ff. (Boll, d' Arte II 2783.). Arch. 

Vardino am Vardar. Liverpool Ann. XII 15ff. Anz. 1927, 409. Myk. Vase aus Antimachia. 

Spatmyk. Scherben. F. 16. 

Karasiili im Vardartal. Spatmyk. Vasen. Arch. Kalymnos. Myk. Graber. F. 16. 

Anz. 1925, 332. Karpathos. Myk. Grab. F. 16. 

Topsin am Vardar. Tumulus mit myk. Scherben. 50 Kleinasien 

F. 95. Troia. VI. Stadt mit alter, und spatmyk. Vasen. 

Vardar6ftsa. Myk. Scherben. F. 95. Ausgr. F. 95f. Dorpfeld Troia und llion 107ff. 

Heurtley-Hutchinson. BSA XXVII Iff. 283ff. Hub. Schmidt Schliemanns Samml. 

XXVIII 195ff. Journ. hell. stud. XLVI 232ff. trojan. Altert. nr. 3386ff. 6447ff. 7875ff. Ble- 

Arch. Anz. 1926, 431. 1927, 390f. gen AJA XXXVI 431ff. XXXVH 492ff. 

Kardoglu. Heurtley fand spatmyk. Scherben. Kolophon. Kuppelgrab. Ausgr. Blegen-Gold- 

Kilindir. Myk. Biigelkanne. Mitt. Heurtley s. mann AJA XXVII 68f. Arch. Anz. 1922, 339. 

Epanomi. 10 km siidostlich des Ortes Tumba am Milet. Siedlung mit zahlreichen Scherben, ob mi- 

Meer mit spatmyk. Scherben. Rey 164 nr. 5; noisch oder myk., noch zu bestimmen. F. 15f. 

5 km siidlich des Ortes eine zweite gleichen 60 v. Gerkan Milet I 8, 73. 113. 

Inhaltes, R e y 163 nr. 2. Mylasa (?). Myk. Vase. Athen. Mitt. XII 1887, 230. 

Myri6phyto, auf d. Wege n. H. Mdmas. Tumba Assarlik (Myndos) in Karien. Submyk. Nekropole* 

mit spatmyk. Scherben. Wace BSA XX 128. von Brandgrabern. F. ^Q. 

H. Mdmas und Molyvopyrgos (Chalkidike). Ausgr. Makri. Biigelkanne, Furtw. -Loeschcke 33. 

Heurtley-Radford BSA XXIX 117ff. Brit. Mus. Cat. I 1, A 1030 (vgl. A 1032). 

Arch. Anz. 1928, 603f. Jtitsch Hujiik, siidostlich von Konia. Myk. 

Athosgebiet. Zwei Tumbai am Strande, westlich Scherbe (?). Journ. hell. stud. XXIV 128. 

vom Rossikon und Servikon. W a c e B. 12. 15. Akalan, sudlich von Samsun. Myk. Scherben. F. 96^ 



613 Mykenische Kultur Mykenische Kultur 614 

Kypros. Sehr zahlreiche Funde durchweg spat- Taf. 7. 14, 49 — 53). "Dber Melos wohl auch 

myk. Keramik, dazu Schmuck, Elfenbein, friiheste MH-Verbindung zwischen Kreta und dem 

Fayencen u. a. F. 96f. Gjerstad Studies on Festlande, vor allem der Argolis. 

Prehist. Cyprus 48ff. 209ff. 277ff. Syria Xri FruhmykenischePeriode(SH I). 

1931, 61ff. Classific. d. c^ram. antiques 16. Seit etwa der Mitte des 17. Jhdts. Auftreten 

Cypriote Pottery 22ff. Brit. Mus. Cat. Vas. I kretischer, sosr. Kamareskeramik (MM III, vgl. 

2, 63ff. Jewellery Iff. Myr es Handbook Ces- Bd. XI S. 1760ff.) und einheimischer Nachahmun- 

nola Coll. New York 1914, 45ff. gen auf Aigina und in Asine, Mykenai, Tiryns (o. 

S y r i e n und Palastina S. 584). Sonst noch kein spurbarer kretischer 

F. 98, dazu besonders die Ausgrabungen von By- 10 EinfluB bis zur ersten Halfte des 16. Jhdts. 

bios, Syria III 1922, 273ff. IX 1928, lOfif. Ras- Nun gewaltiger Umschwung, seit Anfang des SM 

Shamra und Minet el-Beida. Syria X 1929, I (um 1570 v. Chr.): Schachtgraber und alteste 

285jff. XII 1931, Iff. 63. XIII 1932, Iff. XIV Felskammergraber. Neue Grabformen, Wandel 

1933, 94ff. Philisterkeramik Syria V 1924, der Bestattungsbrauche, unvermittelt auftretender 

169ff. Watzinger Denkmaler Palastinas I furstlicher Reichtum und fast unumschrankte 

77S. Herrsehaft minoischer Kunst. Demgegeniiber je- 

Samarra am Euphrat. Ein paar Scherben aus doch Selbstandigkeit festlandischer ,mykenischer* 

Sarres Grabungen sind altermyk. ahnlich. Sitte: Vorliebe fur Jagd und Krieg, anders ge- 

A g y p t e n und N u b i e n arteter Totenkult, Grabstelen, "Dberwiegen der 

F. 981, dazu Pendlebury Aegyptiaca 1930 20 Waff en, Masken; deren Rassetypen grieehisch, 

und Journ. Egypt. Arch. XVI 75ff. gegentiber dem ,armenoiden* Typus kretischer 

Es bleibt noch zu untersuchen, welche von diesen Bildnisse. Wahrscheinlich haben die Ftirsten von 

Funden minoisch, welche myk. sind. Die an- Mykenai durch Raubzuge gegen das von Erd- 

gebliche frtihmyk. Vase von Anibe in Nubien, beben geschwachte kretische Reich Schatze und 

dem bei weitem sudlichsten bisher bekannten kunstfertige GefangeUe erbeutet, die bald auf dem 

Fundort, ist eine lokale Nachahmung, als solche Festlande Schule machten: willige Annahme der 

freilich um so bedeutsamer fiir die Beziehungen minoischen Kunst. Xriefirsztige auch nach Ana- 

zum Myk. Reisinger Kret. Vasenmal. 12 tolien, wahrscheinlich Troia (Silbertrichter, o. 

Taf. I 6. S. 585), zur Gewinnung von Metallen (Zinn fiir 

Sizilien 30Bronzegu6I). Handelsverkehr mit dem Norden 

Vereinzelte myk. Vasen aus sikulischen Grabem (Bernstein, Dolchstab, Schmucksachen, o. S. 585). 

bei Syrakus, Molinello bei Augusta Floridia, Erste Bliite festlandischer Kunst, vor Allem der 

Girgenti. Insgesamt etwa 30 spatmyk. Gefafie. Keramik. Frfiheste nachweisbare Verwendung von 

Keine myk. Siedlungen. F. 99. Pferd und Wagen. 

Unteritalien MittelmykenischePeriode (SH II, 
Ein paar myk. Vasen und einige Scherben aus S. 15. Jhdt.). Noch vor Ende des 16. Jhdts. auf- 
CosimobeiOria,Tarent(Scolgiod.Tonno),Coppa fallender Umschwung: Anpassung des Festlan- 
della Nevigata (?). F. 100. — Wenn die myk. des an Kreta auch in den Sitten, Nachlassen des 
Gemme bei L. M i 1 a n i Studi e Materiali II kriesrerischen und jagdfrohen Geistes, vollige Herr- 
24 Abb. 147 wirklich aus Corneto stammt, ist sie 40 schaft minoischer Kunst, mit Ausnahme der Ke- 
ein ganz vereinzeltes uraltes, wohl aus GroB- ramik (die sogar auf Kreta zurtickwirkt) und der 
griechenland importiertes Erbstiick. Architektur:Kuppelgraber, in Mykenai zuerstnach- 
Wichtige Kataloge weisbar, groBartige Entwicklung im 15./14. Jhdt. 
Staifs Coll. mycen. d'Athenes^ 1915. Brit. Mus. Auch aus dieser Zeit sonst nur einfache Hauser 
Cat. Vas. I 1, 128ff. Jewellery (auBer Kypros erhalten, Palaste aus Freskenresten zu erschlie- 
Aegina) 57ff. Taf. 73. Bronzes Iff. Corpus Va- Ben. Einheitliche Kultur und Kunst in Pelopon- 
sor. Danemark 2, III A Taf. 39 — 64 (meist Rho- nes, Mittel- und Nordgriechenland. Friedliche Pe- 
des, vgl. 30 — 38). Frankr. Louvre II A c Taf. If. ziehungen zu Kreta. 

II B b Taf. 1 . Niederlande Mus. Scheurleer III A Jungmykenische Periode (SH III, 

Taf. 1— 3. Belgien, Brtissel, Mus. d. Cinquant. 50 etwa 1400—1200 v. Chr.). Gegen Ende des 

III A Taf. 1 — ^3. 15. Jhdts. endgiiltige Zerstorung der kretischen 

Zusammenfassung. Palaste; offenbar dadurch bedingt neuer Auf- 

Um 2000 V. Chr. Einwanderung der ersten grie- schwung des Festlandes: altere Burgmauern von 

chischen Scharen, Unterwerfung der alteingeses- Mykenai, Tiryns und wohl auch anderer Orte, 

senen, sog. friihhelladischen Bevolkerung. Diese Neugestaltung des alten Konigsfriedhofs von My- 

vorarischen ,Karer* nicht ausgerottet, sondern mit kenai durch Graberrund und Plattenring, alterer 

den neuen Herren vermischt; so entstehen die Palast, groBartigste Kuppelgraber, monumentale 

Trager der mittelhelladischen Kulturperiode (etwa Plastik (Lowentorl). Die Entwicklung schreitet 

2000 — 1600 V. Chr.). Kultureller Riicksehritt einheitlich fort bis zur Erbauung der jiingeren 

gegentiber dem FH: weniger dichte Besiedlung, 60 Befestigungen und Palaste von Mykenai und Ti- 

zahlreiche einst bliihende Ortschaften aufgegeben, ryns (14. und 13. Jhdt.). Die Kunst bleibt rein 

nirgends neue gegriindet, unter alien MH-Sied- minoisch, auch in den auf Kreta langst abgestor- 

lungen eine FH-Schicht; Nachlassen der im FH benen Zweigen (Wandmalereil); Toreutik und 

regen uberseeischen Beziehungen, kein namhafter Glyptik von gleichzeitig kretischen nicht unter- 

Handelsverkehr mehr mit Kleinasien oder den scheidbar, Keramik selbstandiger. Ausbreitung 

Kykladen, auBer Melos, wo in der Obsidianstadt des festlandischen Einflusses auf Kykladen (be- 

Phylakopi MH, sog. minysche Keramik und ein- sonders Melos), das westliche Kleinasien, Kypros, 

heimische Nachahmungen erscheinen (BSA XVII Syrien, Agypten, GroBgriechenland: mykenische 



615 Mylai Myrina 616 

Koine. Von Kreta bleiben verschieden die Ban- auf zwei spathellenistischen Grenzsteinen, Denk- 

kunst (Megaron), Kult (Fehlen der minoischen schr. Akad. Wien, phil.-hist. Kl. LIII, II (1908) 

Kapellen u. a. Kultraume, tTberwiegen des Grab- 98 nr. 206f. Das i ist also lang; das wird be- 

kultes, Idole), Verwaltung (keine Schrifttafeln, statigt durch IG XIV nr. 2100 = IGE I nr. 365. 

fast keine Siegelabdriicke): dies alles klare An- Martial. IX 42, 1 Gilb.; ferner durch Horn. 11. 

zeichen von Rassenverschiedenheit. Handelsver- II 814 und Lykophr. 243, wo die gleichnamige 

kehr mit demNorden iiberMakedonien hinaus spar- Amazone vorkommt. Auch fiir diese gibt es die 

lich (Bernstein, Griffzungenschwerter, Schmuck- Nebenform MvQeiva, Eckhel II 496. Catal. 

rader von Tiryns, 0. S. 597). Noch urn 1200 V. Chr. S. 139 nr. 41. Mionnet III S. 24 nr. 146. 
letzte Bliite (Tiryns, Perseia von Mykenai, wahr- 10 Anstatt des einfachen Ethnikons findet sich 

scheinlich auch ,Deichbauten der Minyer*, o. manchmal AloXsvg and MvQivrjg^ IG VII nr. 420, 

S. 595. 602): erstes Auftreten tempelartiger Ban- 44. nr. 1760. nr. 3195. XII 9 nr. 91, und in den 

ten in Asine und Eleusis. Beitragslisten des attischen Seebundes mehrfach 

Nach 1200 v. Chr. endet die mykenische wie MvQivaXoi naQo. Kvfxsv (s. u.). Sprachliches zum 

die minoische Kultur in einer groBen, offenbar Namen M. s. o. Bd. XVI S. 1093, 46f. 

kriegerischen Katastrophe; es folgt die sog. sub- Geschichte, ausfiihrlich behandelt bei 

mykenische Ubergangszeit, deren Dauer an den Pottier et Reinach La necropole de Myrina 

einzelnen Orten wechselt, nirgends sehr lang zu 41 — 55. Die Sage fiihrte die Grtindung von M. 

sein scheint: Fortleben mykenischer Elemente in auf die Amazone M. zurtick, Strab. XI 505. XII 
der Kleinkunst, besonders der Keramik, neben 20 550. 573. XIII 623. Eustath. Horn. II. II 814; 

zahlreichen neuen Formen und Mustern. Diese Dion. Per. 828. Steph. Byz. Hesych. s. Ko.Qd'iJLoio 

fuhren tiber zum sog. Protogeometrischen, das MvQivrjg, s. o. Bd. I S. 1715, 9f., oder auf My- 

wohl noch vor 1000 v. Chr. beginnt und eine neue, rinos, Mela I 90. Steph. Byz. Die Amazone ist da- 

vom Mykenischen grundverschiedene Kultur- her oft auf den Miinzen der Stadt dargestellt, 

epoche einleitet (Schweitzer Gnom. X 337). z. B. Eckhel II 496. Mionnet III S. 24 

Die Chronologic dieser letzten Phasen noch un- nr. 146. Head HN^ 556. Imhoof-Blumer 

sicher; letzte zusammenfassende Behandlung fiir a. 0. 510 nr. 10. Catal. 139 nr. 41. 

die gesamte minoisch-mykenische Kultur bei N. Nach Euseb. VII 1, 69, 12 c. VII 2, 183 c Helm 

Aberg Bronzezeitl. u. friiheisenzeitl. Chrono- wurde M. im J. 1046 v. Chr. gegriindet, und zwar 
logic III 1932. IV 1933. [Karo.] 30 von Aiolern, VeU. I 4, 4. Herodot. I 149. Strab. 

S. 1044, 53 zum Art. Mylai: XIII 622. Plin. n. h. V 121. Ptolem. V 2, 5. 

4) Eine axQa und eine «(w^?y an der Bucht west- Agath. (ed. Bonn.) S. 9. Steph. Byz. Eine weitere 

lich vom Sarpedonischen Vorgebirge in Kilikien, Bestatigung bringen aiolische Inschriften aus M., 

Stadiasm. m. m. 181. 184 (djzd MvXalcov) ; Plin. n.h. Pottier etReinachl 13f . (nr. 2 = Schwy- 

V 92 nennt ein oppidum Myle. Die Lage lafit sich z e r Dialectorum Gr. exempla epigr. p. 307 

noch nicht genau feststellen. POA VIII Text 19 b, nr. 643). 177. 206 (vgl. hierzu Bull. hell. XXXVII 

Z. 55. Heberdey und Wilhelm halten es fiir 181), ferner Bull. hell. XII 370 nr. 21. Hof f - 

am wahrscheinlichsten, daB die Ruinen eines by- mann Griech. Dial. II 106 nr. 150 (= Bull, 

zantinischen Stadtchens nordnordOstlich von Agha- hell. XII 367f. nr. 16 + CIG nr. 3529). 151; 
liman die Stelle der x(biA,ri M. bezeichnen, Denk- 40 beide aus Ali Aga, und die obenerwahnte Be- 

schr. Akad. Wien, phil.-hist. CI. XLIV, VI 99f. zeichnung AloUvg ano MvQivrjg, Die Aiolis ge- 

Tomaschek S.-Btr. Akad. Wien, phil.-hist. CI. horte zu Mysien, daher nennt Skyl. 98 M. unter 

CXXIV, XIII 63. Langlois Voyasre dans la den griechischen Stadten Mysiens, vgl. R a m - 

Cilicie ITl^f. [W. Rugre.] say Journ. hell. stud. II 279. Dareios I. gab M. 

Myrina, Stadt an der aiolischen Westktiste mit drei anderen Stadten an Gongylos von Ere- 

Kleinasiens. Es kommen auch vor die Formen tria, dessen gleichnamiger Nachkomme (wohl 

MvQivva, Eustath. II 814; MovQiva, IG VII Enkel) auch noch Anfang des 4. Jhdts. Herr von 

nr. 3195 (Orchomenos). Dion. Telm. 14 (Euseb. M.undGryneion war, Xen.hell.IIIl,6; an.VII8,8. 

ed. Helm, gr. chr. Schriftst. XXXIV 183 c); Mi- 17, s. o. Bd. VII S. 1585 Nr. 1. Suppl.-Bd. Ill 
rinnaj Tab. Pent. IX 4 Miller; Mirina oder Mi- 50 S. 796, 50. Im 5. Jhdt. war M. Mitglied des See- 

rimna, Geogr. Rav. 107, 16. 362, 5; MvQQiva, bundes, es kommt zwischen 452/51 und 420 — 417 

Man si VII 151 f. Not. episc. 1105. X 160. Syn- v. Chr. in den Beitragslisten vor, IG P nr. 64, 

kellos 340, 11 Bonn. (s. Euseb. ebd.) gibt If^vQva 77. — nr. 193 III 7 (= Suppl. epigr. Gr. V 

als Nebenform, s. o. Bd. HI A S. 765, 11. Das Eth- nr. 3). — nr. 194 IV 30 (nr. 4). — nr. 195, 55 

nikon lautet vorwiegend MvQivalog, daneben Mv- (nr. 5 II 28). — nr. 196 I 9 (nr. 6 und Tod 

QYjvaiog, Rev. et. gr. XXIX (1916) 171 = Athen. Selection of greek hist, inscr. nr. 38), voUig er- 

Mitt. XIV 101 nr. 40 == CIL HI 7112, wo aller- ganzt. — nr. 198 I 11 (nr. 8). — nr. 199 I 14 

dings MvQsivalcov steht, was auch sonst haufig (nr. 9). — nr. 200 IV 25 (nr. 10). — nr. 202 V 

vorkommt, CIG 3450. IGR IV nr. 1173, beson- 32, voUig erganzt (nr. 12 I 11 und Tod nr. 46). 
ders auf Mtinzen der Kaiserzeit, z. B. Eckhel 60— nr. 203 I 15 (nr. 13). — nr. 205 I 18 (nr. 15 

II 495. Mionnet m S. 25 nr. 150f. Suppl. VI und Svll.^ nr. 68). — nr. 206 I 21 (nr. 16). — 

S. 36 nr. 236. 239. Catal. of Gr. coins, Troas nr. 212 I 45f. (nr. 22 I 50f. und Tod nr. 56). — 

S. 138 nr. 35. 37. Rev. num. 4. s6r. I (1897) 345 nr. 213 I 34f. (nr. 23 I 41f.). — nr. 214 III 9f. 

nr. 1342f. (Invent. Wadd.). Head HN2 556. (nr. 29). — nr. 216f. HI 13f. (nr. 25). — nr. 218 

Dazu kommen noch die Formen MovQsivfjov, I 43 (nr. 28 I 51). — nr. 221 I 17 (nr. 35 I 19). 

Suppl. epigr. Gr. I nr. 115 (BeschluB des Tiotvov Unter Antiochosl. Soter (281 — 261) sehenwir 

der Boioter) ; MvQivsovg, Imhoof-Blumer M. in seleukidischem Besitz, da Antiochos iiber 

Kleinas. Miinzen 510 nr. 1, und endlichMv^tmcov Land bei dem nordlicher gelegenen Pitane ver- 



617 Myrina Myrina 618 

fiigte, Syll. or. nr. 335, 133. Es ist anzunehmen, koi in die Nahe von Neu-Phokaia verlegt wird, 

daB die Seleukiden nach der Besiegung des Lysi- ist nicht ersichtlich. 

machos bei Kurupedion 281 v. Chr. in den Besitz Aus Miinzen und Inschriften sind noch einige 

von M. gekommen sind. Sie hatten die Stadt auch auswartige Beziehungen friedlicher Art teils der 

noch um 260 v. Chr., wenn die aus dieser Zeit Stadt M. teils von Einzelpersonen zu erkennen. 

stammenden Miinzen mit dem Bild von Anti- AUerdings laBt sich nicht immer mit Bestimmtheit 

ochos II. Theos von Macdonald mit Recht als sagen, ob es sich um das aiolische oder das lem- 

Pragungen von M., Kyme und Phokaia angesehen nische M. handelt. Eine Miinze Nervas zeigt Ho- 

werden, Journ. hell. stud. XXVII 145f. Bald dar- monoia zwischen Kyme und M., Imhoof- 

auf ist aber M. pergamenisch geworden, da der 10 Blum er 510 nr. 1, eine von Commodus zwi- 

Grenzstein mit der Inschrift oqoi IIsQyafzrjvcbv, schen Aigai und M., Catal. S. 100. Head HN^ 

der aus der ersten Zeit der pergamenischen Dyna- 556. SsaQoboKoi der Delphier in M. werden un- 

stie stammt, stidwestlich von M. steht, Bull. hell. gefahr 175 v. Chr. erwahnt, Athen. Mitt. X 101 

V (1881) 283f. Pergamon I 1 95f. Petermanns = SGDI II nr. 2580, 141. Ob wegen dieser del- 

Mitteil. Erg.-Heft 167, 77. Ernst M e y e r Gren- phischen Beziehung auch der Syll.^ nr. 424 

zen d. hellenist. Staaten in Kleinasien 94—101 = SGDI II nr. 2563 (aus Delphi, 268 v. Chr. 

setzt den endgultigen tbergang von M. in perga- [Syll.], 272 v. Chr. [s. Bd. VI S. 120, 16. Bd. IV 

menische Herrschaft ins J. 252 v. Chr. 223 v. Chr. S. 2620, 40] oder 277/76 v. Chr. [Bull. heU. LIII 

gewann Achaios, der Vetter von Antiochos d. Gr., 432]) als Soteriensieger genannte Myrinaer dem 

auch M. zuruck; aber schon im J. 219 ging es 20 aiolischen M. zuzuteilen ist, erscheint unsicher. 

wieder an Attalos I. verloren, Polyb. V 77, 4, wo Ebensowenig lafit sich entscheiden, ob bei Plut. 

2fjivQva sicher in MvQtva zu andern ist, Meyer or. 16 die aiolischen MvqlvoXoi gemeint sind. In 

102, 1. Holleaux Rev. des univ. du Midi III IG VII nr. 420, 44 aus Oropos, nr. 1760 aus 

(1897) 411,2. Beloch GG IV 12, 694 (an die Thespiai, nr. 3195 = SGDI I nr. 503 aus Orcho- 

Nebenform Smyrna ftir M., s. o., ist kaum zu den- menos (1. Jhdt. v. Chr., vgl. Bd. VI S. 851, 26) 

ken). Als pergamenische Stadt ist M. in der von kommt unter den daselbst aufgezeichneten Sie- 

H e r z g Herm. LXV 455f. behandelten Inschrift gern je eine Alolevg anb UvqIvyiq vor; der Sieger 

zu erkennen, Eumenes II. schickte wegen der Ni- von Orchomenos erscheint auch IG XII 9 nr. 91 in 

kephoria drei Theoren nach Kos, darunter einen Eretria. IG XIV nr. 2100 = CIG nr. 6295 = 

Myrinaer, dessen Name allerdings verloren ist. 30 IGR I 121 nr. 356 aus Rom ist die Grabschrift 

Unter der Romerherrschaft gehorte M. zur eines aiolischen Myrinaers. IG XII 8 S. nr. 162. 

provincia Asia, Ptolem. V 2, 5. Die einzige Er- 171 (Samothrake, 2. Jhdt. v. Chr.) sind die in 

wahnung aus republikanischer Zeit steht bei Cic. dem Theoren- und dem Proxenoskatalog genann- 

fam. V 20, 8, wo Cicero von einem aus M. an ihn ten Myrinaer sicher aus der Aiolis. Milet I 3 

geschickten Brief spricht. Unter Augustus nahm Delphinion S. 208 nr. 58, um 160 v. Chr. (Ertei- 

M. den Namen Sebastopolis an, Plin. n. h. V 121. lung des Btirgerrechts an einen Myrinaer) und 

IGR IV nr. 1 1 73 (o dfj/^og 6 KaioaQscov MvQsivalcov Haussoullier Etudes sur I'histoire de Milet 

ehrt den Augustus). C h a p o t La prov. romaine 209 nr. 10 (Weihung einer Schale an ApoUon 

d'Asie 102. Dicht bei der Stelle des alten M. soil durch M., um 84/83 v. Chr.) konnen wohl wegen 

noch im 19. Jhdt. ein Stein mit der Inschrift Us- 40 der ortlichen Nachbarsehaft unserem M. gegeben 

paotonoXig gestanden haben. Pettier et Rei- werden. Dasselbe konnte auch ftir L e B a s 

nach 51, 1. Im J. 17 n. Chr. wurde M. von nr. 293 gelten (ein Myrinaer in einer Liste von 

einem schweren Erdbeben heimgesucht, Tac. ann. Spendern in lasos). Unsicher ist, nach welchem 

II 47. Euseb. VII 1 S. 172, 4 a. VII 2 S. 503. M. der Myrinaer gehort, dem Mitte (Ende?) des 
0. J a h n Ber. Sachs. Ges. Wiss. phil.-hist. CI. 3. Jhdts. v. Chr. von Oropos und dem hoivov der 

III 1851, 119f. CIL X nr. 1624. CIG nr. 3450. Boioter die Proxenie verliehen wurde, IG VII 
Syll. or. nr. 471, 2. Chapot m. Dessau Gesch. nr. 289. SEG I nr. 115. Ein Bildhauer aus M., 
d. rom. Kaiserz. I 74, 2. II 2, 579, 1. Salac dessen Name nicht erhalten ist, wird IG XII 1 
Listy filol. LVIII (1931) 373f. (mir nicht zugang- nr. 105 in Rhodes erwahnt, und in Telos ein Bild- 
lich). Ein zweites Erdbeben ereignete sich im 50 hauer SoXcov MvQivacog, IG XII 3 T nr. 43, viel- 
J. 105 n. Chr., Euseb. VII 1 S. 194, 14 d. VII 2 leicht ist beide Male derselbe gemeint, s.Bd.IIIA 
S. 577. Ores. VII 12, 5. Aus dem J. 129 stammt S. 978, 52. Bd. V A S. 429, 37. Nach welchem 
eine Weihung an Hadrian [ocozfjjQi tcoI H[xiOxv}], M. er gehort, ist unsicher, Bd. XVI S. 1095, 33 
Bull. hell. XII (1888) 370 nr. 19 = IGR IV wird er des attischen Namens wegen (brief 1. Mit- 
nr. 1174. Warum die Weihung an Gordian III., teilung von R. Herbst) ftir Lemnos in An- 
Bull. hell. I (1877) 107 IV = IGR IV nr. 1175 spruch genommen. IG P nr. 1041 (5. Jhdt. v. Chr.) 
von Cagnat M. zugeteilt wird, ist nicht ersicht- und IG III 2 nr. 2836 sind attische Grabschrif- 
lich, denn sie ist gefunden worden in Klisekoi, oder ten von Frauen, die aus M. stammen; vielleicht 
genauer nhjoiov xrjg onalag xov KioQ-MnaHalrj ist das lemnische gemeint wegen der engen Be- 
smvslov xov KXrjoimoty Bull. hell. I ebd., ostlich 60 ziehung zwischen diesem und Athen, s. Bd. XVI 
von der Miindung des Kaikos, Kiepert Karte S. 1095, 11. Auf einer Grabstele aus der Nekro- 
von Kleinasien 1 : 400 000, Bl. I B. Somit liegen pole von M. ehren Pergamon, Elaia, Pitane und 
andere alte Siedlungen dem Fundort der Inschrift Aigai (Pettier et R e i n a c h 119 nr. 35), auf 
naher als M., denen sie mit groBerem Recht zu- zwei andern Pitane den Toten (ebd. 124 nr. 63. 
geteilt werden konnte, auch wenn die Inschrift Le Bas nr. 1724b, aus Gtiselhissar). 

IGR IV nr. 1173 (s. o.) wirklich aus Elaia und In christlicher Zeit stand M. unter Ephesos in 

nicht aus M. stammt, Pettier et Reinach der snaQxia 'Aolag, Hierokl. 661, 4. Not. ep. I 

51, 1. Warum o. Suppl.-Bd. I S. 269, 40f. Klise- 105. HI 25. VE 95. VIE 112. IX 31. X 160. 



619 Myrina Myrina 620 

XIII 23 (wo UfA^vQvrjg in MvQivrig zu andern ist). seits erscheinen eine ganze Reihe von Gottheiten 

Von Bischofen sind bekannt Dorotheos auf dem und Halbgottern, die auf den Miinzen fehlen, am 

Konzil von Ephesos 431 n. Chr., Man si IV haufigsten Eros und Aphrodite, dann Nike, De- 

1125f. 1217f. V 587f. 712, Proterius (Petronius) meter, Atys, Psyche, die Musen, vgl. Pottier 

auf dem von Chalkedon 451 n. Chr., M a n s i VI et R e i n a c h 108. 144. 

574. 947f. u. a. m. VII 123. 151f. 405. VIII 299 B e d e u t u n g u n d G e b i e t. M. ist in der 

falschlich bei der Synodos Romana aufgefiihrt, Zeit des Seebundes von geringerer Bedeutung ge- 

vgl. H e f e 1 e Konziliengesch. II 646, und loan- wesen als Kyme, da es in den Beitragslisten wie- 

nes auf dem von Constantinopel 553 n. Chr., derholt als M. naQo, Kvfxev bezeichnet wird, z. B. 
ebd. IX 175. 193. 392, vgl. Le Qui en Oriens 10 IG P nr. 199 I 14, aber bedeutender als Elaia, 

Christ. II 705f. Gams Series episcop. 444. das TJXaia naQo, MvQi(vav) genannt wird, z. B. 

V. Schultze Kleinasien II 17f . ebd. nr. 201 II 28. Das wird auch durch die Hohe 

V e r f a s s u n g. An der Spitze der Stadt der Beitrage bestatigt. Sehr unwahrscheinlich ist 

stand vermutlich ein ozQarrjyog; denn auf Mtin- es, da6 IG P nr. 200 III 30 = Suppl. epigr. Gr. 

zen findet sich sehr oft die Datierung sm otQa V nr. 10 Naxoia uiaQa M[vQivav] zu erganzen 

(otQ, ot.), Mionnet III S. 24 nr. 1421 150. ist, wie SEG ebd. p. 34 im Index steht, s. Art. 

152. Suppl. VI S. 36 nr. 237. Head HN^ 556 Naxia. "Ober die Beschaftigungen derBewohner 

u. a. m. Haufig steht auch nur sm mit einem von M. haben wir hauptsachlich durch die Gra- 

Namen, ohne ozQa, z. B, Mionnet III S. 25 bungen in den Nekropolen (s. u.) erfahren, daB 
nr. 148. Suppl. VI S. 38 nr. 249. Invent. Wadd. 20 die Herstellung von Terrakotten in groBem MaB- 

nr. 1340. Die Form em ... aQxovxog gibt nur stab betrieben wurde; von Produkten nennt Plin. 

Mionnet Suppl. VI S. 37f. nr. 243. 244 auf n. h. XXXII 59 Austern. tTber Handelsbeziehun- 

Mtinzen von Domitian. Ob der bei H o f f m a n n gen zu Rhodos, Thasos und Knidos vgl. P o t - 

Gr. Dial. II 106 nr. 150 (s. o.) vorkommende tier et Reinach 199. 223. Zu M. gehorte 

yvfA,vaaiaQxr)(^ag nach M. gehort, ist unsicher. Von ein weiteres Gebiet. Nach Strab. XIII 622 war 

Korperschaften wird wohl nur die yeQovoia er- Grynion ein noXlxvLov MvQivaicov; f ruber war es 

wahnt, CIL III 7112. Poland Gr. Vereinsw. selbstandig; s. Bd. VII S. 1900f. Ungefahr 35km 

101*; vgl. aber dazu Roussel Rev. 6t. gr. ostsiidostlich von M. und 15 km nordnordwestlich 

XXIX (1916), 170f. von Magnesia am Sipylos sind bei Egrikoi zwei 

K u 1 1 e. Der Hauptgott der Stadt war Apol- 30 Grenzsteine spathellenistischer Zeit mit der In- 

lon, ein Tempel von ihm stand in Gryneion (s. u.), schrift ogoi MvQiv<xicov gefunden worden (s. o.). 

Strab. XIII 622. Cyriacus Anconitanus gibt an, Wie die in derselben Gegend gefundenen gleich- 

daB er zwischen M. und Kyme die Weihung 'A:^6X- altrigen Grenzsteine mit oqoi Alyascov zeigen, war 

Icovi XQi^orrjQicp ^tXszaiQog 'ArrdXov abschrieb, das zwischen Egrikoi und M. liegende Aigai selb- 

Syll. or. nr. 312; tiber die Fundstelle ist neben standig, nicht von M. abhangig, also wird es sich 

Syll. or. zu vgl. Pottier et Reinach 38. bei dem myrinaischen Gebiet bei Egrikoi um eine 

Auch auf sehr vielen Miinzen von M. ist Apollon Exklave handeln, K e i 1 und v. Premerstein 

dargesteUt, z. B. E c k h e 1 II 495. Mionnet Denkschr. a. 0. 97. Der auffallende Ausdruck bei 

III S. 22f. nr. 124. 133. 135f.; Suppl. VI S. 35 Steph. Byz. s. Alyal. noUig nollai , , . xal rj h 
nr. 221 f. Head HN^ 555f. Catal. S. 135f. nr. 1 40 Mv^lvrj h rf} AloXldi kann, wenn er richtig ist, 

— 36. 43 — 45. Wetter kommen vor Zeus, M i o n- nicht bedeuten ,im Gebiet von M.*; vielleicht muB 

net Suppl. VI S. 38 nr. 247; Zeus acorrjQ nal geandert werden, Miiller zu Ptolem. V 2, 5 

mlox7}g, L e B a s nr. 1724 d (aus Ali Aga, s. u,); S. 810 denkt an eyyvg MvQivrjg, 

Poseidon, Invent. Wadd. nr. 1337f.; Athene, z. B. Lage. M. lag nicht weit von Aigai, Suid. s. 

Mionnet III S. 23f. nr. 137f. 145. Head Ilollrjg (wo SfjbVQVTjg in MvQivrjg zu andern ist). 

HN2 555. Invent, nr. 1334. Catal. nr. 38. 40; Galen. :7r. ^v;j:v^/a^ c. 11, VI 800K., an der StraBe 

Artemis, M i o n n e t III S. 26 nr. 153; Suppl. VI von Adramyttion nach Smyrna, Tab. Pent. IX 4. 

nr. 250. Head HN^ 555. Catal. nr. 46; Hermes, Das ist diejenige, auf der der Rhetor Aristeides 

Mionnet III nr. 139; Dionysos ebd. nr. 150. von Smyrna nach Pergamon reiste, or. 27, vgl. 
Head 556. Invent. Wadd. nr. 1343; Helios, 50 Pergamon I 1, 93. Pottier et Reinach 36. 

Mionnet Suppl. VI nr. 231f. Head ebd. Vielleicht gehort der Bull. hell. XII 370 nr. 20 

Catal. nr. 32; Asklepios, Invent. Wadd. nr. 1342; erwahnte Stein aus Ali- Aga als Meilenstein an 

Herakles, Mionnet Suppl. VI nr. 239. Catal. diese StraBe. M. hatte einen Hafen, Skyl. 98. 

nr. 37; Tyche, E c k h e 1 496. Mionnet III Strab. XIH 622. Pergamon I 1, 96f. Klio 14. Bei- 

nr. 150. Catal. nr. 41; Myrina, Mionnet nr. 146; heft 270f. 

Suppl. VI nr. 248. Imhoof-Blumer Keinas. Die Stelle der alten Stadt ist bei Kalabassary 

Miinze 510 nr. 1; Telesphoros, Mionnet auf dem Nordufer des Kodja-Tschai, dicht vor 

III nr. 145; Suppl. VI nr. 239. Head 556. dessen Miindung, gefunden worden. Dort sind 

Catal. nr. 37. 39; Osa TcofArj, Mionnet Suppl. Reste einer alten Ortschaft, und auf dem Epano- 
VI nr. 240. 245f. Invent. Wadd. nr. 1339. Catal. 60 Tepe die einer Akropolis festgestellt worden, 

nr. 42; Isqol HvytcXrjvog, Mionnet Suppl. VI nordostlich davon groBe Nekropolen. Die Ent- 

nr. 241. Ob der TsixoqpvXa^f den Hesych als fernungsangabe bei Strabon a. 0. (Kyme — ^M. 

rJQcog rig ev MvQivrj bezeichnet, nach dem aioli- ==; 40 Stadien) ist zwar etwas zu klein (M ti 1 1 e r 

schen M. gehort, laBt sich nicht entscheiden, vgl. zu Ptolem. ebd. will daher n' = 80 schreiben) 

Myth. Lex. V 178. und die der Tab. Pent. (9 Milieu) zu groB. Trotzdem 

Unter den Terrakotten, die in den Nekropolen ist der Ansatz richtig, well in dieser Gegend sehr 

gefunden worden sind (s. u.), fehlen die groBen viel Miinzen von M. gefunden worden sind. Auch 

Gotter des Olymp ganz oder fast ganz, anderer- das spricht fiir M., daB die Stadt an der Miindung 



621 MvQaftvovacc] Naevius 622 

eines Flusses lag, des Pythikos, Agathias S. 9 FOA XV. Oberhummer Taf. 2. DcJrpfeld 

Bonn, und daB der einzige Flufi, der an dieser Alt-Ithaka II Taf. 2. [Rudolf Herbst.] 

Kiistenstrecke miindet, der Kodja-Tschai ist. S. 1558, 31 zum Art. Naevius: 

Pullan hat 1861 die Gleichsetzung zuerst aus- 2) Cn. Naevius, der Diehter. 

gesprochen (The principal ruins of Asia Minor 8 Biographisches: DaB N. aus Campa- 

[nach Pottier et Reinacb 39f.]), die seit- nien stammt, vielleicht aus Capua selbst, geht 

dem aUgemein anerkannt ist, so von Ramsay aus GeU. noet. att. I 24, 2 hervor. Von Zeit zu 

Journ. hell. stud. II 277f. und von S a y c e ebd. Zeit versucht immer wieder jemand dieses Zeug- 

III 218f. In den J. 1880 — 1883 haben Pottier nis zu entwerten; das scheitert an dem festen 
und R e i n a c h bei Kalabassary gegraben und 10 Sprachgebrauch von Gampana superbia, Gampana 

vor allem 4 — 5000 Graber in den Nekropolen (in adrogantia u. dgl., vgl. Gnomon 1933, 505. Wo- 

der Hauptsache 2. und 1. Jhdt. v. Chr.) unter- her GeUius seine Kenntnis der Heimat entnommen 

sucht. Besonders wichtig sind die Funde an Terra- hat, das sagt er nicht; wahrscheinlich geht die 

kotten. Das Genauere liber die.Grabungen ist bei Angabe wie der Rest des Kapitels (vgl. auch 

Pottier et Reinach nachzulesen. Inschrif- XVII 21, 45) auf Varros 1. Buch de poetis zuriiek. 

ten, die moistens bei den Grabungen gefunden tJber die kulturelle Zugehorigkeit und das ro- 

worden sind, stehen dort 1131. 175f. 206f. 224f. mische Staatsgefiihl des Italikers N. besonders 

Auch in Gtiselhissar (siidostlich von M.) und in schon F. L e o Gesch. d. r. Lit. I 76f . Von seinem 

Ali Aga (zwischen M. und Kyme) sind Inschriften Dienst im Heere wahrend des ersten punischen 
gefunden worden (Le Bas nr. 1724b — d. Bull. 20Kriegs hat der Diehter im Bellum Poenicum ge- 

hell. XII 370 nr. 20. Hoffmann Griech. Dial. sprochen (Varro bei GeU. noct. att. XVII 21, 45, 

II 106 nr. 150. 151). Bei diesen ist nicht mit erlautert von Leo Plant. Forsch.2 67). Seine erste 

voUer Sicherheit zu sagen, ob sie zu M. gehoren, dramatische Auffiihrung 235 v. Chr. (Varro ebd.). 

wenn ihre Herkunft aus Kalabassary nicht aus- Schon in der Friihzeit der antiken Plautuserkla- 

driicklich bezeugt ist, wie bei Pottier et Re i- rung hat man die sehr auffallende Anspielung 

nach 124 nr. 63. "Dber die alten Reste in deu Plant. Mil. 21 Off. apage, non placet profecto mi 

Bergen ostlich der Stadt vgl. Ramsay und illaee aediHcatio; nam os columnatum poetae esse 

Saycea. 0. v. Diest Petermanns Mitt. Erg.- indaudivi barbaro, cui bini custodes semper totis 

Heft 94, 32f. Schuchhardt S.-Ber. Akad. Berl. horis occubant offenbar richtig auf N. bezogen 
1887, 1215. 30 (die Deutung bei Paul. Fest. p. 36 s. v. barbari), 

Z u s a t z: Nach AbschluB des Manuskripts ist Hiermit geht zusammen die aus Varro stammende 

mir durch Giite des Verf. Bull. hell. LVII 499 be- Angabe bei GeU. noct. att. Ill 3, 15 sicuti de 

kannt geworden, wo L. Robert darlegt, daB die Naevio quoque aceepimus fabulas eum in carcere 

Inschrif t bei Hoffmann II 106 nr. 150 links duas scripsisse, Hariolum et Leontem, cum ob as- 

an Denkschr. Akad. Wien, phil.-hist. CI. LIII, II siduam maledicentiam et probra in principes civi- 

(1908) 93 nr. 201 anschlieBt, daB sie also nicht tatis de Graecorum poetarum more dicta in vin- 

aus Ali Aga und M., sondern aus dem Gebiet des cula Romae a triumviris eoniectus esset Somit 

aiolischen Larisa (?) bei Halvacikoi stammt. Da- ist das Gefangnis bezeugt. Zu der abschwachen- 

nach ist zu berichtigen o. S. 616, 38. 619, 23. den Deutung Niebuhrs (Vortr. uber rom. 
621, 22. [W. Ruge.] 40 Gesch. I 17f.), es handle sich um libera custodia 

MvQa[Lvovaa?], ein Dorf bei Priene im Ge- (ebenso Fr. Marx Naevius, Ber. Sachs. Ges. d. 

Met von Naulochon (s. d.), das Alexander d. Gr. Wiss. LXIII, 1911, 3. Heft, 71), besteht kein An- 

sich vorbehielt, als er Naulochon an Priene laB. Auch die von Varro gegebene Begriindung, 

gab, Inschrif t von Priene nr. 1 = Syll. or. 1. N. habe sich, nach Art der griechischen Komodien- 

fW. Ruge.] diehter, in bestandigen Bosheiten gegen die prin- 

S. 1169, 52 zum Art. Myrto(s): cipes civitatis ergangen, verdient voiles Ver- 

4) Nach Plin. n. h. IV 51, der jedoch den trauen. Die Spottlust des Dichters wird vor nie- 

Namen nur andeutet, Insel vor der Stidostspitze mandem Halt gemacht haben, wenn er in bertihmt 

von Euboia (— Geraistos vgl. o. Bd. VII S. 1233 gewordenen Versen (com. 108ff.) den ersten Mann 
Nr. 4) ; nach ihr soil das Myrtoische Meer be- 50 der Zeit, den groBen Scipio, mit einer bedenk- 

nannt sein (s. Bd. XVI S. 1169f.). Der Name lichen Komodiensituation so verquickt hat: etiarn 

ist wohl vorgriechisch (ebd.). Heute wird sie qui res magnas manu saepe gessit ghriose, cuius 

auch, wie das Kap, MdvtsXo (Mandelo, Mandilo) facta viva nunc vigent, qui apud gentes solus 

genannt; vgl. ferner Meletios Geogr. HI 2 10. praestat, eum suus pater cum pallio uno ab arnica 

Ross Inselr. II llf. Rhangabe Hellen. Ill abduxit (zur Deutung Leo Gesch. d. r. Lit. 771; 

17f.; Mdmoires acaddm. inscr. s^r. I Bd. Ill 238. zur Typik des Vorwurfs vgl. auch BacchyL fi^. 

Karten: Philippson Peterm. Mitt. Erg.-H. 134 19 Bl. ov d* sv /trd;?'* [aovvcdi uiaga rrjv q)lXr)v yv- 

Taf. 2. Kiepert FOA XII. XV. XVL Bequi- vaina cpevyeig). GewiB ist hier — wie hatte es 

gnon Gr^ce 199. 311. [Rudolf Herbst.] anders sein konnen, wo nicht ein Mann wie der 

S. 1184, 7 zum Art. Myrtuntion: 60Rhodier Timokreon, sondern der Diehter des Bel- 

2) Sumpfahnliche Lagune des lonischen Mee- lum Poenicum spricht — ,der Spott in Ehre 

res zwischen Leukas und dem Ambrakischen gekleidet* (Leo), aber den Angriff auf Scipio zu 

Golf Strab. X p. 459, heute Xl[jivri tov BovXyoQi leugnen und ,in dem ganzen Vorgange nichts* zu 

Oder BovXyaQid ; vgl. Oberhummer Akarnanien linden, ,was nach antiker und auch nach romischer 

19. 286. Meletios Geogr. 112 290. Cramer Moral irgendwie einen Schatten auf Scipio warf 

Descr. anc. Greece II 13. Leake Northern (W. K r o 1 1 Herm. LXVI 472), das vertragt sich 

Greece I 173. Bursian Geogr. v. Gr. I 115. schwerlich mit altromischem Wesen. Vielmehr 

Forbiger Handb. IH 602. Karten: Kiepert besteht die herkommliche Auffassung zu Recht: 



623 Naevius Naevius 624 

die Verse auf Scipio sind ein hervorragendes Bei- los* nennt, und Jachmann iibersetzt ihn un- 

spiel jener maledicentia und der probra in prin- lichtig mit ,vorgebracht haben*. Das Wort ist 

cipes civitatis de Oraeeorum poetarum more dicta, hier genau so teehnisch gebrauclit wie z. B. an 

(Die von Kroll S. 472 A. 2 auf Grund eines folgenden Stellen: Cic. ad Att. II 21, 4 itaque 

Hinweises von T. Frank zitierte AuBerung Cic. de Archilochia in ilium edicta Bibuli populo ita sunt 

rep. IV 11 ist von Leo Gesch. d. r. Lit. 77 richtig iucunda, ut eum locum, ubi proponuntur, 

beurteilt.) Aber die Scipioverse sind nicht das prae multitudine eorum qui legunt transire ne- 

einzige Beispiel; die vielbehandelten Reste aus queamus, Propert. Ill 23, 23 i puer et eitus haec 

der Metellerfehde gehoren ebendahin. aliqua propone columna. Lex metalli Vi- 
Wisso was (Genethliakon fiir Robert, 1910, lOpascensis (Bruns Fontes"^ nr. 112), 14 q[ui 

51 ff.) hyperkritische Spatdatierung der beiden inventarijum cuiusque rei vendundae nomine 

Streitverse (ihr ist z. B. Leo Gesch. d. r. Lit. I proposuerit, XJlp. dig. XL VII 10, 15, 27 

78 A. 5 gefolgt, im Gegensatz zu seinem vorsich- haec autem fere sunt, quae ad infamiam alicuius 

tiffen Urteil Sat. Vers, 1905, 32) darf heute als Hunt: ... si carmen conscribat vel pr oponat 

erledigt gelten, vgl. Mar X Naevius 66f., Heinz e vel cantet aliquod, quod pudorem alicuius lae- 

D. lyr. Verse des Horaz, Ber. Sachs. Ges. d. Wiss. dat. Es handelt sich also um einen offentlichen 

70, 1918, 4. Heft, 43 A. 2, Jachmann Naevius Anschlag an einer StraBenecke, einer Taberne 

u. die Meteller, 'AvxlboyQov, Festschr. f. Wacker- oder dgl. zum Zwecke der Diffamierung, genau 

nagel, 1923, 181S., T. Frank Am. Journ. Philol. wie bei den Archilochia edicta des Bibulus oder 
XLVIII, 1927, 105ff. Der von Ps.-Asconius zu Cic. 20bei dem carmen proponere, von dem Ulpian 

Verr. act. I 29 (S. 215, 16 St.) beigebrachte Senar spricht. Somit ist die Quintessenz der tJberliefe- 

fato Metelli Romae Hunt eonsules wird aus einer rung von Leo Sat. Vers 32 kurz und treffend 

Komodie des Naevius stammen (so Leo Sat. Vers wiedergegeben: ,Naevius hat von der Buhne her 

32, M a r X, J a c h ra a n n). An die Deutung von provocirt, die ist fiir den Meteller kein Kampf- 

fato ist falscher Scharfsinn verschwendet worden; platz, er antwortet mit einem Pasquillo*, einem 

Marx erklart: ,auf Grund oder infolge eines Pasquillo im urspriinglichen Sinne des Wortes. 

Orakelspruchs*, Jachmann: ,zum Ungltick*. Ich Der Consul Metellus, oder richtiger sein Haus- 

zweifle nicht daran, da6 Cicero den alten Vers literat, war so unwitzig nicht, wenn er im J. 206 

ganz richtig verstanden hat, wenn er ihm die v. Chr. dem N. seine offentliche Anodung dadurch 
Pointe abgewinnt te non fato, ut ceteros ex vestra 30 zuriickgab, dafi er den Dichter im erhabenen MaBe 

familia, sed opera sua consulem factum. So schreibt seines Epos, das zugleich der damals einzig mog- 

Vatinius Cic. epist. V 9, 1 sets meam fortunam . . . liche Vers fur ein ,Epigramm* war, bedrohte, wo 

facile obtrectatores invenire, non meo qui- 4ann dieFeierlichkeit desKlanges mit der vulgaren 

dem meher cules merito, sed quanti id Bezeichnung der Prugel artig kontrastierte. DaB 

refert, si tamen fato nescio quo accidit? des Caesius Bassus Abschnitt tiber den Saturnier 

und Cicero selbst epist. XIV 1, 1 quae si ... auf Varro zuriickgeht, ist bekannt (Leo Herm. 

fato facta putarem, ferrem paulo facilius; sed XXIV 1889, 281 A. 2); dem Kern nach varro- 

omnia sunt mea culpa commissa. Das Feh- nisch ist also auch die Zitierweise (versus) quern 

len einer genauen altlateinischen Parallele be- Metelli proposuerunt de Naevio aliquotiens ab eo 
sagt bei der Dtirftigkeit unseres Bestandes wirk- 40 versu lacessiti. Sicher hat Varro die Sache ganz 

lich nichts. Der Sinn ist also: ,ohne sein Zutun ahnlich, nur ausfuhrlicher, auch im 1. Buche de 

und Verdienst wird der Meteller in Rom Consul* poetis behandelt, auf das die sonstigen Angaben 

(im wesentlichen ebenso T. Frank a. 0.). In tiber das Leben des N. zurtickgehen. AUer Wahr- 

Metelli hat Marx richtig den Plural der Ver- scheinlichkeit nach lag dem Varro bereits eine 

achtung und des Hohns gesehen (vgl. dazu P. geformte Biographic des Dichters vor; entstanden 

M a a s Archiv f . lat. Lex. XII 499). Fiir die denken mag man sie sich etwa gegen Ende des 

Herkunftsbestimmung des Gegenverses, des Sa^ 2. Jhdts. v. Chr., also um die Zeit, in die Leo 

turniers malum dabunt Metelli Naevio poetae ist Gesch. d. r. Lit. 438 A. 1, die bei Gellius I 24 er- 

- nicht von dem stark verkiirzten Excerpt bei dem haltenen Grabepigramme auf N. und auf Plautus 
Giceroscholiasten auszugehen, sondern von der 50 setzt, die Zeit reger philologisch-antiquarischer 

Sorgfaltigen Darlegung des Caesius Bassus, GL Interessen. Diesem friihen N.-Biographen kann 

VI 266, 5. Zu den einfiihrenden Worten des Me- die Kenntnis des Meteller-Pasquills und seiner 

trikers optimus est quern Metelli proposuerunt Veroffentlichung durch Anschlag auf dem Wege 

de Naevio aliquotiens ab eo versu lacessiti be- miindlicher Uberlieferung zugekommen sein (iiber 

merkt Heinze ganz richtig: ,der Zusatz liber die Starke derartiger Traditionen gut Jach- 

die Herkunft ... ersetzt doch lediglich das Zitat mann 189). Wem jedoch die hier empfohlene 

ex Regilli tabula oder apud Naevium poetam'. Vermutung der Authentizitat von malum dabunt 

Schon diese Zitierweise macht, von allem andern Metelli zu kuhn erscheint, der mag annehmen, 

abgesehen, die von Marx vertretene Zuriickfiih- jene erste Biographic habe den Vers fingiert, da 
rung des Verses auf das Bellum Poenicum un- 60 man aus dem Komodiensenar und aus der sonsti- 

moglich. Nun muB aber auch das proposuerunt gen tlberlieferung vom Zwiste des Dichters mit 

scharf aufgefaBt werden (dies fordert an sich den Metellern wuBte; die Form des Saturniers 

richtig I m m i s c h Zur Frage der plautin. Can- konnte (ahnlich wie vom Verfasser des ,Grabepi- 

tica, S.-Ber. Akad. Heidelb. 1923, 7. Abh., 41, gramms*) gewahlt sein, weil gerade sie fiir den 

nur ist er selber dem Wortgebrauch nicht nach- Dichter des Bellum Poenicum besonders passend 

gegangen). Marx, der uberhaupt dem Bericht schien. Ich selbst sehe zu dieser kiinstlicheren 

des Caesius Bassus nicht gerecht wird, irrt wenn Hypothese keinen rechten AnlaB. 

er (S. 66) den Ausdruck proposuerunt ,ganz farb- Wenn somit hinsichtlich der Gefangensetzung 



625 Naevius Naevius 626 

und des dafiir angegebenen Grundes unsere "Dber- zweifellos ausgeftihrten Polemik des Varro etwa 

lieferung Vertrauen verdient, so berechtigt das das J. 201 des Friedensschlusses. Vielleicht hat 

noch nicht dazu, da6 man nun auch alle Einzel- ihn das letzte veranlaBt den Zusatz zn 201 zn 

heiten des antiken Berichts hinnimmt. Literar- bringen. Sehr viel Gewahr hat das nicht. . . . 

historisch wichtig ist vor allem der Passus (oben Irgendein VerlaB auf die Jahresangabe des Hiero- 

S. 622, 32) fabulas eum in carcere duas seripsisse, nymus ist um so weniger vorhanden als man 

Eariolum et Leontem. Zn seiner Benrteilnng hat sieht, da6 die Notiz mit dei iiber Plantus verkop- 

L e bereits Herm. XXIV 1889, 67 A. 2 kurz den pelt ist. Zwei Notizen der romischen Literatur- 

Weg gewiesen, ausfiihrlicher Plant. Forsch.^ lit geschichte, die aus Sueton ausgezogen waren, sind 
Er zeigt, da6 das Dichten des N. im Gefangnis lOhintereinander in dem zur Verfiigung stehenden 

(wie das in dem ans Varro geflossenen Bericht Eaum 01. 144/45 eingeschoben, obwohl sie nach 

damit verbundene Dichten des Plantus in der unserer Kenntnis zeitlich gar nicht zusammen- 

Miihle) einem typischen riihrseligen Zuge helle- fallen* (Helm Philol. Suppl. XXI 2, 13f.). 

nistischer Biographien entspricht, und macht es Der Dichter ist also in Utica gestorben. Was 

ferner, namentlich mit Hilfe des Aristophanes- ihn bewogen hat dorthin zu gehen, wissen wir 

fitog (vgl. auch U. v. Wilamowitz bei T. nicht. ,Suetons Ausdruck (Hieron.) pulsus Roma 

V. Wilamowitz Dramat. Techn. d. Soph. 1917, factione nohilium ae praecipue Metelli ist durch 

369f. iiber ein ganz entsprechendes SchluBver- Anschauungen spaterer Zeit beeinflufit, wie wenn 

fahren der Sophokles-Vita) in hohem Mafie wahr- es sich um die Verbannung eines Staatsmanns 
scheinlich, daB das Dichten in carcere aus Anspie- 20 bandelte* (Leo Gesch. d. r. Lit. 78 A. 5). Immer- 

lungen im Hariolus und Leon herausgesponnen hin wird man mit Wahrscheinlichkeit vermuten 

ist. Demgegeniiber halt Marx, Naevius 71, an diirfen, da6 der Verzicht auf Leben und Wirk- 

der Glaubwiirdigkeit des Berichts auch fiir dieses samkeit in Rom nicht freiwillig gewesen ist. 
Detail fest und malt ein fideles Gefangnis aus, ,in . L e o, S. 80, denkt an eine Art Studienreise nach 

dem N. sich frei bewegen und schrif tstellerisch be- Afrika, nicht gerade sehr einleuchtend fiir diesen 

schaftigen konnte*. Hierzu sei eine grundsatzliehe Mann und das Rom seiner Zeit. W. K r o 1 1 

Bemerkung gestattet. Es ist durchaus denkbar, Herm. LXVI 1931, 472 vermutet, daB N. ,zur 

dafi das wirkliche Leben einmal die Tiicke begeht Klientel Scipios gehorte* (hingegen T. Frank 

einen roTiog der konventionellen Literatenbiogra- Am. Journ. Philol. XL VIII 1927, 110: ,Scipio was 
phie auch seinerseits hervorzubringen. Im Falle 30 vigorously opposed by the older conservative 

eines so boshaften Zusammentreffens wtirde der nobles and Naevius was writing in the interest 

kritischen Methode bedauerlicherweise die Verifi- of the latter*, hierfiir liegt kein Anzeichen vor) 

zierung einer interessanten Begebenheit unmog- und daB Scipio ,ihn als Herold seiner Taten mit- 

lich gemacht. Diese Gefahr ist aber bei der Natur genommen* habe. Diese Hypothese hangt an 

unserer tlberlieferung hundertmal geringer als Kr oils Deutung der Verse com. 108ff., die oben 

die andere, daB wir auch das trivialste Cliche S. 622, 58 besprochen ist. Es ist geboten hier die 

glaubig als Faktum buchen, weil wir jeden Zwei- Unzulanglichkeit unserer tlberlieferung zu kon- 

fel von vornherein mit der Frage abwehren: statieren und das Ausmalen der Hintergrunde zu 

warum soil es denn nicht so gewesen sein? Der unterlassen. 

Gewinn, daB man auf diese Art sogar eine farbige 40 Tragodie: Alle Moglichkeiten seines dich- 
Homerbiographie schreiben kann, ist denn doch terischen Wirkens, erst im Drama und spaterhin 
etwas teuer erkauft. im Epos, verdankte N. den mutigen und erfolg- 
Todesdatum: Wir besitzen zwei Nachrichten. reichen Eroberungen des Livius Andronicus. Wie 
Cic. Brut. 60 his. . . consulibus (Cethegus und Tu- so oft in der Entwicklung einer jungen Kunst 
ditanus, 204 v. Chr.), ut in veteribus commentariis trat hier nach dem tiichtigen Beginner sehr 
scriptum est, Naevius est mortuus; quamquam schnell der geniale Meister auf den Plan und lieB 
Varro noster, diligentissimus investigator anti- den Vorganger weit hinter sich. Als N. nur fiinf 
quitatisj putat in hoc erratum vitamque Naevi Jahre nach der Neuerung des Livius seine erste 
producit Icmgius, Hieron. chron. 135g (zum J. 201 dramatische Auffiihrung wagte, wurde er dem Li- 
V. Chr.) Naevius comicus Uticae moritur pulsus 50 vius und alien anderen Mitbewerbern ein gefahr- 
Eoma factione nobilium ac praecipue Metelli. Die licher, bald ein untiberwindlicher Rivale. 
hier bei Hieronymus erhaltene Notiz des Sueton Als Muster fiir die Kraft und Schonheit der 
geht auf Varro de poetis zuriick. Die von Varro Tragpdiensprache des N. mag der Vers des Hector 
bekampfte Angabe der veteres commentarii be- (15) gelten, an dem Cicero sich immer aufs neue 
ruht wahrscheinlich nur auf einer Folgerung aus f rente: laetus sum laudari me abs te, pater , a lau- 
dem letzten in den FestprotokoUen nachweisbaren dato viro. Eine gewiB schon im griechischen Ori- 
Auffiihrungsjahr (Leo Plant. Forsch.2 69); in ginal angelegte Figurierung wird in dem allitte- 
diesem Falle ware sie mit der Tatsache, daB rierenden Langvers zu groBartiger Monumentalitlit 
Varro vitam Naevi producit longius vereinbar. ausgebreitet. Wie nahe dem Stil einer solchen 
,Der Ausdruck Ciceros neben dem Lobe des For- 60 Zeile der Komodienvers 113 (zur Deutung Leo 
schers Varro zeigt andererseits deutlich, daB die- Gesch. d. r. Lit. 77 A. 1) steht {libera lingua 
ser selber auch kein bestimmtes Jahr fur den Tod loquemur ludis Liberalibus), ist deutlich und bo- 
des N. angegeben hatte, weil er sonst nicht so statigt das bekannte Verhaltnis der beiden Gat- 
farblos producit longius gesagt hatte. Nur daB tungen in der fruhromischen Dichtung wie es z. B. 
der Dichter nach FriedensschluB in Utica gestor- auch in einem Vergleich von N. trag. 44 pdllis 
ben ist, ist sicher. Hieronymus fand also auch bei patagiis crocotis malacis mortualibus etwa mit 
Sueton kein Datum, an das er sich halten konnte, Plaut. Epid. 231 indusiatam patagiatam caltulam 
als hochstens jenes des J. 204 oder in der doch aut crocotulam hervortritt. Ein Septenar aus der 



627 Naevius Naevius 628 

Danae (8) quin, ut quisque est meritus, praesens Vorstellung gewinnen. Unsere EinbuBe ware noch 

pretium pro factis ferat zeigt mit seiner Doppel- groBer, wenn das naevianische Erbe nicht so un- 

allitteration wiederum die klangliche Erhohung gemein stark im Werke des Plautus weiterwirkte. 

der griechischen Gnome. Fiir die Nachwirkung So aber ist uns in Plautus ein betrachtliches 

des naevianischen Tragodienstils sei wenigstens Stiick N. miterhalten, etwa in dem Sinne wie 

ein Beispiel angefiihrt. Bekanntlich hat Ennius einiges im Aristophanes den doch unersetzlichen 

trag. 214 in dem Verse antiqua erilis Ma custos Kratinos reprasentieren darf. 

corporis den Gedanken der custodia corporis dem Bevor die Fragmente der Komodien gewiir- 

Original (Eur. Med. 49 naXaiov oIkcov Hrfjfxa digt werden, diirfte ein Wort tiber den Kreis der 
dsoTiolvrjg if^^g) frei hinzugesetzt. Den entspre- 10 von N. bearbeiteten Originale angebracht sein. 

chenden Ausdruck bietet gleichfalls in einer An- Bekanntlich hat Plautus lediglich Stticke der 

rede schon N. im Lycurgus (21) vos, qui regalis neuen Komodie iibersetzt, von Philemon Menan- 

corporis custodias | agitatis (custodiam agitare der Diphilos hinunter bis zu spaten Epigonen 

auch Plant. Rud. 858). (v. Wilamowitz' Friihdatierung des Originals des 

Abgesehen vom Stilistischen wissen wir tiber Persa ist unhaltbar). Es ist zweifelhaft ob bereits 

N.' Behandlung der griechischen Tragodie so gut N. die gleiche Beschrankung getibt hat. In der 

wie nichts, so wichtig es ware, das — vermutlich Forschung ist mehrf ach, zuerst wohl von B e r - 

groBe — MaB seiner Freiheit in der Bearbeitung c h e m (vgl. De de Moor Cn. Nevius, Ltittich 

zu kennen. Seine kiihnste und folgenreichste Tat 1877, 39), darauf hingewiesen worden, daB ein 

im Felde der Tragodie war jedenfalls die Schop- 20 paar Titel des N. in der gleichen oder in ahn- 

fung einer auch im Stoff und Gehalt vaterlandi- licher Form bei Dichtern der f^isorj, nicht aber in 

schen Tragodie, der spater so genannten fabula dem uns bekannten Vorrat der neuen Komodie zu 

praetexta oder praetextata. Ich habe der vorsich- jSnden sind. Daraus laBt sich kein sicherer SchluB 

tigen und in diesem Punkte erschopfenden Dar- , ziehen, vor allem darum nicht well wir nicht 

stellung Leos (Gesch. d. r. Lit. 89H.) nichts sagen konnen, ob die betreffenden alteren Titel 

Wesentliches hinzuzufiigen. Ich stimme auch darin nicht doch auch spater gelegentlich wiederauf- 

mit ihm tiberein, daB die von Marx im An- genommen worden sind; wir haben ja nur von 

schluB an Ribbeck vertretene Vermutung, die einem ganz kleinen Bruchteil der neuen Komodie 

Tragodie Clastidium sei im J. 208 an den Leichen- iiberhaupt irgendeine Kenntnis: Aber die Mog- 

spielen des M. Claudius Marcellus aufgefiihrt 30 lichkeit ist nicht zu bestreiten, daB N. hier und 

worden, in der Tat sehr wahrscheinlich ist. Und da auch Stiicke der f^ior] bearbeitet hat. 

was den viel umstrittenen Lupus anlangt, so ,Es deutet vieles darauf, daB er (N.) den 

scheint mir Leos Auffassung (S. 90 A. 1) auch Grund zu der folgenden starken Entwicklung der 

nachdem sorgf altigen Auf satze von Mesk Wien. Komodie gelegt hat* (Leo Gesch. d. r. Lit. 91). 

Stud. XXXVI 17ff. (tiber den Ludus 32) und der Selbstverstandlich wird er mancherlei von dem, 

nur in kurzer Formulierung veroSentlichten Hypo- was vor ihm Livius gebracht hat, weitergeftihrt 

these N r d e n s S.-Ber. Akad. Berl. 1924, 229 haben, aber die rasche Vergessenheit, der die livia- 

noch den Vorzug zu verdienen. Die Moglichkeit nischen Komodien, ganz im Gegensatz zu denen 

freilich, daB das Zitat Cic. Cato m. 20 in Naevi des N., verfallen sind, spricht daftir daB erst N. 

poetae Ludo auf eine Komodie Avdog ftihrt, was 40 die Krafte der romischen Komodie vol! entfaltet 

mit L. Mueller und anderen auch Mesk und Nor- hat. Er ist wahrscheinlich der genialste Dichter 

den annehmen, ist nicht zu bestreiten. Ciceros dieser Gattung gewesen, als geistige Potenz und 

Worte dtirfen allerdings nicht als Indiz ftir eine an Leidenschaft des Temperaments wie an Ktihn- 

fabula palliata in Anspruch genommen werden, heit des Neuerns dem Plautus tiberlegen, ihm 

denn zwischen externa und dem Zitat besteht kein gleich in der wunderbaren FtiUe und Beschwingt- 

Zusammenhang: der mit quodsi eingeleitete Satz heit des sprachlichen Ausdrucks. tTbertroSen haben 

schlieBt die vorangehende Erorterung ab, und dtirfte ihn Plautus mit dem voUendeten Bau 

dann setzen die Dichterworte von neuem ein, groBer polymetrischer Cantica, mit jenen numeri 

durch enim aufgenommen, genau wie am Anfang innumeri, die ein Kunstrichter etwa in der zweiten 

des Cato m. Die N.- Verse enthalten auch nichts 50 Halfte des 2. Jhdts. v. Chr. ihm besonders nach- 

mehr von dem Gedanken maximas res publicas rtihmt. 

... a senibus sustentatas et restitutas (das in Der ,plautinische* Sprachstil ist bereits von N. 

Rede stehende Staatswesen ist ja jetzt ruiniert), voU ausgebildet worden. Diese Feststellung, die 

sondern ftihren nurauf dieSentenz: temeritas est ein jeder etwa beim Lesen des bertihmten Taren- 

videlicet florentis aetatis, prudentia senescentis. tilla-Fragments (75S. R.) rein geftihlsmaBig 

DaB bei der Zusammenkunft der beiden Konige macht, soil hier durch eine trockene Liste voUends 

nach der f eierlichen — durch Festus erhaltenen — gesichert werden. Zu diesem Zwecke begleite ich 

BegrtiBung die politische Lage in der Heimat des die einzelnen Komodienfragmente der Reihe nach 

Gastes besprochen wurde, ist in hohem MaBe mit Hinweisen auf entsprechende Wendungen und 

wahrscheinlich, und das gibt Ribbecks von Leo 60 Versgestaltungen bei Plautus, ohne Anspruch auf 
akzeptierter Konjektur Lupo eine starke Stutze. — Vollstandigkeit. 1 ...est prime ^ro6a (VersschluB) : 

"Cher den angeblichen Titel Alimonium Eemi et Ro- Mil. 794 (sicher hergestellt) est prime cata (Vers- 

mw/i treffend Leo ebd., abweichendwieder Mesk. schluB). 2f. huius autem gnatus dicitur gemi- 

tJber die Cantica in den Tragodien des N. s. num alterum / falso oeeidisse zeigt die gleiche 

u. S. 632, 22, tiber den Equos Troianus S. 633. Weiterftihrung einer Prologerzahlung mit Ein- 

Komodie: Obwohl die Reste der Komodien setzen eines neuen Satzes am Senaranfang wie 

reicher sind als die der Tragodien, konnen wir Men. 34 pater eius autem postquam puerum per- 

doch auch von ihnen nur eine sehr unzulangliche dit oder Rud. 74 ilia autem virgo; zu dicitur vgl. 



629 Naevius Naevius 630 

im Prolog True. 84 is nunc dicitur / venturus dolus gesprochen; die angefiihrten Worte aus dem 

peregre, zu dem iSenarschluB geminum alterum Stalagmus des N. gehoren zweifellos dem Sklaven, 

Men. 40 gemino alteri. 12 arte colligor: Epid. von dem das Stiick den Namen tragt). 75ff.: diese 

694 arte colliga. In demselben Fragment ist die schonen Verse aus der Tarentilla (die Textgestal- 

Wendung cur re inquaesita colligor? sehr beach- tung ist an einigen Stellen schwierig) miissen, 

tenswert. Das Wort inquaesitus (oder inquis.) selbst wenn man weitgehende Ahnlichkeit der 

kommt nach Ausweis des Thesaurus-Materials (fiir Motive und des Ausdrucks in den griechischen 

mich durchgesehen von H. H a f f t e r) nur noch Originalen annimmt, doch wohl unmittelbar dem 

an zwei Stellen des plantinischen Amphitruo vor, Plautus vorgeschwebt haben als er den Mittelteil 
847 mulier, istam rem inquisitam certum est non 10 des syngraphus der Asinaria schrieb, vgl. nament- 

amittere und 1017 nam me, quam illam quaestio- lich As. 778 spectandum ne cui anulum det mit 

nem inquisitam hodie amittere, mortuom satiust. den (unmetrisch tiberlieferten) N.-Worten 78 alii 

Die technisch prozessuale Farbung aller drei Stel- dat anulum spectandum und 784 neque ilia ulli 

len macht es zweifellos, dafi in dem raren re{m) homini nutet nictet annual mit N. 76 alii ad- 

inquaesita(m) oder quaestionem inquisitam nicht nutat alii adnictat, Dem Rhythmus und der Figu- 

etwa eine Schopfung der Dichtersprache vorliegt, rierung nach haben freilich andere Plautusstellen 

sondern daB die Wendung der friihen Rechts- (z. B. Merc. 406ff., Capt. 903ff.) eine weit groBere 

sprache angehort hat; sie ist dann sehr bald durch Ahnlichkeit mit dem Tarentillafragment. 86 sdlm 

das klassische re (cawsaj mco^rm^a vollig verdrangt et fortunati sitis duo duum nostrum patres: Aul. 
worden. Ich fahre jetzt in der Liste fort. 19 wf 20 182 salvos atque fortunatus, Euclio, semper sies, 

ilium di perdant (sicher hergestellt), qui primus auch das zweite Kolon der naevianischen komisch 

holitor cepam protulit: Plant. Boeotiafrg. 1, 1 ut feierlichen BegriiBung hat bei Plautus mannig- 

illum di perdant^ primus qui horas repperit (liber fache Analogien. 90 n^mquam quisquam am 

das Verhaltnis zum griechischen Original Leo PI. Septenaranfang wie Men. 447 numquam quic- 

Forsch.2 154). 20 deprdndi autem leoni si oh- quam, am Anfang des zweiten Septenarkolons 

das oreas: hier ist die besondere Auspragung des As. 197, Mil. 473 (an anderen Versstellen haufig). 

o.8vvarov ganz von der Art wie Pseud. 319 una In demselben Vers amico amantiamica: Merc. 91S 

opera alligem fugitivam canem agninis lactibus amanti amicam, Bacch. 193 (Pseud. 673) amica 

und As. 99f. iubeds una opera me piscari in acre, amanti. 93 domi (bei dieser Anderung Ribbecks 
/ venari autem rete iaculo in medio mari (v. 100 30 fiir domos kommt die Anti these viel besser her- 

nicht sicher hergestellt). Die letztere Stelle zeigt aus) patres patriam ut colatis potius quam pere- 

zugleich, daB Ribbeck und Buecheler das in dem gri probra: diese FuUung der beiden Kola des 

N.-Vers tiberlieferte autem zu Unrecht angetastet Septenars mit je einem Glied eines Gegensatz- 

haben (tiber die Legitimitat des metrischen Typus paars, derart daB potius quam an den Anfang 

deprdndi autem leoni vgl. Leo Saturn. Vers 27). des zweiten Verskolons riickt, ist auch bei Plautus 

In 23f. alteris inanem , . . alteris nuces . . . wird beliebt: As. 192 quia nobis lucro fuisti potius 

die mit auffallender Iktierung an die Senar- quam decori tibi, Aul. 618, Merc. 460, Mil. 311, 

anfange gestellte Form alteris geschtitzt durch Mo. 884, Stich. 80 si manere hie sese malint 

Poen. 85 altera quinquennis, altera quadri- potius quam alio nubere. 105 eius noctem nauco 
mula. 26 admodum adulescentulust (VersschluB) 40 ducere: gesteigert Poen. 274 quoius ego nebulai 

=i' Trin. 366 (VersschluB). 35 pedibus proti- cyatho septem nodes non emam. 107 dictator 

nam me dedi: Plant. Astraba fr. 7 Leo dare pedi- ubi currum insidit, pervehitur usque ad oppidum 

bus protinam sese ... 37 efflictim amare: Amph. mit der Verteilung von Vordersatz und Nachsatz 

517, Cas. 49, und ahnliche Wendungen ofter. auf die beiden Kola des iambischen Octonars wie 

43 utinam nasum abstulisset mordicus (wahr- Cas. 930 continuo in genua ut astiti, pectus mihi 

scheinlich VersschluB): Men. 195 TiasMm afere^^Mm pedibus percutit, Stich. 287 si rex obstabit ob- 

mordicus (VersschluB). 45 nimis homo formi- mam, regem ipsum prius pervortito, 301 sed tdn- 

dulosust: Amph. 1117 nimis formidulosum fad- dem cum recogito, qui potuit scire haec scire 

nus. 46 cave verbum faxis: As. 625 verbum me. 117 quam tu nequior VersschluBtypus wie 
cave faxis. 49 animae pauxillulum: Trin. 492 50 Trin. 903 quam tu longior. 125 vel ai vel nega: 

satillum animai. 49 b caperrata fronte: Epid. Rud. 427 vel tu mi aias vel neges, 1331 proin tu 

609 caperrat frons. 57 sdxa silvas lapides mon- vel aias vel neges. 126 viridulo adulescentulo am 

tes dissids dispulveras: zu dem zweiten Kolon ^®^^lll^> ^' ^- ^^^ diesem sechssilbigen Nomen 

dieses Versus quadratus, der die Herm. LXII ein v^^ ^ ^ in Synaloephe genau wie in den f olgen- 

1927, 36 Iff. gewiirdigte Sonderform zeigt, ist eine den Versschliissen: Cist. 158 virginem adulescen- 

genaue Parallele Epid. 118 differor difflagi- tulus, Epid. 43 captivam adulescentulam, Mil. 

tor. 59 at enim tu am Anfang eines trochaischen 264 cum alieno adulescentulo, 634 oppido adu- 

Septenars wie bei Plautus Stich. 129 at enim nos lescentula est, 789 meretricem adulescentulam, 

und so mit verschiedenen Personalpronomina Pseud. 871 ex sene adulescentulum, Rud. 416 sal- 
mehrfach. 65 praedsum omasum pernam callos 60 veto adulescentula, Trin. 366 admodum adulescen- 

glisis glandia: eine dem Original frei hinzugefiigte tulust (vgl. auch Bacch. 88 vinum homini adu- 

Liste italischer Schweinefleischdelikatessen (vgl. lescentulo). 

Ed. Fraenkel Plaiitin. i. Plant. 248) : Pseud. Eine wirkliche Stilvergleichung des N. und 

166 pernam callum glandimn, Plant. Carb. fr. 1 des Plautus wird durch die Sparlichkeit der Frag- 

pernam . . . callum glandia (Cure. 366 pernam mente unmoglich gemaeht. Aber nachdem hier 

sumen glandium). 70 deo meo propitio mens fiir so viele Bestandteile die Kontinuitat nach- 

homo est: Pseud. 381 illic homo mens est, nisi gewiesen ist, mag andererseits wenigstens das 

omnes di me atque homines deserunt (von Pseu- eine hervorgehoben werden, daB gelegentlich Wen- 



631 Nae-vius Naevius 632 

dungen der Umgangssprache, die N. aufgenommen um seinem Publikum einen Spafi zu machen. 
hat und die man eigentlich auch bei Plautus er- Hierfiir scheint auch die Irrealitat (decuit accep- 
warten soUte, bei diesem fehlen. Von den drei tos) dieses skurrilen Beiwerks zu sprechen. 
Schimpfwortern, die Naev. com. 118 nebenein- In diesen Zusammenhang gehort auch die Um- 
ander stehen, ganeo lustro aleo hat Plautus keines, setzung vieler Komodientitel. ,N., wie es scheint, 
obwohl ganeo bei Terenz und aleo bei CatuU wie- hat die adjektivischen Formen aufgebracht, welche^ 
derbegegnet. ad neeem, in wortlichem Sinne Plautus so liebte, die Spateren aber aufgegeben 
zweimal in der Cist, belegt, kommt in dcm ab- haben: CoroUaria, Tunicularia, Aulularia, die 
geschwachten Sinne wie Naev. com. 134 depuviit Kranzkomodie, die Hemdenkomodie, die Topf- 
me miseram ad neeem zwar bei Terenz vor (Phorm. 10 komodie usw.* (R i b b e c k Gesch. d. rom. Dichtg. 
327 deverherasse usque ad necem), aber nicht bei P 62). DasVorbild dieser Benennungsweise lafit 
Plautus. sich wohl noch ermitteln. Die ftir Rom so charak- 
Die vorwartsweisende, auf ,gesteigerte Frei- teristische Bezeichnung von Gesetzen mit einem 
heit den Originalen gegenliber* gerichtete Arbeit ihren Inhalt in adjektivischer Form angebenden 
des N. an der Komodie hat Leo Gesch. d. r. Lit. Individualnamen ist bereits fiir das 3. Jhdt. v. Chr. 
I 91 f. (schon vorher Plant. Forsch.2 93) nach gesichert: Plautus sprieht Mil. 164 von einer lex 
drei Seiten hin aufgezeigt: 1. Vermehrung des alearia xmd'Pseud. SOS you der lex quinavicenaria. 
metrischen Formenbestandes, 2. , Contamination*, Andere Analogien wie Via Solaria u. dgl. liegen 
bezeugt duroh Terenz Andr. 18, 3. die Art der viel ferner. N. hat also vermutlich die Geschopfe 
Bearbeitung, vor allem die Romanisierung. Zu 20 seiner Muse nach dem Muster der ernsthaftesten 
den fiir diese Umsetzung von ihm angefiihrten und wichtigsten Texte Roms benannt. 
Einzelheiten kann hinzugef iigt • werden der ita- Die Cantica im Drama desN. : Auf 
lische Kiichenzettel (o. S. 629), die Erwahnung einen kardinalen Punkt in der Ausgestaltung der 
der praeHca in dem Verse 129 haec quidem hercle, Komodie durch N. hat schon L e o (s. o. S. 631), 
opinor, praeHca est: nam mortuom collaudat, wo wenn auch in nicht ganz zureichender Weise, mit 
auch die Art der Identifikation ganz ,plautinisch* den Worten hingewiesen: ,Es scheint dafi N. die 
ist (vgl. Plautin. i. PL 22. 47f.) und als Wichtig- Ausbildung der Metrik vorbereitet hat, die wir 
stes die ,Vorherrschaft der SklavenroUe*. Die in dann bei Plautus linden und die . . . mehr fur die 
dem letzteren liegende Akzentverschiebung gegen- dramatische Gestalt der Komodie zu bedeuten hat 
uber den Originalen ist mit Sicherheit zu er- 30 als der fliichtige Anblick zeigt.* Es ist in diesem 
schlieBen aus Titeln wie Lampadio (vgl. Plant. Zusammenhange notwendig das Problem der Can- 
Cist.), Stalagmus (vgl. Plant. Capt.), Stigmatias, tica im altlateinischen Drama noch einmal kurz 
also Titeln wie Epidicus, Pseudolus, Stichus. Da- zu besprechen. Die leidige Tatsache da6 ich 
zu stimmt das breite Ausmalen des Strafplatzes bei meiner ausfuhrlichen Behandlung der ganzen 
(114 tantum ibi molae crepitum faciehant, tintin- Frage (Plautin. i. Plant., Kap. X) ein Haupt- 
nabant eompedes) und der Priigelschwielen (115 beweisstiick, namlich einen Vers aus einem tragi- 
utrum scapulae plus an collus colli habeat, nescio). schen Canticum gerade des N., iibersehen habe, 
Es ist moglich, da6 N. auch den letzten entschei- hat in der daran anschlieBenden Diskussion eini- 
denden Schritt zur Romanisierung der Komodie ges Unheil angerichtet, weit argeres allerdings 
bereits getan hat. Aus den Versen des Hariolus 40 der bekannte Beharrungstrieb und die offenbar 
(2 Iff.) quis heri apud te? :: Praenestini et Lanu- groBe Schwierigkeit einer vielgliederigen Argu- 
vini hospites :: suopte utrosque decuit acceptos mentation wirklich zu folgen. Fiir die literar- 
cibo usw. hat Leo gef olgert, ,da6 dies nur in La- historische Wiirdigung des N. kommt viel darauf 
tium, ja daB es nur in Rom gespielt haben kann*, an, daB sein nicht prinzipiell neuerndes, sondern 
daB mithin ,N. in der Tat die erste sogenannte weiterfiihrendes Verfahren im Bereich der dra- 
Togata geschrieben hat*. Das ist durchaus mog- matischen Lyrik nicht verkannt wird. So soil hier 
lich; dem Schopfer der fabula praetexta ware auch noch einmal versucht werden etwas von dem auf- 
die entsprechende Kiihnheit auf dem Gebiete der gehauften Schutt beiseite zu raumen und dadurch 
Komodie zuzutrauen. Gesichert aber ist diese die einfachen Phaenomene sichtbar zu machen. 
Neuerung nicht. (Mit vorsichtiger Zuriickhaltung 50 Scharf zu scheiden ist das allgemeine literar- 
urteilt hieriiber T. F r a n k Life and literature in historische Problem von der engeren Frage nach 
the Rom. Republ., Cambridge 1930, 34, wahrend der Herkunft und Entwicklung der metrischen 
KieBling-Heinze zu Horaz ars 285ff. auBer Einzelformen. Die allgemeine Frage, vor die uns 
dem Hariolus gar auch noch Tarentilla und Tu- nicht nur die Stiicke des Plautus, sondern auch 
nicularia als togatae bezeichnen.) Die schabigen wichtige Reste teils vorplautinischer, teils gleich- 
Gerichte, die in dem Fragment als Lieblings- zeitiger, aber von Plautus unabhangiger lateini- 
speisen der Leute von Praeneste und Lanuvium scher Dramen stellen, lautet: woher stammt die 
angeftihrt werden, zeigen daB es hier auf eine Gepflogenheit rezitative Szenen der Originale, 
Verspottung der beiden Nachbarstadte Roms hin- Monologe sowohl wie Dialoge, in Gesangstiicke 
auslauft. Da machen nun die bekannten Bosheiten 60 umzusetzen? Mit dieser Formulierung ist bereits 
des Plautus gegen die Praenestiner (Bacch. 12; gesagt daB es sich nicht etwa um ornamentale 
Trin. 609; True. 691) es nicht gerade wahrschein- Zutaten oder Einlagen irgendwelcher Art, sondern 
lich, daB die Hariolus-Verse grundsatzlich anders um integrierende Bestandteile des dramatischen 
zu beurteilen sind und dafi man aus ihnen einen Gefiiges handelt. Die Antwort hat auszugehen 
so weitgehenden SchluB Ziehen darf. N. kann von der Tatsache, daB eine derartige Umsetzung 
sehr wohl in einem auf griechischem Boden spie- der gesamten friihromischen Tragodie eigen ist. 
lenden Stiick an Stelle irgendwelcher ^svol die Im Falle des Ennius konnen wir mehrfach die 
Praenestiner und Lanuviner eingeschoben haben rezitative Fassung des Originals unmittelbar 



633 Naevius Naevius 634 

neben die lyrische Nachbildung setzen (Leo De Stticken abzusehen, halten wir uns hier nur an den 

tragoedia Romana, Gottingen 1910, 14. Fraen- bakcheischen Tetrameter aus der Danae trag. 5 

kel PL i. PL 336H.)- Fiir die Tragodien des earn nunc esse inventam probris compotem scis, 

Livius wie des N. ist Schauspielergesang ge- Er ist nicht nur darum so wertvoU weil er ein 

sichert. Es ist nicht statthaft mit v. W i 1 a m o - HauptmaB plautinischer Cantica zeigt (dariiber 

w i t z Das Schiedsgericht des Menander 169 A. 1 unten), sondern auch wegen seines Inhalts. Die 

das Liviusfragment zu eliminieren, da man einen zentrale Szene, in der die soeben entdeckte Schande 

Equus Troianus sowohl des Livius wie des N. der Danae auf diese Weise erortert wurde, kann 

nicht glauben konne. Die richtige Losung, Neu- im Original unbedingt nur in Trimetern gehalten 

bearbeitung des schon von Livius tibertragenen 10 gewesen sein. Die Umsetzung ist also hier von 

Stiickes durch N., war langst gefunden (ftib- ganz der gleichen Art wie in den bakcheischen 

beck D. rom. Tragodie im Zeitalter der Republ. Tetrametern PL Amph. 55 Iff. oder Terent. Andr. 

48. Leo Plant. Forsch.2 90 A. 1; Gesch. d. r. Lit. 481 ff. und ungemein oft sonst. Mithin hat sicher- 

89). V. Wilamowitz behauptet im gleichen lich N. (wahrscheinlich Livius auch schon) in der 

Zusammenhange, an Lyrik gabe es von N. nur Tragodie rezitative Partien der Originale in Lyrik 

,einen einzigen iambisehen Tetrameter, Danae 6 umgesetzt. Ennius f olgt darin nur der bereits vor 

Ribb.*. Bei dieser Behauptung, auf die fiir seine ihm eingebtirgerten Praxis der romischen Tra- 

Argumentation viel ankommt, ist er ein Opfer godie, vgl. PL i. PL 339f. 346f. 366. Der mehr- 

meines Versehens geworden. Der von mir damals f ach erhobene Vorwurf (v. Wilamowitz a. 0. 

nicht angeftihrte Vers (trag. 5 R.), gleichfalls aus 20 T. Frank Life and literature in the Roman Re- 

der Danae, lautet earn nunc esse inventam pro- public 48. Bickel polemisiert Gnomon 1932, 

bris compotem scis. Die von Buecheler ge- 320 gegen die allerdings frei erf undone ,Ansicht 

fundene, von Ribbeck^ angenommene Mes- Fraenkels, dafi Plautus in metrischer Hinsicht 

sung ais bakcheischer Tetrameter muB als unbe- von Ennius abhange'), ich argumentierte mit En- 

dingt gesiiehert gelten. L i n d s a y's Auffassung nius, dessen Produktion doch zu spat sei um die 

(zu Nonius p. 456, 25 M.), der mit compotem Weise des Plautus erklaren zu konnen, trifft die 

einen neuen Vers beginnt, also in dem Fragment Darlegungen meines Buches nicht. War erst ein- 

Ende und Anfang zweier trochaischer Septenare mal das Verf ahren des Ennius auch fiir seine Vor- 

sieht, scheitert weniger an der ZerreiBung von laufer gesichert, so muBte jeder Verstandige die 

probris compotem durch den VersschluB (L e o De 30 reicheren Reste des Ennius mitbenutzen um das 

tra^. Rom. 13) als an folgender Erwagung. Es Allgemeine des Vorgangs zu verdeutlichen. N. 

mtifite ein hochst sonderbarer Zufall sein, wenn und Ennius fanden in der Tragodie vor allem des 

der Exzerptor aus Septenaren gerade ein Stiick spateren 5. Jhdts. und der Folgezeit ausgedehnte 

herausgehoben hatte, das sowohl einen voUstan- Partien mit Einzel- und Wechselgesang der Schau- 

digen Satz wie einen tadellosen bakcheischen Tetra- spieler; von dieser Grundlage aus haben sie, um 

meter ergibt. Bekanntlich tiberwiegt in diesem dem Geschmack ihres Publikums entgegenzukom- 

VersmaB, wenn auch Enjambement keineswegs men (PL i. PL 341, das dort Gesagte gilt natiir- 

fehlt, bei weitem der Zusammenfall von Vers- lich fiir beide Gattungen des dramatischen Spiels), 

und SatzschluB. So hat z. B. Capt. 781 — 790 ein auch rezitative Telle der Originale in Cantica um- 

jeder der 9 Tetrameter (ebenso wie die einmal da- 40 gesetzt. Andererseits ist fiir die Komodien des N. 

zwischentretende Klausel) am Ende voUen Satz- der Gebrauch von jicoXaQia oder clausulae inner- 

schluB. Auch Monosyllabon am Ende (scis) be- halb der Cantica und zwar in einer der plautini- 

gegnet in bakcheischen Tetrametern sehr haufig. schen Praxis entsprechenden Weise bezeugt (Ma- 

Nicht notwendig wie bei diesem Vers, aber wie rius Victorinus GL VI 79, 1, vgl. PL i. PL 346). 

mir scheint sehr erwagenswert ist lyrische Mes- Das setzt ausgedehnte Gesangstiicke voraus. Wir 

sung von trag. 17 (Lycurgus) tuos qui celsos ter- besitzen auBerdem, abgesehen von den unsicheren 

minos tutant: Anapaste grerade in Gebetsliedern Anapasten com. 58, wenigstens ein Stiick einer 

linden isich PL Rud. 753ff.; Trin. 820S. Ennius — vermutlich tetrametrischen — zweifellos kreti- 

trag. 95f . R. (Andromeda, im Metrum des Ori- schen Reihe, com. 25 hdc sibi prospica, hac despica 

ginals). Hingegen halte ich den lyrischen Cha- 50 (zur Sicherung der Messung vgl. PL i. PL 344). 

rakter von trag. 31 f. (pergite thyrsigerae Bac- Daraus etwa eine entsprechende lyrische Partie 

chae modo usw.) durch L e o De trag. Rom. 13 des Originals zu erschlieBen ware genau so toU- 

nicht fiir hinreichend gesichert; streicht man mit kiihn wie zu postulieren, der Alg e^anata>v, die 

R i b b e c k modo (es konnte Glossem zu sche- 2vvaQioxoooai, die 'AbsX(poi Menanders miifiten 

mate sein), so ergibt sich das elegante Nebenein- groBe Stiicke im Wechselgesang enthalten haben, 

ander von Bacchae, Bacchico cum schemate. Auch da die Bacchides, die Cistellaria und der Stichus 

daB die von Varro ling. lat. VII 23 angefiihrten des Plautus derartige Gesangszenen aufweisen. 

Verse (bell. Poen. fr. 36 Bhrs.) Anapaste sind, wie Zum Grundsatzlichen vgl. Jachmann Plauti- 

nach A. Spengel Leo Sat. Vers 60 A. 4 angenom- nisches und Attisches (1931) 126 A. 2. 

men hat (zustimmend N o r d e n bei Cichorius 60 Wir fassen, noch ohne Beriicksichtigung der 

Rom. Stud. 37, Knoche Gnomon 1928, 689, metrischen Einzelformen, das literarhistorische 
zuriickhaltend Cichorius selbst), sehe ich Ergebnis zusammen. Livius hat Schauspieler- 

nicht fiir erwiesen an; iiber ihre Herkunft wage gesang in der Tragodie gehabt. N. hat — genau 

ich keine Vermutung. Erst recht unsicher ist der wie spater Ennius — tragische Dialogpartien in 

von Leo erwogene anapastische Gang von fr. 61 Cantica umgesetzt; das Entsprechende hat er in 

Bhrs. (cum tu arquitenens sagittis pollens dea). seinen Komodien getan. In der Tragodie bedeutete 

tlber die vermeintlichen Daktyloepitriten fr. 63 dieses Vorgehen lediglich eine Ausdehnung der 

Mor,, s. u. S. 640. Um also von alien unsicheren von vielen attischen Tragodien den Bearbeitern 



635 Naevius Naevius 636 

gebotenen Formgebung, in der Komodie bedeutete Keine der hier festgestellten Tatsachen und 

es ein entschiedenes Abweichen von der Form der keiner der aus ihnen gezogenen Schliisse wird 

Originale. Diese Tatsachen zwingen zu dem durch die gelehrten nach vielen Seiten ausgrei- 

SchluB dafi die Dichter der ersten Dramatiker- fenden Kombinationen Immischs Zur Frage 

generation in Eom das von ihnen in der Tragodie der Plautinischen Cantica, S.-Ber. Akad. Heidelb., 

teils iibernonunene, toils weiter ausgedehnte Ver- Phil.-hist. KL, 1923, 7. Abh., im geringsten auf- 

fahren auf ihre Komodienbearbeitungen tibertra- gehoben oder auch nur modifiziert. Was die Ent- 

gen haben. Ob dieser Schritt, wie es wahrschein- stehung der Cantica im altlateinischen Drama 

licher ist, bereits von Livius oder erst von N. und im besonderen N. anlangt, so ist auch Im- 

getan worden ist, laBt sich nicht mehr feststellen. 10 misch wie andere (vgl. S. 633) durch den Um- 

Der ganze Vorgang ist eine Parallele zu der seit stand dafi der bakcheische Tetrameter aus der 

den Anfangen der lateinischen Biihnendichtung Danae (trag. 5) in meinem Plautusbuch nicht 

ge,s:en den Geist und Stil griechischer Dramatik zitiert ist, zu irrigen Schliissen verftihrt worden. 

voilzogenen Vereinheitlichung der tragischen und Er (S. 5) sagt namlich, in freiem AnschluB an 

der komischen DialogmaBe. Leo: ,Also vor Plautus nur Ansatz und Wege- 

Bestatigt wird diese Auffassung von der Seite bereitung, wahrend nach Fraenkel die Tragodie 

der Versgeschichte her. Die wenigen gesicherten da schon alles Wesentliche vorgeformt hatte. Es 

Tatsachen, auf die es hier ankommt, lassen sich ist schade, daB wir den Tatbestand bei Naevius 

kurz abmachen. Das einzige erhaltene Bruch- nicht genau feststellen konnen; denn leider ver- 

sttick aus einem tragischen Canticum des Livius, 20 bleibt es hinsichtlich seiner Lyrica ganz bei dem 

20S., zeigt die fiir Plautus charakteristischen Kre- allgemeinen Zeugnis [uber die clausulae, s. oben 

tiker umgeben von Clauseln in einem bei Plan- S. 634].* Nachdem Immisch sodann das auch 

tus gerade in dieser Verbindung beliebten Me- durch die Figurierung als kretisch gesicherte 

trum; hinzu kommt bei den Kretikern jene Figu- Fragment Naev. com. 25 hde sibi prospica, hae 

rierung der Satzglieder und des Klanges, die ihnen despica in das SchluBstiick eines mehr als be- 

Plautus besonders gern gibt (vgl. PI. i. PL 345). denklichen Senars umgedeutet hat, fahrt er S. 6 

Aus der Komodie des N. (25) sind genau entspre- fort: ,Damit entschwindet die Sicherheit dieses 

chend figurierte Kretiker erhalten, aus seiner Tra- Naevianischen Verbindungsglieds zwischen Plau- 

godie (5) ein bakcheischer Tetrameter, also das tus und der Tragodie [des Livius].' In Wahrheit 

zweite HauptmaB plautinischer Gesangstiicke. Die 30 liegt in dem Danae- Vers nicht nur ein HauptmaB 

Prioritat der altesten romischen Tragodie oder, plautinischer Lyrik vor, sondern er bezeugt auch 

wenn man es lieber so ausdriicken will, die ein- die Ums^tzung ein^r tragischen Trimeterszene in 

heitliche Gestaltung in Tragodie und Komodie ein Canticum genau in der dann aus Ennius be- 

von Anfang an ist auch hier unverkennbar. Was kannten Weise. tjbrigens sollte man endlich ein- 

die lateinischen Dichter zu der auffallenden Be- mal aufhoren in diesem Zusammenhange immer 

vorzugung kretischer und bakcheischer Dimeter wieder das Scheinargument anzufiihren, ,daB ge- 

und namentlich Tetrameter angeregt hat, das rade das friiheste Stiick [des Plautus], der Miles, 

wissen wir nicht (Vermutungen dartiber PL i. PL der polymetrischen Lieder ganz entbehrt' (I m - 

3711). V. Wilamowitz Schiedsgericht 169 misch 5). Die Cistellaria stammt ja auch aus 

A. 1 sagt: ,Gerade die Kretiker des Plautus haben 40 der Zeit des hannibalischen Krieges, und gerade 

ihre Analogic; auBer den Belegen in meiner Vers- sie enthalt solche Lieder in Fiille und in beson- 

kunst [dazu PL i. PL 372 A. 3] ist die Arie Teb- ders reicher Ausgestaltung. 

tunis Pap. 1 [abgedruckt bei Wilamowitz, Timo- Ganz zu Unrecht ist schlieBlich mit den Can- 

theos 82 A. 3] bezeichnend.* Dieser Hinweis tica des altlateinischen Dramas der ,Mimos* des 

fruchtet nichts: die Tebtunis-Verse sind eben Papyrus Brit. Mus. 2208, die sog. IleiQa^oixevT), 

auch wieder Paeone wie die der alt en Komodie in Verbindung gebracht worden von Wtist Philol. 

(vgl. PL i. PL 372 A. 1), nicht reine Kretiker wie LXXXIV (1928) 157 und o. Bd. XV S. 1744. 

die des romischen Dramas. Selbst wenn seine Annahme, daB in dem Loti- 

Es ist im allgemeinen sehr wahrscheinlich, doner Stiick der ,Stoff einer neuen Komodie, 

wenn auch im einzelnen nicht mehr nachweisbar, 50 in die Form einer kurzen mimischen Hypothesis 

daB die romischen Btihnendichter den aus der gebracht' vorliegt, gesicherter ware als sie es 

attischen Tragodie iibemommenen und dann von ist, ware es noch immer hochst gewagt daraus 

ihnen frei weitergebildeten Grundstock lyrischer zu folgern: ,damit waren wir dem lyrisch-drama- 

Formen ihrerseits aus den weitverzweigten Dar- tischen Singspiel der hellenistischen Zeit doch 

bietungen hellenistischer Vortragskunstler, der wohl nahegekommen, hatten eine der griechischen 

Hilaroden Lysioden Magoden usw., bereichert XJmformungen zugkraftiger alterer Stiicke vor 

haben. Ich habe diesen Gesichtspunkt nachdriick- uns, wie sie 0. Immisch ... als Zwischenstufen 

lich hervorgehoben (PL i. PL 366ff .) und habe ins- zwischen der vea und der romischen Nachdichtung 

besondere nachgewiesen, daB Plautus wie sein annimmt.' Darf man von einem nicht nur in der 

Publikum mit technischen Details der raffinierten 60 Metrik fiir die Zeit Lucians so charakteristischen 

zeitgenossischen Kunsttanze vertraut ist, was Stiick (vgl. Croenerts Darlegungen hinter 

Kenntnis der zugehorigen Musik in sich schlieBt. Wiists Philol.-Aufsatz) ohne weiteres liber mehr 

All dies aber, wie iiberhaupt die Frage nach den als drei Jahrhunderte zuriickspringen? Aber der 

metrisch-musikalischen Einzelformen, beriihrt entscheidende Fehler liegt im Verkennen des Gat- 

nicht das literarhistorische Grundproblem, fiir das tungscharakters. Ganz aUgemein gesprochen ist 

die Losung in der Erkenntnis liegt daB die Um- das Hineinziehen aller solcher friih- oder spatheUe- 

setzung von Dialogpartien in Gesangszenen nach nistischer Abarten des ,Singspiels', wie des Gren- 

dem Vorbilde der Tragodie erfolgt ist. fellschen Liedes (v. Wilamowitz), der vnod'eosig 



637 Naevius Naeyius 638 

(Immisch), kaiserzeitlicher Hilarodien vom Typus III 61 f.) und daB erst C. Octavius Lampadio die 
dex nsiQaCo/btivr] (Wtist) und was immer sonst noch, Zerlegung in sieben Bticher vorgenommen hat, 
in das Problem der Entstehung der Cantica des etwa ein Jahrhundert nach dem ersten Erscheinen 
altlateinischen Dramas irrefiihrend und letzten (vgl. JBuecheler a. D. und Leo Gesch. d. r. 
Endes unfruchtbar. Denn alle jene Gesangstiicke Lit. 359). An sich ist es befremdlich genug, daB 
diirfen, wenn tiberhaupt, nur insofern mit dem ein hellenistisches Epos dieses Inhalts und Urn- 
Drama verglichen werden als sie einen ganzen fangs nicht sogleich vom Dichter in Bticher ein- 
Handlungsablauf sozusagen in nuce, in der Con- geteilt worden ist; man wird den Grund vielleicht 
centration auf wenige lyrische Hauptmomente, darin sehen diirfen, daB das einzige damals vor- 
enthalten, wahrend fur die Cantica der friihromi- 10 handene romische Vorbild, die Odyssee des Livius, 
schen Biihne gerade das charakteristisch ist, daB keine Buchteilung aufwies (iiber die letztere vgL 
hier, den Sprechdialog unterbrechend, ganz be- v. Wilamowitz Homer. Unters. 369 A. 47). 
grenzte Handlungsmomente, einzelne Szenen oder Die ersten beiden Biicher enthielten die Vor- 
oft nur Szenenteile, in lyrischer Form dargeboten geschichte [dies ist sicher; Leo Gesch. d. r. Lit. 
werden. Kompositionen wie des Madchens Elage 81 A. 4 beriicksichtigt firg. 24Mor. (25 Bhrs.) nicht, 
Oder die TleiQa^ofjievri sind ein voUkommen auf wo die Verbesserungen Amulius (ammullus) und 
sich selbst stehendes abgeschlossenes Ganzes; hin- lib. 11 {111) zweifellos richtig sind], namlich die 
gegen ist jede Gesangszene des Naevius Ennius Zerstorung Troias, die Fahrten des Aeneas, seine 
Plautus nur Teilstiick, ein Glied in einer drama- Schicksale in Italien, Roms Griindung durch Ro- 
tischen Kette, durchaus auf die Umgebung an- 20 mulus, der fiir N* wie noch fiir Ennius der Toch- 
gewiesen und ohne sie unverstandlich, genau so tersohn des Aeneas ist. Es ,ist keine Spur vor- 
wie ein euripideisches Sehauspielergesangsttick. handen, dafi von der Geschichte Roms zwischen 

D a s E p s : Dem wohl dem spateren 2. Jhdt. Griindung und punischem Kriege die Rede war. 

V. Chr. (Leo Gesch. d. r. Lit. 438 A. 1) zuzuwei- Also war es nur die Entstehung Roms, um deren 

senden Verfasser des Grabepigramms auf N. (Gell. willen N. die Einleitung vorausgeschickt hat* 

I 24, 2) ist lediglich das Epos des Dichters wieh- (Leo 82). Die Ereignisse des ersten punischen 

tig; darauf fiihren — fiir diese Zeit noch — die Krieges fiillten die Bticher III — ^VII. 

Camenae und ftihrt vor allem die Wahl des satur- Wie in der Wahl des VersmaBes ftihrte N. 

nischen Metrums (nebenbei: in v. 3 ist Oreo un- auch in der feierlichen, vielfach bewuBt alterttim- 
bedingt zu halten). Und auch Horaz nennt in 30 lichen Stilisierung die von Ijivius Andronicus 

seinem knappen tJberblick tiber die zu seiner Zeit groBartig begonnene Formgebung des romischen 

noch wirklich lebendigen GroBen der frtihromi- Epos weiter. Aber seine machtige Natur gibt allem 

schen Dichtung den N., genau wie er es mit En- neue Ftille und neuen Glanz und bringt die Gat- 

nius tut, nur aLs Epiker (epist. II 1, 53). Kein tung erst auf ihre wahre Hohe. aQxaicoi ox'^i^an 

Zweifel daB das Bellum Poenicum vom Dichter lafxnQog schreitet er einher. Seit Jahrhunderten 

her gesehen die Kronung seines Lebenswerks, war kein Grieche mehr imstande gewesen in vier 

unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung be- Worte eine solche Kraft einzuschlieBen wie N. in 

trachtet seine am starksten und am langsten nach- den Vers (45 Mor.) superbiter contemptim eon- 

wirkende Schopfung gewesen ist. Was Ennius an- terit legiones. Wahrscheinlich hat eben diesen 
langt, so ist das scharfe Wort Ciceros Brut. 75 40 Vers Plautus im Ohr gehabt als er in einer groBen 

tiber die vielen — je nachdem - — Anleihen oder altercatio die eine Partei in ,paratrag6dischem' 

Plagiate aus dem Epos des geschmahten Vorgan- Tone sagen lieB (Poen. 537) ne nos tarn contemp- 

gers trotz seiner zweifellosen epigrammatischen tim conteras. (Diese Vermutung wird fast zur 

Zuspitzung ein vollgtiltiges Zeugnis. Cicero selbst GewiBheit, sobald man sich das Vorkommen von 

empfindet mitGenuBdie kraftvolle,leicht archaisch eontemptim klarmacht wie es aus dem Thesaurus- 

anmutende Schonheit des Bellum Poenicum {quasi Artikel abzulesen ist. Das Wort ist offenbar zur 

Myronis opus delectat). Mehrfache Benutzung von Zeit der uns erhaltenen Literatur tiberhaupt nicht 

Motiven des Gedichts in Vergils Aeneis ist sicher mehr im lebendigen Gebrauch gewesen und war 

bezeugt (tiber eine neuentdeckte Spur in Vergil- vermutlich schon ftir N. einer der bei ihm wie 
scholien, die RoUe des Anchises betreffend, vgl. 50 bei Liv. Andr. so haujfigen Archaismen. Plautus 

Savage Transact, and Proceed. Am. Phil. Assoc. hat es sonst nur noch ein einziges Mai und zwar 

LVI, 1925, 236. Harv. Stud. XXXVI, 1925, 159; an der gleichen Stelle des Septenars und gleich^ 

bell. Poen. fr. 13 a Morel). falls in AUitteration, Pers. 547; Lukrez einmal. 

Aus Cic. Cato 50 geht hervor, daB N. sein Bei alien tibrigen Dichtern und in der klassischen 

Epos als alterer Mann gedichtet hat. Diese ,nach wie in der — abgesehen von den Historikern — 

Einsicht in chronologischeTabellen niedergeschrie- nachklassischen Prosa fehlt es voUig, spielt aber 

bene* Angabe ist glaubwtirdig (Marx Ber. Akad. [nach dem Muster alterer Annalistik?] eine RoUe 

Leipz. 1911, 5 If.). Mithin fallt die Abfassung in in der Historikersprache: haufig bei Livius, mehr- 

eine Zeit, in der N. schon langst als Btihnendich- fach, wohl unter dem EinfluB des Livius, bei 
ter beruhmt war. Nicht unter dem unmittelbaren 60 Curtius. Ganz deutlich zeigt schlieBlich das Vor- 

Eindruck des Krieges, in dem er mitgefochten hat, kommen bei dem alteren Plinius [zweimal im 

sondern aus reifer Erinnerung und nach ausge- 8. Buch, sonst nie] wie bei Tacitus [dreimal im 

dehntem Studium von Berichten tiber das nicht 3. Buch der Historien, sonst nie], daB beide es 

von ihm selbst Erlebte hat der Dichter geschrieben. gelegentlich einmal bei der Lekttire aufgelesen 

AusSantrabeiNon. p. 170, 21 und Suet, gramm. 2 und nach kurzer Verwendung wieder fallen ge- 

erfahren wir, daB das Bellum Poenicum zunachst lassen haben.) Ein Element der epischen Sprache 

als ungeteiltes Ganzes veroffentlicht wurde (vgl. des N. hat Leo (S. 80) schon als ,gehobenen 

Buecheler Rh. Mus. XL 148f. =3 Kl. Schrift. Chronikstil* charakterisiert. Die von ihm unter 



639 Naevius Nanaros 640 

anderem dafiir angefuhrten Verse (39 Mor.) trmi- In der irri^en Beurteilung des Verses vorangegan- 

sit Melitam Eomanus exercitus, insulam integram gen war Baehrens mit seinem ,saturis ad- 

urit populatur vastat, rem hostium eoncinnat illu- scrips!*, dann behauptete Leo Sat. Vers 60 A. 4, 

strieren das besonders gut, zumal wenn man sie der Vers habe ,mit Saturniern nichts zu tun; bei 

neben die Formeln der Triumphaltafeln und der einem Griechen wiirde man das Daktyloepitriten 

Dankgebete des Triumphators halt (zu dem PL i. nennen*, diese AuBerung wurde fiir Morel mafi- 

Pl. 236ff. Angefuhrten vgl. etwa noch Velleius II gebend, und schlieBlich ist Knoche Gnomon 

115, 2 excisis agris, exustis aedificiisj caesis viris^ 1928, 689f. so weit gegangen das ,daktyloepitri- 

laetus metoria praedaque onustus pervenit ad Cae- tische* Bruchsttick fiir die Tragodie in Anspruch 
sarem und Ciceros Parodie ad Att. IV 18, 5 con- 10 zu nehmen. AUe diese Forseher scheinen nicht 

fecta Britannia, obsidibus aceeptis, nulla praeda, bedacht zu haben, da6 Varro zusammen mit dem 

imperata tamen peeunia exercitum ex Britannia Verse die (freilich weder von Baehrens noch von 

reportabant). Morel mitabgedruckten) Worterklarungen zweier 

Die Kiirze der Zitate (keines unserer Fragmente Kommentatoren, eines Cornelius und eines Ver- 
ist langer als drei Zeilen) erschwert auf auBerste gilius (vgl. GRF S. 105f.), mitteilt. Es hat nicht 
ihre Deutung und vor allem das Verifizieren des die geringste Wahrscheinlichkeit, daB die beiden 
Inhalts der Reste von Buch III — VII auf Grund von Varro zitierten conimentarii etwas anderes 
unserer sonstigen tJberlieferung tiber den ersten gewesen waren als Erlauterungen des beruhm- 
punischen Krieg. DaB hier trotzdem ein scharf- test en und umfangreichsten Gedichts, eben des 
sinniger und gewissenhafter Forseher wichtige Er- 20 Bellum Poenicum. Richtig Buecheler Rh. 
gebnisse zu gewinnen vermag, hat Cichorius Mus. XL 148f. (= Kl. Schr. Ill 61 f.), zurtickhal- 
Romische Studien (1922), 24H. mit seiner durch- tend Cichorius Rom. Stud. 55. Das VersmaB 
gehenden Interpretation der fiir die Geschichte des Fragments widerstrebt dieser Annahme nicht. 
belangreichen Fragmente in eindrucksvoUer Weise lucusta lucam bovem ist das Anf angskolon eines 
bewiesen. Es liegt im Wesen derartiger Unter- Saturniers, genau wie die von Leo Sat. Vers 45 
suchungen, daB die Freude am Kombinieren ge- aus dem Bellum Poenicum angeftihrten (39. 47 
legentlich den Blick fiir das Probable triibt, und Mor.) Romanus exercitus und convenit regnum 
so darf denn auch nur ein Teil von Cichorius' Er- simul, also ist ae prius pariet ein SchluBkolon der 
gebnissen fiir wirklich gesichert gelten. Uberaus hauiSgen (Leo 18f.) Form nee libens aeque, vic- 
kiihn ist beispielsweise seine Deutung (S. 47) des 30 timum puleram usw. (fiir die Auflosung des Ion- 
Verses (29 Mor.) prima incedit Cereris Proserpina gum in pariet Beispiele bei Leo 20). 
puer auf die Siihnungsfeier des J. 249. Anderes Hingegen ist ein wirkliches Ratsel der — 
bleibt viel zu vag um zu iiberzeugen. Trotzdem moglicherweise saturnisch zu messende — Vers 
ist das Kapitel reich an wichtigen Ergebnissen. (62 Mor.), den Festus p. 257 zitiert, quianam 
So hat Cichorius z. B. S. 33 in hohem Grade Saturnium populum pepulisti, mit der Angabe 
wahrscheinlich gemacht, daB das J. 260 bereits Naevius in Satyra. Diesem Titel stehen wir hilf- 
im 4. Buche behandelt war, hat S. 41f. im An- los gegeniiber (Leo Sat. Vers 49 A. 1, Knoche 
schluB an S c a 1 a eine intensive historische Inter- Gnomon 1928, 690; Marx Rh. Mus. LXXVIII 
pretation der beiden Verspaare 42 und 43 (Mor.) 416, gleichfalls ohne greifbares Ergebnis). 
gegeben, hat S. 49 fr. 47 (convenit regnum usw.) 40 [Eduard Fraenkel.] 
sehr gut auf den zweiten von den Romern mit Nanaros, Satrap von Babylon unter dem 
Hieron geschlossenen Vertrag (248 v. Chr.) be- 6. medischen Konig Artaios (s. Bd. II S. 1303). 
zosfen und S. 51f. Buechelers Entdeckung Durch NicoL Dam. (FHG III 359—364; frg. 10) 
(Kl. Schrift. I 387f.), daB in den bei Nonius hat sich die romanhafte Schilderung seines Zu- 
p. 474 erhaltenen drei Versen (49. 50 Mor.) aus sammenstoBes mit Parsondas erhalten, der die 
dem 7. Buch das idem dem Grammatiker, nicht Absetzung des weichlichen Satrapen beim Konig 
dem Dichter gehort, daB also zwei gar nicht zu- erreichen und selbst seine Stelle einnehmen 
sammengehorige Fragmente vorliegen, durch Sach- woUte. Die Intrige miBlang, doch rachte sich N. 
interpretation ausgezeichnet gesichert. Diese Pro- dadurch an Parsondas, daB er ihn in seine Gewalt 
ben miissen hier geniigen. 50 brachte und zwang, einige Jahre im Schwarm 

Die Quellenfrage hat nach vielen anderen Leo seiner Musikantinnen zu leben und so selbst zu 

Gesch. d. r. Lit. 83ff., eingehender als bei dem der Verweichlichung zu gelangen, deretwegen er 

Charakter seines Buches zu erwarten ware, behan- N. zu beseitigen gestrebt hatte. SchlieBlich ge- 

delt. Als eine Hauptquelle fiir die eigentliche lang es dem Artaios, den vermiBten Parsondas 

Kriegsgeschichte, ftir die des Dichters personliche zu entdecken und zu befreien. Der ihm zugedach- 

Erfahrung nur zum kleineren Teil ausreichen ten Bestrafung durch den Konig verstand N. mit 

konnte, ist wahrscheinlich Fabius Pictor anzu- Hilfe eines Lieblingseunuchen des Artaios zu ent- 

sehen (tlber die Tendenz von dessen Werk neuer- gehen, und so entzog er sich durch eine groBe 

dings Gel zer Herm. LXVIII 129ff.). Nicht un- GeldbuBe der Verurteilung. Auf die spatere 
bedingt zu leugnen (mit Leo 85) ist die Mog- 60 Rache des Parsondas an N. und Artaios weist 

lichkeit daB N. auch das Werk des Philinos von Nicol. Damasc. hin; iiber den Abfall des Parson- 

Akragas gelegentlich benutzt hat, vgl. die vorsich- das zu den Kardusiern und seine siegreichen 

tige Bemerkung von F. Jacoby Komm. zu Kampfe gegen Artaios berichtet Diod. II 33, 

FGrH 174 (II BD S. 598). doch ohne Erwahnung des N. Die Geschichte, 

Sonstige Gedichte(?): Zu verschwin- nach E. Meyer (Bd. II S. 1303) ,ein orienta- 

den hat der ,ignotus liber*, dem Morel den bei lisches Marchen*, ist dem Athenaios bekannt (12, 

Varro ling. lat. VII 39 erhaltenen Vers (63 Mor.) 40. 530 d) als "Dberlieferung des Ktesias; hier 
alque prius pariet lucusta lucam bovem zuschreibt. wird N., wohl durch Schreibfehler, Annaros ge- 



641 



Naria 



Narke 



642 



nannt. Nur der Name N. begegnet zusammen 
mit dem des Sardanapallos bei Plut. mor. 1095 D 
(Bern. VI 387, 17). Die Namenform N. klingt 
vielleicht an Nannar, den babylonischen Mond- 
gott (E. M e y e r G. d. A. I 22, 418) an. 

fPreisendanz.] 
Naria, Gottin nnb^kannten Charakters, durch 
zwei Weihinschriften aus der Schweiz belegt, von 
denen eine dem Numen den weiteren Beinamen 
Nousantia gibt. 

1. Muri bei Bern GIL XIII 5161 = Riese 
2064 = Dess. 4707 = Stahelin 479 
Abb. 127: Deae Nariae reg(io) Arure(nsis) eu- 
r(ante) Feroc(e) L Die vorsteihende Weihung 
der regio der Aar an die N. steht auf dem 
Sockd der Bronzestatuette ein^er steheniden 
Frau, mit Wahrscheinlichkeit der Gottin sel- 
ber, die voll bekleidet ist und auf dem Kopf 
einen pileus tragi. Ihre Unterarme, die sie 



ursprtinglich fast rechtwinklig vom Korper 
wegstreckte, sind abgebrochen, so daB nieht 
mehr erkennbar ist, ob sie Symbole in den 
Handen hielt. 
2. Cressier bei Avencbes GIL XIII 5151 = 
Riese 3439 = Dess. 4708: Nariae Nou- 
santiae T, Frontin. Hibernus v. s. I, m, Vgi. 
Ihm Myth. Lex. Ill 9. Holder Altcelt. 
Sprachsch. II 689. F. S t a h-el i n Die Schweiz 
10 in rom. Zeit2 (1931) 135. 452. 480. 

[Fritz Heichelheim.] 
S. 1719, 51 zum Art. Narke: 
1) Stadt im Lande des Masinissa. Appian. VIII 
23 schildert, wie Hannibal sich nach seiner Lan- 
dung durch eine Kriegslist ihrer bemachtigte. Sie 
wird weder in der sonstigen Literatur noch auf 
einer Tabula oder in einem Itinerar erwahnt. Ihre 
Lage ist nicht f estzustellen. T i s s o t G^ogr. de 
la prov. Rom. d'Afr. I 558. [Windberg.] 



Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 



21 



643 Kanio Khyton 644 

Zweite Eeihe [E~Z] 

Zum Band I A. 

Ranio, ein nur beim OeogiiiRaV,. IV 21 S. 222, vesp. 616f£. ergeben, wo von einem ovog die Rede 

21 ed. Pind. genannter Ort in einem Tale von ist. Dieser kann in diesem Zusammenhang nicht 

Carnech, wahrseheinlich das heutige Eann in gut etwas anderes als ein E. gewesen sein. Ahn- 

Jngoslawien. [Max Fluss.] liche GefaBe sind wohl die bei Athen. XI 496 e 

S. 232, 6 ziun Art. Raparia: genannten Qsovta gewesen, die ebenfalls, wahr- 

2) Wird nur beim Geogr. Rav. IV 22 S. 224, scheinlich nach dem auch an ihnen angebrachten 

7 Find.; V 14 S. 381, 14. Guid. 116 S. 543, 11 figiirlichen Schmuck, mit Tiernamen bezeichnet 

Pind. unter den Orten in Libiirnia Tarsaticensis wurden. Eine Abart von noch nicht geklarter 

zwisehen Tharsatica und Turres genannt. Es ist Form ist das Qvtov biKQovvov (Poll. VI 97. Athen. 
jeidenfalls mit dem heutigen Porto Re, dem Hafen 10 XI 469 a). 

von Buccari, identisoh (vgl. Tomaschek Unter den erhaltenen R. hat man mit Bu- 

Ztschr. f. ost. Gymn. 1874, 647); Pichler schor (Miinchn. Jahrb. d. bild. Kunst 1919, 

Austria Rom. 181 siucht es bei dem heutigen 26ff.) zwei Gruppen zu unterscheiden, die unter- 

Hrellin.^ [Max Fluss.] einander in keiner Verbindung stehen: die mi- 

Regio Scodrihe(n)sis wird in einer stadt- noisch-kyprische und die griechische. Die mino- 

romischen Inschrift (GIL VI 2698) als Heimat ischen R., die scheinbar hauptsaehlich im Kultus 

des Aur(eUus) Passar, eines mil(es) coh(brtis) Verwendung fanden, sind am voUstandigsten zu- 

VUII 'pr(aetoriae) genannt; sie ist auf Grund sammengestellt von Karo (Arch. Jahrb. XXVI 

der Inschrift in Dacien zu suchen, doch laBt 249ff.). Bei ihnen finden sich Stier- und Lowen- 
sich keine genauere Angabe iiber ihre Lage ma- 20 kopfe am haufigsten. Die sehr zahlreichen kypri- 

chen. Tomaschek D. alten Thraker II 2, 83 schen AusguBgefaBe haben meist die Gestalt von 

halt den Namen fiir thrakisch, K r a h e Indo- alien moglichen stehenden Tieren (B u s c h o r 

germ. Bibl. III. Abt. 7. Heft 99. 113 infolge Abb. 39—42). 

seiner auffalligen Ahnlichkeit mit dem Namen Die griechische Gruppe laBt sich wieder in 

der in Illyrien gelegenen Stadt Scodra (Bd. IIA zweiUnterabteilungenzerlegen: die hornf ormigen 

S. 828f.) fur illyrisch, J o k 1 Reall. d. Vorgesch. R. mit oder ohne figtirliche Endung und die Tier- 

XIII 284 fiir vorindogermanisch. [Max Fluss.] kopf-R., die zwar geschwungen sind, bei denen 

Rhamnusiiun lantet nach Vib. Sequ. 157 aber das Horn fehlt. Die Verwendung von R. 

Raese der Name eines Berges bei Scodra (K r a h e scheint in Griechenland erst im Laufe des 5. Jhdts. 
Indogerm. Bibl. Ill 7, Heft 3 bringt den Namen 30 v. Chr. aufgekommen zu sein, wenigstens gibt es 

mit dem griechischen Wort Qafivog = Dom- bisher noch kein gesichertes Beispiel aus fruherer 

strauch in Verbindung). [Max Fluss.] Zeit, das sein Vorhandensein belegte. Aus dem 

Rhyton {qvxov, Demin. rhytium). Ein meist Ende des 5. und namentlich aus dem 4. Jhdt. 

hem HBQag (s. Bd. XI S. 264) ahnliches, oben v. Chr. und spaterer Zeit dagegen sind viele 

offenes und an seinem unteren Ende mit einer Exemplare und auch Darstellungen von R. im Ge- 

Cffnung und haufig mit figurlichem Schmuck ver- branch auf Vasen- und Wandbildern und auf Re- 

sehenes TrinkgefaB. Das Wort R. hangt mit liefs erhalten. In der neueren archaologischen Li- 

Qe(o zusammen, und das Gef aB verdankt, wie Do- teratur ist mit dem Wort R. oft groBer MiBbrauch 

rotheos von Sidon bemerkt (Athen. XI 497 e), getrieben worden, der schlieBlich dazu fiihrte, 
seinen Namen der qvoiq. Die einzige Stelle der40 jedes figurliche und jedes Kopfgefafi mit R. zu 

antiken Literatur, aus der wir etwas Genaueres bezeichnen. 

iiber Form und Gebrauch des R. erfahren, ist der Von den sehr zahlreichen Beispielen konnen 

betreffende Abschnitt im GefaBkatalog des Athe- hier nur einige Stiicke genannt werden, die den 

naios(XI496f — 497f); doch ist auch dieser nicht Charakter dieses GefaBes besonders gut zeigen. 

von Irrtumern frei. Hiernach wurde das R. friiher Am haufigsten unter den hornformigen R. sind 

?esQag genannt, eine Bezeichnung, die bereits das wohl die mit einer Steinbeck-, Widder- oder 

Wesentliche iiber die Form aussagt (vgl. auch die Pferdeprotome (Munchn. Jahrb. 1919, 30, Abb. 45 

die Form charakterisierende Stelle Martial. II 35). — 47. Antike u. byzantin. Kleinkunst [Auktion 

Hinzu kommt die kurze Beschreibung des Doro- Helbing 1913] Taf. 7 nr. 118. Arch. Anz. 1906, 
theos, aus der hervorgeht, daB die Offnung, aus 50 138 Abb. 8. Sarr e Die Kunst des alten Persien 

der getrunken wurde, sich am unteren Ende des Taf. 47f.; Antiquit^s du Bosphore Cimmerien 

GefaBes befindet. An dieser SteUe konnte das R. Taf. 36, 4). In spaterer Zeit wurden die R. auch 

figiirlich verziert sein, z. B. durch irgendeine Tier- aus Marmor in groBem MaBstab hergestellt und 

protome, deren Bild dann dem Ganzen den Namen zu dekorativen Zwecken verwandt; so diente das; 

gab. Mit der Beschreibung des Dorotheos stimmt dem 1. Jhdt. n. Chr. angehorende R. des Atheners 

die des Schol. Demosth. in Mid. 158 iiberein. In Pontios mit einer Art gefliigeltem Meerungeheuer 

dieser Rede begegnet zum ersten Male in der Li- als Wasserspeier (Stuart Jones Catal. of the Pa- 

teratur das Wort R. Die Angabe des Athenaios lazzo dei Conservatori S. 169 nr. 25 Taf. 58. 

(XI 497 b), daB unter Ptolemaios Philadelphos G u s m a n L'art d^coratif de Rome II Taf 68). 
das R. erfunden worden sei, beruht auf einem 60 Fiir die zweite Art des R., die aus einem groBen 

Irrtum, wie die Funde und wohl auch Aristoph. Tierkopf mit einem kurzen, oft reliefgeschmiick- 



645 Ehyton Eusbeas 646 

ten Ansatz zum Eingiefien der Fltissigkeit be- K r a u s e Angeiologie 356ff . Daremb.-Sagl. IV 

steht, seien angefiihrt: das R. mit dem Kopfe 865ff. Karo Arch. Jahrb. XXVI 262ff. Buschor 

eines jungen Hirsches aus Tarent in Triest (Osterr. Miinchn. Jahrb. d. bild. Kunst 1919, 26ff. Corp, vas. 

Jahresh. V 122f. Abb. 48), ein silbernes Hirsch- ant. London, Brit. Mus., fasc. 4. [v. Lorentz.] 

kopf-E. in Sofia (ebd. Abb. 34f.), ein weiteres Sil- Rinubio, ein nnr beim Geogr. Rav. IV 21 

ber-R. in G estalt eines Stierkopf es aus Knl Oba S. 222, 22 ed. Find, genannter Ort in einem Tale 

in Leningrad (Ant. du bosph. Cinun^r. Taf. 36, 1. von Carnech, infolge seiner Nennung neben Ranio 

Osterr. Jahresh. V Taf. 2) und ein bronzenes wahrscheinlich in der Nahe des hentigen Rann in 

Hirschkopf-R. ans Hereulaneum in Neapel (Guida Jugoslawien. [Max Fluss.] 

Ruesch nr. 1644. Mus. Borbonico VIII Taf. 14, 6). 10 Rocobae, einzig von Plin. n. h. IV 44 unter 

Da das R. seiner Form nach nicht selbstandig den zahlreichen oppida der Scythae Aroteres im 

stehen konnte, muBte man es, wenn man sich ostlichen Teil von Moesia inferior zwischen dem 

seiner nicht zum Trinken bediente, auf ein beson- Ister und der Kiiste des Schwarzen Meeres erwahnt, 

deres FuBgestell {vnonvd-^riv, TisQioHeUg [Athen. ohne dafi sich infolge des Mangels anderweitiger 

XI 476 e und 492 a]) stellen, das verschiedene Nachrichten iiber sie ihre genaue Lage bestimmen 

Formen haben konnte. So kommt es in Gestalt liefie { Vgl. J. W e i s s Die Dobrudscha im Altertum. 

eines Hemmschuhes vor auf einem Silberbecher [Zur Kunde der Balkanhalbinsel XII, Sarajewo 

von Berthouville (Rein a eh Repertoire des re- 1911] 69,4). [Max Fluss.] 

liefs I 73. Panofka Abh. Akad. Berl. 1850, Romanianus von Thagaste., reieher Mann 

Taf. 1, 4); der Gnyxbecher in der Biblioth^que 20 und Gonner des Augustinus. Da dieser J. 354 

Nationale in Paris zeigt ein von einem anders- geboron und mit R.' Sohn Licentius (o. Bd. XIII 

artigen Stander waagerecht gehaltenes Kentauren- S. 204) befreundet war, so muB R. etwas alter 

R. (C 1 a r a c Mus. de sculpt. II Taf. 126. Stud- sein. Er untersttitzte den Augustinus bei seinen 

niczka Abh. Sachs. Ges. XXX nr. II 164 Abb. 47). Studien; im J. 385, als jener in Mailand weilte, 

Ahnlich miissen die Gestelle der R. auf dem Mo- war R. in Geschaften dort. Die Stellen bei M a r x 

saik von Palestrina (Studniczka 81 Abb. 20. 2, die aus Augustins Brief en bei G o 1 d b a c h e r 

Rom. Mitt. XXVI Beil. zu S. 61 Abb. 35) gewesen im Registerband (CSEL 58) 309 (vgl. 13), die 

sein, etwas anders und der Form der GefaBe ent- aus der Schrift contra Academicos in Knolls 

sprechend hoher diejenigen auf einem pompeia- Ausgabe (CSEL 63) 194f.; diese Schrift hat 

nischen Wandbild (Spinazzola Le arti deco- 30 Augustinus dem R. gewidmet. Brief des Paulinus 

rat. in Pompei Taf. 230). Zuweilen wurde auch von Nola an ihn nr. 7 (I 42 H.). 

der FuB gleich an das GefaB angearbeitet, wie es Der Name scheint nur in Africa vorzukom- 

ein Exemplar des Louvre zeigt (Dar.-Sagl. IV 867 men: Gsell Inscr. de TAlg^rie nr. 642. 2610. 

Abb. 5945). GIL VIII 17226 (CorneHus R. in Thagaste!) ; ein 

Einige DarsteUungen mogen die Verwendung Bischof R. bei Innocent, ep. 29 (S e e c k Re- 
des R. iUustrieren. Auf der bei Mi 11 in Peint.de gesten 334) im J. 417. Nun erscheint in Codex 
vases ant. II Taf. 76 abgebildeten Vase trinkt ein H des Cornificius (Bd. IV S. 1617) die Unter- 
Jiingling aus einem R. ziemlich plumper Form schrift Romaniane vivat in einer gerade in Africa 
ohne jeden figurlichen Schmuck. Gleichf alls vollig mehrfach vorkommenden Form (Pieske De 
schmucklos ist das R. auf dem praenestinischen 40 titulorum Africae sermone [Breslau 1913] 18); 
Mosaik (Studniczka 81 Abb. 20), aus dem daher schreibt Marx Auct. ad Her. Praef. Iff. 
einer der Krieger trinkt, und das eines pompeia- dem (zweifeUos gebildeten und fiir Rhetorik inter- 
nischen Symposionbildes (Z a h n Die schonsten essierten) R. eine besondere RoUe bei der Erhal- 
Ornamente I Taf. 90). Ein Adlerkopf-R. mit selt- tung der Rhetorik des Cornificius zu. Das ist an 
samerweise nach oben gewandtem Schnabel (Mil- sich moglich, hangt aber mit der Vorstellung 
1 i n II Taf. 58) diente vielleicht — nach der von der Dberlief erungsgeschichte des Cornificius 
Schale in der linken Hand des Jiinglings zu ur- zusammen; vgl. iiber die Marxsche Hypothese tref- 
teilen — nicht selbst zum Trinken, sondern nur fend schon B r o s z k a Bd. IV S. 1617 und meine 
zum Fiillen der Schale, wie wir es ahnlich auf Ausfiihrungen Festschr. f. Bidez 555. 
einem Wandbild aus Hereulaneum verwandt fin- 50 [W. Kroll.] 
den (Mus. Borbonico VII Taf. 50. Herrmann- S. 1212, 68 zum Art. Ruius: 
Bruckmann Denkm. d. Malerei Taf. 95, 2), 18a) R. v. Samaria, ein jiidischer Arzt der 
ferner auf einer Prachtvase in Neapel (Mus. Borb. Zeit des Galen, der die alten Erklarungen in 
V Taf. 51. Panofka Taf. 5, 3) und bei Diony- seinen Kommentaren zu Hippokrates verarbeitet 
SOS auf dem Schauspielerrelief aus dem Piraeus hat. Sein Name wird in der arabischen t!ber- 
(Athen. Mitt. VII Taf. 14. Svoronos Das Athe- setzung des galenischen Kommentars zum sechsten 
ner Nat.Mus. Taf. 82). In ahnlicher Haltung sitzt Buch der hippokratischen Epidemien genannt 
Dionysosmit einem Pegasos-R., aber ohne Schale, (vgl. F. Pfaff Herm. LXVII 356ff.). Ob seine 
auf einer verlorenen Vase (Tischbein Hamil- Schriften wirklich die Hauptvorlage der gale- 
ton Vases I Taf. 46). Ein R. mit Sphinxvorder- 60 nischen Erlauterungen waren (Pfaff), nicht die 
teil halt eine Manade auf einem etruskischen des Rufus von Ephesus (vgl. Wellmann Herm. 
BronzegefaB aus Tarquinia (Ann. deU' Inst. 1883, XLVII lOflP.), laBt sich vorlaufig aus Mangel an 
Taf. K. Martha L'Art 6trusque 525 Abb. 360). Material nicht entscheiden. [Ludwig Edelstein.] 
Schliefilich sind hier noch die zahlreichen Toten- Rusbeas (auch Rubeas) wird von Plin. n. h. 
mahlrelief s (Svoronos Taf. 85ff.) und die IV 95 (Solin. XIX 2) nach Philemon ein promun- 
Larendarstellungen (s. Bd. XII S. 826ff.) zu turium zwischen Morimarusa, hoe est mortuum 
nennen. mare, und dem mare Gronium genannt, also ein 

Literatur. Panofka Abh. Akad. Berl. 1850. Eap an der Ostktiste der Nordsee. Da man diese 



647 Idvdavog Sardelle 648 

beiden Meere nicht genau abgrenzen kann (s. IV 1, 273. Wahrscheinlich war BaQoa^dg^ der 

Art. Nordsee; zu Morimarusa s. Besnier den makedonischen ThroDpratendenten Andriscos 

Bd. XVI S. 304), so ist auch das promunturium unterstiitzte, ein Konig der S. (Diod. XXXII, 

R. nicht genau festzulegen; fiir Kap Skagen, die 15, 7. Niese Griech. und Mak. Staaten III 

Nordspitze Jiitlands, halten es: Hergt Die 333. Perdrizet Cultes et mythes du Pang^e 

Nordlandfahrt des Pytheas, Diss. Halle 1893, 40. 81). Der KOnig der S. Rhaskuporis und dessen 

Beckers Geogr. Ztschr. XIX (1913) 603; fiir Bruder Rhaskos spielten eine Rolle im Kampf 

die stidlichste Spitze Norwegens Kap Lindesnas: zwischen den CaesarmOrdern und den Triumvirn, 

Detlefsen Die Entdeckung des germ. Nor- s. Bd. I A S. 255. Pats eh S.-Ber. Akad. Wien 
dens 24, als einen Auslaufer des mons Saevo 28. 10 214, 1. Abh. 52. t'ber die Herrscher aus der von 

Nan sen Nebelheim I 104. Vielleicht ist R. Rhaskuporis begriindeten Dynastie der S., die den 

eher noch nordlicher zu suchen, da zu Plinius' Namen Kotys tragen, s. Bd. XI S. 1553. 

Zeiten die Nordspitze Jiitlands schon bekannter In riJmischer Zeit bildete das Gebiet der S. 

war, um sie in das mythische mare mortuum zu die otQarrjyia HcmalKrj (Ptolem. Ill 11, 6. Ka- 

verlegen und das mare Gronium das nordliche lopothakes De Thracia pro v. Rom. 20), die 

Eismeer bezeichnet. Aufierdem kennt Plin. n. h. auch in einer Widmung an Phoibos aus dem 

IV 97 einen anderen Namen ftir das Kap Skagen, Gebiet von Hadrianopolis erwahnt wird, Rei- 

namlich Tastris (s. d.). Den Namen R. fiir phoi- nach Rev. et. gr. XV 35. Kalinka Ant. Denkm. 

nikisch zu halten, wie es v. Rougemont Die in Bulg. 165. Ein veteranus, cives Sappaus 
Bronzezeit [iibersetzt von Keerl] 446 tut, lehnt 20 (d. h. Sapaeus) Dumont-Homolle M^l. d'arch. 

Detlefsen 24 mit Recht ab; Keyser Sam- nr. 1175. — Ovid. fast. I 389 erwahnt Hunde- 

lede Afhandlinger (1868) 165 halt ihn fiir walli- opfer der S. an Trivia, offenbar die Hekate Zr)- 

sisch, Detlefsen 24 fiir germanisch. Qvv&la, Tomaschek Thraker I 69. — Der Name 

[Alfred Franke.] Ednai wurde schon von Wesselingad Hierocl. 

Sdvdavog (Plut. Parallela 8), FluB. Philipp, 633 mit 2dpoi (s. Bd. IAS. 1607. Usener 

der beriihmte Makedonenkonig, soil beim tJber- Gottern. 358) in Zusammenhang gebracht, was 

gang iiber ihn sein Auge durch den Pfeil des auch von Perdrizet Cultes du Pangee 81 ge- 

Olynthiers Aster eingebiifit haben. In der Anek- billigt wird. [G. Kazarow.] 

dote sind die Belagerung von Methone im J. 354 Sardelle. DaB die S., Engraulis encrasicho- 
— bei der Philipp tatsachlich ein Auge verier — 30 lus L., auch Anchovis genannt, fiir die Bewohner 

und die Belagerung von Olynth im J. 348 nicht der Mittelmeerlander im Altertum als Nahrungs- 

auseinandergehalten. Immerhin wird S. jetzt fiir mittel eine groBe wirtschaftliche Bedeutung hatte, 

den antiken Namen des Flusses bei Olynth gehal- darf bei dem verbreiteten Vorkommen des Fisches 

ten, der bei Xen. hell. V 3, 3 ohne Namen er- im Mittelmeer und Schwarzen Meer, wo er zur 

wahnt wird, des heutigen Lundschik Dere Laichzeit in gewaltigen Schwarmen auftritt, ohne 

(Struck Makedon. Fahrten I 38ff.). Der Name weiteres angenommen werden. Bedenkt man fer- 

des Flusses istthrakisch (Tomaschek Thraker ner, daB z. B. der Thunfischfang im Mittelmeer 

II, S.-Ber. Akad. Wien 1894, 98. Schrader noch heute fast genau in der gleichen Weise be- 

ReaUex. P 329). Der Lundschik Der6 wird von trieben wird wie im Altertum (s. den Art. Thyn- 
Struck als tiefer, breiter FluB geschildert, der das 40 n o s), so darf man auch der S.-Fischerei im Alter- 

ganze Jahr Wasser hat; er ergoB sich ehedem im tum sicher die gleiche Bedeutung zusprechen, die 

Siidwesten seiner jetzigen Miindung; der alte Aus- sie heute hat, auch wenn die Nachrichten hier- 

lauf weist Spuren einer Hafenanlage auf. liber im einzelnen nicht so reichlich sind wie fiir 

[B. Lenk.] die Thunfisch- und Makrelenfischerei (s. den Art. 

SavvdxQa, Ein persisches TrinkgefaB, das Makrele Bd. XIV S. 810ff.) und auch wenn 

nur einmal und ohne jede nahere Kennzeichnung die Deutung der Namen, mit denen die S. be- 

erwahnt wird (Athen. XI 497 e. f). Es wird auf zeichnet wurde, keineswegs so sicher ist, wie es 

die Lacherlichkeit des Wortes angespielt und eine nach dem Linn^schen Namen den Anschein hat. 

Anzahl anderer persischer TrinkgefaBe aufgezahlt. Auf die S. werden die Fischnamen d(pv7] (a^vcc), 

[F. V. Lorentz.] 50 ^y (lat. aphye und apua, ae); kyKQaolxolog, d; ey- 

Sapaioi {2anaXoi bei den Schriftstellern, y^avXig, ecog, ^; XvKooto^og, 6 (vgl. Suid. s. Xv- 

Sdnm in der Inschritt IG XII 5, nr. 445, 51), Hoatofiog, Tial TCQaotxoXog. im'&sm dcpvrjc- 8 soriv 

thrakischer Volksstamm, der nach Strab. XII 549 kyyQavXecog, wofiir richtig wohl XsvKooxofAog und 

(vgl. X 457; VII frg. 44. 47. Plin. n. h. IV 11, eyTiQaolxoXog zu lesen ist), ferner oaQbai und oao- 

40) um Abdera wohnte und friiher Saioi (s. Bd. deivat, (Plur.), at (auch oagbivoi, ol), lat. sarda, -ae 

IAS. 1757) genannt wurde. R. Kiepert FOA und sardina, -ae bezogen. Es ist moglich, daB die 

XVI setzt die S. zu beiden Seiten des unteren letzteren Namen, die auf Sardinien als Fangplatz 

Nestos; die von Appian. bell. civ. 102—104 ge- oder Verarbeitung der Fische hindeuten, hier und 

nannten Sapaerpasse sucht Collar t Bull. hell. da auch auf die Sardine (Pilchard), Clupea pil- 
LIII 356; LV423 in der Hiigelkette zwischenCap 60chardus C. V., bezogen wurden, doch laBt sich 

Bulustra und Nestos; vgl. Kro mayor Ant. Schlacht- nicht beweisen, daB die Alton die S. und Sardine 

folder IV 654 (mir unzuganglich). Kahrstedt unterschieden haben; jedenfalls spielte die Sar- 

GGN 1931, 186. Boim Zug des Xerxes durch dine, die zwar im Mittelmeer nicht ganz fehlt, 

Thrakien wurden die S. genOtigt, seinem Heere aber niemals in Massen und Schwarmen auftritt 

Folge zu leisten, Herodot. VII 110. Zur Zeit wie die S., sondern hauptsachlich an den West- 

des dritten makedonischen Krieges war deren kiisten Europas (England, Frankreich) vorkonmit, 

KCnig Abrupolis Bundesgenosse der ROmer, s. wirtschaftlich nicht entfernt die Rolle wie die S. 

Bd. I S. 116. De Sanctis Storia dei Romani Bei Brehm Tierleben^ III 259 ist die Kenntnis 



649 Sardelle Sardelle 650 

der Sardine fiir das Altertum iiberhaupt in Ab- man die acpvr} in Athen, weil sie so wohlfeil sei, 

rede gestellt. nicht besonders schatze und sie fiir ein jixcoxlkov 

DaB die S. [acpvrj) im Athen des 5. Jhdts. oyjov halte, wahrend man sie in anderen Stadten, 

eine sehr beliebte, billige Volksnahrung war, geht obwohl sie dort lange nicht so gut sei, als Lecker- 

aus Aristoph. Equ. 645ff. hervor, wo die Nach- bissen preise. Von den ^aXrjQiTia acpvdia (Dimi- 

richt vom EintrefEen einer Sendung billiger S. nutivform von aq)vri) spricht Aristophanes bei 

sogar die Auflosung einer ganzen Ratsversamm- Athen. VII p. 285 E. 

lung zur Folge hat, da jedermann schleunigst von DaB die acpvri, die auch acpQlxig und aq)Q6g 

den billigen S. haben will (vgl. Schol. z. d. St.). heiBt, nicht wie andere Fische aus Eiern ent- 
Auch sonst wird acpvrj bei den Komikern oft ge- 10 stehe, sondern aus dem Schaum des Meeres, wes- 

nannt als ein kleiner, in Mengen vorkommender, halb der Fisch der Aphrodite nQoocpiXeoxaxog war 

sehr billiger, aber leckerer Fisch (vgl. Athen. VII (Athen. VII p. 325 B), gait als ausgemacht, vgl. 

p. 285 A— E. p. 301 A. Aristophanes bei Athen. Athen. VII p. 284 F. p. 325 B. Oppian. hal. I 

III p. 96 C aXig acpvYig [xoi- uiaQaxkaixai yaQ xa 767ff. Plin. n. h. IX 160 apua spuma maris in- 

hnaQOL Kanxcov). Er wurde in 01 gebraten (daher calescentej cum admissus est imber. XXXI 95 

Aristoph. Ach. 640 dcpvcov xcf^rjv; vgl. Schol. Ari- apuam nostri, aphyen Graeei vocant, quoniam is 

stoph. Equ. 645 teal dq^vcov xifA,?) xo sXatov, snd h pisciculus e pluvia nascatur. Diese Meinung geht 

avx^ sxpovxai. Suid. s. dcpva. Diogen. I 42) und auf Aristot. hist. an. VI 15 p. 569a30ff. zurtick, 

war in ktirzester Zeit gar, so daB das Sprichwort woinlangerenAusfiihrungenvonderungeschlecht- 
dq)va kg nvQ sozusagen den InbegriS der Schnel- 201ichenEntstehungverschiedenerFischeausSchlamm 

ligkeit ausdruckt, vgl. Athen. VII p. 285 C. Schol. und Faulnisstoffen gehandelt wird. Als Beispiel 

Aristoph. Equ. 645. Suid. ^. dcpva. Diogen. II 41. wird xfjg dcpvrig 6 naXoviAsvog dqpQog angefiihrt. 

Zenob. II 32. IV 25 naQooov rj dcpvr} (soxi ds 1%- Die ganze Stelle gilt seit langem als unecht. Die 

dvg) Idovoa xo jcvq [aovov syjsxai, ovxcog ovaa xqv- Ausftihrungen stimmen zwar mit den Anschau- 

(psQa. Hesych. s. We tivq dcpvT}' jzaQoiiA,la, Be- ungen des Aristoteles uber die Urzeugung tiber- 

schreibende Merkmale fiir dq?v7] finden sich nir- ein, sind aber so unklar, daB sie nicht einmal er- 

gends, nur die weiBe Farbung wird von den kennen lassen, ob mit dq)V7j ein bestimmter Fisch 

Schriftstellern tibereinstimmend hervorgehoben, gemeint ist, oder ob dcpvf} hier nur ein Sammel- 

was auf die S., die nicht nur am Bauch, sondern name fiir Fischbrut und Jungfische sein soil. Die 
auch an den Seiten bis iiber die Mitte des Korpers 30 letztere Auf fassung vertreten Aubert-Wim- 

herauf, also zu mehr als drei Vierteln silbrig- m e r Aristot. Tierk. I 125 und man wird ihnen 

weiBe Schuppen hat, zutrifft, vgl. Hikesios bei beipflichten miissen, da ja gesagt ist, daB aus 

Athen. VII p. 285 B x-^g dqpvrjg fj fxhv %evkyj usw. d(pvri verschiedene Arten von Fischen, namlich 

Am ehesten laBt die Erzahlung Athen. XIII die fis/Lt^Qadsg (vgl. Hesych. s. dq)vat i^sfA,^Qdg), 

p. 586 B, daB zwei Schwestern (Hetaren) den Bei- xQixldsg, xQtxtai, syxQaolxoXoi, fA,aivldeg, TteoxQsig 

namen d(pvai hatten, weil sie XevTcal koI Xeuixal entstehen soUen. Auch K o r a e s zu Xenocr. aquat. 

ovoat xovg ocpd-aXf^ovg fyisydXovg slxov, darauf 54 deutet das Wort als Fischbrut unter Hinweis 

schlieBen, daB unter dq)vrj die S. verstanden auf neugriech. dcpQoipoQa. Andererseits ist mit 

wurde, weil hier auBer der weiBen Farbe und dem dieser Deutung die Bemerkung, mit der das Ka- 
zartschlanken Bau auch die bei der S. unverhalt- 40 pitel bei Aristoteles abschlieBt, nicht in Einklang 

nismaBig groBen Augen erwahnt sind. Oppian. zu bringen, daB namlich die Fischer jetzt ein 

hal. I 775 nennt die dcpvai ein noXiov ysvog, hebt Mittel gefunden hatten, um den rasch vergang- 

das Auftreten der XsTixd Ix'&vdia in groBen Schwar- lichen Fisch versenden zu konnen (jiQog xo biaKo- 

men hervor (775 jbivQlai, dpXrjxaQal. 161 rjjisdav^g fxl^eiv) und daB sich der Fisch im eingesalzenen 

d(pvrjg oXiyriTisXsg sSvog. 7841 ov fisv jtov xt xsxv- Zustande langere Zeit halte. Hier liegen eben Ver- 

KXa(, dmbvoxsQov ysvog &XXo dsdalrjg dq?vfjg) und mengungen und Unklarheiten vor, die nicht auf- 

schildert anschaulich, wenn auch dichterisch etwas zuhellen sind. Das Schwanken der Bedeutung von 

iibertreibend, wie das Meer weithin weiB schim- dq^vr) (apua) teils als Name fiir einen bestimmten 

rnert, wenn die d(pvai in groBen Schwarmen Fisch (vgl. Fest. p. 22 apua genus minimi pisci- 
(doXXi^dfjv) heranschwimmen (791 jcdaa xoxe ylavKYj 50 euli) teils als Sammelname fiir Fischbrut im Sinne 

ievKaivsxai dfj,q?ixQixr)f vgl. 796f . IV 479ff .). Auch des Aristotelischen ,Meerschaumes* zeigt sich noch 

das von dtpvrj gebildete Verbum dq?v8iv, das in den Glossaren, die dqpvrj teils mit apua teils 

Hesych. s. dqpvec dnoXevTiaiverai, ?cal wonsQ mit lac marinum und mel marinum erklaren, 

dcpvrjg xQ^t^ 'toxBi, (vgl. Hippokr. II p. 498 K. worin sich wie in der Erklarung vom d(pvbiv 

p. 206, 36) erklart, enthalt den Hinweis auf das (dq)vdiov y^. Aristophanes bei Athen. VII p. 285 E 

hervorstechendste Merkmal, die weiBe Farbe; dcpvdia) als mel marinum (vgl. CGIL II p. 17, 16. 

ebenso das Adjektivum dq)vc68rjg Hippokr. de mul. p. 436, 63) der Aristotelische ,Meerschaum* wider- 

II p. 164, 39. Auf den silbrigen Schimmer weist spiegelt (vgl. Papendick Fischnamen in grie- 

hin Gramm. Bekk. p. 472, 26 dq)va nal d(pvrj' chisch-latein. Glossaren, Diss. Wiirzburg [1926] 
soxi fjLsvxoi Ix'&vdcov (pavXov Kal Xvtiqov, dQyvQt^ov 60 24). Den Namen dqjvrj erklart Athen. VII p. 324D 

W XQOiq. Kal XQ^^ ^^ d<pvcb8sg usw. Hesych. dq)vst 6' cog av dq)vecg o'doai, xovxsoxiv bvocpvelg 

s. d(pvYj ' xd fiiKQa Ix'&vdia. f alsch und auch die Erklarung von P a s s o w 

Als die besten dcpvai galten die im Hafen Griech. Worterb. aus d-(pvco (Entstehung ohne 

Phaleron sowie die bei Rhodes gefangenen (Arche- Zeugung), trifft kaum das Richtige, sondern dcpvr} 

stratos bei Athen, VII p. 285 B. Lynkeus bei gehort wohl zu dcpQog, Schaum. 

Athen. VII p. 285 E. Schol. Aristoph. Equ. 645 Eine von den Aristot. hist. an. VI 15 p. 569 a 

d(pvag ^aXrjQixdg xdg fA,sydXag, Suid. s. dq)va). 30ff. (vgl. Athen. VII p. 285 A) genannten Fisch- 

Chrysippos bei Athen. VII p. 285 D tadelt, dafi arten, die aus dcpvr) entstehen, namlich die sy^cQa- 



651 Sardelle Sardelle 652 

oixoXot, soUen nach der von Cuvier und Va- S. 841ff.), und im Edict. Diocl. 5, 12 (p. 16 Bltim- 
lenciennes Histoire naturelle des poissons ner) erscheinen ebenfalls sardae sive sardinae 
(Paris 1828 — 1847) vertretenen Meinung S. sein. (oa^dcov '^zoi oaQdeivwv), von denen 1 Pfund 
Cuvier leitet den Namen davon ab, dafi den S. 16 Denare (etwa 30 Pf.) kostet. Andererseits ist 
beim Herrichten fiir die Zubereitung der Kopf aber oaQba an mehreren Stellen ohne Zweifel der 
abgerissen wird, wobei gleichzeitig die Eingeweide Name zwar nicht fiir eine Thunfischart, wie 
samt der Leber herausgerissen werden, erklart B 1 ii m n e r Edict. Diod. 82 sagt, wohl aber fiir 
also syTCQaolxoXog mit ev TCQati xoXog, der Fisch, den Thunfisch in einem bestimmten Entwick- 
der die Galle im Kopf e hat. Ob dieses heute aller- lungsstadium (vgl. Xenocr. de alim. 34. Plin. n. h. 
dings iibliche Verfahren bei der S.-Zubereitung 10 XXXII 151. Diphilos bei Athen. Ill p. 120 F. 
(vgl. Brehm Tierleben^ III 260) ohne weiteres Galen. VI p. 728f. Oribas. II 58 p. 156; s. den 
auf das Altertum libertragen werden darf und ob Art. Thynnos). Becker-Goll Gallus III 
die sehr gekiinstelt erscheinende Erklarung Cu- 336 bestritt deshalb, daB od^dat und oaQdsZvai 
viers das Eichtige triSt, scheint sehr fraglich. liberhaupt die S. bedeute, doch ist es durchaus 
Eher dtirfte in dem Worte der Stamm ?{Qa von moglich, daB die Namen, die ja nur auf die 
HSQawviA,!, stecken, so daB es mit Stephanus Gegend des Vorkommens oder der Verarbeitung 
als ,eui permixta bilis est, biliosus == o^vxoXog^ der Fische hindeuten, fiir beide Fischarten ge- 
zu erklaren ware. Die eyHQaoixoloL erwahnt unter braucht wurden. Bei Gal. VI p. 729 ovoiid^exai 
Beziehung auf Aristoteles auch Athen. VII p. 300 F owi^t^cog vno ndvxwv fjdrj rd rocama raQlx^] odgda 
als f^iKQa Ix'&vdia und sagt, daB sie Dorion unter 20 erscheint der Name sogar als Gattungsbegrifi fiir 
den iyjTjzoL anfiihre, worunter nach Athen. VII Salz- und Pokelfische uberhaupt (vgl. Oribas. IV 
p. 301 A rd XsTTcd ix'&vdia zu verstehen sind, vgl. 1 p. 267. K o r a e s zu Xenokrates und Galenos 
Hesych. s. ey^iQaolxoXor eldog ix'&vcov. Kallim. 167 iiber oagdcfcd xaQixrj), Das starke Schwanken 
frg. 38 Sch. syHQaoixoXog, eQixiiAog XaXxrjdonoi. der Bedeutung dieser Fischnamen weisen auch die 
Schol. Aristoph. Equ. 645. Suid. s. dq?va. Die Glossare aus. Hier wird sardina moistens mit 
Gleichsetzung der Namen iyxQaolxoXog und sy- 'dQiooa (d'Qfiooa) erklart (vgl. CGIL II 178, 51. Ill 
yQavXig, -ecog, rj ergibt sich aus Ailian. hist. an. 17, 2. 89, 26. 257, 1. 318, 19), aber sarda auch 
VIII 18 syyQavXsig, dl be iyxQaoixdXovg ^iaXovoiv, mit xoXeol (HoXlag)^ lacerta (lacertus) und pela- 
avrdg, nQooaHYjKod ys [jltjv xai tqIzov ovof>ia avrcoVf mys gleichgesetzt (vgl. Papendick3. 5. 7. 23). 
elol yaQ ot Ttal XvKooxofAovg avtdg 6vofA,dCovoiv. 30 Eine einigermaBen sichere Deutung dieser Namen 
Hier erscheint also auch der weitere Name Xvho- ist nicht moglich. Keller Antike Tierwelt II 
otofjLoi (richtig wohl XevKooxoiwi), der sich auch 356 halt d'Qiooa fiir die Also (Maifisch), Alosa vul- 
Geop. XX 46, 1 (als Fisch im Garum) und Suid. garis Cuv., einen dem Bering nahe verwandten 
s. XvTcooxo^og . . .0 eoxiv iyyQavXecog findet. Ailian. Fisch. Bltimner 82 setzt d-Qlooa gleich xQix^g 
a. 0. schildert das Auftreten der Fische in so ge- und bezieht beide Namen auf die S., wahrend 
waltigen Schwarmen und so dichten Massen, daB Cuvier in der xQixig die Sardine erkennen 
selbst Fahrzeuge nicht hindurchkommen; auch woUte, lediglich eine Vermutung, die von Au- 
mit Rudern und Ruderstangen konne man die bert-Wimmer Aristoteles' Tierkunde I 141 
Masse nicht durchhauen. Greife man mit der mit Recht als unbegrundet abgewiesen wird. tTber 
Hand in die Masse, um eine Portion Fische her- 40 KoXlag und lacertus s. den Art. M a k r e 1 e 
auszuholen, so gelinge das nur mit groBter Miihe, Bd. XIV S. 813. Nach Schol. luven. XIV 131 
wobei die Fischlein zerreiBen, so daB man mei- scheint der Scholiast den Fischnamen lacertus mit 
stens nur den Kopf oder den Schwanz in der sardina gleichzusetzen. Dagegen deutet Isid. XII 
Hand behalte. Ein einziger Fischzug fiille oft 6, 38 pisciculos sardas sardinasque vocari auf sehr 
50 Fischerkahne. Die gleiche Schilderung mit fast kleine Fische hin und Colum. VIII 17, 12 putrem 
den gleichen Worten und tJbertreibungen bringt sardinam auf das Einpokeln; vgl. Chronogr. ed. 
Oppian. hal. IV 468ff., wo aus den Versen son Momms. p. 647, 26 vasculum sardinarium. Auson. 
ds xcg vsTiodcov dstXdg hoi dmKvg o^iXog, d^XrjXQV^ epigr. 82, 6 (p. 343 P.). Bei Apic. IX 10 G. et V. 
d(pv7]g ddivov ysvog^ at KaXsovxai eyyQavXsig auch kann sarda nach der Beschreibung der Zuberei- 
die Gleichsetzung dcpvr] = syyQavXig hervorgeht, 50 tung nicht die S. sein, sondern hier sind wie 
vgl. Schol. Oppian. hal. I 767. 777f. Schol. Ari- Plin. n. h. XXXII 151 vgl. 46 jiingere Thun- 
stoph. Equ. 645 eoxi be (dcpvrj) rj naQa utoXXcbv fische gemeint. Dagegen handelt es sich Apic. IV 
Xsyo[Asvr} syyQavXig. 2,11 patina de apua und 20 patina de apua fricta 
In der Athen. VII p. 328 F iiberlieferten Notiz wohl um S. Apic. IV 2, 12 gibt auch ein Rezept 
aus Epainetos ;^a2;>^/5a?, oig xaXovot hoi oaQdivovg, fiir eine patina de apua sine apua, ein Gericht, zu 
sQixlfA.ovg kann oaQdivovg nicht die S. bedeuten, dem keine S. verwendet wurden, das aber so raf- 
da der Name gleichgesetzt ist mit x^^^^^^i wor- finiert zusammengestellt war, daB man das Fehlen 
unter vielleicht der Petersfisch, Zeus faber L., der S. nicht merkte (nemo agnoscet, quid mandu- 
aber keinesfalls die S. zu verstehen ist. Die Be- cet). Von einem solchen falschen S.-Gericht, das 
merkung des Athenaios, daB Aristoteles sv sisf^mw 60 ein tiichtiger Koch dem Nikomedes von Bithy- 
Cq>a>v toxoQiag gleichfalls oaQdivovg nenne, ist in- nien servierte, als dieser auf einer Reise weit weg 
tiimlich; denn Aristoteles nennt oaQblvoi nicht, vom Meere plotzlich S. (dcpvai) wiinschte, die 
sondern nur einmal [IX] 2 p. 610 b 6 findet sich nicht zu beschaSen waren, erzahlt Athen. I p. 7 D. 
der Fischname oaQylvoi, der nicht deutbar ist. Auch Suid. s. dq?va erzahlt diese Geschichte, bringt 
Ob odQba das gleiche bedeutet wie ooQblvot, ist sie jedochirrtiimlichmitApicius(14:7z;/^«o?do^/;o99a- 
nicht sicher. Gal. VI p. 746 nennt odQbai Kal yog) in Verbindung. — Eine sehr gute Wiedergabe 
ooQbfJvai als Fische, die sich besonders zum xaQi- einer S. zeigt das pompeianische Fischmosaik bei 
Xog eignen (s. den Art. Garum Bd. VII Keller Ant. Tierw. II Fig. 124. [Steier.] 



658 2aTvvat Schraube 654 



Zam Band II A. 

Saxivai^ (plur.tantum) wird an vier Stellen als stellt fest, daB SAYMJAKOY keinesfalls gelesen 

Bezeichnung eines Wagens erwahnt: Horn. hymn. werden kann; der Name laBt sich aus dem Grie- 

Ven. 13. Sapph. 55 a 13. Anakr. 54, 10. Eurip. chischen nicht erklaren; einem neuen bosporani- 

Hel. 1311. Wie Leumann Herm. LXVIII 359 schen Herrscher "Anog oder %>cr}g begegnet er mit 

zeigt, handelt es sich nicht um einen Streit-, son- grofiter Zuriickhaltung. Sollte der Stater sich 

dern um einen Frauenwagen, der wohl aus Klein- zweifelsfrei als bosporanisch erweisen, so miissen 

asien kam. Die Etymologic des keinesfalls grie- wir gegen 2ebelev einen Skythen A.7iog i^Krjg) 

chischen Wortes ist dunkel. Nichts hilft Hesych. als zeitweiligen Herrscher in Pantikapaion an- 

oaxdla- nXsiag ro aoxQov. Die Zusammenstellung setzen. Das ware dann ein Vorlaufer des S. und 

mit arm. sayl ,Wagen*, das auf arm.-phryg. satilia 10 dieser nicht der einzige, sondern der letzte Skythe, 

zurtickgeftihrt wird, ist moglich. G^. catu der das bosporanische Reich beherrschte. 

,Kampf hatte nur zu dem Streitwagen gepafit. [Erich Diehl.] 

Pokorny-Waldel 339. [W. Kroll.] Scelerata, ein Ort in den Alpes luliae, nur 

Saumakos, ein Skythe, herrschte ca. 108 bekannt aus der (in Aidussinae in der Nahe von 
V. Chr. fast ein Jahr lang als unabhangiger Konig Triest gefundenen) Grabinschrift, die Antonio Va- 
lines national skythischen Staates tiber das bos- [lenjtinoj einem prinei[pi] leg(ioms) XIII ge- 
poranische Reich. Im Palast des letzten Pairisades min(ae), der a latro[niJbus getOtet worden ist, 
als Sklave geboren, wurde er bei Hofe erzogen von seinem gleichnamigen Sohne gesetzt worden 
und freigelassen. Als Pairisades die Oberhoheit ist (Pais 58 =Dess. 2646. J u n g Fast d. Prov. 
auf Mithradates Eupator ubertrug, dieser aber die 20Dacien 881). Jung 89 lafit es dahingestellt, ob 
Macht noch nicht ergriSen hatte, sturzte S. den die Inschrift in die Zeit gehOrt, da die Legion in 
Pairisades und ermordete ihn. Diophantos, der Apulum ihrenSitz gehabt hat (nachRitter ling 
Bevollmachtigte Eupators, rettete sich mit knap- Bd. Xil S. 1717ff. vom J. 127—275 n. Chr.), 
per Not, kehrte im nachsten Jahr mit starker oder in eine friihere, Ritterling 1721 setzt 
Heeresmacht zunick und schlug den Auf stand nie- sie in die Zeit kurz vor oder nach der Mitte des 
der. S. wurde gefangen genommen und Mithra- 3. Jhdt. und glaubt, daB die Inschrift auf einen 
dates ausgeliefert. langeren Aufenthalt der Legion in der Uragebung 

Zeugnisse: 1. Die Diophantosinschrift von Aquileia schlieBen lasse. [Max Fluss.] 

IPE I 2352 = 1185, Syll.3 709, wo S. begreif- Schraube (eoehlea, xoxXlag). 

licherweise nicht ^aodevg genannt wird. Dazu 30 1. Die S.-Linie, UiS V ^^^* nvhvbQOv, DaB 

grundlegend S. 2ebelevLe dernier Pairisades Archimedes die Theorie der S.-Linie gegeben hat, 

et Tinsurrection des Scythes bosporans (russisch), ist nirgends direkt bezeugt; es ist aber sehr 

Izvestija d. Ak. f. Gesch. d. mat. Kultur 70 (Le- wahrscheinlich. Er hat die Theorie der Spirale, 

ningrad 1933). e^'&Qsipavxa der Inschrift Z. 34 sXi^ ^ h smnsdco yQa(po[A,evri, gegeben, und eben- 

interpretiert 2 e b e 1 e v 27f . zweifellos richtig als falls die Theorie der Kugelspirale, UiS hd 

terminus technicus der Freilassung eines (im otpaiQag (vgl. Heiberg Quaest. Archim. 17); 

Hause geborenen und erzogenen) Sklaven, Belege dazu kommt, daB er der Erfinder der Wasser- 

S. 28 und Anm. 1. 2. 3. 4. Den rein national schnecke und der endlosen S. war. ApoUonios von 

skythischen Charakter der Erhebung des S., die Perge hat bewiesen, daB die S.-Linie homoiomer 

nur mit Unterstiitzung seiner Stammesgenossen 40 war, wie die gerade Linie und der Kreis (Proel. 

moglich war, hebt 2ebelev gebiihrend hervor. z. Euklid I p. 104, 26). Auch Geminos hat iiber 

Skythen standen gegen Griechen, Untergeordnete die S. geschrieben (Procl. ebd. 105, 26. 176, 23). 

gegen sonst Privilegierte. Ein Rechten mit 2ebelev Die Definition der S.-Linie gibt Heron zwei- 

wegen seiner Terminologie ware bei dieser von mal: Definit. 7 (Opera omnia IV 20): eav dk 

ihm klar erwiesenen Sachlage ein Streit um Worte, 7iaQaXXrjXoYQdf4,fiov oQ^oycoviov iievovarig fiidg 

denn daB wir ein unverhiilltes Ringen um (natio- nXsvQag xcov nsQi rtjv oq'&tjv ycovlav ijzsqisvsx'^^'^o^ 

nale) Macht und Vorherrschaft vor uns haben, to [iev naQaXXriXoyQai^fjiov elg xo avzo uidXiv ano- 

liegt auf der Hand. 2. M li n z e n. Zwei silberne Tiaxaaxadfj, o§€v ^Q^axo (psQso'd'ai, iifML 8e xc^ 

Diobolen mit der Inschrift ^ao{dsQ)g) 2av(f4,dxov), tPcaQaXXrjXoyQaf^ficp ori[A,eUv xi (psQrixai nax' avxfjg 

V. bartloser Kopf im Strahlenkranz rechtshin, R. 50 xijg fA,r} fisvovorjg naQaXXtjXov aQ^dixevov duid 

Stierkopf, Buratschkov XXV 37, dazu Weil tov exsQov nsQaxog, x6 /^hv [o^v] nsQiXr}(pd'hv 

Z. f. Num. VIII 329. Eine dritte Miinze ^aoi- oxfjf^ vnd xfjg xov TiaQaXXrjXoyQdfif^ov mvrioecog 

{Xecog) I!av{fAdKov)^ V. bartloser Kopf im Strah- xaXsixac xvXtvdQog, ri ds vno xov q?sQOfA,ivov 

lenkranz von vom. R. Blitzstrahl, v. S allot orjf^elov yQa/A>f^rf ylvsxai eXtS, ^g ndv fASQog htl 

Z. f . Num. XVI 3. Minns Taf. 6, 22. Es mufi ndv scpoLQ/bioCeif oxav im xd avxd f^egri xd xotXa 

noch festgestellt werden, ob der Goldstater fiaoi- sxn und in der Mechanik II 5 (Op. omn. H 1, 

Xea>g Atcov, schlecht abgebildet bei Chabouil- 105, 7 [arabisch], 282, 10 [griechisch] ; die ara- 

let M6m. Soc. Ant. de France 9, 1866, Iff., gut bische Ubersetzung entspricht genau dem griechi- 

nach GipsabguB bei Oreschnikov Num. ^Q\i&iil!eisX)i sdv TcvXivbQov nXevQd q)eQrixai xaxh 

Sbornik 2, 1913, 41 f. (Text russisch), uberhaupt 60 r^? xov xvXivdQov smtpavslagj nQog ds x^ jtiQaxi 

ins bosporanische Reich gehort (Nachweis oder xavxrjg orjfytelov xi &fm xaxd avxfjg x^g nXevQos 

Gegenbeweis fehlen bisher). 2ebelev29 Anm. 3 q^sQrjxaij nai kv r(p abxc^ XQ<^^^ V "^^ nXsvQa filap 



655 Schraube Schraube 656 

djioHatdozaoiv Tioii^orjrai xat to orifAsiov to utdv fiir endlose S. nur solche mit spitzen Windungen 

xfjQ uilsvQdg dis^eK'&f), ^ ysvofxevrj vno rov orifieLov verwendet wurden. 

h tfj TivXivbQioifi eTtiqyavslq. y^a/w^^ IAt| iativ, rjv Zum Einstellen werden endlose S. in Herons 

d^ xoxkiav xaXovoiv, Sachlich sind die zwei Dioptra 3 verwendet (Op. omn. Ill 194). Die S., 

Definitionen gleich; der Unterschied kommt von die mit einem waagerecht angebrachten Zahn- 

der verschiedenen Anwendung: die erste, streng rade im Eingriff ist, hat in der Langenrichtung 

theoretisch, setzt so wenig wie moglich voraus: eine Nute, so daB das Zahnrad, wenn die Nute 

die zweite, fur die Praxis, ist mogliehst bequem. ihm gegenubersteht, frei gedreht werden kann, 

2. Die S., sXi^, xox^tag, und dann, durch eine Drehung der S., in einer 

a) Die endlose S. DaB Archimedes die S. er- 10 beliebigen Stellung festgehalten wird. Eine 

funden hat, ist durch Athenaios (Quelle Mo- andere S., mit oder ohne Nute, wirkt auf ein 

schion) direkt bezeugt (V 207 b): TiQcoxog d" 'Aqxi- senkrechtes Zahnrad ein; der Text ist hier ver- 

IA,ribri9 s^Qs xtjv xfjg sXiKog TiaxaoKsv^v (vgl. dorben, so daB wir nicht genau wissen, wie die 

Eustath. II. XII 293. Ill 114 StaUb.). Die S. Vorrichtung aussah. (Vgl. Dioptra 3 am 

wurde als endlose S. verwendet, d. h. mit einem SchluB des Bandes unter Nachtrage.) 

Zahnrade in Eingriff, und in einem Spill ein- b) Die S.-Mutter. Schon in der Zeit des Archi- 

gerichtet, mit dem Archimedes allein ein groBes medes wurde es versucht, die Kraft der S. direkt 

Schiff in Bewegung setzte. Die Quellen stimmen zu benutzen. Der Arzt Andreas, um 217 v. Chr. 

nicht iiberein: nach Athen. V 207 a, Prod, in gestorben, machte eine Einrenkungsmaschine, 

Euklid. I 63, und Tzetz. Chil. II 35, 107 wurde 20 die von Oribas. CoU. med. 49, 4, 55. 5, 1—5 

es ins Wasser gezogen; nach Pint. Marc. 14 aus beschrieben wird. Ein starker Rahmen wurde aus 

dem Wasser gezogen. DaB Plutarch keine S. zwei Langholzern und zwei Querholzern ge- 

nennt, scheint mir nicht gentigend, um das Zeug- bildet; die S. war in den Querholzern gelagert. 

nis des Athenaios in Abrede zu stellen, wie Zwei Schlitten von der Lange der Querholzer 

Heiberg Quaest. Archim. 36 tut. konnten zwischen den Langholzern gleiten; sie 

Die endlose S. wird von Heron beschrieben, wurden durch Nuten in den Langholzern ge- 

Mech. II 6 (Op. omn. II 1, 109, 16, arabisch, 286, steuert. Die S. war zweifach; die eine Halfte 

22, griechisch), und Mech. II 18 (ebd. 141, 3, hatte eine Rechts-S., die andere eine Links-S., 

arabisch, 288, 20, griechisch). An der letzten die Mitte war frei und hatte Locher fiir die 

Stelle beweist er, daB jede einzelne Umdrehung 30 Speichen, womit man die S. drehte. Die Schlit- 

der S. einen Zahn des Zahnrades vorruckt. ten batten keine richtigen S.-Mutter, sondern 

In der Mech. II 29 (Op. omn. II 1, 163, 17 waren glatt durchbohrt; ein Zapfen, von Ori- 

nur arabisch) gibt Heron ein Schulbeispiel, wie basius ,Zahn* obwg, sonst aber Pflock, xvXog^ ge- 

man die vier einfachen Potenzen zusammen nannt, griS in die S.-Windungen ein. Die S.- 

brauchen kann: Hebel, Flaschenzug, Welle und Windungen waren vierkantig. An den Schlitten 

S.; es scheint doch nur eben ein Schulbeispiel waren die gewohnlichen Seile befestigt. Mit die- 

zu sein, wie die Anwendung der S. im'sog. Bar- ser sehr primitiven S.-Mutter konnte nur ein sehr 

ulkos, eine Art Spill mit vielen Zahnradern und maBiger Druck ausgeiibt werden; solange man 

einer S., Dioptra 37 (Op. omn. Ill 306). Der- kein wirkliches inneres Gewinde machen konnte, 

selbe Barulkos wird auch in der Mechanik er- 40 war die Verwendung der S. sehr begrenzt. Fiir 

wahnt, I 1 (Op. omn. II 1, 3, arabisch), ohne S.; kleine Bronze-S. wurde diese Art S.-Mutter das 

p. 256 (griechisch) mit S. = Dioptra 37; wozu ganze Altertum hindurch verwendet; ein chirur- 

Pappos 1060. Ob die S. in der Praxis fiir Spille gisches Instrument, speculum matris, in Pompeii 

Verwendung fand, bezweifle ich; Vitruv, der ein gefunden, hat eine solche Vorrichtung; s. Real 

ganzes Kapitel iiber Hebemaschinen hat, X 2, Museo Borbonico, 1852, 14 Tab. 36 Fig. 1 — 2. 

nennt sie nicht. Heron braucht sie fiir seine einsteUbaren Ziel- 

Dagegen hat Heron eine ganze Reihe von end- spalten in seiner Dioptra, Dioptra 4 (Op. omn. 

losen S. fiir seinen Wegmesser, Hodometer (s. den III 200, 11) und fiir seinen einsteUbaren Heber, 

Art. 0. S. 113), verwendet; Dioptra 34 (Op. omn. Pneum. 1, 5 (Op. omn. I 50, 4 — 5). Vgl. A. G. 
Ill 292); es ist ein Zahlapparat, der die Um- 50Drachmann Journ. hell. stud. LII 116. 

drehungen eines Wagenrades zahlt. Hier lernen Heron hat mehrere Kapitel seiner Mechanik 

wir zugleich, wie ungenau die S. waren: Theo- dieser Art von S. gewidmet (Mech. II 5 [Op. 

retisch muB zwar die S. 30 Umdrehungen omn. II 1, 107, 10, arabisch; 284, 8, griechisch]; 

machen, um ein Zahnrad mit 30 Zahnen einmal II 16, 19 [Op. omn. II 1, 139, 1 und 141, 20, 

zu drehen; man muB aber eine Probe machen, nur arabisch]). Er hat gar keine S.-Mutter, nur 

und dann sieht man zum Beispiel, daB schon ein Stiick Holz, rvXog, das mit dem einen Ende 

20 Umdrehungen geniigen. in die S.-Windungen paBt, mit dem anderen in 

Oribasius berichtet (Coll. med. 49, 20, 1 — 7, einer Rille parallel zur S. lauft. Er braucht dafiir 

ed. Raeder), daB Nymphodoros die endlose S. in sowohl vierkantige als scharfe Gewinde, und er 

seiner Vorrichtung zur Einrenkung verwendete. 60 weiB genau, daB nur flache Gewinde die Last, die 

Diese Vorrichtung, rd NvfA,q?odc6Qov yXcoaooxofAfOv, in einem Seile vom tvXog hangt, tragen konnen: 

war eine Art Spill; die S. bewegte ein Zahnrad, wird das Gewinde zu steil, so kann die Last die 

auf dessen Achse vier Seile befestigt waren; die S. zuriickdrehen. Ob dies^ S. jemals fiir prak- 

Seile wurden iiber Blocke geleitet, zwei nach tische Zwecke verwendet wurden, mag dahin- 

oben, zwei nach unten, und an den Gliedern des stehen; sie scheinen vielmehr Schulbeispiele zu 

Patienten befestigt. S. Bernh. Faust Diss. sein; wahrscheinlich sind sie nach dem Muster 

Greifsw. 1912. der Einrenkungsmaschinen ausgekliigelt. 

Oribasius bemerkt. Coll. med. 49, 4, 58, daB Doch wird diese Anordnung einmal von ihm 



657 



Schraube 



Schraube 



658 



verwendet, in seinem Automatentheater, 10, 2 — 3 
(Op. omn. I 370ff.)j wo eine S. mittels eines 
rviog ein Rad hebt oder senkt. 

Ihre grofite Anwendung fand die S. im Alter- 
tum in den 01- und Weinpressen. Plinius schreibt 
dariiber, n. h. XVIII 317: intra C annos inventa 
Qraecanica, mali rugis per coehleam ambulanti- 
hus, ah aliis adRxa arhori stella, aliis areas lapi- 
dum attollente secum arbor e, quod maxime pro- 
batur. intra XXII hos annos inventum parvis 
prelis et minore torculario aediHcio, breviore malo 
in medio derecto, tympana imposita vinaceis 
superne toto pondere urgere et super prela eon- 
struere congeriem. Die Presse bestand ans einem 
langen Balken, der als einarmiger Hebel wirkte; 
das aufiere Ende wurde durch ein Spill nieder- 
gezogen. Die S. wurde zuerst als Ersatz Mr das 
Spill verwendet, nach Plinius um 25 v. Chr.; spa- 
ter, nach Plinius um 50 n. Chr., wurde sie direkt 
liber der Prefimasse angebracht. Vielleicht meint 
Vitruv die erste Anwendung, wenn er schreibt, 
VI 6, 3: ipsum autem torcular, si non cocleis 
torquetur sed vectibus et prelo premitur, ne 
minus longum pedes XL eonstituatur. Das Zeug- 
nis des Plinius wegen dieser Vitruvstelle zu ver- 
werfen, scheint mir nicht wohl begriindet. 

Die Anwendung der S. fiir Pressen war ohne 
eine wirkliche S.-Mutter nicht moglich. Zuerst 
hat man das Holz fur die S.-Mutter aus zwei 
Stiicken zusammengesetzt, wie Heron es be- 
schreibt, Mech. Ill 15 (Op. omn. II 1, 233, 13, 
arabisch). Diese S.-Mutter verwendet Heron ftir 
eine indirekte S.-Presse. Wenn er aber die direkte 
S.-Presse beschreibt, sagt er, Mech. Ill 19 (Op. 
omn. II 1, 245, 17, arabisch): ,Wie man aber die 
S.-Mutter herstellt, werden wir im folgenden 
darlegen.* Dies geschieht im c. 21 des 3. Buches 
der Mechanik (Op. omn. II 1, 249f!., arabisch), 
wo er einen Apparat zur Herstellung einer S.- 
Mutter, die zu einer gegebenen S. pafit, be- 
schreibt (s. A. G. Drachmann Ancient Oil 
Mills and Presses, 1932, 77ff. [Danske Vidensk. 
Selsk. Arch.-Kunsthist. Medd. 1, 1.]). 

Oribasius kennt die S.-Mutter und nennt sie 
nsQimxhov, Er schreibt Coll. med. 49, 4, 58: ol 
fjLEV yoLQ xexQaycovoi [sc. KOx^iai\ xsXcbvag klvov- 
olv, 01 8s (pa^ootot nQoriyovixevwg fA,hv tv/A,7iava, 
note bh hoi xsX(bvag iv roig Xeyo/nsvoig tibqihox- 
Xloig, und weiter, 49, 5, 8 — 9: ?civ€2 8e noxs 6 
avtog TioxXiag ;f«Ac6r?y^, d2A' ovxhi dl obovxog, 
ojojtSQ 6 rexQaycovogj dXX' sv t(^ Xeyofxevcp nsQi- 
fioxXlct) Gvvexof^svogf d nsQiKox^iov iv avrfj xfj 
xfjg x^Xcbvrjg yivexat TcaxaoTisvfj' avxb yaQ xb xrjg 
X^XcovTjg xQTJfjLOL x6 naQa8ex6[Jievov xov xox^lav 
dvxMxoig eXi^i xoTg xov q)aKoyxov hoxUov nsQie- 
GTcanxaiy woxs xdg i^sxovoag sXixag xov q?a}ccoxov 
Hox^lov TcaxaxsfeXsio'&ai eig xdg xov tisqihoxXIov 
xotUag Tcal jtaQa8s8ix'&OLi eig xdg (xov q?a?<€oxov 
HoiXiag xdgy xov uisqikoxXIov e^oxdg, ovfxpalvsi 
8r) iv xfj xov xoxXlov, ovoxQoq)fj xwv ^oxXtcbv iv 
xacg sXi^iv elXovf^svoyv xrjv xfjg x^^<^'^VS mvrjoiv 
yiveo'&ai jzoxh fJisv dvo), noxs 8s Ttdxoi. Die S.-Mutter 
wurde statt der ,Zahne* in Vorrichtungen wie der 
des Andreas verwendet. 

c) Sonstige S. Ammianus Marcellinus nennt 
ein Paar S. in seiner Beschreibung der ballista 
XXIII 4, 2: eique cochleae duae ligneae con- 
iunguntur aptissime, quarum prope unam adsistit 



artifex contemplabilis . . . Die S. wurden somit 
zum Zielen verwendet. 

d) Wie man eine S. macht. Im 2. Buch seiner 
Mechanik beschreibt Heron genau, wie man eine 
S. macht; zuerst theoretisch, c. 5 (Op. omn. H 
1, 282, 17, griechisch; 105, 15, arabisch), dann 
auch praktisch, c. 16 (135, 20, nur arabisch). 
Ein Zylinder aus starkem Holz wird gedrechselt, 
und die Hohe der S.-Windung wird mehrfach 

1 einer Seite entlang abgemessen. Dann konstruiert 
man ein rechtwinkliges Dreieck, dessen Katheten 
gleich dem Umfang des Zylinders und der Hohe 
des S.-Ganges sind. Nach diesem Dreieck macht 
man eine Schablone aus diinnem Messing und 
windet sie um den Zylinder, so dafi die Seite, die 
dem Zylinderumfang entspricht, einen Kreis 
bildet und ihre beiden Enden zusammengeheftet 
werden konnen. Man kann nun der Hypotenuse 
entlang eine Windung nach der anderen von 

20 Punkt zu Punkt Ziehen. 

Pappos hat dieselbe Methode, 8, 49 p. 1108L 
Er fiigt hinzu, dafi man nach derselben Schablone 
Windungen in halber Entfernung von den an- 
deren Ziehen kann, um den Boden der linsen- 
f ormigen (spitzen) S. f estzulegen. H u 1 1 s c h hat 
diese Zeilen als unecht eingeklammert. Echt oder 
nicht — sie stammen aus der Hand eines Prak- 
tikers. 

e) Wie man ein Zahnrad macht, die zu einer 
30 gegebenen S. pafit. Auch diese Konstruktion be- 
schreibt Heron Mech. I 19 (Op. omn. II 1, 49, 3, 
nur arabisch). 

Er macht einen Kreis, grofier als das Had, 
und teilt ihn in ebensoviele Telle, wie das Zahn- 
rad Zahne haben soil. Die S. ist linsenformig, 
nicht, wie Nix gegen alle Hss. behauptet, vier- 
kantig. Fiir eine vierkantige S. hatte man das 
Rad in die doppelte Zahl von Teilen teilen 
mlissen. Zwei Teilpunkte, A und B (s. Fig. 1), 
40 




werden miteinander und mit dem Zentrum C ver- 
bunden; die S.-Hohe wird auf AB abgemessen, 
A D. Eine Linie durch D, parallel zu A C, sehnei- 
60 det B C in E. Ein Kreis durch E, mit C als 
Zentrum, schneidet AC in F. E F gleicht der 
Schraubenhohe A D und teilt den ganzen kleine- 
ren Kreis in genau so viele Telle, wie AB den 
groBeren. Ein zweiter Kreis, GH, dessen Ab- 
stand von E F der Tiefe der S. -Windungen ent- 
spricht, wird gezogen. Die andere Seite des Rades 
wird eingeteilt wie die erste, nur werden die Teil- 
punkte versetzt, damit die Zahne schrag werden. 



659 Scoldimn Senatus (Konigszeit) 660 

Pappos beschreibt die umgekehrte Konstruk- FEst, Bullet, trimestriel, Nancy 1890, 534f.) und 

tion: Wie man eine S. macht, die zu einem ge- Metheny (Journ.Amer. Orient. Society XXVIII 1, 

gebenen Zahnrad pafit, 8, 49, llOSff. Das heiBt, 1907, 160) diese Stadt in dem jetzigen Balqis 

er beschreibt, wie man die S. und wie man das vermutet batten, wurde diese Lage von Zeugma 

Zahnrad macht, und sagt nachher, dafi man die durch die Untersuchungen Cumonts gesichert 

S. mit einer den Zahnen entsprechenden Hohe {Etudes Syriennes, Paris 1917, 120 — 142). 

machen soil. S. 2562, 11 unter Nachtrage: 

f) Existierende S. Vier chirurgische Instru- 15) HsXsv^sia uiQog rep EvXcdcp (Kern Inschr. 
mente mit Bronzeschrauben sind noch vorhanden; v. Magnesia 51, nr. 61 = Syll. or. 233) ist, wie 
drei im Mus. Naz. in Neapel, eines im Termenmus. 10 neuere Inschriftenf unde lehrcn, der hellenistische 
in Kom. Vgl. oben unter b. Eine Tuchpresse mit Name von Susa (Haussoullier Anatolian Studies 
einer wohlerhaltenen holzernen S. ist in Hercu- presented to Eamsay, 1923, 189 = M^m. de la 
lanum gefunden und dort aufgestellt. D^l^gat. en Perse XX 81 nr. 3. Cumont Compt. 

g) Abbildungen. Ein Wandgemalde in der Eend. 1932, 244: Brief Artabans III. Z. 16 [neben 
grolten Fidlonica in Pompeii zeigt eine Tuch- Susa ebd..240 Z. 2]. 284).^ Die Gleichsetzung mit S. 
walkerpresse. Sie hat zwei S., die links und nr. 13)amHedyphon (j. Gerrahi), diemehrfach vor- 
rechts gedreht sind; die S.-Mtitter sind in einem geschlagen wurde (Dittenberger zu Syll. or. 
hochliegenden Balken ausgebohrt; die S. werden 233. Tscherikower Philol. Suppl. XIX 1, 1927, 
durch Speichen, die an den unteren Enden sitzen, 98), ist daher unmOglich. 

gedreht, und pressen auf einen groBen Quer- 20 16) HeUvKem km tfj 'EQvd'Qq, 'd'aXdoof) (Syll. or. 

balken (Man Pompeji^ 1908 Fig. 244 S. 414). 233) lag am Persischen Meerbusen (Tscheri- 

[A. G. Drachmann.] kower a. 0.), vermutlich an der babylonischen 

Scoldium, ein nur beim Geogr. Rav. IV 21 Kiiste. Nach einer Annahme von Cumont (Syria 

S. 221, 18 ed. Rnd. genannter Ort in Camech. VIII 1927, 831) ist es der Geburtsort des Astro- 

[Max Fluss.] nomen Seleukos (tiber ihn Bd. II A S. 1249 

Sedo, ein nur beim Geogr. Eav. IV 21 S.222 Nr. 38 und Suppl.-Bd. V S. 962f.). 

4 ed. Pind. genannter Ort in Carnech. [Ernst Honigmann.] 

[Max Fluss.] Senatus *). 

Segetica (IsysuTcrj Cass. Dio LI 23, 5) wird DerS. desKonigtums. 
nur bei der Verfolgung der Bastarner, die im 30 Es gibt zwei Nachrichtenquellen uber den S. 

J. 29 V. Chr. einen VorstoB tiber den Haemus des Konigtums und der Mhen Republik: die 

unternommen haben, durch den rOmischen Consul alte Uberlieferung und die Folgerung aus Ein- 

M. Licinius Crassus bei Cass. Dio genannt, dem zu- richtungen, die in historische Zeiten Mneinragen, 

folge er von dem sudlich von Serdica (Sofia) gelege- die eine unzuverlassig, die andere gewagt. Die 

nenDentheletenlandeausr^j;2'£y£rf;Hri)vp<;a/lov^fiV37»' tJberlieferung selbst wurde durch Folgerungen 

nQoosnoirjoato hoX eig trjv Mvolda ivefiah. Nach und reine Erfinduhg reichlich ausgebaut, und die 

Mo mm sen RGV12 und Cichorius BOm.Denk- Resultate, die man durch Folgerungen der Neu- 

maler in der Dobrudscha 14, 3 ist unter S. das zeit erhielt, sind leider sehr verschieden. 

Hochplateau von Serdica zu verstehen (so auch I. Zusammensetzung. 1. Befahigung. 
Groag Bd. XIII S. 276, zuletzt wieder Patsch40Die Tradition ftihrt den S. auf den Anfang zu- 

S.-Ber. Akad. Wien 214, 71), unrichtig die Iden- riick, und da sie den Ursprung Roms als defini- 

tifizierung Mlillenhoffs Deutsche Altertums- tive Griindung auffaBt, schreibt sie die Einrich- 

kunde HI 153 mit dem zwischen Haemus und tung des S. einfach dem Romulus (s. u.) zu. Aller 

dem Pontus gelegen Sellitike (Bd. II A S. 1320). Wahrscheinlichkeit nach kann man als Tatsache 

Vgl. Sehmsdorf D. Germanen in d. Balkan- annehmen, dafi in der altesten Regierungsf orm 

landern bis zum Auftreten der Gothen 28. Roms dem Haupt des Staates ein Rat zur Seite 

[Max Fluss.] stand, wie es auch in den andern lateinischen 

Selepitani, ein nur bei Liv. XXXXV 26, 14 Dorfern von der friihesten Zeit organisierter Be- 

genannter, der Bildung seines Namens nach (Ver- siedlung ab war,* und dafi er von den etruskischen 
bindung des Grundelementes selep mit den bei- 50 Konigen als ein Element ihrer Herrschaft iiber- 

den Suffixon it und an) jedenfalls illyrischer nommen wurde. Urspriinglich und wahrschein- 

Volksstamm (K r a h e Indogerm. Bibl. Ill Abt. lich durch die ganze Konigszeit hindurch war es 

7. Heft 98. 42. 62). Nach der Besiegung des ein Rat von Alteren, wie man es, abgesehen von 

KonigsGenthiusvonSiidillyrienlohntendieRomer indoeuropaischen Analogien, an dem ursprting- 

den frtihzeitigen AnschluB des Stammes an ihre lichen Titel der Mitglieder, patres, erkennt 

Sacho auf der Versanamlung von Scodra durch (Christensen Herm. IX 196. Mo mm sen 

SieneTeim3LQigu.ng(hiY.2b.O,SeodrensibusetDassa- RF I 228; spater widerrief Mo mm sen St.-R. 

rensibus et Selepitanis ceterisque Illyriis vectigal III 837 diese Deutung mit der Begriindung, 

dimidium inpositum eius, quod regi [sc. Genthio] daB patres = patricii auf den 12 Tafeln Liv. W 
pependissent). Uber die Wohnsitze der S. wissen 60 4, 5. Cic. rep. II 63; aber diese Zitate konnen 

wir nichts Naheres; sie werden jedenfalls im keinen Beweis fiir den genauen Wortlaut der 

sudlichen Illyrien zu suchen sein. [Max Fluss.] Tafeln geben). Ferner sieht man es an ihrer Be- 

S. 1203 zum Art. Seleukeia Nr. 4: zeichnung als maiores natu (Liv. I 32, 10), wahr- 

Dieses S. ist, wie Dobias nachgewiesen hat scheinlich aus der friihen Republik in der Formel 

(S^leuciesurrEuphrate,in Syria 1925, 253 — 268), der Fetialen, und an dem Titel der Korperschaft, 

mit Zeugma selbst identisch, das frtiher meist 

falschlich gegenliber von Biregik gesucht wurde. *) Aus dem Englischen tibersetzt von Ruth 

Nachdem bereits Marmier (Soci^td de g^ogr. de K e i m e r und W. K r o 1 1. 



661 Senatus (Konigszeit) Senatus (Eonigszeit) 662 

der vielleicht zuerst in der Republik gelaufig war, es urspriinglich 300 gentes gab, die durch 300 

senatus (von senex aus senare ,die Stellung oder senatores vertreten wurden, ist unbegriindet. 

Wiirde eines Alten haben*, Herzog System (Diese Sage beruht auf Niebuhr s [RG I 261] 

I 83, 2). falschverstandener Interpretation von Dionys. II 

Das Patriziat. Jede weitere Konstruk- 7, s. M ii 1 1 e r Philol. XXXIV 96.) M o m m s e n 

tion iiber Zusammensetzung des S. und seine (RF I 261) behauptete aber auf Grund einer Ver- 

Stellung im Staate zur Konigszeit hangt von der bindung von Verfiigungen der Lex Ovinia von 

Ansicht iiber die patricii ab, ob sie eine Ge- ungefahr 312 v. Chr., qua sanctum est ut cen- 

schlechterbiirgerschaft, Angehorige der patres sores ex omni ordine optimum quemque curiatim 
= patres familias waren, oder eine Aristokratie 10 (Mss. curiati) in senatum legerent (Fest. a. 0.) 

von Senatorenfamilien, Angehorige der patres mit Lyd. mag. I 16 ixarov rov aQid'(A,6v ysQovtag 

= senatores. Nach der ersten Deutung war Rom sk naocov icbv t^ovqIcov — avxl xCbv q?vXcdv — stzi- 

ein Geschlechterstaat von urspriinglichen Btirgern U^ao'&ai xm TcofxvXov und Dionysios' (II 12) Be- 

mit voUen Rechten, ein Staat der patricii, neben richt von der Wahl des ersten S. durch die Tri- 

welchen allmahlich eine niedrigere Klasse von bus und Kurien (s. u.), daB wenigstens auf die 

halbfreien Biirgern entstand, die plebeii (N i e - Kurien, d, h. Gruppen von Geschlechtem, bei der 

buhr RG I 251. 330 Isler. Schwegler RG Wahl des S. noch einige Zeit nach diesem Ge- 

I 609. M m m s e n St.-R. Ill 9), und der S. setz Rticksicht genommen wurde. lurati und nicht 

war ein Rat von Vertretern der Geschlechter, der curiatim wahlten die Censoren den S. genau so 
im interregnum und der auctoritas patrum Rechte 20 wie die Praetoren die iudices wahlten und die 

besafi, die ihm einen voUstandigen Platz in Aedilen die scribae (Cic. Cluent. 121. 126, vgl. 

der Verfassung an der Seite des Konigs (Nie- dom. 84. Richtig Willems Senat I 169), und 

buhr RG I 278. Schwegler RG I 660. mit Festus verschwindet jede positive Spur von 

Mommsen RF I 277; versuchsweise St.-R. spaterer Vertretung der Geschlechter, sei es ein- 

III 12) gaben. Nach der zweiten Deutung war zeln oder in Gruppen. 

das Patriciat keine urspriingliche Biirgerschaft, Das Interregnum war ohne Frage ein tJber- 

sondern eine Nobilitat, die allmahlich mit der rest aus der voretruskischen Periode oder es ent- 

Entwicklung der Stadt emporkam, aus der die stand wahrend der etruskischen Herrschaft. Der 

patres, die den koniglichen Rat bildeten, wie alle Titel interrex wurde nicht in einer Republik er- 
anderen Beamten des Staates, genommen wur- 30 funden. Die AusschlieBung der Plebeier von der 

den. Dieser Nobilitat gaben sie ihren Namen patrum auctoritas (s. u.) ist ein augenscheinlicher 

(Meyer G. d. A. IP 516. 521. De Sanctis Beweis fiir das hohe Alter dieser Einrichtung. 

Storia I 233); die niederen Geschlechter des Pa- Beide Funktionen konnen als zum koniglichen S. 

triziats (gentes minores) waren dementsprechend gehorend betrachtet werden, und in der Ausiibung 

Familien, die zu militarischer und okonomischer dieser beiden Amtsgeschafte handelt der S. als 

Bedeutung aufgestiegen waren und denen der voUstandiges Organ des Staates. Es ist jedoch 

Konig die Nobilitat verlieh, indem er sie zu seinem nicht notig, mit Mommsen (RF I 281) von 

Rat aufforderte. dem nur Rat erteilenden patricisch-plebeischen S. 

Die zweite Deutung ist wahrscheinlich richtig. der Republik einen urspriinglichen Geschlechter-S. 
Interregnum und patrum auctoritas la&sen sich 40 als ,eine collegialisch geordnete Magistratur der 

leichtsals erworbene Machtbefugnisse eines konig- Gemeinde* wegen dieser Machtbefugnisse genau 

lichen Rates erklaren, und es ist auJBerst zweifel- zu unterscheiden, noch mit Herzog (Syst. I 86) 

haft, ob der S. jemals ein Rat von Vertretern der in ihnen Rechte zu sehen, die dem S. als dem 

Geschlechter war. Herzog (System 113. 86, Vertreter der Geschlechter anhaften und die aus 

vgl. Mommsen RG F 37) vermutete in der der friihesten Periode ererbt sind. Der Fall ist 

Tat, da6 ein solcher Rat einen Teil einer Herr- eher umgekehrt. Wie De Sanctis (Storia I 

schaft loser Geschlechtervereinigungen in Latium 352) verstandlich erklart, war die patrum aucto- 

bildete, und Mommsen glaubte Spuren von der ritas das Resultat des natiirlichen Wunsches des 

Existenz der Geschlechtervertretung in dem spa- Konigs, Entscheidungen der Versammlung nur 
teren Vorrang der gentes maiores, als Vertreter 50 nach Beratung mit einem Rat zu bestatigen oder 

der urspriinglichen Geschlechter, auf der S.-Liste abzulehnen, und das Interregnum war eine prak- 

und in einer vermutlichen Wahl des S.s nach tische MaBregel, unbekiimmert um die gesetz- 

Kurien (St.-R. Ill 868) zu finden. Jede Spur lichen Feinheiten der Fortdauer der auspicia und 

einer solchen Organisation jedoch, wenn sie iiber- des imperium, nur dazu bestimmt, eine Herr- 

haupt je bestand, ist vor dem friihesten System, schaft in den notigen Zwischenraumen einer nicht 

von dem sich die Tradition eine Vorstellung erblichen Monarchic zu sichern. Die Stellung des 

machen kann, verschwunden. Einerseits fafit diese S. als voUstandiger Teil des Staates war eher 

den S. offensichtlich als ein regium consilium ein erworbenes Gut, als eine Erbschaft. Wie 

(Cic. rep. II 14) auf, dessen Mitglieder vom Konig T a u b 1 e r (Hist. Ztschr. CXX 206) andeutete, 
freiwillig (Prinzip Fest. praeteriti senatores 60 wurde der S. ,nicht mehr ein konigliches con- 

246 M., Anwendung Liv. I 8, 8. Dionys. Ill 67. silium, sondem ein Geschlechterrat* in der romi- 

Suet. Aug. 2. Dio frg. 9, 1, Zonar. VII 8) ge- schen konstitutionellen Entwicklung ahnlich dem 

wahlt wurden, ohne die leiseste Andeutung, daB griechischen. Nicht am Anfang, sondem erst am 

er sich in seiner Wahl je leiten lasse von irgend- Ende der Konigszeit erwarb der Rat diese unab- 

einer^ Riicksicht auf Geschlechter. Andererseits hangige Stellung in der Verfassung, als Resultat 

ist die feste Zahl des S., die die Tradition von der Vereinigung der gentes und ihrer Macht, bis 

Anfang an annimmt, unvereinbar mit der Ge- sie allmahlich den Konig verdrangten. 
schlechtervertretung. Die moderne Annahme, daB Folglich war das Patriciat nicht vorher erfor- 



663 Senatus (Konigszeit) Sonatus (Konigszeit) 664 

derlich fiir die Mitgliederschaft am S., sondern ebenso SHA Tac. 1. Arnob. I 41), obgleich er, 

eber eine Folge davon. wenn auch etwas zweideutig, von sabinischen Se- 

2. Anzahl. Die Tradition ist sich einig natoren in dieser Zeit spricht. Am wahrschein- 

iiber die urspriingliche Zahl der S., liber die Zahl lichsten ist die VergroBerung der Zahl nach der 

am Anfang der Republik und fiber die Tatsache, Zerstorung von Alba Longa, als duplicatur ci- 

dafi sie immer eine feststehende war. AUe er- mum numenis . . . principes Albanorum in patres 

haltenen Berichte schreiben die Einrichtung eines ut ea quoque pars rei publicae cresceret legit: 

S. von 100 Mitgliedern dem Romulus zu (Liv. I Tullios (= lulios) Servilios Quinetios Geganios 

8, 7. Dionys. II 12. Fest. patres 246 M.; sena- Curiatios Gloelios (I 30, vgl. 28, 7; der Tradition 
tores 339 M. Ovid. fast. Ill 127. Propert. IV 1, 10 nach auch die Metilii Dionys. Ill 29). Aber Li- 

14. lust. XLIII 3, 2. Veil. Pat. I 8. Plut. Kom. vius hiitet sich besonders festzustellen, dafi 100 

13. Zonar. VII 3. Auct. vir. ill. II 11. Eutr. hinzugefiigt wurden. Er erwahnt jedoch die Hin- 

I 2; chronogr. 354 p. 645. Serv. Aen. VIII 105. zufiigung von 10 turmae von Rittern, in ihrer 
Lyd. mag. 116; vgl. Isid. orig. XIX34, 4. Johann. Entwicklung eine Parallelstufe zu einer Hinzu- 
Antioch. Mil Her FHG IV 533 frg. 33. Zonar. Mgung von 100 Senatoren. 

VII 9. Lyd. mens. I 19), nehmen an, da6 die 2. Das zweite System nimmt an, da6 150 Se- 

Zahl 300, Normalzahl wahrend der Republik natoren verdoppelt wurden. Dionysios (II 47) 

(Liv. ep. 60. Plut. C. Gracch. 5. Appian. bell. erwahnt eine Variante, derzufolge Romulus und 
civ. I 35), bis sie von Sulla erhoht wurde, schon Titus Tatius nicht 100, sondern 50 Senatoren 

die normale Zahl am Anfang der Republik (Liv. 20 hinzufiigten, und dementsprechend berichtet 

II 1, 10. Dionys. V 13. Fest. qui patres 254 M. Plutarch (Numa 2), trotz seiner Feststellung, da6 
Plut. Popl. 11) war, und ftihren sie auf Tar qui- 100 von den Sabinern eingeschrieben wurden, von 
nius Priscus zuriick. Die Erklarungen ftir den 150 im ersten Interregnum. Nach Cicero ver- 
tTbergang von 100 auf 300 sind jedoch verschie- doppelte Tarquinius Priscus die urspriingliche 
den. Die Aufgabe wurde kompliziert durch Be- Zahl, nachdem Romulus und Titus Tatius eine 
richte uber das erste Interregnum, tiber dieEin- wohlweislich nicht einzeln angejofebene Zahl in 
richtung und das Anwachsen der Equites und das regium consilium (rep. II 14) gewahlt hat- 
durch die Tatsache, dafi die drei Geschlechter- ten, und unterschied dabei die urspriingliche Zahl 
tribus auf Romulus zuriickgefiihrt wurden. Drei als gentes maiores, den Zuwachs als minores (II 
verschiedene Systeme sind erhalten: 30 35, vgl. Eutrop. I 6); damit ist eine Verdopplung 

1. Das einfachste ist das des Dionysios. Er der Ritter verbunden. 

halt die patres, deren Nachkommen die patrieii 3. Zonaras (VII 8 = frg. 9, 4 Dio) bewahrt 

sind, ftir eine Aristokratie, die von Romulus eine Variante, nach der Tarquinius Priscus 200 

(II 8) von der plebs getrennt wurde. Aus dieser von der plebs unter die patrieii und senator es 

Aristokratie, spater patrieii genannt, bildete Ro- einschrieb. Diese behielt augenscheinlich die Zahl 

mulus einen S. von 100. 1 Mitglied wurde von des ersten Interregnums, auf 100 festgesezt, (ob- 

ihm selbst gewahlt, 9 von den drei Tribus und gleich Zonar. VII 5 aus Plutarch von 150 berich- 

90 von den dreiBig euriae (II 12). In diesem Be- tet) bis zu Tarquinius bei. 

richt erkennt man die Tendenz eines demokra- Die Schwierigkeiten der Vermehrung des S. 

tischen Geschichtsschreibers, vielleicht des Lici- 40 sind ahnlich,, wie die in der Erklarung iiber das 
nius Macer. Man kann ihn auch als einen geist- Anwachsen der Equites von 300 auf 1800 (s. 

reichen Versuch ansehen, einen S. von 100 aus Bd. VI S. 274. Mo mm sen St.-R. Ill 107, 3) 

einer Dreitribusgemeinde zu erklaren. Darauf, mit einem Hauptpunkt der Unterscheidung, daB 

nach der Vereinigung mit den Sabinern, verdop- der urspriingliche S., bestehend aus 100, einer 

pelten Romulus und Titus Tatius die Zahl der 10-cMnVGemeinde entsprach. Die urspriinglichen 

patrieii, indem sie die gentes minores hinzufiig- 300 equites setzten eine, aus 3 Stammen be- 

ten und von diesen ein weiteres Hundert, erwahlt stehende, 30-cwna-Gemeinde voraus, d. h. 10 auf 

von den curiae, mitten unter die urspriinglichen jede curia (Fest. celeres 55 M. Serv. Aen. IX 

s^wa^ores einreihten (II 47. Plut. Rom. 20); dem- 368). Mommsen hat demgemafi behauptet 

gemafi ist auch in Dionysios* umstandlichen Be- 50 (St.-R. Ill 111), daB die urspriingliche Legende^ 

richt iiber das Interregnum nun die Zahl der die auf Romulus die 30 curiae und 300 Equites- 

Senatoren 200 (II 57). Endlich ernannte Tarqui- (100 von jeder Tribus des Romulus) zuriick- 

nius Priscus 100 patrieii aus den Plebeiern und fiihrte, die Verdreifachung der urspriinglichen 

fiigte sie der Senatsliste zu: ?tai rote utQcotov 100 Senatoren in dieselbe Zeit setzt. In dieser 

sysvovro 'Pcofzaloig rgiapcooioi fiovlsvral rscog Legende stammten 100 Senatoren als eine cew- 

ovteg diaxoaioi (III 67). Livius folgt mit vor- turia der Reiterei, eine Vestalin (Fest. sex Vestae 

sichtiger Unbestimmtheit in der Hauptsache dem- 344 M.) und vielleicht andere romische Einrich- 

selben System. Zu den urspriinglichen 100 fiigte tungen aus jeder Tribus her. In der allgemeinen 

Tarquinius Priscus 100 hinzu qui deinde mino- Verdopplung, die sich hauptsachlich an Tarqui- 

rum gentium sunt appellati (I 35, 6), und da am 60 nius Priscus kniipft, entsprachen den Titienses, 

Anfang der Republik Brutus patrum numerum Rhamnes, Lueeres secundi, die eine Vermehrung 

primoribus equestris gradus lectis ad treeentorum der Reiterei darstellen, die gentes minores als ein 

numerum summam explevit (II 1, 10), erhohte Anwachsen der Patrizier, aus denen der S. sich 

sich die Zahl des Tarquinius mutmaBlich auf rekrutierte, nicht als eine Hinzufiigung zu seiner 

300, wie Dionysios ausdriicklich feststellt. Aber normalen Zahl. Diese Geschichte ist gut erdacht, 

Livius erklart die dazwischenliegende Stufe nicht. aber es lassen sich zwei vernichtende Ein- 

Er behalt in dem verstandlichsten Bericht iiber wande gegen ihre Existenz im Altertum machen* 

das erste Interregnum die Zahl 100 bei (I 17, Erstens gibt es im Alterttaoa nirgends einen Zu- 



665 Senatus (Konigszeit) Senatus (Konigszeit) 666 

sammenhang zwischen den Titienses usw. primi nungen hatte in der zweiten Halfte des 5. Jlidts. 

und seeundi einerseits und den gentes maiores das Gebiet der 16 Landtribus auBer Fidenae, 

und minores andererseits (De Sanctis Storia Ficulea und dem Ager Clustuminus bei einem 

I 249), und die "Dberlieferung bezeichnet die Zeit FlachenmaB von ungefahr 820 qkm eine Bevol- 

von Titus Tatius bis zum Anfang der Kepublik kerung von ungefahr 20 000 Biirgern, von denen 

als die Zeit, in der man die letzteren einftihrte. etwa 1500 Patrizier waren. Fiir diese Bevolke- 

Zweitens halt der einzige unentstellte Bericht rung ist ein S. von 300 verstandlich. Das friiheste 

uber das Interregnum, daher mutmaBlich die bestimmbare Gebiet von Rom bedeckte ungefahr 

friihe tJberlieferung, an einem S. von 100 beim 150 qkm. Wenn man, angesichts der Dichte der 

Tode des Romulus (s. u.) fest. 10 Bevolkerung sogar im frtihen Latium (Tenney 

Die urspriingliche tTberlieferung, aus der die Frank Econ. Hist. 7), eine entsprechende Be- 

vorhandenen Varianten abgeleitet werden, wurde volkerung annimmt, so wird dies Gebiet unge- 

von Holzapfel (Riv. Stor. Ant. II 52) besser f ahr 3700 Burger in sich f assen. Damit stimmt 

rekonstruiert. Der S. wurde nicht vor dem An- natiirlich eine Armee von 3000 Mann Infanterie 

fang der Republik auf 300 erhoht; er glaubte, und 300 Kavallerie als legio der Konigszeit (D t 

aber, diese Darlegung wurde, als ob sie eine Re- Sanctis Storia I 356) uberein, wahrend ein 

krutierung auf eine vorlaufig normale Zahl S. von 300 phantastisch ist. Ohne Frage nahmen 

meine, mifiverstanden. Der urspriingliche S. von damals die Zahlen des S. zu. Es ist jedoch ganz- 

100 wtirde danach von Tarquinius Priscus durch lich ungerechtfertigt, anzunehmen, dafi er eher 

Hinzufiigung der gentes minores auf 200 erhoht 20 in Gruppen, als durch allmahliche Aufnahme 

worden sein, und das hatte man entweder eine Einzelner zunahm, als Familien sich zu hervor- 

Yerdopplung oder Vermehrung um 100 nennen ragender Stellung erhoben. Die Konstruktionen 
konnen. Eine spatere Annahme, dafi die Zahl der tTberlieferung verburgen das sicherlich nicht. 

unter Priscus 300 betrug, f iihrte naturgemafi zu ^ 3. Gentesminores. Das Patriciat teilte 

Schwierigkeiten: In der Verdopplungstheorie sich noch in historischen Zeiten in die hoheren 

zu einem vorlaufigen S. von 150, in der Zu- und niederen Geschlechter (z. B. Cic. fam. IX 

nahmetheorie zu einer vorlaufigen Hinzunahme 21, 2). Die Tradition behandelte die letzteren als 

von 100 Sabinern oder Albanern oder einer Ver- eine Zwischenstufe zum Zutritt der Plebeier zum 

mehrung um 200 durch Priscus. S. und nahm an, da6 sie in einer Gruppe 

Schon Schwegler (RG I 661) bemerkte, 30 zum S. erhoben wurden. Diese Annahme lauft 

da6 der traditionelle Bericht iiber die Anzahl des parallel dem Glauben an eine schematische 

koniglichen S. eine Konstruktion sei und daB es Erweiterung der Senatszahl. Entgegen der An- 

besser ware, wenn die Wissenschaft aufhorte, ihn nahme von der Existenz der gentes minores 

zu historischen SchluBf olgerungen zu benutzen. und den Vermehrungen des S. kombinierten die 

Ein bekraftigender Beweis fiir eine , urspriinglich Altertumsforscher beides, verknupften den Ur- 

feste Zahl von 100 in Rom (der von Mo mm- sprung der gentes minores mit der einen oder 

sen St.-R. Ill 845, 1) ist bei genauer Prtifung anderen der schematischen Vermehrungen, Zwei 

nicht hinlanglich befriedigend. Der lokale Rat Hauptsysteme, jedes mit Variationen im einzel- 

in Cures und in Veii wurde sicherlich centum- nen, legt Rechenschaft fur sie ab. Das erste ent- 

viri genannt, und 100 ist die normale, wenn auch 40 stand aus der Interpretation der Einladungsfor- 

nicht unveranderliche Zahl fiir die Rate der mu- mel qui patres qui conscripti (s. u.) als Patricier 

nicipia im Westen (Bd. IV S. 2323. Rosen- und Plebeier. Dieses System schrieb die Auf- 

b e r g St.- Alt. Ital. 138). Aber iiber das Alter nahme von Plebeiern den ersten Consuln (Liv. II 

der Normalzahl 100 fiir den italischen Rat 1, 10. Fest. qui patres 254 M.) oder dem liberalen 

(Rosenberg a. 0.) ist nichts bekannt, und Konig und Parteiganger des Volkes (s. Schweg- 

obgleich Cures oSensichtlich eine Altbiirger- ler RG I 710. Lange Rom. Altert. P 427. Liv. 

gemeinde einer Art war, die Bruchstiicke ihrer I 42, 4. Macrob. Sat. I 16, 33) Servius TuUius 

alten Verfassung bewahrte, ist es unmoglich zu (Zonar. VII 9. Serv. Aen. I 426) zu, und die 

glauben, daB Veii, das zwischen dem Bundes- Ernennung der gentes minores dem Tarquinius 

genossenkrieg und der Zeit des Augustus (B e - 50 Priscus (Liv. I 35, 6. Cic. rep. II 35. Suet. Aug. 2 

loch RG 504. 509) zum municipium wurde, mit einer unklaren Bemerkung iiber eine adlectio 

irgendwelche tTberreste der Verfassung der er- in senatum und folgender adlectio inter patricios, 

oberten Stadt bewahrt habe, d. h. einen unab- die aus zeitgenossischer Praxis stammt). Das 

hangigen Beweis fiir die Zahl eines friihen S. andere System beruhte auf der Interpretation der 

lief ere; und wenn Veiis centumviri jung sind, so Anredeformel patres conscripti als eingetragene 

ist durch die von Cures noch nichts bewiesen. Vater, d. h. diejenigen Patricier, die im S. (s. u.) 

Das Normale, 100 Senatpren, ist eher ein kiinst- eingeschrieben waren. Dieses System war der 

liches Produkt der normalen 1000 Kolonisten, die Meinung, daB bis in relativ spate Zeit hinein 

wie andere Formen der Koloniengriindung (vgl. neue Mitglieder des S. zuerst zum Patriciat er- 

Ed. Meyer G. d. A. Ill 519) auf die Anfange 60 hoben wurden, und es setzte die gentes minores 

Roms ubertragen wurden. mit einer oder der anderen Gruppe, die in den S. 

SchlieBlich wurde die Zahl 300 festgesetzt, aufgenommen worden war, gleich. Dionysios, der 

einige Zeit bevor die drei Tribus, mit denen sie der Majoritat der Annalisten folgt, identifiziert 

sicherlich in Beziehung steht, alle ihre Bedeutung sie mit den Sabinern (II 47, ebenso Plut. Rom. 20. 

verloren batten, d. h. vor dem Ende des 5. Jhdts., Zonar. VII 4), Tacitus mit der traditionellen 

mutmaBlich in der Periode der Kodifikation, wie Schar der Plebeier am Anfang der Republik (ann. 

sie sich in den XII Tafeln reprasentiert. Nach XI 25, ebenso Serv. Aen. I 426, und auch Dio- 

Belochs (RG 169. 216) sorgfaltigen Berech- nysios, nachdem er fiir die gentes minores unter 



667 Senatus (Konigszeit) Senatus (Konigszeit) 668 

Romulus eine Erklarung gegeben hat, glaubt in 2. PatrumAuctoritas. Bis zum Ende 

Ubereinstimmung mit diesem System — s. der Eepublik und vielleicht solange die Versamm- 

Mommsen St.-R. Ill 41, 2 — nichtsdesto- lungen ihres Amtes walteten, waren Volks- 

weniger, daB diese republikanische Schar [V 13] beschltisse nur giiltig, wenn sie mit der Zustim- 

ebenso wie die des Priscus [III 67 == Zon. VII 8] mung der patres als patrum auetoritas oder durcb 

und die gewohnlich mit den gentes minores den Satz patres auctores Hunt (fuere) sich kenn- 

identifizierte, zuerst zum Patriciat erhoben wurde; zeichneten. Die Identifizierung der patres ist 

Plebeier, denen das Patriciat nicht verliehen wor- Gegenstand lebhaften Streites gewesen. N i e - 
den war, wurden bis kurz nach; der Verurteilung b u h r (RG I 276 Isler), geschickt verteidigt von 
des Coriolanus [VII 65] nicht aufgenommen). 10 S c h w e g 1 e r (RG II 155f.), identifizierte sie 

Die Uberlieferung, die den erhaltenen Berichten mit der Gesamtheit der Patrizier und die aucto- 

zugrunde liegt, identifizierte die gentes minores ritas mit einer lex curiata; L a n g e (Rom. Altert. 

gewiB mit den 100 Senatoren, durch die Pris- P 305) mit einer sonst unbekannten Versamm- 

cus den S. verdoppelte, und verglich sie mit lung von patres familiae gentium patrieiarum. 

den 100 gentes maioresy die von Romulus ge- Mommsen identifizierte sie zuerst (RFI233f.; 
schaffen wurden. H o 1 z a p f e 1 (a. 0.) versuchte St.-R. Ill 1037) richtig mit den patricischen Mit- 

sie mit den Etruskern in Zusammenhang zu gliedern des S., d. h. wahrend der Konigszeit 

bringen, Mommsen (St.-R. Ill 30. 98. Ill) mit der Gesamtheit des S. 

mit einer Verdoppiung der Stadt (energisch in Die auetoritas kam bei Beschliissen und Wah- 
Frage gestellt von B e 1 o c h RG 204), die durch 20 len in den comitia curiata und nach deren Ein- 
die Rezeption einer Anzahl Geschlechter beim richtungen auch in den centuriata und tributa 

Aufgehen der Gemeinde des Quirinal in die Pa- (Liv. VII 16, 7. Mommsen RF I 157) zur An- 

latinisch-Esquilinische entstand. Aber die An- wendung und folgte der Handlung, die sie be- 

nahme, daB sie mit einer Ausdehnung der Stadt statigte (H e r z o g N. Jahrb. Phil. XXIII 568. 

zusammengebracht werden konnten, griindet sich W i 1 1 e m s Senat II 34), bis sie im Laufe des 

auf die Idee, die sich auf die schematische Kon- Streites der Stande in der Republik geandert 

struktion der Annalisten stiitzt, dafi sie als eine wurde. Die tlberlieferung, derzufolge Romulus, 

Gruppe geschaffen wurden. Es ist wahrscheinlich, selbst nicht gewahlt, dem Volke Gesetze gab, 

daB sie ein allmahliches Anwachsen des Patriciats ftihrte naturgemaB den ersten BeschluB des 
waren, bevor dieser sich in einer festen Ordnung 30 Volkes mit der Wahl des zweiten Eonigs ein und 
zusammenschloB, ahnlich dem Anwachsen der damit die patrum auetoritas (Liv. I 17, 9 deere- 

nobilitas in spaterer Zeit, die zum Rat und so verunt enim ut cum populus regem iussisset, id 

zum anerkannten Patricierstand berufen wurden, sic ratum esset, si patres auctores Herent. hodie 

als sie sich zu bedeutender Stellung erhoben. In quoque in legibus magistratibusque rogandis 

der Tat hat sich die Legende, daB die Aufnahme usurpatur idem ius vi adempta: priusquam po- 

der Haupter von gewissen einzeln angegebenen pulus suffragium ineat, in incertum comitiorum 

inkorporierten Geschlechtern in den S. mit der eventum patres auctores Hunt), Danach wurde sie 

Aufnahme in den Patriciat (Mommsen St.-R. oft als anerkanntes Gesetz (Mommsen RF 

III 29) verbunden sei, eine im wesentlichen rich- 235, 26 sorgfaltige Analyse des unklaren Sprach- 
tige Geltung' bewahrt. 40 gebrauchs des Dionysios; Schwegler RG II 

II. Funktionen. 1. Consilium. 2. Patrum 158, 2 niitzliche Sammlung der Zitate mit patres 

Auetoritas. 3. Interregnum. auctores) erwahnt. Nach der auetoritas wurde der 

Es war in der Tradition begriindet, daB der BeschluB des Volkes voUkommen rechtsgliltig. 

S. als consilium (Liv. I 7, 7. Cic. rep. II 14. In der spateren Zeit konnte sie nicht willkiir- 

Vell. Pat. I 8) diente; das Interregnum soUte die lich abgelehnt werden, sondern nur wenn sie 

Verlegenheit beim Tode des Romulus beseitigen, der Verfassung oder besonders den Auspicien 

die patrum auetoritas war gedacht und ins Werk entgegen war. Der S. tibte eine gewisse Nomo- 

gesetzt als ein gtitlicher Vergleich zwischen S. phylakie (Mommsen a. 0.) aus. Aber in der 

und Volk bei der Wahl des zweiten Konigs. Konigszeit war sie offenbar ein natiirliches Mittel 

1. Consilium. In legaler Form war die 50 doppelten Rates. Im Verfahren uber die Kriegs- 

Macht des S. als Rat in der Republik noch sehr erklarung, das in der altrepublikanischen Fetia- 

streng begrenzt (Mommsen St.-R. Ill 1027). lenformel (Liv. I 32, vgL VIII 6, 8. Serv. Aen. 

In ausdrticklichen Anweisungen an denMagistrat IX 190) erhalten ist, wurde die auetoritas nur 

bediente er sich immer der Formel si ei(s) videa- nach der Restitutionsforderung der Fetialen und 

tur (Donat. Ter. Adelph. Ill 5, 1), und es fehlte nach Verlauf von wenigstens 31 Tagen (s. auch 

nicht an Magistraten, die auf ihren gesetzmaBi- Liv. VII 16, 7) verliehen, und bis dahin war der 

gen Rechten bestanden und seinen Rat miBach- VolksbeschluB nur als Moglichkeit vorhanden. 

teten (Beispiele Mommsen St.-R. Ill 1025, 1); 3. I n t e r r e g n u m. Das Interregnum ge- 

noch weniger war derKonig durch ihn gebunden. horte, wie Mommsen (RF I 224f.; St.-R. I 653; 
Die Ratsversammlung tagte nur, wenn sie berufen 60 dagegen Schwegler RG I 657. L a n g e Rom. 

wurde, und gab Rat nur, wenn sie, und tiber den Altert. F 285. W i 1 1 e m s S^nat II 19) als erster 

Punkt, tiber den sie befragt wurde. Traditionell richtig erfaBte, auch zum patricischen S. Durch 

war die Achtung seines Rates ein Merkmal der diese typisch lateinische (Cic. rep. II 23) Ein- 

konstitutionellen Monarchic (Cic. rep. II 14), und richtung fiel in der Abwesenheit der Oberbeamten 

die Unterlassung seiner Befragung bei wichtigen die weltliche und religiose Macht wieder an die 

Angelegenheiten war einer der schwersten Vor- patricischen Mitglieder des S., d. h. in der Konigs- 

wiirfe, die man gegen Tarquinius Superbus (Liv. zeit an den S. als Gesamtheit (Liv. I 32, 1 res 

I 49, 7) vorbrachte. ad patres redit. Cic. ep. Brut. I 5, 4, vgl. leg. 



669 Senatus (Konigszeit) Senate (Konigszeit) 670 

III 9 auspicia ad patres redeunt), Um die Exeku- waren, wurden sie selbstverstandlich ' nicht durchs 

tive zu handhaben und die Liicke in der Magistra- Los bestimmt. Doch muB, wie M o m m s e n (RP 

tur auszufiillen, versammelte sich der S., um I 223) selbst genau erkennt, die Beschreibung 

einen Interrex zu ernennen. Die Zeugnisse fiir das des ersten Interregnums, wenn sie auch schema- 

Verfahren sind von zweierlei Art: die Berichte tische Konstruktion ist, einen wahren Bericlit 

fiber das erste Interregnum nach dem Tode des iiber die Formen darstellen, die in der Zeit der 

Romulus (Liv. 1 17. Dionys. II 57. Plut. Num. 2 Mhesten Annalisten angewandt wurden. Er er- 

= Zonar. VII 5. SHA Tac. 1. Serv. Aen. YI klart den Wechsel zum historisehen System als 

809, vgl. Appian. beU. civ. 198. Eutr. I 1. Rufus eine Wandlung von der Losung zur Ernennung. 
brev. 2. Suid. s. f^eoofiaodsvg) und die Berichte 10 Viel wahrscheinlicher jedoch als die Annahme, daB 

tiber die ziemlich zahlreichen historisehen Inter- das System des Dionysios eine auf die Praxis be- 

regna (W i 1 1 e m s S6nat IIIO. Herzog Philol. griindete Konstruktion sei, die wenigstens bis zur 

XXXIV 498), das letzte im J. 52 v. Chr. Den Zeit der Mhesten Antiquare gang und gabe war, 

richtigen Bericht tiber das ursprtingliche Ver- und die spater aufgegeben wurde zugunsten eines 

fahren, wie es zuerst von C o c e h i a (Riv. Stor. anderen Systems ohne Bestimmung durchs Los, 

Ant. I 51) aufgefaBt wurde, gibt uns Livius: das damals wiederum auf die fruhen Interregna 

ita rem inter se centum patres, decern decuriis (z. B. im J. 483 Dionys. VIII 90. 391. Liv. V 

factis, singulisque in singulas decurias creatis 31, 8) projiziert wurde, ist die, daB es eine 

qui summae rerum praeessent, consociant. decern kiinstliche Konstruktion sei, ahnlich dem Schema 
imperitabant: unus cum insignibus imperii et 20 fiir die Wahl der ersten 100 Senatoren. Livius' 

lictoribus erat: quinque dierum spatio Hniebatur Decurien andererseits soUen nicht nur eine Reihen- 

imperium, ac per omnes in orbem ibat; annuum- folge durchs Los bestimmen. Sie bildeten ein 

que intervallum fuit. Das bedeutet, daB eine De- Collegium, in dem der Interrex. nur ausubendes 

curie von 10 Gollegen die Verwaltung des Staa- Haupt war, dem die konigliche Macht, die zum S. 

tes (vgl. Dionys. navoai rag ds^adagyjag. Ovid. zuriickgekehrt war, anvertraut wurde. Die Reihen- 

fast. Ill 127., Serv. Romulo mortuo cum senatus folge der Decurien wurde wahrscheinlich durchs 

regnasset per decurias, Plutarchs phantastische Los bestimmt, aber die Fuhrer wurden, da sie 

Notiz, daB jeder Interrex 6 Stunden am Tage spater immer von curulischem Rang waren, not- 

und 6 Stunden in der Nacht herrschte, entspringt wendigerweise auf eine andere Art gewahlt. 
einer Kombination von einer Decurie und 5 Tagen) 30 Dieses System muB bis zur Zeit der friihesten 

libernahm. Ein Mitglied war das exekutive Haupt. Annalisten bestanden haben. Einige Zeit spater 

Der Termin fiir die Decurie und ihren Vorstand wurde wahrscheinlich entsprechend der abneh- 

betrug 5 Tage. Am Ende dieser Zeit tibernahm menden Zahl der Patricier (im J. 295 die Majo- 

eine andere Decurie mit einem anderen Ober- ritat des S. Liv. X 24, 2, im J. 55 ein Zehntel: 

haupt die Herrschaft. Die Zahl der Decurien ist W i 1 1 e m s S6nat I C. XIV) das spatere System 

natiirlich eine Ableitung aus der mutmaBlichen angewandt, in dem der erste Interrex durch die 

Zahl des urspriinglichen S.s. M o m m s e n (RF I versammelten Patricier gewahlt wurde und in 

219; St.-R. 1656,3), der irrtumlicherweiseglaubte, dem ihm gestattet wurde, seinen Nachfolger zu 

daB Livius und Dionysios iibereinstimmen, kon- ernennen. 

struierte folgenden Bericht. Der Senat trat zu- 40 Das Interregnum begann automatisch mit der 
sammen und teilte sich in 10 Decurien, d. h. in Erledigung des Oberamtes und endigte mit der 
Zehntel, von dem jedes durchs Los eine feste Bestellung eines neuen Konigs. Der erste Inter- 
Reihenfolge erhielt. Die ersten 10 in jeder De- rex wurde sofort ernannt (der Aufschub von 
curie vereinten sich zu einem Collegium. Einer 20 Tagen im J. 52 v. Chr. Asc. 38 St., vgl. Ap- 
erhielt die Fasces, die er nach 5 Tagen dem durch plan. beU. civ. I 98, ist verstandlicherweise anor- 
das Los bestimmten Nachfolger einhandigte. mal, die Griinde fiir die schnelle Erledigung sind 
Jedes Collegium herrschte so 50 Tage. Wenn es offensichtlich. SHA Tac. 1); aber da er nicht 
notig war, bildeten die zweiten Manner in jeder kompetent war, die Wahl vorzunehmen, dauerte 
Decurie ein zweites Collegium usw. Nach diesem das Interregnum nur ein Minimum von 6 Tagen. 
System wurde die Herrschaft, nachdem sie in die 50 Das Interregnum nach dem Tode des Romulus, 
Hande des S. iibergegangen war, von jedem ein- von dem berichtet wird, daB es ein Jahr lang 
zelnen Senator 5 Tage ausgeiibt, und die Bildung dauerte, war zu chronologischen Zwecken er- 
der Decurien war nur ein sorgsam ausgearbeiteter funden; aber in der Republik wird von 14 Inter- 
Plan, um die Reihenfolge bei der Nachfolge reges berichtet, und das telle J. 52 muB iiber 30 
durchs Los zu bestimmen. Es ist bekannt, daB gesehen haben. 

kein solches System ' der Bestimmung durchs Los 4. Der S. und die Ernennung des 

in historisehen Interregna (M o m m s e n St.-R. I Konigs. Das Interregniun war wahrend der 

657. Bd. IX S. 1713) angewandt wurde. In den Konigszeit geniigend befestigt, um in der Repu- 

historischen Interregna versammelten sich die blik fortzuleben. Der S. war dadurch nicht nur 
patricischen Senatoren und wahlten den ersten 60 der Moglichkeit nach mit der koniglichen Macht 

Interrex (Appian. bell. civ. I 98. Dionys. VIII versehen und jeder Senator nicht nur kompetent, 

90. XI 20. Suid. a. 0. Mommsen St.-R. I sie auszuiiben, sondern er hatte auch einen star- 

657 interregem creare, nominare). Dieser erwahlte ken Anteil an der Ernennung des Konigs. Den 

nach Einholung der Auspicien seinen Nachfolger Bericht, den die Alten (Liv. I 17. 18, 6. 22, 1. 

(prodere interregem Mommsen St.-R. I 657. 32, 1; vgl. 41, 6. 46, 1. 47, 10. Dionys. II 58. 

Terminologie Bd. IX S. 1716), und da die inter- 60; vgl. IV 40. 80. Cic. rep. II 23. 25. 31. 33. 

reges J von denen die Geschichte berichtet, von 35; vgl. 38; agr. II 26. Plut. Num. 2. 7 = 

curulischem Rang (Will ems S6nat II 12) Zonar. VII 5) liber die Ernennung des Konigs 



671 Senatus (Konigszeit) Senatus (fruhe Eepublik) 672 

geben, ist eine Kombination der consularischen fiir die erste Versammlung des Jahres und ihren 

Wahl und der inauguratio des rex saerorum religiosen Charakter geeignet war (s. u.). Von der 

(M m m s e n St.-R. II 6) ; eine lex curiata de f riihesten Zeit ab sprach der Senator nur, wenn er 

imperio, die den Centuriatswahlen eigentiimlich aufgerufen wurde, und zwar in einer bestimmten 

ist, wird sogar an die Wahl in den comitia cu- Reihenfolge; denn Ciceros Darlegung (rep. II 35, 

riata angefiigt. Rubin o (Untersuchungen 14) bestatigt durch die Bedingungen, die vom frin' 

und M m m s e n haben von der freien Er- ce'ps senatus [s. u.] gefordert wurden), daB, als 

nennung des Dictators und der Bedeutung der die gentes minores geschaffen wurden, die gentes 

Renuntiatio bei der Consulwahl ausgehend maiores zuerst in der interrogatio aufgerufen 

Schliisse gezogen auf die freie Wahl des Vorgan- 10 wurden, mufi unbedingt von einem damaligen 

gers des Konigs. Dieser war nach M o m m s e n Vorrang herstammen, die wiederum, als die gen- 

(St.-R. I 213) notwendigerweise der Interrex, da- tes minores wirklich untergeordnet waren, ent- 

mit der Konig sofort in den Dienst eintreten standen sein mufi. 

konne, da ,kein f ormeller Akt bedingt und betagt Der Senat der fruhen Republik, 

werden kann* (Pap. Dig. L 17, 77). Rosen- Die Republik, ob Produkt einer Revolution 

berg (Bd. I A S. 708) ; fiihrt Griinde an fiir eine oder allmahlichen Verfalles der Monarchie (De 

vorlaufige Ernennung durch den alten Konig, Sanctis Storia I 397. Kornemann Klio 

die unvoUstandig ist, bis der neue Konig seine XIV 190), brachte zunachst keine bedeutende An- 

ersten Auspicien eingeholt hat. Es ist jedoch un- derung im S* 

besonnen zu versichern, das Konigstum sei zu20 I. Zusammensetzung. Der S. wurde, 
alien Zeiten entweder ein erbliches oder ein Wahl- welche Vorbehalte auch immer durch die Sitte 
konigtum gewesen. Gerade die Einrichtung des (H e r z o g System I 872) auf erlegt waren, in 
Interregnums ist jedoch ein Beweis, daB es ge- der Theorie bis zum 4. Jhdt. (Fest. praeter. senat. 
wohnheitsmaBig ein Wahlkonigtum war. Der 246 M.) von den Oberbeamten nach ihrem Gut- 
offensichtliche Ernenner war der Interrex mit diinken weiter gewahlt. Zwei Anderungen wan- 
seiner Decurie, der wirkliche Wahler jedoch war delten seinen Charakter in Wirklichkeit jedoch 
die Gesamtheit des S. Die Wahl des S. wurde vollig: die Zulassung der Plebeier und die Re- 
daraufhin dem Volke durch Zuruf bekannt ge- krutierung aus Exmagistraten. 
macht, wie bei dei renuntiatio. 1. Die Plebeier. Es ist eine historische 
III. Das Verfahren. Mit Ausnahme der 30 Tatsache, daB die Plebeier wahrscheinlich Auf- 
Interregna konnte sich der S., wenn er aus freien nahme in den S. fanden, als einzelne unter ihnen 
Stucken zusammentrat, nur auf des Konigs Auf- machtig genug wurden, ihre Aufnahme zu er- 
forderung und unter seihem Vorsitz versammeln. zwingen. In der Angabe der einzelnen Daten ist 
Er trat in einem templum (s. d.) d. h. an einem die tJberlieferung jedoch von geringem Wert. Der 
Platz zusammen, der durch Regeln der Augural- Bericht, der die meiste Autoritat besitzt, ver- 
disziplin (Varro = Gell. XIV 7, 7) gebunden und bindet sie mit der traditionellen Rekrutierung 
geweiht war, von sehr friiher Zeit ab gewohnlich des sich verringernden S. am Anfang der Repu- 
in einem Hause, das zu diesem Zweck bestimmt blik (Liv. II 1, 10. Fest. qui patres 254 M., vgl. 
war, der sog. Curia. Die trberlieferung fuhrt die ep. 7. 41. Plut. Popl. 11; nach Dionys. V 13. 
Curia Hostilia auf dem Forum auf den dritten 40 Tac. ann. XI 25. Serv. Aen. I 426 wurde diese 
Konig TuUus Hostilius zuruck (Liv. I 30, 2. Cic. Auswahl von Plebeiern zuerst zum Patriciat er- 
rep. II 31. Varr. 1. 1. V 155), und obgleich es hoben). Dieser Bericht ist, wie Will ems (S6- 
zweifelhaft ist, daB ein Gebaude der gallischen nat I 42) richtig bemerkte, eine Konstruktion, 
Katastrophe entging, und sicher, daB keins der die den Ursprung der Invitationsformel qui patres 
Aufgabe des Sepulcretums auf dem Forum (wahr- qui conscripti erklaren soUte. Ein anderes System 
scheinlich im 6. Jhdt.) vorausging, so fiihrt die kombinierte gleichfalls die Erklarung fiir die Zu- 
Orientierung zum Comitiumplatz (H ti 1 s e n lassung der Plebeier mit der der angeblichen Er- 
Forum R. 5. 15) auf eine Zeit zuriick, als die hohung der Normalzahl auf 300 am Anfang der 
Versammlung auf dem Comitium von groBerer Republik (Holzapfel Riv. Stor. Ant. II 52). 
Bedeutung war. Mitten im Comitium war von 50 Keine von beiden Konstruktionen verdient Glau- 
sehr friiher Zeit, wenn nicht von der Konigszeit ben, wahrend anderseits die spatere Teilung des 
ab, ein Warteraum (senaculum) fiir die Senato- S., der damals in Dienstklassen eingeteilt war, 
ren reserviert (Val. Max. II 2, 6. Varr. 1. 1. V die sich wiederum in Klassen der Patricier und 
156. Fest. 337.346M. Bd.IIA S. 1453). Momm- Plebeier (s. u.) unterteilten, es sehr moglich 
sens (St.-R. Ill 914. 927) Glaube, daB das macht, daB Auszeichnung im Amt den Vorrang 
frtihe Rom zwei curiae mit senacula besaB, die hatte vor der Auszeichnung durch Geburt, da 
hauptsachlich . fiir Senatssitzungen bestimmt sonst alle Patricier, nach Amtern gruppiert, 
waren: die Hostilia und die Curia Calabra auf natiirlicherweise vor alien Plebeiern, die in ahn- 
dem Capitol, griindete sich auf zu geringe Be- licher Weise gruppiert waren, den Vorrang ge- 
weise, und die Notwendigkeit zweier S.-Gebaude 60 habt batten, in andern Worten, daB die Ple- 
in der friihen Zeit leuchtet nicht ein. Anderer- beier erst aufgenommen wurden, nachdem Aus- 
seits war die Curia Calabra, wenn liberhaupt, nur zeichnung im Amt mit der Zeit ein Kriterium fiir 
in friiher Zeit ein S.-Gebaude, wahrend die Tat- den senatorischen Stand geworden war. 
sache, daB die erste Versammlung des Jahres Aber ob die Plebeier nach Beginn der Re- 
gewohnlich im luppitertempel, der sie reprasen- publik zuerst von einein liberalen Patricier 
tieren sollte, stattfand und deshalb der in der (Mo mm sen St.-R. Ill 872) rechtmaBig zii- 
Hostilia vorausging, sich natiirlicher dadurch er- gleich mit dem Recht auf Magistratur (so W i 1 - 
klSren laBt, daB das religiose Zentrum Roms lems S^nat I 49f.) aufgenommen wurden oder 



673 Senatus (fmhe Eepublik) Senatus (Mhe Eepublik) 674 

von einem plebeiisehen Magistrat (so D e Sane- neue Vorrangsreihenfolge auf der S.-Liste und im 

tis Storia 11 61), ist noch ungewiB. Die Tra- praktischen Gebrauch der Liste in der interroga- 

dition, die natiirlich an die Zulassung der Pie- tio, die auf Beamtenrang basierte und den alten 

beier am Anfang der Eepublik glaubt, nahm an, Unterschied zwisehen Patriciern und Plebeiern 

dafi ein Plebeier, der zum Oberamt gewahlt wor- verdrangte. Der wirkliche Standesunterschied im 

den war, schon im S. (Liv. V 12, 11, grundsatz- S. wurde der zwisehen eurulisehen und niehteuru- 

lich von M m m s e n gebilligt) safi. Der tJber- liscben Senator en. 

lieferung nach wurden die Plebeier erst beim Conseripti. Naeh der Zulassung der Ple- 

zweiten Decemvirat im J. 450 zum Oberamt zu- beier setzte sieh der S. aus zwei Korpersehaften 
gelassen; aber wenn auch der Yersueh von Wil- 10 zusammen: dem alten patrieisehen S., dem die 

1 e m s (Senat I 54), die plebeiisehen Namen zu Funktionen der patrum auctoritas und das inter - 

eliminieren, nieht durohweg iiberzeugend ist, hat regnum vorbehalten waren, und dem patrieisch- 

Beloch (RG 242) ernsthafte Zweifel an der plebeiisehen S., der das consilium bildete. Der 

Existenz dieses zweiten CoUegiums geauBert. Da- Unterschied der Funktion wurde aueh dureh den 

nach wurden Plebeier der Tradition naeh dureh Titel gekennzeichnet, und M o m m s e n (RF I 

das consularisehe Tribunat zum militarischen 255; St.-R. Ill 891) hat wahrseheinlich recht, 

Kommando im J. 446 zugelassen, und naeh den wenn er darauf besteht, dafi der ealceus patrieius 

Fasti erhielten sie zuerst das Amt im J. 445 den patrieisehen Senatoren vorbehalten war, und 

(Mo mm sen St.-R. II 188), naeh Liv. V 12, 9, daB nur der ealceus senatorius ohne die lunula 

vgl. 20, 4 (wahrseheinlich naeh Lieinius Maeer 20 giiltig fiir die Plebeier (anders W i 1 1 e m s Se- 

zur Glorifizierung der Lieinii) im J. 400, wah- nat I 123 f.) war. In der alter en Formel zur Ein- 

rend B e 1 o e h s (RG 248) energische Revision berufung des S. qui patres qui conseripti (estis) 

der Liste der Consulartribunen die Plebeier iiber- (Fest. 254 M. qui patres qui conseripti: vocati 

haupt eliminiert. Folglieh ist es moglieh, daB sunt in euriam; Liv. II 1, 10 traditumque inde 

Plebeier bis naeh 367 nieht im S. saBen. Aber fertur ut in senatum vocarentur qui patres qui- 

wenn man aueh anerkennen muB, daB das eher que conseripti essent) und in der gewohnliehen 

der Anfang als das Ende des Kampfes um wirk- Anredeformel patres conseripti (asyndetisch ver- 

liche Gleiehheit war, wenn die Plebeier stark kurzt) naeh Mo mm sen (RF I 254; St.-R. Ill 

genug waren, zu dieser Zeit die Zulassung zum 839) und naeh der tJberlieferung, die man 

Consulat zu erzwingen, so ist es wahrseheinlich, 30 die bessere nennen kann, bezeiehnet patres die 

daB sie die Zulassung zur Ratsversammlung vor- patrieisehen, conseripti die plebeiisehen Mitglie- 

her zu erzwingen batten. der, die Eingeschriebenen oder besser die Zu- 

2. G e w e s e n e B e a m t e. Es ist klar, daB sammengeschriebenen. Diese Bezeichnung ist 

seit der Einriehtung des jahrliehen Oberaintes Quelle fur den traditionellen Bericht von dem 

diejenigen Beamten, die den Vorsitz im S. ge- Schub der plebeiisehen Senatoren am Anfang der 

habt batten, wenn sie nieht schon Mifcglieder Republik (Liv. a. 0. Fest. adlecti 7 M.; con- 

waren, besonders geeignet fiir die Wahl eines seripti 41 M.; qui patres 254 M., vgl. Pint, 

dauernden Sitzes erscheinen. Von der Zeit an, Popl. 11) oder unter Servius TuUius (Serv. Aen. 

wo die Wahl der Senatoren den Censoren an- I 426. Zonar. VII 9) und ist noch zu erkennen 

vertraut worden war (um 312), war dies feste 40 in anderen irrigen Identifizierungen der con- 

Sitte geworden. Danaeh zerfiel der S. in zwei seripti (Schol. Bobb. 274 St. conseripti =100 Se- 

Kategorien: in Senatoren, die auf der Censoren- natoren des Tarquinius, mutmaBlieh die gentes 

liste standen, und in solehe, quibus in senatu minores, von denen sieh als dritte Klasse die ple- 

sententiam dicere licet, gewesene Beamte mit beiischen Senatoren unterscheiden. Lyd. mag. 

Vorzugsrecht auf Aufnahme in die nachste Gen- I 16 conseripti = hinzugetretene Sabiner, die 

sorenliste und mit voUen senatorischen Rechten gentes minores des Dionysios II 47 und der an- 

in der Zwisehenzeit (M m m s e n St.-R. Ill 858. gefiihrten Mehrheit der Annalisten), wie aueh in 

W i 1 1 e m s S6nat I 49). einer unklaren Unterseheidung zwisehen patrici- 

Dieses Privileg der Magistratur mag so alt schen patres und plebeiisehen patres conseripti 

sein wie die Republik, und ist ohne Frage alt. 50 (Plut. quaest. Rom. 58 fj rovg fjihv i^ aQxrjg nara- 

Im J. 209 beanspruehte ein Flamen Dialis, der vcf^s'&svtag vtio tov ''PcofjLvlov narsQag bkoIovv 

unbedingt selbst ein Patricier und dureh seine tcai natQiKiovg . . . tovg ds votsQov syyQa<psvrag 

Privilegien ein Rest des Patricierstaates war, mit sk rcov 87]fzori?icbv ovyyeyQaiAfxevovg narsQag d)v6- 

Erfolg ein Recht auf einen S.-Sitz, der seit Gene- /uaaav; die Quelle fiir die Verwirrung erseheint in 

rationen verf alien war, auf Grund seines euruli- Rom. 13 ^1^ aQxfj f^sv ovv uiazeQag avtovg fxovov^ 

schen Stuhles (Liv. XXVII 8, 7). Da das Recht voxbqov 6s jzXeiovcov jiQooavaXa/Li^avo^evcov nate- 

naeh und naeh versehiedenen Magistraturen bei- Qag ovyyeyQaf^iAsvovg nQooriyoQsvoav d. h. nach 

gelegt wurde, so wurde der S. allmahlich ein Rat den Hinzufiigungen zu den patres wurde der ge- 

von gewesenen Beamten, bis er schlieBlich, naeh samte S. patres conseripti genannt, was Plutarch 

SuUa, sieh ganzlich aus indirekter Volkswahl 60 falschlieh als Titel der Hinzugetretenen be- 

rekrutierte. zeiehnete). 

Nebenher und vielleicht zusammenfallend mit Ein anderes System, das W i 1 1 e m s (Senat 

dieser Sitte entwickelte sieh die Praxis, die ge- I 38) verteidigt und das sieh auf die Interpreta- 

wesenen Beamten in der interrogatio zuerst um tion der Anredeformel ,eingesehriebene Vater' 

ihre Meinung zu befragen. Das so eingefiihrte grtindet, lieB keine Unterseheidung im Titel zu 

Prinzip revolutionierte den spateren S. Als die (Dionys. 11 47 nazQiTclovg s^ Sv exatov . . . nQo- 

Magistraturen sieh vermehrten, und die Plebeier osyQaipav, II 12 jiazsQeg syyQaq)oi, Isid. orig. IX 

zu ihnen zugelassen wurden, entwickelte sicheine 4, 11: die patres conseripti wurden so genannt, 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 22 



675 Senatus (frtihe Kepublik) Senatus (frtihe Eepublik) 676 

well die Namen der 100 Senatoren des Romulus wahrscheinlich aus der friihen Republik, maiores 

auf goldene Tafelchen geschrieben waren [Serv. natu (Liv. I 32, 10) genannt. Aber seitdem der 

a. 0.], well die hinzugetretenen Senatoren, nach Eintritt in den S. mit der Magistratur verbun- 

der Vertreibung der Konige, patricisch [!] waren. den war, verringerte sich notwendigerweise das 

Wenn Cic. Phil. XIII 28 jedoch von einem Durchschnittsalter. Befehlshaber im Kriege waren 

pater conseriptus spricht, so scherzt er in der natiirlich nicht auf senior es beschrankt. Die Tra- 

Tat, wie es Horaz fA. P. 314] mit conseriptus dition berichtet von Fallen von auBerordentlicher 

tut). Dionysios' Deutung der Anredeformel ist Jugend (M. Valerius Corvinus Consul mit 23 Jah- 

die Hauptquelle fiir seine AuffassUng von der ren, Liv. VII 26, 12. Plin. n. h. VII 157, vgL 

frtihesten romischen Gesellschaft. Bei ihm ist der 10 Tac. ann. XI 22 apud maiores . . . prima iuventa 

S. eine ausgewahlte Korperschaft des Patriciats, consulatum et dictaturas inirent). 

das die durch Romulus (II 8) von der plebs ge- Obgleich in historischer Zeit kein soleher 

trennte Aristokratie ist, in die alle plebeiischen Unterschied zu bemerken ist, so wurde er doch 

Hinzufiigungen zum S., sogar noch einige Zeit einst, angeblich, in der Titulatur (nicht rechtlich) 

nach der Einrichtung der Republik (VII 55. 65) auf Grund des Alters gemacht: hi qui post lustrum 

erhoben wurden, und fiir ihn bedeutet die For- eonditum ex iunioribus magistratum ceperunt et 

mel, nicht wie W i 1 1 e m s (I 40) glaubt, ,sena- in senatu sententiam dicunt et nan vocantur se- 

teurs inscrits sur la liste', sondern eingeschriebene natores antequam in senioribus sunt censi (Fest. 

Patricier, was nach der Vermutung von Rose senatores 339 M. Mommsen St.-R. Ill 874 j 

(Plut. quaest. Rom. 58) die wahre Erklarung ge- 20 aber vgl. W i 1 1 e m s S^nat I 49). 

wesen sein soil. II. Funktionen. 1. Interregnum. 2, Pa- 

Wenn auch die Folgerung, die mit der Deutung trum Auctoritas. 3. Consilium, 

der Invitationsformel zusammenhangt, eine Kon- 1. Das Interregnum wurde wegen 

struktion sein mag, so macht sie doch die Deu- seiner praktischen Bedeutung bis zur Zeit des 

tung nicht unbedingt f alsch. Eine ahnliche Ent- Augustus beibehalten. Danach ging es in der Tat, 

wicklung der Ratsversammlung im griechischen wenn auch nicht gesetzlich (Mommsen St.-R. 

Westen rief eine parallele Terminologie hervor I 648) unter. In der Abwesenheit aller curuli- 

(beobachtet von Van Meurs Mnemosyne LV schen Beamten (Liv. IV 7, 7. Cic. ep. Brut. I 5, 4, 

377). Als der aristokratische Rat gezwungen vgl. Dionys. VIII 90) kehrte die Macht, wie unter 

wurde seine Exklusivitat aufzugeben, nahm er 30 den Konigen, zum Senat zuriick, der zur Ernen- 

eine Zahl von Biirgern aus dem Volke auf (sptxXrj- nung eines Interrex (s. o.) und zur Wahl neuer 

roi, eoKXrjxoi, imKXrjToi, ijieloHXrjwi), zuerst fiir den Beamten schritt. Aber mit der Zulassung der 

besonderen Fall, dann fiir immer. Diese Korper- Plebeier wurde das Interregnum nicht eine Funk- 

schaft entwickelte sich auf demokratischer Seite tion des S., sondern seiner patricischen Abteilung. 

zur eKxXriola, auf der oligarchischen verschmolz Das wurde von W i 1 1 e m s (S^nat II 24f.) be- 

sie in die vorhandene PovXyj. Im Westen, wo der stritten, der, obgleich er gla'ubte, daS der Inter- 

letztere Kurs befolgt wurde, wurde der Rat, ge- rex unbedingt ein Patricier war, meinte, dafi der 

bildet aus der Vereinigung von §ovXr) und Interrex vom ganzen Senat ernannt wurde und 

eKHXriola, a ovyxXrjzog genannt (zusammenberufene daB folglich die Auspicien und das Imperium 

sc. povXrj K e i 1 bei Gercke-Norden IIP 369). In 40 sich auf den S. als Gesamtheit erstreckte. 

einigen Fallen bestand neben der ovyftXrjrog eine Die Verschiedenheit der Meinungen spaterer 

^ovXyj (K e i 1 370f.; so begegnen in Agrigentum Autoren iiber die patres macht den Beweis aus 

d ^ovXd und d ovyKXrjxog qi in derselben Inschrift der Formel auspicia (res) ad patres redeunt nicht 

IG XIV 952); in andern sind beide Namen er- tiberzeugend, obgleich die Ausdehnung des Wor- 

halten, die gleich giiltig den lokalen Rat bezeich- tes auf patricisch-plebeiische Senatoren einerseits 

nen (so in Neapel IG XIV 756 a 17 ovy?iXrjrog, und Patricier als Gesamtheit andererseits am 

758 17 povXrji 757. 760 ol iv jzQoo^cXi^rcp; auch in ersten von der urspriinglichen Bedeutung ,patri- 

Malta eine ovyjiXrjrog 953). Aus diesen beiden cische Senatoren* herstammt, die auch in der 

Bezeichnungen wahlten die Campaner, von denen Unterscheidung zwischen patres und conscripti 

es die Griechen annahmen, 17 ovyKXrjxog zur Be- 50 erhalten ist. Aber ein deutliches Zeugnis be- 

zeichnung des romischen S. (M a g i e Rom. lur. schrankt die Ernennung des Interrex auf die pa- 

Vocab. 4), zweifellos um eine gleiche Unterschei- tricii in der Formel patricii coeunt ad prodendum 

dung in der Zusammensetzung auszudriicken. Der interregem (Liv. Ill 40, 7. IV 43, 8, vgl. IV 7, 7. 

^ovXi^ und der ovyKXrjxog §ovXri entsprechen die Asc. 30 St.) und in den klaren Darlegungen Ci- 

patres und die patres conscripti. Conscripti ge- ceros (dom. 38; die Echtheit dieser Rede, die 

ntigte iiberdies allein, um Glieder des S. zu be- W i 1 1 e m s leugnete, steht auBer Frage), der 

zeichnen, wie man an der Anwendung fiir die Interregna erlebte: interrex , , , et ipsum patri- 

Municipalsenatoren (De R u g g i e r Diz. Epifi^r. cium et a patriciis prodi necesse est und von Li- 

II 604) sieht. Im romischen S. jedoch wurde der vius (VI 41, 6) nos quoque ipsi (sc. Patricier) 

Titel, obgleich alle Mitglieder conscripti waren, 60 sine suffragio populi auspicato interregem pro- 

hauptsachlich fiir Plebeier angewandt, wie damus. 

Mommsen (St.-R. Ill 840) glanzend beob- Seit der Einrichtung der Praetur wurde die 

achtete, ,nach der bekannten romischen Redeweise, Niederlegung des Amtes der Praetoren, da sie 

die allgemein giiltige Kategorie terminologisch keine Consulatswahl abhalten noch einen Dictator 

speziell fiir die geringere Rangklasse zu ver- ernennen konnten, Voraussetzung fiir ein Inter- 

wenden*. , regnum, und mit den Praetoren legten alle, die 

DasAlter. Die Senatoren, urspriin^lich ein patricisches Amt verwalteten, es gleichfRlls 

senesi wurden noch in der Formel der Fetialen, nieder (Mommsen St.-R. I 651). Als die Tri- 



677 Senatns (frtihe Eepublik) Senatus (frtihe Eepublik) 678 

buni plebis ebenso ermachtigt wurden, den Vor- sia von ungefahr 287 (Gai. I 3. Plin. n. h. XVI 

sitz iiber den S. (mutmaBlich zur Zeit der Hor- 37. Lael. Felix = GelL XV 27, 4), die alle ver- 

tensischen Gesetze im J. 289 — 286: Mo mm sen ordnen, dafi die plebiscita fiir das ganze Volk 

St.-R. II 316) zu fiihren, konnte der ganze Senat verpflichtend sein sollten. Es ist bekannt, daB 

zusammentreten und iiber die Ernennung eines irgendeine einschrankende Bestatigung wegge- 

Interrex durch die Patricier beraten. Am Ende lassen wurde, und obgleich M o m m s e n, teil- 

der Republik sehen wir die Patricier nicht selten weise von seiner Auffassung des S. als eines fiir 

auf eine solche Beratung warten, und dementspre- sich bestehenden Teiles der friiheren Geschlech- 

chend erscheint ein SO de patriciis convocandis terverfassung beeinfluBt, leugnete, dafi die pa- 
gebriluchlich, wenn auch nicht gesetzlich notig 10 trum auctoritas, die Erganzung der Volks- 

(Asc. 30 St. M m m s e n St.-R. I 655). beschliisse, mehr auf die plebiscita als auf ein 

2. Patrum auctoritas. Dafi dies Vor- Privattestament angewendet werden konnte, bleibt 

recht dem patricischen S. vorbehalten war, ist sie sicherlich das logischste und bequemste In- 

klar, abgesehen von der wahrscheinlichen Bedeu- strument dafiir. M o m m s e n brachte das vale- 

tung von patres in technischer Sprache, auf Grund risch-horatische und das publilische Gesetz mit 

Yon Darlegungen, in denen das fragliche patres den Comitia tributa zusammen und mutmafite 

ausdriicklich auf patricii (Liv. VI 42, 10. Sail. auf Grund der Berichte, die die Annahme der tri- 

hist. Ill 48, 15. 128 Maur., wahrscheinlich auch bunicischen Rogationen allgemeiner Bedeutung 

Gai. I 3) bezogen wird, und den klaren Darlegun- betreffen, dafi sie nach vorhergehender Billigung 
gen Ciceros (dom. 38), die so schlagende wort- 20 des S. (Appian. bell. civ. I 59: als Sulla die Billi- 

liche Ahnlichkeit mit denen bei Livius (VI 41, 10) gung verlangte, nannte man dies ein altes Ver- 

aufweisen, dafi man dieselbe juristische Quelle fahren; das mag sich jedoch auf die rein gewohn- 

annehmen mufi, dafi namlich der Untergang des heitsmafiige vorherige Billigung der plebiscita be- 

Patriciats keine Korperschaft hinterlassen wiirde, ziehen, die nach dem Hannibalischen Kriege ub- 

die die Entscheidungen der comitia (anders Wil- lich war, vgl. Liv. XXXVIII 36, 8) giiltig waren, 

I e m s I 38ff.) bestatigte. bis das hort'^nsische Gesetz sie von dieser Bedin- 

Im Gegensatz zum Interregnum war dies Vor- gung (St.-R. Ill 155) befreite. Nach Will ems II 

recht zu bedeutend, um im Laufe der Stande- 74 wurden die plebiscita durch das Valerisch-Hora- 

kampfe unverandert zu bleiben. Die patrum auc- tische Gesetz allgemein giiltig, wenn sie mit einer 
toritas konnte, wie spater bekanntlich die Auspi- 30 folgenden^a^rwmaMc^on/asversehen waren. Durch 

zien, als Parteiwaffe (Mommsen RF I 242) die Lex Publilia wandelte sie sich zu einer vor- 

mifibraucht werden. tlberdies begleitete bei der hergehenden patrum auctoritas, und durch die 

vermehrten Zahl und der territorialen Verbreitung Lex Hortensia wurde sie iiberhaupt abgeschafft. 

der Wahler ein ernsthaftes praktisches Hindernis De Sanctis (Storia 11 24. 221) betrachtete 

die Ablehnung von Beschliissen der comitia cew^ii- das Valerisch-Horatische Gesetz als unecht, die 

riata, nachdem sie durchgebracht worden waren. plebeiische Versammlung als eine revolutionare 

Zuerst in einzelnen Fallen (Liv. VI 42, l4. Cic. Organisation, deren Entschliisse, zunachst einfach 

Brut. 55), dann durch eine Lex Publilia des durch die materielle und moralische Kraft der 

J. 339 wurden alle Rogationen (Liv. VIII 12, 15), Plebs gestiitzt, die eidlich verptlichtet war, sie 
durch eine Lex Maenia von unbestimmtem Datum 40 aufrecht zu erhalten, durch die Lex Publilia nach 

(Cic. a. 0.; auct. vir. ill. 33. Mommsen St.-R. folgender Bestatigung, durch die Lex Hortensia 

III 1042, 3: kurz nach 292. Will ems II 69: nach vorausgehender Bestatigung der patrum 

wahrscheinlich 338) alle Wahlen im voraus be- auctoritas gesetzlich verpflichtend fiir das ganze 

statigt bzw. abgelehnt (Liv. I 17, 9, vgl. Dionys. Volk geworden seien. Diese freilich drastische 

II 14. Cic. Plane. 8, wo friihere und zeitgenos- Theorie ist im grofien ganzen die verntinftigste. 
sische Praxis sich gegeniiberstehen). B e 1 o c h Sicherlich ist der Beweis aus den im Ausdruck 
(RG 478), der das Jahr der Dictatur und folg- unbestimmten Berichten (z. B. Liv. IV 6, 3. VI 
lich die Gesetzgebung des Publilius anzweifelt, 42, 9) iiber die Ereignisse, die die friihen Ple- 
erklarte die Lex Publilia ziemlich kiihn fiir eine biscita begleiteten, nicht iiberzeugend fiir vor- 
reine Vorwegnahme der Lex Maenia. Obgleich 50 hergehende Billigung. Man kann bezweifeln, dafi 
diese Gesetze sich hauptsachlich auf die co- das Volk, das die plebeiischen Auspicien tiber- 
mitia centuriata beziehen, dehnten sie sich ohne lebte, wegen eines kleinen gesetzlichen Skrupels 
Frage auf die comitia curiata, die damals von ge- freiwillig auf das bequemste Instrument, die Ent- 
ringer Bedeutung war, und ebenso auf die comi- scheidungen einer rein plebeiischen Korperschaft 
tia tributa aus (dagegen Wi Hems II 86). Solch durch eine rein patricische zu bestatigen, ver- 
eine Unterscheidung zwischen consularischen Ro- zichtet haben wiirde. 

gationen vor den Centurien und vor den Tribus 3. C o n s i 1 i u m. Es waren jedoch seine 
ware eine verfassungsmafiige Anomalie gewesen, Funktionen als Consilium, aus denen sich der S. 
an die man unmoglich glauben kann. zur Regierung entwickelte. Die Grundlage seiner 
Die Beziehung der patrum auctoritas zu den 60 Macht in der Zeit seiner Herrschaft bestand in 
plebiscita ist leider noch ungewisser. Fraglos war der Kontrolle der Provinzen und Armeen, inter- 
bis zu der hortensischen Gesetzgebung ihre all- nationaler Unterhandlungen und der Staatskasse, 
gemeine Giiltigkeit durch irgendeine Form der und in einer allgemeinen Oberaufsicht iiber die 
senatorischen Zustimmung bedingt. Die t)ber- Verwaltung und das Innere. Alle diese Macht- 
lieferung verzeichnet drei getrennte Gesetze, befugnisse hatten ihren Ursprung in der Funk- 
die Lex Valeria-Horatia des J. 449 (Liv. Ill tion des S.s, dem Magistrat Rat zu erteilen. '^ie 
55, 3. Dionys. XI 45), die Lex Publilia des wuchsen, als der Magistrat der Ratsversammlung 
J. 339 (Liv. Vni 12, 14) und die Lex Horten- Mafiregeln vorlegen mufite, und als ihr Rat ver- 



679 Senatus (frtihe Eepublik) Senatus (frtihe Eepublik) 680 

pflichtend wurde. Diese Entwicklung regulierte St.-R. Ill 962. 982) glaubte, da6 lange Zeit einer 

sich ganzlich durch die Gewohnheit; nichts ist Gruppe von Senator en das Recht, die Politik vor- 

tauschender, als die Reihen verlorengegangener zuschlagen, entzogen war, und da6 sie nur ab- 

Klauseln verlorengegangener Gesetze, die, wie stimmen konnten. 

Will ems (z. B. II 241) annahrn, foestimmte Pedarii. Dies waren die pedarii (Gell. Ill 
Machtbefugnisse hauptsachlich dem S. verliehen. 18. Fest. pedarium 210 M. Cic. Att. I 19, 9. 
M m m s e n betonte mit Recht den raterteilen- 20, 4. Front, aqu. 99. Tac. ann. Ill 65). Sie um- 
den Charakter des S.s in der friihen Republik, fafiten alle Plebeier, die einen S.-Sitz nicht ver- 
den er niemals ganz verier. moge eines Amtes, sondern durch freie magistra- 
Die Veranderung, die dazu fiihrte, ist weniger 10 tische Wahl inne batten: so zunachst alle cod- 
eine der Form, als der Tat, und die Griinde, die scripti und dann die von einem Beamten ernann- 
sie verursachten, sind nicht weit zu suchen. ten. Im nachsuUanischen S., der sich ganz aus 

1. Die Stetigkeit des S.s gegenuber den jahr- gewesenen Beamten zusammensetzte, verschwand 
lichen Beamten; die Minderung ihrer Macht diese Klasse ganz, und die Bezeichnung wurde 
mit der Zunahme der Beamten und die Ein- auf Senatoren, die unten auf der Liste standen, 
schrankung ihrer Macht mit dem Anwachsen der und die in der Praxis auf eigene Vorschlage ver- 
Tribuni plebis, die der S. zu jeder Zeit als ein zichteten, ubertragen. Gegen diese Theorie er- 
Werkzeug benutzte; die Rekrutierung des S.s aus heben sich ernste Einwande. 

gewesenen Beamten und ihr folgerichtiges Be- 1. Die Gegenwart von Leuten in einem Rat 
denken, eine Korperschaft zu miSachten, in die 20 von Ratgebern, die unfahig sind ihren Mund 

sie zuruckzukehren pflegten und in der ihre Vor- (Lange Rom. Altert. IP 376) zu ofinen. 

ganger saBen; all diese Dinge gaben ihm Auto- 2. Es gibt keinen Beweis, ausgenommen die 

ritat gegen die Obrigkeit. spate Analogie der Pedarii in dem Album von 

2. Andererseits machten die Schwierigkeiten Canusium (GIL IX 338), daB pedarii je eine offi- 
der Geschafte, als Rom eine italische und Welt- zielle Klasse ausmachten; oder, abgesehen von 
Macht wurde, ein Regierungsbiiro notwendig. Das der absurden Darlegung des Gavius Bassus 
verlangte vor allem Zusammenhalt und Geschick- (== Gell. a. 0.), daB sie pedarii genannt wurden, 
lichkeit, und bevor das Kaiserreich das System well in veterum aetate, wahrend curulische Sena- 
von Biiros, die unter einem dauernden Leiter stan- toren zum Senatshaus im Wagen (eurru vgl. Fest. 
den, entwickelte, gab es keine andere Korper- 30 curules 49 M.) fuhren, sie zu FuB gingen (pedi- 
schaft als den S., der diese Notwendigkeit erfiillte. bus itavisse), daB sie alt waren. 

3. Die Macht und der EinfluB des S.s war 3. Sie setzen eine scharfe Unterscheidung zwi- 
letzten Endes ein Kompositum der Macht der schen dem Ratfragen und dem Abstimmen vor- 
reichen und einfluBreichen Manner, die ihn bil- aus und nehmen an, daB alle Senatoren um eine 
deten, und der sozialen und wirtschaftlichen scntentia gefragt werden muBten; beides fiir den 
Oligarchic (vgl. Homo Institutions politiques friihen Rat ungewifi. 

103f.), deren Werkzeug er war. Diese kompakte 4. Von den Ableitungen dieser Bezeichnung 

Gruppe mit ihren mannigfaltigen Biindnissen und ist die qui sententiam in senatu non verbis di- 

Verbindungen untereinander (s. besonders M u n- cunt, sed in alienam sententiam pedibus emit 
z e r Adelsfamilien) und abhangigen Klienten 40 (Gell. vgl. Fest. tacitus transeundo) ganz richtig. 

unter den niederen Klassen (Gelzer Nobilitat Aber wie Munro (Journ. Phil. IV 117) schon 

der Republik 76f.) herrschte schlieBlich Tiber langst beobachtet hat, bedeutet diseedere oder 

machtige Leute und reduzierte in der verhaltnis- pedibus ire in sententiam Zustimmung fiir einen 

maBig demokratischen Verfassung, die in dem Sprecher zeigen, indem man auf die Stelle hin- 

Hortensischen Gesetz gipf elte, das Volk zu der iiberging, wo , er wahrend der Debatte steht (vgl. 

Rolle einer kaum mehr als bestatigenden Korper- Cic. Qu. fr. II 1, 3 ibatur in earn sententiam. turn 

schaft, und bisweilen vernachlassigte sie in der Glodius rogatus diem dicendo eximere coepit. 

Praxis (z. B. Prorogation und besondere Dispen- Plin. ep. II 11,22), ebenso wiebei der endgiiltigen 

sierung von Gesetzen: Asc. 47 St. Dio XXXVI Abstimmung. Die Identifizierung von pedarii 
39) sogar die Form der Bestatigung. 50 mit nicht curulischen Senatoren (Lange a. 0. 

Der Rat, der vom S. als Consilium gegeben Willems I 137), ebenso wie die klare Dar- 

wurde, enthielt zweigetrennte Telle: A. sententia, legung des Gellius, wenn auch in einer verkehr- 

den Vorschlag des einzelnen Senators uber die ten Identifizierung mit gewesenen Beamten, die 

Sache, die dem S. durch den vorsitzenden Be- noch nicht in die Censorenliste eingetragea 

amten, der den S. befragte, vorgelegt wurde; sind, quia in postremis scripti sunt non rogahan- 

B. senatus consultum, den Vorschlag, der auf Ab- tur sententias, zeigt, dafi die pedarii am Ende 

stimmung des S.s als Antwort auf die Frage des der Liste standen. Durch diese Praxis hatte man 

Beamten angenommen wurde. ein Mittel fur niedere Senatoren, die selten die 

A. Sententia. Das Recht auf eine Senten- MogKchkeit hatten, eine neue sententia zu iiber- 
tia enthielt das Recht, die Politik vorzusehlagen, 60 reichen oder eine alte zu motivieren, ihre Mei- 

wie das SC das Recht, sie zu entscheiden. Der nung zu auBern. Die Bezeichnung pedarii braucht 

Vorteil einer hohen Stellung ist auf Grund der damals nicht auf eine offizielle Klasse beschrankt 

festen Ordnung, in der die Sententiae eingeholt gewesen zu sein, die nur an der endgiiltigen Ab- 

wurden, offensichtlich, wie es tatsachliche "Unter- stimmung toil hatte, und sie braucht deshalb 

schiede zwischen den Mitgliedern sind, die sich nicht nach der Regel, daB die allgemein gtHtige 

auf Fahigkeit und Vorrang stutzen. Aber H o f - Kategorie auf die niedere Klasse (M o m m s e n 

mann (Senat [Berl. 1847] 30) fermutete und St.-R. Ill 840) angewandt wird, eine Gruppe zu 

kein geringerer als Mommsen (RF I 256. 263; bezeichnen, der gesetzlich das ius sententiae 



681 Senatus (Mhe Eepiiblik) Senatiis (fruhe Eepublik) 682 

fehite, entweder von Beamten ernannte Plebeier der auswartigen Politik, wo, wie Taubler 

Oder alle nicht curulischen Senatoren. Die am (Imp. Kom. I 100) richtig beobachtet, der Ver- 

Ende der Liste auBerten jedoch in der Praxis trag des Beamten, des S. und des Volkes, von der 

selten ihre Meinung (nach H e r z o g System I Instanz zuriickgeruf en werden konnte, die ihn 

887 waren nicht curulische Senatoren abhangig ,machte', aber von keiner geringeren. Obgleich 

vom guten Willen des Vorsitzenden; dies ist die bindende Kraft des SC wenig bestimmt blieb, 

verstandlich als eine nicht offizielle Kegel des so vermehrte die zunehmende Dauerhaftigkeit, 

Hauses). die den S. befahigte, einen Druck auf die aufein- 

B. Senatus consultum (grundlegend anderfolgenden Beamten auszuiiben, um seine 

Mo mm sen St.-R. Ill 994f. 10221). Das SC 10 Geltung durchzusetzen, sie sicherlich. Fernerhin 

war der gemeinsame Akt des S. und des vor- legten die Tribunen Gewicht auf die SCta, gegen 

sitzenden Beamten. Seine gesetzliche Kraft die sie nicht einschritten. Sie wurden jeder- 

stammte nicht vom S., sondern von ihm. Er, zeit dazu benutzt, Consuln zu hindern, die ohne 

und nie der S. ,macht' ihn offiziell (senatus con- sie oder gegen ihren Willen handelten. Femer 

sultum facit). Urspriinglich war es einfach ein wurde der Beamte, obgleich er ohne Frage 

behordlicher BeschluB, der auf Rat der Ratsver- durch die Notwendigkeit der senatorischeh Be- 

sammlung gemacht wurde, und war als solcher statigung gehemmt war, von Verantwortiichkeit 

veranderlich oder aufhebbar durch den Beamten, befreit und durch die SC gestiitzt. Es ist in der 

der ihn machto (St.-R. Ill 1028), und in seiner Tat leicht, die Vorstellung von einem Streit zwi- 

Wirkung begrenzt auf dessen Dienstzeit (soweit 20 schen dem S. und den Beamten zu ubertreiben. 

es die frllhere Periode betrifft, Dionys. IX 37, 2 Wahrscheinlich ist, daJB der Beamte gewohnlich 

richtig: ovr^ elvai voiiovg elg dsl ip7]q)lCstai to angstlich bemiiht war, sich den Wtinschen des 

ovvsdQiov dXXa nohxev (jLara xatQwv sviavoiov S. zu fiigen und die Last der Verantwortung auf 

exovra loxvv, aber s. Mommsen St.-R. Ill ihn abzuwalzen. Schliefilich war es die Meinung 

997, 1). Wahrend der Republik erreichte er nie- des S. und nicht der BeschluB des Beamten, die, 

mals Gesetzeskraft, und obgleich der S. in Form eher durch eine faktische Revolution als durch 

von Anweisungen allgemeine Regeln von bleiben- ein Gesetz, dem SC seine Autoritat verlieh. Die 

der Absicht, die an Gesetzgebung (z. B. zur Unter- Bedeutung des SC war die Bedeutung des S., 

driickung des Bergbaues in Italien Plin. n. h. Ill nicht die des beschlieBenden Beamten, und der 
138; liber polizeiliche Regelungen SC pag. Mont. 30 Zweck des Verfahrens war weniger, dem Beamten 

CIL VI 31577; uber das Kreditrecht der Latiner Rat zu erteilen, als den Willen des S. festzu- 

Liv. XXXV7, 3; Unterdruckung der Collegia Asc. legen. 

15 St.) grenzten, ausgab, so wurden sie durch Oberaufsicht 1. iiber die Verwaltung, 

seine moralische Autoritat iiber die Beamten ge- 2. iiber die Gesetzgebung. 

tragen, konnten von ihnen (so von Piso hinsicht- . 1. Eine grundsatzliche Yoraussetzung fur die 

lich der Collegia Asc. a. 0. Cic. Pis. 8) ignoriert Macht des S. war nattirlich die Moglichkeit, seine 

werden; und wenn man wiinschte, daB sie all- Meinung iiber die MaBnahmen der Beamten zu 

gemein und unbegrenzt Anwendung fanden, wur- auBern. Von der Zeit an, wo man die Regierungs- 

den sie gewohnlich in Gesetze (so das Kreditrecht maschine deutlich tibersehen kann, war der Be- 
Liv. a. 0.; SC iiber ambitus Cic. Mur. 67; Col- 40 amte in gewissen Teilen seiner Tatigkeit an den 

legia Qu. fr. II 3, 5) verwandelt. In der Theorie Rat des S. gebunden. Der Wirkungskreis des 

konnte der Beamte den Rat des S. ablehnen. Beamten zerf allt nach Mommsens (St.-R. Ill 

Porderungen wurden immer an ihn in der For- 1029) glanzender Analyse in drei Klassen: In das 

mel si ei(s) videatur (Zitate Mommsen St.-R. Unvorhergesehene, d. h. leges, Anderungen in der 

III 1027, 2) geriehtet, und zu alien Zeiten fanden bestehenden Ordnung; das Vorhergesehene und 

sich Beamte, die sich seinem Rat widersetzten Gewohnliche, z. B. die Handhabung der Recht- 

(z. B. L. Postumius Megellus Dionys. XVII 4 ov sprechung und des Kommandos; das Vorher- 

tf]v fiovXrjv aQxstv iavrov q)r}oag scog eotlv vna- gesehene und AuBergewohnliche. Im ersten FaU 

tog dXV iavrov xfjg ^ovXifg; Flaminius Liv. XXI fragte der Beamte das Volk um Rat, im zweiten 
63. Piso Cic. Sest. 32; Pis. 17). 50 ein Consilium, wenn er es wiinschte. Den dritten 

Aber in fruher Zeit erreichte das SC ohne Fall, der in der Wirkung alle Handlungen um- 

Frage eine Geltung, die fiber die des Beamten faBte, die ihm erlaubt, aber nicht regelrecht vor- 

ging, der es machte, und der Anteil des S. am geschrieben waren, konnte er nur nach vorheriger 

BeschluB hatte groBere Bedeutung als der des Konsultation des S. erledigen. Alle auswartigen 

Beamten. Die Einzelheiten dieser Entwicklung Vertrage, die in Rom gemacht wurden, alle Aus- 

sind ganzlich verlorengegangen. Mommsens gaben abgesehen (in der Theorie) von denen, die 

Vergleichung der Terminologie (St.-R. Ill 994f.) die Consuln machten, in der Praxis manchmal 

leidet an der Unbestimmtheit der Bedeutung von auch diese, alle religiosen Fragen und, da in der 

senatus decretum, und die praetoris urbani sena- romischen Theorie beides zwar nicht regelrecht 
tuosque sententia des SC de Bacchanalibus (CIL 60 angeordnet war, doch in der Praxis bestand, die 

P 581) bezieht sich nicht auf die Vereinbarung Bildung der Heere und die Auferlegung des tri- 

des S. und des Beamten, sondern auf zwei auf- butum wurden notwendigerweise vor den S. ge- 

einanderfolgende Akte. Der Verlauf der gezeich- bracht. 

neten Entwicklung ist jedoch in seinen auBeren 2. Vorberatung der Gesetze (grund- 

Umrissen sicherlich richtig. Zuerst horte man da- legend Mommsen St.-R. Ill 1043f.). Bevor 

mit auf, den consularisch-senatorischen BeschluB die Gesetze dem Volk vorgelegt wurden, fragte 

allein von einem folgenden Beamten widerruf en zu der Beamte den S. gewohnlich um Rat und er- 

lassen. Das sieht man deutlich auf dem Gebiet hielt seine Bestatigung. Diese Praxis stammt von 



683 Senatus (frahe Republik) Senatus (frtihe Republik) 684 

der patrum auctoritas, deren natiirliche Ergan- S, (vgl. Herzog System I 1174). Seine Kon- 

zung sie ist; dementsprechend berichtet die Tra- trolie iiber sie wurde geregelt durch seine augen- 

dition iiber sie aus der ersten Zeit vor dem frii- blicklicli wirksame Kontrolle iiber die Tribunen. 

hesten und bedeutendsten Beschlusse der Comitia Interzession. Die Tribunen. Wenn 

centuriata, der Kriegserklarung (Zitate M o m m - einerseits die Beamten an Zaiil zunahmen und 

sen St.-R. Ill 1047, vgl. Cic. Sest. 109; Phil. andererseits die Annahme von Vorschlagen durch 

X 17). den S. wichtiger wurde als die Tatigkeit desKat- 

Da der Pontifex maximus, der in historischen gebens, auf Grund dessen ein Beamter sich zu 

Zeiten den Vorsitz iiber die Comitia curiata handeln entschliefien konnte, so entstand die 

f iihrte, den S. nicht einberufen konnte, war fiir 10 wichtige Mogiichkeit, die Entscheidungen des S. 

die Curiatgesetze eine Vorberatung mit den Pon- zu annullieren. Die patrum auctoritas war der 

tifiees eingefiihrt (Mommsen St.-R. II 37). Interzession (Mo mm sen RP I 244; St.-R. I 

Positive Beispiele fiir Vorberatung von Tribut- 287, 4) nicht unterworfen, und das Interregnum, 

gesetzen fehlen infolge des Mangels an Quellen, obgleich es gewohnlich in der spateren Republik 

die iiber die Versammlung, vor die Rogationen von der Empfehlung durch den patricisch-plebei- 

gebracht wurden, Genaueres aussagen konnten; ischen S. (zuriickverlegt Liv. IV 43, 6) abhangig 

aber solch ein Unterschied zwischen consulari- war, konnte gesetzlich nicht verhindert werdcn. 

schen Rogationen vor den Centurien und den Gegen ein SO konnte jedoch jeder Beamte von 

Tribus ware absurd gewesen (anders W i 1 1 e m s gleicher oder grofierer Macht als der, der es 

II 92. 102 infolge einer falschen Identijfizierung 20 ,machteS interzedieren (Varro = Gell. XIV 7, 6. 

des ^C dexYovhemtnng mit del patrum auctoritas, Cic. leg. Ill 10) wie gegen irgendeinen magi- 

nachdem diese vorangehen muBte — zutreffende stratischen BeschluB: der Consul folglich gegen 

Erlauterungen Mommsen St.-R. Ill 1037, 2 den Consul (Liv. V 9, 3. XXX 43, 1. XXXVIE 

— und der grundlosen Annahme, da6 die patrum 42, 9. XLII 10, 10. Ascon. 20 St.) und theoretisch, 

auctoritas fiir Tributgesetze wie fiir plebiscita wenn auch nie in der Praxis, da die Praetoren 

durch das Hortensische Gesetz abgeschafft wurde). nur den Vorsitz fuhrten, wenn die Consuln nicht 

Im Gegensatz zur patrum auctoritas war die da waren, gegen den Praetor; Tribun gegen Con- 

Vorberatung gesetzlich nicht notig. Es finden sich sul (z. B. Cic. fam. VIII 8), Praetor (Cic. fam. X 

Beispiele fur ihre Vernachlassigung (von Flaccus, 12, 3, vgl. 4) und CoUegen im Tribunat (Cic. 

Val. Max. IX 5, 1, von Caesar Appian. bell. civ. 11 30 Sest. 68, vgl. sen. grat. 3). Gegen den Dictator 

10. 13. Dio XXXVIII 3f.); aber diese sind Aus- konnte der Tribun urspriinglich nicht einschrei- 

nahmen, und das Gewohnheitsrecht des S. war ten (Zonar. VII 13); aber vor dem J. 209 war der 

anerkannt (Appian. bell. civ. IV 92. Liv. XLV Dictator auch der tribunicischen Intercession (Liv. 

21, 5 cum antea semper prius senatus de hello XXVII 6, 5) ausgesetzt. Das Datum ist ungewiB, 

consuUus esset, deinde [ex auctoritate] patrum aber wahrscheinlich um das Ende des 4. Jhdts.; 

ad populum latum), in friihen Konflikten zwischen Dictator und Tri- 

Die Vorberatung der Plebiscita hing anderer- bunen, abgesehen von ihrer zweifelhaften ge- 
seits ganz von dem guten Willen der Tribunen schichtlichen Genauigkeit, scheinen die Anna- 
ab. In der patricischen Republik waren die pie- listen selbst unentschieden (s. Liv. VI 16, 3. 38, 
hiscita, ob sie nun durch vorhergehende senate- 40 9. VII 3, 9. 21, 1. VIII 35, 5. IX 26, 10; 
rische Billigung oder folgende patrum auctoritas Mommsen St.-R. II 165). Auf jeden Fall hatte 
allgemein giiltig waren, soweit sie von allgemei- der auBerordentliche Befehlshaber im Kriege 
ner Bedeutung waren, selbstverstandlich der Vor- wenig Gelegenheit, senatorische Beschliisse zu 
beratung unterworfen. Aber bei denen, die nur machen. Spater konnte jedes SC durch die Inter- 
die Plebs regelten, wie bei revolutionaren Ma6- zession eines Tribunen ungiiltig gemacht werden. 
nahmen, die von der Plebs erzwungen wurden. Dieses Recht wird zuerst besonders erwahnt 
wie bei dem plebiscitum de Aventino publicando, im J. 445 (Liv. IV 6, 6. Dionys. XI 54), und es 
war es absurd zu erwarten, da6 die Tribunen wird von den Annalisten einfach als mit dem 
eine feindliche patricische Korperschaft um Rat Tribunat gleichzeitig angesetzt. In Wirklichkeit 
fragten und, wenn man es genau betrachtet, auch 50 wurde es erst erworben, nachdem der Anteil des 
illegal (Mommsen St.-R. Ill 1045). Nachdem S. am BeschluB ebenso wichtig wurde, wie der 
die formalen Bedingungen fiir AUgemeingiiltig- des Beamten: spater als das Recht der Inter- 
keit beseitigt waren, wurden die plebiscita jedoch zession gegen magistratischen BeschluB und Ro- 
gewohnlich dem S. zur Bestatigung vorgelegt gation (nach Mommsen St.-R. II 295, als zur 
(z. B. Liv. XXXVIII 36, 8), und der S. ersuchte Genehmigung der Plebiscita zuerst die SC ver- 
die Tribunen, MaBregeln vor der Plebs zur Sprache fassungsmafiig notwendig wurden), und friiher 
zu bringen, ebenso leicht wie er die Consuln er- als die Zulassung der Tribunen zur Teilnahme an 
suchte, sie vor den populus zu bringen (Zitate der Debatte; denn schon vor ihrer Zulassung zum 
Mommsen a. 0.), gewohnlich in der Form S.-Gebaude setzten sie ihre Banke vor die Tiir 
eines dazwischen liegenden Ersuchens an die 60 der Curia, um die Beschliisse zu priifen und so- 
Consuln, die gewohnlich den Vorsitz fiihrten fort die fiir ungiiltig zu erklaren, die sie miB- 
(z. B. Liv. XXXI 50, 8 senatus decrevit, ut con- billigten (Val. Max. II 2, 7. Zonar. VII 15). Die 
sules si lis videretur cum tribunis plebis agerent Wahrheit dieser Geschichte wird durch die Tat- 
uti ad plebem ferrent). Aber abgesehen von einer sache bestatigt, daB sie spater nur gegen den 
kurzen Zeit nach Sulla, als ihre Giiltigkeit durch voUendeten BeschluB und in keinem Punkt gegen 
die vorhergehende Billigung (Appian. bell. civ. die vorhergehenden Verhandlungen (Mommsen 
I 59) des S. bedingt war, blieben die plebiscita St.-R. I 281. Will ems II 202) einschreiten 
offenbar das Werkzeug der Opposition gegen den konnten. Ihre Zulassung zu den Senatssitzungen 



685 Senatus (frtilie Eepublik) Senatus (Eegierung) 686 

als Beamte des Volkes (Zonar. a. 0. Btta nal Bias- 7, 13), erst allmahlich allgemein, als die Fest- 

HaXovvxo evTog), wo sie ihre Einwande zum Aus- setzung der Meinung, die dem S. gefiel, wichtiger 

druck bringen konnten, war ein verstandliches wurde als die einfache Beratung des Beamten 

Mittel, Zeit zu sparen, und f olgte wahrscheinlich (anders M o m m s e n St.-R. Ill 906. 980, 5). 

bald auf das Recht der Interzession (einfach vor- Bevor das SC fiir den Beamten bindend war, war 

ausgesetzt fiirs J. 462 von Liv. Ill 9, 6, etwas Entscheidung nur fur die patrum auctoritas not- 

phantastischin J. 457 datiertvon WillemsII 138, wendig. Zu diesem Zweck wurden die Mitglieder 

von Mommsen nicht vor das Hortensische Gesetz offenbar in einer Interrogatio aufgerufen; die, 

St.-R. II 316). Als durch das Hortensische Gesetz inquit ei quern primum sententiam rogabat, quid 
die tribunicischen Rogationen auf gleichen FuB 10 censes? turn ille puro pioque duello quaerendas 

mit den consularisehen gestellt wurden, wurde censeo itaque consentio conseiscoque, inde ordine 

den Tribunen das entsprechende Recht gegeben alii rogabantur; quandoque pars maior eorum, 

{ius referendi), den Vorsitz iiber den S. zu fuhren qui aderant, in eandem sententiam ibat bellum 

und Beschlusse zu veranlassen (Mommsen erat consensum (Liv. I 32, 12; in spateren Be- 

a. 0. W i 1 1 e m s II 139 mit dem Publilischen schreibungen von Kriegserklarungen werden form- 

Gesetz des J. 339; die Annalisten wuBten, dafi liche discessiones natiirlich zuriickprojiziert: Liv^ 

das Recht urspriinglich den Tribunen fehlte [Liv. IX 8, 13. Ill 41, 1, vgL Dionys. XI 21). Mo mm - 

IV 12, 4. Dionys. XI 54. 57]. Das erste Beispiel, sen, der glaubte, dafi die wesentlichen Telle des 

von dem berichtet wird, fallt in J. 216: Liv. spateren Yerfahrens aus der Urzeit ererbt waren, 
XXII 61, 7). 20 nahm an, daJB Livius hier nachlassig zwei Stadien 

Die Entscheidung des S., die mit ihrerBiUigung kombiniert hat, oder dafi die rein formale auc- 

angenommen wurde, erlangte hohere Bedeutung toritas der Zeit des Livius die discessio verloren 

und Objektivitat (vgl. H e r z o g System I 881). hatte. Aber wenn irgendein Teil des Yerfahrens 

Ihre Gegenwart machte den S. eher zum Hinter- weggefallen ware, ware es eher die lastige inter- 

grund fiir Debatten zwischen verschiedenen Be- rogatio gewesen, als die discessio, genau so wie 

amten als zum Beirat eines einzelnen. Sie dien- spater das Yerfahren per discessionem (s. u.) be- 

ten uberdies dazu, den S. weniger abhangig nutzt wurde, um Beschliisse zu bewirken, die auf 

von dem Oberbeamten in seinem Yerfahren zu keinen Widerstand stiefien. Die discessio entstand 

machen, und genau so wie der S. die Tribiine wahrscheinlich aus der Praxis, sich um einen 
gegen widerspenstige patricische Beamte aufier- 30 Sprecher zu gruppieren, mit dem man tiberein- 

halb des S.-Hauses benutzte (z. B. als sacrosankte stimmte. 

Abgesandte Liv. IX 36, 14. XXIX 20, 4; um DerS. alsRegierung der Republik. 

durch ein plebiscitum eine Mafinahme durchzu- 1. Zusammensetzung. 1. AnzahL 

bringen, die ein Consul ihm vorzulegen sich wei- Die Normalzahl blieb dreihundert (Liv, ep. 60. 

gerte: XXX 43, 1; vgl. 27, 2), so gab es nach Plut. C. Gracch. 5. Appian. bell. civ. I 35) bis 

dem Hortensischen Gesetz Mittel, Fragen zur zum J. 81, als nach einem mifilungenen Yersuch 

Diskussion und Abstimmung zu bringen, die die des Livius Drusus (Appian. a. 0.) Sulla sie auf 

Gonsuln sich weigerten vorzulegen (Liv. XLII sechshundert (Appian. bell. civ. I 100; diese Yer- 

21, 4. Cic. Sest. 26). mehrung wurde im J. 88 [Appian. bell. civ. I 59] 

III. Yerfahren. Es ist naturlieh kein 40 beabsichtigt, abervor SuUasRuckkehrnicht durch- 

authentischer Bericht iiber eine Sitzung in alter gefiihrt, s. Hardy Journ. rom. stud. YI 59) 

Zeit erhalten. Die Historiker projizieren offenbar erhohte und durch Yermehrung der Zahl der 

Einzelheiten ihrer eigenen Zeit (z. B. Liv. Ill Quaestoren fiir ein Mittel sorgte, sie in dieser 

38, 12 acl^ pignora capiendo.. Dionys. XI 21 rov Form zu erhalten. 

yQafj,[Aaxsa HsXsvoag avayvcbvai to ngo^ovlevfjia), 2. A. Wahlmethode. B. Qualif ikation. Die 

und die unregelmafiigen und abweichenden Me- Krafte, die zusammenarbeiten, um den Beirat der 

thoden der Annahme von sententiae, von denen Beamten zu der Stellung des Regierungsbureaus 

Dionysios (YI 21. XI 21; vgl. YI 37. 39) be- zu erheben, waren seit dem Ende des 4. Jhdts. in 

richtet, sind nur ein Beweis fiir das Fehlen voUem Schwung. Dieselbe Zeit sah die Wahl des 
jeder verlafilichen Tradition. Das Hauptelement 50 Staatsrates durch die Lex Ovinia (Fest. praeteriti 

des Yerfahrens blieb die interrogatio in fester senatores 246 M. Ovinia tribunieia qua sanctum 

Ordnung, in der die Klassen der Beamtenschaft est, ut censores ex omni ordine optimum quemque 

allmahlich die der Geburt verdrangten. Die ur- iurati [Mss. curiati] in senatum legerent) von 

spriingliche und hauptsachliche Funktion des dem Oberbeamten auf die Censoren tibertragen. 

Senators ist ausgedriickt in der diejenigen be- Das Gesetz liegt vor dem J. 312, als die erste 

schreibenden Formel, die die Einschreibung durch iiberlieferte YVahl, die des Ap. Claudius und C. 

die nachsten Censoren in die Liste erwarteten Plautius, stattfand (Liv. IX 29f.). Die darauf 

und in der Zwischenzeit senatorische Rechte folgende Nichtbeachtung dieser Liste durch die 

hatten: quibus m senatu sententiam dicer e licet. Consuln ist ein Beweis dafiir, dafi das Gesetz 
Bezeichnenderweise, wie Hofmann (Senat60iieu war (Mommsen St.-R. II 418. Pais 

86f.) zuerst beobachtete, waren die Beamten, die Storia P 551, 3 hielt dies Datum fiir zu friih). 

selbst Exekutivbeamte und nicht Ratgeber waren, Danach stand, abgesehen von den Anormalitaten 

von der Interrogatio und Abstimmung ausge- unter Sulla, Caesar und dem Triumvirat, die Zu- 

schlossen, obgleich sie an der Debatte teilnehmen sammensetzung des Rates weder direkt noch in- 

und sprechen durften, so oft sie es fiir gut hielten. direkt unter der Kontrolle der Exekutive bis zur 

Andererseits wurde die endgiiltige Abstimmung Zeit des Kaiserreiches. 

durch Teilung (discessio), wesentlich fiir jedes Was die Wahlmethode angeht, so war die 

SC der historischen Zeit (Tubero = Gell. XIY Mitgliedschaft durch Yorhandensein auf der peri- 



687 Senatus (Eegierung) Senate (Regierung) 688 

odisch revidierten Censorenliste bestimmt. Bei Giiltigkeit abhangig von der Yollziebung des 

deren Anfertigung konnten die Gensoren theore- Lustrums (so im J. 312 Liv. IX 30 und im J. 61 

tisch einen ganz neuen S. einschreiben, da sie Dio XXXVII 46; der Historiker Sallust, der 

grundsatzlich nur ihrem Gewissen verantwort- von den pompeianischen Gensoren des J. 50 

lich waren (Zonar. VII 19). In der Praxis aber ausgestofien wurde, die das Lustrum nicht 

waren die Gensoren vier Haupteinschrankungen durchfiihrten, muBte eine Magistratur beklei- 

unterworfen, die die Zusammensetzung des S. in den, die ihn zur Wiederzulassung qualifizierte : 

der Praxis bestimmten. 1. Die Notwendigkeit der Willems I 248). Die Gensoren begannen mit 

Wiederernennung, auBer wenn in einer nota ein der Revision der alten Liste, die solche einschloB, 
Grund besonders angegeben wurde. 2. Die Un- 10 quibus in senatu sententiam dicere licet vermoge 

wahlbarkeit gewisser Stande und Berufe. 3. Die einer in der Zwischenzeit bekleideten, qualifizie- 

Vorzugsrechte der gewesenen Beamten. 4. Die renden Magistratur (so versprach der Dictator bei 

Anspruche der patricisch-plebeiischen Nobilitat. der auBerordentlichen Rekrutierung des J. 216 

A. Wahlmethode. Mit der periodischen im Hinblick auf die amtierenden Senatoren tran- 

Revision der Liste anderte sich in Theorie und scribi tantum recitarique eos iussurum ohne Aus- 

Praxis die Ernennung von der lebenslanglichen stofiung Liv. XXIII 23, 4), von denen sie die 

zur einstweiligen. Festus (246 M.), der erklart, Namen der Toten — nach Willems (I 164) 

daB praeteriti senatores vor der censorischen Wabl Berechnungen etwa 45 — 50 — strichen und die- 

nicbt in Schande fielen, deutet sicherlich an, daB jenigen mit Rugen (notae) versahen (subscribere) 

AusstoBung aus dem S. moglich war und auch 20 und von der neuen Liste weglieBen, die sich 

vorher schon geiibt wurde (so auch Willems schlechten Benehmens schuldig gemacht batten 

I 33. Mommsen St.-R. Ill 879); aber die Me- — durchschnittlich 6 fiir den Gensus zwischen 

thode, durch die man dies bewirkte, ist schwierig 252 und 131. Danach ftigten sie Namen zu der 

zu verstehen. Es gentigt nicht anzunehmen (wie Normalzahl hinzu. Die Streichung eines Senators 

es Mommsen St.-R. II 420, 3 versucht), daB von der Liste einschlieBlich der jenigen mit dem 

durch Unterlassen eines auffordernden Beamten ius sententiae oder die Hinzufugung eines neuen 

Oder einer Reihe von ihnen ein Senator von der Senators erforderte die trbereinstimmung beider 

Einberufung oder der Interrogatio tatsachlich Gensoren. Die neue Liste, die nach dem Rang 

ausgeschlossen werden konnte; denn der S. konnte der verwalteten Amter angeordnet war, wurde 

gesetzlich durch Proklamation vom Forum 30 offentlich verlesen und trat sofort in Kraft (Gic. 

(Mommsen St.-R. Ill 917: dies war der Zweck dom. 84. Liv. XXIX 37, 1). 

des Senaculums) berufen werden, und die Aus- B. Qualifikationen fiir die Wahl. 

schlieBung von der Interrogatio hinderte nicht, 1. Wiederernennung und Nota (iiber 

daB der Senator anwesend war, stimmte und notae im allgemeinen s. Mo m m s e n St.-R. 11 

seinen Platz ausfiillte. Wenn f erner auch der 375f . N o w a k Strafverhang. d. Gensoren, Bresl. 

Oberbeamte eine Liste der Senatoren nach ihrer 1909). Obgleich gesetzlich nur zeitweilig ernannt, 

Reihenfolge zu seiner eigenen Bequemlichkeit wurde der Senator doch regelmaBig bei jedem 

hielt, so gibt es doch auBer Festus' allgemeiner folgenden Gensus, ausgenommen bei schlechter 

Angabe keinen Beweis dafiir, daB die Gonsuln Fiihrung, wieder ernannt. Wie immer der ur- 

(bzw. konsularischen Tribunen) irgendeine maB- 40 spriingliche Wortlaut und die Absicht der Lex 

gebende Liste fiihrten, die mit der Absicht, maB- Ovinia sein mochte, so wurde optimus quisque 

gebend zu sein, eine senatus lectio festgesetzt anscheinend frlih so gedeutet (vgl. den Fall des 

habe, die das Recht auf einen S.-Sitz gab (sicher- L. Annius im J. 307 u.), als ob es moralische 

lich deutet Liv. IX 30, 2: die Gonsuln senatum Qualitat enthielte (Gic. leg. Ill 7 probrum in 

extemplo citaverunt ^eo ordine qui ante censores senatu ne relinquunto. Liv. IV 8, 2. Zonar. VII 

Ap. Claudium et G. Plautium fuerat, nicht unbe- 19), und die Senatoren waren in ihrer Eigen- 

dingt eine offizielle consularische lectio an; Diod. schaft als Senatoren dem censorischen iudicium 

XX 36 beruft sich in der Tat ausdriicklich auf de moribus unterworfen wie der Rest des Volkes; 

eine vorherige censorische). SchlieBlich ist kein und da der Rang, und nicht die Art des schlech- 

friiherer Fall von AusstoBung liberliefert und, 50 ten Benehmens den Verlust, der damit verbunden 

wo die AusstoBung am nutzlichsten gewesen war, bestimmte, so erlitten sie die AusstoBung 

ware, unter Tarquinius Superbus und den Decem- aus dem S., wie andere Klassen dementspre- 

vim, schweigt die Tradition. Sicher war die Er- chende Degradierungen. Bei dem willkiirlichen 

nennung in den Rat der Alteren lebenslanglich, Gharakter der censorischen Macht ist es schwie- 

und es ist nicht wahrscheinlich, daB die sena- rig, Grundsatze aufzustellen, auf denen die Ruge 

torischen Rechte sich mit dem Wandel zu jahr- beruhte. Sie konnte in der Tat auf allem beruhen, 

lichen Beamten verminderten. Leichter ist es an- was den Sitten und Interessen des Staates (Dio- 

zunehmen, daB Festus die Absetzung ' mit dem nys. XX 13 xcbv naQa x6 xa'd-rjuov rj GVfjiq)sQov xfi 

Fehlen der Ernennung entweder von Leuten aus noXsi uiQaxro^svcDv) widersprach, vorausgesetzt^ 

guter Familie oder Plebeiern, die ein nicht cu- 60 daB der Akt ein probrum enthielt (der technische 

rulisches Amt erhalten hatten, zusammenwarf. Ausdruck fiir moralische Schlechtigkeit, die die 

Die Vorbereitung der S.-Liste war mehr eine Gensoren strafen konnten: Gic. leg. Ill 7. Sail. 

Erganzung zum Census als ein Teil von ihm. Sie Gat. 23. Plin. n. h. XVIII 11; so war z. B. Ehe- 

hatte keinen festen Platz unter den notwendigen losigkeit kein adaquater Grund fiir eine Riige). 

Geschaften, obgleich sie gewohnlich sofort nach Die Formulierung von Grundsatzen auf Grund 

dem Amtsantritt des Gensors aufgestellt wurde von Beispielen ist ebenfalls schwierig, well die 

(Willems I 240. Mommsen St.-R. II 420, Zahl der genannten Senatoren, die aus mitgeteil- 

1; z. B. Liv. XL 53, 1. XLI 27), noch war ihre ten Griinden vertrieben wurden, tiberraschend 



689 Senatus (Eegierung) Senatus (Kegierung) 690 

klein ist. Es sind: im J. 307 L. Annius wegen fri- GeU. IV 12. Plin; n. h. VIII 209. 223. XIV 95. 

voler Ehescheidung, Val. Max. II 9, 2; im J. 275 XVIII 11. XXXVI 4. Macrob. Sat. II 4, 25. Suet. 

P. Cornelius Rufinus, weil er 10 Pfund Tafel- Claud. 16. Plut. Ti. Gracch. 14. Dionys. XX 13. 

ailber besaB (die Anefcdote war bertihint. Zitate Die Censoren fugten gewohnlich den Grund 

Bd. IV S. 1423 z. B. Val. Max. II 9, 4; der fur die notatio (Liv. XXXIX 42, 6) bei, und im 

wahre Grund war en die Mittel, durch die er es Zweifelsfalle riefen sie zur Priifung (adesse ius- 

erwarb, vgl. Cic. de orat. II 268. Quintil. XII 1,43); serunt M o m m s e n St.-R. II 385) auf. Aber ein 

247 — 214 (?) der Tribun M. Lucilius wegen Nicht- formelles Verfahren war nicht notwendig (Cic. 

achtung der Interzession seiner Coliegen: Fronto Cluent. 126), ausgenommen fiir eine kurze Zeit 

ep. M. Caes. V 42 83 N.; im J. 214 L. Caecilius 10 nach 58, als P. Clodius ein Plebiscit (abgeschafft 

Metellus (wenn Senator: s. u.) wegen Feigheit; von Metellus Scipio im J. 52: Dio XL 57) durch- 

im J. 184L. QuinctiusFlamininus wegen schimpf- brachte, das ein formelles Verhor und Verurtei- 

lichen MiBbrauchs der Amtsgewalt Liv. XXXIX lung durch beide Censoren, die der AusstoBung 

42f. Cic. sen. 42. Val. Max. II 9, 3. Plut. Cat. eines jeden Senators vorausgehen sollte (Asc. 16 

mai. 17. Manilius (?) wegen Umarmung seiner St. Dio XXXVIII 13. Zon. VII 19. Cic. Sest. 55; 

Frau in Gegenwart seiner Tochter Plut. a. 0.; Schol. Bobb. 132 St.), anordnete. Da tiberdies die 

im J. 174 M. Scipio Maluginesis wegen Mein- S.-Liste gewohnlich am Anfang des Census auf- 

eides (? als er Hispania Ult. erlost hatte, schwor gestellt wurde und der einzelne als Senator als 

er, er sei durch Opfer abgehalten worden, und Besitzer eines Staatspferdes betrachtet werden 

wurde spater ausgestoJBen) Liv. XLI 15, 10, vgl. 20 konnte, das die Senatoren neben einer Stimme in 

27, 2; L. Cornelius Scipio wegen schlechten den ersten 18 Centurien bis zur Zeit der Grac- 

Lebens (?) Val. Max. Ill 5, 1. Liv. a. 0.; M. Ful- chen (M o m m s e n St.-R. Ill 505. Stein Rit- 

vius Flaccus (s. o. Bd. VII S. 240) wegen Ent- terstand 2) erhielten, oder als Burger, so konnte 

iassung einer Legion ohne Ermachtigung Val. ein Senator sein Staatspferd verlieren, ohne dabei 

Max. II 7, 5 = Front. Strat. IV 1, 32. Veil. seinen Senatssitz einzubtifien (184 Scipio Asiati- 

Pat. I 10, 6, vgl. Liv. XL 41, 8. XLI 27, 2; cus Liv. XXXIX 44, 1, vgl. 56, 7; versucht mit 

J. 125 der Augur Aemilius Lepidus wegen Be- Livius Salvinator Liv. XXIX 37, 12), oder er 

zahlung von 6000 HS Miete (vorgeladen, aber konnte eine gesteigerte Strafe erleiden dadurch, 

nicht sicher ausgestofien) Veil. Pat. II 10, 1; da6 er unter die aemm versetzt wurde. Es wird 
J. 108 Cassius Sabaco entweder wegen Meineids 30 berichtet, daB diese Zusatzstrafe fur die ausge- 

oder wegen UnmaBigkeit (beides Vorwande ftir stoBenen Senatoren im Census des J. 174 (Liv. 

politische Rache) Plut. Mar. 5; J. 97 Duronius XLII 10, 4. XLIV 16, 8) und des J. 169 (Liv. 

wegen Vorschlag der Aufhebung eines Luxus- XLV 15, 8) zuerkannt wurde, und sie darf fiir die 

ge&etzes Val. Max. II 9, 5; J. 86 Ap. Claudius Folgezeit angenommen werden. 

als automatische Folge (vgl. Asc. 61 St.) der 2. Unwahlbarkeit zur senatori- 

Aufhebung seines Imperiums Cic. dom. 83; J. 70 schen Wiirde. Die Qualifikationen, die fiir 

Ti. Gutta und M'. Aquillius wegen Kauflichkeit ein Amt notig waren, waren auch fiir den S. not- 

als Geschworener Cic. Clu. 127; P. Popillius wendig, d. h. voiles Biirgerrecht, freie Geburt 

1. wegen Kauflichkeit, 2. weil er der Sohn eines des Senators selbst und seines Vaters (Momm- 
Freigelassenen war Cic. Clu. 131f.; Q. Curius40sen St.-R. I 488). Es war unvermeidlich, daB 
wegen schandlichen Lebens Sail. Cat. 23. Appian. einzelne Sohne von Freigelassenen ihren Weg in 
bell. civ. II 3; C. Antonius wegen Beraubung der den S. fanden, aber auBer der bestrittenen Liste 
Verbiindeten, Umgehung eines Prozesses, Banke- des J. 312 (Liv. IX 46, 10. Diod. XX 36, vgl. 
rott Asc. 66 St., vgl. Q. Cic. pet. con. 8; P. Len- Suet. Claud. 24) und den auBergewohnlichen Re- 
tulus Sura wegen Ausschweifungen Plut. Cic. 17; visionen Caesars im J. 45 und der Triumvirn im 
J. 50 der Historiker Sallust wegen Ausschwei- J. 40—39 (Dio XLIII 47. XLVIII 34), in denen 
fungen (?) Aero Herat, serm. I 2, 47; C. Ateius ihre Aufnahme glaubhaft berichtet wird, steht 
Capito wegen MiBbrauchs der Amtsgewalt durch sonst die Erwahnung aUer Sohne von Freigelas- 
falsche Anzeige ungliicklicher Vorzeichen Cic. div. senen im Zusammenhang mit ihrer AusstoBung 
I 29. Dio XXXIX 39. Plut. Crass. 16. 93 p. C. 50 (J. 304 Plut. Pomp. 13. J. 70 Cic. Cluent. 132. 
Caecilius Rufus wegen pantomimischer Tanze J. 50 Dio XL 63, vgl. Herat, serm. I 6, 20). 
Suet. Dom. 8. Dio LXVII 13. AuBer diesen wurde Spezialgesetze oder eine gleichbedeutende Macht 
imJ.131C.AtiniusLabeoausunbekanntenGrunden der Gewohnheit schlossen gewisse andere Elas- 
ausgestoBen. Von anderen Grunden fur notae, die sen aus. 

allein oder im Hinblick auf andere Stande iiber- a) Private Unehre. Diejenigen, die in 

liefert sind, mogen sich folgende auf Senatoren schimpflichen Berufen beschaftigt waren, wie 

beziehen: Abhaltung einer S.-Sitzung auBerhalb Gladiatoren, Ehrlose, Trainer von Gladiatoren, 

der gesetzlichen Stunde Varro = GeU. XIV 7, 8; Schauspieler oder solche, die in einem iudicmm 

Verlassen eines amtlichen Postens Plut. C. Gracch. tuvpe (Cic. Cluent. 119) verurteilt waren, ein- 

2, vgl. M. Fulvius s. o.; Mangel anRespekt gegen 60 schlieBlich der infamierenden Kontraktklage Rdu- 
einen Beamten GeU. IV 20, vgl. Plut. apophth. dae, fro socio, tutelae (vgl. Cic. Rose. Com. 16), 
Scip. 11; falsches Zeugnis Liv. XXIX 37, 10; jnandati und der Privatdelikte furti (vgl. Cic. 
Unterschleif Cic. Cluent. 120; offentliches Auf- Cluent. 120), iniuriarum, de dolo malo oder nach 
treten als Schauspieler oder Gladiator Cic. rep. der Lex Plaetoria (s. Rotondi Leges Publi- 
IV 10. Liv. VII 2, 12; Vernachlassigung der Fa- cae p. 271), die der calumnia und praevaricatio 
milienpflichten Dionys. XX 73. Cic. rep. IV 6. (\gl. Dig. Ill 2, 1) iiberfiihrt waren oder von 
Plut. Cat. mai. 16; Fest. 344 M.; schlechte Ver- einem Befehlshaber degradiert oder entlassen 
waltung des Vermogens und Verschwendung waren und die Bankrotteure sind auf der Lex 



691 Senate (Kegierung) Senatus (Eegiemng) 692 

Tabulae Heracleensis (sog. Mia municipalis OIL nus, wurdeim J. 173 (Val. Max. Ill 5,1 -1^5,3.^7, 

F 593, 11 If.) aus den Stadtraten ausgeschlossen, XLI 28, 5. XLII 1, 5. Act. triumph. CIL P p. 48) 

folgiich wohl auch vom romischen S. zum Praetor gewahlt und safi im S. (Liv. XLII 

b) Politischei VerstoBe. Unwahlbar- 26, 7. XLV 17, 4); und Cicero (off. II 29) er- 
keit infolge von Sonderbestimmungen eines Ge- wahnt einen suUanischen scriba, der unter Caesar 
setzes ist erst im letzten Jahrhundert der Repu- quaestor urbanus war. Beispiele von Leuten nied- 
blik bekannt. Aber solche Klauseln wurden da- riger Geburt, die in den aufiergewohnlichen Zeiten 
mals wahrscheinlich ziemlich zahlreich (Cic. Sullas und Caesars in den S. erhoben wurden 
Cluent. 120; dom. 82). Gesetze, die fiir ihre Be- (z. B. Sail. Cat. 37, 6. Dio XLIII 47) konnen ab- 
obachtung einen Eid vorschrieben, bestraften 10 gezogen und boshafte Anekdoten wie die von 
anscheinend so das Unterlassen des Schwurs C. Terentius Varro cos. 216 (Liv. XXII 25, 18) 
(Lex Bantina CIL P 582, 20, vgl. Appuleius' auBer acht gelassen werden. In der Lex Tabulae 
ahnliches Gesetz Appian. bell. civ. I 29). Vor Heracleensis (CIL P 593, 104f.) werden die ver- 
dem J. 122 schlossen einige nicht spezifizierte achteten Berufe der praecones, dissignatores, Ubi- 
Verurteilungen vom S. aus; denn die Lex Acilia tinarii ausdrucklich vom Municipalamt und vom 
repetundarum (CIL P 583 XI, vgl. XIII) macht Rat ausgeschlossen. Angesichts des Rufes der 
als Geschworenen jeden unwahlbar, queive quae- wenigen, dem Rang nach den Rittern am nach- 
sHone ioudicioque pwplico condemnatus siat sten stehenden seribae, die in den S. erhoben 
quod circa eum in senatum legei non liceat, ob- wurden, kann man sich die Aussichten der ge- 
gleich keine Beispiele bekannt sind. In der Tat 20 wohnlichen Gewerbetreibenden in Rom leicht vor- 
wurde L. Lentulus Lupus cos. im J. 156, der lege stellen. 

Caecilia (Calpurnia?) repetundarum uberfiihrt 3. Die Vorzugsrechte der abge- 

war, im J. 147 zum Censor gewahlt (Val. Max. tretenen Beamten. Einerseits beschrank- 

VI 9, 10. Fest. religionis 285 M.; von anderen ten sie die Freiheit der Censoren, anderseits ver- 

quaestiones perpetuae sind nur die de sicariis anderten sie allmahlich die Wahlmethode von der 

Cic. fin. II 54 und wahrscheinlich ambitus Plut. Ernennung durch die Censoren zur indirekten 

Mar. 5 fiir die Zeit vor der Lex Acilia bekannt, Wahl durch die Comitia, wenn auch jede Methode 

aber irgendeine auBergewohnliche quaestio konnte letzten Endes den Anspriichen der nobilitas unter- 

natiirlich Unwahlbarkeit unter ihren Strafen ent- worfen war. Wie schon gesagt, wird die automa- 

halten). Im J. 104 dehnte die Lex Cassia die 30 tische Zulassung der Oberbeamten zum Rat, tiber 

Unwahlbarkeit auf aUe die aus, die in iudicia den sie den Vorsitz gefiihrt batten, wahrschein- 

populi iiberfiihrt worden waren, die jedoch schnell lich auf ihre erste Einsetzung zuriickgehen. Es 

vergessen wurden, oder die ihres Imperiums ist in der Tat wahrscheinlich, daB ein S.-Sitz 

beraubt waren (Asc. 61 St. quem populus dam- sehr frtih mit dem curulischen Stuhl (Momm- 

nasset cuive imperium abrogasset in senatu non sen RP I 265. Will ems I 50; ein Flamen 

esset, vgl. tab. Heracl. CIL P 593, 118). "Dber- Dialis behauptete mit Erfolg datum id cum toga 

fiihrung in einer quaestio hatte eine mangelnde praetexta et sella curuli et flaminio esse Liv. 

Eignung nicht zurFolge wenn es nicht in dem XXVII 8, 8; s. o.) verbunden war. Wenn das 

Gesetz, das die quaestio einsetzte, besonders fest- wahr ist, so wurde das ius sententiae und damit 
gelegt war, und dariiber sind leider nur wenige 40 die senatorischen Rechte den Praetoren und curu- 

Einzelheiten bekannt. Verurteilung nach der Lex lischen Aedilen gewahrt, als sie im J. 366 ein- 

Servilia repetundarum fiihrte wahrscheinlich den gesetzt wurden; und sicherlich gab es in keinem 

Verlust des S.-Sitzes herbei (M o m m s e n Strafr. Fall in dieser Hinsicht einen Unterschied des 

729. Stroux Abh. Akad. Miinch. XXXIV 2, Praetors von den praetores maximi, als diese 

115). AUe Verurteilungen, dieVerbannungen her- Wtirde urspriinglich auf die Patricier (Liv. VI 

beifiihrten, machten wahrscheinlich den Verurteil- 42, 11. H e r z o g System I 740) beschrankt war 

ten unwahlbar fiir den S. (tab. Heracl. Z. 118). und mehr als ein Jahrhundert ofter nach als vor 

Ambitus fiihrte bekanntlich Unfahigkeit fiir dem Consulat bekleidet wurde (Willems 192). 

10 Jahre, spater fiir Lebenszeit herbei (Schol. Auf diese Gruppen mit dem ius sententiae 
Bobb. 78 St. Dio XXXVI 38. XXXVII 29). 50 nahmen die Censoren notwendigerweise dieselbe 

Im J. 81 endlich wurden die Sohne der Geach- Riicksicht wie von den Senatoren, die schon auf 

teten durch Sulla vom Senat wie vom Amt aus- der Liste standen. Zustimmung war notig nicht 

geschlossen, und so blieb es, bis Caesar ihnen fur ihre Zulassung, sondern fiir ihre AusstoBung 

im J. 49 (Zitate M o m m s e n St.-R. I 493, 2) (s. u. Fall des Saturninus). 

zu ihrem Recht verhalf. Dieselben Machte, die zur Verleihung des ius 

c) Niedrige Berufe. Die obenerwahnten sententiae an Consulare und einen sich erweitern- 
Griinde der AusschlieBung waren standig und den Ereis der ausgedienten Beamten fiihrten, 
festgelegt. Ferner schloB die Sitte von Amt und veranlaBten die Censoren jeder Zeit, denen beson- 
S. diejenigen aus, die zur Zeit ein Handwerk dere Beachtung zu sehenken, die niedere Amter 
ausiibten (opiRces), oder fiir Dienste Bezahlung 60 verwaltet batten. Aber H o f m a n n (Senat 7), 
erhielten (mercennarii). Diese Unfahigkeit, aber L a n g e (Rom. Altert. IP 356) und Willems 
freilich nicht das Vorurteil iiberhaupt, horte irren (so richtig Mommsen St.-R. Ill 861, 3), 
auf bei Aufgabe des Berufes. So wurde der scriba wenn sie annehmen, daB die Lex Ovinia, wenn sie 
aedilicius Cn. Flavins im J. 304 zum curulischen vorschreibt, daB die Censoren zu wahlen seien 
Aedil gewahlt, nachdem er sein Schreibtafelchen ex omni or dine optimum quemque, sich unbedingt 
beiseite gelegt und auf sein Schreiberamt ver- auf Gruppen von Beamten bezieht (L a n g e s 
zichtet hatte (Liv. IX 46. Piso = Gell. VII 9). Ansicht, daB curulische Beamte gemeint seien, ist 
C. Cicereius, einst Schreiber des alteren Africa- statistisch widerlegt von Willems I 161; die 



693 Senatus (Eegierung) Senatus (Regierung) 694 

wahrscheinlichste Bedeutung von ordo in einem sententiae (Mommsen St.-R. Ill 860, 3); vor 

tribunicischen Gesetz dieser Zeit ist patricisch dem J. 123/22 war es auf die aediles plebeii aus- 

und plebeiisch). Gerade die Ausdehnung des ius gedeiint worden; denn in der Lex Acilia repetun- 

sententiae mit seinem Vorzugsreclite der Auf- darum sind curulisclie und plebeiisciie Aedilen 

nahme in die nachste Liste auf weitere Kreise von im Gegensatz zu denen, quel tribunus plebei, 

ausgedienten Beamten ist ein Beweis dafiir, dafi quaestor, LLLvir capitalis, tribunus militum legio- 

die Lex Ovinia die Censoren nicht anwies, von nibus IVprimis siet fueritve, unter denen begrifien, 

ihnen Kotiz zu nelimen. DaB sie es in der Praxis quei in senatu sient (GIL P 583 XVI). Zwischen 

taten, ist verstandlich und stelit auBer Frage. So diesem Datum und dem J. 102 wurde es den tri- 

versprach bei der auBerordentlichen Rekrutierung 10 bunicii durch ein Plebiscitum Atinium (Ateius 

nach Cannae der konservative Dictator ut ordo Capito = Gell. XIV 8) verliehen. In dem letz- 

ordhiij non homo homini praelatus videretur, und teren Jahr der Censor Q. Metellus rXavTciav ts 

nach Verlesung der alten Liste fiigte er zuerst §ovXevovxa Ttal "AnovXri'lov HawQvlvov dedrjf^aQxV- 

die hinzu, die seit dem vorherigen Census curu- Koxa rjdri (daher nicht auf der Liste des J. 108) 

lem magistratum cepissent necdum in senatum xijg a^iwoscog jioQeXvev, aber ihm fehlte die notige 

lecti essentj dann die, qui aediles tribuni plebis tjbereinstimmung mit seinem Collegen, um die 

quaestor esve fuerant, dann Nichtbeamte, die sich AusstoBung wirksam (Appian. bell. civ. I 28. 

durch besondere Tapferkeit ausgezeichnet hatten Willems I 232) zu machen. Saturninus war 

(Liv. XXin 23, 4). Viele, die noch kein curulisches im J. 103 Tribun gewesen, und da Mitwirkung 

Amt verwaltet hatten, erwarteten verstandlicher- 20 notig war, um ihn auszustoBen, hatte er dadurch 

weise die Wahl zum S. nicht nur wegen ihres nie- notwendigerweise das ius sententiae erworben. 

deren Amtes, sondern wegen des Grundes, der Gesetzlicher Anspruch auf Zulassung wurde 

ihnen zu ihrem niederen Amt verhalf, namlich schlieBlich von Sulla den quaestorii gegeben, 

der Zugehorigkeit zur nobilitas, Vier Falle zeigen wahrscheinlich in der fragmentarisch erhaltenen 

die groBe Erwartung, die junge nobiles hegten; lex Cornelia de XX quaestoribus des J. 81 (CIL 

a) L. Caecilius Metellus, Urheber des Planes, F 587), die die Zahl der Quaestoren auf 20 er- 
Italien nach der Schlacht bei Cannae zu ver- hohte, um den erweiterten Senat zu rekrutieren 
iassen (Liv. XXIII 53), wurde unter die aerarii (Tac. ann. XI 22 supplendo senatui); dementspre- 
versetzt im nachsten Census des J. 214, in dem chend schrieben die Censoren des J. 61 ndvxag 
er die Quaestur verwaltete (es ist unmoglich mit 30 xovg iv taig aQxaig ysvof^svovg (Dio XXXVII 46) 
Mommsen St.-R. Ill 861, 3 zu glauben, daB in die Liste ein. 

er zu dieser Zeit Senator war. Die vorherige Liste Durch diese nacheinanderfolgenden Schritte 

war die auBergewohnliche des J. 216, zu der eine wurde der S. gesetzlich eine Korperschaft von ge- 

Magistratur oder Tuchtigkeit Auf nahme ver- wesenen Beamten (wie in Ciceros Idealplan leg. 

schaffte. Die dieser vorhergehende war die des III 10, vgl. 27), und der alte S. der magistrati- 

J. 220, und der Tod eines Censors, der das Lu- schen Wahl machte einem der indirekten Comitien- 

strum fiir 214 verhinderte, verhindert nicht die wahl (Cic. Sest. 137 deligerentur in id consilium 

VervoUstandigung der neuen S.-Liste [Liv. XXIV ab universo populo) Platz, indem die Censoren 

18, 7], auf der Metellus verstandlicherweise nicht darauf beschraiJit waren, die Unwiirdigen auszu- 

aufgezahlt war). Um Rache zu nehmen, suchte und 40 stoBen. 

erreichte er das Tribunat im selben Jahr. Im Wirklich erreicht wurde dieses Resultat durch 

nachsten vollzogenen Census des J. 209, ein Jahr- das Plebiscitum Atinium und durch Sulla nur 

hundert, bevor Tribunicii das ius sententiae (s. u.) systematisiert. Wie nach Sulla ein S. von Sechs- 

erwarben, wird er als einer der acht praeteriti hundert aus zwanzig Quaestoren mit einem Min- 

genannt (Liv. XXVII 11, 12). destalter von dreiBig Jahren (Mommsen Si- 

b) Im J. 168 Cn. Tremellius, ein Tribun, qui R. I 570) sich rekrutierte, so rekrutierte sich der 
lectus non erat in senatum intereessit, als die Cen- S. von Dreihundert vor seiner Erweiterung im 
soren um eine Verlangerung ihrer Amtsdauer J. 81 aus zehn Tribunen. Vor Sulla waren diese 
ersuchten (Liv. XLV 15, 9). nicht unbedingt liber dreiBig Jahre alt. Ti. Grac- 

c) Im J. 150 verriet Q. Fabius Maximus ein 50 chus ovtico xQiaKovxa ysyovwg ansd-avev, Gains, 
senatorisches Geheimnis dem Licinius Crassus in 9 Jahre jiinger, war 10 Jahre spater Tribun (Pint, 
dem irrtiimlichen Glauben, daB er Senator sei, C. Gracch. 1. Ti. 3). Die aequales propemodum 
well er sich erinnerte, daB er drei Jahre vorher (Cic. Brut. 182) des Tribunen Drusus 91 viog 
Quaestor gewesen war, aber vergaB, daB er noch rrjv rjliKcav (Diod. XXXVII 10, 1) verwalteten 
nicht von den Censoren (Val. Max. II 2, 1) in die Tribunate in ahnlichem Alter (Niccolini 
Liste eingetragen worden war. Fasti Trib. Pisa 1898). Die Quaestur war zu- 

d) Im J. 125 wurde C. Gracchus von den Cen- ganglich nach zehn stipendia, die mit voUendeten 
soren aufgefordert, sich dafiir zu verantworten, siebzehn Jahren begannen (Mommsen St.-R. 
daB er als Quaestor Sardinien vor seiner Praetur I 565. 553), und hatte man sie verwaltet — sie 
verlassen hatte (Pint. 2). 60 war natiirlich entbehrlich — , so war das Tribu- 

Es ist nicht auffallig, daB ein niederes Amt nat leicht mit dreiBig Jahren zu^anglich. Der 

als ein greif bares Recht und auch als bequemes automatische Eintritt der Tribunicii, die durch 

Mittel zur Wahl bei Anspriichen von Rivalen die wenigen iiberlebenden Patrizier (dreiBig Fa- 

diente. Diese Anspriiche wandelten sich durch milien am Ende der Republik: Mommsen RP 

Ausdehnung des ius sententiae allmahlich aus I 122) erganzt wurden, die durch censorische 

gewohnheitsmaBigen in gesetzliche. Am Anfang Wahl oder die Aedilitat* zugelassen wurden, ver- 

des Hannibalischen Krieges sind consM^ares, prae- vollstandigte die Mitgliedschaft des S. Die Be- 

torii und aedilieii curules schon im Besitz des ius schrankung in bezug auf ein weiteres Amt, die den 



695 Senatus (Regierung) Senatus (Eegierung) 696 

Tribunen von Sulla (Appian. bell. civ. I 100. Asc. Punischen Kriege nach Rom und in ihre Hande 

61 St.) auferlegt wurde, und die VergroBerung floB (Rostovtzeff Gesellsch. und Wirtschaft 

des S. im J. 81 forderten Zuriickgreifen auf ein J 14f.), bildete diese Gruppe eine Finanzoligarchie. 

anderes qualifizierendes Amt. Die indirekte Wahl Ihre Basis war und blieb in auBerordentlichem 

des S. ging vom concilium plebis unter dem Vor- Grade der Grundbesitz. Am Ende der Republik 

sitz eines Tribunen auf die Comitia tributa unter Crassus in agris HS bis milies possedit (Plin. 

Vorsitz eines Consuln iiber. n. h. XXXIII 134). L. Domitius versprach 30 Co- 

4. DieRechte derNobilitas. Wich- horten bei Corfinium je 4 iugera, einen Teil ex 

tiger fiir die Bestimmung der tatsachlichen Zu- suis possessionibus (Caes. bell. civ. I 17, vgl. Die 
sanmiensetzung des S. als der Mechanismus derlOXLIll). Viele, die mit Schulden tiberladen waren, 

"Wahl, ob censorisch oder indirekt comitial, war besaBen Grundbesitz, den sie nicht verkaufen 

die tatsachliche Beschrankung der Regiments- wollten, um sie zu tilgen (Cic. Cat. II 18, vgl. 

fahigkeit auf eine obere Klasse. Diese bestand aus SuU. 56. W. K r o 1 1 Kultur der ciceron. Zeit 

dem Ritterstand — d. h. a) den 1800 equites equo I 88). Als sich entgegen dem agrarischen ein 

publico, b) den equo privato merentes, c) denen finanzieller Kapitalismus entwickelte, wurde die- 

mit ausreichendem Census (400 000 HS fur das ser trotz einiger Streifziige in dieses Gebiet 

Ende der Republik: Suet. Caes. 33. Schol. luv. (Plut. Cat. mai. 21. Cic. Att. VI 2, 7; die Ope- 

III 155. Horat. ep. II, 57) fiir den Reiterdienst rationen des Crassus sind bekannt: Frank 

(K u b 1 e r Bd. YI S. 282) — innerhalb des- Econ. Hist.2 279f .) denen iiberlassen, die im Be- 
sen, bis in der Gracchenzeit die Ritter ein beson- 20 sitz des ritteriichen Census waren und verzich- 

derer Stand wurden, sich kleinere Gruppen von tend auf die Belohnungen des politischen Lebens 

senatorischen und consularischen Familien ent- (Cic. Cluent. 154; Rab. Post. 16f.) sich in der 

wickelten. Die tJberlieferung faBt Erweiterungen Gracchenzeit zum eigentlichen Ritterstand zu- 

des S. von Anfang an als Hinzuf iigungen aus dem sammenschlossen (Kiibler Bd. VI S. 283. Stein 

Ritterstand auf (Liv. II 1, 10 primores equestris Ritterstand If.). 

gradus. Fest. ep. 7. 41 M. ex equestri ordine), Jedoch nicht allein auf dem Wohlstand be- 

und wenn dies auch Bezeichnungen aus den Zei- ruht ihre VorzugssteUung. Sie waren die erb- 

ten der Autoren sind, so dehnte sich in Wirk- liche Beamtenklasse, und abgesehen von dem un- 

lichkeit die Regimentsfahigkeit beim Zusammen- vermeidlichen ProzeB des Verfalls und des Ein- 
bruch des Patriciats auf diesen Stand aus (semi- 30 dringens tiichtiger Manner aus den Equites (iiber 

narium senatus Liv. XLII 61, 5. SHA Alex. 19). das wechselnde Personal s. Willemsl. Rib- 

Wie Gelzer (Nobilitat der Republik 2. 6. 9) beck Senatores Id. Mart. 710 [Berl. 1899] 80, 

gezeigt hat, bildeten die Stabsoffiziere, zu denen vgl. Stein Ritterstand 207) rekrutierte sich der 

der gemeine Soldat nicht aufsteigen konnte S. besonders aus ihren Sohnen. Diese waren nor- 

(Madvig Verfassung II 502. 510), das Binde- maler Weise in den 18 Centurion der Equites 

glied zwischen der Korperschaft der Ritter und eingeschrieben (wie wahrscheinlich im friihen 

dem hoheren Kommando. Ausnahmen — die oben- Rom die Sohne der Patricier in den sex suffragia 

genannten scribae — sind selten, und diese be- eingeschrieben waren: Mo mm sen St.-R. Ill 

saBen zudem leicht den Rittercensus, wahrend 254. Beloch RG 220; dagegen Kubler 
Anklagen wegen niederer Geburt und Schmahun- 40 Bd. VI S. 276. Fiir die Zeit vor Sulla s. Liv. 

gen (z. B. Cicero, offenkundig ein Ritter, wurde XXI 59, 10, vgl. XLII 61, 5; nach Sulla Cic. 

Sohn eines fullo genannt: Dio XL VI 4. C. Teren- Mur. 73. Q. Cic. Comm. pet. 33. Mommsen 

tins Varro cos. 216, angeblich von niederer und St.-R. Ill 486), und in dieser regimentsfahigen 

geringer Geburt, aber reich genug, um plebei- Gruppe batten sie bessere Aussichten auf ein Amt 

ischer und curulischer Aedil zu werden: Liv. einer- und giinstige Beachtung von seiten der 

XXII 25 — 26. C. Marius der ,Sohn des Volkes', Censoren anderseits. 

ein Ritter) und sentimentale Geschichten von Noch sicherer der Wahl waren Mitglieder der 

senatorischer Armut (anders Willems I 191) eigentlichen Nobilitat. Diese Gruppe, die, wie 

einer Priifung nicht standhalten. man gewohnlich glaubt, die Nachkommen derer 

Aus dieser besitzenden Klasse bildeten sich 50 umfaBte, die ein curulisches Amt verwaltet hat- 
die senatorischen Familien. Sie werden durch ten (Willems I 368. Mommsen St.-R. Ill 
Sondergesetze schon im J. 218 als eine Klasse 463 mit EinschlieBung aller Patricier. M a d v i g 
herausgehoben (Liv. XXI 63, 4 ne quia senator Verfassung I 186), aber in Wirklichkeit, wie 
Guive senator pater fuisset maritimam navem quae Gelzer (Nobilitat 22f.) gezeigt hat, auf con^ 
plus quam CCG amphorarum esset haberet; vgl. sularische Familien beschrankt war, bildete den 
Lex Acilia CIL P 583 II queive quoiusve pater Kern der senatorischen Klasse. Durch ihren Wohl- 
siet; spatere Hinweise auf den S. als eine beson- stand, ihr Ansehen und die romische Tendenz, 
dere Klasse Mommsen St.-R. Ill 903, 1). Sie den einzelnen nach den Leistungen seiner Vor- 
waren in der Tat die begiiterten Reichen. Durch fahren einzuschatzen, wachten sie eiferslichtig 
das Hinzukommen fremder Adliger (M U n z e r 60 uber ihre Grenzen. Sie rekrutierten sich fast ganz 
Adelsfamilien 47) zu ihrer Zahl, durch die Okku- aus dem Senatorenstand. Aufsteigen von ritter- 
pation des Ager publicus nach Roms Eroberun- licher Geburt zu niederen Amtern war haujfig 
gen und spater durch die ungeheuren Summon, (Cic. Plane. 60 nihilo minus quaestor est factus 
die durch Verwaltung der Provinzen einer erfolg- et tribunus plebis et aedilis quam si esset summo 
reichen politischen Laufbahn zustromten (N i s - loco natus; sed haec pari loco orti sunt innume- 
senlt. Ldk. II 88. P 6 h 1 m a n n Soziale Frage rabiles alii consecuti, vgl. 17), und ebenso aus 
11 434. Gelzer 15f. 19), vor aUem durch das senatorischer Familie zum Consulat. Aber nicht 
enorme Wachsen des Wohlstandes, der nach dem mehr als 15 novi homines d. h. Manner von rit- 



697 Senatus (Eegiemng) Senatus (Eegierung) 698 

terlicher Geburt, die das Consulat erlangten wenn, dann wurde die Reilienfolge des S. in dei 

(novus homo wird zunachst gebraucht fiir den friihen Periode weitgehend von ihnen bestimmt, 

Ersten einer Gens, der ein Amt erhielt, Cic. aber nach dem 4. Jhdt. nur leicht beeinflufit. Die 

Cluent. Ill; fam. V 18, 1; Plane. 67, aber beson- Kategorie der praetorii war zuerst klein, beson- 

ders vom Consulat z. B. Liv. XXXVII 57, 12. ders well man die Praetur oft nach dem Con- 

XXXIX 41, 2. Sail. lug. 63, 6. Cic. leg. agr. U sulat erhielt (Will ems I 92). Aber sie nahm 

3) lassen sich mit Gewifiheit zwischen 364 und zu mit der Schaffung neuer Praetoren, anfangend 

63 (G e 1 z e r 40) zahlen. Den Sohnen dieser gro- im J. 242. Die curulischen Aedilen gingen den 

fien Hauser verliehen die Censoren und das Yolk plebeiischen voran und vervoUstandigten die 
einen S.-Sitz fast wie ein Recht. 10 Gruppe, oft besonders unterschieden als eine Ka- 

Aufierordentliche Rekrutierun- tegorie fur sich von denen, qui sella curuli 

gen. Im J. 216 wahlte M. Fabius Buteo als sederunt (Liv. XXIX 37, 1, vgl. XXIII 23, 5. 

Dictator sine magistro equitum senatus legendi XXXIV 44, 4. XXXVIII 28, 2. Eutrop. V 9. 

causa (Fast. Cap. CIL P p. 23) 177 Senatoren, Gavins Bassus = GelL III 18, 4). Die nicht- 

um die Verwustungen des Krieges (Liv. XXIII curulischen Gruppen der plebeiischen Aedilen, 

22f.) wiedergutzumachen. Im J. 81 fiigte Sulla Tribunen, Quaestoren bildeten notwendigerweise 

als Dictator reip, constituendae causa 300 Sena- besondere Kategorien, als jede das ius sententiae 

toren aus den Rittern hinzu (Liv. ep. 89. Dionys. erhielt, und ihre Erhebung zum S. in dieser Rei- 

V 77. Sail. Cat. 37; der angebliche Beistand der henfolge bei der aufierordentlichen Rekrutierung 
Tribus [Appian. bell. civ. I 100 xaig .cpvlalg am- 20 nach Cannae ist Zeugnis, wenn auch kein Beweis 

bovg y)fj(pov ozsqI sKaorov, vgl. M o m m s e n St.- dafur, daB sie schon vorher gesondert eingereiht 

R. Ill 189, 2] ist von Hardy Journ. rom. stud. waren (Liv. XXIII 23, 5). Die erste gesonderte 

VI 61 plausibel erklart worden als eine Verwechs- Kategorie der censor ii wurde nach SuUa abge- 

iung mit der indirekten Senatorenwahl durch die schafft; danach bestanden die Kategorien der 

sofort danach stattfindende Wahl zur Quaestur). Reihenfolge nach aus consular es, fraetorii, aedi- 

Im J. 47 und den beiden folgenden revidierte licii, tribunicii, quaestorii (Varro = Gell. XIV 7, 

Caesar die Liste kraft seiner dictatorischen Macht, 9. Cic. Phil. XIII 28f.; Sull. 82; Verr. V 36), 

trug Senatoren ganz nach seinem Gutdiinken in Innerhalb jeder Beamtenkategorie waren die 

die Liste ein und erhohte die Zahl auf 900 (Wil- Patricier, die in die gentes maiores und minor es 

lems I 581f.). Fiir den Personenstand des S. waren 30 untergeteilt wurden, vor den Plebeiern eingeord- 

diese Revisionen naturlich von aufierordentlicher net (betreff s der Censorier M o m m s e n RF I 

Bedeutung. Die Macht, Beamte zu ernennen, die 258). 

den Illviri reip. constituendae durch die Lex Diese Anordnung und die der Beamtenkate- 

Titia im J. 42 (M o m m s e n St.-R. II 732) ge- gorien ist glticklicherweise in den Listen der Re- 

wahrt wurde, gab ihnen gleichfalls voile Kon- daktionskomitees (die scribendo adfuerunt) der 

trolle iiber den Personenstand des S. noch vorhandenen SC erhalten (gesammelt von 

3. Reihenfolge. Der S. wurde zu alien Zei- Willems I 248. Ferner SC Panamar. BuU. 

ten in einer bestimmten Reihenfolge aufgezeich- hell. XI 225; Ambrac. Athaman. Bull. hell, 

net. Diese wurde auch in der interrogatio (s. u.) XL VIII 382; Delo; Narthak. Magnet.; Prien.; 
und auch bei der AufsteUung der Ausschiisse, die40Scaen. Graec. Syll.s 664, 674. 679 II. 688. 705; 

die SC verfafiten, befolgt; die urspriingliche Stratonic. Syll. or. 441; Mytilen. Cichorius S.- 

Reihenfolge der gentes maiores und minor es Ber. Akad. Berl. 1889, 967 = C a g n a t IGR IV 

wurde zuerst in unbestimmbar friiher Zeit durch 33 b; lud. saec. CIL VI 32323 Z. 50. 32324 Z. 8). 

die Praxis des Aufrufens von ausgedienten Beam- AUe sind mit dieser Anordnung vereinbar (s. 

ten abgeandert (einfach ohne besondere Erkla- Willems a. 0. M o m m s e n St.-R. Ill 967, 4), 

rung angenommen von der tlberlieferung Liv. Ill wahrend das SC de Bacchanalibus von 186 (CIL 

40, 8. V 20, 4. IX 8, 3. Dionys. VI 68. 69. VII P 582) M. Claudius M. f. Marcellus cos. 196 Cen- 

21. 47. X 50. XI 4. 16, 56. 58. Dionysios nimmt sor 189 (Plebeier), L. Valerius P. f. Flaccus 

auch unrichtig eine Prioritat des Lebensalters cos. 195 (Patricier), Q. Minucius C. f. Rufus 

an). Spater war die Stellung bestimmt durch eine 50 cos. 197 (Plebeier) in einer Reihenfolge auffiihrt, 

Kombination von Geburt und Amt. wo Marcellus als Censorier und Valerius als Pa- 

Der Grundsatz, der hauptsachlich entschei- tricier dem Minucius mit seiner groBeren Ancien- 

dend war, war das Amt. Bis zur Lex Villia an- nitat vorangehen, und das SC de Mytilenaeis 

nalis (um 180) ist die Reihenfolge der Amter (a. 0.) von 25 verzeichnet Paullus Aemilius L. f. 

fraglich. In spateren Dokumenten (angefangen Pal. Lepidus cos. 34 (Patricier) vor dem pelebei- 

mit der Lex Bantina von ungefahr 124) und in ischen Consul des J. 40 C. Asinius Cn. f. Pollio. 

der Literatur (Mommsen St.-R. I 561, 2) fol- In einem spater angefiihrten Fragment eines SC 

gen sie so aufeinander: dictator, consul, interrex, de ludis saecularibus des J. 17 (CIL VI 32 324) 

praetor, magister equitum, censor, aedilis, tribu- geht iiberdies der Consul des J. 25 M. lunius M. 

nus plebis, quaestor. In der Anordnung der S.- 60 f. Si[lanus] dem C. Asinius Cn. f. [Pollio] cos. 40 

Liste wurde das Censorenamt schon friih von voran. Da die Silani seit 10 n. Chr. nachweislich 

diesem Platz entfernt und an den Kopf der Liste patricisch sind (C. lunius C. f. Silanus cos. 10 n. 

gestent (Liv. XXVII 11, 10). Dies datiert, wenn Chr. und zur Zeit Flamen Martialis CIL VI 1384; 

€s gesetzlich ist, von der Lex Ovinia ab (so Wil- danach zahlreiche Silani H e i t e r Patr. gent. I. 

lems I 257. Mommsen St.-R. IH 967, 1); IL IIL saec. [BerL 1909] 50), und da M. Silanus 

wenn herkommlich, bald danach. Ob Dictatoren als College des Augustus cos. IX gewahlt wurde, 

mit ihren Reiterfiihrern und Zwischenkonigen ist es sehr wahrscheinlich, daB er unter den von 

Ibesondere Kategorien bildeten, ist unbekannt; Augustus im J. 29 adlecti inter patricios war 



699 Senatus (Eegiemng) Senatus (Eegiemng) 700 

kraft der Lex Saenia (Mon. Ancyr. II 1. Tac. ann. princeps im J. 112). Mit L. Valerius Flaccus cens. 

XI 25. Dio LII 42), und daB der Vorrang der 97 jjrineeps senatus im J. 84 (Liv. ep. 83), der 

Patricier bis in die Xaiserzeit andauerte; anders ernannt wurde, iiin Scaurus im J. 86 zu ersetzen, 

ist seine Voranstellung niclit zu erklaren. war wieder ein censorius der gentes maiores ver- 

Innerhalb der patricischen und plebeiischen fiigbar und gewahlt. Nacii Sulla wurde dieser 

Gruppe waren die Senatoren wiederum nach dem Unterschied abgeschafft zusammen mit der Not- 

Dienstalter eingeordnet. So hat L. Domitius wendigkeit, die friiher dem vorsitzenden Beamten 

Alienobarbus cos. 54, ein Plebeier, den Vorrang auferlegt wurde, wahrend der interrogatio bei der 

vor dem Plebeier Metellus Scipio cos. 52 in dem Liste zu bleiben (Varro =: Gell. XIV 7, 9. Bei- 
SC de provinciis consularibus vom J. 51 (Cic. 10 spiele M o m m s e n St.-R. Ill 975, 2. Willems 

fam. VIII 8, 5, vgl. Liv. XXIII 23, 5 ut quis I 1161 Die Griinde fiir den angeblich plebeiischen 

eorum primus creatus erat', Dio LIX 8 ev tfj princeps senatus Catulus, Servilius Isauricus und 

xd^ei xfjg olqx^s yjv rjQ^av), Zwischen CoUegen Cicero sind von Mo mm sen St.-R. Ill 868, 4 

des gleichen Standes wurde der Vorrang wahr- treffend widerlegt). 

scheinlich dem gegeben, der zuerst bei der Walil II. V e r f a h r e n. Das Verfahren des S. be^ 

gewahlt wurde. Am Ende der Republik war es ruhte auf Gewohnheit. Bis zur Zeit des Augustus 

einem Senator als Belohnung fiir eine erfolgreiche war es in keiner Weise formlich geregelt (Dio LV 

Anklage in einem QuaestionenprozeB erlaubt, den 3), und erst in der Kaiserzeit hort man etwas voa 

Platz des Verurteilten einzunehmen (Dio XXXVI einer lex de senatu habendo (Sen. brev. vit. 20» 
40. Cic. Balb. 57, vgl. Lex Ursonensis CIL 12 20 Plin. ep. V 13, 5. Gell. IV 10). Das erste prak- 

594 c. 124). tische Handbuch, von dem man hort, ist ein von 

Princeps senatus. Das wichtigste Pri- Varro verfafites, um dem unerfahrenen Pompeius 

vileg, die erste sententia zu geben, und der ehren- im J. 70 (Gell. XIV 7) ratend beizustehen. Spater 

voile Titel (Zonar. VII 19) des princeps senatus schrieb Ateius Capito de officio senatorio (GeU. 

eignete dem ersten Namen auf der Liste. Voraus- IV 10. XIV 7. 8), und ein sonst unbekannter 

setzung dieser Ehre war Zugehorigkeit zu den Nicostratus de senatu habendo (Fest. senacula 

gentes maiores. Alle uberlieferten Namen (Ver- 347 M.). 

zeichnisse Willems I 112 aber unzuverlassig. Trotz des Aufstiegs des S. zur Stellung der 

M m m s e n RF I 92, dazu Rh. Mus. XIX 455) Regierung blieb sein Verfahren auf die einfache 
gehoren zu den stolzen Hausern der Aemilii, 30 Funktion begriindet, einem Beamten Rat zu er- 

Claudii, Cornelii, Fabii, Manlii und Valerii, ein teilen. Um dies zu erreichen, waren 5 StufeB 

schlagender Beweis dafiir, dafi Mitgliedschaft bei notwendig: 1. dafi der S. sich versammelte (sena- 

den geiites maiores erforderlich war; aber die turn cogere, vocare), 2. da6 ihm eine Frage vor- 

Wahl des J. 125 beweist, daS sie unentbehrlich gelegt wurde (rtlatio), 3. dafi die Meinungen 

war. Durch die obigen Regeln, wenigstens nach (sententiae) der einzelnen Senatoren dariiber be- 

Erhebung der censorii an den Kopf der Liste, fiel fragt wurden (interrogatio) , 4. daS die Vorschlage 

die Stelle an den altesten patricischen censorius, der einzelnen dem Haus vorgelegt wurden (pro- 

So findet es sich in der Praxis bis in das J. 209, nuntiatio sententiarum), 5. daB einer durch Ab- 

als der Censor P. Sempronius Tuditanus den stimmung (discessio) angenommen wurde. 
Censor des J. 231 T. Manlius Torquatus zugun-40 1. Die Versammlung. A. Einberu- 

sten des Censors des J. 230 Fabius Maximus (Liv. f u n g. Der S. konnte nur zusammentreten, wenn 

XXVII 11) iiberging. Miinzer (Adelsfamilien er von einem Beamten einberuf en wurde. Ermach- 

99) auBert die interessante Vermutung, daB Sem- tigt dazu, dem S. Fragen vorzulegen, waren — 

pronius seine Wahl auf die Rangfolge der Ge- abgesehen von den auBergewohnlichen Beamten, 

schlechter basierte, und bezweifelt, daB Manlius dem Interrex, Dictator, Magister equitum (vgL 

zu den gentes maiores gehorte. Aber die poll- Dio XLII 27. Joseph, ant. XIV 10, 6), den Xviri 

tischen Beziehungen des Sempronius, dessen legibus scribendis, den Consulartribunen, dem re- 

Onkel M. Tuditanus des Fabius Kollege im publikanischen praefectus urbi und den lllviri 

Censorenamt war, und der seine aufeinander- reip. constituendne — die Consuln, Praetoren 
folgcnden Amter alle in den Jahren verwaltete, 50 (Varro = Gell. XIV 7. Cic. leg. Ill 10) und die 

als Fabius Consul war (u. Bd. IV A S. 1444 Tribunen, nachdem sie Beamte des Staates gewor- 

Art. Sempronius Nr. 96), machen die An- den waren (Cic. leg. Ill 1 0. Gell. XIV 8, 2. M omm- 

nahme der geringeren Herkunft des Manlius sen St.-R. II 314). Gewohnlich wurde der S. 

nicht notwendig. Der Wechsel bestand eher im von den Consuln und in ihrer Abwesenheit von 

Verlassen des Grundsatzes des Amtsalters. Dem- dem Stadtpraetor (Cic. fam. X 12, 3. Beispiele 

entsprechend fiel die Ehre mehrere Male an Wi Hems II 131, 1, vgL SC Delph. Syll.s 612) 

den patricischen Censor, der zu dieser Zeit das einberufen. Andere Praetoren beriefen nur in 

Amt bekleidete. Im J. 125 jedoch gab es, wie auBergewohnlichen Fallen ein (Mommsen 

Miinzer glanzend gezeigt hat (Rh. Mus. LXI St.-R. II 129f.), und oft wurden wichtige Ge- 
19), keinen patricischen Censorier, und da der am- 60 schafte, wenn die Consuln abwesend waren, bish 

tierende Censor Cn. Servilius Caepio zu einem zu ihrer Riickkehr aufgeschoben (Liv. XXX 23, 2. 

der angeblichen albanischen Geschlechter gehorte XXXI 2, 2). Die Tribunen machten oft von^ 

und so sicherlich zu einem der gentes minores, ihrem Recht Gebrauch, Geschafte vor den S. zu 

fiel die Wahl auf P. Cornelius Lentulus, den bringen, nachdem er einmal zusammengetreten* 

altesten Consular der gentes maiores. Im J. 115 war (z. B. Liv. XXII 61, 7. Cic. fam. I 1, 3; 

fiihrte ein ahnlicher Mangel an censorii zu der Qu. fr. II 1, 2; PhiL VII 1. Willems II 141, 

Ernennung des M. Aemilius Scaurus cos. des 3), aber nur selten von dem Recht der Ein- 

Jahres (Sail. lug. 25 consularis et turn senatus berufung (Beispiele Willems II 142, 2;. 



701 Senatus (Eegierimg) Senatus (Eegierung) 702 

Mo mm sen St.-K. II 317), well der S. anfang- Liv. II 1, 10) gerichtet, spater an die senatores 
lich als Beirat der Consuln angesehen wurde, quibusque in senatu senteiitiam dicer e licet (Liv. 
imd weil sie, da ihnen das Recht der vocatio XXIII 32, 3), und der Einberufende konnte durch 
(Gell. XIII 12) fehlte, Anwesenheit nicht erzwin- Geldstrafe (multa) oder durch die merkwiirdige 
gen konnten. Im Falle der KoUision nahmen Praxis, einen Teil des Besitzes des Delinquenten 
Dictator, Consul, Praetor, Tribun in dieser zu ergreifen und zu vernichten (pignora capiendo), 
Reihenfolge den Vorrang ein (Gell. XIV 7, vgl. die Anwesenheit erzwingen (Varro = Gell. XIV 
Cic. fam. I 2, 2). In fruherer Zeit lag das Vor- 7, 10. Liv. Ill 38, 12. Cic. Phil. I 12). In der 
recht des Vorsitzes anscheinend bei dem Consul, Praxis ordnete natiirlich der S. oft selbst die 
peiies quern fasces erant (Liv. IX 8, 2, vgl. Dio- lOnachsten Versammlungen fiir eine bestimmte Zeit 
nys. VI 57. X 57. Mom m sen St.-R. I 37); spater und fiir bestimmte Geschafte an (z. B. Cic. fam. 
waren gemeinschaftliche Einberufungen und rela- I 9, 8. VIII 8, 5); das geschah jedoch immer in 
Hones die Kegel fiir Angelegenheiten von allge- der gesetzlichen Form eines gutachtlichen Er- 
meiner Bedeutung, wenn beide Consuln in Rom suchens an die zustandigen Beamten. 
waren (z. B. Liv. XXI 6, 3. SC Bacch. CIL I 581 B. Zeit. Sitzungen konnten bei Sonnenauf- 
Q. Marcius L. /. Sp, Postumius L, f. cos. senatum gang beginnen und muBten bei Untergang endigen 
consoluerunt), wenn auch einer nur wirklich den (Beispiele Willems II 147f. M o m m s e n 
Vorsitz fiihrte, vielleicht noch monatlich ab- St.-R. Ill 920) und haufig fiillten sie diese ganze 
wechselnd (so Lange Rom. Altert. III2 331). Zeit aus (Liv. XXII 7, 14. Sen. prov. V 4). Ein 
Aber nichts konnte einen von den beiden Consuln 20 SC, das vor oder nach dieser Zeit durchgebracht 
hindern, allein zu handeln, wenn er es wiinschte wurde, war von bestrittener Legalitat, und den 
(Cic. PhiL VIII 33; bekanntlich Caesar im J. 59), verantwortlichen Beamten erwartete Tadel von 
und wahrscheinlich machte jeder relationes fiir seiten der Censoren (Varro = Gell. XV 7, 8. 
sich gesondert iiber Dinge, die ihn personlich an- Liv. XLIV20, 1. Cic. Att. I 17, 9; Phil. Ill 24). 
gingen (Liv. XXVIII 39. XLIV 21. Sail. lug. 28). Eine neue relatio war demgemafi nach der zehn- 
Die Tribunen konnten die Einberufung oder die ten Stundenicht erlaubt (Sen. tranqu. anim. 17, 7). 
Verhandlungen bis zur Abstimmung behindern Obgleich der Oberbeamte gewohulich am Tage 
(Mommsen St.-R. I 281f. II 2941), aber nicht seines Amtsantritts (Liv. XXVI 26, 5) eine Ver- 
verhiiten. AUe anderen Personen — andere Be- sammlung auf dem Capitolium abhielt, bei der 
amte, Promagistrate, Priester, Gesandte — , die 30 besonders religiose Angelegenheiten Ijehandelt 
mit dem S. zu verhandeln wtinschten, brauchten wurden (Mo.mmsen St.-R. I 617), gab es keine 
den Beistand eines der obigen, um ihn einzu- regelmaBigen Sitzungen (senatus legitimi) an be- 
berufen und ihm Gehor zu geben (dare senatum). stimmten Tagen, bis sie von Augustus (Suet. Aug. 
Aufrufung durch einen Boten auf dem Forum 35. Dio LV 3) angeordnet wurden. Andererseits 
geniigte als Aufforderung (Val. Max. II 2, 6. konnten die S.-Sitzungen im Gegensatz zu den 
Liv. I 47, 8. Ill 38, 8. XXVI 9, 9; vielleicht Cic. Comitia an jedem Tag stattfinden, ohne Ruck- 
Cat. II 26). Zu diesem Zweck war ein Sammel- sicht auf den kalendarischen Charakter zu nehmen 
platz (senaculum Bd. IV A S. 1453) fiir die (Beispiele aller Arten von Tagen B a r d t Herm. 
Senatoren auf dem Forum reserviert, wo sie in VII 15. 1X317. LangeRom. Altert. II 391. Wil- 
der fruheren Periode und in bedrangten Zeiten401ems II 149. Mommsen St.-R. 921). Varro 
auch spater noch sich in Bereitschaft hielten. Je- (= Gell. XIV 7, 9) setzte freilich auseinander, 
doch konnte noch in Ciceros Zeit der S. direkt quibus diebus habere senatum ius non sit, aber 
vom Forum ohne eine Anzeige (Cic. Qu. fr. II die Tage sind iiberaus dunkel; sicherlich sind sie 
3, 2; Phil. X 1) einberufen werden. Die Sena- nicht alle dies atri; denn es wird von einer Sit- 
toren wohnten offiziell in Rom, aber gelegentliche zung am 8. November, einem Trauertag (Fest. 
Edikte, die sie zuriickriefen (Liv. XXXVI 3, 3. mundus 156 M.) berichtet; vielleicht sind es 
XLIII 11, 4), und Klagen iiber geringe Anwesen- einige andere solche Tage, z. B. der dies Alliensis 
heit (z. B. Cic. Qu. fr. II 1, 1. Ill 2, 2) sind ein am 18. Juli, an dem keine Sitzung bekannt ist, 
genugender Beweis dafiir, dafi sie nicht dort aber wahrscheinlicher sind es Comitialtage. Erst 
bleiben muBten. Abreise aus Italien erforderte 50 relativ spat nahm eine Lex Pupia (Bd. XII 
jedoch Urlaub in der Form einer legatio libera S. 2405) unbestimmten Datums (nach M o m m - 
(Cic. Phil. I 6; fam. XII 21; Att. II 18, 3). Fiir sen um J. 154; Lange J. 71; Willems. 
plotzliche Einberufungen konnten sich die Be- J. 61) die Comitialtage aus. Danach wurde, ob- 
amten der Boten und viator es (Fest. s. v. 371 M. gleich die genauen Bestimmungen des Gesetzes 
Cic. senec. 56. Dionys. IX 63. Appian. bell. civ. ungewiB sind, die Festsetzung von S.-Sitzungen 
I 25) bedienen, die zu den Wohnungen der Sena- auf Comitialtage wahrscheinlich allgemein ver- 
toren herumgeschickt wurden. Gewohnlich aber boten (so Mommsen St.-R. Ill 922, dem 
trat der S. laut Verordnung zusammen, die Zeit B a r d t folgt). Spater lassen sich Ausnahmen 
und Ort und bisweilen die Geschaftsordnung an- beobachten: einige sind wohl nur scheinbar, an 
gab (Cic. fam. XI 6, 2 cum tribuni plebis edixis- 60 Markt- oder auBergewohnlichen Feiertagen (Caes. 
sent senatus adesset a. d.Xlll K.Ian, haberentque bell. civ. I 5), andere wurden nach SchlnR der 
in animo de praesidio consulum designatorum Comitia abgehalten (Cic. Att. 114, 5. Dio XXXVII 
referred Phil. I 6f. Ill 19. Liv. XVIII 9, 5 prae- 43) oder auf Grund von besonderer Dispensierung 
misso edicto ut triduo post frequens senatus ad vom Gesetz (Beispiel solcher Dispensierungen 
aedem Bellonae adesset; XXIII 32, 3. Appian. Cic. fam. VIII 8, 5), hauptsachlich in bedrangten 
belL civ. II 126. Suet. Caes. 28. 80; Tit. 11). Zeiten (so im J. 63 oft: Willems II 155, 6; 
Die Einberufung war in friiherer Zeit an die qtii J. 58: Asc. 40 St.; J. 52: Asc. 39 St.; J. 51: Cic. 
patres qui conscripti (estis) (Fest. s. v. 254 M. fam. VIII 4, 4. 8, 5; wahrscheinlich J. 133: Plut.. 



703 Senatus (Eegierung) Senatus (Kegiening) 704 

Ti. Gracch. 17f.). Die haufigen Streitigkeiten tiber Tempel, die richtig inauguriert waren, auch zu 

Comitialtage am Ende der Republik machten das Sitzungen benutzt werden. Die des luppiter Op- 

Gesetz und seine tJbertretungen zum Gegenstand timus Maximus auf dem Capitol wurde regel- 

politischer Manover von ziemlicher Bedeutung. maBig bei der ersten Sitzung des Jahres und bei 

Nach Caesars Tod wurde es entweder wegen be- Beratungen von Kriegsangelegenheiten benutzt 

standiger Unruhen oder wegen Abschaffung nicht (Appian. Lib. 75); die des Castor (Cic. Verr. I 

beachtet (Wi Hems II 156,3); in beiden Fallen 129) und die der Concordia (z. B. Cic. Cat. Ill 

wurde es spater entkraftet (SC Panamar. des 21) auf dem Forum mit besonderer Haufigkeit, 

J. 39 Bull. hell. XI 225 = V i e r e c k Sermo auch andere gelegentlich (Verzeichnis W i 1 1 e m s 
Graecus 41 XVIII K. Sept. = C). 10 II 159. M o m m s e n St.-R. Ill 928). 

Gesandtschaften konnten zu jeder Zeit emp- Fiir Gesandte, eines nicht in Vertrag stehen- 
fangenwerden(z, B. SCDelph.SylL3 612am4.Mai den Staates (Dio frg. 43, 27) und Promagistrate 
189; Thisb. Syll. 646 empfangen am 9. Oktober, (Dig. 1 16, 16), die dasPomoerium nicht betreten 
erwidert am 14. Oktober 170; Ambrac. Athaman. konnten, wurden die Versammlungen auBerhalb 
Bull. hell. XL VIII 382 5. Juli ca. 166; Delo Syll. desPomoerium abgehalten. Sie f anden regehnaJBig 
664 id. interc, d. h. Febr. 164; Narthak. Syll. 674 auf dem Campus Martins vor der Porta Carmen- 
1. — 6. Juli ca. 150; Magnet. Prion. Syll. 679 II talis, gewohnlich im Tempel des x4lPo11o oder der 
'PqIwv, d. h. Sept.-Dez. 143; Prion. Syll. 688 Bellona statt (Mommsen St.-R. Ill 930). Am 
9. Febr. 135; lud. Joseph. XIII 9, 2 6. Febr. Ende der Republik war fur solche Versammlun- 
ca. 132; scaen. Graec. Syll. 705 6. — 11, Juni20gen ein besonderer Platz im Theater des Pom- 
112; Stratonic. Syll. or. 441 27. Marz 81; lud. peius bestimmt, wahrscheinlich in einer Exedra 
Joseph. XIV 10, 10 9. Febr. 44, bestatigt den der sich anschlieBenden Porticus, und spater 
30. Marz Viereck Sermo Graecus 101; das SC wurde er haufig benutzt, bis die Ermordung Cae- 
lud. Joseph. XIV 8, 5 am 13. Dezember ist wahr- sars dort zum Verlassen dieses Platzes fuhrte 
scheinlich caesarisch: Taubler Imp. Rom. I (Plat ner- Ashby Topogr. Diet. 15. 82. 146). 
164, aber s. Viereck 103f.). Aber gewohnlich Die angeblichen Versammlungen, die von sieg- 
wurden sie am Anf ang des consularischen Dienst- reichen Generalen in der f riihen Republik vor der 
jahres empfangen und nicht selten, wenn die Erbauung von geeigneten Gebauden auf den Cam- 
Consuln die Stadt verlassen hatten, verschoben, pus Martins einberufen wurden (Liv. Ill 63 [vgl. 
bis die neuen Consuln ihren Dienst antraten (Liv. 30 Dionys. XI 49] in Gampum Martium; in prata 
XXX 40, 4. XXXVII 1, 1. XLI 6, 7. XLII Flaminia ubi nunc aedes Apollinis est), von Wil- 
26, 9). Nachdem dieses Datum im J. 153 lems (II 160, vgl. Mommsen St.-R. Ill 
(Mommsen St.-R. I 599) auf den 1. Januar 930, 2) verteidigt, sind, wenn auch an sich nicht 
verlegt worden war, wurde gewohnlich der Fe- unmoglich, sicherlich nicht historisch. Als eine 
bruar fiir die Gesandtschaften (Cic. Verr. I 90, AusnahmemaBregel in dem kritischen J. 215 ver- 
vgl. II 76. Ps.-Asc. 244 St. Mommsen St.-R. sammelte sich der S. bestandig ad portam Gape- 
Ill 1155) vorbehalten. Diese Gewohnheit wurde nam in einer sonst unbekannten Lokalitat (Liv. 
durch eine Lex Gabinia, wahrscheinlich vom J. 67, XXIII 32, 3). Diese Versammlungsorte an der 
obligatorisch (Cic. Qu. fr. II 11, 3; fam. I 4, 1). Porta Carmentalis und der Porta Capena wurden 
Die Lex Sempronia de provinciis consularibus des 40 von Nicostratus (Fest. senacula 347 M., dem 
J. 123 verordnete, daB der S. die consularischen Mommsen St.-R. Ill 914, 4 irrtumlich folgt) 
Provinzen vor den Consulwahlen (s. u.) anweisen zusammengeworfen mit neuen senacula (richtig 
soUte. Sonst war der S., abgesehen von der tib- Willems II 146, 2). Versammlungen in Pri- 
lichen Vorwegnahme der sacra bei der ersten Sit- vathausern (Liv. II 54, 7. IV 6, 6. Dionys. X 40. 
zung des Jahres, bei der Erledigung seiner Ge- XI 57. Zonar. VIII 7) oder auf freiem Fold (Liv, 
schafte an keine besondere Zeit gebunden. Ill 63, 6. XXVI 10), wie Metellus eine Versamm- 
C. r t. Der S. konnte nur in Rom zusammen- lung im Gefangnis plante (Dio XXXVII 50), 
treten, entweder innerhalb des Pomoerium oder waren, wenn historisch wahr, keine S.-Sitzungen, 
innerhalb der Bannmeile, und in einem templum sondern Privatkonsultationen ohne gesetzliche 
d, h. in irgendeinem offentlichen oder heiligen 50 Kraft. 

Gebaude, das nach den Regeln der Auguraldiszi- D. Anwesenheit. Die Sitzung war nicht 
plin abgegrenzt und geweiht war (Varro =: Gell. dem allgemeinen Publikum zuganglich. Niemand 
XIV 7, 7 per augurem constitutum. Serv. Aen. I anders als Senatoren, Magistrate und Promagi- 
446. Die aedes Vestae war klugerweise nicht in- strate einschlieBlich der Quaestoren und anschei- 
auguriert: Serv. Aen. VII 153), ausgenommen nend die apparitor es des Vorsitzenden, deren er 
dann, wenn das Prodigium eines sprechenden sich in der Sitzung bedienen konnte (Liv. Ill 
Ochsen berichtet wurde, wo man sich sub divo 41, 3. Val. Max. VI 2, 2. Appian. bell. civ. I 31, 
(Plin. n. h. VIII 183) versammelte. Sonst waren vgl. Dio LXVI 12. Tac. ann. VI 40. XVI 32), 
seine Beschliisse ungiiltig (Varro a. 0.). Beson- durften das S.-Gebaude betreten, wenn er nicht 
ders bestimmt fiir S.-Sitzungen war ein Gebaude 60 von einem kompetenten Beamten eingefiihrt war. 
an der Nordostecke des Forums gerade nordlich Eindringlinge wurden herausgeworf en (Liv. XXVI I 
des Comitiums, die Curia Hostilia (sv KofA,srlq>), 8, 8. Appian. bell. civ. I 31). Obgleich die Sena- 
die als regelmaBiger Versammlungsort diente, bis toren in der Regel Freiheit im Erscheinen und 
sie, nachdem sie im J. 52 abbrannte und von V^eggehen hatten (Cic. dom, 16; har. resp. 2. 
Faustus Sulla wieder aufgebaut wurde, von Cae- Sail. Cat. 32. Suet. Aug. 94. Plut. C. Gracch. 14), 
sar und Augustus (Bd. IV S. 1821. Plat ner- konnte der Vorsitzende jedes Mitglied, dessen 
Ashby Topogr. Diet. 142) durch die Curia lulia Anwesenheit wiinschenswert war, zuriickhalten 
«rsetzt wurde. Jedoch konnten die cellae aller oder es rufen lassen, wenn es abwesend war (Cic. 



705 Senatus (Eegierung) Senatus (Eegierimg) 706 

Qu. fr. Ill 2, 2. Dio XXXVIII 3. Liv. XLII 3, 5, wurden (Nik. Dam. Caes. 23, vgl. Cic. fin. Ill 7) 

ygl. XLI 15, 1). ' und gewohnlich wahrend der Sitzung off en blie- 

EegelmaBige Anwesenheit wurde von den ben (Cic. Phil. 2, 112). Sie war mit einem vesti- 

Senatoren erwartet (Cic. dom. 8 dico senatoris bulum versehen, wo die Tribunen ihre Banke auf- 

esse boni semper in senatum venire, vgl. leg. Ill stellten, ehe sie in den Senat zugelassen wurden 

11. 40); aber trotzdem der Consul die Macht (Zonar. VII 15. Val. Max. II 2, 7), und wo die 

hatte, die Anwesenheit zu erzwingen (s. o.), so erwachsenen Senatorensohne stehen und zuschauen 

war das doch seinem Belieben iiberlassen (Cic. durften (Val. Max. II 1, 9, vgl. Liv. II 48, 10. 

Phil. I 12; fam. XII 2, 3. XIII 77, 1; die lange XXII 59, 16. Cic. Cat. 4, 3. Augustus beeilte 

Abwesenheit des Livius Salinator wurde niemals 10 sich, diese Sitte zu erneuern: Suet. Aug. 38. Plin. 

offiziell getadelt Liv. XXVII 34), und infrequen- ep. VIII 14, 5, vgl. Tac. ann. II 37). Auch das 

tia besonders im Sonimer und an Feiertagen draufien auf dem Comitium stehende Publikum 

wurde oft beklagt (Cic. Qu. fr. II 1, 1. Ill 2, 2. konnte bis zu einem gewissen Grade hineinsehen 

Ascon. 48 St. Liv. XXXVIII 44, 6, vgl. XXXIX und den Verhandlungen folgen, und oft drtickte 

4, 8. Cic. Att. X 4, 9). Manchmal ersuchten die es in lebhafter Weise seine Gefiihle aus (Liv. 

Beamten geradezu um zahlreiche Anwesenheit XXII 60, 1. Cic. Cat. 1, 20; Att. IV 1, 6; Qu. 

(Liv. XXVIII 9, 5. Cic. PhiL III 19), und bis- fr. 113; aberan der SteUeElO, 1 verbessertHous- 

weilen wurden geschaftliche Angelegenheiten man nach einer Anregung Tyrrells populi con- 

bis auf zahlreichere Beteiligung verschoben (Cic. vicio mit Eecht in pipulo). Selten wurden die 

fam. I 9, 8. VIII* 9, 2; Att. XVI 7, 1. Liv. 20 Zuhorer entfernt und die Tiiren geschlossen (Cic. 

ep. 13. XXXV 7, 1). Nur ftir besondere Ge- PhiL 2, 112. 5, IB) und den Senatoren Schweigen 

schafte war die beschlufif ahige Zahl der Anwesen- auferlegt (Liv. XXII 60, 1. XLII 14, 1. Val. 

den ftir die Gultigkeit der Beschltisse notig Max. II 2, 1. Gell. I 23. Appian. Lib. 69). 

(anders M o m m s e n St.-R. Ill 989, aber die For- Innen standen gegeniiber der Tur (Cic. Cat. 4, 3) 

derung eines Drittels ist kaum eine verscharfende die curulischen Sessel der Consuln oder des Prae- 

Bestimmung eines allgemeinen Minimums). Im tors (Kaiser Gains war der erste, der auf einem 

J. 186 waren ftir die Erteilung der Erlaubnis zu erhohten Sitze saB: Dio LIX 26) oder die Bank 

Bacchanalien 100 d. h. ein Drittel erforderlich der Tribunen, i wenn einer von ihnen den Vorsitz 

(SC Bacch. CIL P 581), im J. 172 zur Abstim- fiihrte; aber es gibt keinen hinreichenden Beweis 

mung tiber das Geld fur auBergewohnliche ludi 30 daftir, dafi die anderen Beamten ihre offiziellen 

votivi 150, d. h. die Halfte (Liv. XLII 28, 9), im Sitze mitbrachten (Kiibler Bd. IV A S. 1314), 

J. 67 nach der Lex Cornelia fur die Dispensie- oder daB sie auf einem reservierten Platz (anders 

rung von Gesetzen 200, d. h. ein Drittel (Asc. Kramarczik Philol. IX 746 nach Cic. Cat. 4, 3), 

48 St.). Am Ende der Republik, wenn nicht schon und sicher keinen, dafi sie um den Vorsitzenden 

friiher, war eine uns unbekannte Zahl zum Be- auf einer Erhohung safien. Auf beiden Seiten der 

schlufi liber Modalitaten (darunter die Zeit) der Halle, geschieden durch einen Gang (wie man er- 

Wahlen (Dio XXXIX 30) und wahrscheinlich auch schliefien kann aus Vit. Carac. 23, aus der Me- 

iiber Zuweisung der consularischen Provinzen (Cic. thode der Teilung, und aus Plut, Marc. 23), safien 

Att. V 4, 2 curandus . . , ne quid ad senatum ,con- die Senatoren auf Banken (suhsellia). Ihre Sitze 

sule^ aut ,numera' fam. VIII 9, 2, vgl. 8, 5) und 40 waren, wie aus der Verschiedenheit der Orte, wo sie 

fiir Beschlufi von Bittgangen (Cic. fam. VIII 11,2 sich trafen, hervorgeht, in keiner Weise fest oder 

<ium de hostiis ageretur et posset rem impedire zugewiesen. Sie hatten in verschiedenen Sitzungen 

si ut numeraretur postularet tacuit, vgl. Phil. I verschiedene Platze inne (Cic. Att. I 14, 3; Pis. 

12) notig. Klagende tiber infrequentia geben 6, vgl. Arus. Messius VII 452 K. Plut. Cat. Min. 

demgemafi, selbst wenn schliefilich die Geschafte 23) und wechselten ihre Platze sogar in derselben 

\erschoben wurden, nicht ohne weiteres an, dafi zu Sitzung (Cic. Cat. I 16. II 12. Plut. Cic. 16). 

geringe Beteiligung war, noch wurde der S. ge- Wenn die Senatoren sententiae vorbrachten, er- 

wohnlich gezahlt, wie es im Kaiserreich geschah. hoben sie sich und sprachen stehend (Cic. Att. I 

Wenn in der Republik eine beschlufif ahige Zahl 14, 3. Liv. XXVII 34, 7); sonst, wenn sie nur mit 

erforderlich war, so wurde die Zahl der Anwesen- 50 einem Vorredner ubereinstimmten (Cic. fam. V 

den nur bestimmt, wenn ein Mitglied es ver- 2, 9. Liv. XXVII 34, 7) oder wenn sie Teilung 

langte; das geschah dadurch, dafi man von seiner der Antrage und wahrscheinlich auch Feststel- 

Bank aus ^numera' (Fest. s. v. 170 M. Cic. a. 0.) lung der Beschlufif ahigkeit oder weitere Beratung 

rief. Als tatsachlich anwesend werden im J. 61 verlangten, blieben sie sitzen (Asc. 38 St.), ab- 

gegen 415 gezahlt (Cic. Att. I 14, 5), im J. 57 417 gesehen von besonderer Ehrenbezeigung (ftir Be- 

(Cic. sen. grat. 26), wieder im sellDen Jahre fast amte Cic. Pis. 26. Plut. Brut. 17. Nic. Dam. 

200 (Cic. Qu. fr. II 1, 1 bemerkt, es sei viel ftir Caes. 24, 119 Dind.; ftir Senatoren Cic. har. 

die Jahreszeit), im J. 49 392 (Appian. bell. civ. resp. 2) oder nattirlich im Augenblick besonderer 

II 30), im J. 23 405 — 409 (SC sex prim. aer. Erregung, wenn die Mitglieder sich um den vor- 

CIL VI 32 272), im J. 45 n. Chr. 383 (Sc. aed. 60 sitzenden Beamten scharten (Liv. 11 28, 9. Cic. 

diruend. CIL X 1401), und im J. 138 250—299 Cat. IV 3; fam. IV 4, 3; Qu. fr. Ill 2, 2 vgl. 

(SC salt Beg. CIL VIII 23 246). Plin. ep. II 11, 22. Tac. ann. XI 5f.). In der Tat 

2. Sitzung. A. Dieinneren Anord- scheinen, wie zu erwarten, die Mitglieder im 

nun gen. Die Vorkehrungen in den Tempeln rich- Laufe der Sitzung beliebig umhergegangen zu 

teten sich soweit als moglich nach denen in der sein, um durch eigene Argumentation oder Bitten 

Curie. Diese war eine Halle, deren bei Nacht ge- Beistand fur Vorschlage zu gewinnen oder aller- 

schlossene Tiiren (Suet. Tit. 11. Vit. Pert. 4) am lei Widerstand zuvorzukommen (Cic. fam. VIII 

Morgen, wenn sich der Senat versammelte, geoffnet 1 1, 2. I 2, 2, vgl. Sternkopf Herm. XXXVIII 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 23 



707 Senatus (Eegierung) Senatus (Eegierung) 708 

36). Der Vorsitzende hielt Ordnung und sorgte ahnlich wurden Senatoren auBerhalb der Reihe 

ftir Stillschweigen (Appian. bell. civ. II 128). aufgerufen Liv. IX 8, 3. XXVI 33, 5), oder sie 

B. Die Tagesordnung. Nachdem er konnten noch einmal sprechen, um eine vorherige 
die Auspizien eingeholt hatte, betrat der Beamte, AuBerung zu erklaren (Sail. Cat. 50. Suet. Caes. 
der die Versammlung einberufen hatte, die HaUe, 14) oder einen folgenden Sprecher zu fragen (Sin- 
und die Sitzung begann (Varro = GeU. XIV nius Capito = Schol. Bobb. 170 St.), und wenn 
7, 9). Die Tagesordnung lag aufier wenigen oben sie ihre sententia in der regelmaBigen Reihen- 
erwahnten Vorschriften ganz in seiner Hand. Die folge abgaben, konnten sie den Vorsitzenden fra- 
unbegrenzte Redefreiheit, die dem Senator ge- gen oder auf eine Frage von ihm erwidern (Liv. 
stattet war, war in gewisser Hinsicht ein Ersatz lo XXVIII 45, 2) oder sogar einen anderen Senator 
ftir die mangelnde Initiative im Vorbringen von fragen (Cic. Att. IV 2, 4: die Frage ist freilich eine 
Gegenstanden. Durch Rufe von ihren Platzen Bitte um die sachkundige Meinung der pontiHees), 
aus konnten die Senatoren tiberdies verlangen, Das Ergebnis dieser Praxis war gelegentliche De- 
daB eine Frage der Versammlung vorgelegt wurde, batte in unserem Sinne, d. h. ein Zwischenspiel 
und sie konnten ihren Wunsch dadurch durch- der Reden (altereatio) zwischen verschiedenen 
setzen, daB sie aUe anderen Vorschlage iiber- Beamten (Consul und Tribun Liv. XXVIII 45. 
stimmten (Cic. Pis. 29. Liv. XLII 21, 1, vgl. XXIX XXXIII 22. Cic. fam. I 2, 1; Tribunen, Proconsul 
15, 5). Dem Gesetz nach konnte der einberufende und Legati Liv. XXXVIII 44f.; wahrscheinlich 
Beamte jede relatio machen, die er wlinschte, und zwischen Consuln Caes. bell. civ. I 6, vgl. Suet, 
andererseits konnte er nicht dazu gezwungen20 Caes. 29; s. auchLiv. XLI 7. Qu. fr. Ill 3, 3; Att. 
werden, eine andere (Caes. bell. civ. I 1) zu IV 13, 1. Plut. Pomp. 17) und zwischen Magi- 
machen. straten und Senatoren (Cic. Att. I 16, 10; Clodius 

C. AnordnungderReden. Die Reihen- war Quaestor). S. R a b e Klio XXIII 74 iiber Cic. 
folge der Reden war fraglos fester bestimmt als Cat. 1; der Mittelteil dieser Rede ist aus einer 
in modernen parlamentarischen Versammlungen. altereatio umgearbeitet, die vor der eigentlichen 
Vorlegung eines Gegenstandes durch den Vor- Rede stattfand. 

sitzenden und ordnungsmaBige Antwort der Mit- D. Verfahrenvor der relatio, Bevor 
gjieder auf die Auf forderung in bestimmter Reihen- das BeschluBverfahren begann, konnte zudem der 
folge war das Gertist, auf dem sie beruhte. Dieses Vorsitzende mannigfaltige Geschafte vor den S. 
steife Schema erlitt jedoch eine Reihe von Ab- 30 bringen, ohne tatsachlich anders als durch sein 
anderungen. Erstens, bevor der Vorsitzende eigenes Gutdiinken beschrankt zu sein. Hier be- 
eine relatio machte, konnte er die Gelegenheit richtete er iiber Mitteilungen von allgemeinem 
wahrnehmen, Mitteilungen an den S. zu machen Interesse, die an ihn gelangt waren, besonders 
(s. u.) und gleichzeitig konnte er beliebig Fragen uber amtliche Brief e (Caes. bell. civ. I 1. Cic. 
an andere Beamten und Senatoren steUen, sie fam. X 16, 1; Phil. X 1), die an den S. und an 
beantworten (Cic. leg. agr. II 79; Cat. 2, 13. Plut. die vorsitzenden Beamten (s. Aufschrift Cic. fam. 
Crass. 15; Sull. 31) und anderen erlauben das- XV 1. 2, vgl. X 8. 35. XII 15) gerichtet waren, 
selbe zu tun (Liv. XL 36. XXXVIII 44f. Cic. aber auch iiber Privatbriefe, die Nachrichten von 
Mur. 51, vgl. Sail. Cat. 31). Nachdem die Frage allgemeiner Bedeutung enthielten (Cic. fam. X 
formell gestellt war, konnte der S. neben plotz- 40 12, 3. XII 25, 1). Er gestattete Privatpersonen, 
lichen und oft lebhaften Gefiihlsbezeigungen von ahnliche Mitteilungen zu machen (Sail. Cat. 30. 
verschiedenem Grad der Deutlichkeit — person- Plut. Cic. 15. 19, vgl. Cic. ep. Brut. II 2, 3. 7, 3. 
liche Beschwerden (Cic. Qu. fr. Ill 2, 2; prov. Liv. XXXV 8, 4), und gab denen, die einen Triumph 
cons. 18; fam. X 11, 1. Liv. XLII 3, 5. 28, 3), aU- verlangten, das Wort und gestattete den Sena- 
gemeiner Beifall (Cic. Qu. fr. II 1, 3; fam. XII toren, sie zu fragen (Liv. XXXV 8), und ge- 
25, 1. Sail. Cat. 53), allgemeine MiBbilligung legentlich erklarte er dem S. in freierer Weise 
(Cic. Qu. fr. II 5, 1; fam. XI 21, 2. Liv. XLII als in der iiblichen Darlegung nach der form- 
3, 5. Appian. bell. civ. Ill 54) — mit Hilfe ge- lichen Vorlegung (s. u.) die Frage, die er dera 
wisser formaler Ausdrucksmittel Fragen nach S. unterbreiten wollte (Cic. de orat. Ill 2. Liv. 
einer langeren beratschlagendenDebatte erledigen. 50 XXVIII 9). Am Ende der Republik nahmen 
Die Reihenf olge der Reden wurde grundlegend die Beamten bisweilen die Gelegenheit wahr, ihre 
geandert zuerst durch das Rederecht des Beamten. Ansicht iiber eine Sache zum Zwecke der Infor- 
Da diese nicht der Beirat des vorsitzenden Be- mation des S.s darzulegen, ohne danach irgend- 
amten, sondern die ausubenden Beamten des eine Frage vorzulegen (so Cic. leg. agr. I; Lupus 
Staates waren, wurden sie in der interrogatio als Tribun Qu. fr. II 1, 1; ahnlich der Praetor 
nicht aufgerufen, sondern sie konnten ohne Auf- Cornutus, der einen Brief verlas, aber sich wei- 
forderung an der Debatte teilnehmen, voraus- gerte, eine relatio dartiber zu machen, was dann 
gesetzt, daB sie den Sprecher nicht unterbrachen, 5 Tribunen sich anschickten zu tun fam. X 16, 1). 
wann sie woUten (Hofmann Senat 86f., vgL Umgekehrt verlangte der S. oft infolge einer 
Cic. Qu. fr. II 1. Mommsen St.-R. Ill 943. 60 solchen ihm zuteil gewordenen Auskunft durch 
Beispiele Will ems II 189, 2). Der vor- Rufe von den Platzen aus, daB eine Frage vor- 
sitzende Beamte unterbrach die Debatte, wann gelegt wurde (nach einer Information Liv. 
und so oft er wollte (Cic. Cat. 4, 7. Caes. bell. XXIX 16, 3. XL 26, 4. Cic. fam. X 16, 1. Sail, 
civ. I 2. Liv. XXVIII 43, 1. Appian. beU. civ. Cat. 48; spontan Liv. XXVI 29, 6. XXXI 3, 1. 
II 128. 133). In auBergewohnlichen Fallen konn- XLII 3, 5), und obgleich der Vorsitzende nicht 
ten auch Senatoren mit Erlaubnis des Vorsitzen- dazu gezwungen werden konnte (Caes. bell. civ. 
den auBerhalb der Reihe iiber eine Sache von 1 1), erftillte erverstandlicherweise dieForderung 
dringender Wichtigkeit sprechen (Liv. Ill 39, 2; oft. So erhielten auch zurlickgekehrte romische 



709 Senatus (Eegiemng) Senatus (Eegierung) 710 

Gesandte das Wort, damit sie ihre Berichte (Liv. Plut. Pomp. 58) oder ganzlich verschiedene An- 

XXXIX 33, 1) machten; Mommsen (St.-K. gelegenheiten (Cic. Phil. VII 1). Weniger wich* 

III 1002, 2) glaubte allerdings, daB sie in der tige Angelegenheiten wurden oienbar oft da- 

interrogatio berichteten, wenn die Reihe an sie durch erledigt, daB sie von einem oder mehreren 

kam; aber diese Mitteilung war notig, bevor Beamten (Cic. a. 0.; fam. VIII 8, 5. 9, 5, vgl. 

fremde Gesandte gehort wurden. Phil. XIII 50. Liv. VIII 14, 31) in eine einzige 

Die obigen/Abanderungen des ursprtinglichen relatio zusammengefaBt wurden. Eine gemein- 

Verfahrens sind von Wichtigkeit. Das Verfahren sehaftliche relatio iiber verwandte Angelegenheiten 

des Beamtenrates war an sich wenig geeignet — ein Teil so gefaBt, daB er einen Weg offen 

fiir die komplizierten Regierungsgeschafte, die 10 lieB fiir gewunschte Antrage — war ein brauch- 

der S. schlieBlich tibernahm, besonders wegen bares Instrument fiir parlamentarische Manover 

der mangelnden Kraft der Initiative, die das Re- (z. B. Cic. fam. 11.2). Ein zweiter Beamter konnte 

gierungsbiiro als Gesamtheit und seine einzelnen auBerdem eine weitere relatio vorbringen, nach- 

Mitglieder besaBen. Aber wenn auch bis zum dem der Vorsitzende seine beendet (Cic. Qu. fr. 

Ende der Republik ein entschlossener Ober- II 1, 2 Tribun nach Tribun), oder aber erklart 

beamter eine weitgehende gesetzliche Macht ge- hatte, er woUe keine machen (Cic. fam. X 16, 1, 

noB, seinen Rat zu beherrschen, so waren diese ftinf Tribunen, als ein Praetor sich weigert; imp. 

Anderungen sowohl auBere Zeichen als auch ein Pomp. 58; Sest. 70). Diese Vorrechte waren 

niitzliches Werkzeug des Regimes, in dem der natiirlich nur einem Beamten von gleicher oder 

Exekutivbeamte des Staates in die Stelle des 20 groBerer Macht zuganglich. Vgl. Sternkopf 

prasidierenden Beamten der wirklich regierenden Herm. XXXVIII 28. 

Korperschaft hineingedrangt wurde. b) Erklarung. In der Theorie legte der 

3. BeschluBverfahren. A. Belatio. In Beamte in der relatio dem S. nur die Ange- 

der Relatio legte der Vorsitzende formal dem S. legenheit zur Erwagung vor und liberlieB alle 

die Sache vor, iiber die er seine Vorschlage und festen Vorschlage dariiber, wie sie zu erledigen 

Abstimmung wiinschte. Dieser Akt enthielt zwei sei, die der S. als seinen BeschluB annehmen 

Telle: a) Vorlegung, b) Erklarung, beide geson- konnte, den AuBerungen der Senatoren in der 

dert bezeichnet in den erhaltenen SC als senatum Umfrage. Es war jedoch natiirlich, daB er in 

consulere (ovfA,povhvso'&ai, xfj avy^X'^rcp) und Umrissen die Situation angab, die Rat erforderte, 

verba facere (Xoyovg noieio'&ai), das eine vor, das 30 und daB er dem S. jede erreichbare Information 

andere nach der Datierung und dem Verzeichnis gab. DemgemaB gab er nach Nennung des Gegen- 

des Redaktionsausschusses angegeben (M o m m - standes eine erklarende Darlegung' tiber ihn (verba 

sen St.-R. Ill 957. 1008). facere), die offenbar ganz kurz sein aber auch bei 

a) Vorlegung. Die Bezeichnung relatio Gelegenheit den Namen oratio (Cic. Phil. X 17. 

ist — genau betrachtet — inkorrekt fiir die Vor- Will ems II 177, 7) verdienen konnte. Unver- 

legung eines Themas, das ein SC herbeifiihrt. meidlich fand seine eigene Meinung Ausdruck 

Eine relatio, entsprechend dem ferre ad populum darin, und in iiblichen und unbestrittenen An- 

und referre ad senatum, ftihrt eigentlich eine gelegenheiten, die durch Teilung ohne Umfrage 

patrum auctoritas herbei, aber da eine Bezeich- erledigt wurden, muBte er notwendigerweise einen 

nung entsprechend dem parallelen senatum con- 40 festen Vorschlag zur Abstimmung vorgelegt haben. 

sulere fehlte, wurde relatio fiir beide Arten von Nichts desto trotz war es ungebraucMich fiir den 

Befragung gebraucht (Mommsen St.-R. Ill 952). ratfragenden Beamten, den Ratschlag, um den er 

Der Gegenstand konnte auf zwei Arten vor- bat, vorauszunehmen; sogar Caesar war zu Um- 

gelegt werden, entweder allgemein (infinite de wegen gezwungen, um sein Agrargesetz im S. 

re publica) oder besonders (de singulis rebus finite vorzulegen (Dio XXXVIII 2). Gelegentlich brach- 

Varro ==: Gell. XIV 7, 9). Die erste Methode ten Beamte selbst Antrage schriftlich ein (Cic. 

wurde in schwierigen Fallen (Liv. XXI 6, 3. Phil. 1, 3). 

XXII 11, 2. XXVI 10, 2. Cic. Cat. 3, 13; Phil. Gewohnlich erlauterte der Beamte, der vor- 

VIII 14. Caes. bell. civ. I 1, vgl. Cic. Phil. Ill legte, auch die Sache, und Vorlegung und Er- 

24. I 1. VI 1; fam. VIII 8, 6) angewandt und 50 klarung wuchsen zu einem Akt zusammen. Er 

wahrscheinlich in der ersten Sitzung des Jahres konnte jedoch nach Gutdiinken auch anderen er- 

(Liv. XXII 1, 5. XXVI 26, 5). Aber gewohnlich lauben, die Erklarung zu machen (Liv. XLIII 5, 

wurde der Gegenstand genau bestimmt, und wenn 2; so konnten auch Beamte, denen das ius rela- 

auch die Senatoren bei ihrer Rede weit davon ab- tionis fehlte, Beschliisse einleiten), und in gewis- 

schweifen konnten, so war wenigstens nach sen Fallen war er sogar durch die Gewohnheit 

Augustus' Anordnungen ein BeschluB auBerhalb gezwungen, es zu tun. In religiosen Angelegen- 

des so definierten Gebietes ungiiltig (Tac. ann. heiten iiberlieB der Vorsitzende die Erklarung, 

III 34. XV 22). Solch ein Vorschlag, der ein die in diesen Fallen nuntiare statt verba facere 

BeschluB werden soUte, muBte zum Gegenstand genannt wurde, regelmaBig dem dafiir bestimm- 

einer neuen relatio gemacht werden. 60 ten PriestercoUeg (SC hast. Mart. Gell. IV 6, 2 

Alle Beamten, die einberufen konnten, konn- quod G. lulius L. f. pontifex rmntiavit; Liv. 

ten auch relationes machen, wenn die Sitzung XXXIV 44, 2. Dio XLIV 15) oder sogar Privat- 

einmal versammelt war. Sie konnten gemeinsam personen (Gell. V 17, 2, vgl. Macrob. Sat. I 16, 

gemacht werden von KoUegen (communis relatio 22); auf diese Art brachten auch Gesandte ihren 

Liv, XXVI 28, 3; z. B. SC Bacch. zwei Consuin; Fall vor den S. 

Cic. fam. X 16, 1 fiinf Tribunen) oder von ver- Gesandte von Auslandern oder Verbiindeten 

schiedenen Beamten, und zwar Tiber verwandte betrachtete man als an den S. und die vorsitzen- 

(Cic. fam. I 2, 2. Appian, bell. civ. II 30, vgl. den Beamten gesendet. Die letzteren muBten, 



711 Senatus (Eegierung) Senatus (Eegiemng) 712 

wenn sich die Gesandten an sie wandten (z. B. Cic. div. I 102. Liv. 1 17, 10. 28, 7. XLII 30, 10) 

Consul Liv. XXIX 16, 6; Praetor X 45, 4; Tri- refero {-imus) ad vos, patres conscripti (Liv. 

bun Diod, XXXI 1), ihnen S.-Audienz geben XXXIX 39, 6. XLIV 21, 1. Cic. PhH. VII 1. 

(se7iatum dare SaU. lug. 13. Liv. XXII 59, 1. Vit. Aurel. 19. 41. Tae. 3) und endigte nach Vor- 

XXVI 26, 7; XXIX 15, 8. XXX 21, 12. XLV legung und Erklarung de ea re quid fieri placeat 

20, 6), d. h. sie muBten sie einfuhren und ihnen (Cic. Cat. 3, 13. Sail. Cat. 50. Liv. II 31, 8) 

gestatten, nachdem der Beamte formlich die die die interrogatio mit der einleitenden Formel 

Frage vorgelegt hatte, an seiner Stelle die Dar- verband. 

legung ihres Falles vor der gesamten Korper- B. Interrogatio. 1. Reihenfolge. Nach- 
schaft des S. zu geben (z. B. SC Thisb. Syll.^ 646 10 dem der Vorsitzende den Gegenstand ohne irgend- 

nsQt d)v &io§eig Xoyovg ksioirioavro', SC Magn. einen endgiiltigen Vorschlag vorgelegt hatte, ging 

Prion. 679 II. Will ems II 211). Das taten sie er gewohnlich dazu tiber, die Meinungen (sen- 

stehend im Gang zwischen den Bankreihen (Plut. tentiae) der Mitglieder zu erfragen. Sie durften 

Marc. 23) mit Hilfe von Dolmetschern (Val. Max. sich nicht erheben und von selbst reden (Cic. 

II 2, 3, vgl. Cic. Brut. 312. Gell. VI 14, 9), wenn Verr. IV 142; leg. Ill 40), sondern der Vorsitzende 

es notig war. Wenn die Gesandten gesprochen sagte im AnschluB an seine Vorlegungsformel: 

batten, hatte jeder Senator das Recht, sogleich die, z. B. Marce Tulli, quid eenses? (Liv. 132, 11. 

Fragen an sie zu stellen (Liv. XXX 22, 5, vgl. IX 8, 2. Dionys. VI 57. Cic. Att. VII 1, 4) und 

VIII 21, 2. XXIX 19, 1. XXXVII 1, 3. 48, 6. rief die Senatoren einzeln beim Namen (vgl. Dio 
49, 4. XLII 36, 4. Polyb. XVIII 11, 13. Appian. 20 XXXVIII 2 ovofAaorl eva sxaorov amcbv dmxa- 

Lib. 74), wonach die Gesandten die Halle ver- Xcbv) und in bestimmt^r Reihenfolge zur Au6e- 

lassen muBten (Sail. lug. 15. Liv. XXX 23, 1, rung ihrer Vorschlage auf (Varro == Gell. XIV 

vgl. VII 31, 1. XXII 60, 2. XXVI 33, 4. XXIX 7, 9. Liv. II 26, 5. Ill 39, 2. XXVIII 45, 6. Cic. 

19, 3. XLV 25, 1. Dionys. VI 19), und die Er- Cat. 1, 9. Att. IV 2, 4. Dionys. V QQ. X 50. XI 

orterungen ihren normalen Weg nahmen. Das 21. XIX 15. Plin. ep. IX 13, 18). Diese Reihen- 

Verfahren mit romischen Abordnungen, die die folge griindete sich mit gewissen Abanderungen 

Beamten nach ihrem Belieben empfangen konnten auf die Censorenliste. a) Beamte auf der Liste 

(z. B. Liv. XXII 59. Dio XXXVIII 16), war wurden iibergangen (s. o.). b) Rechte, die seit 

ahnlich. dem letzten Census erworlDen waren, wurden be- 

SG per diseessionem. In diesem Sta- BO riicksichtigt. Da die Magistratur und nicht die 

dium konnte der Vorsitzende zwei Art en des Ver- Liste den Rang bestimmte (Cic. Verr. V 36), 

fahrens wahlen. Senatus consultum fieri duobus wurden die, die inzwischen ein hoheres Amt ver- 

modis: aut per diseessionem si consentiretur aut waltet batten, in die hohere Kategoiie eingereiht, 

si res dubia est per singulorum sententias exqui- und die, die ein Amt bekleidet batten, das einen 

sitas (Varro = Gell. XIV 7, 9). In den Fallen, Sitz verlieh, also die, quibus in senatu sententiam 

in denen die Erklarung der Beamten einen end- dieere licet der Invitationsformel, an ihrem ge- 

giiltigen Vorschlag enthalten hatte, wenn die biihrenden Platz eingereiht. c) Gewahlte Beamte 

tlbereinstimmung auch klar war und kein Sena- wurden in die Kategorie eingeschlossen, in die 

tor von seinem Recht, die Umfrage zu stellen sie gewahlt waren, und erhielten in dieser Kate- 
(Fest. 170 M. numera senatum [vel divide vel 40 gorie den ersten Platz (gewahlte Consuln grund- 

consule suppl. Mo mm sen] ait quivis senator satzlich: Gell. IV 10, 2. Appian. bell. civ. II 5. 

Gonsuli, cum impedimento vult esse quominus fa- Cic. Phil. V 35. Tac. ann. Ill 22. Beispiele: Sail. 

clat senatus consultum, postulatque ut aut res Cat. 50. Cic. Qu. fr. II 1, 2; bar. resp. 13; Phil. 

quae adferuntur dividantur aut singuli consulan- VI 8; Att. IV 2, 4; fam. VIII 44, 4; Praetoren 

tur usw., vgl. Cic. Att. V 4, 2. Vit. XXX tyr. 21) Cic. Att. XII 21, 1. Sail. Cat. 50. Suet. Caes. 14, 

Gebrauch machte, konnte die Frage ohne inter- s. Drumann-Groebe V 51 9f.; Tribunen 

rogatio zur Abstimmung gebracht werden (Suet. Cic. Phil. XIII 26. Veil. Pat. II 35). Sie wurden 

Tib. 31. Gell. Ill 18, 2. Beispiele Liv. XLII 3. schon zu den Beamten gezahlt (Cic. Qu. fr. II 

Dio XLI 2. Cic. Phil. I 3. Ill 24. Tac. ann. VI 1, 3, der die gewahlten Consuln den privati 
12. SC salt. Beg. CIL VIII 23 246), d. h. der 50 gegentiberstellt). Dies Vorrecht ist zuerst fiir die 

BeschluB wurde nur durch Teilung (per disces- Zeit nach Sulla nachweisbar und wurde wahr- 

sionem) gefaBt und wurde, da discessio fiir alle scheinlich von ihm eingefiihrt zugleich mit der 

Beschliisse wesentlich war (Tubero =, Gell. XIV endgiiltigen Verbindung des S.-Sitzes mit der 

7, 13), entsprechend der romischen Regel, die Magistratur, der Abschaffung des princeps sena- 

niedere Kategorie nach dem Hauptmerkmal, das tus, der Zurlickhaltung der hoheren Beamten in 

sie mit der hoheren gemeinsam hat, zu benennen, der Stadt wahrend ihres Amtsjahres und der 

SC per diseessionem genannt. Der BeschluB, der regelmaBigen Abhaltung der Consulwahlen im 

nach dem voUeren Verfahren gefaBt wurde, hatte Juli. d) Wahrscheinlich als ein Teil derselben 

keinen besonderen Namen; per relationem, das Reform, auf jeden Fall als eine Neuerung in 
man vermutete, ist sinnlos. AUtagliche Ange- 60 Varros Zeit war es dem Vorsitzenden gestattet, 

legenheiten wurden nicht unbedingt per disces- die Listenanordnung der consulares zu verlassen 

sionem erledigt; Ciceros VII. Philippica wurde und sie nach den gewahlten Consuln in jeder ihm 

wahrend einer interrogatio liber eine doppelte beliebenden Reihenfolge auf zuruf en (Varro =: Gell. 

Vorlage de Appia via et Moneta und de Lupercis XIV 7, 9 singulos debere considi gmdatim inci- 

gehalten. pique a consulari gradu. ex quo gradu semper qui- 

Die relatio begann mit der traditionellen For- dem antea primum rogari solitum qui princeps 

mel quod bonum faustum felix fortunatumque in senatum lectus esset; tum autem cum haec 

sit populo Romano Quiritium (Suet. Gai. 15, vgl. scriberet novum morem institutum refert per am- 



713 Senatus (Eegierung) Senate (Regierung) 714 

biiionem gratiamque, ut is primus royaretur quern XII 25, 1; Att. Ill 15, 6. Tac. ann. XIII 49) und 

rogare vellet qui haberet senatum, dum is tamen konnte schliefilich seiner Meinung liber die Tages- 

ex gradu consulari esset, vgl. Cic. Att. I 13, 2. X ordnung in einer oberflachlichen Phrase am 

8, 3; sen. grat. 17; Pis. 11. Cell. IV 10, 3. Suet. Schlusse Ausdruck verleihen (z. B. Cic. Phil. VII 

Claud. 9). In den anderen Beamtenkategorien fin.). Gewohnlich erwartete man Kiirze von der 

wurde die regelmafiige Anordnung der Alters- Rede des Senators (Cic. leg. Ill 40); da aber die 

folge beibehalten (Dio LIX 8). Man erwartete Sitzungen gesetzlich bei Sonnenuntergang endig- 

von dem Consul, daB er bei der Reihenfolge blieb, ten, benutzten die Senatoren bisweilen das Recht 

die er bei seiner ersten Sitzung einftihrte, wenn unbeschrankter Redezeit zur Verhinderung einer 

er auch dazu nicht verpflichtet war. So wechselte 10 Abstimmung (diem consmnere Cic. a. 0.; Att. IV 2, 

Caesar seine Reihenfolge, nachdem er seine Toch- 4; fam. I 2, 2. 4, 1. X 22, 1; Verr. II 96; Qu. fr. 

ter mit Pompeius verlobt hatte (Gell. IV 10, 5. II 1, 3. 2, 3. Capito = Gell. IV 10, 8. Val. Max. 

Suet. Caes. 21). Natiirlich wechselte die Anord- II 10, 7. Schol. Bobb. 157 St. Plut. Cat. min. 31. 

nung mit dem Vorsitzenden. Ausnahmsweise ein- Caes. 13. Caes. bell. civ. I 32. Appian. bell. civ. 

tretende Abweichungen von der Liste vor dieser II 8); dieses Mittel der Obstruktion wurde beson- 

Reform hingen immer von besonderen Umstan- ders am Ende der Republik benutzt. Sammlung 

den ab (Liv. IX 8, 3. XXVI 33, 5). aller Beispiele G r o eb e Klio V 232. 

2. Sententia, die Erwiderung des einzel- Der zuerst aufgerufene Senator, der gezwun- 

nen Senators auf des Vorsitzenden Bitte um Rat. gen war zu antworten, muBte irgendeinen Vor- 

Der Senator war verpflichtet zu antworten (Liv. 20 schlag fur einen Beschlufi machen. Dieser konnte 

XXVIII 45. Tac. ann. XI 4, vgl. Cic. Pis. 26), jedoch die Form einer Empfehlung annehmen, 

aber er konnte seine Antworten sehr verschieden dafi die Sache verschoben oder an eine andere 

gestalten. Er konnte zunachst sich erheben und Autoritat abgegeben wurde, z. B. an die 'ponti- 

eiiieUedehsilteii (oratioperpetua QiG.iam.X 11, 1, Hees reicere-, Verschiebung Cic. fam. 14, 1. X 

Att. I 16, 8) entweder aus dem Stegreif oder bei 16, 1; Plane. 33. Liv. II 22, 5. Verweisung an 

wichtigen Gelegenheiten mit Manuskript (Cic. andere Autoritat (Cic. har. resp. 14. Liv. II 27, 5. 

Plane. 74; Phil. X 5). Antrage auf Beschltisse V 20, 9. 36, 10. XXVI 34, 12. XLI 16, 2), oder 

wurden oft von einem geschriebenen Eonzept ab- einfach besagen, daB kein BeschluB gefaBt werden 

gelesen (Cic. fam. X 13, 1; Att. IV 3, 3; Sest. soUe (Cic. Att. I 14, 5; fam. VIII 9, 5; Qu, fr, II 

129; Phil. Ill 20. Plin. ep. II 11, 22). Gewohn- 30 10, 3. Liv. Ill 40, 5. Tac. ann. I 79), Diese selben 

lich pflegte er seine Ansicht uber die relatio vor- Empfehlungen konnten von irgendeinem anderen 

zulegen, seine Meinung zu motivieren und zu Senator gemacht werden, wenn er an die Reihe 

schlieBen, indem er in Form des Beschlusses den kam. Das letzte war ein Mittel, widerspenstige 

Ratschlag, den er zur Annahme (z. B. Sail. Cat. Beamte zu zwingen, eine erwiinschte Relatio zu 

51f. Cic. Phil. IX. X. XL XIV) empfahl, vor- machen (Dionys. XI 15. Liv. XLII 21. Cic. Sest. 

legte. Aber wenn ein Senator einmal das Wort 68; Pis. 29. Plut. Cic. 33). Andere Senatoren 

hatte, konnte weder der Vorsitzende noch der S, konnten, wenn sie aufgerufen wurden, entweder 

selbst sich einmischen. Nur zweimal wurde es einen neuen Vorschlag machen oder mit einem 

der Tradition nach versucht, durch Appius Clau- vorher^ehendenubereinstimmen(ac?senfiriCic.Att. 

dius den Xvir (Liv, III 41, 3) und durch Caesar, 40 VII 7,^7;^ Phil. I 14; fam. I 1, 3. V 2, 9. VIII 11, 

dessen Versuch fehlschlug (Capito = GeU. IV 2; Qu. fr. II 1, 2. 13, 5). Im letzteren Fall konnten 

10, 8), und obgleich der S, einen Sprecher liber- sie entweder eine Rede halten, die den Vorschlag 

schreien (Cic, Att. IV 2, 4. Appian. bell. civ. Ill weiter begrlindete, besonders, wenn inzwischen 

54) konnte, so beruhte sein Triumph doch mehr konkurrierende Vorschlage gemacht waren (Cic. 

auf der Duldung als auf Recht. Es war sein prov. cons. Tac. hist. IV 4), oder einen Zusatz 

Recht, solange zu sprechen als er woUte, und auch zu diesem Vorschlage empf ehlen (hoc amplius 

liber sein Thema hinaus (egredi relationem), ohne censere Plin. ep, IV 9, 20. Cic, Qu, fr, II 7, 3, 

zur Ordnung gerufen zu werden (Capito a. 0. Phil. XIII 50), oder sie konnten von dem Recht, 

Tac. ann. II 33. 38). Dieses Recht entschadigte liber die relatio (Cic. Phil. VII) hinauszugehen, 

ihn in weitem MaBe flir seine mangelnde Initia- 50 Gebrauch machen, oder mit einem Wort liberein- 

tive. Er konnte in irgendeiner relatio, wenn er stimmen (verbo adsentiri Sail. Cat. 52. Liv. Ill 

aufgerufen wurde, liber die allgemeinsten Dinge 40, 6. XXVII 34, 7, z. B. Cn. Pompeio adsentior 

der Politik sprechen (Cic, fam, X 28, 2 cum tri- Cic. Att. VII 3, 5, vgl. Phil. VII ex.), ohne sich 

buni plebis de alia re referrent, totam rem pu- beim Sprechen zu erheben (Cic. fam. V 2, 9). Die 

6^icamsMmcom;pZea;zfs == Phil. Ill, vgl. Att. 1 16,9; Senatoren konnten auch jederzeit wahrend der 

Qu. fr. II 3, 1; Phil. VII 1; nur die Decemvirn interrogatio (Cic. Qu. fr. II 1, 3, vgl. Suet. Caes. 

berlicksichtigen der Tradition nach das Recht der 14) ihre Zustimmung durch Aufstehen und durch 

Digression nicht: Liv. Ill 41, 2. Dionys. XI 6) Hiniibergehen zu dem Sprecher, dem sie zustimm- 

oder irgendeine Sache vor den S. bringen, die er ten (pedibus ire in sententiam alicuius Gell. Ill 

flir wichtig hielt (mentionem facere Liv. IV 8, 4. 60 18. Fest. 210 M. Liv. XXVII 34, 7), zeigen. Das 

XXIII 22, 8. XXIX 15, 1, XXX 21, 6. XLI 8,4. war oft das einzige Mittel, durch das Senatoren, 

Cic. Att. I 13, 3; fam. IV, 4, 3. VIII 4, 4; vgl. die am Ende der Liste standen, ihre Meinung 

die unabanderliche SchluBwendung des alteren vor der endgiiltigen discessio auBern konnten. 

Cato Carthago delenda est Plut. Cat. mai. 27. 3. A u s d e h n u n g. Der Umfang, auf den 

Plin. n. h. XV 74), und er forderte, wenn er es die Umfrage ausgedehnt wurde, lag gesetzlich 

flir geeignet hielt, daB eine neue relatio liber die bei den Vorsitzenden. Das wurde von M o m m - 

Fragen, die so auftauchten, gemacht wurde (Liv. sen (St.-R. Ill 983) geleugnet, der glaubte, daB 

XXVI 2, 3. XXIX 15, 1. XXX 21, 10. Cic. fam. der Vorsitzende, wenn einmal die Umfrage be- 



715 Senatus (Eegierimg) Senatus (Eegierung) 716 

gonnen hatte, alle vorschlagberechtigten Senatorea zulehnen (Caes. bell. civ. 1 2 Lentulus sententiam 
aufrufen muBte. Wenn es ihm erlaubt war, ohue Calidii pronuntiaturum se omnino negavit; Cic. 
vorhergehende Diskussion iiberhaupt zur Abstim- Phil, XIV 21; Qu. fr. II 7, 3. Pint. Cic. 21. Po- 
mung (SO per discessionem) tiberzugehen, so ist lyb. XXXIII 1. Plin. ep. IV 9, 21) und vollig 
es schwierig zu glauben, dafi er nicht bef ugt war, nach seinem Belieben die Anordnung der tibrigen 
die Umfrage nach Gutdtinken (Willems II 190) (sententiam primam, secundam usw. pronuntiare 
zu schliefien. Der S. konnte natiirlich Fortsetzung Cic. fam. I 2. VIII 13, 2. X 12, 3) zu bestimmen. 
verlangen (Cic.Sest. 69 eum in senatu privati, ut de Die Frage des Vorranges, wenn mehrere Beamte 
me sententias dicerentj flagitabant; ahnlich wurde relationes, die sententiae liber dasselbe Thema 
das SO per discessionem durch den Euf jConsule' 10 enthielten, machten, war im J. 56 noch nicht ent- 
Cic. Att. V 4, 2. Fest. 170 M. gehindert) und schieden, als ein Tribun dieForderung aufstellte, 
sie dadurch erzwingen, daB er aUe Vorschlage die, obgleich fraglos gesetzlich gerechtfertigt, 
vorher tiberstimmte. Die Sitte verlangte vielleicht, nova et iniqua genannt wurde, daB eine senten- 
dafi die Umfrage gewQhnlich an alle curulischen tia fiber seine relatio vor einer gleichartigen liber 
Senatoren gerichtet wurde. Aber die Zeit, die fiir die des vorsitzenden Consuls den Vorrang haben 
ein SC eingeraumt war, macht es unmoglich zu soUte (Cic. fam. I 2, 2). Wenn einer von mehreren 
glauben, daB sie sich an alle gegenwartigen Se- sich gegenseitig ausschlieBenden Vorschlagen an- 
natoren wendete, abgesehen von der ungeheuren genommen wurde, wurden die anderen fallen 
Zeitverschwendung, die damit verbunden war. gelassen (Plin. ep. VIII 14, 22), auBer daB, wenn 
Maiores nostri novam relationem post horam deci- 20 eine sententia tiber die erste von zwei verbun- 
mam in senatu fieri vetabant (Sen. tranqu. anim. denen relationes angenommen wurde, die in der 
17, 7, vgl. Liv. XLIV 20); ein Minimum von zwei zweiten zur Abstimmung gebracht wurden; jede 
romischen Stunden wurde folglich gestattet, um von beiden beseitigte, wenn sie angenommen 
einen BeschluB zu fassen. Diese Zeitabmessung wurde, die friihere (Appian. bell. civ. II 30. Plut. 
war nicht berechnet auf die Annahme, dafi spate Pomp. 58). Die Schwierigkeit, sich gegenseitig 
Beschltisse immer per discessionem (vgl. Cic. Phil. ausschlieBende Vorschlage oder Zusatze zu son- 
Ill 24) erledigt werden konnten, und der Ver- dern, d. h. zu bestimmen, ob Vorschlage nach- 
such wird die praktische Unmoglichkeit zeigen, einander zur Abstimmung gebracht werden soU- 
eine relatio zu machen und die kiirzesten Ant- ten, oder ob, wenn einer angenommen war, die 
worten bei einer moglichen Anwesenheit 417 Se- 30 anderen fallen gelassen /werden soUten, bemerkte 
natoren (in der Tat gegenwartig im J. 57 Cic. man schon im Altertum (Plin. ep. VIII 14, 6, 
sen. grat. 26) in der gestatteten Zeit herauszu- vgl. Cic. Att. I 19, 9. 20, 4. Liv. XXIX 19f.). 
holen. Sie bot Moglichkeiten zu parlamentarischen In- 

Der Vorsitzende konnte natiirlich die Umfrage trigen, die nicht unbenutzt blieben (vgl. Cic. 

ausdehnen und tat es auch bei schwierigen Fra- fam. I 2. Appian. bell. civ. II 30). 

gen (z. B. in der Sitzung vom 5. Dezember des Die Sententia konnte mehrere Abschnitte um- 

J. 63 sprach Cato als gewahlter Tribun paene fassen, manchmal von heterogenem Inhalt (z. B. 

inter ultimos interrogatus Veil. Pat. II 35, 3; per- Liv. XXIX 19, 5. Cic. Phil. IX 15f. X 25f. XIV 

rogare Liv. XXIX 19, 10. Dionys. XI 21. Tac. 36f., vgl. XIII 50). Diese konnten als ein Ganzes 

hist. IV 9. Suet. Aug. 35). Wenn es notig war, 40 zur Abstimmung gebracht werden, wenn nicht 

wurden die Erorterungen tiber mehrere Sitzungen ein Senator forderte, daB sie geteilt und geson- 

ausgedehnt (z. B. Liv. XXIX 19f. Cic. fam. I 1. dert vorgelegt wurden, in welchem Falle sie un- 

2; Qu. fr. II 2, 3; Att. I 17, 9. Dio XXXVI 23). abhangig voneinander angenommen oder abge- 

Wenn dies geschah, wiederholte sich das Verfah- lehnt wurden. Dies forderte man einfach, indem 

ren jeden Tag von Anfang an. Von denen, die man vom Platze aus ,d^^;^cZe* rief (Fest. numera 

schon gesprochen hatten, erwartete man, daB sie 170 M. Cic. Mil. 14. Asc. 38 St. Cic. fam. I 2, 1. 

nur kurz zusammenfaBten, wenn sie wieder auf- Plin. ep. VIII 14, 15). 

geruf en wurden, aber sie waren nicht dazu ge- D. D i s c e s s i o. Die Abstimmung wurde 

zwungen; in der Debatte uber Ptolemaeus Auletes durch Teilung vorgenommen (Gell. XIV 7, 13. 

sprach Cicero drei Tage hintereinander und jedes- 50 Cic. Phil. VI 3. XIV 21; Att. XII 21, 1. Plin, 

mal in einer interrogation und wenn auch am ep. IX 13, 20; Plut. Pomp. 58), und dieser form- 

dritten Tage placuit, ut bremter sententias dice- liche Akt war sogar bei einstimmigen Entschei- 

remus, so tat er dies aus seiner Ansicht heraus dungen (Tubero = Gell. XIV 7, 13 nullum SC 

und nicht aus Zwang; denn am zweiten Tage Heri posse non discessione facta^ vgl. Cic. Cat. 

nos quoque multa verba fecimus (Cic. fam. I 1, 3. Ill 13; Sest. 74) notwendig. Es wurde kein Pro- 

2, 1). tokoll iiber die Zustimmung in der interrogatio 

In besonderen Fallen, gewohnlich bei Ent- (Plin. ep. II 11, 21 videbantur assensi) geftihrt, 

scheidungen, die dem S. durch Gesetz oder Pie- das, wie das Gruppieren rund um den Sprecher, 

biszit zugebilligt wurden, konnte man verlangen, nur eine moralische Wirkung hatte. Auch war 

daB die Senatoren ihre sententiae eidlich ab- 60 kein Senator durch irgendeine vorhergehende 

gaben (senatus iuratus Liv. XXVI 33, 14. XXX MeinungsauBerung gebunden; er konnte sogar 

40, 12. XLII 21, 5. Dionys. VII 39. Plin. n. h. wahrend der Interrogatio (Sail. Cat. 50, vgl. 

VII 120; ep. V 13, 5, vgl. Tac. ann. I 74). Suet. Caes. 14 Silanus in der Sitzung am 5. De- 

C. Pronuntiatio sententiam m. Es zember des J. 63, vgl. Caes. bell. civ. I 2. Cic. 

blieb dem Vorsitzenden iiberlassen, die senten- Phil. XI 15) einen Meinungswechsel angeben oder 

tiae, die er der Abstimmung vorzulegen wiinschte, einfach bei der Teilung fiir einen anderen Vor- 

und ihre Reihenfolge zu bestimmen. Er hatte das schlag stimmen (Plin. ep. II 11, 22). Der Vor- 

Vorrecht, willkurlich irgendeine von diesen ab- sitzende in der Mitte erhob sich und sagte unter 



717 Senate (Eegierung) Senate (Eegiemng) 718 

begleitender Geste (ebd. VIII 14, 20) qui hoe cen- (Cic. fam. VIII 8, 6; sen. grat. 27; Sest. 129) 

setis, illuc transite; qui alia omnia, in hanc partem. gemacht werden sollte, wie es natiirlicli der Vor- 

Die dafiir Stimmenden gingen auf die Seite, wo der sitzende ohne Drangen tun konnte (Cic. Att. IV 

Vorschlagende saB; die Opposition, d. h. nur Ver- 2, 4). Diese MaBregel hatte fraglos groBe mora- 

neinende und die, die einen anderen Vorschlag lische Kraft, aber der halsstarrige Tribun konnte 

billigten, gingen auf die entgegengesetzte Seite nicht gezwungen werden. 

und setzten sich dort bin (Plin. ep. VIII 14, 13. S e n a t u s a u c t o r i t a s. Eine Verordnung, 

19f. Fest. 261 M. Dio XLI 2, Cic. fam. I 2, 1. die so ihrer legalen Kraft beraubt war, konnte 

VIII 13, 2. X 12, 3. Caes. bell. Gall. VIII 53). nichtsdestoweniger zur Abstimmung gelangen, da 
Die Abstimmung wurde folglich allgemein dis- 10 die Interzession an sich das Verfahren nicht 

cedere oder pedibus in sententiam ire genannt unterbrach, und der S. konnte oft vorgreifend in 

(Gell. Ill 18, 2. Liv. V 9, 2. IX 8, 13. XXII der ursprtinglichen Sententia (Cic. fam. VIII 

56, 1. XXVII 34, 7. Sail. Cat. 50. Tac. ann. 8, 6f. Liv. IV 57, 5) beschlieBen, daB die als un- 

XIV 49). Die Beamten wurden von der Abstim- giiltig erklarte Entscheidung redigiert und wie 

mung wie von der Interrogatio ausgeschlossen ein giiltiges eonsuUum (vgl. Cic. leg. Ill 10, wo 

(H f m a n n Senat 104. Mommsen St.-R. Ill die automatische Aufbewahrung solcher Beschliisse 

944. Willems II 197, vgl. Cic. sen. grat. 26; empfohlen wird) aufbewahrt werden soUe. Diese 

Att. IV 2, 4) und saBen vermutlich abseits. Der oder eine andere Verordnung, die aus irgend- 

Vor sitzende bestimmte danach das Ergebnis und einem formalen Grund (z. B. Fehlen einer be- 

verkiindete: haee pars maior esse videtur (Sen. 20 sehluBfahigen Zahl Dio LV 3) ungiiltig war, 

vit. beat. 2, I). Der Weg zur Ermittlung des Er- wurde senatus auctoritas genannt (Beispiele Cic. 

gebnisses war wahrscheinlich seinem Gutdtinken fam. VIII 8, 6f.; erwahnt fam. I 2, 4. 7, 4; Att. 

iiberlassen. V 2, 3. Dio XLI 3. XLII 23. Liv. a. 0.). Wenn 

E. Interzession. Wahrend der Abstim- die Interzession spater zurtickgezogen wurde, 

mung (Liv. V 9, 2. IX 8, 13. Cic. fam. X 12, 3; wurde solch eine auetoritas automatisch ein con- 

Sest. 74. Tac. hist. IV 9) konnte irgendein Be- sultum, (Dio LV 3). 

amter von gleicher oder hoherer Gewalt als der, 4. Entlassung. Der vorsitzende Beamte 

der den BeschluB ,machte', dagegen einschreiten verkiindete: nihil vos teneo (tenemus) patres con- 

(Varro = Gell. XIV 7, 6. Cic. leg. Ill 10) und scripti (Cic. Qu. fr. II 1, 1, vgl. SHA Marc. 10 

das SC seiner gesetzlichen Kraft berauben. Von 30 moramur) und wenn kein aniderer Beamter eine 

consularischer Interzession ist nach Sulla nicht relatio (Cic. a. 0.) zu machen wiinschte, wurde 

die Rede, und wahrscheinlich wurde sie damais der S. entlassen (senaium mittere, dimittere z. B. 

durch Gesetz abgeschafft (Mommsen St.-R. I Caes. bell. civ. I 3. Asc. 33 St. Cic. fam. I 2, 3. 

282). Sie war zu alien Zeiten die besondere Waffe Gell. VI 21, 2). 

der Tribunen. Nach der Zulassung der Tribunen 5. Protokoll. AuBer tiber die Beschliisse 

zum Senatsgebaude nahm sie begreiflicherweise selbst (iiber ihre Redaktion und Aufbewahrung 

oft die Form einer Drohung in irgendeinem Sta- s. Senatus consultum) wurde keine offiziello 

dium des Verfahrens an (Liv. XXX 40, 8. XXXV KontroUe iiber die Verhandlungen des S. getibt 

8, 9. XXXIX 4, 3. 38, 9. Cic. prov. cons. 17; bis zu Caesars erstem Consulat. Zwar brachten 

fam. VIII 11, 2. Asc. 39 St.). Um formell wirk- 40 einzelne Senatoren Schreibmaterial mit (DioXLIV 

sam zu sein, konnte sie nur personlich und augen- 16. Suet. Caes. 82) und machten ftir sich oder ab- 

blicklich gemacht werden (Liv. IV 36, 3. XXXVIII wesende Freunde Notizen (Probus litt. sing. 271 K. 

44, 3. Dio XXXVIII 30. Cic. Phil. Ill 23, vgL Cic. fam. XII 23, 2. 28, 3. XV 6, 1), und die vor- 

Plut. Mar. 4); sie muBte wiederholt werden, wenn sitzenden Beamten legten Bemerkungen tiber das 

der BeschluB mehrere Abschnitte enthielt (vgl. Verfahren des S. ein, die bei ernsthaften Gelegen- 

Cic. Phil. XIII 50), wenn iiber jeden abgestinmit heiten von Senatoren, die besonders dazu ange- 

wurde (Asc. a. 0. Cic. fam. VIII 8, 6f.), oder wiesen worden waren (Cic. SuU. 41, vgLPlut. Cat. 

wenn dieselbe relatio wiederholt wurde, oder die- Min. 23. Prob. a. 0.), in ihre eommentarii (v. Pre- 
selbe sententia am selben oder folgenden Tag m erst ein o. Bd. IV S. 746) weiter ausgefiihrt 

wieder zur Abstimmung gebracht wurde (Dio XLI 50 werden konnten. Diese eommentarii trugen, bb- 

2, vgl. Cic. fam. X 12, 4). Gelegentlich erhob ein gleich sie von dem Beamten personlich aufbewahrt 

Tribun gegen einen BeschluB Einspruch, um eine wurden, den halboffiziellen Charakter von tabulae 

besonnene Nachprufung zu erzwingen, aber er publieae (Cic. SuU. 42, vgl. Sest. 129). Caesar 

versprach ihn nicht zu hindern, wenn er wieder aber verordnete, daB besondere und voUstandige 

vorgebracht wiirde (noetem postulare Cic. Sest. 74; ProtokoUe tiber S.-Verhandlungen aufbewahit 

pop. grat. 12; Att. IV 2, 4. Appian. bell. civ. und in den acta diurna (Suet. Caes. 20 ut tarn 

III 50). Der S. konnte sich nattirlich bemtihen, senatus quam populi diurna acta conHerent et pu- 

einen Tribunen zu tiberreden, seinen Einspruch blicarentur, vgl. Asc. 39 St.) veroffentlicht werden 

zurtickzuziehen (Liv. XXXI 20, 6. XXXIX 5, 6. soUten, aus denen die Nachrichtenblatter privater 

XXXVI 40, 10 intercessionem remitter e; 1X10,1 60 Unternehmungen dieBerichte tiber das Verfahren 

se in senatus fore potestate) und ihn in ernsten nahmen (Cic. fam. VIII 11, 4. XII 23, 2. II 8, 1. 

Fallen formell tadeln, indem er erklarte, daB VIII 1, 1. 2, 2; Att. Ill 15, 6. VI 2, 6). Einzelne 

er entgegen den Interessen des Staates handle fuhren nattirlich fort, private Notizen zu machen, 

(contra rem publicam s. u.). Eine solche Erkla- wie sie es ftir gut hielten (Cic. Phil. VIII 28). 

rung konnte proleptisch in eine sententia auf- PerufsmaBige Schreiber wurden vieUeicht, um 

genommen werden, wenn man eine Interzession ProtokoUe aufzunehmen, zu den Sitzungen zuge- 

ftirchtete, zusammen mit einem Hinweis, daB der lassen. Es laBt sich jedoch nicht beweisen, daB 

Einspruch sofort zum Gegenstand einer relatio sie wahrend der Republik (Stein ProtokoUe 



719 Senatus (Regiening) Senatus (Regierung) 720 

[Prag 1904] 21, 1 erklart richtig Cic. Att. XV bloBe MeinungsauBerung zu einem Instrument 

3, 1 praesertim cum Marcellum scribas alios- der Regierung. Im letzten Jahrhundert der Re- 

que discedere^ eine als Beweis ftir Anwesenheit publik maBte sich der S. die Macht an, bei inneren 

von Schreibern angefiihrte Stelle; scribas ist Ver- Krisen Standrecht zu erklaren. Entgegen dem 

bum; Dionys. XI 21 ist reine Erfindung und Asc. in der Theorie souveranen Volk vergroBerte der 

32 St. eodices librariorum bezieht sich natlirlich S., abgesehen von rechtswidrigen AnmaBungen 

nicht unbedingt auf S.-ProtokoUe) offiziell ange- reiner Volksvorrechte, wie Verlangerung des Kom- , 

steUt waren. mandos oder besondere Dispensierung von Ge- 

III. Funktionen. Patrum auctoritas. In- setzen, seine Macht einerseits durch die Tatsache, 
terregnum, Vorberatung von Gesetzen s. o. unter 10 dafi seine Erlasse, wenn auch schwacher an ge- 

,Die frtihe Republik*. Die Funktionen der ein- setzlich verpflichtender Kraft, nicht sdestotrotz in 

zelnen Senatoren als indices (s. Art. C o n s i - der Praxis gewohnlich als autoritativ befolgt 

Hum Bd. IV S. 920. Art. I u d e x Bd. IX wurden, und andererseits dadurch, daB der Be- 

S. 2472) in Zivilprozessen und in den quaestiones schluB des Volkes, wenn er gesetzlich notig war, 

(s. d.) vermehrten die politische Macht der Olig- in der Praxis in weitgehendem MaB zu der For- 

archie, die der S. darstellte, aber betrafen nicht malitat der Bestatigung einerEntscheidung wurde, 

den S. als eine Korperschaft. die in der Tat vom S. getroHen wurde. Einc 

Allgemeines. Die Macht des S. zeigte ein Sammlung der einzelnen Gegenstande, die er wah- 

allmahliches Anwachsen. Aus dem Gewohnheits- rend der Korrespondenzzeit des Cicero behandelte, 

recht, bei alien auBerordentlichen Handlungen, die 20 chronologisch geordnet (P. Stein S.-Sitzungen 

innerhalb der Kompetenz der Beamten lagen, aber Ciceronischer Zeit. Miinster 1930), beweist schla- 

nicht vorgeschrieben waren, um Rat gefragt zu gend seine mannigfaltige Tatigkeit. 

werden und den Beamten zu beraten, der, wenn Es ist charakteristisch, daB der S. als ein un- 

er dazu geneigt war, die S.-Entscheidungen zu abhangiges Organ des Staates, als Regierungs- 

seiner Verordnung machte, ging der S. einerseits biiro operierte, lange bevor man das ausdriick- 

dazu vor, von dem Beamten zu fordern, daB er lich anerkannte. Nach oder vielleicht etwas vor 

den S. um BevoUmachtigung ersuchte, und ande- Sulla f and seine Stellung Ausdruck in der Formel 

rerseits dazu, ihn anzustiften, daB er von seiner senatus populusque Romanus (erschopfende An- 

Macht Gebrauch machte: auf diese Weise niitzte alyse der Terminologie Mommsen St.-R. Ill 

er seine eigene Macht aus. Spuren des Aufstieges 30 1255f.). Nicht nur erschien der S. in dieser als eine 

bis zur Stellung einer Regierung sind unmoglich Einheit aufgef aBten und den Singular regierenden 

durch eine bestimmte Reihe von Fortschritten, Formel an erster Stelle als integrierender Teil 

noch weniger durch eine Liste von geschriebenen des Staates, wenn man das Gemeinwesen als 

Verftigungen zu finden. Er baute sich vielmehr Gauzes ohne Rticksicht auf die besondere Tatig- 

auf dem romischen Begriff von VerfassungsmaBig- keit des S. oder des Volkes betrachtete (Cic. 

keit auf, daB das, was Generationen lang ohne Verr. I 68. V 9; leg. agr. II 90; Cat. 3, 20; SuU. 

ernsthafte Opposition geschehen war, nicht nur 26; Flacc. 101; dom. 64; har. resp. 22; Sest. 12. 51; 

in der Ordnung, sender n auch ein Teil der Balb. 10; Plane. 26. 90; Rab. post. 4; Phil, pas- 

Verfassung war (Schonbauer Ztschr. Sav.- sim.), sondern der S. allein nahm als Vertreter des 

Stift XLVII 288. W. K r 1 1 Kultur c. II). For- 40 Volkes diesenTiteJ an in Entscheidungen, an denen 

mal war, wenigstens von der Zeit ab, als die das Volk iiberhaupt nicht teilnahm (Cic. Verr. II 

Tribunen, die kein aUgemeines Recht zu verfiigen 9. 90. Ill 38. 40. 173. IV 69; schon in der 

batten, aber ein SC. ,machen' konnten, die Macht epist. Tiburt. im J. 159 CIL P 586 gewahrleistete 

erhielten, mit dem S. zu verhandeln, sein Be- der S. die Zustimmung des Volkes; im SC Tab. 

scMuJB mehr als ein Beamten-decretum, Er stand des J. 81 Syll. or. 442 sprach der S. allein fur i/ 

in der Tat in der Mitte zwischen dem des Beam- ovyxhrjxog xal 6 dfjfxog rcov Toyfialcov, wie spater 

ten und des Volkes; besonders in Beziehung zu in dem SC Asclep. CIL P 588, und in der epist. 

auswartigen Machten wurde der S. sehr friih ein Cassii Nysaeens. um J. 88 Syll.^ 741 umfaBte 7/ 

unabhangiges Organ des Staates, und der sena- ovyH%r)rog hol 6 bfjfiog 6 Tcof,mlcov den romi- 

torische Vertrag, obgleich er wie jedes andere SC 50 schen Staat). In dieser Formel, die dem S. wohl 

gemacht wurde, war ein Kontrakt von unab- hauptsachlich wegen seiner Verhandlungen mit 

hangiger Giiltigkeit, weit hinausgehend liber die auswartigen Machten beigelegt wurde, errang der 

Macht des vorsitzenden Beamten, der ihn offiziell S. schlieBlich unabhangig einerseits von der 

,machte*. Obrigkeit, deren Rat er theoretisch gewesen war, 

In materieller Hinsicht fiihrte der S. die Ober- und andererseits vom Volke eine Stellung, die er 

aufsicht iiber alle auBergewohnlichen religiosen tatsachlich zwei Jahrhunderte lang genossen und 

Handlungen, teilte den Beamten ihre Tatigkeit zu, ausgeiibt hatte. 

einschlieBlich der militarischen Operationsgebiete, Besondere s. 1. Sakrale Angelegen- 
die spater Verwaltungsdistrikte (provinciae) wur- heiten. Im Rahmen seiner allgemeinen rat- 
den, und der Armeen, beaufsichtigte diploma- 60 gebenden Funktion empfahl der S. Mafinahmen, 
tische Verhandlungen mit fremden Machten, die die gesetzlich in der Zustandigkeit der Exe- 
Organisation und schlieBlich die Verwaltung von kutive lagen (die Zeit der feriac Latinae [Bd. VI 
Roms auBerem Reich, kontroUierte die Staats- S. 2213] Liv. XLIV 17, 8; die Unterdriickung 
ausgaben, beaufsichtigte die Gesetzgebung und von UnregelmaBigkeiten im Kultus Liv. IV 30, 
leitete die Beamten in alien Akten der inneren 11; der Isisverehrung Dio XL 47. Val. Max. 
Verwaltung, die in seiner Entscheidung lagen. I 3, 3. TertuU. apolog. 6; von religiosen Schrif- 
Gerade die Tatsache, daB eine Korperschaft solche ten Liv. XL 29, 3f., vgl. Plut. Num. 22. 
gewaltigen Funktionen ausiibte, machte seine Plin. n. h. XIII 84. Varro = Aug. civ. dei. VII 



721 Senatus (Eegierung) Senatus (Kegierung) 722 

34; Wachen ilber die Reinheit des nationalen (M o m m s e n St.-R. Ill 1062, 4. Liv. XXXVI 

Kultus Liv. XXXIX 16, 8). Er ergriff audi 36, 2) gesetzlich verantwortlich war, war die Be- 

die Initiative in anderen Mafiregeln, die den statigung des S. ausreichend, aber erforderUch. 

BeschluB des Volkes erforderten. Das waren In der Tat verordnete der S. sogar, daB Geliibde, 

1. ein ver sacrum (z. B. Liv. XXII 10, 1. XXXIII die von einem Beamten getan waren, vollzogen 

44, 2 nach priesterlichem Rat de senatus senten- werden soUten (Liv. XXX 2, 8, vgl. 27, 11). Vor 

tia popuUque iussu), 2. aUe dauernden Ande- bedeutenden Kriegen verordnete er gewohnlich 

rungen im Kalender. Wahrend der ganzen Re- mit nnd ohne priesterHchen Rat Bittgange und 

publik laBt sich keine formale Anderung im ge- Besanftigungsopfer (Liv. XXI 17, 4. XXX 1, 11. 

setzlichen Charakter der Kalendertage beobach- 10 XXXI 8, 5. XXXVI 1, 2. XLII 28, 7); ebenso 

ten. Die Festsetzung der ludi jedoeh mit anhan- verordnete er Geliibde, die an den Erfolg gebun- 

genden /erne anderte in der Praxis den Charakter den waren (Liv. VII 11, 4. XXXVI 2, 2) und 

einiger dies fasti und comitiales. Die Einrichtung Mafiregeln fiir Danksagungen nach dem Sieg 

von neuen festen ludi oder die Hinzufiigung von (Liv. XXVII 51, 8. XXX 40, 4. XLV 16, 7; vgl. 

Tagen zu den alten erforderte Billigung durch XXX 21, 10). Da in der spaten Republik erfolg- 

das Volk (Mommsen St.-R. Ill 1056), aber sie reichen Generalen bewilligte supplicationes ein 

wurde gewohnlich vorher vom S. empfohlen (Flo- MaBstab ihrer Siege und auch ihres Einflusses 

rales Plin. n. h. XVIII 286, ex oraculis Sibyllae wurden, bekamen diese Beschltisse groBe poli- 

Apollinares Liv. XXVI 23, 3. XXVII 23, 5. Ma- tische Bedeutung (politisches Manover wegen 
crob. Sat. I 17, 28. Verlangerung der ludi Romani 20 einer supplicatio erlautert durch Cic. fam. VIII 

Dionys. VI 95. Macrob. Sat. 1 11, 3). Anderungen 11; ein Vorschla^ Cic. Phil. XIV 37). Beispiele 

von nicht verordnendem Charakter konnte der S. M a r q u a r d t IP 581, 3. 

in der Tat von sich aus vornehmen. Er erklarte B. Instauratio. Die VoUziehung der 

so einzelne Tage fiir Unheil bringend (dies reli- regelmaBigen Riten war eine vorgeschriebene 

giosi vitiosi ex SG Macrob. Sat. I 16, 22f. Gell. Pflicht der Priester und Beamten, die senato- 

V 17. Liv. VI 1, 11 s. CIL P p. 296) und emp- rische Einmischung weder erforderte noch ge- 

f ahl die Verwandlung der Saturnalia aus einem stattete. Aber, wenn man irgendeinen Fehler so- 

Tempel- in ein Volksfest (Liv. XXII 1, 20. Mar- gar unbedeutendster Art (s. Marquardt Staats- 

q u a r d t Staatsverw. IIP 586) und die Einrich- verw. IIP 485) beobachtete (z. B. feriae Latinae 
tung eines ftinfjahrigen teiMmwm ftir Ceres (Liv. 30 Liv. XXXII 1, 9. XLI 16, 1. Bona Dea Dio 

XXXVI 37, 4, vgl. Kal. Amiter. 4. Okt.). 3. Die XXXVII 46) oder auf Grund von Prodigien an- 

Weihung einer Kultstatte, d. h. dieSchaSung ent- nehmen konnte (z. B. feriae Latinae Liv. V 17, 

weder einer neuen Gottheit oder einer neuen 3, vgl. 19, 1. XXXVII 3, 4; ludi Romani Liy. XL 

Kultstatte fur eine alte, urspriinglich ein Vor- 59, 6. Cic. div. I 55), ordnete der S. auf Rat der 

recht der Beamten, erforderte nach einer tribuni- Pontifices (Liv. XXXII 1, 9. XLI 16, 2. Cic. Att. 

cischen lex Papiria unbestimmten Datums die Be- I 13, 3) ihre Wiederholung durch die ur sprung - 

statigung des Volkes (Cic. dom. 127. 136; Att. IV lichen VoUzieher an. 

2, 3) und nach einem unbenannten^esetz des J. 304 C. Prodigien. Fehler wie die obengenann- 
die Bestatigung der Majoritat des S. oder der ten: KuItunregelmaBigkeiten (z. B. Liv. XXVIII 
Tribunen (Liv. IX 46, 7). Die Reihenfolge und 40 11, 6 Erloschen des Feuers der Vesta), Profanie- 
gegenseitige Beziehung dieser beiden Gesetze ist rung von Tempeln (z. B. Liv. XXIX 20, 10) und 
ungewiB. Es ist aber wahrscheinlich, daB beide vor allem iible Vorzeichen, die MiBgeschick be- 
Bestatigungen von da ab notig waren (Wil- deuteten (Liv. XXXIV 55 Erdbeben; XLI 21, 10 
1 e m s II 307, anders Mommsen St.-R. Ill Pest), und auBergewohnliche Ereignisse wurden 
1050, aber Cicero erklart deutlich, daB Bestati- dem S. vom Consul, der ihn dartiber de religione 
gung des Volkes notig war, und die Erwahnung um Rat fragte (Liv. XXII 1, 14), berichtet. Der 
der Bestatigung des S. allein in den Fallen der Zeuge, wenn er ein Senator war, durfte den S. 
Magna Mater Liv. XXIX 10, 6. XXXVI 36, 3 direkt benachrichtigen (SC hast. Mart. Gell. IV 
des Saturnus Gell. = Macrob. 1 8, 1 des Aius Locu- 6, 2 quod G. lulius L. f. pontifex nuntiavit) ; 
tins Liv. V 50, 5 des luppiter Stator Liv. X 37, 50 sonst wurde er durch den Consul in den S. ein- 
16 ist nicht erstaunlich, da die Initiative sicher- gefuhrt (Liv. XXII 1, 14). Der S. konnte augen- 
lich vom S. kam, wie z. B. Liv. XXIII 30, 13). blicklich einen Sakralakt anordnen (Liv. a. 0. 
Wichtiger war die Teilnahme des S. an alien XXXII 1, 13) oder die Sache an die Pontifices 
auBergewohnlichen sakralen Vorgangen als Er- zur Erteilung sachverstandigen Rates verweisen 
gebnis priesterlicher Mahnung oder seiner eigenen und in einer spateren Sitzung, wenn diese ihren 
Initiative. Die sakralen Vorgange schlossen Berieht (decretum) vorlegten, die notigen MaB- 
grundsatzlich in sich A) Geliibde, B) die Wieder- regeln treffen (Liv. XXII 9, 11. XXVII 4, 15. 
holuhg (instauratio) fehlerhafter regelmaBiger XXXII 1, 9. XLI 16, 2. Cic. Att. IV 2, 4. Mar- 
Gebrauche, C) die Besanftigung der Prodigien. quardt Staatsverw. IIP 259). In besonders be- 
A. In G e 1 ii b d e n, ausgenommen bezeich- 60 unruhigenden oder verwirrenden Fallen (Liv. 
nenderweise das ver sacrum, das das Volk per- XXII 9, 8) konnte der S, auch die Haruspices 
sonlich und als Gesamtheit verpflichtete, wurde (Marquardt Staatsverw. IIP 410) um Rat 
das Volk nie um Rat gefragt (die scheinbare Aus- fragen, die zu diesem Zweck in den S. eingefuhrt 
nahme Liv. IV 20, 4 bezieht sich auf Geldbewilli- wurden und spater ein responsum erteilten (Liv. 
gung). Fur alle anderen Geliibde, auBer denen, XXXII 1, 14. Macrob. Sat. I 16, 22), das der Con- 
die man im Krieg machte, wo der Befehlshaber, sul berichtete (Liv. XXXI 5, 7, vgl. XXIV 10, 12) 
obgleich er in der Praxis oft durch eine Geld- oder der S. konnte das Recht ausiiben, die 
bewilligung unterstiitzt wurde, fiir die Kosten X(XV)viri zu veranlassen, daB sie die Sibyllini- 



728 Senatus (Eegierung) Senatus (Regierung) 724 

schen Biicher befragten (z. B. Liv. XXII 1, 16. sondern er hatte das so griindlich getan, daB jede 

XXV 12, 11. XXXI 12, 9. XLII 20, 3), die sonst Einmischung des Volkes als eine Ausnahme an- 

nicht befragt werden konnten (Cic. div. II 112. gesehen und tibelgenommeii wurde (Cic. Vat. 36; 

Dion. Hal. IV 62. Dio XXXIX 15f., vgl. Graa. Sest. m). Als die romische Welt befriedet wurde 

Licin. 15 FL), und die so empfohlenen Verord- und die Operationsgebiete Verwaltungsdistrikte 

nungen in einer spateren Sitzung (z. B. Liv. wurden, wurde dasselbe System, das Kriegsfeld- 

XXV 12, 12) vorlegten. herm beschaffte, benutzt, um Provinzstatthalter 

Die VoUziehung der so verordneten Mafinah- zu beschaSen. Diese wies der S. im wesentliehen 

men war der Exekutivgewalt iiberlassen und be- in derselben Weise zu. Die Methode wurde syste- 
traf den S. nicht weiter. Da jedoch die instau- 10 matisiert und die Qualifikationen fiir die Wahl- 

ratio von Riten und die Feier aufierordentlicher barkeit-von Sulla geandert. Aber die Macht des 

feriae Beamte ernstlicb hindern (z. B. Liv. XXXII S. tiber die Provinzverteilung blieb in der Haupt- 

28, 6, vgl. XXXIV 55, 2) oder Volksversammlun- sache dieselbe. 

gen unmoglich machen konnten (Cic. Qu. fr. II 4, A. V o r S u 1 1 a. Der S. war betreffs der Ver- 

4), so konnte die VoUmacht des S., sie anzuord- teilung in seinen Machtbefugnissen nur beschrankt 

nen, bei ihrer Verordnung zu politischen Zwecken durch ein KompromiB .mit den frliheren Reehten 

gebraucht werden. Die Festsetzung der Zeit war der Consuln, den vorgeschriebenen richterlichen 

der freien Entscheidung der austibenden Gewal- Funktionen der Praetoren und der gelegentlichen 

ten iiberlassen (Cic. fam. VIII 11, 1); nur der Zuweisung der Provinzen durch das Volk. Dieses 
Consul muBte seine sakralen Pflichten erftillen, 20 war jederzeit befugt, Provinzen anzuweisen und, 

bevor er ins Feld zog (Liv. XXI 63, 8. XXXII wenn es das tat, die endgtiltige Autoritat. 

28, 6 vgl. 9, 1). Die Siihnung der spater an- 1. C onsular ische Pr o vinzen. Der S. 

gektindigten Vorzeichen wurde aufgeschoben, bis konnte nicht direkt [extra ordinem) einem Consul 

die nachsten Consuln ihr Amt antraten. Sie leg- eine Provinz zuerteilen; das konnte nur auf Grund 

ten sie regelmaBig mit den religiosen Geschaften eines Volksbeschlusses geschehen. Er konnte je- 

vor, die der Sitte nach bei der ersten Sitzung zur doch zwei consularische Provinzen vorschlagen 

Behandlung kamen. und die Consuln ersuchen, einer erwiinschten Tei- 

2. KriegundProvinzen. Kriegserkla- lung zuzustimmen (M o m m s e n St.-R. I 56. 

rung und Bruch eines Friedens, der sich auf einen W i 1 1 e m s II 539). Obgleich die alte Regel, daB 
Vertrag griindete, einschlieBlich eines vom S. ge- 30 das Oberkommando auBerhalb Roms inner- und 

wahrten langfristigen Waffenstillstandes (Mo mm- auBerhalb der romischen Grenzen einfach den 

sen St.-R. Ill 343, 3. Taubler Imp. Rom. I beiden Consuln gehorte (M o m m s e n St.-R. I 

31), erforderten immer einen BeschluB des Volkes 54), nicht formlich abgeschafft war, bis die Lex 

(Polyb. VI 14. Dionys. VI Q6) eingeleitet durch Sempronia des C. Gracchus verordnete, daB der 

einen des S. (M o m m s e n St.-R. Ill 1047, 2. S. jahrlich zwei begrenzte consularische Provin- 

Willems II 466. Liv. XLV 21, 5). zen bestimmen soUte, bestimmteder S. in der Tat 

Provinzen. Der S. war die Zentralleitung ein Jahrhundert frliher consularische Provinzen, 

der militarischen Angelegenheiten. Als es von in denen der Consul nur mit Zustimmung des S. 

einer unbekannten Zeit in der Republik an lib- Krieg fiihren konnte (M o m m s e n St.-R. Ill 
lich wurde, zwei consularische Armeen zu bilden, 40 1088): In der Tat soUte das Gesetz des Gracchus 

die getrennt operieren konnten (M o m m s e n den S., wahrend er ein unbestrittenes Recht aus- 

St.-R. Ill 1073), iibernahm der S. die Funktion, iibte, verhindern, einen Unterschied bei einem 

die Consuln liber die notwendige Verteilung der nicht beliebten Consul zu machen. Die consula- 

Operationsgebiete (provinciae) und Armeen zu rischen Provinzen waren jedoch auf drei Haupt- 

beraten. Vom Hannibalischen Krieg an und wahr- klassen beschrankt (Verzeichnis der consularischen 

scheinlich schon ein Jahrhundert frtiher verteilte Provinzen Will ems II 534. 563). 

er regelmaBig die Provinzen unter die zahlreichen a) Italia. Das Generalkommando in Italien, 

Befehlshaber, die durch die Zahl der gleich- einschlieBlich der nordlichen Distrikte Liguria, 

zeitigen Kriegsschauplatze erforderlich waren, Gallia, Istria, lUyricum. Dies konnte nur einem 
und er beschaffte die dadurch notwendig gewor- 50 Consul iibertragen werden (Will ems II 534; 

denen Befehlshaber, indem er 1. Praetoren frei anders Mo mm sen St.-R. II 649). Beim Feh- 

machte und ihnen militarisches Kommando gab, len eines Krieges auBerhalb Italiens wurde es 

2. durch Verlangerung (ein typisches Bild fiir den beiden Consuln gemeinsam bestimmt (Liv. 

diese Zentralleitung i Liv. XXVII 7). Das letztere XXXIX 38, 1 consulibus Ligures, d. h. Italien, 

im Sinne einer ausgesprochenen Verlangerung quia helium nusquam alibi erat decreti; Bei- 

des Kommandos tiber seine gesetzliche Dauer hin- spiele W i 1 1 e m s II 536, 6), und das stellte 

aus, zu unterscheiden von seiner Verlangerung eine Riickkehr zu dem alten Normalzustand des 

bis zur Erscheinung eines Nachfolgers (Mo mm- gemeinsamen Oberbefehls dar; es fiihrte gewohn- 

s e n St.R. I 640), wie aus dem Wort prorogatio lich dazu, Expeditionen gegen die dauernd rebel- 
selbst ersichtlich, erforderte urspriinglich einen 60 lischen nordlichen Distrikte ohne weitere BevoU- 

Beschlufi des Volkes, aber vielfach bestatigte machtigung des S. (M o m m s e n St.-R. I 55) 

dieser nur eine vorherige Entscheidung des S. auszufiihren. Dieser Provinz konnte der S. In- 

(so bestatigte im ersten Fall J. 327 ein Plebisci- struktionen beifiigen, entweder betrefis Teilung 

turn formell ein SC Liv. VIII 23, 12). Aber vom der militarischen Funktionen (z. B. Liv. XXXIV 

Hannibalischen Krieg an hatte der S. nicht nur 55, 6 zwischen Gallia und Ligures. XXXVIII 

das Recht beansprucht, von sich aus ohne wei- 35, 8. XLI 14, 8. XLV 16, 3; die Anforderungen 

tere Bestatigung Verlangerungen um ein Jahr zu des Hannibalischen Krieges verursachten solche 

verordnen, die weiter erneuert werden konnten, Spezialisierungen haufig, z. B. Liv. XXVII 7, 7) 



725 Senatus (Eegierung) Senatus (Regierung) 726 

Oder die Erf iillung einer Sonderaufgabe (z. B. und es an einen Bevollmachtigten tibergeben (Bei- 

Entwasserung der Pontinischen Siimpfe Liv. ep. spiele Mo mm sen St.-R. I 681, 6). Die Funk- 

46; s. WillemsII 538, 2). Diese Instruktionen tionen des Praetor peregrinus konnten bei der 

batten immer die Form einer Empfehlung und Verlosung mit denen des Praetor urbanus com- 

liefien dem Consul groBe Freiheit, aber wenn sie biniert und ihm spater tibertragen werden, wo- 

auch gelegentlich miBachtet wurden (M o m m - nach der erstere ftir jedes Kommando, das der S. 

sen St.-R. I 57. Ill 1085), so sicherte doch die wtinschte, ihm zur Verfiigung stand (Momm- 

Autoritat des S. gewohnlich ihre Beobachtung sen St.-R, II 210. Liv. XLIV 17, 10 peregrina 

(vgl. Liv. XXXIX 55, 4. XLI 1, 1. 7, 7. XLIII et si quo senatus censuisset, vgl. 21, 4). Das Auf- 
1, 11). lOgeben einer regelrechten Provinzverwaltung, um 

b) Das Kommando tiber die praetorischen einen Praetor zu entlasten, war ganz ungebrauch- 
iiberseeischen Provinzen, das den aUgemeinen lich, aber wenn durch Verlangerung (z. B. Liv. 
Oberbefehl gesetzlich beschrankte, wurde in der XXVII 22, 6), Absendung eines Consuls (z. B. 
Regel den Consuln bei Ausbruch eines ernsten Liv. XXXIII 43, 5. XLI 8, 2, vgl. 9, 10) oder 
Kriegs gegeben. Sie besaBen dieses Kommando Vereinigung von zwei Provinzen ein Praetor einer 
jedoch nicht rechtlich, sondern nur auf Empfeh- Provinz frei wurde, so wurde auch er wie der 
lung des S. (M m m s e n St.-R. I 54). Friedliche Praetor peregrinus verwendet. 

praetorische Provinzen wurden erst relativ spat So entlastete Praetoren wurden vom S. be- 
an Consuln gegeben; das erste bekannte Beispiel liebig mit militarischen Kommandos in einzelnen 
war Sizilien im J. 101 (M o m m s e n St.-R. II 20 Distrikten Italiens betraut, mit einem Flotten- 
217), wo ein Sklavenauf stand drei Jahre dauerte. kommando und ausnahmsweise mit dem Kom- 
RegelmaBig steht dem Consul ein Praetor mando in einem auswartigen Kriege (Wi 11 e m s 
oder Propraetor zur Seite (M o m m s e n St.- II 544). Auch besondere Verwaltungs- und rich- 
R. II 102). terliche Aufgaben wurden ihnen zugewiesen. Die 

c) Der Oberbefehl in auswartigen Kriegen letzteren muBten oft erledigt werden, bevor der 
stand den Consuln rechtmaBig zu und konnte Inhaber zu einem militarischen Kommando auf- 
ihnen nur durch indirekte Mittel genommen wer- brach (Mo mm sen St.-R. II 115, 3. Liv. XLI 
den, namlich durch die Anwendung der Tribunen 9, 10). Die Kompetenz aller dieser auBerordent- 
(Beispiele Liv. XXX 27. 40. XXXIII 25. XXXII 28, lichen Kommandos wurde genau spezialisiert, wie 
vgl. Polyb. XVIII 11). Diese Drohung jedoch ge- 30 der S. sie wtinschte. In der Tat konnte er den 
niigte, um einen, Consuln an der Annahme eines Inhaber eines Kommandos fiir eine ganz andere 
auswartigen Kommandos ohne Erlaubnis des S. Funktion benutzen, als er ihm vorher angewiesen 
zu hindern, und in wiederholten Fallen verwei- hatte (M o m m s e n St.-R. Ill 1093). 

gerte sie der S. erfolgreich (Liv. XXXIV 43. Diese freie Verfiigung tiber die Praetoren 

XXXVIII 42. XLII 10. 21). wurde jedoch dem S. allmahlich durch die Ein- 

2. Praetorische und promagistra- richtung der quaestiones perpetuae, beginnend mit 

tische Provinzen. Abgesehen von der Be- der quaestio repetundarum im J. 149, entzogen. 

setzung der regelrechten consularischen und prae- Wahrend auf der einen Seite die richterlichen 

torischen Provinzen, d. h. der provincia urbana Funktionen des Praetors zunahmen, blieb auf der 
und peregrina immer, und der regelrechten Pro- 40 anderen Seite ihre Zahl fest, nachdem sie im 

vinzkommandos gewohnlich, nachdem diese ein- J. 197 (Liv. XXXII 27, 6) endgiiltig auf 6 er- 

gerichtet waren, hatte der S. die Freiheit, auBer- hoht worden war, trotz des Zuwachses an er- 

gewohnliche Kommandos zu schaffen, soweit er obertem Gebiet. Diese Llicken wurden ausgefiillt, 

Offiziere beschaffen konnte, um sie zu besetzen und schon vorher wurden im Notfall mehr In- 

(Mommsen St.-R. II 212). Auf diese Weise haber auBerordentlicher Kommandos durch Pro- 

richtete er besondere subordinierte Kommandos rogation verfiigbar gemacht. Da der Beamte kein 

ein, deren Inhaber, wenn er der Provinz eines gesetzliches Anrecht auf Verlangerung hatte 

Anderen zugewiesen wurde, als untergebener Hel- (W i 1 1 e m s II 548; die Beispiele fiir das Gegen- 

fer angesehen wurde: niedre Beamte als Heifer teil Mommsen St.-R. I 629, 4 beziehen sich 
der Hoheren, und Promagistrate als Heifer der 50 nicht auf Verhinderung einer sonst obligatori- 

Magistrate. So operierten wahrend des Hanniba- schen Verlangerung durch VolksbeschluB, son- 

lischen Krieges fortwahrend Praetoren und Pro- dern auf Aufhebung einer schon verliehenen. Der 

magistrate unter senatorischer Leitung als Heifer Consul wartete natiirlich auf seinen Nachfolger, 

der Consuln, denen Italien zugewiesen war (z. B. z. B. Liv. XXXIV 46, 1, vgl. 42, 2. 43, 9. 46, 4. 

Liv. XXV 15, 20, vgl. XXIV 44, 9. XXV 3, 5), XXXH 1, 12 vgl. XXXI 6, 1. XXXII 1, 2. 3, 1; 

und spater wurden die Consuln von Praetoren aber der S. konnte einem Consul Verlangerung 

und Propraetoren untersttitzt (z. B. Liv. XXXIII gewahren und sie seinem KoUegen verweigern: 

43, 5. XXXIX 45. XLI 15, 6, vgl. 6, 5; s. Liv. XXX 39, 3. 41, 3; s. auch XXVIII 45, 9. 

Mommsen St.-R. II 234), besonders oft bei XLII 4, 2), so entsehied der S. beliebig, ob er sie 
einem Flottenkommando (Willems II 544, 4), 60 verleihen soUte oder nicht (Polyb. VI 15). Die 

und die Praetoren wurden in ahnlicher Weise Zeit der Verlangerung war gewohnlich ein Jahr 

von Propraetoren (Liv. XXXVI 2, 10. XLII 1, 3) (in annum z. B. Liv. XXVII 7, 17), gelegentlich 

untersttitzt. bis zur formellen Zurtickrufung (Liv. a. 0. XXXII 

Die Inhaber dieser auBerordentlichen Kom- 28, 9 donee successor ex senatus consulto venis- 

mandos wurden durch Entlastung von Praetoren set) oder Beendigung einer zugewiesenen Aufgabe 

und durch Verlangerung verfiigbar. Obgleich der (Liv. XXX 1, 10. XLV 16, 2). AuBer den prae- 

Praetor urbanus selbst auBerhalb der Stadt kein torischen Provinzen urbana und peregrina und 

Kommando ftihren konnte, konnte er eins erhalten der consularischen Provinz Italia, die nicht ver- 



727 Senatus (Regierung) Senatus (Regierung) 728 

langert werden konnten (der BeschluB des Volkes, Mandate waren regelmafiig Bewilligungen des S* 

der fiir die Verlangerung von Sardinien im Jedocli die zunehmende Sitte, daJB das Volk sein 

J. 208 eingeholt wurde [Liv.XXYII 22, 6], beruhte konstitutionelles Recht gebrauqhte, personliche 

einfach auf seiner militarisehen Bedeutung [Wi 1- Kommandos extra sortem zu verleihen (ange- 

lems II 550, 4], nicht auf Weglassung einer droht zugunsten des Africanus maior im J. 205 

gesetzlich eingerichteten praetorischen Provinz Liv. XXVIII 45, 1; angewandt fiir Africanus 

durch den S., wie Mommsen St.-R. 11 211, 1 minar im J. 147, wenn auch als Folge eines emp- 

glaubte), verlangerte der S. einen Beamten ge- fehlenden S.-Beschlusses Appian. Lib. 112. Liv. 

wohnlich in derselben Provinz; es stand ihm je- ep. 51. Val. Max. VIII 15, 4; zuerst gebraucht^ 
doeh frei, ihm eine andere zuzuweisen (M o m m - 10 um einen gegenteiligen S.-Beschlufi fiir Marius 

sen St.-R. II 213, 3. Will ems II 549). zu annuUieren im J. 107: SaU. lug. 62. 73), be- 

B. Nach Sulla. Die Notbehelfe des obigen ginnend hauptsaehlich mit dem plebiscitum Mani^ 
Systems wurden schlieBlich von SuUa in Ordnung lium im J. Q6 (Verzeichnis spaterer Falle W i 1- 
gebracht, der die Zahl der Praetoren auf 8 er- 1 ems II 587), mischte sich mehr und mehr 
hohte, das Generalkommando in Italien aufhob ernstlich in die KontroUe des S. iiber militarische 
und verordnete, daB Consuln (Mommsen St.-R. Dinge ein. Schliefilich verlor er sie iiberhaupt; 
II 94. 217) und Praetoren (II 200) wahrend ihres als dies eintrat, war seine Herrsehaft beendet> 
Amtsjahres in Rom bleiben und nach seinem Ab- und der Principat begann. 
lauf als Promagistrate ordentliche Provinzen Ornatio Provinciarum (Verteilung 
ubernehmen soUten, die jetzt ihrer Gesamtzahl 20 der Heere und Ausrlistungen). Da trotz des ge- 
entsprachen. Durch die Bestimmungen der Lex wohnheitsmaBigen Anrechts der Consuln auf eine 
Sempronia des C. Gracchus muBte der S. zwei consularische Armee die Republik im Gesetz kein 
dieser Provinzen fiir die Consuln vor ihrer regelrechtes stehendes Heer kannte, so war die 
Wahl beiseite stellen, wobei die tribunicische Bildung der Heere jedes Jahr eine notwendige 
Interzession verboten war (Cic. prov. cons. 17. Tatigkeit, iiber die als eine auBerordentliche MaB- 
SaU. lug. 27). Nach Sulla, als die Consulwahlen nahme der S. ein Recht befragt zu werden hatte. 
regelmafiig im Juli abgehalten wurden (Mo mm- Das fiihrte zuerst zu einer allgemeinen Oberauf- 
s e n St.-R. I 584), wies der S. die consularischen sicht iiber die Bildung der Heere und in der 
Provinzen 18 Monate zu, bevor die Consuln sie Zeit der uberseeischen Kriege zu ihrer Verteilung 
iibernahmen. Die restlichen Provinzen wurden 30 durch den S. nach seinem Gutdunken. Die Zahl 
einfach durch das Los unter die Praetoren ver- der Truppen (nur einmal berichtet als dem Gut- 
teilt. Gebietserweiterungen jedoch gaben dem S. dlinken des Kommandeurs iiberlassen: Liv. XXII 
freie Verfugung iiber Provinzen dadurch, daB sie 11, 2), die Zulassung von FreiwiUigen, die Zu- 
eine Zunahme der Zahl der Verwaltungsbeamten ruckhaltung alter oder Aufstellung neuer Trup- 
erzwangen. Das wurde dadurch bewirkt, daB man pen, Kontingente der Verbiindeten (innerhalb der 
die Verwaltungsperiode einiger ausdehnte, und Grenzen der Vertrage dem Gutdiinken der Beam- 
da alle Provinzen bis zur Ankunft eines Nachfol- ten uberlassen bis zum Ende des Hannibalischen 
gers, nach der der Statthalter sie innerhalb von Krieges, aber danach vom S. bestimmt), die Zahl 
30 Tagen verlassen muBte (W i 1 1 e m s II 573. und Verteilung der Flotten wurden alle vom S. 
Cic. fam. Ill 6, 3), verwaltet wurden, wahlte der 40 bestimmt (Mommsen St.-R. Ill 1075f. Wil- 
S. einfach einige Provinzen aus, in die er keine lems II 622f.). Gewohnlich, wenn auch nicht 
Nachfolger schickte, und lieB den Rest iibrig zur gesetzlich (richtig Mommsen St.-R. Ill 1082), 
Verteilung unter die neue Gruppe verwendbarer wurden die Truppen verabschiedet, wenn der S. 
Statthalter (so blieb Q. Cicero drei Jahre in Asia es anordnete und nur nach seiner Erlaubnis 
Cic. Qu. fr. I 1, 8; andere Beispiele W i 1 1 e m s (W i 1 1 e m s E 622, vgl. Cic. Pis. 47. Liv. XXXII 
II 583). Sehr selten vermehrte der S. die verfug- 3, 7. XL 17, 7). 

bare Ersatzmannschaft von Statthaltern, indem Der S. konnte den Consuln, obgleich er ihnen 

er einen Quaestor mit dem Titel quaestor pro ihre consularischen Armeen nicht verweigern 

praetor e (Mommsen St.-R. II 651) verwandte. konnte, Nachschub von Ausgehobenen oder Frei- 

SchlieBlich verordnete eine Lex Pompeia des 50 willigen (Liv. XXVIII 45, 13. XLH 10, 12, vgl. Sail, 

J. 52, die ein SC des vorhergehenden Jahres be- lug. 84) versagen. Bei der Zuweisung der Armeen 

statigte (Dio XL 46. 56), daB fiinf Jahre zwischen nahmen die Consuln einen Vorrang vor den anderen 

einer Magistratur und einer Provinz vergehen Befehlshabern ein (Liv. XL 36, 5), und oft, wenn 

soUten; aber diese MaBnahme, die in Wirklich- auch nicht unbedingt, wurde ihnen die Wahl iiber- 

keit eher als ein Mittel gedacht war, Caesar zu lassen (W i 1 1 e m s II 626). Den anderen Befehls- 

stiirzen, als eine wahre Reform der Provinzial- habern wies der S. nicht nur bestimmte Armeen 

verwaltung, wurde in der folgenden Verwirrung zu, sondern bestimmte auch ganzlich die Art der 

wenig beachtet (W i 1 1 e m s II 588f.). Heere. Er iibte alle mogKche Freiheit in der Neu- 

Da dies System niemandem das alte consula- ordnung der Truppenverteilung, indem er den 

rische Vorrecht des Oberbef ehls lieB, so wurde 60 Consuln und Praetoren die Armeen in den Pro- 

jeder Krieg auBerhalb der festen Provinzen als vinzen, die ihnen zufielen, gab, die in anderen 

ein personliches Mandat dem Inhaber eines Im- Provinzen, oder neu ausgehobene Heere. Pro- 

periums, den man fiir geeignet hielt, oder sogar magistrate behielten manchmal ihre alten, maneh- 

Privatpersonen anvertraut, denen man das Im- mal iibernahmen sie eine neue Armee, je nach- 

perium besonders verlieh (Mommsen St.-R. II dem sie ihre Provinz behielten oder wechselten 

653); manchmal verbunden mit einer vorhande- (Will ems II 628). 

nen Provinz, manchmal als ein unabhangiges Neben den Armeen verfiigte der S. iiber ihre 

Kommando (Mommsen St.-R. Ill 1104). Solche Versorgung (Cic. Pis. 5 provincia senatus aucto- 



729 Senatus (Eegienmg) Senatus (Eegierung) 730 

nlate exercitu et pecunia instructa et ornaia. SsiW. 1, 6. Cic. Phil. V 53. YII 10. XIV 38; fam. 

lug. 27), die die Bezahlung der Legionen und XI 20, 3. 21, 5). Er gab auch direkte Geld- 

die Beziige f iir den Kommandeur und seinen Stab belohnungen, aber das erst im Todeskampf der 

enthielt, die schlieBlicli in eine Geldzahlung Republik. 

(W i 1 1 e m s II 404. M o m m s e n St.-R. I 296) Supplicationes zu Ehren eines Siegers 

verwandelt wurden. Mit der Verbreitung der standen ganz unter seiner Kontrolle (s. o.). Der 

iiberseeischen Kriege tibernahm der S. ferner die Triumph war eigentlich das Recht des Oberbeam- 

Pflicht, fiir das notwendige Material zu sorgen ten, und Beispiele von Triumphen, die gegen den 

(Beispiele einer Bewilligung von Korn, Kleidern, Willen des S. gefeiert wurden, werden erzahlt 

Waffen, Pferden Mommsen St.-R. Ill 1098. 10 (Momms en St.-R. I 134. Will ems II 669). 

W i 1 1 e m s II 410, z. B. Liv. XLIV 16). Die Ab- In der Praxis jedoch konnte der S. mit Hilfe der 

sendung irgend welcher Vorrate dieser Art von Tribunen (Liv. X 37, 9. Val. Max. V 4, 6. Suet. 

Rom erforderte die Bewilligung des S. (Polyb. Tib. 2) den Befehlshaber auf den Triumph auf 

VI 15 ccv€v ds Tov tfjg ovy?cXr)tov §ovXri[mtog ovrs den Albanischen Hugel beschranken oder die 

olrog ov'd'^ l[AaxiaiA,6g om^ oipcovia dvvarai x^QV~ Geldbewilligung fur die Ausgaben verweigern 

yeio'&ai roig ozQaroTzedoig). AuBerhalb Roms hatte (Polyb. VI 15), ohne die der Triumph weniger 

der Kommandeur natiirlich das Recht auf Requi- ehrenvoll war (Liv. XXXIII 23, 8). Die Dispen- 

sitionen und die VoUmacht, mit befreundeten sation, die das Imperium fiir den Tag ausdehnte 

Staaten Vertrage liber Lieferungen zu machen und die fiir den promagisterialen Triumph not- 

(z. B. Liv. XLIV 16, 2). Nichtsdestoweniger be- 20 wendig war, hing, obgleich sie immer durch Be- 

hielt der S. die Oberaufsicht: ein MiBbrauch, der schlufi des Volkes bestatigt wurde, in Wirklich- 

der Erhebung von Requisitionen gleichkam, ver- keit von der vorherigen BeschluBfassung des S. 

anlaBte ihn einmal zu der Verordnung, dafi keine ab (Mommsen St.-R. Ill 1233). AUe Triumphe 

Hilfsgelder in Griechenland ohne seinen aus- erforderten deshalb nach Sulla, wie auch meist 

driicklichen Befehl geliefert werden konnten (Liv. vorher, die Bestatigung des S. 

XLIII 17, 2. Polyb. XXVIII 3). 3. Auswartige Angelegenhei t en. 

Obgleich die praktische Einrichtung eines Die Kontrolle des S. iiber auswartige Angelegen- 

Berufsheeres nach den Reformen des Marius und heiten, die wahrend Roms Ausbreitung zur Welt- 

der Entwicklung der provinciae inermes die Ein- macht von Polybius (VI|13) bezeugt ist, beruhte 

zelheiten der ornatio frovinciarmn (W i 1 1 e m s 30 auf seiner Teilnahme an alien internationalen Ge- 

II 647) anderten, so wurde doch das Recht des S., schaften, die in Rom erledigt wurden. Sein An- 

A.rmeen und Hilfsgelder zu verteilen, bis zur Lex teil wird kenntlich durch den Empfang und die 

Gabinia beriicksichtigt. Nachher mischten sich Absendung von Gesandten, und durch die Formu- 

eine Reihe von Plebisziten in die Provinzen, ihre lierung und BeschlieBung von Vertragen. 

Armeen (W i 1 1 e m s II 651) und ihr Budget ein A. Empfang undEntsendung von 

(W i 1 1 e m s II 424, z. B. Lex Vatinia Cic. Vat. Gesandten. AUe Gesandten brachten ihre 

36 eripueras senatui provinciae decernendae po- Mission in Rom vor den S. und erhielten ihre 

testatem, imperatoris deligendi iudicium, aerarii A^twort vom S. (Polyb. VI 13 tcov naoaysvoixs- 

dispensationem), Im iibrigen blieb die regelmaBige vcov slg TcofA^rjv tiqso^siwv (hg dsov sottv eKaoxoig 

Kontrolle iiber das Heer (Rekrutierung, z. B. Cic. 40 ZQV<^'^^f' ^«* <^? ^^^^ aszoKQi'&fjv at, navxa ravra 

Att. I 19,2. Caes. bell. civ. I 6; Entlassung Caes. xeiQl^sxai dia xfjg ovyKlrjxov). Auswartige Staa- 

bell. civ. I 2. Cic. fam. XVI 11, 2; Zuweisung, ten oder Einzelpersonen, die in vertragliehen Be- 

z. B. Dio XXXVIII 8 und Verlegung von Legio- ziehungen zu Rom standen, hatten das Recht, 

nen Caes. bell. gall. VIII 54) beim S., bis sie im Gesandte direkt an die Regierung zu schicken, 

J. 45 gesetzlich an Caesar iiberging (Dio XLIII 45). und die Weigerung, sie zu empfangen, war gleich- 

Aufsicht tiber die Exekutiv- wertig mit der Aufhebung des Vertrages und die 

g e w a 1 1. Es war Pflicht des Feldherrn, den S. Einleitung zum Krieg (Liv. XLV 20. ep. 46. Polyb. 

durch Brief e iiber die militarischen Angelegenhei- XXXI 20). Mit anderen Staaten, besonders denen, 

ten zu informieren (Cic. Pis. 38. Norden Germ. die mit Rom Krieg fiihrten, verhandelte der S. 

Urgesch. 87). Der S. als Korperschaft enthielt sich 50 nicht direkt (bei der einzigen scheinbaren Aus- 

aber weise der Einmischung in die Operationen im nahme Liv. VII 20, 3 kamen erschreckte Ge- 

Feld. DaB die Gehilfen des Kommandeurs {le- sandte von Caere, bevor der Feldherr von Rom 

gati), die bis zum Ende der Republik vom S. er- aufbrechen konnte; IX 20, 2 ist der ganze histo- 

nannt wurden (Mommsen St.-R. II 696. W i 1- rische Zusammenhang verdachtig), sondern nur 

lems II 608. 614), oft im Einklang mit den durch Vermittlung eines Befehlshabers (Liv. IX 

Wiinschen des S. als seine Vertreter die Politik 45. XL 34, 10), vor den die Gesandten ihre An- 

entschieden, ist sehr wahrscheinlich; aber gesetz- gelegenheiten zuerst bringen und um Erlaubnis 

lich reichte ihr EinfluB nur so weit, als es der bitten muBten, nach Rom gehen zu diirfen 

Feldherr gestattete (Mommsen St.-R. Ill 1107). (Liv. V 27, 11. VII 22, 5. X 5, 12, vgl. Sail. lug. 

Belohnungen. Gelegentlich empfahl der 60 102. 104; ahnlich wird den Gesandten ausdriick- 

S. militarische Strafen (Mommsen St.-R. Ill lich eingescharft, sich an einen Kommandeur zu 

1109. Willems II 665) besonders, wenndiesedie wenden Liv. XLII 36, 5); die Gewahrung des 

Mitwirkung mehrerer Feldherren erforderten, und Gesuchs lag ganz in seinem Belieben (Liv. 

er belohnte Truppen indirekt, indem er sie bei XXXVII 49, 8). In der Praxis wurde es im 

folgenden Aushebungen giinstig bedachte (Liv. Kriege den Gesandten eher befohlen als er- 

XXIII 20, 2. XXXIX 38, 12. XL 36, 11) oder laubt, nach Rom zu gehen. Sie wurden immer 

den Veteranen Landanweisungen versprach (Front. von legati des Kommandeurs (Taubler Imp. 

strat, IV 3, 12. Liv. XXXI 4, 1. 49, 5. XXXII Rom. I 112) als Geleit und Vertreter des Kom- 



731 Senatus (Eegierung) Senatus (Regierung) 732 

mandeurs in den Verhandlungen in Eom be- rung (Liv. XXX 21, 5. XLIII 8, 8. XLV 44, 16) 

gleitet; in den ersten italischen Kriegen kehrte und Brief e, die sicheres Geleit verhieBen (Joseph, 

der Feldherr, wenn es moglich war, selbst heim ant. XIII 5, 8. 9, 2. SC Thisb. s. f.). 

(Liv. VIII 36, 12. IX 40, 20. 45, 3). Solche Alle Gesandten, die von Rom aus entsandt 

Gesandte wurden nicht innerhalb des Pomoerium wurden, beschloB der S. (Polyb. VI 13 xal firiv 

(Dio frg. 43, 27. 79. Polyb. XXXV 2. Appian. Lib. ei rcov hnxog 'Ixaliag jiQog rivag s^anoozsllsiv dsoi 

3J. Sail. lug. 28. Liv. XLII 36, 1) zugelassen, TZQeo^slav riva rj biaXvoovodv rivag t] jiaQaKaU- 

und man konnte ihnen die Audienz im S. ver- oovoav tj xal vr} Ala imrd^ovoav ij naQaXr^ipoiJie- 

weigern oder nur unter besonderen Bedingungen vrjv rj n6Xs(A,ov sjiayyeXovoav, avrrj noieixai zfjv 
gewahren, oder der S. konnte ihnen, nachdem sie 10 nQovoiav), Diese senatorischen Gesandtschaften 

empfangen worden waren, befehlen, die Stadt (s. Thurm Legati ad exteras nationes, Lpz. 

und Italien innerhalb einer bestimmten Zeit (Liv. 1883; Zahl und Zusammensetzung: Will ems 

XXXVII 1, 6. 49, 7. XLII 36, 7. Sail. lug. 28. II 492; chronologisches Verzeichnis der Mitglie- 

Dio frg. 99, 2) zu verlassen, gelegentlich sogar der Krug Senatsboten, Breslau 1916) wurden 

unter Geleit (Liv. XXXVII 49, 8. XLII 36, 7). zur Behandlung aller internationalen Geschafte, 

Einmal empfangene Gesandte, ob freundlich die in Rom eingeleitet und auswarts ausgefiihrt 

oder feindlich (Dio frg. 79), waren Gaste des wurden, beliebig iverwandt. Sie ersetzten die Fe- 

Staates und wurden auf Anordnung des S. (z. B. tialen, indem sie ihnen nur die religiosen Zere- 

Liv. XXX 17, 14. SC Asclep. OIL P 588) mit monien tiberliefien, in den praktischen Verhand- 
Wohnung und Hausgerat (locus lautiaque) ver- 20 lungen vor dem Kriege, wozu Reparationsforde- 

sehen; Feinde auBerhalb, gewohnlich in dei villa rung (res repetere Mommsen St.-R. II 689, 2) 

publica auf dem Campus Martins, Freunde inner- und Kriegserklarung gehorten (Will ems II 468. 

halb der Stadt in besonders gemieteten Wohnun- Polyb. VI 13. Liv. XXXI 8, 3, vgl. XXXVI 3, 

gen; ferner mit Unterhalt (munera), der zuletzt 7f.). Sie wurden ausgesehiekt, um Truppen (Liv. 

durch eine GeldbewiUigung ersetzt wurde, die XLII 35, 7) und Proviant (Polyb. IX 11a) zu ver- 

ex formula reguliert war (SC Asclep. CIL P 588), langen, um die Erfiillung der Vertragsbestimmun- 

entsprechend dem Status der Gesandten und ihrer gen zu fordern (Liv. XXX 26, 4. XXXI 11, 4. 

Vertrage. Fiir besonders geehrte Gesandte ver- XXXIX 33, 3. Polyb. XXII 11), Verhandlungen 

ordnete der S. gelegentlich Unterhalt wahrend iiber Biindnisse einzuleiten und die Verbiindeten an 
ihres ganzen Aufenthaltes in Italien (Liv. XLII 30 ihre Vertrage zu erinnern, Beschwerde zu erheben, 

6, 11. XLV 14, 6) und manchmal auch Ehren- Geschenke zu machen, f allige Gelder einzutreiben, 

geschenke, z. B. konigliche insignia fiir Konige Streitigkeiten zu entscheiden, Inspektionsreisen 

(Mommsen St.-R. Ill 1152. Wi 1 1 e m s II 429. zu machen und dariiber zu berichten (Thurm 

Btittner-Wobst Legati Romam missi [Lpz. Legati 38f.). In besonderen Kommissionen von 

1876] 46). Zehn half en sie bei Friedensvertragen und bei 

Ein Warteplatz (Graecostasis) entsprechend der Organisation von Provinzen (s. u.). 

dem Senaculum wurde fur befreundete Gesandte B. Vertrage. Die Kompetenz desBeamten, 

nahe der Curia Hostilia vorbehalten (Bd. VII des S. und des Volkes betreffs AbschluB von Ver- 

S. 1692). Alle Gesandten konnten nur, wenn sie tragen unter schied sich weniger im Inhalt oder 
von einem Beamten, der ermachtigt war, den S. 40 der Gtiltigkeit der von jeder einzelnen Instanz 

einzuberufen und die Reihenfolge ihrer Zulassun- abgeschlossenen Vertrage als in ihrer Widerruf- 

gen zu bestimmen (Schol. Bobb. 158 St. Liv. XXX Jichkeit. Endgiiltige Vertrage sind in der Form 

40, 4. XLV 44, 6. Biittner-Wobst 58), eines decretum, SC und einer lex bekannt, aber 

eingefiihrt wurden, vor dem S. erscheinen. der MagistratsbeschluB verpflichtete den Staat nur 

Obgleich sich der S. der sachkundigen Mit- so weit, als die Kompetenz des verordnenden Be- 

glieder bediente (so sicherlich der legati des Kom- amten ging, und konnte von einem Nachf olger 

mandeurs) und sogar manchmal der Quasi- Aus- mit gleicher Macht fiir ungiiltig erklart werden. 

schiisse (so wurden Flamininus und decern legati Ein Vertrag, der durch ein SC geschlossen wurde, 

mit einleitendem Verhor der Gesandten des Anti- konnte durch ein anderes SC annuUiert werden; 
ochos beauftragt: Liv. XXXIV 57, 5. 59, 4. Died. 50 nur der vom Volk bestatigte Vertrag wurde durch 

XXVIII 15, ein ahnliches vorlaufiges Verhor Fetialeneid bekraftigt und war von ewiger Dauer. 

Polyb. XXin 4. Exc. Legat. 397; eine Kommis- Andererseits war die Kompetenz des Beamten zum 

si on von Fiinf berichtete iiber die Anliegen der VertragschlieBen auf das Feld beschrankt. AHe 

Thisbenses: SC Thisb. Syll.^ 646), so wurden internationalen Vertrage, die in Rom geschlossen 

doch auswartige Angelegenheiten in der Regel wurden, wurden dem S. vorgelegt, da nur er fiir 

vom S. als Gesamtheit entschieden. Gesandte Internationale Verhandlungen in Rom zustandig 

trugen ihr Gesuch vor dem gesamten S. vor. war, und alle Vertrage, die fiir das Volk verpflich- 

Die Antwort wurde in einer interrogatio for- tend waren, erforderten ganz analog dem ver sa- 

muliert und vom S. als Gesamtheit angenom- crum dessen BeschluB. Die Ansicht Mommsens 
men. Sie wurde den Gesandten vom Vorsitzenden 60 (St.-R. I 246. Ill 340. 1158), der Rubino 

mitgeteilt, manchmal auBerhalb des Hauses (Liv. (Untersuchungen 264) folgt, daB urspriinglich 

VII 31, 5. VIII 6, 4. XLV 20, 7), manchmal inner- der Magistrat allein zum AbschluB internatio- 

halb, nachdem sie zu diesem Zweck dahin geladen naler Vertrage befugt war, und daB S. und Volk 

waren (Liv. XXVI 32, 7. Dionys. VI 21; diese nur allmahlich Zutritt zum VertragschlieBen er- 

mundliohe Erwiderung war notwendig bei der hielten, ist von Taubler (I 99. 107. 153) 

Abfassung von Vertragen, vgl. Taubler Imp. richtig widerlegt worden mit dem Ergebnis, Licht 

Rom. I 113). Bei begiinstigten Gesandten sorgte und Or dnung in dieses Dickicht gebracht zu haben. 

der S. bei ihrer Abreise fur ihre Beforde- Der senatorische Vertrag stand demgemaB in 



733 Senate (Eegierung) Senatus (Kegierung), 734 

der Mitte zwischen dem vom Magistrat geschlos- Bundesgenossenschaft, ausdriickte und alle die 

senen und dem vom Volk angeordneten. Seine besonderen Bedingungen, die fiir die besondere 

wirkliche RoUe bei der Formulierung auswartiger Lage geschaien wurden. Ob die Vorverhand- 

Vertrage kann jedoch durch eine wissenschaft- lungen des Feldherrn in ihrer Gesamtheit ange- 

liche Beschreibung der Kompetenzen geradezu nommen wurden oder nicht, so war doch*der end- 

verdunkelt werden. Seine kontrollierende Ober- giiltige in Rom angenommene Vertrag das Er- 

aufsicht tibte er dureh die Bestatigung bzw. Ver- gebnis unabhangigerVerhandlungen, und er wurde 

werfung der magistratischen Vertrage aus, die im durch eine mtindliche Verbandlung zwischen den 

Ausland geschlossen waren, und durch direkte Gesandten und dem S. geschlossen (Taubler 
Verhandlungen bei alien in Rom geschlossenen 10 I 112). In diesem Stadium war der Vertrag ein 

Vertragen, wohin alle wichtigen endgtiltigen Ver- voUstandiger Kontrakt, und obgleich alle Frie- 

abredungen, wenn irgend moglich, verwiesen wur- densvertrage, die Feindlichkeiten mit unabhangi- 

den. Im besonderen war der Anteil des S., ob- gen auswartigen Machten beendeten, in der Folge- 

gleich das romische Staatsrecht keinen Friedens- zeit vom Volk bestatigt wurden, was notwendig 

vertrag als solchen kannte, sondern als dauernde war, wenn sie fiir das Volk bindend sein sollten, 

Vertragsbeziehungen nur Freundschaft d. h. konnten Vertrage die Beziehungen mit halbzivili- 

Neutralitatsbtindnis, Bundesgenossenschaft d. h. sierten Volkern oder solchen, die schon unter 

Defensivbiindnis, entweder als zweiseitigen Ver- romischer Herrschaft standen, ankniipften, vom 

trag oder als einseitiges foedus iniquum d. h. S. ohne weitere Bestatigung geschlossen werden 
Klientelvertrag, und Dedition (T a u b 1 e r I 31), 20 (T a u b 1 e r I 115). 

die alle ohne Unterschied aus einem Kriegs- oder Wegen der groBen Kompliziertheit der Sach- 

Friedenszustand entspringen konnten, bei der lage bei den groBen tiberseeischen Friedensver- 

Formulierung der Bedingungen, unter denen ein handlungen, beginnend mit dem ersten Karthagi- 

Feindlichkeiten ein Ende machender Vertrag an- schen Frieden, versuchte der S. nicht, alle Details 

genommen wurde, von grofiter praktischer Be- in dem in Rom gemachten Vertrag festzusetzen. 

deutung. Abgesehen von erzwungenen Kapitula- Statt dessen skizzierte er den wesentlichen Cha- 

tionen, fiir die der Kommandeur eidlich mit rakter der Bedingungen und ftigte die Details, 

seiner eigenen Verantwortung biirgte, die der S. die er fur notig hielt, hinzu (vgl. Liv. XXXIII 

zuriickweisen konnte und es auch tat (Mar- 31, 4. XLV 17, 7f.) und uberliefi die restlichen 
q u a r d t IIP 424. Taubler I 137f.) verbun- 80 Einzelheiten dem Feldherrn und einer Kommis- 

den mit der folgenden Auslieferung (deditio) des sion von 10 Senatoren (decern legati Momm- 

Feldherrn nach einem BeschluB des Volkes auf sen St.-R. II 692. Ill 1168. Will ems II 475. 

Empfehlung des S. (Will ems II 472; Falle T h u r m Legati 1241), die vom S. ernannt wurde 

Mommsen St.-R. Ill 1167, 3), wurde jeder Ver- (Thurm 131 bestreitet richtig Mommsens 

trag, der auf dauernde Einstellung der Feind- Ansicht, daB diese zuerst vom Volk gewahlt 

seligkeiten abzielte, als Vor spiel zu einem Ver- wurden), damit sie an Ort und Stelle festsetzten 

trage angesehen, iiber den man in Rom verhan- (z. B. Liv. XXXVII 56, 1 his quae praesentis dis- 

deln muBte (Polyb. I 62. XXI 17. 30. Liv. XXIX ceptationis essent libera mandata; de summa re- 

12, 13. XXXII 36, 7. XXXIV 35, 2, vgl. 43, 2. rum senatus constituit. XLV 18, 8. Polyb. XXI 24. 
XXXVII 45, 14. XXXVIII 9, 9, vgl. 10, 2). Der 40 Appian. Mac. 9. Cic. Phil. XII 28). Innerhalb 

Feldherr war befugt, einen Waffenstillstand zu der Grenzen dieser allgemeinen Instruktion be- 

schlieBen, an den er die rein militarische Bedin- wirkte der Feldherr endgtiltige Festsetzung der 

gung des Ersatzes der Kriegskosten anhangen Einzelheiten. Die Kommission diente ihm als 

konnte, aber nur fiir ein Jahr, das Taubler consilium, und der Vertrag wurde als ihr gemein- 

(I 31) richtig als das laufende Dienstjahr inter- sames Werk betrachtet (Liv. XXXIII 24, 7. 

pretiert. Ein langerer Waffenstillstand erforderte XXXIX 29, 1. XLV 29, 8 Paulus Latine quae 

die Zustimmung des S. (Mommsen St.-R. Ill senatui quae sibi ex consilii sententia visa essent 

1165). Solche langfristigen Waffenstillstande, pronuntiavit; SC Prien. Syll.^ 688 xa-d'oog Fvaiog 

die in der ersten Zeit 40 Jahre (Liv. VII 22, 5. Mdvhog hoI ol dsKa uiQsoPsvtal bieta^av). Wenn 
X 37, 5. Dionys. IX 36) gedauert haben soUen, 50 auch strittige Punkte wieder an den S. zuruck- 

waren in ihrer Wirkung Friedensvertrage ohne verwiesen werden konnten (Liv. XXXIII 34, 10. 

fcrmale Vorverhandlungen (T a u b 1 e r I 34. 37); Polyb. XVIII 47. XXI 46), so war er doch durch 

aber als endgiiltige Vertrage verschwanden sie die Sitte an ihre Entscheidung (Liv. XXXIV 

nach dem J. 294, aus dem der letzte iiberliefert 25, 2, vgl. Cic. Phil. XII 28) gebunden. Der ge- 

wird (Liv. X 87, 5). Von da ab wurde der Waff en- wissenhafte Feldherr konnte ferner den S. er- 

stillstand nur als Einleitung fiir einen endgiil- suchen, seine Festsetzung als Ganzes zu bestati- 

tigen Friedensvertrag geschlossen. Waffenstill- gen (Liv. XXXIV 57, 1, vgl. SC Narthac. Syll.^ 

stand und Vertragsvorschlag bildeten dann zu- 674 ovg vofxovg Tkog Kotyxiog vjiatog ano xfjs 

sammen einen vorlaufigen Vertrag, nach dessen rcov bsKa TiQeG^svrcbv yvcbfA,r]g sdcoTtsv nal Kaxa 
AbschluB Gesandte nach Rom geschickt wurden, 60 doyiJia GvyHlrjxov). Es liegt aber kein Beweis da- 

um dort iiber einen endgiiltigen Vertrag zu ver- fiir vor, daB dies allgemein notig war. Als nach 

handeln (z. B. Liv. XXX 16, 13; s. Taubler endgiiltiger Bezwingung Makedonien, Griechen- 

I 86f.). Nur hier konnte, nachdem der S. ihn be- land und Afrika zu regelrechten Provinzen wur- 

schlossen und das Volk ihn bestatigt hatte, ein den, faBten ahnliche Kommissionen die Lex pro- 

ewiger Vertrag geschlossen werden (Liv. XXXVII vinciae ab, die ihre grundsatzliche Organisation 

19, 2. Sail. lug. 39). Dieser enthielt einen festsetzte, und spater dazu dienten, neue Provin- 

wesentlichen Vertrag, der die dauernden Be- zen organisieren und alte zu reorganisieren (Wil- 

ziehungen der vertragschlieBenden Parteien, z. B. 1 e m s II 704. Mommsen St.-R. II 692. 



735 Senatus (Eegierung) Senatus (Regierung) 736 

Marquardt Staatsverw. P 500. T h u r m Reich. Die Entsendung van Gresandtschaften horte 

127f.). fast auf. Die tTbermittlung und Ausfiihrung 

Die Erneuerung von Yertragen, die besonders der S.-Entscheidungen wurde im allgemeinen 

beim Antritt von Eonigen notig war, lag ohne dem nachsten Provinzialstatthalter anvertraut 

weitere Bestatigung in der Kompetenz des S. (z. B. der Schutz des Ariobarzanes von Xappa- 

(Taubler I 121). Er wachte uber der Beob- dokien Cic. fam. XV 2, 4. 4, 6. Pint. Cic. 36; das 

achtung von f ruber geschlossenen Vertragen und Projekt, Ptolemaios Auletes durch drei Legati 

entschied tiber streitige Punkte, die der Aus- in sein Reich zurlickzufuhren [Cic. fam. I 1, 3 J 

legung bedurften, besonders bei Friedensvertra- hel bekanntlich durch; vorher war der Aut- 
gen, ftir die er der endgultige Schiedsrichter war 10 trag dem Lentulus in Kilikien tibertragen wor- 

(Liv. XXXI 11, 5. XXXIX 24, 13. 29, 1). In den: Dio XXXIX 12. Cic. a. 0. Rab. post. 6). 

Ausiibung der allgemeinen Oberauf sicht liber Ver- Die Geschaf te der ankommenden Gesandten be- 

tragsbeziehungen verhinderte er auch unerlaubte standen in der Tat in Angelegenheiten der inne- 

Dienstleistungen (Liv. XLIII 17, 2) und regelte len Verwaltung. Andererseits griffen die auBer- 

die Forderung von Truppen (Liv. XXXVI 1, 8, s. ordentlichen Machtbefugnisse, Krieg undFrieden, 

Taubler I 136). und bindende Vertrage zu schlieBen, die grofien 

Abgesehen von besonderen Vertragen voruber- Befehlshabern durch Gesetz verliehen wurden 

gehender Natur (z. B. Vertrag liber Getreide Liv. (dem Pompeius Appian. Mithr. 97; dem Crassus 

XLIV 16, 2; liber Hilfstruppen XXXII 39, 10; und Pompeius Dio XXXIX 33; dem Diktator 
Austausch von Gefangenen XXII 23, 6) waren 20 Caesar Dio XLII 20; vgL Will ems II 516) 

die Beamten im Feld befugt, Vertrage zu schliefien, ernstlich in die KontroUe und Leitung der Diplo- 

die auf dauernde Einigung mit fremden Volkern matie durch den S. ein. Clodius mischte sich in 

abzielten (z. B. foedera mit Syphax Liv. XXIV sein anerkanntes Recht, Konige zu ernennen, ein 

48. XXVIII 18, 12; ein Centurio mit Gades Cic. (Cic. Seist. 56 lege tribunicia appellati reges a 

Balb. 34), Oder die Beziehungen zwischen Ge- populo), und vorher hatte Caesar dadurch, dafi er 

meinden im romischen Reich oder Nachbargebie- Pompeius' Ordnung des Ostens dem Volk ohne 

ten zu ordnen (z. B. Verordnung des Aemilius vorherige Billigung des S. direkt vorlegte (Ap- 

Paulus CIL F 614), aber diese Vertrage waren pian. bell. civ. II 13. Pint. Luc. 42; Pomp. 48. 

unsicher und konnten von jedem Nachfolger Dio XXXVIII 7), seiner Macht als wirklicher 
widerrufen werden (z. B. LucuUus' Verordnungen 30 endgiiltiger Schiedsrichter liber internationale 

in Asien von Pompeius Pint. Luc. 36. Strab. XII Vertrage einen StoB versetzt. Die formale Er- 

5, 33), wenn sie nicht vom S. bestatigt wurden neuerung der Vertrage, die von dem Dictator 

(so wurde die Anerkennung Massinissas bestatigt Caesar gnadig dem S. uberlassen wurde (SC My- 

Liv. XXX 15, 11, VgL 17, 12; der Vertrag mit tilen. Taubler I 46. 176; wahrscheinlich das 

Gades nach 128 Jahren! Cic. Balb. 34; Marcellus' SC lud. Joseph, ant. XIV 8, 5, ebd. 163f. Ro- 

acta in Sizilien Liv. XXVI 31, 10. 32, 6 und s t o v t z e f f Journ. rom. stud. VII 34f.) war nur 

Catos in Spanien Pint. Cat. mai. 11; der Vertrag eine Form, da Caesar die besonderen Bedingungen 

mit Astypalaia Taubler I 124. SuUas Verord- allein bestimmte. Der S. hatte schon seine spatere 

nung fur Oropos SC Crop. Syll.^ 747, ahnlich SC Rolle als Publikationsinstanz in auswartigen An- 
Straton. und SC Tab. Syll. or. 441. 442, vgL 40 gelegenheiten angenommen. 

Mommsen Herm. XXVI 145). Eine so be- 4. Finanzielle Angelegenheiten. 

statigte Verordnung war danach fiir Beamte im Wenn Polybios dem S. vollstandige KontroUe 

Feld verpflichtend, aber wenn sie nicht liberdies liber Einkommen und Ausgaben zuschreibt (VI 

vom Volk bestatigt wurde, war sie der Abande- 13 xal ycnQ rfjg doodov Tidorjg avrr] HQmsi ?ial trjg 

rung und dem Widerruf durch den S. selbst unter- i^odov TiaQaTtXrjaccog), hat er in verschiedener 

worfen (SC Crop. 8 to amd 7) ovy?ch]xog knsKVQoy- Hinsicht recht. Die S.-KontroUe liber Ausgaben 

osv ovxe [A,sza tavra b6y[A,axi ovyTilrjxov olkvqov war direkt; seine KontroUe liber Einkommen 

iysvrj'&rj). war verschieden, je nachdem es aus Steuern oder 

Vertrage liber Deditionen wurden, wie in der aus dem Einkommen aus Staatseigentum her- 
Natur der Dinge lag, regelmai^ig vom Feldherrn 50 stammte. Seine KontroUe liber das Staatseigen- 

geschlossen. trbergabe im Frieden und an den S. tum anderte sich, je nachdem es beweglich oder 

war die Ausnahme und auf die frlihe Zeit be- linbeweglich war und ob die Verfligung darliber 

schrankt (z. B. Liv. VII 31, 4). Die augenblick- widerruf lich war oder nicht. 

lichen militarischen Konsequenzen lagen in der Steuern. Die einzige sicher bekannte stan- 

Kompetenz des Feldherrn. Die politischen Folgen, dige Steuer wahrend der Republik — die vi- 

die sich von der Einrichtung als Halbblirger- cesima libertatis — wurde vom Volk im J. 357 

gemeinde bis zu bedingter Autonomic (s. Taub- beschlossen (Liv. VII 16, 7); aber da der Ertrag 

1 e r I 23f.), oder zur Organisation als Provinz nur verwendet wurde, um eine Reserve fur Not- 

erstreckten, wurden vom S. bestimmt, sowohl di- falle zu schaffen (aerarium sanctius Liv. XXVII 
rekt als auch durch Instruktionen und Bestati- 60 10, 11), berlihrte sie die gewohnliche Finanzver- 

gung der feldherrlichen Verordnungen (Liv. XXVI waltung nicht. Die Blirgersteuer auf Besitz (tri- 

32, 6. XXXVII 32, lOf. XLV 17, 7. Polyb. XXXVI butum) jedoch war keine stehende Steuer, son- 

4. Epist. Heracl. Syll.^ 618). dern eine besondere Auflage, ahnlich der Aus- 

Diese unaufhorliche diplomatische Tatigkeit hebung, die nur im Notfall angeordnet (so 

des S. nahm gegen Ende der Republik sehr ab. unterlassen Liv. V 27, 15. VII 27, 4. Plin. XXXIV 

Einerseits verwandelte sie sich mit dem aUmah- 23, vgl, Liv. IX 43, 6. X 46, 6) und sogar, wenn 

lichen Verschwinden der politisch abhangigen moglich, zurlickgezahlt wurde (Dionys. V 47. 

Machte tatsachlich in die Oberauf sicht uber ein XIX 16);. als eine in der Verfassung vorher- 



737 Senatus (Regierung) Senatus (Regierung) 738 

gesehene Mafinahme erforderte sie keine Zustim- Krongutes an die Volksversammlung zu iiber- 

mung des Volkes, aber als auBerordentliche Mafi- tragen (Pint. Tib. Gracch. 14. Liv. ep. 58. Flor. 

nahme erforderte sie fraglos seit alter Zeit die II 3, 2. Auct. vir. iU. 64, 5), war, wenn auch 

Bestatigung des S. (Mommsen St.-R. Ill legal, doch ein revolutionarer Einbruch in das 

1124), wie es besonders berichtet wird, als die Gebiet der senatorischen Tatigkeit, und nach 

Steuer erhoht (Liv. XXIIII 31, 1 duplex tributum, seinem Tode nahm der S. sich dieser Frage an 

vgl. XXIII 48) Oder eine ahnliche Auflage^ auf- und fuhr fort, die Provinz zu organisieren (Strab. 

gebiirdet wurde (Liv. XXIV 11, 7, vgL XXVI 35. XIV 646. Pint. Tib. Gracch. 21. Cagnat IGR 

XXIX 15, 9). Sehr selten bestatigte der S. auch IV 301. 1681). Es war ebenfalls der S., der das 
die Verwendung des Staatskredits (Polyb. I 59. 10 angefochtene Vermachtnis Alexanders von Agyp- 

Liv. XXIII 48, 9. Caes. bell. civ. Ill 32. Cic. ten annahm (Cic. leg. agr. II 41 auctoritatem 

Phil. X 26; das freiwillige Darlehen nullo ante senatus extare hereditatis aditae sentio) und der 

senatus consulto facto Liv. XXVI 36 zuriick- den Status von Kyrene festsetzte, als dieses dem 

gezahlt XXIX 16. XXXI 13. XXXIII 42, 3 muB romischen Volk durch Ptolemaios Apion (Liv. ep. 

bezweifelt werden). 70) vermacht wurde. Sicherlich war es auch der 

Staatsbesitz. Den Hauptposten des S., der das Vermachtnis des Nikomedes III. von 

Staatseinkommens machte jedoch nach der fak- Bithynien (Liv. ep. 93. Eutrop. VI 6. Appian. 

tischen Abschaffung des tributum im J. 167 (Plin. Mithr. 71) annahm. 

n. h. XXXIII 56. Cic. off. II 76. Val. Max. IV Gelegentliche Besitzerwerbung fiir den Staat, 
3, 8. Plut. Aem. 38) die Pacht fiir das Staats- 20 die vom S. geleitet wurde (Gran. Licin. 9 FL Cic. 

eigentum aus, besonders fiir Land. Die Pacht der leg. agr. II 82) geschah offensichtlich mehr aus 

Staatsbauten, z. B. der Aquaeducte (Front, aqu. politischen Griinden, als mit der Absicht, den 

94), war unansehnlich. Die Pacht der Staats- Besitz und das Einkommen des Staates zu ver- 

gelder wurde so gering geachtet, daB die Zinsen groBern. An der Neuerung, den Erwerb von 

der Staatsgelder in den Handen der publicani Besitz als eine Sache der Finanzpolitik einzu- 

oft vom S. nachgelassen wurden (Cic. Verr. Ill fuhren, war der S. unbeteiligt. Er wachte jedoch 

165. 168). iiber das einmal erworbene Eigentum, indem er 

Erwerbung von Staatsbesitz. Der von Zeit zu Zeit seine Grenzen innerhalb und 

wesentliche Bestandteil des Staatseigentums war auBerhalb von Rom festsetzte (Mommsen St.- 
Landj das durch Okkupation im Krieg erworben 30 R. Ill 1113. Will ems II 345). 

wurde. Solche Okkupation war an sich ein rein Ausbeutung desStaatseigentums. 

magistratischer Akt, wenn auch der S. infolge Durch Bestatigung der Verordnungen des Feld- 

seiner Kontrolle iiber auswartige Angelegenheiten herrn, die die Einkiinf te einrichteten und sonst 

den Status dieses Besitzes und so indirekt das durch die folgenden Feldherrn widerrufbar waren 

Einkommen daraus weitgehend bestimmte. Be- (Liv. XXXIV 21, 7, vgl. Plut. Cat. mai. 11), und 

wegliche Beute, die zu alien Zeiten ein wichtiger durch Anweisungen an senatorische Kommissio- 

Teil des Staatseinkommens war, stand gesetzlich nen, die die Provinzen organisierten, iiberwachte 

2iur Verfiigung des Feldherrn (Liv. V 22, 1. VII der S. die anfanglichen Einrichtungen zur Aus- 

16, 3. Oros. V 18, 26 nihil Pompeius ex ea egenti beutung der Provinzen, Roms Haupteinkommens- 
mrario contulit; Willems II 367), gewohn- 40 quelle als Weltmacht, und er fiihrte spatere Ande- 

lich jedoch wurde sie wenigstens zum groBeren rungen in den so festgesetzten Einkiinf ten durch. 

Teil der Schatzkammer und so der Kontrolle des Er anderte so das Staatseinkommen, indem er 

S. iibergeben (z. B. Liv. X 46, 5. XXXVIII 23, 10. widerrufliche Immunitat (decret. Pauli CIL P 

Plin. n.h. XXXIII 56). Schenkungen(Getreide Liv. 614 dum poplus senatusque vellet. Appian. Hisp. 

XXII 37. XXXI 19,4. XXXVI 4, 9; Waff en XLIII 6, 44) an Stadte (Marquardt Staatsverw. P 76. 

10; Weihungen an die Gotter XXII 32. XXVIII 39, Appian. a. 0. Cic. off. Ill 87. SC. Stratonic. SyU. 

18. XLIV 14, 3. SC Thisb. Syll.^ 646. SC Strato- or. 441; in der leeren Form der Bestatigung noch 

nic. SyU. or. 441 III. SC lud. Joseph, ant. XIV 8, 5) im zweiten Triumvirat SC Plaras. Aphrod. SyU. 

wurden (Geld fiir den SchatzwurdeLiv. XXII 32, 9. or. 455) oder an Einzelpersonen verlieh (Diod. 
36, 9. 37, 11. XXX 21. XXXV 4 regelmaBig ab- 50 XIV 93. SC Asclep. CIL P 588), und indem er 

gelehnt) vom S. im Laufe seiner Fiihrung der besondere Abgaben erlieB (bell. Hisp. 42) oder in 

auswartigen Angelegenheiten angenommen oder Notf alien Zehnten auferlegte (Cic. Verr. Ill 42, 

abgelehnt. Fraglos war es auch die Befugnis des Beispiele Liv. XXXVI 2, 13. XXXVII 2, 12. 

S., iiber die Annahme von Vermachtnissen von 50, 9. XLII 31, 8. XLI 17, 2. Cic. PhU. X 26). 

Kronland (xcoQa paodixi^) und Kronschatzen an Innerhalb Italiens war der Anteil des S. an 

das romische Volk, die dem Vermachtnis von der Organisation des Staateigentums gering. Er 

Konigreichen gleichkam, das im letzten Jahrhun- bestimmte den Anteil des okkupierten Landes, 

dert der Republik einen wichtigen Posten der der zu Staatsdomane hinzugefugt und dem Be- 

Reichserweiterung bildete, zu bestimmen und iiber siegten gelassen wurde, bestatigte den Verkauf 
ihre Verteilung zu verfiigen. Das erste dieser 60 von Teilen des Staatslandes durch die Quaestoren 

Vermachtnisse, das bekannt ist, war im J. 155 (Marquardt Staatsverw. IP 155) und hatte 

das des Ptolemaios Neoteros, Konigs von Kyrene, wenigstens die Aufsicht iiber die Okkupation und 

der spater als Ptolemaios VIII. Agypten be- Benutzung von ungebrauchtem Land fiir ein 

herrschte (0 1 i v e r i o Stele di Tolomeo, Bergamo Zehntel des Gewinns (Appian. bell. civ. I 7. 

1932). Das zweite war das des Attains III. von Marquardt St.-Verw. P 98, aber vgL Ro- 

Pergamon im J. 133 (SyU. or. 338. Flor. I 35, 2). s t o v t z e f f GeseUsch. u. Wirtsch. I 17. Frank 

Die Bemiihungen des Ti. Gracchus, die Entschei- Econ. Hist.2 97f.). Der Beweis dafiir, daB er an 

dung liber die Annahme und die Verteilung des der Ausbeutung des tJbrigen teUnahm in der 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 24 



739 Senatus (Eegierung) Senatus (Eegierung) 740 

Auferlegung von portoria und Miete fiir Ein- dieser Regel zweifelhaft oder geringfiigig. Da bei 
kiinfte, ist nicht ausreichend (anders Mo mm- Kolonieanweisung der BeschluB des Volkes ge- 
sen St.-R. Ill 1117. Will ems II 342). An- wohnlich die vorherige und wirklich gultige Ent- 
geblich errichtete der S. das Salzmonopol, das scheidung des S. nur bestatigte (Mommsen 
spater regelmaBig verpachtet wurde, und schaffte St.-R. II 626), so wird die Erwahnung des be- 
am Anfang der Republik die portoria ab (Liv. II statigenden Gesetzes natiirlich oft vernachlassigt 
9,6. Mommsen St.-R. Ill 1115). AberdieCensoren (Liv. VIII 16, 14. IX 28, 8. XXXVII 46, 10. 
waren ohne Frage berechtigt, portoria auf eigene XLIII 17, 1) und, da bei Assignationen an ein- 
Initiative bin (Liv. XL 51, 8; die Anteilnahme zelne gewohnlich die Opposition des S. gegen die 
des S. bei der Einrichtung eines portorium in 10 Volksagitation beachtenswert war, so erforderten 
Castrum war beschrankt auf die Grundung der die, dieintJbereinstimmungmiteinenxS.-BeschluB 
dortigen Siedlung Liv. XXXII 7, 3) einzurichten gemacht worden waren, offenbar keine Erwah- 
und, wahrend langfristige Pachten sicherlich am nung des bekraftigenden Plebiszitums (W i 1 - 
bequemsten durch Bestatigung des S. geschiitzt 1 e m s [II 348] Sammlung von gegensatzlichen 
werden konnten, so wird doch kein Beispiel an- Beispielen muB so erklart werden). Nach dem 
gegeben (die plebiscita ex SO, die ftir die Ver- Hannibalischen Krieg wird von einigen person- 
pachtung des Campanerlandes verlangt wurden lichen Landschenkungen beriehtet, die vom S. 
[Liv. XXVII 11, 8. XLII 19, 1], beruhten auf der allein gemacht worden sein soUen (an den be- 
eigentiimlichen Rechtslage des Landes: Momm- freundeten Makedonier Onesimus Liv. XLIV 
sen St.-R. Ill 1112). Obgleich der S. anderer- 20 16, 7; an Vatinius Cic. nat. deor. II 6. Ill 13); 
seits nicht direkt an der Ausbeutung fiir Staats- ob diese Schenkungen und die Verleihung von 
einkunfte teilnahm, benutzte er doch das Staats- Landern mit latinischem Recht an die spanische 
land fiir Zwecke, die sonst Ausgaben erfordert Kolonie Carteia (Liv. XLIII 3) Usurpationen 
batten, indem er seine widerrufliche VerauBerung waren oder durch ein nicht erwahntes Gesetz be- 
gegen Nominalpacht an Staatsglaubiger anordnete statigt wurden, kann man nicht entscheiden. 
bis zu der Zeit, wo die Anleihen zuriickgezahlt Widerrufliche VerauBerung ohne Entschadigung 
werden konnten (trientabulaLiv.XXXllS.CILl^ lag in der Kompetenz des S. (Lex agr. GIL P 
p. 90), und an die vicasiei vicanei (a. 0. Lex agr. 585 XXXI poplice deve senati sententia ager 
GIL P 585 XII) fiir die Erhaltung der Staats- fruendus datus. Gic. leg. agr. II 57); er iibte auch 
straBen. 30 ein unbestrittenes Recht aus. Land zu Verwal- 

Seine Unterdriickung des Bergbaues und folg- tungszwecken zu benutzen, wie damals, als er 

lich der Verpachtung von Bergwerken (Plin. n. h. samnitisches Land an zwei Stamme der ver- 

XXXIII 78. GIL V p. 715) in Italien (Plin. Ill piianzten Ligurer verteilte (Liv. XL 48, vgl. 

138) beeinfluBte die Staatseinkiinfte, aber nur als Mommsen St.-R. II 625, 2). Im wesentlichen 

beilaufige Folge einer in agrarischem Interesse iihnlich war seine Bewilligung von Landnutzung 

getroffenen MaBregel (Suppl.-Bd. IV S. 152). als Entgelt ftir die Aufsicht iiber StraBen. 

Die regelrechte Handhabung der Finanz- Unwiderrufliche VerauBerung mit Vergiitung^ 

maschine wurde, als sie einmal in Gang war, den in Form von Verkauf, obgleich natiirlich inner- 

Gensoren tiberlassen (Mommsen St.-R. II 434). halb der Zustandigkeit des Volkes (z. B. Gic. leg. 
Der S. konnte vermoge seines allgemeinen Auf- 40 agr. II 35. 38. 50), erforderte nicht dessen Zu- 

sichtsrechtes nur bei auBerordentlichen MaBregeln stimmung, und die Gensoren konnten in der Aus- 

einschreiten. Er anderte jedoch in dieser Weise iibung ihrer Verwaltungsautoritat iiber den Staats- 

die Bedingungen, unter denen Verpachtungen besitz offensichtlich nach eigenem Gutdtinken ver- 

stattfanden, indem er einen Teil der Verpachtung kaufen (Liv. XXXII 7, 3. XL 51, 5. XLI 27, 10). 

des sizilischen Zehnten von Sizilien auf Rom Verkauf in Notfallen jedoch durch die Quaestoren 

ubertrug (Gic. Verr. Ill 18), und gelegentlich erforderte Bewilligung des S. (Liv. XXVIII 46, 4. 

anderte er die Kontrakte mit den publicani. Er Gic. leg. agr. II 36. Appian. Mithr. 22). 

konnte einer seits die Kontrakte der Gensoren Uber/alle beweglichen Werte jedoch verfugte- 

vernichten und sie neu machen lassen (Liv. XXXIX der S. f rei und endgiiltig aus dem einf achen Grunde, 
44, 8, vgL XLIII 16, 3. Gic. Att. I 17, 9; Qu. fr. 50 daB diese kein bedeutsames Einkommen brachten. 

II 11, 2), andererseits erforderte Anderung ein- Da innerhalb dieser Kategorie die Romer keinen 
mal gemachter Kontrakte seine Zustimmung (Po- Unterschied machten zwischen anderen Wert- 
lyb. VI 17. Dio. XXXVIII 7. Frank Econ. Hist,2 objelten und Geld, so hatte der S. die gesamte 
282), und wenn es auch immer moglich war und Verwaltung der Staatskasse. In diese KontroUe 
im J. 169 versucht wurde (Liv. XLIII 16), so er- mischte sich das Volk zum ersten Male in der Zeit 
reichte das Volk die Anderung eines Vertrages der Gracchen indirekt ein durch das erste in der 
angesichts der Weigerung des S. nicht vor Gae- Reihe der Korngesetze, das Ausgaben aus der 
sars erstem Gonsulat (Appian. bell. civ. II 13). Staatskasse erforderte. Direkt wurde erst Sulla 

VerauBerung des Staatseigen- (Sail. hist. I 55, 13. Maur. 25) und nach ihm 
t u m s. Die unwiderrufliche VerauBerung von 60 Pompeius (Dio XXXVI 37. Plut. Pomp. 25) und 

Staatsland ohne Entschadigung erforderte einen anderen Feldherrn Zutritt zur Schatzkammer 

BeschluB des Volkes (Mommsen St.-R. II 624. durch Gesetz gegeben. 

III 1119); bis zum Ende der Republik, als bei Der S. verauBerte unterschiedslos Wertobjekte, 
der Demoralisierung der Versammlungen der S'. die dem Staat gehorten, indem er verordnete: das 
sich das Recht auf bedingungslose Verfiigung iiber Schmelzen von geweihten Schmuckstiicken, um 
Staatsland aneignete (Cic. Phil. V 53. VII 10. IX Sold zu beschaffen (Val. Max. VII 6, 4. Dio XLI 
17; fam. XI 20, 3. 21, 5. Mommsen St.-R. 6), die Freilassung von verdienten Staatssklaven 
II 625, 1. Ill 1120, 2), sind Ausnahmen von (Mommsen I 322. Plut. Gat. min. 39), Gabeii 



741 Senatus (Eegierung) Senatus (Eegierung) 742 

von Kriegsmaterial (Liv. XLV 43, 10), Geschenke Bezahlung verantwortlich gemacht wurde, und so 

von Gewandern und Schmuck an fremde Prinzen der Kontrolle des S. entzogen. Von dieser Art 

(z. B. Liv. XXVII 4, 7. XXX 17, 13. XXXV 23, waren die Geldmittel, die den Veranstaltern der 

11), an Gesandte (Liv. XLIV 14, 2), an Tempel festen Spiele regelmafiig bewiUigt wurden 

(Liv. XXVIII 45, 12), und er benutzte das Staats- (M o m m s e n St.-R. II 61, 1. W i 1 1 e m s II 389), 

geld direkt ftir Freigebigkeitsakte, indem er ver- und der Lohn fiir die apparitores der Beamten, 

ordnete: Ervsrerbung und Freilassung von ver- nachdem dieser durch Gesetz festgesetzt worden 

dienten Sklaven aus Privatbesitz (Liv. XXIV 14, war (Mommsen St.-R. 1334,3). Diese Summen 

8, vgl. 18, 12. XXXII 26, 14), Erwerb von Ge- konnten dieGlaubiger anscheinend direkt aus der 
schenken an fremde Prinzen (Liv. XLV 14, 6. 10 Schatzkammer einsammeln (Mommsen St.-R. 

44, 18), Mitgiften fiir die Tochter angesehener III 1129; wahrscheinlich auch die Kapitalsumme, 

Burger (Zonar. IX 3. Val. Max. IV 4, 10. Front. die den Vestalinnen bei ihrer Wahl gewahrt 

Strat. IV 3, 15; obgleich von zweifelhafter ge- wurde, und die Summe ftir die euriones Momm- 

schichtlicher; Wahrheit, so beleuchten diese Falle sen St.-R. II 65. M a r q u a r d t Staatsverw. IP 

doch die grundsatzliche Macht des S.), Belohnun- 80). In auBerordentlichem Umfange war jedoch 

gen (fiir Enthtillung von Verbrechen Liv. XXXII die Bestatigung des S. erforderlich, und fiir jede 

26, 14. XXXIX 19, 3. Appian. bell. civ. I 54. einzelne Ausgabe wurden besondere Verordnungen 

Sail. Cat. 30; fiir Tapferkeit Liv. XXIII 20, 2, getroffen. Das war natiirlich fiir auBerordentliche 

Cic. Phil. XIV 38), Entschadigungen (Cic. Att. IV Ausgaben notig, wie fiir die, die mit Gesandt- 
2, 5), Losegelder (Liv. XXII 23, 7. 60, 3), Staats- 20 schaften und Schenkungsakten zusammenhingen. 

begrabnisse fiir Gesandte oder konigliche Ge- In ahnlicher Weise bestimmte der S. die Aus- 

fangene (Val. Max. V 1, 1, vgl. Liv. XXX 45, 4. gaben fiir auBerordentliche religiose Feiern und 

Plut. quaest. Rom. 43, s. Suppl.-Bd. Ill S. 530) Opfer, die er anordnete, gewohnlich und bis J. 200 

und am Ende der Republik fiir Biirger (Appian. ausnahmslos, in einer Summe, die am Tage des 

bell. civ. I 105. Val. Max. V 2, 10. Cic. Phil. IX Geliibdes . festgesetzt und bereitgestellt wurde 

14. XIV 38, vgl. Dio XLVI 38). Indirekt ver- (Liv. XXXI 9, 10, vgl. XXXVI 2. XLII 28, 9. 

auBerte er Staatsgeld, indem er die Zinsen fiir XLV 16, 7). Nach seinem Belieben bewiUigte 

Summen, die die publicani (Cic. Verr. Ill 168) (Liv. XXXIX 5, 10. XL 52, 1) oder verweigerte 

schuldeten, nachlieB. er (Liv. XXXVI 36, 2) den Beamten Summen fiir 

Ausgaben. Die Methode des S., Ausgaben 30 die Kosten der Geliibde, die sie vorgenommen 

zu beschlieBen, war, da er keine direkte Aufsicht hatten, und fiir die sie verantwortlich waren. In 

iiber die das aerarium verwaltenden Quaestoren ahnlicher Weise bestimmte und bewiUigte er Zah- 

hatte, notwendigerweise indirekt. Er ersuchte lung von Ausgaben, die auBerordentlichen Kom- 

den vorsitzenden Beamten, den Quaestoren zu be- missionen gewahrt wurden (Plut. Ti. Gracch. 13). 

fehlen, eine bestimmte Zahlung zu leisten (Cic. Aber sogar, wenn Ausgaben indirekt durch Ge- 

Phil. IX 16. XIV 38. SC Narthac. Prien. scaen. setz obligatorisch waren, beschloB der S. doch die 

Graec. Mithylen. Syll.^ 674. 688. 705 C. 764. notwendigen Summen. Von dieser Art waren die 

Astypal. IGR IV 1038; Stratonic. SyU. or. 441. durch die Korngesetze erf orderten Summen (Wil- 

Asclep. CIL P 588). In der friihen Republik ver- lems II 383f. Marquardt Staatsverw. IP 114, 
fiigte der Oberbeamte fraglos genau wie der 40 z. B. Cic. Qu. fr. II 5, 1) und die Bewilligungen 

Konig frei iiber den Staatssehatz (Mommsen fiir Reise und Unterhalt, die auBerhalb der Stadt 

St.-R. II 131), und sogar in Polybios' Zeit hatte tatigen Beamten gewahrt wurden (viatieum, va- 

der Consul theoretisch noch das Recht, ohne S.- sarium, frumentum in cellam Mommsen St.-R. 

BeschluB den Quaestoren zu befehlen, Zahlungen I 294f. Marquardt Staatsverw. IP 101. 

fiir seine eigenen Ausgaben zu leisten (Polyb. VI WillemsII 404. 427; ob diese Zuschiisse durch 

13; dies deutet Madvig Verfassung I 358 an- Gewohnheit festgesetzt waren [Liv. XXX 17, 13 

sprechend als Ausriistungsgeld des Consuls). In suppellectilem qualem praeberi eonsuli mos esset] 

der Praxis jedoch machten die Consuln in keinem oder durch Gesetz [Cic. Verr. IV 9 vestem, prae- 

iiberlieferten Fall der historischen Zeit Gebrauch bebatur enim legibus], ist unbestimmt; aber in 
von diesem Recht (Will ems II 437; s. beson- 50 jedem Fall waren es feste und dauernde Lasten). 

ders Liv. XXVIII 45, 14. XXXVI 36, 1), und alle Da ferner in der Theorie das FuBheer kein 

anderen Ausgaben erforderten ausdriicklich die stehendes Heer war, sondern jedes Jahr mit Er- 

Zustimmung des S. (Polyb. VI 13 ovzs yaQ sig laubnis des S. neu geschaffen wurde (Momm- 

xag Kara fisQog ;^^«/a? ovdsfj,iav noieiv s^odov ol sen St.-R. Ill 1072), so verordnete der S. regel- 

xafjLiai bvvavtm xcoQlg tcbv rfjg ovyKXrjxov doyfj,d- maBig jedes Jahr die Bezahlung der Truppen 

zcov TtXrjv xTjv sig rovg vTzdtovg; vgl. Cic. Vat. 36). (Mommsen St.-R. Ill 1097. Willems II 

Uberdies wurde der friihe Versuch, eine be- 418), und hier und da bestimmte er ihre Ver- 

standige Fiirsorge fiir stehende Ausgaben durch proviantierung. Urspriinglich war der Consul viel- 

Ausstattung sakraler Einrichtungen und Bestim- leicht ermachtigt, den Gesamtbetrag des Soldes, 
mung gewisser Einnahmen fiir gewisse Zwecke 60 der automatisch berechnet wurde, einzuziehen, 

zu treffen (Mommsen St.-R. II 67f. Ill 256. vermoge des Beschlusses, der seine Armee ohne 

Marquardt Staatsverw. IP 82f. 172), nicht weitere Bestatigung des S.s schuf. Aber spater 

fortgefiihrt. Die groBe Masse der offentlichen wenigstens bestimmte der S. im einzelnen das 

Ausgaben wurde aus den flieBenden Geldmit- Geld fiir den Sold der consularischen Armeen 

teln des aerarium bestritten und so vom S. (SaU. lug. 27) sowie der Armeen im Feld (Liv. XL 

kontroUiert. Andererseits wurden dem aerarium 35, 4; fiir Caesar Cic. prov. cos. 28; fam. I 7, 10; 

sehr wenig Ausgaben direkt auferlegt in dem fiir Pompeius Cic. fam. VIII 4, 4; in der Finanz- 

Sinne, daB der Staat automatisch fiir eine stehende not des J. 209 setzte der S. fest, wie verfiigbares 



743 Senatus (RegieruDg) Senatus (Regierung) 744 

Geld unter die Armeen verteilt werden sollte, schatzes ab. Die festgesetzte Summe wurde im 

Liv. XXVII 10, 12). Er bestimmte sowohl die Schatze dem Censor gutgeschrieben {attrihuta 

Vorrate, die ihnen, wenn sie Yon Rom auf brachen, GIL F 808). Davon bezahlten sie die festen 

mitgegeben wurden (Sail. lug. 27. 84. 86), als auch Ausgaben. Den Rest, wie groB immer der Betrag 

die ihnen nachgeschickt werden sollten, wenn sie war, durften sie zu neuen Bauten verwenden 

schon im Feld waren (z. B. Liv. XXIII 48, 5. (Mommsen St.-R. Ill 1140). Die Art der Arbeit 

XXVI 2, 4. XXXVI 3, 1. XXXVII 2, 12. XLIII war ihrem Gutdiinken iiberlassen, obgleieh der S. 

6, 10. Sail. hist. II 98 Maur. 101). gelegentlich Vorschlage machte (Liv. XXXVI 36, 

Bis zu einer verhaltnismafiig spaten Zeit wur- 4. XLI 27, 11); wenn ihm dagegen ein Bau mi6- 
den die Vorrate regelmaBig in Natura beschafft, 10 fiel, auf dem die Censoren bestanden, konnte er 

und die Aufgabe, sie zu beschaSen^ Lieferanten ihn vernichten lassen (so das erstej Steintheater 

iiberlassen, nachdem der S. diese bewilligt hatte im J. 154, Liv. ep. 48. Oros. IV 21, 4). Aus- 

(Liv. XXIII 48. XLIV 16); gelegentlich machte nahmsweise, wenn Censoren nicht im Amt waren, 

der S. zu diesem Zweck Gebrauch von einer betraute der S. eine vom Volk erwahlte Kom- 

Schenkung aus dem Ausland (z. B. Liv. XXX 19) mission oder einen anderen Beamten mit einem 

Oder von besonders auferlegten Zehnten (Liv. bestimmten Bau (Will ems II 399. CIL VI 

XXXVI 2, 13. XXXVII 2, 12), und ebenso be- 110. 1275. 1313f.). In diesem Fall bewilHgte er 

statigte er die Bezahlung von Lieferungen, iiber ausdriicklich das fiir den Bau erforderliche Geld 

die ein Feldherr auswarts einen Vertrag geschlos- (so dem Praetor Marcius ftir die aqua Marcia im 
sen hatte (Liv. XLIV 16, 2). Aber nattirlich konnte 20 J. 144, Front, aqu. 7 in haec opera Marcio decre- 

er alle Ausgaben eines Heeres zusammenfassen turn liS milies octingenties), und wenn es notig 

und sie in einer Summe bewilligen (Cic. Verr. I war, dehnte er die Amtsdauer des Beamten zur 

34, vgl. 36. Plut. Luc. 13; Pomp. 55 %iUa id- VoUendung eines Baues durch Verlangerung aus 

Aarra Xafxfidvsiv xad"^ sKaorov sviavrov dq>^ d>v (Liv. XLV 15, 9. Front, a. 0.). 

'&Qsyjso Tcal bioiHrjoei to oTQazicotixov), und ahn- Mtinzpragung. Die Normen fiir die 

lich konnte er die ganzen Jahresausgaben eines Miinzen waren durch Gesetz festgelegt. Alle An- 

Provinzialstatthalters kombinieren (Cic. Att. VII derungen des Systems, liber die wir genaue Kennt- 

1, 6). Dieses Geld konnte entweder an den Quae- nis besitzen, wurden durch Beschliisse des souve- 

stor des Statthalters in Rom (Cic. Verr. I 34. ranen Volkes sanktioniert. Die wirkliche Emis- 
Sall. lug. 104) bezahlt oder als bares Geld 30 sioh fiel Exekutivbeamten zu. Gewohnlich waren 

nach auswarts geschiekt werden (Liv. XXIII 38, das die Mtinzmeister {lllviri aere argento auro 

12, vgl. XL 35, 4), aber ebensogut konnte der S. flando feriundo), der Tradition nach um 289 ein- 

den Befehlshaber oder Statthalter auf die dem gesetzt. Aber eine grofie Menge von anderen Be- 

Staat gebtihrenden Einkiinfte verweisen (Plut. amten pragte bei Gelegenheit Miinzen, in Rom und 

apophth. Seip. min. 15. Asc. 57 St. Cic. Phil. in den Provinzen. Es ist sehr wahrscheinlieh, dafi 

X 26), besonders auf Gelder in Handen der publi- bis in die spate RepubKk jede Emission vom S. 

cani, auf die ihm eine Anweisung gegeben wurde angeordnet und beaufsichtigt wurde, der regel- 

{publica permutatio Cic. fam. Ill 5, 4; Att. V maBig fur die gesamten Finanzen verantwortHch 

4, 2; Verr. Ill 165. Plut. Pomp. 25). war, und in der Tat laBt die Legende SO oder ex 

Der romische Staat kannte kein einheitlich 40 SO, die auf gewissen Spezialemissionen von Mtin- 

durchgeftihrtes Budget. Am nachsten kommt ihm zen um J. 100 und spater erscheint, keinen Zweifel 

die jahrliche ornatio provinciarum, verbunden an der kontrollierenden Autoritat des S. Aber in 

mit der fiinf jahrigen Bewilligung eines Pausch- der spaten Republik von ungefahr 84 an wurde die 

kredits an die Censoren fiir dauernde Ausgaben provinzielle Mtinzpragung praktisch unabhangig 

ftir das Gemeinwesen, einschlieBlich der Auf recht- von Rom, ein Kennzeichen ftir die Emanzipation 

erhaltung der offentlichen Gebaude und anderer der Feldherrn von der Kontrolle des S. Die Miin- 

Staatszwecke, und fur neue Gebaude (uUro tri- zen wurden vom Proconsul oder Imperator ver- 

buta), moge seines Imperiums gepragt, zuerst oft mit 

Wahrend bei den Ausgaben des Consuls der der ehrerbietigen Legende ex SO und in der 

5. nur seine Zustimmung zu der Entnahme von 50 Theorie der Kontrolle des S. unterworfen, aber 
Geldern aus dem Schatz gab, die der Consul sich spater ohne Beachtung der Autoritat des S. 
vom Quaestor auszahlen lassen konnte, erhielten (Mattingly Roman Coins 281 Journ. rom. 
die Censoren von Anfang an wie Empf anger der stud. VII 59; anders Mommsen St.-R. Ill 
Gastfreundschaft oder Freigebigkeit des Staates 1142). Aus dieser Praxis entstand die kaiser- 
ihre Bewilligungen nur auf Grund der Bestati- liche Mtinzpragung. 

gung des S.s (Polyb. VI 13 r^g xe naQa noXv rcbv 5. Aufsicht tiber das Inner e. A. Die 

aXXcov dXoaxsQsotdxTjg xal fA,£yloxr}g daTidvrjg ^V Regierungsmaschine. 1) Gtiltigkeit 

ol xiiJLYjxai noiovGiv elg xdg eniGxsvdg xal p^ara- der Beschliisse des souveranen Vol- 

GHevdg xcbv brKJLoolwv naxh jz€vxaexr)Qi8a, xavxrjg k e s. Wahrend^ keine Korperschaft nach der tat- 
^ ovyxXfjxdg ioxi KVQla xal did xavxrjg ylvsxai x6 60 sachlichen Abschaffung der patrum auctoritas un- 

Gvyx(bQrjfjia xdlg xifj,r]xaig). Es war romische Po- bedingte Aufsicht iiber die GesetzmaBigkeit von 

litik, den tTberschuB in der Staatskasse auBer der Gesetzen und Wahlen hatte, konnte der S. auf 

KriegsreservQ fur offentliche Bauten zu verwen- erfahrenen Rat der Auguren einen Beamten als 

den (Mommsen St.-R. Ill 1136). Die Gesamt- vitio creatus erklaren und ihn deshalb wie aus 

bewilligung, die der S. festsetzte (manchmal in- jedem anderen AnlaB (z. B. Cic. Cat. 3,14. Sail, 

direkt, Liv. XL 46, 16 ein Jahreseinkommen; Cat. 47 der Fall des Lentulus. Liv. V 31, 8) er- 

XLIV 16, 9 ein Halbjahrseinkommen) hingen suchen, abzudanken (Liv. XXII 33, 12, vgl. 34, 3. 

dementsprechend von dem Stand des Staats- XXIII 31, 13. Val. Max. I 1, 3. Cic. nat. deor. 



745 Senatus (Eegierung) Senatus (Eegierung) 746 

II 10. Plut. Marc. 5). Diesem Ersuchen gab der S.s. Er uberwachte jedoch die Verteilung der 

Beamte, wenn es ihm auch gesetzlich frei stand, Befugnisse unter gleichgestellte Beamte, nicht 

sich zu weigern (Liv. V 9, 3. XXI 63), fast immer nur unter Consuln und Praetoren (s. o. Pro- 

nach. Der S. konnte Gesetze indirekt aufheben vinzen), sondern auch unter Quaestoren (Cic. Verr. 

und tat es, indem er den Beamten, denen die I 34; Qu. fr. II 3, 1). Gelegentlich wies er den 

Handhabung des Gesetzes zufiel, erklarte, daB sie Quaestoren ihre Provinz extra sortem an (Liv. 

ungiiltig seien (ea lege non videri populum te- XXX 33, 2. Cic. Phil. II 50) oder nahm ihnen 

neri Asc. 55 St. Cic. dom. 40 f.; Phil. XII 12. eine schon zuerteilte Provinz ab (Cic. har. resp. 

M m m s e n St.-R. Ill 367, Beispiele Cic. leg. 43). Er wies Beamten besondere auBerordentliche 
II 14. 31. Diod. XXXVII 4. Dio XXXVI 42). 10 Aufgaben, die tiber ihre regelrechte Zustandigkeit 

2) W a h 1 e n. Die Entscheidung, die vor den hinausgingen, mit groBer Freiheit zu (z. B. einem 
licinischen Gesetzen technisch in den Handen der Consul Entwasserung der Pomptinischen Sumpfe 
Oberbeamten lag, ob Consuln oder Consulartri- Liv. ep. 46, Praetoren den Ban der Aqua Marcia 
bunen gewahlt werden sollten, wurde nach den Front, aqu. 7, Beseitigung der Heuschreckenplage 
AnnalistentatsachlichvomS. getroffen (Liv.IV 12, Liv. XLII 10, 8, Inspektion von Barta tecta Cic. 
4. 42, 2. 50, 7. 55, 5. V 29, 2). Obgleich Fragen Verr. I 130, auBerordentliche NacMorschungen 
Tiber Wahlbarkeit vonHaus ausbei dem Beamten, Liv. XXXII 1, 7. XL 37, 4. XLV 16, 4). 

der die Wahl abhielt, und einem consilium lagen, 4) Gesetzgebung. a) Aufsicht. Das 

so wurden doch die, in denen ein Grundsatz in Gewohnheitsrecht der Vorberatung gab dem S. 
Frage kam, gewohnlich dem S. zur Entscheidung 20 Aufsicht tiber alle leges; seine Macht, plebiscita 

vorgelegt (Liv. XXVII 6, 9. XXXII 7, 11. XXXIX zu iiberwachen, wechselte mit der KontroUe tiber 

39, 6). Er sah darauf, daB Wahlen regelmaBig die Tribunen, obgleich in der Zeit seiner unbe- 

stattfanden, indem er einen Consul zurtickrief strittenen Herrschaft vier Tribunen sogar Ein- 

oder im voraus fiir seine rechtzeitige Anwesen- spruch gegen ein plebiseitum erhoben, aus dem 

heit sorgte (Liv. VIII 20, 1. XXV 41, 9. XXVII 4, 4. Grunde, daB es vorher dem S. nicht vorgelegt 

XXXV 20, 2. 24, 2) oder einen Dictator ernannte worden war (Liv. XXXVIII 36, 8). Aber seine Wir- 

(Liv. VII 21, 9. XXII 33, 11. XXVII 5, 14; sogar, kung auf die Gesetzgebung war nicht auf kri- 

wenn ein Consul anwesend war, XXVIII 10, 1), tische Aufsicht beschrankt. Nicht als Staatsrat, 

der sie abhielt. Durch dieses Mittel und auch wie Herzog (System I 955) richtig bemerkt, 
durch Herbeiftihrung eines Interregnum (Liv. VIII 30 sondern als RegierungskoUegium veranlafite er 

23, 13. XXII 33, 9. M m m s e n St.-R. Ill 1178) bestandig Gesetze und Plebiscita in der Form des 

entschied er oft die wichtige Frage des Vorsitzen- Ersuchens an die unstandigen Beamten, dem Volke 

den. Durch ahnliche Instruktionen setzte er die Vorsehlagevorzulegen,und obgleich die Notwendig- 

Zeit der Wahlen fest (Liv. XLIII 11, 3. Cic. Qu, keit der Volksbestatigung ein bedeutendes Hin- 

fr. II 7, 3; die Empfehlung, zu den Censoren- dernis in der romischen Verfassung blieb, so ent- 

wahlen zu schreiten, war ein ahnlicher aus der sprang der Hauptteil der Gesetzgebung z. B. tiber 

Oberaufsicht hervorgehender Rat: Liv. XXIV so wichtige Gebiete wie Kriegserklarung, die das 

10, 2. XXXVII 50, 7), die er nach Sulla, als die Volk nur einmal tiberhaupt zogerte zubestatigen 

Consuln regelmaBig in Rom waren, auch nach (Liv. XXXI 6, 3, vgl. IV 58) und Grtindung von 
seinem Belieben aufschob (Cic. Mur. 51; Att. IV 40 Kolonien (Mo mm sen St.-R. II 626), fraglos 

17, 3) aus der Initiative des S. 

3) Die Funktionen der Beamten. ^Solutio le gibus. Befreiung vom Ge- 
Die Wahl der Beamten auBer dem Dictator war setz fiir den Sonderfall war als ein Teil der Ge- 
ein Recht des Volkes. In der Praxis aber, wenn setzgebung ein Recht des Volkes, aber schon friih 
auch nicht gesetzlich, ernannte der S. durch Ver- wurde sie in Notfallen vom S. allein unter Vor- 
langerung und Ernennung von legati, besonders behalt der folgenden Bestatigung verliehen 
derer cum auctoritate (M o m m s e n St.-R. II (M o m m s e n St.-R. Ill 1229). Zuerst durch Ver- 
690), Verwaltungsbeamte und bestimmte ihre nachlassigung und zuletzt durch vollige Weg- 
Funktionen, und bis zum praktischen Verschwin- lassung der Bestatigungsklausel maBte sich aber 
den der Dictatur verschaffte er sich Beauftragte 50 der S. das Recht an, nach eigenem Willen vom 
ftir Verwaltungsakte, indem er die Ernennung Gesetz zu befreien, und in der nachsullanischen 
eines Dictators verlangte (M o m m s e n St.-R. II Zeit tibte er es ohne Rticksicht auf Dringlichkeit 
156). Nach Sulla tibernahm er, abgesehen von weitgehend aus. Im J. 67 v. Chr. lieB sich der 
seiner Verleihung des militarischen Kommandos, Tribun Cornelius, um diesem MiBbrauch ein 
das als personliches Mandat anvertraut wurde, Ende zu machen, der im allgemeinen von einer 
auBerdem das Recht, Befugnisse ohne RiLcksicht kleinen Gruppe kontroUiert wurde, nachdem er 
auf die legale Kompetenz des Beamten anzuwei- einen Antrag, die Befreiungen auf das Volk zu 
sen (Pompeius noch privatus nach Sizilien ge- beschranken, eingebracht hatte, auf ein Gesetz 
schickt cum imperio a senatu Liv. ep. 89; Cn. ein, das vorschrieb, daB Befreiungen nur vom 
Piso nach Spanien als quaestor pro praetore 60 Volk gewahrt werden sollten, wobei einerseits 
M m m s e n St.-R. Ill 1222. Willems II Interzession verboten und andererseits Initiative 
584). Dieses Recht lief auf eine Ernennung von des S. bei 200 Anwesenden notig war (Asc. 47 St. 
Beamten heraus. In derselben Epoche tibernahm Dio XXVI 39). In der praktischen Wirkung 
der S. die Rolle des Bauherrn (M o m m s e n St.- bestatigte dies Gesetz, da die Initiative allein von 
R. Ill 1136, 3) und wies sie irgendeinem Beam- Bedeutung war, das angemaBte Recht des S. zu- 
ten, der ihm paBte, an. Die Funktionen der regel- liebe einer nebensachlichen Form (SC prov. cos. 
rechten Beamten, sofern sie durch Gesetz einzeln Cic. fam. VIII 8, 5: si quid de ea re ad populum 
angegeben waren, waren keine Angelegenheit des ^i/.ve lato opus esset uti coss., praetores, tr. q. pL 



747 Senatus (Regierung) Senatus (Eegierung) 748 

quibus eorum mderetur ad populum pLve. fer- die vereinzelten Beispiele, die berichtet werden, 

rent). mehr beleuchtet als beschrieben. 

Beispiele von dieser negativen Form der Ge- 1. Polizeiliche MaBnahmen. Der S. 

setzgebung werden im Hinblick auf das trinum kiimmerte sich um die Sauberkeit der offentlichen 

nundinum (Liv. IV 58, 8. XXVII 33, 9. XLI 14, 3. Platze (Tab. Herael. CIL 12 593 Z. 50; SC pag. 

XLII 28, 1) und die Auspicien (Cic. Att. 1 16, 13), Mont. CIL VI 31 577, vgl. 31 614f.); um das Ver- 

die fiir Versammlungen erforderlich waren, ge- bot der Benutzung von Wagen in den StraBen 

nannt, Qualifikation fiir die Magistratur (Cic. (Liv. V 25, 9. Pint, quaest. Rom. 56), die Ein- 

imp. Pomp. 62; Phil. V 52, vgl. Val. Max. IV 1, fiihrung von afrikanischen Tieren (Plin. n. h. 
14), Hochstausgaben fur Begrabnisse (Cic. Phil. 10 VIII 64), eines stehenden Theaters (Val. Max. II 

IX 17), Reservierung des Februar fiir Anhoren 4, 2. Oros. IV 21, 4), und in Zeiten der Not um 

von Gesandtschaften (Cic. fam. I 4, 1) und das die Einschrankung der Trauer (Liv. XXII 56, 5. 

Verbot von S.-Sitzungen an Comitialtagen (Cic. XXIII 25, 2. Appian. bell. civ. I 43). Er erlieB 

fam. VIII 8, 5). Der S. gewahrte auch das not- auch Luxusgesetze, aber diese waren in ihrer An- 

wendige Privilegium fiir die promagistratischen wendung auf die Senatoren selbst beschrankt 

Triumphe (M o m m s e n St.-R. Ill 1233, 4, wo- (Gell. II 24). 

bei jedoch der Triumph des Pompeius imJ. 71 2. Wirtschaftliche MaBnahmen. 

ex senatus consulto Cic. imp. Pomp. 62 unter die Sein Interesse an der Wirtschaft wird beleuchtet 

tjbergriffe vor dem Cornelischen Gesetz zu rech- durch die Unterdriickung des Bergbaues inltalien 
nen ist), und indirekt befreite er durch Verleihen 20 aus Rucksicht auf die Agrarier (Plin. n. h. Ill 

von vacationes Einzelne von der gesetzlichen 138), durch den vereinzelten BeschluB, der die 

Pflicht zum Kriegsdienst (Cic. Phil. V 53). tTbertragung von Magos Werk tiber Ackerbau 

c) Verordnende Verftigungen. Ob- verordnete (Colum. I 1, 13. Plin. n. h. XVIII 22), 

gleich der S. wahrend der Republik nie befugt und durch gelegentliches Verbot der Ausfuhr von 

war, Gesetze zu geben, so entwarf er doch posi- Gold, Silber (Cic. Vat. 12; Flacc. 67) und Pferden 

tive Verwaltungsregelungen in Form von Ermah- (Liv. XLIII 5, 9); wahrscheinKch war auch derS. 

nungen an voUstreckende Beamte, die, wie der fiir das Verbot von Wein- und Olbau in der Nar- 

Inhalt zeigt, unmoglich von Gesetzgebung zu bonensis verantwortlich (Cic. rep. Ill 16). Das 

unterscheiden sind: er erlieB so Verordnungen, gelegentliche Einschreiten des Staates in Finanz- 
die sich auf die Rechtsprechung fiber von Lati- 30 krisen erforderte einen BeschluB des Volkes, 

nern gemachte Anleihen bezogen (Liv. XXXV wurde aber vom S. veranlaBt (M o m m s e n St.R- 

7, 3), auf Bedingungen der Freilassung (Liv. XLI II 641). Als allgemeine Regel enthielt er sich 

9. 10), Giiltigkeit eines Kontraktes (Cic. Att. V streng der Einmischung in private wirtschaftliche 

21, 11), Wahlmanover (ambitus Cic. Mur. 67; Angelegenheiten. Sicher wurde auch die lex cen- 

Att. I 16, 12. 18, 3; Qu. fr. II 7, 3. 15, 2), Ver- soria, die ein Goldbergwerk zu Vercellae ein- 

leihung von Geld an Gesandte (Asc. 47 St.); schrankte (Plin. n. h. XXXIII 78), vom S. ver- 

ebenso umfassend war das SC des J. 97, das in anlaBt. 

ganz Italien Menschenopf er verbot (Plin. n. h. 3. Gerichtsbarkeit. Innerhalb der 

XXX 12). Der Unterschied zwischen S.-BeschluB Grenzen, die dem Belieben der Beamten gesetzt 
und Gesetz lag eher in der bindenden Kraft; der 40 waren, konnte der S. Rat und Anweisung in der 

S.-Beschlu6 konnte von dem ausubenden Beamten Justizverwaltung geben, z. B.: Verschiebung von 

ignoriert werden (so die Beschliisse, die die col- Schuldenprozessen (Liv. VI 31,4. Dionys. VI 22), 

legia unterdriickten, Asc. 15 St. Cic. Qu. fr. II Einsetzung eines Gerichtshofes, soweit dieser 

3, 5; Pis. 8), und wenn er dauernd verpflichtend nicht durch Gesetz vorgeschrieben war (Liv. 

werden soUte, wurde es gewohnlich in ein Gesetz XLIII 2, 3), und sogar Annahme einer Klage 

umgewandelt (so der S.-BeschluB, der die An- verhindern (Cic. Sest. 95, vgl. 89). Der Still- 

leihen der Latiner ordnete, Liv. XXXV 7, 3; am- stand der Rechtspflege (iustitiwm) wurde ge- 

bitus Cic. Mur. 67). Wie andererseits der sena- wohnlich nur auf seinen Rat (s. u.) verkiindet, 

torische Vertrag neben dem des Volkes als ein und Immunitat wurde gewohnlich nur mit seiner 
endgiiltiger Vertrag stand, der nur der Widerruf- 50 Zustimmung verliehen (Cic. Rab. perd. 28; Bei- 

lichkeit unterlag, so bildeten seine allgemeinen spiele Liv. VIII 18, 5. XXXIX 19, 7. Cic. Cat. 

administrativen Verordnungen fraglos einen Teil III 8; Att. II 24, 2. Appian. bell. civ. I 54). In- 

des legalen Systems, durch das Rom verwaltet direkt strafte er durch Anweisung an die zustan- 

wurde. Cicero rechnete das SC bezeichnender- digen Beamten mit Gefangnis (Plin. n. h. XXI 

weise unter die Quellen des Zivilrechtes (Top. 28). 8. Liv. XXXIX 41, 7. Sail. Cat. 48. Cic. Att. 

B. Die Stadt und die Btirger. Als II 24, 3), und ahnlich verwandelte er Todesstra- 

hoher Verwaltungsrat konnte der S. von einem fen, deren zeitliche Festsetzung den Beamten uber- 

Beamten in jeder Angelegenheit, die innerhalb lassen war, in lebenslangliche Gefangnisstrafe 

seiner Kompetenz lag, aber nicht vorgeschrieben (Val. Max. VI 3, 3. Liv. XXXIX 18, 3. XXIX 
war, um Rat gefragt werden (z. B. von einem 60 22, 10, vgl. XXXIV 44, 7. M o m m s e n St.-R. 

Consul Liv. XXVII 38, 3; einem Tribunen III 1069). Seine Teilnahme an solchen Fallen 

XXXVI 3, 5. XL 29, 12; einem Censor XLI 27, war besonders notig, um Fortdauer tiber die lau- 

11). Innerhalb derselben Grenzen konnte er In- fende Amtszeit hinaus zu sichern. 

struktionen sowohl als Verwaltungsnormen als Die Austibung des magistratischen Coercitions- 

auch fiir den Einzelfall geben, und er konnte Be- rechts in Fallen von politischer Bedeutung unter- 

amte dringend ersuchen, von ihrer Machtbefugnis lag seiner Aufsicht. Solcher Art waren Falle von 

Gebrauch zu machen. Die weit ausgedehnte Ver- Kapitalcoercitionen, die auBerhalb derProvokation 

waltungstatigkeit, die er so entfaltete, wird durch lagen (Plut. Pyrrh. 20. Val. Max. VI 3, 3. Liv. 



749 Senatus (Eegierung) Senatus (Regierung) 750 

VIII 20, 7), und von Zeit zu Zeit die Vertreibung St.-R. Ill 213). Standbilder, die als offentliche 

von unerwiinschten Auslandern (z. B. Latiner Liv. EhrenJ)ezeugungen errichtet wurden, zum Unter- 

XXXIX 3, 5. XLI 9, 9. Appian. bell. civ. I 23; schied von denen, die auf Staatsboden geduldet 

griechische Philosophen SC phil. Suet. rhet. 1; wurden, wurden entweder vom S. oder.vom Volk 

Epikureer Suid. s. tJmxovQog). Diese waren, wenn bewilligt (Piso = Plin. n. h. XXXIV 30 quae 

audi formell durch Drohung der Beamten, von populi aut senatus sententia statutae essent 

ihrem Coercitionsrecht Gebrauch zu machen, be- XXXIV 21. 24, vgl. XVIII 15. Liv. IX 43, 22. 

wirkt, faktisch das Werk des S. Schwere Ver- Val. Max. Ill 1, 1. Cic. Phil. IX 16), und Mher 

brechen und MiBstande wurden ihm in der ersten wohl vom S. Von SuUas Zeit ab verordnete 
Instanz (W i 1 1 e m s II 279) vorgelegt, und seine 10 der S. gelegentlich Begrabnisse fiir angesehene 

Erwagungen bestimmten danach gewohnlich die Burger auf Staatskosten (Appian. bell. civ. I 105. 

MaBnahmen, die zu treffen waren. So war es in Val. Max. V 2, 10. Cic. Phil. IX 17), bei denen 

der Tat der S., der gegen die weitverbreiteten er ein iustitium zu Ehren des Toten verordnen 

Auswtichse, die die offentliche Sicherheit gefahr- konnte (Mommsen St.-R. I 264, 4); er konnte 

deten oder sich iiber den Kreis der Burger aus- auch von den Gesetzen, die die Ausgaben ein- 

dehnten, einschritt. Zu diesen gehorten die Bac- schrankten, befreien (Cic. Phil. IX 17). Am Ende 

chanalien des J. 186 v. Chr., Falle von Massen- der Republik begann der S. auch, neben den Sol- 

vergiftungen (Liv. VIII 18. XL 37. XLV 16, 4), daten den Titel Imperator zu verleihen (Cic. Phil, 

von Mordbrennerei (Liv. XXVI 27), vonschwerem XIV 11. Dio XLVI 38). Als Zeichen der Ent- 
Raub (Liv. XXXI 12. Cic. Brut. 85) und von aus- 20 ehrung verordnete der S. die Zerstorung von 

gedehnter Anmafiung des Burgerrechtes (Liv. Hausern der tJbeltater (Liv. VIII 20, 8; der S. 

XLI 9, 10). Aufierhalb Roms iibernahm der S. war jedoch wahrscheinlich auch in anderen Fal- 

regelmafiig die Aufspiirung und Unterdriickung len verantwortlich, z. B. Cic. dom. 101. 114. Val. 

von Verbrechen, die uber ganz Italien verbreitet Max. VI 6, 1) und verbot das Begrabnis ent- 

waren, vermoge seiner KontroUe iiber auswartige ehrter Toter (Frontin. IV 1, 38. Liv. XXIX 

Angelegenheiten (Polyb. VI 13; s. u.). 18, 14). 

Insofern die Ausubung der Kriminaljustiz in CltalienundautonomeGemein- 

der Kompetenz des Beamten lag, konnte der S. den. Die selbstandigen Gemeinden waren der 

sie einem Inhaber des imperium anvertrauen. Er consularischen Regierung in Italien oder der aus- 
konnte jedoch das Recht der Appellation nicht 30 wartigen Provinzialstatthalter nicht unterworfen 

beiseite lassen. Nur das Volk konnte durch Ge- (Mommsen St.-R. Ill 689). Jeder zentrale 

setzgebung einem Beamten oder BevoUmachtig- Verwaltungsakt, der sie betraf, machte daher die 

ten das magistratische Recht, zu strafen, zu- Teilnahme des S. notwendig. Historisch stellte 

riickgeben, oder einen besonderen Gerichtshof ins dies die Fortsetzung der Kontrolle des S. iiber 

Leben rufen, der Macht iiber Leben und Tod auswartige Angelegenheiten dar, von der das, was 

hatte (vgl. Polyb. VI 16). Trotz dieses Grund- in Wirklichkeit die Zentralverwaltung eines Rei- 

satzes maBte sich der S. wenigstens in zwei Fal- ches war, formell ein Teil blieb. Nur das Ver- 

len von Verbrechen (die Bacchanalienverschwo- fahren des diplomatischen Verkehrs mit den 

rung Liv. XXXIX 14f.; SC Bacch. CIL P 581 Untergebenen veranderte sich. In Italien wurde 
Z. 25, vgl. 7, eeis rem caputalem faciendam een- 40 in historischer Zeit das Entsenden von Gesandt- 

suere. H e r z o g System I 963. Wilde Rauberei schaf ten verdrangt durch die Vorladung {evocatio) 

in der silva Sila Cic. Brut. 85; auch wenn sich der geeigneten Manner nach Rom zur Unter- 

die provocatio aui Frauen erstreckte, die Massen- redung, und als die iiberseeischen Machte poli- 

vergiftungen des J. 180 v. Chr. Liv. XL 37, vgl. tische Untertanen wurden, wurde diese Praxis 

XLV 16, 4) ein Recht an, durch eine besondere auch auf sie ausgedehnt (Mommsen St.-R. Ill 

Kommission, die ohne Moglichkeit de^ Berufung 1197). 

verurteilte, Kriminalgerichtshofe einzurichten. Die weiten Machtbefugnisse des S. uber Ita- 

Dies Beispiel dehnte er von rein zivilen auf po- lien, denen die iiber selbstandige Gemeinden durch 

litische Verbrechen aus gegen die Anhanger des das ganze Reich hindurch gleich waren, wurden 
Ti. Gracchus (Hut. Ti.Gracch. 20; C.Gracch. 4. Cic. 50 von Polybios (VI 13) zusammengefaBt: ooa rcov 

Lael. 37. Val. Max. IV 7, 1. Strachan-Davidson d8i?ir}judtcov ta>v k<xx^ IxaXiav nQocf&eitai dr^fioolag 

Probs. Rom. Crim. Law I 225f.). Durch das Ge- emoTcexpscog, Xeyco ds olov nQoboolag ovvcofwoiag 

setz des C. Gracchus, ne de capite civium Roma- qxi^frnxeiag 8oXoq)ovlag, rfj ovyTilrjxc^ fxeXei jteQt 

novum iniussu populi iudicaretur (Cic. Rab. perd. rovtcov TtQog be rovtoig ei tig Idicbzrjg ^ Tiohg rcov 

12), wurde diesen tlbergriffen des S. ein Ende ge- xard rrjv l.taliav diaXvoscog i] imtif^i^oecog ij /?o??- 

macht. Darauf setzte der S., da richterliches Ver- 'd'eiag lij (pvXaTcfjg nQoobeixai, tovrwv Tidvzcov em- 

hor verboten war, an seine Stelle eine Verwal- f^sksg eon rfj ovyxXi^Tcp. Dies kann durch einzelne 

tungsmafiregel in Form des sog. SC ultimum Beispiele illustriert und erweitert werden. 

(s. u.) gegen politische Verbrecher. Die konsti- Wie der S. iiber Beobachtung der Vertrage 
tutioneUen Grenzen dieser MaBnahme waren 60 niit unabhangigen Machten wachte, so hielt er 

strittig; trotz Ciceros Behauptung (dom. 33 sine die Unterworfenen fest bei ihren Pflichten (sm- 

iudicio senatus aut populi), wobei der Wunsch rlfzrjoig). Er forderte Erklarung tiber verdach- 

Vater des Gedankens war, funktionierte der S. als tiges Verhalten (epist. Tiburt. CIL F 586. Cic. 

Korperschaft wahrend der Republik nie gesetz- Brut. 170; iiber das Verfahren s. Liv. VIII 14) 

lich als Gerichtshof. und bestrafte Versaumnisse im ErfuUen von Ver- 

4. Ehrenbezeugungen. Der S. iibte pflichtungen (Liv. XXIX 15). Wenn er Aufleh- 

eine beaufsichtigende Regelung iiber Annahme nung vermutete, entweder in Form von Unter- 

und Vererbung von Ehrennahmen (Mommsen stutzung der Feinde oder von Unabhangigkeits- 



751 Senatus (Regierung) Senatus (Regierung) 752 

vfersuchen {nQobooia und ovvcofioola), so forderte verbiindeten Gemeinden im Notfalle aus; Bei- 

er Geiseln (Liv. XXV 7, 11); wenn diese spiele sind nicht berichtet (vgl. die in der Kaiser- 

Taten schon vertibt waren, so stellte er Nach- zeit gewahrte Hilfe Tac. ann. II 47. IV 18. XII 

forschungen an, um die Verantwortlichen fest- 58). Umgekehrt beanspruchte der S. gelegentlich 

zustellen (Liv. IX 26. X 1, 3. XXVIII 10, vgl. die Dienste der Verbiindeten fur religiose Feiern 

XXIX 36, 11. XXX 24, 4. 26, 12. XXXII 1, 7), und in ganz Italien (Liv,- VII 28, 8. XL 19, 5), und 

abgesehen von der Entziehung des Btirgerrechts, oft beanspruchte er sie fiir die Bewachung wich- 

die ein Eingreifen des Volkes erforderte (Mo mm- tiger Gefangener (Liv. IX 42, 9. XXX 17, 2. 

s e n St.-R. Ill 139. Liv. XXVI 33, 10), bestimmte XXXII 2, 4. XLV 43, 9. Sail. Cat. 51, 43. GIL 
er die Strafen fur die revoltierenden Staaten, die 10 IX p. 370). 

entsprechend der romischen Auf fassung den voUen Klagen von selbstandigen und Provinzial- 

Kriegsstrafen unterworfen waren (z. B. Appian. gemeinden wurden regelmafiig an den S. gerich- 

Hann. 61. Liv. VIII 20, 9. XXVI 34, 6. XXIX 8). tet, von den ersteren jedoch ohne Vermittlung 

Anderungen im Status oder den Rechten der des Statthalters. Er verbot Einquartierung ent- 

selbstandigen Stadte, aufier Privilegien, die der gegen den Vertragsbestimmungen (Gades Liv. 

S. auf seine Autoritat bin bis auf weiteres verlieh XXXII 2, 5) und schlichtete Streitigkeiten Tiber 

(Appian. Hisp. 44. Num. 4), oder wenn ein Gesetz, Steuern (in Streitigkeiten mit den publieani^ 

das sie verlieh, nicht ausdrucklich ausnahmsweise Tyrus Cic. Qu. fr. II 11, 2. Oropos SC Crop. 

Beeintrachtigungen des Rechts durch Gutdtinken Syll.s 747. Adramyttion C a g n a t IGR IV 262). 
des S. erlaubte (Lex Termess. OIL P 589 nisei 20 Er horte Klagen tiber Ungerechtigkeit, die von 

senatus nominatim . . . utei in hibernacula mei- den Romern entweder Privatbiirgern (Apolloni- 

lites deducantur decreverit; die Beeintrachtigun- dea Cic. Flacc. 79) oder Beamten (Cenomani Liv. 

gen autonomer Rechte Cic. Flac. 78, wenn die XXXIX 3) zugeftigt war. Klagen gegen andere 

Geschichte ganz erzahlt ist, waren eine Usurpa- Staaten innerhalb oder aufierhalb der romischen 

tion der Macht), waren nur durch Volksbeschlufi Herrschaft und Bitten umSchutz {q>vXa}ii^; Aqui- 

moglich (Mo mm sen St.-R. Ill 693). Streitig- leia Liv. XLIII 1, 5; vielleicht auch XXVIII 11, 

keiten der Auslegung konnten jedoch vom S. end- 10) wurden an den S. gerichtet und Streitigkeiten 

gtiltig geschlichtet werden (Liv. XXVII 38, vgl. seinem Schiedsspruch unterworfen (didXvoig). 

XXXVI 3. XXXII 2, 5. XXXIV 42, 5. Cic. Qu. Seine Tatigkeit auf dem letzteren Gebiet er- 
fr. II 9, 2; Verr. II 76. Suet. Caes. 28). 30 streckte sich von freundschaftlichem Schieds- 

Weitverbreitete Verbrechen, die die ofEentliche spruch zwischen unabhangigen Machten (z. B. 
Sicherheit gefahrdeten^ wie die Bacchanalien (Liv. zwischen Antiochus und Ptolemaeus Liv. XLIV 
XXXIX 14, 7. 23, 3) und Massenvergiftungen 19. Polyb. XXIX 2), unterbrochen durch ihre 
(Liv. XXXIX 41, 5, vgl. XL 37, 4. 43, 2. Poly- eigenen Verhandlungen und Kriege, bis zu end- 
bios' cpoQfjiaKsiai und dolocpoviai), wurden fiir die giiltigen Verwaltungsbestimmungen, die Gliedern 
Verwaltung bequemerweise als politische Ver- des Reiches auferlegt wurden. Der Wandel von 
brechen analog gedeutet und durch die Zentral- der diplomatischen zur administrativen Tatig- 
verwaltung auf dem Territorium der Verbiindeten keit vollzog sich allmahlich und regelte sich ein- 
aufgespiirt. Die Auf spiirung der Banditen in der fach durch die tatsachliche Starke der Hegemonie 
Silva Sila, die vom S. angeordnet wurde (Cic. 40 Roms. Bezeichnende Stufen sind: 1. sein diplo- 
Brut. 85), und die Nachforschungen tiber die Ge- matisches Einschreiten zwischen Rhodes und eini- 
walttatigkeiten des Pleminius in Locri (Liv. XXIX gen lykischen Gemeinden, die ihm in einem Frie- 
19, 7. 21, 4. XXXI 12), miissen ebenfalls romische densvertrag zuerteilt worden waren und sich tiber 
Beamte in verbiindetes Gebiet gebracht haben. schlechte Behandlung durch Rhodes im J. 178 
DieseNachforschungen,sowie das Verbot der Bac- beklagten (Liv. XLI 6, 8. Polyb. XXV 4f.): 
chanalia (Liv. XXXIX 18, 7. CIL F 581 Z. 7) 2. sein entschiedener Befehl an die freie Stadt 
und des Menschenopfers (Plin. n. h. XXX 12) in Athen, nachdem er die Klage eines Bewohners 
ganz Italien waren, wenn man es genau betrach- von Delos, das Athen zuerteilt worden war (Po- 
tete, Verletzungen der lokalen Autonomic und lyb. XXXII 7, 3), gehort hatte, diesem Abhilfe 
konnten folglich nur vom S. angeordnet werden. 50 zu verschaffen (J. 164SC Scrap. Deliac. SylL3664. 
Er unterdriickte auch Sklavenaufstande, die als Durrbach Inscr. Delos I 116), und sein Ur- 
eoniurationes charakterisiert wurden, auf verbtin- teil auf Anrufung von Oropos sv xsi xwv Tco- 
detem Gebiet durch die Tatigkeit romischer Be- ^alcov (pdlai koI niotst (Crop, decret. SyU.3 675) 
amter (Liv. XXXII 26, 10. XXXIII 36, 2. XXXIX gegen Gewalttatigkeiten der Athener (J. 154—149 
29, 8. 41, 6. Died. frg. XXXVI 2), und wenn es Pans. VII 11, 4. Gell. VI 14, 8); 3. seine Ent- 
anders unmoglich war, unterdriickte er heftige scheidung der rein administrativen Angelegenheit 
innere Meinungsverschiedenheiten durch Gewalt des Gesuchs der Caunii und anderer, die der 
(Liv. XLI 27, 3). freien Stadt Rhodes durch Sulla zuerteilt worden 

Diese letzten Handlungen lagen auf der Grenz- waren, ihr veetigal lieber an die romischen 
linie zwischen disziplinarischer und hilfreicher 60 publicani als an Rhodes zu zahlen (Cic. Qu. fr. I 

Tatigkeit. Von ungemischteren Diensten (Por/- 1, 33). 

^€ia), die Rom leistete, mogen der Wiederaufbau Zwischen administrativer und diplomatischer 

der Mauern von Genua auf Veranlassung des S. Tatigkeit lag der Gebrauch der griechischen Me- 

(Liv. XXX 1, 9), der freilich von militarischem thode, die durch Friedenskommissionen schon im 

Vorteil fiir Rom war, und die Unterdriickung J. 188 (Polyb. XXI 46, 1) angewandt worden 

einer Heuschreckenplage in Apulien (Liv. XLII war, durch den S. Sie bestimmte freie Stadte, 

10, 7) als Beispiele dienen; ohne Frage half der um Streitigkeiten zu schlichten, die andere Stadte 

S. auch durch seine Kontrolle der Staatskasse vor den S. gebracht hatten (s. Colin Rome et 



753 Senatus (Eegierung) Senatus (Eegierung) 754 

Greoe 508. Beispiele: J. 143 SC Magnet. Syll.^ vinz, das ihr bei der Organisation oder Reorgani- 

697 H; J. 140 MHes. decret. zwischen Messene und sation durch einen Beamten und eine senato- 

Lakedaixnon Syll.^ 683, vgl. Tac. ann. lY 43. xische Kommision von 10 legati gegeben wurde 

J. 112 Magnet, d^exet. zw. Itanos nnd Hierapytna (z. B. Lex Rupilia von Sizilien Cic. Verr. II 82. 

Syll.3 685 II, ygh Suppl. Epigr. Or. II 511; 39f. 90. Will ems II 704. Maiqnardt 

Gary JESt. XVI 194. J. 116 Syll.s 826). Wah- Staats-Veiw. F 500. VerzeichnisMommsenSt.-R. 

rend derselben Peiiode hoite der S. jedoch Ge- II 692, .8), war verpflichtend ftir den Statthalter. 

sandtscbaften beider Parteien und spraeh selbst Anderungen wie Auferlegung eines doppelten, 

angenblicklich und endgiiltig das Urteil (J. 150 Zehnten in Fallen der Not oder die Verleihung 
— ^147 SC Narthak. Meliten. Syll.^ 674. J. 135 10 der Immunitat an Stadte und Einzelpersonen 

SC Prien. Sam. Syll.^ 688). Aufierdem konnten (s. o.) erforderten ein Eingreifen desS. Erkonnte 

Streitigkeiten, die die romischen Beamten ange- andererseits besondere vectigalia (bell. Hisp. 42) 

hort batten, an den S. als hoheren Appellations- abscbaffen und widerrufliche Immunitat, die er 

hof verwiesen werden (SC scaen. Gxaee. SyU.^ selbst verliehen batte (Cic. oS. Ill 87), zuriiek- 

704f.; zwei SC und zwei Schiedsspruche romi- nebmen. Nacb der Organisation einer Provinz 

scher Statthalter gingen der endgtiltigen Ent- konnte einzelnen Stadten spater Freiheit ver- 

scheidung des S. im J. 112 voraus. Auch der liehen werden, entweder durch S. (z. B. SC Stra- 

Streit zwischen Messene und Lakedaimon, der ton. SylL or. 441 ; epist. procos. Chios Syll.^ 785) 

an eine freie Stadt verwiesen war, kam vor den oder Volk (Lex Termess. CIL P 589). Solebe 
S. auf Grund einer umstrittenen Auslegung 20 Anderungen wurden dem Statthalter einfach mit- 

einer Entscheidung des L. Mummius). Auf geteilt (SC Asclep. CIL P 588 s. f ., vgl. SC Stra- 

ahnliche Weise gemischt war im Westen seine ton. SylL or. 441). Ftir die Zwischenzeit vor ihrer 

Teilnahme an der Grenzstreitigkeit zwischen endgultigen Organisation wurde die Giiltigkeit 

Karthago und Massinissa. Diese wurde notwen- der Verordnungen des Konigs, von dem Pro- 

digerweise in erster Instanz durch Gesandte bei- vinzen libernommen waren, als ein Teil der aus- 

der Parteien vor den S. gebracht und spater wie- wartigen Angelegenheiten vom S. als Leitfaden 

der an ihn zuruckverwiesen durch die r5mischen fur zuklinftige Statthalter festgesetzt (SC Perg. 

Schiedsrichter, die dazu bestimmt waren, sie bei- rlvsg IvtoXai soovxai rdig sig lAolav ino^evofjiivotg 

zulegen (Liv. XXXIV 62. XL 17. Polyb. XXXI atQar7]yocg; SC Phryg. SylL or. 485. 436, vgL 
21). SchlieBlich veranlaBte ex, daS Massinissa fiir 30 C a g n a t IGK IV 301). 

unabhangig (Val. Max. VI 2, 6) erklart wurde, Innerhalb der Sphaxe seiner Zustandigkeit 

um der Verantwortlichkeit fizr die Handlungen war die regelmafiige Verwaltung seiner Provinz 

eines Abhangigen zu entgehen. Damit wurden gewohnlich dem Statthalter tiberlassen wegen der 

seine Beziehungen zu ihm xein diplomatisch. ungeheuren Last von Kleinarbeit, die sonst dem 

In Italien machten die festen Beziehungen S. aufgebiirdet worden ware. Als hohes Verwal- 

Roms zu den autonomen Stadten den Schieds- tungsbuio gab dei S. jedoch an abgehende Statt- 

spruch des S.s zu einem rein administrativen halter allgemeine Anweisungen, wie er z. B. Q. 

Akt Grenzstreitigkeiten zwischen verschiedenen Scaevola als Vorbild vorseMug (Val. Max. VIII 

Stadten (Ateste und Patavium, Ateste und Vi- 15, 6), oder besondere Auftrage, wie den, Strato- 
cetia CIL P 6331 636; Nola und ISTeapolis 40 nikeia zu helfen, Verluste, die es durch seine 

Cic. off. I 33; Pisa und Luna Liv. XLV 13, 10) Treue im exsten Mithiidatischen Kxieg eilitten 

und ebenso innere Streitigkeiten innerhalb einer hatte, zu iiberwinden (Syll. or. 441), Ariobarza- 

Stadt (Grenzstreit zwischen Genua und seinen nes von Kappadokien zu beschiitzen (Cic. lam. 

attributi Sent. Minuciorum CIL P 584; iiber die XV 2, 4. 4, 6), die ungesetzlich versklavten Unter- 

Methode der S.-Wahl der freien sizilisehen Stadt tanen eines verbtindeten Konigs zu befreien 

Halaesa Cic. Verr. II 122; Burger streit zwischen (Died. XXXVI 3). Als Antwort aul Petitionen gab 

den Patavini Liv. XLI 27, 3) wurden ihm zur er Begeln fiir die kiinftige Verwaltung einer Pro- 

Entscheidung vorgelegt. Nachdem er Gesandt- vinz, die MiBbrauche verhindern soUten (Liv. 

schaften der betroffenen Stadte angehSrt hatte, XLIII 2. Cic. Veir. II I46f.), und veraUgemeinerte 
vertraute er die Sache gewohnlich zur Erledi- 50 diese manchmal zu Begeln ftir alle Provinzen 

gung Bevollmachtigten an, sei es Beamten (Ateste (Cic. Verr. 11 95). Bei dem Versuch, innerhalb 

— Vicetia, Ateste — Patavium, die Patavini der Sphare der Jurisdiktion des Statthalters 

Proconsuln; der Schiedsspruch in einem Streit die Gultigkeit eines einzelnen im Gegensatz zum 

zwischen Reate und Interamna iiber den Lacus Gesetz stehenden Vextxages festzusetzen, tibei- 

Velinus von einem Consul und 10 legati [Cic. sehxitt der S. seine verfassungsmaBige Autoritat 

Att. IV 15, 5; Scaur. 27] wurde ihnen auch ohne (Cic. Att. V 21, 11. Die litterae quasi eommen- 

Frage durch den S. anvextraut), sei es Privatleuten datieiae, die von einem Consul an einen Statt- 

(Pisa — Luna einem AusschuB von 5, Nola — halter [Cic. fam. XIII 26, 3] geschickt wurden, 

Neapolis 1 senatorischenBevoUmachtigten); innere waren ein ahnlicher Versuch, sich in die Freiheit 
Streitigkeiten haufig dem exblichen fair onus der 60 eines Statthalters einzumischen, aber auf keinen 

Stadt (Dionys. II 11 noXkanig ^ ^ovlri xa Ik xov- Fall ein ,Befehl der Regiexung*, wie Momm- 

xoiv dfA.q?tGfir}xr}fiaza xwv mXsmv koi ed^(bv knl sen St.-R. Ill 1214 glaubte). Streitigkeiten zwi- 

xovg uiQoioxafihovg avxcov anooxeXlovoa; Beispiele schen Provinzialen und puhlicani, die der Kom- 

Genua Sent. Minuciorum; Halaesa Cic. Vexr. II petenz der Statthalter liberlassen waren, konnten 

122; ahnlich erhielt Antium eine Verfassuhg nach seinem Beiieben an den S. verwiesen wer- 

duxch seine patroni auf Anordnung des S., Liv. den (Adramyttion Cagnat IGR IV 262. 

IX 20, 10). M m m s e n s Glaube [St.-R. Ill 1215, 8], dafi 

D. Provinzen. Das Grundgesetz der Pro- die Andrianer in gewissen Bechtshandem mit 



755 Senatus (Eegierung) Senatus (Regierung) 756 

Adramyttion in tJbereinstimmung mit Instruk- vertibte Tat (das gewaltsame Unterbrechen des 

tionen, die durch den Statthalter vom S. erbeten Verhors eines betriigerischen Kriegsunternelimers 

wurden, ein Urteil fallten, mu6 aufgehoben wer- Liv. XXV 4,7; dieTaten desLentulus nnd seiner 

den mit der Verbesserung von avaneiifpd'svxa Mitverschworenen Sail. Cat. 50; der Mord des 

/aoV^rJa CIG 2349b in ;<j^tr?J^«a IG XII 5, 722). Clodius Cic. Mil. 12. Asc. 39 St.; Aufruhr bei 

Gesandtschaften wurden zuerst vom Statthal- einem ProzeB Cic. Qn. fr. II 3, 3) oder eine ge- 

ter entweder empfangen oder vorgeladen (Cic. plante Tat (Unterhaltung von Agenten fiir Be^ 

Verr. II 162. Ill 68), und wahrscheinlich mu6- stechung bei Wahlen Cic. Att. I 16, 12; Zersto- 

ten sie, um Zutritt zumS. zu erhalten, ihm zuerst rung von Ciceros Haus Cic. bar. resp. 15; Be- 
berichten. Aber Gesandtschaften, die Klagen uber 10 freiung des Vettius aus dem Gefangnis Cic. Att. 

schlechte Behandlung diirch, den Statthalter liber- II 24, 3; Biindnis mit Antonius Cic. Phil. VIII 

brachte^i, konnten an der Inanspruchnahme der 33; Interzession Cic. fam. VIII 8, 6; Qu. fr. II 1, 

Zentralverwaltung nicht gehindert werden (Cic. 2; sen. grat. 27; Sest. 129; Vorschlag eines un- 

Verr. II 156), und andere wurden in der Praxis erwiinschten Gesetzes oder SC auct. Her. I 21. 

oft empfangen (z. B. bell. Hisp. 42 multis lega- Sail. Cat. 51, 43; Zurtickhaltung der Armee, wenn 

tionibus [sc. Hispanorum] ah se [sc. Caesar e] in anders befohlen Caes. bell. civ. I 2; vielleicht auch 

senatum introduetis). Sie ersehienen, um Hilfe zu die Fortsetzung einer Magistratur Liv. Ill 21, 2) 

erbitten (Liv. XLI 6, 7. 8, 5) und um gegen konnte der S. als den Inter essen des Staates ent- 

aufiergewohnliche Auflagen durch einen Statt- gegengesetzt erklaren. Diese unbestimmte und 
halter zu protestieren (Plut. C. Gracch. 2) und 20 ominose Erklarung war ein Ausdruck der Mi6- 

sich wegen Verdachts der Treulosigkeit gegen billigung des S. und eine Aufforderung, Kriminal- 

Rom zu entschuldigen (Strab. XIII 1, 66). Der klagen vorzubringen, wenn es moglich war (so in 

Zwang, Gesandtschaften mit lobenden Zeugnissen den Fallen oben Liv. XXV 4, 6. Asc. 39 St. Cic. 

fur abgehende Statthalter an den S. zu schicken, Att. I 16, 12; har. resp. 15), und am Ende der 

war am Ende der Republik ein Mifibrauch ge- Republik auch eine Androhung der Strenge des 

worden (Cic. fam. Ill 8, 2. 10, 6). Vor der Ein- Kriegsrechts. 

richtung der quaestiones perpetuae war der ein- 2. Kriegsrecht (s. besonders Mommseu 

zige Weg zur Abhilfe fiir Erpressung, der den St.-R. I 687. Ill 1240; Strafr. 256. Willems 

Provinzialen offenstand, eine Anrufung des S. als II 247. Strachan-Davidson Probs. Rom. 
Loiters der auswartigen Angelegenheiten (Hi- 30 Crim. Law I 225. Hardy Journ. rom. stud. 

spani Liv. XLIII 2, vgL die ahnliche Klage der III 41. Plaumann Klio XIII 321. An to- 

Thisbenses Syll.^ 646), spater war die Beschwerde nini SC Ultimum. Torino 1914). Mit dem end- 

vor dem S., wenn auch nicht unbedingt, so doch gultigen Ausbruch der Revolution im letzten 

haufig Vorspiel eines Kriminalprozesses (Mace- Jahrhundert der Republik mafite sich der S. das 

donia g6gen Silanus Liv. ep. 54. Val. Max. V 8, 3 Recht an, gegen bewaffnete Gewalt und spater 

Sizilien gegen Verres Cic. Verr. II 156; Africa blofie Androhung dieser Gewalt das Kriegsrecht 

gegen Catilina Asc. 66 St.). durch das sog. SO ultimum zu erklaren. Der tib- 

Der Statthalter muBte wie jeder Feldherr liche Name beruht aUein auf Caes. bell. civ. I 5 

(s. 0.) dem S. liber militarische, aber nicht unbe- illud extremum atque ultimum SO und Liv. Ill 
dingt iiber zivile Ereignisse berichten (Cic. Pis. 40 4, 9 forma SC4i ultimae semper necessitatis; er 

38. Suet. Caes. 56. Cic. fam. II 7, 3. 17, 7. Ill wird von den antiken Schriftstellern immer mit 

3, 2. V 7, 1 ; zwei solche Berichte sind in Cic. der Formel zitiert. Auf eine relatio de re publica 

fam. XV 1 und 2 erhalten). (Cic. Phil. VIII 14) beschloB der S. mit geringen 

E. Zeiten der Not und innere Kri- Varianten: uti die hochsten zur Zeit in Rom wei- 

s e n. Gewohnlich lag die Entscheidung uber Er- lenden Beamten, d. h. gewohnlich die Consuln 

nennung eines Dictators beim S., obgleich seine mit Namen, rem publicam defendant operamque 

Einwilligung nicht gesetzlich erforderlich (Liv. dent (videant), ne quid res publica detrimenti 

IV 57, 5), noch seine Empfehlung gesetzlich capiat. Als Anleitung, von untergeordneten Hel- 

zwingend war (Liv. IV 26. 56). Widerspenstige fern Gebrauch zu machen, konnte auch nach dem 
Consuln unterwarfen sich jedoch zuletzt seinem 50 Namen der hochsten Beamten: adhibeant qui pro- 

Befehl, wenn auch ausweichend (Liv. VIII 12, consulibus ad urbem sunt et oder praetores tri- 

12; ep. 19. Suet. Tib. 2), und als seine Autoritat bunos plebis quos ei(s) videatur et oder beides 

wuchs, bestimmte eroftdenKandidaten (Momm- (Plaumann 340) eingeschaltet werden. Um 

sen St.-R. II 150). Ein iustitium (Liv. 1113,6. die veraltete Dictatur zu ersetzen, wies der S. 

X 21, 3. XXXIX 18, 1. Cic. har. resp. 55. durch diesen BeschluB die Oberbeamten an, dik- 

Mommsen St.-R. I 263. Ill 1064) oder ein tatorische Gewalt anzunehmen: ea potestas per 

tumultus (Liv. XXXIV 56, 11) auBer, wenn sie senatum more Romano magistratui maxima per- 

eine Dictatur begleiteten, wurden auch gewohn- mittitur, exercitum parare, bellum gerere, co- 

lich nur auf seinen Befehl erklart. ercere omnibus modis socios atque dves, domi 

Bekanntlich wurde die Dictatur in der friihen 60 militiaeque imperium atque iudicium summum 

Republik als Waffe in inneren Wirren benutzt. habere: aliter sine populi iussu nullius earum 

Als sie aber der Interzession und Provokation rerum consuli ius est (Sail. Cat. 29; vgl. Cic. 

unterworfen war, kurz vor dem Hortensischen Ge- Mil. 70). 

setz, d. h. um das Ende des 4. Jhdts., verier sie P 1 a u m a n n hat sehr scharfsinnig ausge- 

ihren Wert fiir diesen Zweck, und der S. war ge- fiihrt, daB diese Einrichtung von romischenStaats- 

zwungen, seine Zuflucht zu indirekten MaBnah- mannern in tJbereinstimmung mit der Tendenz 

men zu nehmen. der Dictatur, koUegial und wahlbar zu werden, 

1, C ontra rem publicam. Eine schon entworfen und als ein konstitutionelles Mittel vor 



757 Senate (Regierung) Senate (Regierung) 758 

ihrem ersten Gebrauch bereitgehalten wurde. richtig bemerkte, nur eine Geste der Huldigung 

Wahrscheinlicher entstand sie zufallig und nahm (Dio XL VI 47), und im J. 40 wurde sie zum 

erst allmahlich Gestalt an. Ihre erste Anwendung letzten Male durchgebracht, entstellt zu einem 

(so Plaumann 360; anders Strachan- Werkzeug der militarisehen Regierung (vgl. 

D a V i d s n 241 ; die angeblich alteren Beispiele Dessau Kaiserz. I 23), als ein Vor spiel zur Ver- 

Liv. Ill 4. 9. VI 19, 3 sind, wie ihre voUstan- urteilung des Salvidienus Rufus als hostis publi- 

dige Einflufilosigkeit auf den Lauf der Ereignisse cus (Dio XL VIII 33, vgl. Suet. Aug. QQ, Appian. 

zeigt, unecht) fand sie gegen Ti. Gracchus im bell. civ. V 66). 

J. 133 (Val. Max. Ill 2, 17. Plut. Ti. Gracch. 19). Der Aktionsradius dieser Verordnung wurde 

Das augenblickliche Ergebnis der Verordnung 10 standig' grofier. Sie begann einfach als eine Er- 

war eine evocatio, die von dem Senator Nasica als klarung, da6 Feinde in der Nahe waren, und als 

einem tumultuarius miles gefuhrt wurde, als der eine Aufforderung an die Oberbeamten, zu den 

Consul Scaevola sich weigerte, zu handeln. Im Waffen zu greifen und gegen die Emporer vor- 

f olgenden Jahr wurden die Anhanger des Tiberius zugehen, ungehindert durch Interzession oder 

vor Gericht gebracht und durch die Consuln Po- Provokation (so bei den ersten drei Beispielen, 

pillius und Rupilius in besonderen quaestiones, vgl. Caes. bell. civ. I 5 quo SG-to populus R. ad 

die durch S.-Beschlu6 eingerichtet worden waren arma sit vocatus). Spater wurde der BeschluB in 

(Plut. Ti. Gracch. 20; C. Gracch. 4. Cic. Lael. 37. Erwartung einer Emporung gefafit. Vorsichts- 

Val. Max. IV 7, 1), verurteilt. Ein Plan, Nasica mafinahmen wurden demgemaB vorgenommen 

gerichtlich zu verfolgen, wurde dadurch vereitelt, 20 (im J. 63 Aufstellen vonWachen Cic. Cat. 1, 7. 

dafi man ihn nach auswarts schickte (Plut. Ti. Dio XXXVII 31. Sail. Cat. 30, vgL Hardy 

Gracch. 21). C. Gracchus verscharfte die Pro- Journ. rom. stud. VII 192), und als die Revo- 

vokationsgesetze, indem er quaestiones, die durch lution zum Biirgerkrieg wurde, wurden die Ober- 

alleinige Autoritat des S. eingerichtet worden beamten ermachtigt, wenn es notig war, Streit- 

waren (Cic. Rab. perd. 12. Cat. IV 10. Schol. krafte auszuheben (lul. Exuperant. 7 hoe itaque 

Gronov. 289 St. Plut. C. Gracch. 4. Stra- SG-to excitati eonsules contra venientem Syllam 

chan-Davidson 2391), verbot; aber die praesidia sibi euiusque generis parare coeperunt) 

neue Verordnung wurde gegen seine Partei im oder schon vorhandene zu verwenden (zu diesem 

J. 121 durchgebracht und endigte mit einer Zweck die Verweisung auf Proconsuln mit 
evocatio durch den Consul Opimius (Plut. C. 80 Armeen im J. 77, Sail. hist. I 77 Maur. 36 und 

Gracch. 14. Cic. Phil. VIII 14; Cat. 1 4; de orat. 11 haujfig spater) und Krieg zu fiihren (Sail. Cat. 29 

132. Appian. bell. civ. I 26), gefolgt von der exercitum par are, helium gerere), Wenn die Wir- 

summarischen Hinrichtung und Konfiszierung der ren nicht so schwer waren, konnte der S. natiir- 

Gtiter seiner Anhanger (u. Bd. IV A S. 1397. Veil. lich dies besonders und nachtraglich anordnen 

Pat. II 7 verweist irrtiimlich auf quaestiones). (so im J. 63 Sail. Cat. 30; im J. 52 Cic. Mil. 70). 

Diese Aktion stiitzte sich auf die Theorie, dafi der IJm die Aushebung von Streitkraften zu erleich- 

Aufriihrer automatisch perduellis wurde und die tern, erklarte der S. oft ein iustitium (Phil. V 

Rechte eines Biirgers verwirkte (Mommsen 31. VI 2) und einen tumultus (Dio XXXVII 31. 

Strait. 256). Opimius wurde vor Gericht frei- XLI 3. XLVI 29. Cic. Phil. V 31, vgl. 34. VI 

gesprochen (Liv. ep. 61), und Popillius, der frei- 40 2. 16. VIII 1), und als auBeres Zeichen der Revo- 

willig in die Verbannung gegangen war (jedoch lution die Anlegung militarischer Kleidung (saga 

nicht, wie Stra chan-Davidson 240 glaubte, sumere Cic. PhiL V 31. VI 2. 9. 16. VIII 6. 32, 

verurteilt; s. Hardy 40f.), wurde durch ein Ge- Liv. ep. 118. Dio XXXVII 43. XL 50. XLI 3. 

setz zuriiukgeruf en (Cic. Brut. 128). Damit betrach- XLVI 29, 31). Den tumultus erklarte er bald vor, 

tete del S. die Einrichtung als gerechtfertigt. bald nach dem Kriegszustand. 

Sie wurde danach gewohnlich in der Revolu- Der Spielraum der Anwendung dieser Ver- 

tion und im Biirgerkrieg angewandt: im J. 100 ordnung wurde ferner erweitert, so dafi er nicht 

gegen Saturninus und Glaucia (Cic. Rab. perd. nur die Aufruhrer auf Grund von erwiesenen 

20; Cat. 1, 4. Appian. bell. civ. I 32); J. 83 gegen Handlungen, sondern auch solche auf Grund von 

Sulla (lul. Exuperant. 7); J. 77 gegen Lepidus 50 Verdacht umfaBte (vgl. Hardy Journ. rom. 

(Sail. hist. I 77 Maur. 36); J. 63 gegen Catilina stud. Ill 54). Gegen ihn konnte der Empfanger 

(Cic. Cat. 1, 4. Asc. 14 St. Sail. Cat. 29. Plut. der Vollmacht entweder sofort (Cic. Cat. 1, 4. 

Cic. 15. Dio XXXVII 31); J. 62 bei drohenden 2, 3 bedauert, dafi er Catilina nicht sofort nach 

Unruhen (Dio XXXVII 43); J. 52 nach der Er- dem BeschluB vom 21. Oktober hinrichten lieB) 

mordung des Clodius (Cic. Mil. 70. Asc. 32. oder zu einer spateren Zeit vorgehen (so Lentulus 

43 St. Dio XL 49); J. 49 gegen Caesar (Caes. und Mitverschworene; so wurden im J. 121 die 

bell. civ. I 5. Cic. Att. X 8, 8; fam. XVI 11, 2; Anhanger des C. Gracchus im Gefangnis hinge- 

Deiot. 11. Liv. ep. 109. Dio XLI 3); J. 48 gegen richtet nach der Unterdriickung der Emporung 

Caelius (Dio XLII 23); J. 47 in den Wirren, die Sail. lug. 31, 7. Liv. ep. 61 ; vgl. Sail. Cat. 29 coer- 

durch Trebellius und Dolabella veranlaBt wurden 60 ^^^^ omnibus modis . . . eives . . . imperium atque 

(Dio XLII 29, VgL 32); J. 43 gegen Antonius indicium summum habere). Yoi dem BesebluSt dex 

(Cic. Phil. VIII 6. Dio XLVI 29. 31. Mon. Ant. Hinrichtung konnte der Beamte natiirlich ein 

1, 1 Klio Beih. XIX senatus res publica ne quid consilium fragen, oder, wie Cicero es tat, den S. 

acciperet damnum, turn a me propraetore simul selbst. Gesetzlich war der Rat des letzteren je- 

cum eonsulibus providendum censuit) und spater doch, wenn auch natiirlich politisch sehr wichtig, 

gegen Octavian (Dio XLVI 44). Nach Octavians ganzlich ohne Belang. Konfiszierung von Giitern 

Sieg wurde die Verordnung wieder zu seinen begleitete die Verurteilung (Pint. C. Gracch. 17. 

Gunsten erlassen; aber das war, wie Plaumann Sail. Cat. 51, 43). 



759 Senatus (Eegierung) Senatiis (Principat) 760 

3. H s t i s e r k 1 a r u n g. Im J. 87, zuerst worden war. Aber der Consul hatte keine gesetzliche 
gegen Marius und 11 Anhanger (Liv. ep. 77. VoUmacht, die Gewalt des Dictators zu iiberneh- 
Val. Max. I 5, 5. Appian. bell civ. 1 60. 75; irrtiim- men, und die Dictatur selbst war der Interzession 
licherweise Ti. Gracchus Val. Max. IV 7, l),und und Provokation unterworf en. Folglich lag irgend- 
spater gegen Sulla (Appian. bell. civ. 1 73), mafite wo Usurpation vor. Politisch war sie nattirlicli 
sich der S. das Eecht'an, einzelne als hostes pu- auf seiten des S., der in tTbereinstimmung mit 
blici mit Namen zu erklaren, und tibte es spater dem angemaBten Recht, Kriminalquaestionen 
oft als seine letzte WaHe aus: im J. 83 achtete einzurichten, und auf Grund seiner eigenen Be- 
er so den Metellus und die Sullaner (Appian. bell. fugnis, von Gesetzen zu dispensieren, und mit der 
civ. I 86); J. 63 Catilina und Manlius (Sail. Cat. 10 Stellung, die er als unabhangiges Organ und 
36. Plut. Cic. 16. Dio XXXVII 33); J. 49 nach Vertreter des Staates unter dem Titel senatus 
einem erfolglosen Versuch im Vorjahr (Plut. populusque Romanus hatte, die moralische, wenn 
Pomp. 58. Appian. bell. civ. II 31) Caesar fiir auch nicht legale Verantwortung auf sich nahm,. 
den Fall, dafi er seine Armee nicht entlieB (Dio die Beamten mit einer uber ihre gesetzliche Zu- 
XLI 3); J. 43 Dolabella (Cic. Phil. XI 9. XIII standigkeit hinausgeheiiden Vollmacht zu ver- 
23. Dio XL VII 28. Oros. VI 18, 6); nach einem sehen. Die wirkliche Stellung als Eegierungsburo^ 
vorherigen Versuch (Cic. Phil. 8, 2. Dio XLVI die er lange inne gehabt hatte, tiberwog unver- 
31. Appian. bell. civ. Ill 50) Antonius (Cic. ep. meidlich jedes theoretische Bedenken, daB er ge- 
Brut. I 3 a. 5, 1. Liv. ep. 119. Veil. Pat. II 64. setzlich nur der Beirat der Beamten und daher 
Dio XLVI 39), Lepidus (Cic. fam. XII 10, 1. Dio 20 unfahig war, Macht zu schaffen und zu verleihen. 
XLVI 51. Veil. Pat. a. 0.); J. 40 Salvidienus Die Freisprechung des Opimius stellte hochstens 
Rufus (Suet. Aug. 66. Dio XLVIII 33); J. 32 die Lehre auf, die von den Fiihrern des Volkes 
Antonius (Suet. Aug. 17), wahrscheinlich auch unter Zweifeln anerkannt wurde (Caes. bell. civ. 
J. 77 Lepidus (Sail. hist. Ill 47 Maur. 126. I 5. 7, wenn wirklich Widerwille, seine Verteidi- 
Florus II 11). gung durch unnotige Erorterung dieses Verfas- 

Diese Verordnung wird von Plaumann sungsstreites zu komplizieren, Anerkennung ist; 

(343, anders Mommsen St.-R. Ill 1242) richtig Sail. Cat. 51, wo es politischer Irrsinn gewesen 

unterschieden von der Proklamierung des Kriegs- ware, die konstitutionellen Rechte des S. zu 

rechtes, das die Beamten nur aufforderte, dikta- leugnen; Cat. 29: Sallust gibt nur im einzelnen 
torische Gewalt anzunehmen (vgl. Plut. C. Gracch. 30 die Tatsachen der Einrichtung an), daB der oSene 

18 Opimius nQwrog s^ovolq. dixrdtoQog sv vjia- Emporer als ^erdweZZzs aus den Reihen der Burger 

telq, xQrioafxsvog)^ und das nicht mit Namen gegen gestrichen wurde (Mommsen Strafr. 590) und 

irgendeine Person gerichtet war, so sehr das auch das Burgerrecht verwirkte. Das rechtf ertigte in 

der Sache nach zutreffen mochte. Die Erklarung keiner Weise das Wiederaufleben einer gemil- 

zum offentlichen Feind kann bedingt sein (so derten Diktatur. Spatere Falle (Rabirius: s. 

Caesar Dio XLI 3) und rebeUischen Armeen Hardy Probs. Rom. Hist. 106; bekanntlich 

wurde gewohnlich eine Gnadenfrist zur t^bergabe Cicero) waren nicht imstande, die Streitfrage 

gewahrt (Sail. hist. Ill 47. Cat. 36. Cic. Phil. zu entscheiden. Danach wurde sie als Kampf- 

VIII 32. Dio XLVI 51). Die Giiter des Staats- mittel verwandt, bis eine starkere Gewalt als der 
feindes wurden konfisziert (Appian. bell. civ. 1 60. 40 S. oder eine Volkspartei sich erhob, um die 

73. Cic. fam. X 21, 4. Dio XLVI 39), und es war Ordnung wieder herzustellen. Politisch kann 

Recht und Pflicht des Burgers, ihn zu toten, wo niemand das Recht des S. bezweifeln, revolutio- 

immer er ihn fand (z. B. Marius Appian. bell. civ. narem XJngestum mit Gewalt zu begegnen (ver- 

I 60. 75; dementsprechend erklart Plut. SuU. 10 niinftige Bemerkungen Rice- Holmes Rom. 

einfach, daB der S. das Todesurteil uber ihn ver- Rep. I 280); ob unnotige Gewalt ange^andt 

hangte). Wenn es notig war, wie es gewohnlich wurde wie gegen Ti. Gracchus oder die verhaf- 

der Fall war, wurde eine Armee gegen ihn aus- teten Catilinarier, muB eine historische Frage 

gesandt. Wahrend friedliche Verhandlungen mit bleiben. 

einzelnen nach der Erklarung des Kriegsrechtes Der S. des Principats. 
noch moglich waren, konnten Gesandtschaf ten vom 50 I. Zusammensetzung. 1. AnzahL 

S. nicht mehr an einzelne geschickt werden, die Die Zahl des S., die unter Caesar auf 900 an- 

einmal als hostis publieus erklart worden waren. geschwoUen war (Dio XLIII 47), der augenschein- 

Die VerfassungsmaBigkeit dieser MaBnahmen lich bezweckte, durch Vermehrung der Quaestoren 

laBt manches zu wiinschen tibrig. Plaumann auf 40 (Dio a. 0. 51. Suet. Caes. 41) einen dau- 

fiihrte scharfsinnig aus, daB die Vollmacht unter ernden Zuwachs zum S. zu erreichen, und die 

Kriegsrecht keine Macht war, die durch den S. nach seinem Tode sogar noch groBer war (Dio 

dem Beamten verliehen wurde, der sie selbst LII 42. Suet. Aug. 35 super mille. W i 1 1 e m s 

nicht besaB, sondern eher eine Wiederbelebung I 587f. Stein Ritterstand 208f.), wurde durch 

der Dictatur in abgeanderter Form, die im J. 50 Augustus auf ihre vorherige Normalzahl von 600 
von Metellus sogar ohne bestatigendes SC (Plut. 60 (Suet. Aug. 35. Dio LII 42. LIV 13f. 26. 35. LV 

Pomp. 58. Dio XL 64, vgl. Plaumann 369) 13) durch Revisionen im J. 28 und in spateren 

angenommen wurde, und die mit der grundsatz- Jahren reduziert (die umstrittenen Daten von 

lichen Verf assung vereinbar war, von der die dik- Augustus' drei lectiones senatus Mommsen 

tatorische Gewalt ein Teil gewesen war, mit der Mon. Anc.^ 35. Meyer Kl. Schr. P 457, 1. 

letzten Tendenz der augenblicklichen Verf assung, A b e 1 e Stud. Gesch. Kult. Altert. I 2, 5. F i - 

in der die diktatorische Gewalt koUegialen und er- s c h e r S. Augusti temporibus, Berl. 1908. B 1 u- 

wahlten Dictatoren verliehen wurde, und die vom m e n t h a 1 KUo IX 493 sind am einleuchtendsten 

Volk durch Freisprechung des Opimius bestatigt von Hardy Class. Quart. XIH 43 festgelegt 



761 Senate (Principat) Senatus (Principat) 762 

auf die J. 28, 18 und 4 n. Chr.; lectio und census Weg nur stufenweise in einen Kreis der Nobili- 

w^edhseln ab); und die Quaestoren wurden dem- tat nach dem anderen. Andererseits rekrutierte 

entsprechend auf 20 reduziert (M o m m s e n St.- sich in der Kaiserzeit der senatorische Stand, auf 

UM 528, 2). Durch die Heruntersetzung des Alters den der S. gesetzlich beschrankt war, bestandig 

fiir die Quaestoren auf 25 Jahre (Mo mm sen von auBerhalb, hauptsachlich aus den Rittern 

R. II 528, 2). Durch die Heruntersetzung des Alters (der Vorgang mit zahkeichen Beispielen Stein 

jedoch die tatsachliche Anzahl wahrscheinlich Ritterstand 2131; vgl. Hir schf eld Verwal- 

immer etwas hoher. tungsbeamte^ 415). Der Unterschied bestand 

2. Z u 1 a s s u n g. Man erhielt einen Sitz ent- grundsatzlich in der Organisation einer zweiten 

weder durch die Verwaltung der Quaestur wie 10 Nobilitat, der Bitter, durch die eine Mehrheit von 

vorher oder durch Adlection des Kaisers. Nach- Anwartern in den S. vorriickte, und in der Tat- 

dem Tiberius die Wahlen dem S. iibertragen sache, daB die Erganzung der hoher en Nobilitat 

hatte (Tac. ann. I 15), kam das erste Verfahren von auBerhalb in der Kontrolle des Kaisers lag. 

einer Selbsterganzung gleich, freilieh beeinfluBt 2. Census. Eine Berechtigung auf Grund 

von der Macht des Kaisers, die Kandidatenliste von Besitz, die im Betrag von 400 000 HS wah- 

zu revidieren. rend der Republik indirekt obligatorisch und eine 

A. Notwendige Erf ordernisse. Zwei Polge der Beschrankung der Mitgliedschaft auf 

Qualifikationen, die man in der Republik inoffi- die Equites war, wurde von Augustus formell fiir 

ziell verlangte, wurden systematisiert und zu ge- Senatoren als solche zum Unterschied vom Ritter- 

setzlich zwingenden gemacht. 20 stand auf HS 1000000 festgesetzt (Suet. Aug. 41. 

1. Der senatorische S t a n d. Wahrend Dio LIV 17. 26. 30. M o m m s e n St.-R. I 498, 2. 

in der Republik die Wahl zur Magistratur Zu- Thomas Symb. Osloens. I 53). Als wichtige 

lassung zum S. und senatorischen Rang erwarb, augenblickliche Folge wurde Verarmung AnlaB 

war nach Augustus* Neuordnung die Zugehorig- zur sofortigen AusstoBung aus dem S. 

keit zum senatorischen Stand unbedingt erf order- B. Adlectio (Mommsen St.-R. II 940; 

lich zur Bewerbung um republikanische Amter o. Bd. I S. 367). AuBer der Verleihung der Mit- 

(z. B. Dio LIX 9. Tac. ann. XIII 25. Suet. Nero gliedschaft im Senatorenstand konnte der Kaiser 

26); folglich war Gewinnung eines S.-Sitzes auf durch adlectio die Mitgliedschaft zum S. selbst 

dem Weg der Quaestur auf Mitglieder dieses verleihen, diesmal gewohnlich an altere Leute, 
Standes beschrankt. Sie bildeten eine erbliche 30 und Mitglieder, die einen Sitz batten, in eine 

Aristokratie, die aus Senatoren und ihren agna- hoher e Klasse erheben. Zulassungen in den S. 

tischen Nachkommen bis zur dritten Generation als solchen wurden nicht gewahrt, sondern durch 

bestand (Mommsen St.-R. Ill 466). Zugehorig- die Fiktion, daB das zugelassene Mitglied das 

keit zu diesem Stand wurde nur durch Geburt entsprechende Amt verwaltet hatte, in eine der 

oder den Kaiser erworben, der nach Belieben Per- vier Amterkategorien, aus denen sich der S. 

sonen, gewohnlich jtingeren Leuten, den latus zusammensetzte, freilieh nicht vor dem 3. Jhdt. 

davus (o. Bd. IV S. 6) verleihen konnte, den die inter consulares, und selten inter quaestorios, da 

Sohne der Senatoren, die, bis sie Mitgliedschaft sie gewohnlich Jung genug waren, den latus 

im S. selbst erhielten, Ritter blieben (Dio XLIII clavus zu erhalten und die senatorische Laufbahn 
23. LIV 2. LV 2. 13. Isid. orig. IX 4, 12. GIL 40 zu beginnen. 

VIII 11 810) durch ein Privileg des Augustus Diese Macht war ein Teil der Tatigkeit des 

bei der Anlegung der Mannertoga (Suet. Aug. 38) Kaisers als Censor und stellte insofern ein Wie- 

tragen durften als ein Symbol der Aufnahme in deraufleben der censorischen Senatorenwahl dar. 

den Stand und der Erlaubnis, die senatorische Ihre Ausiibung war nicht, wie Mommsen (St.- 

Laufbahn zu verfolgen (Dio LIX 9. Tac. dial. 7. R. II 940. Ill 466) in der Annahme, daB Augu- 

Plin. ep. II 9, 2. VIII 23. Vit. Sever. 1, 15, vgl. stus' lectiones senatus mit dem census zusammen- 

Dio LXXIV 3. CIL III 384. VII 504. VIII 7041. fielen, meinte, auf die Zeiten beschrankt, wo der 

19 423. XIII 1808. Ann. Epigr. 1906, 6. Stein Kaiser wirklich die Censur verwaltete, bis Domi- 

Ritterstand 199. 310). Im Laufe der ersten zwei tian sie dauernd bekleidete (Dio LXVII 4). Nero 
Jahrhunderte wurde dieser Stand allmahlich durch 50 und Vespasian vor seiner Censur iibten das Recht 

einen Titel gekennzeichnet, wie der Ritterstand der adlectio (G r o a g Arch.-epigr. Mitt. XX 49, 

nach Mark Aurel. Inoffiziell wurde im Laufe des vgl. Stein Ritterstand 230. 275). Man hat anspre- 

1. Jhdts. wie schon vereinzelt in der Republik (Cic. chend vermutet, daB Claudius diese Macht dem 

fam. XII 15, 1) der Titel vir clarissimus (v. c, c. v.) Principat als solchem zufiigte (G r o a g o. Bd. Ill 

eine tibliche Benennung des Senators. Am An- S. 2805). Sie mag jedoch bis in den Anfang 

fang des 2. Jhdts. dehnte sich der Titel auf ihre des Principats zuriickgehen, wie Dio (LIII 17) 

Familien aus (clarissima femina, iuvenis, puer, ausdriicklich behauptet. Das Fehlen inschrift- 

puella) und fand in Traians Zeit offizieUe (SC licher Beispiele in dem strengen Stil der ersten 

post. Perg. CIL 7086; vgl. unter Hadrian Dess. Kaiserzeit ist kein zureichender Grund fiir die 
2487. CIL VIII 23 246) und von Severus' Zeiten 60 tibliche Annahme, daB Dio nur die Lage seiner 

an fast allgemeine Anwendung (Mommsen eigenen Zeit wiedergebe, und sicher ist es wahr- 

St.-R. Ill 471. Hir schf eld Kl. Schr. 647). scheinlicher, daB der Rhetor lunius Otho Prae- 

Vom sozialen Standpunkt aus war diese Re- tor im J. 22 Seiani potentia senator (Tac. ann. 

organisation wenig mehr als eine Festlegung der III 66; wie auch Licinius Caecina hist. II 

bestehenden Bedingungen. Einerseits war in der 53) seinen Sitz durch adlectio als durch den 

Republik der S. in der Tat auf eine regiments- latus clavus und die vorgeschriebenen Amter er- 

fahige Gruppe beschrankt, und aufsteigende Fa- hielt. Die Ehren-, aber nicht die politischen 

milien machten mit seltenen Ausnahmen ihren Rechte des S. wurden einem Nichtsenator, Be- 



763 Senate (Principat) Sonatas (Principat) 764 

torderung zu einer hoheren Stufe einem Senator, Spanien, zum S, von Italien (OIL IX 3306 [Zeit 

durch die Verleihung der entsprechenden orna- des Augustus] primus omnium Paelignorum se- 

mewfa verliehen (M o m m s e n St.-R. I 456. Bei- nator f actus; orat. Claud. OIL XIII 1668 II 1, 

spiele Stein Ritterstand 273. Die fruher be- vgl. Tac. ann. XI 24, novo more [Augustus und 

zweif elten aedilicia ornamenta sind gefunden CIL Tiberius] omnem florem ubique eoloniarum ac 

Vin 15503. 26519). Diese Verleihung wurde, muriicipiorum bonorum scilicet virorum et loeu- 

obgleich gewohmlich vom Kaiser vorgeschlagen, pletium in hac curia esse voluit; Tac. ann. Ill 55. 

durch Abstimmung des S. verliehen. XII 23. Dio LIX 9). Vespasian dehnte die Mit- 

3. AusstoBung. Diese wurde durch den gliedschaft ohne Einschrankung auf die Provin- 
Kaiser bewirkt, dadurch dafi er den Namen des 10 zialen des Westens und Traian auf die des Ostens 
Mitglieds aus dem jahrlich revidierten album aus (Stech Senatores a Vesp. ad Traian. Klio 
senatorium, das von Augustus im J. 9 v. Chr. ein- Beih. X 177f.), und seitdem entwickelte sich der 
gefiihrt wurde (Dio LV 3. Tac. ann. IV 42), strich. S., abgesehen vom Zuriickbleiben Galliens (D e s - 
Griinde dafiir waren 1) Weigerung, auf des Kai- sau Herm. XLV 12) trotz der Ausdehnung des 
sers acta zu schworen (Tac. ann. IV 42. XVI 22). ius honorum durch Claudius, und abgesehen von 
2) Verbrechen, fiir die der S. selbst in seiner der tatsachlichen AusschlieBung Agyptens bis auf 
richterlichen Funktion AusstoBung als Strafe be- Severus (Dio LI 17. LXXVI 5, aber s. Stein 
stimmte (Tac. ann. Ill 17. IV 31. VI 48. XII 59. Ritterstand 411) standig zu einer Vertretung des 
XIII 11. XIV 59. Plin. ep. II 12, 2, wahrschein- Imperiums (Dessau 8f. Lully Senatorum 
lich auch Tac. ann. VI 3). 3) Ungeziemlichkeit, 20 patria. Roma 1918. Stein Ritterstand 218f. 
deren BegrifE allmahlich mehr und mehr be- Walton Oriental senators, Journ. rom. stud, 
stimmt wurde. Die Lex lulia de vi privata oder XIX 38. tJber den Bestand des S. s. F i s c h e r 
ihre spatere Deutung durch den S. (Dig. XL VIII S. August! temporibus, Berl. 1908. P. und J. 
7, 1) und wahrscheinlich auch die Lex lulia repe- W i 1 1 e m s Le S^nat en 65 [Louvain 1902] = 
tundarum (o. Bd. XII S. 2389), wenn sie nicht Mus. Beige IV 236. V 82. VI 100. Stech a. 0. 
durch den S. oder Kaiser gemildert wurde (Plin. Sintenis Zusammensetzung d. S. Severus u. 
ep. II 12. IV 9, 17), enthielt unter ihren Straf- CaracaUa, Berl. 1914. Thiele Alex. Severus 
bestimmungen Unwahlbarkeit zum S. SchlieBlich [Berl. 1909] 77. J a r d 4 Etud. Sev. Alex. [Paris 
wurde Verurteilung in einem indicium publicum 1925] 119. Parisius Senatores inter 244 et 
der infamia gleichgestellt, wie sie im praetori- 30 284, Berl. 1916). Es war symptomatisch, daB 
schen Edikt (Dig. XL VIII 1, 7) formuliert war, Traian verlangte, daB die Senatoren aus der Pro- 
und alle infames dementsprechend unwahlbar ge- vinz ein Drittel, Mark Aurel ein Viertel ihres Ver- 
macht fur irgendeine Ehrenstelle (Cod. lust. X mogens in italischem Landbesitz anlegten (Plin. 
32, 8. 59. XII 1, 2. 35, 3). 4) Armut. Nach ep. VI 19, 4. vit. Marc. 11). 

der Einfiihrung einer Qualifikation durch Besitz Sozial ist der Wechsel in der Herkunft des 

konnte der Kaiser die Verarmten aus dem S. aus- senatorischen Standes, wie Dessau besonders 

stoBen, oder, da freiwilliger Rticktritt seine Er- betont hat, untrennbar verkniipft mit dem der 

laubnis erforderte (Tac. ann. XI 25 ius exuendi Ritter und der Armee. In der friihen Kaiserzeit 

ordinis, vgl. I 75 veniam ordinis, CIL XII 1783), rekrutierte sich der Senatorenstand in weitem 
ihnen erlauben zu verzichten (Tac. ann. II 48. 40 Umfang aus der Munizipalaristokratie und den 

XII 52. Dio LX 11. 29, vgl. LIV 26), wenn er nicht, ritterlichen Staatsbeamten; spater in weiterem 

wie er es oft in geeigneten Fallen tat, durch Ge- MaB aus der Armee. Es ist jedoch ein Fehler, 

schenke (Tac. ann. I 75. II 37. 48. Suet. Aug. von einer plotzlichen Barbarisierung des S. durch 

41; Tib. 47. Dio LIV 17. LV 13. LVII 10; die kaiserliche Politik besonders des Septimius 

Mon. Ancyr. VI 42) oder sogar durch jahrliches Severus zu sprechen. Die Anderungen in der Zu- 

Gehalt (Tac. ann. XIII 34. Suet. Nero 10; Vesp. sammensetzung des S. und die Militarisierung 

17. vit. Hadr. 7) freiwillig ihr Vermogen wie- der oberen Klasse im 3. Jhdt. waren eine Folge 

derhersteUte. 5) Belieben des Kaisers. Nach der des Druckes tiefgehender sozialer und wirt- 

Reinigung des S. durch Augustus wurde die will- schaftlicher Zustande (s. Rostovtzeff Ge- 
kiirliche Befugnis zur AusstoBung anscheinend 50 sellsch. u. Wirtsch., bes. II 199f. 332). Die Not 

nur ausgeiibt, wenn der Kaiser wirklich die Censur fuhrte Gallienus schlieBlich dazu, das Kommando 

verwaltete (so von Claudius Tac. ann. XII 4. Suet. iiber Provinzen und Armeen auf Beruf ssoldaten 

Claud. 16; von Vespasian Suet. 9), bis Domitian von ritterlichem Stand zu tibertragen (Homo 

sie mit der Censur auf Lebenszeit annahm; seit- Rev. Hist. CXXXVII 161. CXXXVIII 1). Vom 

dem wurde sie als ein kaiserliches Vorrecht aus- sozialen Standpunkt jedoch kann der Charakter 

getibt (M m m s e n St.-R. II 946. Ill 881). der Anderung durch die Namen verdunkelt werden. 

4. Der Kreis der Rekrutierung. Zum Teil Dio (LXXVIII 12) bezeugt, daB schon unter den 
durch kaiserliche Politik, aber mehr noch durch Legionskommandeuren, die sich zu Caracallas 
weitreichende soziale und wirtschaftliche Machte Ostexpedition versammelten und offiziell noch 
(s. Rostovtzeff Gesellsch. u. Wirtsch., bes. 60 von senatorischem Stand waren, nur einer von 
I 53f. 78f. 93f. 127. 153. II 199f.), breitete sich senatorischer Geburt war. 

in tTbereinstimmung mit der Entwicklung der 5. Soziale Abstufungen. Innerhalb 

ganzen romischen Welt der geographische Kreis, des Senatorenstandes gab es zwei engere Kreise 

aus dem sich der S. wie auch die Ritter rekru- von gesellschaftlichem Vorrang. 

tierten (S t e i n Ritterstand 412), bestandig aus. A. Das Patricia t, dessen schwindende 

Wahrend der lulisch-Claudischen Dynastie wurde Zahl Caesar (Suet. Caes. 41. Dio XLIII 47) und 

der S. von Rom mit einer kleinen Mischung von Augustus (Mon. Ancyr. II 1. Dio LII 42. Tac. 

Provinzialen, hauptsachlich aus Narbonensis und ann. XI 25), ermachtigt durch Gesetz, Claudius 



765 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 766 

(Tac. a. 0. CIL III 6074. XIV 2612. 3607), erforderliche Vorstufe des Vigintivirates (Tac. 

Vespasian nebst Titus (Tac. Agr. 9. vit. Mare. 1. ann. Ill 29. Dio LX5. Mommsen St.-E. I 544) 

CIL VI 1548. IX 2456. XI 5210. Dessau in die senatorische Laufbahn Eingetretene in der 

Journ. rom. stud. Ill 302) als Censoren und spa- Regel die Praetur erlangte, unid dafi ungefahr so 

tere Eaiser kraft der angenommenen Censor- viele Kandidaten zur Wahl aufgestellt wurden, als 

gewalt (Dio LIII 18) durch neue Mitglieder, Platze auszufiillen waren (Mommsen St.-R. I 

Vespasian sogar durch Provinziale (Verzeichnis 557). Nachdruck wurde ferner auf die gelegt, die 

H e i t e r Patr. gentes 1. 11. III. Saec, Berl. 1909) durch Geburt, Wohlstand und Tiichtigkeit befahigt 

vermehrte. Sie genossen gewisse Vorteile in ihrer waren, die Laufbahn einzuschlagen und sie zu 
senatorischen Laufbahn. Sie waren befreit von 10 verfolgen (Dio LIV 26. 30. LV 24. LX 29. LXVII 

der sonst erforderlichen Stufe des Tribunats oder 13. Suet. Claud. 24. Mommsen St.-R. I 476). 

der Aedilitat (Mommsen St.-R. I 555), be- So bildete als Ergebnis der Senatorenstand in der 

kleideten ihre Quaestur immer als kaiserliche Auffassung und der Praxis eine Kaste, die sich 

vom Kaiser empf ohlene Quaestoren (Brass- den Regierungsgeschaften widmete, mit einer 

loff Herm. XXXIX 618) und verwalteten von wohl geordneten Reihe von Beforderungsstufen, 

Vespasian bis Severus im Vigintivirat nur die in die die jungen Leute eintraten und fast auto- 

vornehmere Stellung des lllvir monetalis (Groag matisch vorrtickten. 

Arch.-epigr. Mitt. XIX 145, vgl. Dessau Journ. In Form des Gesetzes wurde die Rangfolge 

rom. stud. Ill 303). der Mitglieder wie auch ihre Zulassung nach der 

B. Nobilitat (Gelzer Herm. L 395, an- 20 tlbertragung der Wahlen an den S. durch den S. 

gegriffen von Otto Herm. LI 73, aber erf olg- selbst bestimmt. In der Praxis waren seine Macht- 

reich verteidigt von Stein Herm. LII 564). Als befugnisse eng begrenzt durch des Kaisers Kon- 

eine Auszeichnung, die auf eine anerkannte troUe liber die Wahlen (s. u.), der auBerdem 

Gruppe beschrankt war, lebte die Nobilitas noch durch adlective Ernennung oder Beforderung die 

bis in die Kaiserzeit hinein weiter. Der Unter- Rangfolge direkt anderte. 

schied war jedoch rein gesellschaftlich und Wann, wenn tiberhaupt je, der Vorrang der 

inoffizieU. Die Gruppe genoB keine gesetzlichen Patricier innerhalb der Amtskategorien abge- 

Vorrechte, obgleich ihr ungeheures Ansehen sie schafft wurde, laBt sich nicht bestimmen. Die 

fraglos zu einem Faktor von politischer Bedeu- einzigen spateren Listen redigierender Ausschtisse 
tung im 1. Jhdt. machte. Die Mitgliedschaft 30 (SC salt. Beg. aus J. 138 CIL VIII 23 246. SC 

griindete sich auf Abkunft von der Nobilitat der Cyzicen. unter Antoninus Pius CIL III 7060) 

Republik einschlieBlich der weiblichen Seite. So liefern keine Entscheidung. Wenn der Vorrang 

wurde die Gruppe ein abgeschlossener und nicht aufrechterhalten wurde, so bestimmten die neuen 

zu vergroBernder Kreis. Ungllicklicherweise ist Ernennungen von Patriciern die Reihenfolge 

das eigentliche Kriterium der Zugehorigkeit un- innerhalb des S. in hohem Grad. Den ersten Platz 

gewiB; nach Gelzer Abkunft von einem repu- auf der Liste und den Titel prineeps senatus 

blikanischen Consul, nach Stein von einem nahm Augustus im J. 28 ein (Mon. Antioch. I 7 

Consul vor der tJbertragung der Wahlen auf den Klio Beih. XIX. Dio LIII 1); danach wurde, die 

S. im J. 14 n. Chr., nach einer ansprechenden Ver- Stellung regelmaBig vom Kaiser eingenommen, 
mutung Groags (Strena Buliciana [Zagreb 1924] 40 aber der Titel vermieden (Mommsen St.-R. II 

254) von einer Senatorenfamilie der Republik. Der 895), auBer von Pertinax (Dio LXXIII 5. CIL II 

tberrest dieser Gruppe, den Armut, Rassenselbst- 4125. Ill 14 149, 35. 38. XI 3873), der darin 

mord und Hinrichtungen verschont batten, wurde, ein Zeichen der konstitutionellen Herrschaft sah 

nicht durch gesetzliche Verordnung, aber darum (Pelham Essays 55). 

nicht weniger endgiiltig, in der Praxis durch II. V e r f a h r e n. Die Regeln des Verfahrens 

Vespasian und spater vom Kommando uber mili- wurden allmahlich durchs Gesetz (Dio LV 3. Sen. 

tarische Provinzen ausgeschlossen (Groag a. 0.). brev. vit. 20. Plin. ep. V 13, 5. VIII 14, 19. Gell. 

6. Amterkategorien. Wichtiger war IV 10) und durch juristische Handbiicher (GeU. 

die Einreihung der Senatoren in Kategorien nach a. 0. XIV 7, 12. Fest. senacula 347 M.) formu- 
ihrem Amt. Die republikanischen Amter, die den 50 liert. Aufierlich blieben sie im Grundsatz un- 

Senatoren offenstanden, waren im ganzen von ge- verandert und waren nur Anderungen im einzel- 

ringerer Bedeutung an sich als darin, daB sie nen und solchen, die durch Privilegien des Kai- 

eine Rangordnung begriindeten, die die einzelnen sers bedingt waren, unterworfen. Infolge des 

zu den groBen Verwaltungsposten, die der sena- allmahlichen Verfallprozesses anderte sich jedoch 

torischen Aristokratie offenstanden, befahigte der Charakter des S.- Verfahrens voUstandig. 

(tiber die senatorische Laufbahn s. Cagnat 1. Versammlung. RegelmaBige Ver- 

Cours d' Epigr.-* 92). Die drei im republikani- sammlungen (senatus legitimi) am Anfang und 

schen Cursus honor um erforderlichen Stufen Quae- Mitte jeden Monats wurden von Augustus im J. 9 

stur, Praetur, Consulat mit einer vierten, dem v. Chr. (Dio LV 3. Suet. Aug. 35. vit. Hadr. 8; 
Tribunat oder der Aedilitat, die nach Augustus' qq Pert. 9. Fasti Philocali CIL F p. 256) angeordnet. 

Verordnung verwaltet werden muBte (Dio LII 20. Um Konflikte zu verhindern, wurde fiir diese Tage 

Mommsen St.-R. I 554), schufen vier Kate- kein Gericht angesetzt (Dio a. 0.) und wahrend 

gorien: die quaestorii, tribunicii — aedilicii, der Ferienmonate September und Oktober muBte 

praetorii, consulares; unter eine von ihnen fielen nur eine beschrankte Anzahl von Senatoren, die 

alle Senatoren, entweder durch tatsachliche Ver- durchs Los bestimmt wurden, anwesend sein 

waltung eines Amtes oder Fiction einer adlectio. (Suet. a. 0.). Sonst wurde Abwesenheit bestraft 

Die Zahlen der ersten drei Amter — 20, 16, (Dio LIV 18. LX 11). Die Einladung geschah 

12 — 18 — waren dergestalt, daB jeder durch die regelmaBig durch ein Edikt (Gell. Ill 18, 7 quo 



767 Senate (Principat) Senatus (Principat) 768 

nunc quoque eonsules . . . tralaticio utuntur). secretarium senatus von Augustus (Platner- 

Sondersitzungen konnten natiirlich nach Bedarf Ashby 143) erganzt wurde. 

eingelegt werden (Tac. ann. I 7. Plin. ep. Die inneren Einrichtungen der Curia anderten 

II 11,16. Dio LVIII 11. vit. Gord. 11; Did. sich betrachtlich. Ein dritter curulischer Stuhl 

lul. 2). Besonders der Kaiser war dazu ermaeh- wurde zwischen die beiden der Consuln zuerst 

tigt, sie nach seinem Willen einzuberufen (Dio fiir Caesar und danach regelmaBig ftir den Kaiser 

LIV 3). gesetzt (Dio XLIII 14. L 2. LIV 10. LIX 12. LX 16. 

"Wie in der Republik konnten die Senatoren Suet. Tib. 17. Herodian. II 3, 3); neben diese 

und nach Caesar auch ihre Sohne (Suet. Caes. 42) wurden Banke fur die Praetoren und Tribunen 

Italien aufierzurKeise nach Sizilien und nach Clau- 10 aufgesteUt (Dio LVI 31. LX 12). Auf der letz- 

dius nach Narbonensis nicht ohne Erlaubnis (Tac. teren safi bisweilen auch der Kaiser, vermoge 

ann. XII 23. Dio LII 42) verlassen. Dies wurde seiner tribunicischen Gewalt (Dio XLIX 15. LX 

zuerst vom S. gewahrt, aber seit Claudius vom 16. Suet. Claud. 23. Tac. ann. I 7). Die Mit- 

Kaiser (Dio LX 25. Suet. Claud. 23). Da man glieder saBen auf Banken gegentiber dem Vor- 

eine aUgemeine, wahrscheinlich von Caesar fest- sitzenden. Entgegen der Freiheit und Formlosig- 

gesetzte, Anwesenheitsliste von 400 unmoglich keit der Republik behielt jeder Senator wenigstens 

aufrechterhalten zu konnen glaubte, versuchte gewohnlich denselben Platz, was die regelmafiige 

Augustus eine festzusetzen, die je nach dem be- Abhaltung der Versammlungen in der Curia er- 

handelten Gegenstand wechselte (Dio LIV 35. leichterte (Dio LVI 31 wg uiov exaoxog slcbd-ei, 

LV 3, vgl. SC Cyren. Z. 106). Der S. wurde dem- 20 LX 12), obgleich es keinen Beweis dafiir gibt, 

gemafi gezahlt (Dio a. 0. Plin. paneg, 76) und dafi diese Platze nach dem Kang angewiesen oder 

die Anwesenheitsziffer dem redigierten SC bei- angeordnet waren, und wahrend der Sitzung be- 

gefiigt, gelegentlich in einer abgekiirzten Form wegten sich die Senatoren frei umher, sogar, um 

{%. s, f. =: in senatu fuerunt Probus IV 273 K.). sich in Privatbesprechungen einzulassen (Plin. 

Auf diese Weise sind von einer Zahl von 405 ep. VI 5, 5. IX 13, 10. Tac. XI 6). Beim Ein- 

— 409 anwesenden Mitgliedern (SC sex prim. aer. tritt mufite jeder Senator auf Verlangen des 

CIL VI 32 272) bei S.-Sitzungen im J. 23 be- Augustus dem lanus an der Ttir der Curia oder 

richtet, im J. 45 von 383 (SC aed. diruend. CIL dem Gott des Tempels, in dem der S. tagte (Suet. 

X 1401), im J. 138 von 250—299 (SC salt. Beg. Aug. 35. Dio LIV 30, LXXIII 13), ein Opfer 
CIL VIII 23 246). Die Bemtihungen Anwesen- 30 bringen. In der Curia wurde ein berlihmter Altar 

heit zu erzwingen, wurden jedoch trotz gelegent- der Victoria, der das letzte Symbol des Heiden- 

licher Versuche (Dio LX 11) nicht ernstlich tums wurde, von Augustus aufgestellt und im 

durchgefiihrt (z. B. Galba Suet. Galb. 3, vgl. Tac. J. 382 von Gratian endgiiltig entfemt (P 1 a t - 

ann. VI 40. Thrasea Paetus Tac. ann. XVI 22. ner-Ashby 569). 

Pomponianus Dio LXXIII 3), und es erhoben sich 2. Sitzungen. Der Rahmen der Verhand- 

Klagen iiber geringe Anwesenheit (von Nero lung blieb die relatio und interrogatio; die feste 

Tac. ann. XVI 27, von Caracalla Dio LXXVII 20). Anordnung der letzteren wurde, wenn sie auch 

Vom 3. Jhdt. an wurde ein allgemeines Minimum gelegentlich von Augustus, um Beweglichkeit zu 

von nur 70 fiir alle Geschafte gefordert (vit. schaffen (Suet. Aug. 35) verlassen wurde, gewohn- 
Alex. 16); im J. 356 ein Minimum von 50 fiir die 40 lieh befolgt. Sie begann gewohnlich unter aUen 

Wahl der Praetoren (cod. Theod. VI 4, 9. H o n n Vorsitzenden bei den gewahlten Consuln (z. B. 

Quellenunters. zu den SHA 91 und Baynes Tac. ann. Ill 22; hist. IV 4. Plin. ep. II 11, 19. 

Hist. Aug. 45 nehmen ohne geniigende Gewahr 12, 2. IX 13, 13. Orat. Claud. BGU 611 s. u.). 

an, daB die erstere nur ein Reflex der spateren Wenn aber der Kaiser den Vorsitz fiihrte, ge- 

Verordnung ist). Eine Alter sgrenze, nach der die wannen die anderen Magistrate das Recht zuriick, 

Anwesenheit nicht mehr erforderlich war, wurde, das sonst eingeschlafen war (Tac. hist. IV 41), 

wie Stroux (Abh. Akad. Miinch. XXXIV 2 eine sententia vorzubringen und abzustimmen. 

[1928] 122) ansprechend vermutete, von Augu- Die Befragung konnte dann folglich — und 

stus auf 70 Jahre festgesetzt und spater auf 65 manchmal war es in der Tat so — , mit den am- 

<Sen. rhet. contr. I 8, 4) und 60 (Sen. brev. vit. 50 tierenden Consuln beginnen (Tac. ann. Ill 17), 

20) herabgesetzt. und Tiberius begann gelegentlich bei irgendeinem 

Wie in der Republik versammelte sich der S. Consular, den er auswahlte (Tac. ann. Ill 68, 

in irgendeinem Tempel. Zu den vorher benutzten vgl. Dio LV 25). Unter Kaiser Pius (vgl. SC 

kamen besonders die Bibliothek des Apollotem- Cyzicen. CIL III 7060 [unter Pius] sententia 

pels auf dem Palatin (Suet. Aug. 29. Tac. ann. dicta ah consuls designato, und SC sumpt. lud. 

II 37. XIII 5. Dio LVIII 9), der Tempel des CIL II 6278, 21 [aus J. 176/77] prima sententia), 

Mars Ultor fiir Versammlungen, die sich auf verloren, wahrscheinlich infolge der Vermehrung 

Krieg und Triumphe bezogen (Suet. a. 0.; Gai. der Consuln, die gewahlten Consuln ihren Vor- 

44. Dio LV 10), und die Bibliothek der Saulen- rang (Gell. IV 10 [um J. 160] ante legem quae 

halle der Octavia fiir Versammlungen auBerhalb 60 nunc observatur wurden sie zuerst befragt), und 

des pomoerium (Plin. n. h. XXXVI 28. Dio LV ihnen folgte der primae sententiae senator (Lact. 

8) hinzu. In der Regel versammelte er sich in der inst. I 10. 8. vit. Max. Balb. 1. Val. 5. XXX tyr. 

Curia luHa auf dem Comitium (SC salt. Beg. CIL 21; Aur. 19. 41; Tac. 4; Prob. 12, vgl. Gord. 9. 

VIII 23 246 in comitio in curia lulia), deren Bau CIL VI 1698 Symmachus; SC sumpt. lud. a, 0.). 

Caesar begann, um die Curia Hostilia zu ersetzen, Leider ist iiber seine Qualifikationen nichts be- 

und die durch das daneben liegende Chalcidicum kannt. Ihm fiel nach dem Verfall des S.-Ver- 

(Pl at ner-Ashby 111, o. Bd, III S. 2041), fahrens die Aufgabe zu, einen BeschluB zu for- 

spater auch Atrium Minervae genannt, und das mulieren. 



769 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 770 

Die Consulare wurden zunachst wie in der VI 24. Dio LVlII 25; die formliche jahrliche 

spaten Republik in irgendeiner Reihenf olge aufge- Verlesung gewisser kaiserlicher Meisterstticke 

rufen, die dem Vorsitzenden gefiel, abgesehen von wurde manchmal vom S. beschlossen: Dio LIX 6. 

; einer kurzen Riickkehr zur Reihenfolge nach dem LX 10. LXI 3), wozu auch Brief e von Privat- 

( Dienstalter unter Gains; die iibrigen Klassen nach leuten (vom germanischen Prinzen Adgandestrius 

dem Dienstalter {Bio LIX S i?< tov 'laov ro2g aXloig Tac. ann. II 88; von Drusus Ti. f. ann. Ill 59, 

}ial exeivovg, d. h. consulares sv xfj rd^ec rfjg von Valens hist. II 55, von Mucianus hist. IV 4) 

OQX^^ W VQ^^'^ d7io(palvso'&at). Gewohnlich ging und vom Kaiser gehorten. Durch diese Brief e kon- 

die interrogatio nicht liber die praetorii hinaus troUierte der Kaiser einerseits die Geschaftsord- 
(Tac. ann. Ill 65. Front, aqu. 99 pedarius. Sen. 10 nung (z. B. Tac. ann. Ill 32. 35. VI 39), und 

vit. beat. Ill 2), wenn nicht ein niederer Senator andererseits bediente er sich des S. als Publika- 

darauf bestand. Die adlecti wurden wahrschein- tionsstelle. Diese kaiserlichen Mitteilungen infor- 

lich mit der Klasse des Jahres aufgerufen, in mierten bisweilen nur den S. tiber wichtige Er- 

dem sie ernannt waren; denn Drusus und Germa- eignisse oder erklarten Taten des Kaisers, ohne 

nicus bekamen, als sie ornamenta erhielten, als Erwartung irgendeiner Handlung von seiten des 

besondere Gunst eine Stellung an der Spitzeihrer S. (Tac. ann. VI 29. Dio LXIX 1. LXXVII 22. 

Amtsklasse (Dio LVI 17), und alle adlecti des Com- LXXVIII 8. LXXIX 4; Berichte vom Kriegsschau- 

modus bei seinem Tod hinter die gewesenen Be- platz Dio LXVIII 29. LXIX 14. LXXI 30. LXXVII 

amten ihrer Klasse gesetzt (SHA Pert. 6, vgl. al- 18, vgl. Suet. Tib. 32); war eine solche aber an- 
bum Canusinum GIL IX 338). 20 gemessen, so riefen sie relationes und Beschltisse 

Bei der Abgabe seiner sententia behielt der hervor (Tac. ann. V 3 nach der Verlesung des 

Senator ohne Frage das Recht, auBerhalb der Ge- Briefe® von Tiberius gegen Agrippina und Nero 

schaftsordnung zu sprechen {egredi relationem ut referretur postulavere, vgl. V 4 monere con- 

Tac. ann. II 33. 38. XIII 49. Plin. ep. VI 19, 3. sules ne relationem inciperent; III 47. IV 70. VI 

IX 13, 9); aber sowohl dieses Recht wie das, 3. 9. 15. XIV lOf. 59; hist. IV 3. Dio LVIII 10, 

unbegrenzte Zeit zu reden, wurde von Augustus vgl. Suet. Tib. 65. LXXVIII 27; solche Brief e 

auf irgendeine Weise beschrankt (Capito = kann man nicht immer von kaiserlichen geschrie- 

Gell. IV 10, 8 erat ius senatori). Auf jeden benen relationes [s. u.] unter scheiden). Der Kai- 

Fall wurden Vorschlage, die auBerhalb der re- ser versammelte den S. auch, um personlich infor- 
latio gemacht wurden, nicht der Abstimmung 30 mierende Reden zuhalten (Suet. CI. 36f. Dio LVI Oa. 

unterworfen (Tac. ann. Ill 34. XV 22). Wenn der LXXVI 5). Besonders am Anfang seiner Regierung 

S. als Gerichtshof funktionierte, wurde Verteidi- verkiindete er meist so sein Programm (Dio Ll>v 

! gern eine bestimmte Zeit zugebilligt (Plin. ep. 6. LXI 3, vgl. Tac. ann. XIII 4. LXXIV 2). In 

IV 9, 9). Im Grunde jedoch war das Verschwin- politischer Hinsicht nahmen diese Verhandlungen 

den dieses wichtigen republikanischen Vorrechtes vor der relatio, als der S. mehr und mehr ein 

eine Folge des Verfalls. Es wurde ersetzt durch Organ der Publikation wurde, dementsprechend 

die zunehmende Gewohnheit, Vorschlage in der an Bedeutung zu. 

Vorverhandlung und durch Zuruf e aus der Menge Mitglieder und Beamte benutzten diese Zeit 

zu machen. In gerichtlichen Verfahren und wahr- vor dem BeschluBverfahren, um Angelegenheiten 
scheinlich in alien konnten die Senatoren durch 40 vor den S. zu bringen (M o m m s e n St.-R. Ill 

Gesetz gezwungen werden, ihre sententiae eid- 950). Ein solches Verfahren hatte den Vorteil, 

lich abzugeben (Plin. ep. V 13, 5. Tac. ann. I 74. relativ lose und frei zu sein. Das Mitglied fragte 

IV 21. 31). den Vorsitzenden um Erlaubnis, auBerhalb der 

Die steifen Grundlinien dieses Verfahrens regelmafiigen Tagesordnung zu sprechen ^ (Plin. 

wurden jedoch noch mehr abgeandert als in der ep. IX 13, 7 venio in senatum, ius dicendi peto), 

Republik. Die interrogatio wurde durch Fragen und die Sitte erforderte es, daB diese Bitte ge- 

(Kaiser an Senator Tac. ann. I 8; Senator an wahrt wurde (IX 13, 9 quod usque adhuc omni- 

Kaiser ann. I 12f. Suet. Aug. 54; Senator an Se- bus permisisti). Der Charakter der so gemachten 

nator Tac. ann. Ill 18) unterbrochen. Besonders Mitteilung war beinahe unbegrenzt. War sie dazu 
der Kaiser, der das Rederecht des Beamten aus- 50 geeignet, so konnte sie spater zum Gegenstand 

libte, unterbrach oft, um Vorschlage im Laufe der einer relatio in regelrechter Form gemacht wer- 

Debatte (Tac. ann. I 14. 76. II 33, 37. 83. Ill den. Inzwischen konnten jedoch andere Mitglieder 

18. 64. 68f. IV 30. Dio LXXVI 5) abzuandern durch spontane Rufe der Zustimmung oder Ab- 

oder abzulehnen. Mit Erlaubnis des Vorsitzenden lehnung oder sogar durch formliche Reden einen 

und offenbar durch ein Gewohnheitsrecht konnte unformlichen consensus bezeugen, der, wenn er 

der Senator tiberdies wieder zu Wort kommen, auch natiirlich ohne legale Kraft war, als Aus- 

um zu erwidern (Plin. ep. IX 13, 7f.). So konnte druck der Stimmung des S. faktisch einen Be- 

eine formlose altercatio zu einer geordneten De- schluB vorausnahm (Tac. ann. XIII 26, vgl. XI 5. 

batte zwischen Senatoren werden (Tac. hist. IV Plin. ep. VI 19). Ein ahnlicher consensus konnte 
6f., vgl. ann. II 35); sie kamen zu den alten alter- 60 natiirlich auf ahnliche Weise nach einer Mittei- 

cationeSf an denen die Beamten teilnahmen, hin- lung des Kaisers erreicht werden. 
zu (Plin. ep. VI 5, 4. Tac. ann. XIII 28). 3. A c t a /s e n a t u s (R u g g i e r o Diz. Epigr. 

Das Verfahren vor der re^a^io nahm auBerdem 145. Stein Protokolle des S. [Prag 1904]. 

groBere Ausdehnung und Wichtigkeit an. Doku- Hirschfeld Kl. Schr. 682. Kubitschek 

mente von allgemeinem Interesse wurden hier o. Bd. I S. 287). Abgesehen von der vom S. ver- 

verlesen (z. B. das Testament des Augustus Tac. ordneten Publikation besonderer Punkte (Plin. 

ann. I 8. 11. Suet. Aug. 101; Tib. 23. Dio LVI ep. V 13, 8. VII 33, 3; paneg. 75, vgl. SHA 

33; der Bericht von Drusus' Wartern Tac. ann. Alex. 6. Dio LX 10. LXI 3), wurde die Publi- 



Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 



25 



771 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 772 

kation der S.-Verhandlungen in den acta urbis er nun das Consulat verwaltete und den Vorsitz 

(diurna), die von Caesar angeordnet worden war fiihrte oder nicht (Dio LIII 32 XQVf^'^^^^'''^ ^^Q^ 

(Suet. Caes. 20), von Augustus abgeschafft (Suet. evog xivog Kixd^ enaoxriv ^ovXy\v koLv {a^y} vTiarsvo]]), 

Aug. 36). Die Verhandlung wurde jedoch weiter Seine relatio hatte den Vorrang vor denen anderer 

aufgezeichnet sowohl zur Information flir den Beamter. Dieser Vorrang dehnte sich allmahlich 

Kaiser (Suet. Tib. 73) als auch f iir die Archive. auf die Zahl von f iinf relationes aus (SHA Marc. 6 

Diese ProtokoUe muB man von den besonders ius quintae relationis; Pert. 5. Alex. 1. Prob. 12, 

gefiihrten jahrlichen Auf zeichnungen der SC vgl. SC Cyzicen. CIL III 7060 relatione IV con- 

unterscheiden (Cic. Att. XIII 33, 3. Joseph. XIV eedente imp. P e 1 h a m Essays 75 behauptet 
10, 10. SC Aphrod. L e B a s III 1627. SC salt. 10 richtig gegen Mommsen St.-R. II 898, daB 

Beguen. CIL VIII 23^46). Die Aufbewahrung der dies Recht nicht auf geschriebene Vortrage be- 

«cia wurdevor demJ.29n.Chr.und wahrscheinlich grenzt war). Er konnte iiberdies geplante re- 

schon viel friiher einem senatorischen Beamten, lationesj die ihm von den Consuln vorgelegt 

der vom Kaiser bestimmt wurde und im 1. Jhdt. wurden, prtifen und sie entweder unterdriicken 

den Titel curator actorum senatus, von der Zeit oder zur Vorlegung vor den S. zuriickschicken 

Traians an (K o r n e m a n n Bd. IV S. 1796. (lelationem remitter e Mommsen St.-R. II 900. 

Verzeichnis Stein ProtokoUe 16) ah actis sena- III 953. Tac. ann. Ill 10. 52f. Plin. ep. IV 9, 1. 

tus hatte, anvertraut. Nach dem 1. Jhdt. wurden IX 13, 22. Suet. Tib. 61 nach Hell ems Lex 

sie regelmaBig vermittels kaiserlicher Empfeh- Imp. Vespasiani [Chicago 1902] 11 war dies eine 
lung zur Aedilitat aus der Zahl der gMaesfom 20 Vorwegnahme der tribunicischen Gewalt; ver- 

ernannt (Mommsen St.-R. Ill 901. 927. standlicherweise lag den Consuln oft viel an 

Stein 20; anders Brassloff Wien. Stud. seiner Meinung, vgL Tac. ann. V 4. XIII 26). 

XXII 149, vgl. Bd. IV S. 725). Sie wurden von Alle Sitzungen, die auf seinen Wunsch abgehal- 

Berufsschreibern (CIL VI 33721. 37098. XV 7174. ten wurden, oder bei denen er zugegen war, waren 

SHA Gord. 12, vgl. Sen. apocol. 9) unterstiitzt, giiltig (Lex imp. Vesp. CIL VI 930 utique ei 

und infolge des zunehmenden Fortschritts in der senatum habere relationem facere remittere sena- 

Stenographie (z.B. Sen. ep. XIV 2, 25) war ein leid- tus consulta per relationem discessionemque facere 

lich vollstandiger und genauer Bericht gesichert. liceat . . . utique cum ex voluntate auctoritateve 

Neben den Beschliissen werden Reden einschlieB- iussu mandatuve eius praesenteve eo senatus habe- 
lich der abgelehnten Vorschlage (Tac. ann. XV 30 bitur omnium rerum ius perinde habeatur serve- 

74. Front, ep. Marc. II 1, 26 N.), Verhore (Suet. tur ac si e lege senatus edictus esset habere- 

Aug. 5; Tib. 73. Tac. a. 0.) und besonders die tur que). Infolge seiner tribunicischen Gewalt 

Reden der Kaiser, wie sie von ihren Quaestoren konnte er Beschliisse annullieren einschlieBlich 

verlesen wurden (Plin. paneg. 75) als in diesem krimineller Verurteilungen (Tac. ann. I 13. Ill 

ProtokoU enthalten zitiert. Sicherlich waren 70. Suet. Tib. 33; Dom. 11); gewohnlich gentigte 

Briefwechsel und Antrage der Beamten auch die Kundgebung seiner Ablehnung, sie zu ver- 

darin enthalten. Die Aufnahme von Zurufen hindern (z. B. Tac. ann. I 73. Ill 70. VI 5. 9). 

aus dem ' Publikum, an die Mommsen (Ges. Wenn er anwesend war, anderte oder verwarf er 

Schr. VIII 506, vgl. orat. Claud. CIL XIII 1668 oft vorgeschlagene Beschliisse miindlich im Laufe 
II 20) glaubt, ist unwahrscheinlich (s. F a b i a 40 der Debatte (s. o.), und wenn er abwesend war, tat 

Table Claudienne [Lyon 1929] 119). Nur ein er es spater durch Brief e (Tac. ann. Ill 47. 59. 

Exemplar des S.-ProtokoUs ist leider erhalten, V 2. VI 2. 12). Kurz, er hatte alle magistra- 

und zwar das vom J. 438 (Gesta senatus Romani tischen Rechte der Verhandlung mit dem S. in 

Cod. Theod. praef.). Die angeblichen Exzerpte, hochster Potenz und ebenso die Rechte eines 

die in den Scriptores Historiae Augustae erhalten Senators. 

sind, sind ohne Ausnahme Falschungen. Wegen Der Kaiser konnte seine Vorschlage direkt 
seiner historischen Richtigkeit verteidigt H e e r personlich oder indirekt durch ein Schreiben vor- 
(Phil. Suppl. IX 187) das ProtokoU, das von der legen. Das letztere geschah in Form einer Rede 
Verwiinschung des Commodus handelt, als zu- (oratio), die sich ahnlich der alten vom Vorsitzen- 
mindest aus den acta geschopft; aber richtige 50 den gehaltenen informatorischen Rede an die Ver- 
Tatsachen sind einfach in ein gefalschtes Doku- sammlung wendete (Beispiele oratio Claudii CIL 
ment gesetzt worden. XIII 1668; Claudii BGU 611 = Stroux S.- 
4. Privilegien des Kaisers. AuBer Ber. Akad. Miinch. 1929 H. 8; Vespasiani CIL 
den Freigelassenen, die auch einzelne Senatoren XIV 3608; Hadriani Dig. V 3, 22, vgl. Const. 
begleiten konnten (Plin. ep. II 11, 15), hatte tanta 16; Marci et Commodi D e s s. 9340; Severi 
der Kaiser das Vorrecht, seine Prafekten mit in Dig. XXVII 9, 1; Severi Fragm. Vat. 158 lur. 
die Curia zu bringen, und seit Tiberius die anteiust. IF 257, vgl. SC sumpt. lud. CIL II 
Erlaubnis (Tac. ann. VI 15. Dio LVIII 18), eine 6278 Z. 13. 57). Solche litierae wurden dem S. 
Wache von Soldaten mitzubringen (Suet. Claud. gelegentlich vom vorsitzenden Consul (z. B. Dia 
12. Dio LIX 26. LX 23. LXXIII 8. 12. Hero- 60 LVIII 10. Suet. Nero 15), aber meistens, und 
dian. IV 51. SHA Pert. 5). Obgleich er Beamter nach dem 1. Jhdt. immer, von einem der kaiser- 
war, konnte er eine sententia auBern, und zwar lichen Quaestoren, deren besondere Aufgabe die& 
zuerst oder zuletzt, je nachdem er es wiinschte wurde (Dig. I 13, 1, 4. Suet. Aug. 65; Nero 15; 
(Dio XLIII 14. LVII 7. 24. Tac. ann. I 74. H 50), Tit. 6. Tac. ann. XVI 27. Dio LIV 25. LX 2. 
und auch abstimmen (Suet. Tib. 31). Er war be- LXXVIII 16. SHA Hadr. 3), vorgelesen. Solche 
sonders ermachtigt, den S., so oft er es wiinschte, geschriebenen relationes konnten ohne Unter- 
einzuberufen (Dio LIV 3 trjv §ovXrjv d'&QolCeiv, schied, in Anwesenheit oder Abwesenheit des 
oQaKig av ed'ElrjoTj) und Vorlagen zu machen, ob Kaisers vorgelegt werden. In der friiheren Periode 



773 Senate (Principat) Senatus (Principat) 774 

wurden sie selten vorgelegt, wenn der Kaiser da tio wiederholt wurde, kann man gliicklicherweise 

war, aufier im Falle besonderer Schwache (Dio aus einem Vergleich der sententia des obigen Be- 

LIV 25. LVI 26. Suet. Aug. 65). Aber nach der schlusses mit dem Fragment der oratio, die dem 

I. Dynastie, seitdem der Kaiser selten den Vor- BesehluB vorausging und die man in Sardes fand, 

sitz fiihrte auBer als Consul (Plin. ep. II 11, 10; ersehen (Dess. 9340. Piganiols Vermutung 

paneg. 76, vgl. Tac. ann. Ill 17 fungehantur), [Rev. Et. Anc. XXII 286], daB der Senator ein 

wurde dies der iibliche Weg, seine Antrage vor- Amendement vorschlug, beruht auf einer zweifel- 

zulegen. haften Erganzung). Dementsprechend beginnen am 

Augustus versuchte es mit einem Ausschufi Ende des 2. Jhdts. dieJuristen, die unverandert 
fiir vorlaufigeErwagungvonMaBregeln, die demS. 10 angenommene oratio principis mit ihrer Aufstel- 

vorgelegt werden sollten, der sich aus den Consuln, lung von Motiven statt des SC, des legalen In- 

je einem der anderen Beamten und 15 durch Los struments im technischen Sinn (Gerard Ma- 

gewahlten Senatoren zusaromensetzte. Der Aus- nuel^ 63), zu zitieren. 

schufi wurde alle 6 Monate erneuert (DioLIII21. Inzwischen entwickelte sich eine zweite Art 
Suet. Aug. 35). Er wurde im J. 27 eingerichtet; der senatorischen Aufierung durch anonyme Zu- 
seine Anwendung wird durch das SC des J. 4 v. ruf e aus der Versammlung (acclamationes Bd. I 
Chr. (erhalten mit den ktirzlich gelundenen Edik- S. 150. Stein ProtokoUe 13). Wie in der Re- 
ten von Kyrene) illustriert (SC Cyren. 87. v. Pre- publik waren plotzliche Rufe von undeutlichen 
merstein Ztschr. Sav.-Stift. XL VIII 428, vgl. Bezeugungen der Zustimmung oder MiBbilligung 
481). In seinem Alter durfte Augustus einen 20 (Plin. ep. IV 9, 18. IX 13, 19. Tac, ann. II 38) 
kleineren S. bilden, der sich aus Tiberius, seinen bis zu verstandlichen AuBerungen (Tac. ann. I 
zwei erwachsenen Enkeln, den amtierenden und 11. XIV 45. Plin. ep. IX 13, 7. Suet. Nero 46. 
erwahlten Consuln, 20 Senatoren und aus soviel Die Unterbrechung der oratio Claudii CIL XIII 
anderen, als er auswahlte, zusanmiensetzte, und 1668 II 20 ist wahrscheinlich kein Ruf aus dem 
der sich unter seinem Vorsitz in seinem Haus Publikum, wie M o m m s e n Ges. Schr. VIII 506 
versammeln und gtiltige Beschliisse im Namen vermutete, sondern Selbstanrede), unter denen 
des S. fassen konnte (Dio LVI 28, vgl. Suet. Tib. sogar bestimmte Vorschlage sein konnten (Dio 
55). Eine ahnliche Ratsversammlung wurde unter LVIII 10. Suet. Aug. 58, vgl. Dio LV 10, 10), 
Alexander (Herodian. VI 1, 2) wieder ins Leben vor und nach der relatio allgemein. Sie waren 
gerufen. Sonst funktionierte der S. regelmaBig 30 ein bequemes und gefahrloses Mittel fiir die, die 
in seiner Gesamtheit. unten auf der Liste standen, ihre Meinung zu 

5. V e r f a 1 1. Mit der Abnahme der wirk- auBern, und schlieBlich ein Ersatzmittel fiir Ab- 

lichen Freiheit und der Bedeutung der S.-Ent- schweifung in der sententia, Zur Zeit des jiinge- 

scheidungen erlitt das Verfahren, durch das die ren Plinius waren uberdies Zurufe in Form von 

Entscheidungen erlangt wurden, einen ahnlichen rhythmischem Geschrei, wahrscheinlich dem der 

Verfall. Schon Augustus wurde zu ungewohn- Armee und des Volkes nachgebildet (Suet. Caes. 

lichen MaBnahmen gezwungen, um wichtige sen- 79. Dio LXIII 20. LXXII 18. 20. D e s s. 5865 a), 

tentiae (Dio LV 4. 25, vgl. Suet. Aug. 35) zu er- eine geniigend organisierte und anerkannte Aus- 

zielen. Unter Claudius warf man dem S. vor, dafi drucksart zum Zweck der inschriftlichen Ver- 
er seine ratgebende Funktion ganzlich umgehe. 40 offentlichung geworden (Plin. paneg. 75, vgl. Suet. 

Der Consul designatus nahm die relatio des Vor- Dom. 23; Dio LX 5). 

sitzenden in eine sententia auf, der der Rest des Diese sekundare Form der AuBerung ent- 

S. schnell zustimmte (orat. Claud. BGU 611 = wickelte sich voll im Laufe des 2. Jhdts. (vgl. 

Stroux S.-Ber. Akad. Munch. 1929 H. 8, 88 Dio LXXIII 2. LXXVI 6. LXXVIII 8). Sie 

unum tantummodo consulem designatum descrip- wurde von den Arvalbriidern nachgeahmt und 

tarn ex relatione consulum ad verbum dicere sen- in ihren acta (CIL VI p. 551 J. 213; 571 

tentiam, ceteros unum verbum dicere: adsentior, J. 218) veroffentlicht und sogar von Korporatio- 

deinde cum exierint: diximus, vgl. Dio LXXVII 20 nen im Osten (der S. von Tyrus J. 174 Syll. or. 

Caracalla beklagte sich f^i^re ovvisvai siQO'&vf^cog 595, 36, vgl. Versammlung vonMylasa209 — 211. 
fzrjre tiat' avdqa trjv yvco/Lcrjv didovai), und im 50 Syll. or. 515 Z. 56; das athenische Collegium der 

Laufe der Zeit wurde sogar die Zustimmung lobakchoi c. 178 Syll.^ 1109; S. und Versamm- 

nachlassig (Tac. hist. IV 4 ceteri vultu manu- lung von Chalkis im 3. Jhdt. Syll.^ 898). Leider 

que pauci . . . compositis orationibus adsentieban- ist der einzige Beleg fiir das Schema des Ver- 

tur, vgl. dial. 41 cum oplimi cito consentiant. fahrens von Diocletian, die angeblichen Doku- 

SHA Aur. 20). Diese Praxis der reinen Bestati- mente in den SHA (Vit. Avid. 13; Comm. 

gung, die unter Domitian durch Furcht motiviert 18f.; Macrin. 2; Alex. 6f. 56; Maxim. 16. 26; Gord. 

war (Plin. paneg. 76 unus solusque censebat quod 11; Max. Balb. If.; Val. 5; XXX tyr. 21 Claud. 

sequerentur omnes), wurde trotz eines kurzen 4. 18; Aur. 19. 41. Tac. 3f. Prob. llf., vgl, 

Wiederauflebens wirklicher Beratung unter Traian Eutrop. VIII 5, 3) zu wertlos, um sie zu charak- 
(Plin. a. 0. consulti omnes atque etiam dinume- 60 terisieren (H i r s c h f e 1 d Kl. Schr. 691 ; anders 

rati sumus vicitque sententia non prima sed me- Mo mm sen St.-R. Ill 951. 980. 1019, der auf 

lior) spater einfach fiir selbstverstandlich ange- Grund dieser Dokumente zwei Typen unter- 

nommen, wenigstens im Hinblick auf die Vor- schied: A) Zurufe, die einer Mitteilung folgten, 

schlage des Kaisers: de omnibus quae ad nos ma- relatio, neue Zurufe; B) relatio, Zurufe, sententia 

ximi principes rettulerunt una et suecincta senten- des ersten Senators, neue Zurufe). Die Ahnlich- 

tia censendum (SC sumpt. lud. CIL II 6278 Z. 27. keit dieser Dokumente (bes. Maxim. 26; Claud. 

Stroux 70f. grundlegend fiir das Obige). Die fast 4f. Tac. 5) mit dem echten ProtokoU der Sitzung, 

wortliche Genauigkeit, mit der die kaiserliche ora- die der Codex Theodosianus erhielt (Gesta sea%- 



775 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 776 

tus Romani, Cod. Theod. praef .), wegen deren war, daB Augustus im J. 27 nicht eine Monarehie, 

M m m s e n sie als beweiskraftig fiir das und zwar nicht einmal eine beschrankte, sondern 

Schema ansah, beweist nur, daB die Autoren die eine Dyarchie, ,eine zwischen dem S. einer- und 

SC ihrer eigenen Zeit nachahmten; in anderer dem Princeps als dem Vertrauensmann der Ge- 

Hinsicht sind sie eine alberne Nachahmung der meinde anderseits ein fiir allemal geteilte Herr- 

SC der Republik (Lecrivain Etude sur THA schaft* begriindete. Diese Theori© traf auf zeit- 

[Paris 1904] 98). genossische Einwande (z. B. Madvig Verfas- 

Im letzten Stadium des S.-Verfahrens wurde sung I 561. Mispoulet Instit. Pol. I 245. 

eine Verkundigung durch den Vorsitzenden von Bouche-Leclercq Manuel 126. M o r 1 o t 
einer Reihe von unzusammenhangenden Rufen 10 Instit. Pol. 292), die weitgehend auf einer fal- 

begriiBt, die einfache Gliickwiinsche und auch schen Auffassung der Theorie basierten. Niemals 

rhythmisch aufgebaute Vorschlage in Form von war es Mommsens Glaube, daB Augustus eine 

Wiinschen enthielten (z. B. Cod. Theod. praef. 5 gleiche Teilung der politischen Macht herbei- 

Augmti Augustorum maximi Augustorum. Die- fiihrte. Diese Formel wurde allgemein als die 

tu7n Vlll; ne intevpolentur constituta plures codi- juristische Beschreibung des Principats ange- 

ces Rant, Dictum XXV; Paule aveas. Dictum Xll). nommen, bis Ed. Meyer und F e r r e r o unab- 

Jeder Zuruf wurde verschiedene Male wiederholt hangig voneinander die Ansicht aufstellten, daB 

(die beigefiigten Zahlen sind richtig interpretiert Augustus in der beruhmten S.-Sitzung vom 

von Hirschfeld Kl. Schr. 692, von Htib- 13. Januar 27 auf richtig beabsichtigte, die Re- 
ne r Jahrb. Phil. Suppl. Ill 583, dem M o m m - 20 publik wiederherzustellen, und besonders 0. Th. 

sen St.-R. Ill 1019 folgt, unrichtig als Zahl der Schulz hat nachdriicklich behauptet, daB er es 

zustimmenden Senatoren); in sie ging die inter- wirklich tat. Augustus' Absichten sind freilich 

rogatio und discessio allmahlich auf. Eine ahn- eine historische Frage; Gardthausen, Neu- 

liche Form des Verfahrens wurde von der Kirche mann. Fabric ius, Kornemann u. a. 

angenommen; der Branch wiederholter Zuruf e in haben ernstlich die Idee zurtickgewiesen, daB sie 

Kirchendokumenten laBt sich jedoch nicht eher auf eine republikanische Restauration gerichtet 

als zu Beginn des 5. Jhdts nachweisen (Hirsch- waren, und Dessau hat mit besonderem Nach- 

f e 1 d a. 0.). Als nach Konstantin der S. fiir druck betont, daB Augustus mit bewuBter Ab- 

die kaiserliche Regierung wenig mehr als eine sicht und praktischem Erfolg eine Monarehie be- 
Publikationsistatte wurde, war dies wahrschein- 80 griindete. Die neueste Anschauung neigt zu der 

lich seine gewohnliche Ausdrucksform. Eine Auffasung, daB der Principat des Augustus in 

andere Art blieb jedoch mit einigen tJberresten der Form republikanisch, in der Tat aber mon- 

des alten Verfahrens bestehen; Symmachus cos. archisch war. In Wahrheit kann der Principat 

376 hielt noch fest an der Wtirde des primae nicht in irgendeine juristische Formel zutreffend 

sententiae senator (CIL VI 1698), der in der Zeit gefaBt werden. Schonbauer hat Republik, 

des Cassiodor der prior senatus war (Cass. var. Dyarchie und Monarehie einer zersetzenden Kritik 

VI 4), und welche Mittel er auch immer anwandte unterzogen und sich ftir die recht verstandige An^ 

(der Ruf omnes omnes am Schlusse von Zuruf en sicht entschieden: ,die Zeit des sog. Principates 

SHA Val. 5; Tac. 5. 7; Prob. 12 mag einen Er- zeigt keine einheitliche Staatsform, ja nicht ein- 
satz fiir Abstimmung darstellen), der S. fuhr 40 mal die Zeit des Augustus selbst. Sie ist viel- 

fort, mindestens bis zum J. 532 Entscheidungen mehr nur als die Umbildung einer staatsrecht- 

zu treffen, die als SC galten (Cassiod. var. IX lichen Form auf Grund des Gewohnheitsrechtes 

15. 16, vgl. H a r n a c k S.-Ber. Akad. Berl. 1924, zu verstehen'. Obgleich K o 1 b e, wie K o r n e - 

24). mann vor ihm, seitdem ganz richtig den Schritt 

III. Kompetenz. 1. Der Anteil des S. am zur Monarehie hin im J. 23 betonte, kann die ver- 

Principat (s. bes. M o m m s e n St.-R. II 748. Ill f assungsgeschichtliche entgegen der staatsrecht- 

1252; AbriB 193. 198. 340. Kromayer recht- lichen Anschauungsweise (vgl. Taubler a. 0.) 

liche Begriindung, Marburg 1888; St. u. Gesell. allein die Art des Principates begreifen, indessen 

d. Romer^ 31 7f. Hirschfeld Verwaltungs- Entwicklung die J. 27 und 23 nur Stufen be- 
beamte^ 466. Meyer Kl. Schr. P 425. F e r - 50 zeichnen. Genau so wie die Verfassung Roms 

r e r Grandezza, deutsch tibers. IV 259f . N e u - sich anderte, als der S. allmahlich die Regierung 

mann Hell.-Rom. Gesch. 500. Gardthau- der Republik wurde, wurde die Neuerung, als die 

sen Augustus I 2, 561. I 3, 1334. Abele Stud. Zeit sie im AUgemeinen und im Einzelnen hei- 

Gesch. Altert. I 2, 67. Kornemann bei ligte, eher die konstitutionelle als die revolutio- 

Gercke-Norden IIP 266. 0. Th. S c h u 1 1 z Wesen nare Form, wobei die juristische Formulierung 

des Kaisertums [1916] 28f.; Vom Principat zum bestandig hinter den Ereignissen herschlich. 

Dominat [1919] lOf.; Rechtstitel [1925] 39. 88f. Politisch laBt sich das neue System am besten 

= Stud. Gesch. Altert. VIII 2. IX 4. XIII 4. charakterisieren als ein KompromiB zwischen dem 

Dessau Kaiserz. I 38f. 132. 140, vgl. 23, 3. wirklichen Machthaber und einer noch machtigen 
45, 3. 174, 2. 188, 3. Rostovtzef f Gesellsch. 60 Aristokratie, das weniger durch theoretische Er- 

u. Wirtsch. I 35. 68. Schonbauer Ztschr. orterungen als durch praktische Notwendigkeiten 

Sav.-Stift. XL VII 264. K o 1 b e Aus Roms Zeit- gef ormt wurde. Zwei neue aus dem Biirgerkrieg 

wende [Lpz. ';1931] 39, vgl. Taubler Hist. ererbte Elemente erforderten, worauf R o s t o v ^ 

Ztschr. CXX 189. H e i n z e Herm. LX 348, Gel- tzeff mit Recht besteht, Einverleibung in das 

zer Meister der Politik F 147). Der Charakter neue System: die Armee mit ihrem Oberbefehls- 

des Systems, das von und unter Augustus ein- haber, dem Imperator, und die ungeheuren Aus- 

gerichtet wurde, ist noch ein Gegenstand des gaben, die von der Staatsverwaltung gefordert 

Streites. Eine beriihmte Theorie Mommsens wurden, namentlich die cura annonae, vor deren 



777 Senate (Principat) Senatus (Principat) 778 

tJbernahme der S. zurtickschreckte. Sie machten frumenti dandi, wenn sie ihres Amtes walteten; 

eiiie wirkliche Kestauration der Republik, wenu die legati iuridici in den Provinzen und bis auf 

sie iiberhaupt gewiinscht wurde, unmoglich. Da- Hadrian die censitores, die auBer der Ordnung 

nach verschob sich das Gleichgewicht der Macht mit dem Census betraut wurden; und, nachdem 

bestandig zugunsten des Kaisers, als die Verwal- die Zentralverwaltung im 2. Jhdt. sich in die 

tung zu seiner wirksameren Hand hinstrebte, als inneren Angelegenheiten der selbstandigen Ge- 

neue kaiserliche Aufgaben und Biiros sich. ent- meinden einzumischen begann, die correctores, 

wickelten (s. bes. Hirschfeld Verwaltungs- denen die allgemeine, die Majoritat der curatores 

beamte^ 468f.), und als der Personenstand und rei publicae (== logistae), denen die finanzielle 
die Moral des S. sich verschlechterte. Anderer- 10 Oberaufsicht in den Munizipien anvertraut war; 

seits konnte der Kaiser vermoge seiner Kontrolle die iuridici regionis in Italien, die von Marcus 

liber Verfahren und Personenstand den S. und zur Dezentralisation der Rechtsprechung einge- 

infolge der Macht, erwunschte Posten zu verteilen, fiihrt waren und allmahlich mit einer gewissen 

auch die Manner von Ehrgeiz innerhalb des S. Kontrolle der lokalen Verwaltung betraut wurden 

beherrschen. Psychologisch endlich lieB die Kon- — sie alle waren Senatoren und in der Kegel von 

zentration solcher Macht in den Handen eines consularischem oder praetorischem Rang. Der ab 

Menschen die Opposition als einer Verschworung actis senatus natiirlich und die republikanischen 

gefahrlich verwandt erscheinen, machte die Ge- Beamten waren ausnahmslos Senatoren, und mit 

sellschaft unterwtirfig (vgl. Suet. Nero 37 nega- seltenen spaten Ausnahmen (Hirschfeld 449) 
vit quemquam principum scisse quid sibi liceret) 20 auch die comites Augusti. Die iudices waren zwi- 

und die einzelnen vorsichtig, seinen Willen zu schen S. und Rittern geteilt. 

durchkreuzen. Nicht ohne Grund fiigte sich der Von diesen senatorischen Vorrechten war das 

Redner Favorinus in der Frage eines Sprach- bei weitem bedeutendste das Kommando iiber 

gebrauches dem Herrn iiber 30 Legionen (SHA Provinzen und Legionen. Dieses Vorrecht wurde 

Hadr. 15). Nichtsdestoweniger wirkte die blofie freilich von Anfang an durch die Ernennung 

Existenz dieser geschlossenen Aristokratie und von ritterlichen Statthaltern kleiner procurato- 

ihre Teilnahme an der Verwaltung, auch wenn rischer Provinzen etwas geschmalert, und Sep- 

sie nur geduldet und ein vom Kaiser benutztes timius Severus stellte die neue Provinz Mesopo- 

Instrument war, als ein Hemmnis auf den Ab- tamien ahnlich wie Agypten und die drei neu- 
solutismus, dessen allmahliches Verschwinden 30 gebildeten parthischen Legionen unter ritterliche 

den Principat des Augustus in den Dominat des praefecti. Erst im J. 261, als Gallienus durch ein 

Diocletian verwandelte. Edikt (Victor Caes.33f., vgl. 37, 6) Senatoren ganz- 

2. Machtbefugnisse der Aristo- lich vom Heereskommando entfernte, wahrend zur 

kratie. A. Senatorische Beamte (s. selben Zeit, wie Homo (Rev. Hist. CXXXVH 

die einzelnen Art.). Der Anteil der Aristokratie 180f.) angedeutet hat, senatorische provinciae in- 

an der Verwaltung leitete sich nicht nur von den ermes tatsachlich unter einer Flut von Kriegen 

Machtbefugnissen des S. als Korperschaft ab, son- verschwanden, verier der Senatorenstand dieses 

dern von der Beschrankung gewisser Verwaltungs- wichtige Gegengewicht zur kaiserlichen Macht. 

posten auf seine Mitglieder. Die Besetzung der Von da an gab es vereinzelt senatorische Statt- 
Verwaltungsposten wurde allmahlich, wie bekannt, 40 halter, sogar in Provinzen mit Legionen, wie die 

auf den Ritterstand tibertragen durch direkten Inschriften fraglos bewiesen (GIL H 4102. 4103, 

Ersatz der senatorischen Beamten durch ritter- vgl. Ill 3418. IGR III 39. 40. Anderson Journ. 

liche und durch Ernennung von Rittern und rom. stud. XXII 24), Homo hat versucht, sie 

selbst Freigelassenen zu Gehilfen, in deren Han- als ausnahmsweise Vergunstigungen oder als eine 

den die bedeutsamen Details der Verwaltung lagen. politische Reaktion zugunsten des S. entspre- 

Besonders unter Claudius, Hadrian, Severus und chend zu erklaren. Es ist jedoch, wie K e y e s 

Gallienus erlitt der Senatorenstand dauernde vermutete, wahrscheinlicher, daB das Militar- und 

Verminderungen seines Anteiles an der Verwal- Zivilkommando schon getrennt war, wenigstens, 

tung, deren Einzelheiten Hirschfeld (Ver- wie Anderson uberzeugend darlegte, in be- 
waltungsbeamte^) bewundernswert aufgezeigt hat. 50 zug auf die Senatoren (K e y e s Rise of the 

In der Regel jedoch waren die Statthalter aller Equites, Princeton 1915. Homo CXXXVIII 22. 

Provinzen auBer Agypten, sowohl kaiserliche 35f. B a y n e s Journ. rom. stud. XV 195. Stein 

(legati Augusti pro praetore) als auch senate- Ritterstand 450. v. Premerstein Bd. XII 

rische (proconsules) und die Befehlshaber der Le- S. 1147). 

gionen (legatus legionis); die Leiter der milita- B. Machtbefugnisse des S. Die t)ber- 

rischen und der Staatskasse {praefecti aerarii reste der alten Aristokratie im 1. Jhdt. und der 

militaris und aerarii Saturni); der Aufseher der Beamtenadel des 2. Jhdts. innerhalb des S. mach- 

Hauptstadt, der besonders mit der Erhaltung der ten ihn zur angesehensten Versammlung in der 

offentlichen Ordnung beauftragt war (praefectus romischen Welt. Seine politische Bedeutung und 

urbi); die groBen Verwaltungsbehorden, die in 60 seine RoUe in der Geschichte fallt nicht immer 

Rom und Italien ihren Wirkungskreis hatten, auf mit seinen gesetzlichen Machtbefugnissen zusam- 

die die Pflichten der Censoren weitgehend ab- men. Gute Kaiser befragten ihn regelmaBig aus 

gewalzt wurden (curatores viarum, operum publi- freiem Willen iiber mannigfache Fragen, auch 

corurn, aquarum et [nach Severus] Minuciae, alvei ohne konstitutionellen Zwang (Suet. Tib. 30 neque 

et riparum Tiberis et [nach Traian] cloacarum tarn parvum quicquam neque tarn magnum publici 

urbis); die Aufseher iiber die von Traian einge- privatique negotii fuitj de quo non ad patres conscr. 

fiihrte Alimentation (praefecti alimentorum, oft re/erre^wr, vgl. Tac.ann.III 12. IV6. 15. DioLVII 7. 

verbunden mit der cura viarum); die praefecti Vespasian Dio LXVI 10; Hadrian LXIX 7, vgl. 



779 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 780 

SHAHadr.S.MarclO. Momm sen St.-R. Ill 1263), ten ihre politisehe Bedeutung zum gxoBen Teil 

benutzten ihn als Publikationsorgan (s. o.) und nahm. Mit dem tatsachlichen Verschwinden der 

fiir den politisch wichtigen Zweck, mit der offent- Volksversammlungen wurden drei Vorrechte des 

lichen Meinung in Beriihrung zu bleiben (Momm:- souveranen Volkes, Wahlen, Gesetzgebung und 

sen St.-R. Ill 1264, vgl. R o s t o v t z e f f Ge- kriminelle Rechtsprechung, auf den S. abgewalzt. 

sellsch. u. Wirtsch. I 104f. II 106). Diese Funk- Seine f riiheren Verwaltungsf unktionen teilte er in 

tionen hingen freilich ganz von dem guten bestandig abnehmendem Grade mit dem Kaiser. 

Willen des einzelnen Kaisers ab und wechselten 1. Wahlen. Im J. 14 iibertrug Tiberius die 

mit seinen politischen Sympathien. Mit ahnlicher Wahlen dem S. (Tac. ann. I 15). Es gibt keinen 
Willkiir liefien Kaiser gelegentlichGesandtschaf ten 10 Beweis, daB dies, wie gewohnlich angenommen 

vor ihn ftihren, freilich nur des Scheines wegen wird (so Momm sen St.-R. Ill 847), auf Ver- 

(Mommsen St.-R. Ill 1156), und sie erhielten anlassung des Augustus geschah; die ordinatio 

sogar die Ftihrung des Krieges aus den Handen comitiorum quam manu sua seriptam divus Augu- 

des S., nachdem dieser eine formelle Abstinmiung stus reliquerat (Veil. Pat. II 124, die so inter- 

vorgenommen hatte (Dio LXVIII 10. SHA Marc* pretiert wird), war nur eine Liste von Kandi- 

8, vgl. Tac. 12). daten, wie der Zusammenhang zeigt, auf der des 

WahlundAbsetzungdes Kaisers. Velleius eigener Name erschien. Diese Anderung 

Wenn Schultz auch die Bedeutung der Tat- beruhte eher auf Tiberius' aristokratischer Na- 

sache auf Grund eines MiBverstandnisses der tur und seiner Unfahigkeit, den Pobel zu behan- 
Natur der Konstitutionalitat unter den Romern, 20 deln. Gesetzlich blieb bis wenigstens nach dem 

das von Schonbauer beseitigt wurde, iiber- 1. Jhdt. die Wahl durch den S. eine vorlaufige 

schatzte, so hat er doch gegen M o m m s e n (St.- Wahl, die von den nichtigen Zuruf en einer Volks- 

R. II 842. Ill 1267; AbriB 194) hinlanglich be- versanmilung bestatigt wurde (Mo mm sen St.- 

wiesen, daB der S. allein und nicht auch die R. Ill 349). Es gibt keinen besseren Beweis fiir 

Truppen, selbst im 3. Jhdt., das verfassungsmaBige die Nichtigkeit dieser Form, als die Tatsache, daB 

Recht batten, einen Kaiser zu ernennen. Eine direkte und indirekte Bestechung auf den S. 

solche Tatigkeit als Ernennungsorgan ist sicher- ilberging (Plin. ep. VI 19). 

lich nicht, wie Schonbauer (278) richtig betont Die Wahlfreiheit des S. wurde sehr beschrankt 

hat, beweisend fiir den Charakter des Principates durch zwei Rechte des Kaisers: a) commendatio, 
als Dyarchie, noch weniger fiir die als Republik, 30 das Recht der bindenden Empfehlung gewisser 

und es kann kein Zweifel sein, daB der S. in der Kandidaten, deren Wahl automatisch folgte (Tac. 

Praxis oft eine unerwiinschte Wahl der Truppen ann. I 15 we plures quam quahtuor candidates -— 

mm bestatigte. Aber bis Maximinus (Schultz d. h. Praetoren — commendaret sine repulsa et 

Vom Principat zum Dominat 51) versuchte es ambitu designandos; Lex. imp. Vesp. GIL VI 930 

kein Kaiser, ohne seine Bestatigung zuherrschen. extra ordinem ratio habeatur gentigen, um Bra6- 

In ahnlicher Weise iibte der S. das Recht der loffs AnsichtBd.IVS. 722, daB commewdaito nicht 

Hostiserklarung, das er sich zuerst in der spaten bindend war, zu widerlegen), und b) nominatio, 

Republik angemaBt hatte, aus, wie gegen Ein- das Recht> die zu bestimmen, die als Kandidaten 

zelne oder Gruppen, besonders von Thronpraten- in Frage kamen (M o m m s e n St.-R. II 917. 921). 
denten, im Dienst des Kaisers, so auch gegen den 40 Wahrend kein Zweifel besteht, daB kein Consiil 

Kaiser selbst (Nero Suet. 49. Did. lulianus Dio von der Zeit des Augustus an ohne Billigung des 

LXXIII 17. Herodian. II 12, 6. Maximinus SHA Kaisers gewahlt wurde (richtig betont von 

Max. 15. Momm sen St.-R. II 1133. Ill 1250; Dessau Kaiserz. I 44, vgl. Marsh Tiberius 

Strafr. 259), und wenn von dieser Macht geringer [Oxford 1931] 296f.), wurde dasRecht der commen- 

Gebrauchgemacht wurde, so lag der Grund weniger datio formell vor Nero nicht auf das Consulat 

in dem Fehlen des legalen Rechts als der Macht, tibertragen, aber von da an wurde es so ausgeubt, 

es zu erzwingen. Auf dem Wege seiner erworbe- daB es auf eine Ernennung herauslief . Fiir die nie- 

nen gesetzgebenden Gewalt endlich fallte der S. deren Amter wurde es wie ein gesetzliches Recht 

das endgiiltige Urteil gegen die Kaiser nach ihrem von Augustus an ausgetibt, aber in geringerem 
Tode, in giinstigem Sinne durch Vergotterung 50 Umfange; fiir ein Drittel der Praetoren unter 

(Mo mm sen St.-R. II 1134, s. Suppl.-Bd. IV Tiberius (Tac. a. 0.), anscheinend in der Regel 

S. 806), in ungiinstigem entweder in der milderen fiir zwei Quaestoren, die quaestores Augusti (aber 

Form einer Tilgung ihrer acta oder in der stren- s. K ti b 1 e r in Ruggiero Diz. Epigr. II 66), und 

geren der Tilgung ihres Andenkens (damnatio fiir eine unbestimmbare Zahl der anderen Beam- 

memoriae Mommsen St.-R. II 1129. 1134. ten. Diese so EmpfoMenen unterschieden sich von 

Schultz passim). Die Hartnackigkeit des ihren Kollegen als candidati Augusti (Verzeichnis 

Streites zwischen dem S. und Antoninus Pius iiber K ii b 1 e r a. 0., z. B. GIL IX 3602 per omnes 

die Vergotterung Hadrians ist Zeugnis fiir die honores candidatus Augustorum). Die Befahigung 

politisehe Bedeutung dieses Rechtes (vgl. Mat- der Kandidaten wurde gemeinsam mit dem Kaiser 
tingly Journ. rom. Stud.XV 211 iiber Hadrians 60 von den Beamten gepriift, die die Wahlen vor^ 

posthume Pragung). nahmen und die ebenfalls befugt waren, zur Kan- 

Komitiale Vorrechte und Ver- didatur zuzulassen; aber die Zulassung von seiten 

waltung. des Kaisers war natiirlich wiinschenswerter und 

Durch eine Ironie der Geschichte wurden die in der Praxis, wenn er es wiinschte, entscheidend 

angemaBten Vorrechte, um die der S. am bitter- (Tac. ann. I 81, vgl. 14. Plin. paneg. 69f. Dio 

sten mit dem Volk gekampft, schlieBlich ohne LIII 21. LVIII 20). Durch Verleihung des latus 

Streit anerkannt zu einer Zeit, als das Wachsen clavus verlieh der Kaiser auBerdem die Quali- 

einer starkeren Macht als beide diesen Vorrech- fikation fiir den Vigintivirat und Eintritt in die 



781 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 782 

senatorische Laufbahn. Bei der Wahl der Mit- zunehmendem MaBe von Domitian an dem Eiii- 

glieder der vier grofien PriestercoUegien, ponti- griS des Kaisers unterworfen, eigentlich Funk- 

Hces, augur es J XVmri saeris faeiundis und Vll- tionen des S. (Mommsen St.-R. II 884). Be- 

mri epulonesp wie spater der sodales der vergot- senders begnadigte der S. (Suet. Claud. 12. SHA 

terten Kaiser, folgte der S. ebenfalls auf die Pius 6. CIL VI 1343. Dig. XLVIII 10, 5. 16, 

17 Tribus, aber besonders bei diesen Wahlen 12) zusammen mit dem Kaiser (Dig. Ill 1, 1, 

wurde die Empfehlung des Kaisers bald der Er- 10; Cod. IX 23, 3, vgl. Mommsen Strafr. 

nennung gleichwertig (Mommsen St.-R. II 31. 484), dispensierte von den Beschrankungen der 

1103, vgl. Bloch Daremb.-Sagl. II 429). Spiele (Tac. ann. XIII 49. Plin. paneg. 54. Dio 

Obgleich in den Munizipien (s. d.) haufig, 10 LIV 2. LIX 14. Suet. Tib. 34. SC post. Perg. 

war geheime Wahl durch Wahlkugeln beim romi- CIL III 7086), gewahrte Marktrecht (SC salt, 

schen S., soweit bekannt, nur eine kurze Zeit Beg. CIL VIII 23 246) und gestattete in Sonder- 

unter Traian iiblich und wurde wegen der leicht- fallen die Bildung von collegia, nachdem diese 

fertigen Markierung vieler Wahlkugeln abge- von Augustus endgiiltig verboten worden waren. 

schafft (Plin. ep. Ill 20. IV 25). Wahrend der Mommsen (St.-R. II 886) hat die Ansicht ver- 

Sitzung, die den ganzen Tag dauern konnte, war- treten, daB der S: die letztere Dispensation in 

ben Kandidaten und Freunde eif rig Stimmen f tir Italien und den senatorischen Provinzen gewahrte. 

die Wahlen (Plin. ep. II 9. Ill 20. Tac. ann. Waltzing (Corporations Prof essionelles I 117. 

XIV 28. XV 19. SHA Marc 10); diese waren 124f., vgl. IV 581) behauptet ansprechender, dafi 
offenbar wie bei jedem anderen SC von gleicher 20 die Zustimmung von Kaiser und S. in alien Fallen 

GiUtigkeit. erforderlich war. Bis auf Vespasian befreite der 

2. Gesetzgebung. Schon wahrend der S. von den Rechtsbeschrankungen, die den Un- 

Republik ubte der S. in der Form der Befreiung verheirateten und Kinderlosen durch das Ge- 

vom Gesetz f ur einen besonderen Fall, von Be- setz auferlegt waren (Mommsen St.-R. II 888. 

schllissen allgemeinen Inhalts und von Aufforde- Dio LV 2), und bis zur Zeit Domitians be- 

rungen an den Magistrat, praetorisches Recht zu sonders zugunsten der Prinzen des kaiserlichen 

schaffen, in der Tat legislative Funktionen aus. Hauses von den Bedingungen, die fiir Bekleidung 

In Augustus' und in der ersten Halfte von Tibe- der Magistratur erforderlich waren (Mommsen 

rius* Regierung wurden die Volksversammlungen St.-R. Ill 1 233). AndererseitsbewilligteerTriumphe 
weiter haufig fur die Durchbringung von Ge- 30 (Suet. Aug. 38. Dio LIII 26. LIV 11, 24. 31. LX 

setzen benutzt, und gesetzlich blieb die allge- 22. LXVIII 28. Tac. ann. I 55. Ill 47. SHA 

meine Legislative ihr Geschaft, obgleich ihr die Conam. 2), die nach dem J. 14 v. Chr. auf Kaiser 

Vorberatung des S. voran- und die senatorische und Mitglieder des kaiserlichen Hauses beschrankt 

auslegende Gesetzgebung neben ihr einherging. wurden (Dio LIV 24; A. Plautius' Ovation im 

Nach Tiberius ging die Gesetzgebung mit geringen J. 47 Suet. Claud. 24. Tac. ann. XIII 32. Dio 

Ausnahmen (Mommsen St.-R. Ill 346), soweit LX 30. Eutrop. VII 13 ist die einzige Ausnahme) 

sie von Rechts wegen comitial war, tatsachlich und die ornamenta triumphalia, die Privatbiir- 

auf den S. iiber, und mit dem allmahlichen Ver- gern an seiner Stella verliehen wurden (Suet, 

fall der Versammlungen, der, wie die Juristen Aug. 38; Tib. 9. Tac. ann. I 72. XV 72; Agr. 
selbst ganz richtig erklaren, mit der Schwierig- 40 40. Plin. ep. II 7, 1. CIL III 2830. VI 1386. 

keit, sie zu versammeln (Inst. I 2, 5. Pomponius 1444. XIV 3606. 3608. 3613. D e s s. 8970), letz- 

Dig. I 2, 2, 9), zusammenhing, wurde das SC als teres jedoch nur auf kaiserliche relatio hin. Der 

die legale Kraft einer lex besitzend angesehen. S. verlieh das Patriciat an plebeiische Kaiser 

Niemals wurde diese Macht dem S. durch irgend- (Dio LIII 17. SHA Did. lul. 3; Macr. 7) und unter 

eine besondere Verfiigung verliehen, sondern von Augustus sogar das Biirgerrecht (Wenger Ky- 

den Juristen (Gai. I 4. Inst. I 2, 5. Dig. I 2, 2, 9, rene-Inschrift Abh. Akad. Munch. XXXIV 2, 56) 

vgl. 12 Pomponius, I 1^ 7 Papinian, I 3, 9 Ul- nicht nur durch Bevollmachtigung von seiten des 

plan) nach vorherigem Streit in der Zeit des An- Volkes, wie schon f ruber (Cic. Balb. 25), sondern 

toninus Pius (Gai. I 4 SC est quod senatus iubet kraft seines eigenen Rechts. Die Konsekration 
atque constituit; idque legis vicem optinet, quam- 50 verstorbener Kaiser (s. o.) geschah ebenfalls durch 

vis fuerit quaesitum, vgl. 5; Ulp. Dig. I 3, 9) senatorische Gesetzgebung. Ob der allgemein er- 

einfach als Tatsache anerkannt. Die letzte comi- machtigende Gesetzentwurf, der dem Kaiser eine 

tiale Gesetzgebung, von der berichtet wird, be- Reihe von Machtbefugnissen verlieh (sog. Lex de 

gegnet demgemafi unter Nerva (Dig. XL VII 21, imp. Vesp. CIL VI 930) eine lex war, die ein vor- 

3, 1). Danach war das SC fur dauernde Verwal- heriges SC enthielt, das fonnell von einer Volks- 

tungsregeln und Privatrecht, das Hauptobjekt versammlung angenommen worden war (so 

der allgemeinen Gesetzgebung in der Kaiserzeit, Mommsen St.-R. II 877), oder ein SC mit Ge- 

das ubHche Instrument, obgleich es in Wahrheit setzeskraft, das die Verleihung der tribunicischen 

nur eine bestatigte oratio prihcipis war (Momm- Macht, die das Volk spater bei einer anderen Ge- 
s en St.-R. Ill 1237; Strafr. 130. G i r a r d Tex- 60 legenheit (so Hirschfeld Verwaltungsbeamte2 

tes'^ 128; ManueF 61f. Bruns-Lenel in 475, 1) verlieh, nicht in sieh schloB, laBt sich 

HoltzendorEs Encycl. I 350. C u q Manuel^ 25). nicht sicher entscheiden. Im letztern Fall war das 

Das Gebiet der senatorischen Gesetzgebung wichtigste aller Privilegien eine Gabe des S.; im 

umschloB auBer privatrechtlichen Bestimmungen ersteren sanktionierte der S., obgleich die Be- 

von unbestimmbarer Mannigfaltigkeit (Beispiele schrankung derlegalenKompetenztheoretischwich- 

G i r a r d Manuel^ 64. B r u n s Font.' 194f.) all- tig ist, inWirklichkeitdieMachtbefugnisse desKai- 

gemeine VerwaltungsmaBregeln und Privilegien. sers;derAktdesS.war zumindest einewenigernich- 

Die letzteren waren, wenn auch immer und in tige Formalitat als die Akklamationen des Pobels. 



783 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 784 

Auf dem Gebiet der allgemeinen Gesetzgebung glaubte freilich in dem Bemtihen, der Dyarchie 

war der S. die normale Quelle neuer Verfiigungen eine Abrundung zu geben, da6 die Einrichtung 

von allgemeiner Anwendung, von denen die pri- zweier neuer oberster Geriiehtshofe, jede theore- 

vatrechtlichen Bestimmungen einen wesentlichen tisch koordiniert mit-, in der Tat jedoch unab- 

Teil ausmachten. Aber im wesentlichen kann man hangig voneinander, die der Consuln und des S. 

keinen wirklichen Unterschied zwischen Kaiser einerseits, die des Princeps andererseits ein Teil 

und S. (vgl. Dig. XL VII 12, 3, 5) in der Schaffung des Principates war, wie er von Augustus ini 

allgemeiner Verordnungen sei es von Gesetzen im J. 27 eingerichtet wurde. Aber McFayden 

Sinne des generate iussum oder in der Schopfung und spater Dessau erhoben ernste Einwande 
der Regierungsmaschine machen. Im allgemeinen 10 gegen diese Theorie. 

zog es der Kaiser vor, das SC fur allgemeine Ver- Der ProzeB des Granius Marcellus im J. 15 

fiigungen zu benutzen, wo seine Publizitat und (Tac. ann. I 74; wahrscheinlich auch, da Tiberius 

sein Ansehen erwiinscht waren. Seine Teilnahme dartiber an die Consuln schrieb, die Falle des 

an dem Ausbau von Augustus' Verwaltungs- Falanius und Rubrius ann. I 73) mit der einzigen 

maschine ist deutlich zu erkennen in A b e 1 e s moglichen Ausnahme des Falles des Cassius Seve- 

(Stud. Gesch. Altert. I 2) nutzlicher Sammlung rus, der wegen ehrenriihriger Schmahschriften in 

senatorischer Verfiigungen wahrend seiner Regie- den letzten Jahren des Augustus verwiesen wurde 

rung. Ahnlich ersuchte man ihn, beim Bau der (Tac. ann. IV 21 ut iudicio iurati senatus Gretam 

Verwaltungsmaschine zu helfen in der Form des amoveretur effecerat sc. Cassius, vgl. I 72. Suet. 
Verfahrens fiir re'petundae, das durch Augustus 20 Aug. 55. Gai. 16), ist erweislich der erste iiber- 

empfohlen wurde (Kyrene Inschrift v. P r e m e r- lieferte, in dem der S. als hochster Kriminal- 

stein Ztschr. Sav.-Stift. XL VIII 419. Stroux- gerichtshof fungierte; denn von den vorherigen 

Wenger Abb. Akad. Miinch. XXXIV 2. Ander- Fallen, die Mo mm sen anfiihrt (St.-R. II 124, 

son Journ. rom. stud. XVIII 33), und ebenso bei 2), wurde Cornelius Gallus nicht vom S. der 

Claudius' Reform des Decurienall3ums (BGU611. Prozefi gemacht, sondern er beging Selbstmord, 

Stroux S.-Ber. Akad. Munch. 1929 H. 8). Dies nachdem der S. ihn getadelt hatte und seine Vor- 

waren eigentlich in der Republik Gegenstande ladung vor die regelrechten Gerichtshofe emp- 

der comitialen Gesetzgebung. Die Einrichtung fohlen hatte (Suet. Aug. QQ. Dio LIII 23). 

neuer Priesterschaften und die Vermehrung der Agrippa Postumus wurde von Augustus vermoge 
Zahl der alten zugunsten der Mitglieder des kai- 30 seiner fatria potestas verbannt und das Urteil 

serlichen Hauses (Mommsen St.-R. II 1104f.), durch SC nur bestatigt (Suet. Aug. 65; Tib. 15. 

und nach Actium entscheidende Inderungen im Tac. ann. I 6), und Volesus Messalla wurde in 

Kalender durch Einfiihrung von Festtagen (CIL einer quaestio (vgl. Sen. contr. VII 6, 22) nach 

P p. 212 Kal. Caer.; Arval.; Praenest; Amitern. einem tadelnden BeschluB und Verwarnung vom 

Tac. ann. II 32. Mommsen St.-R. Ill 1053) war S. (Tac. ann. Ill 68), die der an Gallus erteil- 

dem S. vorbehalten. Sein Anteil an der Schaffung ten ahnlich war, verurteilt. Schon im J. 140 

allgemeiner Verwaltungsregeln wird gekennzeich- v. Chr. sah der S. von einem ahnlichen prajudi- 

net durch die erhaltene Verordnung, die die Aus- zierenden Beschlufi gegen einen Statthalter von 

gaben der Gladiatorenspiele (CIL II 6278) ein- Makedonien nur ab, weil sein Vater um die Er- 
schrankt, wahrend das Verbot der Zerstorung von 4 laubnis bat, den Fall zu Hause zu untersuchen 

Gebauden zu Spekulationszwecken (SC aed. di- (Val. Max. V 8, 3. Liv. ep. 54. Cic. fin. I 24). 

ruend. CIL X 1401) ebensosehr eine Verwal- Andererseits weiB der S., wie Anderson 

tungsmafiregel als eine privatrechtliche Bestim- (Journ. rom. stud. XVII 45, vgl. Stroux Abh. 

mung ist. Akad. Miinch. XXXIV 2, 129. Dessau Kaiserz. 

3. Justiz. Gelegentlich, wenn der Kaiser II 832) scharfsinnig bemerkte, in der Vorrede 

es fiir richtig hielt, seine Zustimmung zu geben zum neuen Repetundenverfahren des J. 4 v. Chr. 

(ander s Mommsen St.-R. II 106), diente der S. offenbar nichts von irgendeinem Verfahren aufier 

als Appellationsgericht in Zivilprozessen (Tac. den -Quaestionen. AuBerdem bezeichnet dieses 

ann. XIV 28. Suet. Nero 17. SHA Marc. 10; Prob. neue Verfahren, in dem der Klager verzichtend 
13); weitere Appellation von seiner Entscheidung 50 auf die Kapitalstrafe, die auf Verurteilung im 

war an Kaisern, die ihre Beschrankungen respek- QuaestionenprozeB folgte, nur auf Wiedererstat- 

tierten, nicht moglich (Dig. XLIX 2, 1, 2). Ob- tung seines Geldes vor einem Recuperations- 

gleich der S. bei der Entscheidung solcher Be- komitee (Bd. IAS. 405) klagte, das sich aus 

rufungen als eonsilmm des Consuls (SHA Marc. den verschiedenen Rangkategorien des S. (Stroux 

10) handeln konnte, wurden sie gewohnlich dem 113f.) zusammensetzte, augenseheinlich ein tlber- 

Consul ubergeben, um von ihm oder einem Be- gangsstadium zu den cognitiones iiber Kapital- 

auftragten erledigt zu werden. Vgl. Suet. Gai. 16 verbrechen vor dem gesamten Haus, und das 

magistratibus liberam iuris dietionem et sine sui spatere Verschwinden dieses Recuperationsver- 

appellatione concessit. fahrens lafit sich am verstandlichsten erklaren als 

Kriminalgerichtsbarkeit (s. bes. Mommsen 60 Folge der Konkurrenz des Verfahrens vor dem 

St.-R. II 118; Strafr. 251. H e r z o g System II gesamten S. (Stroux 135; anders v. P r e m e r- 

898. Gardthausen Augustus I 571. M c stein Ztschr. Sav.-Stift. XLVIII 517. 530), die 

Fay den Washington Univ. Studies Hum. Ser. man zur Zeit ihrer Einrichtung nicht vorher- 

X 2, 231. D e s s a u Kaiserz. I 140. II 24, 1. 49. sehen konnte. 

832). Die auffalligste Funktion des S. in der Kai- Der Ursprung dieses Verfahrens ist nichts- 

serzeit war seine Tatigkeit als hoher Gerichtshof destoweniger dunkel. Man kann kaum bezweifeln, 

erster Instanz in Kriminalsachen. Der Ursprung dafi der S. im Falle des Granius Marcellus end- 

dieser Funktion ist noch dunkel. Mommsen giiltige Erledigung und nicht nur Verweisung an 



785 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 786 

den regelrechten Gerichtshof beabsichtigte. Diese unbestimmt. Sein Fall endete mit einem Prozefi 

Tatsache und das Fehlen jeder Bemerkimg des vor einem RecuperationsausschuB entsprechend den 

Tacitus iiber seine Einfiihrung ist freilich ein neuen Verfahren desJ. 4v. Chr. (richtig Ander- 

Beweis dafiir, daB die Funktion des S. als Ge- son 48. Stroux 118. 130). Vielleicht blieb 

richtshof ihm mindestens in den letzten Jahren ein klarer Fall von repetundae zuriick, nachdem 

des Augustus verliehen worden ist. eine urspriingliche Klage wegen maiestas vor- 

Es ist jedoch wahrscheinlicher, daB das sou- gebracht und fallengelassen worden war, oder es 

verane Recht der Kriminalgerichtsbarkeit wie das waren ursprtinglich Klagen wegen maiestas und 

Wahlrecht dem S. von dem aristokratisch ge- repetundae nebeneinander erhoben worden. Da 
sinnten Tiberius eingeraumt wurde, und daB das 10 aber eine urspriingliche Klage auf repetundae ihn 

J. 15 n. Chr, ein Wendepunkt in der Gerichts- nach dem neuen Verfahren (SC Cyren. Z. lOlf.) 

praxis bedeutet, der en Entwicklung Tacitus in der vor den S. gebracht haben wiirde, ist es moglich 

Tat aufgezeichnet hat; aber er hat es versaumt, und leichter anzunehmen, daB eine zusatzliche 

den genauen Zeitpunkt anzugeben, wo die Befugnis Klage wegen maiestas bei diesem Verhor (vgl. 

dem S. ausdriicklich gegeben wurde, aus dem Tac. ann. Ill 38. 66. IV 19) vorgebracht wurde, 

einfachen Grunde, weil sie nicht besonders ver- und daB, als diese aufgegeben wurde, der Fall 

liehen wurde, sondern sich allmahlich entwickelte. nach den Richtlinien des neuen Verf ahrens weiter 

"Wir mussen zunachst unterscheiden zwischen verlief. Der ^erste klare Fall also, in dem der S. 

Fallen, die Verbannung, und denen, die Tod her- als Gerichtshof das Todesurteil verktindete, war der 
beifiihrten. Das Verfahren, durch das Cassius 20 des Scribonius Libo im J. 16. Der Fall war zu- 

Severus verwiesen wurde, ist leider nicht deut- gestandenermaBen auBergewohnlich (Tac. ann. II 

lich uberliefert, aber abgesehen von dem unwahr- 28 vocantur patres, addito consultandum super 

scheinlichen Fall, daB er vor einer auBergewohn- re magna et atroci), und die Beharrlichkeit des S. 

lichen, ex SG eingerichteten Quaestio verhort in dem Fall nach seinem Selbstmord und die Tat- 

wurde, muB er vom Kaiser auf Rat des S. nach sache, daB sein ganzer Besitz konfisziert wurde 

formeller Erwagung im S. uber seine Verfehlun- (Tac. ann. II 32), sind ein starker Beweis, daB er 

gen (vgl. das Verfahren Tac. ann. 11 50. Ill 23. zum Staatsfeind erklart wurde. Im J. 19 erklarte 

37. Dio LII 43) verbannt worden sein. Schon endlich Tiberius, daB Pisos Verhor vor dem S. 

im J. 8 n. Chr. wurde es offenbar eingefuhrt, daB auBergewohnlich war: id solum Germanico super 
Verbannung vom Kaiser bewirkt werden konnte, 30 leges praestiterimus, quod in curia potius quam 

1. auf Grund seiner eigenen Autoritat, 2. gestiitzt in foro, apud senatum quam apud indices de morte 

durch einen verurteilenden BeschluB des S., eben- eius anquiritur (Tac. ann. Ill 12, vgl. II 79). 

so wie durch eine Quaestio (Ovid. Trist. II 131 Die Analogie dieser Falle zu der spateren 

nee mea decreto damnasti facta senatus, nee mea Anwendung der Erklarung des Kriegsrechtes, in 

selecto iudice iussa fuga est: ultus es offensas . . . denen der S., genau gesprochen, nicht als Ge- 

ipse tuas. Adde quod edictum , , , in poenae no- richtshof, sondern als Verwaltungsorgan fur Inter- 

mine lene fuit: quippe relegatus, non exul dicor; essen der offentlichen Ordnung und Sicherheit 

auch lulias Liebhaber wurden wahrscheinlich im tatig war, ist offensichtlich. Es ist in der Tat 

J. 2 V. Chr. vom Kaiser mit Hilfe des S. ver- moglich, daB dies die Deutung war, die Tibe- 
bannt: Dio LV 10. Veil. Pat. II 100. Sen. ben. 40 rius selbst der senatorischen cognitio gab. Sicher- 

VI 32. Abele Stud. Gesch. Alt. I 2, 53); aber lich sind die Worte, mit denen er das Recht des 

in keinem Falle unter Augustus beanspruchte der Consuls verteidigte, Klagen nach eigenem Er- 

S. wie spater ein formales Recht, die Stelle einer messen zu erheben, schlagend: nee infringendum 

Quaestio einzunehmen oder ein Todesurteil zu fal- consulis ius, cuius vigiliis niteretur ne quod res- 

len. Die naehstliegenden Analogien zu letzterem publica detrimentum caper et (Tac. ann. IV 19). 

findet man in den Urteilsspriichen, die der S. unter Da Tacitus hinzufiigt, daB es charakteristisch ftir 

dem Deckmantel der Erklarung des Kriegsrechts ihn war, scelera nuper reperta priscis verbis oh- 

(s. 0.), aber dem Wesen nach als hochster Ge- tegere, so miissen die Worte der Formel in der Tat 

richtshof gegen die Catilinarier im J. 63 und von Tiberius gebraucht und so in den acta sena- 
gegen Salvidienus Rufus im J. 40 und wahr- 50 tus berichtet worden sein. Dann ist es auch klar, 

scheinlich bei der Verurteilung des Q. Gallius im daB die Recht sprechung des S. sich ursprunglich 

J. 43 verktindete (Appian. bell. civ. Ill 95, aber s. nur auf Missetaten ausdehnte, die den Staat ge- 

Suet. Aug. 27). Die normale Methode jedoch, fahrdeten einschlieBlich der maiestas, derenBegrifl^ 

gegen eine Verschworung vorzugehen, wenigstens sich auf Nichtachtung des Kaisers ausdehnte, 

in Augustus' frtiheren Jahren wie bis zum J. 4 und das ist in der Tat in alien senatorischen 

V. Chr. gegen alle Falle von Erpressung (s. o.), cognitiones, die unter Tiberius uberliefert 

war immer der ProzeB vor einer Quaestio (Mu- werden, der Fall (Tac. ann. I 73. 74. II 27f. 

rena und Fannius Caepio im J. 22 v. Chr. Dio 50. Ill lOf. 22. 38. 49. 66. 70. IV 19. 21. 28. 34, 

LIV 3. Suet. Tib. 8; der Gerichtshof wird in vgl. Marsh Tiberius 292. IV 42. 52. 70. V 3. VI 
anderen Fallen einfach nicht erwahnt: McF ay- 60 passim; von den scheinbaren Ausnahmen wurden 

den 238), und im J. 19 n. Chr. konnte Piso Archelaus und Rhescuporis, wie Antioehus von 

beanspruchen, wenn tiberhaupt, , so vor der Quae- Commagene Dio LII 43, vom Kaiser als abso- 

stio inter sicarios verhort zu werden (Tac. ann. II lutem Herrn liber auswartige Angelegenheiten 

79, vgl. Ill 12). Die ersten Falle am Anfang der nach unverbindlichem Verhor im S. [ann. II 42. 

Regierung des Tiberius ergeben keine Entschei- 67] bestraft; die Befugnis des Kaisers, auf Rat 

dung. Die Beschuldigungen wegen maiestas (s. d.) des S. zu verbannen [III 37. IV 13. 31. 36], 

gegen Falanius und Rubrius wurden fallengelas- wurde unter Augustus als kaiserliche Macht an- 

sen. Die Art der Klage gegen Granius ist sehr erkannt; Vistilia muBte einfach die Strafe er- 



787 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 788 

leiden, die durch die Lex lulia [Paul. sent. II Offiziere selten fiir nichtmilitarische VerstoBe 

26, 14] vorgeschrieben war, nachdem die Erorte- Suet. Tib. 30), wurde das Verhor vor dem S. iiber 

rung iires Falles im S. [II 85] eine auslegende irgendeinen Kriminalfall durch die Gewohnheit, 

Gesetzgebung [Dig. XLVIII5, 11] veranlaBthatte) nachdem Caligula den Tyrannen gespielt hatte, 

mit der einzigen moglichen Ausnahme des Falles ein Privileg der Senatoren, das verfassungstreae 

des Plautius Silvanus (Tac. ann. IV 22), eines hoch- Kaiser sorgfaltig respektierten (M o m m s e n St.- 

geborenen amtierenden Praetors, der des Mordes R. II 961) bis nach Septimius Severus, der selbst 

angeklagt war. Die Natur der indices dati in ein Versprechen, es zu respektieren, schamlos 

diesem FaUe ist, da der Kaiser, vor den der miBachtete (Dio LXXIV 2. SHA Sev. 7. 13). 

Schuldige gebracht wurde, die Sache an den S. 10 Wie immer war der S. abhangig vom Magi- 

verwiesen hatte, obgleich man in ihnen gewohn- strat, der sich weigern konnte, die relatio zu 

lich (Mommsen St,-R. II 121; Strafr. 255. machen, die notwendig war, um irgendeinen Fall 

Anderson 47. v. Premerstein 530, 2. (Tac. ann. V 4. Plin. ep. IX 13, 7, vgl. ann. XIII 

S t r u X 130) einen AusschuB des S. sieht ahn- 26. XIV 49. XV 22) vor ihn zu bringen. Gewohn- 

lich dem, der bei Erpressungsklagen im Verf ah- lich, wenn auch nicht mit Notwendigkeit (wie aus 

ren des J. 4 angewandt wurde und bei der spa- seiner tJberraschung hervorgeht Tac. ann. Ill 51. 

teren auftragsweisen Durchfiihrung einer eognitio Dio LVII 20), wurde der Kaiser um Rat gefragt 

(Plin. ep. II 11, 2. IV 9, 16. VI 29, 10. Str oux und konnte durch seine tribunicische Gewalt den 

133), noch sehr zweifelhaft, und wenn es eine Fall unterdrlicken oder ihn an den S. zuruck- 

senatorische Kommission war statt Mitglieder 20 schicken (Tac. ann. I 73. Ill 70, vgl. Ill 10. 

der regelrechten Quaestio, so ist ihr Erscheinen in Plin. ep. IV 9, 1. IX 13, 22). Andererseits wartete 

diesem einen bekannten Fall eher ein Beweis der Consul, obgleich befugt, aus eigenem Antrieb 

einer besonderen Konzession an den hohen Stand Klagen zu erheben (Tac. ann. IV 19), gewohnlich, 

des Beklagten als einer gesetzlichen Einrichtung. bis seine Aufmerksamkeit von einem Anklag^r 

Von einem reinen Repetundenfall wird dem- (delator) auf ein Verbrechen gelenkt wurde, der 

entsprechend nichts berichtet; diese wurden, ihn bat, die Sache vor d6n S. zu bringen (Tac. 

wenn wirklich einer vorkam, wohl von der ann. I 74. II 28. 50. Ill 10. 66. IV 34. XII 59. 

Quaestio oder der Recuperationskommission be- XIII 44. XIV 48. XVI 23. Plin. ep. V 20. VII 

handelt (Tac. ann. Ill 38. 70) und nicht erwahnt, 33). Wenn er es fiir passend hielt, erhielten An- 

weil sie von keiner poUtischen Bedeutung waren. 30 klager und Angeklagter die Moglichkeit, ihre 

Die Fahigkeit des S. jedoch, mit dem Ange- Griinde personlich und, wenn es erwunscht war, 

klagten nicht nur als einem Gesetzesbreeher, son- mit Hilfe von subscriptores und advoeati (Tac. 

dem auch als einer offentlichen Gefahr zu ver- ann. II 27f. Ill lOf. Plin. ep. II 11. Ill 9. IV 

handeln, und eine vollstandige Prtif ung aller Um- 9. V 20. VII 6) vorzubringen. Erf olgreiche An- 

stande ungehindert durch gesetzliche Kniffe zu klager erhielten regelmaBig Belohnungen (z. B. 

unternehmen, und die sich auf diese Weise bie- Tac. ann. II 32. IV 30). In dieser Hinsieht glich 

tende Moglichkeit, uber Missetaten zu verhandeln, das Verfahren dem der quaestiones. Bezeiehnen- 

die nicht unter ein besonderes Strafgesetz fielen derweise iibten iibrigens Consul und S. ihre auBer- 

(z. B. Tac. ann, VI 49. XIV 49, vgl. Quintil. inst. gewohnliche Machtbefugnis, liber bedrohlicheFalle 

III 10, 1), und die Strafe den Verbrechen anzu- 40 zu verhandeln, nur aus, wenn sie von privaten An- 

passen (z. B. Plin. ep. IV 9, 17 cum putaret klagern angestiftet wurden,^ und nach einem for- 

senatui licere sicut licet et mitigare leges et in- mellen Verhor. Die gerichtlichen Verhandlungen 

tender e), mit anderen Wort en die Bequemlichkeit konnten mehrere Tage dauern (Tac. ann. Ill 13. 

und Biegsamkeit der senatorischen eognitio wenen Plin. ep. II 11, 18) und brauchten, solange kein 

an sich ausreichend, um den Fortbestand des ein- SC gemacht wurde, sogar bei Sonnenuntergang 

mal versuchten Verfahrens zu sichern, und auch nicht abgebrochen in werden (Plin. ep. IV 9, 14); 

der historische MiBbrauch, der damit als mit darauf wurde das regelrechte Verfahren mit der 

einem Werkzeug der Tyrannei getrieben wurde, interrogatio wieder aufgenommen. Strafen wur- 

kann ihren theoretischen und praktischen Nutzen den in sententiae vorgeschlagen (Tac. ann. Ill 49f. 

nicht annullieren. Es ist einfaeh charakteristisch 50 Plin. ep. II 11, 19f. IV 9, 16f.). Das Urteil trug 

fur die Entwicklung der romischen Verfassung, die Form eines decretum (Tac. ann. XIV 49). In- 

daB andere Verbrechen (z. B. Repetunden Tac. folge ungebiihrlicher Eile bei der Ausfiihrung 

ann. XIV 46. Plin. ep. II 11. Ill 9. IV 9. V 20. wurde im J. 21 n. Chr. ein Gesetz durchgebracht, 

VII 33; Falschung Tac. ann. XIV 40) spater vor das nachher nicht immer beachtet wurde (z. B. Dio 

den S. gebracht wurden, nachdem einmal die sena- LVIII 11), daB 10 Tage vergehen sollten, bevor 

torische eognitio als eine Einrichtung eingefiihrt SC im aerarium (Tac. ann. Ill 51. Suet. Tib. 75. 

worden war. Obgleich die quaestiones einerseits Dio LVII 20. Sen. tranqu. anim. 14, 6) nieder- 

weiter fungierten (Tac. ann. I 72. II 79. VI 16. gelegt wurden, und daB diese Frist fiir die Folge- 

XIV 41. Suet. Tib. 33. 58, vgl. Dio LII 20) und zeit dem Verurteilten gewahrt werden solle. Die 
die senatorische eognitio andererseits keineswegs 60 Ausfiihrung des Urteils bei Todesstrafen wurde 
auf Senatoren beschrankt war (Ritter, abgesehen von den Beamten durch Erwiirgen im Gefangnis 
von solchen, die mit Senatoren beschuldigt waren, (Tac. ann. Ill 51. V 9. VI 19. 40, vgl. IV 70. 
Tac. ann. I 73. Ill 49. 70. IV 15. 31. 68. VI 40. Dio LVIII 4. LIX 18), durch Stiirzen vom Tar- 
XIII 10. XIV 28; hist. II 10. Dio LVII 20. 23; peischen Felsen (Tac. ann. II 32. VI 19. Dio LVII 
Freigelassene Plin. ep. VIII 14, 12; Biirger einer 22. LVIII 15. LIX 18. LX 18) oder durch GeiBe- 
Colonie Tac. hist. IV 45; Provincialen Tac. ann. lung (Tac. ann. II 32. XIV 48. XVI 11. Suet. 

XV 20; Frauen Tac. ann. II 50. Ill 22. IV 52. Nero 49. Dom. 11) vollzogen. Soldaten verwandte 
V 3. VI 10. 18. 47. 49. XI 4. XII 22. XVI 8; man eigentlich nur bei kaiserlichen Urteilen. 



789 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 790 

4. V e r w a 1 1 u n g. Von den ausgedehnten (Dio LV 10) begleiteten, und der Bauherrenstatuen 

Verwaltungsfunktionen des S., die die Basis war gesetzlich vom S. abhangig, den sogar der 

seiner Macht in der Republik waren, blieben nur Kaiser darum ersuchte (Dio a. 0. Tac. Agr. 40; 

wenige iibrig. Der tJbergang voUzog sich frei- ann. Ill 72. IV 74. Suet. Otho I. SHA Marc. 2. 

lich nicht abrupt und bestand sowohl in dem Auf- Macr. 6. CIL VI 1377. 37 087f. M o m m s e n St.- 

bau eines kaiserlichen Verwaltungssystems als in R. Ill 1186). Ehrennamen und Titel, jetzt auf Mit- 

der Streiehung der Verwaltungsfunktionen des glieder des kaiserlichen Hauses beschrankt, nahm 

S. Besonders unter Augustus und Tiberius, wenn man in der Kegel nur auf seine Auf forderung bin 

auch Abele 17. 61. 73. 76 zu weit geht, an (z. B. Mon. Ancjr. VI 16. Suet. Tib. 17; Nero 
wenn er glaubt, dafi er, nur dem finanziellen lo 8. Tac. hist. I 47. Dio LX 22. LXVIII 10. 

Oberaufsichtsrecht des Kaisers unterworfen, in 23. LXXVIII 27; des Macrinus' auBergewohn- 

aUen finanziellen Fragen entschied und da6 mill- liches Betragen LXXVIII 16 bezeugt nur die 

tarische Fragen, so weit sie mit dem Finanzwesen Kegel). Wenigstens einmal bestimmte er den 

zusammenhingen, unbedingt dem S. vorgelegt ehrenvollen Beinamen einer Legion (Dio LX 15). 

wurden, fuhr der S. fort, als Verwaltungsbtiro Er ordnete Staatsbegrabnisse an fiir beriihmte Biir- 

und Beirat zu fungieren*). In der ersten Phase des ger sowohl wie fur Kaiser (Tac. ann. Ill 48. VI 11. 

Principats wurde iiberdies mit Hilfe des S. die eura Suet. Vit. 3. Dio LIV 12. LVIH 19. LIX 3. 11. LX 

aquarum eingerichtet (Front, aqu. 100) und der 27. LXVIII 15), die wahrscheinlich in der Kegel mit 

Staatsbesitz durch besondere Ausschtisse ex SG einem iustUium verbunden waren (Tac. ann. II 82, 
(Aquaeducte CIL VI 1243f. 31 558, vgL Front. 20 vgl. I 16. 50. Ill 7. Suet. Tib. 52. SHA Marc. 7). 

aqu. 127; staatliches Land von privatem CDj VI Entehrungen. Verfluchung der Kaiser 

1265f. 31573f.; Tiberufer CIL VI 4 p. 3109 — s. o. Das Begrabnis der Hingerichteten, das, ob- 

nach Claudius bezeichnenderweise ex auetoritate gleich es ein Akt der Gnade war, gewohnlich auf 

principis) terminiert. Er behielt als anerkanntes Ersuchen gestattet wurde (Mommsen Strafr. 

Vorrecht nur die Kontrolle tiber aufiergewohn- 989), konnte auf VorscUag des S. verweigert 

liche sakrale Angelegenheiten, iiber Ehrungen, werden (Suet. Vesp. 2). Zum ersten Male gegen 

das aerarium Saturni, die Kupferpragung, fiber Antonius und spater oft, wie die Inschriften 

unbewaffnete Provinzen und liber Italien. zeigen, verordnete er die Tilgung des Namens 

a) Sakrale Angelegenheiten. Die verurteilter Ubeltater^ wie auch verfluchter Kai- 
Aufnahme neuer sibyllinischer Orakel wurde vom 30 ser von offentlichen Dokumenten und die ZerstS- 
S. bestatigt (Tac. ann. VI 12). Die Verrichtung rung ihrer Standbilder (Bd. IV S. 2059). Oft 
aufiergewohnlicher Opfer und Spiele durch ein kam natiirlich Eifer der Verordnung zuvor (Dio 
Priestercollegium erforderte seine Genehmigung: LVIII 11. Suet. Dom. 23). Er libernahm auch 
die fratres Arvales leisteten Gelubde und opferten die Funktion, die friiher von der gens ausgeiibt 
auf Anordnung der Consuln und BeschluB des S. wurde, den weiteren Gebrauch des praenomen 
(CIL VI 2027. 2066. Mommsen Ephem. epigr. oder cognomen des Verurteilten in seiner Familie 
VIII 244), und noch unter Severus ermachtigte zu verbieten, an und bisweilen schrieb er vor, 
er die XVviri sacris faciundis, die ludi saeculares da6 sein Geburtstag als Trauertag, sein Todes- 
(CIL VI 32 326 Z. 5f., vgl. 32 324) abzuhalten. tag als Feiertag begangen wiirde (Plut. Cic. 49. 
Wie in der Republik, ordnete er weiter suppliea- 40 Dio LI 19 Antonius; Tac. ann. II 32 Libo Drusus. 
tiones besonders zu Ehren von Siegen an (z. B. Ill 17 Cn. Piso). Das wurde durch das Recht, 
Tac.ann. XIII41.XIV 12. SHAHadr. 12; Alex. 56. das er sich angemafit hatte, Gesetze tiber den 
CIL VI 1386. XIV 3613). Wenigstens in Asien Kalender zu geben, ermoglicht. Es ist wahrschein- 
und moglicherweise in anderen senatorischen Pro- lich, dafi diese Straf en sich schlieBlich an die 
vjnzen iibermittelte er Stadten die begehrte Aus- infamia des perduellis oder hostis publicus als 
zeichnung, eine Stadt des Kaiserkultus zu sein solche hefteten und keine besondere Verordnung 
(Syll. or. 514 Smyrna vecoxogog rcov Sspaotwv erforderten. 

Ttaxa xa doyfrnza rfjg IsQcomTrjg ovyHXi^rov), c) Aerarium Saturni. Die fvollstandige 

b) Ehrenbezeugungen. Triumphe, or- Kontrolle uber das aerarium, in der spaten Repu- 
namenta, Konsekration, die genau betrachtet Akte 50 blik durch Gesetze zugunsten grofier Feldherren 
der Gesetzgebung waren, s. o. Schmeichelei wie geschmalert und von Caesar auf der Stelle uber- 
Dankgeliibde und Geldgeschenke an Claudius* nommen (Dio XLIII 45), wurde dem S. von 
Freigelassenen Pallas (Tac. ann. XII 53. Plin. Augustus wiedergegeben. Die Einrichtung des 
ep. VII 29. VIII 6) lag natiirlich immer in der aerarium militare im J. 6 n. Chr. (Dio LV 25. Suet. 
Eompetenz des S. Die Errichtung von Ehren- Aiig. 49) jedoch und die aUmahliche Entwicklung 
standbildern fiir Privatleute, einschliefilich der- des kaiserlichen Mskus (Hi rschf eld Verwaltungs- 
jenigen, die regelmafiig die Triumphalornamente beamte^ 2f. R o s t o v t z e f f Bd. VI S. 2386) 
verminderte seine Bedeutung bestandig. In der 

*) In der Tat beschaftigte sich noch im J. 7 Hauptsache, wenn auch nicht ganz (H i r s c h - 
n. Chr. ein SC irgendwie mit Kriegsschiffen fur 60 f eld 71. Bd. VI S. 2399. Mommsen St.-R. 

die Niederwerfung des Pannonischen Aufstandes II 1005) floB dahin das Einkommen der senato- 

(SC de navibus Osterr. Jahresh. XV Beibl. 261. rischen Provinzen aus Tribut und Naturalabgaben, 

Das sehr verstiimmelte Bruchstiick bezieht sich den bona vacantia, bona damnatorum, bona ca- 

auf navis, milit)^ und neuerdings hat Frank duca, den Straf geldern, der Steuer fiir Wasser- 

(Journ. rom. stud. XXIII 144) scharfsinnig die gebrauch und den Gebiihren, die von Mitgliedern 

Meinung verteidigt, dafi das Aerarium noch unter der PriestercoUegien bei ihrer Wahl gezahlt wur- 

Augustus alle standigen Ausgaben bestritt, ein- den (Suet. Claud. 9). Von Anfang an aber war es 

BchlieBlich derjenigen fiir die Armee. seinen Verpflichtungen nicht gewachsen, und be- 



791 Senatus (Principat) Senate (Principat) 792 

standig waren Subventionen vom Kaiser notig der familia publica zur Last, die die Bedienung 

(Hirschfeld 16. Mon. Ancyr. Ill 34. Tac. der Wasserleitung mit der familia Caesaris ieiite 

ann. XIII 31. Eutrop. VIII 8); unter Nero im (Front, aqn. 118). In Ausnahmef alien deckte es 

J. 56 wurde die Leitung endgiiltig vom Kaiser die Kosten fiir die Erneuerung offentlicher Ge- 

iibernommen und zwei Praf ekten, die er wahlte baude (Suet. Claud. 25 in Sizilien, vgl. Tac. hist. 

(Mommsen St.-R. II 557), iibergeben. Zu IV 9). Bis auf Claudius trug es die Kosten 

alien Zeiten kontroUierte der Kaiser die Hilfs- fiir die Pflasterung der StraBen der Hauptstadt 

quellen des aerarium, insoweit er den S. kon- (Suet. Claud. 24. Hirschfeld 261), und wahr- 

troliierte. Spater aber, wenn auch H i r s c h - scheinlich bis zur selben Zeit fiir die Regulierung 

f eld (13) richtig Mommsens Ansicht'(St.-R. 10 des Tiber, wo dann die Termination von der 

II 1013), daB die Leiter ihm allein Rechenschaft kaiserlichen Autoritat iibernommen wurde. Neue 

zu geben batten, zuriickweist, lag die Verwal- Bauten wurden fast ausschlieBlich vom Kaiser 

tung tatsachlich in seinen Handen, und obgleich unternommen (Hirschfeld 265. M o m m - 

der Form nach der kaiserliche Verwalter den S. sen St.-R. II 950); nur die wenigen Werke, 

uber Ausgaben aus dem Aerarium fragen muBte die als vom senatus populusqiie Romanus her- 

(Dio LXXI 33, vgl. Front, aqu. 118. SHA Comm. riihrend beschrieben werden, einschlieBlich der 

9), verfiigte der Kaiser liber die Staatskasse Weihung an den Kaiser, wie Triumphbogen, 

praktisch wie tiber seine eigene (s. Dio LIII wurden wahrscheinlich auf S.-Kosten hergestellt 

16. 22. Tac. ann. VI 2). (CIL VI 31 578, vgl. 1270 = H ti b n e r 
Seine Einkiinfte wurden inzwischen in zuneh- 20 Exempla 258. Dio LIX 28. Mommsen St.-R. 

mendem Grade an die kaiserliche Kasse abge- III 1145). Die Erhaltung von HeerstraBen in 

fiihrt; die bona vacantia unter Tiberius, die Italien war formell Aufgabe des Aerariums. 

bona caduca unter Marcus, die bona damnatorum Von Anfang an jedoch (Dio LIII 22. Mon. An- 

gelegentlich und gegen die Regel von Tiberius cyr. IV 19) half der Kaiser dadurch, daB er 

an, endgiiltig nach Severus, Strafgelder nach den Bau selbst ubernahm, und durch Spenden 

Severus (Hirschfeld 15. 45. 115. 481. an die S.-Kasse aus (Mommsen St.-R. II 

Mommsen Strafr. 814. 1026). Obgleich das 10771 Hirschfeld 209), und wenigstens von 

aerarium als eine besondere Schatzkammer Ale- Domitians Zeit an war dies ein standiger Posten 

xander Severus iiberlebte (SHA Alex, 16. Dio im kaiserlichen Budget (Stat. silv. Ill 3, 102). 

LIII 16. 22. Hirschfeld 17), wurde seine 30 Die Ausgaben fur regelmaBige Feste, soweit sie 

letzte groBe Einkommensquelle, die Staats- nicht aus Privatspenden bezahlt wurden, und 

domane in den senatorischen Provinzen, unter wahrscheinlich fiir alle religiosen Einrichtungen, 

Septimius Severus ganz der kaiserlichen Ver- soweit diese nicht fundiert waren, fielen wie in der 

waltung unterstellt (Rostovtzeff Rom. Republik weiter dem Aerarium zur Last (Dio LIV 

Staatspacht 429. Hirschfeld 139f.), nach- 2. 17. LV 31. LVI 47. LX 17. Tac. ann. I 15). 

dem tjTbergriffe schon ein halbes Jahrhundert Noch unter Severus bewilligte der S. die Aus- 

vorher vorgekommen waren, und der ratio patri- gaben fiir die ludi saeculares (SC CIL VI 32326 

monii einverleibt; danach sank es vielleicht schon Z. 29 inque eos ludos sacriRciaque sumptus ex aera- 

uriter Gordian (SHA Gord. 28. Hirschfeld rio populi Romani Hant), wie er es bei denen des 

17, 3), sieherlich mit dem Verschwinden der un- 40 Domitian oder des Claudius (CIL VI 32324 de 
bewaffneten Provinzen unter Gallienus (Homo lucari ludorum) und sieherlich bei denen des 
Rev. Hist. CXXXVIII 32) zur Stellung einer Augustus getan hatte. 
Municipalschatzkammer herab. d) Kupferpragung (Willers Kupfer- 

Seine Ausgaben verminderten sich naturlich pragung 131 f. Mattingly Journ. rom. stud* 

mit den Einnahmen. Offensichtlich in der ersten VII 60; Imperial Coinage I 2f.; Roman Coins 

Dynastie und wahrscheinlich auch spater wur- 11 Of. Hill Hist. Rom. Coins 162; anders 

den Schenkungen, besonders solche, die bei Na- Mommsen RMW 743; St.-R. II 1025). Nicht, 

turkatastrophen in Form von SteuererlaB ge- wie Mommsen glaubte, durch eine einzige ent- 

wahrt wurden, vom S. bewilligt, wenn das aera- scheidende Verftigung, sondern durch eine Reihe 

rium betroffen wurde (Tac. ann. II 47. IV 13. 50 von tastenden Schritten, die sich tiber seine Re- 

XII 58. 63. Suet. Tib. 8. Dio LIV 23, dement- gierung ausdehnen, teilte Augustus das Recht der 

sprechend gab Augustus der S.-Kasse Ersatz fur Pragung mit dem S. und behielt sich das Recht 

einen aus eigener Machtvollkommenheit ver- vor, in seiner Eigenschaft als Imperator Gold und 

liehenen ErlaB: Dio LIV 30). Abgesehen von Silber in den Provinzen zu pragen, und uberlieB 

der indirekten Hilfe fiir den Kaiser dadurch, dem S. die Ausgabe von Kupfergeld in Rom. 

daB er ihm einen Teil der Einkiinfte aus seinen Die kaiserlichen Mtinzen wurden schliefilich in 

Provinzen uberlieB, vor allem die in Natural- Lugdunum konzentriert, wahrscheinlich im J. 14 

abgaben, ist es hochst wahrscheinlich, daB der v. Chr., und blieben in der Provinz, bis Caligula 

S. ihm auch Geldsummen dauernd oder gelegent- im Anfang seiner Regierung in Rom zu pragen 

lich bewilligte, um ihm bei auBerordentlichen 60 begann. Eine kurze Zeit unter Neros Vormund- 

Anforderungen zu helfen, besonders bei der schaft trug diese Gold- und Silberpragung sogar 

cura annonae und bei Bauten, die er unternahm die Auf schrift ex SC als Zeichen, daB sie, wenn 

(Mommsen St.-R. II 1006. 1039. 1050. Ill nicht durch Entscheidung des S., so doch mit 

1146. Hirschfeld 16). Bis auf Claudius seiner Bewilligung gepragt war. Aber im J. 64 

deckte es die groBen Ausgaben der frumenta- erhob der Kaiser nicht nur Gold und Silber 

tiones (Hirschfeld 236. Cardinal! in wieder zum Monopol, sondern machte einen Ver- 

Ruggiero Diz. Epigr. HI 245. Rostovtzeff such, das Kupfer an sich zu reiBen, das end- 

Bd. VII S. 176). Dem aerarium fiel der Lohn gultig erst weit in Vespasians Regierung dem 



793 Senatus (Principat) Senatus (Principat) 794 

S. wiedergegeben wurde. Danach blieb die sena- aufierordentlichem Auftrag an Plinius und eine 
torische Miinze mit nur ausnahmsweisen Uber- Reihe von kaiserlichen Angestellten gegeben 
grifien des Kaisers verantwortlich fiir alle nicht- wurde. Unter Marcus gewann er Sardinia wieder 
lokalen Emissionen von Kupfermtinzen und und verier es unter Commodus oder Severus, 
pragte diese unter der Leitung der Illmri acre und vielleicht (Marquardt F 257; anders 
argento auro flando feriundo. Kaiserliche Kon- Mo mm sen CIL X p. 777, 1) wurde Baetica 
troUe Tiber senatorische Emissionen wurde je- fiir eine kurze Zeit von Marcus tibernommen. 
doch, erleichtert durch tJbertragung der Leitung Die kaiserlichen Provinzen behielt der Statt- 
des Aerariums im J. 59 an vom Kaiser ernannte halter, solange der Kaiser woUte; die senatori- 
Prafekten, weiter geiibt, und von dieser Zeit an 10 schen in der Kegel nur ein Jahr; und durch Er- 
scheint der Kaiser ein entscheidendes Wort in neuerung des Pompeianischen Gesetzes vom J. 52 
der Verwaltung gehabt zu haben. Die Ausgabe nur nach einem Intervall von 5 Jahren nach der 
von Miinzen groBeren Nenn- als eigentlichen dazu berechtigenden Magistratur; in der Praxis 
Wertes auf Rechnung der S.-Kasse war, wie war das Intervall gewohnlich langer. Die sena- 
M m m s e n beobachtet hat, eine wichtige Ein- torischen Provinzen wurden durchs Los ver- 
nahmequelle fiir den S. und eine starke Be- teilt. Von diesen waren Africa und Asia ein fiir 
schrankung der kaiserlichen Macht. Die fort- allemal als consularische ausgezeichnet. Folglich 
schreitende Entwertung des Silbers jedoch, die verier der S. sein friiheres Recht, jedes Jahr 
mit Nero begann und in dem totalen Zusammen- 2 consularische Provinzen zu bestimmen. Bei 
bruch unter Gallienus gipfelte, lieferte ein Mit- 20 seltenen Gelegenheiten entzog der S. Provinzen 
tel, durch das die kaiserliche Autoritat tatsach- der Verlosung und vergab sie durch Wahl oder 
lich, wenn auch freilich indirekt, die Ausgabe verlangerte in der Form der Iteration die Amts- 
von Kreditgeld, auf die Augustus weise ver- zeit des Statthalters. Gewohnlich jedoch war 
zichtet hatte, gutmachte. Mit dem Zusammen- sein wirklicher Anteil an der Verteilung gering, 
bruch der Wahrung verier das Kupfergeld seine wenn er auch jedes Jahr formell die Lose und 
Daseinsberechtigung und verschwand im Grunde, die Ausloser bestimmte. Vom Anfang des 3. Jhdts. 
und als Aurelian endlich versuchte, die Pragung ab hatte sich der Kaiser in die Verteilung so- 
zu ref ormieren, nahm er die Ausgabe von Kupf er weit eingemischt, daB er eine KoUektivernen- 
ohne Riicksicht auf den S. auf. nung vornahm, indem er zu der Verlosung nur 
e) Provinzen. Am 13. Januar 27 bewirkte 30 eine Gruppe von Consularen und Praetoren, die 
Augustus, indem er seine aufierordentlichen er selbst wahlte und deren Zahl mit der der 
Machtbefugnisse auf gab, eine teilweise Wieder- auszufiillenden Posten iibereinstimmte, zulieB. 
herstellung der Kontrolle iiber die Provinzen, Die oberste Leitung der Verwaltung uber 
die der S. in der Republik gehabt hatte (Dio seine Reichshalfte blieb beim S. In diesen Pro- 
LIII 12f. Mommsen St.-R. II 242f.). Von da vinzen genoB jedoch der Kaiser ein imperium 
an muBte eine Gruppe dem Kaiser unterstehen mains iiber ihre Statthalter und damit das Recht, 
und von einem Statthalter, den er ernannte, ver- den Proconsuln Instruktionen zu geben und be- 
waltet werden, der als sein Vertreter legatus sondere Regelungen vorzunehmen (Dio LIII 15. 
Augusti pro praetor e genannt wurde, eine andere 23. Dig. I 16, 8). Die Inschriften von Kyrene 
Gruppe — Achaia, Africa, Asia, Baetica, Bithy- 40 (v. Premerstein Ztschr. Sav.-Stift. XLVIII 435. 
nia, Pontus, Kreta-Kyrene, Illyricum, Macedonia, 462. W e n g e r Abh. Akad. Miinch. XXXIV 2, 61) 
Sardinia-Corsica, Sicilia — soUte in der Obhut haben jetzt gegen McFaydens (Class. Phil. 
des S. sein und von einem Statthalter verwaltet XVI 34, Washington Univ. Studies Hum. Series X 
werden, der seine Autoritat direkt von ihm be- 2, 186; seine Antwort Class. Phil. XXIII 388 ist 
kam und Proconsul genannt wurde. Obgleichdie nicht iiberzeugend) gut begriindeten Angriff be- 
Legio III Augusta bis zum J. 39 unter dem Kom- wiesen, daB er sich dieser Macht schon von Augu- 
mando des proconsul Africae (Tac. hist. IV 48) stus an erfreute, und Beispiele von ihrem Ge- 
blieb und kleine militarische Kommandos in branch fehlen nicht (Plin. ep. X 79f. CIL II 1423. 
Form von Polizeitruppen noch im 2. Jhdt. in .den III 7086.7251. Mommsen St.-R.II 860). Aber, wie 
Provinzen postiert waren (Ritterling Journ. rom. 50McFayden klar gezeigt hat, ubte der Kaiser 
stud.XVII28),wareninderRegeldiesenatorischen dies Recht wahrend des 1. Jhdts. selten aus und 
unbewaffnete Provinzen. Die anf angliche Teilung mischte sich selten in die Verwaltung der Pro- 
war nicht als dauernd beabsichtigt, und als sich vinzen des S. (vgl. Tac. ann. Ill 60. XII 61f. 
die Lage anderte und administrative Bequemlich- XIII 4). Im 2. Jhdt., als die Municipien zu ver- 
keit es erforderte, wurden Provinzen von einer fallen begannen, wurde die Kontrolle des S. 
Kategorie in die andere iiberfiihrt. Im J. 22 ernstlicher unterminiert durch die Ernennung 
V. Chr. wurden Cyprus und Narbonensis dem S., auBerordentlicher kaiserlicher Beamten, corree- 
im J. 11 Illyricum und im J. 6 Sardinia- Corsica tores und curatores (logistae), mit Machtbefug- 
dem Kaiser iibertragen. Von 15 — 44n. Chr. mnBte nissen iiber Finanzen und Verwaltung, wahrend 
der S. auf Achaia und Macedonia verzichten im 60 die Entwicklung des kaiserlichen Krongutes 
J. 67 verier er zeitweilig Achaia, das Kero befreite, (Suppl.-Bd. IV S. 240) in senatorischen Distrik- 
und erhielt Sardinia ohne Corsica wieder; aber ten kaiserliche Verwalter mit wachsender Zahl 
diese Anordnung wurde von Vespasian bald auf- und Macht hierhin brachte. Nichtsdestoweniger 
gehoben. Im J. 135 gewann er Pamphylia-Lycie. blieb der S. die nominelle Kontrolle und die 
und zur selben Zeit oder wahrscheinlicher unter Quelle der Autoritat in seinen Provinzen, bis 
Marcus verlor er endgiiltig Bithynia-Pontus, das unter Gallienus die unbewaffneten Provinzen im 
im 1. Jhdt. voriibergehend unter kaiserlichen Grunde verschwanden. Die anziehende Vermutung, 
Prokuratoren gestanden hatte und bekanntlich in daB in der senatorischen Restauration unter Ta- 



795 Senatus (Dominat) Senatus (Dominat) 796 

citus und Probus der S. die KontroUe iiber einige waren die Senatoren von Verwaltungsposten ganz- 

befriedeten Provinzen wieder erlangte (Homo lich ausgeschlossen und der S. selbst zur Stel- 

Rev. Hist. CXXXVm 35, vgl. CXXXVE 201), lung eines Stadtrates herabgesetzt. Die Ritter 

berubt leider auf ziemlich zweifelhaften Angaben blieben noch ein besonderer Stand Mr sich, 

der Scrip tores Historiae Augustae (Tac. 19 nos dem unter Constantin die wichtigsten Posten 

recepimus ius proconsulare. Prob. 13 permisit vorbehalten wurden (vgl. C. Caelius Saturninus 

patribus ut proconsules crearent; vgl. Aur. 40 CIL VI 1704); aber unter ihm begann eine Re^ 

omnes indices quos aut senatus aut Aurelianm aktion (Paneg: XII 20 senatui auctoritatem pri- 

elegerat) und dem nicht sicher identifizierten C. stinam reddidisti; Nazar. ebd. IV 35). Bei der 
lulius Adurius Paternus (PIR II 160) proconsul 10 Grtindung von Konstantinopel schuf er einen 

pro [v. Asiae sortje f(actus) excusat(us). Es ist besonderen S. (anon. Vales. 30 ibi etiam sena- 

wahrscheinlicher, daJS die wenigen senatorischen turn eonstituit secundi ordinis, claros vocavit; 

Statthalter, die jetzt des militarischen Kom- Philostorg. II 9. Sozom. II 3. Chron. Pasch. 529 

mandos beraubt waren, nach Gallienus direkt Bonn. E. Stein 194; die Goldmedaillons Kon- 

vom Kaiser ernannt wurden und dafi er mit der stantins, die S a 1 1 e t Num. Ztschr. Ill 129 

endgtiltigen KontroUe betraut wurde. und Mommsen St.-R. Ill 1260, 2 mit der 

f) I tali en. Soweit Italien einer Oberver- Einrichtung eines S. und der Equites in Kon- 

waltung durch Reichsbehorden unterworfen war, stantinopel in Verbindung brachten, waren durch 

blieb diese grundsatzlich wie in der Republik Schenkungen verursacht: Seeck Num. Ztschr. 
beim S., und Italien wurde dementsprechend in 20 XXI 22) zuerst zweiten, nach 359 (E. Stein 

seiner Reichshalfte angesehen (Tac. ann. XIII 4). 224; im J. 339 nach Seeck Unterg. IV^ 68. 

In der Praxis wurde die aufsichtfiihrende Kon- 274) gleichen Ranges, und unter ihm oder kurz 

troUe selten ausgeiibt und die wirklichen Lasten nachher wurden Senatoren wieder zum kaiser- 

der Verwaltung wie die cura viarum und die lichen Dienst (Hirschfeld Verwaltungs- 

Alimentationen wurden vom Kaiser tibernommen. beamte^ 486) zugelassen. Die Griindung eines 

Besonders fuhr der S. fort, Gesandte zu emp- neuen senatus statt einer bloBen curia fur Muni- 

fangen (Tac. ann. I 79. XIII 48. XIV 17. Plin. cipalverwaltungen war ein Anzeichen, da6 der 

V 4) und sogar sie vorzuladen (Tac. hist. IV 45); S. ein notwendiger Teil eines voUstandigen 

er horte Proteste gegen Verwaltungseinrichtun- Reiches war, das der Osten zu sein bestimmt 
gen an (Tac. ann. I 79. Plin. a. 0.), trat als 30 war. Die Wiederzulassung von Senatoren zu kai- 

Schiedsrichter in internen Streitigkeiten auf serlichen Posten verwandelte die vornehmste 

(Tac. ann. XIII 48), steUte Ordnung wieder her Klasse aus Gegnern zu Dienern des Kaisers. In 

und bestrafte Unordnung, wenn es notig war der praktischen Wirkung verdrangte der Sena- 

(Tac. ann. XIII 48. XIV 17; hist. IV 45), und torenstand danach allmahlich den Ritterstand, 

gewahrte in Form von Privilegien Dispensierung oder vielmehr der Ritterstand verdrangte den 

von Spielbeschrankungen (Tac. ann. XIII 49. Senatorenstand und nahm seinen Titel an. Die 

Plin. paneg. 54) und Marktrecht (Plin. ep. V 4). ritterlichen Titel, die in dem wilden Wettrennen 

Zur Bildung von CoUegien war die Billigung zwischen Eitelkeit und Erfindungskraft iibrig 

des S. und des Kaisers notig (s. o.). Wahrschein- blieben, da alte Titel immer niedrigeren Kreisen 
lich, wenn auch Beweise fehlen, erforderten 40 zuganglich gemacht und neue Auszeichnungen 

Zwangsaushebungen in Italien und senatorischen ersonnen wurden (Hirschfeld Kl. Schr. 656. 

Provinzen die Zustimmung des S.; in der Praxis Lecrivain 24), waren Abstufungen in einem 

jedoch wurden sie vermieden (Mommsen Ges. geeinten Reichsbeamtenstand im Dienst des Kai- 

Schr. VI 74; St.-R. II 850. 1090). Die Ernen- sers, dessen Haupt die senatorische Nobilitat 

nung von kaiserlichen curatores rei publicae war. In ihren Funktionen und Beziehungen zum 

(Bd. IV S. 1806), die zuerst unter Traian vor- Kaiser jedoch waren der alte Ritterstand vor 

kommen, und in geringerem Grade von iuridici Diocletian und der neue senatorische identisch. 

(Bd. X S. 1147), zuerst unter Hadrian und Mar- Als andererseits die militarische Revolte des 

cus, die Entwicklung der Machtbefugnisse des 3. Jhdts. gegen die durch Geburt und Wohl- 
praefectus urbi und des praefectus praetorio, die 50 stand ausgezeichnete erbliche Oberschicht ein- 

unter Severus ihren Hohepunkt erreichten, und mal gegltickt war und die Gesellschaft wieder 

die Stationierung der Legio II Parthica in Alba zur Ruhe kam, wurde sofort eine neue obere 

durch Severus (Bd. XII S. 1477) zielten auf die Klasse aufgebaut, die in dieser Epoche der Cla- 

Provinzialisierung Italiens und auf seine Be- rissimat war. Wie alle anderen Klassen in der 

freiung von der VerwaltungskontroUe des S. Die kristaUisierten Gesellschaft des spateren Kaiser- 

Ernennung eines corrector fiir Italien, zuerst reichs war sie gesetzlich erblich. Sie war gesell- 

unter Caracalla zeitweise, spater dauernd (Bd. IV schaftlich und wirtschaftlich noch mehr von der 

S. 1651), war der endgiiltige Schritt. niederen Klasse entfernt, als es ihre Vorgangerin 

Der S. des spaten Kaiserreichs. gewesen war. Ihre Mitglieder leiteten ihr Adels- 
L^crivain S. depuis Diocl^tien, Paris 1888; 60 patent direkt oder letzten Endes vom kaiser- 

Daremb.-Sagl. IV 2, 1196. Ellis sen S. im lichen Dienst her, und besonders in Konstanti- 

Ostrom. Reiche, Gottingen 1881. Mommsen nopel war es ein Hofadel mit alien charakteri- 

Ges. Schr. VI 423. 606. Seeck Unterg. H^ stischen Merkmalen eines solchen. Trotzdem be- 

311. Bury Later R. Empire^ 18. E. Stein saB sie als Klasse eine unabhangige gesellschaft- 

Spatrom. Reich I 183. 274. 337. A. Stein liche und wirtschaftliche Macht. Wahrend die 

Ritterstand 455. KontroUe der Zentralverwaltung fortschreitend 

Senatorenstand. In der absoluten Men- zerfiel und herunterkam, konzentrierte und be- 

archie, die von Diocletian systematisiert wurde, festigte die Nobilitat durch Biindnisse und Hei- 



797 Senatus (Dominat) Senatus (Dominat) 798 

raten ihren Wohlstand und EinfluB. Ihre Ma- von den Beratungen des S. auszuschlieBen; das 

gnaten waren auf riesigen Landgiitern eingeses- erfolgte vor Ende des 5. Jhdts. (L6crivain 

sen, die sie fast als Privatfurstentiimer verwal- 65, Mom ms en Schr. VI 425), und unter lustinian 

teten und aus denen viele von ihnen ungeheure war der S. formell auf illustres (Ulpian = Tri- 

Einkiinfte bezogen (Olymp. frg. 44 FHG IV 67, bon. Dig. I 9, 12, 2 Senator es accipiendum est 

vgl. E. Stein 504). Sie rekrutierte sich aus eos, qui a patridis et eonsulibus usque ad omnes 

Leuten, die im kaiserlichen Dienst zu den hobe- illustres mros descendunt, quia et hi soli in se- 

ren Posten, die mit senatorischem Rang verbun- natu sententiam dicere possunt; vgl. Nov. LXII 2. 

den waren, aufstiegen, und wie in der republika- Cod. Theod. VI 6, 1) beschrankt. 
nischen Nobilitat entwickelten sich in ihr engere 10 Verfahren. Der S. fuhr fort, wenigstens 

Zirkel. Im 4. Jhdt. wurde sie in drei Kategorien bis zum J. 354, sich regelmafiig zweimal im 

geteilt: clarissimi, (clarissimi et) spectabiles, Monat zu versammeln (Cal. Philocali OIL P 1 

(clarissimi et) illustres, jede mit inneren Ab- p. 256). Zu einer nicht bestimmbaren Zeit wurde 

stufungen des Vorranges, die durch das Amt be- den Consuln der Vorsitz genommen und, wie 

stimmt waren. Diese verdrangten die alten Eate- M o m m s e n (Ges. Schr. VI 609) ansprechend 

gorien nach republikanischen Magistraturen so- vermutete, den hochsten gegenwartigen Beamten 

wohl als Stufen der Nobilitat wie auch innerhalb verliehen; so gewohnlich in Abwesenheit des 

des S. S. 0. Bd. IX S. 1070 u. Bd. Ill A S. 1552. praefectus praetorio dem praefectus urhi (Cassiod. 

Zulassung zum S, Die Mitglieder des var. I 42. VI 4. IX 17, vgl. Nov. LXII 2), dem Ver- 
senatorischen Erbadels, des Clarissimats, waren 20 waiter der Stadt, der, wie Symmachus' Relationes 

jedoch nicht unbedingt Senatoren (cod. Theod. (ep. X) zeigen, die Verbindungen zwischen ihr 

XVI 5, 52). Geborene clarissimi, Sohne von Se- und dem Kaiser herstellte. Es ist moglich, da6 

natoren, konnten und mufiten den Eintritt in wenigstens eine Zeitlang, wie das der Ersatz vor- 

den S. durch Bekleidung der Quaestur, oder getauschter kaiserlicher durch wirkliche munizi- 

nachdem diese am Ende des 4. Jhdts. praktisch pale Pflichten fast notwendig machte, eine wirk- 

verschwand, der Praetur erlangen. Im Grunde samere Methode, eine MeinungsauBerung herbei- 

war dies nur eine erbliche Last, die ihnen auf- zufiihren, als die Acclamation wieder ins Leben 

erlegt war, da die einzige Aufgabe dieser Beam- gerufen wurde (Symm. ep. X 23 senatum prisco 

ten darin bestand. Geld fiir Spiele oder offent- more consului . . . dictis aliquot sententiis fac- 
liche Bauten auszugeben (Symm. ep. IV 8. 59. 30 tum meum reverendi ordinis probavit adsensio, 

V 62. VII 76. X 45. 46. GIL P 1 p. 336, vgl. vgl. IV 5 consulti igitur in senatu more maiorum 

Cod. Theod. VI 4 fiir Konstantinopel). Nicht — neque enim sine legitimo or dine iudicii auc- 

zum Senatorenstand Geborene konnten durch den toritas stare potuisset — ingenti causae devotis 

Kaiser vermoge der codicilli clarissimatus, durch sententiis satisfecimus; Cod. lust. XII 4, 2). 

einen vom Kaiser angeregten oder bestatigten Symmachus cos. 376 berichtet, daB er gewohn- 

S.-BeschluB, durch Erhebung zu einem Amt, das lich als erster nach seiner sententia (CIL VI 

den Titel illustris, spectabilis oder clarissimus 1698) gefragt wurde, und in der letzten Peri- 

trug, in den S. eingefuhrt werden. Diese waren ode ein Wiirdentrager, bekannt als caput oder 

jedoch zur Praetur verpflichtet, wenn sie nicht prior senatus (anon. Vales. 41. 53. 92. Cassiod. 
ausdriicklich davon durch adlectio bef reit wurden 40 var. I 15. IX 21; vit. Symm. Migne L. CXXVIII 

(Cod. Theod. VI 4, 10. 15. 23), die in dieser Zeit 451), der als Vertreter des S. fiir niedere Ver- 

die Verleihung des Ranges mit Immunitat bedeu- waltungsaufgaben verantwortlich war (Cassiod. 

tete. Die niedrigste Form der adlectio war folglich a. 0.; vgl. I 39. IV 6), vermutlich auch die erste 

die eonsularitas, eine Degradation der friiheren Meinung abgab; die erste Meinung, die anschei- 

adlectio inter consular es (L^crivain 19). Zu- nend dem Stadtprafekten in der formula praefec- 

lassung vermoge des Amtes wurde gewohnlich turae urbanae zugewiesen wird (Cassiod. var. VI 4 

nicht durch personliche Verfiigung gewahrt, son- sententiam primam dieis), muB mit seinem Vor- 

dern war ein fiir allemal an gewisse Amter ge- sitz oder seiner richterlichen Fahigkeit in Zu- 

kniipft und entweder bei An- oder Abtritt ver- sammenhang gebracht werden. 
liehen. Gewohnlich, wenn auch nicht immer, 50 Funktionen. Als stadtischer Rat stand 

brachte das Immunitat mit sich. der S. dem praefectus urbi in der Verwal-' 

Die Zahl der Senatoren wurde sehr vergroBert. tung der Hauptstadt zur Seite (vgl. Symm. ep. 

Im J. 359 wurde der S. von Konstantinopel auf X 23. 24); dieser wiederum war der besondere 

2000 Mitglieder erhoht (Seeck Unterg. IV^ Hiiter der Rechte der Senatoren (X 48). Die 

274). Der wirkliche S. war jedoch betrachtlich area publica oder quaestoria und ihre Ersatzkas- 

kleiner. Im J. 356 wurde die beschluBf ahige Zahl sen standen unter ihrer gemeinsamen Leitung 

auf 50 festgesetzt (Cod. Theod. VI 4, 9). Eine (SHA Aur. 20. Symm. ep. X 20. 37. CIL VI 

groBe Zahl von Titularsenatoren, die berechtigt 1750). Der S. wirkte mit ihm zusammen als be- 

waren, den S. zu betreten, lebte in den Provinzen ratende Instanz in Angelegenheiten der Nahrungs- 
(Cod. Theod. VI 2, 16. 4, 2. 23, 4. 30, 24; 60 versorgung (Symm. ep. II 7. VI 12. 14. 26) und 

lust. Ill 24, 2). Vor der Mitte des 5. Jhdts. der Schulaufsicht (Symm. ep. I 79. Cod. Theod. 

durften die beiden niederen Klassen der specta- VI 21, 1, vgl. Cassiod. var. IX 21). Statuen, die 

biles und clarissimi nach dem Gesetz auBerhalb vor Diocletian der Kaiser erbat und der S. be- 

der Hauptstadt wohnen, und kurz nachher wur- schloB, wurden nach ihm vom Kaiser auf Er- 

den die in den Provinzen endgiiltig von der suchen des S. errichtet (CIL VI 1683. 1698. 

Praetur befreit, und man empfahl ihnen, dort zu 1710. 1715. 1721. 1725. 1735. 1749. 1783. 1789). 

bleiben (Cod. lust. XII 1, 15. 2, 1, vgl. I 39, 2). Nur Denkmaler fiir den Kaiser wurden vom S. 

Der nachste Schritt war, die niederen Kategorien allein errichtet (CIL VI 1139. 1141. 1187f. 11941; 



799 Senatus (Dominat) Senatus consultum 800 

auch fiir Stilicho 1730f.). Er wahlte, darin der keit Hilfe beim ostlichen Kaiser gegen die Lom- 

kaiserlichen Bestatigung unterworfen, die rein harden (Menander frg. 62 FHG IV 263). Danach 

stadtischen Beamten oder vielmehr Spielgeber, wird der romische S. nicht mehr erwahnt; als 

die Quaestoren, Praetoren und Suffecti (OIL P verstreute Individuen tauchten seine Mitglieder 

p. 306 Ian. 23; s. bes. Symm. ep. I 44. X 45. im Lehnsadel unter. 

Cod. Theod. VI 4, 13). Naturlicherweise beriet Konstantinopel. Nach 359, als der S. 
er iiber Steuerfragen, die ihn selbst beriihrten, zu gleichem Rang erhoben wurde und ein prae- 
und richtete Empfehlungen an den Kaiser (Symm. fectus urbi den proconsul der Hauptstadt ersetzte 
ep. II 57. X 8. 13. Cod. Theod. VI 2, 15. 4, 1. 21. (Socrat. II 41. Sozom. IV 23. Chron. Pasch. 548 
VII 13, 13). Er hlieh in der Theorie eine Quelle der 10 Bonn), war der S. des Ostens in der Organisation 
Gesetzgehung (Cod. lust. 1 16, 1. Inst. I 2, 5. Cas- und den Funktionen im wesentlichen derselbe wie 
siod. var. VI 4), in der Praxis diente er als in Rom. Die gewohnliche Residenz des Hofes in 
Publikationsorgan fiir kaiserliche Gesetze in der der Hauptstadt beeintrachtigte jedoch unver- 
Form von orationes prmcipis ad senatum oder meidlicherweise seine Entwicklung. Trotz des all- 
mit voUem Titel consulihus praetorihus tribunis mahlichen Sieges des Erhprinzips blieb das Kaiser- 
plebis senatui suo (z. B. Cod. Theod. praef. I 4, reich der Verfassung nach ein Wahlkaiserreich, 
3. II 1, 12. VIII 18, 1. X 19, 8. XIV 15, 3. Cod. und der S. mischte sich bis zum Fall des Kaiser- 
lust, de novo I 14, 3. 16, 1 s. Mayr Vocab. I reichs of t aktiv in dieWahlein (Bury5f.; Const. 
2217 Senatum. Symm. ep. X 8. Cassiod. IX 16). Later Empire 7. Lecrivain 221. 231). In 
Er libte einen wirksameren Einflufi auf die Ge- 20 Krisen, besonders in Verhandlungen mit fremden 
setzgebung dadurch aus, dafi er Gesetze anregte, Voikern diente er als Rat und ergriff bisweilen 
die der Kaiser in Form von Edicten herausgeben sogar die Initiative (Lecrivain 221. 235). 
konnte (Symm. ep. X 8. Cod. Theod. VI 24, 11. Unter lustinian und vereinzelt vielleicht schon 
Theod. II Nov. 15; Valentin. Ill Nov. 14; unter Arcadius (Lyd. mag. Ill 10. 27) wurde der S. 
Cod. lust. I 14, 3), und im J. 446 wurde ver- mit dem Consistorium vereint, um ein Tribunal 
ordnet, da6 jedes neue Gesetz zuerst von Con- fur Rechtsfaile zu bilden. Eine Versammlung der 
sistorium und S. erortert, dann redigiert und vereinten Korperschaften war als silentium et 
zum zweiten Male von denselben Korperschaften conventus bekannt (Nov. LXII 1, vgl. CXXIV 1. 
vor der Verkiindigung (Cod. lust. I 14, 8, vgl. Procop. hist. arc. 14, 7. Malal. 438; Const. Porph. 
Marcian. Nov. 5; Maiorian. Nov. 1) wieder 30 cer. I 92 p. 422 Bonn). Die beiden Korperschaften 
durchgesehen werden mufite. Prozesse wegen Ver- blieben formell getrennt, aber der S. wurde dem 
rat wurden ihm manchmal auf Wunsch , des Kai- Wesen nach eine grofiere Ratsversammlung und 
sers anvertraut (Zonar. XIII 1. Ammian. XXVIII in Zusammensetzung und Machtbefugnissen eine 
1, 23. Sidon. ApoU. I 7; in Konstantinopel Pro- immer formlosere Korperschaft. Am Ende des 
cop. bell. Goth. Ill 32, 43; hist. arc. 27, 29. 29, 10, 9. Jhdts. schafEte Leo VI. sein langst veraltetetes 
vgl. Lyd. mag. Ill 10), und es erwies sich sogar Recht, Praetoren zu ernennen und Gesetze zu 
gelegentlich als niitzlich, sein altes Recht, einen geben formlich ab (Leo VI Nov. XL VII; LXXVIIL 
hostis publicus zu erklaren (Zosim. V 11, 1. Zachariae lus Graeco-Rom. Ill 139. 175). Die 
Symm. IV 5, vgl. Claud. Stilich. 1325. E. Stein ovy?ilrjxiKOi dehnten sich tiber alle MaBen aus; 
Spatrom. Reich I 355), wieder ins Leben zu 40 im 11. Jhdt. uberschritten sie 10 000 (Attaliot. 
rufen. Wegen gewohnlicher Verbrechen wurden 275 Bonn). Innerhalb dieser Gruppe unterschied 
Senatoren nach J. 376 von dem praefectus urbi man eine kleinere auserwahlte ovyKlrjxog §ovlrj, 
und funf durchs Los erwahlten Senatoren ver- ^ovXyj oder ysQovola (Lecrivain 229); mit 
hort (Cod. Theod. IX 1, 13. II 1, 12). Hilfe der ovyKkritoq empfing und erwiderte der 
Aber als Treffpunkt und Zentrum der Aristo- letzte Palaeologus eine Gesandtschaft Muham- 
kratie spielte der S. eine RoUe in politischen An- mads II. im J. 1453 (Ducas 39 p. 280 Bonn), 
gelegenheiten, die seine rein konstitutionelle Kom- Aber die Zusammensetzung dieser Korperschaft 
petenz erheblich tibertraf. tjberdies genoB der und ihre Beziehung zum Consistorium einerseits 
Stadtrat von Rom, abgesehen davon, daB er und der Nobilitat andererseits laBt sich nicht 
das Sprachrohr der romischen Aristokratie war, 50 bestimmen. 

das Vorrecht, das sich an die ewige Stadt kntipfte. Literatur (nur allgemeines). L a n g e 

Beweis: im J. 312 beschloB er, daB Konstantin Rom. Altert. (Lpz. 1876—1879) P 389. IF 352. 

senior Augustus sein soUte (Lactant. persec. 44). M a d v i g Verfassung und Verwaltung des Rom. 

Im J. 408 beriet er auf Wunsch des Kaisers und Staates (Lpz. 1881) I 280. Her zog Gesch. u. 

Stilichos dariiber, ob er die Geldentschadigung, System d. Rom. Staatsverfassung (Lpz. 1884 — 

die Alarich forderte, zahlen oder kampfen sollte 1887) I 83. 867. II 860. P. Will ems Le 

(Zosim. V 29, 9); im J. 530 — 532 verbot er unter Senat de la Republique Romaine. I Composition. 

StrafaAdrohung die Ernennung eines Papstes zu II Attributions. Louvain 1878 — 1883; I Appen- 

Lebzeiten des Vorgangers und faBte Beschliisse dix 1885. Mo mm sen Rom. Staatsrecht III 

gegen Simonie (Cassiod. var. IX 15. 16, vgl. H a r - 60 2. Der Senat, Lpz. 1888. [0' Brien Moore.] 

n & c k S.-Ber. Akad. Berl. 1924, 24). Beim end- Senatus consultum. Senatus consultum, im 

gultigen Zusammenbruch bildeten der S. und der Wortsinn der Rat, der von einem Mitglied vor- 

Papst die letzte organisierte romiscbe Autoritat geschlagen und von der Majoritat des S. durch 

in Italien. Im J. 554 nach den Verwiistungen Abstimmung gebilligt wurde, als Antwort auf 

Totilas vertraute lustinian ihnen die Auf sicht eine Frage, die ihm von einem Beamten vorgelegt 

liber Gewichte und MaBe an (lust. Nov. App. II und von ihm in einem BeschluB gebracht wurde, 

const, pragm. 19), und im J. 580 suchte eineGe- faktisch ein BeschluB des S. tJber die gesetzliche 

sandtschaft des romischen S. und der Geistlich- Kraft, das Verfahren der Annahme und die Art 



801 Senatus consultum Senatus consultum 802 

der Themen der SC-ta s. Art. Sonatus S. 720. Ill 13) mit Hilfe von Stenogrammen (Prob. lit. 

Neben consultum brauchte man zwei andere Be- sing. 1 IV 271 K.) oder bisweilen einer geschrie- 

zeichnungen fiir einen SenatsbeschluB. Das sena- benen sententia (Cic. fam. X 13, 1; Att. IV 3, 3; 

tus decretum, das genau den Anteil der Beamten Sest. 129); sonst aus dem Gedachtnis. Ein Ver- 

an dem gemeinsamen Akt ausdriickte (M o m m - such vom Ende der Eepublik wird berichtet, 

sen St.-R. Ill 994; andere Ansichten Bd. IV Zeugen fiir einen nichtexistierenden BeschluB bei- 

S. 2294), wurde, obgleieh es als technischer Aus- zubringen (Cic. Att. IV 17, 2), und in den Wirren 

druck iiberliefert wird (Fest. 339 M. senatus de- des Todeskampfes der Republik wurden den ge- 

cretum a consulto Aelius Oallus sic distinguit, ut wiinschten SC-ta (Cic. fam. IX 15, 4. XII 29, 
id dicat particulam quandam esse senatus con- 10 2) Zeugennamen ebenso willkiirlich zugesetzt 

sulti, ut cum provincia alicui decernitur, quod wie SC hergestelit wurden (Cic. Phil. V 12. XII 

tamen ipsum senatus consulti est), als solcher 12, vgl. leg. agr. 11 37; dom. 50; Att. XV 26, 1. 

ganzlich unterdriickt aus einem gesunden Gefiihl Plut. Cat. min. 17). Aber nie wurde eine Klage 

fiir die tatsachliche Lage heraus, und wurde nur laut, dafi die Redakteure die richtige Absicht 

in inoffizieller Sprache gebraucht (Cic. leg. Ill 10; eines Beschlusses verdrehten. 

Cat. IV 20; Sest. 32; Mil. 87; Phil. Ill 32. Fest. Form. Das SC wurde nach einer festen Form 

290 M. s. statua. Sail, passim). Senatus senten- mit 4 Haupt- und 8 Unterabteilungen redigiert. 

tia, das den individuellen Vorschlag und den rat- Natiirlich finden sich in den erhaltenen Beschliis- 

gebenden Charakter der Abstimmung betont, war sen Abweichungen durch Liicken, Abkiirzungen 

technisch gut, wurde aber in der Republik selten 20 beim Abschreiben sowohl in Briefen als auch in 

gebraucht (SCNr. 2; s. Verzeichnis unten. CIL P literarischer Uberlieferung, und infolge kleiner 

656. 658. 736. 801. 806. 832. 838 = Bruns willkiirlicher Varianten der Redaktion selbst; 

44 B p. 190. 2532; app. 224. 274); aber in der aber der allgemeine UmriB und die Tatsache, daB 

Kaiserzeit verschwand es. Ein SC, dem die Ge- er genau befolgt wurde, ist klar. 

setzeskraft entweder infolge eines Formfehlers, A. Eingangsformel. 1. Der (die) Ver- 

z. B. Beschlufiunf ahigkeit oder Interzession, fehlte, handlungsleiter: praenomen, nomen, praenominis 

wurde technisch senatus auctoritas (Dio LV 3) iilius, unregelmaBig cognomen, magistratus (iiber 

genannt; iiber patrum auctoritas s. Art. Sena- die dazu Befugten s. Art Senatus), senatum 

t u s S. 668. Zum ersten Male in der spaten Kaiser- consuluit ( — erunt) = rfj ovyKXrjtc^ ovvs^ovXev- 

zeit (Cic. fam. XII 29, 2 Sempronianum SO ist ein 30 oaxo (SC nr. 1—3. 5. 6. 7. 9. 12. 13. 14. 16. 19. 

Scherz), vielleicht infolge ihrer erworbenen legis- 21. 24). 

lativen Kraft, erhielten die SC-ta von den Juri- 2. Tag und Monat (SC nr. 1—5. 7. 9. 10. 12. 

sten wie Gesetze determinierende Adjektiva, die 13. 14. 16. 19. 21—24. 27. 29—31. 33. 44. 47. 61). 

von Eigennamen abgeleitet waren. Das System, 3. Der Versammlungsort, natiirlich Rom (wie 

das leider von der Neuzeit nachgeahmt worden oben, auBer nr. 1. 13. 30. 61). 

ist, war ganzlich ohne Methode. Das SC wurde 4. Die Zeugen fiir das Dokument: scribendo 

nach einem der Consuln seines Jahres (z. B. SG adfuerunt (= yQa(pof4,svq> naQfjoav), praenomen, 

Pegasianum), nach dem Kaiser, der es vorschlug nomen, praenominis klius, nach etwa J. 154 tri- 

(z, B. SO Glaudianum), oder sogar nach dem, der bus, unregelmaBig cognomen, alii nach Reihen- 

die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Ange- 40 folge des Ranges in der Senatsliste (wie oben 

legenheit lenkte {SO Macedonianum), benannt. auBer nr. 6. 13. 19. 47. 61; hinzu kommt nr. 10. 

Redaktion. Bei der Niederschrift {scri- 45). 

here Cic. fam. I 7, 4. XV 6, 2; perseribere Cic. B. 5. Them a: quod ille (Vorsitzender, s. o.) 

Cat. Ill 13; Phil. XIII 50; fam. VIII 8, 4. X 13, verba fecit [tcsqI d>v 6 belva Xoyovg snoi'^oaro) (SC 

1; Att. XII 21, 1. Caes. bell. civ. I 5. 6) der Ent- nr. 6. 13. 15. 21. 22. 23. 27. 29. 31. 33. 34. 36. 41. 

scheidung, die vom Senat getroffen wurde, wurde 44. 55. 61). Dieses konnte kurz de re quadam (tisqi 

xier Vorsitzende von einem Komitee unterstiitzt, nQayixaxog xivog) (SC nr. 3. 6. 23. 34. 36. 38 II. 41, 

;zu dem gewohnlich der Antragsteller oder die an 55. 61) oder mit mehr oder weniger aUsgedehnter 

dem BeschluB besonders Interessierten gehorten, Darlegung in indirekter Rede (SC nr. 5. 8. 11. 16. 

uamentlich Freunde eines Geehrten (Cic. fam. XV 50 19. 21. 22. 25. 29. 31. 33. 34) oder mit Kombina- 

f), 2; Att. VII 1, 7; har. resp. 13; prov. cos. 28), tion beider Formen (SC nr. 9. 10. 12—14. 44) vor- 

die beim Schreiben anwesend waren {scribendo gelegt werden. Wenn Priester (SC nr. 18) oder 

adesse, yQaq^ofxevcp naQslvm a. 0.; Cic. Att. I Gesandte (SC nr. 1. 3. 5. 7. 9. 10. 12. 14. 16. 24. 

19, 9. IV 17, 2; fam. XII 29, 2; sen. grat. 8) und 25. 31) sich an den S. wandten, so traten ihre Dar- 

dem Dokument ihre auctoritates verliehen (Cic. iegungen an die Stelle mit Zufiigen der weiteren 

^e orat. Ill 5). Die Zahl schwankte zwisehen 2 Darlegungen des Vorsitzenden (SC nr. 19 Z. 71), 

oder 3 im 2. Jhdt. und 11 (SC nr. 27) am Ende wenn solche vorlagen. 

der Republik (Viereck 104; fiige hinzu SC 6. Die Einleitung zum BeschluB: c^fej ef a j rfej 

nr. 4 zumindest 3 Zeugen; nr. 5: 3; nr. 10: i(ia} c(ensuerunt) = :ji€qI xovrov xov nQayfmxog 

wenigstens2; nr. 16: 4; nr. 311: wenigstens 6; m omcog ebo^sv (SC nr. 1. 3. 5, 6. 8—10. 12—19. 

nr. 31 II: wenigstens 7; nr. 33 I: wenigstens 3; 21. 23. 25. 31). 

nr. 33 II: wenigstens 3). In der Kaiserzeit scheint C. 7. Der BeschluB in indirekter Rede 

vielleicht bei der aUgemeinen Regelung des Se- ausgedruckt oder durch ut- (i) usw. manchmal 

natsverfahrens im J. 9 v. Chr. die Zahl auf 5 mit durch eine Hoflichkeitsformel senatui placere, se- 

Hinzufiigung der zwei Stadtquaestoren festgesetzt natum existimare (SC nr. 19. 20. 23. 27. 28) ein- 

worden zu sein (SC nr. 44. 45). Der BeschluB geleitet. 

wurde gewohnlich wahrend oder sofort nach der D. 8. Abstimmungszeichen. (7 {cen- 

Sitzung niedergeschrieben (Plut. Mar. 4. Cic. Cat. suere = sdo^ev) (SC nr. 1. 5. 9. 11. 12. 21. 25. 31. 



Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VT 



26 



803 Senatus consultum Senatus consultum 804 

32. 38. 61). In mehreren Fallen wird das Zeichen co sXaooov =:^ quo minus. Erst unter Traian wur- 

innerhalb des Beschlusses am Ende der einzelnen den die lateinischen tJbersetzungen in den Osten 

Satze (SC nr. 2. 3. 10. 16. 17. 19 Z. 121) wie- geschickt (SC nr. 43. 45. 46). 
derholt. W i 1 1 e m s (Senat II 214) vennutete, Registrierung. NacMem der BeschluS 

daB diese Form angewandt wurde, wenn die ver- am Versammlungsort (Cic. fam. IX 15, 4), ge- 

schiedenen Artikel des Beschlusses durch ver- wohnlich wahrend oder sofort nach der Sitzung 

schiedene Teilungen (discessiones) angenommen (Pint, Mar. 4. Cic. Cat. Ill 13), niedergeschrieben 

wurden. Es ist jedoch kaum wahrscheinlich, daB worden war, wurde er im Archiv niedergelegt. In 

so gewohnliche und nebensaehliehe Entscheidun- der Periode, iiber die wir Kenntnis besitzen, war 
gen wie manche von diesen Satzen (s. bes. SC 10 dies notwendig, um die Giiltigkeit zu bewirken 

nr. 17) eine besondere Abstimmung erfordert (Suet. Aug. 94; dies war der Grund fur die An- 

haben. oidnung in SC nr. 27, vgl. SC nr. 31 II, T a ub - 

Valerius Maximus (II 2, 7) fiilirt weiter aus: ler I 180f.); dementsprechend wurde, um unge- 

Deteribus senatus consultis C (lul. Paris epit.; btihrliche Eile in der Ausubung zu verhindern^ 

cod. dett. T) littera subscribi solebat, eaque nota im J. 21 verordnet, daB eine Zwischenzeit von 

significabatur ilia tribunos quoque eensuisse. Es 10 Tagen vor der Hinterlegung gerichtlicher Ver- 

ist jedoch wahrscheinlich, daB Valerius die Ab- urteilungen, wenn nicht aller Beschltisse, ver- 

stimmungszeichen miB ver stand'; obgleich in der gehen soUte (Tac. ann. Ill 51. Dio LVII 20; 

friihen Periode, aus der keine Dokumente erhalten diese Kegel war noch im 5. Jhdt. in Kraft Sidon. 
sind, Angabe der Zustimmung natiirlich ein Ele- 20 Apoll. I 7, vgl. Cod. Theod. IX 40, 13. M o m m - 

ment der Redaktion von Beschliissen sein konnte sen Strafr. 912). Der auBerste Termin war der 

(so Pick 21), findet sich keine Spur davon Riicktritt der Beamten vom Amt (daher die Not- 

in der durch Dokumente vertretenen Periode, wendigkeit des SC nr. 27, vgl. SC nr. 31 II). Die 

wo eher Einspruch als Zustimmung vermerkt offizielle Registrierung fand im aerarium Saturni 

wurde unter Zusatz der Namen der Einspruch statt, wohin der Beamte, der ihn machte, den Be- 

erhebenden Tribunen (Cic. fam. VIII 8, 6f .). schluB mitnahm (deferre ad aerarium Liv. XXXIX 

Diese Form erlitt in der Kaiserzeit vier Ab- 4, 8. Cic. Phil. V 12. XII 12. XIII 19. Suet, 

anderungen: 1. Die Verhandlungsleitung wurde a. 0.) und den Quaestoren iibergab, die dieSchrei- 

weggelassen. 2. Die Einleitung zum BeschluB ber beauftragten, sie in die Staatsakten aufzu- 
wurde ausgedehnt auf q(uid) d(e) e(a) r(e) f(ieri) 30 nehmen (in tabulas publicas referre Plut. Cat. 

p(laceret) oder q(uid) f(ieri) p(laceret) d. e. r. i. c. min. 17. SC nr. 27), von denen dementsprechend 

(SC nr. 33. 34. 38 II. 41. 44. 55. 61). 3. Eine Zu- beglaubigte Abschriften gemacht wurden, wenn 

sammenfassung der Griinde cum res ita se habeat sie von den dazu ermachtigten Personen verlangt 

(SC nr. 34. 35. 36. 38. 41. 57. 58. 61) gewohnlich wurden (SC nr. 27. 30. 44, vgl. D e s s. 5918 a. 

gefolgt von einem verkntipfenden placere (SC 5947). Im Zweifelsfalle konnte der Quaestor die 

nr. 34 — 36. 38. 43. 57f. 60f.), wurde dem eigent- Verhandlungsleiter und Zeugen ersuchen, fur die 

lichen BeschluB voraufgeschickt. 4. Die Zahl Echtheit eines Beschlusses Biirge zu stehen (Plut. 

der gegenwartigen i(n) s(enatu) f(uerunt) wurde Cat. min. 17, vgl. Cic. leg. agr. II 37). 
registriert, gewohnlich nach dem Stimmzeichen Neben dem aerarium wird iiber ein zweites 

(SC nr. 32. 38; nach dem Vorwort nr. 44). "Dber- 40 Archiv glaubwurdig berichtet, den Tempel der 

dies wurde seit Pius' Zeit der Autor des an- Ceres, wo die plebeiischen Aedilen in friiher Zeit 

genommenen Antrages verzeichnet (SC nr. 45 unter KontroUe der Tribunen Abschriften von Be- 

sententia dicta ab Appio Gallo cos, desig.y vgl. schlussen (Liv. Ill 55, 13. Zonar. VII 15) auf- 

SC nr. 44. 46 und die Municipalbeschlusse bewahrten. Es ist kaum glaublich, daB die offi- 

CIL V 532. 961. XI 5694), und in wenigstens zielle Registrierung der Beschltisse des patrici- 

einem Fall die Tatsache der Annahme durch das schen Rates von den Assistenten der Consuln, 

kiirzere Verfahren (SC nr. 44 SO per discessionem den Quaestoren, vorgenommen und plebeiischen 

factum). In dieser Hinsicht greift die Fassung des Beamten anvertraut wurde. Wahrscheinlicher 

SC oder wenigstens seine Absehrift in Details wurde die plebeiische Eintragung urspriinglich 

iiber, die den acta senatus eigen sind, und in der 50 eingerichtet, um die Staatsarchive zu kontrol- 

Tat kann man kaum bestimmen, ob die gesamten lieren, und bezog sich nur auf die Beschltisse, die 

orationes des Claudius (SC nr. 39. 40) und eine die Plebs bertihrten. Jede Notwendigkeit eines 

voUstandige sententia, die die oratio des Kaisers gesonderten Staatsarchivs horte mit den Horten- 

wiederholt (SC nr. 46), zu einer ungeheuer aus- sischen Gesetzen auf. Danach lief die Aufsicht 

gedehnten Redaktion oder zu veroffentlichten Ex- tiber die Archive, die die plebeiischen Beamten 

zerpten aus den ProtokoUen gehoren. wahrend der Republik (s. u.) ftihrten, wahrschein- 

Griechische "Dbersetzungen. Die lich neben der der Quaestoren im Aerarium. Im 

Abfassung erfolgte nattirlich in lateinischer J. liv. Chr. wurden ihnen ihre Pflichten abge- 

Sprache; jedoch von einer frtihen Zeit ab wurden nommen, weil sie sie ihrer Dienerschaft tiber- 
offizielle Ubersetzungen von Beschltissen gemacht, GOlieBen (Dio LIV 36), und nun bewachten die Quae- 

die Fremde betrafen. Zur Veroffentlichung wur- storen die Archive allein. Dementsprechend traten 

den in Rom beide Fassungen verwandt (SC nr. 21). die Quaestoren zu den Zeugen hinzu (SC nr. 44. 45) 

Die tJbersetzung allein wurde an griechische Stadte und mtissen f olglich eine gewisse Aufsicht tiber die 

geschickt (F o u c a r t, s. u.). Sie reproduzierte Archive behalten haben, auch nachdem das Aera- 

die lateinische mit wortlicher Treue (V i e r e c k rium von Nero endgtiltig den praefecti tibertra- 

Sermo Graecus 79) und schreckte nicht zurtick gen wurde. Der ab actis senatus jedoch, in dessen 

vor solchen Ausdrlicken wie tiqo '^fzsQwv nevre Obhut die gesamte Protokoliierung der Senatssit- 

etdvicbv ^s^QoaQicov = a. d. V Id. Febr. oder zungen, einschlieBlich der orationes principis lag,. 



805 Senatus consultum Senatus consultum 806 

die ihrer Bedeutung nach den wirklichen Be- Aevmov KoQriqpi?cl]ov Asvmov vlov vjcdrcov ex 

schluB mehr und mehr in den Schatten stellten, rcbv av[ayeyQajLiibisvcov . . . 7i]€fA7it<p sktco ipd6fA,{p 

verminderte sicherlich die Bedeutung der Quae- dydScp ivdtcp ra[fj,isvriHcov dsXtcov . . . rafiicojv 

storeneintragung. Im spaten Kaiserreich wurde }iard noXiv dsXtco tzqcoztj; SC nr. 27 doy/Aa ovy- 

die Aufsicht iiber die Senatsprotokolle einschlieB- nX'^tov sk tov tafA,celov dvxiysyQafjLfJievov bk t&v 

lich der Beschltisse wahrscheinlich den scrinia dshcov tcov m[A,ievi:iK(bv Kotvzq) Tovrdlcp Kotvxco 

praefecti urbi iibertragen; das in bibliotheca KoQvrjXlcp rafA,laig natd noXiv 8sXrq> dsvrsQq, kt}- 

Ulpia in armario sexto librum elephantinum, in Qcof^an uiQwxq> [so Viereck 101; Mss.: hoI ek 

quo hoe senatus consultum perseriptum est, eui rcov tzqcotcov xfj nQwtr)] ; SC nr. 22 Z. 58 1^ nQay- 
Tacitus (der Kaiser) ipse nianu sua subscripsitAO f^drcov ovf^^s^ovXsvfAevcov dsXrco nQcbxfj HYjQ(b[A,axi, 

(SHA Tac. 8) ist reine Erfindung. xeoaaQeoKmbsTidxco', vgl. D e s s. 5947 Imp. 

Die Archive. Urspriinglich wurde die Othone Caesare Aug. cos. XV K. Apriles. descrip- 

Niederschrift, wie die Terminologie (Mo mm- tuin et recognitum ex codice ansato L. Helvi 

sen Ges. Schr. V 339f.) zeigt, auf einer Holz- Agrippae procons., quem protuUt On. Egnatius 

tafel gemacht und einfach in den Archiven nie- Fuscus scriba quaestorius, in quo scriptum fuit 

dergelegt, wo sie mit anderen zusammen zu einem it, quod infra scriptum est, tabula V. D [= ceris 

Codex gebunden wurde. Aber trotz des standigen M o m m s e n Ges. Schr. V 506 wahrschein- 

Gebrauchs der Holztafeln flir Bekanntmachung licher als capitibus M o m m s e n CIL X 7852] 

oflizieller Dokumente bis J. 68 n. Chr. (Yer- VUl et IX et X); erst in den spaten Municipal- 
ordnung des L. Helvius Agrippa Dess. 5947; 20 archiven von Caere, die jedoch fraglos den romi- 

s. u.) kann es kaum bezweifelt werden, daB scheii nachgebildet waren, ist eine auf Papyrus- 

wie Mommsen (St.-R. Ill 1012, 2) vermutete, roUen hindeutende Terminologie zu finden (Dess. 

verhaltnismaBig Mh die Beschliisse auf Papyrus- 5918 a descriptum et recognitum factum in pro- 

roUen, die in Kolumnen eingeteilt waren, nieder- nao aedis Martis ex commentario, quem iussit 

geschrieben wurden. Die Praskripte von Vertra- proferri Guperius Hostilianus per T. Rustium 

gen, die einerseits kein Teil des urspriinglichen Lysiponum scribam, in quo scriptum erat it quod 

Beschlusses waren, noch andererseits bloBe Be- infra scriptum est: L. Publio Celso 11 G. Glodio 

schreibung des Platzes in den Archiven, die in Grispino cos., idibus Aprilib., M. Pontio Gelso 

den Kopien (s. u.) vorherging, wurden von dem Ar- dictatore, G. Suetonio Glaudiano aedile iuri dicundo, 
chivbtiro hinzugeftigt (Taubler I 356. 363), wid^Opraef. aerari. Gommentarium cottidianum muni- 

ftir solch ein fortlaufendes Protokoll gegentiber dpi Gaeritum, inde pagina XXVU kapite VI. [es 

bloBer Aufbewahrung von Niederschriften waren folgt das Exzerpt] inde pagina altera capite primo. 

sicherlich Papyrusrollen ein passenderes Mittel. [folgt das Exzerpt] inde pagina VUl kapite 

Die Beschliisse wurden in Form von Jahrbanden primo. [folgt das Exzerpt]). Die Anspielungen 

eingeordnet (Cic.Att. XIII 33, 3 re^^meieajeo ?i6ro scheinen sich auf Jahr, Buch und Seite zu be- 

in quo sunt senatus consulta Gn. Gornelio L. Ziehen. Bei Holztafeln bedeutete dies wahrschein- 

[Mummio] coss.-, SC nr. 44 descriptum et recogni- lich Jahr, Codex und Tafelchen, bei Papyrus Jahr, 

tum ex libro sententiarum in senatu dictarum RoUe und Kolumne. Aber die Einzelheiten sind 

Kani luni Nigri G. Pomponi Gamerini cos.). Dem- sehr ungewiB. 

entsprechend diente die Voranstellung der Consul- 40 Mitteilung und Veroffentlichung. 

namen ihres Jahres auf Absehriften von Beschliis- Die groBe Mehrheit der Senatsbeschltisse, die sich 

sen (SC nr. 6. 21. 29. 30. 31. 36. 38. 44, Vgl. die gewohnlich mit der Leitung der inneren Verwal- 

Einleitung zum foedus im SC nr. 17) dazu, den tung befaBten, erforderte keine besondere Mit- 

Platz des Originals in den Archiven anzugeben. teilung an die, die davon betroffen wurden, viel 

Das Jahr war, wie die einfache Datierung eines weniger eine Veroffentlichung. Gelegentlich sorg- 

Beschlusses (SC nr. 27) und die doppelte eines ten Beschliisse selbst fur ihre Veroffentlichung 

anderen (SC 30) nach den Stadtquaestoren anzn- (SC nr. 2. 50; Vertrage s. u.), gelegentlich wur- 

zeigen scheint, das quaestorische, das am 5. De- den sie auch von Beamten nach eigenem Gut- 

zember begann. Die Erwahnung des Monats in dtinken veroffentlicht (so SC nr. 26. 36, vielleicht 

der Archivdatierung einer Abschrift (SC nr. 21 50 auch 37. 3,8), wenn es wtinschenswert schien, 

jtA,rjv6g Matov; die scheinbar monatliche Datie- sie zur a,Ugemeinen Kenntnis zu bringen. Aber 

rung im SC nr. 29 Asv^icp MaQxioy KyjocoqLvco im allgemeinen war die Veroffentlichung von 

7talTai<^Kal(W7}OL(pv7idwignQ6rjfAeQwvbeHaomd) SC wie auch von Gesetzen (Mommsen Ges. 

?iaXavdcdv 2enxsv§Qi(ov iv xcp vacp x(p xfjg 'Of^Q^oiag Schr. Ill 299) ein auBergewohnlicher Akt. Ab- 

aber beruht auf der Abkiirzung der Eingangs- schlieBende Urkunden der internationalen Ge- 

formel)ist wahrscheinlich ein Beweisdafiir, daB der setze wurden gewohnlich zur dauernden Erinne- 

BeschluB in den Jahresbanden nach Art eines pri- rung aufgestellt (Mommsen St.-R. I 255. Ill 

vaten Hauptbuches monatlich eingeordnet war. 418), und als solche wurde das regelrecht abge- 

Da sie von verschiedenen Beamten aber nach un- faBte zweispracbige SC (nr. 21), das drei Wohl- 

regelmaBigen Zwischenraumen eingereicht wur- 60 tatern des Staates den Rang von amid verlieh, 

den, muB man sich den Monat eher als Monat in Rom im , voUen Wortlaut veroffentlicht. Es ist 

der Auf- als der Annahme vorstellen. Das System wahrscheinlich, daB Verordnungen, die Begiinsti- 

der Verweisung auf die Archive war offenbar gut gungen, Rechte und Immunitaten yerliehen, auch 

ausgearbeitet, obgleich leider die unbestimmte ueben den Vertragen auf dem Kapitol aufgestellt 

Bedeutung der Termini irgendeine Rekonstruk- wurden. Nach dem Brand des Kapitols unternahm 

tion des Ordnungssystems sehr zweifelhaft macht. es Vespasian, 3000 Bronzetafeln wieder herzustel- 

Die Terminologie basierte weiter auf Holztafeln len, die paene ab exordio urbis senatus consulta, 

(SC nr. 30 [Se^xlov UoiATirjlov 2s^xiov viov nal plebisdta de sodetate foedere ac privilegiis cui- 



807 



Senatus consultum 



Senatus consultum 



808 



cumque concessis (Suet. Vesp. 8) enthielten. Sena- 
torische Vertrage, die einen bewirkenden BeschluB 
und den eigentlichen Vertrag enthielten, wurden 
zur Aufbewahrung in den Archiven auf Bronze- 
tafeln geschrieben (SC nr. 17. 25. 31. I Mace. 
VIII 171, vgl. foodns Thyrrheorum Syll.s 732; 
Cibyratarum Syll. or. 762. T a u b 1 e r 1 180), und 
der eigentliche Vertrag wurde aufgestellt (Taub- 
ler 363. 368). Aber der bewirkende BeschluB 
wurde anscheinend in Rom nicht veroffentlicht. Die 10 
groBe Mehrheit der Beschliisse, die inschriftlich 
erhalten sind, wurden durch ihre Empfanger ver- 
offentliclit. Die Antwort an die Gesandtschaften 
und alle Entscheidungen, die andere Gemeinden 
angingen, muBten ihnen nattirlich mitgeteilt 
werden. Obgleich mtindliche Erwiderung an Ge- 
sandtschaften, die in Rom waren, gentigte (Liv. 
VII 31, 1. VIII 6, 4. XXVI 32, 7. XLV 20, 7. 
Dionys. VI 21), so wurden nattirlich ihnen oder 
Einzelnen (SC nr. 44) Antworten in Form einer 20 
beglaubigten Abschrift der Urkunde in den Ar- 
chiven gegeben (Joseph. XII 10, 6, vgl. SC nr. 12 
doy^a to 7co[A,iO'dsv naQa xYJg ovfyjiX'^zov "Fcof^alcov 
vno r](dv oLTioozaXsvrcov nQSG§svxcbv), Wenigstens 
bei einigen Gelegenheiten wurden solche Ab- 
schriften, wie die im Aerarium aufbewahrte, auf 
Bronze geschrieben (I Mace. VIII 22; ob SC nr. 7 
von Behorden in Rom oder in Tibur auf Bronze 
geschrieben wurde, ist unmoglich zu entscheiden). 
Entscheidungen und Beschliisse wurden den An- 30 
und Abwesenden iiberdies in Form von Briefen 
des vorsitzenden Beamten, die den SenatsbeschluB 
enthielten (SC nr. 1. 2. 4. 7. 10. 13. 15. 19. 22. 
25. 36. 43), mitgeteilt. Diese Urkunden wurden 
natiirlich von den Empfangern in ihre offent- 
lichen Archive eingetragen, wie es in der Tat in 
einem Fall durch die romische Behorde ange- 
ordnet wird (SC nr. 28 a v[A,dg ^ovXofxai sv toig 
dfjfiooloig xoig na^ vpLuv yQafifjiaoi ivrd^aiy vgl. 
Joseph. XIV 10, 2. 12, 5), und der bewirkende 40 
BeschluB der senatorischen Vertrage sorgte ftir 
die AufsteUung des eigentlichen Vertrages durch 
die andere Partei, wie auch in Rom (SC nr. 17. 
25. 31). DaB der bewirkende BeschluB, der natiir- 
lich mit den Abschrift des Vertrages zusammen 
geschickt wurde, auch aufgestellt wurde, ent- 
sprach der griechischen Praxis, das ganze Proto- 
koU von Verhandlungen auf Stein zu schreiben. 
Durch Dbertragung auf Stein veroffentlichten 
.die Griechen auch Beschliisse, durch die der S. 50 
bei Streitigkeiten vermittelte (SC nr. 9 — 12), 
oder die Ehren, Rechte und Immunitaten ver- 
liehen (SC nr. 3. 19. 22. 28. 43. 45; wahrschein- 
lich 8. 29. Vertrage wurden mit Recht im Grunde 
ebenso angegeben). 

Charakteristisch fiir solche Veroffentlichung 
aus lokaler Initiative sind Einleitungen, die 
lokale Datierung (SC nr. 9. 29) oder Inhalts- 
angaben des Dokuments (SC nr. 10. 12. 13) ent- 
halten, besonders als ein Glied innerhalb einer 60 
Reihe, hinzugefiigt von lokalen Behorden. Auch 
Senatsbeschliisse wurden in Rom gelegentlich 
zu dauerndem Gedenken in die Veroffentlichung 
von commentaria wie die der XVviri sacris fa- 
ciundis bei Gelegenheit der ludi saeeulares (SC 
nr. 33. 41. 47) aufgenommen, oder sie wurden in 
Verbindung mit den Protokollen der offentlichen 
Korperschaften, die sie reguliert hatten, ver- 



offentlicht (so wahrscheinlich SC nr. 32 mit den 
Fasti der VI primi aerarii CIL VI 32 270). 

tJberlieferteSC. Es folgt eine Liste 
der Senatsbeschliisse, die ganz oder zum Teil • 
durch inschriftliche und literarische tJberliefe- 
rung erhalten sind. Literarische Umschreibungen 
des bloBen Inhalts der SC (z. B. Joseph. XII 
10, 6 = I Mace. VIII 23f.) sind nicht aufgenom- 
men. Zu den Griechischen ist ein G, zu den 
Lateinischen ein L hinzugefiigt. 

1. 189 SC de Delphis G. Viereck Sermo 
Graecus Xp. 11. SyU.3 612. 

2. 186 SC de Bacehanalibus L. CIL V- 196. P 
581. Bruns Font.? 36 p. 164. Dess. 18. 

3. 170 SC de Thisbaeis G. V i e r e c k XI p. 12. 
Bruns 37 p. 166. Syll.s 646. 

4. um 166 SC de Ambraciotibus et Athamanibus 
G. Bull. hell. XLVIII (1924) 382. 

5. um 164 SC de Belo, besser de Serapeo Delio 
G. Syll.3 664. 

6. 161 SC de philosophis et rhetoribus L. Suet. 
rhet. 1. GeU. XV 11, 1. Bruns 38 p. 170. 

7. um 159 SC de Tiburtibus L. CIL F 201. P 
586. B r u n s 39 p. 171. D e s s. 19. 

8. 155 SC de Prienensibus et Ariarathe. Vier- 
eck XXVIII p. 50. SyU. or. 351b. 

9. 150 — 147 SC de Narthaciensium et Melitaeen- 
sium litibus G. Viereck XII p. 16. Syll.^ 
674. 

10. 143 SC deMagnetum et Prienensium litibus 
G. SyU.3 679 IL 

11. 136 SC die Prienensium et Samiorum litibus 
G. Viereck XIII p. 19. Inschr. von 
Priene 40. 

12. 135 zweites SC de Prienensium et Samiorum 
litibus G. V i e r e c k XIV p. 21 ; Syll.3 688. 

13. 133 SC de Pergamo, besser de actis Attali 
eonHrmandis G. Syll. or. 435. Cagnat 
IGR IV 301. 

14. um 132 erstes SC de ludaeis G. Joseph. XIII 
9, 2. Viereck p. 93f. 

15. 116 SC de Phrygia, besser de aetis Mithra- 
datis eonHrmandis G. Viereck XXIX 
p. 51. Syll. or. 436. IGR IV 752. 

16. 112 SC de seaenicis Graecis G. Bruns 40 
p. 171. SyU.3 705. 

17. 105 SC de Astypalaea G. Viereck XXI 
p. 42. IGR IV 1028. 

18. 99 SC de hastis Martiis L. GeU. IV 6, 2. 

19. 81 SC de Stratonicensibus G. Viereck XVI 

p. 24. Syll. or. 441. 

20. 81 SC de Tabenis G. Syll. or. 442. 

21. 78 SC de Asclepiade sociisque G und L, CIL 
II 203. P 588. Viereck XVII p. 31. 
Bruns 41 p. 176. IGR I 118. 

22. 73 SC de Oropiis, besser de Amphiarai Oro- 
pii agris G. Viereck XVIII p. 35. Bruns 
42 p. 185. SylL3 747 IIL 

23. 51 SC de provinciis consularibus L. Cic. fam. 
VIII 8, 5. 

24. 47 zweites SC de ludaeis G. Joseph. XIV 8, 
5 (wenn auch sicherlich im falschen Zusam- 
menhang zitiert, gehort dieses SC wahr- 
scheinlich in dieses Jahr, s. Taubler I 
163f.; dagegen fiir ein friiheres Datum [J. 126] 
auf Grund seiner Form Viereck p. 104). 

25. 45 erstes SC de Mitylenaeis G. Viereck 
XXX p. 52. Syll.3 764. IGR IV 33 b. 



809 Senatus consultum Senatus consultiim 810 

26. spate Republik: SC de pago Montano h. GIL tentia GIL II 6278. Bruns 63 p. 207. 
VI 3823. 31 577. P 591. Br uns 44 p. 189. Dess. 5163 und ein kleines Bruchsttick der 
Dess. 6082. vorliegenden oratio Marci et Oommodi D ess. 

27. 44 drittes SG de ludaeis G. Joseph. XIV 9340. 

10, 10. 47. 204 fiinftes SG de ludis saecularihus L. GIL 

28. 42 SG de Plarasensibm et Aphrodisiensibus VI 32326 Z. 5. 

G. GIG II 2737. ViereckVBp. 6. Syll. Als ParaUele zu denen unter den oben- 

or. 455. Bruns 43 p. 185. genannten, die oft in abgektirzter Form dureh 

29. 39 SG de Panamara G. Bull. hell. XI (1887) den Beamten verkiindet wurden, der sie be- 
225. Viereek XX p. 41. 10 wirkte, kann auch eine Ansprache erwahnt 

30. 35 SG de Aphrodisiensibus G. L e B a s III werden, die streng genommen kein SG ist (s. 
1627. Viereek XIX p. 40 nebst Add. p. VII. Mo mm sen Ges. Sehr. VI 607): 

31. 25 zweites und drittes SG de Mitylenaeis G. 48. 530 contestatio senatus de paparum ordina- 
IGR IV 33 b und c. Viereek XXIII A tione L., die unter Geldstraf e die Ordination 
p. 46 unvoUstandig. eines Nachfolgers zu Lebzeiten des Papstes 

32. 23 SG de sex primis aerarii L. GIL VI verbot, zuletzt Harnack S.-Ber. Akad. 
32272. Berl. 1924, 24f. Text 41; vgl. bes. Momm- 

33. 17 drei SG de ludis saecularihus L, 1) GIL senVI605f. 

32324 Z. 8 ==. B r u n s 46 IV p. 193. 2) VI Es sind auch wortlich zitierte Exzerpte der 

32323 Z. 50 == B r u n s 46 I p. 191; 3) VI 20 drei folgenden erhalten: 

32323 Z. 58 = Bruns 46 11 p. 192. 49. Unter Augustus? von dem SG de collegiis ein 

34. 11 sechs SG de aquaeductihus L. Front, aqu. kaput ex SG p. R. in der Inschrift des col- 

100. 104. 106. 108. 125 und 127 =1 Br uns legium funeraticium Lanuvinum GIL XIV 

47 p. 193. 2112. Bruns 175 p. 389. Dess. 7212. 

35. 8 SG de mense Augusto L. Macrob. Sat. I 50. 52 SG de honoribus Pallantis L. Plin. ep. 
12, 35. Bruns 48 p. 193. VIII 6, 13. 

36. 4 V. Ghr. SG de Cyrenaeis, besser de iudicio 51. 73 oratio Vespasiani de Plautii Aeliani orna- 
repetundarum G. Oliverio Notiziario Ar- mentis triumphalibus L. GIL XIV 3608 Z. 32 
cheologico IV 13f. Anderson Journ. rom. Dess. 986, 

stud. XVII (1927) 36. v. Pr em erst ein 30 und umschreibende Anfiihrung aus 

Ztschr. Sav.-Stift. XLVIII (1928) 428. 52. 116 v. Ghr. de iudicio Amphictyonum conHr- 

Stroux-Wenger Abh. Akad. Miinch. mando G. Syll. 3 826 K. 

XXXIV 2 (1928), 12. 53. 112 SG de Hierapytniorum et Itanorum liti- 

37. 7 n. Ghr. SG de navibus militibusque? L. bus G. Suppl. Epigr. Graee. II 511, vgl, 
Osterr. Jahresh. XV Beibl. 261. L'ann. epigr. SyU.s 685 II. 

1913, 177 (ein Fragment von 7 schlecht er- 54. 80 SG de Ghiis G. Syll.s 785. IGR IV 943. 

haltenen Zeilen, das wahrscheinlich von der Um Verwirrungen zu verhindern, muB be- 

Versorgung mit Kriegsschiffen zur Unter- merkt werden, da6 die epistula consulum de 

driickung der Pannonischen Revolte handelt). Adramytenis von J. 120 — 110 IGR IV 262 und 

38. 44 — 46 und 56 zwei SC de aedificiis non di- 40 die lex Gabinia de Delo von J. 58 GIL P 2, 2500 
ruendis L. GIL X 1401. Bruns 54 p. 200. einst falschlich als SG angesehen wurden. 
Dess. 6043, das zweite eine Befreiung vom Die senatus auctoritas fand nattirlich keinen 
ersten. inschriftlichen Ausdruck. Gliicklicherweise sind 

39. 48 SG, besser oratio Glaudii de iure hono- jedoch drei Beispiele in der Korrespondenz zwi- 
rum Gallis dando L. GIL XIII 1668. Bruns sehen Gicero und Gaelius erhalten: 1. de inter- 

52 p. 195. Dess. 212; zuletzt Fabia cessione (Bin nsih i^. 190), 2. de militibus Gae- 
Table Glaudienne, Lyon 1929. saris, 3. de provinciis praetoriis (Gic. fam. VIII 

40. Unter Glaudius: zwei SG, besser orationes 8, 6f.). Diese sind in der gewohnlichen Form mit 
Glaudii 1) de decuriis iudicum; 2) de accu- den hinzugefiigten Namen der Einspruch er- 
satoribus coercendis L. BGU 611. B r u n s 50 hebenden Tribunen redigiert. 

53 p. 198; verbesserter Text S t r o u x S.- Von den legislativen SG der Kaiserzeit fiihren 
Ber. Akad. Miinch. 1929 H. 8. die Juristen mit voUstandiger oder teilweiser 

41. Unter Glaudius oder Domitian das vierte SG Weglassung der Einleitungsformel an: 

de ludis saecularibus L. GIL VI 32324 = 55. 46 SG Vellaeanum tiber die Ungtiltigkeit von 

Bruns 46 III p. 192. Biirgschaften, die von Frauen iibernommen 

42. 69 SG (sog. lex) de imperio Vespasiani L. wurden. Bruns 50 p. 194. 

GIL VI 930. Bruns 56 p. 202. Dess. 244. 56. 47 SG Vellaeo Rufo et Gstorio Scapula cos. 

43. 113 — 116 SG de Pergamo, besser de postu- (Ostorianum) nhex die Bestimmung von Frei- 
latione Pergamenorum L. GIL III 7086. IGR gelassenen. Bruns 51 p. 194. 

IV 336. 60 57. 56 SG Trebellianum liber Fideikommisse. 

44. 138 SG de nundinis saltus Beguensis L. GIL Bruns 55 p. 202. 

Vin 270. 11451; verbesserter Text 23246. 58. Unter Vespasian SG Macedonianum uhex das 

B r u n s 61 p. 205 alter Text. Verbot von Darlehen an einen Hlius familias, 

45. Unter Antoninus Pius SG de Gyxicenis, bes- Bruns 57 p. 203. 

ser de postulatione Gyxicenorum L. GIL III 59. 103? SG jRw&nanwm iiber Freilassung. Bruns 

7060. B r u n s 62 p. 206. Dess. 7190. 58 p. 204. 

46. 176 — 177 von dem SG de sumptibus ludorum 60. 127 SG luncianum tiber Freilassung. Bruns 
minuendis L. die als SC angenommene sen- 59 p. 204. 



811 Senatus consultum Senf 812 

61. 129 SC luventianum tiber Erbschaftsan- SC Plancianum iiber geheime Fideikommisse, die 
spriiche. Bruns 60 p. 204. gesetzliche Beschrankungen umgehen soUten: 

62. 178 SC OrHtianum iiber das Recht der Kin- Ulp. reg. XXV 17. Dig. XXXV 2, 59. XXXTV 
der die Erbschaft der Mutter ohne Testament 9, 11, vgl. XLIX 14, 3. 

anzutreten. Br uns 64 p. 211. SC Silanianum iiber Folterung und Hinrichtung 

63. Undatiert imd ohne Namen, iiber die Giiltig- von Sklaven eines ermordeten Herrn: Paul, 
keit der Testamente von Beklagten, die nach sent. Ill 5. Dig. XXIX 5. Cod. lust. VI 35, 
Rom gesandt vor der Urteilsverkundung vgl. Tac. ann. XIV 42. 

starben. Dig. XL VIII 21, 2. SC Tertullianum iiber das Recht der Mutter, von 

64. Unter Hadrian oratio Hadriani iiber Verfah- 10 Kindern ohne Testament zu erben: Ulp. reg. 
ren in Erbschaftsansprllchen. Dig. V 3, 22. XXVI 8. Inst. Ill 3, 2. 7. Dig. XXXVIII 

65. 195 oratio Severi iiber erlaubte Verkaufe 17, 2, 9. Cod. lust. I 17, 2, 7. VI 56. 57,6. 
durch Vormiinder. Dig. XXVII 9, 1. 58, 14. VIII 58, 2; Nov. XXII 47, 2. 

66. Unter Severus oratio Severi iiber die Ernen- SC Turpillianumuhei'praevaricatio.-'Dig.XXXVlIl 
nung von Vormiindern, vielleicht Teil von 2, 14, 2. XLVII 15, 3, 3. XLVIII 16. Cod. 
nr. 65. Frg. Vat. 158. lust. IX 45. 

Ohne wortliche Exzerpte werden erwahnt: SC Vitrasianum iiber Freilassung: Dig. XL 5, 

SC Afinianum (unrichtig Sabinianum) iiber Erb- 30, 6. 

schaftsrechte adoptierter Kinder: Inst. Ill SC Volusianum iiber die Verabredung, sich an 
1, 14. Cod. lust. VIII 47, 10, 3. 20 der Klage eines anderen zu beteiligen, um 

SC Apronianum iiber dieFahigkeit der civitates, den Gewinn der Verurteilung zu teilen: Dig. 

Vermachtnisse oder Fideicommisse anzuneh- XLVIII 7, 6. 

men: Dig. XXXVI 1, 27, vgl. Ulp. reg. SC Gotta et Messalla coss. (Messalianuml) iiber 
XXIV 28. ' Verabredung zurAnklageeinerUnschuldigen: 

SC Articuleianum iiber Freilassung: Dig. XL 5, collat. Mos. VIII 7, 2, vgl. Dig. XLVIII 10/1. 

51, 7. SC auctore Traiano iiber Vorgehen gegen dieEr- 

SC Galvisianum iiber Befreiungen von den Rechts- nenner von Vormiindern, Cod. lust. V 75, 5. 

beschrankungen des eaelibatus: Paul. sent. II Literatur. Hiibner Jahrb. Phil. Suppl. 

21 A. IV 10, 2. Ulp. reg. XVI 4. Cod. lust. Ill 559 ==: De senatus populique Romani actis, 
VII 24, vgL Suet. Claud. 23. 30 Lpz. 1859. Foucart Senatus-consulte inMit 

SC Glaudianum uber die Ehe einer Biirgerin mit de Fan 170, Archives Missions Scientifiques 1872; 

einem Sklaven: Gai. I 84. Inst. Ill 12, 1, SC de Thisbe (170), Mem. Acad. Inscr. XXXVII 2 

vgl. Tac. ann. XII 53. (1906) 309 = Paris 1905. Pick De Senatus con- 

SC (7tec?^anMm iiber Befreiungen von den Rechts- sultis Romanorum I. 1884 (nie vervoUstandigt). 

beschrankungen des eaelibatus Ulp. reg. XVI Cousin -Deschamps Bull. hell. (1887) 225. 

4, vgl. Suet. Claud. 23. V i e r e c k Sermo Graecus quo/ SPQR usi sunt, 

SC Glaudianum (wahrscheinlich ein SC) iiber die Gottingen 1888. C u q Mem. Acad. Inscr. XXXIX 

Vormundschaft heiratsfahiger Frauen Gai. (1914) 144. Long u. Moyle Smith's Diet, 

I 157f. Ulp. reg. XI 8. Ant. IF 636. Lecrivain Daremb.-SagL IV 

SC Dasumianum iiber Freilassung Dig. XL 5, 40 1199. Willems Le Senat de la Republiquo 

22, 2. 36. 51, 4. Romaine (Louvain 1878—1883) I 248. II 204; 

SC Largianum iiber die Latini luniani Gai. Ill Appendix I (1885) 693. Mommsen Ges. Schr. 

631 Inst. Ill 7, 4. Cod. lust. VII 6, 1, 1 a. Ill 295. V 339; Rom. Staatsrecht III 1004. 
12 a. Nov. LXXVIII. fO' Brien Moore.] 

SC Libonianum iiber die Unfahigkeit des Testa- Senf. Griechisch, und zwar attisch, vdbiv, 

mentschreibers, ein Vermachtnis darin zu -vog, ro (so Aristoph. Equ. 331. Theophr. hist 

empfangen: Dig. XLVIII 10. XXVI 2, 29. plant. I 12, 1), bei spateren Autoren auch olvajtv, 

Cod. lust. IX 23, 2; collat. Mos. VIII 7, vgl. -vog, to (Xenocr. aquat. VIII 27. Anthippos bei 

Suet. Nero 17. Athen. IX p. 404 E. p. 367 A), oIv^tzv, -vog, to 

SC Neronianum iiber Vermachtnisse: Gai. II 50 (Polyain. strat. IV 3, 32. Nicand. frg. 84 Schn. 

197. 212. 218. 220. Ulp. reg. XXIV 11a. == Athen. IX p. 366 D), olvnm, rd (Schol. 

Fragm. Vat. 85. Aristoph. Equ. 331 voltzv . . . aq?^ o^ onsQfAaxog 

SC Neronianum wahrscheinlich, da Piso Neros to vvv XsyofAsvov olvrjni ylvstai- vomv yaQ to 

College im J. 57 war = SC Pisonianum mit alvrjiiic Xsysrat, Diosc. II 154 Wellm. alvrjm ^ 

ahnlichem Inhalt (Dig. XXIX 5, 8), ein Zu- vdbiv, aber II 140 Genetiv oivrjnswg, vgl. Geop. 

satz zum SC Silanianum (q. v.), iiber die Be- XIII 2. Sim. Seth. p. 102 Langk. neQi oivdniog. 

handlung der Sklaven eines ermordeten Suid. vdnv. alvrjm); vgl. Athen. IX p. 367 A 

Herrii: Paul. sent. Ill 5, 5, vgl. Tac. ann. ovdslg 'AttiKwv oivanv sq?r); vgl. Lueian. Asin. 

XIII 32. c. 47 vdnvi. (Zu den verschiedenen Formen vgl. 

SC Ninnianum iiber Erwerbung der ingenuitas 60 h oh eckThnyn. 288.) Die ¥oim vdjisiov {Akkn- 

durch Betrug: Dig. XL l6j 1. Cod. lust. VII sativ) findet sich nur Nicand. alex. 430 (Schnei- 

20j 2. der mit Hss, MR, aber 77 hat vaTtsiav). Im 

SC Pegasianum liber Fideikommisse: Gai, I 31. Edict. Diocl. I 34 p. 11 Bliimn. heifit der S. (Thra- 
ll 254f. Ulp. reg. XXV 14f. Inst. II 23, 5. mov, to (Gen. oivanlov, aber Hs. M mvdjiewg). 
Cod. lust. I 17, 2, 6 a. RV zu Diosc. II 154 bringt die Namen oivrim 

SC Persicianum iiber Befreiungen von den Rechts- xrjjtaiov oi be vojiv, 'Pcof4,aioi oivdbze{fA). alvrjjii 
beschrankungen des eaelibatus: Ulp. reg. ayQibv t] kol okoq^iov fiiya, oi be dvdQeZov, Tco- 

XVI 3, vgl. Suet. Claud. 23. f^atoi oivans{fjC} Qovanjia(fA,}. Die Ableitung ist 



813 Senf Senf 814 

tinbekaniit. Hehn Kulturpflanzen u. Haustiere^ ist. Auch die einzi^ Stelle Diosc. 11 154, wo 

207 vermutet agyptische Herkunft; vgl. Boi- als Farbenbezeichnung yXavxov angegeben ist, 

s a c q Diet. etym. 657. Schrader Reallex. wiirde nicht auf die gemeinte Art schliefien lassen, 

7611 Prellwitz Etym. Worterb.^ 412. Un- wenn nicht aus dem Zusammenhang hervorginge, 

zutreffend ist die Ableitung Athen. IX p. 367 A daB es sich wahrschoinlich um den Schwarzen S. 

Givcmv ds oti oivstat rovg Sjiag iv rfj obfxfj. Dimi- handelt. 

nutiva civdmov, to (Etym. M. p. 713, 38) und 3. DaB auch die braunliehen ^Samen des S.- 

acvajicdiov, ro (Alex. Trail. VII 2 p. 311). — Kohls (Rauke, Euke; italienisch rwca, neu- 

Lat. sinapi (Neutrum) und senapi (Plaut. Pseud. griechisch Qo^ea, vgl. Heldreich Nutzpflanzen 
817, vgl. Ritschel z. d. St.; Trucul. 315.10 47), Eruca sativa Lam. (Brassica eruca L.) dvrl 

Pallad. Ill 24, 5. VIII 9. Marcell. med. 1, 9. aivfjjtscog verwendet wurden, bezeugt Diosc. II 

27. 45 u. 0.), auch sinape und senape (Apicius 140 fiir Spanien; diese von den Gneeheji svCoyfiov 

und Mulom. Chir.), femer als Femininum sina- (Theophr. h. pi. I 6, 6. VII 1, 2. VII 2, 8. 4, 1 

pis, is (Ablativ sinapi und sinape). Plin. n. h. u. 6. Gal. VI 639. Geop. XII 26), von den It6- 

XIX 171 napy. Gels. II 18. 21 napi, Diminuti- mern eruca (Plin. n. h. XX 125ff. XIX 154 eruea 

vum sinapiscus, i Theod. Prise. 115. Die starken . . . concitatrix veneris. Gels. II 31 Dar. Golum. 

Schwankungen der Sehreib- und Deklinations- X 373. 108. Isid. XVII 10, 21 eruca, quasi uruea, 

weise deuten auf die Unsicherheit in der Behand- quod ignitae sit virtutis et in cibo saepe sumpta 

lung des Fremdwortes. Die Ableitung Isid. XVII Veneris incendium moveat. Gargil. Mart. H de 

10, 9 Sinapis appellatur, quod foliis sit similis 20 eruca . . . condituras coquorum tarn ipsa quam 

napis {napus Steokrtibe) beruht nur auf dem semen adeo suavissimas reddit, ut inde a Oraeeis 

Gleichklang, doch bringt auch Hehn 206 vanv euxomos nominata sit) genannte Pflanze wird 

und napus in Zusammenhang; vgl. Walde auch heute noch in Griechenland, Italien und 

Etym. Worterb.2 507. Neugriechisch olvam, vdm Siidfrankreich als S.-, 01-, Salat- und Gemuse- 

und dyQioPgov^a; italienisch senape. pflanze angeibaut (vgl. Lenz Botanik der alten 

Als S.-Pflanzen des Altertums, die nicht nur Griechen u. Romer 622. Fraas 123. Low 

wegen der Samen wichtig waren, sondern alle Aramaische Pflanzennamen 93. 'Hegi 203. 

auch als Gemiise und Salat gegessen wurden wie Halacsy I 811). 

noch heute in Griechenland (vgl. F r a a s Synops. 4. Wahrscheinlich ist auch unter der Diosc. 
plant, flor. class. 123. Heldreich Nutzpflan- 30 II 116 genannten Xa/nipavT} (Xdxavov ayQiov), 

zen Griechenlands 47; Die Pflanzen der Attischen deren Stengel und Blatter gleichfaUs als Gemtise 

Ebene 585. Hegi Flora von Mitteleuropa IV gegessen wurden, eine S. -Pflanze zu verstehen 

1, 203. 207. 238), kommen hauptsachlich in (vgl. RV zu Dioscurides: Tcof^ialoi vanlmovfi. 

Betracht: Plin. n. h. XX 96 inter silvestres brassicas et 

1. WeiBer S., Sinapis alba L., so genannt lapsana est ... sinapi similis, nisi candidior 
wegen der gelblich-weiBen bis rotlich-gelben Sa- esset flore), vielleicht der A c k e r - S., Sinapis 
men, die als Kiichengewurz verwendet werden arvensis L. (Birassica sinapistrum Boiss.) oder 
und aus denen, wenigstens in Deutsehland, vor- mit Fraas 122 (vgl. Low 178) der Graue 
nehmlich der Tafel-S. (Gelb-S,) gemacht wird, S., Sinapis incana L., eine in Griechenland sehr 
zu dem aber auch Samen der folgenden Art sowie 40 verbreitete wildwachsende Pflanze (neugriechisch 
verschiedener anderer Kreuzbltitlerarten verwendet ^Qovfia oder Xdxava (Idipava^) rov ^ovvov), deren 
werden (vgl. Hegi 239). Der WeiBe S. wird in Stengel zur Bliitezeit in Wasser gebrliht und mit 
Griechenland wie in Italien sehr haufig kulti- 01 und Zitronen zubereitet ein sehr beliebtes 
viert (vgl. Fraas 46. Heldreich Nutzpflan- Gemiise sind (vgl. Fraas 122. Heldreich 
zen 47. Halacsy Conspectus florae graecae I Nutzpflanzen 47. H a 1 a c s y I 80, wo die Pflanze 
80. Neugriechiseh aivdm und Xaipdva). als Hirschfeldia incana Moench aufgefiihrt ist); 

2. Schwarzer S., Brassica nigra Koch in der gleichen Form dient die Pflanze in Unter- 
(Sinapis nigra L.) mit dunkel-braunroten Samen, italien (hier noch lampsana genannt) als Speise. 
die vomehmlich arzneilichen Zwecken (S.-Pflaster, Zum Namen vgl. L e w y .Semitiseh^ FremdwSrter 
S.-Mehl, S.-Spifitus) dienen und als Semen sinapis 50 im Griechischen 29. 

in den Apotheken gefiihrt werden. Die Samen Die Angabe Plin. n. h. XIX 171, es gebe drei 

beider Arten, die in Deutsehland wie in Italien genera von sinapi (und zwar sind hier, wie aus 

und Griechenland kultiviert werden (vgl. Hegi XX 236 hervorgeht, genera sativa, d. h. kulti- 

239. Halacsy I 78) und bisweilen auch ver- vierte S.-Arten gemeint), namlich unum graeile, 

wildert vorkommen, enthalten ein scharfes athe- alterum simile rapi foliis, tertium erucae tragt 

risehes 01. Neugriechisch aivdm und oivajioonoQog zur Erkennung bestimmter Arten nichts bei. 

(das S.-Korn) vgl. Heldreich Nutzpflanzen 47. Ebensowenig die weitere Bemerkung: Athenienses 

Wie so oft gerade bei den bekanntesten Pflan- napy appellaverunt, alii thlaspi, alii saurion, so- 

zen findet sich bei keinem antiken Sehriftsteller wie XXVII 140 alterum thlaspi aliqui Persicon 

eine Beschreibung der S.-Pflanzen, so daB sich 60 napy vocant; vgl. Diosc. II 156, 2 latoQsitai bh 

nicht feststellen lafit, welche Arten im einzelnen KQaxevag Pial sxeQov Mdojit, o rivsg IJeQOiKov 

Falle gemeint sind. Die Bezeichnung WeiBer und alvrjm ^aXovai, jtXarvqpvXXov nal f^syaXoQQi^ov. 

Schwarzer S. kennt das Altertum nicht; nirgends Zu Usqoikov alvrjm vgl. L o w p. 396, zu Mdom 

ist die Farbe der Samen angegeben, so daB hoch- Hesych. s. d-Xaamg, zu oavQiov Nicand. frg. 74, 

stens aus den Angaben iiber die Art der Ver- 72 Schn. aav^rjv. 

wendung zu Speisezwecken oder arzneilichen Eine botanische Bemerkung findet sich nur 

Zwecken da und dort ein SchluB auf die Art Theophr. h. pi. VII 3, 2, wo der S. (vajiv) zu den 

gezogen werden kajin, der aber meistens unsicher sXXo§oo7isQ}Aam gezahlt ist, d. h. den Pflanzen^ 



815 Senf Senf 816 

deren Samen in Schoten liegen, vgl. Plin. n. h. seharfer Geruch wie kein anderer in Nase und 

XIX 119 in folliculo sunt . . . sinapi. Gehirn eindringt (vgl. Gargil. Mart. 29 p. 164R. 

Die Scharfe des S.-Samens wird von den Pythagoras inter ea, quae propter mrtutem et 

Schriftstellern allenthalben hervorgehoben, vgl. efHcaciam laudat^ primum sinapi locum adsignat), 

Theophr. h. pi. I 12, 1 dQi/^vg. Plin. n. h. XIX Die fiir arzneilichen Gebranch bestimmten S.- 

aeerrimum sapor e igneique effectus ac saluberri- Korner sollen nach Diosc. 11154 gro6, noch niebt 

mum corpori sinapi* XIX 186 acres ... sinapis, ganz trocken, innen noch griin und etwas saftig, 

Gels. II 33 corpus erodunt . . . sinapi. Mcand. von Farbe yXavjiov (s. o.) sein; solche Samen 

alex. 533 sfZTtQcovta alvrjTiov, dsLZii Sehol. ro rgaxv sind frisch und ansgereift (vgl. Pallad. XI 11, 2). 
ov rfj yevoei,, ?} utaQooov at xXddot rov oivrjuiewg 10 Aus solchen Samen wird nach Diosc. I 39 das 

tQaxvtrjta sxovoiv; frg. 84 Schn. OTieQfjLaxa r' h- S.-Ol, oivdnivov (sXaiov), hergestellt, indem man 

doLTivovta aivrjTivog (vgl. frg. 70, 16). Da6 der die Samen zerreibt, mit warmem Wasser iiber- 

Geruch, besonders des frisch geriebenen S., zu gieBt, dann Olivenol zusetzt und die ganze Masse 

Tranen reizt, sagt der Koch Plant. Pseud. 81 7f, ausprefit (vgl. Plin. n. h. XX 240. Gargil. Mart. 

Teritur senapis scelera, quae illis, qui terunt, 29 p. 166 R. Gal. XI 870. XII 85. Orib. XII 

priusquam triverunt, oculi ut exstillent facit; s. oivrjm. Aet. s. v. Hesych. s. vaTzv), Eine 

vgl. Colum. X 122 seque lacessenti fletum factura innerlich zu verwendende Arznei wurde herge- 

sinapis. Daher auch der Gebraueh in tibertrage- stellt, indem man Samen und Wurzel mit Most 

ner Bedeutung Aristoph. Equ. 631 KapXsips vdnv verrieb (Plin. n. h. XX 240). Zahlreich sind die 
xai xa nQoooyn'' dvsonaoev (Er machte ein Gesicht, 20 Leiden, bei denen nach Diosc. II 154. Plin. n. h. 

als ob er S. gegessen hatte), dazu Sehol. voImvi XX 236ff. (vgl. Gargil. Mart. 29 p. 164ff. Med. 

8Qi(A,h xal dQylXov (vgl. Athen. IX p. 367 A. Plin. p. 95, 15. 102, 1 K). XX 25. 29. XXI 155. 

Suid. B. vanv). Plant. Trucul. 315 Si eeastor XXVIII 165. 219. 220. XXIX 107. Sim. Seth. 

hie homo senapi mctitetj non censeam tam esse p. 102 L. Gels. II 31. Alex. Trail. 11 139. Mar- 

tristem posse. Enn. bei Macrob. VI 5, 5 neque cell. med. 1, 9. 27. 45. 2, 5. 5, 9 Helmr. u. 6. 

triste quaeritat sinapi neque cepe maestum. Cass. Felix c. 1. 5. 21. 52 u. 6. S. angewendet 

Aber eben wegen dieser Scharfe waren S.- wurde. Nur einiges kann herausgegriffen werden. 

Samen ein beliebtes Speisegewiirz. Die Anwei- Nach Plin. n. h. XX 236ff. gait geriebener S, 

sung zur HersteUung des zubereiteten S., die mit Essig als gutes Mittel gegen Schlangenbifi 
Colum. XII 57, 1 (vgl. XI 3, 29) gibt, entspricht 30 und Skorpionenstich (vgl. Nicand. ther. 878; 

in der Hauptsache dem heutigen Herstellungsver- alex. 430. Macer Florid. 1139f. 1152), auch als 

fahren fiir Tafel^S. Die gereinigten S.-K6rner Mittel gegen die Wirkung giftiger Pilze. Gegen 

wurden in einem Morser zerstofien, sodann mit Sehnupfen nahm man S. -Korner in den Mund 

Soda versetztes Wasser dariibergegossen, um den und lieB sie erweichen oder gurgelte eine S.- 

bitteren Geschmack zu mildern; nachdem das Emulsion mit Wasser (vgl. Diosc. n 154. Gargil. 

Wasser abgeseiht war, isetzte man der Masise Mart. 29 p. 164. Maroell. med. 1, 9. 27 Helmr.). 

weifien, scharfen Essig (und wenn der S. ad Fiir den Magen ist S. das beste contra omnia 

usum conviviorum bestinamt war, auch zerriebene vitia, sagt Plin. n. h. XX 237 (vgl. modeme S.- 

Pinien- und Mandelkerne) zu, riihrte sie gut um Kuren bei Salzsauremangel des ]5&,gensafte's), in 
und seihte sie durch. Die auf diese Weise ge- 40 cibo sumptum bef ordert er den Auswurf des 

wonnene Fliissigkeit, sagt Columella, eignet sich Schleimes und erleichtert Atemnot. 

ausgezeichnet zum Einmachen von Ruben, vgl. Alt ist der Gebraueh, auf schmerzende Kor- 

Varr. r. r. I 59, 3 servare rapa consecta in sinape, perteile S.-Zugpflaster aufzulegen, griechisch 

Theophr. h. pi. VII 5, 5 tcov GTieQfxdxcov xa fxiv aivamCsiv (zuerst in tibertragener Bedeutung nach 

iaxiv loxvQoxsQa xa 8s dod'evsoxsQa nQog biafjLovrjv* Athen. IX p. 367 A bei dem Komodiendichter 

loXVQoxsQa . . . vdnv, sv^cofAov . . . aTtXcog xd Sqi- Xenarchos: x6 d'vydxQiov ye [aov GeoivdniHev did 

fisa ndvxa. Eine noch feinere Zubereitung gibt xfjg ^evTjg FCA II 472, zu dessen Zeit also die 

Pallad. VIII 9 an, bei der dem zerriebenen S. Form alvam sowie der Gebraueh des S.-Pflasters 

Honig, Olivenol und Essig zugesetzt wird. Mit schon Hblich gewesen sein mufi), lat. sinapi- 
S. eingemachte Rtiben (xdg di^ o^ovg xoX vdjzvog hO ^are Veget. mulom. II 6, 11, sinapisare Mulom. 

yoyyvXldag) erwahnt Athen. IV p. 133 C (nach Chir. 296. Gael. Aurel. chron. 14, 117 (vgl. V 

Nicand. frg. 70 Schn.) und IX p. 369 E (nach 1, 26) und sinapidiare Mulom. Chir. 334 und 

Diphilos). Apic. I 12, 9 G. et V., -Bohnen mit S. 254 (an letzterer Stelle auch das Substantivum 

{(pdaovXoi /biexd vdnvog) Sim. Seth p. 117 Langk. sinapidiatio). Der B.-Pflasterumschlag heifit 

Hervorgehoben wird als Speisewiirze der Kyp- ocvama/i^og, d, lat. sinapismus, i. Wie ein sina- 

rische S. (vdnv Kvtzqlov PoU. VI 67; vgl. Athen. pismus gemacht wird, gibt Cass. Felix 1 p. 9R. 

I p. 28 D); unter anderen Gewiirzen wie Ktim- genau an. Das Verfahren kennen Diosc. II 154, 

mel, Fenchel, Silphion wird vojiv aufgezahlt PoU. Plin. n. h. XX 238 (inlitum caustica m emendat 

VI 66; vgl. Athen. IV p. 170 A. In Tunken zu pusulas faciendo), nicht aber den Namen, der 
Fleisch- und Fischgerichten wird S. sehr hauiig 60 sich Aet. I 3. Paul. Aegin. VII p. 295. Alex, 

genannt in Kochrezepten Apic. VI 9, 8. VIE 1, 2. Trail. XI 1 p. 264. Gael. Aurel. chron. Ill 8, 

IX 1, 1. X 1, 2 u. 6.; vgl. Plin. n. h. XIX 171. 112 (vgl. I 1, 37. H 7, 108) findet. Auch in 

iks scharfe atherische 01, das insbesondere der Tierheilkunde wurde S. vielfach verwendet; 

die Samen des Schwarzen S. enthalten, verschaffte vgl. Veget. mulom. I 15, 3 (sinapis semen). 60. 

dem S. eine hervorragende Stellung unter den II 48, 2. 49, 3 u. o. Mulom. Chir. 620. 641. 

Heilkrautern. Nach Plin. n. h. XX 236 gab Py- 652 u. 6. 

thagoras unter alien Pflanzen, <deren Wirkung Als besten S. bezeichnet Plin. n. h. XIX 171 

in sublime feratur, dem S. den Vorzug, well sein semen Aegyptiumy womit wohl die anderwarts 



817 Separi Serviliiis 818 

genannte Sorte sinapi Alexandrinum (XII 28) keltisch (vgl. den in d. vit. Martini A. SS 24. 

identisch ist, die Veget. mnlom. II 110, 3. Ill X. Xp. 803 F genannten NebenfluB der Loire 

17. 28, 15 Tind Mulom. Chir. an vielen Stellen Separis, Bd. II A S. 1542), naeh Krahe Indo- 

erwahnen. Mit sinapi Alexandrinum kann nach germ. Bibl. III. Abt. 7. Heft 36 illyrisch (Ver- 

Plin. n. h. XII 28 piper longum sehr leieht ver- bindung des Grundelementes sep mit dem iUy- 

falscht werden (vgl. Schmidt Drogen u, Dro- risehen Stammesnamen eigentumlichen Suffix ari, 

genhandel im Altertum 122; zur Falsclmng von Krahe 57. 83. 98). VieUeieht erinnert an sie 

Drogen und Arzneimitteln im allgemeinen die bei Guido 19 S. 460, 6 ed. Pind erwahnte 

Friedlanderio I 202). Nach dem Maximal- civitas in regione Histriae Saparia (Guido 20 
tarif Diocletians war der Preis fiir 1 castrensis 10 S. 461, 1 Saparia). Vgl. Pichler Austria Rom 

modius (17,5 Lit.) oivomlov (S.-Korner) 150 De- 162. [Max Fluss.] 

nare, fiir 1 ital. Sextar (0,54 Lit.) oivamov rjQya- S. 1561, 5 zum Art. Septimius: 

cjbisvov (sinapis confectae, S. im zubereiteten Zu- 5a) Septimius, dessen libri observationum 

stande) 8 Denare, vgl. Edict. Diocl. I 34. 35 p. 11 Quintil. IV 1, 19 fiir die Tatsache anfiihrt, dafi 

Bltimn. Apic. VIII 7, 15 sinape factum. Cicero in einer Sache aufgetreten sei, in der der 

Nach Theophr. h. pi. VII 1, 2 gehort der S. Richter Tiber sich selbst richtete. Die Tatsache 

{vdTiv) zu den mloTzoga, d. h. den Nutzpflanzen, konnte S. wohl nur aus zeitgenOssischen Quellen 

die im Augus1>-September (Msmyenvicov) gesat entnehmen: der Titel weist auf Miszellan^elehr- 

werden (vgl. Athen. II p. 70 A). Auch romische samkeit. Identifikationen bleiben immer Vermu- 
Agrarschriftsteller geben den Herbst als Saatzeit 20 tungen; man hat auf den S. Severus geraten, 

an (Pallad. XI 11, 2 Oktober), sprechen aber auch dem Stat. silv. IV 5 schickt und der Mitschuler 

von einer Frtihjahrssaat (Pallad. Ill 24, 5 Mitte des Vitorius Marcellus war (Stat. silv. IV praef.); 

Februar, vgl. Colum. XI 3, 29). Nach Plin. n. h. er ist vielleicht der CIL XIV 3004 genannte 

XIX 170 braucht die S.-Saat keine weiterePfiege C. S. C. f. Pupinia Severus (s. Dessau zur In- 

(nulla cultura), aber Pallad. XI 11, 2 gibt ge- schrift und Vollmer Ausg. d. Stat. XIV). 
naue Vorschriften tiber Wahl des geeigneten [W. KrolL] 

Bodens und die Kultur; danach soil man die S.- S. 1718, 65 zum Art. Sergius: 

Pflanzen, deren Samen ad eseam bestimmt sind, 35a) L. Sergius PauUus war mit L. Venu- 

verpflanzen, damit sie starker werden (vgl. Plin. leius Apronianus cos. 11 ord. im J. 168 n. Chr. 
n. h. XIX 170), wahrend man die Pflanzen, von 30 vgl. Fasti und CIL VIII 6979. IX 3950. XIV 

denen der Same zu weiterer Aussaat genommen 2793. Von seinem ersten Consulat berichtet eine 

wird, an Ort und Stelle laBt. Die Bemerkung Inschrift CIL VI 253, die ihn mit (Nonius) Tor- 

Plin. a. 0., da6 der S., da er sich immer selbst quatus Asprenas als cos. suff. im Monat Septem- 

aussat, von einem Felde, auf dem er einmal an- ber nennt, wahrscheinlieh schon unter Antoninus 

gebaut war, nicht mehr zu entfernen ist, trifft Pius. So vexmutet Waddington Pastes 

vor allem auf den Acker-S., Sinapis arvensis, zu, nr. 148, daB dieser Consulat ungefahr in das 

der ein hochst lastiges Dnkraut werden kann J. 150 fallt. Nach Euseb. hist. eccl. IV 26, 3 

(vgl. Hegi 267). Die S.-Samen, die zu den (Euseb. hat zwar Servillius, aber Rufin richtig 

harten Samen gehoren (Plin. n. h. XIX 181), Sergius) war er Proconsul in Asien zur Zeit, als 
keimen bereits am fiinften Tage (XIX 117). 40 der hi. Sagaris den Miirtyrertod erlitt, nach 

S. ist eine gute Bienenfutterpflanze (XXI 70). Waddington vermutlich zwischen 164 und 166. 

Um Htilsenfruchte (Bohnen) oder Fleisch Von seiner Sfedtpraefectur berichtet CIL VI 1803 

weich zu kochen, gibt man SUyov olvr]m zu, und Galen. II 218 K. ... t<p Bo'^'&m na^nollag 

Geop. II 41. Drei S.-K6rner {xo^cxovg oivY}ns(og), sjtoir)odfA,rjv avarofA,ag . . . H(xd<aneQ ?eal rovds rov 

an die Wurzeln des Weinstoeks gelegt, vertreiben, vvv enaQxov rfjg Tcojualcov noXscog dvdgog ta navxa 

wenn sie wachsen, rfj obiifj die Heuschreoken, TtQcorsvovxog sQyoig rs hoi Xoyoig totg kv cpiXo- 

Geop. Xin 2. aocpiq, Uegylov Uavlov vjzdrov. Gal. XIV p. 612 

Hildegardis von Bingen nennt neben sinape dqplxovro SsQyiog re xal 6 IlavXog, og ov fxsra 

auch senff herba; auch Albertus Magnus fiihrt jtoXvv xQovov vnaQxog sysvsro rfjg jtoXscog. Da nun 
den S. als bekanntes Gemtise an (vgl. F i s c h e r - 50 Galen das erstemal sich zu Beginn der Regie- 

Benzon Altdeutsche Gartenflora 108. Wim- rungszeit Marc Aurels, ungefahr zwischen 162 

mer Geseh. des deutschen Bodens 285). Die im und 166, in Rom aufhielt und die angeflihrte 

N. T. wiederholt, z. B. in dem bekannten Gleich- Stelle sich auf diesen ersten Aufenthalt bezieht, 

nis vom ,Senfkorn* (Matth. 13, 31 f.) genannten so mtiBte er das Amt eines Stadtpraefecten vor 

S.-K6mer, als die kleinsten unter alien Samen, seinem zweiten Consulat (d. i. vor 168) bekleidet 

waren nach Hegi 239 wohl die Samen von haben, vielleicht war er der Nachfolger des Q. 

Brassica nigra und nicht, wie oft angenommen lunius Rusticus (PIR III 221 nr. 377). Er befaBte 

wird, die Samen des S.-Baumes ^khardaV (Salva- sich nach Galen mit philosophischen Problemen. 

dora persica L.); Brassica nigra heiBt noch heute CIL VI 1813 nennt einen gewissen Chrysipp als 
in Palastina ,chardal aswad' und erreicht dort 60 seinen Schuler. Ob der Ziegelfund vom J. 134 

eine bedeutende Hohe (vgl. Low Aramaische CIL XV 516 sich auf ihn oder auf Sergia Paul- 

Pflanzennamen 178). [Stxiier.] lina, auf die wohl auch CIL 9148 geht, bezieht 

Separi, Volksstamm einer Insel siidlich von und ob das seine Tochter sei. ist nicht zu ent- 

Slalona. "Dber ihn berichtet nur PMn. n. h. HI scheiden. [E. Westermayer.] 

142: Salona eolonia ... petunt in earn iura ... S. 1766, 68 zum Art. Servilius: 

Delmatae . . . petunt et ex insulis Issaei Colen- 21a) M. Servilius (Nonianus?) — das Cog- 

tini Separi Epetini. Der Name des Volksstammes nomen laBt sich aus den Fassungen der Fasti 

ist nach Holder Altoelt, Sprachsch. II 1504 Hydat. und aus Epiphan. adv. haer. 2, 51, II 487 



819 Servilius Sitos (Inhalt) 820 

vgl. Ill 730 Bind. erschlieJBen. M. fil. Dio. ind. 1, Sesarethii, {Isoagi^&ioi). tTber diesen illy- 

55, der Vater des Geschichtsschreibers M. S. No- rischenVolksstamm sindwirschlechtunterrichtet; 

nianus Nr. 69, cos. ord. im J. 3 n. Chr. mit L, er wird namlich nur in zwei Fragmenten des 

Aelius Lamia (Fasti, bei Tac. ann. III 22 con- Hekataios bei Steph. Byz. 562 ed. Meineke Hsod- 

sularis genannt), wurde 17 n. Chr. von Pantii- Qrj'&os nol'ig TavXavticov; 690 2soaQ7]&l(ov jiqos 

leius zum Erben eingesetzt (Tac. ann. 11 48) ^o^sco oiTcsovoiv XsXedovwi nnd bei Strab. VII 

und trat im J. 20 im ProzeB gegen Aemilia Le- 326 'Eyxslsioi ovg ?cai HsoaQrjd'lovg naXovoi ge- 

pida als Zeuge auf (Tac. ann. Ill 22). Vielleicht nannt. Der Widerspruch der sich in diesen Nach- 

isit bei Suid. s. "Animog MaQKog (Hirzel Rh. richten findet, erklart sich aus den Veranderungen, 
Mus. XLIII 315) dieser Consul S. gemeint, derlOwelche die Siedlungs- nnd Herrschaftsverhalt- 

90 Jahre lebte. [E. Westermayer.] nisse im Kiistengebiete der Adria seit dem Vor- 

S. 1802, 24 zum Art. Servilius: stofie der Kelten nach Stiden im 4. Jhdt v. Chr. 

69) M. Servilius Nonianus. Das Consulat (mit erfahren haben (S c h ti 1 1 Unters. z. Gesch. 

C. Cestius Gallus) bezeugt aueh CIL VI 33950. d. alten lilyrier 25. Kahrstedt GGN 1927, 3) 

Er gehorte mit Aufidius Bassus, der etwas alter Zur Zeit des Hekataios waren die S. entweder 

war (Quint. X 1, 103) zu den bedeutendsten Ge- ein Stamm der Tanlantier (Zip pel D. rOm. 

schichtssehreibern der ersten Kaiserzeit. Plinius Herrschaft in Illyrien 21) oder, was wahrschein- 

erwahnt n. h. XXIV 43 Considia, die Tochter des Hcher ist,ihnen unterworfen (Zippel 21. Schtitt 

Consularen M. Servilius. Die Zusammenstellung 25), in Strabos Tagen offenbar mit dem Reste der 
mit Aufidius Bassus lafit den SehluB zu, daB 20 Encheleer verschmolzen (Schtitt 25), die seit 

auch sein historisches Werk Zeitgeschichte be- ihrer Bliite im 4. Jhdt. ihre Bedeutung nahezu 

handelt. Nipperdey -Andresen Einl. zu ganz eingebtiBt hatten (Bd. V S. 2549); Zippel 

Tac. 30 und Schanz VHP 316 fiihren ihn als 14 irrt infolgedessen, wenn er gegen die Richtig- 

Quelle des Tacitus Mr die ersten Biicher der An- keit der Angabe Strabos Bedenken tragt (Schtitt 

nalen an. Es ist moglich, dafi mit den Worten 25). Da die Gegend estlich von Dyrrhachium Be- 

annalibus suis vir consularis inseruit Suet. Tib. reich der Tanlantier gewesen ist, sucht Zippel 20 

61 dieser S. gemeint ist. Auch die Frage, ob das die Wohnsitze der S. im Binnenlande etwa zwischen 

Wortzitat bei Charis. 145, 29 wirklich dem S. den Fltissen Skumbi und Mati. Nach den S. ftihrt 

gehort Oder nicht vielmehr dem Redner Q. Ser- die Stadt Sesarethos den Namen, die Hekataios 
villus Caepio Nr. 48 (Peter HRRII 128, Anm. 1) 30 als tn^oXig TavXavxlcov bezeichnet (s. o.). 
bleibt offen. Quintilian, der ihn nicht nur gelesen, [Max Fluss.] 

sondern auch gehort hat, charakterisiert ihn mit ^ Sesarethus {2eodQri'd>og) wird von Hekataios 

den Worten chri vir ingenii et sententiis creber, bei Steph. Byz. 562 ed. Meineke als jrokg TavXav- 

sed minus pressus quam historiae auctoritas po- T^i^v bezeichnet; sie ftihrt ihren Namen jedenf alls 

stulat. Ein indirektes Urteil kann man aus Plin. nach dem des illyrischen Volksstammes der Sesa- 

ep. I 13, 3 gewinnen: memoria parentum Glau- rethier (vgl. Schtitt Unters. z. Gesch. d. alten 

dium Gaesarem ferunt, cum in palatio spatiaretur lUyrier 25. 27).^ [Max Fluss ] 

audissetque clamorem, causam requisisse cumque Seution, ein nur beim Geogr. Rav. IV 21 

dictum essetreeitareNonianum, subitum, recitanti S. 222, 7 genannter Ort in einem Tale von Car- 
inopinatumque venisse. [E. Westermayer.] 40 nech. [Max Fluss.] 

Zum Band III A. 

S. 376, 31 zum Art. Sisyphos: D. Der Kornbedarf der Polisstaaten und die 

3) Trager eines pseudoplatonischen Dialogs, Mittel zu seiner Deckung. Kornpolitik. 

aus Pharsalos (Plato III p. 387 b), nach Brink- V. Der Hellenismus, 

mann bei Preuner Philol. Woch. 1927, 328 der- 50 A. Zur Produktionshohe und Agrartechnik. 

selbe wie der Vater des 344 von Philipp von B. Der Internationale Kornverkehr. 

Makedonien eingesetzten thessalischen Tetrarchen C. Die Kornpreisentwicklung. 

Daochos (Syll.3 274), der Freund der Pallas, der D. Die fiskalisch-kapitalistische Nutzung der 

niemals geflohea war und nie eine Wunde er- eigenen Kornproduktion in den helleni- 

hielt — [oder aber sein Sohn, Sisyphos II., Sohn stischen Polisstaaten. 

des Daochos]. Also der Dialog aus der Zeit Platens, E. Die fiskalisch-kapitalistische Nutzung der 

vor 344; denn wer hatte nach dem Tode des S. In- eigenen Kornproduktion in den helleni- 

teresse an ihm gehabt? HOchstens einer: 2lovq)cg stischen Flachenstaaten. 

Aaoxov tov Hiovcpov Syll. a. 0. IX. [v. Hiller.] F. Zum Kornbedarf der hellenistischen Po- 

Sitos. 60 leis und ihrer Kornpolitik. 

I. Einleitung. G. Zum Kornbedarf der hellenistischen Fla- 

il. Vorgeschichte. chenstaaten und ihrer Kornpolitik. 

III. Hellas vor den Perserkriegen. VI. Ausblick. 

IV. Die klassische Zeit. VII. Kornpreistabellen. 

A. Zur Produktionshohe und Agrartechnik A. Erganzungstabelle der Kornpreise des 
als Fundament der Entwicklung. ptolemaischen Agyptens seit 1929. 

B. Der Internationale Kornverkehr, B. Die tibrigen bekannten Kornpreise der 

C. Die Kornpreise. klassischen und hellenistischen Zeit. 



821 Sitos (Einleitung) Sitos (VorgescMchte) 822 

I. Es ist die Aufgabe dieses Artikels, das Be- Gesellschaft und Wirtschaft im rom. Kaiserreich 

ziehungssystem auf zuzeigen, in dem das politische I. II (1930) passim. W. Kroll Die Kultur der 

und okonomische Sein der staatlichen Gebilde des ciceronischen Zeit I (1932) 94H. II (1933) 82ff. 

Hellenentums und des HeUenismus zu dem allge- W. Hoffmann Eom und die griechische Welt 

mein-menschlichen, kulturellen, technischen und im 4. Jhdt., Philol. Suppl. XVII 1, If. Semple 

betriebsorganisatorischen Faktum des Getreide- Geography 366ff. Halkin Tiberius Plautius 

anbaues gestanden hat. Die agrar-biologischen, Aelianus, L'Antiq. Class. Ill (1934) 146. Excava- 

agrar-technischen und betriebsorganisatorischen tions at Dura-Europos IV (1933) 139fE. L. R o - 

Fragen selber werden dabei von uns nur insoweit b e r t Sur une monnaie de Synnada, Rev. Archeoi. 

eingehender behandelt, als das nicht bereits, wie 10 6. Ser. Ill (1934) 48ff. Kornemann bei 

in der Regel, in anderen Artikeln der R.E. aus- Gereke-Norden Einl.^ Ill (1932): Die romische 

reichend gesehehen ist. Vgl. 1 c k Art. Acker- Kaiserzeit 182. D u r r b a c h Choix d'inscriptions 

bau Bd. I S. 261ff.; Art. Drainage Bd. V de Delos (1921) 231. 252f£, Heichelheim 

S. 1645f£.; Art. Dreschen Bd. V S. 1700ff.; Welthistorische Gesichtspunkte zu den vormittel- 

Art. Diingung Bd. V S. 1756ff.; Art. Ernte alterlichen Wirtschaftsepochen, Festgabe L Som- 

Bd. VI S. 472ff. Orth Art. Gerste Bd. VII bart = SchmoUers Jahrb. LVI 1031. 1034; En- 

S. 1275ff.; Art. Getreide Bd. VII S. 1336ff.; cyclopaedia of Social Sciences, Art. Public domain. 

Art. Hafer Bd. VII S. 2182ff.; Art. Hirse Sauciuc-Saveanu Cultura cerealelor 161ff. 

Bd. VIII S. 1950ff. Stadler Art. Re is (dort eine infolge ihrer Ausfiihrlichkeit wichtige 

Bd. lA S. 517ff. Orth Art. Spelt Bd. Ill A 20 Zusammenstellung von Quellenzeugnissen fiber 

S. 1600ff.; dazu jetzt mit neuerer Kleinliteratur die Getreideverhaltnisse in den griechischen Ge- 

H. Hassinger Geographische Grundlagen der bieten des romischen Prinzipates, zu der noch be- 

Gesch. (Gesch. der fiihrenden Volker II 1931) merkenswerte aramaische Inschriften von Pal- 

316. 320. 330 (Index s. Gerste, Getreide, Korn, myra CISem II 3 hinzuzunehmen sind. Vgl. 

Weizen). A. J a r d e Les cereales dans I'antiquite weiter auch T. K a 1 e n Berliner Leihgabe griechi- 

grecque I (1925). T. Sauciuc-Saveanu scher Papyri. Uppsala Universitets Arsskrift. 

Cultura Cerealelor in Grecia antica si politica Philos.-hist. Kl. (1932). Columbia Papyri, Greek 

^erealista a Atenienilor, AcademiaRomana. Studii Series II (1932) 98ff. H. Frisk Bankakten aus 

si cercetari X (1925) 8f£. 18S. 29ff. M. Schne- dem Faynm, Goteborgs Vetenskaps^Samhalles 

b e 1 Die Landwirtschaft im hellenistischen Agyp- 30 Handlingar. 5. F. Ser. A II 2 (1931). V. M a r - 

ten I (1925). H. Blumner Die rom. Privat- tin Les papyrus et I'histoire administrative de 

altertiimer (1911 3) 160ff. 533. C. Blumlein Mgypte, Mlinch. Beitr. zur Papyrusforsch. XIX 

Burs. CCIX 70ff. CCXL lOOff. E. C. Semple (1934) 102ff. 0. Guer and Deux documents re- 

The geography of the mediterranean region 1932 latifs au transport des cereales dans I'llgypte Ro- 

(vgl. bes. c. Xlli. XV. XVI). Heichelheim maine, Annal. du Service des Antiq. de Mgypte 

SchmoUers Jahrb. LVI 1003. 1005. E. Schie- XXXIH (1934) 59ff. L G. Winter Life and 

mann Entstehung der Kulturpflanzen, Hdb. d. letters in the papyri (1933) Iff. 15. 37ff. 144, 

Vererbungswiss. hrsg. von Baur u. Hartmann und E. H. K a s e A Papyrus Roll in the Prince- 

III L (1932); Auf den Spuren der altesten Kultur- ton Collection, Phil. Diss. Baltimore (1933), wo 

pflanzen, Forsch. u. Fortschr. IX (1933) 412ff. 40 auBerordentlich wichtige Zusammenstellungeniiber 

Die standisch-gesellschaftliche Seite des Pro- die Getreideverhaltnisse des romischen Agypten 

blemkomplexes ist ebenfalls in der Regel ausrei- gegeben werden. 

chend, ja erschopfend im Rahmen der R.E. von II. Seit friihestens ca. 15 000 v. Chr., wie pra- 

Kornemann Art. Bauernstando. Suppl.- historische Hypothesen mit angesichts des Quel- 

Bd. IV S. 83fE., daneben von S e e c k Art. Colo- lenmaterials begreiflicher betrachtlicher Schwan- 

n a t u s Bd. IV S. 483ff. und Orth Art. Land- kungsbreite ansetzen, beginnt eine technisch-orga- 

wirtschaft Bd. XII S. 624fE. dargestellt wor- nisatorische, dabei wohl mit Sicherheit von heute 

den und tritt darum bei uns ebenfalls in den Hin- nicht mehr deutlich faBbaren geistigen Weltan- 

tergrund. Vgl. jetzt hier J. Hasebroek Griech. schauungsmomenten her aufgeriihrte Revolutio- 

Wirtschafts- u. Gesellschaftsgesch. bis zur Per ser- 50 nierung des Menschengeschlechtes von so unge- 

zeit (1931). Heichelheim Enc. of Soc. Scien- heuerlichem AusmaBe, daB selbst die seit dem 

ces. Art. Landtenure (ancient world). Public 19. Jhdt. unsere Welt umsttirzenden Veriinderun- 

domain. gen des Maschinenzeitalters dagegen klein und 

Ebenso erubrigt sich angesichts des funda- geringftigig erscheinen. Der Mensch lernte damals 

mentalen Artikels Frumentum o. Bd. VII Pflanzen ziichten, Tiere zahmen und erf and zahl- 

S. 126ff. (R s 1 V t z e f f) ein Eingehen auf die reiche bis zur heutigen Zeit hin zukunftstrachtige 

Verhaltnisse des fruhen und spaten Imperium Gerate und Organisationsmethoden, um sich die 

Romanum. Vgl. dazu jetzt mit Kleinliteratur lebendige wie die tote Natur fiir die ihm ein- 

Bd. XVI S. 628f. 0. Supp.-Bd. IV S. 107ff. 267ff., geborenen Sehnstichte dienstbar zu machen. Aus 

■dazu T. Frank An Economic History of Rome^ 60 den der ungezahmten Natur mit sehr respektabler 

{1927); An economic survey of ancient Rome Iff. Intelligenz sich anpassenden Wildbeuterhorden 

(1933ff.). Cambridge Ancient History VII 916f. des Alt- und Jung-Palaolithikums wurden nun 

IX912f. V. Christescu Viata Economica a Gartner und Viehziichter, Bauern und schlieBlich 

Daciei Romane (1929) 53f. 143. H. Mattingly- Stadter, die alle, wenn auch mit verschiedener In- 

E. S. G. Robinson The date of the Roman tensitat, aus der Erdoberflache von planenden 

denarius. Proceed, of the British Acad. XVIII Menschengruppen zu lenkende Kulturlandschaften 

(1932) 260f. H. Bliimner Die rom. PriVatalter- statt unbeeinfluBbarer Naturlandschaften zu ge- 

tumers (1911) 160ff. 533ff. M. Rostovtzeff stalten suchten. Die Ideologien und Bedurfnisse 



823 Sitos (Vorgeschichte) Sitos (Vorgeschichte) 824 

der Staats- und Gesellschaftsverbande, in denen Getreidehandel wurde vom Staate nach Moglich- 
standig wechselnd zusammengefaBt der Mensch keit selbst in der Preisgebarung bestimmt, wie 
seitdem sich organisierte, bestimmten Rhythmus die zahlreichen Preisedikte der Periode bezeugen, 
nnd Form dieser Umgestaltung. Besonders eng deren Wirkung zwar nicht voUstandig und auf 
war dabei bemerkenswerterweise gerade in der die Dauer durchgreifend, aber doch ftihlbar uns 
altesten Zeit, wie wir am Beispiel der fiir uns in den Quellen entgegentritt. 
noch naher zu erfassenden Urindogermanen und Durch die planenden und gebundenen Wirt- 
Ursemiten einigermafien zu erkennen vermogen, schaftssysteme der GroBkonigsstaaten des alt- 
die Verflechtung des noch immer nicht sehr in- orientalischen Komplexes wird der Landerblock 
tensiven agrarischen Wirtschaftssektors, last not 10 vom Nil und der Aegaeis bis zur indischen und 
least des Getreidebaues, mit den kleinraumigen turanisehen Grenze ein Agrargebiet von alle 
und friihen politischen und sozialen Verbanden, Landschaften der alten Welt mit Ausnahme der 
ihrer Ideologie und ihrem okonomischen Verkehr bereits damals kulturell erschlossenen Telle Chi- 
in den entwickelteren europaisch-vorderasiatischen nas und Indiens an Produktionsintensitat bei 
Bauernkulturen des Mesolithikums, des Neolithi- politischem Funktionieren der Staatsorganisation 
kums und der Bronzezeit, die seit etwa dem weit tibertreffender Kraft. Innerhalb des Gesamt- 
7. — 5. Jahrt. v. Chr. allmahlich so gut wie alle gebietes nehmen wieder Mesopotamien und das 
Landschaften der Alten Welt mehr oder weniger agyptische Nilgebiet eine iiberragende Stellung 
intensiv in ihrer Eigenentwicklung beeinfluBten. ein, die die starksten, zivilisiertesten und lang- 
Agrarproduktion, Verarbeitung der Agrarprodukte 20 lebigsten, wenn auch vielleicht nicht altesten 
und der Handel mit ihnen vollzogen sich damals, Staatsbildungen des alten Orients hervorzubringen 
soweit wir sehen, im allgemeinen nach strengen und zu erhalten vermochten, wahrend Stadtkul- 
Regeln von Sitte und Recht, die durch die vor- turen alt-orientalischen Typs in Iran, Turan und 
laufig raumlich wie zahlenmaBig meist und auf Nordwest-Indien wie in Kleinasien, der Aegaeis 
die Dauer nicht allzu groBen politischen und ge- und Syrien-Palastina sich nur fiir relativ ktirzere 
sellschaftlichen Verbande standig um der eigenen Zeitraume und oasenhafter einwurzelten. Fiir 
Selbsterhaltung willen beaufsichtigt und nur Agypten und Mesopotamien, deren Fruchtbarkeit 
langsam wechselnd umgestaltet wurden. Vgl mit wahrend der ganzen Antike beriihmt und fiir die 
Angabe der Spezialliteratur zu dem hier nur Kornversorgung der Nachbarn lebenswichtig blieb, 
kurz umrisfi^nen Problemkomplex der Zeit des 30 sind damals bereits durch Stabilisierung der 
altesten Getreidebaues Heichelheim Som- Staatmacht die fiir diese Landschaften wohl ge- 
bart-Festschrift 1002ff. Sauciuc 41. 42f. eignetsten zentralplanmaBigen okonomischen Or- 
Schiemann Entstehung der Kulturpflanzen ganisationsformen gefunden worden, deren den 
20ff. 66ff. jeweilig neuen Zeitverhaltnissen angepaBte grund- 
Vom agrarischen Sektor vollig in ihrer Be- satzliche Anwendung auch in den Perioden der 
tatigung abgetrennte menschliche Gruppen und Antike, Spatantike und des Islam bis zur Moderne 
Verbande von nennenswertem Ausmafie kennen hin hier allein „eine ungewohnlich intensive Agrar- 
dann erst die Stadtkulturen des alten Orients, die produktion ermoglichte. In alt-orientalischer Zeit 
etwa seit dem 5./4. Jahrt. v. Chr. sich entwickeln. stellte im Rahmen dieses Systems dabei das Ge- 
Zugleich wird die Kraft des agrarischen Sektors 40 treide in Agypten und im Keilschriftgebiet nicht 
durch die hier neu geschaffenen planmaBigen Or- nur wie spater das wichtigste Agrarprodukt, son- 
ganisationsformen derartig gesteigert, daB von dern auch eine der gebrauchlichsten Geldformen 
nun an Staat, Gesellschaft und Wirtschaft auch zugemessenen Nahrungsmittelgeldes dar und war 
der Stadtkulturen bereits in ahnlicher Form ihn darum iiberall besonders leicht absetzbar, was 
als ihre nach wie vor vornehmste Kraftquelle Produktion wie Kornverkehr stark anregte. Zeug- 
direkt und indirekt auszunutzen und fiirsorgend nisse fiir Binnen- und Fernhandel mit Getreide 
zu bevormunden beginnen, wie das weiter bis zum haben wir demgemaB aus Mesopotamien und dem 
Anbruch der von der agrarischen Urproduktion Nilland seit dem 3. Jahrt. v. Chr. hin bis zur 
freieren kapitalistischen Maschinenkultur im Perserzeit in reichster Fiille, wobei bereits im 
18./19. Jhdt. grundsatzlich in alien Stadtkulturen 50 3. Jahrt. v. Chr. ein standiger vom Staate nicht 
der Fall war. Produktion, Verarbeitung und Han- unabhangiger Karawanenverkehr mit Korn bis 
del mit lebenswichtigen Agrarprodukten, vor nach Kappadokien von Mesopotamien aus vor- 
allem mit Getreide, konnten sich daher nach wie drang, wahrend im 2. Jahrt. v. Chr. auch agyp- 
vor nicht aus der engen Bindung an die jeweilige tische Getreideflotten bis Kleinasien fuhren. In 
Staats- und Gesellschaftsorganisation losen, wur- Mesopotamien scheint dabei die Intensitat des 
den vielmehr selbst in den Grundlagen ihrer Verkehrs bis in die neubabylonisch-persische Zeit 
reinen Existenzmoglichkeit haufig noch starker hinein mit Zasuren (Kassitenzeit) standig zu wach- 
von dem gesunden Funktionieren derselben ab- sen, wahrend in Agypten das Neue Reich einen 
hangig als vorher die reine Bauernkultur von den bis zu den Ptolemaern hin nicht wieder erreich- 
alteren Bildungen. Die Getreideproduktion voU- 60 ten exceptionell hohen Stand des Getreideverkehcs 
zog sich im pharaonischen Agypten wie im Vor- uns darbietet. Aus beiden Gebieten sind uns die 
derasien der Keilschriftvolker demgemaB zum altesten Kornpreise der Welt iiberliefert, die aus 
vollig iiberwiegenden Prozentsatz toils auf staat- Preisedikten und Privaturkunden stammen, in 
lichem oder halbstaatlichem Domanenboden, toils mannigfachem Auf und Ab in Babylonien vom 
durch vom staatlichen Beamtenapparat und der 3. Jahrt. bis in die Spatzeit, in Agypten im 
Kapitalmacht der Konigsoiken standig mehr oder wesentlichen vom Neuen Reich an bis zur Perser- 
weniger in Produktion und Absatz gebundene zeit sich hinziehen und einmal in ihren historisch 
und vollig katastrierte abhangige Bauern. Der auBerordentlich interessanten Veranderungen im 



825 Sitos (Vorgeschichte) Sitos (archaische Zeit) 826 

Zusammenhang mit dem iibrigen altorientalischen nen Agrargerate wirkten im okonomischen Fun- 

Preismaterial eingehend monographisch zusam- dament, vom Ostmittelmeergebiet her nach Westen 

mengestellt werden mtiBten. Fiir die Zeit der und Norden vordringend, sehr bedeutungsvoU bei 

XX. agyptischen Dynastie hat uns in diesem dieser Entwicklung mit, die Meder, Perser, Lyder, 

Sinne neuerdings C e r n y in so tiberraschenden Aramaer und Israeliten in Asien, sowie fast alle 

wie tiberzeugenden Ausfiihrungen und Kurven Volker Europas zu neuen individualistischeren 

selbst Schwankungen von altagyptischen Korn- Kulturschopfungen emportrug. Die altorientali- 

preisen innerhalb sehr kurzer Zeitraume quellen- schen Staatsplansysteme wurden trotz vergeb- 

maBig erschlossen. Kornsteuern und Korntribute licher, sich immer wirtschaftsindividualistischer 
unterworfener Volker spielten unter diesen Um- 10 und antiker ausgestaltender Renaissanceversuche 

standen im ganzen altorientalischen Gebiete bis (Assyrerreich, Neubabylonien, Amasis in Agypten, 

zur Perserzeit eine groBe Rolle, wie auch Gehalter, Perserreich und hellenistisches Indien) schlieBlich 

Lohne, Ehrengaben und Schenkungen an das ge- in den neuen Zustand vollig aufgelost, in dem bis 

wohnliche Volk haufig ganz oder zum Teil in Ge- zum 19. Jhdt. der EinfluB des Staates auf den agra- 

treideeinheiten erfolgten, Ein Netz von Korn- rischen Wirtschaftssektor sich wesentlich nur auf 

speichern ist fiir Agypten wie Mesopotamien cha- sippenmaBige, feudale oder erwerbsokonomische 

rakteristisch, in die nicht nur mit genauer Ab- kleinere Wirtschaftseinheiten zu stiitzen, deren 

rechnung die Kornsteuern und die Produktion Rhythmus jedoch nicht gleichformig-planmaBig 

der Staats- und Tempeldomanen, sondern auch zu bestimmen vermochte. Erst die Maschinenkul- 

die in privatem Besitz verbleibenden Kornvorrate 20 tur der neuesten Zeit hat wieder die Voraus- 

als Deposit iiberwiegend eingeliefert wurden, so setzungen fiir totale Planstaaten aus sich hervor- 

daB auch diese bei Bedarf dem Zugriff des Staa- gebracht, die mit den freilich erheblich primitive- 

tes zu Staatspreisen ohne Schwierigkeiten unter- ren altorientalischen einigermaBen verglichen 

liegen konnten. Der Korntransport auf den Fliis- werden konnen. Die Hellenen wie die Israeliten 

sen wie auf dem Meer war durch Karawanen oder und in ihrem Friihstadium auch die Perser da- 

vom Staate reguliert und mindestens beauf sich- gegen .s^estalteten die kleinen von ihnen bewahrten 

tigt, so daB nicht genehmer Kornexport sich nur politischen und sozialen Einheiten der bronzezeit- 

schwer und unter groBem Risiko vollziehen konnte. lichen Bauernkulturen des 2. Jahrt. v. Chr. orga- 

tTberall stand der Staat als Wirtschaftsmacht und nisch mehr durch sinnvoUe Verfeinerung im 

wirtschaftlicher Regulator an erster Stelle. Vgl. 30 Inneren als durch weiireichende Verschmelzung 

zu vorstehenden Ausfiihrungen die einschlagige zu hohen Kulturgebilden aus. Der agrarische Wirt- 

Literatur mit Quellenangaben bis 1924 bei K or- schaftssektor mit seinem zu Anfang von Recht 

nemann o. Suppl.-Bd. IV S. 107. 267, bis 1932 und Sitte mehr oder weniger rituell bestimmten, 

beiHeichelheim Sombart-Festschrift 1007ff., bald weitgehend ethisierten, schlieBlich teilweise 

bes. 1009. 1011. 1014; dazu weiter mit wichtigen rationalisierten Wirtschaftsrhythmus in den ersten 

Quellenangaben: Kulturgesch. des alten Orients fiinf Jahrhunderten nach Anbruch des letzten 

(Handb. der Altertumswiss.^ 3, 1 1933). I. Kees Jahrtausends v. Chr. bildet bei den Hellenen, wo 

Agypten (bes. c. 1 1 B. Ill, V2A— C) III 1. A. gerade die speziell fiir diesen Artikel in Frage 

Gotze Kleinasien (bes. c. II. 1112,4). A. Chri- kommenden Probleme queUenmaBig relativ gut 

s t e n s e n Die Iranier (bes. c. V 3. 6. 7). H. 40 zu erfassen sind, fiir diese Entwicklung eine be- 

Junker-L. Delaporte Die Volker des anti- sonders deutliche Illustration. Vgl. die einschla- 

ken Orients (Gesch. der fiihrenden Volker III, gige Kleinliteratur zu dem haufig noch nicht ge- 

1933), bes. 59ff. 77. 93ff. 119ff. 122. 149ff. 21 Iff. niigend monographisch durchforschten Thema 

2131 219. 238f. 253f. 300. Jarde Cer^ales 35. welthistorischer Entwicklungszusammenhange des 

J. Cerny Fluctuations in grain prices during Ostmittelmeergebietes in den ersten eisenzeit- 

the 20th Egyptian dynasty, Arch. Orientalni VI lichen Jahrhunderten bei Heichelheim Som- 

(1933) 173ff. P. Meriggi Zur Indusschrift, bart-Festschrift 1014, dazu Junker-Dela- 

ZDMG XII (1934) 198ff. H. F. L u t z Price flue- p o r t e 304 fiir die persische aus der Bauernkul- 

tuations in ancient Babylonia, Journ. of Economic tur entwickelte Agrarethik, Jarde 76. Sau- 

and Business Hist. IV (1932) 335ff. 50ciuc 41. 421 fiir die Fragen der Getreidepro- 

Die zu Ende des 2./1. Jahrt. v. Chr. herauf- duktion des 2. Jahrt. in der Aegeis. 

ziehende Eisenzeit verlagerte dann den politischen III. Der TJmfang unseres Quellenmaterials bis 

Schwerpunkt von den altorientalischen planwirt- zum Beginn des 5. Jhdts. v. Chr. ist freilich, was 

schaftlichen GroBkonigsstaaten auf die meist die Probleme unseres Artikels betrifft, doch wie- 

indogermanischen oder semitischen kleineren po- der so gering, daB die ersten 500 Jahre des 

litischen Einheiten, die in Europa und Vorder- 1. Jahrt. v. Chr. von uns gemeinsam behandelt 

asien bis dahin in der reinen Bauernkultur des werden miissen, obwohl wir ihre mangelnde Ein- 

NeolithikumsundderBronzezeit verbliebenwaren. heit und Gleichformigkeit auf anderen Gebieten 

Die Eisenwaffe machte sie dem GroBstaat mill- der griechischen Wirtschaftsgeschichte noch nach- 

tarisch iiberlegen, wahrend das Eisengerat ihnen 60 weisen konnen (vgl. zuletzt mit alterer Literatur 

eine organische Aufwartsentwicklung ihrer Kultur Heichelheim Philol. Woch. LIV 120ff.). Bei 

und Zivilisation von kleiner politischer Basis aus Homer erscheint neben dem Besitz an Vieh, wert- 

und ohne Verschmelzung zu fellachisierten GroB- voUen Geraten und Waff en, wie die jeweiligen 

konigsstaaten erlaubte. Die erst jetzt die viel- Formulierungen zeigen, reiche Getreideproduktion 

gestaltigen Schwarzmeer- und Mittelmeerland- einer Landschaft als eine der Grundvoraussetzun- 

schaften, bald auch Mittel- und Nordeuropa zu gen fiir Fiirstenmacht. Im einzelnen wird star- 

intensiver bewirtschafteten Agrargebieten bunte- kere oder starke Getreideproduktion, meist Wei- 

ster Mannigfaltigkeit umformenden neuen eiser- zen, fiir Argos (Horn. II. XIV 123. XV 372), La- 



827 Sitos (archaische Zeit) Sitos (archaische Zeit) 828 

konien (Spelt, Horn. II. V 196. VIII 564; Od. IV Basis bereits friih festzustellen. Ob als Zeugnis 

604; Gerste Horn. Od. IV 41. 604; Weizen Horn. fiir Getreidehandel Horn. Od. XIV 334f. zu be- 

Od. IV 602ff.), Messenien (Horn. Od. Ill 495), werten ist, erscheint unsicher, wo bei einer aus 

Dulichion (Horn. Od. XIV 335), Ithaka (Horn. Od. nicht naher angegebenen Motiven unternommenen 

XIII 244), ebenso fiir die Skamanderebene (Horn. Fahrt von Thesproten nach Dolichion diesem Ort 

11. XXI 602) bezeugt. Fiir die nachsten Jahr- vielleicht mit Absicht das Epitheton ornans 

hunderte nach Homer auszuwertende Texte be- noXvnvQov gegeben wird (vgl. B ii c h s e n - 

richten entsprechend iiber Milet (Herodot. I 17), schiitz Besitz und Erwerb 358). Jedoch aus 

Boiotien (Hesiod, op. et d. 549 n. 6.), die Man- Hesiod op. et d. 618ff. ist dann evident zu er- 

tische Ebene Euboias (vgl. Biirchner Bd. XII 10 sehen, da6 der griechische Bauer in der Zeit 

5. 1889) und iiber GroBgriechenland im 6. Jhdt. dieses Diehters seine Ernteerzeugnisse zu Land 
V. Chr. (vgl. hierfiir speziell fiir Unteritalien E. und zur See auf Markte zu bringen begann, wo 
C i a c e r i Storia della Magna Graecia II [1927] er fiir sie Absatz erhoffen konnte. In der Zeit des 
210 mit Angabe der vor allem literari sehen und Xerxeszuges weiter und vermutlich Jahrzehnte 
numismatischen Belege, fiir Syrakus W. Hiittl vorher fujiren nach Herodot. VII 147 Getreide- 
Verfassungsgeschichte von Syrakus [1929] 20). schiffe gewohnheits- und regelmaBig vom Pontes 
Auch in der Mythologie und im Kultus spielen nach Aigina und zum Peloponnes. Vgl. H a s e - 
die Cerealien — nicht verwunderlicherweise — b r o e k Wirtschaft u. Gesellschaft 38ff. 147f. 
iiberall eine sehr bedeutsame Eolle (S a u c i u c 280. Im ersten heiligen Kriege zu Beginn des 
18ff. 7 If.). Hinsichtlich der Produktionsintensi- 20 6. Jhdts. fand bereits eine oiroTiofima der Kri- 
tat dagegen sind nur Schliisse hypothetischer Na- saer zur See statt, die Kleisthenes von Sikyon ver- 
tur fiir das spartanisch-messenische Gebiet der hinderte (vgl. Ziebarth Seeraub u. Seehandel 
spateren archaischen Zeit moglich. Jard6 109ff. 140). Ebenso begann Syrakus in der spatarcha- 
112ff. errechnet hier auf Grund der Helotenab- ischen Zeit langsam als Getreidelieferant sieh zu 
gaben nach Plut. Lyk. 8 in sehr vorsichtiger entwickeln (vgl. H ii 1 1 1 Syrakus 20). Langst vor- 
und kritischer Ansetzung eine jahrliche normale her hatte Solon die Kornausfuhr aus Attika ver- 
Gerstenproduktion dieser Landschaft von etwa boten, die also vorhanden war. Die Zeit des um- 
1 728 000 hi. fangreichen Mittelmeerverkehrs mit allerlei billi- 

Die technische Grundlage fiir die gegenuber gen Massenprodukten, der fiir die Zeit des klas- 
dem 2. Jahrt. v. Chr. erheblich intensivere Boden- 30 sischen Griechenland so bezeichnend ist, setzte 

nutzung im archaischen Hellas bildet dabei neben nach alien diesen Zeugnissen demnach auch fiir 

anderen eisernen Ackergeraten vor allem die Getreide bereits im Laufe des 7./6. Jhdts. v. Chr. 

eiserne Pflugschar. Sie ist in der griechischen ein (vgl. zum Problem allgemein H e i c h e 1 - 

Literatur zwar erst bei Thuk. V 16, bildlich im- heim Sombartfestschrift 101 Off.), 

merhin auf einer sf . Nikosthenesvase des spateren Gesellschaft und Staat der Zeit des archaischen 

6. Jhdts. sicher bezeugt, wahrend sie bereits in Griechentums bedurften der Getreideproduktion 
Igypten, Vorderasien und Palastina (hier Er- indessen nicht etwa nur, wie es sich fiir alle Peri- 
rungenschaft der israelitischen Einwanderung) oden menschlicher Geschichte von selbst versteht, 
fiir die erste Halfte des 1. Jahrt. v, Chr. uns fiir die nackte Ernahrung der auf den Staatsterri- 
durch unmittelbare Funde vorliegt. Indessen ist, 40 torien lebenden Menschen. Vielmehr spielte die- 
auch wenn bei Hesiod op. et d. 427ff. von einer selbe in der hellenischen Friihzeit auch im Ablauf 
eisernen Schar iiicht die Rede ist, doch Horn. II. und Rhythmus des damaligen allmahlich zur Polls 
XXIII 834f., wo Eisenbeschaffung als fiir den sich wandelnden Herrschafts-, Staat s- und Gesell- 
Pfliiger lebensnotwendig vorausgesetzt wird, kaum schaftsgefiiges eine besonders bedeutsame Rolle. 
anders auszulegen, als da.B bereits das homerische Uralt und in prahellenische, ja nach prahistori- 
Griechentum dieses neue Gerat gekannt hat, das sehen Funden wohl in die friihesten Zeiten mensch- 
im 1. Jahrt. v. Chr. den hellenischen, italisch- lichen Ackerbaues iiberhaupt in Vorstufen zu- 
romischen, israelitisch-aramaischen und iranischen riickgehend, treten uns, wie es scheint, von An- 
Bauern mit sehr einfach zusammengesetzten Pflii- fang an hier die in historischer Zeit sich dann 
gen in den speererworbenen Wohnsitzen eine bes- 50 dauernd erhaltenden anaQxal entgegen, konven- 
sere Bodenbearbeitung ermoglichte, als sie vorher tionelle Spenden von Teilen des Kornertrages an 
denen des Alten Orientes mit ihren erheblich Gottheiteninfeststehenden AbschnittenderErnte- 
kunstvoUer konstruierten, aber nicht so wider- zeit. Wenn der griechische Mythos eine solche 
standsfahigen Geraten mSglich war. Vgl. L e s e r Aparche bereits aus dem Troizen der Zeit vor 
Entstehung und Verbreitung des Pfiuges, Anthro- Theseus (Plut. Thes. 6) und von Delos berichtet, 
pos-Bibl. 3, III (1931) 211ff. (Hellas). 239 (Ita- als es noch mit den Hyperboreern des Nordens in 
lien). 247ff. (Vorderasien). 251 (Agypten). 266 Verbindung stand (Kallim. hym. in Del. 278), so 
(Palastina), dazu Bd. XII S. 629. Jarde 19ff. liegt hier gewiS eine in den Grundziigen faktisch 
Daremb-Sagl. I 354ff. Art. Aratrum. W. zutreffende mythologische Riickerinnerung vor. 
La BaumeMannus XXV (1933) 73ff. Hase-60VgL mit weiteren Quellenzeugnissen aus histo- 
b r e k Wirtschaft u. Gesellschaft 76. 0. J a h n rischer Zeit Stengel Art. Anaoxat Bd. I 
Darstellung des Handworks und Handelsverkehrs S. 2666ff. Koch Art. A sHarr) Bd. IV S. 2423ff . 
auf Vasenbildern, Ber. Sachs. Ges. Phil.-Hist. Kl. Caillemer Art. Dekate in Daremb.-Sagl. II 
XIX (1867) 75ff. G w The ancient plough, 52ff. Syll.3 IV 222. Die um die Staatszentralen 
Journ. hell. stud. XXXIV 249ff. S. G s e 1 1 Hi- sich gruppierenden Speisegemeinschaften des 
stoire ancienne de TAfrique du Nord IV (1920) alteren Griechenlands weiter, altindogermanische 
13ff. Gewisse Ansatze fiir einen Fernhandel mit Institutionen. (vgl. Schradetr-Nehring 
Getreide sind auf Grund der neuen okonomischen Reallex. IP 28ff. 456ff. 609ff.) stellen sich uns 



829 Sitos (archaische Zeit) Sitos (archaische Zeit) 830 

ebenfalls nicht als private, unpolitische Angelegen- aus der staatstragenden Blirgerschicht. Sie wurden 
heiten, sondern bereits in ihren alt-indogermani- spater anscheinend mehrfach in eine mindestens 
schen Vorstufen als eine bezeichnende Reprasenta- teilweise naturale dsxdrrj aller Grimdbesitzer der 
tion der staats- und gesellschaftserhaltenden Kraft Poleis und ihrer Untertanengebiete an den wich- 
herrschender Oberschichten dar, wie sie uns iiber- tigsten Staatstempel umgewandelt. Freilich ist die 
hanpt in analoger politiseh-sozialer Bedentung bei erst in romiseher Zeit absterbende Institution hier 
alien den neolithisch-bronzezeitlichen Bauernkul- nicht so verfestigt wie in Sparta. Vgl. B u s o 1 1- 
turen entstammenden spateren Herrenvolkern der S w o b o d a I 296, 3. 744. Kahrstedt Griech. 
alten Welt in etwas verschiedenen Formen ent- Staatsr. I 349f . S c h w a h n Bd. V A S. 237f . 
gegentreten, ob es sich nun um Indogermanen, 10 M. G u a r d >u c c i Ordinamenti dati da Gortina a 
Semito-Hamiten oder Mongolen handelt. Bei Ho- Kaudos in una inscrizione inedita di Gortina. Riv. 
mer, wo von diesen Dingen oft genug die Rede di fil. N. S. VIII (1930) 471ff. De Sanctis 
ist, gruppiert sich die Tafel der Aristokratie um Epimetron. Riv. di fil. class. N. S. VIII (1930) 
den durch Gabon im Frieden, durch Waffen im 483ff. M. Guarducci Intorno alia decima dei 
Krieg machtigen Paadsvg. Dieser erhalt zum Cretesi. Riv. di fil. N. S. XI (1933) 488ff. Auch 
Zwecke der Representation einen eigenen Teme- der durch Polyain. II 34 im Gebiet von Krannon 
nos aus dem gesamten Landgebiet (vgl. L a 1 1 e bezeugte thessalische Getreidezehnte konnte mei- 
Art. Temenos Bd. VA S. 435ff. Andreades nes Erachtens aus ahnlichen Naturallieferungen 
Griech. Staatswirtschaft I16ff. Busolt-Swo- wie in Sparta und Kreta erwachsen sein. tJber 
bo da Griech. Staatsk. I 141. Kahrstedt 20 solche Regelungen hinaus erhielten sich dann 
Griech. Staatsr. I 373. 379f . V. Ehrenberg nach wie vor ftir die lakedaimonischen Konige 
Gercke-Norden Einl. Ill 3 [1932] 4) und kann fiir wie in homerischer Zeit Sonderanteile an den zur 
Getreidespenden sowie fiir andere Reprasentations- Speisung aller Spartiaten verfiigbaren Portionen. 
geschenke teilweisen Ersatz vom Volke verlangen Eine Perioikenabgabe an sie kam hinzu, fiir die 
(Horn. Od. XIX 196). Daftir gibt er fiir seine Naturalbefund wohl mit Recht vermutet wird 
aristokratische Gefolgschaft wie fiir hinzukom- (vgl. Xen. rep. 15. Herodot. VI 56ff., dazu An- 
mende Gaste nach festen Anstandsregeln groBe dreades Griech. Staatswirtsch. I 61. 77. Bu- 
Mahlzeiten, bei denen Brot und Mehl ihre Rolle solt-Swoboda II 673. J a r d e 109ff. K a h r- 
spielen (Horn. II. XVII 225), Staatsaktionen, bei stedt Griech. Staatsr. I 25. 77. 138ff. 216. 370. 
denen er rituell durch die GroBe seines Speise- 30 373. Hasebroek 68). Auch in Thessalien, 
anteils hervortritt (Od. XI 185). Byzanz, Syrakus, Herakleia Pontika, vielleicht 
Der Adelsstaat der nachhomerischen Zeit be- auBerdem auch in Lokris und Argos kennen wir 
halt dann die Speisegenossenschaften als sta^t- der spartanischen und kretischen sozialen Schich- 
liche Reprasentation bei, die sich sehlieBlich in tungnahestehendeLeibeigenenverhaltnisse,dieent- 
den altesten sich gesellschaftlich nivellierenden spreehende Naturallieferungen an die Oberschicht 
Polisgemeinschaften der Hellenen in Sparta und aus dem Ernteertrag, toils mit Sicherheit mit sich 
Kreta zu den nach wie vor ziemlich rituell aus- gebracht haben, toils nach den Quellen mit Wahr- 
gestalteten Syssitien verfestigen, bei denen jetzt scheinlichkeit nahelegen (vgl. mit ausftihrlichen 
nur die Teilnehmer selbst, in Kreta statt dessen Quellenzitaten Jard6 108f.). Die altesten atti- 
auch die Staatsdomanen, die notwendigen Natura- 40 schen Verhaltnisse scheinen bemerkenswerterweise 
lien zu lief ern haben (Kahrstedt hat dieSyssitia ebenfalls von den dorischen nicht allzu verschie- 
Bd, IV A S. 1832 bereits ausfiihrlich behandelt; den gewesen zu sein. Ein Dberlebsel ist meines 
vgl. dazu weiter Busolt-Swoboda Gr. Erachtens die bereits fiir das 6. Jhdt. v. Chr. sieher 
Staatsk. II 699. 7532. Daremb.-Sagl. IV 1600f. bezeugte olrrjoig h nQvxaveico, bei der die [Jia^a 
Andreades Gr. Staatsw. I 61. 78. Hase- aus Gerste eine Speisegrundlage bildete. Ur- 
broek Wirtsch. u. Gesellsch. 68. 83ff. 238. spriinglich handelte es sich wohl hier um die 
248ff.). Dem Staate erwuchsen hier ofter Versor- Speisetafel des Konigs des Gebietes in homeri- 
gungspflichten, die zu seinen alteren gegeniiber schem Stile. Sie wurde dann, falls unsere Deutung 
dem Konigtum hinzutraten, wo dieses, wie in zutrifft, von der Aristokratie beibehalten und 
Sparta, erhalten blieb. Nur durch gesetzliche Or- 50 sehlieBlich von der sich formierenden Polls zur 
ganisierung der Nahrungszufuhr fiir die Herren- Beamten- und Ehrentafel umgestaltet (vgl. mit 
schicht konnte er ihnen auf die Dauer geniigen. Angabe der antiken Quellen Schulthess 
In Sparta erfuUte vor allem die Helotenabgabe Bd. Ill A S. 388ff., dazu J a r d e 123. B u s o 1 1 - 
diese Aufgabe, die in Natura (Getreide, daneben Swoboda 161. 953; in unserem Sinne neuer- 
01 und Wein) an den spartanischen Besitzer des dings auch Kahrstedt Staatsgebiet u. Staats- 
Kleros zu leisten war und nach Tyrtaios (bei Pans. angehorige in Athen 334ff.). Auch die praktische 
IV 14, 5 = Diehl frg. 5) die Halfte des politische Bedeutung der Hektemorier fiir Staat 
Ertrages, nach der offenbar spatere Verhaltnisse und Gesellschaft des vorsolonischen Athen unter- 
wiedergebenden Schilderung bei Plut. Lyk. 8 die schied sich hinsichtlich der Naturallieferungen 
festnormierte Menge von 82 Medimnoi Gerste 60 dieser abhangig gewordenen Klasse an den staats- 
pro Kleros betrug. Vgl. e h 1 e r Bd. VIII tragenden Stand zwar staatsrechtlich-institutio- 
S. 203ff. Olck Bd. XII S. 636, dazu Bu sol t- nell, aber eigentlich nicht grundsatzlich-sozio- 
Swoboda Griech. Staatsk. II 641. 669. Kahr- logisch von der politisch-gesellschaftlichen Funk- 
stedt Griech. Staatsr. I 279ff. Andreades tion der Heloten und der anderen horigen Grup- 
Griech. Staatsw. I 61. Jarde 109ff. Hase- pen der hellenischen Friihzeit (vgl. zu dem um- 
b r e k Wirtsch. u. Gesellsch. 63. 68. In Kreta strittenen Problem der Hektemorier mit Klein- 
gab es ebenfalls ahnliche Naturallieferungen von literatur Swoboda Bd. VII S. 2802ff . B u - 
Leibeigenen an den Staat oder an private Besitzer solt-Swoboda 137. 779ff. 822. 1584 [zu 



831 Sitos (archaische Zeit) Sitos (archaische Zeit) 832 

S. 779]. H as e b r e k 49ff. 176ff. 194. E h r e e- mogenseinschatzung berechnet, wie das wenige 

berg Griechischer und hellenistischer Staat 15. Generationenspater jedem Athener selbstverstand- 

Kahrstedt Staatsgeb. u. Staatsangeh. 111). lich gewesen ware. Der Umrechnungsschliissel 

Dagegen ist von einer schon verfeinerte Verbalt- belief sich hierbei auf 1 Medimnos (Weizen oder 

nisse voraussetzenden vorsolonischen und selbst Gerste?) = 1 Drachme =: 1 Schaf =: 1 Metretes 

noch solonischen allgemeinen naturalen oder gar 01 = 1/5 Rind (vgl. 01k Bd. XII S. 636. A 1 y 

adarierten regelmaBigen Bodenertragsteuer in Bd. Ill AS. 971ff. Schwahn Bd. VA S. 247. 

Athen, an die in der modernen Literatur mehrfach Busolt-Swoboda II 820ff. 836ff. 1585. 

hypothetisch gedacht worden ist (vgl. Busolt- Sauciuc 53ff. Jarde 101. 178. Andrea- 
Swoboda 820ff. 1585. Schwahn Rh. Mus. 10 des I 256. Hasebroek 57. 161f. 181. 218. 

LXXXII 247ff.; Art. Tele Bd. VA S. 246flt.), 291. Sch wahn Rh. Mus. LXXXII 247ff. Hei- 

vollig in "Obereinstimmung mit dem bisher ge- chelheim Philol. Woch. LIV 120H. Kahr- 

schilderten einfachen Befunde des staatlichen und stedt Staatsgebiet [1934] 250ff. 255S. und die 

gesellschaftlichen Geftiges in den antiken Quellen fiir unser Verstandnis der fraglichen Quellenstel- 

nicht die Rede. Die moderne Interpretation in len revolutionaren kurzen Aufsatze von W i 1 - 

solchem Sinne fu6t (Kahrstedt Staatsgeb. u. c k e n Zu Solons Schatzungsklassen, Herm. LXIII 

Staatsangeh. 249ff. halt auf Grund derselben statt 2362. und Chrimes On Solon's property clas- 

dessen sogar das attische Vierklassensystem fiir ses, Class. Rev. XL VI 2ff.). Durch ein Kornaus- 

nachsolonisch, indem er immerhin mit uns die fuhrverbot, das alteste tiberlieferte der griechi- 
sachlichen Schwierigkeiten der Einordnung einer 20 schen Wirtschaftsgeschichte, hat Solon dann wei- 

regularen Grundsteuer in den Befund der alteren ter den landlosen neu zu Politen gemachten The- 

Periode klar erkennt) allein auf einer irrigen ten billigeres Getreide zu verschaffen gesucht, 

sprachlichen tJbersetzung desWortes reXog (richtig vieUeicht auch bereits die gefahrdete Kornversor- 

= aQxv) uJid von Ausdrticken wie: uisvxaKooio- gung des wachsenden Demos in einer Zeit auf 

fABbijAvov, iTijtdda, 'O'tjxikov xeleiv (richtig = cen- diese Art zu sichern sich bemiiht, in der noch 

seri) bei Aristot. Ath. Pol. 7, 3ff. Plut. Sol. 18 nicht durch eine seebeherrschendeimperialistische 

(vgl. dazu bereits durchschlagend den Kommentar Kriegsflotte diese Aufgabe erfiillt werden konnte, 

von Westermann Plutarchi vita Solonis aber der geldwirtschaftlich rentablere Olbau den 

[1841] 44). altvaterlichen Kornerbau allmahlich zuriick- 
Solon hat freilich dann durch Abstellung der 30 drangte. Alle diese MaBnahmen des groBen atti- 

von drei auf vier von ihm vermehrten neufor- schen Gesetzgebers von der Rationalisierung der 

mierten Btirgerklassen auf quantitativen Boden- Btirgerklassen angefangen bis zu solchen einzel- 

ertrag und nichtagrarische Erwerbseinnahmen eine nen Bestimmungen sind unter welthistorischem 

durchgreif ende Rationalisierung der Biirgerschich- Aspekt Anzeichen fiir die gerade seit seiner Zeit 

ten der Polls und damit eine wirksame Moderni- zuerst langsam, dann mit wachsender Schnelligkeit 

sierung auf alien Gebieten in die Wege geleitet, der wirtschaftlichen Struktur der spateren groBen 

wahrend vor ihm, wie die Namen lehren, allein Polls sich annahernden okonomischen Verhaltnisse 

eine urindogermanisch bauerlich nach dem ver- in Athen (vgl. Busolt-Swoboda II 833ff . 

schiedene Ehre dem Besitzer gewahrenden quali- Sauciuc 53ff. Andreades I 152. 226. 254. 
tativen Viehbesitz abgestufte Klasseneinteilung in 40 Hasebroek 177. Chrimes a. 0. Aly a. 0.). 

Attika bestanden hatte, die nur in Standebezeich- Die erste Naturalertragsteuer vom Boden, 

nungen und in Gestalt einer Umrechnungsformel einfacher als die von manchen, wie oben aus- 

fiir Viehbesitz seit ihm erhalten blieb (anders, gefiihrt, irrig fiir Solon vorausgesetzte ahnliche 

meines Erachtens zu Unrecht, zuletzt Kahr- Steuer, scheint dann mit einer gewissen Sicher- 

stedt Staatsgeb. u. Staatsangeh. 59ff. 230ff. heit fur Peisistratos durch Aristot. Ath. Pol. 16, 

249ff., der mit vielen Vorgangern auch im vor- 4ff. Thuk. VI 54 in Gestalt einer Ertragsabgabe 

solonischen Athen das voile Biirgerrecht schon von 5 — 10 ^/o bezeugt zu sein, die Armen auf dem 

durch Grundbesitz ohne Viehbesitz erhalten blei- Gnadenwege erlassen werden konnte (vgl. B u - 

ben laBt. Zum hier nur zu streifenden volks- solt-Swoboda II 837. 863. Hasebroek 
kundlichen Problem vgl. Handworterb. des deut- 50 218. Sauciuc 47. 48. Andreades I 130ff. 

schen Aberglaubens Art. Kuh. E b e r t Reallex. 354ff. S c h w a h n Bd. V A S. 247. 251. K a h r - 

d. Vorgesch. Art. Haustier, Wirtschaft. Hoops stedt Staatsgebiet 60). Peisistratos hat hier- 

Reallex. d. Germ. Altertumsk. Art. Pferd, Rind, bei aus politischen und okonomischen Griinden 

Viehzucht. Schrader-Nehring Reallex. offenbar nicht nur vom SteuererlaB ofter Ge- 

Art. Geld, Stande, Viehzucht). Die altere, durch branch gemacht, sondern, wie Ath. Pol. 16, 2. 

Tradition geheiligte, aber unscharfe Abstufung Ailian. var. hist. IX 25 anzuzeigen scheinen, zu- 

von drei Klassen wurde so durch Solon praziser gleich durch Saatdarlehen an Landwirte mit fis- 

meBbar und berechenbar gemacht. Fur die tiber- kalischem Weitblick eine spatere Steigerung des 

ragende soziale und okonomische Bedeutung des Steuerertrages und last not least dauernde Zu- 
Getreidebaues im damaligen Attika spricht dabei 60 friedenheit der Bauernmassen mit seinem Regime 

zugleich, daB in erster Linie der jahrliche Ge- zu erreichen gesucht (vgl. Hasebroek 193. 

treideertrag von ihm fiir den Klassenzensus der A n d r e a d e s I 125). Die im Laufe des 6. Jhdts. 

TtEvtaHoaiofAebifAvoi^ ijinsTg und CsvyJrai zugrunde v. Chr. in der Aegaeis zur Vorherrschaft gelan- 

gelegt wurde. Erst abgeleitet wurde die Olernte, gende Miinzgeldwirtschaft (vgl. Heichelheim 

der Vieh- und der Geldbesitz (Plut. Sol. 17. 23) SchmoUers Jahrb. LV 2292.) wirkte bereits bei 

durch Umrechnung in Getreideeinheiten mit- all den von uns bisher berichteten gesetzlichen 

beriicksichtigt, nicht etwa in erster Linie das Reformen dieser Zeit in wachsendem IJmfang auf 

Naturaleinkommen in Geldeinheiten bei der Ver- das Verhalten des Staates gegeniiber dem Ge- 



833 Sitos (5./4:.Jhdt.) Sitos (5./4. Jhdt.) 834 

treidesektor des Wirtschaftslebens modernisierend hell. VI 2. 6. 8. 27. 36. [Arist.] oec. II 1350 a 1. 
und mngestaltend ein. Die Saatdarlehen desPeisi- 35), Lemnos, Thasos, Skiathos (Demosth. IV 32. 
stratos konnten demgemaB sogar cum grano sails Archestr. bei Athen. Ill 112 a. Jard6 53. 76), 
als alteste rein griechische Vorstufe fur die Praxis Peparethos (Herakl. von Kyme FHG II 217), 
der nicht unahnlichen spater von den Ptolemaern Amorgos (IG XII 7 nr. 62), in Grofigriechenland 
auf altorientalischer groBraumiger Basis zur Mei- Metapont (C i a c e r i Storia della Magna Graeeia 
sterschaft ausgebildeten agrarischen Investitions- II 208), Thurioi, Siris, Capua, Asculum, Luceria, 
und Ausbeutungspolitik betrachtet werden. Der Neapolis Apuliae, Rubi, Arretium, Butuntum, 
bei Plut. Alkib. 15 iiberlieferte Eid der attischen Iguvium, PhisteUia, Herakleia, Paestum (vgl. 
Epheben weiter, der wohl in unsere Grenzperiode lOImhoof-Blumer-0. Keller Tier- und 
in seiner Fixierung ebenfalls zuriickgeht, als Pflanzenbilder Tai II 7. V 16. VII 24. 37. 38. 41. 
Grenzen Attikas Weizen, Gerste, Weinstoeke und VIII 6. 28. 38. IX 1. 24. 35. 39, dazu IG XIV 
Oliven anzusehen, zeigt zugleich den Beginn des 645), in Sizilien Gela, Morgantia, Katana, Leon- 
die Ernahrung der Polisbevolkerung von auBen tinoi, Panormos, Enna, Leontion, Akragas, Eryx, 
her durch Gewalt erstrebenden attischen Imperia- Segesta, Syrakus (vgl. Herodot. VII 158. W. 
lismus der Klassik an und illustriert die immer Hiittl Syrakus 20. Imhoof-Blumer-Kel- 
weiter greifenden Unternehmungen der AuBen- ler Taf. I 4. VIII 13. IX 26. 27. Head HN^ 
politik des nachsolonischen Athen ideologisch aus- [1911] s. v.), wie iiberhaupt fiir das ganze ita- 
gezeichnet. (Gegen die Echtheit dex SteUe in kur- lische Gebiet (vgl. Soph, bei Plin. n. h. XVIII 65. 
zer Form K a h r s t e d t Staatsgebiet 73. 130 mit 20 Sauciuc 22fE.31.35. W. Hoffmann Philol.Suppl. 
meines Erachtens unzutreffender interpretatori- XXVII If.). Neben den hier nicht im einzelnen zu 
scher "Ubersetzung der Formel als ,Verpflichtung besprechenden syrisch-palastinensisch-agyptischen 
zum Ackerbau*.) Mittelmeerlandschaften, deren Getreideproduktion 

IV. A. Das 5./4. Jhdt. v. Chr., die Zeit des mitunter bereits jetzt nach Hellas floB (vgl. die 

klassischen Hellas von den Perserkriegen bis zu Art. A g y p t e n Bd. I S. 987ff. und S y r i e n 

Philipp von Makedonien, welthistorisch gesehen Bd. IV A S. 1563ff.), ist schlieBlich noch der Pon- 

eine Periode allmahlicher aber allseitiger Losung tos als von Hellenen gelenktes und in Anspruch 

und Rationalisierung der urtiimlichen Bindungen genommenes Getreideproduktionsgebiet zu nennen 

des HeUenentums, gibt uns dann bereits fiir die (vgl. Herodot. IV 17. Imhoof-Blumer- 
in der Regel im okonomischen wie im geistigen 30 K e 1 1 e r Taf. XI 28 fiir Pantikapaion, dazu 

Sinne grundsatzlich analoge Entwicklung in der Minns Skythians and Greeks [1913] 442. 574fE. 

Antike reichere Quellenbelege an Hand, wenn Rostovtzeff Iranians and Greeks in South 

auch die weit iiberwiegende Masse unseres Nach- Russia [1922] 6 Iff. 228; Storia economica e so- 

richtenmaterials zum Thema in Schriftstellern, ciale dell' Impero Romano [1933] 307ff.), in ge- 

Inschriften und Papyri, auf Miinzen und durch ringerem, aber unzweifelhalt respektablem Um- 

archaologischen Refund nicht vor der Zeit Ale- fang auch die Kyrenaika (vgl. Broholm Bd. XII 

xanders einsetzt und nur mit Vorsicht durch S. 166ff.). 

Riickschliisse fiir die klassische Periode aus- Die verstarkte rationale Anwendung der Tech- 

genutzt werden soUte. Bemerkenswertere Pro- niken von Diingung, Brache und Fruchtwechsei 
duktionsbelege haben wir in unserem Zeitraum 40 (vgl. dazu zuletzt J a r d e 25ff . 83ff. 88ff. 01k 

fiir Boiotien (Thuk. I 2. 3. Archestr. bei Athen. Bd. I S. 267ff.), die bis zur Dreifelderwirtschaft 

III 11, 2 a; die Weizensorte rtV?^ bei Aristoph. sich emporentwickelte (vgl. gegen die Zweifel von 

Acharn. 920. 925; weiter Miinzbilder vgl. J a r d e 86 hinsichtlich der Auslegung von Xen. 

Sauciuc 35. 59f. Jarde 5. 71), Epirus oec. XVI 12 — 15 fiir Dreifelderwirtschaft in klas- 

{FouiU. d. Delph. Ill 5 nr. 3 II), Thrakien (min- sischer Zeit jetzt endgiiltig entscheidend die neue 

derwertige Getreidesorten Xen. an. V 4, 27. De- Inschrift IG IP 2493 von 339/38 v. Chr.), haben 

mosth. VIII 45ff., dazu J a r d 6 7), Thessalien wohl fiir die klassische Zeit gegeniiber den friihe- 

(Alex. bei Athen. Ill 127 d und Miinzbilder vgl. ren Perioden eine nicht geringe Steigerung der 

Sauciuc 61. Jarde 69), das das groBte von Ertragsintensitat in Hellas mit sich gebracht, die 
Hellenen bewohnte GetreideiiberschuBgebiet des 50 freilich fiir die immer starker anschwellende und 

griechischen Mutterlandes darstellte, weiter Phokis im Gegensatz zur alteren Zeit die Cerealien gegen- 

{sparliche Produktion nach Demosth. XIX 123, iiber dem Fleisch bevorzugende Bevolkerung nicht 

dazu Jarde 70), Akarnanien (Xen. hell. IV 6, 4, ausreichte, obwohl seit den homerischen Zeiten 

weiter Miinzbilder vgl. Jarde 71), Attika (mehr groBe Landstrecken batten entwaldet und unter 

Gerste als Weizen vgl. die einschlagigen Quellen- den Pflug genommen werden konnen (vgl. Jard6 

zitate ausfiihrlich bei Sauciuc 47. 57. Jarde 982. 104 sehr instruktiv zur Steigerung von Er- 

72. 81. 92. 95. 115), Elis (SGDI 1168), Phlius trag und Anbauflache des Ackerlandes im klas- 

(vgl. J a r d 6 74. S a u c i u c 63), Arkadien (Xen. sischen und heUenistischen Griechenland). 

iell. V 2, 2. J a r d 6 74), Argos (Thuk. VI 7. B. Hier sprang ein umfangreicher, die Bedeu- 
S a u c i u c 63. J a r d e 74), Lakonien und Mes- 60 tung des bodenverwurzelten Bauerntums langsam 

senien (Eurip. frg. 1068. Jard6 75. Sauciuc zuriickdrangender Kornhandel ein, oft vom Staat 

62), Kypros (ausfiihrlich Oberhummer Bd. XII besonders geschiitzt und angeregt, der im Laufe 

S. 77. S a u c i u c 68. 83. I m h o o f - B 1 u m e r- der klassischen Zeit fiir immer zahlreichere Ge- 

0. Keller Tier- und Pflanzenbilder [1889] biete des griechischen Mutterlandes zur Notwen- 

Taf. Ill 13), Lesbos (vgl. ausfiihrlich Sauciuc digkeit wurde. Vor allem in Athen, das im oko- 

65. Biirchner Bd. XII S. 2118), Euboia (De- nomischen Ablauf wie iiberhaupt die Entwicklung 

mosth. Lept. 491. Plut. Eurist. 27. Sopatr. bei fiihrend bestimmte, waren fiir den Kornhandel 

Athen. IV 160 a. Jarde 76), Korkyra (Xen. und das zugehorige Gewichts- und MaBwesen 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 27 



835 Sitos (5./4. Jhdt.) Sitos (5./4. Jhdt.) 836 

friih umfangreiche Gebaude, und Bezirke als kehr von Sizilien zum Peloponnes nach Moglich- 

Staatsspeicher, Stapelplatze Privater, Kaufborsen, keit durch Athen gesperrt bzw. umgelenkt (Thuk. 

Musterbasare und Handlerstande vom Staate III 86). Versuche der Geschiidigten, auf kriege- 

reserviert (vgl. eingehend Sauciuc 11 8f. Ha- rischem Wege zu Lande Getreide zu erbeuten, wie 

sebroek Staat und Handel 188. Syll.^ 4. etwa kurz vor Beginn der sizilischen Expedition 

Kahrstedt Staatsgebiet 45ff. und vor allem ein Raubzug Spartas und seiner Verbtindeten 

J u d e i c h Topographic von Athen^ [1931] 358ff. nach Argos stattfand (Thuk. VI 7), batten dem-^ 

364. 325ff. 448). Die Festlegung der Import- und gegentiber keine grofie Wirkung, zumal der Land- 

Exportgebiete im einzelnen ist uns fiir die klas- transport von Getreide auBerst umstandlich und 
sische Periode noch einigermafien durch quellen- lOkostspielig war. Dagegen gelang es auf diese Art 

mafiige Zeugnisse fiir Fernhandel, fast mehr noch oft, eine Schadigung der Getreideernte des Geg- 

durch solche iiber auswartige Schenkungen mog- ners sowie zeitweilige Fourage aus Feindesland 

lich. Von den Perserkriegen bis zum Ende des fur die eigenen Truppen zu erreichen (vgl. hier 

peloponnesischen Krieges scheint danach Athen fiir das 5. und 4. Jhdt. v. Chr. S a u c i u c 59. 92. 

voUig im Mittelpunkte des Giiterverkehrs der 93ff. lOlff. 134ff. Jard6 194ff.). 

Aegaeis gestanden zu haben, nicht zuletzt darum, Im 4. Jhdt. v. Chr. bis zur Zeit Philipps von 

weil es durch seine Kriegsflotte den Seeverkehr Makedonien wuchs dann der Bedarf nach Korn- 

weitgehend nach seinem Willen von schwacheren import in Hellas weiter, was die Versorgung zu- 

Staaten abzulenken imstande war (Thuk. I 120). gleich erschwerte, da die Produktion bis zum 
Aus anderen Gebieten sind im 5. Jhdt. v. Chr. 20 Alexanderzug nicht entsprechend sich erhohte. 

nur gelegentliehe Korntransporte fiir besondere Auch jetzt haben wir besonders viele Zeugnisse 

Situationen, Dauerimport und Dauerbedarf da- iiber den Kornexport nach Athen, wo nach wie vor 

gegen auBerst selten bezeugt (vgl. fiir Teos Syll.^ die umfangreichste Nachfrage bestand. Von den 

37, fiir Mytilene 428 v. Chr. Thuk. Ill 2, 2, fiir Importgebieten des 5. Jhdts. v. Chr. behielten 

Korinth von Hieron von Syrakus Athen. VI 232b), Euboia, Thrakien (Aristot. Rhet. Ill 10, 1411) und 

Dabei war fiir Athen die Insel Euboia, also ein Sizilien (Xen. oec. XX 27. Demosth. XXXII, da- 

sehr nahegelegenes Produktionsgebiet, ein beson- zu Ziebarth Seeraub u. Seehandel 5 Off.) eine 

ders wichtiges Kornimportzentrum, wo bereits gewisse Bedeutung. Im iibrigen wurde der Han- 

vor den Perserkriegen attische Kleruchen zum del weitraumiger. In verstarktem MaBe trat 
Zwecke agrarischer Ausnutzung des Landes ange- 30 Agypten hervor (IG IP 283), das vor allem iiber 

setzt worden waren (vgl. Herodot. V 77. Aristoph. die IJmschlagsplatze Rhodos (Lykurg Leokr. § 18) 

Vesp. 715ff. Thuk. VII 28. VIII 4. 96, zum Ver- und mit Eigenproduktion der Insel zusammen 

kehr Attikas mit Euboia auch IG P 40, weiter iiber Kypros (Andok. redit. 20f. IG IP 283. 

Sauciuc 85. 96. Jard4 194, 1. Hase- Friedlander Art. Tot^iog "Ny. 5 Bd. I A 

b r e k Staat u. Handel im alten Griechenland S. 1003) den attischen Einfuhrbedarf bis zu einem; 

[1928] 147f. = Trade and Politics in ancient gewissen Grade befriedi^e. Der Pontes dagegen 

Greece [1933] 137f.). Auch vom Peloponnes iiber wurde jetzt zum wichtigsten Kornexportland fiir 

Thera (?) wurde mitunter Korn nach Athen ge- den Staat Athen, wie durch Sonderbeziige fiir 

bracht (IG P 31). Der Kornverkehr von Sizilien einzelne seiner Burger (Demosthenes), so daB 
und Italien nach Athen hatte besonders in der 40 auch weitgehende politische Bindungen gegen- 

erf olgreichen Anfangsperiode der sizilischen Ex- iiber den bosporanischen Herrschern von der Polls 

pedition einen Intensitatszuwachs zu verzeichnen um der Versorgung willen eingegangen wurden 

(Thuk. Ill 86. VI 103. VII 14. 25. 33. 57; Athen. (vgl. ausfiihrlich Sauciuc 104. 129ff. Xen. oec. 

1 27. Demosth. 56, 9 ist von H a s e b r o e k Staat XX 27. IG IP 212 == Syll.s 206; Isokr. Trap. 42. 

u. Handel 158; Trade and politics 146 irrig inter- Demosth. XX 29—40. XXXIV 36. L 19f. Din- 

pretiert worden. Vgl. Ziebarth Seeraub u. arch, in Demosth. 43. Strab. VII 4, 6). Vom 

Seehandel im alten Griechenland [1929] 128). Pontos her versorgten sich auBerdem nach den 

Eine groBe politische Schenkung von 30—40 000 Zeugnissen durch friedlichen Verkehr, Vertrag 

Medimnoi Weizen kam 445/44 v. Chr. durch einen mit den Exportmachten oder auch politisches see- 
Psammetichos von Libyen nach Athen (Philocho- 50 rauberhaftes Eingreifen Kalchedon, Kyzikos, My- 

ros ap. Schol. Aristoph. Vesp. 718. Pint. Perikl. tilene, Byzanz, Alkanthes, Klazomenai, Maroneia, 

37. Vgl. dazu zuletzt Busolt-Swoboda I Thasos, Stryme und Herakleia (Sauciuc 133. 

432. Sauciuc 86. Gomme Population of IG XIP nr. 3 =, Syll.^ 212. [Aristot] oec. II 

Athens [1933] 16f.). Von Phoinikien konnte eben- 2, 3. 10. 16. van Groningen Aristote, le 

falls mitunter Import von Getreide stattgefunden second livre de I'economique [1933] 65f. 92f. 

haben(vgl. Sauciuc 69 zuAischyLSuppl. 533. 112f. Demosth. V 25. XXXIV 36. L 6, 20). 

Thuk. II 69. VIII 35, 2f.). Privateinkiinfte an Ein wichtiges Exportland wurde Thessalien, das 

Korn flossen selbst wahrend der Spatzeit des pelo- aber hauptsachlich nur fiir Stadte und Armeen 

ponnesischen Krieges vom thrakischen Cherson- des Nachbarlandes Boiotien in Betracht kam 
nesos in die Stadt (Lys. XXXII 15). Der Bospo- 60 (Xen. hell. V 4, 56. VI 1, 11). Von nicht sehr 

rus wurde durch Athen iiberwacht und gesperrt. erheblichen und meist kurzlebigen Einzelvor- 

Die Getreideflotten des Pontos kamen schlieBlich gangen im Kornverkehr des 4. Jhdts. v. Chr. 

nur Staaten, wie z. B. den Methonaern, zugute, ist weiter noch Export von Epirus nach Delphi 

denen der attische Demos ausdriicklich unter Vor- (Fouill. d. Delph. Ill 5 nr. 3. II 1 — 24 =: Syll.^ 

schrift eines schriftlichen Eingabeverfahrens die 239 B II), von Smyrna und wohl benachbarten 

Versorgung von Byzanz her erlaubte (Syll.^ 75 Orten nach Klazomenai (von Athen freigegeben 

= IG P 57, dazu Sauciuc 93f.). Ebenso IG IP 28 = Syll.^ 136), von Mantinea nach Argos 

wurde im peloponnesischen Krieg der Kornver- (Xen. hell. V 22), von Kilikien nach Kypros (Died. 



837 Sitos (5./4. Jhdt.) Sitos (5./4. Jhdt.) 838 

XV 3. Sauciuc 104), von Korinth nach Phlius und Backerei dagegen, gern mit Landwirtschaft 
(Xen. hell. VII 2, 17, dazu Jarde 73. 193), 395 verbunden und dadurch verwurzelt, waren siche- 
V. Chr. Getreideexport von Agypten zur Versor- rer und weniger spekulativ initunter groBe Sum- 
gung der gegen Persien fechtenden spartanischen men zu verdienen (vgl. Xen. mem. II 7, 6). 
Armee iiber Rhodes (Died. XIV 79. S a u c i u c In der Zeit des Demosthenes, also zu Ende 
103), Fourage der attischen Hellespontflotte in der Periode, ist indessen, trotz aller Unsicherheit 
Lemnos (Demosth. XVIII 77. S a u c i u c 80) oder und des standigen groBen Risikos die nach Attika 
in einer Zeit besonderen Getreidetiberflusses Ex- importierte Getreidemenge, wie vermutlich be- 
port von Selymbria zu buchen ([Aristot.] oec. II 2, reits im 5. Jhdt., alles andere als gering, iiber die 
17. Groningen 119f.). Der Getreideverkehr 10 wir allein von alien Importlandschaften der Klas- 
erscheint dabei in seiner Struktur verhaltnismafiig sik in der antiken Literatur erfreulicherweise 
ungefestigt und hatte standig unter starken Hem- zahlenmaBige Angaben finden. Demosth. XX 31 ff. 
mungen zu leiden. Politische MaBnahmen, Ver- spricht nach der iiblichen Interpretation seiner 
trage und Gesetze (vgl. IV D) lenkten grofie Giii- Ausfuhrungen von einem regularen Import nach 
termengen vom kiirzesten Weg zum rentabelsten Attika von nicht weniger als 800 000 Med. pro 
Verbraucher ab. Die antiken Nachrichten iiber Jahr, davon 400 000 aus dem Pontes. Ist diese 
das Geschaftsgebaren des Getreidehandels im Zahl auch ernsthaft sowohl als zu hoch, wie als 
4. Jhdt. V. Chr. sind in dieser Hinsicht inter- zu niedrig angezweifelt worden, ohne daB wir 
essant genug. Danach wird der Fernhandel mit quellenmafiig oder philologisch ein endgiiltiges 
Korn damals zwar von den Emporoi sehr gerne, 20 Urteil abzugeben vermochten, so daB nicht zuviel 
ja bevorzugt betrieben (vgl. hieriiber Xen. oec. speziale Berechnungen an sie angeschlossen wer- 
XX 27. Ziebarth Seeraub u. Seehandel 73 den soUten, so bietet sich uns doch hier jeden- 
gegen Hasebroek Staat u. Handel 159 = faUs eine instruktive Illustration des Importvolu- 
engl. Ausg. 146). Indessen ist er nichtsdesto- mens Athens im 4. Jhdt. v. Chr. Vgl. sehr kri- 
weniger noch recht regellos. Festen Routen vom tisch und verstandig hier J a r d 6 140ff. A n - 
Exportland nach einem standigen Importhafen dreades I 258. 31 8f. Sauciuc 511 110. 
werden wechselnde Entladungsorte je nach der 129ff. G o m m e Population of Athenes (1933) 
zu erwartenden Hohe des Erloses vorgezogen (Xen. 28ff. 32ff. mit der alteren Literatur, weiter erheb- 
oec. XX 27), soweit nicht, wie in Athen, hier Ge- lich zu vertrauensvoU S c h w a h n Rh. Mus. 
setze, deren Grund durch solche Handelsgewohn- 30LXXX 260. Fiir 1 600 000 Med., davon 800 OUO 
heiten verstandlich wird, energisch eingriffen (vgl. aus dem Pontes, pladiert in scharf sinniger philo- 
Abschn. IV D). Fernhandler {sf^iJioQoi) und an- logischer Interpretation der Demosthenesstelle 
sassige GroBhandelskaufleute {KanrjXoi, pitoTzcolai, Kocevalov Die Einfuhr von Getreide nach 
aQtoniblai) sind beruflich streng getrennt. Ge- Athen, Rh. Mus. LXXXI 321 ff., wobei fur sein 
legentlich .organisieren sich beide Gruppen jeweils Ergebnis immerhin sachlich spricht, daB die von 
zu eigenstichtigem monopolist! schen Ringen, so K. nicht herangezogenen fruhhellenistischen Be- 
daB der Staat auch hier einen Riegel vorschieben volkerungszahlen von Attika unter Demetrios von 
muB (Lys. XXII. Heichelheim Art. Mono- Phaleron bei Athen. VI 272 c unter Einrechnung 
pole Bd. XVI S. 148, weiter ausfiihrlich auch einer attischen Normalproduktion von ca. 400 000 
Sauciucll9— 128.IGP444undAbschn.IVD).40bis 700 000 Med. (vgl. Jard6 48ff. und Ab- 
Bezeichnend fiir die Stellung der Periode zum schnitt V A) mit der von ihm angesetzten Import- 
Gelderwerb, liberwiegen die Metoken die Politen menge zusammengenommen gegen nahezu die bis- 
nicht nur bei den haufig ihren Aufenthaltsort herige communis opinio der Forschung nun voUig 
wechselnden Emporoi, sondern auch bei den an plausibel erscheinen (vgl. hier iiberhaupt B e - 
einem Platze festansassigen Sitopolai (H o m - loch Die Bevolkerung der griechisch-romischen 
melBd. XV S. 1449ff. Hasebroek Staat u. Welt 87ff. Busolt-S w ob o da 166. 758ff. 
Handel 21, engl. Ausg.' 22). Eigenkapital tritt 1579. 1584. Andreades I 303ff. Sauciuc 
bei alien IJnternehmungen des klassischen Fern- 158ff. Jard6 140ff. Gomme 18ff. 33. Ehren- 
und Nahhandels mit Korn gegeniiber Darlehens- berg Griech. u. hell. Staat 13. 61). 
kapitalien im Geschaftsbetrieb zuriick (so mit 50 C. Entsprechend der Unsicherheit und des Ri- 
Recht, wenn auch etwas uberspitzt, Hasebroek sikos des Getreidefernhandels horen wir nicht nur 
Staat u. Handel 7 = engl. Ausg. 7 auf Grund aus Kriegszeiten von groBen Preisschwankungen 
von Demosth. XXXIV 51. Lys. XXII 13. 21), (vgl. Aristoph. Ach. 758f. Lys. XXII 12ff. [Ari- 
wenn nicht etwa einmal ein groBer agrarischer stot.] oec. II 2, 7. 14). Die uns tiberlieferten Ge- 
Kornproduzent auch den Export mit eigenen treide- und Mehlpreise freilich (vgl. VII B), liber- 
Schiffen selbst in die Hand nahm, ein Typ, der im wiegend aus Athen herriihrend, f olgen nicht dicht 
Hellenismus dann haufiger wurde (vgl. fiir einen genug aufeinander, um uns solche Schwankungen 
bosporanischen Feudalherrn dieser Art Isokr. zahlenmaBig prazis illustrieren zu konnen. Aus 
Trapez. 42). Versuche, den Geldgeber oder auch ihnen ist allein zu lernen, daB im 5. Jhdt. v. Chr. 
den Darlehnsnehmer zu hintergehen, von denen 60 gegeniiber der Zeit Solons und noch einmal, dies- 
die ersteren darum moglichst Vertreter an Bord mal um etwa das Doppelte, im 4. Jhdt. gegeniiber 
der Kornschiffe behielten, waren nicht selten (vgl. dem 5. Jhdt. eine starke Preissteigerung zu beob- 
etwa das nicht gerade erfreuliche Bild bei De- achten ist, offenbar auf eine gegeniiber dem An- 
mosth. XXXII, dazu M i 1 1 e i s Ztschr. Sav.-Stift. gebot stark angewachsene Nachfrage nach Korn 
XXIII 288ff. F. Bring sheim Der Kauf mit von seiten der sich verstadternden hellenischen 
fremdem Geld [1916] lOff. M. CI ere Massalia Bevolkerung zuriickzufiihren. 
I [1927] 301 ff. Z i e b a r t h Seeraub u. Seehandel D. Spezielle steuerliche Belastung fiir Korn- 
50ff.). Mit der immerhin banausischen Miillerei produktion und Kornhandel iiber allgemeine wei- 



839 Sitos (5./4. Jhdt.) Sitos (5./4. Jhdt.) 840 

tergehende Steuern hinaus (vgl. etwa zum atheni- groBer Getreidemengen, die, nicht selten unter 

schen ayoQaoxtTcov Schwahn Bd. VA S. 244, Anwendimg von Finanzknifien, teils uninittelbar 

zu Zollen auf den Giiterverkehr Schwahn durch den Staat zu liefern waren, teils gegen 

Bd. VA S. 255ff. SauciucllS. Andreades Geldzahlungen lebensnotwendig bei Staatshand- 

I 149. 313ff. 315ff., zu den wie unter Peisistratos lungen und fiir Staatsinstitutionen auf dem freien 

[vgl. Ill] allgemein fiir alle Bodenprodukte Markt beschaSt werden muBten. Hierher gehor- 

gleichmaBig erhobenen und meistens adarierten ten die Naturalopfer fiir die Gotter, f/.io'd'og und 

Grundsteuern Schwahn Bd. VAS. 251f. 255. oarjQsoiov der Soldaten, Staatsarbeiter, Staats- 

Andreades I 437), begegnet in den Quellen funktionare und des Demos fiir echte und fiktive 
fiir die klassische Zeit sehi selten, da der Staat 10 Funktionen, weiter die aus der alteren Zeit als 

tiberall ein Interesse an moglichst hohen, ihm aus Beamtentafel und als Ehrung Einheimischer und 

Landwirtschaft und Giiterverkehr zur Verfiigung Fremder sich erhaltende Speisung im Prytaneion, 

stehenden Kornbestanden hatte und durch wirt- dazu mancherlei Sonderaufwendungen im Kriegs- 

schaftliche Vorteile zu ihrer Vermehrung nach fall (vgl. Schulthess Art. Miod'og Bd. XV 

Kraften anreizte. Nur Lampsakos scheint einmal, S. 2078ff.; Art. Hityjqsgiov Bd. Ill A S. 382ff.; 

wohl zu Ende des peloponnesischen Krieges, durch Art. 2 It?) a ig S. 388ff., dazu Andreades I 

eine monopolistische Kornverkauf ssteuer von 50^/o 241ff. 253. 256. 259. Groningen 861 153f. 

die Nahe einer groBen Flotte fiir den Staatssackel 154f. 156f. 165f. 169f. 176f. 202. K a h r s t e d t 

ausgenutzt zu haben (vgl. zu [Aristot.] oec. II 2, 7. Staatsgebiet 193ff. 264. 334fE. 344: J a r d e 72. 
Groningen 83. Heichelheim Bd. XVI S. 155. 20 78. 128ff. 159. 164ff. 178ff. 183fi[. Sauciuc 33. 

Sauciuc 194f. Jarde 177). AuBerdem bestanden 47. 91ff. lOlff. 134ff. Guarducci Riv. di fil. 

die im Abschnitt III besproehenen Naturalsteuern N. S. XI [1933] 230ff., fiir Naturalopfer s. z. B. 

in einer Anzahl von Staaten archaisch-gebundenen IG P 839. 842 C. Syll.^ 998. 1032, ein reiches 

Geprages fort. Sonst ist fiir unsere Zeit fast nur Quellenverzeichnis bei Sauciuc 18ff.). Endlich 

die halbstaatliche Aparche der Athener fiir den erfolgten in Notzeiten und aus innerpolitischen 

Tempel von Eleusis belegt, die wohl zahlreiche Griinden ofter Getreidespenden an die Biirger- 

Analogien in anderen Landschaften hatte (vgl. massen, umsonst oder stark verbilligt, sog. ono- 

III unter anderem fiir Delos, Troizen und vor doolai (vgl. Schulthess Bd. Ill A S. 395ff. 

allem Kreta) und speziell in Athen in ihrer klas- Jarde 177f. W i 1 h e 1 m SiropustQia, Mel. Glotz 
sischen, vom Staate beaufsichtigten Regelung zu-30II [1932] 899ff. Kahrstedt Staatsgebiet 199), 

gleich mindestens faktisch als bis zu einem ge- fiir die freilich vorhellenistische Zeugnisse ver- 

wissen Grade die abgeschwachte Nachfolgerin der haltnismaBig sparlich gesat sind (Poll. VIII 103. 

nach dem Sturz der Peisistrati den nicht mehr fiir Demosth. XX 32f. Aristoph. Eccl. 422ff.; Vesp. 

den Staat erhobenen alteren Naturalabgabe von 715fE. Thuk. Ill 27). Fiir alle diese Zwecke wur- 

5 — 10% betrachtet werden konnte (ahnlich an- den groBe Staatsspeicher bereit gehalten (Thuk. 

scheinend in kretischen Stadten vgl. III). Die VIII 90. 5. Schol. Aristoph. Eccl. 103. Demosth. 

Aparche betrug gemaB den Beschliissen des atti- XXXIV 37. Sauciuc 118. Judeich Topo- 

schen Demos, die in Einzelheiten im Laufe unse- graphic v. Athen^ 364. 448). 

res Zeitraumes Korrekturen erfuhren, mindestens Zur Deckung des Staatsbedarfes spielten da- 
i/e % fiir die Gersten-, 1/12 ^k f^ir die Weizen- 40 bei, soweit wir sehen, in klassischer Zeit Staats- 

produktion (IG I^ 76 == Syll.3 83. IG IP 140). domanen resp. vom Staate abhangige Tempel- 

Nicht-attische Gebiete beteiligten sich auf Grund domanen durch ihre unmittelbare Produktion 

eines Athen freundlichen delphischen Orakelspru- keine allzu bedeutende Rolle (vgl. allgemein hier 

ches freiwillig (Isokr. IV 31). Verschiedentlich Weiss Art. KollektiveigentumBd. XI 

sind hier bereits aus der Zeit vor Alexander in- S. 1078ff. Schulthess Art. Mlcd'cootg 

schriftlich uns Abrechnungen iiber die Verwal- Bd. XV S. 2095ff. S c h w a h n Art. T e 1 e Bd. V A 

tung der Aparche von Eleusis erhalten, wenn S. 235ff. Latte Art. Temenos Bd. VA 

auch zu unvoUstandig, um darauf Einzelunter- S. 435ff. Kahrstedt Griech. Staatsrecht I 

suchungen zu basieren (IG P 311. IP 1686 B, 345ff.; Staatsgebiet 6f. 48f. 244. 297; dazu fiir 
von F e r g u s n The treasurers of Athena [1932] 50 unsere Periode Kohler-Ziebarth Stadtrecht 

c. 8f. indessen sehr geistvoU als teilweise natu- v. Gortyn [1912] 38f. IG2 II 2492. 2493. Glotz 

rale Notzahlung fiir die Diobelie von 405/04 Le travail dans la Gr^ce ancienne [1920] 305. 

V. Chr. gedeutet. Vgl. iiberhaupt Busolt- Sauciuc 21. Jard6 1— 83. 115ff. 145— 156. 

Swobodall 1104. 1588. J a r d 6 36fE. 42. 95S. 159ff.). Fast allein die Inschrift D a r e s t e Re- 

Sauciuc 21. 89. Andreades I 202ff. cueil inscr. jurid. grecques I (1891) 256 = SGDI 

G m m e 28ff. Kahrstedt Staatsgebiet 17. 1168 ist hierher zu stellen, wo fur ein Grundstiick 

193. 349. 352. 357). Auch in Syrakus bestand jahrliche Naturalpacht in Gerste vom Staat oder 

eine wohl ursprunglich der attischen verwandte von einem Tempel ausgemacht ist, die nicht ada- 

Aparche, die zu Anf ang Barbarenstammen als riert wird, wie das sonst in der Regel infolge Vor- 
Symbol ihrer Zugehorigkeit zum syrakusa- 60 dringens der Geldwirtschaft im 5. — 4. Jhdt. der 

nischen Reich auferlegt war (Thuk. VI 20), unter Fall ist. (In IG P 91f., das er veraltet als CIA 

der Tyrannis des alteren Dionysios aber in I 32 zitiert, sieht Schwahn Bd. VA S. 237 

dem gewaltigen, von diesem Vorlaufer des Hel- irrig ein Zeugnis fiir Naturalpacht.) 

lenismus zusammengeschweiBten Flachengebiet Kornspenden von Auslandern und Einheimi- 

auBerhalb der Poleis groBe staatswirtschaft- schen dagegen werden in Schriftstellern und auf 

liche Bedeutung erhielt (vgl. Andreades II Inschriften haufiger auch bereits fiir die vorhelle- 

[neugriech.] 153). nistische Zeit berichtet, wobei die Zahl der je- 

Die griechischen Staaten bedurften standig weils empfangsberechtigten Biirger sehr genau 



841 Sitos(5./4.Jhdt.) Sitos (5./4.Jhdt.) 842 

kontrolliert werden muBte. So horen wir iiber Sauciuc 93. 108ff. Semple 359flf.). Trans- 

Spenden an Athen im 5. Jhdt. von einem Theraer porte in Staatsregie zu Land (Fouill. d. Delph* 

(IG P 31), von Psammetichos (vgl. IV B), an Ko- III 5 nr. 3 II 24) und See ([Aristot.] oec. II 2, 

rinth von Hieron von Syrakus (vgl. IVB), im 16. Groningen 112f.) sind dagegen nicht 

4. Jhdt. von den bosporanischen Herrschern (IG allzu haufig. Man tiberlieB hier wohl gerne einen 

IP 212. Demosth. XX 30ff. Strab. VII 4, 6. Teil des Risikos der Gesamtunternehmung pri- 

Sauciuc 129ff.), von einem kyprischen Herr- vaten Handlern. 

scher (vgl. Art. TolKog Nr. 5 Bd. I S. 1003). Wo die freie Versorgung nicht ausreichte, 

Kornspenden und Forderung des Korntransportes griff man versehiedentlich zu gesetzlichen Rege- 
in die Stadt galten demgemafi vor attischen Rich- 10 lungen. Bereits Solon hatte fiir Attika ein Korn- 

tern als gtinstiges Moment fiir einen Angeklagten ausfuhrverbot erlassen (vgl. III). In klassischer 

oder Klager (Demosth. XXXIV 38). In den iibri- Zeit wurde aufierdem in Athen das Problem der 

gen griechischen Poleis lagen ahnliche Bedtirf- jeweiligen Kornversorgung zum standigen Tages- 

nisse vor. So erhielt im 4. Jhdt. Delphi von ordnungspunkt der ersten Ekklesia in jeder Pry- 

Epirus eine Gerstenspende (Syll.^ I 239 B II = tanie gemacht (Aristot. Ath. Pol. 43, 4), iiber- 

Fouill. d. Delph. Ill, Fasc. 5 nr. 3 II 1 — 24). In haupt in der Literatur als besonders wichtig fiir 

Byzanz liehen Metoken dem Staate fiir Kornan- die Staaten betrachtet (z. B. Xen. mem. Ill 6, 3ff.; 

kaufe Gelder ([Aristot.] oec. II 2, 3, dazu G r o - vect. Ill 3f ., weitere Angaben Sauciuc 7f. 

n i n g e n 65ff. R i e z 1 e r Finanzen u. Monopole 48ff.). Athenern und Metoken wurde bei Todes- 

im alten Griechenland 14f.). In Klazomenai wurde 20 strafe verboten, Korn anderswohin als nach 

als Zwangsanleihe die Olernte der Biirger vom Athen zu dirigieren bzw. Schiffsladungen zu be- 

Staate exportiert und von der auf die Ladungen leihen, wenn nicht als Riickfracht Getreide nach 

aufgenommenen Hypothek das notige Importkorn Athen vorgesehen wurde. Kornschiffe, die die 

finanziert ([Aristot.] oec. 112, 16, dazuRiezler Hafen Attikas anliefen, durften nur ein Drittel 

20ff. Groningen 11 2f. Hasebroek Staat ihrer Getreideladung evtl. im Durchgangsverkehr 

u. Handel 160 = engl. Ausg. 147f. Ziebarth zu auswartigem Absatz wieder mit sich nehmen, 

Seeraub u. Seehandel 60ff. 128). Kriegslieferun- alles ein Korrektiv der f ruber IVB von uns be- 

gen von Mantinea nach Argos und von Korinth sprochenen geringen Stetigkeit und staatsgefahr- 

nach Phlius werden Xen. hell. V 2, 2. VII 2, 17 lichen Spekulation im Kornhandel dieser Zeit 

berichtet. Die schenkweise zur Verfiigung gestell- 30 (Demosth. XXXIV 37. XXXV 50ff. LVI 10. Lyk. 

ten Mengen waren in Ausnahmef alien mitunter Leokr. 27. Aristot. Ath. Pol. 51, 41, dazu 

so umfangreich, daB der Staat den tlberschuB Sauciuc 94. Ill ff. Andr eades I 259. Zie- 

iiber den Bedarf seiner Biirger auf dem heimi- barth Seeraub 60. 67. 11 9f. Hasebroek 

schen oder fremden Markte lukrativ verkaufte. Staat u. Handel 162. 176ff. = engl. Ausg. 149f. 

Wir horen das von Athen (Demosth. XX 33. IG 163ff. S c h w a h n Bd. V A S. 257—259. K a h r- 

P 334, 8ff., dazu Hasebroek Staat u. Handel s t e d t Staatsgebiet u. Staatsangehorige in Athen 

161 = engl. Ausg. 148). Ihnlich niitzte Selym- [1934] 168S.). Machtlose Staaten, wie Teos, 

bria gelegentlich Getreidemengen aus, die sich im muBten sich demgegeniiber mit religiosen Fliichen 

Lande ansammelten, well infolge einer vorher- solchen Leuten gegeniiber begniigen, die die Ge- 

gehenden Zeit des Mangels ein Ausfuhrverbot 40 treideeinfuhr behinderten (Syll.^ I 37f . Bd. V A 

noch in Kraft war. Die Polls nahm zu einem S. 568. Sauciuc 198. Hasebroek Staat u. 

maBigen Zwangspreis den UberschuB ihren Biir- Handel 162; engl. Ausg. 149). Ein kurzlebiges 

gern ab, hob dann das Ausfuhrverbot auf und Kornexportverbot, das vom Staate dann lukrativ 

verkaufte die Staatsbestande an Exporteure mit ausgenutzt wurde, ist von uns bereits oben fiir 

groBem Gewinn ([Aristot.] oec. II 2, 17, dazu Selymbria angefiihrt worden. In Athen war auBer- 

mit alterer Literatur. Groningen 11 9f. dem zeitweise wohl auch die Handelsspanne fiir 

Heichelheim Bd. XVI S. 155. S c h w a h n den Zwischenhandel mit Korn und Mehl staatlich 

Bd. V A S. 259. Hasebroek Staat u. Handel festgesetzt und den Kapeloi, um starken Preis- 

160f. = engl. Ausg. 148). Herakleia gar beutete fluktuationen vorzubeugen, verboten, mehr als 

in einem Kriege durch ein auch auf Korn sich 50 50 Phormoi pro Firma auf einmal aus dem tag- 

beziehendes Verkaufsmonopol seine eigene aus- lichen Marktangebot zu entnehmen (Lys. XXII 

warts fechtende Armee aus (Bd. XVI S. 155; 6, 8, dazu Jar de 177, 3. Sauciuc 114. 115ff. 

Bd. VA S. 260). 119ff. Kahrstedt Staatsgebiet 181). Dazu trenn- 

Eine wichtige Stelle in der Kornpolitik der ten sich in Athen und bald auch anderswo als 

klassischen Polls nimmt weiter die oixonofAnia standige Behorde die oitocpvXaTteg speziell fiir den 

ein, deren Aufgabe der Schutz der privaten Korn- Verkehr mit Korn und Mehl von den allgemeiner 

flotten durch Kriegsschiffe gegeniiber Piraten war. sich betatigenden Agoranomoi und den kfAnoQiov 

Hier lag ein politisch eminent wirksames pan- imf^sXrjral los und erhielten auBerordentlich weit- 

hellenisches nobile officium der seemachtigen Po- gehende und sich steigernde Machtbef ugnisse. Bei 

lis Athen im 5. — 4. Jhdt. v. Chr. vor, fiir das 60 dieser Behorde, von deren GroB- und Kleinhandel 

diese aus Griinden der Ehre wie der praktischen mit Korn beaufsichtigender Tatigkeit wir im 

Notwendigkeit alle Kraft einsetzte, bis Philipp 4. Jhdt. v. Chr. iiberhaupt ofter horen, muBten 

von Makedonien ihr das Korngeleit mit Erfolg vor allem alle nach Attika eingefiihrten Korn- 

streitig machte (vgl. an Zeugnissen Thuk. VIII 4. transporte angemeldet werden (vgl. Thalheim 

Xen. hell. V 4, 61. Diod. XV 34. Demosth. VIII Art. 2 it<)(pv Xa^tsg Bd.IllA 8. 399. J a r d 6 

24ff. XVIII 73ff. 87. 241. L 17f!. Hasebroek 177. S auciuc 39. 94. 112. Busolt-Swo- 

Staat u. Handel 161ff. = engl. Ausg. 148S. b o d a 431. 433. 492. 1119H. W. G o e t z Die Zahl 

Ziebarth Seeraub u. Seehandel 68f. 140. der a<ro(^^Aa?;f? in Athen, Klio XVI 187ff. An- 



843 Sitos(5./4.Jhdt.) Sitos (Hellenismus) 844 

dreades I 226. 259. Hasebroek Staat u. Handel falls nicht abnehmende, vielleicht noch welter 
162, engl.Ausg. 150. ZiebarthSeeraubGl.Kahr- wachsende Bevolkerung sich eine ausreichende 
s t e d t Staatsgebiet 181). Den Primat aber unter Kornzufuhr auch ohne GroBmachtstellung sichern 
den KornbeschaffungsmaBnahmen der griechischen zu konnen, haufiger zu in f eierlichen Inschritten 
Foleis hatte, wie zu alien Zeiten, das politische der Nachwelt aufbewahrten Ehmngen, auch Me- 
Mittel im engsten Sinne. Athen lenkte im 5. Jhdt. toikieverleihungen (vgl. die seiner Zeit voraus- 
V, Chr. durch seine seebeherrschende Kriegsflotte eilenden Vorschlage Xen. vect. 3, 4, dazu die 
den Kornhandel des hellenischen Mutterlandes Analyse von K. v. der L i e c k Die xenophontische 
und der Aegaeis moglichst in erster Linie nach Schrift von den Einkunften, Koln 1933, 41, 
Attika und schuf so hier voUig neue Verhaltnisse 10 aufierdem Lys. XXII 17) und noch mehr zu poli- 
fiir die Ernahrung des dichtbevolkerten Gebietes. tischen Vertragen auf der Basis der Gleichberech- 
Am Hellespont saBen Wachen TJXlr]07tovroq?vXa- tigung greifen miissen. Fiir Ehrungen dieser Art 
>{sg. Ihnen muBten Stadte, denen von Athen ein sind im 5. Jhdt. bisher nur wenige Zeugnisse zu 
Anteil am pontischen Kornimport gestattet war, belegen (IG P 31 ; spat [Lys.] VI 49 von 406/05 
z. B. Methone (IG P 57 = Syll.^ 75 und Thuk. v. Chr., wofurGetreideimport an^eVoidieMetoikie 
III 2, 2, dazu Hasebroek Staat u. Handel gegeben wird). Auch in der Periode vor Alexan- 
155, engl. Ausg. 143. Sauciuc93f. Andrea- der hat man sich immerhin bei ihnen noch mit 
d e s I 324) mindestens in der spateren Zeit des wenigen Ausnahmen (IG 11^ 283, wo aber noch 
attischen Reiches durch schriftliche Eingaben die weitere groBe Verdienste vorliegen; vgl. dazu 
Entnahme der erlaubten Mengen auf burokrati- 20 Z i e b a r t h 18. 104. Saucius 144) auf die 
schem Wege zur Genehmigung anmelden. Andere Herrscher des bosporanischen Reiches beschrankt, 
Stadte, wie anscheinend Aphytos waren durch be- die fur das ihnen verliehene attische Burgerrecht 
sondere Beschltisse auf die attischen Getreide- und mancherlei sonstige Auszeichnungen ihrer- 
hafen selber angewiesen (IG P 58). Megara um- seits fiir ihre Hafen Steuerfreiheit beim Auslaufen 
gekehrt wurde vor Beginn des peloponnesischen und Praferenz beim Einkauf fiir alle attischen 
Krieges restlos von der Versorgung aus den der Kornschiffe gewahrten und die dariiber hinaus 
attischen Aufsicht unterstehenden Hafen ausge- schenkweise zahlreiche Spenden machten (IG IP 
schlossen (Thuk. I 67, 4. 139, 1. 144, 2. Sauciuc 212 =: Syll.3 206. Demosth. XX 29ff. XXXIV 36. 
91). Noch bei den vergeblichen Versuchen Athens Hasebroek Staat u. Handel 119ff., engl. Ausg. 
im friihen 4. Jhdt. v. Chr., die alte GroBmachts- 30 113ff. Laqueur Epigraphische Untersuchungen 
politik wieder aufzunehmen, linden wir ahnliche 58ff. Ziebarth 64ff. S c h w a h n Rh. Mus. 
planmaBige Zuteilungen von Korn an Bundes- LXXXI 41 f. LXXXII 262). Ahnliche, nur nicht 
genossenstadte, wie aus IG IP 28 == Syll.^ 136, so weitgehende, Privilegien bestanden im Pontos 
einem BeschluB fiir Klazomenai hervorgeht. Eben- fiir Mitylene (IG XII 2, 3 =: Syll.^ 212. Hase- 
so wurde noch zu Ende der klassischen Periode broek Staat u. Handel 121, engl. Ausg. 115. 
Andros IG XII 5, 714 (vgl. dazu Sauciuc Ziebarth 6Q). Die schamlose Schmeichelei 
Athen. Mitt. XXXVI Iff.) von der attischen Vor- durch Ehrendekrete selbst gegeniiber kleinen Ex- 
macht mit billigem Getreide aus politischen Grun- porteuren, beginnt, soweit wir sehen, dann erst 
den versorgt (vgl. auch IG IP 133 = Syll.^ 199, richtig mit der Zeit Alexanders, wo ein neues oko- 
Sauciuc 93. 96 und zur Frage einer attischen 40 nomisches Zeitalter seinen Anfang nimmt, in dem 
,Kornplanwirtschaft' in der Aegaeis des 5, — 4. Jhdts. die Foleis hinter den Flachenstaaten dauernd zu- 
V. Chr. zuletzt Ziebarth Seeraub 60, der frei- rlicktraten und unter ihre Hegemonie fast zwangs- 
lich das eigenstichtige Interesse der attischen Po- laufig gerieten. Bereits mit Chaironeia ist die 
lis an einem solchen Vorgehen meines Erachtens attische auf eine starke Seemacht sich sttitzende 
zu altruistisch ausdeutet, welter Bonner Com- Kornpolitik bis auf kurzlebige Erneuerungsver- 
mercial policy of imperial Athens, Class. Fhilol. suche zu Ende (IG IP 682 == Syll.s 409. IG 
XVIII 196). Analoge ZwangsmaBnahmen werden IP 360 = Syll.^ 304). Die Zufuhr ist von nun 
von Rhodes, Byzanz, Kalchedon und Kyzikos in an immer wieder politischen Storungen durch 
kleinerem MaBstab aus dem 4. Jhdt. berichtet, die fremde Staaten ausgesetzt, unter denen sofort in 
Kornschiffe zu sich hinzwangen, deren sie bedurf- 50 der tJbergangszeit zwischen Philipp und Ale- 
ten (vgl. [Aristot.] 'oec. II 2, 3. Demosth. V 25. L 6. xander Rhodes erscheint, das im 3. — 2. Jhdt. 
Lykurg. Leokr. 18, dazu Groningen 65f. Riez- schlieBlich in abgeschwachter Form die impe- 
ler 14. Hasebroek Staat u. Handel 156, engl. riale Kornpolitik Athens noch einmal aufnehmen 
Ausg. 144). Auch die Ausbreitungsbestrebungen soUte (Lykurg. Leokr. 18, dazu Ziebarth 46. 
Athens nach Kypros (Sauciuc 831) und Sizilien Hasebroek Staat und Handel 156). Selbst 
im 5. Jhdt. hatten das Streben nach einer fiir das fiir Athen so wichtige Getreideimportgesetz, 
die Stadt gunstigen Regelung des Kornproblems das die von attischen Biirgern und Metoken 
mehr oder weniger ausgepragt zum Hintergrund beeinfluBbaren Kornschiffe und Seedarlehen auf 
(Thuk. Ill 86). Von den attischen politischen Vor- Korn in den attischen Import konzentrierte, ist 
stoBen nach Agypten und in den Pontos hinein, 60 in dieser Zeit obsolet geworden, wie aus [De- 
sowie von manchen Einzelunternehmungen des mosth.] LVI von ca. 323 v. Chr. unzweideutig 
peloponnesischen Krieges, hat man welter oft ge- hervorgeht (vgl. Ziebarth 52f . Kahrstedt 
nug, mitunter sicherlich iiberspitzt, ahnliches ver- Staatsgebiet 168 laBt zweifelnd das Gesetz iiber- 
mutet, ohne daB hier antike Quellenzeugnisse haupt nur fiir Kriegszeiten gelten). 
voile Sicherheit gewahrten (vgl. dariiber zuletzt V. Die Zeit von Alexander bis Caesar bedeutete 
Sauciuc 93ff. Andreades I 299. Z i e - unzweifelhaft fiir die Antike eine ahnliche Wirt- 
barth 59). Im 4. Jhdt. hat dann auBerdem das schaftsrevolution wie die Zeit von Columbus bis 
schwacher werdende Athen, um fiir seine jeden- zum Weltkrieg fiir die heutige Zivilisation, um 



845 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 846 

die meines Erachtens uns am nachsten liegende 218ff. 240ff. (Fruchtwechsel)] und Zuchteu (vgi, 
welthistorische ParaUele heranzuziehen. Wie dort VB,E. Schnebel 120ff. Bd. VII S. 1342. 
lag das Schwergewicht des neuen okonomischen Jarde 8ff. lOS. 14H., bes. 18) sich nun in Ge- 
Aufschwunges, durch die ungeheure Ausweitung biete hineinverbreiteten, in denen sie bisher un- 
der Wirtschaftsraume herbeigefiihrt, die zugleich bekannt geblieben waren (vgl. Van. r. r. I 7. 
eine im 5./4. Jhdt. v. Chr. langst vorbereitete end- Jarde 19ff. 59. Schnel3el 356. r t h Art. 
giiltige und unabanderliche Entwurzelung groBer Getreide Bd. VII S. 1336fE.). Vor allem aber 
Menschenmassen mit sich brachte, in erster Linie hat die marktwirtschaftlich eingestellte und er- 
bei Geldverkehr, Kapitalinvestition und Fern- werbskapitalistisch durchrationalisierte betrieb- 
handel. Nahhandel, Gewerbe, agrarische und berg- 10 liche Organisation der groBen hellenistischen Guts- 
mannische Urproduktion wurden nur abgeleitet oiken, die agrarische mit gewerblichen, handleri- 
vom Kapital- und Exportinteresse her, daftir frei- schen und bankmaBigen Interessen verbanden und 
lich um so intensiver in den neuen Aufstieg mit wechselnd die Vorbilder und Vorstufen der ver- 
hineingerissen, bis endgiiltig mit der Zeit der schiedenartigen romischen Formen des Guts- 
romischen Btirgerkriege sich das Tempo dieser betriebes abgegeben haben, die die lateinischen 
wirtschaftlichen Entfaltung und Verfeinerung bis Agrarschriftsteller von Cato bis Columella uns 
zu StiUstand und Riickschritt wieder verlangsamte schildern, die Produktionsintensitat der Periode 
und der okonomische Faktor Kapital zuerst lang- verstarkt (vgl. M. R o s 1 v t z e f f A large estate 
sam, dann schneller gegentiber dem der mensch- in Egypt, Wisconsin Univ. Studies in the Social 
lichen Arbeit in alien ihren Zweigen wieder an 20 Sciences VI [1922]. Bd. I S. 261ff. XII S. 624ff. 
Bedeutung im Mittelmeerraum bis zu der eine o. Suppl.-Bd. IV S. 227ff. Art. Ackerbau, 
neue Hochentwicklung einleitenden arabischen Landwirtschaft, Domanen, Heichel- 
Epoche zuriicktrat (vgl. vorlaufig Heichel- heim Sombartfestschr. 1029ff.). 
h e i m Sombartfestschr. 1025ff.). Im einzelnen konnen wir fiir die Produktions- 
A. Auch Getreideproduktion, Getreideverkehr intensitat Attikas zur Zeit Alexanders gewisse 
und Getreidepolitik erfuhren in der hellenistischen Ruckschliisse aus Demosth. XLII 5ff. 20ff. ab- 
Periode von der indischen Grenze bis zum Atlan- leiten, wonach ein Gut normal ca. 1000 Med. 
tik eine ausgepragte Strukturwandlung, die unter Gerste zum Verkauf zu bringen vermochte, das 
erwerbskapitalistischenVorzeichen stand. Erst jetzt 40 Stadien im Umfang betrug, also etwa den 
fiieBen unsere Quellen iiber dieses Thema so reich, 30 655. Teil von Attika ausmachte. Nach den sehr 
daB wir hier auch spezielle Einzelfragen ofter vorsichtigen und plausiblen Ansatzen von Jard6 
aufzuwerfen und mitunter endgiiltig zu losen ver- 48ff. 78 lieBe das mit einiger Wahrscheinlichkeit 
mogen. Uber die wechselnde Intensitat und Giite auf eine normale Kornernte im Attika dieser Peri- 
der Getreideproduktion nicht nur aller alt-helle- ode von ca. 452 600 hi schlieBen, wobei aber diese 
nischen Gebiete, die bisher aUes andere als er- Zahl doch noch betrachtliche Unsicherheitskoeffi- 
schopfend in den Zeugnissen vertreten waren, zienten enthalt und nur als dem unbekannten 
sondern tiberhaupt aller Landschaften im engeren wirklichen Bef undo stark angenahert wissenschaft- 
Ausstrahlungskreise der antiken Zivilisation von lich betrachtet werden darf. Im J. 329 v. Chr. 
Indien und Iran bis Spanien und Gallien und von demgegentiber, vielleicht indessen einem unter- 
den Pontes- und Donaulandschaften bis nach Nu- 40 normalen Jahre (so J a r d 6 43ff. und Tarn 
bien, Agypten und Afrika berichten die Schriit- Cambr. Anc. Hist. VII 448) mit jedenfalls sehr 
steller und die nicht-literarischen Quellen so ein- gesteigerten Getreidepreisen, belief sich z. B. be- 
gehend, wie nie zuvor, unter ihnen besonders zeichnenderweise nach der bertihmten Aparehe- 
wertvoU Theophrast (vgl. die sorgfaltige und Inschrift von Eleusis IG IP 1672 unter Einrech- 
iibersichtliche Zusammenstellung bei Jarde Iff. nung einiger nicht voUig sicher zu erganzender 
4ff. 8ff. lOff. 14fE. 31ff. 62ff. 64ff. 68f£. Sauciuc Ziffern die attische Getreideproduktion auf nicht 
23ff. 29ff. 36ff. 57ff. 59ff. 64fE. 70S. S c h w a h n mehr als ca 402 512 Med., davon nur 39 112 Med. 
Rh. Mus. LXXXII 256. Ciaceri Storia della Weizen (nach Jard6 97 hatte danach der 
Magna Graecia II 205 — 235. W. H ti 1 1 1 Syra- attische Weizenboden nur ca. 18 o/q des gesamten 
kus 20. Imhoof-Blumer-Keller Tier- u. 50 Getreidelandes des Gebietes umfaBt, erheblich 
Pflanzenbilder passim. Pietschmann Art. weniger als heutzutage). Auch die Produktion 
Aigyptos Bd. I S. 987fE. Honigmann der Inseln Salamis (24 525 Med. Gerste), Skyros 
Art. S y r i a Bd. IV A S. 1563. B a u m s t a r k (38 400 Med., davon 9 600 Med. Weizen), Imbros 
Art. Babylonia Bd. II S. 2712ff. Toutain (70 200 Med., davon 44 200 Med. Weizen), und 
Economie antique 44ff. 119ff.). Lemnos (305 275 Med., davon 56 750 Med. Wei- 
Die Produktionstechnik der Periode verbesserte zen) ist fur dasselbe Jahr aus dem vielbehandel- 
sich stark, indem neue, mitunter indessen bereits ten Quellentexte zu ersehen (vgl. zu diesem zu- 
auch aus klassischer oder alt-orientalischer Zeit letzt ausfuhrlich Jarde 36 — 60. 95 — 98. S a u - 
bekannte Gerate [vgl. etwa fiir das hellenistische c i u c 150f . Andreades I 202ff. S c h w a h n 
Agypten mit Notizen iiber ahnliche Veranderun- 60 Amer. Journ. Philol. LIV 45; Rh. Mus. LXXXII 
gen in anderen Landschaften M. S c h n e b e 1 Die 254ff. Gomme Population of Athens 28ff.). 
Landwirtschaft im hellenistischen Agypten 73ff . Leider f ehlen uns aber nun fiir die folgenden Jahr- 
(Sakiye). 84 (?(oxXlag), 105 (Eisenhacke). 131ff. hunderte des Hellenismus entsprechende Daten 
(Saatpflug). 167f. (Erntesichel). 175ff. (Dresch- fiir die althellenischen Gebiete des Mutterlandes 
schlitten). 180ff. (Worfelgerate), vgl. weiter voUig. Wir haben so keinerlei Moglichkeit, zah- 
Bd. VII S. 1348ff.], Anbaumethoden [Schnebel lenmaBig auszudriicken, wieweit dort bei den 
84ff. [dazu Jar d4 24ff.] (Diingung). 129ff. Cerealien der an und fiir sich seit dem Ende des 
(Saat). 145ff. 153. 159 (Zweierntenwirtschaft). 3. Jhdt. aus politischen Griinden einsetzende all- 



847 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 848 

gemeine Produktionsiiickgang im 2. — 1. Jhdt. S. 302. Segr6 4, 15ff. 50f. zu: Hieronym. in 

v. Chr. ging und in welchem Umfange dann das Dan. XI 5 p. 1122. Joseph, bell. lud. II 386. 

1.— 2. Jhdt. n. Chr. noch einmal Stillstand und Pseud.-Vict. Epit. I. Segr6 27, 35 schatzt die 

Erholung brachte (vgl. Sauciuc 179 mit In- agyptische Durchschnittsernte auf Grund geist- 

schriftbelegen, Heichelheim Wirtschaftl. voUer, aber kiihner statistischer Erwagungen ver- 

Schwank. der Zeit von Alexander bis Augustus suchsweise auf 90 Millionen Artaben Weizen und 

[1925] 82ff. Rostovtzeff Gesellsch. u. Wirtsch. 30 — 40 Millionen Artaben Gerste und Olyra, wo- 

[2.1930] passim). Von ca. 331 bis ca. 328 v. Chr. bei er zugleich der Staatsverwaltung um ein Viel- 

zu Anfang unserer Periode vermochte weiter be- faches mehr an Naturalbeztigen zuweist, als die 

merkenswerterweise die Polls Kyrene, um zu den 10 antiken Quellen berichten). An Einzeldaten fiir 

nichtagaischen fiir den Hellenismus bedeutsamen kleinere Gebiete Agyptens ist hier Pap. Petr. Ill 75 

Landschaften iiberzugehen, innerhalb dieser weni- zu erwahnen, nach dem J.235 v.Chr.,imRaume von 

gen Jahre nicht weniger als 805 000 Med. Weizen etwa einer fxeQtg des Fayum auf 180 000 Aruren 

an notleidende griechische Gebiete abzugeben, ca. 82^/0 mit Weizen, ca. 16% mit Gerste und ca.20®/o 

mu6 also eine sehr betrachtliche Produktionsinten- mit Olyra bestellt waren. Dagegen betrug zwi- 

sitat besessen haben (vgl. VB. S. Ferri-Wi- schen 122/20 und 111/10 v. Chr. in Kerkeosiris im 

lamowitz Alcune Iscrizioni di Cirene. Abh. Fayum das Verhaltnis der Anbauflachen von Wei- 

Akad. Berl. Philol. Hist. Kl. 1925, 24ff. 01 i- zen, Gerste und Olyra wechselnd 76—951/2%: 

V e r i La stele dei cereali, Riv. di Fil. N. S. YI 3 — ^24 ^jo : — 11/2 °/o, Schwankungen groBen Um- 

[1928] 232ff. Zebelev Die Fruchtbarkeit von20fanges, die als Widerspiegelung der sich auch 

Kyrene [russ.], Compt. Rend. 1929, 97ff. Bicker- ahnlich in den Kornpreisen (vgl. V C) manifestie- 

mann Philol. Woch. 1930, 241. S. F err i Note renden politischen und wirtschaftlichen Krisen- 

d'epigrafia Cirenaica, Historia III [1929] 396. situation dieser Spatzeit aufgefafit werden miis- 

V. Wilamowitz Kyrene [1930] 18. H e i - sen. Ca. 110 v. Chr. sind dann weiter nach BGU 

chelheim Wirtschaftl. Schwank. 66. Zie- 1216, 192 bei Memphis 700 Aruren Tempelland 

barth71f. W. L. Westermann New Docu- zu ca. 64,3% mit Weizen, zu ca. 35,7^/0 mit Olyra 

ments in Greek and Roman History, Am. Histor. bestellt. Im 2. Jhdt. v. Chr. betrugen nach BGU 

Rev. XXXV 17S. G. Oliverio La stele dei 1217 in einem Jahre Getreideeinkunfte des Staa- 

nuovi comandamenti e dei cereali, Documenti ant. tes wohl im Hermopolites ca. 835 000 Artaben, 

deir Africa Italiana II 1 [1933]). Mithridates der 30 davon ca. 65o/o Weizen, ca. 16% Gerste, ca. 19 0/0 

Grofie andererseits zog aus seinem bosporanischen Olyra (vgl. ausfiihrlich zu diesen und ahnlichen 

Herrschaftsgebiet, obwohl es seit Beginn des Hel- Texten Schnebel 95ff. S e g r e 15ff., weite- 

lenismus in seiner Bliite gelitten hatte, immerhin res Material bei Rostovtzeff Bd. VII 

um die Wende des 2./1. Jhdts. v. Chr. Natural- S. 135). Es sieht das insgesamt so aus, als ob 

revenuen von jahrlich 180000 Med. heraus (Strab. die nicht kapitalistisch zum Export zu verwen- 

VII 4, 6. Sauciuc 175. E. M i n n s Scythians dende alt-einheimische Olyra, die in romischer 

and Greeks 520. 586, die weitere Literatur Mii n- Zeit dann so gut wie voUig aus den Papyri ver- 

zerBd. XV S. 2165. 2202). Sonst haben wir nur schwindende minderwertige Brotfrucht der Fel- 

noch fiir das ptolemaische Agypten einige Daten. lachen, im 2. Jhdt. noch einmal kurzlebig in 

Der Weizen als kapitalistisch und fiskalisch zu 40 manchen Gebieten den Weizenanbau in gewissem 

nutzendes Exportgetreide drangte hier in der Zeit Umfange zurtickgedrangt hatte. Die Weizenein- 

von Alexander bis in die der Caesaren allmahlich kiinfte der Regierung aus dem Herakleopolites, 

den Anbau des altagyptischen Speltweizens (Olyra) bzw. ihre vollstandigen Kornbeziige auf Weizen 

vielleicht mit Schwankungen (vgl. das Folgende) umgerechnet, betrugen endlich 51 — 50 v. Chr. 

zuTTick, wahrend die Gerste etwa ihren alteren nach BGU VIII 1760 600 000 Artaben. In wel- 

Stand behauptet zu haben scheint (vgl. eingehend chem Verhaltnis aUe diese Einzeldaten zu der 

Schnebel 94S. 98f . A. S e g r 4 Note si3r eco- Gesamtproduktion des Nillandes oder einzelner 

nomia dell' Egitto ellenistico neU' et^ tolemaica, Gaue an Korn gestanden haben, laBt sich leider 

Bull. Soc. Arch^ol. d'Alex. XXIX [1934] 15). vorlaufig auch nicht mit annahernder Sicherheit 

Die jahrlichen Getreideeinkunfte des Ptole- 50 bestimmen, da das Verhaltnis der Kornabgaben 

maios II. im 3. Jhdt. v. Chr. betrugen nach an den Staat zur jeweiligen voUen Produktion 

den Schriftstellern I1/2 Millionen Artaben. Unter und die jeweilige Adarierbarkeit mancher ur- 

Augustus und bis zu Vespasian beziSerten sich spriinglichen Naturalsteuern, die den agyptischen 

dann sogar die rein-agyptischen Getreideein- Fellachen direkt und indirekt auferlegt waren, in 

kiinfte des romischen Staates, wohl infolge gerin- den Einzelperioden gerade fiir die ertragsreich- 

gerer Adarationsmoglichkeiten bei den Kornab- sten Naturaleinktinfte des Staates, unter ihnen 

gaben, jahrlich auf ca. 41/2 Millionen Artaben. das Ekphorion, bisher aus den edierten Ptole- 

Dazwischen lag jedoch im 2. — 1. Jhdt. v. Chr. maertexten nicht ausreichend zu erschlieBen sind. 

eine fiir uns quellenmafiig in einem merkbaren Soviel laBt sich freilich als Gesamteindruck der 

Riickgang des bebauten Ackerbodens sich mani- 60 Urkunden hier immerhin aussagen, dafi das 

festierende starke Produktionsverminderung, die dem Staate unmittelbar zuflieBende Quantum 

zahlenmaBig schwer scharf zu umreiBen ist, aber der agyptischen Kornernte einen sehr betracht- 

mitunter bis nahe an 500/© betragen haben konnte lichen prozentualen Umfang (nach den Schatzun- 

(vgL Mitteis-Wilcken Ostraka I 6671; gen bei Bouch^-Leclercq Histoire des 

Grundz. I 172. Schnebel Landwirtschaft I. Lagides III 187S. bis zu 50%) gehabt haben 

Rostovtzeff Bd. VII S. 136. Friedlan- muB und in unternormalen Jahren sofort als 

der Sittengesch, IV^ 297ff. Heichelheim auBerst driickende, ja unerfiillbare Verpflich- 

Wirtsch. Schwank. 106ff. Schwahn Bd. VA tung fiir die Produzenten uns entgegentritt 



849 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 850 

(zu den Kornsteuern Igyptens im einzelnen 360 = SylL^ 304 == Michel Rec. Ill (Sauciuc 

vgl. V E). 1441 Z i e b a r t h 70) fiir einen Burger von 

B. Auch der Fernhandel der neuen Zeit weist Salamis auf Kypros, der 330/29 v. Chr. Weizen 

mancherlei Strukturveranderungen auf. Seit Ale- als erster zu importieren vermochte und damals 

xander schwollen im alt-hellenischen Gebiete wie dafiir die nicht ganz geringe Summe von 

unter den zahlreichen hellenistischen Kolonial- 5 Drachmen pro Medimne einstrich, dazu aber 

siedlungen diejenigen Bevolkerungsbezirke stark immerhin 328/27 v. Chr. ein Legat fiir den 

an, die nicht mehr imstande waren, sich in nor- Getreideankaufsfond der Stadt stiftete (ahnliche 

malen Jahren agrarisch selbst zu versorgen. In- Verdienste IG IP 499 von 302/01 v. Chr.), 
folgedessen gewann in den der Begriindung des 10 IG IP 407 (Z i e b a r t h 70. Sauciuc 146, 

"Weltreichs des groBen Makedonenkonigs folgen- ca. 330 v. Chr.) wieder nur fiir das Faktum 

den Jahrhunderten der Fernhandel mit Korn eine von Weizenimport aus Kypros, IG 11^ 416 

Bedeutung, die er weder vorher noch nachher in (Sauciuc 144. Z i e b a r t h 71, ca. 330 v. Chr.) 

der Antike jemals gehabt hat. Hinzu kam gleich fiir einen Koer, well er attischen Exporteuren 

in den ersten Jahren der neuen Epoche als oko- nach Samos Kornruckfrachten nach Athen ver- 

nomisch den Fernhandel und die Exportproduk- schafft hatte, IG IP 409 (Sauciuc 146. Z i e - 

tion anregendes Moment eine Hungersnot und barth 71, ca. 330 v. Chr.) fiir Import von Si- 

Teurung, jene bekannte Absatz- und Produktions- nope oder Kyrene (?), den Athen sich weiter zu 

krise der Alexanderzeit, die in ihrer Auswirkung, sichern suchte, IG IP 398 (S a u c i u c 146. Z i e- 
durch gleichzeitige Senkung des Geldwertes noch 20 barth 71, ca. 320/19 v. Chr.) fiir Veranlassung 

verstarkt, den regularen freien wie den durch der Absendung von Kornfrachten vom Hellespont, 

Staatshilfe und Staatseinsatz aufrecht erhaltenen IG IP 400 (Sauciuc 147. 162. Ziebarth 

Fernverkehr mit Korn durch Steigerung der Nach- 71, ca. 320/19 v. Chr.) fur einen Kornhandler von 

frage von Anfang der Periode an schlieBlich in- Chios (?), der die Gnade gehabt hatte, 8000 Med. 

tensivierte (vgl. Sauciuc 143ff. Ziebarth nach Athen zum regularen Marktpreis zu lief em 

52ff. 61ff. 70ff. Jarde 42ff. 178ff. Schwahn und weitere 4000 Medimnen unter denselben Be- 

Rh. Mus. LXXXI 42. Heichelheim Wirt- dingungen noch heranzuschaffen im Begriffe war, 

schaftl. Schwank. 66. Andreades Griech. IG IP 401 (Sauciuc 162. Ziebarth 71, 

Staatsw. I 260. Duncan Hermathene XL VII 321/19 v. Chr.) fiir einen Kyzikener, der vom 
84f.). Zuerst treten uns freilich neben vereinzel- 30 Hofe des Satrapen Arrhidaios aus die Absendung 

ten Nachrichten iiber normaleren Verkehr (so von Kornladungen nach Athen erreichte, IG IP 

[Demosth.] LVI passim iiber immerhin nicht 363 (Ziebarth 70, vor 318/17 v. Chr.) fiir 

voUig ungestorte Kornfrachten von Agypten und einen Tyrannen von Heraklea am Pontus, der 

Sizilien — Italien nach Athen um ca. 323 v. Chr. groBere Getreidemengen gespendet hatte, IG IP 

und Lykurg Leokr. 55 iiber solche von Epirus 682 ==:i Syll.^ 409 (Sauciuc 162. 165. Zie- 

nach Leukas und Korinth 332 v. Chr. Vgl. barth 20, 105), fur einen Strategen, dessen 

Sauciuc 148f. 155. Ziebarth 52f.) und Vater 315/14 v. Chr., und der selber zwischen 296 

den hergebrachten religios-politischen Lieferun- und 291 v. Chr. die Kornzufuhr Athens von Pto- 

gen, wie denen von Salamis, Lemnos, Skyros lemaios I. von Agypten her gegen Seerauber ge- 
und Imbros 329—328 v. Chr. an den Tempel von 40 schiitzt hatte, IG IP 650 = Syll.3 357 (Sauciuc 

Eleusis (vgl. VA), meines Erachtens sehr be- 165, 290/89 v. Chr.) fiir einen ptolemaischen Ad- 

zeichnenderweise fiir lange Jahrzehnte in den miral wegen Organisierung agyptischer Getreide- 

Quellen mehr die durch die neuen Verhaltnisse zufuhr, IG IP 651 (289/88 v. Chr. Sauciuc 

geschaffenen Schwierigkeiten als die Vorziige der 166) fur einen Nesioten, der irgendwelche Ver- 

nun einsetzenden engeren Welthandelsbindungen dienste um die Kornzufuhr nach Athen gehabt 

fur den Fernverkehr mit Korn entgegen. Die haben muB, IG IP 653 =: Syll.^ 370 (Sauciuc 

Ehrungen auf besonders attischen Inschriftsteinen 166f. Ziebarth 66, 289/88 v. Chr.) fiir den 

auch fur sehr geringfiigiges Entgegenkommen bosporanischen Herrscher, der 15 000 Med. Korn 

kleiner Kornhandler nehmen zu. Selbst eine Ko- stiftete, IG IP 657 (Sauciuc 167. Bd. XIV 
loniegriindung im femen und politisch schwer zuSOS. 13. Andreades II [neugriech.] 97. 103. 

behauptenden Atria um der Kornzufuhr willen Minns Scythians and Greeks 575. 580, 288/87 

wird ca. 325 v. Chr. von Athen mit dem Erfolge v. Chr.) fiir Veranlassung eines Geschenkes des 

durchgefiihrt, daB zeitweise anscheinend die Korn- Konigs Lysimachos von Thrakien nach der auch 

preise fielen (IG IP 1629, 1. 217ff. = Syll.^ 305, fiir die Getreideversorgung Athens bedrohlichen 

vgl. dazu Sauciuc 148. Hasebroek 11 3f. Umwalzung von Ipsos in Hohe von 10 000 Med. 

Ziebarth 19. 21. 52). Ebenso sind gerade Weizen, IG IP 654. 655 (Sauciuc 167, 289/88 

Kornlieferungen bei den neuen hellenistischen bzw. 286/85 v. Chr.) fiir den Paeonenkonig und 

Herrschern fiir Poleis nicht ohne Grund sehr be- einen seiner Minister (?), die groBere Getreide- 

liebt und an der Tagesordnung, um diese ihrem transporte nach Athen in Bewegung gesetzt hat- 
jeweiligen politischen Schachspiel einzufiigen. 60 ten und diese Politik weiter fortzusetzen verspra- 

Vgl. an attischen Ehrungen: IG IP 408 (Sau- chen. Von literarisch iiberlieferten spezialen poli- 

c i u c 147. Ziebarth 70) fiir zwei Herakleo- tischen Spenden an Athen sind noch aus dieser 

ten, die 335—334 v. Chr. sizilischen(?) Weizen Zeit 150 000 Med. hier aufzuiiihren, die 306/05 

und Gerste zum wirklich nicht niederen Preise v. Chr. Antigonos Monophtalmos von Syrien her 

von 9 bzw. 5 Drachmen pro Medimne abgegeben Athen zur Verfiigung stellte (Diod. XX 46. 

hatten, IG IP 342 (Sauciuc 150) fiir einen Sauciuc 144. 163. Bd. IV S. 22731) und die 

tyrischen Handler, aUein well er ca. 332/31 wohl aus Thessalien und dem Balkanrumpf stam- 

V. Chr. Getreide in die Stadt importierte, IG IP menden Korntransporte, die 295/94 v. Chr. De- 



851 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 852 

metrios Poliorketes in die weitgehend durch Ab- thoklesbeimFriedensschluB voiiKarthago200 000 
sperrung der Getreidezufuhr eroberte Stadt Med. Weizen liefern (Diod. XX 79, 5, dazu 
brachte (Sauciuc 165. Plut. Apophthegm. Gsell Hist anc. de I'Afr. du Nord III 62. IV 
183 B, C2; Demetr. 33). 11). Ptolemaios I. half Kos tiber die Bestande 
Auch aufierhalb Athens sind ftir die Friihzeit von Kypros mit Getreide aus (M a i u r i Nuovo 
des Hellenismus bis ca. 280 v. Chr. unsere Nach- Sill. 433. H e r z o g Abh. Akad. Beii., phil.-hist. 
richten iiber nur durch irregulare Mittel uber den Kl. 1928, VI 45); ebenso fallt wohl eine Spende 
normalen freien Handel hinaus moglich gewor- an Sinope in seine Zeit (Bd. I S. 240ff. W i 1 - 
dene Kornzufuhren ganz ungewohnlich massiert. c k e n Arch, f . Pap* IX 223ff. FHG III 487). Zur 
Voran steht hier die groBe Kyrene-Inschrift (vgl. 10 Belagerung von Rhodes 305/04 schaffte Demetrios 
die moderne Literatur tiber sie V A), die zwischen Poliorketes ungeheure Kornmengen heran, wah- 
ca. 331 und 328 v. Chr. (Zebelev) die Lief erung rend die bedrohte Stadt durch Ptolemaios von 
von 805000 Medi, vermutlich in Weizen (v. W^ila- Agypten, Kassandros von Makedonien und Lysi- 
mowitz) und wohl zu einem maBigen(?) Preise machos von Thrakien umgekehrt ebenfalls eine 
und nicht unentgeltlich zur Verfiigung gestellt, da betrachtliche Kornausstattung erhielt (Diod. XX 
das in der Inschrift andernfalls sicher ausdriick- 96—99. Sauciuc 163. Bd. X S. 2307. Bd. XIV 
lich angegeben ware (Zebelev, Oliverio), an S. 6. 302/01 v. Chr. verproviantierten entspre- 
zahlreiche hellenische Gemeinwesen von der Kyre- chend ephesische Kornschiffe die Armee des De- 
naika aus bezeugt. Athen erhielt damals als zwei- metrios Poliorketes in Klazomenoi (Syll. or. 9. 
fellos versorgungsbediirftigste Polis 100 000 Med., 20 Sauciuc 199). Um die Zeit des Todes Alexan- 
Olympias und Kleopatra fiir Epirus zusammen ders des GroBen wird weiter auf der Insel Nesos 
sogar 122 600 Med. in drei Raten, oHenbar aus (IG XII 2 nr. 645 == Syll. or. 4. Sauciuc 166) 
politischer Courtoisie gegeniiber Alexander. Die eine Ehreninschrift in Stein gehauen, well von 
tibrigen Zahlen geben uns vielleicht einen gewis- einem Burger uber einen Satrapen des Alexander- 
sen Einblick, wieweit relativ die griechischen Ge- reiches aus Kypros (?) Getreideimporte veranlaBt 
biete der Alexanderzeit je nach Ausfall der eigenen und Geldspenden sowie billige Kredite fiir die Si- 
meist unzureichenden Ernte auf Exportgetreide tonie gegeben worden waren. Entsprechend den 
angewiesene nichtagrarische Bevolkerungsmassen attischen Dekreten beloben die Ephesier (Syll.^ 
besaBen (die absoluten Importzahlen der Inschrift 354 = Michel Rec. 493. Sauciuc 199f., 
freilich geben dafiir nichts aus. Denn sie sind 30 ca. 300 v. Chr.) einen Rhodier, well er Getreide 
einer akuten Notlage zuzuschreiben und liber importiert und zu einem wieder wohl nicht allzu 
andere gleichzeitige Versorgungsquellen der ein- niederen Preise verkauft hatte, die Bewohner von 
zelnen Gebiete wissen wir dazu leider sonst Arkesine auf Amorgos (IG XII 7 nr. 11. Sauciuc 
nichts). Das erweiterte Isthmosgebiet von der 191, ca. 300 v. Chr.) analog einen zuverlassigen 
Argolis bis Plataiai einschlieBlich Aiginas bezieht Getreideimporteur (vgl. zu beiden Inschriften 
hier bemerkenswerterweise nicht weniger als auch Zieb art h Melanges Glotz II [1932] 916). 
ca. 300 000 Med., d. h. ca. 38^/0 der Gesamt- Ein monopolistischer Lieferungsvorbehalt von 
summe einschlieBlich, ca. 45 ^/o ausschlieBlich der ukrainischen Gebieten nach der pontischen Polis 
politischen Lieferungen nach Epirus, ein Zeichen Chersonnesos wird sogar im Ephebeneid der 
besonders dichter stadtischer Bevolkerung. Hinter 40 Stadt um ca. 300 — 280 v. Chr. festgelegt und 
Athen reihen sich die einzelnen Gebiete in folgen- gesichert (Syll.^ 360). Zu Ende der Periode 
der GroBenordnung ein: Argos, Larissa und Ko- herrschte in groBeren Teilen Asiens Kornmangel, 
rinth erhalten je 50 000 Med., Rhodes, Sikyon der sich anscheinend zur selben Zeit auch auf Kos 
und Megara (zwei Raten, Oliverio liest und bemerkbar machte, wohin damals aus Ake in Phoi- 
erganzt Megara auch fiir Rate I statt Ferris nikien Korn zur Abhilf e gegen die Kornknappheit 
vielbeachteter Lesung Lipara) je 30 000 Med., importiert worden zu sein scheint (vgl. M. Segre 
Meliboia (zwei Raten) 28 500 Med., Gitaioi (zwei Riv. di fil. 72 [1934] 181/82 zu S. S m i t h Babyl. 
Raten) 21 400 Med., Ambrakia (zwei Raten) Histor. Texts [1924] 150fE. und Herondas II 16H.). 
16 500 Med., Lesbos (?), Thera,Leukas, Keos (vier Entsprechend half damals auch Philetairos von 
Raten, zum Teil an einzelne Poleis der Insel), und 50 Pergamon durch eine Getreidespende der Stadt 
Karystos je 15 000 Med., Knossos (zwei Raten) Kyzikos (Syll. or. 748 von 276/75 v. Chr. 
10 900, Aigina, Kythnos, Atragioi (Thessalien), Sauciuc 194). 

Opus, Kydonia, Kos, Pares, Delphoi, Tanagra, Nach ca. 280 — 275 v. Chr. sind aber dann be- 

Gortyn, Elis und Akarnanien je 10 000 Med., merkenswerterweise Nachrichten des vorstehenden 

Kythere (zwei Raten) 8100 Med., Phlius und Typus tiber den Kornverkehr im Ostmittelmeer- 

Hermione je 8000 Med., Troizen und Plataiai je gebiet ftir etwa 50 Jahre bezeichnend selten. 

6000 Med., Astypalaia und Hyrtake je 5000 Med., Meines Erachtens ist das kein Zufall. Vielmehr 

Elyros auf Kreta (so Zebelev) 3000 Med., Hi- besrinnt um diese Zeit durch den Produktionsauf- 

ketyrioi(?) 1000 Med. Auch weitere Quellenzeug- schwung und den damit verbundenen Preisrtick- 
nisse tiber nichtattischen Kornverkehr im Frtih- 60 gang, den unter Ptolemaios II. Philadelphos die 

hellenismus sagen ahnlich aus. In Samos (Suppl. agyptische Kornwirtschaft erfuhr, sowie infolge 

Epigr. Graec. I 366. Ziebarth 70. Sauciuc der Ordnung, die unter Hieron in groBen Teilen 

180. 184, Ende des 4. Jhdts. v. Chr.) erscheint es Siziliens einkehrte (vgl. V D, dazu Athen. V 209 e) 

notwendig, einen Handler aus Torone in Thessa- der freie Kornhandel starker als bisher der Nach- 

lien zu beloben, der 3000 Med. Weizen p^ara xbv frage der nicht-autarken Gebiete des Hellenismus 

voixov (I) importiert hatte. In das Reich von Sy- zu gentigen. 256 v. Chr. half die Stadt Heraklea 

rakus, normalerweise ein GetreideuberschuB- zwar noch dem Konigreich Pontes bei einem Gal- 

gebiet ersten Ranges, lieB sich 306 v. Chr. Aga- liereinfall (Memn. 24. Sauciuc 207). Hieron 



853 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenisnms) 854 

von Syrakus belohnte einen attischen Epigramm- Vermittlung eines seiner oircovai Wohltaten, ver- 
dichter durch eine Kornladung (Athen. V 209 b). In mutlich mn Absatz wie Versorgung leichter dort 
den Ausnahmezeiten agyptischer Mifiernten unter tatigen zu konnen (IG XI 4, 666 =:Durrbach 
Ptolemaios II. und III. und auch sonst selten und Choix d'inscr. de D61. nr. 48). Insgesamt zeigt so 
gelegentlich sind weiter zur Erganzung unge- die Zeit von ca. 280 bis ca. 230 v. Chr. im Korn- 
niigender Eigenproduktion, haufiger als Saatgut verkehr, wie iiberhaupt in ihrem Wirtschaftsstan- 
zur Zuchtverbesserung, Kornsendungen auch von dard (vgl. Heichelheim Wirtsch. Schwank. 
Sizilien, Syrien, Kalymna, Phoinikien und Kypros 98fE.) einen relativ guten Befund und weist auf 
in das Nilland bzw. in seinen groBen Getreide- jeden Fall die gliicklichsten Verhaltnisse der gan- 
umschlagshafen Alexandria importiert worden 10 zen hellenistischen Periode auf . 
(vgl. Syll. or. 56, 17. Athen. V 206, 2. Pap. Cairo Nach ca. 230 v. Chr. wird das dann freilich 
Zen. 59094,8. 59158. 59232. 59249. 59745. 59788. unter dem EinfluB der politischen Krisen im Ost- 
Wilcken UPZ I 94; Arch. f. Pap. VI 386; und Westmittelmeergebiet rasch anders, die 
SchmoUers Jahrb. LXV 407. Thompson Arch. schlieBlich die Herrschaft des Imperiums der 
f. Pap. IX 206S.). Ein Ehrendekret alter en Stils romischen Republik uber fast das ganze antike 
haben wir aufierdem in Gestalt von IG XI 4, 627 Kulturgebiet herauf f iihrten (so auch jetzt A. Segre 
aus Delos (Mitte des 3. Jhdts. Sauciuc 187. BuU. Soc. Arch. Alex. 29 [1934] 49H.). Unsere lite- 
Durrbach Choix d'inscr. de Delos 57f .) fiir rarischen und epigraphischen Quellen zeigen von 
einen Byzantiner, der wegen billiger Abgabe einer neuem zahlreiche Storungen im Kornverkehr auf, 
Kornladung geehrt wird. Sonst horen wir vor 20 wenndieseauchnichtganz somassiert undinetwas 
allem aus dem altgriechischen Gebiet indessen anderer Struktur auftreten, wie in der friihhelle- 
nur von etwas andersartigen Vorgangen in der nistischen Zeit. Finanzierungsschwierigkeiten als 
Kornpolitik der Poleis, die weniger von unmittel- Haupthemmung der Kornversorgung wie in den 
baren Getreideversorgungsschwierigkeiten infolge vorstehend angefiihrten typischen Inschriften der 
zu geringer Zufuhr als vom Mangel an leichtver- unmittelbar vorhergegangenen Periode treten uns 
fugbaren Kapitalien in den Staatskassen fur den jetzt vorlaufig nur in Gestalt von IG XI 4, 1055 
Erwerb ausreichender Mengen Zeugnis ablegen. (Z i e b a r t h 87. D u r r b a c h nr. 50) entgegen, 
IG XI 4, 1049 ehrt eine unbekannte Polls ca. 279 wo die Stadt Histiaia ca. 230 — 220 v. Chr. einen 
V. Chr. Oder etwas spater (Sauciuc 189. Zie- in Delos ansassigen rhodischen Geldmann ehrt, 
barth 88f.) einen delischen Kapitalisten, der die 30 der ihre Sitonai beim Getreideeinkauf im deli- 
von nichtbezahlten Glaubigern der Stadt gepfan- schen Hafen sowohl als Makler wie vor allem 
deten Kornladungen im Hafen von Delos durch durch einen zinslosen Vorschufi an die Getreide- 
Abfindung der Pfandenden zur Absendung an den handler aus eigenem Vermogen tatkraftig unter- 
andernfalls von einer Ernahrungskrise bedrohten stiitzt hatte, so wie in IG XII 5, 1010 von 188 
Bestimmungsort freigemacht hatte. Ahnlich streckt v. Chr. (Ziebarth 88. Durrbach 87), wo 
ein Kapitalist von Erythrai ca. 270 v. Chr. (Syll.^ ein anderer Geldmann fiir kulantes Verhalten beim 
410. Ziebarth 137f.) eine Hypothek fiir den Getreideeinkauf der Nesioten geehrt wird. Sonst 
sonst nicht durchfuhrbaren staatlichen Getreide- aber begegnen in bemerkenswert grofier Zahl wie- 
einkauf vor, und entsprechend bewahrt sich der inschriftliche Ehrungen und analoge litera- 
264/63 V. Chr. ein samischer Geldmann (Suppl. 40 rische Berichte tiber Ermoglichung von unmittel- 
Ep. Graec. I 366. Ziebarth zuletzt Seeraub barer Getreidezufuhr und Getreideausfuhr in Fal- 
u. Seehandei 88. Sauciuc 184/85), als infolge len, wo der freie Verkehr in Frieden und Krieg 
eines nicht abgezahlten Seedarlehens eine lebens- nicht ausgereicht hatte oder politisch durch die 
notwendige Kornladung im Hafen von Samos Zeitereignisse gehemmt wurde. Bekannt ist in 
selbst nicht ausgeladen und ihrer Bestimmung zu- dieser Hinsicht der Krieg, den Rhodos 220 v. Chr. 
geftihrt werden durfte. In alien diesen Zeugnis- gegen Byzanz fiihrte, als diese Stadt an Bosporus 
sen steht an und fiir sich Getreide genug im An- und Hellespont KornzoUe einfiihrte und damit die 
gebot der groBen Hafenmarkte zur Verfiigung. pontische Getreidezufuhr in die Aegaeis behin- 
Nur die Kapitalisierung der staatlichen Handels- derte und verteuerte (vgl. Hiller v. Gaer- 
unternehmungen stellt schwierige Probleme. 50 t r i n g e n Art. Rhodos o. Suppl.-Bd. V S. 784. 
Manche Staaten scheinen gerade in unserer Peri- Sauciuc 169). Ca. 228 — ^225 v. Chr. muB dem- 
ode, soweit das moglich war, solche Hindernisse entsprechend Samothrake, offenbar meines Erach- 
durch feste Import- und Exportvertrage mit ande- tens infolge der wohl bereits damals gestorten 
ren Staaten besonders bevorzugt ausgeschaltet zu pontischen Einfuhr, dem Kommandanten der 
haben. So haben wir aus der Zeit etwa des Anti- ptolemaischen Besitzungen am Hellespont und an 
gonos Gonatas auf Kreta nach SGDI III 31 8f. der thrakischen Kiiste eine besondere Ehrung zu- 
nr. 5044 einen Gegenseitigkeitsvertrag fiir freien teil werden lassen, well er der Insel zoUfreien 
Kornexport zwischen den kretischen Poleis Itanos, Kornexport aus diesen Gebieten ermoglicht hatte 
das wohl damals den Ptolemaern unterstand, und (IG XII 8 nr. 156 = Syll.^ 502 == M i c h e 1 Rec. 
Arkadia. Ahnlich, falls richtig erganzt, erschlieBt 60 351, dazu A. Segre Bull. Soc. Arch. Alex. 29 
anscheinend die vielleicht in die Ausnahmezeiten [1934] 44f. Sauciuc 184). 227/26 v. Chr. schenk- 
des chremonideischen Krieges gehorige Inschrift ten nach dem so bertihmten wie verhangnisvollen 
von Kos, Herzog Koische Forschungen (1899) Erdbeben der Ptolemaer- wie der Makedonenkonig 
nr. 8,22 (dazu zuletzt M. S egr 6 GranodiTessaglia der heimgesuchten Stadt Rhodos umfangreiche 
a Coo. Riv. di filol. 62 [1934] 169ff.), fiir dieses Kornladungen, die offenbar durch Geldhingabe 
Gemeinwesen Kornversorgung aus Thessalien. De- nicht so leicht in der Hafenstadt selbst zu be- 
metrios II. von Makedonien erweist entsprechend schaffen gewesen waren (Polyb. V 88. o. Suppl.- 
unserer Zeit dem Getreideemporium Delos unter Bd. V S. 785). Nach dem 2. Jhdt. v. Chr. hin 



855 Sitos (Hellenismus) Sites (Hellenismus) 856 

wachsen dann die Storungsanzeichen. 200 v. Chr. II 283, 14f.). 88 v. Chr. iibermittelt Chairemon 

ehrt die thessalische Polis Gonoi Burger von Pha- von Nysa bei Tralles dem C. Cassius eine Kom- 

lanai wegen Getreidebeschafiung in schwieriger spende von 60 000 Modii Gerste aus eigenem 

Versorgungslage T^cpri^, aQx. 1912, 61f. nr. 89. Besitz (Syll.s 741. RostovtzeffI 259, 18. 

90. 96. Sauciuc 178. IG VII 4262 = SyU.^ Sauciuc 204). Einen gewissen Anteil am Ost- 

547 zu Ende des 3. Jhdts. v. Chr. ehrt die kleine export behielt auch Sizilien (vgl. S c a 1 a i s Musee 

Stadt Oropos zwei phoinikische Getreidehandler, Beige 28 [1924] 81 ff.). Andererseits aber gelangte 

vielleicht Metoken vom Peiraieus, wieder einmal Getreide vom Numidien des 2. Jhdts. v. Chr. bis 

nur deshalb, weil sie Getreide importiert und zu nach Delos, Athen und Rhodes (Rostovtzeff 

maBigem Profit abgegeben haben (S auciuc 10 II 43. S. G s e 1 1 Hist, de T Afrique III 307f . IV 

181. Ziebarth71). 197 v. Chr. spendet Atta- Iff. V 190. VI 83). 190 v. Chr. mufite die 

los von Pergamon der Stadt Sikyon eine Korn- romische Armee im Osten, zum Teil liber Chios 

schenkung (Sauciuc 181). 181 — 175 v. Chr. als Zwischenhafen, in der Hauptsache aus Italien 

wird in Delos ein Alexandriner nur wegen Ge- und Afrika verproviantiert werden (Liv. XXXVI 

treideimportes in diesen an und ftir sich grofien 3, 1. 4, 8. XXXVII 21, 1. Sauciuc 184), in 

Hafen geehrt (Bull. hell. XV [1890] 350 nr. 5. den makedonischen Kriegen waren Karthago und 

Sauciuc 190). IG IP 903 = Syll.^ 640 ehrt Numidien wichtigste Versorgungszellen Roms 

Athen einen Kaufmann, der 177/76 v. Chr. sich (vgl. S. Gsell Hist. anc. de TAfrique du Nord 

dieser Stadt gegeniiber analog verhalten hatte. Ill 298, 30. IV 11 fur die auBerordentlichen 
Eine andere pergamenische Getreidespende etwa 20 Mengen) und als Pomponius Atticus 85 v. Chr. 

dieser Periode, nicht nur zur Ernahrung der Biir- an die Stadt Athen als Nachf olger erlauchter und 

ger, sondern auch zur Aussaat bestimmt, begegnet, obskurer Vorganger eine groBe Schenkung von 

wohl fiir Apollonia am Rhyndakos, Suppl. Ep. Korn gelangen liefi, handelte es sich allem An- 

Graec. II 663 (Sauciuc 197ff.). Die groBten schein nach um italisches Getreide (vgl. Dru- 

Hafenstadte der Periode kommen jetzt ofter nicht mann-GroebeV^ 13). 

mit der normalen Zufuhr aus. So mtissen 179 C. Die Veranderungen in der Entwicklung des 

V. Chr. die Delier unter Vermittlung von nicht hellenistischen Kornhandels, wie wir sie im vor- 

weniger als drei delphischen Sitonai und eines stehenden nach den Quellen kurz umrissen haben, 

rhodischen Gesandten sich an den Konig Massi- lassen sich noch naher illustrieren und historisch 
nissa von Numidien wenden, der dann der Stadt 30 vertiefen, wenn wir die Schwankungen der Ge- 

eine groBe Getreidespende zukommen laBt (vgl. treidepreise in derselben weltgeschichtlichen 

Inscr. de Del. 442, Ziebarth87. Sauciuc Epoche naher betrachten, die in dieser Zeit zum 

187. Durrbach92). Milet wird seit ca. 167/66 ersten Male in der Antike uns aus dem ptole- 

V. Chr. in seiner Versorgung von Pergamon ab- maischen Agypten wie von der Insel Delos in so 

hangig (Hillerv. Gartringen 0. Bd. XV groBer Zahl iiberlief ert sind, daB hier und dort 

S. 1610). Konig Hieron von Syrakus hatte im selbst jahreszeitliche und kleine landschaftliche 

3. Jhdt. V. Chr. nach dem Erdbeben den rhodi- DiSerenzen und Schwankungen uns faBbar wer- 

schen Getreideschiffen in ahnlicher Weise Steuer- den und sich uns preisgeschichtliche Probleme 

freiheit gewahrt, wie die Fiirsten vom Pontes losbar stellen, die sonst im Altertum kaum anders- 
im 4. Jhdt. v. Chr. den attischen (S a u c i u c 40 wo fiir die Forschung akut geworden sind. VgL 

193, 0. Suppl.-Bd. V S. 785 zu Polyb. V 88. Died. eingehend Heichelheim Wirtsch. Schwank. 

Fragm. XXVI. Eclog. VI p. 513). Nun muBte 169 (1930); d e r s. On price data in Hellenistic-Roman 

V. Chr. sogar Rhodes, die groBte Hafenstadt des times, Economic History (1934), wo die in diesem 

althellenischen Gebietes, die Einfuhr von 100 000 Artikel nicht neu begrtindeten im folgenden ge- 

Med. aus Sizilien, die oHenbar im frachtglinstige- gebenen Aufstellungen eingehend quellenmaBig 

ren Ostmittelmeergebiet oder vom Pontes her da- unterbaut sind, und die ausfUhrlichen Rezensionen 

mals nicht im freien Verkehr zu beschaff en waren, dieses Buches durch e r t e 1 Ztschr, Sav.-Stift, 

von den neuen romischen Herren der Korninsel LI 527ff. und G 1 1 z Rev. et. gr. XLV 241ff., 

im Westen politisch erhandeln (Sauciuc 193. die zahlreiche wertvoUe evidente und hypothe- 
Bd. VII S. 129f.; 0. Suppl.-Bd. V S. 795f.). In 50 tische Korrekturen beigebracht und das Problem- 

Krieg und Frieden, im freien wie im gelenkten gebiet auBerordentlich gefordert haben. Vgl. zu- 

Kornverkehr tritt im 2. Jhdt. v. Chr. in unseren letzt auch A. S e g r 6 Bull. Soc. Arch. Alex. 29 

Nachrichten iiberhaupt das Westmittelmeergebiet (1934) 46ff. Das Auf und Ab der Kornpreise im 

als Kornlieferant gegeniiber den alten Markten Hellenismus stellt sich in demjenigen Gebiete, 

ausgepragt hervor. Wir horen zwar noch von das die moisten Quellendokumente geliefert hat, 

diesen. So tragt 190 v. Chr. Tees zur Verprovian- dem ptolemaischen Agypten, etwa folgendermaBen 

tierung der Armee des Antiochus III. bei (S a u - dar, wenn wir einige speziale Wahrungskrisen und 

ciuc 199), entsprechend 171/70 v. Chr. Abdera Wahrungsreformen eliminieren, die zu Ende des 

zu der der romischen (Liv. XLIII 4, 9. S a u c i u c 3. Jhdts. v. Chr. und nach ca. 170 v. Chr. in Preis- 
176). Es begegnet IG XII 9 nr. 900 B = Syll. 60 zahlen zum Ausdruck kommen, die Kornpreise in 

or. 760 eine agyptische Kornschenkung von 169/68 nicht gleichgebliebenen Geldeinheiten bezeichnen. 

V. Chr., die nach Chalkis fur die romische Armee In der Alexanderzeit, ca. 330 v. Chr., begegnen, 

bestimmt ist. Eumenes II. schenkt ein anderes wie im ganzen tibrigen Ostmittelmeergebiet so 

Mai den wieder notleidenden Rhodiem 280 000 aiich im Nilland Teuerungspreise. Dann sinken, 

Med. (Sauciuc 196. Polyb. XXXI 25). Was nach bis ca. 270 v. Chr. andauemden Schwankun- 

den Pontes betrifft, so horen wir aus dem 2. Jhdt. gen auf hohem Durchschnittsniveau, bis nach 

V. Chr. liber Kornverkehr von der Ukraine zur ca. 250 v. Chr. die Preise standig, um von vor 

Kliste (vgl. Rostovtzeff Gesellsch. u. Wirtsch. ca. 240 v. Chr. an wieder eine ebenso kontinuier- 



857 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 858 

liche und allmahliche Steigerung aufzuweisen. 29 [1934] 45). Im letzteren Falle ist freilich ein 

Die letzten ca. 22 Jahre des 3. Jhdts. v. Chr. unmittelbarer letzter Ursaehenzusammenhang mit 

seit der Spatzeit Ptolemaios III. bringen im Zu- dem iibrigen etwa gleichzeitigen Kornpreisbefund 

sammenhang mit politischen Storungen im Ptole- bis zum Nil und zur Kyrenaika so wenig eindeutig 

maerreich eine Inflation mit nachf olgender Wah- zu beweisen wie analog bei einer ein Jahrhundert 

rungsreform, die einen auch faktisch erheblich ge- spater um ca. 130 v. Chr. einsetzenden und dieses 

steigerten Preisstandard hervorbringt und hinter- Mai etwa gleichzeitig in Italien und Agypten auf- 

lafit. Nach ca. 170 v. Chr. ist dann bis ca. 130 tretenden neuen Kornteuerungswelle. Angesichts 

V. Chr. nach anfanglichen Krisenpreisen infolge des ungewohnlich engen politischen, kulturellen 

politischer Wirren eine neue Preissenkung zu ver- 10 und last not least wirtschaftlichen Zusammen- 

folgen, die in der seit damals immer aufs neue hanges des ganzen hellenistischen Gebietes, der 

aufbrechenden Gefahrdung durch die Burger- uns sonst entgegentritt (vgl. Heichelheim 

kriegs- und Krisenzeiten der Agonie des Ptolemaer- Wirtsch. Schwank. passim, zum Pontes wichtig- 

staates wahrend fast des ganzen folgenden Jahr- stes weiteres Material bei Glotz 246), erscheint 

hunderts von neuen Teuerungspreisen, Zeiten mir freilich die Annahme hochst plausibel, dafi 

hohen und vor allem aufierordentlich schwanken- nicht nur das Ostmittelmeergebiet im engeren 

den Standards (vgl. auch die VA von uns er- Sinne von der Nilmtindung bis zum Hellespont, 

wahnten entsprechenden starken Schwankungen in wo aus den iiberlieferten Preiszahlen ein unwider- 

dem Verhaltnis der Anbauflachen der Getreidesor- legbarer Nachweis gefiihrt werden kann, sondern 

ten im Nilland innerhalb weniger Jahre, die, auf 20 im 3. Jhdt. v. Chr. welter der Pontus und Meso- 

amtliche Direktiven zurtickgehend, meines Erach- potamien im 2./1. Jhdt. v. Chr. auch das nicht- 

tens von diesen Verhaltnissen herriihren) abgelost griechische Italien einen so eng verbundenen oko- 

wird, Zustande, die bis zum Untergang der letz- nomischen Komplex gebildet haben, dafi die 

ten Kleopatra fortdauerten, nur zwischen 60 und GrundtendenzenderstrukturellenPreisveranderun- 

50 V. Chr. anscheinend von einem neuen, nicht gen im ganzen Gebiet im wesentlichen identische 

sehr langlebigen Preistief stand unterbrochen, der Ablaufe zeigten. Die Veranderungen imKornhandel 

aber wohl mehr von einer Aufwertung der agyp- der hellenistischen Zeit, die wir im vorhergehen- 

tischen Kupferdrachme, in der die betreffenden den Abschnitt dargestellt haben, weisen bemer- 

Preise ausgedriickt waren, gegentiber dem nun kenswerterweise ebenfalls in dieselbe Richtung 

immer schlechter ausgepragten Silber herriihrt, 30 und sprechen fur unsere Anschauung. Die Krisen- 

als echt ist (vgl. zu dem schwankenden Verhalt- zeiten zu Anfang der hellenistischen Epoche, die 

nis der Kupferdrachme zur Silberdrachme der Pto- ruhigen Jahrzehnte um die Mitte des 3. Jhdts. 

lemaer im 2./1. Jhdt. Heichelheim Wirtsch. v. Chr. und die neuen, seit dem spateren 3. Jhdt. 

Schwank. 28ff., dazu die neuen Zeugnisse Tait v. Chr. einsetzenden Storungsmomente zeichnen 

Ostr. Bodl. 314. 330 und besonders BGU VIII sich fiir uns auch in diesem Sektor ahnlich be- 

1827, in welch letzterem Text bezeichnenderweise zeichnend und weltweit ab, wie innerhalb der 

52/51 V. Chr. die Kupferdrachme gegenuber der Kurven der zahlenmafiig uns iiberlieferten Korn- 

Silberdrachme auf 1 : 387,5 gestiegen ist). Die preise, die in ihrer Tendenz, was hier nur kurz 

im Vorstehenden dargestellten wechselnden Grund- angedeutet werden kann, innerhalb der preis- 

tendenzen der agyptischen Kornpreisschwankun- 40 geschichtlichen Entwicklung des Hellenismus 

gen sind bemerkenswerterweise nicht auf das Nil- ganz und gar nicht fiir sich stehen, sondern mit 

land beschrankt geblieben, steUen vielmehr eine so gut wie alien quellenmafiig fiir uns fafibaren 

wirtschaftshistorisch sehr bedeutsameErscheinung Schwankungstendenzen freier Warenpreise unserer 

dar, die auf verschiedener absoluter Hohe im gan- Periode in ihrem Auf und Ab tibereinstimmen. 
zen quellenmafiig fiir uns fafibaren Ostmittelmeer- Grofie und historisch mehr als interessante 

gebiet relativ wiederkehrt. Die grofie Teuerung Strukturschwankungen, die auch zahlenmafiig fafi- 

der Alexanderzeit ist in diesem Sinne durch kon- bar sind, treten uns so als Gradmesser fur den 

krete attische hohe Preiszahlen (vgl. VII B) und Wirtschaftsstand und die Wirtschaftsintensitat 

zahlreiche literarische und inschriftliche Berichte der hellenistischen Epoche entgegen. Meine sei- 

fiir uns noch iiberall zu erkennen (vgl. V A. B. 50 nerzeit versuchten Erklarungen fiir die fraglichen 

Oliverio Document iantichideU'Afr.Italiana II 1 Erscheinungen haben, soweit ich sehe, fast allge- 

[1933]). Datierte Preise tiber einen langeren Zeit- meine Zustimmung der Mitforscher gefunden. 

raumhinfurWeizen,GerstenkornundGerstenmehl Politische Ursachen sind danach fast iiberall ent- 

konnen wir dann in Delos seit ca. 282 v. Chr. heran- scheidend an dem positiven oder negativen Bef und 

Ziehen. Auch auf dieser Insel tritt uns, ahnlich der einzelnen von uns beobachteten Phasen des 

wie in Agypten und nicht allein fiir die Korn- Wirtschaftsablaufes im Hellenismus schuld. Der 

preise, nach anf anglichen starken, politisch be- Alexanderzug und die friihen Diadochenkampf e 

einflufiten Schwankungen eine Preissenkung bis bis zur endgiiltigen Stabilisierung der Teilreiche 

nach ca. 250 v. Chr. entgegen. Dann steigen bis schufen einen Zustand nicht nur politischer und 

169 V. Chr., wo die Liste der Zeugnisse leider 60 sozialer, sondern auch wirtschaftlicher Unruhe 

vorlaufig abbricht, die Kornpreise von neuem auf und Garung. Die nachfolgenden politisch ruhige- 

und fiber den Hochststand aus dem ersten Viertel ren Jahrzehnte mit ihrer intensiven Kolonisations- 

des 3. Jhdts. v. Chr. Fiir grofie Preiskrisen seit tatigkeit in Asien und Agypten brachten eine im 

ca. 230 — 220 v. Chr. haben wir welter auch Zeug- Verhaltnis zum Lohnniveau durchaus positiv zu 

nisse aus der mit Agypten eng verbundenen Kyre- bewertende Preissenkung fast aller Produkte mit 

naika und weiterhin anscheinend durch Syll.^ sich (vgl. Heichelheim Wirtsch. Schwank. 

495 selbst aus Olbia im Schwarzmeergebiet (vgl. 97S.). Die nach ca. 250 v. Chr. von Jahrzehnt zu 

VII B und zuletzt A. Segre Bull. Soc. Arch. Alex. Jahrzehnt die Staaten des Hellenismus einen 



859 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 860 

nach dem andern in scliwere Kriege, Revolutionen S e g r e Bull. Soc. Arch. Alex. 29 [1934] 46). Ir- 

und Thronkampfe verwickelnde Gestaltung der regulare Kriegspreise von 300 oder gar 1000 Drach- 

politischen Situation weiter fuhrte, erst langsam, men pro Medimne kennen wir aus Belagerungs- 

spater mit zunehmender Verscharfung, zu einem zeiten, wie denen Athens durch Demetrios Polior- 

Umbruch dieser giinstigen Tendenzen, bis schliefi- ketes und wieder durch Sulla (vgl. VII B). Auch 

lich die Knechtung des heUenistischen Ostens starke Kornpreisschwankungen im Delos des 

durch Rom nach AbschluB der eigentlichen schwe- J. 282 v. Chr. werden auf politische Storungen 

ren Eroberungskriege, einige Jahrzehnte vor der aktueller Art zuruckzufiihren sein (so zuletzt 

Mitte des 2. JHhdts. v. Chr. beginnend, einen neuen J a r d e 168ff. Ziebarth 69. Heichel- 
Preissturz herauf fuhrte, diesmal freilich nicht in- 10 h e i m 51). 

folge von neuen bedeutenden Produktionssteige- JahreszeitlichePreisschwankungen endlich sind 

rungen, sondern weil durch Geburtenrtickgang bisher allein aus Delos (vgl. VII B ftir 282 v. Chr., 

und Sklavenraub die Nachfrage der zusammen- 250 v. Chr. und 179 v. Chr.) und aus Agypten 

geschmolzenen und verarmten Bevolkerung des bekannt geworden (vgl. die Zitate bei H e i c h e 1- 

Ostmittelmeergebietes nach Korn und anderen h e i m Wirtsch. Schwank. 64f., weiter VII A vor 

Waren gegeniiber dem noch vorhandenen Angebot allem flir mutmaBlich sehr niedere Tennenpreise. 

zu stark zurtickgegangen war. Der letzte groBe Pap. Tebt. I 112 gehort nicht hierher, worauf 

Preisanstieg unserer Periode, den wir um ca. 130 Oertel 576 mit Recht hinweist). Nur aus- 

V. Chr. in seinem Beginn festlegen konnten, nahmsweise und bei Ausnahmegruppen gehen 
ist entsprechend durch die zahlreichen internen 20 hier die Differenzen bis zur Verdoppelung des nie- 

Kampf e der vor ihrer Provinzialisierung in wilden dersten Standes und dariiber hinaus. Immerhin 

Krisen in sich zusammensinkenden Diadochen- sind sie innerhalb solcher Grenzen mit modernen 

staaten, wie z. B. Agyptens und Syriens und der Verhaltnissen verglichen nicht unbetrachtlich und 

halb selbstandigen Gebilde Kleinasiens, durch die angesichts der starken Einbeziehung von Korn- 

nach wie vor nicht abreifienden Sklavenkriege zu- produktion und Kornverkehr in die erwerbskapi- 

gunsten des Bedarfs der romischen Latifundien, talistisch-geldwirtschaftliche Organisation der Peri- 

durch die bekannten revolutionaren Bewegungen ode (sehr bezeichnend der spekulative Brief Pap. 

der Zeit bei Sklaven, Untertanen und Proletariern Cairo Zen. 59363), die uns bisher in alien fiir die 

Roms, durch die Zirkulationsstorungen, die das hellenistische Zeit auswertbaren Quellen entgegen- 
Seerauberunwesen im Pernhandel der Antike er- 30 tritt, fiir den Produzenten, den Handler und die 

zeugte, und last not least durch die ein Jahrhun- auch in den Korn exportierenden Landern um- 

dert lang die Alte Welt umpfliigenden romischen fangreichen auf Marktversorgung angewiesenen 

Biirgerkriege zu erklaren, die schlieBlich als reife Konsumentenschichten alles andere als unwichtig. 

Frucht die Regierung des Augustus hervorbrach- D. Die starkere kapitalistische Erfassung und 

ten, dessen lange ersehnte auctoritas und potestas Nutzung des Getreides im Hellenismus tritt uns 

einer Welt Frieden und Sicherheit zu verbtirgen weiter sehr bezeichnend in Strukturveranderungen 
schienen. • entgegen, die im Verhaltnis der politischen Ge- 

Unterschiede im Preisniveau der einzelnen walten zu diesem okonomischen Komplex sich 

Landschaften des Hellenismus sind ebenfalls nicht deutlich zeigen. Erst jetzt wird auBer urtiim- 
selten eindeutig festzulegen. Die Preise des Korn- 40 lichen und spater aus klassischem Geiste heraus 

produktionslandes Agypten kehren in etwa der- rationalisierten Tempelabgaben von der Ernte der 

selben absoluten Hohe und ungefahr gleichzeitig Polisburger, ihrer Untertanen und Freunde im 

auch in dem Kornlande Sizilien-Unteritalien (vgl. Stile der Aparche von Eleusis oder der dsjidxr} an 

die Daten vom 3. — 1. Jhdt. v. Chr. bei Heichel- den ApoUon Pythios von Gortyn, die weiter 

heim Wirtsch. Schwank. 72ff. und T. Frank dauern (vgl. Ill: Kreta u. a. IV D. VA: Athen, 

An economic survey I 98. 191f. 283f. 402f.) und, dazu Syll.s 589, 62, wo fiir die Sitopolai und 

nach dem niedersten in Syll.^ 495 angegebenen andere Markthandler von Magnesia die archaisch 

Preise zu schlieBen, anscheinend auch im Pontos anmutende Verpflichtung bezeugt ist, einen Opfer- 

wieder. Im alt-griechischen Gebiete dagegen, wo stier unmittelbar zu ftittern), das Korn ein spezial 
wir auBer Delos auch aus derKyrenaika,Pergamon, 50 erfaBter steuerlicherFaktor. In Kos etwa bestanden 

Priene, Epidauros und Megalopolis (vgl. VII B) im 2. Jhdt. v. Chr. speziale Verkaufssteuern fur 

Preiszahlen heranziehen konnen, und in Alexan- Brot und Getreide (vgl. Andreades I 162f . 

dria (Heichelheim 65) sind die Kornpreise Sauciuc 191. Schwahn Bd. V A S. 252 sieht 

regelmaBig hoher als in diesen reinen Agrariiber- wvf] okov irrig als Bodenertragssteuer an). In 

schufigebieten, und zwar mindestens um das Dop- Telmessos tritt uns ca. 240 v. Chr. eine dnofwiQa 

pelte, meistens um das Drei- bis Sechsfache und entgegen, in der bisherigen Literatur als ein Ge- 

mehr gesteigert. Seit ca. 270 v. Chr., dem Zeit- treidezehnter von der Produktion angesehen (vgl. 

punkt, von dem an wir eigentlich erst einen ge- Bull. hell. XII 162. Andreades I 165. Sauciuc 

meinsamen Ablauf hellenistischer Preiszahlen 206), wohl eher meines Erachtens aber eine Steuer 
quellenmaBig gesichert feststellen konnten, hat GO auf die Ertragnisse von Gartenland und Weinber- 

sich im Mittelmeergebiet die Verfrachtung von gen, wie die gleichbenannte Steuer des mit Tel- 

Korn mit Ausnahme von Teuerungszeiten, in messos bekanntlich im 3. Jhdt. eng verbundenen 

denen MiBernten und politische Krisen einzelne Ptolemaerreiches. Auch in Kos herrschte lange 

Produktionslander heimsuchten und exportunfahig Zeit ptolemaischer politischer EinfluB vor, so daB 

machten, wohl immer iiber betrachtliche Entfer- wir sowohl hinsichtlich der oben angefiihrten Ab- 

nungen hin gelohnt und allgemein ein maBiges gaben wie vor allem tiberhaupt meines Erachtens 

Preisniveau aufrecht erhalten (vgl. einige Fracht- grundsatzlich ein gewisses Recht zu der Annahme 

ansatze bei Heichelheim 9 Iff., zuletzt A. haben, daB derartige der klassischen griechischen 



861 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 862 

Polis so gut wie fremde Steuern des ofteren durch Umsatzsteuern und Zolle ganz ausgepragt ent- 
die neuen hellenistischen Monarchien im altgrie- gegen, die zum Teil fiir Getreide speziell modi- 
chischen Gebiet angeregt worden sind. Auch fiziert sind. In der Kegel entstammen sie in ihrem 
die Staatsdomanen der Poleis, die nach wie vor Ansatzkern der vorhellenistischen altorientalisch 
in der Kegel gegen Geld an den Meistbietenden beeinfluBten Zeit dieser Gebiete (vgl. Schwahn 
fiir eine feste Zahl von Jahren mitunter mit Bd. V A S. 252, iiber die abweiehende Entstehung 
Anbau- oder Meliorationsauflagen verpaehtet wur- einer Grundsteuer im syrakusanischen Reiche des 
den (vgl. Jard6 81ff. 100. 115ff. 145ff. 157ff. 5./4. Jhdts. v. Chr, vgl. IV D). tberall werden 
Art. T e 1 e Bd. V A S. 237ff . Art. Mlo'&cootg sie aus dem im Alten Orient von den kleinen Ein- 
Bd. XV S. 2095ff. Kahrstedt Staatsgebiet 10 heiten der Bauernkultur sippenmaBiger Natur auf 
6f. 48f. 244. 297; Sardes VII 1 [1932] nr. 1 mit riesige Keichsgebiete ausgedehnten und von der 
Komm. IG IF 1241. 'Aqx- 'EcprjfA,. [1913] 25 hellenistischen Eroberungspolitik voU ubernom- 
nr. 165. Syll.^ 302), zeigen hie und da abwei- menen Grundsatz heraus erhoben, daB das ge- 
chende Verpachtungsmethoden, die nur zum Teil samte beherrschte Landgebiet Eigentum, ja Do- 
die arehaische Naturalpacht fortsetzen, die wir mane der Herrscher und der Dynastie sei, die an 
IV D als Ausnahmefall auch fur die klassische der Spitze ihrer Truppen, denen deshalb eine be- 
Zeit nachweisen konnten, zum Teil aber statt des- vorzugte Stellung zukam, das Reich mit dem 
sen tJbernahme und Umbildung von fiskalischen Schwerte erobert hatten und es nun mit patri- 
Methoden der Diadochenmonarchien fiir uns min- archalischer Fiirsorge zusammenhielten. "Dber Si- 
destens nahelegen. Eine ptolemaische bcoQed auf 20 zilien, wo die romische Provinz in ihrer Steuer- 
Kypros fiir Kos ist z. B. bei H e r z o g Abh. Akad. organisation als tJberlebsel des syrakusanischen 
Berl. phil.-hist. Kl. 1928, VI 45 und Patriarca Reiches noch einen Getreidezehnten, die decuma^ 
Bull, del Museo del Impero III (1932) 6f. nr. 3 bewahrte, vgl. in diesem Zusammenhang R o - 
gegen M. Segr^Riv.difilol. 62 (1934) 181 nach- stovtzeff Bd. VII S. 152. Kornemann 
gewiesen. Weiter hatte die boiotische Stadt Thisbe Suppl.-Bd. IV S. 236ff., dazu T. Frank Economic 
Domanen vor 170 v. Chr. an den italischen Unter- History^ 35. 61. 90. 162. 193; Economic Survey 
nehmer Pandosinus unter der an ptolemaische I 68ff. 80. 140. 227. 255. 279. Rostovtzeff 
Verwaltungspraxis erinnernden Bedingung ver- Kolonat 229ff.; Gesellschaft u. Wirtschaft I 171ff. 
pachtet, daB dieser jahrlich bestimmte Natural- 249f. = ital. Ausg. 242ff. W. Htittl Verfas- 
mengen von Korn und 01 der Stadt zur Verfiigung 30 sungsgeschichte von Syrakus 137ff. 140. S t a u f - 
steUte (IG VII 2225, 53ff. = SyU.s 646. Sauciuc f e n b e r g Konig Hieron II. von Syrakus 1933, 
181). Ahnlich ist freilich bereits zur Alexanderzeit 64ff. C a r c o p i n o La loi d'Hi^ron et les Ro- 
nach IG IP 1672, 252fE. (Jarde 96. 116) die eleusi- mains (1919) passim. AndreadesI 109. 110. 
nische Tempeldomane Tagla, die sehr hohe Er- T. F r a n k Cambr. Anc. Hist. VII 793ff. 929ff. 
trage abwarf, an einen Unternehmer gegen haupt- Im Karthagischen Reich war nach Polyb. I 72, 2 
sachlich fiir den Bedarf der Priester und der die Halfte des Bodenertrages dem Herrenstaate 
Festlichkeiten verwandte Naturalleistungen in vorbehalten (vgl. G s e 1 1 Histoire anc. de TAfr. II 
Korn verpaehtet, in diesem Fall also moglicher- 303. 310. 312. IV 10. Andrea des I 110, 4). 
weise bereits ein Verfahren klassischer Zeit, von In Numidien waren groBe Konigsdomanen vor- 
dem aber die ptolemaische Regelung, als sie alt- 40 handen, deren Einktinfte durch ahnliche Natural- 
orientalische Formen umbildete, wie so oft bei steuern wie im karthagischen Reiche noch ver- 
attischen Institutionen, beeinfluBt gewesen sein mehrt wurden (vgl. Schwahn Bd. XIV S. 2161fE. 
konnte. Syll.s 976 (VF. Sauciuc 185. Zie- Gsell V 18ff. 106f. 152f. 168ff. 186ff. 1981 209fi. 
barth 87, mit alterer Literatur) wird dann fiir VI 83). In Makedonien war eine Grundsteuer 
das aus der Tempeldomane Anaia der Hera von neben unmittelbaren Konigsdomanen vorhanden 
Samos auf Grund einer von den Bebauern in (vgl. Tarn Antigonos Gonatas 189ff. Berve 
Natur zu leistenden Abgabe von 5 ^/o anfallende Alexanderreich I 307. Ehrenberg Der griech. 
Getreide ein gesetzlicher, vom Staat unter ge- u. der hellenist. Staat 96. 104). Im Seleukiden- 
wissen Kautelen an die Tempelverwaltung zu zah- reich und seinen asiatischen Diadochenvorlaufern 
lender Abnahmepreis als Ablosung bestimmt, was 50 bestand entsprechend nach [Aristot.] oec. II 1. 4 
wieder an ptolemaische Methoden gegenuber der (vgl. zur Stelle van Groningen Aristote, le 
isQa yfj und der Priesterschaft erinnert, freilich second livre de I'economique [1933]) eine Dekate 
nicht vollig analog ist. IG XII 9, 191 A, 1. 9f. und ein unmittelbares Domanensystem ursprting- 
(Sauciuc 183); endlich wird im spaten 4. Jhdt. lich sehr groBen Umfanges. Auch Pergamon 
V. Chr. bei der Verpachtung einer Domane von hatte sein Reich vermutlich ahnlich organisiert^ 
Eretria zur Entsumpfung dem Pachter Steuerfrei- auf jeden Fall einen von den Romern (vgl. 
heit zugesagt, wenn er seine Ernte im Polisgebiet Appian. bell. civ. V 4) fiir die Provinz Asia 
selbst verkauft, eine fur die damaligen allge- ahnlich wie in Sizilien iibernommenen Zehnten 
meinenKornversorgungsschwierigkeiten (vgl.VB), auferlegt, der nur kurze Zeit im 2. Jhdt. v. Chr. 
welche die Ursache dieser MeliorationsmaBnahme 60 in eine festnormierte Bodensteuer, vielleicht nach 
selbst meines Erachtens gewesen sein konnten, ptolemaischem Muster, aber hier rein in Geld um- 
sehr bezeichnende Umbildung wohl der eleusini- gewandelt wurde (vgl. Kornemann o. SuppL- 
schen Regelung, zugleich ptolemaische Bestim- Bd. IV S. 234ff. Andr eade s I 109f. Ehren- 
mungen und Kolonisationsmethoden auf kleinem berg Griech. u. heUen. Staat 96. Rostov- 
Raum vorwegnehmend. t z e f f Cambr. Anc. Hist. VII 773ff. 898ff. VIII 
E. In den hellenistischen Flachenstaaten von 597ff. 787ff.; Notes on the economic policy of the 
Sizilien und Karthago bis Indien und von Nubien Pergamene kings, Anatolian Studies pres. to W. 
bis zum Pontes treten uns dann Grundsteuern, M. Ramsay 1923, 359ff. 0. Kriickmann Ba- 



863 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismiis) 864 

bylonische Rechts- u. Verwaltungsurkunden, Diss. ten bemerkbar machte, urspriinglich ein einf aches 

Berl. 1931, 19f. Westermann Class. Phil. , Exportverbot nach griechischem Polismuster der 

XVI 12S. 391 f.). Im hellenistisch beeinflufiten klassisehen Zeit erlassen, um die Bewohner des 

Indien weiter ist das Bauernland katastriert und eigenen Landes vor Kornknappheit und zu hohen 

unterliegt unter Zuhilfenahme von Subjekts- und Kornpreisen zu schiitzen. Er kam hier freilich 

Objektsdeklarationen je nach der Besitzzugehorig- sehr schnell mit den fiskalischen Reichsinteressen 

keit zu Privaten oder der Krone in verschiedener in Konflikt. Denn der ExportzoU bildete einen der 

Intensitat von der Aussaat, die oft mit hochver- betrachtlichsten Einnahmeposten der Provinz. In- 

zinslichen Saatdarlehen des Staates erf olgte, bis folgedessen wurde diese Anfangsregelung von dem 

zur Tenne der planmaBig-fiskalischen und fiirsor- 10 Statthalter bald wieder aufier Kraft gesetzt. An 

gerischen Aufsicht von seiten der Btirokratie des die Stelle eines Exportverbotes traten nun be- 

Konigsstaates. Grofie Speicher standen fiir die trachtlich erhohte Exportzolle, die hohe und aus- 

verschiedenartigen, teilweise sehr hohen und nach reichende Einnahmen fiir den Fiskus und doch 

der Giite des Bodens differenziert abgestuften eine geniigende Abschnurung des Exportes als 

Naturalsteuern und Domanenbeziige der Krone in Wirkung mit sich brachten. Dann aber scheint 

Korn zur Verfiigung. Fiir Buchfiihrung, Aufsicht nach einiger Zeit Kleomenes die ungeheuren spe- 

und Verwaltung war ein groBer, reichgegliederter kulativenGewinnmoglichkeiten begriffen zu haben, 

Beamtenstab tatig. Analogien zur Wirtschafts- die in dieser Zeit von Teuerung und Hungersnot 

organisation des ptolemaischen Agyptens sind oft fiir den Export agyptischen Getreides bestanden. 

bis in Einzelheiten hinein in iiberraschendem Um- 20 Er organisierte nun ein halb-staatliches Handels- 

fange festzustellen und bediirften einmal sorgfal- unternehmen groBten Stiles fiir die agyptische 

tiger vergleichender Untersuchung (vgl. J. J. Kornausfuhr, wie solche einigermaBen analog, 

Meyer Artashastra des Kautilya [1926] 56ff. wenn auch alles andere als identisch, uns in der 

62ff. 78ff. 81ff. 86S. 138ff. 177ff. 226ff. 330ff. Zwischenzeit durch das Zenon-Archiv fiir den Dioi- 

372ff. B. I. Timmer Megasthenes an de In- keten ApoUonios hinsichtlich zahkeicher anderer 

dische Maatschappij, Amsterdam 1930. 0. Stein Waren, besonders im Sklavenhandel, ebenfalls be- 

Archiv Orientalny V [1933] 2461. VI [1934] 15ff. zeugt sind, der in seinem Vorgehen bis zu einem 

mit iiberreichem Material). In den pontischen gewissen Grade unter Ptolemaios II. die halb 

und anscheinend auch thrakischen Konigsstaaten privat-, halb staatswirtschaftlichen Expcp:tmetho- 

hatten die Herrscher ebenfaUs durch Domanenein- 30 den des Kleomenes weiter f ortsetzte (vgl. H i 1 1 e r 

kiinfte und umfangreiche Naturalsteuern hohe v. Gartringen Bd. XV S. 1607 und auch fiir 

jahrliche Kornbeziige (vgl. Miinzer Bd. XV das 1. Jhdt. v. Chr. Rabirius Bd. IAS. 26). Die 

S. 2165. 2202. Rostovtzeff Iranians and privaten Getreidehandler bezahlten in der agyp- 

Greeks in South Russia 70; Cambr. Anc. Hist. tischen Chora bereits 10 Drachmen pro Med. fiir 

VIII 561ff.784ff.; Gesellsch.u.Wirtsch. 114. 283= das immer begehrter werdende Exportkorn, als 

ital. Ausg. 307ff . Minns Scythians and Greeks Kleomenes durch eine mindestens nominell f reie 

520. 586 vor allem iiber die Korneinkiinfte und Vereinbarung mit den Produzenten sie restlos eli- 

die Domanenverwaltung des groBen Mithridates. minierte. Der agyptische Kornerzeuger erhielt 

Zu Thrakien mit alterer Literatur K a z a r o w vom Satrapen fiir seinen vollig an diesen uber- 

Cambr. Anc. Hist. VIII 534ff. 781 ff. S a 1 a c Bull. 40 gehenden ErzeugungsiiberschuB denselben hohen 

hell. LV 49ff.). Preis wie bisher vom freien Handel. Kleomenes 

Am genauesten wissen wir iiber das Ptolemaer- selber aber lieB im Ausland das nun von keinem 

reich Beseheid, das wohl fiir Sizilien wie viel- Konkurrenten mehr mit geniigenden Mengen zu 

leicht auch Pergamon, wohin beide Male beson- unterbietende agyptische Getreide statt fiir 

ders enge Beziehungen bestanden, in manchen 10 Drachmen zum Wucherpreis von 32 Drachmen 

Einzelheiten vorbildlich gewesen sein konnte. Eine pro Med. verkauf en. Aus Demosth. [LVI] § 7S. 

Vorstufe der ptolemaischen Organisation hinsicht- ersehen wir auBerdem, daB der geschaftstiichtige 

lich Kornproduktion und Kornexport des reichen Statthalter fiir diese Handelsunternehmung alle 

Nillandes liegt bereits aus der Alexanderzeit in nur irgendwie geigneten Kornhafen mit einem 

MaBnahmen uns vor, die Kleomenes von Naukratis 50 Netze von ihm abhangiger Agenten und Kommis- 

als Statthalter des Alexanderreiches in der agyp- sionare iiberzog, so daB hier gewissermafien zur 

tischen Provinz durchgefiihrt und damit gleich spekulativen Ausbeutung der Kornimportgebiete 

nach der Eroberung des Landes dessen geldwirt- eine halbstaatliche Kornexportfirma groBten Stiles 

schaftliche Revolutionierung und staatskapitali- in politischer Anlehnung an die agyptische Statt- 

stische Durchdringung in die Wege geleitet hatte halterschaft entstand. Das Agentensystem war 

(vgl. mit alterer Literatur Stahelin Bd. XI durch einen ausgezeichneten Nachrichtendienst in 

S. 71 Off. Heichelheim Bd. XVI S. 148. seinen einzelnen Verzweigungen verbunden, so 

S c h w a h n Bd. V A S. 254. 260. Andreades daB fiir die Kornschiffe des Kleomenes standig die 

Griech. Staatsw. I 189, 5. 191f£. 258, 9f. 260ff. Hafen mit den hochsten Kornpreisen und den 

II 81ff. Ziebarth 52. 62ff. 128. Sauciuc 60 groBten augenblicklichen Ernahrungsschwierig- 

155f. Jarde 177. 180. 200. Hasebroek keiten selbst noch wahrend der Abfahrt erfahren 

Staat u. Handel 87. 168. Van Groningen zu werden vermochten und die urspriinglichen 

183ff. A. Segre Bull. Soc. Arch. Alex. 29 [1934] Ronton demgemaB selbst im letzten Augenblick 

44. Oliverio Documenti antichi dell* Africa geandert werden konnten. Dariiber hinaus wurden 

Italiana II 1 [1933]). Nach [Aristot.] oec. 112,33 durch Strohmanner, die ihre wirklichen Auftrag- 

hatte Kleomenes, als die bereits mehrfach von geber erst bekannt gaben, wenn es zu spat war, 

uns erwahnte allgemeine Teuerung im Ostmittel- mit Hilfe von ebenfalls moglichst lukrativ aus- 

meergebiet der Alexanderzeit sich auch in Agyp- gestalteten Seedarlehen auch die bisher unab- 



865 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 866 

hangigen Eornkapitane nach Moglichkeit so diri- ein Teil der yfj ev d(pso€i, die selbstbewirtschaf- 
giert, wie es das Gewinninteresse des Gesamt- teten Telle der yfj TtXrjQovxi^ri und die yfj sv dco- 
unternehmens empfahl. Am Anfang jeden kapi- qs^ unterlagen gelockerten, quellenmaBig noch 
talistischen Aufschwunges, z. B. auch desjenigen nicht vollig geklarten Bestimmungen, die die 
der fruharabischen (vgl. G. Jacob Die altesten Staatsaufsicht jedenfalls nicht vollig ausschal- 
Spuren des Wechsels, Mitt. d. Sem. f. Orient. teten. Hier wissen wir immerhin, da6 das konig- 
Sprachen XXVIII [1925] Abt. II 280f.) und, liche Diagramma und zugehorige Bestimmungen 
wie allgemein bekannt, der spatmittelalterlich- hinsichtlich Saatdarlehen, Naturalpachtbetragen, 
renaissancezeitlichen Entwicklung stand schran- Verrechnung von Korn in Miinzgeld bei Staats- 
ken- und ziigellose Spekulation, die sich gerne 10 lieferungenjVariiertenVertragsmoglichkeitenjVoll- 
auf am Gewinne mitbeteiligte Staatsgewalten zu streckungs- und sonstigen Gerichtsverfahren sehr 
stiitzen suchte. Das war, wie ganz besonders weitgehend bindende Eegelungen getroffen batten 
schlagend das Beispiel des Kleomenes uns zeigt, (vgl. Rostovtzeff Journ. Egypt. Arch. VI 175; 
zu Beginn des Hellenismus nicht anders wie unter Zu Pap. Tebt. Ill 703 S. 83ff. Wi 1 c k e n Schmol- 
analogen Verhaltnissen spater. lers Jahrb. LIV 380; Arch. f. Pap. IX 67f. zu 
Das Ptolemaerreich ging dann bereits zu nicht Pap. Columb. Inv. nr. 270. Westermann 
so spekulativen und moralischeren, dafur aber um Memoirs of the American Academy in Rome VI 
so intensiveren zentralistischen und planwirt- [1927] Iff.; ders. Upon slavery 29ff. Segre 
schaftlichen Methoden iiber. Alles Land gait seit Aegyptus VIII 31 2f!. Paul M. Meyer Ztschr. 
Ptolemaios II. wie bei der sonstigen ptolemaischen 20 Sav.-Stift. L 527f. 532). Die Saatpflege bis zur 
Finanzgebarung (vgl. dazu Heichelheim Ernte wurde vom Staate dauernd tiberwacht 
Bd. XVI S. 1581 Preaux Aegyptus XIII 547i'L (vgl. Pap. Tebt. Ill 703, 29—63). Wahrend 
und S c h w a h n Bd. V A S. 306f., der die Edi- der Saat war der Fellachenpachter an den Boden 
tionen und Spezialuntersuchungen der letzten gebunden und durfte sein Dorf nicht verlassen 
Jahre leider nicht mehr voU berucksichtigt), in der (vgl. Mitteis-Wilcken Grundzuge I 275. 
Einzelregelung moistens wohl auf Grund des did- Pap. Tebt. I 210). Das Dreschen erfolgte in 
yQa/bi/j,a to tisqI x(bv oixmcbv eTiKelfxevov =■'■ oito- offentlichen Tennen unter Staatsaufsicht (vgl. mit 
Xoyiaov didyQa[jifA,a (vgl. SB 7450. Westermann Literatur Schnebel 170ff.). Die Zugtiere zum 
Upon slavery [1929] 29ff. Paul M. Meyer PjQiigen und Dreschen stellte, wenigstens zu einem 
Ztschr. Sav.-Stift. L 527, 544, mit alterer Literatur. 30 betrachtlichen Teilei, ebenfalls der Staat, der groBe 
Oertel Gnom. VIII 654), als grundsatzlich der Bestande auch fiir die amtlichen Korntransporte 
Staatsverwaltung unterstehende Konigsdomane. brauchte, und dariiber hinaus ohne viel Bedenk- 
Auch die bisherigen Tempelgiiter wurden mit lichkeit Vieh im Privatbesitz requirierte, wenn 
einer gewissen Sonderverwaltung als IsQa yfj^ in die Anforderungen an seine eigenen Stalle zu 
das System einbezogen. Anstatt der bisherigen gro6 wurden (vgl. mit SteUenverzeichnis Schne- 
wechselnden Naturalbetrage jedes Jahres erhielten bei 317ff. 321. 331. Rostovtzeff A large 
die Priester als Entschadigung in Zukunft feste estate 108; Journ. Egypt. Arch. VI 174; Pap. 
staatliche Beziige (vgl. V G und M i 1 1 e i s - Tebt. Ill 703, 63ff.). Was an Getreideertrag den 
W i 1 c k e n Grundz. I 93ff . mit alterer Literatur. Bedarf eines Jahres fiir den eigenen Haushalt 
Rostovtzeff Journ. Eg. Arch. VI 165ff. 173f. 40 uberstieg, behielt der Bauer in der Regel, soweit 
Schubart Papyruskunde 354ff . W i 1 e k e n wir sehen, nicht auf die Dauer bei sich. tJber die 
SchmolL Jahrb. XLV 379ff.). Den vom Staat ab- Getreidevorrate wurde von ihm eine jahrliche 
hangigen, auf Staat sland (yfj ^aoihxrj), Tempel- Apographeabgegeben (vgLMitt eis-Wilcken 
land (y^ /fi^d) und einem Teil der y^ ?<A^^ov%«ptf?? Grundz. I 175; Chrest. I 198. Schwahn 
(vgl. Kornemann o. Suppl.-Bd. IV S. 233ff. mit Bd. VA S. 303). Moglichst auf der Tenne wur- 
der alteren Literatur; ausftihrlicher, aber oft un- den bereits die schuldigen Naturalpachtbeztige 
genau Schwahn Bd. V A S. 267fi.) ansassigen und die zu leistenden Naturalsteuern an den Staat 
yeooQyol, also der iiberwaltigenden Menge der duroh die ysvr)[Aaro(pv}.aKsg einbezogen, notfaUs 
kornbauenden Fellachen, wurde vom Staat durch durch Beschlagnahme (vgl. Mitteis-Wil- 
eigene Kommissionen ausgesuchtes Saatgut als 50 c k e n Grundz. I 180, dazu z. B. PSI 490. G u 6 - 
Saatdarlehen bis zur Ernte zur Verfiigung gestellt, r a u d Enteuxeis 55. BGU VIII 1836. 1851, Pap. 
das aus verschiedenen Proben {dsiy (xaxa) nach Cairo Zen. 59173, 29). 

seiner Giite ausgewahlt wurde. Das Saatquantum An solchen Abgaben iiberhaupt sind zur Zeit 

pro Anbauflache bestimmte auf Grund sehr spezi- folgende Einzelleistungen zu belegen, ohne daB 

fizierter Kataster, aus denen der Kulturzustand freilich alle wissenswerten Einzelheiten bisher 

des Landes und die jeweilige Bodenbeschaffenheit bereits interpretatorisch gesichert waren: Der 

iiber lange Zeitraume hin zu iiberblicken war, die groBte Einkommenposten der Verwaltung war 

Verwaltung; ebenso wurden die jeweils pro Jahr das Ekphorion, die jahrliche Naturalpachtleistung 

von den FeUachen anzubauenden Feldfriichte nach der Konigsbauern fiir den ihnen zur Bebauung 
den sorgfaltig vorherberechneten Staatsbedurfnis- 60 iiberlassenen Staatsboden. Die Hohe dieses Ek- 

sen diesen wechselnd vom Staate her vorgeschrie- phorions war unabhangig vom wechselnden Ernte- 

ben, so daB die jahrliche Erntemenge und die ertrag jahrlich fest normiert. Von Zeit zu Zeit 

Relation der zu erntenden Sorten von Feldfriich- fanden dann dia^iGd'cboeig des Bodens statt, bei 

i;en nach Moglichkeit auf diese Art einheitlich denen die privatrechtlichen Verpflichtungen der 

und planmaBig von Alexandria aus gelenkt wer- Bauern gegeniiber dem Bodeneigentiimer Staat 

den konnte (vgl. zuletzt M. Schnebel Die neu fiir eine wohl unbegrenzte Frist f estgelegt 

Landwirtschaft im hellenistisch-romischen Agyp- wurden, deren Beendigung rein im Belieben der 

iten I 123ff. 127f. BGU VIII 1824. 1861). Nur Verwaltung stand. tJber die durchschnittliche 



Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 



28 



867 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 868 

Hohe von solchen Ekphoria pro Arure ist vor- (tivqov), bzw. leQdg {TiQid^g) vgl. Wilcken 

laufig nicht allzuviel Material (vgl. G r e n f e 1 1 - Ostr. I 221ff. P r e i s. - K i e 6 1. Pap.-Worterb. 

Hunt Tebt. I 564 und Schwahn Bd. VA s. v.) Rechnung. Weitere zahlreiche Naturalab- 

S. 272f., welter Tebt. Ill 782), hinsichtlich ihres gaben wurden fiir Leistungen der Btirokratie des 

prozentualen Verhaltnisses zum Gesamtertrag pro Staates gegeniiber den an alien Ecken und Enden 

Einheit meines Wissens iiberhaupt kein stati- reglementierten Bauern erhoben. Sie waren nach 

stisch ausreichender Quellenkomplex bekannt (vgl. unseren bisherigen Zeugnissen mit Sicherheit 

dazu Bouche-Leclercq Histoire des Lagi- zum kleineren Tell, meines Erachtens vielleicht 

des III 187ff. Carcopino Loi de Hieron 44, 1). weitergehend im Laufe der Ptolemaerzeit adarier- 
Dagegen sind immerhin die aus KhiQovxiTir} y^ 10 bar geworden. Es handelt sich hier um die 

an die privaten Inhaber abzuliefernden Pacht- Steuern bQayiiaxriyla = ovrilaiiKov cpoQBXQov (vgl. 

summen, ebenfalls Ekphoria genannt und wohl zu Bd. V A S. 296. Preis.-Kiefil. Pap.-Worterb. 

Recht als naheliegende Analogie heranzuziehen, I 399. Ill 252 fiir romische Zeit. Die ptolemaische 

nach unseren in diesem Falle reicheren Quellen Eegelung ist noch unklar), 'd'rjoavQocpvXaKixiKov 

als je nach Bodenbeschaffenheit und sonstigen (vorlaufig rein natural, vgl. Pap. Cairo Zen. 

Verhaltnissen wechselnd auf etwa 1 — 16 Artaben 59509, den sehr aufschluBreichen Brief eines The- 

pro Arure und Jahr in der Regel normiert festzu- sauruswarters selbst liber seine Beziige aus Kom- 

legen, Ob staatliche Ekphoria freilich, wie die der munalzuschiissen und sonstiger Tatigkeit in Phi- 

Kleruchen (so Pap. Cairo Zen. 59326, 29. 139. ladelphia, weiter Pap. Tebt. I. II Indices s. v. 
59787, 4. 82. 59789. PSI 1098. Tebt. Ill 815) 20 P r e i s i g k e Fachworterb. P r e i s. - K i e 6 1. 

auf Grund von Sondervertragen adariert werden Pap.-Worterb. s. v. Preisigke Girowesen 118f.), 

konnten, ist noch nicht klar. PSI I 388, 62 konnte iaxQinov (vgl. PSI 388, 12. 22. 36. 371, 3. 9. Pap. 

evtl. darauf hinweisen, wo eine Geldleistung Ek- Cairo Zen. 59293, 37. Pap. Tebt. Ill 746; weiter 

phorion genannt wird (vgl. weiter zu den eh- Bd. V A S. 299. Wilcken Ostr. I 375ff. Nach 

cpoQia und der oixikt] f^lo'&coGig vor allem Prei- Pap. Hib. 102 ist die Arztsteuer adarierbar), fcd- 

sigke-KieBling Pap. Worth. I 461, sehr 'd'aQoig (vgl. Pap. Cairo Zen. 59549. 59116. 

instruktive Belege in Preisigke Fachworter- Preisigke Fachworterb. Preis. -KieBl. 

buch s. v., vgl. weiter Wilcken Ostraka 1 185ff. Pap.-Worterb. Is. v.; die Steuer ist adarierbar), 

BGU VI. VIII, Index s. v. VIII 1815. Pap. Tebt. Koamvsvxi?c6v (vgl. Cairo Zen. Mich. 53. Pap. 
I 5. 11. 59. 102f. mit Anm. II 377, 23 Anm. 30 Cairo Zen. 59292, 484; zur Illustrierung vgl. 

Ill 701. 714. 715. 805. 807. 815. Jouguet- auch z.B. 59715. Prei s.-KieBl. s. v. Bd.VA 

G u e r a u d Aegyptus XIII [1933] 446. Pap. S. 297), tcQi'^loyia (vgl. Prei s.-K i e B 1. I 837. 

Amh. II 31, 6. Pap. Cairo Zen. I— IV, Indie. Ill 242. Wilcken Ostraka I 270, 1; Ostr. 

s. V. PSJ IV— VI Ind. s. V. Gueraud Enteu- Theb. 113 u. S. 138), n66o:)(m (vgl. Preisigke 

xeis 85 und Index s. v. Pap. Eyl. 119, 22. Fachworterb. Pr eis.-Ki eBl. Bd. VAS.295), 

Schwahn Bd. V A S. 272f ., wo aber mehr- oixoloyiKov (fiir ptolemaische Zeit vielleicht be- 

fach Verabsolutierung von Arbeitshypothesen und reits durch Pap. Cairo Zen. Mich. 53, 9f. indirekt 

Mifiverstandnisse bei der Quelleninterpretation bezeugt, dort anscheinend natural), oixofxexQiKov 

unterlaufen). Wir haben fiir das Ekphorion wohl (vgl. dazu Pap. Cairo Zen. Mich. 53. Pap. Caira 
ein System von Bonitatsklassen von sehr niederen 40 Zen. 59292, 63. 74. 82. 94. 110. 114. Pap. Hib. 

bis zu sehr hohen Betragen pro Arure auf warts 110, 14; bisher ist die Steuer rein natural be- 

anzunehmen, wobei das Land, das fur Leistung zeugt, dagegen ist die oixofAexQia nicht selten 

des normalen Ekphorions nicht zu verpachten war, adariert; vgl. PSI 672. Pap. Cairo Zen. 59296), 

widerruflich nach gewissen Regeln niedriger ab- q^vXaKixiKov (vgl. PSI 388, 10. 20. 34. Pap. Tebt. 

gegeben werden konnte (vgl. Rostovtzeff III 746: natural fiir Korn; Pap. Cairo Zen. 59346: 

Kolonat 30ff. Mitteis-Wilcken Grundz. I natural fiir Schweine(?); Pap. Cairo Zen. 59366, 

277). Dorfschaften konnten Leistungsgemeinschaf- 22: adariert fiir Weinland). Hinzu kam weiter 

ten bilden, fiir die bestimmte Personen verant- die emyQacpri, soweit wir heute sehen konnen, eine 

wortlich hafteten und die zugleich interne Ver- zusatzliche allgemeine Steuerauflage, die bei 
anlagungsrechte prekar besaBen (BGU VIII 1779). 50 Kornland in natura erhoben wurde, sonst ada- 

Zu den Ekphoria kamen fiir den Bauern eine riert oder adarierbar war. Von Zeit zu Zeit er- 

auBerordentliche Anzahl von Kornsteuern, die in folgte eine ixexemyQacptj (vgl. Pap. Tebt. I 99^ 

natura gezahlt werden muBten oder konnten. 124. Pap. Tebt. Ill 715. 739 und BGU VIII 

Ein Komplex reiner Kornsteuern, der pro Arure 1785: Leistungsgemeinschaf t von Katoken. PSI 

und anscheinend nicht nur auf ^Xtjqovxi^v yfj 510, 12: Geldepigraphe von Bienenziichtern. Pap., 

und leQa yfj erhoben wurde, ist uns als aQxapisla, Cairo Zen. 59370: Geldepigraphe fiir Vieh. PSI 

aQxa^a, 8iaQxapia,'^fA,iaQxapla, 7JfA,iov xsxaQxov loe- 984. BGU VIII 1813: natural fiir Kornland; 

zeugt (vgl. besonders Pap. Tebt. 15. 15. 59 mit (AsxemyQacpr} z. B. BGU VIII 1731—1739. 1772. 

Anm.; 61(b). 89. 98. 124,44. 135. 323 und BGU VI S. 135ff. Mi ttei s-Wil eke n Grundz. 
S. 430. 555. Pap. Tebt. II 346, 14 mit Anm. Ill 60 I 171. P r e i s. - K i e B 1. Pap.-Worterb. s. v., 

768. Ostr. Theb. S. 77 nr. 11. 13. 15. Preis.- wichtig auch Pap. Tebt. I 5. 59 mit Anm.^ Pap. 

KieBL Pap.-Worterb. Preisigke Fachworterb. Tebt. I 40. Preisigke Girowesen 147, 8. P. 

s.v. mit Quellenzitaten und Literatur, dazu Bd.VA M. Meyer Pap. Giss. I 60, EinL S. 31. Wil- 

S. 287ff. BGU VI 1238, 19. SyU. or. 90, 30. Die cken Ostraka I 194ff. Bd. VA S. 299). Weiter 

Steuer vielleicht adariert bei Kortenbeutel hatte der Staat das Recht, fiir durchreisende Be- 

Aegyptus XIII 247ff.). Eine andere Gruppe von amte und Truppen zu niedrigen Zwangspreisen 

wenigstens urspriinglich wohl rein naturalen als ayoQa oder InniKov im Rahmen anderer Natu- 

Steuern trug den Tempelbediirfnissen {ieQov rallieferungen (vgl. V G. Pap. Tebt. Ill 798. PSI 



869 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 870 

354. 436. 504 (sehr bemerkenswert ein vorkom- regelmaBigen Abgaben in sehr ftihlbarem Aus- 

mendes ov[i§o%ov). Pap. Cairo Zen. 59332. 59333, mafie vermindern, mitunter selbst ihrerseits Kom 

39. Pap. Tebt. I 48, 14. Pap. Petr. II 15, 2. Pap. verteilen (vgl. VB), wenn sie nicht Unruhen, 

Lill. I 4, 15 =Mitteis-Wilcken Chrest. I Streiks und allerlei sonstige Schwierigkeiten her- 

336. Preisigke Fachworterb. s. v. Griffith aufbeschworen woUte (vgl. die bedeutsamen Zu- 

The mercenaries of the Hellenistic World [1935] sammenstellungen von V. Martin Les papyrus 

cap. X 2 I. Bd. V A S. 300, unwahrscheinlich et I'histoire administrative de I'^ypte Greco-Ro- 

die Identifizierung von sniyQacpri und ayoQa zu- maine, Munch. Beitr. XIX 144ff., sowie Cal- 

letzt bei Schwahn Bd. VA S. 299), weiter derini ebd. 174). Bemerkenswerterweise tritt 
spezial als oixog ayoQaoxog (vgl. PSI 370. 609. 10 diese Kehrseite der ptolemaischen zentralistischen 

Pap. Cairo Zen. 59710, 9. 10. 18. Mitteis- und staatskapitalistischen Planwirtschaft bereits 

Wilcken Grundz. I 357f. 359. Pap. Tebt. unter Ptolemaios II. und III., als Gewerbe und 

II 369, 6. Pap. Tebt. Ill 746. Pap. Oxy. 798. Guterumlauf im Nilland, sowie die Produktion 

Preisigke Girowesen 70. Rostovtzeff der gemischtwirtschaftlichen GroBoiken, stark 

Journ. Egypt. Arch. VI 175. A. Segre Bull. griechisch durchsetzt, durchaus unter analogen 

Soc. Arch. Alex. 29 [1934] 30f.), fur den Be- planwirtschaftlichen MaBnahmen einen freilich 

darf der Topoi (vgl. Rostovtzeff A large nicht langlebigen Auf schwung zu nehmen schie- 

estate 90. Edgar Pap. Cairo Zen. Mich. 43. nen (vgl. Heichelheim Bd. XVI S. 158ff.; 

Wilcken Ostraka I S. 306ff. Preisigke Wirtsch. Schwank. 71ff. lOlff. SchmoUers Jahrb. 
Fachworterb. P r e i s. - K i e B 1. s. v.) und Ale- 20 LVI 1025H.), im bauerlichen Sektor bei den den 

xandrias (vgl. Pap. Tebt. Ill 703, 80ff. mit Anm. Boden selbst bebauenden Fellachenmassen und 

PSI 388, 13) in schwankenden und nicht fur den auBerdem den Landarbeitern, soweit die Biirokra- 

Bauern vorauszusehenden StoBen Kornmengen tie schlecht funktionierte oder korrupt war, ganz 

dem privaten Verkehr zu entziehen. Endlich be- ausgepragt hervor (vgl. die tiberwaltigende Mate- 

gegnen Sondersteuern in Korn f iir einzelne Grup- rialsammlung bei W. P e r e m a n s Ptolemee II. 

pen der Bevolkerung: Koivcovixd fiir gemeinsam Philadelphe et les indigenes egyptiens, Rev. 

vorgehende Bodenpachter (vgl. Pap. Tebt. I 5, 59 Beige de Philol. XII (1933) 1005fE.). Im2./1. Jhdt. 

mit Anm. 100, 10. 119, 11 — 12. Pap. Tebt. Ill v. Chr. verhinderte dann dieselbe organisierte 

768. P r e i s. - K i e B 1. s. v.), oxscpavoi, talav- Unterwiihlung und Auspowerung des agrarwirt- 
xiofAol und xQ'^of'^^j zum Teil in natura, zum Teil 30 schaftlichen Fundamentes des Nillandes, in dem 

in Geld zahlbar, bei Ubernahme des Kleros fiir durch die Weltpolitik auf seine Kerngebiete zu- 

Kleruchen sowie ftir dieselben bei gewissen ande- riickgeworfenen Ptolemaerstaat einen neuen, wie 

renGelegenheiten (vgl. dazu Bd. VA S. 300. Mit- gewisse Einzelperioden der pharaonischen Vor- 

teis-Wilcken Grundz. I 283. 356f. Prei- geschichte des Landes und der romisch-byzanti- 

sigke Fachworterb. s.v. BGU VIII 1731 — 1734. nisch-islamischen Folgezeit schlagend beweisen, 

1740. 1813. 1843. 1850. 1851. Pap. Tebt. I 5, 59 rein okonomisch durchaus moglichen einigermaBen 

mit Anm. 61 (b) 254 mit Anm. 64 (b) 13. 72. autarken Wirtschaftsaufschwung aus den Kraften 

254. 297. Pap. Tebt. Ill 746). Zu allem muB- des so reich von der Natur bedachten Nillandes 

ten die Saatdarlehen, die der Staat geleistet hatte, allein, zumal in dieser Spatzeit auch die glanz- 
bei der Ernte im voUen Betrag s^ 'iaov, wenn der 40 voile Bodengewinnungs- und Meliorationspolitik 

Fellache giinstige Bedingungen hatte ausmachen der ersten Ptolemaer nicht mehr weitergefiihrt 

konnen, haufig aber l| Yjixioliov, d. h. mit einem wurde. 

Aufschlag von 50*^/o zuriickgezahlt werden (vgl. Dabei ist das ptolemaische Kornverwaltungs- 

z. B. Pap. Petr. II 2 (1). Pap. Cairo Zen. Mich. system, obwohl es dem agyptischen Fellachen min- 

119. BGU VIII 1836). ^ destens seine wesentlichen Arbeitstiberschusse 

Die Pacht-, Zins- und Steuerlasten, die in planmaBig entzog, um sie, abgesehen von den 

Korn dem agyptischen Fellachen im Rahmen des Meliorationen und agrartechnischen Verbesserun- 

ptolemaischen Staatssystems auferlegt waren, sind gen des 3. Jhdts., nicht zu seinen Gunsten, son- 

demnach als ungewohnlich betrachtlich zu be- diernfiir erwerbskapitalistisoheintragMchereXInter- 
zeichnen, wenn auch angesichts unserer quellen- 50 nehmungen des Staates im Sektor der Gewerbe, 

maBig oder durch die Natur der Abgaben beding- im Binnen- und Fernhandel (vgl. vor allem H e i - 

ten Unsicherheit eine prozentuale Schatzung der chelheim Art. Monopole Bd. XVI) zu 

einzelnen derartigen Ausgabeposten eines agyp- investieren, noch starker freilich in riskanten Un- 

tischen Bauernhaushaltes und seiner Gesamtlei- ternehmungen kostspieliger hoher Politik, trotz 

stung vorlaufig sehr schwierige und hypothetische, okonomisch hochst zweifelhafter Wirkung durch 

dazu in der Einzelausfiihrung weit liber das die- seine Organisation auBerordentlich bemerkens- 

sem Artikel gesetzte MaB des Umfanges hinaus- wert, ja stellt sich rein verwaltungstechnisch als 

gehende Berechnungen erforderte. Es ist unwahr- ein Meisterwerk antiken Staatsaufbaues dar. Die 

scheinlich, daB auch in normalen Ernte jahren ftirsorgende tJberwachung der Kornproduktion 
der Fellache sehr viel mehr Korn fiir sich gewann, 60 von der Aussaat bis zur Tenne und die Einzie- 

als fiir seine und seiner FamiliejahrlicheMindest- hung der Kornsteuern unter stand nur der iib- 

ernahrung schlechterdings notwendig war. Wenn lichen allgemeinen ptolemaischen Finanzbeamten- 

unternormale Jahre kamen, die irregularen Ab- hierarchie, angefangen vom Dioiketen in Alexan- 

gaben vom Fiskus zu hoch normiert wurden. Be- dria bis zu Hypodioiketen, Epimeletai, Oikonomoi, 

amtenkorruption hinzukam oder die Staatsver- Antigrapheis usw. Im 3. Jhdt. v. Chr. bildeten 

waltung das Kanalsystem und die notwendige sich hier, ein sehr sparsames Organisationsprinzip, 

Bodeniiberwachung des agyptischen angebauten trotz des Umfangs der notwendigen Tatigkeit des 

Landes vernachlassigte, muBte die Regierung die Fiskus keine Sonderbeamten rein fiir die Verwal- 



871 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 872 

tung der Korneinkiinfte aus. Erst im unrationeller Staatsbanken die Kornspeicher auch private De- 

verbiirokratisierten 2./1. Jhdt. v. Chr. hat danii pots annahmen und ftir diese wie fiir die staat- 

jeder agyptische Gau bzw. die [jieQibsg des Ar- lichen Konten Giroeinzahlungen, Giroauszahlun- 

sinoites, einen spezialen olKov6fj,og rcov otrijicov er- gen und selbst doppelten Giroverkehr durchfiihr- 

halten. Die Exekutive fiir die Finanzverwaltung ten (vgl. an ptolemaischen Zeugnissen fiir Scheck 

war ebensowenig stark ausgegliedert, sondern undGiroauszahlungen diealterenTexte bei Prei- 

wurde durch das normale Verwaltungsbeamten- s i g k e Girowesen 104. 119fE. 137f. KieBling 

system der agyptischen Gaue gestellt, unter Ein- o. Suppl.-Bd. IV S. 700ff. Pap. Cairo Zen. 59269, 

schaltung der machtigen Strategen und Nom- lOff. Tait Ostr. Bodl. 251 f. 326 (Gehaltsaus- 

archen wie der kleinsten Komogrammateis und 10 zahlung), fiir die zahllosen Zeugnisse fiir Giro- 

Komarchai. Hier wurden die Kataster und Re- einzahlungen vor allem auf die amtlichen Steuer- 

gister gefiihrt, die Anordnungen der Finanzbeam- konten Preisigke Girowesen 159ff., weiter 

ten vorbereitet und ausgefuhrt, sowie von beiden Tait Ostr. Bodl. 162—165. 188. 189. 191—199. 

Gruppen der Biirokratie gemeinsam die standig 203 — 206. 211/218. 254f. Pap. Ashmol. 7. Petr. 

notwendige "Dberwachung des Bauerntums in die 43. 45. 54. 55. Belfast 2. PSI 988, 1003 a. b. 

Wege geleitet. Spezialbeamte fiir Kornbelange Gueraud Enteuxeis 90. Pap. Tebt. Ill 813. Pap. 

bildeten sich auch im Beamtensektor der Verwal- Cairo Zen. 59 570, endlich ftir doppeltes Giro, 

tung nur untergeordnet im AnschluB an Staats- wo KieBling die letzten Zeugnisse noch nicht 

werkstatten aus, wie sie uns bereits bisher in den heranziehen konnte, Tait Ostr. Bodl. 177. 179. 

yevTjfjiatacpvXaKeg entgegentraten (vgl. zum ptole- 20 205. BGU VI 1446; weiter die Zitate bei P r e i s.- 

maischen Beamtensystem Mitteis-Wilcken KieBl. s. v. avxibiayQacprj, avxibiayQacpa) fiir Lei- 

Grundz. I 146ff. 169ff. 270ff. Schubart Ein- stungen l| dvudiayQacprjg), so wurden fur Korn- 

fiihrung in die Papyruskunde 248. 403ff. E, o - tiberweisungen unter Privaten, fiir Naturalsteuer- 

stovtzeff Journ. Egypt. Arch. VI [1920] tiberweisungen an den Staat wie ftir Lohn- und 

161fi.; A large estate passim. Pap. Tebt. Ill 703 Gehaltstiberweisungen in Korn, das so nach wie 

passim. 789. 793 II 14ff. Kunkel Arch. f. vor wie in pharaonischer Zeit als zugemessenes 

Pap. VIII [1927] 178S. Edgar Cairo Zen. Nahrungsmittelgeld Verwendung f and, fast so gtin- 

Mich. Introd. Zur Beamtenverwaltung im Korn- stigeVerhaltnissegeschafEenwieftirsolcheinMtinz- 

sektor vgl. auBerdem die im vorstehenden Ab- geld, das freilich trotzdem das Korn als Zahlungs- 

schnitt gegebene Literatur passim). 30 mittel immer mehr zurtickdrangte (vgl. PSI IV 356, 

Eine wirkliche Sonderhierarchie war allein in dazu Wilcken SchmoUers Jahrb. XLV 394). Wenn 

Verbindung mit dem in der wissenschaftlichen Li- der agyptische Staat imstande war, ohne ein Ge- 

teratur so oft behandelten wie bemerkenswerten treidehandelsmonopol im eigentlichen Sinne durch 

System der Getreidespeicher, Thesauroi, vonnoten, ca. 300 Jahre bis auf kleine gelegentliche Schwan- 

das nach pharaonisch-persischen Vorstufen (vgl. II) kungen das Preisverhaltnis der drei wichtigsten 

von den Ptolemaern tiber ganz Agypten hin auf- Getreidesorten des Nillandes Weizen, Gerste und 

gebaut wurde. Seine nachste gleichzeitige organi- Olyra im MaBstabe von 5 : 3 : 2 zu halten, so war 

satorische Analogic findet es meines Erachtens im dieses hochst bemerkenswerte okonomische Pha- 

ebenfalls ftir die Antike ganz singular ausgestal- nomen gleichfalls allein auf die Thesaurenorga- 

teten groBzugigen Staatsbankwesen des ptolema- 40 nisation zurtickzufiihren, die auch das Getreide, 

ischen Agyptens. Wie dort durch das Bankkassen- das nach der Ernte in privater Hand verblieb, 

system ein riesiger Kapitalbesitz und Kapitalzu- uberwiegend aufsaugte und so dem Staate eine 

fluB zur Staatszentrale von den kleinen Dorfkas- zwar nicht theoretisch, aber faktisch monopoli- 

sen bis nach Alexandria planmaBig und reibungs- stische innere Getreidepolitik erlaubte (vgl. Wilk- 

los weitergepumpt und ein ebenso gewaltiger Ka- ken SchmoUers Jahrb. XLV 381. Heichel- 

pitalausstoB des Staates ftir Lohne, Gehalter, h e i m Wirtsch. Schwank. 58ff., weiter Pap. Cairo 

Investitionen u. dgl. umgekehrt befruchtend bis Zen. 59723. 59733. Lond. Inv. 2360. e r t e 1 

in die kleinste Siedlung gelenkt werden konnte Ztschr. Sav.-Stift. LI 577ff. A. S e g r 6 Bull. Soc. 

(vgl. Heichelheim Bd. XVI S. 181ff., dazu Arch. Alex. 29, 29ff.). 

Wilcken Arch. f. Pap. X 239. 241. 242.50 Zur Einzelorganisation der Thesauroi, die durch 

L a u m 0. Suppl.-Bd. Ill S. 9ff. S c h w a h n das oixoloyiKov SidyQa/xf^a ebenfalls mitgeregelt 

Art. Tele Bd. V A S. 281. P r e i s. - K i e B 1. war, ist an dieser Stelle folgendes zu bemerken: Es 

Pap.-Worterb. s. v. koIIvPloxikyj xQOLTis^a, koIIv- gab hier einmal die staatlichen Steuerkonten, wei- 

PtoxrjQiov), so wurden die staatlichen Korn- ter staatliche Konten ftir sonstige Zwecke, endlich 

bestande jeder Ernte entsprechend planmaBig die Konten von Privaten (vgl. mit Stellenangaben 

durch das Thesaurossystem teils ftir die Staats- z. B. Preisigke Girowesen 72ff.). Das einge- 

zwecke im Innern, teils ftir den Export verwend- lieferte Getreide wurde unter Aufsicht des Spei- 

bar gemacht und dahin dirigiert, wo der groBte cherdirektors (otxoXoyog. Zu dessen Tatigkeit vgl. 

fiskalisch-kapitalistische Nutzeffekt ftir den Staat zuletzt Pap. Tebt. Ill 727. 741. 746. 750—754. 

zu erwachsen schien. Wie die Steuergelder der 60 756. 774. 798. 813) mit amtlich geeichten ehernen 

Staatsbanken wurden auch die Kornsteuern nach MaBen gemessen, gereinigt und unter Angabe des 

der tatsachlichen Einlieferung in zentral zusam- Jahrganges auf das betreffende Konto gebucht. 

menlaufenden Steuerkonten mit rein rechenmaBi- Die im vorstehenden angeftihrten Steuern aixoXoyi- 

gen Werteinheiten rationalisiert zusammengefaBt, ^6v, anofAexQMov, Kd'&aQGtg und kookivsvxikov 

gebucht und tibertragen, so daB der kostspielige wurden als Sporteln hierbei von der Staatskasse 

staatliche Korntransport in natura tiberall da ent- erhoben, die bis auf die erste, aber, soweit ich 

fiel, wo eine buchmaBige tJberweisung von Konto sehe, anscheinend auch bei analogen Diensten an 

zu Konto diesen ersetzen konnte. Da genau wie die anderer Stelle unter derselben Bezeichnung ab- 



873 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 874 

geftihrt werden mufiten, ohne mit dem Staats- Landtransport standen den Sitologen in den ein- 

speicher in Zusammenhang zu stehen (vgl. die Li- zelnen Ganen, vereinsartig zusammengefafit, oixo- 

teratur im vorstehenden). Der Einlieferer erhieit fjLsxQooaxxocpoQoi, SvrjXdrai und KxrjvoxQocpoi zur 

eine Quittung, die im allgemeinen auf billige Verfiigung, die auf Grund von Vertragen sich in 

Ostraka, nicht auf die teuren Papyri geschrieben corpore zur Verfiigung stellten und in natura mit 

wurde. Solche Schriftstiicke sind in ganz aufier- Geldzuschtissen als Staatsarbeiter mit den Rechten 

ordentlich groBer Anzahl neben den ebenfalls und Bindungen solcher entlohnt wurden (vgl. 

nicht seltenen Elaboraten der Buchftihrung der S t o c k 1 e Art. Berufsvereine o. SuppL- 

Thesauroi, des amtlichen Scbreibverkehrs der Spei- Bd. IV S. IGlff. Mitteis-Wilcken Grundz. 
cher untereinander und desjenigen mit den all- 10 I 377. San Nicolo Agyptisches Vereinswesen I 

gemeinen Finanz- und Verwaltungsbehorden, lllff. Rostovtzeff Gnom. VII 23ff. Frisk 

wenn auch mehr aus romischer als aus ptolema- Bankakten S. llff. zu Einzelfragen zuletzt Ka- 

ischer Zeit, auf uns gekommen (vgl. z. B. P r e i - 1 e n Berliner Leihgabe griech. Papyri [1932] 

sigkeGirowesen 138ff. K u n k e 1 Arch. f. Pap. 56ff.; Tebt. Ill 704. 750ff.). Dann tibergaben 

VIII 169ff.). Das eingelieferte Getreide wurde, so- die Sitologen den Transport an Naukleroi, minde- 

weit wir sehen, nur nach Jahrgangen und Sorten stens zum Teil ebenfalls vereinsartig zusammen- 

gelagert, die einzelnen staatlichen und privaten gefaBte und KoUektivvertrage abschlieBende 

Konten waren nur buchmafiig getrennt (vgl. mit Schiffsbesitzer oder Personen, die Schiffe fiir sich 

weiterer Literatur und Quellenangaben Mit- gechartert hatten, um als Privatunternehmer amt- 
teis-Wilcken Grundz. 152f. 356ff. Prei-20liche und nichtamtliche Transporte zu ihnen je- 

s i g k e Girowesen 63ff. Schubart Einf . in die weils angegebenen Bestimmungsorten durchzu- 

Papyruskunde 250. 409ff.). Die Speicher selber fiihren. ^vXamrai mit Kornproben und smTiloi 

waren organisatorisch so zusammengefafit, daB wurden ihnen vom Staat als tJberwachung in Vor- 

die kleinen Dorfspeicher und ihre Sitologen als sorge gegenuber unlauteren Manipulationen mit- 

nachst hoherer Einheit dem Sitologen und Spei- gegeben. Die Quittungen und Vertrage liber solche 

cher des Topos unterstanden. Die Topoi waren den Ladungen und die beim Transport zu bezahlenden 

Sitologen und Speichern der Gaumetropolen, im steuerlichen Gebtihren sind uns noch ofter erhal- 

Arsinoites unter Zwischenschaltung der drei Me- ten (vgl. z. B; Mitteis-Wilcken Grundz. I 

rides, unterstellt, die schlieBlich aus Alexandria 377. Rostovtzeff Journ. Egypt. Arch. VI 
mit seinen ungeheuren Speichern und den ober- 30 IGlff.; A large estate in Egypt 125. Pap. Cornell 

sten Sitologen ihre letzten Weisungen bekamen 3, dazu P. M. M e y e r Ztschr. Sav.-Stift. XLVHI 

(ein Verzeichnis der Speicher und der genauen 631. Pap. Tebt. Ill 750ff. 823—825. Gueraud 

Beamtentitel der Hierarchic, die meist, aber nicht Enteuxeis nr. 27. BGU VIII 1741ff., dazu K u n - 

durchgangig oixoXoyog mit einem Zusatz lauten, k e 1 Arch. f. Pap. VIII 183ff. Gueraud Deux 

ist nach dem Stand von ca. 1924 bei Calde- documents relatifs aux transports des cereales 

rini Thesauroi, Studi di Scuola Pap. IV 3, 21 ff. dans I'Egypte romaine Annales du serv. des ant. 

46ff. 105ff. 116ff. gegeben; vgl. welter aus neuerer de I'Egypte XXXIII [1933] 59ff. Stockle o. 

Zeit z. B. Pap. Cairo Zen. Mich. 52. Pap. Tebt. Suppl.-Bd. IV S. 158ff. Schwahn Bd. VA 

III 792). Korntransporte in natura fanden nur S. 301f.). 

statt, wo der Raum des betreffenden Speichers 40 Das ptolemaische Agypten und abgeschwacht 
fiir den Zustrom nach der Ernte nicht ausreichte, auch die ag}^ptische Provinz unter dem Prinzi- 
wie das oft genug bei Dorf thesauroi der Fall ge- pat (vgl. Rostovtzeff Bd. VII S. 134ff. 
wesen sein muB, weiter fiir Transaktionen der Re- 157f. 164ff. 169ff), stellt sich uns so nach unserer 
gierung, die nicht buchmafiig zu erledigen waren, Quellenkenntnis wohl als dasjenige hellenistische 
z. B. 'Oberftihrung von Korn Mr Aussaat, Natural- Gebiet (abgesehen vielleicht von Indien; vgl. die- 
gehalter, Fourage, Verkauf an Private oder Korn- sen Abschnitt vorstehend) dar, in dem griechischer 
spenden in Gegenden und Ortsgebiete Agyptens, Geist die Produktion und den Verkehr am stark- 
die entweder als hauptsachlich stadtisch eo ipso sten planmaBiger, zentraler und rationaler Len- 
Zuschufigebiete waren oder infolge besonderer kung unterwarf. Was speziell die Kornverwaltung 
Umstande es gelegentlich wurden. Hinzu kamen 50 des Landes anging, so wirkte ihr Organisations- 
die Transporte fiir den Export nach Alexandria. system wie eine der kunstreichen Maschinen, die 
Einzelne Texte scheinen darauf hinzuweisen, daB technisch dieselbe Periode archimedischer Genies 
eine planmafiige Verteilung der vorhandenen Be- hervorgebracht hat. Wenn der Staat in Agypten, 
stande iiber Agypten hin von Alexandria aus wie es gemafi der ursprtinglichen Anlage des 
jahrlich mindestens fiir die amtlichen Saatdarlehen 3. Jhdts. v. Chr. vorgesehen war, die Uberwachung 
und Gehaltszahlungen stattfand, wahrend fur die der Kornproduktion von der Aussaat bis zur Tenne, 
tibrigen von uns aufgeftihrten in Betracht kom- das Speichersystem und den organisierten Korn- 
menden Staatsaufgaben die Anweisungen wohl transport, wo alles ineinander griff, einigermafien 
gelegentlicher, oft nicht zentral und regelloser er- sinngemafi funktionsfahig und frei von zu schlim- 
folgten, wie das in ihrer Natur lag (vgl. Mit- 60 men Korruptionstibergriffen zu halten vermochte, 
teis-Wilcken Grundz. I 181f. 376ff. Pap. war durch eine einzige briefliche Anweisung der 
Tebt. Ill 703, 70 — 87 mit Anm.). Staatszentrale ein so ungeheurer Prozentsatz der 
Der Korntransport erfolgte nach Moglichkeit jeweiligen durch die Anbauverordnungen bereits 
nicht liber Land, da das zu kostspielig war, viel- vorausberechneten und reglementierten . Produk- 
mehr iiber das Kanalsystem zum Nil, soweit die tion des Landes an eine beliebige Stelle automa- 
geographische Situation des Produktionsgebietes tisch zu tibertragen, wie das nach den bekannten 
das nicht verbot (vgl. Mitteis-Wilcken unvoUkonmieneren Vorstuf en des Merkantilis- 
Grundz. I 377. Tebt. Ill 703, 70—87). Fiir den mus im 18. Jhdt. (vgl. Wilcken SchmoUers 



875 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 876 

Jahrb. XLV 369ff. 379ff.) erst heute wieder in stic World (1935) cap. X welter z. B, Memn. 24. 

einer Anzahl von Staatsgebieten mit zentraler und Liv. XXXVIII 13. 13. 14, 14. 15, 12. XLII 65, 1. 

totaler Kornverwaltung moglich zu werden be- XLIII 4, 9. 6, 2. Corn. Nep. Phocion 2. IQ 

ginnt. DaB freilich in den Jahrhunderten von IP 698. 1264. 1272. 1304 = Syll.3 547. IG 

Kleomenes bis zu Diokletian, in denen diese Ma- V 1, 1146 == Syll.s 748. 1370, 17. IG VII 4132. 

schinerie im Nilland mit voller oder geringerer IX^ 1 nr. 3A 35 — 40 = Syll.^ 421. Syll.^ 485, 

Intensitat funktionsfahig blieb, sie in der Regel 66, 627, 10. Inschr. von Magnesia 105, 72. Syll. 

den Igyptern gerade durch ihre prazise Saug- or. 9), weiter ftir Naturalbeziige von Arbeitern fiir 

wirkung mehr Ungliick als Gltick gebracht hat, Staatsunternehmungen, Priestern und Staatsfunk- 
darf der Historiker nicht verschweigen. Denn ge- 10 tionaren, die nicht selten schlieBlich adariert wur- 

maB den Schwachen der menschlichen Natur sind den (vgl. Bd. XV S. 2078ff. Bd. Ill A S. 382ff., 

StaatsregierungenundBeamtenkorperinderWelt- weiter z. B. IG IP 1356, 2. 13. 17. 21. 1672, 

geschichte haufiger, die nicht zuerst auf Grund 252f£. IG IV2 66,30. 103, 168. IG V 1, 363, 8f. 

einer vertieften Staatsethik an die Lebenserhal- 10. 15f. 1511, 16. IG V 2, 357, 52. IG XII 3, 

tung und Lebensintensivierung der ihrer Ftirsorge 450 a. 330, 179. 186. 191. IG XII 9. 189, 20. 

anvertrauten Untertanen ihres engeren Verwal- 207, 22. Syll.^ 854. Syll.s 707, 30. SGDI III 3640. 

tungsgebietes denken, vielmehr das eigensiichtige 3731. 3624 d 66. 68. 69. 71. 73. 74. 76. 77. 79. 

Interesse oder lebensschadigende Ideologien zum 81. 83. 3641. 3635. 4977. 4984. IV nr. 65. 

Staatszweck erheben. In solchen Handen ist zu nr. 5664. FouiU. de Delph. Ill 5 nr. 48, I 40. 
alien Zeiten eine technisch-organisatorisch zuvoU- 20 Miletwerk Bd. I 3 nr. 147, 44. 49. 56. 57. 73. In- 

kommen und total ausgebildete Zugriffsmoglich- schriften von Magnesia 85), dauernde und ge- 

keit auf die Kraftquellen eines Landes und Volkes legentliche, unentgeltliche und entgeltliche Korn- 

fur dieses selbst mehr als lebensgefahrlich ge- spenden an den Demos, wobei Stiftungen und ver- 

wesen (vgl. hierzu Rostovtzeff Joum. Egypt. billigte Lieferungen gegeniiber der klassischen 

Arch. VI 161 ff.; Gesellschaft U.Wirt schaft passim. Zeit erheblich haufiger in unseren Quellen er- 

Peremans 1005ff. P r e a u x Aegyptus XIII scheinen und wohl auch notwendig wurden (vgl. 

547ff. Martin Mtinch. Beitr. XIX 102ff., bes. Duncan Hermathena XLVII (1932) 84f. Thal- 

106ff. 121ff. 126ff. 143ff,, wo liber Einzelprobleme heim Art. 2 it co via Bd. Ill A S. 3971 A. 

noch nicht in alien Fallen, wie natiirlich, das Wilhelm 2ito{A£XQia M61. Glotz II (1932) 899ff. 
letzte Wort gesprochen zu werden vermochte, aber 30 und Abschn. V B fur z. B. Diod. XX 46. Plut. Dem. 

eindeutig Material von Kleomenes bis zum Ende 33. Polyb. V 88. XXXI 31 (25). Demosth. XXXIV 

des Prinzipates in groBerFtille zusammengetragen 38f. IG IP 360 = SyU.3 304. IG IP 363. 400. 

ist, das mit seltenen Intervallen ethischer und 401. 407. 408. 409. 416. 423. 479. 480. 650 = 

fiskalisch rationaler Mafiigung eine einzige Kette Syll.s 367. 653. 654. 655. 657 =: Syll.3 374 = 

des MiBbrauches der Meisterwerke ptolemaisch- Michel 126. IG IP 682 = Syll.3 409, 35. IG IP 

romischer Verwaltungskunst gegen die Bevolke- 903. 906. 1272 = Syll.s 947. IG IV^ 65. 66. 

rung evident bezeugt, zu deren Nutzen sie eigent- V 1, 1379. V 2, 266. 437. VII 2383. 4132. 1X2 no4, 

lich zu dienen gehabt hatten). 12, 517. XI 2 (= Inscr. de Delos) 442 A 90ff. 

F. Uberschauen wir nun weiter auf Grund der IG XI 4, 627. 1049. 1055. XII 3, 219. XII 5, 
bisher gewonnenen Kenntnisse die regularen Korn- 40 129. 135. 817. 863. 864. 865. 1070f. XII 7, 40. 

einktinfte der griechischen Poleis und der groBen 389. 515, 70. XII 9, 900 a. c. Syll.s 354. 547, 

Flachenstaaten wahrend des Hellenismus, so zeigt 495. Syll. or. 48. 763 (dazu Hillerv. Gaert- 

sich uns sofort, daB das MiBverhaltnis in den ringen Bd. XV S. 1610). Inscr. de Delos 442 A. 

Kraften, das im politischen Leben zwischen den Athen. IV 148f. VI 231 b. Strab. XIV 652. 

beiden Bildungen bestand, auch wirtschaftlich XVII 833. Liv. XXXII 40, 9. Suppl. Ep. Graec. 

mit derselben Scharfe hervortrat. Die Flachen- I 366. II 663. 'E(pri(jL. aQx- 1910, 341 nr. 2; 1912, 

staaten hatten infolge ihrer fiskalischen Organi- 62 nr. 89. 90. 96. Maiuri Nuovo Sill. 433. 

sation, die auf die Untertanen weniger Riicksicht Durrbach Choix d'inscr. de Delos 92. Inschr. 

nahm, in der Regel noch groBe Kornmengen ftir v. Priene 108, 97. 109, 213. L a u m Stiftungen 
den Export librig. Die Poleis dagegen, die ihren 50 H 159). Die Staatsspeisungen als Ehrungen, wie 

Btirgern groBere individuelle Freiheit von Bin- sie seit der archaischen Zeit analog dem Typ der 

dungen gewahrten und infolgedessen im agrari- attischen olzrjoig sv TtQvxavsLw iiblich geworden 

schen Sektor meist so schwach wurden, wie sie waren, dauerten an (vgl. Kahrstedt Staats- 

im gewerblichen und handlerischen Sektor sich gebiet 334ff., dazu z. B. IG IP 210. 450. 510. 

verfeinerten, waren fiir ihre Getreidenahrung und 513. 646. 657. 672. 682. 832. (=; Syll.s 496). 918. 

den sonstigen Getreidebedarf auf Gedeih und 1223. IG V 1, 27. 931, 32. 936, 21. 1331, 6. IG 

Verderb in der Regel auf Zufuhr angewiesen, V 2, 266, 37ff. XII 1, 85. 846—849. 853. XII 

Wenn der freie Handel hier versagte, entsprang 2, 3 (= Syll.s 212). 500. 645 a. XII 5, 274. 281. 

leicht eine mehr oder weniger intensive politische 289. 1060. Syll. or. 4, 32. 49, 12f. 213, 38. 215, 4. 
Abhangigkeit von kornproduzierenden Konigs- 60 218, 25. 268, 15. 329, 44. SGDI III 3501, 7. 

staaten aus diesen Verhaltnissen. Dabei war der 3502, 7. 3529, 5. 5101. Inschr. v. Magn. 11, 18. 

Staatsbedarf der Poleis gegeniiber der klassischen 20, 12. 101, 32), ebenso die ehrwiirdigen Natural- 

Zeit eher noch gewachsen. Wir haben zahlreiche opfer an die Gotter (vgl. z. B. IG V 1, 364, 9, 11. 

Zeugnisse fiir naturale Soldatenlohnungen und als 13. 14. 15. Syll.s 589, 62. 1000, 2. 1024, 15. 

Fourage beschaffte Kornmengen (vgl. S c h u 1 1 - 1025, 47. 1026, 10. 16. 1027. Durrbach Choix 

hess Art. Mio^dg Bd. XV S. 2078ff.; Art. nr. 143). 

2 irrj Q so lov Bd. Ill A S. 382ff. S a u c i u c Demgegeniiber waren fiir die Poleis die Mog- 

199. Griffith The mercenaries of the Helleni- lichkeiten billiger Kornbeschafltung durch Einsatz 



877 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 878 

der politischen Macht geringer geworden. Fast Maroneia: Sauciucl76f. mit alterer Literatur; 

nur Rhodos hat hier mit Hilfe seiner Kriegsflotte fur Thessalien: IG IX 2, 127. 412. 1104; Mr Boio- 

im 3./2. Jhdt. v. Chr. die Tradition der groBen tien: IG VII 1719; flir Argos: IG IV 1, 609; fiir 

klassischen Zeit ein wenig bewahren konnen (vgl. Aigina: IG IV 1, 2; fiir Histiaia: IG XI 4, 1049; 

Hiller v. Gaertringen Art. Rhodes Mr Karystos: Syll.s 951 ; Mr Samos: L a u in 

0. Suppl.-Bd. V S. 778ff.). Sonst muBten die Po- Athen..Mitt. XXXVIII 57ff. Sauciuc 184if. 

leis in der Regel froh sein, wenn sie wenigstens aus Suppl. Ep. Graec. I 366. Syll.^ 976. Ziebarth 

eigenen Kraften ein begrenztes Korngeleit durch Seeraub und Seehandel 87; Mr Olbia: Syll.^ 495: 

Kriegsschiffe, den Schutz von Briiekenkopfen im Mr Delphi: Syll.^ 671 B; Mr Delos: IG XI 4, 

Produktionsgebiet und eine gewisse Abwehr von 10 6Q6. 1010. 1055; weiter die Zusammenstellung 

Seeraubern durehMhren konnten (vgl. mit Litera- bei Sauciuc 187; Mr Kos: Bull. heU. XI 73 

tur Abschn. IVD, VB, dazu [Demosth.] XVII 19ff. nr. 3, 18. H e r z o g Koische Forschungen (1899) 

Plut. X orat. Dem. IG IP 329. 360. 408. 416. 450. 7f.; Mr Nisyros: :Aqx. TJcprjfA,. 1913, 7; Mr Ery- 

682. 1628, 42. 347. 361. 365f. 383. 408. 429. 447. thrai: Syll.s 410. Le Bas-Waddington 

1629, 220. 867. 881. 886. 902. 911. 928. 950. 969 nr. 57; Mr Teos-Lebedos: Syll.3 344; CIG 3080. 

(oiroTzof^Tila). IG IP 1629, 170—271 = Syll.s Suppl. Ep. Gr. II 580; dazu weiter Sauciuc 

305 [vgl. auch Tarn Cambr. Anc. Hist. VI 449 198f. Ziebarth 57ff.; Mr Ephesos: Michel 

zu Atria alsKoloniegrtindung Athens imWesten]). 495. Le Bas-Waddington nr. 1564 bis; 

Im allgemeinen mufiten sie als Bittsteller oder Mr Magnesia: Inschr. v. Magn. 98 (= Syll.^ 
jedenfalls durch Gesandtschaften, hinter denen 20 589). 99 (= Syll.s 554). 105, 72. Bull. heU. XII 

nicht viel Macht stand, bei den Herren der Korn- (1894) 12 nr. 12; Mr Kys und Lagina in Karien 

exportlander giinstige ZuMhren zu erreichen Bd. Ill A S. 398, Mr Mylasa: Le Bas-Wad- 

suchen (vgl. V B). Die Zahl der Ehrungen Mr d i n g t o n 409, dazu Sauciuc 205; fiir Aphro- 

grofie und kleine Zeitgenossen, die hier aus egoi- disias in Karien: Bull. hell. IX (1885) 75 nr. 5, 

stischen Oder altruistischen Motiven heraus ihnen dazu Sauciuc 205; fiir Lykien: Sauciuc 

behilflich waren, war Legion (vgl. V B, tiberhaupt 206; ftir Alexandria oder eine Polls in Karien 

z. B. IG IP 342. 360. 398. 400. 401. 407. 408. vgl. Cairo Zen. Mich. 23: ohov kyboxevg. Ent- 

409. 416. 423. 479. 650. 651. 653. 654. 655. 657. sprechend wurden Stiftungskapitalien, einmalige 

682. 903. 906. IG IV2 m. 67. IG V 1, 526. 531. und dauernde Budgetposten fiir die Sitonie be- 

1146. 1370. 1379. VII 2383. 4132. 4262. IX 2, reitgestellt (vgl. mit Literatur Robert Bull. 
1104. XII 3, 169. 170. 219. XII 5, 129. 135. 30 hell. LVII (1933) 505ff. Robert Rev. Arch. 

714. 817. 836. XII 7, 11. 40. 389. 515. XII 9, 6. Ser. Bd. 3 (1934) 49ff. A. Wilhelm 899ff. 

900 c. Syll.3 741 . Suppl. Ep. Graec. I 361 . T h a 1 h e i m Bd. Ill A S. 396. 398. S c h w a h n 

Bd. XV S. 1610). Als besonders wirtschaftlich Bd. VA S. 254), dazu an Quellenzeugnissen z. B. 

weitgehend ist ein Dekret von Abdera zu buchen IG IP 329 [dazu Sauciuc 145]. 360. 499. 650 

(Bull. hell. XXXVII 124 nr. 2, dazu Sauciuc [= Syll.3367, 15fE.]. 682 [= Syll.s 409, 35]. 906. 

176. Wi 1 helm Osterr.Jahresh. XVII 105ff. mit IG VII 2383. IX 2, 243. XII 5, 1010. Syll.-^ 

Literatur), das ca. 189 v. Chr. oder auch erheb- 344, 72ff., 80ff. 495. 685. lOOff. 976. Syll.2 554, 

lich spater dem Geehrten, einem Romer mit Na- 18f. = Inschr. v. Magn. 9. Suppl. Ep. Graec. I 

men Marcus Vallius, Getreideexport bis zu 366. II 580, 15. Ill 710. Syll. or. 9, 2. Durr- 
100 Med. im Jahr sowie im iibrigen zoUfreien 40 b a c h Choix 92). Staatstransporte kamen fiir 

Import und Export gestattete, freilich nur sig trjv solche oder ahnliche Ladungen ofter in Betracht, 

Idlav xQeiav xal jat] ;^aT' EfxnoQiav. ebenso haben wir Nachrichten liber Magazine 

In den meisten Poleis werden nun, oft nach der Staaten oder Tempel, sowie besondere Gebau- 

dem Muster des klassischen Athen, dauernde oder lichkeiten und Sonderbezirke fiir den Kornhandel, 

auch nur fiir bestimmte Zwecke auf Zeit einge- ahnlich der klassischen Zeit, nur in grofierem 

setzte Behorden ins Leben gerufen, meist als oi- AusmaBe (vgl. IVB. D, dazu IG IP 1672 fiir die 

tojvai bezeichnet, mitunter auch weiter speziali- Aparche von Eleusis, IG XII 2, 14. XII 8, 51, 19. 

siert, die den auswartigen Kornbezug durch mog- XIV 423 — 30. Syll.3 495. 954). Auch von in- 

lichst billige Staatskaufe als amtliche Agenten in ternen Behorden, die wie bereits in der klassi- 
den groBen Getreidehafen oder am Hofe korn- 50 schen Zeit den Getreidehandel innerhalb der 

exportierender Herrscher zu stabilisieren und zu Polisgebiete zu beaufsichtigen hatten und zum 

erleichtern hatten, aber oft genug infolge Kapital- Teil die Funktionen der Sitonai mitiibernahmen 

mangels der auftraggebenden Stadt oder politi- (vgl. die vorstehende auf diese beziigliche An- 

scher Schwierigkeiten ihrer Aufgabe nur mit merkung), horen wir nicht selten (vgl. z. B. IG IP 

groBer Mtihe befriedigend gerecht werden konn- 212 [=. Syll.s 206]. 682. 834. 791. 792. 1272 

ten: vgl. Thalheim Bd. Ill A S. 396. 398. ■" ^ ^'^'^'^ ^"^ ' '^ " " ' ' 

Sauciuc passim, bes. 152ff. Robert Rev. 
Arch. 6. Ser. Bd.3 (1934) 49ff. A. Wilhelm 

Mel. Glotz II 904/05. 907, weiter VB, dazu IG VII 298. 351. 2712, 61. 4262. 4263. IG IX 
im einzelnen z. B. fiir Athen IG IP 479. 480. 584, 60 2, 1029. 1093. XII 3, 169 [= Syll.s 946]. 170. 

4.670. 744, 8. 792. 906, 1212. 1272 = Syll.3 947; XII 5, 10. 129. 658. 817. 1010. 1011. IG XII 

fiir los: IG XII 5, 1010. 1011 (vgL Sauciuc 7, 40. 389. 515, 70. 550, 701 XII 9, 8 [= Syll.^ 

192); fiir Tenos IG XII 5, 817; fiir Tauromenion 951]. 900 a. Syll.s 596. 671 B, 14. 708. 976. Syll. 

und Herakleia: IG XIV 422—430 (423 ==: Syll.s or. 339, 57. Inschriften v. Priene 81. 82. La urn 

954). 645 I 102. 177; fiir Thuria in Messenien: Stiftungen II 159. Maiuri Nuovo Silloge 20, 

IG V 1, 1379 = SGDI 4680; fiir Kallatis: Arch.- 12; weiteres Material fiir Agoranomoi bei Ro - 

epigr. Mitt. VI 4, 4; fiir Tomi: Syll.s 731; fiir bert a. 0. Wilhelm a. 0. D. M. Robinso n 



SylLS 947]. 1299, 66 [== Syll.s 435]. 1304 
=:: Syll.3 547]. 1707. IG IV^ m. V 1, 1390 
= Syll.3 736, 11 lOOff.]. V 2, 266. Athen. IV 148f. 



879 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 880 

A new Greek inscription from Macedonia, Am. als geringen jahrlichen Kornyerteilungsbedarf 

Joum. of Arch. XXXVII 602ff., weiter Goetz Klio der Staaten in normalen Jahren so groBe Mengen 

XVI 187ff. Thalheim Bd. IIIA S. 377. 399. zur Verfiigung, daB alle die kleinen politischen 

Heberdey Bd. V A S. 765). Ihre Wirksamkeit und okonomischen Mittelchen entfielen, die die 

war freilich infolge der in den meisten Gebieten Poleis zur Erganzung ihres Bedarfes durch Im- 

von innen her nicht zu losenden Schwierigkeiten port anwenden muBten. Im einzelnen wurden in 

der Versorgung sehr heschrankt. VerhaltnismaBig den Diadochenstaaten Kornlieferungen einmal fiir 

nicht haufig horen wir aus denselben Grtinden von Soldatenbeziige und Kriegslieferungen notwendig 

gesetzlichen in die Wirtschaftsstruktur tiefer ein- (vgl. z. B. ftir Pergamon Syll. or. 266, 3, 15, wo 

greifenden Bestimmungen, die in dieser Hinsicht 10 Soldaten eine gunstige Adarationsrate des Natu- 

fiir den inneren Verkehr mit Importgetreide und ralanteils ihrer Lohnung in Korn und Wein garan- 

eigener Produktion, sowie die Einfuhr getroffen tiert wird, fiir Makedonien Died. XIX 49. XX 

werden konnten (vgl. z. B.^ Suppl. Ep. Graec. I 96—99. Liv. XXXVI 4; fiir Thrakien Died. XX 

361: eloayaycbv ... ^ara rov vofjLov). Bemerkens- 96 — 99. 108f.; fiir Demetrios Poliorketes Died, 

wert ist immerhin unter solchem Aspekt die XX 46. 96 — 99. Syll. or. 9; fiir Pontes Memn. 

samische Inschrift Syll.3 976, 18ff. (vgl. a. 0. die 24; fiir die Seleukiden Sauciuc 199. Liv. 

altere Literatur, dazu jetzt A. Wilhelm An- XXXVI 20, 8. Appian. Syr. 20; fur Agypten 

zeig. d. Wien. Akad. 61 (1924) 108ff. M61. Glotz SyU. or. 760. Died. XX 96—99 hinsichtlich von 

11907/08. Biirchner Bd. lA S. 2182. 2202f. Lieferungen nach auswarts. Zu Zwangskaufen 

Schwahn Bd. VA S. 236. Sauciuc 185ff.). 20 fiir Truppenverpflegung innerhalb Igyptens vgl. 

Es wurde in Samos nach diesem Texte ein z. B. Mitt eis- Wilcken Grundz. I 357f. 

Kapital angesammelt, dessen Zinsen zu einer Lesquier Les institutions militaires 101 ff.; zu 

monatlichen Getreidespende an die Biirger der den otrcovia der ptolemaischen Truppen, Natural- 

Polis verwandt werden soUten. Das zu beschaf- zuschlagen zu ihrem Gehalt, die indessen bald 

fende Getreide wurde je nach der Markt- und teilweise adariert wurden, vgl. Lesquier a. 0. 

Produktionslage entweder zu einem staatlich Mitteis-Wilcken Grundz. I 357. Urk. d. 

normierten Preis aus den Kornbestanden der Ptolemaerzeit I S. 164. 176. 314. 316. Hei- 

auf 5% abgestellten Naturalpacht angekauft, chelheim Wirtschaftl. Schwank. 32f. Wil- 

die fiir die Domanen der Hera von Samos im cken SchmoUers Jahrb. XLV 387. Pap. Tebt. 

Festlandgebiet von Anaia bestand, oder durch 30 III 722. 723. BGU VIII 1846. Kunkel Arch. 

Sitonie von auswarts hereingeholt. tJber Kapital- f. Pap. VIII 190ff. 211ff. = BGU VIII 1744— 

verwertung, Einkauf aus der Eikoste der Hera 1750. 1755. Vgl. jetzt iiberhaupt eingehend Grif- 

und Sitonie waren hinsichtlich der in Funktion fith The mercenaries of the Hellenistic World 

tretenden staatlichen Institutionen wie des Ver- cap. X 2). Die Naturalbeziige der Staatsarbei- 

fahrens sehr eingehende Bestimmungen getroffen. ter, der Priester und des Beamtenapparates nah- 

Staatliche Getreideeinkaufe, bei denen die Be- men ebenfalls in den Konigsstaaten einen groBen 

horden selbst den Preis bestimmen konnten, sind Umfang an (hinsichtlich Igyptens vgl. z. B. fiir 

in den Poleis weiter unter den politisch-okonomi- Priester u. dgl. Wilcken UPZ I S. 177ff. 381ff. 

schen Verhaltnissen des Hellenismus recht selten Calderini Aegyptus XIII 674ff. Syll. or. 56, 
(vgl. Syll.3 976, wo es sich aber bezeichnender- 40 72f . 168, 22. 177. 179; fiir die Beamtenverpfle- 

weise nur um Ablosung von an und fiir sich unter gung auf Dienstreisen durch Naturallieferungen 

Staatsauf sicht befindlichem Tempeleigentum han- zu Zwangspreisen vgl. V E und zuletzt mit alterer 

delte). AUgemeine gesetzliche Hochstpreise wur- Literatur Kunkel Arch. f. Pap. VIII (1927) 2072. 

den, soweit wir wissen, iiberhaupt nicht versucht, zu BGU VIII 1752. 1754; zu den ottovfzsvoc, den 

dagegen bei Spenden oder der Abgabe von Korn Naturalbeziigen der alexandrinischen Gelehrten 

aus Staatseinkaufen verbilligte Preise zu Lasten im Museum vgl. Wilcken SchmoUers Jahrb. 

der Staatskasse oft festgesetzt, die natiirlich, wie XLV 386. Syll. or. 714. Zu den Naturalbeziigen 

iiberhaupt vom Staat geforderter starkerer Im- von Arbeitern und Beamten vgl. z. B. Preis.- 

port auch das freie Angebot mitunter auf ein K i e B 1. Pap.-Worterb. und die Indices der neue- 

niedrigeres Preisniveau herabsetzten (vgl. V C, 50 ren Papyruseditionen s. v. oiraQiov, oitaQxia, oiro- 

dazu z. B. IG XII 9, 900a. Syll.3 495. 708. ^sr^/a, weiter etwa Kunkel Arch. f. Pap. VIII 

Inscr. de Delos 442 A. Inschr. v. Priene 108, 205E zu BGU VIII 1751. Pap. Cairo Zen. 59293, 

97fE.). Als erfolgreiches" Mittel zur Verbesserung wie iiberhaupt passim die nicht immer eindeutig 

der Komversorgung bevorzugte man, wie natiir- zu interpretierenden zahlreichen "Dberweisungen 

lich, politische Exportabmachungen, die wir in von Korn, die im Zenon-Archiv, weiter vor allem 

groBer Zahl kennen (vgl. Abschn. VB vor allem in den Petrie-Papyri, im Tebtynis-Archiv und 

fiir Athen, Rhodes, Syrakus, Samothrake, Kos, last not least in alien ptolemaischen Ostraka- 

Chersonesos, Itanos und Arkadia auf Kreta). Editionen als in amtlicher Eigenschaft vorgenom- 

G. Hinsichtlich der Deckung ihres regularen men ersichtlich sind. Die einschlagigen Editionen 

und irregular en Kornbedarfs sind dagegen die 60 vgl. am vollstandigsten in den beriihmten Papy- 

groBen Konigsstaaten des Hellenismus erheblich rusberichten Wilckens Arch, f . Pap. Iff. Ada- 

besser gestellt als die Poleis, wie neben spar- rierter Naturallohn vgl. z. B. Cairo Zen. 59499, 

lichem sonstigen Quellenmaterial vor allem unsere 3, 5). Fiir die staatlich gelenkte Produktion war 

Nachrichten iiber das Ptolemaerreich erweisen. weiter jahrlich eine groBe Menge von Saatgut 

Durch das fiskalisch-rationalisierte und sehr weit- bereitzustellen (vgl. V E). Ein umfangreicher 

gehende Zugriffsrecht des Staates auf die Pro- Bedarf fiir den Hof, Staatsgaste, Ehrenspeisun- 

duktion und die damit verbundene Speicherwirt- gen und Naturalopfer an Gotter kam hinzu (fiir 

schaft (vgl. V E) stehen hier fiir den alles andere den Hof bedarf vgl. M i 1 1 e i s-Wi 1 ck e n Grundz. 



881 Sitos (Hellenismus) Sitos (Hellenismus) 882 

I 356f. und liberhaupt VE. Die Speisung im es dem ganzen Kornhandel, alien Staatsfunktio- 
Museion istim Ptolemaerstaat nach Syll. or. 714 naren und eventuellen Gelegenheitshandlern, 
anscheinend so etwas wie ein Aquivalent ftir die wie meines Eraehtens unbedingt moglichst maxi- 
Speisung im Prytaneion der Poleis geworden. malistisch. das kategorische [xrjdsva . . . ayoQa- 
Als einen Beleg unter vielen ftir Naluralopfer ^ovta . . . Kaxaysiv des Textes interpretiert wer- 
vgl. BGU VIII 1753). Politische Spenden an den muB, bei Todesstrafe verboten wurde, aus 
Poleis erfolgten nieht selten (vgl. V B. F). Alexan- den agyptischen Gauen siidlich von Memphis Wei- 
drias Zufuhr vor allem wurde durch einen Exe- zen und oonQia mit einem anderen Bestimmungs- 
geten dauernd unter vorsorgender Aufsicht ge- hafen als Alexandria zu verfrachten und aufzu- 
halten (vgl. Strab. XVII p. 797, dazu Mitteis-10 kaufen, Anordnungen, die sogar im StrafmaB sich 
Wilcken Grundz. I 364). Weitergehende HiHe auffallenderweise als Analogie zu den IV D von 
war in Notzeiten zu leisten (vgl. die Belege unter uns behandelten Korngesetzen ' des klassischen 
VB, dazu Syll. or. 194, 10. 14, wo in der Zeit Athen darzustellen scheinen und nach der SchluB- 
eines bereits voUig korrumpierten Staatszustan- klausel des Gesetzes, die Denunziantenbelohnun- 
des in Agypten Initiative eines Privatmannes gen fiir Aufdeckung von Schleichhandel ganz 
helfend eingreifen muBte, weiter Joseph, c. Ap. spezifiziert festsetzt, moglicherweise vom Polis- 

II 60 liber eine Getreideverteilung der letzten recht unmittelbarer beeinfluBt sein konnte, da 
Kleopatra an die Biirger von Alexandria, sowie dort solche MaBnahmen selbstver stand] icher waren 
BGU VIII 1730, wo durch ein Edikt ein Teil der und haufiger notwendig wurden als in einer 
Produktion des agyptischen Landgebietes bindend 20 durchbiirokratisierten Diadochenmonarchie (vgl. 
nach Alexandria gelenkt wurde). zu dem bemerkenswerten Text auch Wilcken 

Die politische und militarische Macht wurde Herm. LXIII 54ff.; Arch. f. Pap. X 252. XI 120. 
dariiber hinaus durch Korngeleit und Kampf Eostovtzeff Journ. of Econ. and Busin. Hist, 
gegen die Seerauber mehr ftir die Sicherung des IV [1932] 761). Ein behordlicher Sonderapparat 
Exportes und aus imperialen Machtgrtinden ftir tiber den zur fiskalischen Ausnutzung von Korn- 
die mehr oder weniger abhangigen, well einer produktion und Kornverkehr und zum Speicher- 
Kornversorgung und hier und da eines Exportes verkehr unbedingt notwendigen hinaus wurde unter 
bedtirftigen, Poleis eingesetzt als fur den eigenen diesen gtinstigen Verhaltnissen im Gegensatz zur 
Bedarf (vgl. etwa IG IP 329. 450. 650. XII 2, Polls innerhalb und auBerhalb des ptolemaischen 
645, 18. Suppl. Ep. Graec. II 663. Syll. or. 9. 30 Igyptens (vgl. VE) nur selten, soweit wirsehen, 
748. Syll.3 502. 503. Diod. XX 46. 96—99; sehr geschaffen. Die allgemeine Beamtenhierarchie ge- 
bezeichnend ist Syll.s 344, 80ff. die politisch sehr ntigte in der Kegel (vgl. IG XI 4, 666 = D u r r- 
verstandliche Ablehnung des Planes durch Anti- bach Choix nr. 48, wo als bemerkenswerte Aus- 
gonos Monophthalmos, daB Stadte unter seinen nahme ftir das Makedonien des spateren 3. Jhdts. 
Verbtindeten sich eigene Versorgungsinstitutio- v. Chr. ein aitcbvTjg des Konigs auf Delos bezeugt 
nen errichteten, statt auf ihn zu vertrauen). Ftir ist). Das private Unternehmertum behielt, soweit 
den Schutz der eigenen Produktion reichten in unsere Quellen uns ein Urteil erlauben, in den 
den Konigsstaaten im allgemeinen polizeiliche moisten Konigsstaaten bis auf gelegentliche Schen- 
MaBnahmen aus, die als fiskalisch noch dazu kungen der Herrscher und bis auf Korntransporte 
recht lukrativ uns in der Form von ZoUgeleit zu 40 innerhalb des Reiches ftir Garnisonen, Natural- 
Land Oder Wasser und staatlicher Flur-, Schiffs-, steuern u. dgl. (vgl. V B, E. u. G vorstehend) 
Hafen- oder Speicherwachen vor allem in Agypten, einen betrachtlichen Teil des Exportes und des 
neuerdings auch im Seleukidenreich, und beson- Binnenverkehrs fast ausschlieBlich in der Hand, 
ders quellenmaBig in Form der mit ihnen ver- Die Ptolemaer freilich tibten aus fiskalischen Grtin- 
bundenen unvermeidlichen Quittungen tiber Na- den und, um ihre AuBenhandelsmonopole zu 
tural- und Geldabgaben entgegentreten (vgl. zu schtitzen, zu denen aber Korn meines Eraehtens 
den nicht immer klaren Zollen und Steuern vor (gegen zuletzt A. S e g r e Bull. Soc. Arch. Alex, 
allem L. F i e s e 1 Geleitzolle i. griech.-romischen 29 [1934] 31, 44ff.) nicht gehorte, nach Strab. 
Agypten, Nachr. Gott. Ges. (1925) 57ff. P. M. II 101 und nach Analogien aus der romischen 
Meyer Ztschr. Sav.-Stift. XLVIII 632. W i 1 - 50 Zeit Agyptens (Uxkull-Gyllenband BGU 
cken UPZ I 149. Eostovtzeff Seleucid- V 2 [1934] 63ff.) mindestens eine sorgfaltige 
Babylonia. Bullae and seals of clay with Greek KontroUe tiber alle aus agyptischen Hafen aus- 
inscriptions, Yale Class. Stud. Ill (1932) 79ff. fahrenden SchiSe und Ladungen aus. Innerhalb 
87ff. (hf^evog, nlolwv EvcpQaxov) und die V E be- des Nillandes schrankten entsprechend die V E 
handelten Naturalsteuern d'r)oavQO(pvXaxixiH6v, geschilderten staatlichen VerteilungsmaBnahmen 
(pvXaKixiTcov, dazu bei P r e i s. - K i e B 1. das und litur^ischen Korntransporte ftir den gewal- 
wichtigste Material tiber die Geldsteuern: bianv- tigen Bedarf des staatlichen okonomischen Sek- 
Xiov, Xif^evog, weiter auch o. Bd. XVI S. 189f. tors die Moglichkeiten des freien Kornhandels 
Jouguet-Gu^raud Agyptus XIII 1933, 446ff.). erheblich starker ein, der noch dazu durch ZoU- 
Bei MiBernten griff man mitunter zu teilweiser 60 geleit und Binnenzolle gegentiber diesen mit bo- 
und volliger Sperrung oder Bindung des Expor- deutenden zusatzlichen Spesen belastet war (vgl. 
tes, ein Mittel, das ftir Korn freilich in der agyp- die Belege im Vorstehenden). Indessen lag in 
tischen Chora nur in den Ausnahmezeiten unter normalen Zeiten der private Kornverkehr mit vom 
Alexander (vgl. V E tiber Kleomenes) und aus der Staate nicht beanspruchten Mengen der jeweiligen 
schwachlichen Endzeit des Ptolemaerreiches fak- Ernten auch am Nil nicht vollig lahm, wie be- 
tisch zu belegen ist, wo nach K u n k e 1 Arch, f . senders bezeichnend aus Texten des Zenon-Archivs 
Pap. VIII 2122. =' BGU VIII 1730 durch ein und aus dem obenerwahnten spat-ptolemaischen 
konigliches Prostagma, wohl von 50/49 v. Chr., Prostagma BGU VIII 1730 hervorgeht (vgl. z. B. 



883 Sitos (Ubersicht) Sitos (Ubersicht) 884 

Pap. Cairo Zen. Mich. 28, dazu Rostovtzeff auBerste Verfeinerung, Ordnung und Durchbil- 

761. Ziebarth Klio XXVI 241. Pap. Cairo dung des mafivoUen Kleinen echt hellenischem 

Zen. 50404. 59446. PSI IV 356. UPZ I 91 ff. Wesen mehr zu entsprechen scheint, als dyna- 

PSI 492 + Pap. Lond. Inv. 2674). mische Kraftsteigerung ins Grenzenlose. Dieselbe 

VI. Es bleibt uns zum Schlusse dieses Artikels Durchbildung und Verfeinerung auf technischem 

noch die Aufgabe, in knapper Form den welthisto- und geldwirtschaftlich-organisatorischem Gebiet 

risch so bedeutsamen Ablauf zu umreiBen, der in wurde dann in hellenistischer Zeit auch der Ge- 

seinen einzelnen Phasen bisher von uns filr die treideproduktion und dem Getreideverkehr in den 

Yorhellenische, hellenische und hellenistische Welt, seit Alexander neuerschlossenen Kolonialgebieten 
zeitlich und landschaftlich anschliefiend Bd. VII 10 grieehischer Kultur bis nach Indien bin zuteil, 

S. 126ff. von Rostovtzeff fiir das romische wobei die vorgefundenen weitgehend versteiner- 

Reichsgebiet von den Frtihzeiten des romischen ten alt-orientaliscben Planorganisationen teils ab- 

Staatswesens bis zur spatantiken Kaiserzeit, bin- gebaut, teils, wie in Agypten, griechischem Geiste 

sichtlich des Getreidewesens als eines der bedeut- gemaB verfeinert und umgebaut wurden. Im re- 

samsten Faktoren okonomisch-politischer Organi- publikanischen und kaiserzeitlichen Rom erfaBte 

sation und Struktur der Kulturen des Altertums ein analoger ProzeB weitergreifend auch die bis- 

dargestellt worden ist. herigen Bauemlander des Weistmittelmeergebietes 

Wir konnten bereits schattenhaft aus spar- und Mitteleuropas iiber Rhein und Donau hinaus, 

lichem Quellenmaterial flir die altesten reinen um schlieBlich in der Zeit der Spatantike und von 
Bauernkulturen des Mesolithikums, des Neolithi- 20 Byzanz dariiber hinaus Germanen, Slaven, Araber, 

kums und der Bronzezeit so etwas wie eine plan- Westmongolen und Abessynier okonomisch-sozial 

maBige Nutzung und strenge Bindung des oko- sich zu assimilieren (vgl. dazu die Ausfiihrungen 

noraischen Getreidesektors von seiten der kleinen, bei Heichelheim Enc. of Soc. Sciences Art. 

meist stammes- und sippenmaBigen Einheiten Public Domain). 

des damaligen sozialen und politischen Aufbaues Zugleich aber wandelte sich die antike Agrar- 

und durch Sitte und Recht aufzeigen, wie es aus struktur aus innerer Notwendigkeit. Die markt- 

diesen Verhaltnissen entsprang. Fiir die bronze- wirtschaftlich-kapitalistische und technische Ver- 

zeitlichen Stadtkulturen des alten Orients und feinerung von Kornproduktion und Komverkehr 

die aus ihnen hervorwachsenden GroBreiche wurde und die grundsatzliche Trennung von import- 
dann das Korn nicht nur in seiner Eigenschaft 30 bediirftigen Gebieten stadtischer Kultur und ex- 

als haltbares Nahrungsmittel, sondern auch als portbedlirftigen Agrarlandschaften bereits im 

eine recht brauchbare naturale Geldform zu einem klassischen Hellas, ausgepragter und unheilvoller 

der wichtigsten Lebenselemente der inneren Or- noch in hellenistischer Zeit schufen ein nicht auf 

ganisation. Zentral und planmaBig wurde jetzt die Dauer befriedigend zu ordnendes Aufeinander- 

von den Konigshofen aus und im Interesse der- Angewiesen-Sein aller Landschaften des antiken 

selben Produktion und Verkehr mit Getreide zu orbis terrarum, die im Getreidesektor, wie ahnlich 

Land und See nach den damaligen Moglichkeiten auf zahlreichen anderen okonomischen Gebieten 

recht respektabel intensiiviert. Die staatliche Zen- weder die lebensnotwendige Kornbeschaffung fiir 

tralgewalt wurde durch Steuern, Abgaben und ihre nicht-agrarische Bevolkerung noch die Ver- 

Domanenertrag zum weitaus iiberragenden Be- 40 wertung ihrer "Dberproduktion an Korn mehr mit 

sitzer und Verteiler der in ihrem Landgebiet er- Hilfe der Kraftquellen ihres eigenen Gebiets aut- 

zeugten Kornmassen. Weniger durch verbesserte ark zu losen imstande waren. Politische Storungen 

Agrartechnik, die freilich nicht fehlte, als durch des aus dem Wesen der Periode heraus auch in 

solche planmaBige Anregung, Verwertung und normalen Zeiten recht anarchischen und speku- 

allseitige Verteilung der Produktionsiiberschtisse lativen internationalen okonomischen Versorgungs- 

ihrer Untertanen nach innen und auBen wurden systems, die haufig genug auftraten, setzten ganze 

die alt-orientalischen GroBmaehte den wehrhafte- Stadte Hungersnoten aus oder lieBen Getreide- 

ren Bauernvolkern der Bronzezeit weit iiberlegen. exportgebiete in materielle Schwierigkeiten ge- 

Deren Stunde aber schlug mit den Volkerwan- raten, wenn diese nicht durch Diplomatie und 

derungen zu Beginn der Eisenzeit vor und nach 50 politische Gewalt einen Ausweg fanden. Die von 

ca. 1000 V. Chr., wobei die Hellenen von alien Rostovtzeff Bd. VII S. 126ff. und noch ein- 

damals jungen Volkern am starksten die nicht- gehender von demselben Verfasser (Wirtschaft u. 

transzendentale Zukunftsentwicklung der Alten Gesellschaft im romischen Kaiserreich passim) 

Welt westlich Indiens fiihrend bestimmten. Der dargestellten MaBnahmen des Imperium Roma- 

agrarische Sektor wurde durch sie in einem die num in dieser Hinsicht stellten in ihrer vordring- 

archaische und klassische Periode ihrer Entwick- lichsten Tendenz einen einzigen Kampf der letz- 

lung hindurch andauernden organischen Vor- ten und groBten Reichsgewalt der Antike gegen 

wartsschreiten nicht durch robe Massierung der solche Schaden der Versorgung in immer neuen 

Krafte von gewaltigen Landgebieten wie im Alten organisatorischen Variationen dar. Das Ergebnis 

Orient intensiviert. Vielmehr war hier technische 60 war nach respektablen, aber nicht dauerhaften, 

und darauffolgend geldwirtschaftlich-organisato- hochstehenden und freieren Erneuerungs- und 

rische Verfeinerung kleiner bisher urtiimlicher Ordnungsversuchen im 1./2. Jhdt. n. Chr. schlieB- 

Bauernbetriebe und der Aufbau einer sich fast lich in der Spatantike die gesetzliche Reglemen- 

ausschlieBlich auf solche Kleinbetriebe stiitzenden tierung der staatlich erfaBbaren regelmaBigen 

hochwertigen Marktproduktion im Getreidesektor Getreidezufuhr aus Steuern, Domanenertrag und 

als die ihnen eigentiimliche historische Leistung freier agrarischer UberschuBproduktion im we- 

zu buchen, wie ja entsprechend auf alien anti- sentlichen fiir Heer, Hof , Verwaltung und wenige 

ken Lebensgebieten, die wir tiberblicken konnen, groBe, dauernd unter der Staatsfiirsorge verblei- 



885 



Sitos (Preistabelle) 



886 



Jahr 


Monat 


Zitat 


Ort 


Preis- 
eigensch. 


Weizen 


Olyra 


Gerste 


257 


Meeheir 
(April) 


PSI 492 u. 
P.Lond.Inv.2674 


Ars.? 


3 MB 


(2) 


4,8 
6 


(It) 




Choiak 
(Febr.) 






EBehB 


(2°t) 


5 
"6 


(It) 


256 


— 


Cairo Zen. 
Mich. 30 


Ars. 


-T?L 


m 


(t) 


2,25 


251/50 


— 


P. Lond. Inv. 

2385 u. 2687 


Ars. 


-BehL 


3.40 

"IT 


(^') 


2 
6" 




Hatbyr? 
(Jan.) 


— 


Ars. 


EBehL 


(^) 


(T) 


1,28 
6 


Ptol. n. 


— 


Cairo Zen. 
59 698 


Ars. 


-ML 


ll 


(t) 


(t) 


Ptol. II. 


— 


Cairo Zen. 
59 723 


Ars. 


-ML 


(If) 


^) 


4.8 


Ptol. II. 


Hathyr, Choiak, 

Meeheir 
(etwaJan.-April) 


Cairo Zen. 

59 745, 

1. 33, 52, 68 


Ars. 


3EML 


ll 


(t) 


(t) 


Ptol.II/III. 


— 


P. Lond. Inv. 


— 


- - L 


K 


(It) 


im 


ca. 250/49 


Epeiph 
(September) 


S. B 7450 


Ars. 


EBehE 


If 


m 


(t) 


ca. 249 


Pachon 
(Juli) 


Cairo Zen. 59 326, 
1. 25 


Ars. od. 
Memph. 


3T?L 


m 


Q 


1.25 
6 






1. 77 


Ars. od. 
Memph. 


3T?L 


(1) 


(t) 


1.2 


Ptol. III. 


Mesore 
(Okt.) 


, P. Lond. Inv. 

2756 


Ars. 


E M A 


li 


G) 


4 
"6 


222 


Choiak 
(Jan., Febr.) 


Magd. 1 = Gud- 
raud Enteuxeis 55 




E T? E 


tC?) 


(t) 


(t) 


185 


Phaophi 
(Novemb.) 


Tebt. Ill 796 


Ars. 


E M A 


(300) 


(120) 


180 


171 


Paophi 
(November) 


F. Thompson, 

Family Archive 

from Sint 

(1934) 76 


Sint 


EStrE 


ca.2i 


m 


(It) 


158 


Pachon, Payni 

Epeiph 
(Juni— August) 


Aegyptus XIII 
674ff. 


Memph. 


3 BehL 


(2i) 


1 


(11) 


ca. 154/3 

(oder 
ca. 143/2) 


Choiak 
(Januar) 


BGU 1258 A 
e. 16 


Hermop. 


EM?E 


(1200) 


(480) 


(720) 


114/3 


Phamenoth? 
(Marz) 


Tebt. Ill 805 


Ars. 


3?T?E 


700 


(280) 


(420) 


113 


Meeheir 
(Marz) 


Eoss. Georg II 6 


Hermop. 


E Str. E 


*1500 


(600) 


(900) 


112 


Meeheir 
(Marz) 


Tebt. I 112 
1. 57 


Ars. 


E M A 


1000 


(400) 


(600) 


108 


Choiak 
(Januar) 


Eoss. Georg II 7 
u. Eein. 21 


Hermop. 


E Str. E 


*1500 


(600) 


(900) 


51 


Mesore 
(Aug.) 


PSI 1098 


Ars. 


3 Str. E 
3 T? E 


*1500 
600 


(600) 
(240) 


(900) 
(360) 



887 



Sitos (Preistabelle) 



888 



Jahr 


Monat 


Zitat 


Ort 


Preis- 

eigensch. 


Weizen- 
korn 


Gersten- 
korn 


Gersten- 
mehl 


Solon 


— 


Plut. Sol. 23 


Athen 


Beh 


1 od 


er 1 


— 


422 


— 


Aristoph.Yesp.300f. 


Athen 


M 


— 


— 


n 


Ende 5. 


— 


Plut. Mor. 470f. 
Stob. Ill p. 211 


Athen 


M 


— - 





2 


393 


— 


Aristopli.Ekkl.547f. 


Athen 


M 


3 


— 




y./iv. 




[Arist.] oec. II 2, 7 


Lampsak. 


M 


— 


— 


4 


(410/09?) 
















Anf. 4. 


— 


IG 112 1356, 2, 21 


Athen 


Beh 


6 


-_ 


— 


400/350 


— 


Diog. Laert. VI 35 


Athen 


M 


— 


— 


2 


400/350 


— 


IG 112 1358, 45, 50 


Athen 


M 


— 


— 


4 


ca. 360 


— 


Eouill. d. Delph. 
Ill 5 nr. 3 II Iff. 


Delphi 


M 


— 


ca. 1^ 


— 


350/40 


~ 


IG XII 5,714 = 

Ath. Mitt. XXXVI 

Iff. 


Andros 

oder 

Athen 


Beh 


5 


— 


— 


IV. 




Documenti antichi 
deir Africa Italiana 
I2(1933)nrao,ll, 
12,14,19,21,22,24, 

27,28 


Kyrene 


Beh 


l|(?)-3 


1-2 




ca. 330 


— 


[Arist.] oec. II 2, 33 


Hellas 


V. 


32 


— 


— 


ca. 330 


— 


IG 112 408 


Athen 


bill. V. 


9 


5 


— 


ca. 330 


— 


Demosth. 
XXXTV 39 


Athen 


V. 

Beh 


16 
5 


— 


I 


ca. 330 


— 


Demosth. 


Athen 


Beh? 


— 


6 


— 






XLII 20, 31 




M 


— 


18 


— 


329/28 


— 


IG 112 1672, 283ff. 
298ff. 


Athen 


M 


5 6 


3-3^ 


— 


325 


— 


IG 112 360 


Athen 


bill. V. 


5 


— 


— 


ca. 300 


— 


SylLS 354 


Ephesos 


bill. V. 


6 


— 


— 


295/94 


— 


Plut. Demetr. 33 


Athen 


M 


300 


— 


— 


282 


Lenaion 

Hieros 

Galaxion 


IG XI 2, 158 


Delos 


M 


7 
6 


— 


~ 




Artemision 








4| 


— 


— 




Thargelion 








6| 


— 


— 




Metageitnion 








7 


— 


— 




Bouphonion 








10 


— 


— 




Apaturion 








— 


— 


4 




Artemision 














5 




Posideon 








— 


— 


5 


279 


— 


IG XI 2, 161 A, 
1.59 


Delos 


M 


ca. 9^^^ 


— 


— 






1.84 


Delos 


M 


ca. 8^^ 


— 


— 


260/50 


— 


Syll. or. 266, 3, 15 


Pergamon 


Beh 


4 


— 


— 


258 


— 


IG XI 2, 224 A 


Delos 


M 


— 


3| 


— 



889 




Sites 


(PreistabeUe) 






890 


Jahr 


Monat 


Zitat 


Ort 


Preis- 
eigensch. 


Weizen- 
korn 


Gersten- 
korn 


Gersten- 
mehl 


250 


Lenaion 


IG XI 2, 287 


Delos 


M 





B| 







Thargelion 
Panemos 








— 


8 


— - 




Hekatomb. 








— 


2| 


— 




Metageitnion 
Bouphonion 








" 


2| 
2 


— 


246 


Hekatomb. 
Apaturion 


m XI 2, 290 


Delos 


M 


I 


4 
4 





nach 248 


Metageitnion 


IG XI 2, 291 b 


Delos 


M 


— 


21 


— 




— 


291 d 






— 


^ 


— 


ca. 230 


— 


SylL3 495,25if.60ff. 


Olbia 


M Beh 


ca. 2* 

5 

43 


— 


— 


224/22 


Thargelion 


IG XI 2, 338 


Delos 


M 


— 


— 


4 


III 


— 


Documenti antichi 

deir Africa Italiana 

I 2 (1933) nr. 31 


Kyrene 


Beh 


+ 6| 
(-f-8ptol.) 





— 


ca. 220/170 




ebd. nr. 35, 40, 41 


Kyrene 


Beh 


3.8 , 
5 ptol.) 


|5.8 

12| (?) 
16[?]ptol.) 




Anf. II 


— 


Syll.3 976 


Samos 


Beh 


^1 


— 


— 


190 


— 


IG XI 2, 401 


Delos 


M 


10? 


~ 


4 


190/80 


— 


IG XI 2, 440 


Delos 


M 


11 


— 


4 


179 


Lenaion 
Artemision 


IG XI 2, 442 A 


Delos 


Beh 
Beh 


3 

41 


— 


— 










M 




— 


4od.3 


178 


— 


IG XI 2, 445 


Delos 


M 


10? 


— 


3od.5 


169 


— 


IG XI 2, 461 B, b 


Delos 


M 


10? 


5| 


— 


nach 170 


— 


Bocumenti antichi 
deir Africa Italiana 
I 2 (1933) nr. 42 


Kyrene 


Beh 


ca.3i 
(308 ptol.) 


ca.li 
(ISOptol.) 


— 


Ende 11 


— 


IG V 2, 437, 12/13 


Megalo- 
polis 


Beh 


5 

(2 kor. 

Stat. 9 Ob.) 





— 


Ende II 


— 


Inschr. Priene 
108, 42ff. 


Priene 


bill. V. 


4 





— 


87/6 


— 


Plut. Sull. 13 


Athen 


M 


1000 


— 


— 


74 




IG IV2 6Q 


Epidauros 


M 
Beh 


60 
4 10 


— 





891 Sitos Skiluros 892 

bende Stadtgebiete, wie Eom, Alexandria, Anti- Eev. 6t gr. XLV 244. Siehe Tabellen auf Seite 
ochia und Konstantinopel. Im librigen aber bilde- 887—990. [Fritz Heichelheim.] 
ten sich die antiken Stadte meist seit etwa den SHaXXlov, Eine kleine TivXi^, die bei den 
Wirren des 3. Jhdts. n. Ghr. soweit zuriick, dafi Aiolern in Gebrauch war (Athen. XI 498 a). 
sie sich aus der Produktion der naher gelegenen [F. v. Lorentz,] 
Agrarlandschaften reibungslos versorgen konnten. Skaptopara, thrakisclies Dorf, genannt in 
In zahlreichen Bezirken bedeutete das die Ver- einer an den Kaiser Gordian HI. geriehteten 
lagerung der antiken stadtischen Kultur und Zi- Bittschrift {berjotg naQa ?ccof^7]tcdv SKantonaQrj- 
vilisation, soweit sie auBerhalb der staatlichen v6JVT;(bvKairor]ostt(bv,^j\l.^S^%). piese Inschrift 
und kirchlichen Sphare liberhaupt erhalten wer- 10 wurde beim Borf G-ramada gefunden, das sud- 
den konnte, aus den verodenden stadtischen Sied- westlich von der Stadt Gorna Dzumaja in einer 
lungen heraus in neu emporwachsende, sich durch Entfernung von 2 km liegt. . Die in der TJmge- 
horige Bauern im agrarischen Tagesbedarf selbst bung des Dorfes zerstreuten Grabhugel (Sarkov 
versorgende Feudalgtiter auf dem fiachen Lande. Die Stadt Gorna Dzumaja 12 [buig.]) bezeugen, 
Von nun an waren diese als Kulturtrager und da6 hier in rOmischer Zeit eine Ansiedlung exi- 
politische Staatsstiitzen, was oft historisch nicht stiert hat. Die in der Inschrift erwahnten war- 
genug beachtet wird, mit dem alteren hier kon- men Heilquellen sind die ^ader der heutigen 
servierten geistigen, zivilisatorischen, technischen Stadt Gorna Dzumaja; auch die bertihmte Pane- 
und organisatorischen Erbe der Antike ftir den gyris hat sich bis aaf die neueste Zeit erhalten. 
Aufbau des germanisch-romanischen und des sla-20Yor dem J. 1878 fand an der Stelle ,Strumski 
vischen Europas der Folgezeit sowie der islami- Ciflik*, II/2 Stunden siidlich der genannten Stadt, 
schen Kultur von einer ahnlichen weltgeschicht- jahrlich am 15. August ein Kirch weihef est statt; 
lichen Bedeutung als Vorbild ftir analoge Bildun- nach dem J. 1878 haben die Tiirken daselbst einen 
gen, wie sie andererseits dem konstruktiven Viehmarkt eingerichtet, der nach 7 — Sjahrigem 
Staatsaufbau des spatantiken Imperium Roma- Bestand aufgehoben wurde. Heutzutage wird in 
num bzw. des auf hellenistischem Fundament auf- Gorna Dzumaja selbst eine siebentagige Messe 
gebauten Perserreiches sowie last not least der im Mai abgehalten. Die Annahme Ditten- 
spatantiken Kirchenorganisation von der For- bergers, dem Ho efer Myth. Lex. Ill 1715 zu- 
schung oft genug mit Recht zugesprochen wor- stimmt, dafi die Panegyris von Skaptopara mit 
den ist. Die uQlie stadtische Kultur und Zivili-30dem bertihmten Asklepiosheiligtum in Pautalia 
sation des islamischen, wie die des mittelalter- (h. Kiistendil) im Zusammenhang stehe, ist kaum 
lich-modernen europai schen Kulturkreises nahmen richtig; denn letztere Stadt ist ca. 70 km von dem 
so ahnlich wie das Efellenentum der fnihenEisen- Fundort der Inschrift entfernt, Kazarow Woch. 
zeit, nur noch intensiver, ihren Ausgang von f. kl. Philol. 1905, 363. 

einem alteren Stadtkulturkomplex, der sich be- Der erste Bestandteil des Namens S. erscheint 

reits aus seiner eigenen Gesetzlichkeit heraus wie auch in Scanty} vXijy s. Bd. HI A S. 446. 

inf olge politischen Druckes dem Bauerntum wie- Perdrizet Klio X 24. C a s s n Macedonia 

der stark und mit Notwendigkeit hatte annahern Thrace and lUyr. 68. M a t e e s c u Ephem. Da- 

miissen, ohne in ihm zu yersinken, und der sich corom. I 132. TOer die^ Bittschrift selbst vgl. 
darum als Lehrmeister flir junge Volker umso40Rostovtzeff Gesellsch. und Wirtsch. der rOm. 

geeigneter erwies (vgl. zu den Ausfiihrungen die- Kaiserzeit I 203. 344. II 186. 363 mit Lit. 

ses Abschnittes mit eingehenden Literatur- und Patsch S.-Ber. Akad. Wien 214, 1. Abh. 21. 
Quellenangaben zuletzt Heichelheim Som- [G. Kazarow.] 

bart-Festsehr. =: SchmoUers Jahrb. LVI 1932, Skiluros, hervorragender Skythenfiirst des 

l002fE.; Encycl. of Soc. Sciences Art. Land tenure 2. Jhdts. v. Chr., gest. um 108. Sein Stammland 

[Ancient world]; Public domain). ist das Steppengebiet der taurischen Halbinsel 

VIIA. Als Anhang A geben wir zur Unter- (Krim), vom jetzigen Simferopol nach Nordea 

bauung der vorhergehenden Abschnitte eine Er- und Nordwesten. Die Aktivitat seines Vorgangers 

ganzung der vom Verfasser seinerzeit (Wirtschaftl. fortsetzend, der 179 Chersonasos in den Verteidi- 
Schwank. 118f£.) zusammengestellten Liste der 50 gungszustand gezwungen hatte, festigt er sein 

Getreidepreise im vorromischen hellenistischen Reich im Innern durch Schaffung einer straffen 

Agypten. Die dort angewandten Abktirzungen Organisation der Skythenstamme der Krim, stiitzt 

werden auch hier gebraucht, dagegen werden nur es durch die Burgen Chabaioi,»Neapolis, Palakion 

neue Fakten und tiefergreifende Korrekturen im und zwingt Olbia zur Unterwerfung. Man darf 

folgenden zusammengestellt. Die alteren ca. 150 wohl annehmen, dafi S. im Ringen mit den beiden 

Belege vgl. a. 0. Eine Anzahl Preisdaten der fiir librigen Griechenreichen (Chersonasos und Panti- 

Pap. Lend. VI vorgesehenen Zenontexte wurden kapaion) um die Vorherrschaf t, den Haf en von 

dankenswerterweise von Herrn S k e a t zur Olbia als Exporthiandelsplatz auszunutzen bemtiht 

Verftigung gestellt. Siehe Tabelle auf Seite war. Dann richtet er sich gegen Chersonasos. Bei 
885/86. 60 Beginn des Krieges niu6 S. gestorben sein, denn 

B. Tabelleder hellenischenund hel- fiir Hauptphase und SchluB nennt die darauf be- 

lenistischen Getreidepreise auiierhalb ztigliche Inschrift zu Ehren des Diophantos nur 

A gyp tens in attischen Drachm en ftir Palakos, nicht dessen Vater S. Zwar hat sich 

die attische Medimneneinheit. Ein- Chersonasos des Angriff s des S. und seiner Sohne 

gehendere Interpretation der tJberlieferung vgl. erwehren konnen, aber nur um den Preis dies An- 

zuletzt bei Jarde 164ff. l78ff. Sauciuc 104. schlusses an Mithradates Eupator, dessen Feld- 

115. 151. 174. 185. 196. Heichelheim Wirt- berr Diophantos erst in mehrfachen Kriegsztigeu 

schaftliche Schwankungen 51ff. 73. 128iF. Glotz der Skythen mit ihrer Tapferkeit und Verschla- 



893 Skiluros Sklaverei 894 

genheit Herr werdeii konnte. Ansehen und Be- 7, 309. Plutarchs Gewahrsmann diirfte die Fabel 

liebtheit des S. bei den Sky then warensehr groB. von einem der Mithradateshistoriker iibernommen 

Er wurde zur Sag^ngestalt (anf dem Totenbette haben. Hauptquelle die Diophantosinschrift, um 

soil er seinen 80 Oder 50 Sohnen die Fabel vom die sich auch die Literatur gruppiert. Dazu jetzt 

Btindel SpieBe erzahlt haben, dem man nichts an- die eben genannte Arbeit yon 2;ebelev mit der 

haben konne, wahrend jeder einzelne Schaft leicht neuesten Literatur. — M. Rostovtzeff Ira- 

zu brechen sei); sein Name kehrt noch nach mehr nians and Greeks in South Russia, Oxford 1922 

als drei Jahrhunderten bei seinen Landsleuten (Denkmaler, Kultur, Geschichte der Skythen- 

wieder (IPE IV 333). reiche), Skythien und der Bosporus I, Berlin 1930 

Chronologie. Die Diophantosinschrift 10 (tJbersicht und Wertung der S<5hriftquellen und 
IPE P 352. 1 185, SyH.3 709 ca. 107 v. Chr. kennt Ausgrabungsberichte). [Erich Diehl.] 
nur noch den Sohn des S., Palakos. Aueh bei Sklaverei*). Der Grundzuunserem giegenwar- 
Strab. 7^ 306 ist das gleiche vorauszusetzen: 7, tigen Wissen uber die S. in der griechischen und 
309 nennt er Palakos als Feldherrn im Auftrage romischen Geschichte wurde von Eduard Meyer 
des S.jder Wortlaut dieser Stelle ist kein Beweis, in seinem Vortrag ,Die S. im Altertum* aus dem 
daB S. damals noch lebte, wenn wir das Element J. 1898 gelegt (El. Schr.2 [1924] I 169ff.). S. bo- 
des GeftihlsmaBigen im Stil dieses Satzes beach- stand neben derireien Arbeit als konstanter Fak- 
ten. Plut. de garrul. 17 und apophth. s. v. haben tor inmitten der wechselnden sozialenund wirt- 
keinen urkundlichen Wert (notorisches Sagen- schaftlichen Verhaltnisse der Antike und wurde 
motiv, idyllischer Ton). Der Vertrag von 179 zwi-20von Herren und Sklaven als etwas Unabander- 
schen Chersonasos und Konig Pharnakes IPE P liches hingenommen (Meyer I 211). Diese An- 
402 = L e b e r Izvestija XLV (1907) 23 nr. 1. sicht war so verbreitet, daB kein antiker Schrift- 
Minns 646 nr. 17- a muB zur Zeit des Vorgan- steller uber das Sklavenleben oder seine Probleme 
gers S.' entstanden sein (sein Name ist noch un- als solches gesondert geschrieben hat. Aristoteles 
bekannt), da Wir sonst fiir S. eine Lebenszeit von stellt in seiner Behandlung der Anfange des Staa- 
90 — ^100 Jahren annehmen miiBten. Einige Jahr- tes am Anfang der Politika die Beziehungen zwi- 
zehnte friiher liegt der "Dberf aU auf eine Dionysos- schen Herr und Sklavcj Mann und Frau, Vater 
feier auBerhalb der Stadt, IPE P 343 = Izvestija und Kind als die drei fundamentalen sozialen Aus- 
18, 114 nr. 23. Die Zeit der Unterwerfung Olbias drucksformen des Vcrhaltnisses zwischen Herr- 
steht urkundlich nicht fest (um 150?), ebenso die 30 schern und Beherrschten hin. Seine Folgerung, 
der Errichtung der Burgen. Deren Lage ist in das Verhaltnis Herr— Sklave sei naturbedingt, 
zwei Fallen unbekannt; die dritte auf dem Hugel wurde von einer anderen geistigen Richtung sei- 
Kermencik bei Simferopol; die mehrfach verge- ner Zeit bekampft, die S. wohl als schicklich, aber 
schlagene Identifizierung mit Neapolis vorlaufig doch niir durch menschliche Satzung gerechtfer- 
nicht beweisbar; eine Inschrift paodscog 2ki- tigt und nicht durch die Natur gegeben ansah. 
XovQov IPE P 668, ^241, mehrere andere des GroB- Aber weder Aristoteles noch seine Gegner erwogen 
kaufmanns Posideos aus Olbia. Chabaioi in der die Moglichkeit einer Beseitigung der S. Es han- 
Diophantosinschrift Z. 13 und 29 verdient als delte sich eben lediglich um einen akademischen 
zeitgenossische urkundliche Schreibung den Vor- Streit iiber ihren Ur sprung. DaB man die S. stets 
zug vor Chabon bei Strab. 7, 312. 40 vollkommen als festen Bestandteil des Wirtschafts- 

Munzen vgl. Regling Bd. Ill A S. 526. lebens auffaBte, ist bezeichnend fiir die antike 

Nr. 1 ist nicht in Olbia gepragt, sondern vor des- Haltung, wenn auch die Debatte iiber ihre Genesis, 

sen Unterwerfung im Stammlande des S., weil ob naturbegriindet oder menschliche Einrichtung, 

der Stadtname Olbia auf der Miinze fehlt. Die gelegentlich auf lebte. Im Vergleich zur auBer- 

Bezeichnung ,skythischer Konig in Olbia* stellt ordentlichen Wichtigkeit derS. im Altertum hat 

die Verhaltnisse ungenau dar; S. war nur Ober- sich die antike Literatur erstaunlich wenig mit 

herr von Olbia, wie spater die Romer. Ob S. je in dieser Frage beschaftigt. 

Olbia residierte, ist vorlaufig noch nicht nach- Gelegentliche Feststellungen beziiglich der 

gewiesen; dagegen wird Chabaioi in der Diophan- Sklavenzahl in bestimmten Orten sind vorhanden; 

tosinschrift Z. 13 Konigsburg genannt. Olbia 50 aber diese sind so vereinzelt und im allgemeinen 

selbst war und blieb griechisch, verfiel allerdings so unzuverlassig, daB eine statistische Auswertung 

allmahlich der Barbarisierung, unmoglich ist. Indessen kann man annehmen, daB 

Krieg gegen Chersonasos. Haupt- die Verhaltniszahl zwischen Freien und Sklaven 

zeugnis die Diophantosinschrift. Dazu Rostov- stark schwankte entsprechend den wirtschaftlichen 

t z e f f Izvestija 23 (1907) 21 ff. "Dber die Parthe- Verhaltnissen, die tiberaU den Gebrauch von 

nos von Chersonasos Iv. T 1 s t i Ostrov Belyj Sklaven jeweils begunstigten oder iiberfliissig 

i Tavrika na Jevksinskom Ponte, Petrograd 1918 machten (Cicotti Metron IX [1931] 11). Vom 

und die Besprechungen von Rostovtzefflz- bevolkerungspolitischen Standpunkt aus mag sich 

vestija LXV (1918), Diehl Gnom. Ill (1927) die S. im allgemeinen weder rassisch noch zahlen- 

633ff. DaB Palakos nach seiner Niederlage nach 60 maBig giinstig ausgewirkt haben (ebd. 34f .). Die 

Rom geflohen sei (Geyer Bd. XV S; 2165) Behandlung und die Lebensbedingungen der Skla- 

lehnt 2 e b e 1 e V Le dernier Pairisades et Tinsur- ven waren ebenfalls verschieden je nach den ein- 

rection de Scythes bosporans (russisch), Izvestija zelnen Besitzern und der wechselnden Ausnutzung 

d. Ak. f. Gesch. d. mat. Kultur Heft 70 (Lenin- der Sklavenarbeit in der Wirtschaft, und zwar so 

grad 1933) 22 als jeden Beweises entbehrend ab. sehr, daB eine absolute Verallgemeinerung un- 

S. in der Legend e. Die Plutarchstellen — 

und Stob.. 84, 16. Von 80 Sohnen spricht auch *) Dbersetzt von Walter Abel und Elisabeth 

ApoUonides, von 50 Poseidonios, beide bei Strab. Jtilicher. 



895 Sklaverei (Homer. Zeit) Sklaverei (Homer. Zeit) 896 

moglich ist. Vergleichende Hinweise auf die mo- streng unterschieden von den a[Acpm6Xot, freien 

derne S. sind geiahrlich und irrefuhrend, beson- Dienern, Od. IX 206; aber die tatsacblichen Be- 

ders bei der christlich-moralisierenden Denkweise, deutungen dieser beiden Termini werden von den 

die in der Antisklavereibewegung des 19. Jhdts. epischen Schriftstellern nicht scharf auseinander- 

vorherrschend wurde. S. war im Altertum ein gehalten (vgl. die 5^coat yvvaiHeg Od. VII 103 

rein praktisches Problem. Ethische Uberlegungen uijid die df^q^iJtoXot, yvvalKsg Od. VI 5 If., die die 

spielten wohl in den Beziehungen zwischen ein- gleiche Arbeit tun). Ftir fiirstliche Hanshaltungen 

zelnen Herren und Sklaven eine RoUe, aber sie wie den Palast des Alkinoos (Od. VII 103) und 

beeintrachtigten nicht die Einrichtung der S. ais den des Odysseus (Od. XXII 420il.) steUten 
solche. Trotz dieser Eigenttimlichkeit halt sich 10 50 Sklavinnen anscheinend den iiblichen Durch- 

von Homer an dauernd die Auffassung, daB an schnitt dar. Wenn auch unbestimmte Anspielun- 

dem Tage, an welchem ein Mensch in S. fallt, gen auf die mannlichen Sklaven des Odysseus vor- 

ihn das Schicksal um die Halfte seiner Fahigkeiten liegen (Od. I 398. XIV 399), so war ihre Zahl 

beraubt hat (Od, XVII 322f.), und daJB die Ver- doch sicherlich nicht grofi. Genau bekannt sind 

sklavung ein elenderund entehrender Zustand flir nur Eumaios, der Schweinehirt (Od. XIV 115. XV 

den war, der einmal die Freiheit kennengelernt 364ff.) und Dolios (Od. IV 735f.). Dieser war ver- 

hatte. Dauernd erscheint in der griechischen und heiratet mit einer Sizilianerin, die ebenfalls ailem 

romischen Sklavengesetzgebung der Widerspruch, Anschein nach eine Sklavin war (Od. XXIV 365f. 

der dieser Einrichtung anhaftet: der Sklave ist 389f.; der Stand ihrer sechs Sohne steht nicht 
theoretisch ein Teil von Hab und Gut und unter- 20 genau fest). Ein sicherer Beweis fiir die verhalt- 

liegt somit den Eigentumsgesetzen, andererseits nismaBig geringe Zahl der Sklaven in der home- 

ist er aber auch ein menschliches Wesen. rischen Epoche liegt umgekehrt in der Feststel- 

In der folgenden Untersuchung wurde scharf lung, dafi Sklaven weder als Kammerdiener (d's- 

geschieden zwischen wirklicher S. und den ver- Qdnovteg) noch auch als Waffenknechte der Man- 

schiedenen Formen der Leibeigenschaft im Alter- nen im Kriege erscheinen, daB keine Sklaven- 

tum, wie Helotentum (Bd. VIII S. 203ff.), dem handler auftreten, daB es keine groBen Beutezuge 

romischen Colonatus (Bd. IV S. 483ff.) und dem auf Sklaven gab und daB schlieBlich selbst die 

System der Dienstbarkeit, der sog. naQaixovr}, groben Arbeiten in Landwirtschaft und Viehzucht 

Die S. ist von der Leibeigenschaft dadurch zu zu einem erheblichen Teil durch bezahlte Arbeiter 
unterscheiden, daB der Sklave das Eigentum eines 30 ausgefuhrt werden (Od. X 84f . XIII 222, Athene 

anderen Menschen ist, wohingegen der Leibeigene als freier Hirt; XVIII 357f.: Odysseus soil als 

nur an den Boden, nicht an einen Menschen ge- freier bezahlter Arbeiter Umfriedigungen bauen 

bunden ist und seinem Herrn nur bestimmte jahr- und Baume pflanzen; II. XI 676 sind die Vieh- 

liche Dienste schuldet. In der griechischen naQa- hitter in Elis Landvolk, laol dyqoicoxai^ sicherlich 

liovri war die Eigentiimerschaft der betreffenden frei; II. XIII 390 werden die Baume von Tisch- 

Person zeitlich begrenzt; es handelte sich also lern gefallt, nicht von Sklaven, vgl. B e 1 o c h Be- 

nicht um einen direkten Sklavenstand {dovXslaj volkerung der griech.-rom. Welt [Lpz. 1886] 493). 

servitudo). Die besonderen Lebensbedingungen der In der homerischen Epoche wurden Sklaven 

antiken S. erfordern indes, daB die Staatssklaven durch Gefangennahme im Kriege und vielleicht 
(servi publicij drj/^ootoi, Bd. V S. 161) ebenso 40 auch durch gelegentlichen und vereinzelten, selten 

in die Untersuchung einbezogen werden wie die- aber durch organisierten Eaub von Mannern, 

jenigen, die den religosen Organisationen ge- Frauen und Kindern erworben (II. XXI 453f.; Od. 

horten. XIV 264f., wo die Manner erschlagen werden; 

H m e r i s c h e Z e i t. Die Feststellung des XIV 340. 415ff.: die Sklavenhandler sind phoini- 

Hekataios (Herodot. VI 137), die Griechen batten kische Handler). Bewaffnete Beutezuge ftir den 

in der primitiven Periode des athenischen Mauer- ausgesprochenen Zweck des Sklavenraubes waren 

baues keine Sklaven gehabt, hat keinen Wert als ungewohnlich. W a 1 1 o n Histoire de I'esclavage 

gultiger Beweis, und die Ursprtinge der S. in der dans I'antiquite [Paris 1879] I 60. QQ. 70, sieht 

griechischen wie auch in der romischen Geschichte auf Grund seiner Auffassung, daB Sklavenraub 
sind unserem Wissen voUkommen verborgen. In 50 der einzige Zweck der Kriege dieser Zeit sei, 

der Zeit der homerischen Dichtung war der Skla- f alschlich die S. als den hauptsachlichsten AnlaB 

venbesitz einzelner als ein Bestandteil des Privat- der Vorgange bei Homer an. Waffenfahige Man- 

besitzes uberhaupt bereits vol! entwickelt (S w o - ner, die lebend in Gefangenschaft gerieten, ein 

bo da Ztschr. Sav.-Stift. XXVI 241). Erstaun- Vorkommnis, das als ungewohnlich gait (II. IX 

licherweise war die Anzahl der Sklaven auch ftir 592f.), wurden im allgemeinen ausgelost (11. IX 

die reichsten Ftirsten beschrankt (so richtig 104H. XXI 35ff. 78f., wo der Kaufpreis ftir den 

Meyer Kl. Schr. 184 gegen Francotte troianischen Prinzen Lykaon in Erwartung eines 

Bd. IX S. 1386), und die Art der S. war so milde, hohen Losegeldes ganz besonders hoch war). Aber 

daB sie zeitweilig nur schwer von dem patriarcha- Achilles rtihmt sich, viele Troianer lebend gefan- 
lischen Klientenverhaltnis Oder der Leibeigenschaft 60 gen genommen und verkauft zu haben (II. XXI 

zu unterscheiden war (Th. D. Seymour Life 102). Frauen und Kinder, die wahrend der Ein- 

in the Homeric age [New York 1907] 260). Die nahme einer Stadt in Gefangenschaft kamen, ver- 

homerische Bezeichnung ftir Sklave ist dfA,cbg, fern. schonte man; ihrer harrte die S. (II. VI 455. IX 

pi. df^coaL Das gewohnliche griechische dovXog 594. XVI 830ff.; Od. VIII 527ff.). Allein Aga- 

erscheint nur zweimal (dovkrj II. Ill 409; Od. IV memnon erhielt als seinen Anteil an der Beute 

12, vgl. die Ableitung dovXoovvrj Od. XXII 423 bei der Ersturmung von Lesbos sieben Frauen als 

und die adjektivische Form in bovhov rjixaQ: II. Sklavinnen, und solche Sklavinnen gingen als Ge- 

VI 463. XXIV 729). Die d[A,wsg als Sklaven sind schenke zwischen den Heerftihrern bin und her 



897 Sklaverei (Homer. Zeit) Sklaverei (7.— 6. Jhdt.) 898 

<I1. IX 128S.; Od. XXIV 278f.; vgl. den Sklaven Tochter Ktimene, Od. XV 365; vgl. 557 avdmeoiv 

Dolios, den Penelope von ihrem Vater erhielt, Od. 7]ma sibm), Als Beweis dafiir, dafi solche Be^ 

IV 736). Junge und hiibsche weibliche Gefangene ziehungen vereinzelt dastanden, vgl. den Verrat des 

waren im Krieg wie auch im Frieden Nebehfrauen Kindes Eumaios durch eine Sklavin an phoini- 

der homerisehen Fiihrer. In seltenen Fallen konnte kische Handler (Od. XV 415ff.) und das Hangen 

die Sklavin aus dieser Stellung zur legitimen Gat- der jungen Sklavinnen des Odysseus als Strafe fur 

tin erhoben werden, wie in dem Versprechen an ihre Untreue gegen sein Haus (Od. XXII 424f. 

Eriseis (II. XIX 297). Ebenso wurden die gefan- 465ff.). 

genen Frauen nach ihren Kenntnissen in haus- Die Sklavenbesitzer hielten es nicht fur unter 
lichen Arbeiten wieSpinnen und Weben geschatzt lOihrer Wiirde, die gleiche Arbeit wie die Sklaven 

{n. X 128. XIX 245), und sie wurden in diesen zu tun. Aber der Lebensstandard der Sklaven lag 

Arbeiten weiter dauernd verwendet, wenn ihre unter dem ihrer Herren (anders Beauchet Hi- 

auBerliche Anziehungskraft geschwunden war. Im stoire du droit prive de la r^publique Athenienne 

Hause geborene Sklaven erscheinen im Epos selten. [Paris 1897] II 397, der seine Ansicht auf die 

Die erfundene Geschiehte von Odysseus' Vergan- ganz ungewohnliche Lage des Laertes griindet, 

genheit, in der er erzahlt, er sei dasKind einerKon- der Od. XI 190 in schmutziger Umgebung mit 

kubine aus dem Sklavenstand (Od. XIV 200fF.: seinen Sklaven lebt). Kaum ein Untersehied mag 

iixs b' d)vr]T7] rsTie f^'rjtfjQ), habe aber dennoch zu- zwischen dem Lebensstandard der Sklaven und 

sammen mit seinem legitimen Halbbruder seinen dem der freien Arbeiter {^fjTsg) bestanden haben, 
Vater beerbt, laBt die Meinung zu, dafi im Hause 20 da der tote Achilles auBert (Od. XI 489ff.), er 

geborene Kinder des Hausherrn und einer Sklavin wiirde lieber als Tagelohner bei einem armen 

als frei galten. Ein Fall formeller Freilassung Mann arbeiten als im Hades regieren; er wahlt 

kommt nicht vor, ebenso wenig irgendein Bei spiel also als das typische Beispiel eines bitter en Erden- 

ftir begrenzte Lehnsknechtschaft, TiaQaf^ovi^; das loses eher das eines Tagelohners auf dem Lande 

tJbereinkommen zwischen Poseidon und Apollo als das eines Sklaven. Rechtlich betrachtet gaben 

(II. XXI 444f.), ein einfacher Vertrag iiber be- Branch und Gewohnheit demHerrn unumschrankte 

zahlte Arbeit auf ein Jahr, wurde von Beau- und willkiirliche Macht iiber seine Sklaven bis zur 

chet (Daremb.-SagL IV 2, 1261) falsch inter- Gewalt iiber Leben und Tod (IL XXIII 174ff.; Od. 

pretiert. Ein Beispiel fiir S. oder Selbstverkauf XXII 465ff.). Nach der nur sehr unzureichenden 
auf Grund von Schulden besteht nicht, obwohl 30 Dberlief erung, die wir hinsichtlich der Rechte eines 

sich moglicherweise dieser ganz primitive Ur- Sklaven auf Heirat oder Hausbesitz haben, hingen 

sprung der S. bei den griechischen Stammen ein- diese Eechte anscheinend von der Laune und der 

gebiirgert hatte. Phoiniker erscheinen zweimal Einwilligung des Sklavenbesitzers ab (Od. XXI 

als Sklavenhandler, ebenfalls zweimal die Taphier 214f.; vgl. XIV 61ff.: der Sklave Eumaios gibt 

(Od. XIV 452. XV 427f.). Vor Troia erbeutete seiner Hoffnung auf ein Haus und eine Frau von 

Sklaven verkaufte man nach Samos, Imbros und seiten seines Herrn Ausdruck [ein precarium], 

auch nach Lemnos (II. VII 475. XXIV 753). In vgL M. Weber Gesammelte Aufsatze 101, l,der 

nur zwei Fallen wird der Kaufpreis fiir Sklaven diese Tatsache richtig zum Beweis dafiir benutzt, 

-angegeben, beidesmal fiir Frauen (II. XXIII 705: dafi zwischen gekauftefi Sklaven und Klienten 
eine Frau hat den Wert von 4 Stiick Vieh; Od. 1 40 nicht scharf geschieden wurde). Die von den Skla- 

430: Laertes bezahlte fur die Amme Eurykleia ven ausgefiihrte Arbeit untersehied sich nicht von 

20 Stiick Vieh). Der Preisunterschied erklart sich der der freien Diener. Sklavinnen wurden nicht 

vielleicht durch die Abschatzung an Ort und zu den schweren und unter freiem Himmel aus- 

Stelle, d. h. auf dem Kriegsschauplatz im ersten zufiihrenden Arbeiten in der Landwirtschaft her- 

FaU, wahrend im zweiten Fall der mogliche Ver- angezogen. Sie richteten das Essen an und trugen 

kaufspreis bei Lieferung auf eine entfernte Insel es auf (Od. Ill 428), bereiteten das Bad fiir die 

hoher lag. Herrschaft und bedienten sie beim Bade (Od. IV 

Unter gebuhrenderBerucksichtigung des aristo- 49); sie dienten als Kammerfrauen {d'a'kaiA,r}7i6Xoi, 

kratischen Standpunktes der Epen und der sich Od. VII 8), spannen Garn und mahlten Mehl (Od. 
daraus ergebenden Herrenmoral war die Behand- 50 VII 103), aber solche Arbeiten wurden auch von 

lung der Sklaven durch ihre Herren immer noch freien Dienern {aiJKpinoXoi, Od. VI 52) verrichtet, 

bemerkenswert mild und freundlich; das lag eben VoiiHomerbiszudenPerserkrie- 

in der Geschlossenheit der ,f amilia* begriindet, wie gen. Die homerische Epoche erforderte die vor- 

sie den fiir diesen Zeitabschnitt charakteristischen stehende eingehende Darlegung, well sie ganz all- 

^Gutshaushalten eigen war. Andererseits stellen gemein eine milde Form der Sklavenbeschaf tigung 

die epischen Gedichte die Sklaven im allgemeinen in Landwirtschaft und Haushalt darstellt, die — 

als treu und anhanglich dar, oft so, daB ein aus- wenn auch mit wechselnder Intensitat — bis ins 

^esprochen herzliches Verhaltnis zwischen ihnen 2. Jhdt. v. Chr. in den Teilen der griechischen 

und den Mitgliedern der Besitzerfapailie bestand Welt bestehen blieb, die nicht industrialisiert 
{Eurykleia und Penelope, Od. IV 743ff.; Eurykleia 60 wurden. In den griechischen Staaten mit Heloten- 

und Telemachos, Od. XIX 482. 492; Eurykleia tum oder anderen Formen der Leibeigenschaft, 

xmd Odysseus, Od. XIX 467ff.; vgl. die Hoffnung wie z. B. Sparta und Thessalien, ist irgendeine 

Agamemnons, daJ5 er nach Hause zuriickkehren wesentliche Weiterentwicklung der S. nicht zu er- 

moge zur Freude seiner Kinder und Diener, freier warten. Wahrend des 8. und 7. Jhdts. fiihrten die 

sowohl wie Sklaven, d/xweooiVf Od. XI 431 ; ferner griechische Kolonisierung der Mittelmeerkiiste, 

die gemeinsame Erziehung des Sklavenjungen die Einfiihrung gepragten Geldes im Handel und 

Eumaios im Haushalt des Laertes mit dessen die friihen Stadien der Industrialisierung des 

Pauly-Wiesowa^KroU Suppl.VI 29 



899 Sklaverei (7.-6. Jhdt.) Sklaverei (7.-6. Jhdt.) 900 

Handwerks eine Inderung in den griechischen Travail 103). In der so geschaffenenLagewandten 

Wirtschaftsverhaltnissen herbei, die im Gebrauch sich die Griechen mehr und mehr der Sklaven- 

der Sklavenarbeit eine schrittweise Vermehrung arbeit zu, an die sie seit langem gewohnt waren. 

mit sich brachten und in der Folge die Art der Die glaubwiirdige, durch die drakonisehen Gesetze 

Sklavenhaltung voUkommen anderten. Die klaren bezeugte Einrichtung der Polis, da6 im gleichen 

Ergebnisse dieser drei verhaltnismaBig gleich- Gerichtsverfahren der Mord an einem Sklaven wie 

zeitigen Ereignisse sind bekannt; die relative der an einem Freien (auf Erganzung beruhend, s. 

Wichtigkeit und der gegenseitige Einflufi eines Syll.s 111 Anm. 18) verhandelt werden konnte, 

jeden einzelnen dieser drei Faktoren in seinen liefert einen weiteren Beweis fiir die wachsende 
Wechselwirkungen beziiglich Ausbreitung und In- 10 Wichtigkeit der S. in Attika. 

tensitat der Sklavenverwendung miissen jedoch Sowohl Theopomp als auch Poseidonios schrie- 

Gegenstand der Vermutung bleiben. Obwohl nur ben den Chiern als den ersten unter den Griechen 

wenige zeitgenossische Beweise vorliegen, lassen die Beschaftigung nichtgriechischer, gekaufter 

die wirtschaftlichen und sozialen Verhaltnisse in Sklaven zu (FGrH II B 564. II A 249). Die An- 

der griechischen Welt im 7. Jhdt. die Annahme nahme, dafi diese Sklaven in den kleinen Hand- 

zu, daB schon vor 600 der Umschwung eingesetzt werksbetrieben dieser Zeit sowie im Weinbau be- 

hatte, der die Verwendung der Sklavenarbeit bei schaftigt wurden — fiir den Chios schon bertihmt 

der Industrialisierung des Handwerks und ihre war — , wird durch die Feststellung bei Herodot. 

weitere Anwendung tiberhaupt bewirkte (vgl. G. I 25 iiber die friihe Entwicklung der Metailindu- 

G 1 1 z Travail dans la Grece ancienne [Paris 20 strie in Chios bekraftigt. Periander von Korinth 

1920] 89. 92, und die etwas konservativere Auf- erliefi ein Gesetz gegen den Besitz von Sklaven, 

fassung Hasebroeks Griech. Wirtschafts- und das laut Nikolaos von Damaskos (frg. 58 FGrH II 

Gesellschaftsgesch. [Tubingen 1931] 82). Das Vor- 357) dem Wunsche entsprang, die Burger aus 

handensein einer beachtlichen Anzahl von Schuld- politischen Griinden beschaftigt zu halten (L a - 

sklaven in Attika zu Solons Zeiten, obwohl Athen q u e u r Hellenismus 29). Man soUte dieses Gesetz 

noch ziemlich im Hintergrund des wirtschaftlichen nicht zuriickftihren auf offentliche Agitation gegen 

Geschehens stand, und die Tatsache, daB ein Aus- die S. (wie Ed. Meyer Kl. Schr. I 198), noch 

fuhrmarkt fur diese Sklaven in anderen griechi- weniger auf den ausdriicklichen Wunsch, kleine 

schen Stadtstaaten bestand, mag als Stiitze dieses Heimarbeiter gegen ,groBe Sklavenbetriebe* zu 

Schlusses angefuhrt werden. 30 schtitzen (eine moderne Auf fassung, mit Recht von 

Fiir die Zeit von 750 — 600 v. Chr. besitzen Ure Origin of Tyranny 192, 1 zuriickgewiesen). 

wir diirftige Hinweise auf die Art der S. in Boio- Ein verstarkter Sklavengebrauch in Attika, vor- 

tien durch Hesiod. Das Wort fur Sklave ist das wiegend in der Landwirtschaft, ist anzunehmen 

epische bfA,(bg. Fiir Hesiod sind die wesentlichen auf Grund der Versklavung von Schuldnern, die 

Lebensbediirfnisse eines Kleinbauern Haus, Frau uns wiederum durch die Abschaffung des Selbst- 

und ein Ochse zum Pfliigen (Erga 405, wodurch verkaufes und des Verkaufs von Familienmitglie- 

sich die folgende Zeile TtxYjxrjv, ov ya/j,£zi^v, rjng dem durch Solon 594 v. Chr. in den ihm zu- 

?(al §ovolv enoLXo als nacharistotelische Interpola- geschriebenen Gesetzen bekannt ist. Diese ver- 

tion erledigt, vgl. Aristot. pol. I 1, 6). Hierbei bieten den Sklaven, sich mit 01 zu salben oder 

ist die ganzliche Fortlassung der Sklaven als un- 40 sich homosexuell zu betatigen (Plut. Sol. 1, 3) und 

bedingte Notwendigkeit bemerkenswert. Der Bauer machen den Sklavenbesitzer fiir Schaden haftbar, 

in bescheidenen Verhaltnissen vom Typ des Hesiod die durch Sklaven verursacht werden (Hypereid. 

konnte ebensogut Sklaven halten (Erga 470. 573. V 22). In Kreta erkennen die Gesetze der Stadt 

597. 766), aber er bedient sich auch der bezahlten Gortyn zur gleichen Zeit die Sklavenklasse als 

Arbeit {d-^xsg; und eine Tagelohnerin, eQi^og ebd. einen besonderen sozialen Stand an, und eine 

602f.). Fiir Boiotien hat sich die Art der S. dem- groBere Anzahl Gesetze grundet sich darauf 

nach kaum merklich von der in den homerischen (SGDI 4991). Dieser SchluB auf wachsende Wich- 

Gedichten geandert. Fiir die alteren Agrarkolonien tigkeit der S. wird durch das Auftreten einer cha- 

am Pontus, in Thrakien und im Westen liegt kein rakteristischen indirekten Steuer im 6. Jhdt. in 

Grund zu der Annahme vor, daB die Lebensbedin- 50 Kyzikos auf den Besitzwechsel von Sklaven durch 

gungen beziiglich Landarbeit und S. stark ab- Verkauf unter stiitzt {avbQauiobwvir} Syll.^ 4). Die 

wichen, wenn man die meist friedlichen Beziehun- von Solon in Attika durchgefiihrte Abschaffung 

gen zwischen den Kolonisten und der einheimi- des Rechtes, sich selbst, " seine Frau und Kinder 

schen Bevolkerung beriicksichtigt (Glotz Hist. auf Grund von Schulden zu verkauf en, war in 

anc. I 555). Wahrscheinlich erweiterte der Ver- ihren Folgen sehr weitgehend. Nach Solon waren 

kauf der in Stammeskriegen erbeuteten Gefange- viele arme Leute ,mit schandlichen Banden belastet 

nen durch die eingeborenen Volker an die griechi- und nach fremden Landern verkauft' (frg. 3, 23 

schen Kolonisten dieQuellen derSklavenversorgung Diehl), und viele der mit Recht oder Unrecht Ver- 

geniigend, um der wachsenden Nachfrage nach kauftenhabeer nach Athen zuriickgebracht (frg. 24, 

Sklaven zu begegnen, die aus der sich entwickeln- 60 8ff. nolXovg 5' 'A&Yjvag naxQib'* slg d-soKxixov avr}- 

den Industrialisierung des Handwerks in Griechen- yayov nQad-evxag', vgl. Aristot. pol. Ath. 6. Plut. 

land und durch die rapide Verbreitung des Mtinz- Solon 15, 3). Plutarch (Solon 13, 2) stellte richtig 

verkehrs erwachs. Das patriarchalische System fest, daB manche dieser Schuldsklaven in Attika 

verfiel, und die Mannigfaltigkeit der Lebensbediirf- als Sklaven attischer Herren geblieben waren 

nisse wuchs; so begann dem Familienverband all- (Swoboda Ztschr. Sav.-Stift. XXVI 212). Auf 

mahlich die Moglichkeit zu fehlen, die notigen zwei Wegen konnte ein Schuldner in S. geraten 

Arbeitskrafte sowie die verschiedensten Talente (Swoboda 21 2f.): einmal unterwarf er sich frei- 

zu stellen, die der Arbeitsmarkt erforderte (Glotz willig der S., oder das Gericht entschied so, wenn 



901 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) Sklaverei (5.-4. Jhdt.) 902 

sein Gesamtvermogen nicht zur Deekung der Stellung in den Staatsordnnngen dieser Zeit. Die 

Schuldverpflichtungen ausreichte. Das Solonische genauen und eindeutigen Bezeichnungen ftir Skla- 

Gesetz gegen Selbstverkauf oder Verkauf von Frau ven sind dovXog, f iir den Eest des Altertums dau- 

und Kind wurde in groBem Umfange in der grie- ernd und hauptsachlich in Eechts- wie auch in 

chischen Welt naehgeahmt; daher horte der pri- Umgangssprache gebraucht; dvdQaTioSoVf juristisch 

vate Verkauf eines Freien auf Grund von Verschul- klar und zulassig (Herodot. VI 19. Pap. Col. Inv. 

dung und dessen mogliche Folgen, namlich Ver- 480, bidyQafjifxa xwv avbganodcov von 198 — 197 

sklavung, in den griechischen Stadtstaaten auf, v. Chr. bei Westermann Upon Slavery in 

nieht so in dem kretischen Gortyn und vielleicht Ptolemaic Egypt [1929]) und aiimahlich von bov- 

auch nicht an einigen anderen Stellen. Die solo- 10 Xog verdrangt, sich aber weiter in Verb- und Ad- 

nische Gesetzgebung schloB zwar die S. auf Grund jektivformen und substantivischen Zusammen- 

von Schulden gegentiber dem Staat nicht aus (E. setzungen wie dvbQanobi^so'd'ai, dvbQanobiorrjQ, 

Weiss Gr. Privatrecht 508), beseitigte aber di^6^ajro6coWiy erhaltend; oco^ di^cii^eZor und (Jc5/wa 

sicherlich doch diese Methode der Sklavenbeschaf- yvvatxsiov, beides standig in den Freilassungsin- 

fung als eine wichtige Quelle der S. iiberhaupt in schriften erscheinend, da oco/^a allein nicht deut- 

der griechischen Welt bis in die hellenistische Zeit. lich genug ftir den Rechtsgebrauch ist (Poll. Ill 

Das unvoUstandige, fiir das 6. Jhdt. vorhan- 78 aco^ara 5' ovk dv sinoig, dXXd bovXa ocofiara), 

dene Material berichtet von einer liberalen Behand- obgleich es manchmal allein in der Bedeutung 

lung der Sklaven von seiten der frtihen Tyrannen ,Sklave* im freieren Gebrauch bei den klassischen 
(Aristot. pol. 1315 a); hier mogen aber eher per- 20 Autoren begegnet (Xen. Kyr. VII 5, 73). Bei der 

sonliche politische Motive als Furcht vor den un- Obersetzung der zahlreichen Worter wie olxhrjg, 

gewohnlich zahlreichen Sklaven maBgebend ge- '&£Qd7iwv, naig, naibaQiov, die im Grunde eine 

vv^esen sein. Diese liberale Politik wurde von Klei- andere Bedeutung wie ,Sklave' haben, ist Vorsicht 

sthenes in Attika nach dem Sturz der Pisistratiden geboten, obgleich sie dauernd, wenn auch im 

bef olgt, als er viele f riihere Sklaven neben Metoken freieren Gebrauch, bei den antiken Sehrif tstellern 

in die neu organisierten athenischen Stamme auf- in dieser Bedeutung angewandt werden (PoU. VII 

nahm (Arist. pol. 1275 b). Das Fehlen einer straf- 78 beschrankt den Gebrauch von oiaig = Sklave 

fen sozialen Schichtung, die die Sklaven von den auf die attischen Schriftsteller). Indessen s. oike- 

Freien auch der niederen Klassen trennte, geht to? in dem Brief Philipps V. von Makedonien 
ferner daraus hervor, daB Sklaven als religios 80 214 v. Chr. (SyU.3 548, 30) in der Bedeutung 

Gleichberechtigte mit den Freien in den Orpheus- ,SklaveS aber vgl. vjirjQsrai richtig im Gegensatz 

kult und die Eleusinischen Mysterien aufgenom- zu bovXoi bei Plat. pol. 289 C to be brj bovXcov xal 

men wurden (s. W i 1 1 o u g h b y Pagan Eegene- ndvtcov vnrjQetmv lomov, 

ration [1929] 38). Sklave konnte zufallig ein jeder sein, entweder 

Von den Perserkriegen bis auf durch Geburt oder — wenn er frei geboren war — 

Alexander d. Gr. Die verftigbaren Angaben durch wirtschaftliche Verhaltnisse (Aristoph. Plut. 

liber S. — wenn auch ftir irgendwelche SchluB- 147f. bid (jlikqov d^yv^ibiov bovXog yeysvr}[A,ai), Im 

folgerungen noch immer unbefriedigend und ganzen Altertum war der Sklavenstand erblich, 

Itickenhaft — werden zahlreicher und eignen sich an manchen Orten durch den Vater, an anderen 
besser ftir eine planmaBige Durcharbeitung, als 40 durch die Mutter (Beauchet Histoire du droit 

das Hauptgewicht der Angaben sich auf die Ver- prive de la republ. Athenienne II 404ff.); der Ein- 

haltnisse in Athen konzentriert. Der Zeitabschnitt fluB der Geburt als Ursache der S. war je nach 

als Ganzes ist durch das Anwachsen der Sklaven den Gesetzen verschieden, ob sich namlich der 

im Verhaltnis zu den Freien gekennzeichnet, fer- Stand von einem Elternteil allein oder von beiden 

ner durch wachsende Verwendung von Sklaven- vererbte, und je nach den wirtschaftlichen Ver- 

arbeit im industrialisierten Handwork in den haltnissen, die jederzeit die Heirat zwischen Skla- 

Stadten, die zu Mittelpunkten der fabrikmaBigen ven oder wilde Ehen von Sklavenbesitzern und 

Erzeugung einmal durch Werkstattarbeit im klei- Sklavinnen begtinstigten oder verhinderten. 

nen wurden, sodann durch Heimarbeit, die von Aussetzen unerwtinschter Kinder — in vielen 
Verteilungsstellen bezahlt wurde, schlieBlich da- 50 griechischen Stadtstaaten gesetzlich anerkannt 

durch, daB man ftir diese Art Heimarbeit sein (Daremb.-Sagl. IF 930; ftir Kreta: Gesetze von 

Capital in Sklaven anlegte oder diese an Work- Gortyn HI 44ff.; Bucheler-Zitelmann 

stattinhaber als Arbeiter vermietete, so daB sie Rh. Mus. XL Erg. -Heft) — wurde eine Neben- 

ftir ihre Eigenttimer zu Geldquellen wurden. In quelle der S. (G. G 1 o t z iStudes sociales et juri- 

Attika bewirkte der verstarkte Silberabbau in den diques sur I'antiquite grecque 187f!.). Mit Sicher- 

Laurionwerken die Einstellung von Sklaven, die heit in Theben (Ailian. var. hist. II 7), anschei- 

von ihren Besitzern ftir die Forderarbeiten ftir nend auch an einigen anderen Orten, war Kindes- 

betr^chtliche Summon vermietet wurden. Ein aussetzung bei Todesstrafe verboten, konnte aber 

tJbergang des einzelnen vom Freien zum Sklaven in Theben bei Nachweis besonderer Armut durch* 
(vgl. den Athener Euxitheus, der durch Gefangen- 60 rechtmaBigen Verkauf in die S. durch den Vater 

nahme im Dekeleischen Kriege Sklave wurde, De- ersetzt werden. WoKindesaussetzung vorkam, muB 

mosth. LVII 18) und umgekehrt vom Sklaven eine Aneignung ausgesetzter Kinder, um sie 

durch Freilassung zum Freien geschah leichter ktinftig als Sklaven zu verwenden, sehr seiten er- 

und haufiger. Ein starkeres soziales BewuBtsein f olgt sein, denn die Aufwendungen und das Risiko 

der Sklaven als Klasse war die Folge ihrer zahlen- in den Jahren, in denen solche Kinder auf gezogen 

maBigen Vermehrung. Dieses soziale Gefuhl ver- wurden, rentierten sich meist nicht. Dazu kam 

anlaBte seinerseits die Untersuchungen tiber Ent- immer noch die Gefahr, daB der ursprtingliche 

stehung der S., Behandlung der Sklaven und ihre Eigentumer, falls das Kind dem Sklavenstand an- 



903 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) Sklaverei (5—4. Jhdt.) 904 

gehorte, sein Eecht jederzeit geltend machen und erzahlt wird, der verschnittene Knaben nach Sar- 

dafi ein ausgesetztes freigeborenes Kind seinen des und Ephesus verkaufte). Polykrates hatte in 

ursprtinglichen Stand stets zuriickgewinnen konnte, Samos nicht genug technisch vorgebildete Sklaven 

wenn seine Zugehorigkeit zu einer freien Familie fiir seine Bauarbeiten und muBte deshalb bezahlte 

erwiesen war (Daremb.-Sagl. IP 935). Unser Wis- Arbeiter von auswarts kommen lassen {zsxvitag 

sen iiber Kindesaussetzung und sich daraus er- ml (jtiod'oig f^sylotoig, Alexis von Samos bei Athen. 

gebender Versklavung beruhte friiher auf dem atti- XII 57). Herodot schreibt nichts von wachsenden 

sehen Drama (Eurip. Ion 524; Aristoph. Nub. Sklavenzahlen in den griechischen Stadten infolge 

530ff.; vgl. Plat. Theaet. 160 E; Aristot. pol. Gefangennahme wahrend der Perserkriege; auch 
VII 16, 10) und auf ihrer Verwendung als Btihnen- 10 aus dem Bericht Thukyd. I 90 tiber die Erneue- 

thema der Neuen Komodie (Menander, Plautus, rung der athenischen Mauern im J. 479 geht her- 

Terenz). Ihre Praxis ist jetzt sicher bezeugt durch vor, da6 damals nicht besonders viele Sklaven in 

wirkliche Falle, die uns durch die Papyri des Attika verfiigbar waren. Ein bemerkenswertes 

romischen Igypten bekannt sind, wo der juri- Ansteigen der Verhaltniszahlen und der Wichtig- 

stische t. t. dafiir dvaiQelo'&ai and HonQiag slg keit der Sklavenbevolkerung mu6 man fur die 

^ovAf/avwar (BGUIV 1107,9ausdemJ.13v.Chr.: Pentekontaetis in Athen wie auch in alien den 

bovhKov avxfjg uiaiblov [d]vaiQe[tov], Pap. Rein. anderen Stadten annehmen, die ihr wirtschaft- 

Inv. 2111 von 26 n. Chr. in Melanges Glotz 1 243; liches Wohlergehen auf kleine Handwerksbetriebe 

Pap. Oxy. I 37 von 41 n. Chr.; I 38 von 49 — 50 griindeten. Dies geht aus der Anklage des Perikles 

n, Chr.; Pap. Soe. Ital. Ill 203, 3f. von 87 n. Chr.). 20 gegen die Megarer hervor, die man fiir schuldig 

Diese Terminologie erscheint auch offiziell in den hielt, entlaufene Sklaven beherbergt zu haben 

dem Idios Logos im romischen Agyp ten gegebenen (Thuk. I 139, 2), ferner aus der Erwartung des 

Anweisungen (BGU V 41 rcov dvaiQovfA,svcov djio Perikles, daB Attika im Kriegsfalle durch Deser- 

9{onQ[lag aQaJsviKa, vgl. 107 ; G. A. P e t r - teure Schaden erlitte (Thuk. I 142, 4, fraglos im 

poiilos Aegyptus XIII 563ff.). Die Adoption Hinblick auf Sklaven); weiter durch die Ab- 

ausgesetzter mannlicher Kinder durch die untere machung beim WaffenstiHstand von 423, daB kein 

Klasse der Agypter war mit Geldzahlungen ver- Unterzeichner Fliichtlinge, weder Freie noch Skla- 

bunden, es war aber nicht verpont, sie als Sklaven ven, beherbergen diirfe (ebd. IV 118, 7); schlieB- 

anzunehmen, s. F. Maroi Raccolta Lumbroso lich durch die wichtige Feststellung des Thuky- 

[1925] 382ff.; 0. Bd. XI S. 463. 30 dides (VII 27, 5), daB nach der dauernden Be- 

Der EinfluB des Seeraubertums und die ver- setzung Dekeleas durch eine spartanische Garni- 

schieden starke Tatigkeit der Piraten als Quelle son mehr als 20 000 athenische Sklaven desertier- 

ftir den Sklavenmarkt laBt sich mit ziemlicher ten. Veranlassung zu der verstarkten Nachfrage 

Genauigkeit berechnen (H. A. r m e r o d Piracy nach Sklavenarbeit im 5. Jhdt. gab u. a.: die Aus- 

in the Ancient World [1924]. E. Ziebarth breitung der Handwerksbetriebe, zum betraeht- 

Beitr. z, Gesch. d. Seeraubs u. Seehandels im alten lichen Teil eine Folge der ununterbrochenen Kriege 

Griechenland, Hamburg 1929). Seine Wirksamkeit und der standigen Nachfrage nach Kriegsmaterial; 

als Versorgungsquelle anderte sich je nach Fehlen der Riickgang der biirgerlichen Arbeit skrafte auf 

oder Vorhandensein einer herrschenden Seemacht, dem Arbeitsmarkt einmal durch ihre Tatigkeit im 

die das Meer kontrollierte und wirtschaftlich an 40 Felde, dann durch steigende Inanspruchnahme 

der Unterdriickung der Seerauber interessiert war ihrer Zeit durch die Politik als Folge der fort- 

(Ormerod 95f. 108. 110 u. passim), und je schreitenden Demokratisierung (F. OertelGno- 

nach dem herrschenden Marktwert und der Nach- mon III 95, 1). Vor dem Peloponnesisehen Krieg 

frage nach Sklavenarbeit. Aus dem athenischen war die Quelle fiir den wachsenden Sklavenbedarf 

Gesetz gegen Sklaven jager und der darauf stehen- eher in dem gewohnheitsmaBigen und gesetzlichen 

den Todesstrafe geht hervor, daB jeder Freie dau- Sklavenhandel durch Ankauf von nichtgriechischen 

ernd in Gefahr war, geraubt, widerrechtlich ver- Nachbarvolkern her als im Sklavenfang durch See- 

schifft und in die S. verkauft zu werden (s. o. rauberei zu suchen, eine Folge der versohnlichen 

Bd. I S. 2134 Art. 'AvSQajtodiof/ig). Auch Haltung, zu der Athen in seinen Beziehungen zu 

in Korinth stand darauf der Tod, wie der Fall des 50 den revoltierenden Mitgliedern des Delischen Bun- 

Bruders des Agoratus bei Lysias XIII 67 zeigt, des gezwungen war, und der strengen Politik 

der die kleine Tochter eines korinthischen Biirgers gegen den Seeraub, die die eigenen Handelsinter- 

geraubt hatte. Unter den Herrschem Ende des 6. essen erforderten (gegen Skyros, Plut. Kimon 8; 

undAnfang des 5. Jhdts. waren dieVerhaltnisse ftir gegen thrakische Seerauber auf dem Chersones 

Versklavung durch Menschenraub an den griechi- Plut. Perikl. 19. Vgl. die Sicherheit der Seefahrt, 

schen Ktisten giinstig, wie der von Herodot. VI 16 rrjg ^aXdxzfjg oncog utXscooi uidvxsg dbewg, als pan- 

erzahlte Vorfall zeigt, wo Fliichtlinge aus Chios, hellenisches, von Perikles vorgebrachtes Problem 

von den Ephesern fur Piraten gehalten, angegrif- a. 0. 17). Folgende nichtgriechische Lander haben 

fen und getotet wurden. Vgl. das Gesetz von Sklaven gestellt: Phrygien, Lydien, Karien und 

Teos, das jeden mit Todesstrafe bedrohte, der 60 Paphlagonien (Eurip. Or. 15071; Ale. 675ff.; Ari- 

einen Seerauber beherbergte (Syll.s 37f. Z. 21f.). stoph. Av. 763; Equ. 44); Thrakien — die Thra- 

Hinweise auf S. fiir das Ende des 6. und den An- ker waren geneigt, ihre Kinder im Sklavenhandel 

fang des 5. Jhdts. sind auBerordentlich selten, zu verkaufen (Herodot. VI 6) — ; lUyrien, und ^- 

aber sie zeigen anscheinend, daB die westlichen wie die Verwendung von Skythen als Staatssklaven 

Satrapien des Perserreichs vor den griechischen in Athen beweist — Skythien. Im J. 414 v. Chr. 

Stadtstaaten den besten Sklavenmarkt boten (He- waren von 16 Sklaven des Kephisodorus, eines 

rodot. Ill 50. 97. 129. 134. 137 und VIII 105, wo reichen Metoken vom Piraus, 5 Thraker, 3 Karer, 
von einem Sklavenhandler Panionius aus Chios 2 Syrer, 2 lUyrer und je 1 Kolcher, Sky the. 



905 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) Sklaverei (5.-4. Jhdt.) 906 

Lyder und Malteser (Syll.3 96, 14ff.)- I^oa Pelo- tiber ihr Alter und Geschlecht noch tiber den Zeit- 

ponnesischen Krieg wurden die Kampfer oft nie- raum der Flucht liegen Angaben vor. Die Fest- 

dergemetzelt statt des sonst iiblichen Gefangenen- stellung hat daher nur den Wert, dafi nach dem 

austausches und der Auslosung der mannlichen Urteil einer zeitgenossischen und zuverlassigen 

Gefangenen (Thuk. I 29, 5. II 67, 4. Ill 50, 1. Quelle, die das Athen dieser Zeit kannte, mehir 

68, 2. IV 48, 4. V 32, 1 usw.). Die gefangenen als 20 000 Sklaven in Attika lebten und daB die 

Frauen wurden in solchen Fallen gewohnlieh als fltichtigen Handwerker unter ihnen etwas unter 

Sklayinnen auf den Markt gebracht. Die Auswir- 20 000 betrugen. Dieser Bericht wird bekraftigt 

kung dieser erbitterten Kriegfuhrung der Grie- durch eine Stelle der Hellenika von Oxyrhynchos 

chen untereinander muB ungeheuer gewesen sein, 10 (Pap. Oxy. V 842 col. XIII 28ff. = FGrH II Q6 

aber ihre Nachwirkung auf die Lage der Sklaven col. XII 4), nach der die Thebaner nach der Ein- 

ist nicht mehr wahrnehmbar. Antiphon berichtet nahme von Dekelea durch biUigen Ankauf von 

V 20, daB das Auslosen von Sklaven, die nach Sklaven und anderem Kriegsgut reich wurden. 

entfernten Orten gebracht waren, zu einem Ge- Die zu dieser Zeit im Besitz des Nikias in Athen 

schaft ftir Leute wurde, die die Sklaven nach bezeugten 1000 Sklaven, die von ihm an die Sil- 

Hause verschifften und an dem dort erhaltenen berbergwerksbesitzer vermietet waren, sowie die 

Losegeld verdienten. 600 Sklaven des Hipponikos und die 300 des Phi- 

Nach einem alten griechischen Gesetz muBte lomenides (Xen. vect. IV 14f.) sind kaum als zu- 

der ausgeloste Gefangene das Geld wie eine verlassige Angaben zu werten, da sie eine Gene- 

Schuldverpflichtung zurtickzahlen, um so inehr, 20 ration spater von jemand vom Horensagen berich- 

wenn ein Einzelner und nicht der Staat das Lose- tet werden {ndXai (asv yag . . . d^crj^oaf^sv), der von 

geld zur Verftigung gestellt hatte (Gesetze von den in den Bergwerken beschaftigten Sklaven 

Gortyn VI 46ff.; weniger umfangreich und spe- seiner eigenen Zeit nur zu sagen wufite, daB ihrer 

ziell fiir Athen durch Demosth. LIII 11 xov Xvaa- sehr viele waren (a. 0. IV 16; vgl. B el o ch Be- 

jLiEvov slvai rov Kvd'ivra, sdv fiev fjirj djtodidco m volkerung der griech.-romischen Welt 93). Im 

XvtQa bekannt). Wider spruch zu diesen hohen Ziffern steht die An- 

Seit David Hume 1752 in seinem Essay ,0f sicht Platos, daB 50 oder mehr schon den Sklaven- 

the Populousness of Ancient Nations* (s. Essays besitz eines reichen Mannes darstellen (Plat. pol. 

Moral, Political and Literary) gegen die iibertrie- IX 578 E). Die ungefahre Annahme, daB es in 

bene Zahl von 400 000 Sklaven in Athen Stellung 30 der Anfangszeit des Peloponnesischen Krieges in 

nahm, die sich auf die Zahlung des Demetrius Attika 60 — 80 000 Sklaven beiderlei Geschlechts 

von Phaleron wahrscheinlich aus dem J. 311 und aller Alter sstuf en gab, diirfte vielleicht richtig 

V. Chr. stiitzte (Athen. VI 272 C aus den Chro- sein; dabei libersteigt die Sklavenzahl Attikas 

nica eines gewissen Ktesikles oder Stesikleides), wahrscheinlich die jedes anderen griechischen 

blieben aUe Versuche, das Vertrauen zu diesen Stadtstaates der Zeit vor Alexander, Chios viel- 

Zahlen wiederherzustellen, vergeblich (die Zahlen- leicht ausgenommen, von dem Thuk. VII 40, 2 die 

angaben aus dem Altertum verteidigten Aug. zweifelhafte Behauptung aufstellt, es hatte mehr 

Boeckh^ I 47ff. und Btichsenschtitz Be- Sklaven als jeder andere Staat auBer Sparta (ver- 

sitz und Erwerb 137ff.). Ahnlich wurden die mutlich in Hinblick auf die Heloten dort). Chios 

460 000 Sklaven flir Korinth und die 470 000 fiir 40 konnte indessen nicht mehr als 100 000 Sklaven 

Aigina, die Aristoteles in der Politeia von Aigina ernahren (A. Andreades Griech. Staatswirt- 

angibt (Athen. VI 272 BD), ganz allgemein von schaft 308, 6). 

der modernen Kritik verworfen. Obgleich die Zah- Fiir die Sklavenzahlen der griechischen Welt 

lenangaben der modernen Gelehrten fiir die Biir- im 4. Jhdt. sind wir bei den ungeniigenden Ur- 

ger und Metoken von Athen mit ihren Familien kunden noch mehr allein auf verstandesmaBige 

eine gewisse annahernde Richtigkeit haben, so Schliisse angewiesen. Sprunghaftes Zunehmen des 

diirfen auch die hier erzielten Ergebnisse sich bei Sklavenhaltens in der griechischen Welt ist kaum 

dem Fehlen einer statistischen Grundlage nicht anzunehmen, obwohl eine Neigung zu vermehrtem 

mehr als wahrscheinlich nennen. Mit den Sklaven- Sklavengebrauch in den Handwerksbetrieben und 

zahlen steht es noch schlechter, da Angaben tiber 50 im Einzelhandel mit Wahrscheinlichkeit anzu- 

das Verhaltnis der Sklaven zu der freien Bevolke- nehmen ist. Bei den unsicheren Zeitverhaltnissen 

rung nicht iiberliefert sind. Einzelangaben tiber war Menschenraub haufig (Isokr. IV 115, vgl. 

auf den Markt gebrachte Sklaven sind mit Vor- XVII 36; Tod des heraklaischen Kauf mannes 

sicht aufzunehmen. Diod. XI 62 ist unsere ein- Lykon im Argolischen Golf durch Piraten, De- 

zige Quelle daftir, daB Kimon von Athen im Eury- mosth. LII 5, vgl. LVIII 53. 56; DankbeschluB 

medonfeldzug 20000 Gefangene machte. Angaben, an Kleomis aus Lesbos fiir die Auslosung von 

ob diese Gefangenen ausgelost oder als Sklaven Athenern aus Piratenhanden Syll.s 263 ca. 340 

verkauft wurden, liegen nicht vor. Wurden sie v. Chr.). Die Feststellung in einem Hypereides- 

verkauft, so entledigte man sich ihrer wohl so fragment mit verderbtem Text (ed. BlaB-Jensen 

schnell wie moglich wegen der Verpflegungs- und 60 frg. 29), in den Bergwerken Attikas und des 

Transportkosten. Ihr EinfluB auf Sklavenzahl und tibrigen Landes seien mehr als 150 000 Sklaven -^ 

-preis in Athen kann daher nicht berechnet wer- selbstverstandlichErwachsene — tatig, muB ftir die 

den (versucht von B. K e i 1 Anon. Argentinensis Erf orschung der Sklavenzahlen als nutzlos abge- 

84, 3). Eine wertvoUe Angabe tiber die Sklaven- tan werden (Beloch Bevolkerung 97; Gomme 

zahl im letzten Viertel des 5. Jhdts. macht Thuk. Population of Athens [Oxford 1933] 2 If.). Xeno- 

VII 27, 5 : nach der spartanischen Besetzung von phon legte in seinem bekannten Entwurf zur Ver- 

Dekelea fltichteten 20 000 Sklaven aus Attika, zum mehrung der attisehen Staatseinktinfte — uner- 

groBten Teil Handwerker {xsiQozixvai), Weder forschte Silbervorkommen in den Laurionminen 



907 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) Sklaverei (5.-4. Jhdt.) 908 

und unbegrenzten Absatzmarkt vorausgesetzt — auch fiir andere griechische Stadtstaaten fest 

folgenden Plan dar: 1200 Sklaven sind sofort vom (Eleusis: CIA 834b add. II 31; Milet: Haus- 

Staat anzukaufen. Ihre Zahl wird innerhalb von soullier iStudes sur Thistoire de Milet [1902] 

5 Oder 6 Jahren auf 6000 dadurch erhoht, daJB die 158. 162. 167. 172£f. 241ff.; Epidamnus: Aristot. 

Gewinne aus ihrer Vermietung an die Bergwerks- pol. II 4, 13. In Kreta hieBen die Staatssklaven 

besitzer zum Ankauf neuer Sklaven benutzt wer- fjivola: Sosikrates FHG IV 399). Athen kaufte 

den. Sein urspriinglicher Plan sah eine Gesamt- seine Staatssklaven gewohnlich auf dem Markt 

zahl von ca. 10 000 Sklaven in Staatsbesitz vor (Jacob 91). Ihre Pflichten war en sehr verschie- 

(Xen. vect. IV 23f.). Xenophon war sich daruber den: Dienst unter der Wegebaukommission {6bo- 
klar, dafi der tatsachlich fiir den Ankauf vorhan- \{^noioi, Aristot. Ath. pol. 54, 1); beim Tempelbau 

dene Sklavenbestand beschrankt war, wie aus (IG IP 1672 = Syll.^ 587); als Gehilfen verschie- 

seiner Feststellung IV 36 hervorgeht, jeder iiber- dener Amtspersonen (in dem Bauvertrag des Por- 

sturzte Ankauf in groBen Mengen wurde den ticus des Philon in Eleusis Syll.^ 971, 29 er- 

Staat in die Lage bringen, geringwertige Sklaven scheint ein Staatssklave als Vertreter des imard- 

zu teuer bezahlen zu mtissen. Sein hochster Wunsch rrjg oder des d^;^tT£;ijr(»v: rep dsl naQovti xwv sm- 

von drei Staatssklaven , auf jeden Athener* (IV 17 azatcov ^ rcoi brjfxooicoi rj iwi d^;ijtT€;<;ror«) ; im 

xQia ifidorcp 'A&rjvaimv) wurde, wenn damit, wie Polizeidienst als Heifer der Elf bei der Festnahme 

sicher beabsichtigt, nur Biirger gemeint sind, von Verbrechern (Xen. hell. II 3, 54f .) ; als Gef ang- 

eine Zahl von ungefahr 65 000 Sklaven in Staats- niswachter und Henker (Plat. Phaed. 63 D. 
besitz vorsehen, und zwar sollten private Kapital-20 116 BC, 6 xwv svbsHa vjirjQszrjg); als Diener der 

anlagen in Sklaven zum Zwecke der Vermietung Boule; als Gehilfen der MaB- und Gewiehtprufer; 

in weitem Umfange durch Staatsbesitz iibertroffen schlieBlich als Schreiber der Finanzbeamten 

werden (a. 0. IV 19 ri dv f}xxov fiio'&olro rig uiaQa (Jacob 87ff.). Die starkste Gruppe der in Athen 

rov brjiJLooiov rj nnQa rov Idtcbrov). Keiner dieser beschaftigten Staatssklaven waren die ,Skythen', 

Plane Xenophons setzt die uberwaltigenden Skla- die zuerst Anfang des 5. Jhdts. als feste Wach- 

venzahlenin Attikavoraus, diedieantikenSchrift- truppe fiir den Stadtbezirk erscheinen und ver- 

steller ftir seine Zeit nennen. Ed. Meyer hat mutlich ungefahr bis in das friihe 4. Jhdt. hinein 

seit langem die Ansicht vertreten (Sklaverei 39), bestehen blieben (W a s z y n s k i 26). Spate Ge- 

daB in den moisten Teilen Griechenlands die land- wahrsleute geben ihre Zahl auf 1000 an (Suid. s. v. 
wirtschaftliche Erzeugung der freien Arbeit iiber- 30 ro^orar q^vXaxeg rov aorsog ror d^id'^jiov xihoi, 

lassen blieb, ausgenommen da, wo eine leibeigene Vgl. Schol. in Aristoph. Ach. 54); aber diese Zahl 

Bevolkerung sie versah. Fiir Attika wird diese wird allgemein als zu hoch angesehen und muB 

Ansicht durch die Freilassungslisten aus den auf ungefahr 300 beschrankt werden (Jacob 

J. 340 — 320 unter stutzt, die nur 12 friihere Skla- 64ff.). Die Truppe wurde sicherlich nicht wegen 

ven aus der Landwirtschaft von insgesamt 115 mangelnder Wirksamkeit auf gelost, sondern wegen 

und nicht eine einzige so beschaftigte Sklavin an- der hohenKosten, die ihre Beseitigung in den finan- 

fuhren (IG IP 1553 — 1578, Gomme 42). Gegen ziell beengten Zeiten nach dem peloponnesischen 

vorherrschende S. auf dem Peloponnes spricht die Krieg erforderten (A. Andreades Gesch. d. griech. 

Bemerkung des Perikles, die Peloponnesier taten Staatswirtsch. [Miinchen 1931] 228). Die brifAo- 
im Gegensatz zu den Athenern ihre Arbeit selbst 40 oioi entsprachen untergeordneten Beamten und 

(Thuk. I 141 avrovQyol re ydQ eloi), Sklavenrevol- unterscheiden sich dadurch strong von den Skla- 

ten entsprechend den Helotenaufstanden kamen ven in Privatbesitz, daB sie einen taglichen Lohn 

in den ostlichen Mittelmeerbezirken bis spat in (xQocpTJ) von 3 Obolen erhielten, den sie fiir sich 

das 2. Jhdt. v. Chr. nicht vor; man auBert beztig- verwenden konnten (IG IP 1672, 4f. brifjiooloig 

lich der Sklaven nur die einzige Furcht, sie konn- rgotpriv . . . rfjg rj(A,eQag rwi dvbQr 111), und daB 

ten freigelassen werden und in dem Klassenkampf sie grofie Bewegungsfreiheit batten. Fraglos hatte 

der streitenden Parteien in der Blirgerschaf t mit- der Staat als Eigentumer das Hauptrecht, ftir ihre 

wirken (Demosth. XVII 15, Zitat aus dem Vertrag Freilassung zu sorgen (Fall des Pittalakos, Aischin. 

von 356). Mitte des 4. Jhdts. wird der Verkauf I 62; vgl. Jacob 177. IG IP 1566, 33f. scheint 
von Bewohnern im Krieg6 genommener Stadte 50 ein Staatssklave einen ihm gehorenden Sklaven 

merklich haufiger (Verkauf der Frauen und Kin- freigelassen zu haben). Fiir den einmal Freigelas- 

der von Orchomenos 363: Diod. XV 79, 6; Ver- seneii bestand kein gesetzliches Hindemis — gab 

kauf der Einwohner von Sestos 353 ebd. XVI der Staat es zu — VoUbiirgerrechte zu erlangen. 

34, 3; die Bevolkerung von Olynth wurde von Bildeten die brjfjLooioi auch einen verhaltnismaBig 

Philipp II. von Makedonien verkauft, ebd. XVI kleinen Toil der Sklavenklasse, so ist ihre Be- 

53, 3). trachtung als Beispiel fiir die groBen Unterschiede 

Je nach den verschiedenen Besitzverhaltnissen in den Vorrechten und der Behandlung der Skla- 

unterschieden sich die Sklaven als Staatssklaven ven wesentlich, die zu den festen Abstufungen des 

(brj/Liooioi oinezai, brjfioocot vjirjQerai, brjfj,6oioi Sklavenstandes ftihrten, welche den griechischen 
sQydrai oder einfach brjiAoaioi), Tempelsklaven (s. 60 und hellenistischen Arten der S. anhafteten und 

den Art. Hieroduloi o. Bd. VIII S. 1459ff .) keinen scharf en Unterschied zwischen Freien und 

und Privatsklaven. Wenn auch die Verwendung Sklaven lieBen. 

von Staatssklaven in der Verwaltung des athe- Die Leitung der Gotterverehrung wurde bei 

nischen Staates w;ohl ganz besonders hoch ent- Griechen und Romern immer als Staatsaufgabe 

wickelt war und gerade dort gut bekannt ist betrachtet, und Tempelsklaverei erscheint schon in 

(Waszynski De servis Atheniensium publicis der friihgriechischen theologischen tJberlieferung; 

[Berl. 1898]; 0. Jacob Esclaves publiques h> die Urspriinge der griechischen Tempelsklaverei 

Athenes [1928]), so steht Staatsbesitz von Sklaven brauchen also nicht orientalischen Einfliissen zu- 



909 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) Sklaverei (5.-4. Jhdt) 910 

geschrieben zu werden (so H i 1 d Daremb.-Sagl. einigen Gemeinden wurden die Bergwerksarbeiter 
III 171), die dann auf ein Volk eingewirkt batten, in weitem Umfang dem Sklavenstande entnommen. 
das dieser Einrichtung rassisch abgeneigt war. Im Ganz allgemein gesprochen waren indes nur wenig 
6. Jhdt. V. Chr. tritt Demetrius, ein Sklave der Wirtschaftszweige der Sklavenklasse verschlossen 
Artemis, als einer der Erbauer des Artemistempels und wenige praktisch — im Gegensatz zu der 
in Ephesus auf (ipsius Dianae servus, Vitruv. politisch-wirtschaftlichen Theorie — als erniedri- 
VII 16 Krohn). 481 v. Chr. besehliefien die Hel- gend und nur fiir Sklaven passend bezeichnet. 
lenen in der Versammlung auf dem Isthmus, die Diese Eigentumlichkeit liegt vermutlich einmal 
Griechen, die des fA,rjdiOfj,6g schuldig geworden daran, daB jeder ohne Ansehung des sozialen 
seien, sollten dem Apollo geweiht werden (Herodot. 10 Standes plotzlich Sklave werden konnte, sodann 
VII 132: t. t. de?{arsveiv, was besagt, daB ein daran, dafi im Altertum ein Rassegefiihl grund- 
Zehntel der bewegliehen Habe und ein Zehntel der satzlich f ehlte, welches in der amerikanischen 
Menschen als Sklaven Eigentum des Gottes wur- Neger-S. des 18. und 19. Jhdts. ein Hauptmerk- 
den, bis die religiose Befleckung gesiihnt war. Vgl. mal wurde. Schon im 6. Jhdt. v. Ghr. wird De- 
das heilige Gesetz von Kyrene, Riv. di Philol. LV metrius, ein Tempelsklave der Artemis, zusammen 
[1927, N. F. V] 196; v. Wilamowitz S.-Ber. mit Paeonios aus Ephesus als Erbauer des Arte- 
Akad. BerL, Phil.-hist. XL 1927, 163). Weitere mistempels genannt (D. G. Hogarth Excava- 
Beispiele einer Weihung, bei der die Gegner teils tions at Ephesus [London 1908], The archaic 
Eigentum der Gotter, teils frei sein sollten, sind Artemisia 4ff.). 

kenntlichindenWtinschender Athener 371 v.Chr., 20 tJber die tatsachlichen Vorgange im Sklaven- 

die Thebaner mochten auf diese Weise bestraft handel in der Zeit vor Alexander ist wenig iiber- 

werden (Polyb. IX 39, 5) und in der Zueignung liefert, und Sklaven als Schiffsfracht erscheinen 

der versklavten Kirrhaeer an Apollo, Artemis und selten. Es liegt kein voUgiiltiger Beweis dafiir 

Athene Pronoia vor der Schlacht bei Chaeronea vor, daB irgendeine griechische Stadt in dieser 

{Aischin. Ill 108). Fur Euripides gehorten die Zeit eine Sender stellung als Mittelpunkt des Skla- 

Tempelsklaven als Gehilfen bei der Tempelreini- venhandels hatte, zu dem man Sklaven zu Ver- 

gung zum griechischen Leben (Eurip. Phoen. kauf und Ausfuhr nach anderen Stellen Griechen- 

202fi.; Ion. 101 ff. 309f.). Obgleich sakrale Pro- lands brachte. Die einmal von einem Athener auf 

stitution beim Tempel der Aphrodite in Korinth einem im Hafen von Athen liegenden Schiff vor- 
schon Anfang des 5. Jhdts. bekannt ist (Pind. 30 genommene Pfandung (Demosth. XXXIII 8ff.) 

frg. 122 Schr.), hort man sonst in der fraglichen deutet darauf hin, daB die Kaufleute Sklaven in 

Zeit doch wenig davon. Sie mag sehr gut auf die kleinen Mengen nach dieser Stadt brachten. Die 

korinthische Aphrodite beschrankt gewesen sein. Sklaven wurden in diesem Fall nur vorsorglich 

In Hinblick auf das Versprechen eines Korinthers beschlagnahmt, falls die Versteigerung des Schif- 

Xenophon, der Aphrodite 50 Madchen zu weihen fes nicht die geliehenen 40 Minen brachte (a. 0. 

(Kroll Z. f. Sexualwiss. XVII 159), mag die XXXIII 10 xaxriyyvrjoa tovg jiaidag tv* el tig ev- 

Zahl von 1000 Tempeldirnen der korinthischen beta ylyvoiroy to. eXleinovxa ex tcbv naibcov eirj). 

Aphrodite nach Strabon {VII 378. XII 559) nicht Der Schiffseigentumer Apaturios versuchte, seine 

iibertrieben sein und kann in der besonderen Lage Sklaven heimlich aus Athen herauszuschaffen und 
Korinths als einer von Reisenden und Seeleuten 40 nach Sizilien zu fahren, wurde aber daran gehin- 

dauernd besuchten Haf enstadt ihren Grund haben. dert. Aus diesem Einzelfall entstand diemoderne 

Die hohe Zahl ist als Entwicklung einer lange Anschauung, Athen sei ein Sklavenmarkt und 

vorhandenen lokalen Eigentumlichkeit zu betrach- fiihre sie dann wieder nach Sizilien aus (B ii c h - 

ten, die ihre dxfA,rj in der hellenistischen Zeit vor senschtitz 122, danach auch Beauchet 

146 V. Chr. erlangte. Die Ausdehnung dieser Ein- Droit prive II 420), wogegen eine Bemerkung bei 

richtung in Korinth wurde von Hep ding Aristophanes (Plut. 521) zeigen wtirde, daB Skla- 

f alschlich orientalischem EinfluB zugeschrieben venhandel meist von Thessaliern betrieben wurde. 

(Art. Hieroduloi Bd. VIII S. 1465), denn die Die Zufalligkeit des Handels geht klar aus dem 

Stellung der Griechen zur Prostitution war durch- Bericht Herodots VII 156 hervor, Gelon von Syra- 
aus zustimmend und unkritisch (Kroll 159f.). 50kus habe nach der Einnahme des hyblaischen 

In der Zeit vor Alexander ist die Tempelsklaverei Megara die armeren Gefangenen in die S., und 

in den griechischen Gemeinden im Agaischen Meer zwar zur Ausfuhr aus Sizilien verkauft. Die 

undimWestenweder zahlenmaBignochwirtschaft- Griinde fiir diesen Ausfuhrvorbehalt waren wohl 

lich und sozial mit dem EinfluB zu vergleichen, politischer Art. Fiir Gortyn auf Kreta (Gesetze 

den sie in den Tempelorganisationen Kleinasiens von Gortyn VII lOf., Rh. Mus. XL Erg.-Bd.) und 

der hellenistischen und romischen Zeit erlangte. fiir Thurii in Italien (Theophr. bei Stob. Flor, 

Die delischen Tempelberichte des J. 279 v. Chr. XLIV 22) ist sicher bewiesen, daB Sklavenver- 

(IG XI 2, 161, 83) erwahnen beispielsweise nur kaufe nur auf dem Marktplatz erfolgen konnten. 

zwei Sklaven im Tempeldienst, die auf drei und Diese Praxis wird fiir alle griechischen Stadt- 
201 V. Chr. und den folgenden Jahren auf vier 60 staaten dieser Zeit zu verallgemeinern sein wegen 

anwachsen (Homolle BulL helL XIV 4801). der gesetzlichen Vorschrift, daB der beabsichtigte 

Man kann annehmen, daB S. im Dienste eines Besitzwechsel von Sklaven an einem zentral ge- 

Gottes eine milde Art S. und im Hinblick auf die legenen Ort, vorzugsweise der Agora, ofEentlich 

Lebensbedingungen privater S. im allgemeinen bekannt gemacht werden muBte. Auf diese Weise 

vorzuziehen war. kam der Staat sicherer zur Erhebung der Sklaven- 

Hausliche Beschaftigung war ein besonderes verkaufssteuer, und auch der Kaufer hatte star- 

Betatigungsf eld, in dem Sklaven ganz allgemein kere Sicherheit, wenn der Verkauf auf dem Markt 

leichter verwendet wurden als freie Diener; in als einem Mittelpunkt des stadtischen Geschafts- 



911 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) Sklaverei (5.-4. Jhdt.) 912 

lebens offentlich voUzogen wurde (J. P a r t s c h Landsklaven, die Sosikrates Aphamiotes nennt 
Publizitat der Grundstiicksvertrage, in: Festschr. (FHG IV 399), tiberlassen. Sie erscheinen in den 
f. Otto Lenel [Lpz. 1923] 86f. E, Schonbauer Gesetzen von Gortyn als die olTcelg, eine Klasse 
Beitr. z. Gesch. d. Liegenschaftsrechts im Alter- von Sklaven in Privatbesitz, die genau von den 
turn [1924] 126f.). Das Ausrufen des beabsich- stadtischen Haussklaven getrennt war und die ge- 
tigten Sklavenverkaufs durch den offentlichen He- wisse Nebenerbreehte auf das von ihnen bebaute 
rold war eine primitive Form der Bekanntmachimg, Land innehatte (Gesetze von Gortyn V 25ff.). In 
um den Einspruch Dritter zu ermoglichen, deren Attika, Korinth und Megara tiberwog die Beschaf^ 
Rechte vielleicht verletzt wurden. Gebrauch des tigung der Sklaven in der Industrie bei weitem 
Herolds zur Bekanntgabe beabsichtigter Freilas- 10 die in der Landwirtschaft (ftir die Zeit des deke- 
sung ist bestimmt bekannt fiir Mantinea, Athen leischen Krieges von Thuk. VII 27 gefolgert; fiir 
und Kalymna (E. Weiss Gr. Privatrecht [Lpz. die J. 340—320 v. Chr. vgl. Gomme 42). In 
1923] 289). Es ist anzunehmen, da6 ein beson- diesen Stadtstaaten tritt die fortschreitende Ge- 
derer Platz auf dem Markt ftir Sklavenverkaufe wohnheit, sein Geld in Sklaven anzulegen, die al& 
bestimmt war (Hesych. nvK^oq^ Diod. Sic. XV 7 Produzenten unter dem Mietsystem ihren Eigen- 
nQatriQLov; Poll. Ill 78 nQaxfiQog lid'og). Die Ver- tiimern Geld verdienten, und die groBe Mannig- 
mutung, da6 offentliche Sklavenverkaufe in Athen faltigkeit dieser Arbeit klar zutage. Die 1000 Skla- 
auf den Ersten jeden Monats beschrankt waren ven des athenischen Feldherrn Nikias, die 600 des 
(Biichsenschtitz 123, nach Aristoph. Equ. 43 Hipponikos und die 300 des Philomenides (Xen. 
und Schol. dazu), ist nur schwach gestiitzt und 20 vect. IV 14f.) beweisen, wenn diese Zahlen auch 
in sich selbst unwahrscheinlich. Das athenische gegeniiber den tatsachliclien stark ubertriebensind, 
Gesetz forderte, daB im Verkaufsfall jede verbor- doch die Verbreitung dieses Systems. In den Klas- 
gene Krankheit eines Sklaven, wie z. B. Epilepsie, sikern erscheinen Sklaven beiTransporten alsMaul- 
vom Verkaufer vorher kundgemacht werden tiertreiber (bovXoi oQecoHOfAoi Aristoph. Equ. 49L 
miisse; der Kaufer konnte ihn gerichtlich belangen, Plat. Lysis 208 B) und als Kupfererztrager (De- 
falls sich eine solche Krankheit spater heraus- mosth. XLIX 51 f.); als wiederverkaufende Salben- 
stellte (Hypereid. V 15). handler (Hypereid. V 5f.: der Sklave Midas leitet 
Bei Besitzaufzahlungen in den Gerichtsreden einen Salbenladen fiir seinen Besitzer); im Hand- 
des 4. Jhdts. erscheinen die Sklaven oft im Ver- werk als Schwertschmiede und Bettenmacher (De- 
mogensverzeichnis der Prozessierenden zusammen 30 mosth. XXVII 9 [A,axaiQonoiol und Tchvonoioi); als 
mit Geld, Sachwerten und Landereien, Geschaften Schildmacher (a. 0. XXVI 11); als Walker (Lys. 
und anderen Kapitalien. Es ist wichtig, daB in XXIII 2) und als Holzkohlenbreimer (Aristoph. 
mehreren dieser Eigentumsaufstellungen in be- Ach. 273). Unzweifelhaft benutzten Kaufleute, die 
scheidenen Verhaltnissen lebender athenischer mit eigenen Schiffen nach fernen Hafen fuhren, 
Biirger iiberhaupt keine Sklaven auf treten. Nach Sklaven als Ruderer (v. Wilamowitz Staat u. 
Isaios II 29, 35 besafi ein gewisser Menekles Giiter Gesellschaft d. Griechen^ [1923] 69f.), wenn auch 
im Werte von 70 Minen, aber keine Sklaven. Das Anzeichen von dieser Sklavenarbeit weder in der 
Privatvermogen eines gewissen Stratokles bei Literatur noch in den Freilassungsinschriften be- 
seinem Tode (Isaios XI 42) belief sich auf 5 Ta- gegnen. 

lente 3000 Drachmen. Ohne Sklaven betrug der 40 Die Baurechnungen des Erechtheions in Athen 

Nachlafi 4 Talente 4800 Drachmen. Diese Diffe- von 409/08 v. Chr. fuhren 16 Sklaven als gelemte 

renz konnte auch nicht nur aus dem Werte von Arbeiter gegeniiber 35 Metoken und 20 Biirgern 

Sklaven allein bestehen. Das Vermogen des Kla- an, die fiir ahnliche Arbeitsleistungen die gleiche 

gersimgleichenProzeB von3Talenten4000Drach- Bezahlung wie die Freien erhielten. Simias, ein 

men enthielt keine Sklaven (Isaios XI 44). Der athenischer Biirger und Steinmetz seines Zeichens, 

bei Lysias XXIV 6 erwahnte Kruppel hatte keinen erscheint mit 5 ihm gehorenden Sklaven; alle 6 

Sklaven, der ihm bei der Ausiibung seines Gewer- erhalten einzeln gleichen Lohn, und jeder wird 

bes helfen konnte (vgl. Aristoph. Eccl. 593). So- besonders gefiihrt, so daB der Sklavenbesitzer 

weit bekannt ist, schrankten die Gesetze der grie- nicht als Unternehmer oder Aufseher uber die 
chischen Stadtstaaten die Verwendungsart von 50 Arbeit seiner Sklaven anzusehen ist (IG P 374, 

Sklaven Oder Sklavinnen durch ihre Besitzer nicht coL ii 5fE.; vgl. 202 — ^207). Der Biirger Phala- 

ein. Dementsprechend findet man Sklaven in alien kros arbeitet in gleicher Weise mit 3 Sklaven (a. 0. 

Wirtschaftszweigen dieser Zeit beschaftigt. Je 230), der Biirger Laossos mit 2 Sklaven (a. 0. 226). 

nach ihrer Beschaftigungsweise schied man die Axiopeithes, ein Metoke, der einen Teil der Arbeit 

Sklaven in bovXoi oder olxhai, die unmittelbar fiir vertraglich ausfiihren sollte (IG P 373, 98), kam 

ihren Eigentumer arbeiteten, und in dvdQajioda dem Vertrage durch 2 seiner Sklaven nach (Ker- 

fxiG'd'0(poQovvta (Isaios VIII 35) oder 5o£i^of ^mi^o- don IG P 374, 74 und Sokles 204); dagegen 

(poQovvreg, die gleichbedeutend mit den x^Q''^ arbeitete der Metoke Ameiniades zusammen mit 

olTiovvxsg sind, welche nicht im Hause des Be- seinem Sklaven (a. 0. 197. 200). In der beschadig- 
sitzers lebten und alle Berufe ausiibten; dabei 60 ten Eechnungslegung fur den Tempelbau von 

gaben sie ihren Besitzern den ganzen Verdienst Eleusis und fiir die Ausbesserung des Eleusiniums 

oder einen gewissen Prozentsatz davon ab. Der in Athen wurde die Arbeit an IJnternehmer ver- 

Verwendungsgrad von Sklaven in diesem oder dingt, die ihrerseits Arbeitstrupps einstellten, so 

jenem Wirtschaftszweig war je nach den einzelnen daB freie und Sklavenarbeiter nicht zu unter schei- 

Orten der griechischen Welt ganz verschieden. den sind (ebenso bei den 17 Tagelohnern, {jLiGd-o- 

Auf Eorkyra arbeitete der groBte Teil der Sklaven- xol, IG IP 1672, 33). Das meiste Material ein- 

bevolkerung in der Landwirtschaft (Thuk. Ill 73). schlieBlich Pech, Holzbalken, Olivenholz fiir Keile 

Alif Kreta blieb die Landarbeit einer Art von u. dgl. wurde von Sklaven gekauft, die Buden im 



Land- 


Indu- 
strie 


Trans- 




Ver. 


wirt- 
schaft 


port- 
gewerbe 


Handel 


schie- 
denes 


Manner 12 


26 


10 


21 


10 


Frauen — 


48 


— 


7 


1 



913 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) Sklaverei (5.-4. Jhdt.) 914 

Bezirk des Theseions hatten {o?ifjvimi; a. 0. 9f. stoph. Ach. 1097. Andok. I llff.); als Kammer- 
63. 64; der Nagelhandler Philon, dessen Bude im diener (,didxovog' IG IP 1554, 57); als Trager 
Theseion stand, a. 0. Z. 30, vgl. Z. 174, war Me- und Boten, die gelegentliche kleine Dienstleistun- 
toke). Einen glaubwtirdigen Bericht liber die gen im Geschaft ihrer Herren ausfiihrten (De- 
Sklavenverwendung vermittelt eine Anzahl von Do- mosth. XXXVII 22. 24); die Frauen dienten als 
kumenten aus Athen aus den J. 340 — 320 v. Chr., Ammen (IG IP 1559, 59f.; die Amme des Alki- 
die jahrlich die vor dem Polemarchen unter einem blades, eine Spartanerin, war wahrscheinlich frei, 
bestimmten Eitus freigelassenen Sklaven verzeich- Pint. Alk. 1). Sklaven war en auch in den verant- 
nen (IG IP 1553ff.). Biese nennen 79 Manner und wortungsreicheren und hohere Anspriiche fordern- 
56 Frauen, deren Beschaftigung angegeben wird 10 den Stellen im Geschaftsleben als Buchhalter 
und die sich wie f olgt verteilen (s. Go mm e 42): (yQa[A,[A,axevg IG IP 1556, 14; vnoyQa(A[A,axev9 

1561, 31) und als Bankangestellte (Phormio, der 

sich aus der S. als Angestellter in der Bank des 

Pasion emporarbeitete, Demosth. XLV 82; Kittos, 

ein Sklave, der ebenfalls in der Bank des Pasion 

angestellt war, Isokr. XVII 7), schlieBlich als 

Irzte und Erzieher (Plat. Gorg. 452 ^ tatig. Fiir 

Die Zahl dej in der Landwirtschaft Beschaftigten, die verschiedenenT£;j;raf derkostspieligerenVergnu- 

die 2 Spezialarbeiter (Weingartner) enthalt, ist gungen gab es Sklavenmadchen, die bei besonde- 

tiberraschend klein. Die Fabrikarbeitergruppe 20 ren Gelegenheiten zur Unterhaltung angenommen 

enthalt: wurden (Flotenspielerinnen, Aristoph. Vesp. 1368; 

Metallgewerbe: 1 Bronzearbeiter, 3 Gold- Zitherspielerinnen, IG IP 1557, 63; Tanzerinnen, 

schmiede, 1 Eisenschmied, Aristoph. Thes. 1177. Vermutlich, jedoch nicht 

Ledergewerbe: 2 Lohgerber, 9 Lederzu- sicher, gehorten auch die Flotenspielerinnen in 

Schneider, 2 Sandalenmacher, 1 Schuhflicker, Platens Symp. 176 E und 212 D zu dieser Klasse); 

Topfergewerbe: 1 Amphorenformer, 1 Eimer- auch als Prostituierte dienten sie und tibten ihr 

macher, altes Gewerbe fiir die Tasche ihrer Besitzer aus. 

Mobelindustrie: 1 Bettenmacher. Demosth. LIX 18 erzahlt von der Freigelassenen 

Zu diesen kann man noch 1 Leimsieder und Nikarete, die 7 junge Madchen fiir diesen Beruf 

1 Graveur hinzurechnen. Von den in der Industrie 30 aufzog und abrichtete, die dann fiir ihren Unter- 
arbeitenden Frauen sind einige 40 WoUspinne- halt sorgten, rexvrjv tavtrjv Hatao^cevaof^svrj nal 
rinnen {xaXaoiovQyoi). Das Handels- und Ver- and rovtcov xov §iov ovv€deyf4,svrj, Viele Magde, 
kauf sgewerbe zeigt 6 Manner und 3 Frauen, die als die auf den attischen Grabstelen im Gefolge der 
Kleinhandler eingetragen sind (xaTirjXog, }can7]Xig) Frauen der athenischen Biirger und Metoken er- 
ohne nahere Angabe, was sie verkauften. Fol- scheinen, waren wohl unfrei, aber sie sind in 
gende Spezialhandler erscheinen unter den Man- keiner Weise besonders als solche gekennzeichnet, 
nern: Brot-, Pokelfleisch-, Weihrauch-, Sesam-, noch haben sie die Bildhauer in Kleidung oder 
Fisch-, WoU- und 2 oder 3 Seilhandler, schlieB- Gesichtsziigen von ihren Herrinnen unterschieden. 
lich 3 fidyeiQoi, die anscheinend Gekochtes Moderne Versuche, Sklaven von Freien auf den 
(Fleisch oder Kuchen) verkauften; von den Frauen 40 Vasenbildern, die Handwerksladen darstellen, 
waren 2 Sesam-, 1 Gemiise- und 1 Honighand- durch Gesichtsziige oder starke Behaarung zu 
lerin. Unter den Mannern befinden sich 3 GroB- unterscheiden, uberzeugen nicht. In seiner Recht- 
handler i^ixnoQoi), unter den Frauen noch 1 Zi- fertigungsrede tiber die Verwendung der Gelder 
therspielerin, 1 Kinderfrau und 1 Niiherin (diese des Delischen Bundes zu Sffentlichen Bauten in 
erscheinen in den Gomme'schen Aufstellungen Athen zahlte Perikles die verschiedenen Arbeiter 
unter ,Verschiedenes* bzw. ,Industrie*). Auf ,Ver- auf (Techniker, Transportarbeiter usw.), die aus 
schiedenes* entfallen bei den Mannern 2 Schrei- den geforderten Aufwendungen Nutzen Ziehen 
ber, 1 Geldverleiher und 1 Barbier. Die Von den wiirden (Plut. Perikl. XII 6). Mit jedem Gewerbe, 
Sklaven im Haushalt verrichteten Arbeiten waren f iihrt er aus, ist sein Teil niedriger Arbeit ver- 
niannigfacher Art; die Anzahl der beschaftigten 50 bunden (i?cdoxr] 8s xixvr] ... xov ^rjxixdv bxXov 
Sklaven war je nach Reichtum und Prachtliebe xal Idicoxrjv), und die Aufwendungen fiir offent- 
des einzelnen verschieden (Xen. Kyr. I 1, 1). liche Arbeiten bringen jeder Alter sklasse und Art 
Aischines (epist. 12, 11) besafi 7 Sklaven fur per- Wohlstand. Eine wirtschaftliche oder soziale 
sonliche Dienste fiir 6 Familienmitglieder und Klassenordnung der Arbeiter wird nicht erwahnt, 

2 Freunde; aber aus den Eigentumsverzeichnis- obgleich Sklaven und Freie am Parthenon wie am 
sen bei den attischen Rednern geht auch hervor, Erechtheion zusammenarbeiteten. 

da6 einige reiche Familien tiberhaupt keine Haus- Auch fiir Athen als eine der ganz wenigen 
sklaven hatten (Isaios II 29. 35. XI 42. 44). Die Stadte, in denen die S. im Handwork besonders 
Hausarbeit wurde dann wohl in solchen Fallen hoch entwickelt war, ist es zweifelhaft, ob Skla- 
ven bezahlten Dienern verrichtet. Plato legte in 60 venarbeit gegeniiber der der Freien vorherrschte, 
seinem Gesetzesstaat (Bissinger Klio XIV mit Ausnahme der Bergwerke und vielleicht der 
[1914] 83) die tatsachlichen Verhaltnisse des da- Hausarbeit und des Kleinhandels. In vorwiegend 
maligen Athens zugrunde, wo die armere Bevol- landwirtschaftlichen Staatswesen verrichtete die 
kerung ihre Arbeit ohne Sklaven tun muBte. In Leibeigenschaft in ihren verschiedenen Formen 
den athenischen Haushalten dienten Sklaven als in weitem Umfang die erforderlichen Arbeiten im 
Turhiiter (Aristoph. Ach. 395; Ran. 35); als Kin- Staat. In solchen Staaten trat die Geringschatzung 
derwarter (uiaibaycoyol Plat. Lysis 208; Gorg. der Handwerksarbeit (von Freien wie von Skla- 
452 C); als personliche Diener Erwachsener (Ari- ven) starker hervor als in solchen, die wirtschaft- 



915 Sklaverei (5.-4. Jlidt.) Sklaverei (5.-4 Jhdt.) 916 

lich mehr auf das Handwerk eingestellt waren XXVII 18); ein oiHszrjg bewertet mit 200 dr. 

und dazu einen angemessenen Teil Sklavenarbeit (XLI 8); eine ausgesprochen niedrige Bewertung 

benutzten (Herodot. II 167, Gegentiberstellung von 2 Sklaven mit je 125 dr. (LIII 1); schlieB- 

von Sparta und Korinth). Die Feststellung des lich wurden 300 dr. fiir eine Sklavin bezahlt, die 

Athenaios, die Chier hatten die Gewohnheit ein- Prostituierte war (Hypereid. V 2). Wenn die Er- 

gefiihrt, gekaufte Sklaven arbeiten zu lassen, wo- zahlung auf Wahrheit beruht, daB Nikias von 

gegen die Mehrzahl der Griechen in ihren Ge- Athen fiir einen Bergwerksaufseher ein Talent 

schaftsangelegenheiten auf sich selbst gestellt sei bezahlte (Xenoph. mem. II 5, 2), handelt es sich 

(Athen. VI 91 tcov nolKbv avxovQycov ovrcov nam um einen auBergewohnlichen Sonderfall. Die fiir 
rag diaxovlag), ist fiir die ganze griechische Welt 10 die 100 Jahre zwischen dem Peloponnesischen 

zu verallgemeinern. Krieg und Alexander ziemlich feste Preisskala 

Aus dieser Zeit sind nur sehr wenige Sklaven- von ungefahr 120 — 300 dr. fiir erwachsene Skla- 

preise tatsachlich bekannt. Zur Zeit der Perser- ven mag durchaus nur an den in beschranktem 

einfalle galten allgemein 2 Minen als Losegeld Umfange verfiigbaren Angaben liegen, die die tat- 

fiir jeden Kriegsgefangenen auf dem Peloponnes sachlich vorhandenen Preisschwankungen nicht 

(Herodot. VI 79. V 77). Dies entspricht ungefahr mitanzeigen konnen. 

einem hohen Marktpreis fiir einen voU leistungs- Aus einer nicht angegebenen Quelle wuBte 
fahigen und korperlich auserlesenen Sklaven; der Xenophon, daB die Arbeiter, die gegen Ende des 
Durchschnittspreis fiir Sklaven war wohl niedri- 5. Jhdts. von Nikias an den thrakischen Berg- 
ger. Nach einer Inschrift iiber den Verkauf der 20 werksunternehmer Sosias vermietet waren, wie 
beschlagnahmten Sklaven der Hermokopiden (IG auch die von Hipponikos und Philomenides, ihren 
P 249) 414 V. Chr. wurden in der ofientlichen Besitzern einen Reingewinn von einem Obolos pro 
Versteigerung fiir die Sklaven des Metoken Ke- Tag einbrachten (S^oXdv areXfj Xen. vect. IV 23). 
phisodoros folgende Preise erzielt: fiir Sklaven Auch die Rechnung des Demosthenes tiber das 
aus dem Osten und Siiden — ein Karer 150 dr., feste jahrliche Einkommen aus den ^Xirojioiol 
ein karischer Junge 174 dr., ein karisches Kind seines Vaters griindet sich auf einen Nettogewinn 
72 dr., eine Lydierin 170 dr., ein Melitenier aus von einem Obolos pro Tag. In keinem Fall wird 
Kappadokien (Geschlecht nicht angegeben) 106 dr., die Moglichkeit einer Amortisation berichtet 
2 Syrer 240 und 301 dr.; fiir Sklaven nordlicher (Oertel Rh. Mus. LXXIX 233). 
Herkunft — 2 Thraker 165 und 175 dr., 3 Thra- 30 Da Sklaven nicht militardienstpflichtig waren, 
kerinnen 135, 165 und 200 dr., 2 Illyrer 121 und ist ein bestimmter EinfluB der Sklavenarbeit auf 
161 dr., ein Skythe 144 dr. und ein Kolcher die Arbeit, die bisher den Freien vorbehalten war, 
153 dr. Diese Preisstufen tragen zur Erklarung nicht zu leugnen, wobei wahrscheinlich diese 
der von Xenophon mem. II 5, 2 berichteten Preis- Konkurrenz eine allgemeine Lohnsenkung be- 
unterschiede fiir seine Zeit bei, die zwischen 1/2 wirkte (Oertel-Pohlmann Gesch. d. so- 
und 10 Minen schwankten. Der niedrigste Preis zialen Frage^ [1925] 548. Franco tte 0. Bd. IX 
von 50 dr. war wahrscheinlich der fiir ein Kind S. 1429), Da geniigend Sklavenarbeiter vorhan- 
(s. 0. 72 dr.); hierbei beeinfluBte das Risiko und den waren, wurde beispielsweise die Wiederbe- 
die Ausgaben fiir die Erziehung bis zu dem Alter, schaftigung freier Arbeiter, die inf olge ihrer Mi- 
in dem der Verdienst begann, den Preis. Der in 40 litardienstpjflicht ihrem Gewerbe entrissen waren, 
den Freilassungslisten angegebene Durchschnitts- in ihrer biirgerlichen Tatigkeit auBerordentlich 
preis fiir Sklaven und Sklavinnen war ungefahr erschwert. Man kann nicht feststellen, wieweit 
gleich, namlich 180 dr. bei 4 Frauen und 178 dr. die S. fiir das in der aristokratischen Literatur 
bei 10 Mannern. Die Tatsache, daB die syrischen des 4. Jhdts. vorherrschende Empfinden, Hand- 
Sklaven die Hochstpreise, namlich 301 und 240 dr. arbeit sei ,banausischS verantwortlich war. Be- 
erzielten und daB die Sklaven aus dem Norden sonders schroff kommt diese Ansicht in den theo- 
mit 9 Beispielen durchschnittlich 162 dr. gegen- retischen Schriften zur Politik zum Ausdruck; sie 
iiber einem Durchschnittspreis von 139 dr. fiir muB in erheblichem Umfange der wachsenden 
4 Kleinasiaten kosteten, kann Zufall sein oder an Demokratisierung der griechischen Stadtstaaten 
personlichen Unterschieden in Fahigkeit, korper- 50 mit ihren steigenden Anforderungen an Zeit und. 
licher Eignung oder Spezialausbildung liegen. In Kraft der Biirger zugeschrieben werden (0 e r - 
der ersten Halfte des 4. Jhdts. betrug der Durch- tel Gnomon III 94, 1). Die Theorie von einer 
sclmittspreis (fiir einen Bergwerkssklaven nach geringeren Produktivitatder Sklavenarbeit 
Xen. vect. IV 4ff. 23 ungefahr 180 dr. Dabei ist gegeniiber der der Freien ist auch nicht geniigend 
zu beriicksichtigen, daB Bergwerkssklaven unge- bewiesen (vertreten von Ciccotti Tramonto 
lernte Arbeiter von niedrigem Marktwert waren della Schiavitu [1898] 129); dem widerspricht 
(F. e r t e 1 Rh. Mus. LXXIX 236. 237, 1). Diese auBerdem die Tatsache, daB Freie wie auch Skla- 
Preisangabe fiir Bergwerkssklaven wird auch ge- ven gleiche Bezahlung pro Tag fiir in Verding 
stiitzt durch den Bericht bei Demosthenes XXVII gegebene Arbeit erhielten (Francotte a. 0.). 
9, daB 20 Khvonoioi aus dem NachlaB seines Va- 60 Ferner liegt kein Beweis fiir einen Unterschied 
ters gegen ein Darlehen von 4000 dr. verpfandet in der Behandlung freier und Sklavenarbeiter, die 
wurden, woraus auf einen hoheren Durchschnitts- die gleiche Arbeit tun, beziiglich der A r b e i t s- 
preis als 200 dr. fiir jeden dieser gelernten Ar- zeit vor. Die Bauvertrage bei den Tempeln von 
beiter geschlossen werden miiBte. Die nachstehen- Eleusis (IG IP 1672, 32ff.) waren teilweis© auf 
den weiteren Festpreise stammen aus dem 4. Jhdt., Ablieferung eines bestimmten taglichen Quantums 
und zwar aus der Zeit vor Alexander: eine abgestellt (Schwahn Rh. Mus. LXXIX 177), 
Zwangsversteigerung von 15 gelernten Arbeitern wobei die Zeitmenge vom Arbeiter abhing. Zeug- 
zum Durchschnittspreis von 200 dr. (Demosth. nisse fiir den Versuch, Leistungssteigerungen der 



917 Sklaverei (5.-4. JMt.) Sklaverei (5.-4. JMt.) 918 

Arbeiter (Freier wie Sklaven) durch Antreiben zu v. Chr. verwendeten die Korkyraer eine groBe 

erzielen, gibt es nicht (0 e r t e 1 Rh. Mus. LXXIX Anzahl Sklaven auf ihren Schiffen (von den 

249). Xenophon errechnete bei der Darlegung 1050 gefangenen Korkyraern waren 800 Sklaven, 

seines Projektes liber die staatliche Kapitalanlage Thuk. I 55). Auch in den libereilten Vorberei- 

in Minensklaven den Ertrag aus diesen Sklaven tungen fiir eine Hilfsflotte vor der Sehlacbt bei 

auf einer Grundlage von 360 Arbeitstagen im den Arginusen 406 v. Chr. wurden durch Be- 

Jahr (Xen. vect. IV 24); gegen die Annahme, dafi schluB derVolksversammlung vonAthenllOSchiffe 

Sklaven ohne Feiertag arbeiteten, spricht die Tat- mit alien verfiigbaren Leuten, Freien oder Skla- 

sache, dafi nach den Baurechnungen von Eleusis ven, bemannt (Xen. hell. I 6, 24), und die betei- 

Holzsager, die vertraglich im Tagelohn arbeiteten, 10 ligten Sklaven erhielten Bezahlung, Freiheit und 

auch wahrend der Leniien bezahlt wurden, als gleiche Behandlung wie die Plataer hinsichtlich 

alle Arbeit ruhte (vgl. xa 6' alV eoQxri von des athenischen Burgerrechts (Aristoph. Ran. 33. 

Sklavenmadchen gesagt, Herond. VI 17). Aus der 191. 693f.). Korte (Philol. Woch. LII 1027ff.) hat 

Tatsache, daB ein Minenbesitzer in seinen eigenen mit diesem Ereignis ein Verzeichnis der Beman- 

Gruben arbeiten konnte, ware zu schlieBen, daB nung von fiinf oder mehr Dreiruderern in Zu- 

auch freie Arbeiter in den Bergwerken beschaf- sammenhang gebracht (IG IP 1951), das 181 

tigt waren (Demosth. XLII 20 avxog rco ifxavvov Sklaven enthalt. Im Gegensatz zu B o e c k h 

ocbinati novcbv; vgl. Xen. vect. IV 22), Die Skla- (Staatshaushaltung IP 79), dessen Ansicht auf 

venarbeit in den Gruben von Laurion war zwei- einer falschen Interpretation von Xen. vect. IV 

f ellos schwer und wurde unter den gef ahrlichen 20 25 beruht und dem dann L^crivain f olgte 

Umstanden verrichtet, die die Bergwerksindustrie (Daremb.-Sagl. IV 1, 704), ist eine Sklavenbesitz- 

von jeher kennzeichneten, aber sie war fur Skla- steuer fiir Athen oder Priene nicht belegt (A n - 

ven und Freie gleich. Die allgemeine Ansicht, dreades 165f. 168f. 300). Der ,Zehnte auf 

nach der schreckliche Zustande in den Gruben Sklaven* (dejidrr], IG P 310, 222) ist ein zu kleiner 

von Laurion herrschen soUten, ist durch die tJber- Betrag, um als Besitzsteuer zu gelten. In Athen 

schatzung der Kritik an Nikias (Plut. Crass. 34) kamen durch Sklaven folgende Steuern ein: 2 0/o 

entstanden, nach der er durch seine Gruben- bei der Einfuhr {dvdQajiodcov nevxTiKooxr^, Anecd. 

arbeiter reich wurde. Diese Auffassung wird I 297 Bekk.), eine Ausfuhrsteuer und eine Ver- 

durch die Liiftungseinrichtungen in den Laurion- kaufssteuer einschlieBlich der Freilassungssteuer, 

werken (Ardaillon Les mines du Laurion 30 die als wesentlicher Bestandteil der Verkaufs- 

[Paris 1897] 49ff.) und Ardaillons Annahme steuer anzusehen ist (vgl. W e s t e r m a n n Upon 

eines Zehnstundentages mit Zweistundenschicht Slavery in Ptolemaic Egypt 61). Die Hohe der 

oder Arbeitsaustausch fiir die Arbeiter mit Hacke Verkaufssteuer in Athen ist nicht bekannt; das 

und Schaufel (93) berichtigt. ^/soo {nsvxaTcooiooxrj) bei Aristophanes (Eccl. 1007) 

Die Feststellung des Aristoteles, der Sklave ist nur ein Biihnenwitz; aber die Gesamtsumme 

sei eine Art beseelten Besitztums (d bovlog Kxfj(A,d der indirekten Steuern aus den Sklaven, die nach 

ri sf4,yjvxov Aristot. pol. I 2, 4), nahert sich trotz Athen kamen und dort in den Jahren vor dem 

rein wirtschaf tspolitischer Orientierung seiner Un- Dekeleischen Krieg verkauft wurden, machte sie 

tersuchung am engsten einer von alien griechischen zu einer wichtigen Einnahmequelle (Xen. vect. IV 

Quellen tiberlieferten Definition der Rechtsstel- 40 25). Im Interesse der Steuereinziehung und auch 

lung der Sklaven. Als Besitztum wurden die als Garantie fiir die vom Kaufer erlangten Eigen- 

Sklaven natiirlich in der burgerlichen Gesetz- tumsrechte verlangte das griechische Gesetz in 

gebung beriicksichtigt, aber sie waren grundsatz- Athen und anderen Stadtstaaten die vorherige 

lich nicht Gegenstand der politischen Gesetz- Veroffentlichung aller Verkaufe von Immobilien, 

gebung (Beauchet Droit prive 421). Die zu denen die Sklavenverkaufe gehorten, durch 

Sklavenbesitzer in Korinth und Athen waren in Anschlag einer Anzeige (dvayQaqyrj xcov xxtj/^d- 

ihren Besitzrechten durch ein drastisches ,Gesetz xcov, Theophr. bei Stob. XLIV 22) oder durch 

gegen den Diebstahl der Sklaven eines Anderen' offentliche Verkiindigung durch den Herold. AuBer 

igeschiitzt; die darauf stehende Strafe fiel allem der Versicherung des Verkaufers, daB der Sklave 

Anschein nach unter das mit yQaq)Yj dvbQanobio- 50 als Besitz frei von den Anspriichen Dritter sei 

fxov bezeichnete Verf ahren (Lysias XIII 67. Anecd. {dvenacpa, Theophr.), verlangte das Gesetz, daB der 

I 219. 344 Bekk.). Die Sklaven nahmen infolge Verkaufer angeben muBte, wenn der Sklave an 

ihrer voUkommenen politischen Rechtlosigkeit Krankheit litt (Hypereid. V15, o. S. 911, 21). 

nach der Gewohnheit der griechischen Stadt- Unter den Leiden, die angegeben werden muBten, 

staaten und spater auch der Romer nicht als wirk- waren Schwindsucht, Harnzwang und Epilepsie 

liche Mitkampfer im Kriege teil, denn Kriegs- (Plat. leg. XI 916, wohl eine Abschrift des in 

dienst zu Lande und zur See war ein mit den Biir- Athen bestehenden Gesetzes). Die griechischen 

gerrechten eng verbundenes Privileg (anders Del- Staaten versuchten durch Aufnahme einer Klau- 

brtick Gesch. d. Kriegskunst I [1900] 110). Fiir sei in ihre Vertrage mit anderen Stadtstaaten, 

Athen berichtet Xenophon pol. Ath. I 11 — 12, 60 die die Riickkehr entlaufener Sklaven regelte 

daB Biirger und Metoken in der Flotte dienten, (Thuk. V 32 im Waffenstillstand von 423), die 

nicht dagegen Sklaven (Beloch 21). Die Tat- Eigentumsrechte ihrer Untertanen zu schiitzen, 

sache, daB man in der leidenschaftlichen Erre- die in dieser besonders raffinierten Form einer 

gung der Btirgerkriege und unter dem Druck der Kapitalanlage bestanden. Obwohl nach der all- 

Notwendigkeit zur Erhaltung des Staates von gemeinen griechischen Anschauung der Sklave 

dieser grundlegenden Theorie oft abging, beein- als Sache und Besitztum seines Herrn (Beauchet 

trachtigt die allgemeine Regel nicht. In der II 444) gesetzlich kein Eigentum haben konnte, 

Seeschlacht zwischen Korkyra und Korinth 433 war dies bei dem kretischen Agrarsklaven, dem 



919 Sklaverei (5.--4. Jhdt.) Sklaverei (5.-4 Jhdt.) 920 

olTcsvg Oder b&log nicht der Fall. Diese konnten willigung ihres Besitzers nnter Anwendung der 

Besitz haben, wobei die Eeehte der Sklavin Bastonnade {^aaavlCsiv) oder der Folter verhort 

{oiTiEo) auf ihre in die Ehe gebrachte Mitgift werden konnten (Antiph. V 32. 40. Verweigerungs- 

gesetzlich geschiitzt waren (Gesetze von Gortyn recht des Herrn: Antiph. I 8. Aisehin. II 128. U. 

III 40ff.). Wenn auch fiir andere Staaten als P a o 11 108 bestreitet, dafi Sklavenfolterung in 
Gortyn eine gesetzliche Anerkennung des Privat- den Handelsgerichten von Athen iiblich war). 
besitzes der Sklaven nicht zu belegen ist, so Diesem Unterschied zwischen Freien und Sklaveri 
pflegte doch der Herr als Gegenleistung fiir tiich- entspricht in vielen griechischen Staaten ein 
tige Dienste einen Teil des Verdienstes des Sklaven Unterschied im Straf gesetz, nach dem der Sklave 
beiseitezulegen, der dann schlieBlich zu seinem 10 kleinere Vergehen mit korperlicher Bestrafung 
Freikauf verwendet werden konnte. Die grie- siihnen konnte, wahrend der Freie vor dieser 
chische Praxis wich zwar von dem romischen 'pe- schimpflichenBehandlungbewahrtblieb(Demosth. 
culium darin ab, dafi letzteres (im Gegensatz zum XXII 55. In Athen waren zur Zeit Solons 50 Hiebe 
Buchstaben des Gesetzes) die Besitzrechte des die iibliche Strafe, Aisehin. I 39. Bei Abladen 
Sklaven auf sein ihm bewilligtes oder ver- von Schutt auf dem Marktplatz des Piraus, IG 
dientes Eigentum tatsachlich anerkannte. Sie IP 380, 320 — 319 v. Chr.; auf Thasos, Syll.^ 
erzielte doch dasselbe Ergebnis, denn Gewohn- 1217; indessen verzeichnen die Gesetze von Gor- 
heit und eigenes Interesse des Besitzers er- tyn keine Bestrafung durch korperliche Ziich- 
forderten die Befolgung dieser Praxis bis zur tigung). Das Recht des Sklavenbesitzers, seine 
endgtiltigen Freiheit des Sklaven (Beauchet20 eigenen Sklaven zu strafen, war unbeschrankt, 
445. Xen. oec. XIV 9 ov fjiovov nlovri^cov [sell. aber in Athen war Schlagen eines Metoken oder 
xovQ oixsrag] dUa xal XLfjLwv <hg Kokovg xs xdya- des Sklaven eines anderen verboten (Xen. rep. 
d-ovg). Die Tatigkeit der Sklaven, deren Dienste Ath. 110). Die Ungleichheit der Sklaven vor dem 
von ihren Besitzern vermietet wurden {dvdQanoba Gesetz geht auch daraus hervor, da6 einerseits 
fiiod'OfpoQovvxo) und die der Sklavenemporoi, die fiir dasselbe Vergehen dem Sklaven eine schwe- 
ftir ihre Besitzer ins Ausland reisten, hatte einen rere BuBe auferlegt wurde als dem Freien, wah- 
gewissen Grad von Verantwortung zur Folge, da rend andererseits die Gesetze eher Straflosigkeit 
sie mit dem Eigentum ihrer Besitzer als ihre ge- zusicherten, wenn es an einem Sklaven veriibt 
gesetzliehen Vertreter arbeiteten (L. W e n g e r war. In Kreta war die Strafe fiir Vergewaltigung 
Stellvertretung in Rechte der Papyri [Leipzig 30 — auch homosexuelle — eines Freien doppelt so 
1906] 167f.). hoch wie die eines Sklaven (Ges. von Gortyn II 

' Als Ergebnis dieser Geschaftstatigkeit wurde 7ff.). Auf Ehebruch eines Sklaven mit einer Freien 

solchen Sklaven das Recht der Teilnahme an Zivil- stand die doppelte Bufie, die ein Freier hatte zah- 

klagen mit vertretender Befugnis eingeraumt (J. len mussen (a. 0. II 2ff.; in Athen wurde ein 

Partsch Griech. Biirgschaftsrecht [1909] 136. Sklave in diesem Fall mit dem Tode bestraft, 

die Ansicht von Ugo Paoli Diritto attieo 106f., Lys. XIII 18. ^%). Im Falle der widerrechtlichen 

dafi Sklaven vor Handelsgerichten mit vollkom- Verhaftung und Freiheitsberaubung bezahlte der 

mener Handlungsfreiheit erschienen, ist bestreit- Tater 10 Stateren, wenn der Mann ein Freier, 

bar, da sie auf einer zweifelhaften Interpretation 5 Stateren, wenn er Sklave war (Ges. von Gortyn 
von oiHkrjg und noXg bei Demosth. XXXIV 5, 10 40 I 1 — 5). Das in Athen gebrauchliche Gesetz, wo- 

als jSklave* beruht). Obgleich die Gesetze von nach Sklaven nur mit besonderer Erlaubnis und 

Gortyn im allgemeinen weniger schroffe Abgren- Zusicherung der Straflosigkeit vor der Boule oder 

ziingen zwischen Sklaven und Freien als in Athen der Volksversammlung erscheinen konnten (An- 

zeigen, muBte nach dem kretischen Gesetz in alien dok. 112. Thukyd. VI 27), wurde auch auf Met- 

FaUen der Herr fiir seinen Sklaven vor Gericht oken und Frauen angewandt und war nicht aus- 

erscheinen (Biicheler-Zitelmann Rh. schlieBlich eine fiir Sklaven bestimmte Herab- 

Mus. XL Erg.-Bd. 103).. In Athen waren ganz all- setzung. 

gemein solche Personen fiir von Sklaven verubte Dieser Gruppe politischer, rechtlicher, sozialer 

Delikte gesetzlich verantwortlich, die davonNutzen und •. — in geringerem Umfang — wirtschaftlicher 
zogen, gewohnlich also ihre Besitzer, obwohl die 50 Beschrankungen und Einengungen, die in der 

Sklaven als Beklagte vorgeladen werden konnten Ideologie jeglicher Sklavenordnung der griechi- 

(Hypereid. V 22 rag ^^jixlag ag av EQydocovxai oi schen Stadtstaaten verwurzelt waren, stand eine 

ol?csrai >ial xd dixaQxr}f/.axa bialvsiv xov bsonoxrjv Gruppe gesetzlicher MaBnahmen zum Schutze der 

TtaQ* (p aV sQydocovxat Demosth. LIU 20. LV 31. Sklaven vor MiBbrauch ihrer Lage gegentiber, die 

Vgl. das Gesetz iiber die Verjahrung der Ver- ja durch die Theorie von der voUkommenen Ab- 

antwortung eines Herrn fiir friihere Taten eines hangigkeit der Sklaven vom Willen des Sklaven- 

neugekauften Sklaven in den Gesetzen von Gortyn besitzers geschaffen war. Das athenische Gesetz 

VII lOff.). Wie weit die Geschaftstatigkeit der wies dem Palladiongericht die Untersuchung der 

Sklaven, die von ihren Besitzern getrennt in der Morde an Sklaven, Metoken oder Fremden zu 
freieren Abhangigkeit der x^Q^^^ olKovvxeg lebten, 60 (oltcixrjv rj (asxoitcov rj ^evov dnoKxelvavxi Schol. zu 

fiir ihre Besitzer verbindlich sein konnte, ist Aisehin. II 87). Dieser Schutz der Sklaven vor 

nicht mit GewiBheit festzustellen (L. W e n g e r Ermordung bestand sicher in den moisten der da- 

Stellvertretung 168. J. Partsch Arch, f . Pap. maligen griechischen Stadtstaaten (Eurip. Hek. 

IV [1908] 502 nahm an, dafi die Besitzer nur 291 f. Fiir einen Gefolgsstaat des Delischen Bun- 
dann verantwortlich gemacht wurden, wenn die des, Antiph. V48) und wird von Isokr. V181 vor- 
Sklaven Generalvollmacht hatten). teilhaft mit der obersten Gewalt iiber Leben und 

Die Zeugenvernehmung von Freien und Skla- Tod der spartanischen Ephoren iiber die Heloten 

ven unterschied sich darin, daB Sklaven mit Ein- verglichen. Eine seltsam riickschrittliche Ansicht 



921 Sklaverei (5—4. Jhdt.) Sklaverei (5—4. Jhdt.) 922 

auBert dazu Platon in seinem Gesetzesstaat, in dem freilassungen durch den Staat und Freilassungen 

der Mord an einem Sklaven durch einfache Rei- einzelner oder mehrerer Sklaven durch einzelne 

nigungsriten gesiihnt werden kann (Plat. leg. IX Besitzer. Zu Massenfreilassungen nahm zeitweise 

865 CD) und den Verwandten des von einem die regierende Staatsgewalt selbst ihre Zuflucht, 

Sklaven ermordeten Menschen das Recht zusteht, wenn sie die militarische Unterstiitzung der Frei- 

an dem Sklaven Blutrache zu nehmen (a. 0. 868 C, gelassenen brauchte, um die MachtsteUung eines 

in striktem Gegensatz zu dem nach Antiph. V 48 Tyrannen zu starken, wie im Falle des Hekataios 

in Athen iiblichen Gesetz). Die Riickkehr zu einer von Milet (Diod. X 25) und des Theron von Seli- 

vordrakonischen Auffassung erklart sich durch nus auf Sizilien (Polyain. I 28: Theron verwendet 

die Notwendigkeit einer scharfen Aufsicht in 10 300 Sklaven zur Begriindung seiner Macht), oder 

einem auf Sklavenarbeit gegriindeten Agrarstaat, zur Sicherung der Freiheit des Staates in Zeiten 

wie er von Platon in den Gesetzen gedacht ist (J. auBerster Not, wie in Athen 490 v. Chr. (Pans. 

Bissinger Klio Beiheft XVII [1925] 108). VII 15, 7, die Namen der gefallenen ehemaligen 

Mit der Ausdehnung der S. auf die Industrie- Sklaven werden auf einer besonderen Stele zusam- 

zweige bildet sich allmahlich das Asylrecht der men mit den gefallenen Plataern genannt [Pans. 

Sklaven an den Gotteraltaren (Eurip. Suppl. 268) I 32, 3]) und 406 v. Chr. (Xen. hell. I 6, 24, noch- 

als SchutzmaJSnahme gegen unbillige Grausam- mals Aufzahlung der Namen toter ehemaliger 

keit ihrer Herren heraus (Art. A s y 1 o n Bd. II Sklaven. Philol. Woch. LII 1027ff.) oder nach der 

S. 1881). Der Umfang des zugestandenen Schutzes Schlacht von Chaironeia, wenn auf Betreiben Ly- 

war je nach den Orten verschieden. In Gortyn 20 kurgs die Sklaven befreit werden (Lykurg in 

auf Kreta machte der Tempelschutz im Eigen- Leocr. 41). Ernstliche Sklavenrevolten kamen 

tumsprozeB um einen Sklaven es dem im Rechts- wahrend der J. 500 — 320 v. Chr. nicht vor, be- 

streit unterlegenen Beklagten unmoglich, Hand zeichnend fiir die allgemein milde Sklavenbehand- 

an den Sklaven zu legen (Ges. von Gortyn I 38ff.). lung in dieser Zeit. Die von Herodot. VI 83 be- 

In Athen konnte der Sklave zeitweise im Theseion richtete Argiversklavenrevolte kann — wenn auch 

Oder am Altar der Eumeniden Schutz erhalten unhistorisch (W. W. H o w u. W e 1 1 s Commen- 

(Aristoph. F. C. G. 567 kfjiol KQazioxov eortv slg tary on Herodotus^ [1928] II 941, vgl. Luria 

zo Qrjoeiov dQa^eiv, eksI & ecog av TtQdoiv evQco- Klio XXVI [1933] 212. 220) — als Beweis fur die 

fA^v IA8V8LV, Vgl. Equ. 1312; Thesm. 224). Die Moglichkeit einer Massenbefreiung durch direktes 
schtitzende Macht des Tempelasyls bestand in 30 Wirken der Sklaven in der Zeit von 500—323 

Athen, soweit sie Sklaven betraf, einzig in dem gelten. Polyainos berichtet (I 45), wahrend der 

Recht des Priesters zu entscheiden, ob der Sklave Belagerung von Syrakus durch die Athener 414 

sogleich seinem Herrn zuriickzugeben oder ob ihm v. Chr. hatten die niederen Klassen in der Stadt 

der Schutz des Tempels fiir die Dauer einer Ver- einschlieJBlich der Sklaven gemeutert; die Sklaven 

handlung (t. t. uiQaoiv akslv) zu gewahren sei, in konnten jedoch mit Ausnahme von 300, die zu den 

der der Sklave Weiterverkauf an einen anderen Athenern iiberliefen, alle tiberredet werden, zu 

Besitzer verlangen konnte (Poll. VII 13. Eupolis in ihren Eigentiimern zuriickzukehren. tJber Einzel- 

den Poleis frg. 225 K. 7ia>ia xoiabs naoxwoa fj,r]ds freilassungen durch Sklavenbesitzer, die die an- 

jzQdoiv ahcov). Die im allgemeinen gute Behand- tike Literatur fur die erste Halfte des 5. Jhdts. 
lung der Sklaven und ihre wirtschaftliche und so- 40 v. Chr. gibt, wie die des Hauslehrers der Sohne 

ziale Angleichung an die armeren Schichten der des Themistokles (Herodot, VIII 75) und des Sal- 

freien Bevolkerung geht einmal aus den unent- moxis, Sklaven des Pythagoras von Samos (Hero- 

wickelten Asylrechten dieser Zeit im Vergleich zu dot. IV 93), erhalt unser Wissen eine festere 

denen des Hellenismus hervor. AuBerdem machte Grundlage durch die Freilassungsinschriften, die 

man die Beobachtung, daB wenig tiber tatsach- in der letzten Halfte des 5. Jhdts. einsetzen, zah- 

liche Inanspruchnahme dieses Rechts durch die lenmaBig anwachsen und eine Ausbreitung der 

Sklaven iiberliefert ist. Als SchutzmaBnahme Sitte der Einzelfreilassung im 4. Jhdt. bezeugen 

gegen zu leichten Freiheitsverlust Wehrloser ist (A. Calderini La Manomissione [1908] 31. 

in den Gesetzen von Gortyn I 14S. die Bestim- 70). Die Zahl der durch das Verfahren der dUrj 
mung anzusehen, daB bei einem Rechtsstreit, ob 50 ajtootaolov nur in den J. 340—320 Freigelassenen 

der Betreffende frei oder Sklave sei, die Aussage betrug im Durchschnitt 50 pro Jahr in Athen 

derer gelten soUe, die seine Freiheit bezeugen (Gomme Population of Athens 41, 2). Aus un- 

tSchutz eines Freigelassenen vor Riickkehr in die gefahr derselben Zeit stanamt ein religioser ErlaB 

S. in Athen s. Isaios frg. 18. Harpokr. aym). Das aus dem Piraus, der eine Anzahl Handlungen fiir 

'den Besitzern wahrend des ganzen Altertums zu- die Zeit der Thesmophorien inhibiert. Zu diesen 

stehende Freilassungsrecht war im 5. Jhdt. v. Chr. Verboten gehort auch das der Freilassung der 

eine durchaus verbreitete Gewohnheit; es entwik- Sklaven wahrend der Feiertage (P r o t t-Z i e h e n 

kelte sich im 5. und 4. Jhdt. zu einer so aus- Leg. sacr. nr. 33 [oTicog av fA'rjd]£lg dg?hovg dq?csi). 

gedehnten Mode, daB sich das ganze Gesicht der Solange der Sklavenbesitzer zu einer Freilassung 

"S. aus einem Dauerzustand fiir den Versklavten 60 nicht gesetzlich gezwungen war, wirkte wohl im 

in ein Verhaltnis wandelte, das die antike S. tat- 4. Jhdt. und spater meist die Macht der sozialen 

'sachlich eng mit einer zeitlich begrenzten Dienst- Gewohnheit, um den Herrn zur Annahme des Frei- 

harkeit wie der griechischen jzaQafAovi^ verbindet. lassungspreises zu bewegen, wenn der Sklave ihn 

Das Verwischen der Standesgrenzen und die dau- anbot. 

ernde Wandlung der S. in Freiheit, die sich aus Die sozialen Auswirkungen der S. in der Polis- 

4em Grundgedanken und der Praxis der Freilas- Zeit sind wegen der Gefahr der Verallgemeine- 

sung ergab, hat fiir die Lage ungemeine Bedeu- rung, wo Art und AusmaB der Sklavenhaltung 

Ttung. Zwei Arten der Freilassung gab es, Massen- ortlich so verschieden waren, schwer zu schatzen. 



923 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) Sklaverei (5.-4. Jhdt.) 924 

Eine fiihlbaie Milde in Behandlung und Haltung Sklaven wurden hart behandelt (Herodot. VI 11) 
der Sklaven herrschte sicher in Attika (Xen. pol. und manchmal gebrandmarkt (Aristoph. av. 760 
Ath. 110, ebenso Demosth. IX 3) im Gegensatz zu dQansrrjg iony/^svog; vgl. den von einem Arzt in 
der willkiirlichen Behandlung der Heloten in Athen behandelten gebrandmarkten Sklaven, Hip- 
Sparta (Isokr. XII 181) und wohl auch im Ver- pokr. epidem. IV 2); dies Verfahren pflegte man 
gleich zu der schlechteren Behandlung der Skla- jedoch im allgemeinen zu vermeiden, da es sehwie- 
ven in anderen Stadtstaaten mit Handwerksindu- rig war, einen so offensichtlich als unruhigen 
strie. Die Erklarung dafur ist eher darin zu Geist gekennzeichneten Sklaven zu verkaufen. Der 
suchen, dafi Sklaven als Kapitalsanlage in Athen Vorsehlag Xenophons in seinem Plan zur Ver- 
verhaltnismafiig haufig in Erscheinung traten — 10 groBerung der Staatseinkiinfte (vect. IV 21), die 
sie lebten in dem halben Abhangigkeitsverhaltnis vom Staat gekauften Sklaven zu brandmarken, 
der [jLtod'oq)OQovvta ocbfjuaxa — als in einer den gait nur ftir Staatseigentum ohne die Notwendig- 
Athenern zugeschriebenen groBeren Mensehen- keit eines Wiederverkaufs und ist kein Beweis 
freundlichkeit (so Dar emb.-Sagl. IV 1261). fiir die Gultigkeit dieser Gewohnheit in der Pra- 
Die Gesetze von Gortyn schildern eine Lage, in xis. Zugegeben, daB Freiheitsverlust und Sklaven- 
der die den Sklaven zugestandenen Rechte sie der leben im allgemeinen kein beneidenswerter Zu- 
freien Bevolkerung starker naherten als in Athen. stand waren, so sind doch viele Anzeichen fiir das 
In der antiken S. hing durchweg der MiBbrauch voUstandige Fehlen starkerer gegenseitiger Ab- 
der Gewalt des Sklavenbesitzers vom Charakter neigung in rassischer und sozialer Hinsicht (wie 
des einzelnen oder der Tradition der Sklaven 20 z. B. der auf Farbunterschieden beruhenden) in 
haltenden Familien ab. Familien mit lange be- Griechenland vorhanden, so daB Aristophanes 
stehendem Reichtum behandelten ihre Sklaven ge- fiber freie Frauen spotten kann, die mit Sklaven 
w5hnlich mit groBerer Freundlichkeit als Neu- zusammenlebten (Thes. 491), ohne bei seinen Zu- 
reiche (Aischyl. Agam. 1042ff.). In Athen und horern Unwillen zu erregen. Die fehlende Ent- 
anderswo konnte der Herr seine Macht so weit wicklung dieses Gefiihls erklart teilweise die vie- 
mifibrauchen, um den Sklaven zu einem Mord len Vorrechte, deren sich die Sklaven tatsachlich 
um seinetwillen zu veranlassen (Isaios VIII 41). erfreuten. Mischehen zwischen Freien und Sklaven 
Erstaunlieh wenig wird liber den MiBbrauch der waren in Kreta Gegenstand der Gesetzgebung, die 
korperlichen Strafgewalt des Herrn uber seine die Erblichkeit des Sklavenstandes dureh die be- 
Sklaven berichtet. Platon fuhlte sich veranlaBt, 30 sondere Verfiigung festlegten, daB die Kinder 
fur den Gesetzesstaat mit seiner Sklavenklasse ein einer freien Frau, die einen Sklaven heiratete^ 
wirkungsvoUeres Strafsystem fiir Sklavenverbre- Freie sein sollten, wenn der Sklave in ihr Haus 
chen zu fordern als es tatsachlich im Staat zu kam, dagegen Sklaven, wenn die Freie in da^ 
seiner Zeit gebrauchlich war (Plat. leg. IX 868. Haus des Sklaven zog und dort mit ihm lebte 
872). Dabei war er voUkommen iiberzeugt, daB (Ges. von Gortyn VII Iff. Biicheler-Zitel- 
man den KlassenhaB zwischen Sklaven und Freien mann 65f.). Die LandsklaAren (oiKeig) auf Kreta 
vermeiden miisse, um gegen Sklavenrevolten heirateten unter sich, ha-tten ihr personliches Ei- 
sicher zu sein (Plat. pol. I 351 D), und war sich gentum und konnten geschieden werden, wobei die 
auch der Gefahr und der bosen Folgen fiir Herren Eigentumsrechte der Sklavin gesetzlich geschutzt 
und Sklaven bewuBt, die aus dem MiBbrauch des 40 waren (Ges. von Gortyn III 40ff.). Die getrennt 
korperlichen Ziichtigungsrechtes entstehen konn- lebenden Sklaven, die fur ihre Besitzer in Athen 
ten (a. 0. VI 777 A). Verschiedentlich vorkom- oder ahnlichen Mittelpunkten der Handwerksindu^ 
mende Krankheitsberichte von Arzten, die bei strie arbeiteten, konnten zweifellos heiraten und 
ihren Herren lebende Sklavenpatienten behandel- eigene Haushalte griinden, aber von gesetzlichen 
ten {xq> oxiyfjiaxlr) TiaQ' 'Avxiq)lXov Hippokr. epi- Bestimmungen iiber ihren Besitz ist wenig be- 
dem. IV 2), beweisen zuverlassig die Aufmerk- kannt. Vermutlich erkauften sie sich, wenn ihr 
samkeit, die man Sklaven in Krankheitsfallen Vermogen groB genug war, die Freiheit. Die in 
schenkte (Hippokr. II 3. 4. V 35. 41. VII 35. den attischen Freilassungslisten von 340 — 320 
112). In einem dieser KrankheitsprotokoUe teilt (IG IP 1553ff.) genannten 17 Falle, wo der ehe- 
der behandelnde Arzt die sicherlich auf einer An- 50 malige Sklave sich die Freiheit mit Geld gekauft 
zahl von Fallen beruhende Beobachtung mit, daB hatte, das er teilweise von einer Gruppe mit dem 
gewisse Halskrankheiten bei Sklavinnen gefahr- Namen hoivov sQavioxcov erhalten hatte, beweisen 
licher als bei freien Frauen auftreten (a. 0. VI 7). unwiderleglich einen sozialen ZusammenschluB 
Das athenische Gesetz schrieb dem Sklavenbesitzer von Sklaven und Freien. An den ehemaligen Skla- 
die Beerdigung eines gestorbenen Sklaven vor ven blieb das Brandmal der Provenienz nicht haf- 
(Demosth. XLIII 58). Der geringere soziale Stand ten, wie man an der Laufbahn des Archelaos sieht, 
der Sklaven wurde in Athen weder durch vor- der Konig von Makedonien wurde, obwohl er als 
geschriebene Kleidungsunterschiede noch durch Sohn des Konigs Perdikkas und einer Sklavin 
die Haltung der athenischen Cffentlichkeit ihnen eigentlich Sklave war (Plat. Gorg. 471 A), ebenso 
gegeniiber auffallig betont (Xen. pol. Ath. 10), ob- 60 des Pasion, des friiheren Sklaven des Bankiers 
gleich man gewisse billigere Kleidungsstiicke fur Phormio in Athen, der die Witwe seines einstigen 
sie gekauft haben mag, die dann allmahlich dau- Herrn heiratete und nach ihm Leiter der Bank 
ernd zu ihnen gehorten (z. B. die dicke xaxcovanri wurde (Demosth. XXXVI 43ff.). Das Fortleben 
aus WoUe und Schafsfell, Aristoph. Lys. 1155, der Ideale primitiven Familienzusammenschlusse^ 
ein von der armeren Bevolkerung getragenes Ge- bewahrte die Tradition, den Sklaven an den Fa- 
wand: s. Art. KaxcovaKoq)6Qoi Bd. XI S. 26, miliengottesdiensten teilnehmen zu lassen (die ge- 
und die armellose i^cojulg aus Megara, Schol. zu fangene Sklavin Kassandra wird zur Teilnahme 
Aristoph. vesp. 444). Wiederergriffene entlaufene am Familienkult des Zeus Ktesios aufgefordert,. 



925 Sklaverei (5.-4. Jhdt.) SMaverei (5.-4. Jhdt.) 926 

Aischyl. Agam. 1004f.). Obwohl Sklaven die Teil- Euripides erkannte starker die dramatischen Mog- 
nahme an den Thesmophorien verboten war (Ari- lichkeiten und das Mitleid, das man durch das; 
stoph. Thes. 294), wurden sie in Athen doch in Auftreten von Sklaven bei den Zuhorern erregen 
die Mysterien eingeweiht (eine prostituierte Skla- konnte, wenn man sie als Einzelwesen darstellte, 
vin wird von Lysias personlich eingefiihrt, De- deren niederer Wert gegenuber dem Freien einzig 
mosth. LIX 21) und konnten bei vielen offent- in der Anwendung des Wortes ,Sklave' lag (Eurip. 
lichen Opferhandlungen zuschauen oder auch mit- Ion. 854ff.; vgl. Med. 54f.; Hel. 728ff.); aber seine 
beten (a. 0. LIX 85). Dagegen gibt es fiir die Betrachtung war mehr und in erster Linie kiinst- 
Einfuhrung oder den besonderen Besuch fremder lerisch als soziologisch. Seine Annahme, die Grie- 
Kulte durch Sklaven keine Beispiele in dieser Zeit. 10 chen batten das Recht die Barbaren zu beherr- 
Es fehlt nicht an Andeutungen, daB die Sklaven schen, da die Griechen von Natur frei, die Bar- 
in Athen ein Privatleben mit seinen Erleichte- baren Sklaven seien (ro /llsv yaQ dovXov, ol 6* iXsv- 
rungen und Vergniigungen hatten. Mittags konnte 'd's^oc Eurip. Iph. A. liOOf.), ist nur durch den 
man sie an der Quelle schlaf en sehen (Plat. Phaidr. starken Einschlag von SelbstbewuBtsein des An- 
259 A), auch hatten sie ihre eigene Art rhyth- gehorigen der Polls in Verbindung mit ausgepragt 
mischer Ausdrucksformen, die von der der freien panhellenischem Gefiihl zu motivieren (E. Het- 
Bevolkerung vollkommen abwich (Plat. leg. II tich Study in Ancient Nationalism [1933] 67. 
669 C). Die Beziehung der S. zur Geschlechts- 69). Uber die Stellung der Sophisten zur S. ist 
moral ist im Hinblick auf die naive und oSene wenig bekannt. Das beriihmte Zitat aus dem Mes- 
Hinnahme der Prostitution und sogar homo- 20 seniakos des Sophisten Alkidamas, ca. 361 v. Chr.^ 
sexueller Beziehungen in Griechenland ziemlich Gott hatte alle Menschen frei erschaffen und die 
schwierig zu bestimmen. Oft stellte die S. Natur hatte keinen Menschen zum Sklaven ge- 
die erforderlichen jungen Madchen, die gekauft macht, ist wohl durch die traditionelle Polemik 
und als Prostituierte gehalten werden konnten, des Gorgias gegen eine auf kiinstlichen Gesetzen 
wie im Falle der Freigelassenen Nikarete, die aufgebaute Gesellschaft zu erklaren, oder es ist 
ihren Lebensunterhalt durch die Prostitution von vielleicht ein passendes Argument gegen die von 
sieben jungen Madchen verdiente, die von ihr ab- Isokrates verfochtenen Eigentiimerrechte in des- 
gerichtet waren (Demosth. LIX 18; vgl. Isaios VI sen Angriff auf die Befreiung der Sklaven der 
19f.). Bemerkenswerterweise waren in den Ge- Mantineer (Art. Alkidamas Bd. I S. 1536). 
setzen von Gortyn und im athenischen Gesetz die 30 Obgleich sich die Kyniker mit der S. als fest- 
Sklaven als menschliche Wesen anerkannt, die stehender Einrichtung nicht befafiten, betrach- 
gegen Beleidigung durch unzlichtige Handlungen teten sie den Zustand der S. als unwesentlich, da 
zu schtitzen waren, und die Gesetze von Gortyn nur die geistige Freiheit ausschlaggebend war 
bestraften unzlichtige Gewaltakte heterosexueller und ein Sklave Herr seiner selbst und ebenso 
oder homosexueller Art gegen einen Sklaven (Ges. seines Besitzers sein konnte (Diog. Laert. VI 74f.). 
von Gortyn II 2ff.), wenn auch die Geldstrafen Die von Plat. pol. V 15 dem Sokrates zugeschrie- 
fiir derartige Angriffe auf Sklaven verhaltnis- bene Auffassung, der Sklave hatte Ungerechtig- 
mafiig so niedrig waren, daB man eine Sender- keit zu leiden und konne sich nirgendwohin urn 
strafe auf die Schandung einer Frau dieser Hilfe wenden, entsprach weder rechtlich noch 
Klasse setzen muBte (Vergewaltigung von freien 40 sozial den Tatsachen in dieser Zeit. Im ,Staat* gibt 
Mannern oder Frauen 100 Stateren BuBe, einer Platon nicht genau an, ob der Idealstaat die S. 
Hauslerin 5 Drachmen). Unzweifelhaft steuerte abschaffen oder beibehalten soUe. Die Tatsache, 
die S. stark zur sexuellen Promiscuitat bei, aber daB er die Versklavung von Griechen durch Grie- 
die Einstellung der Griechen zu den Geschlechts- chen beseitigen will, legt fur seinen Teil die Ver- 
beziehungen, an sich gesund und off en, lag nicht mutung nahe, daB der Staat versklavte Barbaren 
an der S. Ebenso wenig verletzte die soziale Ein- als Arbeiter beschaftigen wiirde. Xenophon (mem, 
willigung in solche geschlechtlichen Verwirrungen II 2, 2) befand sich im Einklang mit der grie- 
jemals ernstlich Moral, Religion oder Geschmack chischen Praxis seiner Zeit, wenn er meinte, seine 
der Griechen. Feinde (zweifellos einschlieBlich der Griechen) zu 
Die Gestalt der Sklaven war schon friih in den 50 Sklaven zu machen, sei erlaubt, nicht aber seine 
megarischen und dorischen Volksschwanken und Freunde. Freie kriegsgefangene Griechen wurden 
den Possen des Epicharm ein althergebrachter immer wieder versklavt trotz vereinzelter Wider- 
Typ (Aristoph. vesp. 57. C. L a n g e r De servi sprtiche, wie des spartanischen Admirals Kallikra- 
persona apud Menandrum [1919] 7f.) und wurde tidas, der sich im peloponnesischen Kriege wei- 
vom antiken Drama und der Komodie iibernom- gerte, die Methymnier nach der Einnahme ihrer 
men. Obgleich sie in zunehmendem MaBe indivi- Stadt zu Sklaven zu machen (Xen. hell. I 6, 14. 
dueller gestaltet wurde, verier der Sklave als Dies Verhalten des Kallikratidas bezog sich nicht 
BiihnenroUe doch nie ganz die friiheren Merkmale auf die von ihm erbeuteten Sklaven der Methym- 
des festen Typus. Aischylos und Sophokles ver- nier: SchiickUber d. Sklaverei b.d.Griech.,Progr. 
wandten den Sklaven sparsam, und S. wurde 60 1875, 10). Das von Xenophon (Ag. 121) dem Age- 
mehr als personliches Ungliick der von ihr Betrof- silaos gezoUte Lob fiir den Schutz von Kindern 
fenen ohne moralisches oder humanitares Raison- und bejahrten Gefangenen, die von den sein Heer 
nement dargestellt (J. S c h m i d t Der Sklave bei begleitenden Sklavenhandlern verlassen waren, be- 
Euripides, Jahresber. Grimma [1892] 99), nicht leuchtet die allgemein herrschende Gefiihllosig- 
dagegen als sozialer tJbelstand, obwohl beide Dra- keit gegen menschliche Leiden bei Gefangennahme 
matiker sich der psychologischen Wirkung der S. und Verkauf der Kriegsgefangenen. Die dem Heer 
auf den Sklaven bewuBt waren (Aischyl. Agam. folgenden Sklavenhandler iiberlieBen ohne weite- 
359ff. 953; Soph. Trach. 298ff.; Phil. 995f.). res die schwachsten dieser Gefangenen ihrem. 



927 Sklaverei (hellenistisch) Sklaverei (hellenistisch) 928 

Schicksal, wenn sie genug Ware hatten Oder Geld- fangenen (Andreades H 1, 39 Anm. 5. 40. 

verluste durch die hohen Unterhalts- und Trans- 145), es sei denn, dafi allzu erbitterter Wider- 

portkosten befiirchteten. Das dem athenischen stand den Verkauf der tJberwundenen als milita- 

Finanzminister Lykurg zugeschriebene Gesetz, rische Abschreckungsmafinahme eorforderte. Die 

daB kein EinwoJfiner Attikas ohne Einwilli- nach der Besetzung von Theben (Ailian. var. hist, 

gung des frtiheren Herrschers einen Freien aus XIII 7. Polyb. V 10. Pint. Alex. 11; vgl. Diod* 

einer Kriegsbeute kaufen diirfe (Ps.-Plut. de vit. XVII 14, 4) und der Einnahme von Tyrus (Arrian. 

decern orat., Lykurg. nQozsQov bsonotov kann anab. II 24, 5. Diod. XVII 46, 4) verkauften 

hier nicht ,Besitzer* bedeuten), wird eher als poll- 30 000, die man gewohnlich anflihrt, sind stereo- 
tische GelegenheitsmaBnahme zu deuten sein, die 10 type Angaben ohne groBen Wert. W. W. Tarn 

— vermutlich mit dem Auslosungsrecht zusam- (Cambr. Anc. Hist. VI 356) schatzt die aus The- 

menhangend — aus einem konkreten Fall im Ma- ben Verkauften auf vielleicht 8000. Am Granikos 

kedonischen Krieg hervorging (Art. Lykurgos wurden 2000 griechische Soldner gefangengenom- 

Bd. XIII S. 2453), und nicht so sehr als vorbeu- men und in Eetten nach Mazedonien gesandt; 

gende MaBnahme gegen Versklavung im Krieg zwei Jahre spater lieB man die Athener unter 

unter den Griechen selbst. Trotz der Bemiihungen ihnen frei (Curt. IV 8, 12). Nach Beginn deg 

friiherer Schriftsteller um eine Begriffsbestim- Marsches nach Innerasien war die Politik Alex- 

mung der S., die sich alle um die Frage bewegten, anders notwendigerweise versohnlich. Einige Ge- 

ob sie naturgewoUtes Gesetz oder widernatiirlich fangenenverkaufe werden erwahnt, wie z. B. nach 
sei, war Aristoteles der erste griechische Gelehrte, 20 der Einnahme einiger befestigter Stadte in Asien 

der sie kritisch als soziale Einrichtung behandelte und Sogdianien (Arrian. anab. HI 25, 7. IV 2, 4. 

und ihr einen Platz in der politischen Gliederung IV 3, 1) und zwei in Indien (VT 7, 3. 11 17, 1). 

seiner Zeit zuzuweisen versuchte (Ludw. S c h i 1 - Diese Verkauf e konnten jedoch weder die Skla- 

1 e r Die Lehre des Aristoteles von der S. [Er- venzahl noch ihren Preis im entfernten Gebiet der 

langen 1847] 5f., eine heute noch trotz der t)ber- Aegaeis beeinflussen (vgl. Andreades 11 1, 

nahme der tibertriebenen Sklavenzahlen des Alter- 39). Polybius berichtet (VTII 3), die Versklavung 

turns wertvoUe Unter suchung). Nach Aristoteles von Einwohnern eroberter Stadte sei von den 

ist die primitive und natiirliche Gemeinschaft der Nachfolgern Alexanders nicht allgemein bef olgt 

Haushalt (olma), der sich auf die dreifache Be- worden. Man ersetzte diese Gewohnheit durch 
ziehung Herr und Sklave, Mann und Frau, Vater 30 Auswechslung der Gefangenen und Auslosung der 

und Kind grtindet (pol. I 1, 4f.). Aus der Ver- nicht Ausgetauschten zu einem abgemaehten Preis 

einigung dieser primitiven Verbindungen wuchs (vgl. die Losegeldabkommen zwisehen Demetrius 

die Gemeinde {^cof^r] a. 0. I 1, 7). Aus der Ver- Poliorketes und Rhodes 304 v. Chr., Diod. XX 

schmelzung dieser Gemeinden entstand der Staat 84, 6. Fiir ahnliche Abmachungen zwisehen Milet, 

(a. 0. I 1, 8). Besitz wird als Mittel zum Lebens- Heraklea und Priene s. Syll.s 588, 67ff.). In der 

unterhalt definiert, und ein Sklave ist ein ,fiir das zweiten Halfte des 3. Jhdts. soMoB Milet mit 

Gebiet des Handelns bestimmtes dienendes Wesen* Knossos und 19 anderen kretischen Stadten einen 

(a. 0. I 2, 6. Weiter als beseeltes Werkzeug zum Vertrag, wonach kein Milesier wissentlich einen 

Handeln eth. Nicom. 1161b 4 definiert: o yag Freien aus den kretischen Stadten und kein Ein- 
bovlog £fA,yjvxov oQyavov). S. war daher nach der 40 wohner der kretischen Stadte einen Freien mile- 

aristotelischen Auf fassung nicht nur natiirlich, sisoher Herkunft kaufen soUte. (Th. W i e g a n d 

sondern auch notwendig, um die demokratische Milet HI 140, 18). Diese MaBnahme bezog sich 

Stadtstaatengemeinschaft mit ihrem durch Vor- auf Kriegsgefangene und auch auf Freie, die durch 

rechte ausgestatteten Btirgertum zu erhalten, in Piraten in die S. gefallen waren. Der Bericht in 

■der Aristoteles lebte. Indem Aristoteles den Stand- der jtidischen Propagandaschrift des Aristeas 

punkt von Euripides (Iph. A. 1400f.) vertritt, der (epist. ad Philocratem 14, 17-20), mehr als 

die Griechen als Freie, die Barbaren als Sklaven 100 000 jiidisdie Sklaven aus den Kriegen des 

tinsieht, untersucht er (pol. I 2, 5) spater, wie Ptolemaios I. seien durch Ptolemaios II. zur Zeit 

weit sich eine Person einer anderen als Sklave der Dbersetzung der Septuaginta freigelassen 
unterwerfen kann (a. 0. I 5, 3!!.). Seine SchluB- 50 worden, wird durch keine Nachricht tiber eine 

lolgerung, die S. sei gerechtfertigt und notwen- Versklavung einer groBeren Anzahl von Kriegs- 

dig, grtindet sich auf die Theorie der angeborenen gefangenen unter den beiden ersten Ptolemaern 

Unterschiede der Menschen in mengen- und wert- bestatigt. Versklavung in solchem Umfange lauft 

maBiger Hinsicht sowie der angeborenen sitt- auch der Versohnungspolitik zuwider, die diese 

lichen und geistigen Veranlagung. Diese Ansicht Herrscher befolgen muBten, wenn sie Palastina 

geht auf jene geistige Richtung des 5. Jhdts. zu- und Syrien zu beherrschen wiinschten. Rostov- 

riick, die an den EinfluB von Klima und Lage auf t z e f f (Yale Class. Stud, in 68) folgt diesem Be- 

die Ausbildung der korperlichen und geistigen richt auf Grund der Lesart al[x] i^dXwra ocof^afraj 

Merkmale und an die Erblichkeit der so erwor- des Pap. Gradenwitz 1, 5, die sehr zweifelhaft ist 
benen Eigenschaften glaubte (a. 0. VII 6, 1; Hip- 60 (PI a u m a n n S.-Ber. Akad. Heidelb. V 15, 19), 

pokr. de aere aquis locis; vgl. L. Schiller 27). und auf Grund des Berichts des Kallixenos von 

Ostliches Mittelmeer von Alex- Rhodes (Athen. V 25ff.) liber den groBen Festzug 

<ander bis Augustus. Ein Jahrhundert des Ptolemaios II. am Ende des ersten syrischen 

nach Alexander konnte der Verkauf von Kriegs- Krie^res 271 — 270 v. Chr. (W. Otto Abh. Akad, 

gefangenen nicht die Hauptquelle der S. in Miinch. XXXIV 1, 3S.). Nach diesem Bericht ha- 

der hellenistischen Welt gewesen sein. Selbst ben aber Sklaven an der ^to^jt?/ weder teilgenom^ 

ehe der persische Konigsschatz in seine Hande men noch wurden sie zur Schau gestellt, Die Er- 

ifiel, vermied Alexander die Versklavung der Ge- zahlung bei Diodor (XIX 85, 4), Ptolemaios I. 



929 Stlaverei (hellenistisch) Sklaverei (hellenistisch) 930 

hatte nach der Schlacht von Gaza 8000 gefangene teter reicher jiidisoher Gefangenen anschickte 

Soldaten in einzelnen agyptisehen Gauen angesie- (Mace. I 3, 41. 11 8, lOf, 35; vgl. M. G i n s b u r g 

delt, ist dagegen zahlenmaJSig glanbwiirdig und Rom et la Judee [1928] 24). Ans dem Bericht, 

sowohl vereinbar mit der Politik der ersten Pto- Antiochns IV. hatte 600 konigliche Sklaven in 

lemaer, Soldaten auf dem Lande anzusiedeln (Pap. einer groBen Parade in Daphne mitgeftihrt (Polyb. 

Petr. II 29b von 244-43 v. Ohr. == Mitteis- XXXI 3), geht hervor, dafi die hellenistischen 

Wilcken Grundz. I2nr. 334), als auchmit der Konige sehr viele soleher Sklaven besafien. In 

allgemein gegen den Verkauf von Kriegsgefange- ^en Biirgerkriegen zwischen Ptolemaios VI. und 

nen gerichteten Politik dieser Zeit. Menschenraub yil. in Igypten 167 v. Chr. wurden die von den 
und Kinderverkauf blieben im ostliohen Mittel- 10 gegnerischen Heeren gefangenen Sklaven Beute 

meergebiet dauemd heimisch, wie es Plant. Capt. der Soldaten (Pap. Hamb. 91). Unter den seltenen 

971ff. aus der Nia darstellt. Seerauberei bestand Notizen iiber die Herkunft der Skkven in den 

bis zum gewissen Grade immer als Markt ftir den delphischen Freilassungsurkunden befinden sich 

Gefangenenverkauf und als deren Versorgungs- zwei, bei denen Kriegsgefangenschaft angegeben 

mittel trotz aller Anstrengungen der hellenisti- wird (SGDI 2167. 2172). Mit den Massenverskla- 

schen Machte, besonders des Ptolemaerreichs und vungen der 150 000 Epiroten 167 v. Chr. aus 

des Stadtstaates Rhodos, die Piratentatigkeit zu 70 Stadten auf Befehl des romisohen Senats 

bekampfen. Die Ausdehnung des Piratentums (hauptsachlich Molosser, Polyb. XXX 16. Liv. 

wurde dadurch betont, dafi man Soldnertruppen XLV 34. Appian. bell. ext. X 2, 9) wurden im 
den Seerauberorganisationen entnahm und daB die 20 Gebiet der Aegaeis die voUen Auswiirkungen der 

Soldnerbanden nach ihrer Entlassung aus dem Politik ded Kriegsgefangenenverkaufs in grofiem 

eigentlichen Heeresdienst oft zum Piratenhand- MaBstabe oHenbar, die sohon die sizilisehe Krieg- 

werk zuriickkehrten (Ziebarth Seeraub und fiihrung seit der Zeit Dionysiios I. von Syrakus 

Seehan-del 21 ff. Ormerod Piracy 123ff. tTber ausgezeichnet hatte und wahrend der punisclien 

das dn Seeraub ausartende Treiben des atoliscihen Kriege ein herkommlicher Zug romischer Militar- 

Gefangenen Dikaiarchos um 200 v. Chr. s. Diod. politik geworden war. Die im Westen entstehen- 

XXVIII 1. Polyb. XVIII 7f. W ester ma nn den groBen Kornpflanzungen und Viehweiden des 

Upon Slavery in Ptolemaic Egypt [1929] 22fE.). karthagischen Nordafrika, Siziliens und der Apen- 

Glaubwiirdige Beispiele ftir den Zusammenhang ninhalbinsel schufen einen neuen Arbeitsmarkt, 
zwischen Seerauberei und S. liefert IG XII 3, 30 der wohl imstande sein konnte, viel Sklaven- 

328, etwa aus dem J. 260 v. Chr.; die Inschrift arbeitskrafte aufzunehmen. Diese Umstande zu- 

berichtet von den drei Jahre in Kreta gefangen- sammen mit der Unempfindlichkeit des romischen 

gehaltenen Einwohnern von Thera, die schliefilich Senats im 2. Jhdt. ^^g&n. die schlieBliehen wirt- 

mit den zusammen mit ihnen gefangenen Sklaven schaftlichen Nachteile uneingeschrankter Seerau- 

freigelassen wurden; femer der von Piraten ins berei und der Unfahigkeit wahrend der ersten 

Werk gesetzte Raub von mehr als 30 Lreuten aus Jahrzehnte des 1. Jhdts. mit ihr fertig zu wer- 

Amorgos, von denen alle Preien und ein Teil der den, wirkten sich in der Zeit der romischen Er- 

Freigelassenen und Sklaven spater ausgelost wur- oberung des Ostens (171 — 64 v. Chr.) dahin aus, 

den (Syll.3 521); endUch die Auslosung von 280 daB Sklaven in groBemMengen westwarts abwan- 
Naxiern, die von atolischen Piraten gefangen 40 derten. Der Berioht des Mkomedes von Bithynien 

worden war en (a. 0. 520). Die Inschriften er- an den romischen Senat 102 v. Chr., die Mehrzahl 

wahnen nur erfolgreiche Losegeldabkommen, aber seiner kriegsdienstfahigen Untertanen sei von 

die Neue Komodie des Plautus und Terenz beweist romischen Steuererhebern fortgeschafft worden 

oft genug, daB die Opfer in die S. verkauf t wur- (Diodor. XXXVI 3; vgl. die bithynischen Sklaven, 

den, falls die Piraten kein Losegeld erhielten die in Rom als Sanftentrager erscheinen, Catull. 

(Plant. Men. 29; Cure. 645; Poen. 84; Capt. 7; 10, 14ff.), vermittelt einen Eindruck von dem 

Rud. 39. Terent. Eun. 115). Der gesetzliche Skla- Umfang des Sklavenverkehrs nach Westen umd 

venhandel vertrieb zweifellos auch einzelne dieser dessen EinfluB auf den nahen Osten. 

gefangenen und nicht ausgelosten Piratenopfer Ein Beweis dafiir, daB die griechischen Hei- 
neben denen, die er aus den tiblichen QueUen wie 50 matstaaten ihre Gesetze oder ihre soziale Haltung 

Geburt, Kriegsgefangenschaft und Versehuldung gegen Selbstverkauf in die S. als Abzahlung er- 

erhielt. Gegen Ende des 3. Jhdts. trat in der wiesener Wohltaten oder gegen Verkauf von Fa- 

Politik der Kriegsfversklavung ein Umschwung milienmitgliedern anderten (idealisierte Formu- 

ein, und zwar besonders durch die Kriege der lierung der griechischen Binstellung Philostr., 

Makedonierkonige. Als Mantinea 223 v. Chr. er- vita Apollon. Tyan. Vm 7, 161 kXsv&sQtag eQaotal 

obert und die Einwohner von AntigonoiS und den hi Ttal ovbe dovXov dv7]g TjIXtjv neQa oqcov anobcb- 

Achaeern unter Arat in die S. verkauft wurden, csmi) besteht nicht; aber die griechischen Aus- 

verurteilte man dies in der griechischen Welt wanderer und Herrsoher im westliehen Asien und 

noch sehr stark (Polyb. 11 56, 7. 11 58, 12. Pint. Igypten schritten gegen die Landessitte des Ver- 
Arat. 45, 4). 203-2 verkauf te Philipp V. die ge- 60 kaufs der eigenen Kinder, wo diese einmal ein- 

fangene Bevolkerung von Kios (Polyb. XV 23) gebiirgert war, nicht ein. In der Sai'tenzeit war 

und Thasos (XV 24). 172 v. Chr. versuchte Anti- in Igypten Selbstverkauf und Verkauf von Kin- 

ochus IV. von Syrien seine Feldztige gegen die dem ublich (Pap. Ryl. Dem. 3-7; vgl. Taube n- 

Juden ftir seine Staatskasse nutzbar zu maehen, schlag Ztschr. Sav.-Stift. L145, indessen vonKo- 

die wegen der jahrlichen Kriegsentsehadigung an schaker Abh. Akad. Lpz. XLII 1, 64, als eine 

Rom uberlastet war, indem er sich im voraus Art Halbknechtschaft erklart). Selbstverkauf blieb 

aur Verhaftung und zum Verkauf vieler erwar- bis in die letzten Tage des ptolemaisehen Re- 



Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 



30 



931 Sklaverei (hellenistisch) Sklaverei (hellenistiscli) 982 

gimes hinein moglich (Selbstvermietuiig ihrer der Sikkven gegentiber der freien Bevolkerung 

Dienste auf 99 Jahre durch eine Frau aus Oxyrhyn- nicht sehr verandert haben, weder in den von giie- 

chus 42/41 V. Chr. Pap. Soc. Ital. V 549). In Baby- cMscher Auswanderung nnd Kolonisation dnreh- 

lonien war die Verwendung von Sklaven in weitem drungenen Gebieten noch in den alteren grie- 

Umfange immer tiblich; Frau, Kinder oder der chischen Hauptpunkten an der Aegaeis (Glotz 

Schuldner selbst hafteten fiir eine Schuld, die im Le Travail 419), obwohl der grieehisohen Welt 

Falle der Nichtbezahlung S. zur Folge haben groBere Sklavenversorgungsgebiete zur Verfiiguiig 

konnte (M e 1 B n e r Babylonien nnd Assyrien I standen und sie zweif eUos die Moglichkeit hatte, 

375f. I. Mendelssohn Legal Aspects of Sla- bis in die neu gegnindeten hellenistischen Indn- 
very in Babylonia, Assyria and Palestine [1932] 1^ striezentren Igyptens und Westasiens die grie- 

12fi.). Zahlreiohe Lehmklumpen (hallae) ausWarka chische Gewohnheit auszudehnen, Kapital in Skla- 

(Uruk)ausderZeit 220 — 180 v,Chr.,dievon'Steuer- ven anzulegen, die dann in Handwerksgesehaften 

zahlungen fiir Skkvenverkauf berichten {dvdQaTto- arbeiteten. Das Kleinladensystem, das Sklaven 

8i?{7i o)vrj. Rostovtzeff Yale Class. Studies III und freie Arbeiter besohaftigte, wurde vielleicht 

26ff.) sind bezeichnend fiir das Fortbestehen der in einigen der neugegriindeten Stadte eingefuhrt, 

S. im Babylonien der Seleukiden, vermutlieh in die vorwiegend grieehisoh waren (R o sto vtzeff 

gleioh weitem Umfange wie zuvor. Haft und even- Cambr. Anc. Hist. VII 135), wenn auch Angaben 

tuelle Versklavung fur nicht bezahlte Steuern war aus dieisen Stadten gerade zum Beweis dieses 

wie frtiher in Griechenland uberall moglich. Ver- Punktes fehlen. In den griechischen Papyri, die 
pfandung von Kindern durch ihre Eltern fiir pri- 20 vornehmlich aus den Stadten und Dorfern des 

vate Schulden blleb den Griechen in der Heimat ptolemaischen und romischen Agyptens stammen, 

unverstandlich, wurde aber sicherlich als landes- fehlen die fur diese Handwerkersklaven gebrauch- 

iiblich von der griechischen Herrscherschieht im lichen Ausdrlicke {x<^Q^^^ oinovvrsg und /btio'&o- 

ptolemaischen Agypten iibernommen (Pap. Soc. (pogovvra ocbjuata). Auf landwirtschaftlichem Ge- 

Ital. IV 424; vgl. Arangio-Ruiz Persone biet, das immer den groBten Teil agyptischen 

e famiglia nel diritto dei papiri [1930] 5, 3. Pap. FleiBes beansprueht hatte, lieB die fruohtbare ein- 

Soc. Ital. V 529. 532. Protest gegen einen Glau- heimische freie Bevolkerung, die lan solche unbe- 

biger, der eine ihm verschuldete Frau und ihren dingt notigen Arbeiten stets gewohnt war, wenig 

Sohn verhaftet hatte: Pap. Col. inv. 272 unpubL). Raum fiir Sklavenarbeit (fur das Igypten der 
Ebenso war es wohl auch ganz alltaglich im Se- 30 Pharaonen Breccia, Bull. Soc. de la g^ogr. 

leukidenreich, und fiirPhrygien ist es durch Phi- d'lilgypte XV^ 71 ff. Sinnfalliger festgestellt von 

lostr. vita ApoU. Tyan. Vni 7, 161 ^qv^I yovv P ire nne Hist, des institutions et du droit prive 

smxcoQiov HOI anoblboo'&ai rovg avxwv bezeugt. de I'l&gypte II [1934] 317. Fiir das ptolemaische 

Im ptolemaischen Agypten ist nunmehr Schuld- und romische Agypten Wilcken Ostraka I 

haft und schlieBlich Versklavung des Schuldners 695ff. 703f. Woistermann 54ff.). Charakteri- 

selbst erwies^n im Gegensatz zum ErlaB Solons, stisch fiir die agyptisehe S. in der hellenistischen 

der fiir die Stadte des griechischen Heimatlandes Zeit war der Haushaltsdienst, besonders bei der 

noch in Geltung war (Gesetzlichkeit der Verskla- griechischen Gesellschaftsschicht (Wilcken Arch, 

vung von Biirgern Alexandrias wohl wegen Schul- f . Pap. VI 449. Mittei-s -Wilcken Grundz. 
den im Pap. Hal. 1, 219ff., Dikaiomata [1913]; 40 I 1 260), und die Zahl der fiir diesen Dienst ein- 

SchuMsklaven, vnoxQea oco/^ara, Pap. Col. inv. gefiihrten Sklaven kann leicht iibertrieben sein. 

480, 23f. 27fE.; s. West er man n Upon Slavery Die Gesamtzahl derer, die man in den Zenon- 

in Ptolemaic Egypt; vgl. Oertel Gnomon VIII Dokumenten fiir diei J. 258-237 v. Chr. tatsach- 

654f. Abweichende Erklarung von vTioxQsa aco- lich als Sklaven identifizieren kann, ist auf nicht 

f^am als Leute aus dem Sklavenstand, die von mehr als 30 zu schatzen einschlieBlich der vier 

ihren Besitzern schuldenhalber verpfandet waren, Sklaven jungen, die von dem Ammonitenscheich 

s. Koschaker 59). Aufziehen ausgesetzter Toubias an den agyptischen Finanzminister ge- 

Kinder fiir die S. blieb allgemein iiblich, obwohl sandt wurden (Pap. Cair. Zen. I 59076). Die 

es nur durch die Komodien dieser Zeit und die anoataUvta owixaxa ek SvQlag aus Pap. Corn. 1, 
Erwahnung von d'Qenxol in den Freilassungs- 50 222fE. beliefen sich, wenn .sie Sklaven waren, auf 

inschriften der hellenistischen Zeit bekannt ist sicherlich nicht mehr als 3 oder 4, was aus dem 

(SGDI 1523; vgl. Plin. epist. X ^^ iiber die d'QSTt- von ihnen verbrauchten Lampenol hervorgeht. Es^ 

tot: COS qui liberi noti expositi, deinde suhlati a verbleiben nach dem Zenon-Archiv folgende Skk' 

auibusdam et in servitute educati sunt. Ebd. 65 ven: Pap. Col. Zen. 3: ein Sklave; Pap. Soc. Ital. 

zeigt, daB das Problem der ausgesetzten Kinder IV 329: ein Koch; ebd. 406 werden vier Sklaven 

in Kleinasien bis auf Augustus' Zeit zuriick- erwahnt; Pap. Cair. Zen. I 59003: ein junges 

geht. Vermutlieh war diese Praxis in Klein- Madchen, vermutlieh eine Babylonierin; 59015 

asien uind Griechenland in frtiher Zeit gleich ge- verso: mehr als drei Sklaven; 59077 ein Skla- 

brauchlich). Der Better des Kindes pflegte es venmadchen; III 59355 zwei SMavinnen. Eine 
gewohnlioh als Sklaven aufzuziehen, aber der ur- 60 Reibe von Testamenten aus der Regierung Ptole- 

spriingliche Stand des Kindes bestand fort, so daB maios III. nennen folgende Sklavenzahlen in dem 

die Eltern oder der ursprungliche Eigentiimer, Besitz griechischer Militarkleruchen: ftinf Sklaven 

falls das Kind von Sklaven abstammte, ihr Vor- und ein Freigelassener in Pap. Petr. I 12, y^\. 

recht der patria oder dominiea potestas wieder III 9 (= Mitteis-Wilcken I 2 nr. 449); 

behaupten konnten (Menand. Epitrep. 70. 108ff. eine Sklavin und ihr Kind, Sohn des Sklaven- 

Bd. XI S. 467f.). besitzers, Pap. Petr. Ill 2; ein Sklavenjunge, 

Wahrscheinlich wird sich das Zahlenverhaltnis Sohn des Verstorbenen, der gemaB dem Testa- 



933 Sklaverei (hellenistisch) Sklaverei (hellenistisch) 934 

ment freizulassen war, ebd. 111 6 a; zwei Sklaven r^nen Sklaven 150 — 50 v. Chr. "kann eine Folge 
III 7; schlieBlich zwei Sklaven III 11. Im west- davon sein, daB die meisten der gehandelten Skla- 
lichen Asien belieB das vorlierrsehende Land- ven sich nach dem Westen, naeh ItaMen nmd Si- 
system ausgedehnter koniglioher Domanen, die zilien, zogen; das lieB das Aulziehen von ein- 
vollauisreichend duroh! Leibeigene bearbeitet wur- geborenen Sklaven in Oriechenland selbst wirt- 
den, wenig wirtsehaftliche Aussichten ftir die Ein- sehaftlich ratsam erscheinen. Die Analyse dieser 
f iihrung von Sklavenarbeit in die Landwirtschaf t Freilassungen durch C a 1 d e r i n i Manomissione 
(Leibeigene in Kleinasien s. Rostovtzeff 408ff. (beschrankt auf die J. 201—50) ergibt fol- 
Rom. Kolonat 246ff.; Anatolian Studies presen- gende Herkunftslander dieser Sklavenzufuhr: 
ted to Ramsay [1923] 368; im Mysien ebd. 373, in 10 47 Sklaven aus Grieehenland nnd den agaiscben 
Phrygien, Bithynien und Pontus Ann. Brit. Sch. Inseln; 46 ans den Balkanlandem nordlieh von 
XXII 12; in Karien, Athen. VI 271 B). In Lydien Griechenland, 10 ans SlidruBland, 37 ans Klein- 
bildeten die paoihxol Xaol den groBten Teil der asien (keiner mehr nach 100 v. Chr.); 55 ans an- 
ackerbautreibenden Bevolkerung (Buckler und deren Teilen des westliohen Asiens einsohlieBlich 
Robinson Sardis VII [1932] 1. SyU. or. 38 Syrem und 4 Juden; 3 aus Agypten; 2 aus 
225, 8. 22. 24. 46); aber die olxhai ol Kaxoixovv- Nordafrika; 6 aus Italien, jedoch keiner mehr 
xsQ h rwi ronooi aus Sardis VII 1, 171, die mit nach dem 2. Jhdt. v. Ohr., vermutlich wegen der 
dem Land verauBert wurden, mogen Sklaven ge- Ausbreitung des romischen Biirgerreehts in Ita- 
wesen sein, die als Teil der Einrichtung des Be- lien wie aueh des groBeren SklavenverschleiBes 
sitzes galten. Die zahlreiche Klasse der leQobovlot 20 im Westen. Aus diesen Tatsachen ist noch der 
an den kleinasiatisehen Tempeln waren, wie der SchluB zu ziehen, daB die Sklavenbewegung von 
Name sagt, Sklaven; aber ihr Abhangigkeitsgrad Westen naeh Osten wahrend der hellenistischen 
war untersehiedlieh, so daB es oft schwer ist, sie Zeit sehr nachlieB. 

von den Leibeigenen oder Klienten zu untersehed- Die Zahl der in hellenistisoher Zeit von einzel- 

den (Bd. VIII S. 1466f.). Die tsQodovXoi beispiels- nen Grieehen der wohUiabenderen Klasse gehal- 

weise, die dem Gott als Musikanten von Anti- tenen Sklaven zeigt entschieden absteigende Ten- 

ochus I. von Kommagene geweiht wurden, soil- denz im Vergleich zu den um 400 v. Chr. wenigen 

ten nicht versklavt werden (SyU. or. 383, 171ff. Lenten zugeschriebenen groBen Sklavenmengen 

fxrjSsvl de oaiov satco fAfjte ^aadsc (xrite bvvaarsi und zu Platens ausdriicklicher AuBerung, daB zu 
(MTjxs leQsi jbirjts olqx^'^'^'' tovrovg IsQodovXovg ... 30 seiner Zeit 50 Sklaven sehon eineii reoht groBen 

avrcot xaxabovXcboaod'ai, fjLYjxs sig sxsqov anoXlo- Bestand bildeten. Die Testamente der Haupter 

xQicboai. des Lykeions in Athen zeigen folgende Zahlen: 

Fur die Lage der Sklaven in Mittelgriechen- Aristoteles mehr als 12 (Diog. Laert. V 12ff.); 

land in hellenistischer Zeit lassen die Freilas- Theophrast 9, von denen 2 spater freigelassen 

sungsinschriften aus Delphi, die die Gewahrung wurden (ebd. 53ff.); Straton 6 oder mehr (ebd. 

der Freiheit durch Scheinverkauf an Apollo be- 63); Lykon, der 3 friihere Sklaven freigelassen 

richten, auBerordentlich wertvoUe Schliisse auf hatte, besaB noch immer ein Dntzend, iiber die er 

Zahl und Herkunft der Sklaven zu (SGDI 1684ff.; in seinem Testament verfiigen konmte. Der Be- 

vgl. Calderini Manomiissione e condizione dei rieht bei Diod. XXX! 6, ein ,sehr reicher Burger 
liberti in Greeia [1908]). Durchsohnittlich wurden 40 aus Abdera hatte nm 170 v. Chr. eine Schar von 

von den Einwohnern von Delphi allein in den 200 Sklaven und Freigelassenen zur Verteidigung 

60 Jahren von 201 — 140 v. Chr. in dieser einen der Stadt stellen konnen, ast nicht unglaubwiir- 

dort vorherrschenden Freilassungsart funf jahr- dig, istimmt aber doeh nicht liberein mit anderen 

lich freigelassen. In den 90 Jahren von 140—50 Zahlenangaben ftir den Besitz Einzelner in die- 

V. Chr. ging der Durchschnitt, wieder nur auf die ser Zeit. In den delphischen Freilassungslisten 

Delphier bezogen, auf ungefahr IV2 ^ J^^^. zu- aus den Jahren 251—50 (SGDI 1684 — 2342) wird 

riiok. Bei bemerkenswert vielen dieser Freilas- vorwiegend jedesmal ein einzelner Sklave frei- 

sungen finden sich Angaben iiber die Herkunft gelassen, daneben sehr haufig zwei Sklaven gleich- 

der Sklaven, namlich daB er aus einer bestimm- zeitig. Die Falle, in denen man drei oder mehr 
ten griechischen Stadt oder au!S fremdem Lajid 50 Sklaven gleichzeitig die Freiheit gab, sehwinden 

(also ein gekaufter Sklave) stammte, oder daB schnell (nur je ein Fall gleichzeitiger Freilas- 

er Eingeborener war (olnoysvi^g oder ivdoysvi^g). sung von 6, 9 und 10 Sklaven; die Hochst- 

Das Verhaltnis der gekauften zu den eingebore- zahl ist 11, s. Calderini Manomissione 206ff. 

nen Sklaven istellt sich fur 344 FaUe wie folgt: mit Anm.), Wiederholte Freilassungen durch den 

201 — 151 V. Chr. kommen ca. 2 gekaufte auf gleichen Besitzer begegnen nur in ganz wenigen 

1 eingeborenen Sklaven, 151 bis ca. 50 v. Chr. Fallen. Auf etwa drei Sklaven als Durchschnitt^s- 

ungefahr 1 gekaufter auf 2 eingeborene S^klaven. eigentum der Einzelfamilie zu sohlieBen, scheint 

Dieser bemerkenswerte Wechsel laBt vermnten, richtig (vgl. die drei Sklaven im Besitz des Koers 

daB die in der griechischen Welt gegen Ende des bei Herond. VIII ed. Grusins-Herzog). Nikome- 
3. Jhdts. wiederauflebende Gewohnheit, Kriegs- 60 des von Bithynien sandte auf die Bitte Delphis 

gefangene zu verkaufen, und dazu die von 30 Sklaven, die dem Dienst des Gottes geweiht 

ca. 225 — 150 ununterbrochene Tatigkeit der ato- werden sollten. 19 von ihnen brauchte man zur 

lischen und kretisohen Seerauber in der Zeit von Wartung der Pferde und des Viehs, 11 verrioh- 

201 — 151 ungewohnlich viele Sklaven auf die teten Tempeldienste und die xsxvai, wohl als 

griechischen Markte warf, was das Vorherrschen Musiker (SyU. or. 345, aus den J. 92 — 74 v. Chr.). 

der vielen gekauften Sklaven erklaren mag. Die liickenhafte 'UberMeferung iiber die wirt- 

Der merkliche Zuwachs in der Zahl der eingebo- schaftliche Verwendung der Sklaven in hellenisti- 



935 Sklayerei (hellenistisch) Sklaverei (hellenistiscli) 936 

scher Zeit zeigt keine wesentliche Veraniderung Sklavin mit Tochter, urspmnglicher Kaufpreis 

in ihren verscMedenen Besohaftigungsartefn; lo- ca. 259 v. Chr. je 200 Dtrac&ien (Pap. Cair. 

kale Erfordernisse in der Wiirtschaftsprodnktion Zen. Ill 59355, 48S.). Die B^lohnnng fur Fang 

bestimmten die cbarakteristischen Abweichnngen und Rtickgabe entlaufener Sklaven zn dieser Zeit 

Griechenlands in der Sklavenverwendung. Auf der in Palastina betrug 100 Drachmen (I 59015 

Insel Kos wurden Sklavinnen, die wohl Haus- verso). Der ungefahr zur gleichen Zeit auf Kos 

arbeit verrichteten, steuerlioh offiziell von den fiir einen Sklaven bezahlte Pteis belief sich auf 

dort tibMcherweise im Weinbau arbeitenden Skla- 3 Minen (Herondas V 21 Crus.) und entspricht 

ven unterschieden (Th. Reinach Inscr. de Tile den agyptischen Preisen. 173 v. Chr. wurde in 
da Cos, Rev. etud. gr. IV 361 f. 369 rol dyoQaCovreg 10 Agypten ein Sklavenmadchen als Nebenbtirg- 

wvav d/LuisXoGtarevvtcov xai xojv yvvaiKsicDv acofj,d- scbaft fiir ein Darlehn von 1200 Drachmen ver- 

tcov). Die Verschiebung der bedeutenden indu- pfandet (Pap. Ham. 28; wahrscheinlieh Kupfer- 

striellein und Handelsmittelpunkte der ostlichen drachmen, also c= 20 Silberdraehmen: Hei- 

Aegaeis vom Mutterland zu neuen Produktions- chelheim Wirtschaftliohe Schwankungen30, 4); 

mittelpunkten des Handwerks (B e 1 o c h GG IV^ der tatsachliche Wert der Sklavin iiberstiog zwei- 

1, 278f. Cambr. Anc. Hist. VII 212) wie Rhodos, fellos die Pfandsumme um ein Vielfaches. Die 

Antiochia, Seleukia und Alexandria, bedingt not- Freilassungspreise in Mittelgriechenland in der 

wendig eine cntspreehende Verminderung im Zeit von 201 — 50 v. Chr. isind duroh unbekannte 

Verhaltnis der Sklaven zur freien Bevolkerung, personliche Faktoren (Verhaltnis zwischen Sklave 
wie es fruher in den iMittelpunkten handwork- 20 und Besitzer) und durch die an die naQafjiovri ge- 

lioher Arbeit in Griechenland selbst bestand. Die knupften Verbindlichkeiten des Preigelassenen 

delphischen Freilassungsinschriften neonen <sel- uniibersichtlich und sohwanken zwisehen 1 und 

ten die Beschaftigungsart des freigelassenen Skla- 20 Minen, jedoch gibt es nur 6 Beispiele von 

ven in der Wirtschaft; aber die Abmachungen Preisen liber 10 Minen fiir die ganze Zeit. Der 

tiber pfliichtgemaB zu kistende Dienste, die in Durchschnitt liegt zwischen 3 und 5 Minen und 

den Paramonebestimmungen erscheinen, zeigen nahert sich istarker dem Losegeldsatz fiir Kriegs- 

klar, daB in den mittelgriechischen Stadten Skla- gefangene in den ostlichen Gebieten als dem 

ven groBtenteils im Haushalt oder in einer be- regularen Marktpreis fur Sklaven. Zwei bekannte 

stimmten Form unmittelbar6n Dienstes ftir dhre Beispiele fur Losegeldor sind die zwischen Deme- 
Besitzer tatig waren i^svdco (juevovoai im Paramone- 30 trios Poliorketes und den Rhodiem 304 v. Chr. 

vertrag SGDI 1767, 11; vgl. 1775, 11). Die sel- (Diod. XX 84, 6) vereinbarten 5 Minen pro Ge- 

ten genannten Sklavenhandwerker arbeiteten tatr fangenen und die gleiche Summe, die man fiir 

sachlich mehr in den Haushaltungen lals in La- romische Kriegsgefangene aus dem hannibali- 

den, ebd. 1904, wo ein freigelassener Junge zu schen Krieg zahlte, die in Griechenland in S. 

einem Walkmiiller in die Lehre soil, um spater lebten und freigelassen wurden (Liv. XXXIV 

im Hause dessen, der ihn freilieB, zu arbeiten 50 aus Polybius, vgl. Plut. Flam. 13). Sehr wahr- 

(vgl. den zum Haushalt gehorenden Wollweber scheinlich lagen die Forderungen fiir Losegeld 

bei Herond. VIII lOff. Crus., und den freigelas- und Freilassung iiber den Marktpreisen fiir Skla- 

senen Sklaven in Thespiai, SyU.s 1208, der als ven. Bei den Freilassungen (Cialderini Mano- 
Freier seine Arbeitsgerate behalten soil). Bine 40 missione 212) ist dies durch die wirtschaftHch 

Frau (avXfjTQig) wird freigelassen (SGDI 1842), starkere Stellung des Freikssemden zu erklaren. 

und weibliche Handwerker, T£;i;r7Ta«, werden2154. Die in den plautinischen Komodien genannten 

2177 erwahnt. Am deutlichsten ist in der griechi- Sklavenpreise in Silberminen sind zweifellos aus 

schen Heimat zu bemerken, daB sich die S. (wohl der grieehischen Nea iibemommen (T. Frank 

die Haushalts-S., s. V. Ehrenberg Griech. Economic Survey of Ancient Rome [1933] 100). 

und hellenist. Staat [1932] 72) auf Orte ausbrei- Sie geben tatsachliche Verkaufspreise von 20 — 

tete, an denen Sklavenverwendung in irgendwie 60 Minen und geforderte Preise von 100 Minen 

betrachtlichem Umfange fiir die friihere Zeit (Plant. Asin. 650f.: Capt. 364. 380, 974; Cure, 

nicht nachwedsbar ist (aUgemeine Sklavenver- 63f.; Epid. 52; Merc. 429ff.: fiir eine Dime wer- 
wendung in dem vorher unentwickelten Gebiet 50 den 100 Minen verlangt; Most. 300. 974. 982; 

der Epiroten, Perhaebier und Athamanen, Polyb. Pers, 662; Pseud. 52). Diese Preise beruhen auf 

XXIII 1). der typologischen komischen tTbertreibung in 

Die fur Sklaven gezahlten Preise zeigen wie in den ^iechischen Originalen und sind als Beleg 

friiherer Zeit je nach den Unterschieden im Alter fur wirkliche Preise so wohl in den grieehischen 

zur Zeit des Kaufes, in technischer und korper- Stadten wie lauch in Rom wertlos. In den Zenon- 

licher Fahigkeit, in personlicher Schonheit (bei Papyri aus dem 3. Jhdt. v. Chr. wird Tyrus als 

Luxussklaven) und in der Marktlage dieselbe wichtigster Ausfuhrhafen fiir syrische Sklaven 

groBe Spanne. Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. er- nach Agypten genannt (Pap. Cair. Zen. I 59093, 

brachten in Agypten Sklaven, hauptsachlich aus 11; vgl. Herond. II 18: Prostituierte wurden nach 
Syrien, folgende Preise: ein siebenjahriges Skla- 60 Tyrus gebracht und nach Kos ausgefiihrt); aber 

venmadohen, Kaufpreis in Birta (Ammonitis) auch andere phonizische Kustenorte nahmen am 

50 Drachmen (Pap. Cair. Zen. I 59003, 5, aus Sklavenhandel teil (Mace. II 18, 11). Im 3. und 

dem J. 259); ein Siklavenjunge 112 Drachmen Anfang des 2. Jhdts. kam Rhodos zweifellos jeder 

(59010, 26 ungefahr 258); ein im Hauran ver- anderen Konfcurrentin im Sklavenhandel gleieh 

kaufter Sklave 150 Drachmen (Pap. Soc. Ital. IV (vanGelder Ge«ch. d. alten Rhodier [1900] 

406, 18f.) und ein ebendort gekauftes Sklaven- 430). Die 18 Grabinsehriften aus Rhodos in IG 

madchen 300 Drachma (ebd. 406, 26); eine XII 1 nennen hauptsachlich eingeborene Sklaven, 



937 Sklaverei (hellenistiscli) Sklaverei (hellenistisch) 938 

syyeveig (Athen. Mitt. XXI 48, 28), aber danach wenn der Sklave freigelassen worden war (s. die 

nahm diese Stadt weder im Sklavenhandel noeh Freilassungsinschriften SGDI 1707, 8. 1708, 19. 

in der Menge der dort verwendeten Sklaven eine 1716, 6 usw.). Der Herr konnte Sklavinnen weiter 

Sond>erstelluiig ein. Byzanz konnte dank seiner als Prostituierte Geld verdienen lassen, wie der 

Lage aus dem Sklavenhandel von den Landern Fall der Harfenspielerin Habrotonon bed Menan- 

am Schwarzen Meer her Nutzen ziehen und ihn der zeigt (Epitrep. 341 in Kortes ed. mai.). Der 

beherrschen (Polyb. IV 38, Iff.); Tanais war der Herr hat nicht das gesetzMche Recht iiber Leben 

nordliche Sammelpunkt fiir Sklaven aus SiidruB- und Tod seines Sklaven. Mit der Drohnng, den 

land (Strab. XI 2, 3). tlber Kolohis als vermut- Sklaven Daos zu verbrennen (Fragment aus der 

liche Herkunft vieler der als iSkythen bezeichne- 10 Nia, Pap. Oxy. VI 855 col. II, moglicherweise 

ten Sklaven s. Ramsay Asianic Elements in Menander) war Lynchjustiz gemeint, nicht eine 

Greek Civilization [1927] 120. Nikaea und Niko- gesetzlich gestattete Strafe (vgl. Aristoph. Thesm. 

medien waren die Ausfuhrhafeni ftir die Sklaven 726ff., wo der zur Verbrennung Bestimmte ein 

aus Bithynien, Sinope, Amisus und Trapezunt Preier war). Das Recht des Sklaven auf eigenen 

fiir die aus Kappadokien (119 und Anm. 2). Die Besitz, das im alteren attischen Gesetz fiir die 

Hypothese von der Konzentration des Sklaven- x^q'^? oiKovvxeg und in gewisser Weise auch fiir 

handels in der Aegaeis auf Delos in dem Jahr- die Haushaltsklaven voU anerkannt worden war, 

hundert nach 146 v. Chr. geht auf eine Bemer- blieb welter in Kraft (in Athen: Menand. Epitrep. 

kung Strabos (XIV 5, 2) zuriick, nach der dort an II 70; T a u b e n s c h 1 a g Ztschr. f. Rechtsgesch. 

einem einzigen Tage 10000 Sklaven verfligbar 20 XLVI 70. Im Reich von Pergamon: Syll. or. 483, 

waren; sie wird durch den Bericht tiber eine Skla- 175 a)v [xev av sxv otsQsod'co, s. H i t z i g Ztschr. 

venre volte auf Delos vermutliich 130 v. Chr. ge- Sav.-Stift. XXVI 446). Die fruheren griechischen 

stiitzt (Diod. XXXIV 2, 19. Ores. V 9; die delisSie Unterscheidungen bei kleineren Strafen zwischen 

Inschrift Bull. hell. XXXVIII 250f ., 3. Jhdt. Freien und Sklaven — einfaehe GeldbuBe fiir den 

V. Chr., zeigt, daB der Sklavenhandel in Delos Freien, Auspeitschen und doppelte GeldbuBe fiir 

begann, ehe die Insel Freihafen wurde). Gleich- den Sklaven — blieb in den griechischen Stadt- 

laufend mit der aUgemeinen Bntwicklung der staaten bestehen und wurde in! die Gesetzbticher 

Handelsmoglichkeiten, die die hellenistische Zeit des heUenistischen Agyptens und Westasiems iiber- 

kennzeichnet, drangte sich das Verkaufsgesehaft nommen. Pap. Hal. 1, 188ff. verhangt fiir korper- 

einschlieBlioh des Sklavenverkauf s an besonderen 30 liche Bedrohung mit Waffengewialt durch einen 

Punkten auf den Markten der griechischen Han- Freien eine GeldbuBe von 100 Drachmen fiir die- 

delsstadte zusammen (?ivxXog nach dem Bericht sen, durch einen Sklaven mi-ndestens 100 Hiebe 

Hesychs; PoU. VII 11 nvnloi iv xfj vea Hco(A,q>8lq. (ftir tatliches Unreoht eines Sklaven mindestens 

Tialovvtai iv olg sniuiQaoKovxai xa dvdQaTcoda Itocog 100 Streiche, ebd. 196f.; vgl. J. Partsch, Arch. 

Hal xa Xoma cbvia). f. Pap. VI 68; in Pergamon 150 Streiche und 

Das in der Antike herrschende Gesetz gegen 10 Tage Block fur Sklaven: Syll.or.483,180ff.; Be- 

die Verwendung von Sklaven als Krieger bestand strafung von Sklaven fiir gottloses Verhalten beim 

in den Staaten des Hellenismus welter (entlau- Ceresfest auf Syros, Syll.^ 680, 2ff.; auf Rhodes: 

fene Sklaven, die sich betrugerischerweise als IG XII 1,1). Die strengen Strafen, die uber Skla- 

Ruderer batten anheuern lassen, wurden von dem 40 ven verhangt werden konnten, wurden weiter als 

Nesiarchen der Inselflotte ihren Eigentiimern zu- Unterscheidungsmerkmal gegeniiber den Freien 

riickgegeben Syll. or. 773, 3f., ca. 287 v. Chr.; vgl. bezeichnet, wie bei der Folterung der Burger von 

das Anheuern aUer verfugbaren Metoken, Prie- Argos durch den Tyrann Nabis (Liv. XXXII38, 8: 

ster, Freigelassenen und Fremden, nicht aber der in servilem modum lacerati atque extorti', vgl. 

Sklaven Syll.3 742, 45 zur Zeit des Abfalls der Polyb. XIII 7, 6ff.). Im Vergleich zur frtiheren 

Stadt Ephesus von Mithri dates VI.). Sklaven attischen Gesetzgebung verminderte sich der ge- 

konnten als Nichtkampfer mit dem Heer zusam- setzliche Sohutz der Sklaven im Recht des ptole- 

menwirken, wie Ps.-Aristoteles oec. 1352 b be- maischen Agyptens, denn die jroAtTtp^ot *'oVo«Alex- 

richtet: danach verwendete Antimenes .aus Rho- andriens lieBen SchutzmaBnahmen ftir Sklaven 

dos Sklaven aus Privatbesitz, die er hatte aus- 50 gegen auf sie durch Freie venibte v^Qcg-Belikte 

heben lassen, hauptsachlich fiir Frondienste in- vermissen (P. Hal. 1, 115f., lin Dikaiomata, «. J. 

ner- und auBerhalb des Lagers. An der rechtlichen Partsch Arch, f . Pap. VI 35f .). Hingegen wur- 

Stellung des Sklaven als Eigentum anderten die den Gesetze in groBem Umfange erlassen, und 

griechischen Stadtstaaten nichts (SyU. or. 218, zwar scharfer gefaBt und mehr auf Einzelheiten 

60fE. 110, au^ Ilion 280 v. Chr.: Sklaven waren eingehend als die im 5. und 4. Jhdt. bestehenden. 

als Besitz eingetragen und konnten beschlagnahmt Diese Entwioklung hangt mehr mit dem allge- 

werden). Der Eigenttimer hatte immer noch das meinen Streben nach geregelter Gesetzeskodifizie- 

uneingeschrankte Recht, den Sklaven zu jeder be- rung, die kennzeichnend ftir die gut durehorgani- 

liebigen Arbeit zu verwenden, ihn zu verkaufen sierten heUenistischen Monarchien ist, als mit 

oder zu verpfanden oder ihn im Dienste anderer 60 einem Anwachsen der Sklaven im Verhaltnis zu 

ftir seine eigene Tasche arbeiten zu lassen. Das den Freien oder gar mit wachsender Bedeutung 

Recht des Besitzers auf korperliehe Bestrafung der S. tiberhaupt zusanamen. Die Itickenhaften 

bestand unvermindert weiter (Ps.-Aristot. oec. Ausztige aus einer allgemeinen Sammlung von 

1344 a: die drei Elemente, die das Leben eines Verftigungen, die Sklaven betreffen. Pap. Lille 29 

Sklaven ausmachen, sind Arbeit, Strafe, Essen, (= M i 1 1 e i s - W i 1 c k e n Grundz. II 2, 369, 

s. u. S. 941) und wurde dem frtiheren Besitzer ^axa xovg v6/Liovg xovg nsQi xcov olxexcov bvxag col. 

oft weiter wahrend der Paramone zugebilligt, I lOf.) enthalten Vorschriften tiber Gerichtsver- 



939 Sklaverei (hellenistisch) Sklaverei (hellenistisch) 940 

fahren und Strafen bei Sklavenvorgehen. Nou ist gebung fiber dies Thema beweist (Vertrag zwi- 
fur das griechisehe Gesetz die Vorschrift, <laB soben Eupolemus und der Stadt Theangela in 
gegen einen Skkven wie g^gen einen Freien das Karien 315-14 v. Ohr. mit Vorschrift Mr die 
Verfahren eroffoet werden konnte; der Sklaven- Riickgabe von Sklaven an Eupolemus zusammen 
besitzer spielte in einem .solchen Verfahren keine mit Freien und Soldnern, die aus ihm gehorenden 
Rolle. Wurde der Sklave verurteilt, konnte der Gebieten nach Theangala geflohen waren, Inschr. 
Besitzer eine noehmalig^ Verhandlung beantra- in Rev. et anc. XXXHI 8, Z. lOff.; vgl. S. 15f.). 
gen, muBte jedoch, falls er den ProzeB vorlor, eine Mit Ausnahme der Tempel, die das Asylrecht 
schwerere Strafe auf sich nehmen; andererseits batten, wurde die Aufnahme flliehtiger Sklaven 
folgte man auoh dem alteren grieehisch^n Verfah- 10 mit Auslieferung des Sklaven zuzuglich einer an 
ren, indem man die Klage gleich von Anfang an den Sklavenbesitzer zu zahlenden Bu6e als Scha- 
gegen den Sklavenbesitzer selbst anstrengte (ebd. denersatz (Syll.s II 736, 82) und mit einer Geld- 
col. II). Wahlte man diese Form des Prozesses, strafe, die der Staat bekam, bestraft (Pap. Par. 
konnte man gegen den Sklavenbesiitzer auf zwei 10 =: UPZ 221 mit Wilckens einfuhrenden 
Arten vorgehen: entweder nur als Eigentiimer Erlauterungen). In hellenistischer Zeit entwickelte 
des Sklaven oder als Anstifter und Mitschul- sich zur Wiedererlangung entlaufener Sklaven ein 
d i g e r der Tat unter verbrecherischer Mitwis- festes System; es beste^nd im offentlichen Anschlag 
serschaft (s. E. B e r n e k e r fit. de Pap. 11 [1933] ihrer Steckbriefe und Aussetzung einer festen Be- 
62ff.; vgl. P a r ts ch Arch. f. Pap. VI 72f.). We- lohnung fiir Angaben an den Besitzer oder dessen 
gen ahnlich^r Verfahren geigen den Sklaven direkt 20 Agenten, wo der Sklave zu finden sei (Pap. Cair. 
als unabhangigen Gesehaftstrager oder gegen den Zen. I 59015 verso, ca. 258 v. Ghr.). Man gab 
Herrn als Anstifter der Tat oder Mitwisser der genaue Beschreibungen des Sklaven, slxovsg, so- 
Schuld s. das Gesetz der dorvv6/^ot von Pergamon, wohl fur die Entdeckung und Wiederergreifung 
Syll. or. 483, 175fE. (Verbrechen, das f^sra oder als auch zum Zweck der Identifizierung bei ihrer 
dvev XYjg xov xvqIov yvcjbfj,rjg begangen ist). Die Riicbkehr (ebd. 20; UPZ 221, 4ff. u. 19f.). 
friiheren griechisehen Binschrankungen bei Zeug- Das Weltbiirgertum des Hellenismus anderte 
niseinholung von Sklaven allein mit Binwilligung die rassische Bedeutung d^s Wortes Hellene in 
des Besitzers wurden im ptolemaisch-agyptischen eine kulturelle und bezeichnete als Hellenen die, 
ProzeBrecht geandert. Hier wurde das Recht der welohe durch Fahigkeit und Erziehung am hel- 
Entscheidung uber die Anwendung der Baston- 30 lenistischen Geist teilhatten (Erastosth. bei Plut. 
nade dem Eigentiimer genommen und dem Ge- de fort. Alex. I 6; vgl. Schwartz Rh. Mus. XL 
richt tibergeben, aber nur gebraucht, wenn in 252ff.). Dieser Wandel, erganzt durch den Aus- 
einem Fall das durch Urkunden beglaubigte Zeug- gleich der Klassenunterschiede wahrend der ab- 
nis nicht beweiskraftig war (Pap. Lille 29 I 21ff.). solutistischen Herrschaft der hellenistischen Mon- 
Ein koniglicher ErlaB der Ptolemaer aus dem archien, erklart die Mogliehkeit, daB ein konig- 
3. Jbdt. verbot die Ausfuhr von Sklaven (i^aycoyrj, licher Sklave aus dem Haushalt der Seleukiden, 
ebd. I 13f.). Diodotos, es wagen konnte, die konigliche Macht 
Die Steuereinkiinfte, die die hellenistischen im syrischen Reich zu usurpieren, und zeitweilig 
Staaten aus den Sklaven erhielten, zog man naoh sogar anerkannt wurde (Appian. Syr. 68). Das 
Art der alteren griechisehen Praxis mehr durch 40 Nachlassen der Klassenunterschiede spiegelt sich 
indirekte als durch direkteBesteuerung ein, haupt- auch in einer neuen philosophischen Haltung ge- 
sachlich durch die auf Verkauf und Freilassung gen die S. wider. Diese kehrte sich ab von der 
gelegte Steuer, und ohne seine Zuflucht zu einer rassengenetischen Betrachtungsweise, wie sie noch 
direkten Besitzsteuer zu nehmen. Die Verkaufs- fur Aristoteles charakteristisch war, zeigte ein 
steuer fur Sklaven ischwankte im ptolemaischen bemerkenswertes Interesse fiir menschliche Be- 
Agypten um 200 v. Chr. je nach der Art des Ver- handlung der Sklaven und legte deutlich das 
kaufs, sie betrug aber im allgemeinen ungefahr Hauptgewicht auf die Art der Behandlung, die 
20 o/o des Wertes (s. den Abschnitt iiber die Skla- die beste wirtschaftliche Gegenleistung hervor- 
vensteuer aus einem umfassenden dcdyQafj,fA,a rwv bringen wiirde. Epikur riet seinen Anhangern, 
dvbQanodoiv bei Westermann Upon Slavery 50 Sklaven nicht zu bestrafen, sondem isie zu bemit- 
in Ptolemaic Egypt). Es ist allgemein anerkannt, leiden (Diog. Laert. X 118, zu lesen ov be xoXdoeiv 
daB diese Steuer auf Sklavenverkaufe in Agypten oiKexag), Die Theorie der Stoiker von der Gleich- 
griechische Neuerung war (ebd. 37. P a r t s c h heit aller Menschen vor dem allgemeinen Welt- 
Festschrift f . 0. Lenel 79. Rostovtzeff Yale gesetz braehte als logisohe Folgerung eine Besei- 
Class. Studies III 67). Dasselbe trifft vermutlich tigung der sozialen Schranken mit sich, die Freie 
auch fur das avb^anobiKov der Seleukiden zu, die vonUnfreiem schieden. Zenon vonKition wiinschte, 
mehr als Steuer lauf Verkauf als auf Besitz gedeu- als er krank war, ebenso wie ein Sklave behandelt 
tet wird (ebd. 65; vgl. SanNicolo Agypt. Ver- zu werden (Stoic, frg. I 287). Die vorsichtige 
einswesen [1915] 92). Fiir weitere Beispiele der Feststellung Zellers (PhiL d. Gr. Ill 301), 
Besteuerung deis Besitzwechsels von Sklaven s. 60 die friihen Stoiker batten gelehrt, S. ware un- 
eine Inschrift aus Kos in Rev. et. gr. IV 36 If., gerecht, ist stark uberschatzt worden. Ihr Inter- 
Zeile 9; vgl. S. 369 und die SteuerermaBigungen, esse beschrankte sich, wie Chrysipp am besten 
die den Neubiirgern von Teos zugebilligt wurden, darlegt, auf eine genaue Dej&nition von S. und 
Athen. Mitt. XVI 292, Z. llf. Sklavenflucht, ein- Freiheit (Stoic.' frg. Ill 352). Der Nichtweise ist 
zeln und in Massen, kam zweifellos oft vor, wenn Sklave, well ihm die Fahigkeit des selbstandigen 
Erieg oder innere IJnruhen gunstige Gelegenheit Handelns fehlt; dies ist eine Eigenschaft des 
dazu boten, wie die zufallig erhaltene Gesetz- Weisen, der durch ihren Besitz frei ist (eXsv&sQiav 



941 Sklaverei (hellenistiscli) Sklaverei (hellenistisch) 942 

s^ovolav avrojiQayiag, rrjv de bovXslav orsQtjcfiv schaft als ibeschrankt auf gefaBt (W i 1 c k e n UPZ 

avroTtgaylag ebd. Ill 355; vgl. 360). Diese vollige I S. 571). tTber das Zufluchtsrecht der Sklaven im 

Hinnahme des Sklavensystems und die Gleich- Tempel der Artemis von Ephesus s. Cic. Verr. I 

gtiltigkeit gegeniiber dem Problem seiner Ent- 33, 35 nnd vgl. das dem Tempel von Anidania in 

stehnng zeigt sich auch an einem Ausspruch Phi- Messene auf Grund ortlicher religioser Vereinba- 

lemons, alle Menschen ,seien frei von Natur, aber rungen zustehende Recht, fltichtige Sklaven zu 

einige seien durch mensohliohe Habgier in Skla- beherbergen ((pvyt,(A,ov sI(a,sv xdlg dovXoig, Syll.^ 

ven verwandelt worden (FCA 95), ferner in der 736, 80fE., 92/91 v. Ohr., wobei die Machtvollkom- 

rein praktischen Erorterung des Sklaven als menheit dies Tempels fast als ein letztes BoUwerk 
notigstes und wesentlicbstes aller Besitztumer bei 10 gegen private Beherbergung fliichtiger Sklaven, 

Bs.-Aristot. oec. 1 1344^b. Hier werdenzweiArten die ja mit Geldstrafen belegt war, erscheint). 

Sklaven untersehieden: die als Aufseher arbeiten- tJber die allgemeinen Einsehrankungen des Hel- 

den, die sorgfaltig auiszubilden sind, und die lenismus hinsichtlich des Sklavenasylrechts s. 

eigentlichen Arbeiter (mixQonog xal eQyarrjg ebd. Phil, de virtut. 124; hier erseheint das Tempel- 

1344 la). Das Leben eines Sklaven besteht nach recht darauf begren'zt, solange Schutz zu gewah- 

dieser Abhandlung aus Arbeit, Strafe und Essen, ren, bis der Sklave isiich mit iseinem Besitzer ver- 

und zwar soil das letztgenannte der Bezahlung sohnt hatte oder — als letzter Ausweg — verkauft 

freier Arbeiter entsprechen. Diese drei Erforder- war. Bei den hellenistisehen Juden hatten die 

nisse soUen den Sklaven in solchem MaBe zukom- Sklaven in jedem Tempel, am Ator oder Herd 
men, daB ihre Arbeitskraft nicht leidet. Sklaven 20 jedes jiidischen Hausbalts Recht auf Schutz (Phil, 

sollen aber nicht nur bestraft, sondern auch be- de somn. II 294ff., wahrscheinlich beschrankte 

lohnt werden. Es ist vorteilhaft, ihnen als letztes sich dies aber nur auf jiidische Glaubensgenossen, 

Ziel die Preiheit zu setzen und ihnen zu gestatten, s. Goodenough Jewish Jurisprudence in 

zu heiraten und Kinder zu haben, um sie an ihren Egypt [1929] 53. 221). Tatowieren oder Brand- 

Dienst zu binden (ebd, 1344 b del 8s Ttal s^o(a,yj- marken, das nur (selten bei Sklaven im Besitz von 

Qsveiv tEKvonodaig, ohne die wirtschaftliche Rtick- Griechen im 4. und 5. Jhdt. vorkam (Platon woUte 

wirkung des Aufziehens von Sklaven im Hause zu leg. IX 854 D Sklaven flir Tempelschandung durch 

erwagen). Menander tibernahm^ wenn er Sklaven Brandmarken bestrafen, was voraussetzt, dafi sie 

auftreten lieB, in der Nsa die literarisch schon fiir gewohnlich nicht gebrandmarkt wurden), war 
durch Aristophanes und die Meovj festgelegten 30 auch bei der griechisohen Bevolkerung der 6®t- 

und bekannten vier Standardtypen: den Sklaven lichen hellenistisehen Gebiete nicht allgemein 

vom Lande, den klugen, den treuen und den Hans- iiblich, ausgenommen als StrafmaBnahme gegen 

wurst (C. Lang er De servi persona [Bonn 1919] fluchtige Sklaven (Tatowieren war im ptolemai- 

48ff.). Die Tatsache, daB Menander einige seiner schen Agypten durch koniglichen ErlaB verboten, 

Sklavengestalten individualisierte und manehen, Pap. Lille 29, 13f., aber man griff als Strafe dar- 

wie Daos im Heros, genau so bewundemswiirdige auf zuriiok, ebd. 33ff. on^drco to ^stco[:n;ov oyg to 

moralische Eigenschaften wie seinen freien Ko- diajy^a/bcfia dyoQsv[si . . .]). In Babylonien war 

modienfiguren gab (A. K o r t e Hellenistische Tatowieren als Zeichen des Besitzes immer ge- 

Dichtung 42), ist eine Folge seines Glaubens an brauchlich gewesen (Mendelsohn Legal 
den menschlichen Charakter als wirkende Kraft 40 Aspects of Slavery [1932] 33f.), Es war in neu- 

im Leben (Menand. Epitrep. 552ff. Korte) und babylonischer Zeit in weitem Umfang iiblich 

seines .starken Interesses an Charakterbeschrei- (Dougherty Yale Orient. Stud. VI 11, 87f.), 

bung iiberhaupt, weniger dagegen eine Folge star- und war vermutlieh alien Volkern semitischer Kul- 

kerer Anerkennung menschlicher Eigenschaften tur gemeinsam (ein agyptischer Sklave im Besitz 

im Sklaven, die als besonderes Merkmal des Hel- einer Jiidin in Elephantine im spaten 5. Jhdt. war 

lenismus gelten kann. mit dem aramaisehen Buchstaben Jod gezeichnet, 

Jeder grieohische Tempel hatte schon von sich s. Cowley Aramaic Papyri 28). Im Pap. Par, 

aus eine gewisse Schutzherrschaft uber seine 10, 8f. (=: UPZ I 121) wird ein fluchtiger Sklave 

Bittflehenden (Wilcken Arch. f. Pap. VI 419; aus Bambyke in Syrien mit zwei fremdlandisehen 
UPZ I S. 571). die — handelte es sich um Freie 50 Buchstaben auf der rechten Hand tatowiert^ be- 

— ■ bei bestimmten Tempeln zum vollstandigen sohrieben. Er war sicherlich von einem Vorbesitzer 

Asylrecht werden und den einzelnen sogar gegen verkauft worden und trug daher dessen Zeichen 

die Staatsgewalt schtitzen konnte. Suchten jedoch (oder es waren dies vielleieht die Initialen der 

Sklaven Schutz, war die Autoritat der Tempel- Gotter von Bambyke, denen der Sklave sich selbst 

priester nicht so unumschrankt (Wilcken ebd.). geweiht hatte, s. Wilcken UPZ S. 574). Eine 

Dies ist durch die Doppelnatur des isehutzflehen- genauere Beachtung der Feiertage und Vergnii- 

desn Sklaven zu erklaren: als Privateigentum — gungen fiir Sklaven als bei freien Leuten wird 

das Recht des Besitzers durfte nicht angetastet vom Verfasser des ps.-aristotelischen oec. I 1344 b 

werden — und als menschliches Wesen. Gewisse empfohlen. In Alexandrien waren die Choen des 
Tempel und Altare hatten fur Sklaven besondere 60 Orestes eine Festlichkeit, die besonders fur Skla- 

Bedeutung, wie z. B. das Hereon des Sklaven- ven gedaeht war (Kallim. ait. in Pap. Oxy. XI 

fiihrers Drimaehus auf Chios, das fiir Sklaven und 1362 col. I If. Sehol. Hesiod. op. 368). Bezeich- 

Herren gleichheilig war (Athen. VI 90). InAgyp- nend fiir das lallmahliche Fallen der Schranken 

ten wird der Tempelschutz in einer Bekannt- zwisohen Freien und SMaven ist das Anwachsen 

machung iiber zwei entlaufene Sklaven als zeit- sozialer Organisationen in hellenistischer Zeit, die 

lich begrenzt (Pap. Par, 10 = UPZ I 121, 156 ausschlieBlich aus Sklaven bestanden, wie der 

V. Ohr.) und das Entscheidungsrecht der Priester- s^avog, der im 3. Jhdt. v. Ohr, in Zusammenhang 



943 Sklaverei (hellenistisch) Sklaverei (rom. Eepublik) 944 

mit der Verehrumg des Men Tyrannos (IG III 74) Provinz Asien, auf Delos und im Bergwerksgebiet 

gegriindet wurde, und die Gemeinschaft der Aidg von Laurion in Attika 131-30 v. Chr. eher be- 

^Ata^vQiaoml (s. Bd. II S. 1886) auf Rhodes, die starkt als widerlegt (Died. XXXIV 2, 19. 3. Ores, 

aus Sklaven der Stadt bestand (IG XII 1, 31. V9. Ferguson Klio VII 238). Diese sind als 

Poland Gr. Vereinswesen 328f.; vgl. das zu Echo der groBen Sklavenrevolten des Westens, 

Ehren des Sklavenfuhrers und -wohltaters Dri- auf Sizilien und in Italien zu betrachten, mit denen 

machus aufgestellte Hereon auf Chios, das von sie auch von Diodor und Orosius (Ferguson 

Sklaven besucht wurde, Athen. VT 89). Bezeich- Hellenistic Athens [1911] 378f.) richtig in Be- 

nender fur diesen AusgleichsprozeB sind die Ge- ziehung gebracht werden. Die 1000 aufstandi- 

seUschaften, in denen Unfreie zugleich mit freien 10 schen Sklaven in Attika wurden von dem atheni- 

Mitgliedern erscheinen, obwohl diese Sklaven ge- schen General Heraklit prompt niedergeworfen, 

wohnlich Staatssklaven waren und mit gewissen die delischen Sklaven von der freien Bevolkerung 

Wurden ausgest^ttet sind (vom Piraus IG II 5, der Insel ohne Untersttitzung aus Athen (Ores. V 

626 b; in Knidos SGDI III 3510; ein sozialer Klub 9, oppidanis praevenientihus oppressi sunt). In 

aus dem ptolemaischen Agypten, bei dem die dem von Nymphodor (Athen. VI 90) beriehteten, 

Namen der Mitglieder auf niedere Freie oder schon zitierten Aufstand auf Chios unter Dri- 

Sklaven hindeuten, Edgar Raccolta Lumbroso machus waren die Beziehungen zwisehen dem 

[1925] 369ff.; vgl. Pap. Tebt. I 224). Eine In- Lager derAufstandisehen und ihren Herren durch- 

schrift aus Philadelphia an der lydisch-phrygi- aus freundsehaftlich, und das Hereon des Skla- 

schen Grenze Anfang des 1. Jhdts. v. Chr., die 20 venftihrers erlangte spater fiir die einheimische 

Kultvorschriften fiir ein Privatheiligtum nennt, Sklavenbevolkerung und fiir ihre Herren die glei- 

gewahrt Freien oder Sklaven beider Geschlechter che Heiligkeit, und zwar fiir diese als Orakel fiir 

Zutritt zum Altar (Syll.^ 985, 5f., 15f.). Der etwaige Sklavenverschworungen. Ein Vergleich 

Griinder beabsichtigte eine sittliche Richtschnur dieser Revolten mit den sich lange hinziehenden 

fiir das Eheleben zu geben, die sich eng an das Sklavenaufstanden im Westen und der dort von 

stoische Ideal der Ehe als einer Einrichtung an- beiden Seiten geiibten Grausamkeit beweist zur 

sohloB, die zur Lebensgemeinschaft umd Kinder- Geniige, da6 die in den westlichen Gebieten in 

erziehung fiihren sollte (Weinreich S.-Ber. groBem MaBstab entfaltete Pflanzer- und Vieh- 

Akad. Heidelb. X 16, 60). Die sittlichen Voraus- zucht-S. Anderungen mit sich brachte, die die 

setzungen fur die Zulassung der Andachtigen sind 30 Gesamthaltung der Mittelmeerwelt gegen die Skla- 

fiir Freie und Unfreie gleich, und der Verkehr ven zwei Jahrhunderte lang beeinfluBte und dem 

eines Verheirateten mit einer verheirateten Skla- Sklavensystem eine neue wirtschaftliche und so- 

vin wird fiir den Mann als Befleekung betrachtet, ziale Bedeutung verlieh. 

ebenso der Verkehr mit einer verheirateten Freien S. im Westen in der Zeit der Re- 

(Syll.3 985, 25ff.). Bezeiohnend fiir die damalige publik. Die "Dberzeugung der romischen Juri- 

Haltung gegeniiber der Geschlechtsmoral der Skla- sten, daB S. eine Einrichtung des ius gentium, 

vinnen ist, daB die gesellschaftlichen Vorschriften also aUen Volkern gemeinsam sei (obwohl nicht 

fiir eine freie Matrone nicht fiir eine verheiratete in Ubereinstimmung stehend mit den Natur- 

Sklavin gelten (ebd. 35ff.) und daB der Verkehr gesetzen Inst. lust. I 3), spricht ihre Annahme 

mit einem unverheirateten Sklavenmadchen er- 40 aus, daB der Branch, Kriegsgefangene und Ge- 

lauibt war (Kroll Ztschr. f. Sexualwiss. XVII fangene aus Nachbarstammen zu Sklaven zu 

147). Der im ostlichen Mittelmeergebiet sich voll- machen, sowohl von den Romern als auch von 

ziehende AusgleichprozeB, der seiner Kultur den den andern Volkern des westlichen Mittelmeer- 

Stempel des Weltburgertums aufdriickte, wurde gebietes von friih an geiibt wurde. Obwohl man 

zweifellos bis zu einem gewissen Grade durch die der Erzahlung von der Griindung der Stadt Locri 

Einfiihrung westasiatischer Sklaven in dieAegaeis in Unteritalien durch Sklaven, die von frei- 

unterstiitzt. So fand die bei Sklaven besonders geborenen Spartanerinnen begleitet waren, keinen 

populare Verehrung deis phrygischen^ Gottes Men Glauben zu schenken braucht (Polyb. XII 5 — 10 

ihren Weg nach Athen im 3. Jhdt. v. Chr. (IG II ist zweifellos im Irrtum, wenn er in diesem Punkt 

5, 1328 c; vgl. Perdrizet Bull. hell. XX 75), 50 Aristoteles und Theophrast dem Zeugnis des Ti- 

und in Phystium in Atolien wurde der Kult der maeus entgegenstellt, Bd. XIII S. 1314), so miis- 

syrischen Atargatis wohl auch von syrisohen sen doch sowohl griechische wie phoinikische 

Sklaven eingefiihrt (s. die Freilassung durch Ver- Kolonisten in der Zeit von 750 — 550 diese Art 

kauf an die lA(pQodim SvQla an romischer Zeit, der Verwendung von Sklaven mit nach Westen 

IG IX 417). gebracht haben, ebenso wie die Art, sich Sklaven 

Obschon standig einzelne Falle vonRohheit und zu verschaffen, mit der sie in ihrem Heimatland 

Ungerechtigkeit der Besitzer gegen ihre Sklaven genau bekannt gewesen waren. In der Zeit nach 

vorkommen konnten — das findet sich in der S. dem ionischen Aufstand wurden griechische See- 

aller Zeiten — (Mordversuch zweier Thebaner an rauberpraktiken einschlieBlich des Verkaufs Ge- 

einem Sklaven, der Mitwisser eines von ihnen 60 fangener in die Sklaverei im Westen geiibt durch 

begangenen Mordes war, Liv. XXXIII 28), ge- einen Fliichtling aus Phocaea namens Dionysius, 

winnt man nach den Quellen im allgemeinen den der seine Angriffe gegen Karthager und Etrusker 

Eindruck, daB die S. der hellenistischen Zeit we- richtete, jedoch davon abstand, Griechen anzu- 

der am Igaischen Meer und in der griechischen greifen (Herodot. VI 17). Der Verkauf in die 

Heimat noch in den eroberten Gebieten des Nahen S., den Gelon von Syrakus an den armeren Be- 

Ostens grausam oder unmenschlich war. Dieser wohnern des hyblaischen Megara vornahm unter 

Eindruck wird durch die Sklavenrevolten in der der Bedingung, daB sie Sizilien verlassen, ist 



945 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Kepublik) 946 

ebenfalls gut belegt (ebd. VII 156 Verkauf en' gischen Staat zwecks Verwendung im Seedienst 

iSaycoy^ in 2iHsXlag, well er dem Demos nicht bei Appian. Lib. 9; im J. 202 v. Chr. Rtickkehr 

traute. Vgl. das Vorgehen des Theron von Acra- romischer Gefangener, die man in Nordafrika als 

gas, der 300 Sklaven aus Selinus bewaffnete, wie Sklaven arbeitend gefunden hatte ebd. 54. DaB 

Polyain. I 28 berichtet). Der Bericht des Dio- die Karthager am Sklavenhandel des Westens 

dor XI 25, 2, dafi Gelon nach der Schlacht bei lebhaften Anteil hatten, geht hervor aus Ps.- 

Himera den sizilischen Kontingenten karthagische Aristot. mirab. ausc. 88, wo die Kaufleute, denen 

Gefangene als Sklaven zugewiesen habe entspre- die Balearen Sklaven tibergeben, wahrscheinlich 

chend der Anzahl Soldaten, die jeder gestellt Karthager sind, und aus einer Bestimmung des 
habe, ist glaubhaft; in Rhetorenweise iibertrieben 10 zweiten Vertrages zwischen Karthago und Rom 

jedoch sind die Zahlen, wenn er angibt, da6 ein- (Polyb. Ill 24, 5ff.), die verbietet, daB die Kar- 

zelne Bewohner von Agrigent je 500 Sklaven er- thager auf romischem Gebiet Sklaven verkaufen, 

hielten, und in iibertriebenem Nationalstolz hin- wenn diese aus irgendeinem Land stammen, mit 

zufiigt, daB ganz Libyen von der Insel Sizilien dem Rom im Biindnis steht. Die lange festgehal- 

unterjocht worden sei (ebd. XI 25, 5). Dieser Vor- tene Anschauung, dafi die Karthager ihre Sklaven 

gang kennzeichnet jedoch die in groBerem Um- auf den Feldern truppweise gefesselt arbeiten 

fang einsetzende Versklavung von Kriegsgefange- lieBen, hat vom Niitzlichkeitsstandpunkt gesehen 

nen, die zur Zeit des Machtaufstiegs von Diony- wenig ftir sich; zum mindesten war dies nicht 

sios I. ein bezeichnender Zug flir die Lage im allgemein getibter Branch. Diese Annahme hatte 
westlichen Mittelmeergebiet wurde. Wahrend der 20 sich auf zwei Stellen gesttitzt; eine bezieht sich 

Belagerung von Syrakus durch die Athener brach auf die Ketten, die die Karthager bereit machten 

ein Aufstand des hartbedriickten Volkes gegen zum Fesseln der Kriegsgefangenen, die sie zu er- 

seine Fiihrer aus, in den auch die in der Stadt beuten hofften (Diod. XX 13, 2); die anderestellt 

vorhandenen Sklaven verwickelt wurden, die fiir einen besonderen Straffall dar, indem gefangene 

sich voile Btirgerrechte forderten (Polyain. I 43. Krieger des Agathokles in Ketten gelegt werden 

Thuk. VI 103, 4 erwahnt die Teilnahme der Skla- auf Betreiben der um Karthago ansassigen Be- 

ven nicht). Obwohl die meisten von diesen Skla- wohner, deren Gebiet sie verwiistet hatten (ebd. 

ven durch eine List dazu bewogen wurden, zu XX 69, 5). Es liegt auch wenig Grund vor zu der 

ihren Herrn zurtickzukehren, und nur 300 zu den Annahme, daB die Karthager gegen ihre Sklaven 
Athenern iibergingen, ist diese Sklavenbewegung 30 grausamer waren als andere Volker (s. G s e 1 1 

bedeutsam als ein friihes Zeichen ftir die Ent- IV 173). Karthagische Sklaven konnten, ebenso 

wicklung der westlichen S., die sich in Erschei- wie die im hellenistischen Griechenland und Apu- 

nungsform und Ergebnis durchaus unterscheidet lien, eine gesetzmaBige Ehe eingehen, was unter 

von dem vorher beschriebenen in den ostlichen romischem Gesetz nicht moglich war (Plant. Gas. 

Mittelmeerlandern herrschenden System. Die Zahl 67 — 77). 

der von den Syrakusanern am Ende des sizili- Bei den alten Etruskern herrschten in der 

schen Krieges erbeuteten Gefangenen wird von Ackerbauwirtschaft die groBen Besitzungen vor, 

Thukydides auf nicht geringer als 7000 geschatzt. die von freien oder halbfreien Bauern bestellt 

Von diesen wurden die Athener, Italer und Si- wurden. Dort gibt es wenig Nachweise fiir S., 
zilier nicht als Gefangene verkauft, sondern auf 40 doch muB das Vorhandensein von Sklaven im 

andere Weise bestraft (Thuk. VII 87, 3f.). allgemeinen angenommen werden fiir die Hauser 

Unsere gesamte Kenntnis des vor 146 v. Chr. der etruskischen Vornehmen, wo sie als Diener, 

im karthagischen Nordafrika herrschenden Skla- Koche, Tanzer und Musikanten verwendet wur- 

vensystems ist beschrankt, unsicher und her- den (P. Ducati Etruria antiqua 1925, 140, 

geleitet aus Quellen, die weit jiinger sind als die wofiir wir auch das Zeugnis des Poseidonios 

in Frage kommende Zeit (G s e 1 1 L'Afrique du haben :n:aQa ds TvQQTjvoig . . . dovXcov nlfjd'og 

Nord 1914—1928 II 226f. 299f. IV 134ff. 173f.). EvnQsncbv, und eine weniger entscheidende Angabe 

Appian (Lib. 59) ist Gewahrsmann ftir die all- bei Timaeus Athen. IV 38, 153 d. Vgl. Diod. V 

gemeine Behauptung, daB die Karthager eine 40, 3. Cass. Dio bei Zonar. VIII 7). Es steht je- 
groBe Anzahl von Sklaven besaBen. Diese wur- 50 doch auBer Frage, daB die unter romischem Ein- 

den zu einem betrachtlichen Teil beim Ackerbau fiuB stehenden etruskischen GroBgrundbesitzer am 

verwendet, wie das Beispiel der spanischen, sizi- Ende des 3. und zu Anfang des 2. Jhdts. begon- 

lischen und italischen Sklaven zeigt, die Scipio nen hatten, in groBerem MaBe Sklaven zur Arbeit 

im J. 204 V. Chr. auf den Feldern arbeitend fand zu verwenden, wie hervorgeht aus der Tatsache, 

(ebd. Lib. 15), und der mancipiorum praedas, die daB eine romische Legion unter Ftihrung eines 

109 V. Chr. im Innern Nordafrikas durch das Praetors angefordert werden muBte zur Unter- 

Heer des Sp. Albinus gefangen genommen wurden drtickung des Sklavenaufstandes, der 197 v. Chr. 

(Sail. bell. lug. 44, 5). Weitere Nachweise von S. in diesem Gebiet ausgebrochen war (Liv. XXXIII 

bei den Karthagern linden sich: am Ende des 36, 1. Fur das 1. Jhdt. Cic. Caec. 20). 
5. Jhdts. V. Chr. Diod. XIV 77, 3 und lustin. 60 Im romischen Sprachgebrauch ist servus das 

XXI 4 Gefangene, die aus Tyrus nach Karthago allgemeine und ubliche Wort ftir Sklave, dazu 

gebracht wurden; als Alexander d. Gr. Tyrus serva als weibliches Gegensttick; dieses Wort 

334 V. Chr. einnahm, bei Diod. XVII 46 4 (wahr- iindet sich jedoch in den Gesetzen selten, da der 

scheinlich einige Tausend); Appian. Lib. 3 mit ubliche Ausdruck zur Bezeichnung einer erwach- 

Bezug auf das J. 255 V. Chr.; Sklaven beim Sold- senen Sklavin ancilla ist (W. W. Buckland 

neraufstand 240—238 v. Chr. bei Polyb. I 67, 7 Roman Law of Slavery [1908] 8). Mancipium wird 

und Zonar. VIII 17; die im J. 205 v. Chr. erfolgte weitgehend gebraucht, um den Sklaven als Teil 

Erwerbung von 5000 Sklaven durch den kartha- des Vermogensbesitzes zu bezeichnen, famulus 



947 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Kepublik) 948 

mit Bezug auf den vom Sklaven zu leistenden die Eomer noch von ihnen. Der zweite Vertrag 

Dienst. Ein Sklave wird oft angeredet oder an- enthalt eine gegenseitig verbindliche Bestim- 

geftihrt als puer (Plant. Merc. 936; Psend. 170. mung, die es jeder der beiden Vertragsparteien 

Cic. Rose. Amer, 77. Horat. carm. II 11, 18; untersagt, in den Hafen der anderen Partei Skla- 

sat. I 6, 116. Vgl. por =^ puer in den friihen ven zum Verkauf zu bringen aus Landem, mit 

Sklavennamen wie Marpor = Marci puer, D e s s. denen die betreffende Partei im Biindnis stehe 

7822; Olipor Dess. 4405; Gaipor, CIL VI (ebd. Ill 24, 6—8. Datum des zweiten Vertrags, 

30914; Naipor, CIL VI 9430). Verna bezeichnet 306 v. Chr. SchachermeyrRh. Mus. LXXIX 

den im Hause des Herrn geborenen Haussklaven 37 Iff. Ebd. 375 zur Interpretation der Bestim- 

beiderlei Geschlechts. Novicius und t;e^era^or 10 mung tiber Sklavenverkaufe). Die Einfiihrung von 

werden ohne nahere Bestimmung oft gebraucht Sklaven in romisches Gebiet in einem Mafie, das 

zur Unterscheidung eines gebildeten von einem die Erwahnung der Sache in einem Vertrag recht- 

ungebildeten Sklaven (Buckland 9). fertigt, mufi also an das Ende des 4. Jhdts. v. Chr. 

Die ubliche Darstellungsweise der friihen romi- verlegt werden. Wegen der Unwahrscheinlichkeit 

schen Geschichte ist dort, wo sie von Sklaven eines umfangreicheren Vorhandenseins von Skla- 

handelt, eine Rekonstruktion, die beruht auf ven im 5. und 4. Jhdt. muB der iiberlieferte Be- 

tJberresten alter Gesetzgebung und auf der Hal- richt von Sklavenauf standen in Rom in der Fruh- 

tung Sklaven gegeniiber, wie sie in der spateren zeit der Republik abgelehnt werden als eine 

Republik tiberwog. Solche Spuren sind besonders falschliche tJbertragung von einem Zustand her, 
haufig und auch glaubwiirdig, sofern sie sich be- 20 der erst im 2. und 1. Jhdt. bestand. Die ange- 

ziehen auf die romische familia, der die Sklaven fiihrten Stellen sind: 501 — 498 v. Chr.: Zonar. 

als integrierender Bestandteil zugehorten. Da VII 13. Dion. Hal. ant. V 51. 53. 460 v. Chr.: 

die Sklaverei in der romisehen Rechtstauffas- Liv. Ill 15, 5. 17, 2f. 18, 10. Vgl. Zonar. VII 18 

sung als eine Einrichtung des Volkerrechts gait und der erwahnte Auf stand vom J. 418 v. Chr.: 

(Inst. I 3 pr.— 2. Dig. I 1, 4. 5, 4. XII 6, 64), Liv. IV 45, If. Stellen, die Versklavung insbeson- 

wurde die Versklavung von Kriegsgefangenen er- dere auf Grund einer Schuldforderung erwahnen 

wartet und hingenommen, ob sie nun bestand in und sich damit sowohl auf romische Biirger wie 

Versklavung der Feinde von seiten der Romer auf andere Personen beziehen, Liv. VI 15, 9. 

Oder umgekehrt den Romern selbst zustieB (Inst. 20, 6, mogen nicht historisch sein; jedoch er- 

I 3, pr.— 3. Dig. I 5, 4. Pomponius leitet sewus 30 scheint die Tatsache der Versklavung von Schuld- 

von servare ab quod imperatores nostri captivos nern unbestreitbar im Zwolftafelgesetz (B r u n s 

vender e ac per hoc servare nee occidere . . . solent). FIR 20 — 21). Ftir den Fall, dafi ein friiherer 

Die Sklaven als der familia angehorend fallen Biirger auf Grund einer Schuldforderung verkauft 

unter die dominica potestas des Familienober- werden soUte, verlangte das romische Gesetz, 

hauptes, ebenso wie die Kinder unter der patria ebenso wie das judische, daB er auBerhalb der 

potestas standen (Inst. I 8 pr.). Da die romi- Grenzen des Staates verkauft werde (trans Tibe- 

schen Freilassungsgesetze jedem Sklaven, der ord- rim peregre venum ihant, Gell. noct. att. XX 

nungsmaBig freigelassen worden war, die biirger- 1, 47). Verpfandung und Verkauf von Angehorigen 

liche Stellung des Herrn zusprachen, gab es der unter der patria potestas stehenden familia 

fiir romische Auffassung nichts AbstoBendes in 40 war erlaubt; aber selbst zur Zeit der Verkiindi- 

der tlberlieferung, daB Romulus in der neugegriin- gung des Zwolftafelgesetzes gait die einschran- 

deten Stadt eine Zufluchtsstatte errichtete, wohin kende Bestimmung, daB ein Sohn, der dreimal 

sowohl Freie wie Sklaven der Nachbarstaaten sich von seinem Vater verkauft worden war, von der 

fliichten und wo sie Aufnahme und eine Freistatt patria potestas befreit werden soUte (B r u n s 

finden konnten (Liv. 1 8, 6). DaB Livius die Sage FIR 22. Gai. I 132). DaB man sich heftig gegen 

von der Abkunft des Servius TuUius aus Sklaven- die Versklavung auf Grund einer Schuldforderung 

geschlecht verwirft, ist begriindet in seinem Zwei- einsetzte, ist bezeugt in Quellen aus den J. 380 

fel, daB ein Abkommling von Sklaven ausgezeich- —369 v. Chr. (Liv. VI 27, 8f. 34, 2. 36, 12), und 

net werden konne durch Verlobnis mit einer die Abschaffung des nexus zugleich mit der sich 

Konigstochter (ebd. I 39, 5f.), weit eher als in 50 daraus ergebenden Schuldknechtschaft wird von 

dem Gefiihl der Beschamung angesichts der Tat- Livius fiir Rom auf das J. 326 v. Chr. verlegt 

sache, daB ein ehemaliger Sklave das romische (ebd. VIII 28, 1). 

Reich regieren soUe (dieses Gefiihl sehreibt er je- Die Regierung des Dionysios I. von Syrakus 

doch der aristokratischen Gruppe zu, die die darf aufgefaBt werden als die Zeit, in der die 

konigliche Familie der Tarquinier unter stiitzte charakteristischen Merkmale der westlichen S. 

ebd. I 40, 3. 47, 10. 48, 2). Vgl. Plut. Coriol. klar in Erscheinung ti^eten. Diese sind: eine um- 

24, 8 — 10; Cato mai. 20, 5. In der Friihzeit der fangreiche VergroBerung der Anzahl der Sklaven, 

Geschichte Latiums war die Zahl der Sklaven die sich aus Gefangennehmung im Krieg ergab, 

sicherlich gering. GemaB der Uberlieferung hatte die Verwendung von Sklaven als Feldarbeiter und 

Regulus im J. 258 v. Chr. auf seinem kleinen 60 Hirten und die Dionysios durch seine Finanzlage 

Gut nur einen Sklaven, einen vilicus, und dazu auferlegte Notwendigkeit, seine Kriege sich so- 

einen Tagelohner (Val. Max. IV 4, 6). Bedeutsamer weit wie moglich selbst finanzieren zu lassen. 

fiir die Entwicklung der Sklaverei in Rom ist Deshalb verfuhr er mit aller Scharfe so, daB er 

eine Bestimmung, die der erste Vertrag zwischen Kriegsgefangene entweder gegen ein Losegeld 

Rom und Karthago vorsieht zum Schutz der lati- freigab oder sie als Sklaven verkauf te; alle seine 

nischen Stadte gegen Pliinderung von seiten der Bemiihungen liefen darauf hinaus, aus den ihm 

Karthager (Polyb. Ill 22, 11 — ^13) ohne beson- zugefallenen Gefangenen einen unmittelbaren 

dere Erwahnung eines Sklavenverkaufs weder an Gelderlos zu ziehen, auBer in Fallen, wo politische 



949 Sklayerei (rom. Kepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 950 

Vorteile die Freilassung der Gefangenen emp- dern abgerundet und sind deshalb verdachtig; es 

fahlen (vgl. Andreades loroQia rfjg TjXXtjvi^ ist jedoch nicht moglich, sie voUig zu vferwerf en 

^'^g olxovof^lag II 1 [1931], 145f.). Dies wird oder einen annahernd richtigen MaBstab fiir einen 

am deutlichsten ersichtlich aus seinem im J. 398 Abzug zu finden. Im J. 262 v. Chr. sollen mehr 

V. Chr. erfolgten Versuch, die Bewohner von Mo- als 25 000 Einwohner von Agrigent als Sklaven 

tya vom Tode durch die Hand seiner Soldaten zu verschickt worden sein, vermutlich nach Italien 

retten, indem er sie veranlafit, in die griechischen (Diod. XXIII 9, 1. Ohne Zahlenangabe Zonar. 

Tempel zu fliehen, ein Vorgehen, das Diod. XIV VIII 10); im J. 254 v. Chr. durften sich in 

53, 2 begriindet mit dem Wunsch des Dionysios, Panormus 14 000 von den gefangenen Einwoh- 
sie als Sklaven zu verkaufen. Es ist auch zu er- 10 nern ftir je 2 Minen loskaufen, 13 000 wurden 

sehen aus dem den Rheginern im J. 389 v. Chr. zum Verkauf weggebracht (Diod. XXIII 18, 5); 

^emachten Geschaftsvorschlag, daB er alle frei- um 230 v. Chr. Verkauf von Sklaven nach Italien 

geben woUe, die ihm eine Mine bezahlen wiirden, durch die Boii (Zonar. VIII 19); 219 v. Chr. 

wahrend die tibrigen als Sklaven verkauft wer- wurden karthagische Soldaten, die in Sizilien ge- 

den soUten (Diod. XIV 111, 4. Ps.-Aristot. oec. fangen genommen worden waren, in Lilybaeum 

11 2, 1349 b hat ein Losegeld von drei Minen. verkauft, und in Spanien verteilte Hannibal die 
Uber die Vorteile der Erhebung von Losegeld bei Sagunt erbeuteten Gefangenen unter seine 
gegeniiber Verkauf s. Andreades II 1, 147 Soldaten (Polyb. Ill 17, 10. Die moisten von die- 
not. 5). Dieses Verfahren empfahl Dionysios sen gingen bald in den Besitz von Zivilpersonen 
auch den Lukanern hinsichtlich der Behandlung 20 tiber) ; 211 v. Chr. waren wieder Sklaven erhalt- 
ihrer Gefangenen aus Thurii (Diod. XIV 102, 2. lich, die von der Eroberung von Agrigent her- 
Vgl. den Verkauf von Gefangenen in Herbita ruhrten (Liv. XXVI 40, 13), und in Spanien 
und Catana durch Dionysios ebd. XIV 15, If.). nahm Scipio nach der Einnahme von Neu-Kar- 
Mit diesem Verfahren verband Dionysios die Be- thago 2000 Handworker in Dienst, die als offent- 
reitwilligkeit, korperlich gut geeignete Sklaven liche Sklaven zu dienen hatten, aber die Frei- 
freizulassen zur Anwerbung in den Soldnerdienst heit versprochen bekamen als Belohnung fiir 
{ebd. XIV 58, 1 bestehen die Mannschaften von fleiBige Arbeit in ihrem Handwork (Polyb. X 17, 
60 Kriegsschiffen aus freigelassenen Sklaven. 9f. x^^Qotixvaig. Vgl. Liv. XXVI 47, Iff., der hin- 
Dies setzt fiir Syrakus ein Vorhandensein von zufugt, dafi Scipio andere kraftige Sklaven an- 

12 000 Sklaven voraus, die zu diesem Dienst 30 warb zum Dienst in der romischen Flotte); im 
tauglich waren; B e 1 o c h Bevolkerung 280). selben Jahre wurden die Einwohner von Capua 
Auch Agathokles von Syrakus warb Sklaven an verkauft, wahrend die Anfiihrer des Aufstandes 
zvLx Ausriistung seines Zuges nach Afrika (lustin. zum Verkauf nach Rom gebracht wurden (Liv. 
XXII 4). XXVI 16, 6 ohne Zahlen. Eine abweichende Stelle 

Der Verkauf von Kriegsgefangenen ist in der bei Appian. Hann. VII 7, 43 gibt an, daB nur 

Frtihgeschichte Roms haufig bezeugt ftir die Zeit die in Capua gefangenen Karthager in die S. ver- 

der allmahlichen Machterweiterung im 5. und kauft wurden); im J. 210 v. Chr. standen nach 

4. Jhdt. Man darf annehmen, daB die Zahl der der Eroberung von Anticyra in Locris (Polyb. IX 

Kriegsgefangenen mit der schrittweisen Ausdeh- 39, 2f. Liv. XXVII 26, 3) und nach der Ein- 
nung der romischen Macht immer mehr wuchs, so 40 nahme von Hasdrubals Lager in Spanien neue 

-daB die Angabe, 307/06 v. Chr. seien 7000 Ge- Sklaven zur Verfiigung (einige Tausend afrika- 

fangene der Samniter verkauft worden, wohl der nischer Truppen innerhalb einer angegebenen 

Wahrheit nahe kommt (Liv. IX 42, 8. Eine un- Gesamtzahl von 12 000 Gefangenen bei Liv. 

bestinmate Angabe betreffend Verkauf von Skla- XXVII 19, 2); im J. 209 v. Chr. wurde nach der 

ven der Samniter begegnet bei Liv. X 46, 5). Vor Wiedereinnahme der aufstandischen Stadt Tarent 

Allem jedoch ist es die Zeit der ersten beiden puni- eine groBe Anzahl verkauft; Livius setzt sie 

schenKriege, die ein starkesZunehmen der Sklaven XXVII 16, 7 mit 30 000 an (was oSenbar tiber- 

in den westlichen Landern bezeichnet (B e 1 o c h trieben ist, denn im nachsten Jahr herrschte in 

Bevolkerung 299), eine Tatsache, die zum groBen Latium Mangel an Ackerbausklaven, ebd. XXVIII 
Teil aus den Kriegen als solchen hervorgeht (ebd. 50 11> 9); 207 v, Chr. bleiben nach der Hinmordung 

415). Vermutlich wurde diese Quelle des Bezugs von Hasdrubals Heer einige Tausend Gefangene 

von Sklaven selbst im Westen noch bis zu einem iibrig (ungefahr dieselbe Zahl wie die der bei 

gewissen Grade verstarkt durch die Seerauberei Cannae gefangenen Romer, Appian. Hann. VII 

der lUyrer, bis dieses Konigreich 228 v. Chr. 53); von den Gefangenen, die Scipio 205 — 201 

vernichtet wurde (Ziebarth Gesch. des See- v. Chr. in Afrika erbeutete (ihre Gesamtzahl ist 

raubs 27) und der Seeraub fortab auf die Atoler als 20 700 angegeben bei Appian. Hann. VIII 15. 

iiberging (Ormerod Piracy 1411). Die fol- 23. 26. 36. 48), wird ein groBer Teil zum Ver- 

gende Aufzahlung der Verkauf e von Kriegsgefan- kauf nach Sizilien verladen (Liv. XXIX 29, 3 

genen wahrend der 60 Jahre vom Beginn des extemplo . . . missa in Siciliam, vgl. XXIX 35, 1). 
ersten bis zum Ende des zweiten punischen Erie- 60 Auch ein betrachtlicher Teil der von den Kar- 

ges soil einerseits darlegen, mit welch hoher Zahl thagern erbeuteten Gefangenen, meist romische 

der westliche Sklavenmarkt beschickt wurde, und Burger und Verbiindete der Romer, verfiel der 

andererseits den bedeutungsvollen Wechsel erkla- S, Ihre Anzahl pflegte naturgemaB geringer zu 

ren, der im Bedarf an Sklaven eintrat, ebenso wie sein als die der von den Romern verkauften Ge- 

den Wandel zum Schlechteren, der sich sowohl in fangenen, weil die Karthager nur wenige Stadte 

der Auffassung der Romer Sklaven gegenuber als durch Belagerung einnahmen. 12 000 Sklaven aus 

auch in deren Verwendung voUzog. Wo Zahlen dem romischen Heer, die man in Achaia aufgefun- 

angegeben sind, erscheinen sie meist zu Tausen- den hatte, wurden auf Antrag des Flamininus im 



951 Sklaverei (rom. Eepublit) Sklaverei (rom. Eepublik) 952 

J. 195 V. Ghr. befreit; das laBt, wie Livius denen Tagelohner beschaftigt gewesen waren 

richtig bemerkt, fiir das gesamte Griechenland (Appian. bell. civ. I 7 rovg kXsvd'SQovg kg rag 

aui eine bedeutend hohere Zahl schlieBen (Polyb. oxQareiag ano rfjg yscoQylag nsgiOTidv. Naehfrage 

bei Liv. XXXIV 50, 4ff.). Die romischen und nach Ackerbausklaven auch in Sizilien ebd. I 9. 

italischen Gefangenen, die man noch 188 v. Chr. Vgl. T. Frank Economic Survey of Ancient 

in Kreta antraf (Liv. XXXVII 60, 3), mochten Kome I [1933] 100). Nach Cass. Dio I 224 B 

zum Teil aus dem Kriege mit Antiochos herriih- (Tzetz. Chil. I 775) batten die ungeheuren Ver- 

ren, die meisten von ihnen waren jedoch wohl Inste, die Rom in der Schlacht bei Cannae erlit- 

Gefangene aus dem zweiten punischen Krieg. ten hatte, zu dem Antrag geftihrt, freigeborene 

Eine Bestimmung des Vertrages mit Antiochos 10 Frauen und Sklaven zu verbinden zwecks Siche- 

aus dem J. 187 v. Chr. verlangte, daB Sklaven rung des Nachwuchses. Zwischen 216 v. Chr. und 

von romischen Untertanen oder Verbiindeten der Schlacht bei Arausio 105 v. Chr., fiir die ein 

Roms, die von Antiochos erbeutet oder zu ihm Verlust von 80 000 Romern berichtet wird (Liv. 

iibergelaufen waren, den Siegern zurtickerstattet epit. LXVII), gab es keine Schlachten mit ahn- 

werden sollten (Liv. XXXVIII 38, 7). Das Vor- lich grofien Verlusten wie die bei Cannae. Infolge 

handensein von romischen Gefangenen als Skla- der Eroberungskriege und Blirgerkriege des 

ven in Afrika ist bezeugt durch eine Bestimmung 1. Jhdts. jedoch war die Sterblichkeitsziflfer bei 

des Vertrages mit Karthago betreffend die Rtick- Romern und Verbiindeten Roms Jahr fiir Jahr 

gabe romischer Gefangener und tlberlaufer, die sehr groB; die Verluste bildeten eine fortgesetzte 

sich am Ende des hannibalischen Krieges noch 20 Verminderung der Bauernschaft, der im Ackerbau 

dort befanden (Polyb. XV 18, 3). In Erganzung beschaftigten freien Tagelohner und der freien 

der oben angefiihrten Zeugnisse wird die bedeu- Handworker. Wahrend der J. 201 — 151 v. Chr. 

tende Vermehrung der Sklavenzahl in Italien und beispielsweise betrugen die Verluste nach dem 

Sizilien ersichtlich aus der Anwerbung von Sklaven Bericht des Livius und Appian insgesamt 

des erforderlichen Alters und ausreichender Kor- 94 000 Mann, was einen Jahresdurchschnitt von 

perkraft zwecks Verwendung als Kampftruppen 1880 ergibt, wobei nicht eingerechnet sind die 

wahrend des zweiten punischen Krieges und aus Verluste infolge Krankheit, fiir die keine Zahl 

der Haufigkeit und Dauer der Sklavenaufstande angegeben ist (Frank Economic Survey I 110). 

in Italien und Sizilien in der Zeit von 200 — 70 Den Ersatz fiir diese Verluste hot im wesentlichen 

V. Chr. Im J. 215 nach der Schlacht bei Cannae 30 der ununterbrochene Zustrom von Sklaven nach 

war der romische Staat gezwungen, zur Anwer- Italien und Sizilien, dessen Intensitat wechselte; 

bung von 8000 freiwilligen Sklaven zu schreiten zeitweise wurde er verstarkt infolge Erbeutung 

(Liv. XXII 57, 11. XXIII 35, 7ff. Zonar. IX 2. und Verkaufs von Kriegsgefangenen, zu andern 

Serv. Aen. IX 546. Die Zahl der angeworbenen Zeiten wieder brachte er nur, was auf dem iib- 

Sklaven ist bei Val. Max. VII 6, 1 auf 24 000 er- lichen Sklavenmarkt feil stand, 

hoht. Anwerbung von Sklaven auch unter den Diese anerkannten Quellen fur den Bezug von 

Bundesgenossen bei Liv. XXV 1,4). Diese kaufte Sklaven erweiterten sich in den J. 133 — 67 v. Chr. 

der Staat privaten Besitzern ab mit dem Ver- durch das Unwesen der Seerauberbanden, das 

sprechen, daB der Kaufpreis nach Beendigung des seinen Mittelpunkt in Cilicien hatte (0 r m e r o d 

Krieges gezahlt werden soUe (ebd. XXII 57, 11. 40 Piracy 207ff.), durch den von romischen Steuer- 

XXXIV 6, 12). Die Besitzer weigerten sich, vor einnehmern betriebenen Menschenfang und durch 

Ende des Krieges den Kaufpreis anzunehmen fiir die den Bewohnem der Provinz Asien gebotene 

die Sklaven, die Tib. Gracchus freigelassen hatte Notwendigkeit, ihre Kinder in die S. zu ver- 

zur Belohnung fiir die in der Schlacht geleisteten kaufen, um den ungeheuren Lasten zu entgeheUj 

Dienste (ebd. XXIV 18, 12. Zur Freilassung ebd. die ihnen Sulla 85—84 v. Chr. auferlegt hatte 

XXIV 14, Iff. 16, 10. XXV 6, 21). Obwohl diese (Pint. LuculL 20). Die beiden letzten Faktoren 

Sklaventruppen eher Anhanglichkeit an einzelne bieten eine ausreichende Erklarung fiir das auf- 

Fiihrer zeigten als Ergebenheit dem Staat gegen- fallende tJberwiegen von Sklaven griechischen 

tiber (Liv. XXV 20, 4), wurde ihre Eignung als Namens, die mit Recht Kleinasien zugeschrieben 

Kampfer im Vergleich zu andern romischen Trup- 50 werden; sie machen 67% der Gesamtzahl der 

pen lobend hervorgehoben (ebd. XXVI 2, 10). Zur Sklaven aus, die in den magistri-magistrae Listen 

Anwerbung von Sklaven griff man auch in der der J. 90 — 64 v. Chr. angefiihrt sind, die man 

Notzeit des J. 207 v. Chr. (ebd. XXVII 38, 10. an der Statte der Industriestadt Minturnae ge- 

46, 13). Auch Hannibal soil Sklaven bewaffnet funden hat (J. Johnson Excavations at Min- 

und sie 204 v. Chr. in Bruttium als Kampfer turnae II 1 Republican Magistri [1933] 106ff.). 

verwendet haben (Appian. Hann. 57) ebenso wie» Aus der langen Reihe der Verkaufe von Kriegs- 

im folgenden Jahre in Afrika (Zonar. IX 12). gefangenen zu dieser Zeit braucht nur eine Gruppe 

Die Fiille des zur Verfiigung stehenden Skla- ausgewahlt und angefiihrt zu werden als Beweis 

venmaterials, die in Rom iibliche Verpachtung dafiir, daB die Verluste an freigeborenen Arbeits- 

des ager publicus im Zusammenhang mit dem 60 kraften, die die Romer und ihre Bundesgenossen 

Kriegsdienst, zu dem romische Burger und Ver- infolge der Kriege betraf en, mehr als ausgeglichen 

biindete Roms dauernd herangezogen wurden, von wurden durch Einsetzen von Sklaven, deren Vor- 

dem Sklaven jedoch in der Regel befreit waren handensein wiederum ein Ergebnis der Kriege 

— dies alles trug bei zum Entstehen eines aus- war. Genaue Berechnungen sind unmoglich, well 

gedehnten Grundbesitzes mit Ackerbau- und Vieh- einzelne Faktoren nicht nachgepriift werden kon- 
wirtschaft und zur gesteigerten Inanspruchnahme nen, wie beispielsweise die wachsende Aufnahme 

von Sklavenarbeit, im Gegensatz zu dem fruher nichtitalischer Elemente in das romische Heer 
tibljchen System der kleinen Bauernhofe, auf (Mo mm sen RG II 193f. Iberische Reiter, 



958 Sklaverei (rom. Kepublik) Sklaverei (rom. Republik) 954 

denen man gemaB einer lex lulia wahrend des Italien ermittelten Gefangenen wurden den Be- 
Bundesgenossenkrieges das Biirgerrecht verliehen sitzern abgekauft und in die Heimat zuriick- 
hatte, Bull. com. XXXVI 169ff.) zwecks Ausgleichs geschickt (Zonar. IX 22). Nach Abdera wurde 
der erlittenen Verluste an Streitkraften, und das eine Gesandtschaft des Senats geschickt, um den 
Fehlen jeglicher Angaben liber ein Anwachsen Sklaven die Freiheit wiederzugeben (Liv. XLIII 
Oder Abnehmen der Geburtenziffer innerhalb der 4, 8ff.). Die im J. 167 v. Chr. auf direkten Befehl 
freien BevQlkerung von Italien. In Abzug zu brin- des romischen Senats erfolgte Versklavung von 
gen ist auBerdem ein nicht bekannter Prozent- 150 000 Menschen aus 70 Stadten von Epirus ist 
satz von Kriegsgefangenen, die als Sklaven gar so gut belegt, dafi die Tatsache nicht bezweifelt 
nicht nach Italien gelangten; dazu zwingt die 10 werden kann, trotzdem die iiberlieferte Zahl so 
Tatsache, daB solche Gefangenen haufig sofort in ungeheuer hoch ist und wir uns keinen angemes- 
Dienst genommen wurden, und zwar in der Nahe senen Grund fiir ein so durchgreifendes Vorgehen 
der Stadt, wo man sie erbeutet hatte. Viele von denken konnen (Polyb. XXX 15. Liv. XLV 34, 
ihnen wurden gewohnlich friiher oder spater 5f.). Wenn man schatzt, daB in den J. 200 — 150 
durch Angehorige oder interessierte Freunde aus v. Chr. insgesamt 250 000 Kriegsgefangene or- 
der S. losgekauft und kehrten als Freie zu der beutet worden sind, so scheint diese Zahl nicht zu 
fruher ausgetibten Tatigkeit in die Heimat zurtick. hoch gegriffen (T. Frank Economic Survey I 
Obwohl diese Erwagungen dazu fiihren, das tat- 188). Wieviele nach der Zerstorung von Karthago 
sachliche Eintreten von Sklaven als Arbeitskrafte und Korinth 146 v. Chr. in die S. geschickt wur- 
an Stelle von Freien nicht zu hoch anzusetzen, 20 den, ist nicht bekannt. Appian. Lib. 130 sagt, daB 
so wird doch die Tendenz nach dieser Entwick- 50 000, die in Karthago zuriickblieben, das Leben 
lung hin ganz deutlich. Nach der Schlacht bei geschenkt bekamen; diese mogen dann verkauft 
Kynoskephaki lim J. 196 v. Chr. steUte Titus worden sein, obwohl Zonaras IX 30 versichert, 
Flaminiiius von den 5000 Gefangenen einen Teil daB nur wenige Sklaven wurden, der groBere Toil 
zum Verkauf, einen Teil verteilte er unter seine hingegen im Gefangnis starb. In Korinth waren 
Soldaten (Liv. XXXIII 10, 7. 11, 2). Bei all sol- die moisten Bewohner bei der Einnahme der Stadt 
chen auBerhalb von Italien vorgenommenen Ver- geflohen; von den Zuriickbleibenden wurde der 
kaufen wie im Fall der 189 v. Chr. in Lakonien groBere Teil getotet und nur die Frauen und Kin- 
zuriickbleibenden Sklaven, die den Achaern zum der von Mummius verkauft (Pans. VII 16, 8 
Verkauf tibergeben werden soUten (ebd. XXXVIII 30 ^svtjv avrrjv dvdQcov 6 M6{j,fAcog sXafis). Die unge- 
34, 2), muB man annehmen, daB nur eine geringe heuren Verluste, die die romischen Streitkrafte 
Zahl unter Umstanden nach demWesten gelangte, 105 v. Chr. in der Schlacht bei Arausio erlitten, 
um der wachsenden Nachfrage in Sizilien und Ita- wurden reichlich wieder gutgemacht durch die 
lien zu gentigen, daB hingegen von denjenigen, Gefangennahme von Germanen durch Marius; 
die den romischen Soldaten als Beute zuerteilt nach Livius (epit. 68) waren es 90 000 Teutonen 
wordenwaren,der groBere Teil nach Beendigung des und 60 000 Kimbern. Obwohl diese auBerordent- 
Feldzuges seinen neuen Herrn in dessen Heimat lich hohe Zahl verdachtig ist (vgl. die 150 000 Be- 
begleitete. Bei einer 178 v. Chr. gegen die Istrier wohner von Epirus, die 167 v. Chr. verkauft 
unternommenen Strafexpedition wurden aus drei worden waren), waren zur Zeit der Sklavenkriege 
eroberten Stadten 5632 Personen versteigert (ebd. 40 73 — 71 v. Chr. noch Uberreste dieser germani- 
XLI 11, 8. Die angegebene Zahl ist offenbar rich- schen Gefangenen als Sklaven in Italien anzutref- 
tig und wiirde die von den Romern zu Beginn fen (Caes. bell. Gall. I 40). Die Behauptung, daB 
des Krieges erlittenen Verluste bei weitem iiber- 1 000 000 Gallier als Sklaven nach Rom kamen 
treffen, ebd. XLI 2, 9f.). Im J. 176 v. Chr. fand (A. Schneider Gesch. der Sklaverei im alten 
die lange dauernde, offenbar in Rom abgehaltene Rom [Zurich 1892] 15) oder daB im Zusammen- 
Versteigerung von Sklaven aus dem Auf stand in hang mit Caesars gallischen Feldzugen 58 — 51 v. 
Sardinien statt, die den AnlaB gab zu dem be- Chr. 1 000 000 der S. verfielen, muB abgelehnt 
kannten Wort ,Sardinier zu verkauf en, einer bil- werden, da isie sich lediglich auf Plut. Caes. 15 
liger als der andere'. (Fest. p. 322 M. Die Zahl und Appian. Celt. 2 stiitzt, wonach je 1 Mil- 
der getoteten oder gefangenen Sardinier wird auf 50 lion getotet und gefangen genommen wurde. 
einer in Rom angebrachten Tafel von Ti. Sem- In den ersten beiden Jahren der Eroberung war 
pronius Gracchus mit 80 000 angegeben, Liv. XLI Caesars Vorgehen in diesem Punkt ausgesprochen 
28, 8). Im ersten Jahre des Krieges mit Perseus konziliant; der einzige Bericht von einem Verkauf 
verfiel eine betrachtliche Anzahl der aus boio- von Kriegsgefangenen liegt vor im Fall der Atua- 
tischen Stadten kommenden Gefangenen der S.: tici, wo die Caesar von den Aufkaufern ange- 
2500 aus Haliartos (ebd. XLII 63, 11) und aus gebene Zahl 53 000 betragt (Caes. bell. Gall. II 
Thisbe diejenigen, die mit den Macedoniern ge- 33). Dann wird von ihm kein andrer Verkauf er- 
meinsame Sache gemacht hatten (ebd. XLII 63, wahnt bis zum J. 56 v. Chr., wo den Venetern 
12. Zu dem Namen Thisbe an Stelle von Theben gegenliber das Verkauf srecht als eine GegenmaB- 
im Text s. Mommsen Ephem. epigr. I 290). 60 nahme angewendet wird (ebd. Ill 16). Es gibt in 
Aus Coronea in Boiotien, aus Abdera und aus den Caesars Bericht keinen Beleg dafiir, daB die aus 
gallischen Alpen gelangten zum Senat Beschwer- Britannien erwarteten Sklaven, von denen Cicero 
den iiber die Habgier, mit der romische Befehls- 54 v. Chr. (Att. IV 16) spricht, wirklich ein- 
haber auf Erbeutung von Gefangenen ausgingen, trafen. Eine umfangreiche Verteilung von gal- 
um diese zu verkauf en; in den beiden ersten lischen Gefangenen zum Sklavendienst erfolgte 
Fallen wurde der Beschwerde auch stattgegeben. im J. 52 v. Chr. nach der Belagerung von Alesia, 
Der Befehlshaber in Boiotien, Licinius Crassus, als von Caesars Soldaten jeder einen Gefangenen 
wurde mit einer Geldstrafe belegt, und die in als Beute erhielt (ebd. VII 89. 20 000 Gefangene 



955 Sklaverei (rom. Republik) Sklaverei (rom. Eepublik) 956 

kehrten zu den Aedui und Arverni zuriick, ebd. iiber riicksichtlos das Recht des Eroberers durch- 
VII 90). Eine Gesamtzahl von 150 000 Sklaven zusetzen, beschloB der romische Senat nach der 
als Ergebnis der gallischen Kriege Caesars wird Besiegung des Nabis von Sparta im J. 196 v. 
eine annahernd richtige Schatzung darstellen. In- Chr. (Liv. XXXIV 35, 4), ein Verfahren einzu- 
folge der herrschenden Gewohnheit, die Gefan- schlagen, das offenbar auf der Anschauung von 
genen gleich an Ort und Stelle zu verkaufen, wie der Unverletzlichkeit des Privateigentums be- 
es bei den oben erwahnten Atuatici der Fall war ruhte und darauf ausging, unter den begtiterteh 
(ebd. II 33), gelangte von den Verkauften schlieB- Klassen der Bundesgenossen und friiheren Feinde 
lich nur ein Teil als Sklaven nach Italien, einige Anhanger zu gewinnen; es wurde bestimmt, daB 
mit den Soldaten, andre infolge Verkaufs an 10 entlaufene Sklaven, ganz gleich, ob sie dem 
Italiker, die in Gallien wohnhaft waren und die Konig oder einer Stadt oder privaten Besitzern 
Gefangenen nach Italien brachten, um sie dort gehorten, wenn moglich ihren friiheren Herrn 
feilzubieten, wie das Beispiel des Sextus Naevius wiedererstattet werden soUten (84 v. Chr. wurde 
aus dem J. 83 v. Chr. zeigt (Cic. Quinct. 24). von Sulla im Osten dasselbe Verfahren angewen- 
Neben den oben angegebenen Verlusten an det, Appian. Mithr. 61). Das Bestreben, innerhalb 
Streitkraften erlitt die freie mannliche Bevolke- des Geltungsbereichs des romischen Einflusses die 
rung Italiens weitere erhebliche Verluste infolge besondere Stellung der Freigeborenen zu be- 
des Bundesgenossenkrieges und der Biirgerkriege tonen, aufierte sich auch in der MaBnahme, die 
des 1. Jhdts. Der Eindruck, daB die im Westen man anwandte, als sich 178 v. Chr. Lykier und 
betriebene S. im Verhaltnis zur Gesamtbevolke- 20 Rhodier feindlich gegeniiberstanden (Liv. XLI 6, 
rung wahrend des 2. und 1. Jhdts. AusmaBe an- 11). Es ist jedoch bezeichnend, daB drei Jahre 
nahm, wie sie die Antike vorher nicht gekannt spater die Achaer aus Furcht, bei den Romern 
hatte und wie sie spater niemals wieder erreicht AnstoB zu erregen, Bedenken trugen, aus diesem 
worden sind, wird bestarkt durch die Sklaven- Vorgang Nutzen zu ziehen und der Riickgabe 
aufstande, die sich mit Unterbrechungen bis zum ihrer eignen entlaufenen Sklaven durch Perseus 
J. 70 V. Chr. erhoben, durch das bliihende Ge- von Makedonien zuzustimmen (Liv. XLI 23, 8 
schaft der Seerauber, die von dem Losegeld fiir gibt dafiir die naive Begriindung, daB die in 
geraubte Personen und dem Sklavenhandel aus- Frage kommenden Sklaven nur geringen Wert 
kommlich leben konnten, und durch die stetig batten). Auf einen erheblich weiteren Raum griff 
wachsende Beanspruchung von Sklaven fiir un- 30 die S. im 2. Jhdt. iiber, dadurch daB Konig Na- 
produktive und nur dem Luxus dienende Arbeiten bis von Sparta viele spartanische Heloten freilieB 
bei den oberen Schichten Italiens. Die Sklaven- (Liv. XXXIV 31—32. Daremb.-Sagl. Ill 1, 69) 
aufstande, die in Italien unmittelbar nach Been- und das Helotentum ein Ende erfuhr, nachdem 
digung des hannibalischen Krieges begannen und Rom die Oberaufsicht iiber Griechenland tiber- 
zu deren Unterdriickung man haufig Militarge- nommen hatte (Strab. VIII 5, 4. S. o. Bd. VIII 
wait benotigte, beweisen deutlich das Vorhanden- S. 206). Die lausfiihrlichen Schilderungen, die 
sein einer erheblichen Menge von Sklaven wehr- Diodor von den beiden groBen Sklavenaufstan- 
fahigen Alters. Im J. 198 erregte der nordafri- den in Sizilien in den J. 135 — 132 und 104 — 101 
kanische Anhang von karthagischen Geiseln einen v. Chr. gibt, bieten ein anschauliches Bild von 
Auf stand, wobei sich ihnen andre Sklaven der 40 der Sklavenwirtschaft auf den Latif undien in Si- 
Gegend anschloBen (Liv. XXXII 26, 8. Zonar. IV zilien sowie von den Zustanden, die wahrend der 
16). Im J. 196 V. Chr. muBte ein ernsterer Auf- letzten beiden Jahrhunderte v. Chr. in Italien 
stand in Etrurien durch den Praetor peregrinus herrschten. Nachdem Mitte des 2. Jhdts. Auf- 
und eine Legion niedergeworfen werden; die An- ruhrbewegungen sporadisch aufgetreten waren, 
ftihrer wurden gekreuzigt und die tJberlebenden erhob sioh 135 v. Chr. der groBe Auf stand. Un- 
ihren Herrn wieder zugestellt (Liv. XXXIII 36, 3). mittelbar veranlaBt wurde er durch die auBer- 
Gegen die wachsende Haufigkeit der Freilassun- ordentlich grausame Behandlung, die die Sklaven 
gen durch romische Biirger und die Zulassung eines Grundbesitzers zu Henna in Mittelsizilien 
ihrer Freigelassenen zu den Rechten eines VoU- erfuhren, und die sie mit HaB gegen ihren Herrn 
btirgers erhob sich in Rom starker Widerspruch, 50 erf tillen muBte (Diod. XXXIV — XXXV 2, 10. Strab. 
der soweit ging, daB die Magistrate im J. 177 VI 2, 6. Die Bemerkungen im Bericht des Dio- 
V. Chr. ersucht wurden, die eidesstattliche Ver- dor, die die psychologischen Wirkungen einer 
sicherung zu verlangen, daB der Freilassung derartigen S. zeigen, gehen zuriick auf Posei- 
nicht ausschlieBlich der Wunsch zugrunde liege, donius, FGrH II 108 d p. 287. Vgl. F. Taeger 
den Betreffenden aus der Stellung eines Sklaven Tiberius Gracchus [1928] 60 und die hierauf be- 
zu der eines Btirgers zu erheben. Widerspruch er- ztiglichen Anmerkungen). An dem ursprtinglich 
hob sich auch gegen das ungesetzliche Eindrin- lokal begrenzten Auf stand waren nur 400 Sklaven 
gen von freigelassenen Biirgern in andre als die beteiligt; aber innerhalb von 3 Tagen wuchs diese 
vier landlichen Tribus. Im J. 168 v. Chr. wurde Zahl an auf 6000 (Diod. XXXIV— XXXV 2, 16). 
der Antrag, daB alle Freigelassenen von den 60 Dazu kamen noch 5000 weitere Sklaven wehr- 
Tribuslisten gestrichen werden sollten, als in seiner f ahigen Alters infolge eines ahnlichen Auf standes 
Ruckwirkung verfassungswidrig abgelehnt und bei Agrigent (ebd. XXXIV — XXXV 2, 17). Einen 
eine Zwischenlosung beschlossen, nach der die Hinweis auf die Zahl der beteiligten Sklaven und 
zur Zeit auf den Listen stehenden Freigelassenen auf die MiBstande, die auch in Italien eingetreten 
sowie die in Zukunft freizulassenden Sklaven in waren infolge der Ausnutzung der Sklaven als 
eine einzige Tribus zusammengefaBt werden soil- Hirten und Landarbeiter auf den groBen Gutern, 
ten (ebd. XLV 15, 5). Trotz der zunehmenden bietet die Angabe des P. Popilius Laenas, Consul 
Neigung derRomer, den Kriegsgefangenen gegen- des J. 132 v. Chr., daB er im J. 135 v. Chr. als 



957 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei <rom. Kepublit) 958 

Praetor 917 fliichtige Sklaven in Sizilien aufge- mische Senat der Insel 167 v. Chr. verliehen 

spiirt und sie ihren Besitzern in Italien wieder hatte, erwuchs Delos trotz einer gewissen in der 

zugestellt habe (Dess. 23). Die endgtiltige Ge- Natur des Landes begriindeten IFnzulanglichkeit 

samtzahl der Sklavenheere und ihres Anhangs zu einem wichtigen Stiitzpunkt fiir den ost-west- 

an Freien wird von Livius mit 70 000 Mann an- lichen Mittelmeerhandel und blieb dies von etwa 

gegeben (epit. LVI), was an Stelle der bei Dio- 130 v. Chr. an bis 88 v. Chr., als Archelaos, der 

dor erscheinenden 200 000 zu setzen ist (XXXIV Feldherr des Mithridates, die Insel und ihre 

■ — XXXV 2, 18. S. M m m s e n EG II 98. Schatze vollstandig auspliinderte (fiir die Daten 

Cambr. Anc. Hist. IX 15, 1). Diese Zahlen sind s. Homo lie Bull. hell. VIII 98, 140). Beson- 

um so eindrucksvoUer, wenn man beriicksichtigt, 10 ders den kilikischen Seeraubern, deren IJnterneh- 

daB einige bedeutende Stadtbezirke nicht in die mungen insbesondere gegen Syrien gerichtet 

Gewalt der Sklavenbanden kamen; nur von waren, bot es einen auBerst vorteilhaften Markt 

Henna, Tauromenium, Catana und vielleicht Agri- zum Absatz der von ihnen erbeuteten Gefangenen 

gent weiB man, daB es der Fall war, Diod. XXXIV (Strab. XIV 2, 5). Aber wenn Strabon an der- 

—XXXV 2, 11. 20. 39. 43. Strab. VI 2, 6 von Ka- selben Stelle die einzeln dastehende und durch 

xavatoi Hal TavQOfAsvizai koi aXXoi nleiovg, Der nichts gesttitzte Angabe macht, daB Delos am 

Anftihrer dieses Aufstandes stammte aus Syrien, selben Tage 10 000 Sklaven aufnehmen und weiter 

legte sich den Namen Konig Antiochos bei und verladen konnte, so hat er damit zweifellos die 

nannte seine AnhangerSyrer(Diod.XXXIV — XXXV natiirlichen Moglichkeiten der Insel, ihre Auf- 

2, 24); aber dieAnnahme, daB der Auf stand einen 20 nahmefahigkeit und Geschaftsfertigkeit stark 
ausgepragt syrischen Charakter trug (Beloch tibertrieben (o. Bd. IV S. 2494). Obwohl nach der 
Bevolkerung 245. T. Frank Economic Survey I Zerstorung von Delos durch Archelaos die See- 
188), ist nicht gerechtfertigt. Wahrscheinlich ist rauber unter wirksamer Beihilfe von Mithridates 
vielmehr, daB die Sklaven aus verschiedenen Lan- weiterhin die Ktiste Kleinasiens heimsuchten und 
dern stammten und die Kerntruppe aus Lenten die Bewohner raubten (Einnahme von Isos, Cla- 
bestand, die in Sizilien selbst geboren waren zomenae, Samos und Samothrace durch Seerauber, 
(vgl. Last Cambr. Anc. Hist. IX 14). Die von Be- Appian. Mithr. 63), hat die Insel Delos ihre 
loch (Bevolkerung 299 — 301) angestellte unge- frlihere Bedeutung als Mittelpunkt des Sklaven- 
fahre Schatzung, daB Sizilien im 2. Jhdt. v. Chr. handels nicht wiedererlangt. Strabon erwahnt (XI 
im Verhaltnis zu seiner Ausdehnung und Gesamt- 30 2, 12), daB zur Zeit der Republik die Stamme 
bevolkerung mehr Sklaven besaB als alle andern des kimmerischen Bosporus auf diesem Gebiete 
damaligen Lander, darf als richtig angenommen eine rege Tatigkeit entfalteten und Tanais am 
werden mit der Einschrankung, daB ein absolutes Don als Mittelpunkt des Sklavenhandels an erster 
"Dberwiegen der Sklaven liber die Freien nicht Stelle stand, ebenso wie Aquileia fiir die von den 
wahrscheinlich ist. Die weitreichenden Erschtitte- lUyrern gelieferten Sklaven (ebd. V 1, 8). Die 
rungen des sizilischen Aufstandes verursachten schnelle und griindliche 'Dberwindung der kill- 
eine leichte Storung in Rom, ernstere Unruhen kischen Seerauber durch Gnaeus Pompeius im 
in Sinuessa und Minturnae in Italien (in Minturnae J. 67 v. Chr. (Cic. imp. Pomp. 35. Plut. Pomp, 
wurden 450 Sklaven gekreuzigt, in Sinuessa 4000 26, 4. 28, 2) beweist, daB der romische Staat 
uberwunden, Oros. V 9, 4) und einen Aufruhr von 40 zwar wohl imstiande war, einer so gestalteten 
1000 Sklaven in Athen und Delos, den Diodor Kriegslage zu begegnen (vgl. mit welcher Scharfe 
(XXXIV- — XXXV 2, 18) mit den sizilischen Unruhen die romischen Statthalter die Seerauber des 
in Verbindung bringt. Kaukasusgebiets behandelten, Strab. XI 2, 12), 

"Wenn auch nicht genau zu ermitteln ist, bin- daB er aber seine Pflichten straflich vernachlas- 

nen welches Zeitraums die kilikischen Seerauber sigt hatte, indem er das Unwesen der kilikischen 

ihren Tatigkeitsbereich iiber die syrische und Piraten bis zu diesem unerhorten MaB gedeihen 

kleinasiatische Kiiste hinaus ausdehnten und ihre lieB. Erklart wird diese Schwache dadurch, daB 

Organisation vervoUkommneten, so laBt sich doch im Westen der Bedarf an Sklaven dauernd wuchs 

der Bereich umgrenzen, innerhalb dessen sie ihr und sich infolgedessen bei den maBgebenden 
Unwesen trieben, ehe die Romer im J. 102 v. 50 Kreisen Roms eine Gleichgiiltigkeit entwickelte, 

Chr. den ersten bezeugten Versuch unternahmen, die bis zu bewuBter Duldung dieser MiBstande 

sie zu vernichten (Ziebarth Seeraub und See- ging (vgl. r m e r o d Piracy 209). Ihre Gefiihl- 

handel 32f.). Sida in Pamphylien (Strab. XIV losigkeit mag auch zusammenhangen mit dem an 

3, 2 encbXovv eheI rovg aXovtag sXevd-eQovg ofjioXo- Freien begangenen Menschenfang, den die Steuer- 
yovvteg) und Delos (ebd. XIV 5, 2) wurden die pachter sowohl in den Provinzen als auch in den 
hauptsachlichen Absatzmarkte fiir die durch die angrenzenden Landern der Bundesgenossen un- 
seerauberischenUnternehmungengewonneneBeute. gestraft ausiiben durften (Cambr. Anc. Hist. IX 
Die bekannte Gefangennahme des jungen Caesar, 351). Die ernsten politischen Folgen des uner- 
fiir dessen Freilassung 20 Talente gefordert und laubten Sklavenhandels wurden dem Senat klar, 
bezahlt wurden (Plut. Caes. 1, 4ff.) laBt er-60als der Consul Marius beim Konig Nicomedes 
kennen, daB die Erhebung von Losegeld, sofern von Bithynien Hilfstruppen fiir den Cimbernkrieg 
es zu erhalten war, gegebenenfalls ein eintrag- anforderte und dieser ihm antwortete, daB die 
licheres Geschaft bedeutete als Verkauf in die S. moisten seiner Bithynier von den romischen 'puhli- 
(vgl. Strab. XI 2, 12, der angibt, daB die kirkas- cani weggeschleppt worden seien und in den 
sischen Seerauber Erhebung eines maBigen Lose- Provinzen in der S. lebten (Diod. XXXVI 3, 1 
geldes eher erlaubten als Verkauf in die S.). Dank kurz nach der Schlacht bei Arausio anzusetzen, 
seiner giinstigen Mittelmeerlage im Verein mit wahrscheinlich 104 v. Chr.). Diese Auskunft 
den besonderen Handelsprivilegien, die der ro- fiihrte zu einem BeschluB des romischen Senats^ 



959 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Eepublit) 960 

dafi die Statthalter der Provinzen eine Unter- — 71 v. Chr. Appian. bell. civ. I 14, 116 gibt an, 

suchung einleiten und dafiir Sorge tragen sollten, daB die Truppen des Spartacus 72 v. Chr. 

dafi nicht freigeborene Untertanen eines mit Rom 70 000 Mann betragen batten und diese Zahl 

verbtindeten Staates in einer romischen Provinz wahrend des Marsches nach Rom auf 120 000 ge- 

als Sklaven verblieben. In Ausfiihrung dieser An- stiegen sei, obwohl Spartacus sich weigerte, die 

ordnung wurden innerhalb weniger Tage in Si- vielen tTberlaufer, die sich ihm anschliefien woU- 

zilien einige 800 Personen in Freiheit gesetzt ten, in sein Heer aufzunehmen (ebd. I 14, 117; 

(ebd. XXXVI 3, 2); aber diese Bestrebungen Oros. V 24, 2. 90 000 bei Veil. II 30, 6). Die An- 

wurden nach einigen Tagen wieder eingestellt, da fuhrer des Aufstandes und die Kerntruppen des 
die Sklavenbesitzer beim romischen Praetor in 10 Heeres waren Gallier und Thraker und zudem ein 

Sizilien heftige Beschwerde dagegen ftihrten. kleiner Teil Germanen, die aus den Kriegen mit 

Diese Tatsache ist hochbedeutsam, indem sie er- den Cimbern und Teutonen herruhrten (Caes. bell, 

kennen laBt, wie bei dem im Westen betriebenen Gall. I 40). Der Plan des Spartacus, durch Nord- 

Sklavensystem jener Zeit politische und wirt- italien nach den Alpen und Gallien zu ziehen 

schaftliche Motive mitwirkten und ineinander (Appian. bell. civ. I 117), weist darauf hin, daB 

tibergingen. Diodor (XXXVI 3, 3) fiihrt den Vor- der groBere Teil der Truppen aus dem Norden 

fall an als einen der Griinde ftir den Ausbruch stammte. Die Ausscheidung dieser beiden Ele- 

des zweiten Sklavenaufstandes in Sizilien, der mente aus dem Sklavenbestand Italiens war fast 

sich von 104 — 101 v. Chr. hinzog; an ihm war voUig durchgefiihrt (die 6000, die man gefangen 
fast die ganze Insel beteiligt, und zu seiner Unter- 20 genommen hatte, wurden langs der StraBe von 

driickung war ein romisches Heer von 17000 Mann Capua nach Rom gekreuzigt, ebd. I 120), als 

erforderlich (ebd. XXXVI 8, 1. Noch zwanzig durch Caesars Eroberung Galliens keltische 

Jahre spater standen bei den Soldaten SuUas Sklaven wieder in groBer Zahl auftauchten. In 

dieser Sklavenkrieg und seine Fuhrer in lebhafter den letzten 30 Jahren der Republik muB die Zahl 

Erinnerung Appian. Mithr. 59). der Sklaven noch immer im Steigen begriHen ge- 

Die allgemeinen wirtschaftlichen Ergebnisse, wesen sein, da die Furcht vor einem Sklavenauf- 

die man mit der umfangreicheren Verwendung stand benutzt werden konnte als Mittel, um die 

von Ackerbausklaven in Sizilien erzielt hatte, Reichen in Angst zu versetzen, was sich zur Zeit 

waren sowohl fiir die verarmten Freien als auch der katilinarischen Verschworung zeigt (Cic. 
fiir die Sklaven selbst offenbar sehr schlecht, zu- 30 Catil. 111. Sail. Cat. 24. 30. Cass. Dio XXXVII 

mal die heruntergekommene freie Bevolkerung an 33, 2. 35, 3), besonders in Catilinas Weigerung, 

der Zerstorung des Eigentums der Reichen eben- die entlaufenen Sklaven, die in sein Lager 

soviel Geschmack fand wie die Sklaven {nal rcov kamen (Sail. Cat. 47), in sein Heer aufzunehmen, 

elsvd-EQcov ct anoQoi Diod. XXXVI 6). DaB die vermutlich wegen der politischen Folgen einer 

Sklavenzahl in Italien stetig wuchs und daB auf solchen Handlung. In den J. 60—50 v. Chr. 

den groBen Giitern in bezug auf Sklaven ahnliche nahm in Rom selbst die Benutzung von Sklaven 

Verhaltnisse herrschten wie in Sizilien, ist er- und Freigelassenen zur Ausiibung politisch^r Er- 

sichtlich aus dem Vorgehen des ungeratenen pressungen ein unglaubliches MaB an (der An- 

Sohnes eines romischen Ritters aus der Umgegend schlag gegen Curio stiitzte sich darauf, daB dieser 
von Capua, der 400 von seinen eignen Sklaven 40 mit seinen Sklaven Pompeius toten woUte, Cic. 

bewaffnete (ebd. XXXVI 2, 3 rovg Idiovg . . . Att. II 24, 2). Cicero rechnete auf den Beistand 

ciKerag) und zum Aufstand veranlaBte und sich seiner Freunde und deren Klienten, Freigelas- 

bald an der Spitze eines Heeres von 3500 Sklaven senen und Sklaven, falls Clodius gegen ihn Ge- 

der Nachbarschaft sah (ebd. XXXVI 2, 6), und wait anwenden soUte (Cic. Qu. fr. I 2, 5. Vgl. 

ebenso aus dem gescheiterten Plan des Spartacus, die gegen Cicero im J. 43 erhobene Anklage, daB 

einen Teil seiner Truppen nach Sizilien zu brin- er wahrend seines Consulats Forum und Capitol 

gen und dort den Aufstand weiter auszubreiten mit Sklaven besetzt hatte, die zu seiner Hilf e her- 

{Cie. Verr. V 8. Cambr. Anc. Hist. IX 330). Das beigerufen worden waren, Cass. Dio. XLVI 20, 1). 

Vorhandensein einer erheblichen Zahl von Sklaven Im Wahlkampf des Jahres 56 v. Chr. bedienten 
als Industriearbeiter in Italien laBt sich vermuten 50 sich, wie Cicero (Att. IV 3, 2. 4) bezeugt, so- 

aus den 29 Widmungen, die Namen von unfreien wohl Milo wie Clodius der Hilfe bewaffneter 

und freigelassenen magistri und magistrae aus Sklaven. Bewaffnete Sklaven als standige Leib- 

Minturnae enthalten (Excavations at Minturnae wache dieser beiden Feinde bei Appian. bell. civ. 

II 1. Republican Magistri. Zur Datierung dieser II 21 f. Im J. 48 v. Chr., am Vorabend der Ab- 

Inschriften zwischen 90 und 64 v. Chr. ebd. 123f .). reise seiner Streitkrafte nach Griechenland, zwang 

Im J. 90 V. Chr. konnten die Fuhrer der auf- Caesar seine Soldaten, ihre Sklaven und den 

standischen Verbtindeten Italiens 20 000 Sklaven TroB in Italien zuriickzulassen (Caes. bell. civ. Ill 

sammeln und zum Kampf gegen Rom bewaffnen 6). Andere vereinzelte Zeugnisse lassen erkennen, 

(Diod. XXXVII 2, 10). Die Tatsache, daB Sulla daB Caesar in seiner zentralisierten und person- 
82 V. Chr. aus der Reihe der Proskribierten 60 lichen Macht ein Verfahren anwandte, das angst- 

10 000 kraftige Sklaven freilassen und zu seiner lich darauf hinausging, keine Sklaven als Sol- 

Leibgarde ernennen konnte, ist bezeichnend fiir daten zu verwenden (vgl. seine auffallige Erwah- 

die groBe Menge Sklaven, die in den familiae nung der Tatsache, daB die Alexandriner in 

der wohlhabenden Schichten in und um Rom bei- ihrem Aufstand [bell. Alex. 2] wie seine Gegner 

sammen waren (Appian. bell. civ. I 100. CIL P in Italien [bell. civ. Ill 21, 4] Sklaven in denHee- 

722). Das Vorhandensein einer erheblichen An- resdienst aufnahmen), und in der Behandlung des 

zahl Sklaven in ganz Italien wird vorausgesetzt Sklavenproblems eine unverhohlene aber durch- 

durch die Ereignisse des Sklavenkrieges von 73 greifende Brutalitat an den Tag legte (s. die 



961 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Kepublik) 962 

Kreuzigung dreier Spione und die Bestrafung Keise nach den ostlichen Mittelmeerlandern von 

eines Sklaven, der seinen spanischen Herrn ge- fiinf Sklaven begleitet, Polyb. frg. 63 bei Athen. 

totet hatte, durch Verbrennen bei lebendigem VI 105. W. Kr oil Kultur der cicer.Zeit II 82. 

Leib bell. Hisp. 20. Vgl. Cass. Dio XLIII 39, 1). M. Scaurus erbte nur sechs Sklaven, Val. Max. IV 

Wie erstaunlich hoch der Sklavenbesitz einzelner 4, 11); aber als Cato d. J. als Tribun nach Make- 

reicher Romer war und wie bereitwiUig Caesars donien ging, begleiteten ihn ftinfzehn Sklaven 

Gegner Sklaven als Soldaten verwendeten, geht (Pint. Cato Min. 9, 4), und die Zahl der Sklaven, 

hervor aus der Angabe, daB der Sohn des Pom- die Cicero in seinem personlichen Dienst in Rom 

peius dem Heere seines Vaters in Griechenland und auf seinen Gtitern beschaftigte, war recht 
800 Sklaven zubrachte, die er unter seiner person- 10 betrachtlich (Cic. fam. XIV 4, 4. Quint, fr. Ill 9. 

lichen Dienerschaft und unter seinen Hirten an- Terentia, seiner Gattin, gehorten eine ganze Reihe 

geworben hatte (wenn man liest: pastorum suo- Sklaven als personliches Eigentum Cic. fam. XIV 

rum [numero] bell. civ. Ill 4, 4. Anwerbung 4, 4). Bedeutsamer ist Ciceros Bitte an Atticus, 

von Sklaven im afrikanischen Kriege durch Ciceros Enkel Lentulus einige Sklaven zuzu- 

Gnaeus Pompeius den Jiingeren und Marcus Cato weisen, wobei Zahl und Auswahl Atticus tiber- 

bell. Afr. 23, 36 servorum denique et cuiusque lassen sein soUten (Cic. Att. XII 28, 30). Das 

modi generis hominum). Als Caesars Eingreilen Sklavengefolge, das Pompeius' Preund P. Vedius 

durch den Tod ein Ende gesetzt war, machte sich begleitete, war so groB, daB die Zolle, die gemafi 

der machtige politische EinfluB der romischen einer von Curio beantragten lex viaria auf sie 

Sklaven sofort bemerkbar (Nic. Damasc. 17. 25. 20 entf alien muB ten, eine betrachtliche Hohe erreicht 

26. 26 b. 31. Cic. fam. X 33). In der Folgezeit batten (Cic. Att. VI 1, 25). Der unbestandige Ti- 

unternahmen bekanntlich beide Parteien den Ver- gellius des Horaz unterhielt manchmal 200 Skla- 

such, durch Freilassung von Sklaven oder durch ven, manchmal nur zehn (Herat, sat. I 3, lOf.), 

ihre Anwerbung als Soldaten sich deren Hilfe zu und ein Mann von so bescheidenen Mitteln wie 

sichern (s. Cass. Dio XL VII 35,4. XL VIII 34, 4) ; der freigelassene Vater des Horaz konnte seinem 

dabei weicht Sextus Pompeius ab von der tradi- Sohn Sklaven als Diener nach Rom mitgeben 

tionellen romischen Anschauung, die sich ihrer (sat. I 6, 78f.), so daB der Knabe eine Standes- 

Verwendung als aktive Kampfer widersetzte (Liv. person mit ererbtem Reichtum zu sein schien. 

epit. CXXIII collectis . . . proscriptis ac fugitivis. Dem Praetor Tullius folgten auf der StraBe nach 

Veil. II 73, 3). Octavianus Caesar loste die Frage 30 Tibur fiinf Sklaven (sat. I 6, 108f.). Seinen 

der Verwendung von Sklaven im Heeresdienst in bescheidenen Verhaltnissen entsprechend kann 

der hergebrachten Weise durch ein KompromiB, Horaz drohen, einen Sklaven aus seiner familia 

indem er bei Bedarf an Streitkraften die Sklaven urbana als neunten Arbeiter auf sein Sabinergut 

zuvor freilieB. So befreite er 37 v. Chr. 20 000 zu schicken (sat. II 7, 118. Vgl. sein Sklaven- 

Sklaven, die er toils durch Untersttitzung von sei- gefolge auf der Reise nach Brundisium sat. 

ten seiner Freunde, toils durch gewaltsame Weg- I 4, lOf.). H. Gummerus hat sowohl fur die 

nahme zusamengebracht hatte, und lieB sie als Zeit Catos (Klio Erg.-Bd. I 5, 34ff. 41 ff.) als 

Ruderer trainieren fur die bevorstehende See- auch fur die Zeit Varros (ebd. 68ff.) entscheidend 

schlacht mit Sextus Pompeius (Suet. Aug. 16, 1. nachgewiesen, daB handwerkliche Arbeit sich auf 

Cass. Dio XL VIII 49, 1). Er lieB auch die Skla- 40 den kleinen und mittelgroBen Gtitern Italiens auf 

ven frei, die unter Fiihrung des Menas, eines dieHerstellungeinigerwenigerArtikelbeschrankte, 

tJberlaufers von Sextus Pompeius, zu SchifE zu daB hingegen die weiten und abgelegenen Lati- 

ihm iibergingen (ebd. XLIX 1, 5). Politische Er- fundien angewiesen waren auf die in der Stadt 

wagungen und die hergebrachte romische An- hergestellten Artikel und auf reisende Handwer- 

schauung beztiglich der Behandlung von Sklaven ker zur Ausfiihrung geringerer Arbeiten. Deshalb 

ftihrten Octavian zu dem EntschluB, die Sklaven, ist fiir die beiden letzten Jahrhunderte der Repu- 

die er schlieBlich mit der Flotte des Pompeius err blik mit einem steten, wenn auch maBigen An- 

beutete, entweder ihrem Herrn zuriickzugeben wachsen der in den italischen Stadten als Hand- 

oder sie zu pfahlen ebd. XLIX 12, 4. Die Zahl worker beschaftigten Sklaven zu rechnen. Die 

derer, die ihrem Herrn zur Bestrafung iibergeben 50 Zahl der in diesen Berufen tatigen Sklaven in 

wurden, veranschlagt Augustus selbst mit 30 000, ihrem Verhaltnis zu den Freien ist nicht sicher 

Mon. Anc. 25. Dieses Vorgehen widersprach dem zu ermitteln. Die in Minturnae [zu seinen Indu- 

39 V. Chr. bei Misenum getroffenen Abkommen, strien s. Cato de agr. 135] gefundenen Listen der 

daB auf beiden Seiten ubergelaufene Sklaven frei als magistri fungierenden Sklaven und Freigelas- 

sein soUten (Cass. Dio XL VIII 36, 3). senen zeigen, daB ein M. Epidius neun Sklaven 

Im ersten Jhdt. v. Chr. mehren sich die Be- besaB, nicht eingerechnet drei Freigelassene und 

richte tiber Sklaven, die als personliche Diener im einen Sklaven, an dem er Besitzanteil hatte; da- 

Hause reicher Romer lebten oder diese auf Reisen zu kommen moglicherweise noch zwei weitere 

begleiteten (nach Strab. XIV 5, 2 zeigte sich die Sklaven als sein und eine Freigelassene als seiner 
Neigung hierzu seit dem Aufbliihen des kiliki- 60 Frau Besitz (Excav. at Minturnae II 1. Republi- 

schen Seerauberunwesens nach der Zerstorung can Magistri 58). Da diese Gesamtzahl von 13^/2, 

von Korinth und Karthago). Im 2. Jhdt. v. Chr. vielleicht 15^/2, Sklaven und Freigelassenen nur 

hatten vier oder fiinf Sklaven als Diener in einem die Mitglieder der familia umfaBt, die in ihren 

wohlhabenden Hause gentigt (Liv. XXXIX 11, 2. KultkoUegien als magistri gewahlt wurden, so 

Ptolemaios Philopator kommt 164 v. Chr. nach muB der tatsachliche Bestand groBer gewesen 

Rom mit drei Sklaven und einem Eunuchen Diod. sein, wieviel, laBt sich nicht sagen. Die nachst- 

XXXI 18, 2. Val. Max. V If. Scipio Africanus hochste Zahl bezeichnet drei magistrae und drei 

wird um 141 v. Chr. auf einer diplomatischen magistri, die einem gewissen M. Radius gehoren; 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 31 



963 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 964 

dazu kommt ein Sklave, der einer Badia, vennut- Gummerus 25S. Frank Economic Survey 
lich dessen Fran, gehort (ebd. 53). Bei weitem I 162f. Brehaut XXXII), obwohl Grund vor- 
die meisten Besitzer haben nur drei, zwei oder liegt zu der Annahme, dafi auch diese operarii in 
einen Sklaven oder Freigelassenen unter den ma- Catos Augen freie ArlDeiter sein soUten, die zwar 
gistri angefiihrt (ungefahr 20 Sklavenbesitzer er- fur dauernd gedungen sind, aber nicht auf dem 
scheinen mit drei, etwa 30 mit zwei und etwa 75 Hof leben. Das geht namlich hervor aus der Auf- 
mit einem Sklaven oder Freigelassenen. S. die zahlung der Geg^enstande, die fiir die Unterbrin- 
Aufzahlung der Besitzer bei J. Johnson ebd. gung der im Olivenhain Arbeitenden vorgesehen 
49ff.). Das Ergebnis bleibt jedoch unsicher, weil sind: 8 Betten, 8 Matratzen, 8 Bettiicher, 
sich nicht genau sagen laBt, ob alle Sklaven zu 10 16 Kopfkissen, 10 Bettdecken, wobei 2 fiir be- 
gleicher Zeit im Besitz eines bestimmten Herrn sondere Zwecke bleiben (Cato de agr. 10, 5). Diese 
waren, wie auch nicht zu entscheiden ist, ob die Ausstattung sieht einen lectum in cubieulo vor, 
Zahlen das Verhaltnis der magistri zu den Skla- der sicherlich fiir die Besuche des Gutsherrn be- 
ven jedes einzelnen Besitzers darstellen. Es ist reit stand, vier Betten mit gewebten Bettgurten 
jedoch wahrscheinlich, daB die meisten Besitzer und drei gewohnliche Betten. Eins dieser Betten 
in Minturnae nicht mehr als einen, zwei bis sechs mit Gurten ist vermutlich bestimmt fiir den vili- 
Sklaven besaBen (vgl. die Widmung von 19 Skla- cus und seine Frau, die andern drei fiir die drei 
ven in einer Inschrift aus Mantua vom J. 59 Ochsentreiber (bubulcos 111)^ und die restlichen 
V. Chr. GIL P 753, wo drei Besitzer je zwei drei fiir die drei tibrigen Sklaven {suhuleum, asi- 
Sklaven haben und 13 Besitzer nur je einen), 20 narium, opilionem de agr. 10, 1. Vgl. die 
wahrend angesehenere Burger wie Epidius und sechs Flickenmantel fiir sechs Sklaven ebd. 10, 5, 
Badius (Excav. at Minturnae I 2, 58. 53) 20 — 50 wobei die Kleidung fiir den mlicus und seine 
gehabt haben konnen. Was die Landbezirke an- Frau offenbar nicht miteinbegriffen ist. Fiir die 
betrifft, so haben wir fiir die letzten beiden vier im Weinberg beschaftigten Sklaven sind vier 
Jahrzehnte der Republik bei Varro bezeugt, daB Matratzen und vier Bettiicher vorgesehen, die 
die Verwalter von mittelgroBen Giitern lieber die Betten sind nicht erwahnt ebd. 11, 1. 5). Auch 
als Arzte, Walker und Tischler herumziehenden hier wird nichts gesagt von Schlafgelegenheiten 
Freien zur Arbeit anstellten als fiir die entspre- fiir die im Weinberg beschaftigten operarii. Die 
chenden Berufe ihre eigenen Sklaven behielten, Gesamtzahl der auf dem Gut lebenden Sklaven 
deswegen weil der Tod eines solchen fiir sein 30 betragt daher zwolf einschlieBlich des mlicus, der 
Handwerk besonders ausgebildeten Sklaven fiir Sklave ist, und seiner Frau, wahrend auBerdem 
den Besitzer einen zu schweren Kapitalverlust noch fiinfzehn standig beschaftigte freie Arbeiter 
bedeutete. Nur die reichen Latifundienbesitzer, (operarii) da sind. Fiir die saisonmaBig auftreten- 
besondersdiejenigen, dieingroBerEntfernungvon den Arbeiten, besonders fiir die Wein- (ebd. 137) 
der Stadt wohnten, pflegten Sklaven zu besitzen, undOlivenernte (ebd.144), zuder derPachterfunf- 
die eine Fachausbildung als Handwerker genossen zehn Sammler stellen muB sowie fiir alle auBer- 
hatten (Varro r. r. 1 16, 4; vgl. Gummerus QQ). gewohnlichen Arbeiten wie Entfernung von Baum- 
Fiir die Industrien ist zu beriicksichtigen, daB stumpfen und Bau neuer Gebaude (Klio Erg.- 
die leichten und haufigen Freilassungen in den Bd. I 5, 37f.) rat Cicero dem Pachter, Freie als 
Stadten (Dar emb.-Sagl. Ill 2, 1207) bewirk- 40 Arbeitskrafte anzustellen. Obwohl die Verminde- 
ten, daB der Bestand an freien Handwerkern dau- rung der rein italischen Bevolkerung und die 
ernd erganzt wurde durch Handwerker, die aus wachsende Sklavenzahl die Fiihrer des romischen 
dem Sklavenstand hervorgegangen waren (zu den Staates bereits mit Furcht erfiillte (Appian. bell, 
inschriftlichen Zeugnissen iiber die Beschaftigun- civ. I 1, 8), so war zu Catos Zeit hinsichtlich der 
gen der Freigelassenen besonders aus der friihen in der Landwirtschaft beschaftigten Krafte die 
Kaiserzeit ebd. Ill 2, 1217). Lage doch so, daB die Freien uberwogen, zumal 
Welcher Art in der ersten Halfte des 2. Jhdts. auf den mittelgroBen Giitern, um die es sich bei 
V. Chr. die Arbeitslage in den Ackerbaubetrieben Cato handelt, und wahrscheinlich auch allgemein 
Italiens war, geht hervor laus Catos de agricul- in ganz Italien. Dies wird augenscheinlich, wenn 
tura, das unter dem G^sichtspunkt des zu erzie- 50 man die vielen kleinen Bauernhofe, die keine 
lenden Gewinns den TJnterhalt eines Olivenhains Sklaven beschaftigten (Varro r. r. I 17, 2 liheris, 
und eines Weinbergs, daneben die Feldbestellung aut cum ipsi colunt, ut plerique pauperculi cum 
darstellt (Brehaut Cato the Censor on Farming sua progenie), der beschrankten Anzahl von Lati- 
[New York 1933] p. XXVIII. XXXII). Das Wort fundien gegeniiberstellt, denen es zum Vorteil ge- 
operarii, wie es von Cato gebraucht wird, ist ganz reichte, wenn sie Sklaven in groBer Menge be- 
allgemein als freie Tagelohner aufgefaBt worden schaftigten. Ein Anwachsen der Sklavenarbeit im 
(si operarii conducti erunt, Cato de agr. 145, 1), Ackerbau muB fur die Zeit von 150 bis 50 v. Chr. 
auBer dort, wo es die fiinf operarii bezeichnet, angenommen werden, sowohl auf den groBen La- 
die unter dem festen Arbeitspersonal fiir den tifundien wie auch auf den mittelgroBen Giitern, 
Olivenhain erwahnt werden (ebd. 10, 1), und die 60 wie sich ergibt aus der Zahl der Sklaven, die 
zehn operarii, die mit dem Weinberg im Zusam- nach Italien gelangten, und aus Varros Annahme, 
menhang stehen. Wahrscheinlich hat Licinius daB die operarii in Catos Olivenhain und Wein- 
Stolo, den Varro anfiihrt (r. r. I 18, 2), und sicher berg Sklaven seien (ebd. I 18, 1). Es ist jedoch 
Varro selbst diese 15 operarii als Sklaven auf- sicher, daB noch zu Varros Zeit eine freie Bauern- 
gefaBt (mit Bezug auf den Olivenhain des Cato schaft und ein zahlenmaBig starker und gleich- 
ebd. 1 18, 1 dicit enim [sc. Cato] in eo modo haec bleibender Bestand von freien Arbeitskraften vor- 
mancipia XIII habenda). Dieser Interpretation ist handen war (ebd. I 17, 2 omnes agri coluntur 
man seit Varros Zeit aUgemein gefolgt (vgl. hominibus servis aut liberis aut utrisque), Um 



965 Sklaverei (rom. Eepublit) Sklaverei (rom. Eepublik) 966 

50 V. Chr. brachte der GroBvater des Kaisers Ve- sammelte Aufsatze [1924] 209) als vielmehr aus 

spasian, der Arbeitskrafte ftir die Saisonarbeiten dem stark entwickelten StammesbewuBtsein und 

zu mieten hatte, noch Landarbeiter aus Umbrien dem Gefiihl der Beschamung dartiber, da6 ein 

in die Sabinergegend (Suet. Vesp. 1, 4). Was bin- ehemaliger Stammesangehoriger nun als Sklave 

gegen die Viehzucht betriSt, so war in Sizilien innerhalb derselben Gemeinschaft weiterleben 

von etwa 150 v. Chr. an der Anteil der Sklaven solle. Die Entwicklung der S. zu einem wesent- 

am Gesamtbestand der Hirten sehr hoch (Diod. lichen Faktor des romischen Lebens fallt unge- 

XXXIV — XXXV 2, 1). Der Versuch lulius Cae- fahr zusammen mit der raschen Erweiterung des 

sars, die Beschaftigung von mindestens einem romischen Machtbereichs iiber Mittel- und Stid- 
Drittel von Freien unter den Hirten durchzu- 10 italien in der Zeit von 350 — 272 v. Chr. Die Er- 

setzen (Suet. lul. 42), beweist, dafi in Italien der hebung einer 5^/oigen Freilassungssteuer, die der 

Anteil der Freien auf diesem Gebiet der Kon- Consul Cn. Manlius 357 v. Chr. eingefiihrt haben 

kurrenz durch die Sklaven nicht standhalten soil (Liv. VII 16, 7), der Verzicht darauf, Schuld- 

konnte. Schatzungen der in Italien zu Ende der ner zu Sklaven zu machen, den Liv. VIII 28, 1. 7 

Eepublik vorhandenen Sklaven sind sehr theo- in das J. 326 v. Chr. verlegt (Dion. Hal. XVI 9 

retisch. Der von B e 1 o c h Bevolkerung 434 an- setzt ihn an nach der Schlacht bei den Kaudini- 

gestellte Uberschlag woUte die Sklavenbevolke- schen Passen), die im zweiten Vertrag mit Kar- 

rung auf der italischen Halbinsel auf das Ver- thago auftretende Vorbehaltsklausel betreffend den 

haltnis von 3 Sklaven zu 5 Freien, im Po-Tal Verkauf von Sklaven auf romischem Gebiet (Po- 
von 3 Sklaven zu 10 Freien festlegen. Ftir Rom 20 lyb. IV 24, 6f.) — dies alles deutet in charakte- 

und Ostia nennt er fiir das J. 5 v^ Chr. eine Ge- ristischer Weise hin auf die Entwicklung zu 

samtbevolkerung von rund 850 000 Menschen und einer Wirtschaft, die gleichermaBen auf der Ar- 

schatzt, da6 davon rund 280 000 Sklaven gewesen belt von Freien und Sklaven aufgebaut war. 

seien (ebd. 404. Vgl. Cambr. Anc. Hist. IX 787, Zeugnisse in solcher Menge, daB sie ein zu- 

wo die Sklavenbevolkerung von Rom zu Ciceros sammenhangendes Bild des herrschenden Systems 

Zeit mit liber 200 000 angegeben wird). Dieses ergeben konnten, liegen nur vor fur die Zeit, als 

angenommene Verhaltnis von Sklaven zu Freien man zur Beschaftigung von Sklaven im GroB- 

in einer Zeit, wo die S. der Antike ihren Hohe- grundbesitz und in der Industrie iiberging, also 

punkt erreichte, legt einen Vergleich nahe zu den von etwa 220 — 150 v. Chr., und fiir die Zeit, da 
Vereinigten Staaten, wo urn 1850 in den Sklaven- 30 die Verwendung der Sklaven in diesen Betrieben 

staaten die Neger sklaven 51 ^/o der Gesamtbevol- ihren Hohepunkt erreichte, also von etwa 150 

kerung ausmachten (A Century of Population — 30 v. Chr. Obwohl diese beiden Perioden als 

Growth, U.S.Dept. of Commerce and Labor 1909, eine einzige zu behandeln sind, so ist doch klar, 

140). daB erhebliche Unter schiede zwischen ihnen be- 

Seneca hat die natiirliche Einfachheit im Ver- standen haben und daB der Hohepunkt der im 

haltnis der Herren zu ihren Sklaven und das Westen betriebenen S. sowohl in bezug auf die 

gegenseitige gute Einvernehmen zwischen beiden Sklavenzahl als auch in bezug auf die sozialen 

dargestellt, wie es vermutlich in der Friihzeit der Ergebnisse in das 1. Jhdt. v. Chr. zu verlegen 

Republik bestand, als die Sklavenbesitzer patres ist (Ed. Meyer Kl. Sehr. F 208. Vgl. M. W e - 
familiae und die Sklaven familiar es hieBen, als 40 b e r Ges. Aufsatze 234). Varro (r. r. II 10, 4) 

es noch keinen HaB gegen die Herrn und keine gibt die sechs Moglichkeiten an, durch die man 

Verachtung der Sklaven gab (Sen. epist. mor. legalerweise Sklaven erwerben konne: durch Erb- 

XLVII 14. Macrob. Sat. I 11, 11. Liv. I 51, 8. schaft; durch Besitziibertragung auf Grund eines 

Plut. Coriol. 24, 8ff. Cato Mai. 20, 5). Obwohl Kaufs von jemanden, der den Besitztitel hat; im 

Seneca idealisiert hat, wird doch die zugrunde ScheinprozeB (cessio in iure); durch Usucapio; 

liegende Annahme einer S., die die nahen und durch Kauf von Kriegsgefangenen sub corona; 

freundschaftlichen Beziehungen innerhalb einer durch Erwerb der konfiszierten Gtiter von Pro- 

engbegrenzten bauerlichen Gemeinschaft aus- skribierten. Da Versklavung von Schuldnern seit 

driickte, wahrscheinlich den Tatsachen entsprechen langem aufgegeben war, fallt an Varros Aufzah- 
(vgl. M m m s e n RG II 75, die gewissermaBen 50 lung als ungewohnlich nur auf, daB er versaumt^ 

unschuldige S.). Wie im vorsolonischen Athen unter Erwerb von Sklaven auch die Aufnahme 

spielte die Versklavung von Schuldnern bei die- ausgesetzter Kinder anzufuhren, was unter usu- 

sen Verhaltnissen eine bedeutende RoUe (Liv. II capio gehort. Diese Weglassung ist gerechtfertigt 

23, 1. 6. VI 14, 3fE. 34, 2. 36, 12). Wenn Livius durch die Tatsache, daB die Aufnahme aus- 

III 15, 5 berichtet, daB im J. 460 v. Chr. gegen gesetzter Kinder in den historischen Quellen der 

2500 Verbannte und Sklaven das Kapitol einnah- Republik keine entscheidende RoUe spielt (ein 

men und Appius Herdonius die Sklaven antrieb, Beispiel ist M. Antonius Gnipho, Ciceros Lehrer, 

fur ihre Freiheit zu kampfen (ebd. Ill 15, 9), so ingenuus in Gallia natus sed expositus, a nutri- 

ist dies vermutlich eine tJbertragung von romi- tore suo manumissus Suet, de gramm. 7. Vgl. 
schen Verhaltnissen des 2. und 1. Jhdts. v. Chr., 60 Bd. XI S. 469f.). ZweifeUos bildete in den letz- 

soweit es sich um die von den Sklaven drohende ten drei Jahrhunderten der Republik der Ankauf 

Gefahr handelt. Die Bestimmung des Zwolftafel- von Kriegsgefangenen die Hauptquelle fiir den 

gesetzes, daB die der S. anheimfallenden Schuld- Erwerb von Sklaven. Die Entscheidung dariiber, 

ner auBerhalb der Grenzen des Staates verkauft ob die Gefangenen als Teil der von dem besiegten 

werden soUen (trans Tiherim, leg. XII Tab. Volk erworbenen Beute (magnam vim hominum 

B r u n s FIR Tab. Ill p. 20f .), erklart sich nicht et pecoris et omnis generis praedae Liv. XXIX 

so sehr aus der Furcht vor einem Sklavfenauf- 35, 5) verkauft werden soUten, lag beim Staat 

stand (diese Begriindung gibt M. Weber Ge- und ging kraf t des imperium auf den Feldherrn 



967 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 968 

iiber (Inst. I 3, 3 imperatores captivos vendere betrifft, so sind servi publici bezeugt fiir Min- 

iuhent, ac per hoe servare nee oceidere solent). turnae (J. Johnson Excavations at Mintur- 

Die vom Feldherrn getroffene Entscheidung konnte nae II 1. Republican Magistri [Philadelphia 

vom Senat umgestofien werden, wie das Beispiel 1933] nr. 13, 9); fiir das J. 45 v. Chr. sind sie 

der im J. 171 v. Chr. aus Griechenland heriiber- bezeugt durch eine Bestimmung der lex lulia 

gebrachten Sklaven zeigt, die man ihren Besitzern municipalis, nach der die Wohnungen und Ar- 

in Italien wieder abkaufte und als freie Manner in beitsstatten, die die ortlichen Behorden den Skla- 

die Heimat zuriickschickte (Liv. XLIII 4, 5. Zo- ven angewiesen haben, gegen Wegnahme zu 

nar. IX 22 C). Die Kriegsgefangenen oder Bewoh- anderen offentlichen Zwecken zu schtitzen sind 

ner einer Stadt oder eines groBeren Bezirks, die 10 (D e s s. 6085, 82). In einem Senatusconsultum 

der Feldherr zu Sklaven bestimmt hatte, fiihrte aus dem J. 38 v. Chr. wird die Verwendung von 

er entweder dem Staat als servi publiei zu, wie Sklaven als Liktoren verboten (Cass. Dio XL VIII 

es Scipio 212 v. Chr. tat (der Quaestor schreibt 43, 3); man darf also schlieBen, dafi vorher Skla- 

die Namen auf und besteUt fiir je 30 Sklaven ven von den Magistraten zu diesem Amt verwen- 

einen Aufseher Liv. XXVI 47, If. Polyb. X 17, det wurden. Die Anwerbung von Sklaven zum 

91), oder er verteilt sie unter seine Soldaten Dienst in Heer und Flotte gait wohl als zulassig 

(Caes. bell. Gall. VII 89. Polyb. Ill 17, 7. Ein in Zeiten groBer Not, wurde aber unter gewohn- 

Teil der Beute wird je nach Verdienst unter die lichen Verhaltnissen strong abgelehnt (s. die Rede 

Soldaten verteilt, die iibrigen werden versteigert des L. Valerius liber die lex Oppia im J. 195 
Liv. IV 34, 4), Oder er lieB sie am Ort ihrer Ge- 20 v. Chr. Liv. XXXIV 6, 17f. Vgl. Serv. Aen. IX 

fangennahme privatim verkaufen, wobei er sich 546 lege militari . . . qua servi a militia prohibe- 

mitdenFamiUen der Gefangenenhinsichtlich eines bantur). Diese Regel schlieBt jedoch nicht aus, 

Losegeldes verstandigen konnte (Cass. Dio XLII dafi auf dem Kriegsschauplatz Privatsklaven zu 

14, 3), oder er lieB sie gemeinsam offentlich ver- finden waren, die ihren Herrn — Offizieren oder 

steigern (sub eorona Liv. XLII 63, 10). Die Durch- auch Soldaten — als Diener gefolgt waren (Caes. 

fiihrung des Verkaufs war Sache des Quaestors bell. Afr. 54, 1; bell. civ. Ill 6, 1. Nicol. Dam. 

(Polyb. X 17, 6. 10), die Bedingungen wurden 31). Das Einkommen, das dem romisehen Staat 

vom Feldherrn gestellt (wie spater, im J. 25 aus der Besteuerung von Sklaven zufloB, umfaBte 

V. Chr., Augustus beim Verkauf der Salassi ver- in der republikanischen Zeit lediglich die Frei- 
bot, daB diese vor Ablauf von 20 Jahren frei- 30 lassungssteuer in Hohe von 5 <^/o des Schatzungs- 

gelassen wiirden Cass. Dio LII 25, 4). Der Ertrag wertes der Sklaven, eine Zahl, die die ganze Zeit 

des Verkaufs fiel dem Feldherrn zu, der ihn fiir iiber gleich blieb (noch eine mcesima im J. 59 

gewohnlich dem Staatsschatz uberwies (Liv. V 22, v. Chr. Cic. Att. II 16, 1), Diese Einkiinfte wurden 

1. X 46, 5) oder ihn zur Durchfuhrung irgend- verwahrt in einem Tempelschatz, der nur in Zeiten 

eines staatlichen Unternehmens in dem besiegten auBerster Not angegriffen wurde. Im J. 209 waren 

Lande zur Verfiigung stellte, falls politische oder 4000 Pfund Gold in diesem Schatz vorhanden 

gefuhlsmaBige Grunde dies nahelegten (der Er- (Liv. XXVII 10, 11), und als lulius Caesar im 

trag aus dem Verkauf von Gefangenen in Grie- J. 49 v. Chr. Hand daran legte, enthielt er 

chenland wird verwendet zum Wiederaufbau einer 4135 Pfund Gold und 900 Pfund Silber (Oros. 
Porticus in Megalopolis ebd. XXXVIII 34, 7). 40 VI 15, 5. Bei Plin. n. h. XXXIII 56 wird der In- 

Finanzpolitische Erwagungen spielten also bei halt angegeben mit 15 000 Barren Gold, 30 000 

der Entscheidung iiber das Schicksal der Gefange- Barren Silber und auBerdem 30 000 000 Sesterzen 

nen eine ebenso groBe RoUe wie rein politische in gepragter Miinze). Die Versuche, auf Grund 

oder der Wunsch, ein Strafexempel zu statuieren, des im Tempelschatz vorhandenen Bestandes die 

wie nach der Belagerung von Athen, als Sulla die Zahl der Freilassungen zu errechnen (D u r e a u 

Sklaven der Athener sof ort verkaufen lieB (Ap- de la Malle Ificonomie politique des Remains 

plan. Mithr. 38. Vgl. Heichelheim Hist. I 290ff . fiir die Freilassungen zwischen 357 und 

Ztschr. CXLIII 95). Im J. 210 v. Chr., bei der 209 v. Chr. T. Frank fiir die J. 81—49 v. Chr. 

Einnahme von Neukarthago in Spanien, be- Am. Journ. Phil. LIII 360 — 363; Economic Sur- 
stimmte Scipio von den gefangengenommenen Ein- 50 vey I lOlf. 338), stoBen auf soviel unbekannte 

wohnern 2000 Handwerker dazu, als servi publiei Faktoren und andere Schwierigkeiten, daB die 

an der Herstellung von Kriegsmaterial zu arbei- Ergebnisse nicht zu verwenden sind (vgl. B e - 

ten (Polyb. X 17, 9. Liv. XXVI 47, 2). Sklaven lochs Warnung, Bevolkerung 414). Es liegt 

im Besitz des Staates gab es demnach im hanni- kein Zeugnis vor fiir eine Besteuerung von Skla- 

balischen Kriege (vgl. Plant. Capt. 334 sed in venverkaufen, bis Augustus im J. 7 v. Chr. eine 

privatam servitutem servit illi an publieam?), solche einfiihrte (Cass. Dio LV 31, 4), und eben- 

wahrscheinlich auch schon vor dieser Zeit; aber sowenig traf eine direkte Besitzsteuer die romi- 

die nach der Schlacht von Cannae eingetretene schen Burger, die Sklaven besaBen. Der von den 

Notwendigkeit, von Privatbesitzern Sklaven zu Triumvirn im J. 40 v. Chr. unternommene Ver- 
erwerben, um daraus zwei Legionen zusammen- 60 such, den Sklavenbesitz zu besteuern, stieB in 

zustellen (ebd. XXII 57, 11. XXXIV 6, 12), zeigt Rom auf erbitterten Widerspruch (Appian. beU. 

wie wenig Sklaven damals vorhanden waren. In civ. V 67. Cass. Dio XL VIII 31, 1). Im J. 183 

Friedenszeiten wurden die servi publiei vom Staat v. Chr. hatte Cato als Zensor angeordnet, daB bei 

vermutlich zu Schreibarbeiten und anderen niedri- dem neuen Zensus Sklaven unter 20 Jahren, die 

gen Dienstleistungen gebraucht (die Diener der 10 000 Asse oder mehr gekostet hatten, mit dem 

Volkstribunen bei Liv. XXXVIII 51, 12 waren Zehnfachen ihres Wertes angesetzt werden soUten 

wahrscheinlich ihre Privatsklaven). Was die Mu- und daB auf sie eine Steuer von 3 Denaren auf 

nicipia Italiens im ersten Teil des 1. Jhdts, v. Chr. je 1000 Asse entf alien sollte (Liv. XXXIX 44, 3); 



969 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 970 

diese Abgabe ist jedoch anzusehen als eine Luxus- Bemiihungen des alteren Cato (Liv. XXXIX 44, 3. 

steuer, dazu bestimmt, der wachsenden Ver- Plut. Cat. Mai. 18, 2. Diod. XXXI 24) ist jedoch 

schwendungssucht Einhalt zu gebieten, wie ja zu ersehen, daB die Luxuspreise fiir Sklaven in 

Cato bekanntlich den zunehmenden Luxus in aUen den beiden Jahrzehnten nach dem hannibalischen 

seinen Erscheinungsf ormen miBbilligte und lurch- Kriege stark in die Hohe gegangen waren. Ftir 

tete (Plut. Cat. Mai. 18, 2. Vgl. Catosbittere Be- die letzten 150 Jahre der Republik sind wenige 

merkung, dafi schone Sklaven mehr kosten als ein greifbare Angaben iiber die im Westen gezahlten 

Bauerngut Diod. XXXI 24), weniger hingegen Sklavenpreise vorhanden (im J. 63 v. Chr. kaufte 

liegt ihr die Absicht zugrunde, den Sklavenbesitz C. Antonius eine junge Sklavin fiir 150 Drachmen 
als solchen mit einer direkten Steuer zu belegen 10 und nahm sie in sein Haus Q. Cic. petit, cons. 8E). 

(vgl. E. Ciccotti n Tramonto deUa ScMavitu Einige allgemeine Angaben liegen noch vor: Ita- 

[1899] 161). Aus dem Vorgehen Catos lafit sich lische Kaufleute niitzen die den Galliern eigne 

lolgern, dafi die romischen Burger ihrer Ver- Neigung fiir Wein aus und bringen es fertig, ftir 

mogenserklarung auch eine Aufzahlung ihrer ein Keramion Wein einen jungen keltischen 

Sklaven anzuftigen batten und dafi eine Liste der Sklaven einzuhandeln (Diod. V 26, 4) ; lulius Cae- 

gekauften Sklaven einschliefilich der fiir sie ge- sar woUte fiir einen jungen fahigen Sklaven so- 

zahlten Preise den Zensoren zur Verfiigung stehen viel bezahlen, dafi der Preis in seinen Eechnungs- 

mufite. In der lex lulia municipals schlofi die biichern nicht angefiihrt werden soUte (Suet. Caes. 

von romischen Stadtburgern abgegebene Vermo- 48); Calenus, ein Feldherr Caesars, verkaufte im 
genserklarung die Sklaven in die geforderte ratio 20 J. 48 v. Chr. megarische Gefangene ftir einen 

pecuniae ein (D e s s. 6685, 147. Frank Econo- niedrigen Preis an ihre Angehorigen (Cass. Dio 

mic Survey I 319). Die direkte Steuer, mit der XLII 14, 3. Der Grund war wahrscheinlich drin- 

LucuUus 70 V. Chr. den Haus- und Sklavenbesitz gender Mangel an Geld); 45 v. Chr. wurde ein 

der unterworf enen Bewohner Kleinasiens belegte, vorteilhafter Vertrag betreffend Kauf von Sklaven 

mufi angesehen werden als eine aufiergewohnliche abgeschlossen, entweder zugunsten Von Cicero 

Mafinahme mit dem Zweck, ihnen die Zahlung oder von Atticus (Cic. Att. XII 30, 2. 28, 3). Ver- 

des schuldigen Tributs zu erleichtern (Appian. schiedene Angaben aus den letzten Jahrzehnten 

Mithr. 83). Caesar erwahnt (bell. civ. Ill 32) als der Republik deuten darauf bin, dafi der durch 

eine der vielen von seinen Gegnern im Btirger- die auswartigen Kriege geforderte starke Zustrom 
krieg vertibten Erpressungen die Tatsache, dafi 30 von Sklaven arbeitsfahigen Alters im Abnehmen 

sie in Syrien den Besitz von Sklaven mit einer begriffen war; andrerseits ist jedoch tiber ein 

Steuer belegten. daraufhin erfolgtes Anziehen der Marktpreise ftir 

t}ber die Preise, die man wahrend der Repu- Sklaven nichts zu ermitteln. Als eins der oben- 

blik im ostlichen Mittelmeergebiet fur Sklaven erwahnten Zeugnisse ist anzusehen Varros Rat, 

zahlte, liegen Nachweise nur in so geringem Mafi dafi unter den Ackerbausklaven das Familien- 

vor, dafi sie kaum zu verwenden sind. Freilas- leben gefordert werde, damit sich durch die Nach- 

sungspreise fehlen ganzlich. Offensichtlich hat kommenschaft der Sklaven der Vermogensbesitz 

das fur Kriegsgefangene geforderte Losegeld in des Herrn vergrofiere (Varr. r. r. I 17, 5); ferner 

engem Verhaltnis zu den Sklavenpreisen gestan- die Tatsache, dafi hausgeborene Sklaven in der 
den, wie aus Liv. XXII 59, 12 hervorgeht; dort 40 Literatur und auf Inschriften zu erscheinen be- 

erheben die romischen Soldaten Widerspruch ginnen (Cic. fam. VIII 15, 2. Samtliche Sklaven 

gegen die Anwerbung von Sklaven zum Heeres- des T* Pomponius Atticus waren im Hause ihres 

dienst, da doch die andere Moglichkeit bestehe, Herrn geboren und aufgezogen worden Nep. Att. 

die 216 v. Chr. von Hannibal ergriffenen Gefan- 13, 4. Freigelassene namens Verna, die wahr- 

genen auszulosen, wobei die Soldaten geltend scheinlich hausgeborene Sklavinnengewesen waren, 

machen, dafi der Loskauf der Gefangenen nicht Johnson Excav. at Minturnae II 1 nr. 3, 1. 

teurer sein wtirde als der Ankauf der Sklaven. 11, 6); weiterhin Varros Widerstreben gegen die 

Hannibal forderte als Losegeld 300 Denare ftir Beschaftigung von fachlich ausgebildeten Skla- 

einen romischen Soldaten, 200 Denare ftir einen ven, well der Tod eines von ihnen den gesamten 
romischen Verbtindeten, 100 Denare ftir jeden er- 50 aus dem Gut herauszuholenden Gewinn ernstlich 

beuteten Sklaven (ebd. XXII 52, 3) und 500 De- in Frage stellen konnte (Varr. r. r. I 16, 4), sowie 

nare ftir einen romischen eques (ebd. XXII 58, 4). seine Mahuung, dafi man in ungesunden Gegenden 

22 Jahre spater zahlte Titus Flamininus je 500 De- lieber freie Tagelohner als Sklaven bei der Feld- 

nare Losegeld ftir einige romische Burger, die von arbeit verwenden moge (ebd. I 17, 2). Obwohl 

Hannibal nach Griechenland in die Sklaverei ver- Varros Verhalten beeinflufit ist durch die Er- 

kauft worden waren (ebd. XXXIV 50, 6). Im Ver- kenntnis, dafi der Sklavenarbeit schwere wirt- 

gleich mit dem Hochstpreis von 1500 Denaren, schaftliche Schaden anhaften (vgl. Strabos An- 

den der altere Cato ftir seine Sklaven zu zahlen gabe, dafi die Beschaftigung korsischer Sklaven 

bereit war (Plut. Cat. Mai. 4, 5), erscheint sowohl unvorteilhaft sei wegen deren Unbeweglichkeit 
das von Hannibal geforderte wie das von Flami- 60 und Stumpfsinn, Strab. V 2, 7), so lafit sein 

ninus gezahlte Losegeld sehr niedrig; aber diese Wunsch, die Sklaven als wertvoUen Besitz zu 

Summon stehen andrerseits dem Losegeld von schonen, doch den tiefgreifenden Wandel erken- 

5 Minen sehr nahe, das 304 v. Chr. zwischen nen, der sich voUzogen hat seit der Zeit, da der 

den Rhodiern und Demetrius vereinbart wurde altere Cato in seinem Buch rticksichtslose Ausbeu- 

(Diod. XX 84, 6), ebenso wie dem 3^5 Drachmen tung der Sklaven empfiehlt. 

betragenden Durchschnittspreis ftir Freilassungen, Aus den Erorterungen tiber Sklavenzahlen 

wie er von 201 — 50 v. Chr. in Delphi tiblich war geht hervor, dafi die Arbeitslage, die wahrend der 

(s. Calderini Manomissione 214). Aus den letzten beiden Jahrhunderte der Republik im 



971 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 972 

Westen herrschte, gekennzeichnet war durch die lage in den Industrien Italiens unter Einbeziehung 
steigende Verwendung von Sklaven in den Acker- der Sklavenarbeit wie der von Freien s. Bd. IX 
baubetrieben Siziliens, Italiens und Nordafrikas, S. 1450ff., wozu hier nur eine Zusammenfassung 
wenn auch die dort beschaftigten Sklaven die und Erganzung geboten zu werden brauclit. 
freien Arbeitskrafte an Zahl nicht tibertrafen, Schwere Handarbeit wie das Mahlen des Kornes 
auBer in der Viehwirtschaft. Ein Gesetz mit dem in Backereien wurde Sklaven tibertragen und als 
Ziel, die Beschaftigung eines gewissen Prozent- Strafe ftir Ungehorsam oder Betriigereien ver- 
satzes Freier auf den italischen Giitern durch- hangt, worauf in der romischen Komodie haufig 
zusetzen, wird ohne Datum erwahnt von Appian. angespielt wird (ebd. IX S. 1452), dabei entspricht 
bell. civ. 1 8. Diese wenig beglaubigte Stelle soUte 10 die Arbeit im pistrinum der im iivlwv der 
nicht mit der von Licinius 267 v. Chr. eingebrach- neuen attischen Komodie (Menand. Her. 2f.; Peri- 
ten Rogation in Zusammenhang gebracht werden cir. 87 [ed. Jensen, 1929]). Nach 150 v. Chr. 
(s. die Warnungen von B e 1 o c h Bevolkerung fiihrte die fortgesetzte Einfuhr von fachlich aus- 
413 und von Heitland Agricola 131); sie ist gebildeten Sklaven besonders aus dem ostlichen 
vielmehr eine Dbertragung des Gesetzes des lulius Mittelmeergebiet einen bemerkenswerten Auf- 
Caesar, das mit Bezug auf die Hirten ein Beschaf- schwung in den Industrien Italiens herbei, der 
tigungsverhaltnis von 1/3 Freien zu 2/3 Sklaven sich zunachst im Entstehen groBerer Geschafte 
verlangt (Suet. lul. 42, 1). Wenn man die Stelle auswirkte und dann weiterhin auch in den Be- 
bei Appian auf ein Gesetz der Gracchenzeit be- trieben der kleinen Ladenbesitzer zutage trat 
zieht, so kann dessen Wirkung auf die in Italien 20 (0. Bd. IX S. 1454f.). Die von M. Crassus unter- 
herrschende Lage der Ackerbauwirtschaft keines- nommene Aufstellung und Verwendung einer 
falls erheblich gewesen sein (Gummerus Klio Schar von 500 ausgebildeten Sklaven zum Ab- 
Suppl. I 5, 72). Es liegt kein Zeugnis vor iiber brechen und Erbauen von Hausern (Pint, 
eine umfangreichere Beschaftigung von Sklaven Crass. 2, 4) bietet fiir die gesamte republika- 
in der spanischen Provinz (kein Hinweis darauf, nische Zeit das hervorragendste Beispiel organi- 
daB die turdetanischen Kupferminen von Sklaven sierter Sklavenarbeit, das wir aus dem Westen 
ausgebeutet wurden, Strab. Ill 2, 9), auBer in den kennen. Die Unter schrif ten von Handwerksmei- 
Silberbergwerken, wo zur Zeit des Polybios, als stern oder Geschaftsbesitzern auf den Reliefkera- 
die Bergwerke vom romischen Staat in Besitz ge- miken von Cales und auf umbrischen Bechern 
nommen wurden, 40 000 Mann arbeiteten (Poly- 30 stammen hauptsachlich von freigeborenen romi- 
bios bei Strab. Ill 2, 10 rhraQag fivQcadag dvd'Qcb- schen Biirgern; Sklavennamen erscheinen nur ge- 
jtcov). Fiir die Annahme, daB diese 40 000 Arbei- legentlich auf den kalenischen TongefaBen (0. 
ter Sklaven waren, haben wir zwar nur ein ein- Bd. IX S. 1450). Unter der Voraussetzung, daB 
ziges Zeugnis bei Diod. V 36, 4; doch darf dieser Sklaven nur fur die weniger anspruchsvoUen Ar- 
Hinweis auf Sklavenarbeit in den spanischen Sil- beiten, wie zum Bedienen der Ofen, verwandt 
berminen als den Tatsachen entsprechend gelten wurden, laBt sich von der Topferindustrie sagen, 
(vgl. Strabos Angabe, daB die romischen Berg- daB dort die freien Handwerker moglicherweise 
werksunternehmer zur Ausbeutung der Minen bis gegen Ende des 2. Jhdt. v. Chr. das Feld be- 
von Pompeiopolis in Pontus verurteilte Sklaven haupteten. Die magistri-histen aus Minturnae 
benutzten). Der Kriegsdienst, zu dem romische 40 (J h n s n Excav. at Minturnae II 1) geben die 
Burger wie Verbiindete Roms dauernd heran- Beschaftigung der aufgezahlten Sklaven und Frei- 
gezogen wurden, der unablassige Zustrom von gelassenen nicht an, auBer in den Fallen, wo die 
Sklaven durch Kriege, Seerauberei und den ge- Sklaven Besitz einer stadtischen Korperschaft 
wohnlichen Sklavenhandel — dieselben Einfliisse, sind. 5 Sklaven sind verzeichnet als Besitz der 
die wahrend der letzten beiden Jahrhunderte der Pechfabrikantengilde (picariorum sociorum servi, 
Republik eine Verstarkung der Sklavenarbeit im ebd. nr. 1, 10. 7, 5. 14, 8. 19, 6f.), 4 weitere als 
Ackerbau Italiens hervorriefen, ftihrten in dersel- Besitz der Salzhandlergilde (salinatorum soeio- 
ben Weise auch zu einer starkeren Verwendung rum servi nr. 14, 3. 16, 7. 21, 12. 26, 11), und 
von Sklaven im Handwerk. Zwar drang ins Hand- hochstwahrscheinlich waren von den iibrigen 
werk die Sklavenarbeit nicht so rasch ein wie in 50 Sklaven und Freigelassenen die meisten Indu- 
die Landwirtschaft, wo von 216 v. Chr. an die striearbeiter und einige wenige als Diener in 
Lebensmittelversorgung dringend war und der einem Privathaus angestellt. Ein Beweis dafur, 
Mangel an Arbeitskraften Beachtung erforderte; daB in der handwerklichen Arbeit die Freien da- 
doch miissen beide Entwicklungen ungef ahr gleich- mals noch stark vertreten waren, liegt vor in 
zeitig nebeneinander f ortgeschritten sein (s. Cambr. ahnlichen magistri-lnsGhiiitQn aus Capua aus den 
Anc. Hist. VIII 342). Der alteste Bericht uber J. 112 bis 71 v. Chr. (CIL P 672ff.), in denen 
eine umfangreichere Verwendung von Sklaven in Freigeborene und Freigelassene bei weitem iiber- 
der Industrie bezieht sich auf das J. 210 v. Chr., wiegen (hingeigen finden sich unter 9 Namen, 
wo Scipio, von Mangel an Kriegsmaterial gezwun- die gut lesbar erhalten sind, 8 Sklaven, CIL F 
gen, 2000 gefangene Handwerker als servi publici 60 6S1). Was die republikanischen Listen ahnlicher 
in Dienst nahm (ad ministeria belli Liv. XXVI Art angeht (aus Praeneste, ebd. 1443. 1449. 1451. 
47, 2. Polyb. X 17, 9f.). Schon der altere Cato 1453. 1456; aus Spoletium ebd. 2108; aus Pom- 
hatte es fiir vorteilhaft gehalten, wenn man peii ebd. 777; aus Mantua Dedikation an die 
seinen alteren Sklaven erlaubte, jungere Sklaven Laren von 19 Sklaven ebd. 753; aus den spani- 
zu kauf en und sie ein Jahr lang auszubilden, um schen Stadten Neukarthago und Tolosa Freie, 
sie dann mit Gewinn weiterverkaufen zu konnen Freigelassene und Sklaven in denselben Organi- 
(offenbare Lehrlingsausbildung Plut. Cat. Mai. sationen ebd. 2270. 2271. 779. VgL Rh.Mus.LIX 
21,7). Eine erschopfende Behandlung der Arbeits- 114f.), so darf man annehmen, daB die meisten 



973 Sklaverei (rom. Kepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 974 

der dort erscheinenden Sklaven und Freigelas- in reichen Hausern (der Freigelassene Hilarus als 
senen in Handwerkerbetrieben beschaftigt waren. ratioeinator Cic. Att. I 12, 2. Philotimus, der 
In den magistri-lAsieji aus Samos (ebd. 2260) und Freigelassene der Terentia Att. V 4, 3. 19, 1. 
Delos (ebd. 2235—2253. 2504) sind ausschlieB- VIII 7, 3. X 5, 3. Tiro, der fahige und zuverlas- 
lich Freie und Freigelassene angefiihrt, auBer in sige Sklave des Cicero, hatte dem Quastor von 
2235 (= D e s s. 9236), wo 1 Freigelassener und Cilicien geholfen, den Reehnungsbericht Mr die 
4 Sklaven erseheinen. Diese ingenui, liber ti und Provinz aufzustellen, fam. V 20, 1. 2). Sklaven 
servi sind zum grofiten Teil anzusehen als aus- dienten im Hause ihres Herrn auch als Arzte 
wartige Vertreter bedeutender italischer Fir- (Suet. Aug. 11. Ein Freigelassener als medicus 
men (J. Hatzfeld Les trafiquants italiens 10 OIL X 388. Ein Sklave als Assistent eines Arztes 
dans rOrient hellenique [1919] 249, 3). Die Auf- Cic. Cluent. 47) und als Lehrer (der Sklave An- 
zahlung von Hatzfeld (ebd. 247) gibt das dronicus als Lehrer der Kinder des Livius Sali- 
zahlenmaBige Verhaltnis zwischen den verschie- nator Hieron. zu Euseb. Chron. 11 125 Sch. Vgl. 
denen Schichten folgendermaBen an: 42 o/q Frei- Pint. Cat. Mai. 20, 3. Cato unterrichtete seine 
gelassene, 38 % Freigeborene, 20 ^/o Sklaven. Die- Sohne lieber selbst ebd. 20, 4). Im letzten halben 
ser hohe Prozentsatz von Freigelassenen wiirde Jahrhundert der Republik erseheinen in Artisten- 
aller Wahrscheinlichkeit nach noch starker sein, truppen Sklaven als Mitglieder von Musikkapel- 
wenn mehr Belege vorhanden waren; denn Leute, len, die zu offentlichen Vergniigungen gemietet 
denen man auf Grund ihrer Fahigkeit und Zu- wurden (Cic. Caec. 17. Verres sandte sechs Mu- 
verlassigkeit die Freiheit geschenkt hatte, waren 20 siker als Geschenk an einen Freund in Rom, Verr. 
fur auswartige Geschafte geeigneter als solche, V 64. Die Sklaven, die Milos Gattin besaB [Mil. 
die in ihrer Freiheit beschrankt waren. In erheb- 55], dienten vermutlieh als Musiker zur Privat- 
lichem MaBe iiberwiegen Sklaven iiber Freigelas- unterhaltung der Familie, ebenso wie die Sext. 
sene in den Topferladen von Arretium zwischen Rose. 134 erwahnten), als Schauspieler (Antiphon, 
25 V. Chr. und 25 n. Chr. (richtige Zeitangabe ein Freigelassener, Att. IV 15, 6. Der Schauspie- 
Dragendorffs gegen Park The Plebs in ler Panurgus als gemeinsamer Besitz des Fannius 
Cicero's Day [1918] 80ff. Die Folgerung von und Q. Roscius Rose. Com. 27ff. 31) und als Ring- 
Park, daB von 132 Arbeitern 123 Sklaven waren, kampfer (Liv. XXVIII 21, 2. Cic. Sest. 134. Vgl. 
ist ihrer Warnung gemaB mit Vorsicht aufzu- Att. IV 4 a. 2, woraus deutlich zu ersehen ist, daB 
nehmen ebd. 81, 3. 86, 1. Vgl. die Warnung von 30 das Vermieten von Sklaven, die als Ringkampfer 
Gummerus Bd. IX S. 1487). AuBer in den ausgebildet waren, ein sehr eintragliches Geschaft 
genannten Handwerken begegnen Sklaven auch darstellte, Caes. bell. civ. I 14, 4). Seit dem 
als offentliche Koche, CIL P 1447; Walker 2. Jhdt. v. Chr. wurde der Dienst in den Hausern 
ebd. 2108; Hersteller von lecti ebd. VI 2, 7988 reicher Familien mehr und mehr von Sklaven 
aus dem J. 2 v. Chr., 9503; und Backer (Sklaven- versehen, die sich allmahlich infolge ihrer tiber- 
namen auf Broten CIL X^ 8058, 18). Was das groBen Zahl und ihrer Inanspruchnahme zu un- 
Baugewerbe anbetrifft, so sah Cicero (off. I 151) produktiven Arbeiten zum mtiBigen Anhang ein- 
die Baukunst als solche als einen Beruf an, der zelner hervorragender Familien ausbildeten. Ehe 
eines freien Mannes wtirdig war; aber von Corum- die Kriege in der ersten Halfte des 2. Jhdts. den 
bus, einem Sklaven oder Freigelassenen des Bal- 40 groBen Strom von Sklaven nach Italien brachten, 
bus, sagt er in einem Brief an Atticus bellus pflegte man auf dem Markt Eoche fiir auBer- 
architectus (Cic. Att. XIV 3, 1. Vgl. den Sklaven gewohnliche Festlichkeiten zu mieten (Plin. n. h. 
als Baumeister in CIL I 1216. Die Bauunter- XVIII 108. Liv. XXXIX 6, 9 berichtet, daB man 
nehmer Diphilus bei Cic. Qu. fr. Ill 1, 1 und zu Anfang des 2. Jhdts. begonnen habe, erstklas- 
Nicephorus ebd. Ill 1, 5 sind eher Freigelassene sig ausgebildete Koche zu kauf en, als auslandische 
als Sklaven, da es Nicephorus moglich war, von Luxussitten in die romische Gesellschaft allmah- 
einem Vertrag zurtickzutreten, den er mit Quintus lich eindrangen). In dieser Zeit erseheinen in den 
Cicero geschlossen hatte, fiir den er als vilicus historischen romischen Quellen auch Angaben 
tatig war). Die familia des T. Pomponius Atti- tiber einen manchmal in brutaler Form ausgetib- 
cus umfaBte literarisch gebildete Sklaven, aus- 50 ten Geschlechtsverkehr mit Sklavinnen (Liv. 
gezeichnete Vorleser und viele Kopisten (Nep. XXXVIII 24, 2ff. XXXIX 9, 5. Beziehungen zwi- 
Att. 13, 3). Die beiden librarioli, die Atticus dem schen Scipio Africanus Maior und einer jungen 
Cicero sandte, damit sie ihm in seiner Bibliothek Sklavin Val. Max. VII 6, 1. Der alte Cato nahm 
beim Leimen der Bticher und Schreiben der Deck- sich eine junge Sklavin als Geliebte [Plut. Cat. 
blatter helfen soUten, waren demnach Sklaven, Mai. 24, 1] und forderte bezahlten Geschlechts- 
die im Buchbinden geiibt waren (Cic. Att. IV 4b, 1. verkehr zwischen seinen Sklaven und Sklavinnen 
5, 3. 8 a, 2. Vgl. ebd. I 20 und die drei Kopisten an Stelle einer ehelichen Verbindung ebd. 21, 2). 
des Atticus, die aus alien Abschriften einer Im folgenden Jahrhundert zeigt sich dieser freie 
ciceronischen Rede, die veroffentlicht wurde, einen Verkehr mit Sklavinnen noch deutlicher (C. An- 
Namen tilgen soUten ebd. XIII 44, 3. Der Sklave 60 tonius. Consul im J. 63 v. Chr. kauft auf dem 
Dionysius als librarius Cic. fam. XIII 77, 3). In Markt eine junge Sklavin, damit sie seinen Wiin- 
den letzten Jahrzehnten der Republik miissen schen diene, Q. Cic. de petit, cons. 8 e. Ein Freund 
Sklaven und Freigelassene haufig gebraucht wor- hilft M. Crassus zeitweise mit zwei jungen Skla- 
den sein als Agenten in Geld- und Grundstticks- vinnen aus, Plut. Crass. 5, 2), Horaz spricht ganz 
geschaften (ebd. XIII 50, 2. Vgl. den Fall, wo off en dartiber (bes. sat. I 2, 117ff.; epist. I 18, 
Freigelassene oder Sklaven des Lamia dem Statt- 72. Vgl. W. K r o 1 1 Ztschr. f . Sexualwiss. XVII 
halter von Afrika als Geschaftsagenten empfohlen [1930] 147f.). In den letzten Jahrzehnten der 
werden ebd. XII 29, 2) und als Rechnungsfiihrer Republik treten Sklaven haufig als Briefboten auf 



975 Sklaverei (rom. Eepublit) Sklaverei (rom. Eepublik) 976 

(CatuU. X 7), besonders als "Dbermittler von Pri- Mice donari videmus, Cic. Balb. 24). Das romische 

vatbriefen, wie es bei Cicero andauernd der Fall Biirgertum wurde demnach in seinem Bestande 

ist. In Brundisium erscheinen an einem Tage stetig ernenert nnd erganzt durch ehemalige 

Sklaven des Atticus mit einem Briefe ihres Herrn, Sklaven, die aus den familiae hervorgegangen 

ihnen folgen zwei Tage spater ein paar andere waren. Es unterliegt keinem Zweifel, daB bereits 

Sklaven, die einen weiteren Brief tiberbringen 100 Jahre vor der starken Zufuhr von Sklaven in- 

(Cic. Att. Ill 7, 1. Vgl. I 10, 1. II 8, 1. 9, 1. folge des hannibalischen Krieges die Verhaltnisse 

12, 2. Ill 19, 3. IV 4 a; fam. VIII 12, 4. XTV in dieser Weise festgelegt waren, sie mogen von 

5, 1. XVI 9, 2; Qu. fr. I 3, 4. W. Kr oil Knl- den frtihesten Zeiten derRepublik an in derselben 
tur I 84). Sklaven wurden auch verwandt, um 10 Art bestanden haben. Ihre politische Bedeutung 

wichtige nnd vertraulich zu behandelnde politische wurde vol! anerkannt von seiten Philipps V. von 

Botschaften oder Geld zu iibermitteln (ebd. Att. Makedonien, der 214 v. Chr. in einem bedeut- 

XV 13, 4 tiberbringt ein Sklave Nachrichten be- samen offiziellen Schreiben an den Demos der 

treSend die Legionen in Alexandria. Bei Cass. thessalischen Stadt Larisa auf die Vorteile hin- 

Dio XL 8, 2 bietet ein Nervier einen Sklaven als weist, die der romische Staat aus dieser Einrich- 

Boten an. Bei Polyain. VIII 23, 1 wird ein Sklave tung ziehe (D e s s. 8763 ol [sc. Tcofiaioi] nal 

des lulius Caesar nach Milet geschickt, um Loser rovg olfistag oxav elevd'SQchacooiv utQoobExofxevoi 

geld zu sammeln). elg to utoXksvfMi nat rwv aQxeicov ixetabibovtsg 

Die soziale Einstellung gegeniiber der S. und Ttal bia rov roiovrov xqotiov ov iiovov trjv Idiav 
die Behandlung, die man den Sklaven zuteil wer- 20 naxQiba sTtYjv^YjHaoiv, alia Kal am)iKiag oxebov 

den lieB, konnen zwar in einzelnen Fallen je nach eig s^boixrjKovxa xonovg itcnsnoficpaoiv). Diese 

der Persbnlichkeit des Herrn voneinander abwei- GroBztigigkeit in der Behandlung von Freigelas- 

chen, doch im ganzen genommen zeigen sie ge- senen stand in engem Zusammenhang mit der 

wisse iibereinstimmende Merkmale, die der romi- Nachsicht und Weitherzigkeit, die die Romer bei 

schen S. im Gesamtbereich der antiken S. eine Verleihung des Biirgerrechts walten liefien. In 

besondere Stellung zuweisen. Die Romer fafiten ausgesprochenem Gegensatz dazu stand die auffal- 

die S. auf als eine alien Volkern gemeinsame Ein- lend strenge Behandlung, die sowohl der Staat 

richtung, ohne dafi sie das Bedurfnis verspurten, wie Einzelpersonen den Sklaven zuteil werden 

sich liber deren Entstehung Gedanken zu machen, lieBen; sie erklart sich aus der strengen Zucht, 
etwa so wie es die Griechen der voralexandrini- 30 die innerhalb der familia herrschte. Beide Arten 

schen Zeit taten. Wenn sie Kriegsgefangene aus des Verhaltens wurden beeinfluBt durch das An- 

italischen Nachbarstammen zu Sklaven machten, steigen der Sklavenzahl wahrend der beiden letz- 

waren sie dabei ganzlich unbeschwert von dem ten Jahrhunderte der Republik, als im Zusammen- 

BewuBtsein, daB zwischen diesen und ihnen selbst hang mit der leichteren Beschaffung von Sklaven 

eine stammesmaBig bedingte Verwandtschaft be- Freilassungen bedeutend haufiger wurden (zur 

stehe, wahrend die Griechen des 5. und 4. Jhdts. Tatsache der haujBgen Freilassungen s. T. Frank 

in solchen Fallen ihr Zusammengehorigkeitsgefiihl Am. Journ. Phil. LIII 360ff., ohne daB jedoch 

zum Ausdruck brachten, wenn es sich auch prak- seinen zahlenmaBigen Folgerungen beizustimmen 

tisch als unwirksam erwies. Es liegen keine Be- ist) und der Staat aus Furcht vor den Massen von 
richte vor tiber die Schwierigkeiten, die die Be- 40 Sklaven zu strengeren MaBnahmen und eindring- 

f orderung der Sklaven verursachte. Der weite Weg licheren Straf en greifen muBte (die personliche 

von SlidruBland, Kleinasien und Syrien nach Ita- Strenge Catos lag begriindet in Furcht Plut. Cat. 

lien und Sizilien, der zur See, in tiberfiillten Mai. 21, 4). Die im 2. und 1. Jhdt. v. Chr. in 

Schiffen zurtickgelegt werden muBte, mag zum Sizilien und Italien ausbrechenden groBen Skla- 

Teil beigetragen haben zu den Schwierigkeiten, venaufstande wurden hervorgerufen durch drei 

die sich ftir die im Westen betriebene S. ergaben, Grlinde: durch die Ausschreitungen gefangener 

wenn man sie mit der griechischen vergleicht. Soldaten, die infolge ihrer Kriegserfahrung schon 

Andre Unterschiede liegen begriindet in der eigen- gegen Gef ahren und GrausamJteiten abgehartet 

artigen lange wahrenden und starken Einrichtung waren; durch die Freiheit, die man diesen gefahr- 
der romischen familia, der die Sklaven als inte- 50 lichen Leuten notwendigerweise einraumen muBte, 

grierender Bestandteil angehorten (W a 1 1 o n da man sie als Hirten beschaftigte (Poseidonios 

L'esclavage II 177), indem sie einerseits ihrer bei Diod. XXXIV— XXXV 2, 2f. Dieselbe Art 

strengen Ordnung und Zucht unterworfen waren, S. in Italien ebd. XXXIV — ^XXXV 2, 34), und 

andrerseits teilhatten an ihren Sonderfreiheiten durch die Nachlassigkeit und Grausamkeit der 

und Vorrechten gegeniiber der hochsten Macht, Sklavenbesitzer, die ihre Ursache hatte in der Tat- 

die sich in der Gruppe von familiae^ im Staat sache, daB sie solch gefahrliche Leute beschaftig- 

darstellte. In den griechischen Stadtstaaten ge- ten, und in der Art, wie sie sie beschaftigten (Bei- 

horte der Freigelassene (aTtsXsv'&sQog) einer Son- spiele fiir die Grausamkeit einzelner Herren bei 

derkaste ohne VoUbtirgerrechte an, den Metoken. Diod. XXXIV— XXXV 2, 36f.). In der Zeit des 
Im romischen Staat brachte noch der Ubertus 60 Livius war eine Sklavenrevolte fiir romische Auf- 

seine Zugehorigkeit zur familia seines Herrn zum fassung ein besonders hassenswertes Vergehen, 

Ausdruck, indem er dessen praenomen und cog- dem man non eo solum modo quo adversus alios 

nomen annahm und damit, wenn auch in beschrank- hostes sondern mit gesteigerter Emporung gegen- 

tem Umfang, die burgerliche Stellung seines Herrn tiberstehen muBte (Liv. XXI 41, 10). Der Staat 

samt ihren Rechten. Fiir hervorragende Verdienste selbst begegnete der durch Sklavenrevolten dro- 

schenkte auch der romische Staat Sklaven die henden Gefahr durch ein System von Belohnungen 

Freiheit j die Cicero mit Burgerrecht gleichsetzt und Straf en: belohnt wurden diejenigen Sklaven, 

{servos persaepe . . . libertate, id est civitate, pu- die tiber eine drohende Aufstandsbewegung zweck- 



977 Stlaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 978 

dienliche Angaben machen konnten (Sklaven wer- zelnen beschreibt; dazu kommt die Tatsache, dafi 
den fiir die von ihnen gemachten Angaben mit man, wie es Cato in seinem Buch iiber den Land- 
Geld und der Freiheit belohnt Liv. IV 35, 2. XXII ban empfiehlt, die Verwendung von Sklaven anf 
33, 2. Vgl. II 5, 9. XXVI 27, 4. 6. XXVII 3, 5. den Landgiitern ausschlieBlich vom Standpunkt 
XXXII 26, 9. 14), wahrend die aufriihrerischen der wirtschaftlichen Rentabilitat betrachtet, ohne 
Sklaven mit langsamem Kreuzestod bestraft wur- ihr menschliches Wohlergehen auch nur im min- 
den (GeiBelung und Kreuzigung von Anfiihrern desten zu berlicksiclitigen. Der Sklavenaufseher 
im J. 196 V. Chr. bei Liv. XXXIII 36, 3. Im des Gutes ist gehalten, dem Besitzer bei seinen 
J. 71 V. Chr. Kreuzigung von 6000 Gefangenen Inspektionsbesuchen Eechenschaft abzulegen iiber 
aus dem Sklavenauf stand in Italien langs der 10 Betatigung und auBerste Ausnutzung aller Arbeit s- 
StraBe von Rom nacb Capua Appian. beU. civ. I krafte, wobei es fiir Tragheit oder Flucht von 
120). Diese Todesart, die sich in der griechischen Sklaven keine Entschuldigungsgriinde gibt (Cato 
Literatur nur selten findet (Daremb.-Sagl. I de agr. 2, 2). Die der familia angehorigen Skla- 
1573), gait in den Augen der Romer schlieBlich ven soUen ausreichende Bekostigung erhalten (ebd. 
als eine abschreckende Strafe, die insbesondere fiir 56ff.), weil dadurch Mundraub verhiitet wird (fa- 
Sklaven vorbehalten war (servile supplicium bei eilius malo et alieno prohibebit ebd. 5, 2); sie 
Tac. hist. IV 11 und Script. Hist. Aug. Avid. konnen zusatzliche Nahrung erhalten, wenn 
Cass. 4, 6). Als solche erscheint sie in Form einer groBere Arbeitsleistungen von ihnen gefordert 
gegen die Sklaven im allgemeinen ausgesproche- werden (ebd. 56); wer den sie jedoch krank, so ist 
nen Drohung in der romischen Komodie (z. B. 20 die Nahrung aus Sparsamkeit auf ein MindestmaB 
Plant, mil. glor. 359; Mostell. 557. Ter* Andr. zu beschranken (ebd. 2, 5; abzulehnen ist die von 
787. Vgl. Bd. IV S. 1728). AuBer in den Fallen, Curcio La primitiva civilta latina agricola 
wo es sich um einen staatsgefahrlichen Auf stand [1929] 48 ausgesprochene Meinung, daB dies ge- 
handelte, blieb die Bestrafung der Sklaven ihren schah, um Simulieren zu verhiiten). Ebenfalls aus 
Herrn iiJaerlassen (Augustus, Mon. Ancyr^ 25, be- Sparsamkeit soUten alte und kranke Sklaven wie 
richtet, daB er 36 v. Chr. 30 000 Sklaven ihren altes Vieh und verbrauchte Gerate verkauft wer- 
Herren wieder zustellte ad supplicium sumendum, den (ebd. 2, 7). In Catos Buch wird keine Be- 
nachdem die Schuld an ihrem Vergehen offiziell stimmung getroffen iiber ein irgendwie gestaltetes 
dem Sextus Pompeius zugesprochen worden war, Familienleben unter den Sklaven der familia ru- 
Appian. beU. civ. V 77. 80. Cato hielt im Beisein 30 stica, ebenso wie keinerlei Moglichkeit vorgesehen 
seiner samtlichen Sklaven Gericht iiber Verfeh- ist fiir eine spatere Freilassung noch Sicherstel- 
lungen, die die Todesstrafe nach sich zogen, Pint. lung im Alter. An Feiertagen soUen die Sklaven 
Cat. Mai. 21). Vermoge der im romischen Gesetz mit Arbeiten beschaftigt werden, die das Reli- 
niedergelegten dominica potestas hatte der pater gionsgesetz dem Buchstaben nach nicht verletzen 
familias weitgehende Gewalt iiber alle in seiner (ebd. de agr. 2, 4. 138. Vgl. Colum. r. r. II 21). 
familia vorhandenen Sklaven, das Recht, sie aus- Fiir die Bekleidung der Sklaven wird nur geringe 
zupeitschen, sie in das ergastulum (Bd. VI S. 431) Sorge getroffen; sie erhalten jedes zweite Jahr ein 
einzusperren und die Todesstrafe an ihnen zu voll- Hemd, einen Rock und ein Paar schwerer Holz- 
ziehen (s. u.). Diese Machtbefugnisse waren nur schuhe (ebd. de agr. 59). Eine notwendige Be- 
eingeschrankt durch das personliche Verantwor- 40 gleiterscheinung zur dominica potestas iiber die 
tungs- und Gerechtigkeitsgefiihl der Sklavenbesit- Sklaven ist das ergastulum, ein Gefangnisraum, 
zer und durch die aUgemeine Kontrolle der offent- in den widerspenstige oder straffallige Sklaven 
lichen Sitten, die von den Zensoren ausgeiibt eingesperrt wurden, oft sogar gefesselt (die An- 
wurde (Schutz der Sklaven gegen die Grausamkeit lage von unterirdischen aber gesunden ergastula 
ihrer Herren als eine Angelegenheit der offent- empfiehlt Colum. r. r. I 6, 3). Es besteht kein 
lichen Sittlichkeit Dion. Hal. ant. XX 20, 3). Zweifel, daB in der spateren Republik und in der 
Unter solchen Verhaltnissen konnten vielfach un- Kaiserzeit solche ergastula bestanden haben und 
gerechte Anschuldigungen gegen Sklaven erhoben fortgesetzt in Gebrauch gewesen sind (Sklaven 
werden (ein bezeichnender, obwohl unhistorischer aus den ergastula wurden manchmal als Gladia- 
Vorfall aus der Friihzeit der Republik Dion. Hal. 50 toren verkauft Cic. Sest. 134), zumal das Recht, 
ant. VII 69. Verres beschuldigt einen Sklaven, die Sklaven dort einzusperren, die Besitzer leicht 
um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken Cic. zu personlicher Ungerechtigkeit und Grausamkeit 
Verr. IV 45, 100. Folterung und Kreuzigung eines verleiten konnte; doch ist ihre Bedeutung in der 
Sklaven auf Betreiben von Privaten Cic. Cluent. neueren Literatur iibertrieben worden (s. W. E. 
187; vgl. Att. XIV 15, 1. Hor. Sat. I 3, 80fE. Die Heitland Agricola [1921] 146, der die erga- 
Angabe, daB Pomponia, die Gattin des Q. Cicero, stula auffaBt als Baracken, in denen die Sklaven 
einen verraterischen Sklaven mit der Folter be- dauernd gefangen gehalten wurden, sofern sie 
strafte, findet bei Plut. Cic. 49, 2 keine Bestati- nicht drauBen bei der Arbeit waren). Der altere 
gung). Man darf wohl annehmen, daB in einem Cato bestraft die Sklaven seiner familia fiir leieh- 
nicht bekannten Prozentsatz von Fallen die Her- 60 tere Vergehen dadurch, daB er sie auspeitschen 
ren in der Behandlung ihrer Sklaven Milde walten laBt (Plut. Cat. Mai. 21, 3); er spricht auch da- 
lieBen, die iiberwiegende Mehrzahl der Sklaven- von, die Landsklaven gefesselt zu halten, aller- 
besitzer jedoch verfuhr mit Harte und Strenge. dings nur den Winter iiber (cibaria . . . compedi- 
Das geht hervor aus der Verzweiflung und Bru- tis per hiemem Cato de agr. 56. Das ergastulum 
talitat der Sklaven wahrend der Aufstande in Si- wird weder von Cato noch von Varro erwahnt, s. 
zilien und Italien, die hervorgerufen worden waren Heitland Agricola 185). In der Frage der Sklaven- 
durch eine ungemein grausame Behandlung, wie behandlung weichen Cato und M. Terentius Varro 
sie Diod. XXXIV — ^XXXV 2. XXXVI 5ff. im ein- vielfach voneinander ab; diese Abweichungen mo- 



979 Sklaverei (rom. Republik) Sklaverei (rom. Eepublik) 980 

gen sich im einzelnen erklaren aus der wesens- Taurusgebirge Cic. Att. V 15, 3. VI 1, 13. Dio- 

mafiigen Verschiedenheit der beiden Autoren, je- nysius, ein Sklave des Cieero, sucht sich der Er- 

doeh im ganzen genommen besagen sie mehr: greifung zu entziehen, indem er in das Innere 

wahrend des Jahrhunderts, das zwischen beiden von lUyricum fliichtet, fam. V 9, 2. Vgl. den 

liegt, hat sich in der sozialen Einstellung zur S. noch im 1. Jhdt. v. Chr. wirksamen Glauben, dafi 

ein tiefgreifender Wandel voUzogen. Bei Varro die Vestalinnen kraft eines bestimmten Gebetes 

ist der Gutsherr nicht lediglich aus Gewinnsucht die Flucht von entlaufenen Sklaven aufhalten 

an seinem Besitz interessiert, er soil auch Freude konnten, solange sich diese noch im Weichbild 

daran haben (ad duas metas dirigere debent, ad der Stadt befanden, Plin. n, h. XXVIII 13). Um 
utilitatem et voluptatem Varr. r. r. 1 4, 1). Obwohl 10 die Fluchtgefahr zu vermindern, liefien einzelne 

Varro den Landsklaven unter wirtschaftlichem Herren um den Hals ihrer Sklaven ein Halsband 

Gesichtspunkt als ein Produktionsmittel ansieht, aus Metall legen, auf dem Name und Adresse des 

unterscheidet er ihn doch von Tieren und dem Herrn verzeichnet waren (Lucil. 854 M. cum ma- 

Gutsinventar, indem er ihn rechnet zu dem in- nicis, catulo collarique ut fugitivum deportem. 

strumenti genus vocale in quo sunt servi im Gegen- Vgl. die Inschrift auf einem Bronzeplattchen, das 

satz zu dem semivocale (Tiere) et mutum (z. B. zum Halsband eines Sklaven gehort, bei B r u n s 

Wagen ebd. I 17, 1). Die allgemeine Einstellung, FIR 159, p. 362: fugi; tene me; cum revocaveris 

vorher nur auf auBerste wirtschaftliche Ausnut- me domino meo Zonino, accipis solidum. Das 

zung der Sklaven bedacht, ist nun dazu tiber- eiserne Halsband, das man an den Wirbelknochen 
gegangen, auch deren Wohlergehen und Zufrie- 20 eines Skeletts in Brindisi fand, mag dazu ge- 

denstellung zu beriicksichtigen, allerdings aus dient haben, einen entlaufenen Sklaven kenntlich 

Eigennutz (studiosiores ad opus Heri liberalius zu machen; eine Inschrift war darauf nicht zu 

tractando ebd. I 17, 7). Wo Cato, um eine bes- entdecken. Atti Accad. d. Lincei. Mem. 1878/79, 

sere KontroUe zu haben, die sexuellen Triebe sei- 215). Es liegt kein Zeugnis vor fur die Annahme, 

ner Haussklaven durch systematische Prostitution daB die sorgfaltigen gesetzlichen Bestimmungen 

innerhalb der familia urbana befriedigen will zur Ergreifung und Zuriickfuhrung fliichtiger 

(Pint. Cat. Mai. 21, 2), empfiehlt Varro eheliche Sklaven, wie sie wahrend der Kaiserzeit in Gel- 

Bindung und Familienleben, damit der Sklave an tung waren (Buckland Roman Law of Sla- 

Haus und Hof seines Herrn gefesselt bleibe und very 267ff.), bereits in der republikanischen Zeit 
seine Nachkommen als weitere Sklaven dessen Ver- 30 eingefiihrt worden sind; vielmehr war dort die 

mogensbesitz vergrofiern (Sklaven aus Epirus Wiedererlangung der Entlaufenen eine Angelegen- 

werden als Beispiel angeftihrt fur die Vorteile heit der Sklavenbesitzer selbst, die bei ihren Be- 

solcher Bindungen Varr. r. r. I 17, 5. Auch der muhungen von Freunden und den Behorden von 

Hirt soil eine Fran haben ebd. II 10, 6). Fur gut Stadten und Provinzen unterstiitzt wurden, so- 

geleistete Arbeit soUen die Sklaven belohnt wer- fern sich ihr EinfluB bis zu diesen Stellen er- 

den durch zusatzliche Nahrung oder Befreiung streckte (vgl. Wilcken UPZ 568. Im Inter- 

von einer Arbeit oder durch die Erlaubnis, ein esse seines Freundes Aesopus verwendet sich Ci- 

Stiick Vieh zu halten und es auf den Gutswiesen cero bei seinem Bruder Quintus, als dieser Statt- 

weiden zu lassen (ein peculium fiir den Sklaven- halter von Asien ist. Festnahme des Sklaven, bis 
aufseher ebd. r. r. I 17, 5; fiir den gewohnlichen 40 die Sache geklart ist, Cic. Qu. fr. I 2, 14). In 

Sklaven ebd. I 17, 7. 19, 3). Wahrend Cato von Sachen seines Sklaven Dionysius, der Biicher aus 

der Fesselung von Sklaven spricht, aber wahr- Ciceros Bibliothek gestohlen und mit diesen das 

scheinlich nur zur Strafe fiir begangene Misse- Weite gesucht hatte, fiihrte Cicero mit zwei 

taten (Cato de agr. 56; vgl. Plut. Cat. Mai. 21, aufeinanderfolgenden Statthaltern von lUyricum 

3), gestattet Varro dem Aufseher nicht, die Skla- einen Briefwechsel (Cic. fam. XIII 77, 3. V 9, 2. 

ven mit Schlagen zu ziichtigen, wenn Worte zu 10, 1), der sich fiber ein Jahr erstreckt, ohne daB 

demselben Ergebnis fiihren (Varr. r. r. I 17, 5); bis zum letzten diese Angelegenheit behandelnden 

ein Hinweis auf Gefangensetzung in Ketten findet Brief die Wiedererlangung des Sklaven gelungen 

sich bei ihm nicht. (Fiir die Angabe bei Suet, de ware. Im Falle der Ergreifung konnte der Ent- 
rhet. 3, daB die Anschmiedung von Sklaven als 50 laufene, solange bis seine tJbergabe an den Be- 

Tiirhiiter an die Tiir eine alte romisehe Gewohn- sitzer erfolgte, von der Behorde eingesperrt oder 

heit darstelle, bietet die Literatur der Republik auf Betreiben von offentlichen Stellen oder Pri- 

keinen weiteren Beleg.) vaten zu schwerer Arbeit in die Miihlen geschickt 

TOer entlaufene Sklaven liegen fiir den Westen werden (Cic. Qu. fr. 12, 14. Mon. Ancyr. 25 wer- 

wenig Nachrichten vor, obwohl die Zahl derer, den entlaufene Sklaven ihren Herrn wiederzu- 

die aus der Knechtschaft zu entfliehen versuch- gestellt). 

ten, betrachtlich gewesen sein muB, besonders Die auf Furcht, Argwohn und Verachtung be- 

gegen Ende der republikanischen Zeit, als Haus- ruhende Einstellung den Sklaven gegentiber, wie 

sklaven in Menge vorhanden waren und die Er- sie in der Literatur der letzten beiden Jahrhun- 
greifung der Fltichtigen, wenn sie erst einmal ins 60 derte der Republik begegnet (totidem hostes esse 

Ausland entkommen waren, Schwierigkeiten be- quot servos, Sen. epist. mor. 47, 5. Macrob. Sat. 

reitete (Lenaeus, ein Sklave des Pompeius Mag- I 11, 13. Liv. XXXIX 26, 8. Cic. domo 129; 

nus, wird mit Erfolg in Griechenland verborgen Cael. 61f. Die Ludi Megalenses wurden 56 v. Chr. 

gehalten Suet, gramm. 15. Ein fliichtiger Sklave durch den Aedilen P. Clodius Pulcher den Skla- 

lebt eine Zeitlang als Freier bei einem epikure- ven zuganglich gemacht, Cic. har. resp. 24; post 

ischen Philosophen in Athen Cic. Qu. fr. I 2, 14. red. 13; in Pis. 9 ex omni faece urbis ac servitio. 

Ein Sklave des Atticus sucht zusammen mit einem Selbst die hausgeborenen Sklaven konnten mog- 

Rauberhauptmann, Moiragenes, Unterschlupf im licherweise eine Gefahr bedeuten, fam, XI 19, 2. 



981 Sklaverei (rom, Eepublik) Sklaverei (rom. Kepublik) 982 

Vgl. Horat. epod. 4, 3f. llf. mit Bezug auf Me- tion mit dem Ziel: Abschaffung der S. durchzu- 

nas, den Freigelassenen des Sextus Pompeius), fiihren; hingegen lief en alle Bemtihungen ledig- 

war eine unvermeidliche Folge der unbeschrank- lich darauf hinaus, die jeweilige Lage zu bessern. 

ten Gewalt, die den Sklavenbesitzern vermoge Den aus jener Zeit haufig vorliegenden Berichten 

der dominica potestas zustand, zumal als wahrend tiber treue Anhanglichkeit von Sklaven an ihre 

der letzten Jahrhunderte der Eepublik Sklaven Herrn darf man entnehmen, daB die Sklaven die 

in Menge vorhanden waren und dieser Umstand ihnen zuteil gewordene freundliche Behandlung 

zu ihrer auBersten Ausnutzung fiihrte. Wo diese nicht vergaBen und sich dafiir dankbar erwiesen 

Einstellung in der When Tradition auftritt (z. B. (221 v. Chr. fallt Hasdrubal durch die Hand eines 
in den Reden, die Personlichkeiten der fruhen Re- 10 Sklaven, dessen Herrn er getotet hat, Liv. XXI 

publik in den Mund gelegt wurden, wie bei Liv. 2, 6. Im ersten sizilischen Sklavenaufstand wird 

IV 3, 7, rasch iibertragen auf Freigelassene und die Tochter eines hartherzigen Sklavenbesitzers 

deren Sohne Liv. IX 46, 4), steht sie in Wider- schonend behandelt, weil sie vorher zu den Skla- 

spruch zu dem Verhaltnis, das sich bei einer ven freundlich gewesen war, Diod. XXXIV 2, 13. 

natiirlichen und einfachen Form der S. aus der Nach dem Tode des Pompeius tragt ein Sklave 

Stellung der Sklaven in der familia ergeben mtiBte, Sorge fur dessen Leichnam Plut. Pomp. 80, 2f. 

und ebenso in Widerspruch zu den Berichten tiber Einige Sklaven bleiben bei dem Leichnam ihres 

Ereignisse des spaten 4. und des 3. Jhdts., die Herrn selbst auf die Gefahr hin, daB man sie der 

von Anhanglichkeit der Sklaven und Vertrauen Mittaterschaft an seiner Ermordung verdachtigt, 
der Herren und guten Beziehungen zwischen 20 Cic. fam. IV 12, 3. Wahrend der Proskriptionen 

beiden wissen (Liv. IV 36, 4. Val. Max. IV des J. 43 v. Chr. haben bekanntlich verschiedene 

4, 6). Bei dem allgemeinen SchluB, daB in der Sklaven ihre Herrn dadurch gerettet, daB sie an 
Sklavenbehandlung unerbittliche Strenge vor- deren Stelle traten und statt ihrer getotet wur- 
herrschte, muB man selbst fiir die Zeit der auBer- den, Cass. Dio XL VII 10, 2ff. Vgl. die Beispiele 
italischen Machtkriege beriicksichtigen, daB per- fiir Ergebenheit von Sklaven, die sich bei Val. 
sonliche Veranlagung von Herrn und Sklaven und Max. VI 8 gesammelt finden). Angenehm muB 
besondere wirtschaftliche und soziale Momente das Leben der Sklaven gewesen sein, die von 
eine RoUe spielten. Zweifellos kam es haufig vor, ihren Herrn mit Geschaftsauftragen nach dem 
daB Herren ihre Macht miBbrauchten, indem sie Osten entsandt wurden (Cic. fam. I 3, 2, wo die 
Sklaven unter dem Versprechen der Freilassung 30 Freigelassenen, Agenten und Sklaven des A. Tre- 
zu Vergehen anstifteten (Anstiftung zum Mord bonius dem Consul von Kilikien empfohlen wer- 
Appian. Mithr. 59) oder sich ihrer bedienten, um den. Sklaven in Delos, Samothrake, Pergamon 
auf illegale Weise irgendeinen Vorteil zu erlan- und Kos. is. H a t z f e 1 d Les Trafiquants italiens 
gen (Sklaven wird die Freiheit zugesagt, um sie 247f.). Die enge Verbundenheit der Sklaven mit 
auf die Liste fiir die Getreideverteilung zu brin- den iibrigen Angehorigen der romischen familia 
gen, Cass. Dio XXXIX 24, 1). Diesen Fallen und ihre Teilnahme an den hauslichen Riten (Ho- 
stehen Beispiele gegeniiber, wo die offentliche rat. epod. 2, 65f.) rechtfertigt die Annahme, daB 
Meinung derartigen MiBbrauch der Macht durch- die Sklaven unter gewohnlichen Verhaltnissen an- 
aus verurteilt (Pompeius war angstlich darauf be- gemessen behandelt wurden. AuBer in den J. 64 
dacht, sich hinsichtlich seines Verhaltnisses zu40 — 58 v. Chr., als alle Collegia aufgelost wurden 
der Frau seines Freigelassenen nicht dem offent- bis auf einige wenige, die das Senatusconsultum 
lichen Tadel auszusetzen Plut. Pomp. 2, 4), auch ausdriicklich davon ausnahm (Ascon. p. 67. Zur 
Beispiele, die eine aufrichtige Zuneigung von Datierung auf das J. 64 v. Chr. s. Bd. IV S. 406. 
Herrn fiir ihre Sklaven erkennen lassen. Ciceros WiederherstellungderCoUegia durch die lex Clodia 
feinfiihlendes Verstandnis fiir die schlechte Lage im J. 58 v. Chr. s. Cic. in Pis. 9. Ascon. p. 9. Cic. 
der Sklaven und ihre Rechtlosigkeit (Cic. Balb. 9) Sest. 55), und in der Zeit von Caesars Diktatur, 
mag zwar unter den Romern der spatrepublika- wo das Verbot der Collegia erfolgte (Suet. lul. 
nischen Zeit etwas Ungewohnliches gewesen sein; 42), bis zur Errichtung des Kaiserreichs stand 
doch die bewundernde Anerkennung der Vorziige alien Untertanen, Freien wie Sklaven, das Recht 
seiner Sklaven und die wirkliche Zuneigung, die 50 zu, sich zusammenzuschlieBen. Die sozialen Vor- 
er einzelnen von ihnen, namentlich Tiro, entgegen- telle, die dieses Recht des Zusammenschlusses 
brachte, zeichnen auch seine Angehorigen und den Sklaven im Westen bot, soUten nicht unter- 
seinen Freund Atticus aus (Tiros Leichtigkeit, schatzt werden. Den in Rom und den Iibrigen 
Diktat aufzunehmen Att. XIII 25, 3. tJber seine mittelitalischen Stadten einsetzenden Zusammen- 
Freilassung fam. XVI 10, 2. 15, 2. 16, 1. Teil- schluB von Freigelassenen und Sklaven zu Orga- 
nahme an seiner Krankheit fam. XVI 1, 2. 4, 3. nisationen darf man mangels genauerer Kenntnis 

5, 6 usw. Trauer Ciceros iiber den Tod eines in die zweite Halfte des 2. Jhdts. v. Chr. ver- 
jungen Sklaven, der ihm als Vorleser gedient legen (die Entstehung der aus Freien bestehenden 
hatte Att. I 12, 4. Q. Cicero iiber seinen Sklaven Zunfte, die fiir die Industrien Roms von Bedeu- 
Statius fam. XVI 16, 2. Trauer des Atticus tiber 60 tung wurden, ist an den Anfang des zweiten 
einen Sklaven Att. XII 10). Selbst unter solchen punischen Krieges zu setzen, o. Bd. IV S. 392f.), 
MiBstanden, wie sie zu den groBen Sklavenauf- Die friiheste Liste von magistri kampanischer 
standen im Westen fiihrten, hat sich auf seiten Kultgemeinschaften, die sich aus Sklaven zusam- 
der Sklaven niemals die Forderung nach Freiheit mensetzt, ist datiert aus dem J. 98 v. Chr. (CIL 
als einem naturgegebenen Recht aller Menschen P 618). Die 29 magistri-liistQU aus Minturnae 
erhoben (A. Schneider Gesch. der Sklaverei zusammen mit den Inschriften ahnlicher Art, die 
im alten Rom 20), es ist auch niemals der Ver- schon vorher aus anderen italischen Stadten sowie 
such unternommen worden, eine einheitliche Ak- aus Spanien und den Donaulandern bekannt waren 



988 Sklaverei (rom. Kepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 984 

(s. Johnson Excav. at Minturnae II 1, 119), waren gleichberechtigt (s. o. Bd. II A S. 205. 

lassen erkennen, daB sich in den unter romischer Marquardt Staatsverw. Ill 588). Sklaven 

Herrschaft stehenden Geiiieinden Sklaven und hatten das Recht, mit ihren Herren Scherz zu 

Freigelassene beiderlei Geschlechts (in den Listen treiben, eine erstaunliche Freiheit (Herat, sat. 

aus Minturnae erscheinen unter 319 Namen, aus II 7), die zweifellos gemafiigt und in Schranken 

denen das Geschleeht zu ersehen ist, 254 Man- gehalten wurde durch das BewuBtsein, daB es 

ner und 65 Frauen) um 100 v. Chr. (vgl. ihnen schlecht bekommen konnte, wenn sie dieses 

"Waltzing Les corporations prof essionelles Vorrecht miBbrauchten (ahnliche Verhaltnisse bei 

chez les Bomains [1895] I 86) eine bestimmte der Feier der Compitalia s. Cato agr. 57. W i s - 

soziale Position errungen und zu sozial-religiosen 10 sow a Relig. u. Kultus der Romer^ [1912] 168). 

Verbanden zusammengeschlossen haben, in denen Bei den Matronalien, die an den Kalenden des 

die Sklaven fiir gewohnlich, wenn auch nicht not- Marz gef eiert wurden, bedienten die Hausfrauen 

wendigerweise, abgesondert waren von den freien ihre Sklaven (Art. Matronalia Bd. IX 

AngesteUten, mit denen sie in demselben Hand- S. 2307. Die Iden des August ein Feiertag auch 

werks- oder anderen Wirtschaftsbetrieb zusammen fur die Sklaven Fest. p. 343 a 7). Bei der lassi- 

arbeiteten (ingenui und liberti erscheinen haufig gen Zucht, die wahrend der spatrepublikanischen 

auf denselben Listen zusammen, ebenso liberti Zeit in den Luxuslandhausern der Romer herrschte, 

und servi. Sklaven erscheinen selten neben Frei- bedeutete das Eintreten von schlechtem Wetter 

geborenen, OIL P 777 aus Pompeii. In Neukar- ftir die Sklaven eine Unterbrechung ihrer Ar- 
thago in Spanien ingenui, liberti und servi in20beiten (Horat. carm. Ill 17, 14ff.), wahrend eine 

denselben Organisationen ebd. 2270; vieUeicht praktische Bauernnatur wie Cato dies nach Mog- 

auch in Tolosa ebd. 779. lichkeit zu vermeiden trachtete (Cato agr. 2, 3). 

Da die Namen auf den Listen aus Minturnae In bemerkenswertem Gegensatz zu der Strenge, 

nur die magistri und magistrae umfassen, die mit der die Romer ihre Sklaven behandelten, 

man aus der Gesamtmitgliederzahl der collegia zur unbeschrankten Gewalt des paterfamilias^ 

jahrlich wahlte (s. Johnson Excav. at Mintur- und zu der Ansicht, wie sie bei Cic. Qu. fr. I 1, 17 

nae II 1, 120), mtissen Freigelassene und Sklaven klar zum Ausdruck kommt, daB es unter der 

in betrachtlicher Menge (wenn die Listen aus Wurde eines Romers sei, einem Sklaven allzu 

Minturnae den tatsachlichen Verhaltnissen ent- groBen EinfluB einzuraumen, steht die GroB- 
sprechen, haben die Sklaven bei weitem tiber- 30 ziigigkeit, mit der die Romer befahigte Sklaven 

wogen) an den Kulthandlungen und dem damit nach ihrer Freilassung in das geistige Leben der 

zusammenhangenden Gemeinschaftsleben teilge- romischen Gemeinschaft und in ihr politisches 

nommen haben. Die Ausbreitung der collegia un- und wirtschaftliches Leben aufnahmen, ohne 

ter Sklaven und Freigelassenen erfolgte vor ihnen auf Grund ihrer friiheren Stellung mit 

64 V. Chr. sehr rasch, beangstigend rasch je- irgendwelcher sichtbaren Voreingenommenheit 

doch nach 58 v. Chr., als das Verbot der Ver- gegentiberzustehen (romische Verhaltnisse bieten 

bande wieder aufgehoben war (Cic. Pis. 9; har. kein Gegenstiick zu der griechischen Lehre, daB 

resp. 24). Was die Kleidung anbetrifft, so waren die Sklaverei zuriickzufiihren sei auf die Inferio- 

Sklaven nicht von Freigelassenen oder Freien ritat einzelner Volker, die infolge von Vererbung 

unter schieden; nur zur Zeit der Freilassung 40 und Milieu natiirlicherweise zur Sklaverei be- 

waren sie dadurch kenntlich gemacht, daB ihr stimmt seien). Im hellenistischen Osten erlangten 

Kopf geschoren war und sie auf dem Schadel ehemalige Sklaven gelegentlich hohe Stellungen 

eine Art Pilzkappe trugen {mXlov Plut. Flam. im Wirtschaftsleben ihrer Zeit (z. B. Pasion, der 

13, 6. Polyb. bei Liv. XLV 44, 19). Die Angabe Bankier in Athen war). Hingegen erscheinen 

Bd. IX S. 1471, daB die Sklaven Italiens in unter den Namen derer, die fur die griechische 

die groben Gewebe der Insubrer gekleidet gingen Kultur bedeutungsvoU geworden sind, wenig 

(wenn man statt olmag bei Strab. V 1, 12 ol?cs- friihere Sklaven. Vier Faktoren mogen die fiir 

telag setzt), will nur besagen, daB die rauhe Rom geltenden ungewohnlichen Verhaltnisse er- 

WoUe der Ligurier und Symbrer zu biUigen klaren: die sichere Position, die die Sklaven in 

Kleidungsstiicken verarbeitet wurde, die man an 50 der romischen familia von Anfang an innehatten 

die Sklaven und die tibrige arme Bevolkerung und spater behaupteten; die GroBziigigkeit in der 

Italiens verkaufte. Da die Stadt den Sklaven die Verleihung des Biirgerrechts, das Sklaven nach 

Moglichkeit hot, mit Gefahrten ihresgleichen zu- ihrer Freilassung zuteil wurde; die "Dberlegenheit 

sammenzusein, iibte sie auf diese ebensolche An- der griechischen Kultur und das Auftreten grie- 

ziehungskraft aus wie auf Freie (Horat. epist. chischer Sklaven in Rom in der Zeit von 290 

I 14, 15). Obwohl Cato und Manner seiner Art v. Chr. bis zum Ende des zweiten Punischen 

von der familia rustica selbst an Feiertagen Krieges, als Rom seine Macht tiber Magna 

solche Arbeiten zu verlangen pflegten, wie sie die Graecia und Sizilien ausdehnte (uber die kultu- 

wortliche Beachtung der religiosen Vorschriften rellen Folgen des ersten und zweiten Punischen 

erlaubte (Cato agr. 2, 4. 140), gab es bestimmte 60 Krieges fiir Rom s. T. Frank Life and Lite- 

Feiertage, an denen nach romischer Sitte die rature in the Roman Republic [1930] 13ff. 70ff. 

Strenge der Arbeitsvorschriften ftir Sklaven ent- Mommsen RG I 863S.); der starke Bedarf an 

weder vollig aufgehoben oder doch wenigstens Lehrern, die den neuen kulturellen Anspruchen 

stark gemildert war (Cic. leg. 2, 9. Das Fest des der romischen Gesellschaft gentigen sollten, in 

luppiter Dialis ein Feiertag fur die Ochsentrei- Verbindung mit der Tatsache, daB die damalige 

ber Cato agr. 132). Wahrend der Satumalien Hauptbezugsquelle ftir Sklaven, Gefangennahme 

wurden Freigelassene und Sklaven festlieh be- im Kriege, rasch Nachschub von erwachsenen ge- 

wirtet, und Freie und Sklaven, Arme und Reiehe bildeten Sklaven lieferte, die dazu geeignet waren, 



985 Sklaverei (rom. Kepublik) Sklaverei (rom. Republik) 986 

dem dringenden Bedarf an Erziehern ftir die Saturnalien Att. XIII 52, 2). Cicero zeigte stakes 

Jugend der oberen Schichten Roms zu ent- Interesse f iir die Tatsache, daB Statius, ein Sklave 

sprechen (ebd. RG I 881 H.). Das bemerkens- seines Bruders Quintns, in die Anigelegenheiten 

werteste Beispiel fiir Sklaven, die eine hervor- der Provinz Asien dnrch seinen Rat hatte ein- 

ragende Stellung in der romischen Literatur ein- greifen dtirfen (Att. II 18, 4; Qu. fr. I 2, 3). In 

nehmen, bieten der aus Unteritalien stammende einem Schreiben an Quintus weist er diesen dar- 

Lucius Livius Andronicus und P. Terentius Afer. auf bin, daB es wohl ratsam sei, sich in haus- 

Zu den Freigelassenen, die ortlich begrenzte An- lichen Angelegenheiten auf einen fahigen Skla- 

erkennung als Schriftsteller oder als literarische ven zu verlassen, daB es jedoch unangebracht sei, 
Hilfsarbeiter fanden, gehoren Epicadus, der die 10 wenn sich dieser irgendwie in politische Dinge 

unvoUendeten Memoiren SuUas zu Ende fiihrte einmische (Qu. fr. I 1, 17. Diesen Unwillen 

(Suet, gramm. 12; vgl. Art. Cornelius 150, iiber die von Statins erlangte Stellung teilten 

Bd. IV S. 1311), Ateius Philologus, der das auch Ciceros Freunde Qu. fr. I 2, 2). 

Material fiir Sallusts Geschichtswerk sammelte Wahrend der letzten beiden Jahrhunderte der 

(Suet, gramm. 10), L. Voltadlkis Plotus, der Republik waren Italien, Sizilien und das kartha- 

Lehrer des Gnaeus Pompeius (spater schrieb er gische Nordafrika hauptsachlich wegen der weit- 

einen Bericht iiber die Taten des Pompeius und gehenden Verwendung von Sklaven neben freien 

dessen Vaters Suet, de rhet. 3), Tiro, der Frei- Arbeitskraften in Ackerbau und Viehwirtschaft 

gelassene des Cicero, der ihm bei seinen literari- starker auf Sklavenarbeit aufgebaut als je ein 
schen Arbeiten half (Gell. XIII 9, 1. XV 6, 2), 20 anderer Teil der Alten Welt zu irgendeiner Zeit 

der Grammatiker Lenaeus, ein Freigelassener des der Antike. Dieses reichliche Vorhandensein von 

Pompeius, von dem er den Auftrag erhielt, die Sklaven, wahrend der Machtkriege der letzten 

medizinischen Auf zeichnungen des Mithridates VI. beiden Jahrhunderte noch betrachtlich verstarkt 

von Pontus ins Lateinische zu ubertragen (Suet. durch Zuwachs aus den ostlichen Mittelmeerlan- 

gramm. 15, Plin. n. h. XXV 2, 7), und Apollonius, dem, bildete zu dieser Zeit ebenso wie in den 

ein Freigelassener ^ des Crassus, der 45 v. Chr. ersten beiden Jahrhunderten des Kaiserreichs 

einen Bericht der Taten Caesars ins Griechische zweifellos einen bedeutsamen Faktor fiir die Ent- 

iibersetzen wollte und fiir diese Aufgabe von wicklung des wirtschaftlichen und kulturellen 

Cicero empfohlen wurde (fam. XIII 16, 4). Plin. Lebens in Italien und Sizilien (A. Persson 
n. h. XXXV 17, 199 (vgl. Wall on L'esclavage 30 Staat u. Manufaktur im rom. Reiche [1923] 54). 

II 430f. 432ff.) erwahnt als Freigelassenen auch Die ausgebildeten Handwerker, die als Sklaven 

Publilius Syrus, der den Mimus in Rom einftihrte, ins Land kamen, beeiniiuBten die industrielle 

den Astrologen Manilius Antioohus und den und technische Entwicklung des Westens, und die 

Grammatiker Staberius Eros (Bd. VA S. 1925 in der Landwirtschaft verwendeten Sklaven traten 

Art. Staberius Nr. 5). Dieser Aufzahlung an den Platz des freien eingesessenen Arbeiters, 

f iigt Plinius die Namen von acht Freigelassenen der zum Kriegsdienst eingezogen wurde (s. die An- 

bei, die zur Zeit der Proskriptionen im 1. Jhdt. gabe, daB das Eintreten von Sklaven das aequische 

V. Chr. zu Reichtum gelangten. Es sind dies: und volskische Gebiet davor bewahrt habe, zur 

Chrysogonus, ein Freigelassener des Sulla, ein Einode zu werden: locis quae servitia Bomana ab 
Freigelassener des Q. Catulus, Hektor, ein Frei- 40 solitudine mndicant Liv. VI 12, 5). Trotzdem ist 

gelassener des L. LucuUus, Demetrius, ein Frei- die verallgemeinernde Behauptung, daB die an- 

gelassener des Pompeius (beziiglich seiner an- tike Kultur eine Sklavenkultur sei (M. Weber 

gemaBten politisehen B^ideutung s. die belusti- Aufsatze [1924] 293), zu stark, mag man sie auch 

gende Erzahlung von den sorgfaltigen Vorberei- nur auf das zentrale Mittelmeergebiet beziehen 

tungen zum Empfang des Cato Minor in und auf die Zeit, als dieses seinen hochsten Be- 

Antiochia in der falschlichen Annahme, daB De- stand an Sklaven aufzuweisen hatte, und mag 

metrius eintrafe Pint. Cato Min. 13. Seine Land- man sie nur mit der von Weber gemachten Ein- 

hauser und kostbaren Garten in Rom ebd. Pomp. schrankung gelten lassen, dafi die Sklaverei 

40), Auges, ein Freigelassener (?) des Pompeius schuld daran war, daB sich Reichtum und Ar- 
(Plin. n. h. XXXV 18, 200), Hipparchos, ein Frei- 50 mut so scharf voneinander schieden und die be- 

gelassener des M. Antonius, und Menas und gtiterten Klassen nur eine diinne Schicht aus- 

Menecrates, Freigelassene des Sextus Pompeius. machten. Diese Behauptung gibt einen tiber- 

Welchen EinfluB die Sklaven um die Mitte des triebenen Eindruck von dem starkemaBigen Ver- 

1. Jhdts. V. Chr. in Rom gewonnen batten, geht haltnis zwischen Sklaven und Freien, indem da- 

hervor aus der Bereitwilligkeit, mit der junge bei nicht in Betracht gezogen wird, daB die Skla- 

romische Advokaten sie in Freiheitsprozessen ven nicht dauernd in Knechtschaft blieben, son- 

verteidigten (Cic. fam. XIII 9, 2). Da die Sklaven dern dank den haufigen Freilassungen die Schicht 

das iPrivatleben ihrer Herren genau kannten, der Halbfreien und Freien stetig erganzten (s. 

waren sie in der Lage, diesen durch Angabe des E. C i c o 1 1 i Metron IX 34f . zu der Ansicht, daB 
wahren Sachverhalts oder durch Klatsch Schaden 60 unter romischen Verhaltnissen die Freilassungen 

zuzufugen (Cic. Cael. 57; vgl. luven. 9, 11 Of. zur Wiederbelebung des Biirgerstandes und zur 

117ff., vivendum recte . . . ut linguas mancipio- Erneuerung der freien Bevolkerung fiihrten). 

rum contemnas); in einzelnen Fallen erlangten sie Auf Grund der vorHegenden Quellen zur romi- 

einen derartigen EinfluB auf ihre Herren, daB schen Gesetzgebung ist es nicht moglich, in der 

sogar lulius Caesar es angebracht fand, sich gesetzlichen Auffassung der S. zwischen Republik 

um ihre Gunst zu bemtihen (Cass. Dio XL 60, 4; unid friiher Kaiserzeit eine Scheidung zu maehen. 

vgl. Ciceros freigiebige Bewirtung der Sklaven Nach der Theorie der klassischen Zeit war die S. 

und niederen Freigelassenen Caesars anlaBlich der eine Einrichtung des ius gentium, die allerdings 



987 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (rom. Eepublik) 988 

gleichzeitig in Widerspruch zum Naturreeht stand nach ihrer Freilassung vom Staat samtliche 

(servitus est constitutio iuris gentium, qua quis Rechte eines Biirgers verliehen bekonimen konn- 

domino alieno contra naturam subicitur Inst. I ten (Cic. Balb. 24. Philipp V. von Makedonien an 

3, 2. Dig. I 5, 4, 1. Ygl. Dig. XII 6, 64). Der die Bewohner von Larissa Dess. 8763. "Dber das 

Widerspruch zwischen der bei alien Volkem ge- Verfahren bei Freilassungen von Sklaven und die 

tibten Praxis und dem Naturreeht findet sich noch dabei vom Staat ausgetibte Kontrolle s. Bd. XIV 

seharfei' gefaBt in der Bestimmung der Dig. L 17, S. 1366f. Buckland Law of Slavery 437ff.). 

32, daB dem natiirlichen Gesetz zufolge alle Men- Wenn freie Romer im Strafrechtsverfahren zum 

seheii gleich seien. Dem zwischen Volkerreeht Verlust der biirgerlichen Rechte, deminutio capitis 

und Naturreeht waltenden Gegensatz entsprechend 10 maxima, verurteilt wurden, worin Todesstrafe 

schreibt Gaius im romischen Zivilrecht Sklaven oder Verschickung in die Bergwerke (damnatio in 

Personliehkeitsoharakter zu (Gai. I 9 summa di- metallum Plin. epist. X 58. 60. Dig. XLVIII 19, 

visio de iure personarum haec est, quod omnes 8, 4) miteinbegriften waren, so gingen .sie der drei 

liberi sunt aut servi. Vgl. I 48 quaedam per- wesentlichen Giiter verlustig, die den Burger aus- 

sonae sui iuris ^ quaedam alieno iuri sunt subiec- zeiehnoten: Freiheit, FamiHenrechte uiid Biirger- 

tae. Vgl. Affolter Die Personlichkeit des her- recht (Dig. IV 5, 11), und wurden servi poenae 

renlosen Sklaven. Lpz. 1913, Iff.). Die juristisehe (Dig. XLVIII 19, 8, 4. h. t. 17. Mommsen 

Etymologic, die serms mit servare (Dig. I 5, 4, 2. Straf recht [Lpz. 1899] 947f.). Im Gesetz der fruh- 

L 16, 239, 1) in Zusammenhang bringt, ist augen- repubKkanischen Zeit war Verurteilung zur S. vor- 

scheinlich entstanden in der spatrepublikanischen 20 gesehen als Strafe auch fiir verschiedene zlvilreeht- 

Zeit, als Sklaven hauptsaehlich aus der Gefangen- liche Vergehen; davon kam man jedoch spater ab, 

nahme im Kriege hervorgingen. Als Besitzobjekt sei es, daB in den Verwaltungsbestimmungen eine 

einer Einzelperson oder mehrerer Personen ge- Inderung eingetreten war, sei es, daB man die 

meinsam bildete der Sklave einen Teil der beweg- betreffenden Vergehen mit einer anderen Strafe 

lichen Habe (res, Cod. IV 5, 10. 46, 3. VI[I53, 1); belogte. Veruirteilung zur S. wurde verhangt als 

als solcher konnte er verkauft und verpfandet wer- Strafe fur Steuerhinterziehung (Cic. Caee. 99. 

den oder testamentariseh an einen anderen Be- Dion. Hal. IV W, 176. Gai. I 160. Ulp. XI 11. 

sitzer tibergehen, ebenso wie das iibrige Vermogen Diese verlor ihre Bedeutung, als nach 167 v. Chr. 

auch; wie dieses unterlag auch der Sklave den lange Zeit kein Census abgehalten wurde), ftir 

Eigentumsgesetzen. Eine Sonderbehandlung des 30 Verweigerung des Militardienstes (ebenfalls friih- 

Sklaven als res erwies sich jedoch notwendig von zeitig aufgegeben s. Dig. XLIX 16, 4, 10), ftir of- 

dem Augenblick an, als man die menschlichen fenen Diebstahl gemaB einem Artikel des Zwolf- 

Eigensohaften anerkannte, die ihn von den iibri- tafelgesetzes (Gell. XI 18, 8. XX 1,7) und in den 

gen Gebrauchsgegenstanden und Handelsgiitern ersten beiden Jahrhunderten der Republik ftir 

unterscheiden (anerkannt werden sie von Varro, eine nioht erftillte Schuldforderung (Liv. VT 15, 9. 

w^nn er das Eigentum des landlichen Besitzers 20, 6. VIII 28, 8. Leg. XII Tab. Bruns FIR 

einteilt in instrumentum mutum, semivocale et p. 20f.). Obwohl man im Hinbliek auf die zu er- 

vocale r. r. I 17, 1). Das Recht eines feindlichen zielende Nachkommenschaft Sklaven und Sklavin- 

Staates, romische Kriegsgefangene zu Sklaven zu nen stets zusammenleben lieB und die sonst zur 

maehen, gehort^ nach der tibliehen Auffassung 40 Bezeichnung von Verwandsehaft tiblichen Bezeich- 

zum ius gentium. Sklave im feindlichen Land zu nungen auf diese Verbindungen anwendete (die 

sein, bedeutete ftir einen romischen Btirger Auf- Bezeichnungen pater, Ulius, hater, soror usw. 

hebung seiner Eigentumsrechte und Unterbre- kommen haufig auf Widmungsinschriften vor s. 

chuu'g seiner Familienbeziehungen, und zwar so- Dess. 1515. 1516. 1517. 1809. 7430. Dig. 

lange, wie sein Sklaven dasein dauerte; dieses XXXVUI 10, 10, 5. uxor bei Colum. r. r. XII 1), 

konnte dadurch beendet werden, daB er starb oder war eine gesetzliche Ehe zwischen Sklaven grund- 

daB er ins Vaterland bzw. in einen mit Rom be- satzlich ausgeschlossen (Plant. Cas. 67ff.), und die 

freundeten Staat zunickkehrt^ (Buckland Law Verbindung eines Sklaven mit einer Sklavin wurde 

of Slavery 292ff.). Bei seiner Rtiekkehr wurde er als contubernium bezeichnet im Gegensatz zu 
in seine friihere rechtliche Stellung medeiem- ^0 eonubium (Paul. II 19, 6. Cod. IX 9, 23 pr. Ulp. 

gesetzt durch das postliminium. Falls ihn eine V 5). 

andre Person mit ihrem Geld aus der S. losgekauft Die aus der Verbindung eines Sklaven mit 

hatte, trat das postliminium nieht eher in Kraft, einer Sklavin hervorgehenden Nachkommen waren 

alsbis dasLosegeld zurtickerstattet war (ebd.304). durch Geburt gleichfalls Sklaven; das romische 

Die Ehe eines gefangenen und in die S. geratenen Recht folgte darin ^^inem Grundsatz des ius gen- 

Romers gait damit ftir aufgelost; sie wurde nicht tium, demgemaB das Kind die btirgerliche Stel- 

automatisch durch das postliminium wiederher- lung der Mutter erhielt (Gai. I 82), genaui^r aus- 

gesteUt, vielmehr bedurfte es dazu eines neuen gedrtickt: die Stellung der Mutter zur Zeit der 

Konsenses (ebd. 296). In diesen Fallen durfte die Geburt des Kindes (Ulp. 5, 9f.). Das Kind einer 

Personlichkeit romisoher Staatsbtirger, selbst ihre 60 Sklavin und eines Freien war gleichfalls Sklave 

Wiedereinsetzung in VoUbtirgerrechte, nicht un- und Eigentum des Herren der Mutter, das Kind 

berticksichtigt bleiben, da ihre ursprtingUchen einer Freien und eines Sklaven Mngegen erbte 

Rechte als Freie nur vorubergehend ftir die Dauer die burgerlich-rechtliche Stellung der Mutter. Im 

ihres Sklavendaseins ruhten. Der Anschauung, daB Hinblick auf die anerkannte Stellung solcher 

ein Sklave sowohl ein Mensch wie etae Saohe sei, Kinder als Freie, besonders vom Gesichtspunkt 

ist es auch zuzuschreiben, daB niohtromisohe Skla- der politischen Bedeutung aus gesehen, wurde die 

ven, die sich im Besitz romischer Burger befanden, Verbindung von freigeborenen Frauen mit Skla; 



989 Sklaverei (rom. Kepublik) Sklaverei (rom. Republik) 990 

ven zu einem Problem, das dem Staat nicht gleieh- Tiberius dadurch umgangen, daB er die betreffen- 

giiltig sein durfte. Ein Senatus consultum Clan- den Sklaven auf Grund eines erzwungenen Kaufes 

dianum vom J. 52 v. Chr. verfiigte folgendes: aus dem Besitz ihrets Herren in den eines Magi- 

wenn eine Freie mit einem anderen als ihrem strates iibergehen lieB (Tac. ann. 11 30, 3. Noeh- 

eignen Sklaven weiterhin zusammenlebte, naeh- mals in einem Fall von Erpressung gegen Silamis, 

dem der Besitzer des Sklaven es ausdriicklich den Proconsul von Asien ebd. lann. in 67, 3. 

untersagt hatte, dann sollten sowohl die Frau Vgl. ein ahnliches Vorgehen deis Augustus Cass, 

selbst als audi die aus der Verbindung hervor- Die LV 5, 4). Die Zeugenaussage von Sklaven, 

gehenden Kinder als Sklaven in den Bositz dieses sofem sle zulassig war, wurde gewohnlich dureh 

Herm tibergehen (Tac. ann. X'II53. Suet. Vesp. 11. 10 Erpressung gewonnen (Cic. Cluent. 176. Deiot. 3 

TertuU. ad uxor. 2, 8. Gai. I 84. Paul. IV 10, 2. erklart sich Cicero als einen Gegner dieses Ver- 

Ulp. XI 11. Vgl. Buckland Law of Slavery fahrens, da es nur zu Aussagen flihre, die durch 

41 2f.). Hingegen wurden die Beziehungen eines Furcht beeinfluBt seien. Caesar Augustus befiehlt 

Freien zu seiner eignen Sklavin sowie die daraus in einem Fall von Mord in Knidos, das Zeugnis 

hervorgebenden Kinder im Gesetz nicbt bertick- von Sklaven einzuholen unter Anwendung der 

sichtigt, da die Sklavin Eigentum des Herrn war. Folter Syll.^ 780, llff. In der Militargerichtsbar- 

Hatte .sich der Sklave etwas zuschulden kom- keit erregte die Verhangung der Todesstrafe anf 

men lassen, so stand es kraft der dominica po- die Aussage eines einzigen Sklaven Mn bei den Sol- 

testas dem Haupt der Familie zu, ihn dafiir zu daten istajrkes MBMlen Script, hist. Aug. Pertinax 

bestrafen, entweder durch korperliche Ziichtigung 20 10, 10). Wenn es sich um die Ermordung eines 

Oder durch Fesselung und Gefangensetzung (A f - Sklavenbesitzers handelte, sollten die im Hause 

folter Personlichkeit des herrenlosen Sklaven befindlichen Sklaven durch Folter zu einem Ge- 

155) oder dureh Verweisung aus Rom bzw. aus standnis gezwungen werden (s. Tac. ann. XIV 

Italien oder schlieBlich durch die Todesstrafe 42ff.); diese Bestimmung war getroffen in einem 

(A f folter 133). Einem MiBbrauch dieses Senatus consultum Siknianum, das der Zeit des 

Rechts von seiten der Sklavenbesitzer wurde in Augustus zugeschrieben wird (Dig. XXIX 5. Vgl. 

republikanischer Zeit vorgebeugt durch die An- Cod. VI 35, 11); sie wurde spater bestatigt durch 

drohung offentlichen Tadels, durch das Einschrei- andre Senatus consulta (Buckland 95). Spater- 

ten des Censors (Mommsen Strafrecht 24, 1) bin wurde dieses Verfahren in Fallen von Mord 
und durch einen vom Staat eingesetzten Schieds- 30 durch ein Gesetz des Hadrian dahingehend gemil- 

richter, der Beschwerden von Sklaven wegen un- dert, daB lediglich die Sklaven zu verhoren iseien, 

zureichender Nahrung oder zu grausamer Behand- die zur Zeit des Verbrechens nahe genug waren, 

lung anzuhoren hatte (Sen. de benef. 3, 22). In um davon Kenntnis zu haben (Script, hist. Aug. 

der Kaiserzeit haben scharfere Bestimmungen die Hadr. 18, 11). 

Strafgewalt des Pater familias wesentlich ver- Bomische Sklaven waren wie jeder romische 

mindert. War ein Sklave vor einem offentlichen Biirger imstande, eine strafbare Handlung zu be- 

Gericht eines Vergehens angeklagt, so durfte er gehen (naeh einem Senatus consultum aus dem 

sich nicht verteidigen; diese Rechtsunfahigkeit J. 20 v. Chr., si servus reus fostulahitur, eadem 

ist eine logische Folge der Tatsache, daB er eben ohservanda sunt quae si liber esset Dig. XLVIII 
eine Sache, einen Besitzgegenlstand darstellte. 40 2, 12, 3), und von den fruhesten Zeiten an waren 

Desgleichen konnte der Sklave nicht Anklage er- sie verantwortlich fiir lalles, was sie sich batten 

heben (Tac. ann. XIII 10. Dig. XLVIII 10, 24; zuschulden kommen lassen. Der Sklavenbesitzer 

vgl. Buckland Law of Slavery 85, 5), weder war nur im Namen des Sklaven verantwortlich 

in seinem Namen noch im Namen eines anderen (wie in dem S. c. von 11 v. Chr. s. Frontin. aqu. 

(Dig. L 17, 107 servo nulla actio est), Sklaven urb. Rom. 129), auBer wenn er von der strafbaren 

war es zwar gestattet, vor den Magistraten Aus- Handlung vorher Kenntnis hatte und sie hatte 

sagen zu machen (Buckland 85), es besteht verhindern konnen; in diesem Fall war er in 

jedoch ein starkes Widerstreben gegen ihre Heran- seinem eignen Namen zur Verantwortung zu 

ziehung zu solchen Aussagen (lulius Caesar lehnt Ziehen (Affolter Personlichkeit des herren- 
es ab, Sklaven fiir ihre Aussagen zu belohnen, er 50 losen Sklaven 102). 

will ihnen nicht einmal Gehor schenken, Cass. Dio Wurde in einem ZivilprozeB gegen einen Skla- 

XLI 38, 3. Dieselbe Einstellung unter den Trium- ven Klage erhoben, so konnte der Besitzer dem 

virn s. Appian. bell. civ. IV 29). Zu Zeugenaus- Sklaven gestatten, die Klage anzuerkennen, und 

sagen vor Gericht zog man in Zivilprozessen Skla- einen Verteidiger besteUen (da der Sklave nicht 

ven grundsatzlich nur heran, falls andre Beweise das Recht hatte, sich selbst zu verteidigen); in 

gar nicht oder unzureichend vorhanden waren diesem Fall hatte der Besitzer die verhangte 

(Buckland 87f. Vgl. jedoch Plin. epist. VII 6, 9, Geldstrafe zu bezahlen, sofem die Schuld des 

wo auf die Aussage eines Sklaven hin ein Freier Sklaven erwiesen war. Er konnte aber auch die 

von Mordverdaeht freigesproehen wird). DaB Skla- Verteidigung seines Sklaven ablehnen. Dann 
ven gegen ihren eigenen Herm Zeugnis ablegten, 60 muBte der Sklave in das Eigentum der gescha- 

war in republikanischer Zeit durch einen Senats- digten Partei tibergehen (s. die Ausfiihrungen bei 

besehluB untersagt (dureh ein vetus senatus con- Affolter 103f. und Buckland Law of 

sultum naeh Tac. ann. II 30, 3. S. auch Cic. part. Slavery 103ff.). Naeh einem 209 — 211 v. Chr. zu 

or. 118. Zur Anwendung dieses Verbots in einem Mylasa in Karien geltenden Gesetz hatte der 

FaU, wo das Leben des Besitzers auf dem Spiel Herr, dessen Sklave das Bankenrecht der Stadt 

stand, s. Cic. Rose. Am. 120ff. Der Gmndsatz verletzt hatte, die Mogliehkeit, entweder eine 

gait noch im 3. Jhdt. n. Chr. Script, hist. Aug. Geldstrafe zu bezahlen oder den Sklaven zur Be- 

Tacit. 9, 4). Die Bestimmung wurde jedoch von strafung auszuliefern, die 50 Sehlage und 6 Mo- 



991 Sklaverei (rom. Eepublik) Stlaverei (rom. Republik) 992 

nate Haft umfaBte (Syll. or. II 515, 15ff. 30ff.). haben konnte {qui in potestate nostra est nihil 

Hatte ein Sklave ein schiweres Verbrechen be- suum habere potest Gai. II 87), so ging dieses auf 

gangen, etwa seinen Herm oder einen von des- seinen Herrn liber. Das von dem Sklaven Erwor- 

sen Famildenangehorigen getotet, so pflegte fiir bene war erworben domini animo (vgl. Dig. XLI 

gewohnlich der Staat von seinem Bestrafungs- 2, 3, 12) sed servi corpore (Dig. XLI 2, 44, 1. 

recht Gebrauch zu machen (Affolter Person- 44, 2. Ygl. Buckland 131). BesaB der Sklave 

lichkeit des herreiilO'Sen Sklaven 140f.), wennauch die besondere Genehmigung seines Herrn fiir 

das ursprtingMch dem Besitzer zustehende Recht, einen Einzelfall oder eine weitergehende Voll- 

die Todesstraf e zu verhangen (M o m m s e n macht, die fiir verschiedene Arten von Geschaften 
Strafr. 616), in der Kaiserzeit noeh. in Kraft zu 10 gait, so konnte er im Namen seines Herrn und 

sein scheint (zu 'sehliefien aus Cic. Cat. 4, 12. fiir diesen zweeks Erwerbs oder VerauBerung von 

Im J. 22 V. Chr. Kreuzigung eines Sklaven durch Besitz verhandeln und als Vertragspartei auftre- 

einen pater familias, von Augustus bestatigt Cass. ten (Buckland 159ff.). In solchen Fallen war 

Dio LIV 3, 7. Die Todesstrafe fiir die Sklaven, die juristische Person seines Herrn auf ihn aus- 

die ihren Herrn getotet batten [nacb Plin. epist. gedehnt (wie bei dem Boispiel eines Bankiers in 

III 14, 2ff.], wurde vermutlich auf Grund eines Puteoli, der einen Sklaven zu Cicero naeh Rom 

von der Familie getroffenen Urteils verhangt und sandte, um ein Stiick Eigentum zu iiberbringen 

privatim voUzogen). ^ Cic. Att. XIII 50, 2); in dieser Eigensehaft konnte 

Von den frlihesten Zeiten romischer Gesetz- er in demselben Umfang und in derselJben Art 
gebnng an waren Sklaven als Besitzgegenstand 20 wie tsein Herr Geschafte tatigen, allerdings nur 

von Wert geschutzt gegen Unrecbt oder MiBhand- in solchen Fallen, wo keine zivilrechtlichen Be- 

lung von seiton andrer Personen als ihrer Herrn. stimmungen entgegenstanden. Zur Sicherung des 

Eine Bestimmting des Zwolftafelgesetzes (B r u n s Herrn gait der Grundsatz, daB die von einem 

FIR I 29) bestrafte denjenigen, der einem Skla- Sklaven unternommene Geschaftsftihrung ohne 

ven ein Glied gebrochen hatte, mit einer Geld- Auftrag nur dann verbindlich war, wenn sie dem 

strafe, halb so hoch wie die, die auferlegt wurde, Besitzer des Sklaven Vorteil brachte {melior con- 

wenn das Opfer ein Freier war, Wenn es sich um (^ido nostra per servos fieri potest^ deterior non 

ein leichteres Vergehen handelte, etwa Beleidi- potest Dig. L 17, 133. Auf Grund eines von 

gung oder Korperverletzung (dazu gehorte auch einem Sklaven geschlossenen Vertrages konnte 
die Verfiihrung einer Sklavin durch einen andern 30 dessen Herr woM einen anderen belang^, nicht 

als ihren Herrn Dig. XLVII 10, 9, 4), dann hingegen selbst belangt werden, s. Buckland 

konnte der Besitzer des Sklaven gegen den Tater 157)^ jy^Q Rechte dritter Personen, die an solchen 

a,uf Schadenersatz klagen. Schadenersatzklage Geschaften beteiligt waren, wurden geschutzt 

stand dem Herm auch zu, wenn die moralische durch die Pratoren, die genau festlegten, meweit 

Integritat des Sklaven durch einen AuBenstehen- der Besitzer des Sklaven fiir diesen haftbar war. 

den beeintrachtigt worden war (Dig. XI 3, 1. Diese HaftplBicht trat ein und bot der geschadig- 

In einem von Plinius angeftihrten Fall umfaBt ten Parte! eine gesetzliche Handhabe in alien 

die Anklage auch Bestechung des Sklaven eines Fallen, wo der Sklave mit ausdriickMeher Voll- 

Schreibers Plin. epist. VI 22, 4). War ein Sklave macht gehandelt hatte (actio iussu eius Gai. IV 
zur Flucht verleitet oder entfuhrt^ worden, so 40 70. Dig. XV 3, 5, 2. 4) oder wo der Besitzer die 

stand seinem Herrn sowohl Zivil- wie Strafklage von seinem Sklaven geschlossenen Vertrage ala 

zu (Mommsen Strafr. 780). Nach einer Lex gultig anerkannte, indem er den Vermogens- 

Cornelia de sicariis wurde die Totung eines Skla- vorteil anerkannte, den sie ihm eingebraoht hat- 

ven selbst durch den eignen Herrn, sofem dieser ten (actio de in rem verso s. Buckland 176ff.). 

keinen gesetzlich anerkaanten Grund fiir iseine Im ersten Fall war die Haftpflicht des Besitzers 

Handlung hatte, mit Deportation bestraft; spater beschrankt durch den Umfang der VoUmacht, im 

stand darauf einfache Todesstrafe, wenn der Ta- zweiten Fall reichte sie bis zur Hohe des erlang- 

ter den hoheren Klassen, und Kreuzestod, wenn ten Vermogensvorteils. Ein Sklave konnte wie 

er den niedrigen Volksschiehten angehorte (Dig. ein Freier dazu bestellt werden, als Vertreter fiir 
XLVni 8, 1, 2. Affolter 141). 50 einen anderen zu handeln, als institor; des- 

Die wirtschaftliche Ausnutzung von Sklaven sen VoUmacht zur Vornahme gewisser geschaft- 

durch ihre Herren war in republlkanischer Zeit licher Transaktionen, die das Eigentum seines 

unbegrenzt. Sklaven konnten gekauft und ver- Auftraggebers oder Herm betrafen, war gesetz- 

kauft werden, dabei unterstanden sie gewissen Mch anerkannt. War der institor ein Sklave, so 

Verkanfsvorschriften, die von den Magistraten haftete sein Herr im Umfang der VoUmacht, wie 

aufgestellt worden waren; sie konnten auch zu sie angegeben war in den Vertragsbestimmungen 

Dienstleistungen vermietet werden (Mieten eines (lex praepositionis Dig. XIV 1, 1, 12. 3, 16, 5), 

vicarius Dig. XIV 3, 11, 8). Der Lohn fur diese die einen wesentlichen Bestandteil der Verein- 

Dienste kam dem Herm zu; er konnte dem Skla- barung bildeten (vgl. Buckland 169ff.). Von 
ven erlauben, den gesamten Betrag oder einen 60 friih an hielt man es fiir vorteilhaft, wenn ein 

TeU davon zu behalten. Die besondere Eignung Herr seinem Sklaven ein gewisses Eigentum, 

der Sklaven als Geschaftsleute fiihrte zu ihrer gleich welcher Art, als Besitz zuwies (peculium 

Verwendung in Tatigkeiten, die eine entspre- Varr, r. r. I 17, 5. Vgl. ebd. I 17, 7 it^ peculiar e 

chende Fassung der Eigentumsgesetze bedingten. aliquid in fundo pascere liceat) und ihm gleich- 
So konnte ein Sklave Besitz erwerben, entweder zeitig das Recht gab, selbst ohne Wissen des 
durch Schenkung oder als Erbe oder auf Grund Herm dieses Eigentum zu vermehren, sei es durch 

geschaftlicher Unternehmungen (Buckland Investieren, Schenkung, Zinsen, Produktions- 
Law of Slavery 131ff.); da er aber kein dominium ertrage oder Dienstlohn. Solch ein Vermogenswert 



993 Sklaverei (rom. Eepublik) Sklaverei (Kaiserzeit) 994 

hieB pecuUum (zur Erorterung d^r Frage s. P e r - f ordert wie die eines Freien; doch darf man wohl 

nice Labeo I 121fiE. Bnckland 187ff.). Er annehmen, daB dies eine religiose Pflicht war, 

wurde ein quasi-patrimanium des Sklaven (Dig. deren Erfiillnng dem Herrn oblag-(vgl. die Lex 

XV 1, 5, 3) und gehorte ihrn de facto eigentiim- collegii Lanuy. vom J. 136 v. Ch?., Dess. 7212 

lich zu, obwohl auf Veranlassung des Herrn die col. II 3f. quisquis ex hoc collegio servus defunc- 

tJbertragung ganz oder teilweise riiekgangig ge- tus fuerit, et corpus eius a domino dominave ini- 

macht werden konnte. Dieses Eigentmn konnte quitatae [sic] sepultarae datum non fuerit), nnd 

vom Sklaven ebensowenig wie jedes andre ver- zwar laBt sich das sdilieBen ans der Tatsaehe, daB 

auBert werden, es sei denn, daB er das Recht der der Sklavenbesitzer herangezogeaa werden konnte 
libera administratio (Dig. XII 6, 13. XIH 7, 18, 10 zur Zahlnng der Bestattung^osten, falls dritte 

4) besaB. Ein Sklave, der sowohl peculium wie Personen die Beerdigung ausgeftihrt batten. Die 

administratio hatte, konnte sich an fast alien in- Magistrate untemahmen zwar nichts, nm die Er- 

dustrieUen oder kanfmannischen Unternehmungen fiillung dieser moralischen Pflicht vom Herrn des 

beteiligen; dabei war er dnrch keinerlei Zwang Sklaven zu erzwingen, doch unterstiitzte das Ge- 

gehindert, nur daB die Moglichkeit bestand, daB setz den Anspruch auf 'Wiederer,stattung, der 

seine Rechte widerrufen werden konnten. Auf denjenig-en zustand, die an Stelle des Herrn die 

diese Weise war er imstande, ein ansehnliches Bestattung ausgeftihrt hatten. 

Vermogen anzuhauf en, das er, die Erlaubnis Romisches Beichbis zii Konstan- 

vorausgesetzt, dazu verwenden konnte, sich aus tin dem GroBen. Naoh der Neuordnung des 
der Sklaverei loiszukaufen. Die ErfiiUung ernes 20 romiscben Staat^s und der Verkiinidung der pax 

zwischen Sklaven und Eigentiimer abgemachten Romana durch Eaiser Augustus verloren die aus- 

Freilassungsvertrages konnte in der Kaiserzeit wartigen Kriege, die zuvor zur Befriedigung der 

mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden; ftir die Nachfrage naeh Sklaven die HauptroUe gespielt 

republikanische Zdt steht ein dorartiges Vor- hatten, und die Seerauberei, die dabei wahrend 

gehea nicht fest. Der Herr konnte seinem Sklaven der J. 120 — 66 v. Chr. nur in zweiter Linie 

die Verwendung des peculium zum Loskauf in mitgewirkt hatte, ihre hervoorragende Stellung 

Aussicht steUen entweder als Ansporn zu fleiBi- (Wallon L'eselavage IH 110. St. G sell M6- 

ger Arbeit oder als Kapitalsanliage. Im letzteren langes Glotz I [Paris 1932] 397f.) gegentiber den 

Fall war dear Herr gesiohert; denn dadureh, daB gesetzlich erlaubten Mitteln, in Friedenszeiten 
die Pratoren die besondere Art des peculium an- 30 Sklaven zu schaffen; das konnte geschehen durch 

erkannt hatten, war dieses von dem patrimonium Geburt, durch Kindesaussetzung, durch Kinder- 

deutlich unterschieden. Fiir einen Sklaven, der verkauf unter dem Druck der Not, durch Verkauf 

mit seinem peculium Geschafte tatigte, war der von Sklaven aus Grenzstammen an Sklavenhandler 

Herr auf dem Wiege der Zivilklage haftbar zu innerhalb der Reichsgrenzen, durch freiwillige XJn- 

machen {actio de peculio, Buekland 207ff.), terwerfung oder durch strafweise Versetzung in 

jedoch nicht iiber das peculium hinaus. den Sklavenstand (s. Mommsen Jurist. Schr. Ill 

Ausgepragter und umfassender als vom Zivil- [Berlin 1907] llff.; B u cklan dLaw of Slavery, 

recht wurde seit den frtihesten Zeiten die Per- 397ff.). Infolge dieser Verlagerung der Bedeutung 

sonlichkeit der Sklaven anerkannt vom romischen der einzelnen VersorgungsqueUen lieB im Laufe 
Sakralrecht, das ihnen ohne Einschrankungen die 40 der hier zu besprechenden drei Jahrhunderte die 

Fahigkeit zusprach, Bindungen einzugehen und Gesamtzahl der ftir den Sklavenhandel in Frage 

selbstandig gesetzlich verpfliehtende Handlungen kommenden Personen wesentlieh nach; sie kam 

vorzunehmen (ausftibrliehe Ete-rsteUung bei Per- ebenso in einem nunmehr veranderten Verhalten 

nice S.-Ber. Akad. Berl. 1886, 1173ff.). Dies ist gegen Sklaven und ihrer Behandlung zum Aus- 

ersichtlich aus folgenden Tatsaehen: Sklaven druck. In den ersten beiden Jahrzehnten nach 

konnten denselben Gottern nnd unter denselben Aktium wurden betraehtliohe Mengen von Ge- 

Formeln etwas geloben wie Freie (ebd. 1174) und fangenen aus den Kriegen des Augustus im We- 

in Erftillung ilSes Geltibdes Weihgeschei^e stif- sten als Kriegsbeute verkauft (der Alpenstamm 

ten (GIL I 1167, vgl. 602. ZuMinturnae erhielten der Salasser im J. 25 v. Chr. von 44 000 Kop- 
in republikanischer Zeit Yenus, Spes, Ceres und 50 fen, davon 8000 Krieger. Der Verkauf erfolgte in 

Mercurius Felix Altargeschenke von Collegia, die Eporedia in Nordwestitalien am FuBe der Alpen, 

aus Sklaven bestanden, s. Excavations at Min- Strab. IV 6, 7). Die 8000 Krieger wurden unter 

turnae II 1, 8, 2. 12, 1. 21, 14. 22, 1. 23, 1. der Bedingung verkauft, daB sie innerhalb der 

25, 5); Begrabnisplatze von Sklaven, wenn ^ie als nachsten 20 Jahre nicht freigelassen werden konn- 

solche ausreichend kenntlich gemacht waren, gal- ten (Cass. Dio LIII 25), augenscheinMch, um 

ten als loci religiosi, an denen sich die manes der ktinftige Aufstande zu vermeiden (vgl. Suet. Aug. 

toten Sklaven aufhielten (Dig. XI 7, 2, pr. locum 21, der diesen Vorbehalt als Beweis ftir virtus mo- 

in quo servus sepultus est religiosum. Manes wur- deratioque ansieht). Die 22 v. Chr. in die S. ver- 

den Sklaven selbst in republikanischen Zeiten zu- kauften Asturier und Kantabrer toteten ihre Be- 
geschrieben Varr. 1. 1. VI 24 prope faciunt diis 60 sitzer spater und kehrten in die Heimat zurtiok; 

manibus servilibus sacerdotes). Wenn Sklaven mit sie waren also vermutUch in Spanien verkauft 

Erlaubnis ihres Herrn einmal in Collegia auf- worden. Bei ihrer emeuten Niederwerfung durch 

genonnnen waren, so ftihrten sie in diesen Or- Agrippa 19 v. Chr. wurde ihnen kein Pardon ge- 

ganisationen unabhangig von ihrem Herrn ge- geben (Cass. Dio LIV 5). Kyzikos, Tyros und 

wisse Geschafte (Zahlung von Aufnahmegebtihren Sidon wurde 20 v. Chr. als Strafe fur ihre Par- 

und monatMchen Beitragen und Einziehung der teinahme ftir Antonius ihre Axitonomie entzogen 

Gebtihren von anderen Mitgliedem). Es ist kein (s8ovX6oato ebd. LIV 7, 6; Suet. Aug. 47), aber 

Gesetz bekannt, das die Bestattung eines Sklaven die Bevolkerung wurde nicht versklavt (gegen 



Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 



32 



995 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 996 

Barrow, Slavery in the Roimn Empire [Lon- haben (laeherlich iibertriebene Angabe, ebd. Maxi- 

don 1928] 4). Gefangene Pannoiiier wnrden 12 min. 12, 1 und in der uneohten Rede 13, 1). Der 

V. Chr. unter der Bedingung der Axisfuhr aus Bericht in dem nnglanbwiirdigen Brief des Clau- 

ihrer Heimat verkauft (Cass. Dio LIV 31, 3). dins an Brocehus (Script, hist. Aug. Claud. 8, 6), 

11 V. Ohr. wurden die Bessi, ein thrakischer jeder romische Soldat hatte nach dem Gotenkrieg 

Stamm, zu Sklaven gemaeht (ebd. LIV 34, 7; vgl. des Kaisers Claudius zwei oder drei gefangene 

den servus natione Bessus, Dess. 7492, 3f.). Quin- Gotinnen erhalten, ist vollkommen wertlos. Diese 

tilius Varus verkaufte als Statthalter von Syrien gotischen Gefangenen wurden offenbar als eoloni 

die Binwohner von Sephoris in die S. (Joiseph. auf dem Lande angesiedelt (ebd. Claud. 9, 4 fac- 
beli. Jud. II 5, 1). Die Gesamtzahl der im judi- 10 tus limitis barbari eolonus e Gotho). Die laut Be- 

schen Krieg Vespasians als Sklaven verkauften i^ieht (Script, hist. Aug. Cams 9, 4) von Cams 

Oder sonst fiir Sklavenarbeiten bestimmten Juden erbeuteten 20 000 Sarmaten brauohen nicht be- 

wird mit 97 000 angegeben (Joseph, bell. Jud. VI rucfcsichtigt zu werden, da sie ®ehr wahrscheinHch 

9, 3. Diese Gesamtzahl finidet eine starke Sttitze in auch eoloni wurden. All diese Zahlen werden aber 

den Detailangaben von ungefahr 43 000, worin durch den fiir Aiurelian beanspruchten bescheide- 

die nach dem Fall von Jerusalem Gefangenen nen Ruhm in Frage gestellt (ebd. Aurelian. 7, 1), 

nicht enthalten sind; ebd. Ill 7, 31. 36. 10, 10. ^r habe als Tribun der 6. Legion in Gallien 

IV 7, 5. 8, 1; vgl. IV 9, 1. 8. Vn 6, 4). ISTach dem 300 Franken erbeutet und in die S. verkauft (vgL 

judisehen Aufstand unter Eadrian (132—135 n. die von ihm fiir den Besitz Valerians bestimmten 
Chr.) wurde eine zwar unbekannte, wahrsehein- 20 500 Sklaven, ebd. Aurelian. 10, 2). 
lich aber sehr groBe Anzahl auf den ostliohen Nach der Mederlage des Sextus Pompeius 36 

Markt geworfen (Verkauf in Hebron und Gaza, v. Chr., dessen Tatigkeit die antiken Gewahrs- 

Chron. Pasch. I 474. Dind.; Hieron. ad Zachar. XI l^ute ganz allgemein als Seerauberei ansahen (Ap- 

5; ad Jerem. XXXI 15; dex ,Hadri,an.smarkt* in pian. bell. civ. II 105. V 143. Strab. V 4, 4. Veil. 

Gaza blieb fiir Jahrhunderte lebendige Erinne- n 73, 3. Lucan. VT 421f. Flor. 11 18, 1) und 

rung, Ohron. Pasch.). Wahrend der Grenzkriege nach der Unterdriickung erneuter Piratentatigkeit 

und Aufstande batten die romischen Legionare der lUyrer, die mit der Schlaeht bei Aktium voll- 

sicherlich oft Gelegenheit, Gefangene bei Kriegs- standig wurde (Ormerod Piracy 254), ent- 

verkaufen zu erwerben, die in der zeitgenossi- faltete sioh Seeverkehr und -handel auf dem 
schen Literatur unerwahnt blieben. Dies ist anzu- 30 groiSeren Teil des Mittelmeers wahrend der nach- 

nehmen, da Sklaven im Besitz aktiver Soldaten sten beiden Jahrhunderte infolge der Errichtung 

und Veteranen in Igypten erscheinen (BGU IV und Unterhaltung einer stehenden kaiserlichen 

1108 aus dem J. 5 v. Chr.: Alimentenvertrag, Flotte (Art. Claissis o. Bd. HI S. 2635ff.). 

in dem der Soldat wahrscheinHch der Vater eines Diese Flotte rottete wohl die Seerauberei im Mit- 

Sklavenkindes war. IV 1033, 2, 9 aus dem J. 104 telmeer selbst als Versorgungsmogliehkeit fiir 

— 105 n. Chr.; Pap. Soc. Ital. V 447, llff. aus den Sklavenhandel aus, obwohl Seerauberei und 

dem J. 167 n. Chr.; BGU I 316 aus dem J. 359 Mensohenraub welter vereinzelt vorkamen (Lucian. 

n. Chr. == Mitteis-Wilcken Grundz. 11 de mere. cond. 24 si [asv os ng tj nUovra naxanov- 

2, 271. Vgl. Stud. Pal. XX 71. Pap. Hamb. 63; s. riorrjg ovXXa^cbv rj Xi^orrjg ansdidoTo), besonders in 
auch die in Igypten gefundene Wachstafel, die 40 dem abgelegenen Roten und Schwarzen Meer, die 
einen Sklavenverkauf an einen Matroisen in Ra- nicht so beaufsichtigt waren (Ormerod 257ff.). 
venna erwahnt, Ztschr. Sav.-Stift. XLII 452ff.). Aber der BinfluB dieser Quellen auf die gesamte 
Als Hadrian die Grenzpolitik des romischen Im- Sklavenversorgung konnte nicht gro6 gewesen 
periums auf dauemde Defensive an alien Grenzen sein. Auch der Mensehenraub auf dem Lande ging 
umstellte, die entweder natiirlich oder kunstlich unter der tatkraftigen Kaiserherrschaft merklich 
durch limites gut geschiitzt waren (Gheesman zuriick (Unterdriickung von grassatores durch Au- 
Auxilia of the Roman Army [Oxford 1914] 107ff.), gustus, die vorher Freie und Sklaven ergriHen 
muB die Zahl der Gefangenen aus Grenzkriegen und Landbesitzern uberantwortet batten, die sie 
rapide abgenommen haben (Hadrian muBte seine dann in ergastula steckten, Suet. Aug. 32, 1 ; vgl. 
Sklaven fiir Lagerdienste aus Kappadokien holen, 50 ebd. Tib. 8, 2), ebenso in den Provinzen. Kla- 
Script. hist. Aug. Hadrian. 13, 7). Unter der fried- gen iiber Raub und Verkauf Freier in die S. wer- 
lichen Regierung des Antoninus und den Vertei- den in den zahlreichen Papyri aus Agypten unter 
digungskriegen Mark Aurels an der Donau konn- romischer Herrschaft, die sich mit S. besohaf- 
ten nur wenige Gefangene gemaeht worden sein. tigen, nicht laut; aber die Unterdriickung un- 
Die vielen Perser, die angeblich von Alexander Se- gesetzlicher Versklavung Freier erreichte man 
verus 232 n. Chr. gefangen genommen und in doch im ganzen Reich niemals vollkommen. Sen. 
die S. verkauft wurden (s. das gefalsohte Doku- contr. X 4, 18. Dig. XXXIX 4, 12, 2. Fur Nord- 
ment Script, hist. Aug. Sever. Mex. 51, 6; iiber afrika s. Gsell Mel. Glotz I 398. 

die Falschung der acta senatus s. C. L 4 cr i v a i n Die Annahme, daB die Anzahl der auf fried- 
Etudes sur L'Histoire Auguste [Paris 1904] 98ff.), 60 lichem Wege erworbenen Sklaven im Verhaltnis- 
wurden mit groBerer Wahrscheinlichkeit durch zunahm, wird nicht unerheblich durch die vorhan- 
den Perserkonig ausgelost (Script, hist. Aug. Se- denen Quellen gestiitzt, obwohl es sich statistisch 
ver. Alex. 55, 3). Wahrend der Biirgerkriege im nicht nachweisen laBt. Diese verschiedenen Arten 

3. Jhdt. diirften feindliche Auslander in groBerem der Versklavung trugen zur Kompensierung der 
Umfange wohl kaum gefangen genommen worden Verluste an Sklavenmengen bei, die eine Folge des 
sein, die Script, hist. Aug. erwahnen auch nicht Riickganges der Kriegsgefangenschaft wareri. 
einen. Maximinus mag 235 — 236 n. Ohr. eine be- Nach M i 1 1 e i s (Reidtisreeht und Volksrecht 
schrankte Anzahl Germanen gefangen genommen [1891] 361) war Kindesaussetzung zur Vermeh- 



997 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 998 

rung der Sklavenzahl in alien Teilen des Impe- det: 25 o/o des Vermogens des Adoptiereniden 

rinms, einschlieBlich Italiens selbst, sehr wesent- wurden bei iseinena Tode konfisziert (Gnomon des 

lioli. Seine Ansicht ist durch Papyri aus der Pro- Idios Logos, BGU V 41 und der schwiedge Ab- 

vinz Igypten voU bestatigt worden. Diese sehnitt 107; vgl. Seek el-Meyer S.-Ber.Akad. 

dauernde Gewohnheit miiB sich in den verschie- Berl. [1928] 453f. Maroi Raccolta Lumbroso 

denen Teilen des Reiehis noch verstarkt haben, so- 377ff.). Einsehrankungen beim Aufziehen gefun- 

bald ortliehe Wirtsehaftskrisen auftraten. Das Pro- dener Madohen erscheinen nicht; die tatsacUichen 

blem des biirgerlichen Standes lansgesetzter Kin- Falle, in denen FindMnge beiderlei Gesehlechts 

der, die als FindMnge aufgezogen waren, loste als Sklaven erzogen wurden, miissen sehr zalil- 

das romische Recht im allgemeinen so, daB der 10 reich gewesen sein. 

Finder das Kind als Sklaven oder Freden er- Hinsichtlieh der Zahl der eingeborenen Skla- 

ziehen konnte, jedoeh mit der MaBgabe, daB ven im Vergleich zu den empticii ist die Feststel- 

Nachweis freier Herkunft die Freiheit des Find- lung bei Petron. 53, 30 Knaben und 40 MJad<;hen 

lings jederzeit wiederherstellen konnte (M o m m- seien an einem Tag auf der Besitzung des Tri- 

sen Jurist. Schr. Ill 11. Buekland, Law malchio in Cumae geboren worden, nur komische 

of Slavery 402). Versieherung freier G^burt in Ubertreibung; aber ein Hinweis -auf die tatsach- 

Agypten als Rechtfertigung fiir die Entfernung liche Amzahl der vernal geht fiir Mittelgrieohen- 

eines Pindlings aus dem Hause seines Besitzers: land aus den delphischen Preilassungsinschrifteai 

Pap. Oxy. I 37, 17f. aus dem J. 49 n. Chr. Uber SGDI 1684—2342 hervor. Vorausgesetzt, daB alle 

die Wichtigkeit der Kindesaussetzung und Rettung 20 Sklaven, die nicht besonders als im Hause geboren 

derAusgesetztendurchAufnahmeindieS.inKlein- bezeichnet werden, gekauft sind, nehmen die! im 

asien s. den Bescheid Traians 112 n. Chr. (Antwort Haus geborenen Sklaven fiir die Zeit der Priester- 

auf eine Anfrage des jiingeren Plinius, welchen schaften XVI— XXII (ca. 50 v. Ohr. — 130 n. Chr., 

Stand' solche Kinder batten, wenn sie frei geboren s. Calderini Manomissione 405, 1) im Ver- 

seien, Plin. epist. X 65f.). In Bithynien war dies haltnis zu den gekauften sichtlieh ab (10 ein- 

Problem fiir die ganze Provinz von Wichtigkeit geborene gegenuber 22 gekauften, d. h. ungefahr 

(a. 0.) Ein Edikt des Augustus und Brief e von 1 zu 2) im Vergleich zu der Zeit von 150 — 50 

Vespasian, Titus und Domitian batten sich mit v. Ohr., wo ungefahr 2 eingeborene auf 1 ge- 

der Frage beschaftigt, als sie in Achaia und kauften Sklaven kamen. Die Zahl der eingebo- 

Lakedamon auftauchte (edictum . . . Augusti ad 30 renen Sklaven gestattet jedoeh immer noch die 

Aehaeam pertinens, a. 0. naeh der Lesart Annahme, daB die SMavenbesitzer in Griechen- 

Mo mm sens). Traian forderte noch weitgehen- land die Siklavenfrauen ermunterten. Kinder zu 

dere Anhorung solcher Preiheitsanspniche und haben. In Agypten erseheinen die olxoyeveig .sehr 

verweigerte dem nutritor endgiiltig den Rechts- oft in den Papyri aus der Zeit der romischen 

anspruch auf Ersatz der Erziehungskositen fiir den Herrschaft (1. Jhdt: BGU I 297, 16. Pap. Oxy. 

Findling (ebd. X 66; vgl. M o m m s e n Jur. I 48, 4. II 336, Pap. Teb. Mch. [B o a k Michigan 

Schriften III 1. Diese Entscheidung iiber die Un- Papyri IL Pap. aus Tebtunis, Ann Arbor, 1933] 

terhaltskosten wurde von Diokletian abgeandert, 121, recto IV 7, 4. Pap. Sbc. Ital. XI 1131, 26; 

s. Cod. V 4, 16 und o. Bd. XI S. 469). Naeh einer 2. Jhdt.: BGU I 193, 12. 15. 18. 23. H 447, 24ff., 

Anfang des 3. Jhdts. ergangenen Entscheidung 40 5 eingeborene Sklaven. Ill 859, 3. Pap. Oxy. IV 

(Cod. Vni 51, 1) konnte der Sklavenbesitzer, 714, 14. 723, 3. XII 1451, 26. Pap. Teb. H 407, 7.. 

wenn ein Sklavenkind ohne Wissen und Willen 8. 18. Pap. Soc. Ital. V 447, 17. 22. VI 690, 4. 15. 

des Besitzers der Mutter ausgesetzt worden waj-, 710, 13. Pap. Cattaoui col. VI=:Mitteis- 

seine Ruckgabe beanspruchen; aber er muBte Wile ken Grundz. II 2, 372 VL Pap. Col. Inv. 

dem, dear es aufgezogen hatte, die Kosten der 551 verso col. II 4 Aegyptue XIII 230. Pap. Berl. 

Erziehung oder Ausbildung fiir ein Gewerbe wie- Inv. 13295 und Pap. Lend. Inv. 2226, ed. Schu- 

dererstatten. tlber die Hautfigkeit der Kindesaus- bar t in Raccolta Lumbro-so 49ff.; 3. Jhdt.: Pap. 

setzung in Nordafrika, woraus isich wohl in der Oxy. IX 1205, 4. 1209, 15. XII 1468, 13. Pap. Teb. 

Mehrzahl der Falle fiir das ausgesetzte Kind S. II 406, 26. Pap. Flor. I 4. 9, p. 27, 7 (?). Mit- 
ergab, s. Minuc. Fel. 31, 4. TertuU. ad. nat. I15;50teis-Wilcken Grundz. II 2, 362, 4, 17f.; An- 

Apol. 9. Lactant. inst, VI 20; vgl. CIL VIII 410. fang des 4. Jhdts.: Pap. Lips. 26). Ihre wirt- 

2394. 2396. 2773. 3002. 3288. 7078. 7754. VHP schaftliohe Bedeutung gegenuber der gekaufter 

11576. 12778. 12879. 13328. Vtll^ 22928. 22993. Sklaven zeigt Abschn. 67 des Gnomon d. Id. Log. 

24687. Gsell Inscr. lat. d'Algerie I 1810. 3209. (BGU V 1, 67), wonach Verkauf zwecfcs Ausfuhr 

3229. 3771. Folgende Papyri, die von Findlingen eingeborener Kinder von Siklaven agyptischer Na- 

in Agypten handeln, betonen das Vorwiegen der tionalitat prinzipiell verboten war und ihre Besit- 

Praxis der Kindesaussetzung und daraus folgen- zer im UbertretungsfaU mit sehweren Geldstrafen 

der Versklavung der Kinder in dieser Provinz: — Beschlagnahme von 25 — 100 ^lo ihres Gesamt- 

Pap. Oxy. I 37, 7 und 38, 6. 73, 26. BGU II 447, vermogens — belegt wurden. Helfershelfer bei 

24 (unter den bovlma ocofA-am heiBt die Praiu 60 solchem Geschaft wurden ebenfalls bestijaft. Die 

KonQrj). IV 1058, 11. 1106, 22; vgl. 12. 1107, 9. Reichweite dieses Gesetzes wurde dadurch noch 

Pap. Soc. Ital. Ill 203, 3. Pap. Ryl. 178 u. Pap. bettachtlich ausgedehnt, daB das Gericht in sol- 

Reinach Inv. 2111, ed. Co 11 art in Mel. Glotz I chen Fallen, wo ein sicherer Nachweis des Stan- 

241fE. Moglicherweise auch BGU IV 1110, 6, s. des nicht zu erbringeai war, die Mutter des Skla- 

Tauben.schlag Ztschr. Sav.-Stift. L [1930] ven als Agypterin erklarte (W. Schubart 

146, 4. Die Adoption eines frei geborenen mann- Raccolta Lumbroso 59f. Th. Reinach Nouv. 

lichen Findlings in Agypten durch einen Mann Revue Hist, de Diroit [1920 — 1921] 173f.). 

agyptischer Nationalitat wurde gesetzlich geahn- Bestimmte Angaben tiber die Anzahl der Skla- 



999 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1000 

ven zu irgendeiner Zeit an irgendeinem Platz bezeichnet ist. Im Pap. Lond. II 257 aus dem J. 

sind in der Literatur der Kaiserzeit nieht zu fin- 94 n. Ohj. (Greek Papyri in the British Museum II 

den, nur wenige Hinweise auf das zahlenmaBige [Lond, 1898] p. 19ff.), einem internen Verzeich- 

VerhaltniiS zwischen Sklaven und freier Bevolke- nis von Mannem aus Ortsohaften des Arsinoites, 

rung. Aus einer Feststellung des Galen (V 49 K.) die ala kopf steuerpfliehtig eingetragen sind, stehen 

kann man entnehmen, daB sedne Heimatstadt Per- ungefahr 232 Namen von Personen, deren Stand 

gamon in der 2. Halfte des 2. Jhdts. ungefahr ganz unsicher ist. Unter ihnen erseheimen keine 

40000 Burger und — Frauen und Sklaven ein- Sklaven. Die Zahl der Sklaven im Besitz der Kopf- 

begriffen, aber ohne Kinder — mehr al® 120000 steuerpflichtigen aus den agyptischen Stadten ist 

Einwohner hatte. Danaeh waren naeh Galens 10 wohl fraglos etwas hoher als der oben bereehnete 

roher Schatzung 40000 erwachsene Sklaven in niedrige Prozentsatz fur die armeren Dorfbewoh- 

Pergamon oder ein Sklave auf je zwei Erwachsene ner. Diese Feststellung stiitzt die lange, aber 

der Biirgerklasse gekommen, d. i. SS^/g o/o (vgl. Itiokenhafte Aufzahlung des af^q?68aQxos aus der 

Beloch BevQlkerung 236). Kinder und Ein- Strafie 'AtzoXXcovIov UaQeiA^oXri in Arsinoe im 

wohner ohne Blirgerreoht einbegriEem, wurde der Fayum aus dem J. 72 — 73 n. Chr. (Pap. Lond. 

Anteil der Sklaven an der Gesamtbevolkerung II 261 + Pap. Erzh. Rainer + Pap. Lond. II 260 

noch geringer. Im Vergleich zu den Ortschaften ed. W e s s e 1 y Studien zur Palaeagr. IV [Leip- 

des Niltals ist dieser Sklavenanteil auBerordent- zig 1905] 58ff.). Die Gesamtzahl der kopfsteuer- 

lich hoch. In dem agyptischen Flecken Ptolemaiis zahlenden Manner — nur von 14 — 60 Jahren — 

Hormos machten die Sklaven im J. 192 n. Chr. 20 die in dieser StraBe lebten, betrug 385 (ebd. col. II 

7 o/o der GeiSamtednwohnerschaft aus (W i 1 c k e n 16); Sklaven lebten darin insgesamt 52. Davan 

Gr. Ostraka I 683; seine Berechnung istutzte sich sind 9 Sklavenkinder abzuziehen. die noch nieht 

auf die Liste der bei den pflichtgemaB zu Msten- 14 Jahre alt waren (s. W e s s e ly S.-Ber. Akad. 

den Deioharbeiten Beschaftigten in der Charta Wien, Ph.-hist. Kl. CXLV [1902] IV 15ff.), und 

Borgiana, N. Schow Charta papyracea graeca drei Sklaven, die Frauen gehorten, welche als 

[Rom 1788] = Preisigke Sammelb. 5124. Biirgerinnen von Alexandria eingetragen waren 

Sklaven wiaren zu Deicharbeiten verpflichtet, wenn (Pap. Erzh. Rainer col. V, Stud. z. Pal. und Papy- 

ihre Herren sie leisten muBten, s. Fr. Oertel rusk. IV). Von den kopf steuerpflichtigen Unter- 

Die Idturgie [Leipzig 1917] 78 und BGU VII tanen waren daher nieht mehr lals 10 o/o Sklaven. 

1634, 11. 15. Skkven von Priestem besonders 30 Das Verhaltnis der Sklaven zur Gesamtsumme der 

angesehener Tempel waren davon befreit, BGU I Freien einschlieBlich der romischen und alexan- 

176 = Mi t teis-Wilcken Gmnd^. I 2, 83). drinischen Burger sowie der Juden war nieht 

Laut BGU VII 1634 col. I aus dem J. 229 hoher. (Fur eine allgemeine Angabe der Skla- 

— 230 n. Chr. waren von insgesamt 466 Deich- ven in ligypten vgl. Ed. Meyer Kleine Schriften 

unterhaltspflichtigen 6 Sklaven. Aus ednem Kopf- I 192 und Wilcken Gr. Ostraka I 703). 

steuer journal aus Theadelphia vom J. 128 — 129 Die fruher verbreitete Annahme ungeheurer 

n. Chr. (Pap. Col. 1 ed. Westermann- Sklavenmassen in Rom und Italien im Anfang der 

K e y e s Tax Lists and Transportation Receipts Kaiserzeit (z. B. 900000 Sklaven allein in Rom: 

from Theadelphia [New York 1932] geht hervor, Marqmardt Staatsverw. II 124 nach den alte- 

daB sich unter den 218 greifbaren Namen von 40 ren Aufkgen von Fried landers Sittengesch. 

Sklaven, Freigelassenen und Fteien^' die steuer- Roms) war ein FehlschluB auf Grund tatsaohlicher 

pflichtig waren, nur 2 Siklaven (Pap. 0>1. 1 recto Beispiele fur groBe Siklavenmengen in den Haus- 

1 a, 36. Die Besteuerung der Sklaven richtete sich halten einzelner hochgesteUter oder reieher Romer 

nach den Steuem, zu denen ihre Besitzer veran- und auf Grund iibertriebener Allgemeinangaben 

lagt waren, Mitteis-Wilcken Grundz. II, in der Literatur des 1. Jhdts. Von Frontinus (aqu. 

198. Taubenschlag Ztsehr. Sav.-Stift. L urb. Rom. 98) ist die Tatsache bezeugt, daB nach 

[1930] 162, 5) und 2 Freigelassene befanden (Pap. B3 v. Chr. eine Gruppe von' Sklaven aus seinem 

Col. 1 recto 1 b, 3, 27. 5, 6). Daraus ergibt sich Haushalt ausgewahlt wurde, die fiir die Wasser- 

ein Sklavenverhaltnis von einem Sklaven und leitungen Roms zu sorgen hatte. VermutMch waren 

einem Freigelassenen auf je 100 Frede der nieder- 50 dies nieht mehr als die 240, die den Teal der 

sten und armsten Klasse Agyptens, die bei weitem Wasserleitungswache stellten, der zur Zeit des 

das zahlreichste Element der Bevolkerung aus- Frontinus Staatseigentum war (ebd. 110). Wie 

machte. Weitere Bestatigung des sehr niedrigen Cass. Dio LIII 24, 4 berichtet, reichten die Skla- 

Sklavenprozentsatzes in den niederen Schiehten ven des M. Egnatius Rufus, Aedilen im J. 21 

der Bevolkerung der agyptischen Dorfer und v. Chr. (s. o. Bd. V S. 1999f.), nieht aus, eine 

Stadte findet sich fiir Philadelphia im Fayum im gentigende Losohmannschaft fiir die Stadt Rom 

1. Jhdt. Pap. Com. 21 (W e ® t e r m a n n-K r a e- zu steUen. Er muBte dazu fremde Sklaven mieten. 

mer Greek Papyri in the Cornell Library [New Pedaniu^ Seeundus, praefeetus urbis im J. 61 n. 

York 1926]) und Pap. Princ. 2 (John.son-Van Chr. und einer der reichsten Manner Roms, Melt 
Hoe sen Papyri in the Princeton Collection [Bal-60'Sich 400 Sklaven (Tac. ann. XIV 43, 4). Seneca 

timore 1931]) nennen nur einen Sklaven auf spricht (de clem. 1 24, 1) von einem einst im romi- 

280 Freie, die das owtdSt/^ov zahlen. Plap. Princ. schen Senat vorgebrachten Antrag, wonach Skla- 

9, alphabetisches Register iiber Kopfsteuerzahlun- ven sich dureh besondere Kleidung von den Freien 

gen in Philadelphia 30 n. Chr. enthalt 2 SMaven unterscheiden sollten. Der Vorschlag wurde abge- 

(bei der Lesung 'HQaKl[d6rig] 8ovX(.og) UtoXsfmlov lehnt infolge -der groBen Gefahr, die sich ergeben 

in col. II 2 und 'EQaKXfjg dovXog [iiber d. Zeile konnte, wenn sich die Sklaven ihrer Anaahl im 

eingeftigt] Lfersoovxov, col. II 10) unter insgesamt Verhaltnis zu den Freien in Rom bewuBt wurden. 

54 Personen, deren Stand in dem Dokument klar Der Zeitpunkt, an dem diese Frage im Senat zur 



1001 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1002 

Debatte stehen sollte, ist unbestimmt, und die schon (bescheiden und einfaeh! zu reisen, wenn ihn 

Bemerkung bei Seneca ist so allgemein gehalten, nui? eine Wagenladniiig Sklaven begleitete (ver- 

daB ihr Wert fiir edne Berechmung der Sklaven- mutMch 4 ader 5, Sen. epist. mor, 87, 2). Selbst 

bevolkerung Koms gering ist. Mt gleieher Vor- in Eom lebten viele, die sogar noch tiber dem Pro- 

sicht sind die mancipiorum legiones zu betradi- letariiat standen nnd doeh ohne jeden Sklaven 

ten, eine Sklavenherde solchen AusmaBes, daB gewesen sein mtissen, oder hoohstens einen oder 

die romisehen Haushalte ihretwegen einen no- zwei batten (luven. 3, 286. 9, 64ff. 142ff.; ein 

menelator notig batten (Plin. n. h. XXXIII 26; Veteran ohne Sklaven, Script, hist. Aug. Hadr. 

vgl.Iuven.V66f.), ferner der Traum des Adeiman- 17, 6). Fur das 3. Jhdt. geben die dlirftigen und 
tus bei Lucian. navig. 22, er soUe 2000 ausge- IQ unzuverlaasigen QueUen ein v^rworrenes Bild von 

suchte und hiibsche Sklaven jeden Alters be- ungeheueren Sklavenmengen. Hiergegen spreehen 

kommen, und sehlieBlioh die Vorstelking von iiberraschend kleine Sklavengruppen im Besitz 

Sklavenmassen im Besitz einzeln^r, die Petron. 47 von Provinzstatthaltem, Anwartem auf den Thron 

erzeugt: er laBt den Trimalchio einen Sklaven und regierenden Kaisern. Prokulus, oin reicher 

fragen, zu welcher Abtedlung des Hanishalts er Eingeborener aus den Seealpen, soU 2000 eigene 

gehore, und erhalt die Antwort, er isei in der Sklaven bewafinet haben, als er 280 n. Chr. ver- 

vierzigsten deeuria (vgl. die komische "Dbertrei- suchte, die Macht zu ergreifen (Script, hist. Aug. 

bung ebd. 58, s. o. S. 998, und die Bemerkung, Firm. 12, 2); dagegen berichtete Aelius Cordus, 

daB von 10 Sklaven nicht einer seinen Herm von der Geschichtssohreiber des 3. Jhdts., nicht die 
Angesicht kannte, ebd. 37; s. aueh Sen. de vit. 20 Zahl der Sklaven im Besitz eines jeden Kaisers, 

beat. 17, 2). Unleugbar wurden Sklaven in gro- sondern ihre Art und Herkunft (ebd. Gordian. 

Ben Mengen im Haushalt und im Gefolge reioher 21, 4). Ein Auf stand in SlziHen im 3. Jhdt. wird 

Leute, besonders in Rom, gehalten, die lauf diese als ein bloBes quasi quoddam servile helium . .^ . 

nicht sehr vornehme Weise ihren Reichtum zur latronibus vagantibus (ebd. Gallien. 4, 9) geschil- 

Schau stellten (Sen. epist. mor. 110, 17 cohors dert. Nach der Meinung des Verfassers des er- 

culta servorum . . . ostenduntur istae res, non pos- dichteten Brief es Script, hist. Aug. Claud. 14, 7ff. 

sidentur; vgl. luven. VI 141. VI 352. Apul. met. geniigten 7 Sklaven und 7 andere Diener, vermut- 

11 2 und den grex eapillatus Martial. II 57). An- lich ebenfalls Sklaven, voUkonmien fiir die Auf- 
nehmbarere Vermutungen tiber Sklavenzahlen im wartung eines Prokonsuls von Syrien. Der Kaiser 
Besitz einer bekannten und reichen romisehen 80 Tacitus besaB insgesamt weniger als 100 Sklaven, 
gens erhalt man durch die Namen der Sklaven die er samtlich freiMeB (ebd. Tacit. 10, 7). 

und Preigelassenen der adligen Statilii, die Der Eindruck, daB die fiir den Markt verftig- 

ftinf Generationen hintereinander — annahernd baren Sklaven sich unter der Regierung des 

die Zeit 40 v. Chr. bis 65 n. Chr. — in der Augustus merklieh verminderten, wird vertieft 

Familiengruft erscheinen (CIL VI^ 6213 — 6640). durch die Gesetze liber die Freilassung aus den 

In diesen Inschriften mogen natiirlich nicht Anfangsjahren des Kaiserreichs. Der Hauptgrund 

aUe ihrer Sklaven und Preigelassenen aufge- fur diese Geisetzg^bun^ war fraglos der, daB die 

zahlt sein, aber die sich nach Abzug offenbarer Biirgerschaft gegen das weitere Bindringen frem- 

Wiederholungen ergebendB Gesamtzahl betragt der Elemente, wie sie die Skkvenbevolkerung 
annahernd 428, die sich wie folgt verteilen: 192 40 Italiens darstellte, g^schtitzt werden sollte {ab 

Sklaven, 84 Sklavinnen; 100 freigelassene Manner omni colluvione peregrini ae servilis sanguinis 

und 62 freigelassene Frauen. T. StatiKus Taurus incorruptum servare populum, et cimtatem Roma- 

Corvinus, Consul ordinarius des J. 45 n. Chr., nam pareissime dedit et wjanumittendi modum 

besiaB bestimmt an Sklaven sowie freigelassenen terminavit Suet. Aug. 40), moglicherweise kam 

Mannem und Prauen insgesamt acht (Art. Sta- auch ein wirtschaftlicher Grund hinzu: das An- 

tilius Nr. 17 Bd. Ill A S. 2191). T. Statilius wacbsen auf sich selbst gesteUter armer Leute in 

Taurus Sisenna, cos. im J. 16 n. Chr., und Rom, das sich auf der fortgesetzten Politik des 

seinem Sohn kann man drei Sklaven und drei laissez faire bei den Freikssungen ergeben hatte, 

Freigelassene, Statilia MessaHna, der Gemahlin sollte abgedrosselt werdien (vgl. Schneider 
Neros, drei oder vier Sklaven und einen Freigelas- 50 Sclaverei im alten Rom 19). Zieht man die Ab- 

senen zuweisen. DaB wir tibertriebene VorsteUun- nahme in der SMavenversorgung aus Krieg und 

gen von groBen Sklavenzahlen im Besitz vorneh- Menschenraub in Betracht, so weist dies Gesetz 

mer romischer Familien zu vermeiden haben, geht auf eine zahlenmaBige Verminderung der zum 

auch aus der Entscheidung des Augustus im J. Verkauf stehenden Sklaven 'hin. Die Einschran- 

12 n. Chr. hervor, die die Zahl der Sklaven, die kungen zeigen sich in folgenden Erlassen: die 
ihrem Herm in die Verbannung folgen durften, Lex Fufia Caninia, wahrsoheinlich aus dem J. 2 
auf 20 beschrankte (Cass. Dio LVI 27, 3; vgl. die v. Chr., macht die Zahl der Preiliassungen von 
ursprunglioh dem Calp. Piso zugestandenen zehn der Gesamtzahl der Sklaven, die der Herr besaB, 
Sklaven, als er von Caligula ins Exil geschickt abhangig (Bd. XII S. 2355. Dies Gesetz war noch 
wurde, ebd. LEX 8, 8). Die tatsachliehe Zahl der 60 gegen Ende des 3. Jhdts. in Kraft, Script, hist, 
aufwartenden Sklaven, 'die einen wohlhabenden Aug. Tacit. 10, 7); die Lex Aelia Sentia aus dem 
Mann auf der Reise begleiteten, zeigt sich am Jahre 4 n. Chr. erschwerte gewisse Arten der 
besten in dem Augenzeugenbericht des Galen tiber Freilassung und verbot Sklavenbesitzern unter 20 
seine Reise zu Lande von Korinth nach Athen mit Jahren tiberhaupt jede Freilassung (Gai. I 38ff. 
einem Freund, den noch zwei Sklaven begleiteten, Ulp. I 18. Inst. I 6, 4ff. Solche Freilassungen 
nachdem er andere, vermutlieh 2 oder 3, zu Schiff waren indessen im spanischen Salpensa dooh 
nach Athen geschickt hatte (Galen. V 17 K.). Se- moglich, wenn eine iusta causa manumittendi vor 
neka, einer der reichsten Leute seiner Zeit, meinte dem Rat der decuriones dargelegt war, FIR'^ 



1003 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1004 

p. 146, lex Salp^ns. 28) sowie die Freilassung die beiden latinisierten tJbertragungen aus dem 

jedos Sklaven unter 30 Jahren, die nur durch ein Grieehischen Nothus und Pothus und ein einziger 

lormliches Rechtsverfahren moglich sein sollte Volkername, Suebus, der vielleicht, aber auch nicht 

(Gai. I 18. Ulp. I 12; vgl. Partisch Ztsehr. sicher die genaue Stammesherkunft des Sklaven 

Rechtsgesch. XLII [1921] 246). In diese Reihe angibt (GIL VI 2, 62219—6237). Andere Lander, 

yon Einschrankungserlassen gehort auch die Lex die Sklaven mit grieehischen Namen stellten, 

ViseUia ans dem J. 24 n. Chr., die Freigelassene sind Spanien, Gallien, Dalmatien, Sardinien, 

von stadtischen Amtern aussohloB (Bd. XII Afrika und Thrakien (Mary L. Gordon, Journ. 

S. 2418). Rom. Stud, XIV [1924] 103, 4). Zahlreiche freie 

Da in Agypten ein gegenseitiger Austausch 10 Jud^n mit lateinischen und grieehischen Namen 

der gpezifiseh agyptischen und grieehischen Na- fanden sich in den jtidischen Katakomben Roms 

men sehr leacht war, hat man langst die Aus- aus dem 2. und 3. Jhdt. n. Chr. (z. B. ^Xa^ls, 

sichtslosiigkeit der Versuche eingesehen, dort ftir TJ/btdla, Nov/usvig [=i NovfjLrjviog], Nikete, Pare- 

die Zeit nach 150 n. Chr. die tatsachliche Natio- corius /"= IlaQrjyoQiog], Eutycheti, MaQvXXslva 

nalitat Freier danach zu bestimmen, da6 der Tra- [== Marullina], Nswodrjf/^og usw. s. H. J. Leon 

ger eines grieehischen Namens Grieche, der eines Trans. Am. Phil. Assoc. LVHI [1927] 213ff.). 

agyptischen Namens Agypter sein mu6 (M. Man hat daher ein Recht zu der Annahme, daB 

S t r a c k Arch, f . Pap. I 208. W. Otto Prie- sich einige Juden unter den Sklaven befanden, 

ster und Tempel I 2, 1). Fiir Sklaven zeigen die die — wenn man nur nach dem Namen ging — 

folgenden Beiispiele, in denen' die wirkliche Her- 20 Griechen oder Italer sein konnten. Man muB 

kunft durch ein adjektivisches Ethnikon angege- weiter zugeben, daB von Stadten, Bezirken oder 

ben ist, daB die sprachliche Ableitung des Na- Landern abgeleitete Sklavennamen (wie z. B. 

mens fiir die Bestimmung der rassischen Zugeho- Asia, Ephesius, Smyrna, Thraissa usw,) viel- 

rigkeit fiir die Kaiserzeit ganzlich bedeutungslos leicht nur iden Platz, wo der Sklave gekauft wurde 

ist. Sklaven mit grieehischen Namen, deren Hei- oder gar eine andere rein zufallige Assoziation 

mat nichtgriechische Orte waren: KaotaXla, eine wiedergeben (Varr. 1. 1. VIII 21 alius [appellat] 

Syrerin, SGDI II 1686. Aiodcooa, eine Phrygerin, a regione quod ibi emit^ ah Ionia lona(m}, alius 

1710. Aiovvala, eine Agypterin, 1712. 'Amy ova, quod Ephesi Ephesium, sic alius ah alia aliqua 

eine Jiidin, 1722. ^IXa, eine Sarmatin, 1724. re, ut msum est. Gordon 96ff.). Ein sicherer 

Eine sog. Mohrensklavin, zweifellos eine Negerin, 30 Anhalt fiir die Herkunft der Sklaven liegt indes 

die urspriinglich Atalovg hieB und in Evxvxlo, in dem Hinweis des adjektivischen Ethnikons der 

umbenannt wurde. Pap. StraBburg 1404, 25f., natio des Sklaven, weil nach romischem Gesetz 

Arch. f. Pap. Ill 419. IlQcotog, ein Sidonier, SGDI eine solche Angabe vom Verkaufer gefordert 

I 1727. Agiorco, eine Bastarnerin, 1754. ScorrjQig wurde, wenn ein Sklave zum Verkauf stand. Der 

rb yevog Bcordv (vermutlich Botion bei Troia) Kaufer war berechtigt, den Kauf rtickgangig zu 

2151. Ein Sklave fuhrte den Namen eines lUyrers machen, wenn diese Angabe nicht vorhanden war 

nXdtcoQ, wird aber trotzdem als Italer bezeich- (qui mancipia vendunt nationem cuiusque in ven- 

net, 1800. In den Papyri wird die voUige Unzu- ditione pronuntiare dehent, plerumque enim natio 

langldchkeit des Namens fiir die Peststellung der servi aut provocat aut deterret emptorem Dig. 

Herkunft durch den Passus bestatigt, der in Ver- 40 XXI 1, 31, 21. In Sklavenverkaufen nach romi- 

kaufsvertragen von Sklaven iinmer w^iederkehrt: schem Gesetz in Agypten s. BGU III 887, 3. I 

ovofAaxi deiva ^ xal el rivi itsQco ovo/uart KaXsltai. 316, 13). Auf dieser Grundlage ist nach den 

Aus den Papyri seien folgende Beispiele ange- Inschriften und Papyri folgendes zu schlieBen: 

fiihrt, um zu zeigen, daB zwischen Namen und 1. die Zahl der Sklaven aus Volkerschaften, die 

Herkunft des Sklaven jegliche Beziehung fehlt. jenseita der Reichs.gr enzen wohnten, war verhalt- 

Ein Germane mit dem grieehischen Namen nismaBig klein (einer von ihnen kam auf 8, die 

TJQjbiTjg, Pap. Soc. Ital. V 447, 7. Ein Sklaven- sicher aus dem Reich selbst stammten, M. Bang 

madchen mit dem hebraischen Namen Hafji^atig, Rom. Mitt. XXV [1910] 246). 2. Die groBe Mehr- 

auch mit dem grieehischen Namen 'Adrjvalg ge- zahl der Sklaven, die in jeder Provinz des Rei- 

nannt, BGU III 887, 3. Eine niichtitalische Skla- 50 ches erscheinen, war dort auch heimisch. Daraus 

vin tragt den lateinischen Kosenamen Anilla laBt siich aber nicht auf die rassische Zugehorig- 

(,Miitterchen'). Ihre ortliche Herkunft ist durch keit schlieBen, da ja die Rasse der Eltem dieser 

JnvXUav bezeichnet. Arch. f. Pap. XI 110, vgl. Sklaven unbestimmt ist. 3. Die weite Verschie- 

Pap. Oxy. VI 903, 32. Drei Generationen ein- bung und dauernde Bewegung, die fiir alle Ein- 

geborener Sklaven tragen samtlich agyptische wohner des Reiches in den ersten beiden Jahr- 

Namen mit Ausnahme eines Enkels, der Apollo- hunderten christlicher Zeitrechnung bezeichnend 

niua hieB, Pap. Oxy. XH 1468, llff. Eine von ist, zeigt sich auch in seiner Sklavenbevolkerung. 

der Synagoge ausgeloste Judin hat den griechi- In Erganzung des von Bang (ebd. 229ff., vgl. 

schen Namen Paramone, ihr Kind heiBt Jakob, XXVII 189, 1) gesammelten Materials kann man 

Pap. Oxy. IX 1205, 4. Ein Sklave italischer Her- 60 fiir Agypten folgende sicheren Angaben iiber 

kunft tragt den agyptischen Namen Ha^jL^dg, Sklaven machen, die in diese Provinz eingeflihrt 

Pap. Erz. Rain. 362, 84, s. Stud. z. Pal. IV 69. wurden: 

Ein Knabe mit dem .seltenen aus dem Griechi- la) Athiopier oder Neger, die gewohnlich auf 

schen kommenden Namen 'AQyovtig, der aber Gal- dem Wege iiber Adule nach Agypten kamen. 

lier ist, BGU I 316, llff. In Rom tragen die ger- Adule war nach Plin. n. h. VI 29, 173 ein Han- 
manischen Sklaven, die im Grabmal der Statilier delsplatz der Troglodyten, xoQaoiov bovXiKov 

erscheinen, meist lateinische Namen, wie Castus, q)at6v, Pap. StraBburg [Lpz. 1912] 79, 2. 1404, 
Cirratus, Clemens, Felix, Strenuus, Urbanus, dazu Arch. f. Pap. Ill 419. oltesrrjg Ald'ionlbog yfjg^ ein 



1005 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Eaiserzeit) 1006 

Neger mit dem grieehischen Nam^n Epityneha- Insel Dioskorida fiihrte Sklavinnen einj ebd. 81; 
non, Aegyptiaca, Festschr. f. Ebers [Lpz. 1897] das persische Ommana fiihrte ®ie nach AraWen 
102. Der von L. West als einem Neger gehorig und Indien aus, ebd. 36). Die Teile des Reioh.es, 
zitierte ( Jaurn. rom. stud. VII [1917] 54) Sklaven- die auBerhalb von Italien die meiisten Sklaven lie- 
name Melag (BGU II 467, 11) beweist weder ferten, deren Herkunft genan bestinunbar ist, 
Farbe noch Rasse. waren Syrien (Rom. Mitt. XXV 232f, 31 Einzel- 

b) Kleinasien: Pamphylien, Pap. Mich. inv. falle, vgl. Suet. Aug. 83. Acht syrische Lasttra- 
5474, Arch. f. Pap. XI 110. Phrygien, BiGU III ger, Martial, epiigr. VH 53. 10, vgl. IX 2, 11. 
887, 3 (der Name der Sklavin, Saixpailg, ist jii- 22, 9. luven. 1, 104. 6, 351) und die kleinasiati- 
disch). Lykien, ebd. 913, 8. Pontus, 937, 9. 10 schen Provinzen (58 Falle einschliefilioh solcher 

c) Syrien, Lucian. Toxar. 28 (die von West aus den grieehischen Stadten der Provanz, ebd. 
Journ. Rom. Stud. VII 54 angefiihrten Syrer aus 233ff. Kleinasiatische Sklaven in Rom: luv. 7, 
BGU I 155, 178. II 618. Ill 816 waren wohl 15). Dies tTbergewicht erklart sich mehr durch 
keine Sklaven). die altiiberkommene Haltung dieser Lander, die 

d) Parthien, Pap. Brit. Mus. II p. XXI 229, nichts Verachtliches darin sahen, wenn sie Eami- 
natione Transfluminianus. lienmitglieder in die S. verkauften (fur Pontus, 

e) Kreta, Pap. Leipz. 5, 7, vgl. 4, 12 (Gr. XJr- Lydien und Phrygien s, PhUostr. Vit. ApoM. 
kunden zu Leipz. [1906]). VIII 7, 161), als durch einen besonderen Hang 

f ) Kyrene, Zereteli-Jernstedt Pap. zur S., wie Bang fiir die 'Syrer annimmt (Rom. 
russischer u. georgischer Samml. Ill (Tiflis 1930) 20 Mitt. XXV 247). Zur Stutzung dieser Ansicht 
27, 6. fiihrt Bang Stellen aus Cicero und Livius an, die 

g) Aus dem Westen: Italien, Stud. z. Pal. u. zwar eine Neigung fiir Annahme der servitus 
Papyrusk. IV 69, Pap. Erzh. Rain. 88. Ein Sklave erwahnen, jedoch nur im Sinne politischer Unter- 
namens Cerinthus unterzeichnet ein Schriftstiick werfung (wie oft in der antiken Literatur, z. B, 
mit lateinischem Namenszug, Pap. Oxy. II 244. libido servitutis ut in familiis, von Tac. hist. I 90 
Germanien, Pap. Soc. Ital. V 447, 25. GaUien, dem romisehen Senat zugeschrieben, vgl. Tac. 
BGU I 316, 12f. Vgl. Clem. Alex. paed. Ill 4, 2. Germ. 45 mit Beziehung auf die germanischen 
Mauretanien, CIL III 6618. Moglicherweise BGU Sitonen; Agr. 30). Italien selbst nimmt mit 
III 728 aus byzantinischer Zeit. Im Gegensatz zu 64 Beispielen den hochsten Platz unter den Lan- 
Bangs (Rom. Mitt. XXV 248) Feststellnng 30 dern ein, die Sklaven lief em, deren oriqo sicher 
(vgl. Rostovtzeff Gesellschaft und Wirt- nachzuweisen ist (Bang Rom. Mitt. XXV 
schaft im rom. Kaiserreich I 57), jedoch in 242ff.), Von dieser Zahl siind 14 besonders als 
tTbereinstimmung mit den wenigen Beispielen, vernae bezeichnet (Bang 249), und dazu gehor- 
die Bang in seiner Liste auffuhrt (229f.), war ten wohl noch viel mehr. (Von inisgesamt 138 
die Zahl der athiopischen und Negeopsklaven, die servi Gaesaris von Insohrif ten aus Rom und seiner 
fiir das romische Reich nachweisbar isind, sogar Umgebung bei Dessau waren 13 im Hause ge- 
in Agypten niedrig, wo man sie doch in grofiter borene Sklaven. Es ist anzunehmen, daB die Ver- 
Anzahl erwarten sollte (in Bangs Tabelle sind haltniszahl der vernae im Vergleich zu den 
6 Sklaven aus Athiopien, ohne Beriioksichtigung fremdstammigen Sklaven in jeder Gemeinschafts- 
von Script, hist. Aug. Elagabal. 32, 5. Drei wei- 40 form noch hoher anzusetzen ist als im kaiser- 
tere athiopische Sklaven sind nach den Papyri lichen Haushalt.) Spanien stellte 25 Sklaven, von 
hinzuzufiig'en, s. o.). Den gleichen SchluB darf denen zwei als vernae hervorgehoben sind (eibd. 
man fiir Sklaven ziehen, die aus den Landern 239f.). Die nordafrikanischen Provinzen Maure- 
ostlich der Grenzen eingefiihrt wurden (im Ge- tanien, Numidien und Afrika sind mit 20 Fal- 
gensatz zu J. G. F 6 v r i e r Essai sur Thistoire len vertreten, darunter drei im Hause geborene 
politique et economique de Palmyre [Paris 1931] (ebd. 240f.). Gallien und Germanien lieferten ver- 
47), insofem als Bang nur zwei Sklaven aus In- haltnismaBig wenig Sklaven (Gallien 14, ebd. 
dien anfiihrt (vgl. spadones Indici, Dig. XXXIX 239, Germanien 8, ebd. 248). Die ganze Gruppe 
4, 16, 7), sieben aus Arabien (vgl. Strabons Be- der Provinzen im nordlichen Balkan und an der 
richt XVI 4, 26, da6 die Nabataer nur wenige 50 Donau einschliefilich Dakien und des Alpen- 
Sklaven hatten), vier aus Parthien (die S. der stamms der Lepontier brachte 22 Sklaven. Bri- 
Parther trug feudal-militarischen Charakter und tannische Sklaven werden nicht erwahnt. Ein 
liefi eine Freilassung nicht zu, lustin. XLI 2, 5. t^berwiegen eingeborener gegeniiber eingefuhrten 
Sklaven aus Hyrkanien und Skythien, Philostrat. Sklaven laBt sich fiir Agypten nachweisen. Dort 
Vit. ApoUon. V 20, 203) und einer aus Persien iibersteigt die Zahl der im Hause geborenen 
(Script, hist. Aug. Sever. Alex. 55, 3 indigne Sklaven (olKoysvBig s, o.) und der kurz nach ihrer 
ferunt Persarum reges quempiam suorum alieui Geburt aufgelesenen Findelkinder (avaiQetoi s. o.; 
sermre). Fiir die Lander des Ostens wird dies vgl. Taubenschlag Ztschr. Sav.-Stift. L 
weiter dadurch bewiesen, daB in den afrikani- [1930] 146, 6 u. Bd. XI S. 463) bei weitem die 
schen, arabisehen, persischen und indischen Ha- 60 Zahl der eingefiihrten Sklaven. Zu diesen ein- 
fenstadten, wie sie im Periplus Maris Erythraei geborenen Sklaven und den Findlingen muB noch 
geschildert werden, der Sklavenhandel ganzlieh eine Gruppe von Sklaven gezahit werden, die als 
bedeutungslos war. Nur Malao, o. Bd. XIV S. 829, ganz sicher aus Agypten selbst stammend be- 
fiihrte bin und wieder Sklaven aus (Tcal aco^ara zeichnet werden, zwei im Pap. Freib. 8, 2 (S.- 
OTiavicog Arrian. Per. mar. Erythr. 8), und Opone Ber. Akad. Heidelb. Vll [1916] Abh. 10), einer 
an der afrikanischen Kuste unterhalb von Kap in Pap. Eitrem 5 (Preisigke Sammelbueh 
Guardafui exportierte eine bessere Sorte Sklaven III [Lpz. 1926] 6016, 22), schlieBlich einer in 
nach Agypten {dovhpca xQsiaoom ebd. 13. Die BGU 1059, 7. In den delphisehen Freilassungen 



1007 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1008 

der Priesterschaften XVI — XXXIII (50 v. Chr. einen Alexandrine]? zur Versehiffung nach Agyp- 
bis 150 n. Chr., SGDI I 2100—2342) — insge- ten, BGU III 887, If. Ygl Lucian. 679. mere, 
samt 34 Sklaven sind fiir diese Zeit inschrift- conduct. 23. In Rom fanden Verkaufe auf dem 
lieh zu erfassen — dst von einem oder zweien ge- Fornna nahe dem Kastortempel statt, Sen. dial. II 
sagt, Siie seien aus dem Ausland gekommen (SODI 13, 4. Vgl. TibuU. IV 5, 52. Lucian. 597 [= pis- 
I 2151, auch wohl 2322), 13 werden als oi^coysvsig cat. 27] Kad'OMeg m avbQajioda naQayaycov rjfAag 
bezeichnet, und die restlichen 19 haben keine knl x6 ncohjtrjQiov nal %i]QVKa emotrjoag anrjfjiTio- 
bestimmte Herkunft, waren also wohl in derlJm- Xrjoev. Verkanf eiines entlanfenen Sklaven durch 
gebung von Delphi gekauft. Uber veniae in der den offentlichen Ausrufer, ebd. 491 [= Cha- 
Literatur des Westens s. Martial II 90, 9. Ill 10 ron 2]. 574 [== piscat. 4] ^OTieg k^ dyoQdg 
58, 22. Iiiven. I 27. 14, 169. Petron. 53, 2. Apul. anoHrjQvxtcov, Als Caligula einige seiner Sklaven 
met. XI 18. Stat. silv. II 1, 76ff. als Gladiatoren verkanf te, sa6 er anf der Ver- 
Angaben iiber die Art des Sklavenverkaufs kaufsblihne, nQarriQiov, und beteiligte sich an 
wahrend der Kaiserzeit bleiben im Vergleieh zu der Auktion, Cass. Dio LIX 14, If. Verkauf 
der Ausdehnung, die der legale Sklavenhandel durch offentlichen Auktionator in Vipasca in Spa- 
erf uhr, sparMeh. Staatliehe Sklavenverkaufe nah- nien: Dess. 6891, 11 ff. = Bruns FIR 112, 
men ab mit dem Ruckgang der Sklavenversor- llf. Verkauf auf dem Markt durch offentlichen 
gung durch Gefangennahme in Kriegen (Caligula Ausrufer in Baetocaece bei dem syrischen Apa- 
verkaufte als Pinanzmafinahme Gladiatoren in mea, Syll. or. 262, 20ff.). Die Handler im Westen 
einer Auktion an hohe romisehe Beamte und 20 pflegten die FtiBe der neu eingefiihrten Sklaven 
zwang sde, besonders hoch zu bieten, Cass. Dio. mit Kalk zu weiBen, um sie von den Sklaven aus 
LIX 14, If.); aber die Provinzialregierung in der Umgegend zu unterseheiden (Plin. n. h. 
Agypten fiihrte wie friiher amtlich Sklavenver- XXXV 199 pedesque venalium trans maria ad- 
kaufe durch, wenn <sie darum ersucht wurde (Ver- vectorum denotare instituerant maiores; vgl. Pro- 
kaufe in Igypten dia KOfjiamoQcov = coactores, pert. IV 5, 52. Tibull. 11 11, 41. luven. I 111. 
Pap. StraBb. 79, 3. Pap. Oxy. XII 1523). Der Ovid. amor. I 8, 64), und stellten sie auf einer 
Sklavenkleinhandler {avbganodoTidnriXog Lucian. erhohten Plattform aus (catasta, Bd. Ill S. 1785f.), 
adv. indoct. 24, avbganobcov TidjtrjXog Philostr. zuweilen hangten sde ein Preisschild um den Hals 
a. 0. Sueton [Aug. 29] unterseheidet den mango des Sklaven, der auch herumspringen muBte, um 
von dem Sklavenexporteur. dvbQanodiorrjg Lucian. 30 seine Gewandtheit zu zeigen (Propert. IV 5, 52 
a. 0.) findet sich nunmehr ofter in der zeitgenos- eretati medio cum saluere foro). Ging ein bekann- 
sischen Literatur (ein bekannter Sklavenhandler ter Sklave von einem auf den anderen Bositzer 
deif augusteisehen Zeit war ein gewisser Toranius, iiber, so wurde das Verkaufsabkommen ohne For- 
Suet. Aug. 69. Plin. n. h. VII 56. Sklavenverkauf malitaten erledigt und der Handel wohl auf der 
durch eiinen Mittelsmann, vermutlich einen Skla- StraBe abgeschlossen wie in Agypten {iv dyvia 
venhandler, in Igypten: Pap. Oxy. 194. Man be- Pap. Oxy. I 95, 7. IX 1209, 9. XIV 1706, 13. 
achte die Unterscheidung zwischen dem ocofrntsf/,- Pap. Soc. Ital. HI 182, 12. 29. Pap. Col. inv. 551 
TioQog, dem GroBhandler, und den nQo^evrjtal verso H 1, s. Aegyptus XIII 230). Danach wurde 
ocojLtdtcov, den Zwischenhandlern, in der Inschrift der Verkaufsvertrag formlich vollzogen und ein- 
von Thyateira Syll. or. 524. Beispiele fiir 40 getragen (fiir Eintragung von Sklavenverkaufen 
Sklaveneinfuhr byzantinischer Zeit aus Athio- mit anderen Eagentumsveranderungen s. die 
pien nach Agypten durch Importeure und Mit- Listen des yQa(psiov in Tebtunis in Agypten, 
telsmanner. Pap. StraBb. inv. 1404, 24f., 9f., s, Michigan Papyri II [Ann Arbor 1933] index VII 
Arch. f. Pap. Ill 41 8f.). Man kaufte weiterhin s. v. dovXr), dovXog). Mit der Zunahme des Privat- 
Sklaven als Geldanlage, die in einer bestimmten handels wird in literarischen Berichten nun mehr 
tsxvT} ausgebildet waren, und vermietete oder Gewicht auf die Art und Weise der Handler beii 
verkaufte sie als geldverdienendes Besiitztum (s. Sklavenkauf und -verkauf gelegt (der Sklaven- 
die Klage bei Colum. IV 3, 1, daB gewisse Leute handler versichert, daB der Sklave nicht stiehlt, 
ihr Geld fiir Sklavenkauf e ausgaben, sich jedoch Philostr. Vit. ApoU. IH 25). Man maehte groBere 
weniig um deren Wohlergehen kiimmerten). 50 Anstrengungen, um den Handel durch gesetzlich'e 
Wenn jemand einen Sklaven aus einer bestimm- Verordnungen zu iiberwachen und die Angabe 
ten Gegend kaufen woUte, wo Sklavenhandel verborgener und zuriickliegender Krankheiten zu 
nicht bestand, muBte er dazu einen besonderen erzwingen, die den Wert des Sklaven beeinfluB- 
Agenten entsenden, wie im 3. Jhdt. in Arkadien ten. Die Untersuehung eventueller Kaufobjekte 
(Philostr. Vit. ApoU. VIII 7, 161). In den ersten durch die Kaufer wurde auch .strenger, und man 
beiden Jahrhunderten erscheinen dndes einige maehte den Versuch, in dem Sklaven das korper- 
wenige Sklaven, die als Graeci bezeichnet wer- liche Werkzeug fiir eine bestimmte Arbeit zu er- 
den, in weit getrenntliegenden Teilen des Rei- halten, die man gerade brauchte (Varr. r. r. II 
ches, hauptsachlieh in der westlichen Halfte (in 10, 3: Ratschlage fiir die korperlichen Erforder- 
Italien CIL IV 4592. VI 17448. In Nordafrika VIII 60 nisse von Sklaven, die als Hirten verwendet wer- 
11925, In Spanien II 4319. In Gallien XII 3323. den soUen). Der jiingere Plinius kaufte auf den 
In Dakien HI p. 940, tabellae oeratae VII). Die Rat eines Freundes hin einen Posten Sklaven, die 
allgemeiin iibliche Methode, die man anwandte, dieser beim Verkauf besichtigt hatte, Plin. epist. 
wenn Personen, die neu in die S. geraten oder I 21. PLinius gibt n. h. XXXII 135 das Rezept 
von gewerbsmaBigen Sklavenhandlern eingefiihrt eines Enthaarungsmittels fiir feilgehaltene Kna- 
waren, zum erstenmal verkauft wurden, war die ben, deren Anziehungskraft man erhohen wollte 
Auktion auf dem gewohnlichen Markt (Kauf eines (genaue Untersuehung der korperlichen Beschaf- 
Sklaven iv dyoQa im pamphylischen Side durch fenheit der Sklaven durch die Handler, dili- 



1009 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1010 

genter ac lente mercantium more eonsiderabat, Columb, inv. 551 verso I 20 fzi^ts v [nJoKElod'at) 

Suet. Calig. 26, 2. Entkleidung der Sklaven oder hx der Verkaufsurkunde zum Ausdiriick ge- 

zwecks genauerer Besiohtiguiig durch den mango, bracht. Im romischen Gesetz im Westen waren 

Suet. Aug. 69). S. den nackten zum Verkauf be- die Skkvenkaufer fiir den Fall, daB bei dem Skla- 

reiten Sklaven auf einer Grabstele auis C^pua ven edne ernstliche Krankheit ausbrach, durch 

(Rostovtzeff Ges. u. Wirtseh. Taf . XI 2 eine Klausel geschutzt, die den Kauf anfeehtbar 

mat Erlauterung 2131 Malerisohe DarsteUung machte oder ein Verfahren zweoks teilweiser 

einer ahnlichen Szen-e aus dem Leben des Trimal- Riiokerstattung in Aussicht stellte, wenn sioh bei 

chio im Peristyl seines Hauses, Petron. 29, 3). dem Sklaven morbus oder vitium zeigen soUten 
In einem Relief aus Arlon (B. L a u m Germanda, 10(Buckland 54ff . In der dakischen Verkauf s- 

Korre^ondenzbl. dei deutscb, Kommissian II urkunde OIL HI 2 p. 937 tab. VI 1, 6. 2, 10 ver- 

[1918] 110 und Abb. 1) zieht der Auktionator siehert der Verkauf er lediglich eam puellam 

das Gewand des Sklaven fort, um dem ktinftigen sanam esse, vgl. p. 940 tab. VH 1, 5. 2,8. Varr. 

Kaufer seine kraftigen Glieder zu zeigen. Vgl. r. r. II 10, 5 sanum esse, furtis noxisque solutum). 

Sen. epist. mor. XI 1, 9. War ein Sklave verkauf t, Fiir die Juristen war die Definition, welehe 

so wurde gewohnMch sein ungefahres Alter und Krankheit einen Kauf ungiiltig maohen konnte, 

seine Besehreibung nach korperlichen Merkmalen ein schwieriges Problem, Im allgemeinen war es 

(sijiovsg) im Kaufvertrag angegeben (so in den die Krankheit, die die Arbeitsfahigkeit des Skla- 

agyptisohen Vertragen, z. B. BGU I 316, 13f. IV ven beeintrachtigte (Big. XXI 1, 10 pr.), und zwar 
1059, 7. 19f. Pap. Lpz. 5, 7f., vgl. 4, 12. Pap. Oxy. 20 periodiseh oder nicht periodiseh wiederkehrend, 

IX 1209, 15. Die slnovsg standen zuweilen in wie Fieberkrankheiten, WeehseMeber, Gicht, falls 

einem besonderen Schriftstuok, wie im Pap. StraBb. sie schwer genug auftraten, um die Arbeit des 

79, 10, wo sie sieh in einer TorzoUquittung fin- Sklaven wesentlich zu behindern (Dig. XXI 1, 1, 

den. Hatte der Sklave keine besonderen Merk- 8; h. t. 53). In den Urkunden der aus dem romi- 

male, wurde er als aofjfiog vermerkt; BGU I 193, sehen Igypten bekannten Sklaven verkauf e findet 

9. Pap. Columb. inv. 551 verso 4, s. Aegyptus sich eine immerwiederkehrende agyptiisehe oder 

XIII 230, Pap. Soc. Ital. HI 182, 17, Pap. Freib. altsemitischo Klausel, die genau die Krankheiten 

8, 24, S.-Ber. Akad. Heidelb. VII Abh. 10). Die angibt, die den Kauf ungiiltig machen. Sie i®t so 

sl?<(bv — ganz gleieh in welchem Schriftstiick sie abgefaBt, daB der Kauf nur riickgangig zu machen 
stand — • war ftir den neuen B«fsitzer sehr wichtig, 30 ist, wenn Hautkrankheiten {e7taq)Yj, wohl Lepra) 

wenn der Sklave dureh Verkauf von einer Person oder Epilepsie auftreten, z. B. Pap. Oxy. I 95, 

auf die andere iiberging, sowohl zur Identifizie- 18ff. ravrrjv [se.SovXrjv) roiavtrjv avanoQitpov jzXtjv 

rung wie auch zum weiteren Beweis rechtmaBigen hgag vooov hoI enaq^fjg, Vgl. I 94, 10. IX 1209, 

Besitzes (Preisigke Griech.Pap.inStraBburg 19. XIV 1706,19. Pap. Soc. Ital. Ill 182,21. 

[Lpz. 1912] p. 223. Die spezielle Wichtigkeit, BGU I 193, col. II 13. ni 937, 11. Pap. Lpz. 4, 

solche Urkunden als Beweis des Eigentumsrechts 19f. Pap. Freib. 8, 13. S.-Ber. Akad. Heidelb. VII 

an einem Sklaven vorweisen zu konnen, geht an- [1916] Abh. 10. tJber die Streitfrage, ob S7iaq}iri 

schaulich hervor aus Pap. bibl. univ. Giss. 20 [H. medizinisch oder juristisch aufzufassen ist, und 

B ii 1 1 n e r Schriften der hessischen Hocbschulen den semitischen Hintergrund dieses Satzes s. 
[1931] m. Mitteilungen aus der Papyrussamm- 40 W e s t e r m a n n Aegyptus XIII 2301 tJber die 

lung; vgl. den GieBener Papyrus vom J. 120 Form der Urkunde beim Sklavenverkauf s. Wil- 

n. Chr., tibersetzt von Kalbfleisch, Naehrichten cken Herm. XIX 417ff. Mittei® Reichsr. und 

der GieBener Hoehschulgesellschaft IX [1933] 3, Volksr. 182. Rabel Die Haftung des Verkaufers 

llf.). Im romischen Gesetz enthielten die Edikte [Lpz. 1902]. Im byzantinischen Verkauf sdoku- 

der kurulischen Aedilen einen Abschnitt de man- ment Pap. Cair. Masp. 67120,189 (Cat. G^n. du 

cifiis vendundis. Diese verlangten, auf dem Mus. du Caire [1911]) ist die Bestimmung des 

Schild, das der Sklave um den Hals trug, solle romischen Gesetzes betr. Verheimliehung einer 

jede ernstliche Krankheit, an der der Sklave litt, Krankheit (mor^Ms) und eines vitium mit einer spe- 

verzeichnet sein, ebenso, ob er friiher einmal fort- zifisch ostlichen Formulierung verbunden, die den 
gelaufen oder iiberhaupt ein unruhiger G«ist war 50 Kaufer gegen Epilepsie und Lepra schtitzt. Vgl. 

(Gell.IV2,l. Buckland Law of Slavery 52ff.). BGU I 316, 27f. ie^av ds vooov Kal olvog naUw 

Der Verkaufer muBte beim Verkauf eines jeden (altes korperliches Gebrechen == vitium) xal 

Sklaven aneh angeben, ob dieser in ein Strafver- kqvtzxov ndd-og fiexQig firjvcov s^j P. StraBb. inv. 

fahren verwickelt war, woraus vielleicht ein 1404, 30f. in Arch. f. Pap. Ill 419. Sehr wahr- 

SchadensersatzprozeB entstehen konnte (Gell.a.O. scheinlich beschaftigte sich' das Schriftchen de 

quis fugitivu^ errove sit noxave solutus non emptione servorum des Arztes Rufus von Ephesus 

sit), wdl die Verantwortlichkeit fiir solche De- aus der Zeit Traians (s. 1 1 b e r g Abh. Sachs. Ges. 

likte zugleioh mit der potestas uber den Sklaven XLI 1, 45) mit den versohiedenen Arten, solche 

auf den neuen Bositzer iiberging (Buckland verborgenen Krankheiten nnd Schwachen des 
106). Niach dem agyptischen Premdengesetz haf- 60 Sklaven zu entdeoken, wenn man sich iiber ihren 

tete zwar der Sklave, nicht der dominus (T a u - Kauf schltissig werden wollte. 

benschlag Strafrecht im Rechte der Papyri Die fiir Sklaven wahrend der ersten drei Jahr- 

108. BGU IV 1139, 16f. Pap. Oxy. II 283, 16f. hunderte gezahlten Preise anderten sich wie 

BGU I 361 col. in 10,30. 341,8. 146,5; vgl. fruher je nach Alter, Umstanden, Ansbildung, 

Taubenschlag Ztschr. Sav.-Stift. L 164), die korperlichen Reizen usw. jedes einzelnen Sklaven. 

Garantie aber, daB der Sklave zurzeit in kein Die geforderten Preise unterschieden sich iiberaU 

Gerichtsverfahren verwickelt war, wurde dooh in je nach den an den einzelnen Platzen herrschen- 

das Affidavit des Verkaufers eingesetzt (Pap. den Umstanden. S. ftir Igypten Pap. Rylands 



1011 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1012 

(Greek Papyri in the Eylands Library [Man- Lnxuspreis, den man dort fiir Vergniigungisskla- 
cheister 1915]) 244, lOff., aus dem Hermopoliten- ven zahlte. Die folgenden Sklavenpreise stammen 
gau im 3. Jhdt. m bh ocofAara jcoXXov koxiv ev- aus der rbmisoben Literatur des 1, Jhdts. und 
'd'a[b]s Tial ov oviA,(psQei ayoQaoai. Edn Versueh, sind mit den obigen wirklichen Werten nicht in 
die in verschiedenen Teilen des Reiohes libliclien Bezdehung zu bringen; sie sind entweder als Bei- 
Preise zu vergleichen, ist daher in seinem End- spiele luxurioser Verschwendun^ oder bei beson- 
ergebnis im Grunde zweiifelbaft. Er mufi sich auf ders ausgefallener Form durch Verderbnis der 
eine sorgfaltige Beachtung der oben bezeidineten Zahlen in der Handschrift zu deuten: Plin. n, h. 
storenden Faktoren griinden (vgl. S e g r e Circo- VII 56, Preis zweier junger Sklaven 200000 Se- 
kzione monetaria [Eom 1922] 173. Bber Wert- 10 sterzen; Martial. Ill 62, 100000 Sesterzen fiir 
unterschiede bei mannlichen und weiblichen Skla- hiibsehe Jungen; XI 70, ein Preis von 200000 Se- 
ven in Agypten s. BGU IV 1128, 7. 15 to sterzen. So fragwiirdig diese Preise auch sein 
Evlei\p6fj.evo(v} . . . rfjg a^tag) und muB sieh zu- mogen (die iiberhohen Preise bei Plin. n. h. VII 
nachst auf die in den Inschiiften und Papyri an- 128f. sind s)icherlich verderbt und unbrauchbar), 
gegebenen Belege stiitzen; daneben sind dae lite- die Nachfrage nach Sklaven als Luxusobjekt im 
rarischen Hinweise vorsichtig zur Erganzung der Leben Roms hatte zweifeUois zugenommen (Ka- 
so festgesteUten tiblichen Preise auszuwerten. Zur strierung von Mannern wurde durch Domitian, 
Zeit des Augustus sind 500 Drachmen nach Horaz Suet. Domit. 7, verboten und der Preis der noch 
(sat. II 7, 43) ein angemessener Preis fiir einen in Handen der Sklavenhandler befindliehen spa- 
billigen und wertloisen Sklaven. Ein kluger ein- 20 dones begrenzt). Fiir das 2. Jhdt. sind Sklaven- 
geborener Sklave. der durch griechische Kennt- preise aus Rom nioht bekannt. Eine ausgebildete 
nisse auch als Vorleser dienen kann, ist fiir 2000 Sklavin, veterdna, wurde von einem Matroisen der 
Denare zu kaufen (Horat. epist. II 2, 5f.). Etwas kaiserlichen Flotte in Ravenna fiir 625 Denare 
spater ko state in Agypten ein Sklave 1000 Silber- gekauft (Wachstafelchen aus dem 2. Jhdt., Ztschr. 
drachmen (BGU IV 1 128, 7 aus dem J. 14 v. Chr.). Sav.-Stift. XLII 453 = P r e i s i g k e Sammelb. 
Ein anderer Preis aus dem J. 5 v. Ohr. war 1200 6304). Waehstafelchen aus Dakien nennen drei 
Silberdrachmen (BGU 1114, 16f. 1 Silber- bestimmte Werte mit genauen Daten: ein sechs- 
drachme war in dieser Zeit = 1 Denar, Mitt- jahriges Sklavenmadchen wurde 139 n. Chr. fur 
eis-Wilcken I 1 p. LXV). Fiir die zweite 205 Denare veikauft '(CIL III p. 937); Verkaufs- 
Halfte des 1. Jhdts. n. Chr. sind 3 mafiige Preise 30 preis fiir einen griechisehen Knaben 142 n. Chr. 
fiir Sklaven bekannt, die als annahernd richtige 600 Denare (III p. 941); eine Kreterin wurde 160 
Angabe fiir das in Rom iibliche Preisniveau gel- n. Chr. fiir 625 Denare verkauft (HI p. 959). Dies 
ten mogen: ein Knabe mit Naehahmung&talent sind eher Standard- als niedrige Pireise, da es 
wird fur 300 Denare gekauft, Petron. 68 (augeh- sich in zwei von diesen Fallen um fremdstammige 
scheinlich ein guter Kauf); fiir ein Sklavenmad- Sklaven handelt. In Agypten sind fiir annahernd 
chen von ischlechtem Ruf gelten 600 Denare als die gleiche Zeit folgende Sklavenwerte aus vor- 
niedriger Preis, Martial. VI 66,9; Kauf eines handenen Kaufvertragen bekannt: Pap. Oxy. I 
Sklaven fiir 1200 Denare (ebd. X 31, 1). Dem- 95, 21 aus dem J. 129 n. Chr., eine ungefahr 25- 
gegeniiber stehen Preise aus Agypten fiir die jahrige Sklavin wird fiir 1200 Silberdrachmen 
gleiche Zeit: ein Madchen von ungefahr acht 40 gekauft; fiir jiingere Sklaven: BGU I 193 col. 11 
Jahren wird fiir 640 Silberdrachmen gekauft, 15f. =:Mitteis-WilckenII2, 268 aus dem 
Pap. Oxy. II 263, 14f. aus dem J. 77 n. Chr. (ent- J. 136 n. Chr., ein ungefahr aehtjahriger Skla- 
spricht 160 Denaren, da die agyptisohe Draohme venjunge, Preis 700 Silberdrachmen = 175 De- 
ungefahr = i/4 Denar. Mitteis-Wilcken nare: Pap. Columb. inv. 512, nicht pubL, aus 
Grundz. lip. LXVI); Verkauf eines oiKoysvfjg dem J. 140 n. Chr., Verkauf einer Sklavin fiir 
im J. 85/86 n. Chr., vermutlich eines sehr kleinen 1000 Silberdrachmen; BGU IE 805, Verkaufs- 
Kindes, fiir 10 Talente, 3000 Kupferdraehmen = preis einer ungefahr 24jahrigen Sklavin 1500 Sil- 
140 Silberdrachmen, Pap. Oxy. II 336. In enger berdrachmen; III 887,9 = Mitteis-'Wil- 
Beziehung dazu stehen die agyptischen Preise aus c k e n Grundz. II 2, 272 aus dem J. 151 n. Chr., 
derselben Zeit fiir Freilassung in zivilrechtliohem 50 ein in Side in Pamphylien zum Pireise von 350 
Verfahren: Pap. Oxy. I 48, 14f. aus dem J. 86 Denare gekauftes Sklavenmadchen; Pap. Freib. 8, 
n. Chr,, 10 Silberdrachmen und 10 Talente, 3000 8, 14 (S.-Ber. Akad. Heidelb. VII [1916] Abh. 10) 
Kupferdraehmen. I 49 aus dem J. 100 n. Chr., aus dem 2. Jhdt., zwei Drittel Anteil an zwei 
10 Silberdrachmen und 2 Talente, 600 Kupfer- jungen Sklaven im Alter von ungefahr 15 und 
drachmen. IV 722 aus dem J. 91 oder 107 n. Chr., 8 Jahren werden fiir 1500 Silberdrachmen ver- 
ein Drittel Eigentumsanteil an ednem freigelas- kauft, der Wert eines jeden betrug ungefahr 1125 
senen Sklaven betragt 200 Salberdrachmen (Ge- Drachmen = 281 Denare; Pap. Lend. I 229, 
samtfreilassungspreis 600 Silberdrachmen). Die Kenyon Greek Papyri in the British Museum 
Preise in den delphischen Freilassungslisten (Ver- (London 1893) aus dem J. 166 n. Chr., ein un- 
kauf an den Gott) wahrend der Priesterdynastien 60 gefahr siebenjahriger Sfclavenjunge wird von 
XVI — ^XXX liegen weit hoher als die Verkaufs- einem Matrosen der romisehen Flotte in Seleukia 
und Freilassungspreise fiir Agypten. Sie sehwan- Pieria fiir 200 Denare gekauft; BOU III 859, 1(^. 
ken zwischen 1 und 10 Minen (Calderini 20 aus dem 2. Jhdt. n. Chr., 300 Silberdrachmen 
Manomissione 214) und betragen durehschnittlich werden fiir einen dreijahrigen kleinen Jungen 
3 — 4 Minen (ebd. 213). MogMcherweise sind die gezahlt (ein niedriger Preis, da das Risiko der 
in Rom fiir einen mono gezahlten 20000 Sesterzen Geldanlage groBer ist). Zwei Preise der gleichen 
(Martial. VIII 13), die deoa griechischen Freilas- Zeit aus Agypten sind mit den fiir eine Fran in 
sungspreisen gleichkommen, ein Beispiel fiir einen Dakien gezahlten 625 Denaren zu vergleichen (CIL 



1013 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1014 

III p. 959, s. d. S. 0.): ein Sklave von ca. 38 Jah- lich die Freilassung einer etwa 40jahrigen Jtidin 
ren wird im J. 125/26 n. Chr. fiir 1400 Silber- mit 2 Sohnen dm idter von etwa 4 und 10 Jahren 
draohmen = 350 Denare gekauft, Pap. Hamb. fiir 14 Silbertalonte im J. 291 n. Ohr., Pap. Oxy. 
63, 3 (P. M. Meyer Gr. Papyrusurkunden der IX 1205, 9. Folgende Urkunden handeln von 
Hamburger Staatsbibl. [Lpz. 1911 — 1924]); BGU Sklavenverkaufen, die Preise sind aber entweder 
in 805, 8, eine Sklavin von ca. 24 Jahren wird nicht genannt oder verloren: Pap. StraJBb. 79,5; 
fiir 150C) Silbendrachmen verkauft. Stud. z. Pal. im Pap. Mich. II (Papyri from Tebtunis I) sind 
u. Papyrusk. XXII 43, 17f. 20ff., Abtretung von unter den im yQaq?s2ov von Tebtunis aus dem 
i/s Anteil an einem Sklavenmadchen, das mit Jahre 42 n. Chr. eingetragenen Ausziigen von 
840 Silberdrachmen bewertet wird; ein im J. 154 10 Vertragen von insgesamt 32 Verkaufsvertragen 
n. Ohr. fiir 1400 Silberdrachmen = 350 Denare nur zwoi Bintragungen iiber Sklavenverkaufe, 
gekaufter Sklave (Preisdgke Sammelb. 6016); col. VI 18. col. VII 6; Pap. Oxy. I 94 aus dem 
ein Sklave zum Preise von 2800 Silberdrachmen J. 83 n. Chr., Urkunde, die zum Verkauf eiines 
= 700 Denare im J. 154 n. Chr., Pap. Eitrem Sklaven ermachtigt; Pap. Tfeb. Ill 561 aus dem 
7, 14 in Journ. Egypt. Arch. XVII (1931) 441; 1. Jhdt; Pap. Giss. IE 20 (Biittner Schrif- 
ein achtjahriges Sklavenmadchen wird als Sicher- ten der Hessischen Hochschulen [1931] 3) aus 
heit fiir ein Darlehen von 600 Silberdrachmen dem 2. Jhdt.; BGU VII 1162, 14 aus dem J. 182 
gegeben: Pap. Oslo 40, 8 (150 n. Chr.); ein n. Chr.; Pap. Oxy. IV 716 ans dem J. 186 n. Chr., 
im J. 160/61 n. Chr. fiir 1300 Silberdrachmen Gesuch um offentliche Versteigerung von 2/3 An- 
= 325 Denare gekaufter, ungefahr 25iahriger 20 teil an einem Sklaven, das letzte Drittel war be- 
Sklave, Pap. Columb. inv. 551 verso 11 12f., reits frei; Stud. z. Pal. u. Papyrusk. XXII 60; 
Aegyptus XIII 230; in dem Scihriftsatz uber einen Pap. Russ. u. Georg. Sammlungen III 27, 7, 7, 2. 
Verkauf in Dura am Euphrat im J. 180 n. Chr. oder 3. Jhdt.; Pap. Oxy. XIV 1706, 18 aus dem 
(Dura Pergamenturk. 23, 9ff. 17, Munch. Beitr. J. 207 n. Chr.; XII 1523, Quittung fiir Sklaven- 
z. Papyrusforsohung XIX 382f.) umfaBt der Preis verkauf ssteuer; BGU ID 937, llf. 
von 500 tyrdschen Silberdrachmen einen Sklaven Es ist unmoglich, die Annahme eines fort- 
und 1/2 Anteil an einem Weinberg. Dlese Angaben schreitenden Kiickganges der Sklavenzahlen im 
zeigen ein ziemlieh gleiches Preisniveau fiir junge romischen Reich wahrend der drei ersten Jahr- 
Sklaven fiir Dakien, siidliches Kleinasien, Syrien hunderte irgendwie statistisch zu belegen, aber 
und Igypten, und zwar 175 bis 600 Denare, und 30 rait einer Abnahme der Sklavenbevolkerung hat 
fiir erwachsene Sklaven fiir das Gebiet von Ra- man stets gerechnet (Ciccotti Tramonto della 
venna ostwarts 350 bis 700 Denare. Die fiir die Schiavatu 282. Barrow Slavery in the Roman 
westldchen Teile de,s Reiches im 3. Jhdt. verfiig- Empire [1928] 4. Eine relative Zunahme von 
baren Sklavenwerte geben mir Beispiele fiir hohe freien Handwerkern verlegt Barrow [99] in 
Luxuspreise (Script. Hist. Aug. Elagabal. 25, 5, das 2. Jhdt., vgl. Rostovtzeff Gesellschaft 
Kauf einer prostituierten Sklavin fiir 100 000 Se- 11 314, 41) als Folge des Versiegens der beiden 
sterzen; vgl. die Einschrankungen fiir den Besitz groBen Quellen der S., namlich des Krieges und 
von Eunuchen, die Aurelian wegen der hohen der Seerauberei (s. 0., Ed. Meyer Kl. Schr. F 
Preise erlieB, ebd. Aurel. 49, 8). Tatsachliche 209). Kapitalanlage in Sklaven, sei es zu un- 
Preisangaben fiir das 3. Jhdt. sind nur fiir Agyp- 40 mittelbarer Verwendung im Betrieb des Eigen- 
ten zu erhalten. Sie spiegeln dn iden Jahren nach tlimers oder zwecks Einnahme der Lohne durch 
250 n. Chr. sowohl die Abnahme im Silbergehalt Vermieten der Sklavenarbeit blieb weiter ein elu- 
des kaiserlichen Denarius wie auch der agvp- tragliches Geschaft. Dennoch muB der Verdienst 
tischen Tetradraehme wider (s. die Tabellen bei bei solcher Geldanlage mit der schrittweisen 
Gunnar M i c k w i t z, Geld und Wdrtschaft im Schrumpfung der zum Kauf verfiigbaren Mengen 
romischen Reiche des 4. Jhdts. [Helsingfors 1932] geringer geworden sein. Das Verbot, Sklaven fur 
40f.): Corpus Papyrorum Rainerdi (Wien 1895) das kaiserliche Heer (Landheer oder Flotte) anzu- 
I 140, 6, ein Sklave aQy[vQ]iov dQaxfjiag [. . .] werben, wurde im allgemeinen stronger durch- 
Xsdlag svaxoalag s^r/Kovra; Pap. Mich. inv. 5474, gefiihrt als in den Tagen der Republik (ein 
Arch. f. Pap. XI 110, Kauf eines ca. elf jahrigen 50 Sklave, der Centurio geworden war, wurde ent- 
Sklavenmadchens im J. 207 n. Chr.; Pap. Soc. deckt und seinem Eigentiimer von Domitian wie- 
Ital. Ill 182, 23f. aus dem J. 234 n. Chr., eine der zugestellt, Cass. Dio LXVII 13, 1. Von 
20jahrige Sklavenfrau 2200 Silberdrachmen (vgl. Traian wurden die Sklaven mit Geldstrafen be- 
die 2200 Silberdrachmen in einer manumissio legt, die im Heer untergetaucht waren, falls sie 
in^er amicos aus dem J. 211 n. Chr., die als Frei- sich freiwillig batten anwerben lassen, Plin. 
lassungspreis fiir eine eingeborene Sklavin von epist. X 30). Indes durften die romischen Heer- 
ungef ahr 34 Jahren gezahlt wurden, M i 1 1 e i s - f iihrer sich von ihren eigenen Sklaven ins Feld 
W i 1 c k e n Grundz. II 2, 362, 9f. 20.); Pap. Oxy. begleiten lassen, die aber keine Kampfhandlungen 
IX 1209, 16. 23, eine eingeborene Sklavin von ausfiihrten (ein praefectus fahrum wurde unter 
ungefahr 21 Jahren mit ihrem kleinen Kind, 60 Mark Anton von seinen naibaQia nach Agypten 
2000 Silberdrachmen; Stud, zur Pal. u. Papyrusk. begleitet, Syll. or. 196. Sklaven in Pannonien 
XX 71, 11 aus dem J. 268/70 n. Chr., ein Skla- unter lulius Blaesus im J. 14 n. Chr., Cass. Dio 
venmadchen von 13 Jahren fiir 5000 Drachmen LVII 4), und ein tiichtiger Sklave fand zuweilen 
alter ptolemaischer Silberwahrung; Pap. Lpz. 5, 9 in der Intendantur Verwendung (Plin. n. h. VII 
(Mitt els Gr. Urkunden der Papyrussammlung 40, ein Sklave Tiridates im armenischen Kriege). 
zu Lpz. [Lpz. 1906]) aus dem Jahre 239 n. Chr., Die Auffassung Ed. Meyers (Kl. Schr. P 
kretisches Sklavenmadchen von 20 Jahren fiir 15 Ta- 191, 1), in Agypten hatte die wirkliche S. im 
lente neuer kaiserlieher Silberwahrung; .schlieB- Gegensatz zur Leibeigenschaft nie in der Ge- 



1015 SMaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1016 

schichte eine wichtige Kolle gespielt, hat sich fiir aus Athen bekannten (xiod'OcpoQovvta owfmra aus 

die Zeit der romischen Herrschaft durch die dem 5. und 4, Jhdt. v. Chr. Im Hinblick auf den 

Papyri vol! bestatigt {o. S. 999; Th. Reil Bei- grofien Umfang der Textilindustrie und die stete 

trage zur Kenntnis des Gewerbes im hellenist. Nachfrage nach tiichtigen Facharbeitem (Reil 

Igypten [Lpz. 1913] 170ff.). Ini romischen 172) liberrascht es nicht, daB in Igypten die 

Igypten wurden die Sklaven wie auch friiher Sklaven das Weberhandwerk ofter als andere 

unter den Ptolemaern nicht in groBerem Um- Handwerkszweige austiben. Pap. Oxy. II 262 aus 

fange zu landwirtschaftlichen Arbeiten herange- dem J. 61 n. Chr., Todesanzeige eines Weber- 

zogen; fiir diese zog man bezahlte Arbeiter in sklaven, der zur Zeit seines Todes entfernt von 

dauerndem Dienstverhaltnis vor oder stellte Tage- 10 seinem Besitzer lebte (iv rfj ^svti). Stud. z. Pal. IV 

lohner je nach Bedarf ein (s. die Raten fiir fiioSdg 311, Pap. Rain. 33, aus den J. 72/73 n. Chr. 

sQydzcov in den Rechnungen eines Gutes im Her- Pap. Soc. Ital. X 1139, 3 aus den J. 134/35 

mopolitengau. Pap. Lond. I 131 p. 170ff.; vgl. n. Chr., Quittung fiir die Weberlizenz eines Frei- 

Varr. r. r. I 17 quos ohaerarios nostri vocitarunt gelassenen. BGU VII 1564, 2. 23 aus dem J. 138 

ut etiam nunc sunt in Asia atque Aegypto et in n. Chr., Bezahlung zweier Freigelassener fiir Ab- 

Z%nco com^? toes. Wil eke n Ostraka I 698ff.). lieferung von Webwaren, Stud. z. Pal. XXII 

Folgende Urkunden berichten von Sklaven in der 36, 8f. aus dem J. 145 n. Chr., eine versklavte 

Landwirtschaft: Pap. Oxy. II 244, 3. 15. 19f. aus ysQdiaiva hat die Zinsen einer Schuld vertraglich 

dem J. 23 n. Chr., ein Sklave berichtet von dem abzuarbeiten, der Glaubiger hatte dabei fiir zwei 
Transport einer groBen Schaf- und Ziegenherde, 20 Jahre das Recht, ihre Dienste jedem von ihm ge- 

die ihm gehort (a e%(o iv anoyQacpfj) aus dem wiinschten Weber zu vermieten. Pap. Lond. II 

Oxyrhynchiten- in den Kynopolitengau. Ein 311, 12f., p. 220 aus dem J. 149 n. Chr., eine 

Sklave im Besitz eines romischen Veteranen {bia Webersklavin wird mit einem anderen Sklaven 

Tl7i[a]yd['d']ov 7i[at]daQi[ov] Stud. z. Pal. u. als Schuldpfand gegeben (ihr Wert lag in ihrer 

Papyrusk. IV 117; vgl. Pap. Fayum 110, p. 262) handwerklichen Ausbildung). Pap. Lond. Ill 

leitete einige Guter seines Besitzers nach Art 1269 b, p. LXX aus dem J. 159 n. Chr., Bezah- 

eines romischen mcanws (West er man n Univ. lung der Weberlizenz fiir einen Sklaven. Pap. 

of Winconsin Studies in Language III [Madison Grenfell II (Grenfell and Hunt Greek 

1919] 172, 9). In der langen landwirtschaftlichen Papyri, Second Series [Oxford 1897] 59ff. aus 

Aufstellung aus Karanis aus den Jahren 191/92 30 dem J. 189 n. Chr.), Lohnvertrag eines Sklaven 

n. Chr., Pap. Goodspeed 30 (E. J. G o o d s p e e d fiir 20 Monate, der d-d'Xrjrrjg ysQdiaxrjv rsxvrjv 

Greek Papyri from the Cairo Museum [Chicago ist. Pap. Oxy. XIV 1647, Lehrvertrag auf vier 

1902]) sind von insgesamt mehr als 100 Perso- Jahre zwischen einem Sklavenmadchen und einem 

nen, die auf diesem groBen Gut beschaftigt er- Weber. BGU II 617, 3f., Zahlung der Webe- 

scheinen, nur 3 Sklaven, col. XH 22. col. XV 18. steuer durch eine Sklavin, die im Einverstandnis 

col. XVI 23. Bei P. M. Meyer Griech. Texte mit ihrem Besitzer wohl unabhangig arbeitete 

aus Igypten [Berlin 1916] 57, 6 bezieht sich xfj (Wilcken Ostraka I 688). Pap. Soc. Ital. Ill 

e/Lifj naidloTtT] vielleicht auf ein Sklavenmadchen: 241 ist ein Lehrvertrag aus dem 3. Jhdt. {o^oloyla 

vgl. BGU I 7, col. II 9. VI 1490, 7. Aus dem bibaoTcaXiHYi): ein 14jahriges Sklavenmadchen soil 

4. Jhdt. ergibt Pap. Leipz. 26, 7ff. zwei yscoQyol 40 das Webehandwerk ([ysQbiaKfjg rj] vcpavxiTifjg 

und einen Eseljungen, die Sklaven sind. Vgl. Ill, rsxvrjg) erlernen. Das Vorherrschen der Arbeit 

9fE., wo einige anderswohin gehorende Sklaven Freier gegeniiber der der Sklaven sogar in der 

als EQydxai auf einem kleinen Hof eingestellt Weberei, wo die Sklaven am starksten vertreten 

wurden. Mit Riicksicht auf die kleine Anzahl, die waren, geht klar aus den Papyri hervor (Anlernen 

auf den groBen Besitzungen landwirtschaftliche freier Kinder, Pap. Oxy. II 275. Pap. Teb. II 

Arbeit verrichtet, muB man wohl bezweifeln, daB 385. 442. Vgl. die jro^a^oo^^-Vertrage freier Kna- 

die kleinen Bauern von Sklavenarbeit in groBe- ben mit Webern, Pap. Teb. II 384. Vitelli 

rem Umfange Gebrauch machten. Das Beweis- Papiri Fiorentini I [Milano 1906] 44, 16f.). An- 

material iiber die Verwendung der Sklaven im dere Berufe von Sklaven erscheinen selten in den 

Handwerk der agyptischen xcoQa ist zwar durch 50 Stadten und Dorfern Agyptens: Stud. z. Pal. IV 

die von Wilcken Gr. Ostraka I 6873. ge- p. 67, Pap. Rain. 11 aus den J. 72/73 n. Chr., Er- 

sammelten Hinweise zahlreicher geworden (vgl. wahnung eines QrjrcQi^iog dovXog, der entweder 

Reil Beitrage 171 ff. Taubenschlag Ztschr. der Sklave eines qi^tcoq ist oder Rhetorik lehrt. 

Sav.-Stift. L 149, 7), aber Wilckens Behauptung, Im Pap. Teb. Ill 401, 12 konnte die naibioHrj, die 

das Handwerk hatte in Agypten wenig Sklaven- Bier in ein Haus liefert, Sklavin sein. Pap. Oxy. 

arbeit gebraucht, ist nicht erschiittert. Die Be- IV 724 aus dem J. 125 n. Chr. ist ein Lehrver- 

schaftigungsart der Wenigen, die wirklich ver- trag, in dem ein Sklavenjunge auf zwei Jahre zu 

wendet wurden, unterschied sich nicht von der einem Stenographen (orjfivoyQdcpog) kommt, um 

bezahlter Arbeiter. Der Sklave konnte bei sich in dieser xexvri unterrichtet zu werden (vgl. 

zu Hause, im Hause seines Herrn oder in dessen60 West ermann Class. Phil. IX [1914] 295ff.). 

Geschaft arbeiten. Er konnte gekauft und in Pap. Soc. Ital. VI 710, 13 wird ein Sklavenjunge 

einem Gewerbe ausgebildet werden und verzinste zu Dienstleistungen vermietet, sein Gewerbe ist 

das in ihn gesteckte Kapital (Reil Beitrage 172), verlorengegangen. Stud. z. Pal. XXII 60, 14 aus 

indem er als gelernter Arbeiter an den Besitzer dem 2. oder 3. Jhdt., Vermietung der Dienste 

eines Handwerksbetriebes vermietet wurde; er eines Sklaven jungen, der eine Handmiihle be- 

konnte auch unabhangig seinem Gewerbe nach- dient. BGU IV 1021, 6ff. aus dem 3. Jhdt., ein 

gehen und bezahlte nur einen Teil seines Ver- Sklave kommt zu einem WoUreiBer in die Lehre 

dienstes an seinen Besitzer (Reil 171), wie die (Ktsvioxi^g, s. Reil 66. 99). Wessely S.-Ber. 



1017 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1018 

Akad. Lpz., Pap. Leipz. 11 aus dem J. 252 n. Chr., als Agenten, (Sklaven als Agenten s. J. G. T a i t 

ein Sklave, der Kupferschmied, und einer, der Greek Ostraca from the Bodleian Library I [Lond. 

Fischer ist. Ein Sklavenmadchen im Dienste 1930] 240. 252. 267. 275. 276, samtlich aus den 

zweier Bordellbesitzer, wohl in Arsinoe, ca. 265 J. 34— 50 n. Chr.; vgl. Rostovtzeff Gnomon 

n.Chr., Pap. Soc. Ital. IX 1055 a. Im Pap. Leipz. VII [1931] 24f.). 

97 aus dem J. 338 n. Chr. (M i 1 1 e i s Gr. tJr- Theoretisch unterschied sich die Haltung 
kunden d. Papyrussamml. zu Leipzig), col. X 7. 9 gegen die Sklaven in den griechischen und 
waren die naibla moglicherweise Sklaven. Amt- orientalischen Gebieten des ostlichen Mittelmeers 
liehe Steuerquittungen fiir Steuerzahlungen von durch eine groBere Nachgiebigkeit von der 
Sklaven, die augenscheinlich unabhangig ar- 10 SchrofEheit der frtiheren romischen Sklavengesetz- 
beiten: Wilcken Ostraka II 235. 1400 (vgl. I gebung. Dieser Unterschied laBt sich am besten 
688) und Pap. Lond. Ill p. LXX 1269 a. Sklavin- an Hand der Papyri aus Agypten verfolgen. Wah- 
nen, die gerade geboren hatten, wurden von ihren rend der Sklave nach romischem Gesetz prinzipiell 
Besitzern als Ammen gebraucht, sowohl in den kein Eigentum auBer dem ihm ausdriicklich zu- 
GroB- wie auch in den Landstadten: BGU IV 1058 gesprochenen peeuUum haben durfte (T a u b e n - 
aus dem J. 13 v. Chr. Pap. Oxy. I 91. Pap. Teb. II schlag Studi in onore di Bonfante I [Pavia 
399. In Alexandria: BGU IV 1112, 11 aus dem 1929] 406 mit Hinweis auf BGU I 96, 14ff. und 
J. 4 V. Chr., ein Sklavenmadchen im Besitz eines Pap. Soc. Ital. IX 1040, 18f. avv neHvXtqt navxi), 
Freigelassenen wird als Amme vermietet; vgl. hatten die Sklaven in Agypten unter romischer 
IV 1109, 11. 17 aus dem J. 5 v. Chr. 20 Herrschaft das gleiche Recht auf personliches 
Unsere Kenntnis uber Wirtschaftsleben und Eigentum wie schon friiher nach babylonischem, 
Gewerbesystem in Alexandrien ist sehr be- altagyptischem und assyrischem Gesetz und dem 
schrankt, well Papyri fur diese Stadt fehlen; Talmud, und wie die oineig oder bmloi in Gortyn 
aber ihr Reichtum und ihre Bedeutung als Mittel- nach griechisehem Recht (o. S. 919), die xcoQlg 
punkt von Handel und Industrie (Rostov- oiHovvrsg in Athen (o. S. 924) und einige Sklaven 
tzeff Gesellschaft I 146. 148) diirften die An- in Pergamon (vgl. Taubenschlag Ztschr. 
nahme rechtfertigen, daB sich mehr Sklaven als Sav. Stift. L [1930] 156f.). Fiir Agypten geht 
Hausbedienstete bei den reichen Biirgern befan- dies Eigentumsrecht daraus hervor, daB ofter 
den als in den agyptischen Kleinstadten und Dor- Sklaven erscheinen, die fiir sich selbst eine Ge- 
f ern. Es laBt sich sicher nicht strikt beweisen, 30 werbelizenz bezahlen (Taubenschlag a. 0.), 
daB die Sklaven entsprechend ihrer beschrankten und daB auf Besitztiimer hingewiesen wird, 
Verwendung im Handwork in der xwQa auch in die im Namen von Sklaven verwaltet werden. 
Alexandria nur bis zu einem gewissen Grade in Pap. Gen. 5 aus der Zeit des Antoninus Caesar 
der handwerklichen Industrie vertreten waren (Nicole Papyrus de Geneve [Geneve 1896] 
(Rostovtzeff I 264, 35); aber ebensowenig 5ff., in Z. 8 ist zu lesen o^ xa [vJjioQxovra ellJanQa- 
laBt sich auch R e i 1 s Feststellung (Beitrage 173) [x"^ • . . >ctX.]. Preisigke Berichtigungsliste 
belegen, daB Handwerkssklaven in betrachtlichem der gr. Papyrusurkunden I [Lpz. 1922] 157): das 
Umfange beschaftigt wurden. Gegen die An- Vermogen eines entlaufenen Sklaven wird be- 
nahme einer groBen Gruppe von Industriesklaven hordlich beschlagnahmt. Pap. Oxy. II 244, 15. 2: 
spricht die Tatsaehe, daB der Sklavenarbeit in 40 Geri[nthus] Antoniae Drusi servus erbittet die 
Alexandria in dem Hadrian zugeschriebenen Brief Genehmigung einer Eigentumsubertragung von 
(Script. Hist. Aug. Saturnin. 8, 5, s. Wilcken Schafen und Ziegen, die auf seinen Namen ein- 
Ostraka I 681) offenbar keine besondere Bedeu- getragen sind (ebd. 5; vgl. Wenger Stellver- 
tung zugemesssen wird und daB die kleine Zahl tretung im Recht der Papyri [Lpz. 1906] 167, 7). 
der aus Alexandria und Umgebung stammenden AnteilmaBiger Besitz von Sklaven war nach dem 
Papyri (gerade die Papyri aus Abusir el Malaq, romischen Gesetz und dem Fremdengesetz von 
hrsg. von W. Schubart BGU IV 1098—1209) Ag}T)ten zulassig; aber die Vorstellung, daB jo- 
in weit groBerem Umfange die Verwendung Freier mand halb Freier, halb Sklave war — in Agypten 
als von Sklaven zeigt. Folgende Urkunden han- weit verbreitet wegen der gebrauchlichen Teil- 
deln von Sklaven in oder bei Alexandria: BGU IV 50 freilassung — lieB sich mit der Grundauffas- 
1141, 20ff. 33ff. aus dem J. 13. v. Chr., ein Brief sung romischer Gesetzgebung nicht vereinbaren 
(wohl von einem Freigelassenen) iiber einen Hans- (M i 1 1 e i s Arch, f . Pap. Ill 253f . A r a n g i o - 
halt, in dem einige Sklaven mit Webarbeit be- Ruiz Persone e famiglia nel diritto dei papiri 
fechaftigt sind. IV 1116, 38fE., eine Hausvermiete- [Milano 1930] 8f. Taubenschlag Studi 
jin laBt die Mieten von ihrem Sklaven einkassie- Bonfante I 405. Aus der Moglichkeit, einen 
ren. IV 1139, 26. 33f. aus dem J. 13 v. Chr., Anteil am Sklaven, den man dann gemeinsam 
ein Sklave wird als Sicherheit fur eine geliehene mit jemand anders besaB, als Sicherheit zu ver- 
Geldsumme verpfandet. IV 1125 aus dem J. 13 pfanden, erwuchs das juristische Problem, ob bei 
V. Chr., ein Sklavenjunge kommt zu einem Musik- Zahlungsunfahigkeit dem Glaubiger der ganze 
lehrer, um dort auf der Flote begleiten zu lernen. 60 Sklave gehore. S. Pap. Lond. inv. nr. 1983 ed. 
Die romiscjien Kaufleute, die im 1. Jhdt. n. Chr. Bell Studi Bonfante III 64f.). Aus der romi- 
Exporthandel von den Hafen des Roten Meeres schen Rechtsauffassung vom Sklaven als res ent- 
Myos Hormos und Berenike trieben, fuhrten dort stand der logische SchluB, daB ein Sklave 
eine romische Sitte ein, die wir bereits von den einen ZivilprozeB weder angangig machen noch 
romischen Handelsgepflogenheiten auf Delos her durchfechten konnte; dagegen waren in Agypten 
vor 88 V. Chr. kennen: sie fuhrten namlich ihr Sklaven imstande, bei den Polizeiorganen Ver- 
Geschaft in absentia mit Hilfe von Sklaven und fahren einzuleiten, falls ihnen personlich IFnrecht 
Freigelassenen, in die sie hohes Vertrauen setzten, geschehen oder ihnen Schaden am Besitz zu- 



1019 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1020 

gefiigt war, und zwar in eigenem Namen oder mehr hellenistisch als orientalisch war, ohne die 

auch f iir andere (Taubenschlag Ztschr. Leitsatze des romischen Sklavenrechts auf zu- 

Sav.-Stift. L 163). nehmen (Koschaker Chronique d'figypte 

Eiii Teil der bei den jetzt irn Gange befind- 13 — 14 [Bull, de la fond. Reine Elisabeth, Briis- 

lichen Ausgrabungen von Dura-Europus am sel 1932] 205. Das griechische Wesen dieser Ge- 

Enphrat gefundenen Urkunden forderte wichtige setzgebung, besonders kenntlich in Dura-Perg. 10, 

Angaben tiber gesetzliche Einrichtungen auch betont noch starker E. Schonbauer Ztsehr. 

hinsichilich der S. besonders fiir die am weitesten Sav.-Stift. LIII [1933] 449). Das Hellenistische 

estlich gelegenen Gienzen des romischen Reiches im Sklavenrecht zeigt sich besonders in der Frei- 
zutage. Dura Perg. 2 (F. C u m o n t Fouilles de 10 heitsbeschrankung des Schuldners in den Para- 

Doura-Europos [Paris 1926] 296f. J. Johnson mone-Klauseln von Dura-Perg. 10, 8ff. und in 

Dura Studies [Philadelphia 1932] 35ff.) ist eine dem nichtromischen VoUstreckungsrecht in die 

unvollstandige Liste von Vertragen, Ende des Person des Schuldners und daraus folgender Ver- 

1. Jhdts. V. Chr.; der zweite Yertrag (Z. 11 — 19) sklavung bei eventueller Nichtbezahlung (Ko- 

erwahnt als Mitgift eines angesehenen Biirgers schak er Abh. Akad.Lpz. XLII 171; Chronique 

fiir seine Tochter zwei Sklaven [ooofjiara boJvliKa d'i]gypte 13—14. 20ff.). Der Verkauf einer Skla- 

&C0 (s. Johnson 40; vgl. 44). Dura-Perg. 21, vin, die als Gefangene bezeichnet wird, im J. 243 

noch nicht publiziert, aus den J. 86/87 n. Chr. n. Chr. — der Vertrag ist in syrischer Sprache 

(C. B. Welles Miinch. Beitr. z. Papyrusf . XIX abgefaBt (Dura Perg. 20, erwahnt von Welles 
395f.) stellfc im wesentlichen die Einbehaltung 20 Mtinch. Beitr. XIX 297f.; veroffentlicht von 

von drei Sklaven fest, weil ihre Besitzerin eine Torrey in der Ztschr. f. Semitistik X [1935] 

Schuld nicht bezahlen konnte. Die Transaktion 33 — 45; vgl. Welle s-B ellinger Tale Class, 

ging nach Art einer griechischen booig vor sich. Studies V) — beweist in seiner juristischen 

wobei die Schuldnerin ihr gesamtes Eigentum Grundhaltung starkeren orientalischen als hel- 

ausgeliefert hat, uni den Glaubiger abzufinden, lenistisehen Einschlag. Erst in nachkonstantini- 

jedoch alles zurtickerhalt mit Ausnahme der drei scher Zeit drang das romische Sklavenrecht in 

Sklaven, deren Wert die Schuld wohl gerade diese Gebiete und weiter ostlich in das persische 

deckte. Dura-Perg. 10 (zuerst veroffentlicht von Sassanidenreich ein; das wurde durch die Ost- 

Rostovtzeff und Welles Acad, des Inscr. wartsbewegung der ehristlichen Missionstatigkedt 
Compt. rend. [1930] 158ff., neuherausgeg. vonSO von Antiochia aus ermoglicht (Taub enschlag 

Rostovtzeff-Welles Yale Class. Studies Ztschr. Sav.-Stift. XLV 495). Seine Rezeption 

II [1931] Iff. Welles Excavation at Dura- zeigt sich im syrisch-romischen Rechtsbuch des 

Europus, Second Season [New Haven] 1931, 201ff. 5. Jhdts. (Bruns-Sachau Syriseh-Romisches 

Koschaker Abh. Akad. Lpz. XLII phil.-hist. Rechtsbuch [Lpz. 1880] 184, 4) und in der Zu- 

Kl. 1 2ff.) aus dem J. 121 n. Chr., ein Vertrag, auf sammenstellung des Erzbischofs Jesubocht in 

Grund dessen einem Mann mit dem aramaischen Persien in mohammedanischer Zeit; sie erheUt 

Namen Barlaas eine Summe ausgeliehen wird, aus den Worten: ,tTber Sklaven und Sklavinnen 

der in dem Dorf Paliga bei Dura lebte. Die Zin- ist also geschrieben im Gesetze der Romer: ein 

sen fiir die Schuld sind durch personliche Dienste Mann darf ein Drittel seiner Sklaven befreien*, 
des Schuldners, der selbst ein Nutzpf and bildet, 40 usw. (E. S a c h a u Syrische Rechtsbiicher III 

abzuarbeiten (7f.), wobei diese Dienstleistungen [Berl. 1914] 177, 1 a, Auszug aus der lex Fufia 

als bovXiKal xQ^'^oif' bezeichnet werden. Falls die Caninia, Gai. I 43, Bruns-Sachau a. 0. 

Schuld bei Palligkeit nicht zuriickgezahlt werden S a c h a u III 334) und aus der Bef olgung des 

konnte, soUte in das Eigentum und die Person Grundsatzes, da6 bei einer Freilassung inter 

des Schuldners voUstreckt werden, so dafi die be- vivos das peculium ausdriicklich dem befreiten 

grenzten Nutzpf anddienste des Schuldners zuletzt Sklaven vermacht werden muB (S a c h a u III 

zu S. de jure werden konnten (17f., s. die Unter- 179, 3). Moglicherweise gehen auch die dort ge- 

suchung bei Welles Excav. at Dura 21 Iff.; troffenen Regelungen des Standes von Kindern 

Koschaker Abh. Akad. Lpz. XLII phil.-hist. aus einer Ehe einer freien Frau mit einem Skla- 
Kl. I 2ff.). Dura-Perg. 23 (ed. Welles Miinch. 50 ven auf das Senatus Consultum Claudianum aus 

Beitrage XIX 382ff.), datiert auf das J. 180 dem J. 53 n. Chr. zuriick (Sachau 77, 5 c. 302; 

n. Chr., ein Verkauf svertrag, nach dem die Halfte Taubenschlag 496f.). Die ZoUe auf Aus- 

eines Weinbergs, der zwei Briidern gemeinsam und Einfuhr von Sklaven, die bruchstiickweise 

gehort, von einem Bruder an den anderen zu- in den portoria Palmyrenorum aus dem J. 137 

sammen mit einem 20jahrigen Sklaven verkauft n. Chr. (Syll. or. II 629, 17ff.) erscheinen, be- 

wird, der dem Verkaufer ganz gehort hatte. Da- weisen sicher, dafi in der ersten Halfte des 

bei ist die Feststellung wesentlich, dafi der Sklave 2. Jhdts. n. Chr. Sklaven nach beiden Richtungen 

zugleich mit dem Weinberg augenscheinlich als auf der Karawanenstrafie Babylon — ^Dura — ^Pal- 

Teil des zum Besitz gehorenden Arbeitsinventars myra — ^Damaskus und Palmyra — ^Petra befordert 
liberschrieben wurde (Z. 12ff.) und dafi er im 60 wurden (vgl. Rostovtzeff Caravan Cities 

Verkauf svertrag ebenso wie Obstbaume, Wein- [Oxford 1932] 109f.); aber mit Riicksi^ht auf die 

kelter und anderes Zubehor aufgezahlt war (14f. Tatsache, dafi im romischen Reich tatsachlich nur 

aTiQodQvoig Xyjvwvl koI roTg aXloig roig ovvkvqovol wenige asiatische Sklaven erscheinen, und mit 

Kai Had'rjKovat ndoi), das zur erfolgreichen Aus- Riicksicht auf die wachsende Zahl einheimischer 

nutzung des Weinbergs gehorte. Diese Urkunden Sklaven {omoysvsZg, vernae, o. 8. 998) ist es 

haben den Beweis erbracht, dafi die Sklaven- nicht ratsam, dementsprechend auf eine umfang- 

gesetzgebung in Mesopotamien nach den in grie- reiche Sklaveneinfuhr in das Reich iiber Palmyra 

chischer Sprache verfafiten Vertragen entschieden zu schliefien (so F e v r i e r Histoire politique 



1021 Sklayerei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1022 

et commerciale de Palmyre [Paris 1931] 47). kana'ani (kanaanitischer Sklave) im A. T. und im 

Der ZoU auf jeden Sklaven in Palmyra betrug Talmud (K r a u s s Talmudische Archaologie II 

22 denarii, mit Sonderabmachungen fiir 'veterani [Lpz. 1911] 84). Dieser XJnterschied tritt beson- 

{[avbQanoba] ovex8Qa[vd] erganzt aus dem vtrn ders klar hervor in dem alten Gebot, dafi ein jiidi- 

der aramaischen Fassung) und eine andere Skla- scher Sklave in jiidischem Besitz im 7. Dienstjahr 

venart. Da der Prozentsatz des ZoUs nicht sicher die Freiheit erhalten muB (Bertholet Kultur- 

feststeht, lassen sich auf Grund dieser Inschrift gesch. Israels [Gottingen 1919] 120. DiesenUnter- 

Ruckschliisse auf die Sklavenpreise in Palmyra schied zwischen Juden und Nichtjuden macht 

nicht Ziehen. weiter Philo de humanit. 16: die Juden haben die 
Die Zeugnisse iiber Arbeitsverhaltnisse in Sy- 10 evysvrjg iXsv^sQia; vgl. de Joseph. 41 ov qpvost 

rien und Palastina in Landwirtschaft und Indu- dovXog). Juden, die das Ungliick hatten, in Leib- 

strie sind auBerst dtirftig. Lucian parasit. I meint eigenschaft zu fallen, mtissen wie bezahlte Diener 

wohl die Lage in den Handwerksbetrieben des behandelt werden (de septen. 16). Das Arbeits- 

nordlichen Syriens, wenn er von Freien und Skla- verbot am Sabbath, das sich sogar auf Haustiere 

ven spricht, die eine irgendwie geartete technische erstreekte (Mos. II 4) beeinfluBte zweifellos die 

Ausbildung besitzen. Sklavenverwendung in rei- Arbeitsbedingungen aller Sklaven in jiidischem 

chen Haushalten der Stadtbewohner geht hervor Besitz, ganz gleich, welcher Religion sie angehor- 

aus seiner Erwahnung eines Botensklaven, dem ten. Nach dem Talmud (K r a u s s Talmud, 

man ein Trinkgeld geben muB, wenn er eine Ein- Archaeol. II 98) war es Pflicht der jtidischen Ge- 
ladung zum Essen iiberbringt (de mere. cond. 14). 20 meinde, einen Juden, der sich in S. bei einem 

In der Glasindustrie Sidons im 1. Jhdt. der romi- Unglaubigen befand, auszulosen, wenn seine An- 

schen Herrschaft (so nach den Buchstabenformen gehorigen ihn nicht frei kaufen konnten (s. den 

datiert von K i s a Das Glas im Altertum [Lpz. Fall aus Igypten, o. S. 1003, wo eine Jiidin mit 

1908] III 704) bezeichnen sich die Arbeiter, deren ihren beiden Kindern im J. 291 n. Chr. von der 

Namen auf dem Glas eingepragt sind, selbst als dortigen Synagoge ausgelost wird. Pap. Oxy. IX 

Artas Sidon(ius), Aristo Sidon(ius), NsIkcov 2ei- 1205). 

dcjov(iog), EiQi^vaiog stioItjosv 2idcbviog, Meyrjg Das von Rostovtzeff in seinen eingehen- 

sTioTjoev, "Evvicov eTzorjosv oder kTioiei (K i s a III den Studien iiber die landwirtschaftlichen Ein- 

704ff.). Sidonische Glasbecher im Metropolitan- richtungen in Kleinasien unter romischer Herr- 
Museum in New Tork zeigen auBer den oben- 30 schaft vorgelegte Material braucht hier nicht wie- 

genannten Megas und Ennion einen Meister mit dergegeben zu werden (Studien z. Gesch. d. rom. 

Namen lason und noch einen unvoUstandigen Kolonats [Lpz. 1910] 283fE.). Die Verhaltnisse im 

Namen, ]. eina. o (vgl. G. M. Richter The Landbesitz und die ublichen Produktionsmetho- 

Room of Glass [Metropolitan Mus., New York den waren von den romischen Herrschern in der 

1930] 16ff. Nr. 1. 2465. ^4 aus der J. P. Morgan- Form iibernommen worden, die sie in hellenisti- 

Sammlung, New York, ist ebenfalls mit ,Iason* scher Zeit angenommen hatten (292ff.; vgl. Ge- 

gezeichnet). Einige dieser Glasarbeiter waren sellschaft II 278, 4: Beweismaterial zu diesem 

zweifellos frei, wie aus der Bezeichnung ,Sidonier' Thema, das seit 1910 stark angewachsen ist). Die 

hervorgeht. Man kann aber nicht ohne weiteres Bewirtschaftung der kaiserlichen Domanen fuhrten 
annehmen, daB es sich um Sklaven handelt, wenn 40 meist coloni durch, die wie in hellenistischer Zeit 

nur der Name des Arbeiters eingepragt ist, da in Siedlungen lebten, o. Suppl.-Bd. IV S. 247. Der 

man ihnen ja gestattet hatte, die Becher oder ausgedehnte Landbesitz der Tempelorganisationen 

Vasen ohne Angabe des Namens des Ladeneigen- der kleinasiatischen Gottheiten wurde von Bauern 

tiimers oder des Sklavenbesitzers zu signieren besorgt, die diesen Tempeln horig waren, jedoch 

(vgl. die arretinische Sigillatatopferei aus Italien, nicht verkauft werden durften, also mehr Leib- 

wo der Name des Fabrikbesitzers stets erscheint, eigene als Sklaven im wirklichen Sinne waren 

wenn sich der Stempel des Sklavenarbeiters auf (z. B. wurden die Landereien des von Pompeius 

der Vase befindet. Auch steht der Name des Skla- begrundeten Tempelstaats von Komana durch 

venbesitzers immer im Genetiv. x e Arretinische IsQodovAoi bewirtschaftet, iiber die der herr- 
ReliefgefaBe vom Rhein [Frankfurt 1933] 118, 50 schende Priester alle Gewalt hatte nXrjv rov 

IV Topferverzeichnis I. Dragendorff Gno- mnQaoKsiv Strab. XII 3, 34). Die servitia, die 

mon X 358). In der syrischen Landwirtschaft Hadrian fiir Lagerdienste in Kappadokien be- 

waren zweifellos Sklaven in einigem IJmfange be- notigte (Script, hist. Aug. Hadr. XIII 7), waren 

schaftigt (ein Sklave als Winzer, Lucian. Philo- Leibeigene, nicht Sklaven (so Rostovtzeff 

pseud. 11); aber Land- und Weinbergsarbeit wurde Gesellschaft II 281, 7). 

in groBerem MaBstabe wie in Palastina von der tJber die Unterdriickung des Landvolks, das 

freien Landbevolkerung ausgefiihrt (Rostovt- zu den kaiserlichen Giitern in Phrygien im 3. Jhdt. 

zef f Gesellsch. II 10. Im Neuen Testament wird gehorte, und uber seinen niedrigen Lebensstan- 

Landwirtschafts-S. nicht erwahnt). Bei den Juden dard, der sich herausgebildet hatte, s. die an den 
in Palastina wie auch in der Diaspora blieben die 60 Kaiser Philipp gerichtete Klage der naQoiKoi xat 

ungewohnlichen Bedingungen, die sich aus den yscoQyol des Dorfes Arague (Syll. or. 519, 7). 

religiosen Vorschriften iiber die Stellung zur S. Unter den in dieser Urkunde geschilderten Ver- 

fiir das frtihhebraische Wirtschaftsleben ergeben haltnissen scheint eine umfangreiche Verwendung 

hatten, mit geringen Anderungen im romischen von Sklaven in der Landwirtschaft so gut wie 

Reich bestehen. Die TJnterscheidung von jiidi- ausgeschlossen. Die Landgebiete der griechischen 

schen und nichtjiidischen Sklaven in jiidischem Stadtstaaten in Kleinasien gehorten entweder 

Besitz erhielt sich dauernd; die erstgenannten er- Kleinbauern, die ihren Besitz selbst bewirtschaf- 

scheinen als 'ebed (Sklave), die anderen als 'ebed teten (ahnlich den yscoQyovvtsg, die auch als fA,szoc- 



1023 Sklaverei (Eaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1024 

HOI bezeichnet werden, auf Cos, IGK IV 1087, 4. sprechen sehr stark fur das Vorherrschen einer 

Rostovtzeff Gesellschaft II 277, 3; Anato- Klasse von freien Arbeitern dort in dieser Zeit des 

lian Studies pres. to Ramsay 376), oder zu groJBen romischen Kaiserreichs. S. in den Haushalten 

Giitern, die von Pachtern bewirtsehaftet wurden reicher Stadtbewohner und auf groBen Landsitzen 

(moglicherweise in einigen Fallen von Sklaven, so bestand zweifellos fort. (S. die Ehreninschriften 

Rostovtzeff Gesellschaft II 1, wenn auch ein der Rhodier fur den Sophisten Nikostratos, die 

Beweis fiir Landwirtschaft mit Hilfe von Sklaven- besonders seine Bemuhungen wahrend einer diplo- 

arbeit fehlt). In geringem Umfang sind wir tiber matischen Reise nach Rom erwahnen, Zugestand- 

die Arbeitsverhaltnisse in Handwerksbetrieben in nisse in der Frage der sIkooxv] [wohl die 5®/oige 
Kilikien von der Kaiserzeit an informiert. In 10 Steuer bei Freilassungen] zu erreichen, Ann. della 

Tarsus waren die Leineweber, Farber, Sattler und Seuol. Arch, di Atene II [1916] 147. Eine ahn- 

Tischler im 1. Jhdt. freie Arbeiter (Dio Chrys. liche Gesandtschaft zum gleichen Zweck wird aus 

XXXIV 23). In den kilikischen Grabinschriften Thyatira in Lydien berichtet, IGR IV 1236. Ro- 

romischer und byzantinischer Zeit, die J. Keil stovtzeff zitiert Gesellsch. I 315 die Ehren- 

und Ad. W i 1 h e 1 m sammelten (Monum. Asiae inschrift fiir einen Sklavenhandler, o(OfjLaxs(jmoQog, 

Minoris Antiqua III [Manchester 1931] s. Index in Thyatira, die von Arbeitern xov omzaQiov und 

III Berufe), sind unter den vielen erwahnten Mittelsmannern im Sklavenhandel, nQo^evrixal 

Handlern und Handwerkern (21 Kleinhandler, aco/udxcov, gesetzt wurde, Syll. or. 524). In den 

23 Topfer, 15 Bronzeschmiede) keine Sklaven kleinasiatischen Stadten (zum Unterschied von 
(ovv T(p SovXiH^ in 795 kann sich auf einen ein- 20 den Ortschaften, Dorfern und Landbezirken) mag 

zigen Sklavendiener beziehen). Fiir Kilikien geht die gesamte Sklavenbevolkerung vielleicht ^/s der 

man wohl nicht fehl in der Annahme, daB Skla- Gesamtbevolkerung ausgemacht haben, wie Galen 

venverwendung nach der Unterdriickung der kili- ftir Pergamon schatzte (o. S. 999). Diese Sklaven- 

kischen Seerauberei durch Gn. Pompedus nie wie- schicht umfaBte wohl auch Gehilfen der ansas- 

der groBeren Umfang erreichte. Die Inschriften sigen GroB- und Kleinhandler, der Ladeninhaber 

aus Ostphrygien nennen eine Anzahl kaiserlicher (Rostovtzeff a. 0.) und die in den Haushal- 

Sklaven und Freigelassener, die zu den kaiser- ten tatigen Sklaven. 

lichen Besitzungen bei Laodicea Combusta (W. Das Wirtschaftsleben in den Provinzen im 

M. C a 1 d e r Mon. As. Min. Ant. I [Manchester Donauraum und auf dem Balkan schlieBt die Mog- 
1928] 17) gehorten, und nur sehr wenige Sklaven 30 lichkeit aus, daB in diesen Teilen des romischen 

in Privatbesitz (28. 30. anslevd'sQoi 107; vgl. 133. Reiches Sklaven in groBem Umfange verwandt 

'&QS7ixol 44. 91). Ohne Berucksichtigung der kai- wurden, wo doch die Industrie nicht sehr hoch 

serlichen Sklaven, die einer besonderen Kategorie entwickelt war. Diese tTberzeugung erwuchs in- 

angehbrten und den ortlichen Arbeitsmarkt gar f olge der zahlenmaBig beschrankten tJberlieferung 

nicht beeinfluBten, finden sich in den Inschriften von Inschriften aus dieser Gegend, die von Skla- 

aus den ostlichen Teilen der Provinz Asien und ven handeln. Die groBen Strecken Ackerland in 

;aus West-Galatien 6 Urkunden, die von Freilas- StidruBland wurden eher von Leibeigenen als von 

sungen von Sklaven in Privatbesitz handeln Sklaven bebaut (Rostovtzeff Iranians and 

(C a 1 d e r Mon. As. Min. Ant. IV 275 b. 276 a II Greeks in South Russia [Oxford 1922] 161). Die 
und b. 277 a II. 278. 279. d'Qsnxat werden 354. 40im J. 49 n. Chr. von Zorsines, dem Konig der 

355 erwahnt). 297, 8ff. nennt Freie und Sklaven Siraker, zum Austausch fur seine gefangenen 

als Schafhirten. Samtliche Handworker, Klein- freien IJntertanen angebotenen 10 000 Mann (von 

handler und bezahlten Arbeiter in diesen gala- Tac. ann. XII 17 servitii decern milia offerebant 

tischen Inschriften waren Freie (32. 73. 100. 113a. quod aspernati sunt victor es zwar als Sklaven be- 

343. 349). Wenn man vielleicht annehmen konnte, zeichnet) waren wohl Leibeigene (Rostovtzeff 

daB Sklavenarbeiter oder -handworker als die nie- Gesellschaft II 2. 283, 12. Uber das Reich am 

derste Einwohnerklasse keine Grabsteine gesetzt Bosporus ebd. II 4). Leibeigene ahnlicher Art be- 

bekamen und so in dieser Gegend in betrachtlicher sorgten die landwirtschaftliche Arbeit in Dakien, 

'Zahl gelebt haben, ohne daB man heut noch von Moesien und Istrien (ebd. I 199ff.). Die von Ro- 
Ihnen weiB, so laBt sich dagegen anfiihren, daB 50 s t o v t z e f f (I 198) geauBerte Vermutung, es 

r^uch Freigelassene nur sehr selten auf den Grab- hatte ein lebhafter Handel in Sklaven vom jen- 

.«teinen erscheinen (ein Freigelassener, dessen Be- seitigen Donauufer her bestanden, die dann die 

:schaftigung nicht genannt ist, 336). Die diirftige Arbeiten auf den groBen Besitzungen in denDonau- 

Kenntnis, die die Inschriften von Sardes iiber den provinzen besorgten, findet keine Sttitze in dem 

;Stand der Arbeiter in Handworks- und Kleinhan- Verzeichnis der Sklaven, deren origo sicher in 

"delsbetrieben vermitteln, fiihrt zu dem gleichen diese Gegend verlegt werden kann, s. o. S. 1006. 

t;SchluB, daB namlich wahrend der Kaiserzeit nur Die Sklaven und Freigelassenen, die in den Ur- 

wenige davon Sklaven waren (Buckler and kunden aus Serbien und Makedonien erscheinen 

Robinson Sardis VII 1 [Ley den 1932] 56 : ein (P r e m e r s t e i n und V u 1 i c Osterr. Jahresh. 
Reliefbildhauer,94:einBarbier,159:einSchweine-60 VI [1903] Beibl. nr. 36. 44 [= GIL III 8238]. 

chandler, 167: ein Hosenschneider: alle sind Freie. 59), gehorten zum kaiserlichen Haushalt und fun- 

Freigelassene werden in 165 erwahnt, einer In- gierten als Zollerheber u. a. Von Arbeiten in den 

schrift auf einem Grabmal, das eine Biirgerin der Eisenwerken von Norikum, die sich nach Griin- 

lydischen Stadt Tabalis errichtete, die dann in dung der Provinz ca. 15 v. Chr. entwickelten 

Sardes lebte). Die haufigen Streiks in den klein- {otdrjQovQysia Strab. V 1, 8), ist nichts erwahnt. 

asiatischen Stadten (die Beispiele sammelte W. Sklavenverwendung bestand naturlich weiter in 

H. Buckler Anatolian Studies pres. to Ramsay Makedonien, Thessalien und dem Festland (uber 

'27ff.; vgl. Rostovtzeff Gesellsch. I 317, 44) Gebrauch von Sklaven durch die wohlhabenderen 



1025 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Eaiserzeit) 1026 

Klassen in den griechischen Stadten als Lehrer, Economic History of Rome^ [Baltimore 1927] 
Landarbeiter, kaufmannischeAngestellteundGeld- 434). Die Literatur des 1. Jhdts. erwahnt indes 
verleiher s. Pint, de lib. educ. 6f.; Sklavenhand- mehr und mehr den unabhangigen Landwirt mit 
worker begegnen in Plutarchs Aufstellung nicht), kleinerem Grundbesitz (Lucan. Phars. I 170. Sen. 
aber eine schrittweise deutlich wahrnehmbare Ab- epist. 114, 26. 123, 2. Martial. I 17, 3. Ill 58, 33. 
nahme ihrer Zahl und ein Wandel in ihrer wirt- VII 31, 9. XI 14. Tac. Germ. 25). tJber die Art 
schaftlichen Ausnutzung ist sicher als die Folge des Grundbesitzes in Unteritalien geben die Aus- 
des fortschreitenden wirtschaftlichenVerfaUs Grie- zlige aus den Grundbtichern fur das Gebiet der 
chenlands aufzufassen. Schwindende gewerbliche Ligures Baebiani bei Benevent (GIL IX 1455) 
Tatigkeit in so gut wie alien Produktionszweigen 10 lehrreiche Aufschllisse. Sie enthalten die Bezeich- 
ist der vornehmliche Eindruck bei diesem Wandel nungen der fundi durch die Namen ihrer ur- 
(Rostovtzeff Gesellschaft I 142. 205. Kiinst- spriinglichen Besitzer zu einer Zeit der Landver- 
lerische Bronzearbeiten wurden weiter in Korinth, teilung, die nicht spater als das Triumvirat ge- 
Aegina und Delos hergestellt, Leinengewander ftir wesen sein kann (M o m m s e n Herm. XIX [1884] 
Frauen bei Elis und Patrae und Spezereien in 399), die Besitzer und den Schatzungswert des 
Boiotien, Fr. e r t e 1 Cambr. Anc. Hist. X 403. Besitzes in der Zeit Traians, als die Staatsdar- 
Die Landflucht und die Entvolkerung von Euboia lehen auf die Besitzungen gegeben wurden. Etwas 
wird von Dio Chrys. VII 34 wohl tibertrieben dar- weniger als 90 Besitzer werden fiir die frtihere 
gestellt). Dio Chrysostomos schildert Thessalien Zeit genannt. Diese Zahl sank auf 50 in der Zeit 
als verodet, Arkadien als verelendet (XXXIII 25. 20 Traians (d. h. 55 ^/o der urspriinglichen Anzahl, 
t)ber die Armut der arkadischen Stadt Lykosura Mo mm sen 401. G. Carl Vierteljahrsschr. f. 
im J. 42 n. Chr. s. Syll.s 800; uber die Entvolke- Sozial- und Wirtschaftsgesch. XIX [1926] 23). 
rung Griechenlands Plut. de defect, orac. 8). Mit Das Ergebnis fiir das Gebiet von Benevent zeigt 
dem Verschwinden der handwerklichen Industrie eine zahlenmafiige Vermehrung der Latifundien 
mu6 auch das Industriesklaventum, das dem und ein Fortbestehen des kleineren Landbesitzes 
Leben in Athen und Korinth im 5. und 4. Jhdt. in ungefahr der gleichen absoluten Anzahl, wie 
V. Chr. seine Pragung gegeben hatte, fast ganz aus dem Steuerwert hervorgeht (Carl a. 0.). In 
zuriickgegangen sein. In den abgeschlosseneren der Poebene zeigen die Hypothekeneintragungen 
Teilen Griechenlands, wie Arkadien, hatte sich die auf fundi bei Placentia und Veleia (CIL XI 1147) 
Sklavenverwendung offensichtlich in rtickwartigem 30 eine zahlenmafiige Abnahme des Kleingrundbesit- 
Sinne entwickelt und war wieder ahnlich der S. zes durch Verschmelzung zu Latifundien. Der 
der homerischen Zeit (Philost. vita ApoU. Tyan. jtingere Plinius gibt fiir diesen Vorgang in Nord- 
VIII 7, 161 Sklaven in Arkadien als Landarbeiter italien ein Beispiel durch den Ankauf von prae- 
und Ziegen-, Schweine-, Rindvieh- und Pf erde- dia agris meis vicina im Werte von 3 000 000 Se- 
hirten). sterzen (ep. Ill 19, 1. 4). Trotzdem ergibt sich 
Italien und Sizilien, die beide — ganz beson- auch in der Poebene die iiberraschende Tatsache, 
ders fiir die Landwirtschaft — die Hauptzentren dafi kleinere Hofe weiterbestanden, die vom Be- 
in der Ausbeutung von Sklavenarbeit wahrend sitzer selbst bewirtschaftet wurden. Weil die 
der beiden letzten Jahrhunderte der romischen Kleinbauern nie fur umfangreicheren Gebrauch 
Republik gewesen waren (o. S. 986), behielten 40 von Sklaven in der Landwirtschaft verantwortlich 
im 1. Jhdt. und bis in das 2. Jhdt. hinein diese waren, hangt das Problem der Zu- oder Abnahme 
ihre im Vergleich zu den anderen Teilen des der S. in der Landwirtschaft in Italien von den 
Reichs bedeutende Stellung bei. Mit der fort- Erzeugungsmethoden auf den grofieren Giitern ab. 
schreitenden Anhaufung groBer Kapitalmassen in Der landwirtschaftliche Schriftsteller Columella 
Rom und ganz Italien, eine Folge der Vormacht- beschaftigte sich damit, dem Adel und den Be- 
stellung, die sich die italische Halbinsel unter giiterten wieder ein tatiges Interesse fiir Arbeit 
Roms Fiihrung in der Zeit von 150 v. bis 100 in der Landwirtschaft abzugewinnen (der protrep- 
n. Chr. errungen hatte, konzentrierte sich auf ihr tische Zweck wird von Carl 40. 43 hervor- 
in ausgepragter Weise eine Handwerksindustrie, gehoben). Er war uberzeugt, da6 die beste und 
die sich auf ausgedehnte, wenn auch noch keines- 50 wirtschaftlich vorteilhafteste Art der Bewirtschaf- 
wegs ausschliefiliche Verwendung von Sklaven- tung — falls es moglich ware, das Interesse des 
arbeit in den groBeren Betrieben stiitzte. Diese Hofbesitzers zu gewinnen und dauernd auf seine 
mag wohl sogar noch ausgedehnter gewesen sein tJberwachung zu rechnen — sich mit einem festen 
als die der athenischen Wirtschaft im 5. und Stamm von Sklaven durchfiihren liefie, die unter 
4. Jhdt. V. Chr. (o. S. 912ff.), Die Auswirkungen Beriicksichtigung ihrer korperlichen und geistigen 
dieser Entwicklung und das Verhaltnis zwischen Qualitaten fiir ihre Sonderarbeit auszusuchen 
der Arbeit Freier und der der Sklaven in alien seien (Colum. r. r. I 9, If. Vgl. Gsell Melanges 
Gewerbezweigen des Westens ist von Gumme- Glotz I 415, 1). Ihre Arbeit soUte spezialisiert 
rus 0. Bd. IX S. 1454ff. so genau dargestellt, werden (I 9, 5 ne eonfundantur opera familiae, 
daB eine Wiederholung seiner Arbeit im einzelnen 60 sic ut omnes omnia exsequantur). Columella be- 
unnotig ist (vgl. Barrow Slavery 22ff.). Sizilien schaftigte sich besonders mit Weinbau und Oliven- 
und Sardinien kehrten dazu zuriick, daB die ein- pflanzungen und in zweiter Linie auch Viehzucht 
geborene Landbevolkerung das Land best elite, mit (I 2, 3fE.). Die Pflanzung von Brot- und Futter- 
Ausnahme allerdings der kaiserlichen Domanen getreide war nur fiir die Versorgung des Guts- 
und der ausgedehnten Giiter reicher GroBgrund- personals und sein Vieh wesentlich (Gumme- 
besitzer (Rostovtzef f Gesellsch. I 175). In rus Klio Beih. V 77). Verwendung von Tage- 
Italien konnte Anfang des 1. Jhdts. die Nachfrage lohnern zur Zeit besonders dringender Saisonarbeit 
nach Sklavenarbeit voll befriedigt werden (Frank ist fiir Columellas Gut, das sich auf Sklavenarbeit 
Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 33 



1027 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1028 

sttitzt, ebenso vorauszusetzen wie in der von Cato spiele dafiir stutzen sich auf das Auftreten von 

empfohlenen Wirtschaftsfiihrung (agr. 10, 1. 137; Nomina allein ohne Praenomina und Cognomina, 

0. S. 963f .). Es ist ganz klar, dafi die Bewirtschiaf- CIL VI 9276. X 7597). 

tung durch Pachter (coloni) zur Zeit Columellas Genaue Untersuchungen der SigillatagefaBe 

weit verbreitet war (I 7 hi vel coloni vel servi aus Arretium, die in Italien gefunden, ferner der 

sunt); Columella rat, daB dort, wo das Pacht- arretinischen Exportstticke, die in den R-hein- 

system vorherrschte, nur der als colonus gelten provinzen gefunden wurden, sowie der ortlichen 

sollte, der seine Arbeit selbst tat, und nicht etwa keltischen Fabrikate ahnlicher Art (kurze Fest- 

der, der in der Stadt lebte und den gepachteten stellung iiber den DezentralisierungsprozeB in der 
Hof von Sklaven bewirtschaften lieB (I 7, 3). Das 10 Tongeschirrindustrie s. o. Bd. IX S. 1478) haben 

Verhaltnis von Sklaven^ zur Pachterarbeit in der wichtige Ergebnisse gezeitigt, die in engem Zu- 

Landwirtschaft geht aus Columellas Werk nicht sammenhang mit dem Problem der Abnahme indu- 

hervor. Nach der Ausfiihrlichkeit zu schlieBen, strieller S. im Westen stehen (Abbe H e r m e t 

mit der er das System der Bewirtschaftung durch Les Graffites de la Graufesanque pres Millau [Ro- 

Sklaven behandelt, halt er diese Art der Wirt- dez 1923]. A. Oxe Die Topferrechnungen von der 

schaft unter direkter Aufsicht des Hofbesitzers Graufesanque, Bonn. Jahrb. CXXX [1925] 38S. 

fur die beste vom politischen Standpunkt und Arretinische Relief gefaBe vom Rhein [Frank- 

wunscht auch gerade sie zu fordern (vgl. Heit - furt 1933]. Friihgallische Relief gefaBe vom Rhein 

1 a n d Agricola 257). Die Ausgrabung von Guts- [1934]. H. Dragendorff Gnom. X 353ff. 
hausern bei Pompeii hat gezeigt, daB Sklaven 20 Katalog der arretinischen ReliefgefaBe des arch, 

dort im Weinbau beschaftigt waren (eiserne FuB- Instituts in Tubingen [1935]). Die Zeit der Vor- 

blocke zur Inhaftierung und Bestrafung von Skla- herrschaft arretinischer ReliefgefaBherstellung in 

ven auf diesen Giitern: Delia Corte Not. Arretium muB auf die kurze Spanne von 25 v. Chr. 

d. scav. 1923, 277, abgebildet bei Rostov- bis 25 n. Chr. beschrankt werden (Gnom. X 356f.). 

tzef f Gesellsch. I Taf. 9. Holzerne FuBblocke: Auf denTopfen aus der ersten Arbeitszeit Arretiums 

Delia Corte Not. d. scav. 1922, 463 Fig. 3. erscheinen dieNamen derTopfer, die anscheinend 

Die Blocke haben 14 bzw. 10 Offnungen zum Fest- samtlich Sklaven waren, neben dem Stempel des 

legen der Beine, also konnten 7 bzw. 5 Sklaven Betriebsinhabers, wobei der Name des Sklaven- 

auf diese Weise gleichzeitig bestraft werden, besitzers hinter dem des Sklaven im Genetiv steht 
nicht 14 Oder 10, wie Delia Corte angiJbt). 30 (z. B. Gerdo M. Perenni. Nicephorus M, Perenni. 

Schatzungen, wieviel Sklaven in diesen Land- tJber die Identifizierung dieses Perennius als den 

hausern beschaftigt waren, gingen von der An- Geschaftsinhaber M. Perennius Tigranus s. x e 

zahl der Raume in einem bestimmten Gebaude- Rh. Mus. LIX 132. 137; o. Bd. IX S. 1487. Oxe 

komplex (Rostovtzeff I 277) oder von der Arretinische ReliefgefaBe 29). Im spateren Ab- 

Anzahl der Raume und den 15 oder 16 Sklaven schnitt der arretinischen Topferei zeichnen die 

bei Cato agr. 11 (J. Day Yale Class. Stud. Ill Arbeiter nicht mehr mit ihrem Namen, sondern 

196) aus und sind unsicher, da Freigelassene und es erscheint lediglich der Stempel der Firma. Die 

regelrecht bezahlte Arbeiter ebenso wie die Skla- Reihenfolge -der Besitzer ist fiir das Geschaft des 

ven im Hause untergebracht sein muBten (Plin. Perennius von Oxe verfolgt und bestimmt wor- 
epist. II 17, 9). In der Begrabnisstatte der 40 den: auf M. Perennius Tigranus folgte M. Peren- 

familia der Epidii in Pompeii (Not. d. scav. 1916, nius Bargathes bzw. Bargathus (ebd. 35), darauf 

303ff.) sind mindestens 15 von 25 Namen aus f olgten Crescens und Saturnus (D r a g e n d o r f f 

mehreren Generationen solche von Sklaven. Man Gnom. X 356). Hochst wichtig fiir die Betriebs- 

kann mit Sicherheit folgern, daB auf einigen der fiihrung dieser Topfereien und die soziale und 

Weinguter bei Pompeii immer noch, wie zur Zeit wirtschaftliche Lage der Sklavenktinstler ist die 

Catos, ein Sklavenstamm fiir die Arbeiten im Entdeckung Dragendorff s, daB die Sklaven 

Weinberg vorhanden war. Ende des 1. Jhdts. ver- in einer Anzahl von Fallen ihre Besitzer wechsel- 

wandten der jungere Plinius und seine Nach- ten, wenn namlich die Topfereien an einen anderen 

barn in der Poebene mehr fremde bezahlte Ar- Besitzer verkauft wurden (wird demnachst von 
beitskrafte als eigene Sklaven, als sie veranlaBt 50 Dragendorff Katalog der arret. ReliefgefaBe 

worden waren, ihre landwirtschaftlichen Besitzun- in Tiibingen veroffentlicht. Vgl. Oxe Bonn. Jahrb. 

gen selbst zu bewirtschaften (Plin. epist. Ill CXXX 86). Das geht am besten hervor aus dem 

19, 7. Bezahlte Arbeitskrafte aus den Stadten zur Fall des -Sklaven Pantagathus, dessen Namens- 

Erganzung der bezahlten Landarbeiter IX 20, 2). zug eine unmiBverstandliche Ligatur zedgt. Er 

Das Bewirtschaftungssystem durch Pachter war erscheint zuerst lals Pantagathus, Sklave des Ge- 

recht entwickelt (reliquia colonorum III 19, 6. schaftsinhabers Rasinius (0x6 47, Vase aus der 

neeessitas agr ovum locandorum VII 30, 3. neces- Loeb-Sammlung).iSpater, als Rasinius mit Gj.Mem- 

sitas locandorum praediorum IX 37, 3. X 8, 2) mius die Topferei gemeinsam betreibt, zeichnet 

und verbreitete sich im 2. Jhdt. gegeniiber der der Sklave als Pantagathus Basini Memmi, er ge- 
Bewirtschaftung mit Hilfe von Sklaven noch 60 hort also beidenlnhabern anteilig (ebd. 124. Vgl. 

weiter. Im 2. Jhdt. horte in Italien die landwirt- CIL X 8056, 248). Noch spater geht der gleiche 

schaftliche Erzeugung in groBem MaBstab durch Pantagathus in die Werkstatten und den Besitz 

Sklaven wohl auf, gewinnbringend zu sein eines C. Annius iiber (0x6 Arret. Reliefgef. 39. 

(Rostovtzeff I 167. Frank Economic Hi- 50. 121. 122. 126). Dieser Wechsel des Besitzes 

story2 422f. 480). Die Landpachter, coloni, waren und der Arbeitsstatte laBt sich auch bei einem 

in ddr Regel frei, gelegentlich sind wohl aber auch gewissen Eros verfolgen, der unter aufeinander- 

Sklaven als Pachter aufgetreten (quidam fundum folgenden Geschaftsinhabern als Sklave des C. An- 

colendum servo suo locavit Dig. XV 3, 16. Bei- nius, dann des C. Tellius, schlieBlich vielleicht 



1029 Stlaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Eaiserzeit) 1030 

noch im Besitz des P. Cornelius in dessen Betrieb sen Topfereien mit ihref Arbeit wirtschaftlich und 

erscheint. Dragendorff fiihrt weitere Falle an, in sozial schwerwiegender war als ihre juristische 

denen sich Zusammenhang von Besitzwechsel des Zugehorigkeit zu ihren Besitzern. 

Sklaven und wechselnde Geschaftsinhaberschaft tJber die wichtige Frage, ob bei der Entwick- 

durch Namensstempel belegen laBt (vgl. Ger[do] lung der Topferindustrie in den Provinzen das 

Ras[iniJ, x e Arret. Reliefgef . 59 und Gerdo System der Erzeugung durch Sklavenarbeit wie in 

Perennif 60. 68). Dragendorff vertritt sogar den arretinischen Topfereien Italiens nach Gallien 

die tlberzeugung, da6 dieser zusammenhangende und den Provinzen Germaniens verpflanzt wurde, 

Wechsel von Sklaven- und Geschaftsbesitz sich bei konnte bisher keine Einigung erzielt werden. 

anonymen Arbeitern durch eine Analyse der Ar- 10 Gummer us o. Bd. IX S. 1513 neigte zu der 

beitstechnik feststellen laBt. In den Fallen, wo der Ansicht, dafi die gallischen Topfer meist Freie 

Kiinstler seine Signatur nicht angebracht hat, ist waren. x e Bonn. Jahrb. CXXX 80f . lafit die 

nicht zu entscheiden, ob er frei oder Sklave war, Frage offen, meint aber, daB die Handwerker aus 

wenn auch fiir die arretinischen Betriebe die den Topferrechnungen in der Graufesanque Skla- 

Wahrscheinlichkeit, daB es ein Sklave war, groBer ven, Leibeigene oder Freigelassene waren, weil sie 

ist. AUein die Tatsache, daB die Sklaven in der nur Eigennamen, nicht aber ein Patronymikon im 

friiheren Zeit in Arretium ihre Marken auf ihre Genetiv tragen (ebd. 87). Loth Compt. Kend. 

Arbeit setzen durften, ist schon wertvoU als 1924, 71 nimmt — wenig tiberzeugend — an, daB 

Zeichen fiir ihre soziale und wirtsehaftliche Stel- die Arbeiter Sklaven waren, weil Namen wie Cer- 
lung, die sie als Kiinstler von hoher technischer 20 vesa, Vinoulos, Primos, Secundus, Tritos, Tertius, 

Fertigkeit und anerkannter Bedeutung errungen Moretoclatos wie Sklavennamen klingen. Fiir die 

flatten. Die Angabe des Sklavennamens muB auch gallischen Waren sind keine Anhaltspunkte daftir 

beim Verkauf der Ware in Anschlag gebracht vorhanden, daB die Hersteller der Sklavenklasse 

worden sein, da er ja zusammen mit der Fabrik- angehorten; eine Ausnahme bildenvier Falle: GIL 

marke erscheint. Bei der weitverbreiteten Ge- XIII p. 120, col. II, Q. Verri Achillei Mascurieus 

wohnheit im ganzen Reich die Sklaven ohne fec(it), Asus f(e)c(it) Gigetou, Nasso I. s(ervus) 

Riieksicht auf ihre Nationalitat mit grieehischen f{ecit), Vitalis M, s(ervus) f(eGit)'y s. B o h n Ger- 

oder lateinischen Namen zu benennen (s. o. mania VII [1923] 67. Die Topferrechnungen allein 

S. 1003f.), ist die Identifizierung dieser Sklaven- bilden keine ausreichende Grundlage fiir die Ent- 
topfer als Griechen oder orientalische Halbgrie- 30 scheidung, da sie im allgemeinen, ob sie nun in 

chen (Dragendorff Gnom. X 358. Gummerus Italien oder Gallien gefunden wurden, den Stand 

0. Bd. IX S. 1507fE.) gewagt. Das fur Marken- der aufgefiihrten Arbeiter nicht nennen (vgl. die 
artikel erforderliche technische Konnen konnte Liste von 13 Weberinnen aus Pompeii mit einzel- 
leicht von Handwerkern jeder Nationalitat er- nen Nomina GIL IV 1507; die verstiimmelte Ab- 
worben werden, die richtig in der Lehre gewesen rechnung iiber abgelieferte Topferwaren aus Ar- 
waren. Das geht aus der schnellen Entwicklung retium mit vier einzelnen Namen von Topfern 
der Herstellung kunstlerischer Relief arbeiten in ohne Angabe des Standes GIL XI 6702, 1; die 
SiidgaUien hervor, wo die Kiinstler zu einem Blickweiler- und Graufesanque-Rechnungen aus 
groBen Toil Ortsansassige waren, deren Arbeit in Gallien). Die Position der Oxeschen Meinung, 
Qualitat und Schonheit der Relieftopferei von Ar- 40 einzelne Nomina der Arbeiter deuten auf Sklaven- 
retium erfolgreich Konkurrenz machte (Dra- stand hin, ist indes erschtittert, weil die Namen 
gendorff Gnom. X 360. Die keltischen Namen der Topf ereiinhaber, die Freie gewesen sein miis- 
in den Topferrechnungen aus der Graufesanque sen, ebenfalls allein ohne Patronymikon erschei- 
mogen als Beweis keltischer Nationalitat gelten, nen (s. Oxe Friihgallische ReliefgefaBe, Gasti 
dia man in dieser Zeit Eigennamen gewohnlich in of(Hcina) nr. 5. 8. 10. 16. 20. 22. 23. 25. [Of(fi,cina) 
griechische oder lateinische abanderte). Der Kauf M]odesti nr. 13. Of(Rcina) 0[erma . . .J nr. 32. 33). 
von Sklavenkiinstlern in Arretium durch den AUgemeine "Dberlegungen fiihren samtlich zu der 
neuen Inhaber der Topferei nach einem Besitz- Entscheidung, daB die gallischen Topfer in 
wechsel war ein ganz gelaufiger, haufig vorkom- groBem Umfange Freie waren, wofiir schon Gum- 
mender Geschaftsvorgang (vgl. den Verfall eines 50 merus und Bohn pladierten. In einer Zeit, wo die 
hypothekarisch belasteten Stuck Landes bei Sar- beiden Quellen billiger Arbeit, Krieg und See- 
dis einschlieBlich der dort erforderlichen Sklaven- rauberei, beinahe am Versiegen waren (o. S. 994), 
arbeit, B ui c k 1 e r ' and Robinson Sardis VII ist es kaum glaublich, daB die in Italien, dem da- 

1, nr. 1, 15ff., ebenso bei einem Bergwerk bei maligen Zentrum der Sklavenverwertung, vor- 
Thorikon mit den dazugehorenden Bergwerks- herrschende Arbeitsweise erfolgreich nach Gallien 
sklaven, Syll.^ 1191 oQog sQyaozrjQtov ?cal dvd^a- und den germanischen Provinzen verpflanzt wer- 
Ttodcov nenQafAsvcov im Xvaei. Vgl. Guirard La den konnte, wo sich die S. vorher noch nicht 
Propriete Fonciere en Grece [Paris 1893] 440, 4 stark entwickelt hatte. In Italien selbst hatte sich 
vTioKsio'&ab rcbi d'scbt ra §ooKYiiA,axa xal ta ardQa- zu eben dieser Zeit die Gewohnheit, Sklaven zu 
Ttoda }cal xa [sQyaXJsia ndvra. Dura Perg. 23, 60 verwenden, noch nicht gleichmaBig in alien Hand- 
Miinch. Beitr. XIX 382ff. Weitervermietung einer werkszweigen oder alien Teilen der Halbinsel 
prostituierten Sklavin an Bordellbesitzer durch durchgesetzt (freigeborene Arbeiter waren in den 
die Pachter eines stadtischen Bordells im Arsi- kleineren Landstadten verhaltnismaBig zahlreicher 
noitengau in Agypten, Pap. Soc. Ital. IX 1055 a, als in Rom, und in Norditalien erscheinen sie 
Mitte des 3. Jhdts. n. Chr.). Aus den zahlreichen auch haufiger in der Industrie, o. Bd. IX S. 1505). 
Beispielen gleichzeitigen Besitzwechsels von Be- In keiner anderen Industrie war die Sklaven- 
trieb und Sklavenpersonal in Arretium geht her- arbeit so stark betont wie beispielsweise in der 
vor, daB der Zusammenhang der Sklaven in die- Topferei in Arretium (s. die Riickschliisse von 



1031 Sklarerei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1032 

Gummerus auf die Glasindustrie ebd. 1500 Westdeutschland zur Romerzeit^ [1919] 7ff. Ro- 
und seine Aufstellungen iiber Goldschmiede und stovtzeff Gesellsch. I 183ff.)- 
Juweliere auf Grund von Inschriftenmaterial tJber die Art und Weise des Landbesitzes in 
1504ff. mit Folgerungen fiir andere Handwerks- der Provinz Britannien oder den Umfang der dort 
zweige). Obwohl S. in Gallien v o r der Eroberung entstandenen S. ist wenig bekannt. Tacitus schreibt 
durch Rom bestand (Caes. bell. Gall. VI 19), dem britischen Hauptling Calgacus Kenntnis der 
spielte diese Einrichtung doch keine sichtbare S. zu (Tac. Agric. 31, 3 rece^tissimus quisque ser- 
RoUe im Vergleich zum Lehnsdienst und dem vorum etiam conservis ludibrio est). Das kann 
Klientenwesen in den Landesteilen, die dem direk- entweder ein Beweis fiir S. im vorromischen Bri- 
ten EinfluB der romischen Gesellschaft entriickt 10 tannien oder aber auch eine Einwirkung der Ver- 
waren (vgl. die elientes et obaerati des Orgetorix, haltnisse in den schon von den Romern eroberten 
1 4, und die 600 Lehns-soldurii des Adiatunnus III Teilen Britanniens sein. Man hat allgemein an- 
22; Lehnsdienst an Stelle von Schuld-S. als Folge genommen (Haverfield Roman Occupation of 
der Verschuldung gegentiber einem reichen Adli- Britain^ [Oxford 1924] 233f. R. G. Colling- 
gen VI 13, und die ambacti elientesque der equites wood Roman Britain [Lond. 1923] 41 f. 64), da6 
VI 15). Nach der romischen Eroberung nahm die die britannischen Bauern sich in ahnlicher Lage 
Haus-S. zweifellos zu (J u Hi an Hist, de la wie die romischen coloni befanden (Bestimmung 
Gaule IV 371); aber es ist nicht feststellbar, wie- aus dem 4. Jhdt. beziiglich der coloni in Britan- 
weit sie sich ausdehnte. Lehnsdienst in den ver- nien: Cod. Theod. XI 7, 2). Da die Romanisierung 
schiedenen gallischen Arten bestand fort, und die 20 Britanniens zu einer Zeit einsetzte, wo die Sklaven- 
gesamte Sklavenbevolkerung Galliens erreichte verwendung in Italien bereits nachgelassen hatte, 
niemals die relative Hohe wie in Italien (Gum- kann man wohl mit Recht schlieBen, da6 die In- 
m e r u s 0. Bd. IX S. 1513). Einige der Topfer, die dustrie- und wohl auch die Landwirtschafts-S. 
mit ihren Signaturen auf den friihkeltischen Waren sich dort niemals so weit entwickelte, daB sie zu 
vom Rhein erscheinen, waren sicherlich frei (C. einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor der Insel 
Tigranus, M. Valerius und Sex. Varius, s. 0x6 wurde. 

Frtihgall. Relief gef. 1). Auch ist bezeichnend, daB Fur die spanischen Provinzen kann man trotz 

die Holzarbeiter, Eisenarbeiter und Steinmetzen der wiederum diirftigen Kenntnis iiber iSklaven- 

aus Obergermanien, die auf zwei ex-voto-Inschrif- verwendung dort annehmen, daB Art und Umfang 

ten aus Dijon erscheinen (CIL XIII 5474. 5475), 30 der S. je nach den verschiedenen Gebieten der 

sich selbst elientes derjenigen nennen, denen die Halbinsel stark differ enziert gewesen sein mtissen. 

Weihungen gelten, und nicht Sklaven waren An den Kiisten der Provinzen Baetica und Tarra- 

(der eine in 5474 genannte Sklave, Carantillus conensis und in den Niederungen von Lusitanien, 

serv(us) actor ex voto, wird hinsichtlich seines die lange vor der romischen Herrschaft von kar- 

Standes klar herausgehoben. Der namenlose Ziegel- thagischen und griechischen Kolonisten besiedelt 

brenner, dessen Lohnabrechnung fiir zehntagige waren (Rostovtzeff I 175), kann man auf 

Arbeit auf einem Ziegel in Montenach gefunden intensivere Sklavenverwendung rechnen als im 

wurde. Rev. et. gr. XXIX [1927] 205ff., war wohl Hinterland, das sich der Unterwerfung durch Rom 

frei und kein Sklave). Beim Fehlen positiver hartnackig widersetzt hatte, bis sie unter Augu- 

Beweise fiir die Einfiihrung der Industrie-S. nach 40 stus voUendet wurde. Erwahnung von Freigelas- 

Gallien und im Hinblick auf die zunehmende senen romischer Kolonisten in Urso (Baetica) im 

Schwierigkeit in der Beschaffung des Sklavennach- J. 44 v. Chr. (Bruns FIR 28 XCV 18) beweist zur 

wuchses ist kaum anzunehmen, daB die Topfer Geniige das Vorhandensein von Sklaven. Vgl. die 

Galliens und am Rhein der Sklavenklasse angehor- Klausel fiber das Festhalten der romischen Biirger 

ten. In der Tat kann man es als wichtigen Faktor von Salpensa an ihren Rechten uber ihre Frei- 

zur Erklarung des Zurtickgehens der S. im west- gelassenen FIR 30 = D e s s. 6088, XXIII und 

lichen romischen Reich ansehen, daB sich die In- die Vorkehrungen fiir die Freilassung von Sklaven 

dustrie-S. aus Italien nicht in Gallien aus- durch Einwohner mit latinischem Btirgerrecht 

breitete, als die Dezentralisierung der Handwerks- (ebd. XXVIII). Mit Ausnahme der spanischen 

Industrie einsetzte (vgl. das Versagen des frtih- 50 Goldbergwerke wurden die Abbaurechte, die der 

griechischen Systems, Sklaven in Handwerks- romische Staat iibernommen hatte, an Privatleute 

betrieben zu verwenden, im ptolemaischen Agyp- verkauft (CIL II p. 1001), die sie anscheinend 

ten: o. S. 932). Landarbeit wurde vor der Erobe- hauptsachlich mit Hilfe von Sklaven ausbeuteten 

rung Galliens durch Caesar bei den Kelten wie (40 000 Sklaven in den Bergwerken von Neu- 

auch bei den germanischen Stammen von Leuten karthago zur Zeit des Polyibius o. S. 971; S chul- 

verrichtet, die Vasallen der reicheren Stammes- ten Cambr. Anc. Hist. VIII 323. Rostovtzeff 

angehorigen waren. Obwohl nicht frei, muB ihre glaubt [Gesch. der Staatspacht, Philol. Suppl. IX 

Lage doch anders als die tatsachlicher Sklaven ge- 448ff.; Rom. Kolonat 361, 1], daB die Bergwerke 

wesen sein (Ed. Meyer Kl. Schr. I 179). Unter dem Staat gehorten und an GroBunternehmer ver- 

der romischen Provinzialverwaltung blieb dieses 60 pachtet wurden). Zu Beginn des Kaiserreichs, als 

Bauernlehnssystem bestehen. Die Landbestellung sich der Gedanke des Staatseigentums wieder mehr 

lag in den Handen eingeborener Bauern. Diese durchsetzte (Tiberius ergreift Besitz von den spa- 

waren Klienten, Schuldner oder freie Pachter des nischen Silberbergwerken, die einem gewissen Ma- 

stadtischen Adels und der Besitzer groBer Land- rius gehorten, Tac. ann. VI 19, o. Bd. VIII S. 2005), 

gtiter, die durch die Ausgrabungen auf dem linken herrschte die Tendenz, sie an kleine Pachter zu 

Rheinufer wohl bekannt geworden sind (Cumont vermieten (Rostovtzeff Gesch. der Staats- 

Comment Belgique fut romanisee [Bruxelles 1919] pacht 445ff.; Rom. Kolonat 360f. Hirschfeld 

40ff. Daremb.-SagL V 877ff. Dragendorff Verwaltungsbeamte 152f.); dabei wurde weiter 



1033 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1034 

Sklavenarbeit verwendet (Lex metalli aus Vipasca Apuleius, apol. 93, ai'beiteten wohl auf deren 

in Lusitanien Dess. 6891 = Bruns FIR 112, landlichen Besitzungen, s. Gsell Esclaves ru- 

llfE. 39f.); aber das Vorbandensein von freien be- raux, Mel. Glotz I 405. Vgl. Dig. XXXIII 7, 27, 1. 

zahlten Bergleuten zugleich mit Sklaven ist ebenso Rostovtzeff Geselisch. II 53). Die coloni 

erwiesen {servos mercennariosque ebd. 48f . Vgl. selbst mogen jeder einen oder zwei Sklaven gehabt 

die Strafen fur den dem Grubeneigentum zugefiig- haben, so Gsell ebd. 401. Wenn auch Sklaven 

ten Schaden, die fur Freie und Sklavenarbeiter im 3., 4. und 5. Jhdt. immer noch sowohl in den 

verschieden sind, Dess. 6891 = Bruns 113, familiae urbanae der reichen Gutsbesitzer wie 

28ff. 33fE. 40ff.). Die friiher im ganzen romischen auch auf den Landgiitern vorhanden waren (Gsell 
Reich getibte Praxis, Verbrecher — Sklaven wie 10 403ff.), so war doch die Zeit der Landwirtschafts- 

auch Freie — zu Arbeit in Bergwerken und Stein- S. als vorherrschendes Merkmal des nordafrika- 

briichen zu verurteilen, wurde noch in Bithynien nischen Wirtschaftslebens vortiber. 

wahrend der €rsten Jahrzehnte des 2. Jhdts. an- Nur wenige verstreute Angaben sind aus der 

gewandt (Plin. epist. X 3 If.), in Igypten im Kaiserzeit iiber die vom romischen Staat auf Skla- 

J. 209 n. Chr. (Z u c k e r S.-Ber. Akad. Berl. ven als Eigentum erhobenen Steuern uberliefert. 

XXVII [1910] 710ff., Freilassung eines verurteil- Fine direkte Steuer auf Sklavenbesitz wurde weder 

ten Sklaven, der fiinf Jahre in einem Alabaster- von den Untertanen in den Provinzen noch von 

bruch gearbeitet hatte. Vgl. K. Fitzler Berg- den romischen Biirgern erhoben. Die Abgaben, 

werke und Steinbriiche im rom. Agypten [1910] die Vitellius im J. 69 n. Chr. von den Freigelas- 
121. Die hixovQyoi in Agypten sind nach den Ur- 20 senen friiherer Kaiser erhob, waren nur eine Son- 

kunden zu schliefien wohl in der Hauptsache freie derbelastung ftir sie, die in der besonderen Ab- 

Arbeiter gewesen: Oert el Liturgie 83). Aber im sicht auferlegt wurde, ein seinen Soldaten ge- 

friihen Kaiserreich strebte man sichtlich danach, gebenes Versprechen zu erfiillen (Tac. hist. II 94), 

statt der Sklaven und Verbrecher ganz allgemein wonach die Zahl der Sklaven im Besitz jedes ein- 

freie Bergleute einzustellen (GIL II 5181, 49. Ill zelnendieserFreigelassenenzurungefahrenGrund- 

p. 9481; 0. Bd. IX S. 1507. Der Stamm der Pi- lage der Schatzung des zu erhebenden Betrages 

rusten in Dalmatien wurde von Traian nach Dakien gemacht wurde. Die alte vicesima manumissionum 

gefiihrt, um dort in den Goldbergwerken zu arbei- der Republik (o. S. 968), die im Grunde eine 

ten, Rostovtzeff Sozial- und Wirtschafts- Steuer auf die Bef orderung in den Stand der Frei- 
gesch. I 199). In Agypten hatte die Tendenz, 30 gelassenen war, bestand unter Augustus in glei- 

Bergwerks- und Steinbrucharbeiten als liturgische cher Weise weiter (s. 'proc(urator) XX lib(ertatis) 

Dienste der freien Bevolkerung aufzuerlegen, die als Inschrift auf einer Weinamphora in Pompeii, 

Sklavenverwendung auf diesem Gebiet im 4. Jhdt. Delia Corte Pompeii. I Nuovi Scavi e 1' Anfi- 

ersetzt (Fitzler 121ff. Der Anfang dieser Be- teatro [Pompeii 1930] 54. Vgl. Hirschfeld 

wegung kann wohl in das 3. Jhdt. verlegt wer- Verwaltungsbeamte 108). Diese Freilassungssteuer 

den, e r t e 1 Liturgie 87). wurde wohl zugleich mit der vicesima hereditatum 

In Nordafrika fielen nach der romischen Er- im 3. Jhdt., wahrscheinlich zur Zeit der Steaer- 

oberung viele der alten karthagischen Besitzun- reform durch Diocletian, aufgehoben (ebd. 109). 

gen, die von Sklaven bearbeitet wurden, in die Die Erhohung auf 10^ I o des geschatzten Wertes 
Hande der Romer, und zwar der Kriegsveteranen 40 des Sklaven unter Caracalla (Cass, Dio LXXVII 

und Auswanderer (Rostovtzeff Rom. Kolonat 9, 4) war nattirlich unpopular, und Macrinus stellte 

317ff. Lex agraria aus dem J. Ill v. Chr. Bruns 217 n. Chr. die friihere Hohe von S^/o wieder her 

FIR 11, 83 [quern agrum locum populus Romanus (LXXVIII 12). Im J. 7 n. Chr. ftihrte Augustus 

ex h. I. locahit, quem agrum locum Latinus pere- die Verkaufssteuer auf Sklaven zum erstenmal fur 

grinusve ex h. I, fossidehit, . . .] scripturam fOr die Kaufer, die romische Burger waren, ein, aber 

pulo aut publicano item dare debeto). Die Grunde nur in Hohe von 2 ^/o (Cass. Dio LV 31 to rs rsXog 

ftir diese Anderung lassen sich nicht mehr ermit- to rfjg nevxEKOoxfjg snl zfj rcbv dvdQaTiodcov utqclosc 

teln. Ihre Entwicklung verdrangte die Verwen- eloi^yayej^ was sehr bescheiden im Vergleich zu 

dung von Sklaven in der Landwirtschaft von ihrer der aus dem ptolemaischen Agypten bekannten 
Vormachtstellung als Wirtschaftsform in Nord- 50 ungefahr 200/oigen Steuer (o. S. 939) war. Zur 

afrika auf einen untergeordneten Platz (die Un- Zeit Neros betrug die Verkaufssteuer 4 ^/o. Neros 

geeignetheit der Sklaven zum Rigolen des Bodens Ratgeber in Finanzfragen versuchten, die Kaufer 

halt Rostovtzeff ebd. 319 fiir einen der von Sklaven von dieser Last zu befreien und die 

Grunde dieser Veranderung); aber die kaiserliche Verkaufer damit zu belasten. Dieser Versuch war 

Gesetzgebung des 2. Jhdts. iiber die groBen nord- nicht erfolgreich, well die Verkaufer nur den glei- 

afrikanischen Giiter (Lex de villae Magnae colonis chen Betrag dann einfach auf den Preis auf- 

BrunsFIR114. Ein Hadrian geweihter Altar schlugen (Tac. ann. XIII 31. Westermann 

enthalt Auszuge aus einer Lex Hadriana, 115. Slavery in Ptolemaic Egypt 44 Anm. 134). ZoUe 

Briefe von Prokuratoren tiber leere Landereien, auf Ein- und Ausfuhr von Sklaven, die vom Kaufer 
116. Eine Verordnung des Commodus auf Grund 60 entweder zum Weiterverkauf oder eigenen Ge- 

einer Klage der Bauern auf dem saltus Buruni- branch nach Italien eingefiihrt wurden, wurden 

tanusy 86) zeigt ganz klar, dafi ein groBer Teil zweifellos in den italischen Hafen ebenso wie in 

der Landarbeit in dieser Zeit durch Weiterver- den anderen Teilen des Reiches gefordert, und die 

pachtung an Bauern mit kleinen Besitzungen Unterlassung, solche Sklaven als zoUpflichtig an- 

(coloni) ausgeftihrt wurde. Unzweifelhaft verwen- zugeben, war strafbar (Dig. XXXIX 4, 16, 3). 

deten die GroBpachter, conduetores, weiter Skla- [Von hier an tibersetzt von W. KrolL] 

ven auf den Teilen ihni Gtiter, die sie direkt be- Eine der auffalligsten Erscheinungen an der 

wirtschafteten (die 400 Sklaven der Gattin des S. in der romischen Kaiserzeit ist der groBe Ein- 



1035 Stlaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1036 

fluB der Sklaven der kaiserlichen Familie {servi sammenhing, und nicht in die Pflichten der Be- 
Caesaris) wahrend der ersten beiden Jahrhun- amt^n iibergriffen oder mit diesen zusammen- 
derte n. Chr. Der Einflufi, den sie als Sklaven hangende Anspriiche erhoben (Hirschfeld 
ausgetibt batten, setzte sich in vielen Fallen tiber 412, 1. 413), lag in dieser Verwendung kaiser- 
ihre Freilassung hinaus bis an ihr Lebensende licher Sklaven nichts, was zu den Gepflogenheiten 
fort, wie viele Inschriften aus alien Teilen des der Zeit in innerem Widerspruch gestanden hatte. 
Reiches und die Literatur der Zeit bezeugen. Die- Die Geschiehte der cura aquarum der Stadt Rom 
ser Einflufi erklart sich aus der anerkannten ist Mr diese Entwicklung charakteristisch (o. 
Stellung, die Sklaven in der letzten Zeit der Bd. I VS. 1784). Dieser Pflichtenkreis war in der 
Republik als zuverlassige und tuchtige Vertreter 10 spateren Republik griindlich organisiert und un- 
der groBen familiae eingenommen batten (o. ter die Verwaltung der Censoren, Aedilen und 
S. 973f.), und aus dem groBenUmfang des person- Quaestor en gestellt worden. Sie vergaben die 
lichen Besitzes und Erbes der Kaiser. Unter Leitung der Wasserversorgung an Unternehmer, 
Augustus spielten diese beiden Einnahmequellen die ihre eigenen Sklaven fiir diese Arbeit ver- 
eine wichtige RoUe bei seinen Spenden (Mon. wendeten, wenn diese auch unter halboffizieller 
Anc. 18 eic privajto et patrimonio meo. Wilcken Aufsicht standen (Frontin. aqu. urb. Rom. 96. 
S.-Ber. Berl. Akad. 1931, 773. 777. 780). Sie ver- Halkin Esclaves publics 80). Als Agrippa im 
mehrten sich unter seinem Prinzipat durch reiche J. 33 v. Chr. Aedil wurde, schloB er sich diesem 
Vermachtnisse von Freunden, Klienten und Ver- Vorgehen an, indem er aus seinen eigenen Skla- 
wandten (Wilcken 783. Hirschfeld 20 ven eine Gruppe bildete, die er als eine dauernde 
Klio II 45 =5: Kl. Schr. 516). Zu diesen Erbmas- Korperschaft mit der Aufsicht iiber das Wasser- 
sen gehorten viele Sklaven, die auf diesem Wege sj^stem betraute. Nach seinem Tode wurden sie 
unter die servi Gaesaris gerieten (Klio II 51). durch Agrippas Testament unter die Sklaven 
Dess. 1821 Diogneto Ti. Au(gusti) ser(vo) Aly- des Augustus aufgenommen, wurden also servi 
piano zeigt, dafi Diognetus friiher dem Alypius Gaesaris. Augustus vermachte bei seinem Tode 
gehort hatte. Vgl. 1535. 1824. 1773. 1789. diese Gruppe dem Staat (Frontin. aqu. urb. Rom. 
Hirschfeld Klio II 49. Aufnahme von Skla- 98), so dafi sie in die Klasse der servi publici 
ven unter die Schar der servi Gaesaris wird auch Roms iibergingen (z. B. Laetus publieus populi 
unter Vitellius berichtet (Tac, hist. II 92). Die Romani aquarius Dess. 1975 = GIL VI 2345, 
wachsende Ausdehnung der Domanen und sonsti- 30 vgl. 2343. 8489), unter Leitung von Beamten 
gen Besitzungen der Kaiser in den kaiserlichen senatorischen Ranges mit dem Titel curatores 
und senatorischen Provinzen und die steigende aquarum (Halkin 80f.). Als Claudius die 
Umstandlichkeit und tJppigkeit des kaiserlichen stadtische Wasserversorgung durch den Bau neuer 
Haushalts (Hirschfeld Verwaltungsbeamte Aquadukte bereicherte, reorganisierte er die Ver- 
307) beforderte die Verwendung von Sklaven und waltung, indem er Freigelassene der kaiserlichen 
Freigelassenen fiir die vertraulichen und person- Familie als procuratores aquarum einsetzte (Fron- 
lichen Dienste, die erforderlich waren. Die griechi- tin. aqu. urb. Rom. 105) und zu den bestehenden 
schen Stadtstaaten und das republikanische Rom servi publici populi Romani eine Erganzung von 
batten sich langst daran gewohnt, fur den stadti- servi Gaesaris hinzuftigte, so daB unter Nerva der 
schen Dienst Sklaven zu verwenden, die dem 40 ganze Verwaltungskorper aus 240 servi publici 
Staat gehorten (iiber die Wichtigkeit der servi bestand, die sich aus der urspriinglichen von 
publici im republikanischen Rom vgl. L. Hal- Agrippa eingesetzten Mannschaft entwickelt hat- 
k i n Les esclaves publics chez les Romains [Briis- ten, und aus 460 servi Gaesaris (Frontin. aqu. 
sel 1897] 15). Infolge der iiberragenden Stellung urb. Rom. 116; vgl. Hirschfeld Verwal- 
der Kaiser in der Stadt und ihrem Interesse fiir tungsbeamte 273ff.). Im J. 22 v. Chr. schuf 
sie ist es schwer, einen scharfen Unterschied zu Augustus eine Feuerwehr, indem er 600 Sklaven 
machen zwischen den servi publici populi R. der als eine dauernde familia publica dafiir bestimmte 
Stadt und den kaiserlichen Sklaven, die dort tatig (Cass. Dio LIV 2, 4), deren Dienst sich nach den 
waren, abgesehen von der Auf bringung der Kosten Regionen der Stadt regelte; vgl. CIL VI 2342 
fiir ihre Unterhaltung. Wahrend Octavianus in 50 Barnacus de familia public(a) reg(ionis) Vlll. 
den J. 40 — 30 allmaUich an Macht gewann, und Halkin 85ff . 

noch mehr in der Zeit, wo er zur AUeinherrschaft Fur den wirklichen Betrieb des kaiserlichen 

gelangte (J. 27), war es natiirlich, daB er sich Palasthaushaltes wird es durch viele Weih- 

fiir die Einzelheiten der Verwaltung seines inschriften bezeugt, dafi Sklaven und Freigelas- 

groBen personlichen Vermogens an die Sklaven sene mit den Aufgabenkreisen betraut waren, fiir 

und Freigelassenen seiner familia Melt, deren die sie der Sitte nach in jedem groBen romischen 

Leistungsfahigkeit ihm bekannt war (Suet. Aug. Haushalt verwendet wurden, z. B. als Diener 

67, 2). Weil eine klare Scheidung zwischen seinen von Mitgliedern der kaiserlichen Familie oder 

eigenen Besitzungen und denen, die ihm als von kaiserlichen Verwaltungsbeamten {pedisequi 
Kaiser zufielen, fehlte, war es ein einf aches und 60 Dess. 1789. 1819. 1820, wahrscheinlich Diener 

bequemes Mittel fiir ihn, Leute aus dem Kreise eines kaiserlichen Prokurators in Carthago, 

seiner Sklaven fiir die Verwaltung seines kaiser- 1821. 1823f.); als paedagogi puerorum, Lehrer 

lichen Besitzes zu verwenden (Hirschfeld der die Bedienung im Kaiserpalaste besorgenden 

Verwaltungsbeamte 458. Rostovtzeff Gesellsch. Pagen (Dess. 1825. 1827. 1830; vgl. Fried- 

u. Wirtsch. I 50). Sofern sich die von diesen lander I 64); als Arzte (1843. 7811), Kam- 

Sklaven geleisteten Dienste innerhalb der Gren- merdiener (1746), Briefboten (1751. 1753), Auf- 

zen der Arbeit hielten, die unmittelbar mit dem seher iiber den Hausrat (1772ff.), Aufseher der 

kaiserlichen Haushalt und seinem Besitz zu- VsHsLstheleuchtmig (expeculiarislampadaris'llSO); 



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Verwalter der Salben (unctores), Sklaven, die mit Kopfzahl des aulicum ministerium (ebd. 41, 3) 
der Auswahl der zu bestimmten Trachten zu wurde herabgesetzt und die Sklaven auf die Pflich- 
tragenden Edelsteinen betraut waren (ornatores, ten beschrankt, die man in friiherer Zeit als dieser 
-trices 1784 — I'J'SGa. 1789ff.) oder mit der Auf- Kaste zukommend betrachtet hatte, d. h. Boten, 
sicht liber bestimmte Kleidungsstticke (1759f.), Koche, Backer, Walker und Badediener (42, 2). 
Schneider und Flickschneider (sutor 1787, sar- Die Verwendung von Eunuchen wurde auf das 
einatrix 1788. 7428f.); Mundschenk an der kaiser- Frauenbad beschrankt (43, 5). Wahrend der Peri- 
lichen Tafel (adiutor a vinis 1794); offizieller ode der Anarchie und der Wiederaufrichtung der 
Vorkoster (praegustator 1795); Aufseher uber kaiserlichen Macht im 3. Jhdt. hatten die servi 
Kultgerate (7886), liber Vorrate 376, dispens(ator) 10 Gaesaris wenig Gelegenheit, ihre frlihere Macht 
a frumento 410 (vgl. Friedlander I 68ff. wieder zu erlangen, da die Soldatenkaiser ein 
Fair on L'organisation du Palais Imperial. rauhes Kegiment flihrten. 

Musee Beige IV [1900] 5). Die groBe Zahl von In der Provinzialverwaltung war die Verwen- 
Sklaven, die einem neuen Kaiser zufiel, konnte, dung von liberti Augusti bzw. Gaesaris im all- 
da sie sein Eigentum war, zu Geschenken an gemeinen auf solche Stellungen beschrankt, die 
Freunde zu politischen Zwecken verwendet wer- der Kaiser direkt mit solchen Mannern besetzen 
den Oder zur Gewinnung der Volksgunst (Vespa- konnte, die als seine personlichen Vertreter am- 
sian bietet Vitellius einen Ruhesitz, Geld und tieren sollten. Obgleich der Titel Prokurator all- 
Sklaven an Tac. hist. Ill 6Q; Titus beschenkt das gemein verwendet wurde, um die Stellung eines 
Theaterpublikum mit Sklaven Cass. Dio LXVI 20 freigelassenen Gliterverwalters jedes reichen romi- 
25, 5; Script, hist. Aug. Al. Sev. 58, 3. 5; Zuwei- schen Privatmannes zu bezeichnen (vgl. den liher- 
sung eines Gefolges von 14 Sklaven an einen Tri- tus Agathapus, der in Tiberius' Zeit jzQovorjrrig 
bunen im Brief an den Prokurator von Syrien ebd. uzdvtcov = procurator omnium negotiorum seines 
Claud. Goth. 14, 7). Es ist auch leicht begreif- Patrons war, Syll. or. II 660), waren die Kaiser 
lich, daB die Kaiser als die reichsten Kapitalisten in seiner Anwendung auf Freigelassene zurlick- 
und groBten Sklavenhalter der romischen Welt haltend. Augustus selbst berief verschiedene Frei- 
so wie jeder andere reiche Besitzer die in bestimm- gelassene in hohe Stellungen, wie im Fall des Li- 
ten Fertigkeiten ausgebildeten Sklaven benutzten, oinius (Suet. Aug. 67 multos Ubertorum in honore 
um das Einkommen des kaiserlichen Hauses durch et usu maximo hahuit, ut Licinium et Geladium 
Ausubung ihres Gewerbes oder durch Verkauf zu 30 aliosque), der das Amt eines Prokurators in Gal- 
vermehren (Cass. Dio LIX 28 mit Bezug auf Ca- lien bekleidete, jedoch wahrscheinlich ohne den 
ligula; Verkauf von Gladiatoren durch diesen Titel (trotzdem ihn Cass. Dio LIV 21, 3 als em- 
ebd. 14). Man findet daher servi Gaesaris in der tQonog xfjg raXarlag bezeichnet. Vgl. Hirsch- 
Textilindustrie (G u m m e r u s o. Bd. IX S. 1457), f e 1 d Verwaltungsbeamte 377, 7). Unter Tiberius 
als Edelsteinhandler, Gold- und Silberschmiede wissen wir von einem kaiserlichen Freigelassenen, 
(ebd. 1458. 1504); im Baugewerbe, in dem sie in der vorlibergehend das Amt eines Praefectus 
groBererZahl erscheinen, als die kaiserliche Macht Aegypti bekleidete (Cass. Dio LVIII 19, 6. Phil. 
wachst (ebd. 1461). Ein praepositus der Lehrlinge Flacc. 1,2); doch wurde ihm nicht das Kommando 
des Spiegelmachers wird CIL VI 8659 erwahnt liber die dort liegenden Legionen libertragen 
(Gummerus 1493). Auf den EinfluB, den 40 (Hirschf eld 380). Das Anwachsen der Zahl und 
manche Sklaven des kaiserlichen Haushaltes durch des politischen Einflusses dieser frliheren Skla- 
ihre notwendigerweise enge Verbindung mit der ven war rapide. Unter Claudius wurde ein Bruder 
Person des Kaisers in den ersten beiden Jahrhun- des machtigen Freigelassenen Pallas, namens Fe- 
derten gewannen, werfen ein Licht die Falle des lix, zum Prokurator von ludaea mit dem Ober- 
Helikon, Sklaven (avSQaTiodov Phil, leg. ad Gai. befehl liber die Truppen ernannt (Suet. Claud. 
166) der Kaiser Tiberius und Gains, dem die 28, 1 ; vgl. Neros Drohung, er woUe die Provinzen 
jlidische Gesandtschaft aus Alexandria unter Phi- und den militarischen Oberbefehl den Bittern und 
Ion HaB gegen ihr Volk und Bestechung durch Freigelassenen libergeben. Suet. Nero 37, 3. So- 
ihre Gegner zum Vorwurf machte (ebd, 172); des wohl unter Claudius als unter Nero erscheinen 
Asiaticus, Freigelassenen des Vitellius (o. Bd. II 50 kaiserliche Freigelassene als Befehlshaber der 
S. 1578); des Parthenius. cubiculo praepositus Flotte von Misenum. Hirschfeld 226), Die 
(Suet. Dom. 16, 2), und Sigerus (Bd. IIA S. 2277), Machtstellung, zu der solche Freigelassene auf- 
cubicularius des Domitian, und des phrygischen steigen konnten, wird gut beleuchtet durch die 
Sklaven Cleander, der als Freigelassener unter Tatsache, daB 16 assistierende Sklaven (mcarii) 
Commodus cubicularius wurde (Script, hist. Aug. des Musicus Scurranus, Freigelassenen des Tibe- 
Commod. 6, 3). Es hieB, er habe Freigelassene in rius uild frliheren Kassierers beim Fiskus in Gal- 
den Senat aufgenommen, Stellen in den Provinzen lia Lugdunensis, bei seinem Tode in Rom um ihn 
verkauf t und 25 Consuln in einem Jahre ernannt waren (D e s s. 1514. Plin. n. h. XXXIII 145 iiber 
(ebd. 6, 9fE. Friedlander I 60ff.). Auf die den Luxus des Sklaven Rotundus, dispensator 
lible Nachrede liber das emporende Verhalten des 60 Hispaniae citerioris, in der Zeit des Claudius). 
Elagabalus und der Sklaven seines Haushaltes Gut bekannt sind Name Und Laufbahn der mach- 
(Script. hist. Aug. Elag. 6, 1. 11, 6. 25,5. 26,6. tigen Freigelassenen, die in der Zentralverwaltung 
Der Wagenlenker Hierocles, ein syrischer Sklave, in Rom tatig waren, Polybius a studiis, Pallas a 
gait flir Elagabals Liebhaber 6, 5. Cass. Dio rationibus. Narcissus ab epistulis, Castor a me- 
LXXIX 10, 3) folgte unter Alex. Severus derVer- moria et a cubiculo (Suet. Claud. 28. Cass. Die 
such, die alten Scheidemauern zwischen Sklaven, LX 14, 3f. LXXVI 14, 2. Vgl. Friedlander 
Freigelassenen und Rittern wieder aufzurichten I 52. Daremb.-Sagl. Ill 1218). In den Inschriften 
(Script, hist. Aug. Sev. Al. 19, 4. 23, 3). Die linden wir Freigelassene, die auf den Inseln und 



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in anderen Bezirken von geringerer Bedeutung, f e 1 d 462, 3. 463, 2). In "Ubereinstimmung mit 
besonders in Afrika, leitende Verwaltungsposten den Anordnungen des Gnomon des Idios Logos 
bekleiden (Hirschfeld 380 mit Bezug auf in Agypten (o. Bd. IX S. 882) darf ein kaiserlicher 
OIL X 6785: Metrobius als Prafekt von Panda- vicarius kein Eigentum erwerben und keine Frei- 
teria, und 7494 Ghrestion Aug, lib. proc. insula- gelassene heiraten (BGU VI 1, 110. P. M. Meyer 
rum Melitae et Gauli). Kaiser Traian benutzte Jurist. Papyri 344). Diese Bestimmung gait offen- 
seinen Freigelassenen Lycormas in der Zeit un- bar nicht nur fiir den servus ordinarius (Beispicl 
mittelbar vor seinem Partherkriege zu einer ver- einer Heirat mit einer Freigelassenen CIL X 529. 
traulichen diplomatischen Mission an den bospo- Dess. 1787. Vgl. Taubenschlag Ztschr. 
ranischen Konig Sauromates (Plin. epist. X 63. 10 Sav.-Stift. L 161, 7). Als Hadrian den Weg be- 
67). Freigelassenen, die mit der Verwaltung des schritt, die kaiserlichen Freigelassenen in alien 
patrimonium in den Provinzen zu tun batten, hoheren Verwaltungsposten durch Hitter zu er- 
wurde spater der Titel Prokurator verliehen; aber setzen (Hirschfeld 478), muB auch eine ge- 
ihre Tatigkeit war in der Hauptsache auf die wisse Minderung des Einflusses und der Stellung 
Finanzverwaltung beschrankt (Hirschfeld der kaiserlichen Sklaven eingetreten sein. Ab- 
381, 4). Die Beschaftigung der wirklichen kaiser- gesehen von einer vortibergehenden Reaktion unter 
lichen Sklaven, so lange sie in diesem Stande ver- Mark Aurel zugunsten einer Anstellung von servi 
harrten, war auf die von Unterbeamten und Hel- Caesaris als Prokuratoren (Hirschfeld 381, 4) 
fern der Provinzialbeamten beschrankt, etwa von erscheinen sowohl Sklaven im kaiserlichen Dienst 
tabularii in den verschiedenen Rechnungshofen, 20 als Freigelassene in hoheren Stellen mit steigen- 
proximi und adiutores der Proconsuln, dispensa- der Seltenheit (Freigelassener Prokurator der prae- 
tores und arcarii in den provinziellen Kassen, und dia Quadratiana in Phrygien unter Alex. Seve- 
auf andere ahnliche Schreiber- und Subalternstel- rus. Journ. Rom. Stud. XIV 28 nr. 7). Wahrend 
lungen (Hirschfeld 460. CIL III 6082, 19 der letzten Halfte des 3. Jhdts. n. Chr. verschwin- 
• ab iis qui sunt in tabulario Ephes(i). 6077, 7 col- den Sklaven und Freigelassene aus den niederen 
legia lib(ertorum) et servorum domini n(ostri) Verwaltungsposten des Reiches und werden durch 
Aug(usti) . . . Magnum et Minervum tabulariorum. eine neue, aus der freien Bevolkerung entnom- 
D e s s. 1421 Salvianus Aug(usti) n(ostri) vern(a) mene Beamtenschaft ersetzt (Hirschfeld 486). 
dispensator rationis extraord(inariae) provinc(iae) Die groBe Zahl der Grabschriften, die in den 
Asiae. 1516 Piero Caesaris vern{ae) a commen- 30 ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit zur 
tariis fisci Asiatici. Dess. 1503 kommt ein Sklave Erinnerung an kaiserliche Sklaven oder von sol- 
vor als vicarius (Untergebener) seines Herrn, der chen zur Erinnerung an ihre Familien gesetzt 
ein servus Caesaris war und zu den Zahlmeistern sind, liefert den besten Beweis fiir ihren Wohl- 
derProvinz Achaea gehorte (vgl. 1504). Zahlreiche stand, ihr Familiengefiihl und ihr BewuBtsein 
Beispiele von kaiserlichen Sklaven in solchen sub- einer anerkannten sozialen Stellung. Die f olgenden 
alternen Stellungen in Dessaus Indices III 1, Beispiele sind aus einer langen Liste ausgewahlt: 
414 — 435. Die Grabschriften, die ihre Beschaf- Grabinschrift einer Frau, die nicht Sklavin ist, 
tigung angeben, verraten den Stolz auf die von ftir ihren Mann, einen verna Augustorum, aus 
ihnen erreichten Stellungen. In den palmyreni- Karthago, Dess. 1510; eines verna Caesaris aus 
schen ZoUbestimmungen des J. 136/37 n. Chr. 40 Bithynien, 1539; einer Frau, die nicht Sklavin 
hatte ein kaiserlicher Freigelassener Kilix als Er- ist, fiir ihren Mann, einen Sklaven Neros, 1760; 
heber der portoria in Palmyra den Zoll f estgesetzt, einer Frau, Nichtsklavin, fiir einen Sklaven des 
der von unbeladenen Kamelen zu erheben war Tiberius, 1773; eines Sklaven fiir seine Frau, 
(Syll. or. 629, 90), und sein Name wurde weiter- Nichtsklavin, aus Karthago, 1820; eines vicarius 
hin als der des IFrhebers dieser ZoUbestimmung Thyrsus, vermutlich Sklaven des Diognetus Aly- 
genannt. Aus Gai. I 19 si quis . . . servorum pro- pianus, der Sklave und ohexster pedisequus des Ti- 
curatoris habendi gratia . . . apud consilium manu- berius war, 1821; eines pedisequus (Sklaven) und 
mittatj und aus dem Fehlen von als Prokuratoren seines KoUegen fiir die Mutter des ersteren, 1823; 
amtierenden Sklaven in den Inschriften kann man eines Sklaven des kaiserlichen Hofes fiir einen 
den SehluB ziehen, daB den servi Caesaris der 50 anderen, 1826; einer Frau, die nicht Sklavin ist, 
Prokuratortitel, der Freigelassenen zeitweise ver- fiir ihren Gatten, einen servus Caesaris, den sie 
liehen wurde, versagt war. Es ist unwahrschein- coniunx nennt, 1830; eines Sklaven, medicus chi- 
li^, daB in Agypten der Stratege eines Nomos rurgus der Antonia, Gattin des Nero Drusus, fiir 
durch einen kaiserlichen Sklaven vertreten werden Chreste, seine Mitsklavin und Gattin, 7811; einer 
konnte (Pap. Lond. II p. 98, dazu W i 1 c k e n Frau, Sklavin, die sich coniunx nennt, und ihres 
Arch. f. Pap. I 145). Trotz dieser Beschrankungen Sohnes, Sklaven, fiir ihren Gatten, Pachter auf 
bildeten im 1. Jhdt. n. Chr. die kaiserlichen Skla- dem fundus Faccianus, 8555. Grabschriften, die 
ven zusanmien mit den kaiserlichen Freigelas- von kaiserlichen, auf den Domanen des Kaisers 
senen eine neue wichtige Gruppe in der Gesell- beschaftigten Sklaven gesetzt sind, verwenden in 
schaft des Reiches (Rostovtzeff Gesellsch. I 60 bezug auf ihre Verwandten die bei Personen freien 
88. Cass. Dio LXVIII 18, 2 nennt als Leute, deren Standes iiblichen Ausdriicke (aus Kleinasien 
Stellung sie befahigte, unter Macrinus als Angeber ^AaxXrjmadr] naxQi xal Mofjila fjLTjXQl Mon. Asiae 
aufzutreten, Sklaven, Freigelassene und Soldaten, Min. Ant. I 26. avbgl ylvHvxdxoy 28. In Rom 
die Sklaven und Freigelassenen des kaiserlichen wird ein Sohn von Eltern, die bei seiner Geburt 
Haushaltes, Ritter, Senatoren und einfluBreiche Sklaven Nervas waren, und der daher selbst ser- 
Frauen). In dieser Sklavenbiirokratie finden sich vus Caesaris war, Hlius eorum genannt, Dess. 
Rangunterschiede, da die servi ordinarii eine 1763). Obwohl ihr Recht auf eine legitime Ver- 
hohere Stellung haben als die vicarii (H i r s c h - heiratung bezweif elt werden kann (M o m m s e n 



1041 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1042 

St.-E. II 836, 5), fiihlten sie sich gesellschaftlich (Rostovtzeff Gesellsch. II 190). Dieser 
nicht als unter dem Zwange des romischen Rechts- NivellierungsprozeB wurde dadurch bef ordert, 
satzes stehend, nach dem ihre Kinder nullo patre dafi die niederen Schichten der freien Bevolke- 
waren und ihre Ehen nicht denen von Freien rung in den Munizipien und Dorfern des ganzen 
gleichgestellt waren (Ramsay Aberystwyth Reiches den von der Zentralregierung ausgehen- 
Studies, IV 11, 2; vgl. Allard Esclaves Chre- den fiskalischen Anspriichen der Biirokratie aus- 
tiens 271). Sie genossen nicht das Privileg des geliefert wurden (ebd. II 211). Dies fiihrte zu 
Unterhaltungszuschusses, der den servi fublici ge- einem wachsenden Gefiihl der Interessengemein- 
zahlt wurde (s. Halkin 112 tiber dieses und schaft zwischen der armen freien, freigelassenen 
andere Privilegien der sevci publicL Commoda ea; 10 und Sklavenbevolkerung; diese kam zum Aus- 
aerario wurden den Staatssklaven gezahlt, die mit bruch, als man im J. 61 beschloB, alle Sklaven des 
der Wasserversorgung Roms zu tun hatten, Fron- Pedanius Secundus zu toten, weil er von einem 
tin. aqu. urb. Rom. 118; vgl. Plin. epist. X 31, 2). unter ihnen ermordet worden war. Dieser Be- 
Dieser Unterschied zwischen den beiden Sklaven- schluB veranlaBte einen Aufruhr unter der romi- 
arten wird von M o m m s e n St.-R. II 836 daraus schen Bevolkerung, der emst genug war, um das 
erklart, daB die strengen, vom romischen Recht Eingreifen der bewaSneten Macht notig zu 
den Privatsklaven auferlegten Besehrankungen machen (Tac. ann. XIV 42. 45). Unter Tiberius 
auf die servi Caesaris genaue Anwendung fanden. zwang das Publikum bei einer Theatervorstellung 
Trotz des Mangels einer Besoldung mussen die den Kaiser, einen Schauspieler freizulassen (Suet, 
serm Caesaris Geld zur Verfiigung gehabt haben, 20 Tib. 47). SchlieBlich entwickelten sich Freilas- 
so in dem Falle des Sklaven von Domitians Frau, sungen dieser Art, die durch Druck von seiten des 
der die Ziegel und die Vergoldung der Dachtafe- Theaterpublikums erreicht wurden, zu einem MiB- 
lung in einem ApoUontempel in Kleinasien be- branch, gegen den die kaiserliche Gesetzgebung 
zahlte (Mon. Asiae Min. Ant. IV 293). einschreiten muBte (ErlaB des Mark Aurel, 
Man gibt allgemein zu, daB die Lage der Skla- Dig. XL 9, 17. Jonkers Mnemos. 3. Ser. I 
\eninltalienund ihre Behandlung verglichenmit [1934] 242). Im 3. Jhdt. wurde die EinreiBung 
den friiheren Zustanden in Italien und Sizilien der Klassenschranken zwischen Freien und Skla- 
wahrend der ersten beiden Jahrhunderte der Kai- ven unter den Christen offen anerkannt, als Papst 
serzeit eine merkliche Veranderung in der Rich- Calixtus das Zusammenleben freier christlicher 
tung auf eine menschlichere Behandlung erlitt 30 Frauen und christlicher Sklaven offiziell an- 
(A. Schneider Zur Gesch* d. Sclaverei [1892] erkannte, weil eine gesetzmaBige Ehe fiir sie un- 
20. F. V 1 1 m a n n Uber das Verb, der spateren moglich war (Hippol. philos. IX l2. Harnack 
Stoa zur S., Erlangen 1890, 5. Ed. Meyer Kl. Mission P 177, 5. Jonkers 262). Dieser Wan- 
Schr. P 209. Barrow Slavery 30. 50. R o - del in dem sozialen Empj&nden den Sklaven gegen- 
stovtzeff Gesellsch. II 83). Diese Entwick- uber zeigt sich am deutlichsten in der Reihe der 
lung mag mit der Zunahme der Vorrechte zusam- kaiserlichen Verordnungen der ersten drei Jahr- 
menhangen, die die servi publici in Italien und hunderte, die die geseUschaftliche und gesetz- 
den romischen und latinischen Kolonien des liche SteUung der Unfreien zu bessern suchten 
Westens errangen (Halkin 229), und mit der (Schneider Sclaverei 28). Durch eine lex Pe- 
ehrenvoUen Stellung, die Sklaven und Freigelas- 40 tronia de servis des J. 19 n. Chr. (o. Bd. XII 
sene des kaiserlichen Haushaltes durch ihre tiich- S. 2401) wurde das frtihere Recht des Sklaven- 
tigen Leistungen in dor Reichsverwaltung sich er- halters iiber Leben und Tod durch die Bestim- 
oberten. Die unterwtirfige Haltung, die Manner mung eingeschrankt, daB die Verwendung von 
senatorischen Ranges gegen servi Caesaris ein- Sklaven zum Kampf mit wilden Tieren nur mit 
nahmen, deren groBe Aufwendungen ftir Wohl- behordlicher Erlaubnis gestattet war (vgl. das 
tatigkeit, ihre Verheiratung mit Frauen aus den bei Gell. V 14, 27 angefiihrte Beispiel der Ver- 
hbchsten Kreisen Roms und sogar mit Konigs- urteilung eines Sklaven zur Arena). Im J. 20 
tochtern wie im Falle des Felix, kaiserlichen Frei- wurde durch ein Senatusconsultum fiir den Pro- 
gelassenen und Prokurators von ludaea (Suet. zeB gegen einen verbrecherischen Sklaven das- 
Claud. 28. Tac. hist. V 9. loseph. ant. XX 141ff. 50 selbe Verfahren eingefiihrt, das gegen Freie tib- 
Friedlander I 46), mussen auf das allgemeine lich war (Dig. XLVIII 2, 12, 3). Durch eine unter 
Verhalten gegen die Sklaven im ganzen Reich und Claudius erlassene Verfiigung wurde die Totung 
besonders in Rom zurtickgewirkt haben. Im ersten von kranken oder gebrechlichen Sklaven durch 
Jahrhundert fand die Veranderung des gesell- ihren Besitzer dem Morde gleichgestellt; und 
schaftlichen Empfindens in diesem Punkte ihren wenn ihre Herren sie auf der Askulapinsel aus- 
Ausdruck bei drei Schriftstellern der Oberklasse, setzten, um sich der Verpflichtung arztlicher Fur- 
die ganz verschiedene Interessen und Schichten sorge fiir sie zu entziehen, so wurden sie im 
vertreten, namlich Seneca, Petron und Plinius Falle der Genesung frei (Suet. Claud. 27. Dig. XL 
d. J. Andere auBere Griinde, die zu der Verande- 8, 2). Unter Domitian wurde die Kastration von 
rung beitrugen, liegen in der Abnahme der 60 Sklaven zum Zwecke des Verkaufes als Eunuchen 
Sklavenzahlen im Verein mit der Tatsache, daB unter sagt (Suet. Dom. 7). Die Anwendung dieses 
die Freilassungen in weitem Umfange weiter- Gesetzes wurde durch ein Reskript Hadrians aus- 
gingen (A. P e r s s o n Staat und Manuf aktur im gedehnt, das die Kastration von Freien oder 
rom. Reiche. Lund 1934, 54), und im Anwachsen Sklaven mit oder ohne ihre Zustimmung verbot 
der Leistungen fiir den Staat, die im 3. Jhdt. von (Dig. XLVIII 8, 4, 2). Domitians Gesetz gegen 
der freien Bevolkerung verlangt wurden und die Kastration fand wahrscheinlich auch auf die 
mit einer Nivellierung der Lebenshaltung der Sklaven in Agypten Anwendung (Gnomon des 
armen freien und der Sklavenbevolkerung endeten Idios Logos BGU V 112ff.; vgL Schubart 



1043 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1044 

Aegyptus XIV 89). Hadrian verbannte eine eine notwendige Konzession an die Realitaten des 

romische Matrone, die ohne Grund gegen ihren wirtschaftlichen Druckes der Zeit (Jonkers 

Sklaven grausam gewesen war, auf fiinf Jahre 270). Ober die Gesetzgebung znm Schutze der 

(Dig. I 6, 2), und er nahm Sklavenhaltern das Freilassung und der Interessen der Freigelas- 

Recht, ihre Sklaven zu toten, und wies es den senen, ahnlich der oben aufgezeigten fiir die 

Gerichtshofen zu (Script, hist. Aug. Hadr. 18, 7). Sklaven, vgl. Schneider 34. Brasloff So- 

Obwohl der altere Plinius die Verwendung von zialpolitische Motive in der rom. Rechtsentw. 

Sklaven aus den ergastula zum Landbau deutlich (Wien 1933) 32, 52. Als Rechtfertigung fur seine 

verwarf (Plin. n. h. XVIII 36), war diese Sitte Freude an haufigen Freilassungen gibt Plin. 
zu seiner Zeit noch iiblich (vgl. Sen. de ira III 10 epist. VII 32, 1 an, er wiinsche, dafi seine Vater- 

3, 6). Doch gibt Plinius d. J. an, dafi er und stadt an Blirgerzahl zunehme. Eine ahnMche Be- 

seine Nachbarn in der Poebene aufgehort hatten, grtindung fiir die Freilassung von Sklaven, die 

sie zu verwenden (Plin. epist. Ill 19, 7), und unter bei Cass. Dio LVI 7, 6 dem Augustus in den 

Hadrian schafEte die Gesetzgebung die ergastula Mund gelegt wird, ist auf Dios eigene Zeit zu 

zur Bestrafung von Freien wie von Sklaven ab beziehen, da es gut bekannt ist, daB Augustus' 

(Script, hist. Aug. Hadr. 18, 9). Hadrian verbot eigene Gesetzgebung (Lex Fufia Caninia und 

aueh den Verkauf eines mannlichen Sklaven in Aelia Sentia) eher dazu neigte, die Freilassung 

eine Fechterschule oder eines weiblichen ins einzuschranken, als sie zu fordern. tJber die 

Bordell ohne ausdrtickliche Angabe des Grundes Vermutung, dafi die Begiinstigung der Sklaven- 
(ebd. 18, 8). Unter seiner Regierung wurde auch 20 befreiung in den spateren Zeiten der finanziellen 

die Sitte, Aussagen von Sklaven eines ermordeten Schwierigkeiten auf dem Wunsch des Staates be- 

Herrn auf der Folter zu erpressen, insofern ge- ruhte, die Zahl derjenigen zu erhalten, die ge- 

inildert, als nur die Sklaven so befragt werden notigt waren, den vom Staat gestellten Anforde- 

soUten, die nahe genug gewesen waren, um rungen zu geniigen, s. Jonkers Economische 

Kenntnis von dem Verbrechen zu haben (ebd. 18, en Sociale Toestanden in het Romeinische Rijk 

11. Dig. XLVm 18, 1, 1). Unter Antoninus (Wageningen 1933) 134. 

wurde die grundlose Totung des eigenen Sklaven Die herkommliche Ansicht iiber die Gesetz- 
unter dieselbe gesetzliche Kategorie gestellt wie gebung der ersten beiden Jahrhunderte der Kaiser- 
die eines fremden (Gai. I 53; tiber weitere gesetz- zeit schreibt der spateren Stoa einen starken Ein- 
liche Mafiregeln des Antoninus zur Erleichterung 30 flufi auf Geist und Wesen der kaiserlichen Ver- 
der S. s. u. Bd. IAS. 1831). Unter Diocletian fiigungen zu, besonders derjenigen, die es mit 
konnte die schwerste Strafe an dem Eigentiimer dem Schutze der Sklaven zu tun haben (L e f e r - 
voUzogen werden, der seinen Sklaven totete (Cod. r i e r e Mem. de I'Acad. des Sciences Morales 
Theod. IX 12, 1). Dieser Eingriff in das Recht 1860, 597. Wall on L'esclavage III 19. Voll- 
des dominus tiber Leben und Tod, das ihm nach m a n n tJb. das Verb, der spat. Stoa z. Sklav. 
dem ius gentium zustand, wird von Gains aus 7. 11. 53. Lichy De servorum condicione quid 
dem Geist der Zeit heraus gerechtfertigt: sed hoc senserit Seneca, Mtinster 1927). Zweifellos waren 
tempore neque civibus Romanis nee ullis aliis die romischen Juristen des letzten Jahrhunderts 
hominibus, qui sub imperio populi Romani sunt, der Republik Anhanger der einen oder anderen 
licet supra modum et sine causa in servos suos 40 griechischen Philosophenschule (Kiibler Atti del 
saevire (ebd. 52). Ein Sklave, der von seinem Congressolnternaz. di diritto Romano 1 1933, 84; 
Herrn ungerecht behandelt zu sein behauptete, ausfiihrliche Literaturangaben s. Anm. 4), und 
konnte durch Flucht in einen Tempel oder zur die Stoa stand in hoher Achtung bei ihnen 
Statue des Kaisers ein Asyl finden (Cod. Theod. (ebd. 92). Der von den klassischen Juristen ge- 
IX 44, 1); auf diese vortibergehende Rettung billigte Gedanke, daB die S. auf der gemein- 
soUte eine an den praefectus urbis zu richtende samen Praxis aller Volker beruhe, aber contra 
Beschwerde f olgen (Dig. I 12, 1, 1. Schneider naturam sei, mag stoischen Ursprungs sein 
25). Diocletian verbot die Aussetzung von Skla- (E. Nestle Humanist. Gymnasium 1926, 156; 
venkindern (Cod. Theod. V 9, 1). Constantin blieb seine Behauptung ist iibertrieben nach S t r o u x 
es vorbehalten, die der Menschlichkeit ent- 50 Summum ius summa iniuria, Festschr. f . Speiser- 
sprechende Anordnung zu treffen, daB bei Erb- Sarasin [Lpz. 1926] 35, 82); aber die juristische 
teilung eines Besitzes die zum Eigentum des Vorstellung ist scharf zu scheiden von den gesetz- 
Verstorbenen gehorenden Sklaven so verteilt lichen Bestimmungen, die auf praktischen Er- 
werden soUten, daB nicht Vater und Kind, Mann wagungen beruhten und die Anpassung des 
und Frau, Bruder und Schwester getrennt wur- Staates an unmittelbare Bediirfnisse und an 
den (ebd. II 25). Aus der im J. 294 veroffent- lokalen oder allgemeineren Druck widerspiegel- 
lichten Verfiigung Diocletians gegen den Ver- ten, den groBere oder kleinere, eine offentliche 
kauf von Kindern durch ihre Eltern (Cod. lust. IV Stellungnahme darstellende Gruppen ausiibten. 
43, 1) ist zu schliefien, daB in dem wirtschaft- Die Itickenhafte Kenntnis, die wir von hervor- 
lichen Elend der zweiten Halfte des 3. Jhdts. 60 ragenden Vertretern der mittleren Stoa (Panai- 
eine Neigung bestanden hatte, zu dieser Praxis ties, Poseidonios, Hekaton) gewinnen, zeigt, daB 
zuriickzukehren. Constantin gestattete im J. 329 sie eine ablehnende Haltung gegen die Arbeit, in- 
den Eltern, in Fallen auBerster Armut und Be- begriffen Sklavenarbeit und Sklaven, einnahmen 
durftigkeit ihre Kinder zu verkaufen unter der (Lichy 35 zitiert Cic. off. II 24 sit sane ad- 
Voraussetzung, daB sie immer das Recht behiel- hibenda saevitia ut heris in famulos, si aliter 
ten, sie zuruckzukaufen (ebd. IV 43, 2). Diese teneri non possunt). tTber die Ansicht, daB in der 
scheinbare Riickkehr zur liberalistischen Praxis klassischen Periode der romischen Rechtswissen- 
der Kaiserzeit in bezug auf S. erklart sich als schaft eher die Gegner des Stoizismus als die 



1045 SHaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1046 

Stoiker selbst auf der aequitas als der Grundlage spricht, sondern es kommt ihm auf eine genaue 
der Gesetzesauslegung bestanden (voluntas im Definition von Freiheit und S. an. Freiheit ist 
Gegensatz zu der starren stoischen Auslegung nach nicht die blofie Handlungsfreiheit (14, 3fE. 13S.); 
verba) s. K ti b 1 e r 92. Der Beginn der kaiser- auch kann S. nicht durch den fiir einen Menschen 
lichen Gesetzgebung zur Abstellung tiblicher Mifi- gezahlten Kaufpreis ausgedriickt werden (llff. 
brauche, in der Behandlung der Sklaven ist vor 15, 29) oder durch Ketten oder Brandmale oder 
das Keif en von Senecas Anschauungen uber die Arbeit in der Miihle (14, 19); sie hat auch nicht s 
Notwendigkeit einer milden Behandlung der mit der Geburt von unfreien Eltern noch mit der 
Sklaven (Lichy 37. 43) und in eine Zeit zu Rasse zu tun (15, 30). Freiheit ist eine Frage 
setzen, wo die Stoiker bei den Lenkern des 10 des Gharakters: der Edelgesinnte ist frei, der 
Reiches unbeliebt waren (Kubler 92). Das auf- unedel Denkende Sklave (ebd, 31). ImWesten er- 
fallige Fehlen von Verfiigungen zum Schutze scheint die Formulierung der spatstoischen Hai- 
der Sklaveninteressen in den acht Jahren, in tung, wie wir sie aus Seneca kennen, mit kleinen 
denen Seneca politische Macht hatte (Jonkers Veranderungen wieder bei Epiktet (Lichy 36; 
Economische Toestanden 135, 2) zeigt zur Ge- vgl. Bonhoffer Die Ethik Epiktets [Stutt- 
ntige die Unfruchtbarkeit seiner theoretischen gait 1894] 99), der einen Mann, der zweimal 
Lehren, wenn man sie mit den praktischen Er- Consul gewesen war und sich einen Freund 
gebnissen der Gesetzgebung vergleicht. Der Caesars nennen konnte, als Sklaven betrachten 
Schriftsteller Seneca jedoch verdient noch mehr wiirde, wenn er unter dem Zwange der kaiser- 
als der Philosoph (o. Bd. I S. 2243) das Zeug- 20 lichen Macht stiinde (diatr. IV 1, Off., vgl. 57). 
njs, dafi er als ein Mann von gewaltigem Reich- Epiktet spricht die stoische tJberzeugung, daB 
turn und grofier Sklavenhalter sich der drangen- alle Menschen von Gott stammen, deutlich aus 
den volkstumlichen Bewegung seiner Zeit an- (ebd. I 3, 9). Wenn auch Mark Aurels Gesetz- 
schloB, daB er der Lehre von der Gleichheit aller gebung betr. S. wahrscheinlich mehr durch prak- 
Menschen einen starken und zu Herzen gehenden tische Forderungen als durch philosophische Leh- 
Ausdruck verlieh und daB er auf der Anwendung ren beeinfluBt war, so steht doch der EinfiuB 
dieser Lehre auf die Sklaven bestand (Sen. epist. Epiktets auf seine personliche und philosophische 
mor. 47, 1 Servi sunt. Immo homines. Servi sunt. Haltung auBer Zweifel (Lichy 36, 1). In 
Immo contubernales. Servi sunt. Immo humiles Phrygien werden die Lehren des phrygischen 
a^nici. 47, 10 istum quern servum tuum vocas 80 Sklaven Epiktet iiber wahre Freiheit und wahre 
ex isdem seminibus or turn eodem frui caelo, aeque S. in einer metrischen Inschrift erwahnt, gesetzfc 
s'pirare, vivere, aeque mori; vgl. 31, 11; dial. IV von einem Manne, der selbst Sklave gewesen zu 
24, 3; benef. VI 16, 1). Aus dieser tlberzeugung sein scheint und ;sicher ein Anhanger der stoischen 
zog er den logischen SchluB, daB Sklaven ebenso Schule war (Kaibel Herm. XXIII 542). 
giitig behandelt werden miissen, wie ihre Mit- Mit Ausnahme der kleinen und unbedeutenden 
menschen (servi liberine sint hi . . , quid refert? jiidischen Sekte der Essener (Suppl.-Bd. IV 
ubicumque homo est, ibi beneUei locus est S. 386. Joseph, ant. XVIII 1, 5 gibt ihre Zahl 
dial. VII 24, 3; vgl. epist. mor. 47, 5. 13. 15). mit 4000 an) weigerte sich keine religiose oder 
Ein Beweis dafur, daB in Senecas Zeit der sonstige Organisation des Altertums, die S. anzu- 
Gedanke, Sklaven seien menschliche Wesen, all- 40 erkennen. Die ersten Christen nahmen sie hin, 
gemein angenommen war, liegt in der AuBerung, wie sie die romische Herrschaft und die durch sie 
die Petron (71, 1) dem freigelassenen Parvenu geschaffenen Lebensbedingungen hinnahmen, weil 
Trimalchio in den Mund legt: Sklaven sind auch ihnen weltliche Unterschiede mit Inbegrifi der 
Menschen, mit derselben Milch genahrt wie die gesetzlichen und sozialen Stellung gleichgiiltig 
Freien und verschieden nur durch den malus waren, und weil alle Glaubigen, sobald sie als 
fatus, der sie betroffen hat. Auch luvenal be- Christen getauft waren, als gleich betrachtet wur- 
trachtete die MiBhandlung von Sklaven als einen den (I. Korinth. 12, 13 ev kvl uzvsv/^an rj^eig 
ernsthaften ■Hbelstaiid im Leben seiner Zeit ndvxsg slg ev owfAa ipajcrlo'&rjf^ev, sirs lovdaZoi 
(6, 219 meruit quo crimine servus suppUeium? sits "^XXrjvsg, eke dovXoi eke ihv'&sQor, vgl. das 
quis testis adest? t!ber die Notwendigkeit, dieSOUrteil Harnacks Mission P 174, 4, daB die 
Schuld des Sklaven nachzuweisen, ehe Strafe voll- Frage der S. fiir die alteste Kirche kein Problem 
zogen wird, vgl. Plin. epist. VIII 14, 13). Plinius war). In den Brief en der Apostel wird es den 
d. J. machte es sich zur Pflicht, die Testamente christlichen Sklaven eingescharft, ihren Herren 
seiner Sklaven als gtiltig und ihre Zuwendungen mit Furcht und Zittern gehorsam zu sein wie 
als Verpfiichtungen zu betrachten, zu deren Aus- Christo (Ephes. 6, 5; vgl. Koloss. 3, 23. Tit. 2, 
fuhrung er genotigt war, vorausgesetzt, daB die 9f. 19. Die Unterwurfigkeit selbst unter grausame 
Erblasser Mitglieder seiner eigenen familia Herren wird I. Petr. 2, 19 damit begriindet, daB 
waren. Diese Einschrankung begrundet er mit Leiden und Dulden gottgefallig ist). Den direkten 
der tJberzeugung, daB fiir den Sklaven das Haus EinfluB des friihen Christentums auf mensch- 
des Herrn der Ersatz fiir den Staat ist (VIII 16, 2, 60 lichere Behandlung innerhalb der eigenen Ge- 
vgl. 24, 5: obgleich Freie von Arzten besser be- meinden soUte man nicht unterschatzen. Seit 
handelt werden als Sklaven, so unterscheidet sich dem Beginn der Missionstatigkeit wandte sich 
tatsachlich ein kranker Sklave nicht von einem das Christentum besonders an die Sklaven (betr. 
Freien). In zwei Reden Dions von Prusa tiber Sklaven in den altesten Gemeinden vgl. Paulus' 
dieses Thema (or. 14f.) wird die S. als eine be- Eintreten ftir den von ihm getauften entlaufenen 
stehende Einrichtung anerkannt. Dion inter- Onesimos in einem Brief an seinen Herrn, Phile- 
essiert sich nicht fiir die Entstehung der S., auch mon 15f. avrov ansxng ovnhi wg bovlov^ oiy! 
nicht dafiir, ob sie den Gesetzen der Natur wider- vnl^ dovXov, abelcpbv ayanrjxov. Eine ahnliche 



1047 Sklaverei (Kaiserzeit) SMaverei (Kaiserzeit) 1048 

Bitte um milde Behandlung eines straffalligen tragen und die Milchversorgung nicht schadigen 

Freigelassenen richtet der Heide Plinius (epist. IX soil, wird es klar, dafi die Absicht auf die Erhal- 

21. 24) an seinen heidnischen Freund Sabinianus, tung der Gesundheit der Amme geht, da sie ftir 

der sie auch erfiillt. (tJber die Misehung romischea: das Kind von Wichtigkeit ist (vgl. die Quittungen 

Burger mit Sklaven in den christlichen Gemeinden liber beendete Tatigkeit als Amme Pap. Oxy. I 91, 

Bithyniens im J. 112 n. Chr. s. ebd. X 96, 4. 8)* 18ff. BGU IV 1108, 25fE.). In BGU IV 1106, 49ff. 

Einen heilsamen EinfluB auf die Gesinnung der verpflichtet sich die Amme, eine Freie, das Skla- 

Sklaven, die Christen wurden, und auf ihreBehand- venkind mehrere Male im Monat zur Besichtigung 

lung muB die Gleiehheit ausgetibt haben, die man durch seinen Besitzer zu bringen (vgl. IV 1107, 
ihnen in den ersten Gemeinden zubilligte und 10 27ff.: Amme und Kind sollen vier Tage im Monat 

die sich auf das Recht des Sakramentsempfanges, zur KontroUe bei dem Besitzer wohnen. Besich- 

der Teilnahme an den Versammlungen, des Auf- tigung durch den Eigentiimer dreimal im Monat 

stieges in die Priesterschaft und der Beisetzung 1108, 25f.). Obwohl die eigentliche Absicht bei 

auf den Begrabnisstatten erstreckte (Harnack diesen Abmachungen der Schutz des Sklavenkin- 

Mission F 175. Allard Esclaves Chretiens^ 185. des als eines Wertgegenstandes war, wurde doch 

AUard iibertreibt offenbar die RoUe, die das aueh das menschliche Ergebnis geniigender Ftir- 

Christentum bei der Verbesserung der Lage der sorge erzielt. — Die Ausbildung des Sklaven in 

Sklaven spielte). Obwohl die Bischofe ihre Ge- Handfertigkeit und seine sonstige Erziehung hing 

meinden davon abmahnten, Sklaven ftir Luxus- von der Entscheidung des Herrn ab. Eine Reihe 
zwecke zu verwenden (Clem. Al. Paed. Ill 7. 9 20 von Vertragen beziehen sich auf die Ausbildung 

= I 259, 5. 263, 28 St.), fuhren doch wahrschein- von Sklaven als Lehrlingen oder auf Grund direk- 

lich die Christen fort, Sklaven in ziemlich der- ten Lehrvertrages (Ad. Berger Die Strafklau- 

selben Art und demselben Grade zu besitzen und seln in den Papyrusurkunden [Lpz. 1911] 169ff. 

zu verwenden, wie ihre heidnischen Zeitgenossen Mitteis-Wilcken Grundz. I 1, 261. T a u - 

in gleicher wirtschaftlicher Lage (Ignat. an benschlag Ztschr. Sav. Stift. L 156; Studi 

Polyk. 4 :=i Migne G. V 723. Iren. ctr. haer. IV Riccobono I 512. Westermann Class. Philol. 

9, 1 = Migne G. VII 996). IX 295). Diese Vertrage zeigen keinen XJnter- 

Die Verbesserung der Lage der Sklaven in der schied in der Fassung und in den gegenseitigen 

Kaiserzeit im Verhaltnis zu der in der Republik Abmachungen zwischen Sklavenbesitzer und Mei- 
in deren letzten beiden Jahrhunderten fallt im 30 ster oder Lehrer, ob nun der Lehrling frei oder 

Westen mehr auf als in den ostlichen Provinzen, unfrei ist. Die VerpjBichtung, dem unfreien oder 

wo eine groBere Milde herrschte (Calderini freien Lehrling Nahrung und Kleidung zu geben, 

Liberi e Schiavi nel mondo dei Papiri [Milano wurde in verschiedener Weise behandelt. In den 

1918] 18), sowohl in den gesetzlichen Bestimmun- reinen Lehrvertragen entfallt sie auf die Besitzer 

gen als in der Praxis. In Agypten war die Wohl- (Taubenschlag Studi Riceob. 512; diese Ab- 

fahrt des Sklavenkindes in verschiedener Hinsicht machung wird in Pap. Oxy. IV 724 vorausgesetzt) ; 

ausdriicklich vom Gesetz geschtitzt. Das Gesetz in dem Lehrlingsvertrag Stud. z. Pal. u. Papyrusk. 

verbot den Verkauf von im Hause geborenen XXII 40, 18 entfallt sie auf den Weber (vgl. das 

Sklaven zum Zweck der Ausfuhr tiber die agyp- Unterhaltsgeld, das der Weber fiir einen freien 
tische Grenze; die "Dbertretung dieses Gesetzes 40 Lehrling zahlt, Pap. Tebt. II 385 13). In BGU IV 

konnte durch teilweise oder voUstandige Ver-'^ 1021, 14 und Pap. Oxy. XIV 1647, 16 wird sie 

mogenskonfiskationbestraftwerden (Gnomon BGU auf den Sklavenbesitzer abgewalzt (vgl. die testa- 

IV 1, 67). Gekaufte Sklaven konnten aus Alexan- mentarische Verfligung betr. jahrliche Zahlung 

dria nur auf Grund einer Bezahlung einer PaB- von 10 Artaben Weizen und Geld ftir Kleidung, 

gebtihr verschifEt werden (ebd. 64 — 6Q. 69). In die ein frtiherer Besitzer ftir einen Freigelassenen 

Kontrakten tiber das Saugen von Kindern konnte trifft. Pap. Ryl. 143, 2. Das Testament sorgt auch 

die Amme ftir ein Sklavenkind eine Freie oder eine ftir die iQoqprj eines Freundes des Erblassers, der 

Sklavin sein, ganz wie ftir ein freies Kind (Pap. frei war). Die Bedeutung dieser Beispiele liegt in 

Soc. Ital. X 1131, 26f. Pap. Michigan II 123, r. der Folgerung, daB die ordentliche Ernahrung 
XIV 31f. BGU IV 1106, 3. 12ff. 1108, 4. 7. Pap. 50 und Bekleidung eines Sklaven eine gesetzliche und 

Bouriant 14, 4ff. Im Pap. Rein. 2111, 6f. [Mel. soziale Verpflichtung war. Wenn die Innehaltung 

Glotz I 243] und BGU IV 1107, 9 werden aus- von Feiertagen in den Lehrlings- und Lehrver- 

gesetzte und in die S. geratene Kinder von freien tragen kontraktlich vereinbart wurde, so wurde 

Frauen gesaugt. Freie Kinder von Sklavinnen zwischen Freien und Sklaven kein Unterschied ge- 

gesaugt: Pap. Oxy. I 91, 16f. BGU IV 1109, 5. 9f. macht. In Lehrvertragen wie Pap. Oxy. IV 724, 6, 

Pap. Soc. Ital. IX 1065, lOf.). Mochte das Kind wo ein Sklavenjunge Stenographie lernen soil, 

frei oder unfrei sein, es wurden dieselben Anfor- werden die Feiertage gewiB im Interesse des Leh- 

derungen an ausreichende Verpflegung der Amme rers ausgenommen; aber in dem Weberkontrakt 

gestellt, offenbar im Interesse der Gesundheit des XIV 1647, 36 (Sklavin als Lehrling bei Weber 
Kindes. Genauere Angaben tiber die Verpflegung 60 eingestellt) bilden die ftir das Jahr ausgemachten 

der Amme finden sich in mehreren Vertragen, 18 Feiertage einen Vorteil ftir den Lehrling (vgl. 

Olivenol und andere Dinge BGU I 297, 13 (vgl. die 20 Feiertage ftir einen freien Weberlehrling 

Uaiov ftir die Amme eines freien Kindes IV 1109, IV 725, 35). Die Bewilligung von Festtagen ftir 

13). IV 1058, 12 = Mitteis-Wilcken Sklaven war in der agaischen Welt schon in hel- 

Grundz. II 2, 170 Olivenol und Brot; im Pap. lenistischer Zeit tiblich geworden (L. Robert 

Bouriant 14, 3 Wein und vier Htihner. Aus der Bull. hell. LVII 521). In Lampsakos wurde im 

Bestimmung in BGU IV 1106, 27ff. (vgl. 1108, 2. Jhdt. v. Chr. ftir die Feier des Asklepiosfestes 

13ff.), daB die Amme ftir sich und das Kind Sorge eine Stiftung gemacht, die die Bestimmung ent- 



1049 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1050 

hielt, daB die Schulkinder von ihrem Unterricht haben (Stud. z. Pal. u. Papyrusk. XXII 40, 14. 

und die Sklaven von ihrer Arbeit befreit sein soil- BGU IV 1021, 14. Pap. Oxy. XIV 1647, 17. Vgl. 

ten (GIG II 3641 b = L a u m Stiftungen in der den Arbeitskontrakt, der ein Sklavenmadchen als 

Antike [Lpz. 1914] 66, 18). In Magnesia beruhte Weberin einstellt, Stud, zur Pal. XXII 36, 11, und 

die Bestimmung tiber schulfreie Tage auf alter die den Vormiindern eines minorennen Kindes auf- 

Tradition; aber die tiber Befreiung der Sklaven erlegte Verpflichtung, Leinwand[?] und andere 

von aller ihrer Arbeit scheint eine Neuerung ge- Kleidung fur die Sklaven eines minder jahrigen 

wesen zu sein (Inschr, v. Magn. 100 b 11 avkohai Erben zu beschaffen. Pap. Ryl. 153, 29). Die Woh- 

lAsv rovg Tiacdag i?c rcov f^a-d'TjfAdrcov Kara xo nd- nungsverhaltnisse der bei ihren Herren wohnenden 

[tQiov Mog 7i]al xrjv oiKevslav dnb nainog sQyov. 10 Sklaven wurden durch die wirtschaftliche Lage der 

Vgl. a 29 und Syll. 53, wo den Sklaven und Besitzerbestimmt; zweifellosbekamen die Sklaven 

Kindern in Pergamon [?] Feiertage bewilligt wer- die schlechteren Wohnraume. In den Urkunden des 

den). Diese Gewohnheit blieb in der griechischen Herakleides, Amphodarchen in Arsinoe J. 72/73 

Welt in der Kaiserzeit bestehen. In Gytheion n. Chr. (Stud. z. Pal. IV 62), bewohnte der Haus- 

wurde J. 161 — 169 n. Chr. eine Stiftung gemacht, besitzer ApoUonios sein Haus mit einem einzigen 

um den Gymnasia 01 ftir Burger und Fremde zu Sklaven (Pap. Lond. 261, 56), und auch zwei weib- 

iiefern, mit der besonderen Bestimmung, daB liche Hausbesitzer linden sich, deren jede mit 

Sklaven jedes Jahr an zwei Festen von droit agiger einem mannlichen Sklaven zusammenwohnte (ebd. 

Dauer dieses Vorrecht genieBen soUten (L e B a s- 178. 301 = Pap. Rainer 23). Freie aus der Klasse 

F u c a r t Voyage arch. II Suppl. 243 a = 20 der emTtstiQifjievot hatten Wohnungen an der 

L a u m Stift. II 9, 38). Strafie, offenbar als Mieter (ebd. 532. 608 = Pap. 

Im romischen Agypten erforderte der Tod Lond. 260, 25. 101). Ebenso hatten Sklaven, die 

eines Sklaven aus anderen als natiirlichen Ur- anderen Leuten als den Hausbesitzern gehorten, 

sachen eine behordliche Untersuchung und einen bei denen sie wohnten, Wohnraume an derselben 

Bericht dariiber, ob er durch Unfall oder Mord StraBe (ebd. 299. 303f. = Pap. Rain, 21. 25f.). 

eingetreten war, ganz wie im Falle eines Freien Zwei der Hauser wurden von einer Gruppe von 

(Tod eines Sklavenjungen durch Unfall, wah- Sklaven bewohnt, die, soweit wir feststellen kon- 

rend er dem Tanz bei einer Festlichkeit zusah, nen, nicht dem Hauseigentiimer gehorten. Eines 

Pap. Oxy. Ill 475; vgl. I 51 den ahnlichen Fall dieser Hauser enthielt Wohnraume fiir 7 Sklaven 

eines Freien). Zu der Zeit des vierzehn jahrigen 30 (ebd. 313 — 326 =^ Pap. Rain. 35 — 48). Das be- 

Zensus, den die romische Verwaltung in Agyp- deutet enges Wohnen fiir die Sklaven, die nicht 

ten einfiihrte (Mitteis-Wilcken Grundz. bei ihren Herren wohnten (%a)^k ot;>tfo wreg), vor- 

1 1, 192), wurden Sklaven fiir Steuerzwecke ebenso ausgesetzt daB die Hauser etwa von derselben 

eingeordnet wie ihre Besitzer (ebd. 197). Sklaven GroBe waren. In Pap. Ryl. 153, 6 jedoch wird 

im Besitz von Herren, die zu der Kopfsteuer zah- einem Freigelassenen durch das Testament seines 

lenden Gruppe [XaoyQacpovfjisvoi) gehorten, unter- Patrons fiir Lebenszeit die Benutzung eines ein- 

lagen der Kopfsteuer; die im Besitz von Mitglie- zelnen Zimmers in einem vierstockigen Hause zu- 

dern der privilegierten Klasse {kniKSKQiiJiemi) gesichert. 

waren ebenso von der Kopfsteuer befreit wie ihre Das Prinzip der teilweisen Freilassung eines 

Herren (Schubart Arch, f. Pap. II 158. T a u - 40 ^mehreren Herren gehorigen Sklaven war unter 

benschlag Ztschr. Sav.-Stift. L 162, 7). Die %em romischen Recht nicht zulassig (Mitteis 

steuerliche Einordnung des Sklavenbesitzers mit Arch, f . Pap. Ill 253. Taubenschlag Ztschr. 

ihren Vorrechten und Lasten, die auf den Sklaven Sav.-Stift. L 166. Vgl. die Gaiusauslegung Pap. 

tiberging, wurde von diesem auf seinen Nachkom- Soc. It. XI 1182, 38, die versichert, daB durch 

men vererbt, auch wenn er Sklave blieb (Pap. Ryl. Freilassung eines Teiles eines in gemeinsamem 

103 A. 4), und blieb maBgebend fur ihn, wenn er Besitz befindlichen Sklaven die Stellung eines 

freigelassen wurde (Pap. Oxy. Ill 478; vgl. II Freigelassenen in Beziehung auf die Anteile aller 

p. 222, IV 714. BGU I 324). Obwohl der Unfreie iibrigen Besitzer erlangt wird); sie wurde aber in 

keine biirgerliche Stellung hatte, wissen wir aus Agypten ungehindert geiibt (Taubenschlag 

dem bekannten Brief des Claudius vom J. 41 an 50 Studi Riccob. I 405. Arangio-Ruiz Persone 

die Stadt Alexandria, daB unfrei geborene Sohne e famiglia nel diritto dei papiri [Milano 1930] 8 

alexandrinischer Biirger und unfreier Miitter sich handelt iiber den grundlegenden Unterschied in 

in die Ephebenliste eingeschlichen und so alex- der Behandlung der Sklaven, die nach romischem 

andrinisches Btirgerrecht erlangt hatten (H. I. Recht nur gesetzliche Objekte sind, nach griechi- 

Bell Jews and Christians in Egypt [Lond. 1924] schem und griechisch-agj^tischem so wohl Objekte 

24 Z. 56 u. A.) im Widerspruch mit dem gelten- als Subjekte. Beispiele s. Pap. Oxy. IV 716, 17. 

den Gesetz, das dieses Verfahren verbot ^w^ cov 8s 722, 14. Pap, Edmonstone des 4, Jhdts, ebd. 202 

v6[A,ifA,og viog rov naxQog ovtog "AXe^avdQscog "AXe^- = Mitteis-Wilcken Grundz. II 2, 361. 

avdQsvg ov dvvarai elvai Pap, Cattaoui 1 + BGU In Stud. z. Pal. XXII 43, 20 wird eine Verab- 

I 114. V 6. Arch, f. Pap, III 60). Die Kleidung 60 redung getroffen, nicht iiber den Teilbesitz an 

der Sklaven in Agypten unterschied sich weder einem Sklaven zu verfiigen. Petition im Falle einer 

durch ihre Form noch durch ihre Qualitat von der teilweisen Freilassung, die angeblich durch Be- 

der armeren freien Bevolkerung. Man sieht das aus trug erreicht sei. Pap, Soc. It, V 452, 10). Das 

dem Fehlen jedes Hinweises auf eine besondere soziale Ergebnis dieses Branches war, daB sich in 

Art der Kleidung von Sklavenjungen oder -mad- Agypten zwischen den vollen Sklaven und den 

chen in den Lehrlings- und Lehrvertragen, der Freigelassenen eine Gruppe einschob, die halb 

diese Urkunden in bezug auf ifAatiaf^og von denen frei und halb unfrei war und deren Mitglieder das 

unter schiede, die es mit freien Kindern zu tun Recht hatten, tiber einen Toil ihrer Zeit und ihrer 



1051 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1052 

Tatigkeit frei zu verfiigen. Die Bildung dieser und in Panamara in Lykien versichert in der Zeit 

Gruppe mufi dazu beigetragen haben, die fallen- M. Aurels ein Burger mit Stolz, daB er an zwei 

den Schranken zwischen Freiheit und S. noch Festtagen des Zeus Komarios Biirgern, Fremden 

weiter zu nivellieren in einer Bevolkerung, in der und Sklaven Wein gespendet habe (Bull. hell. XT 

die Unterschiede der biirgerlichen Stellung nicht 380, 17). 

auf anerkannten Unterschieden in Kleidung, Haut- In Agypten nahm man weiter Zeugnis bei Ge- 

farbe und Easse beruhten. Ein auffallendes Bei- richtsverhandlungen unter Tortur entgegen (Tau- 

spiel fur das Fehlen eines auf XJnterschied in benschlag Strafrecht 125), und das Kecht 

der Farbe beruhenden Rassegefiihls ist die me- korperlicher Ziichtigung verblieb den Besitzern 
trische Inschrift, in der ein Herr seinen Neger- 10 (Sklavenbesitzer iibertragt das Recht, einen Ent- 

sklaven preist (Festschr. G. Ebers [Lrpz. 1897] 99): laufenen einzufangen und zu ziichtigen, einem Ver- 

die Dunkelheit der Haut des Negers war durch treter. Pap. Oxy. XIV 1643, 11 aus dem J. 298 

die Sonnenstrahlen veranlaBt, aber seine Seele n. Chr.; vgl. VI 903, 5 aus dem 4. Jhdt. tFber 

bliihte weiB. Fiir die Schmalheit der Scheidelinie Ziichtigung von Sklaven in anderen Gegenden 

ist es bezeichnend, daB ein freier Diener irrtiim- des ostlichen Mittelmeers s. Lucian. Demon. 46; 

lich fiir einen Sklaven gehalten werden konnte: Menipp. 17; Timon 22). Grausame Bestrafung von 

Pap. Oxy. X 1294, 9; vgl. die Liste von Zahlun- Sklaven kam ohne Zweifel bisweilen vor, wenn 

gen der Webersteuer Pap. Soc. It. X 1154, 8, in auch die Papyri iiberraschend wenig Zeugnisse 

der ein Mann aufgezahlt wird als EvjioQog w[g] dafiir liefern. Galen, de animi morb. 4 (V 17 K.) 

q^7](oi) dovXog 'A[ . . . 20 redet mit Entsetzen davon, daB man Sklaven 

Die Beziehungen, die in Agypten zwischen tritt, mit Fausten schlagt, ihnen die Zahne ein- 

Sklaven und ihren Herren bestanden, waren nach schlagt oder die Augen ausdriickt (Blendung eines 

dem Zeugnis der Papyri im ganzen intim und Sklaven, die er selbst gesehen hat, mit einer 

herzlich, nicht gespannt (s. den zartlichen Brief Rohrfeder, ebd. 17). Ihn selbst hatte sein Vater 

eines Madchens, die vermutlich eine Sklavin des gelehrt, niemals einen Sklaven mit der Hand zu 

ApoUonios, Strategen der Heptakomia, war, an schlagen, und statt dessen den Gebrauch eines 

ihren abwesenden Herrn, Pap. GieBen 17 = Rohrstockes oder Riemens empfohlen. Sein auf 

Mitteis-Wilcken Grundz. I 2, 481 ; vgl. Autopsie beruhender Bericht iiber die grausame 

Calderini Liberi e schiavi 19). In BGU VII Verwundung zweier Sklaven durch einen Reise- 

1655 col. 2, 26 — 33. 3, 57ff. wird die Verpflich- 30 gefahrten in Attika liefert ein iiberaus zuverlas- 

tung, fiir das Grab seines Herrn zu sorgen, ohne siges Beispiel fiir die Wirkung, die das Ziichti- 

Einspruch von seiten der Erben durch das Testa- gungsrecht des Herrn bei ungehemmter Leiden- 

ment des Herrn einem Sklaven auf Lebenszeit schaft hatte (ebd. 18). Der ehrliche Kummer und 

iibertragen. Vgl. Tebt. Pap. II 407, 6, wo ein die Selbstvorwiirfe des Sklavenbesitzers sind ein 

frliherer Oberpriester des Hadriantempels acht geniigender Beweis dafiir, daB solche Vorfalle 

seiner Sklaven freilaBt wegen der Gemeinschaft individuell bedingt, nicht allgemein gebilligt und 

und Fursorge (dia rrjv ovvo[v]odv [jlol [nQog wahrscheinlich seiten waren (ebd. 19). In Agypten 

avjtovg [oJvvxQocpiav nal HYjbeixoviav), die zwi- wurde der Makel der sozialen Emiedrigung der 

schen ihnen und ihm besteht, und das Testament Sklaven, der in der korperlichen Ziichtigung lag, 

eines Veteranen aus dem Ende des 2. Jhdts., 40 durch die Tatsache gemildert, daB Freie auch 

durch das drei Sklavinnen freigelassen und zu nicht davon ausgenommen waren, wie sie es unter 

Erben ihres frtiheren Herrn eingesetzt werden griechischem Stadtrecht gewesen waren; denn 

(BGU I 326 = Mitteis-Wilcken Grundz. militarische Ziichtigung Freier war jetzt erlaubt, 

II 2, 316). Mit diesem agyptischen Beispiel vgl. wenn auch auf den Gebrauch von Stocken oder 

die Freilassung aller seiner Sklaven beiderlei Ruten {Qa^doig oder ondd'aig, virgis) besehrankt, 

Geschlechts durch einen sozial gesinnten Biirger wahrend Bestrafung mit GeiBeln (/udon^i, vgl. 

von Gytheion in den J. 161 — 169 n. Chr., mit der das Verbum fmoxiyovv, flagellis caedere. Pap. 

Auflage fiir die Stadt und die Mitglieder des Oxy. XIV 1643, 11) auf Sklaven besehrankt war. 

Rates, die Freiheit dieser Sklaven in jeder Weise (In Philadephia im Fayum schlagen zwei Polizi- 

zu verteidigen (L a u m Stift. II 9, 53). Im ost- 50 sten einen romischen Biirger und Veteranen der 

lichen Mittelmeergebiet neigt man dazu, Sklaven ala Apriana im J. 153 n. Chr. Pap. Berol. inv. 

bei bestimmten Gelegenheiten zur Teilnahme 13877 A 4 Qa^doig Kal Kofxt^aot Aegyptus XII 

an offentlichen Opfern und Festen zuzulassen. 129). EinPraeses derThebais auBerteim4. Jhdt., 

Die Unterschiede, die in den griechischen Stadt- daB der Gebrauch von Peitschen (i/Liavreg) zur 

staaten in bezug auf die ihnen gewahrten Frei- Ziichtigung Freier ungesetzlich sei. Zur Strafung 

heiten bestanden, miissen von lokalen Bedingun- von Sklaven war er zulassig, wenn auch beklagens- 

gen abhangen, die wir nicht erklaren konnen. wert (Pap. Oxy. IX 1186 im tcov dovXixfjv rvx^jv 

In Kos waren Sklaven von den Opfern und dem eilrjxoxcov dviaQov. tTber das kaiserliche Gesetz 

Festmahl der Hexa ausgeschlossen '(Athen. XIV s. Dig. XLVIII 19, 10 ex quibus eausis liber 

639 d aus Philetas, s. Powell Collectanea Alex- 60 fustibus caeditur, ex his servus flagellis caedi . . . 

andrina [Oxford 1925] 95 nr. 25), wahrend sie iubetur; vgl. 19, 28. Mommsen Strafr. 983). 

in Pagai in der Megaris neben Biirgern, Metoeken In Agypten gewahrten die Herren ihren Skla- 

und romischen Einwohnern an den offentlichen ven eine gewisse Bewegungsfreiheit (Pap. Oxy. II 

Speisungen teilnehmen durften (W i 1 h e 1 m 262, 3 6 dovXog ^ov lA.noX%o(pdvr}g . . . ersXsmrjosv 

Osterr. Jahresh. X [1907] 19 Z. 24). Unter Traian h rfj ^evrj). Vielleicht unter dem EinfluB des 

wurde das Gymnasion in Argos der gesamten Be- alten agyptischen Rechtes (Diod. I 80; vgl. 
volkerung, der freien und unfreien, zuganglich Lumbroso Recherches sur I'economie 49) 

gemacht {navxl kXev&sQco Kal dovXco IG IV 597), konnte das Zusammenleben freier und unfreier 



1053 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1054 

Personen nach dem gemeinen Recht als aner- fiir die BehandluiLg zu werten sind, die in 
kannte Ehe betrachtet werden (Pap. RyL 103; einzelnen Fallen Sklaven in der besten Gesell- 
vgl. Lumbroso a. 0.), wenn auch das Kind sohaft znteil wnrde. Beispiele von Ziichtigung und 
Sklave wurde, falls die Mutter Sklavin war Brandmarfcung bei Petron. 30, 7. 69, 1. Martial. 11 
(Taubenschlag Ztschr. Sav.-Stift. L 144, 1). 66. Ill 94. VIH 23. Apul. met. Ill 16. luven. 
Vergntigungsvereine oder andere Genossensdhaf- VI 475 vgl. VIII 179 (Kritik an der Anffassung, 
ten, die Freie und Sklaven aufnahmen, batten die luvenals Schilderung ftir bare Munze nimmt, 
im romischen Reich eine groBe Entwicklung; bei A. Schneider 20). Krenzigung eines Skla- 
aber in Agypten scheinen sie gefehlt zu haben ven, weil er den Genius seines Herrn lastert, be- 
(San Nicolo Vereinswesen II 32). 10 gegnet bei Petron. 53, 3, vgl. luven. W 219. Mar- 
Obwohl es klar ist, daB das Asylreeht unter tial. II 82. Ein ehebrecherischer Sklave wird wil- 
romischer Herrschaft nicht ganz aus Agypten den Tieren vorgeworfen (Petron. 45, 8), eine Sikla- 
verschwand (s. Pap. Oxy. X 1258, 8. v. WoeB vin an den Haaren aufgehangt (Propert. IV 
Asylwesen Agyptens 212. W i 1 c k e n Arch, f . 7, 45). GroBere Bedeutung hat das von luven. 
Pap. VI 419 gegen die die altere Ansicht Ro- XIV 23 ausgosprochene Bedauem tiber den Ein- 
stovtzeffs GGA 1909, 640; Rom. Kolonat druck, den der Anblick von Skkvenibestrafungen 
217. Mitteis-Wilcken Grundz. I 1, 114), auf romische Kinder machte, lund die Mittei- 
so hat sich doch bis jetzt kein Beispiel der Flucht lungen uber Mahnungen gegen den MiBbrauch der 
eines Sklaven in einen Tempel oder zur Statue Ziichtigungsgewalt de^a Herrn, die wir bei Seneca 
des Kaisers in den Papyri gefunden. Das Fehlen 20 lesen (de ira III 19, 2. 32, 1; const, sap. 5, 1. Skla- 
ven Sklaven betreffenden Vertragen, die durch ven durch Grausamkeit zu Flucht und Selbstmord 
Aufnahme einer ifA,(pdveia-'KlsLUsel Sicherheit gegen gezwungen: de ira III 5,4; clem. 1 13,2; vgl. benef. 
die Flucht in ein Heiligtum schaffen (s. Pap. Oslo II 35; con®. Marc. 20, 2). AuBer diesen Angaben 

II 40, 10 aus dem J. 150 n, Chr.; vgl. ebd. S. 96), haben wir vide Beridite iiber kaltherzige Grausam- 
scheint zu beweisen, daB dieses Recht, soweit es keit, die Anspruch auf Tatsachlichkeit maehen diir- 
Sklaven angeht, voUig verschwunden war. Dies fen. Bei Suet. Aug. 67, 2 wird ein Sklave wegen 
mag ein weiterer Beweis fiir ein System der S. Ehebruchshimgeriehtet; vgl. Calig. 32, l.Tac. ann. 
sein, das wegen seiner Milde keinen Heiligtums- IV 54. XVI 19. Die GescMohte von Vedius Pbllio, 
schutz fur Sklaven erforderte. Trotz des Gesamt- der einen Sklaven aus geringfugigem AnlaB in 
eindrucks einer guten Behandlung der Sklaven 30 einen Fischteich werfen lieB, damit er lebend ge- 
in Agypten war das Los der Haus- oder Industrie- fressen wiirde, war im Altertum wohlbekannt; 
sklaven auch im besten Falle nicht beneidens- der Sklave wurde durch Eingreifen des Augustus 
wert. Falle der Flucht von Sklaven und die Be- gerettet (Plin. n. h. IX 77. Sen. de ira III 40. 
stimmungen in Paramonevertragen und anderen clem. I 18. Casis. Dio LIV 23, 1). Falle wirk- 
Kontrakten zur Sicherung gegen die Moglichkeit lieher Kreuzigung von Sklaven werden von Tax;, 
einer Flucht deuten auf eine weitgehende Unzu- hist. 11 72 und Cass. Dio LIV 3, 7 berichtet. 
friedenheit der Sklaven mit ihrem Los (Aufnahme Galens Bericht von einem Angriff auf das Leben 
eines entlaufenen Sklaven war ein straf bares eines Sklaven (o. S. 1052) ist wortlich zu nehmen; 
Vergehen, Pap. Oxy. XII 1422. Falle von Sklaven- aber seine Erzahlung, nach der Hadrian in 
flucht oder von Vorkehrungen gegen die Moglich- 40 der Wut einem Sklaven das Auge ausschlug (V 
keit einer solchen finden sich BGU IV 1149, 33. 17 K.), isit unglaubwiirdig. Andere Falle von 
Pap. Soc. It. VI 710, 7 enthalt eine Bestimmung Grausamkeit s. bed Cass. Dio LIX 13, 2. LX 12, 1. 
gegen 8QaofA,6g tj Mvaxog des Sklaven. Pap. Oxy. LXI 31, 1. 33, 8. Script. Mst. Aug. Commod. 

III 472, 14. XII 1422. In Pap. Genf 5, 4 wird ein 1, 9. Macrin. 12, 10. Wir diirfen annehmen, daB 
Sklave als acpavrjg aufgefiihrt. Pap. Oxy. XIV bei manchen Besitzern die Qualitat des Essens 
1643, 5. Kalen Berl. Leihgabe gr. Papyri schlecht und die Quantitat unzureichend war 
[Uppsala 1932] 15. Aus dem 4. Jhdt. Pap. Lond. (vgl. die AuBerung des italischen Raubers Bullas, 
II 251, 14, wo es von den Sklaven heiBt, sie seien man solle die Sklaven gut fiittem, wenn man der 
moxovg koX ddQaorovg. Die Stellung des Sklaven Rauberei ein Ende zu maehen wiinsche: Cass, 
zu seiner S. war zweifellos die eines dauernden 50 Dio LXXVII 10, 5). DaB Selbstmorde unter Skla- 
Verlangens nach Freiheit, so wie es ein Frei- ven in der Kaiserzeit vorkommen (Sen. de ira HI 
gelassener ausdriickt, der die Auf sicht tiber einige 5, 4; epist. 4, 4. 70, 20. 77, 14. Dess. 8511. 
unfreie Weber gehabt zu haben scheint; er schreibt Dig. XXI 1, 23, 3; 17, 5), muB jedoch als Be- 
an seinen Patron BGU IV 1141, 24 (J. 14 v. Chr.) weis dafiir betrachtet werden,^ daB idle Aiiffas- 
wg dovXog en'' kXsvd'SQlq Mhi aQeoai, ovzco Tidycb sung vom Selbstmord als einem Mittel, ^ den 
triv cpdtav gov d'eXcov ajLi8/j,mov sfj,atdv kxrjQTjoa. Sohwierigkeiten des Lebens zn entgehen, bis^ in 

Die verbreitete VorsteUung von der grausamen die unteren iSchichten vorgedrungen war (H i r - 

Behandlung der Sklaven und der Schwere ihres zel Arch. f. Rel. XI 1908 451; vgl. Senecas 

Schicksals in der Kaiserzeit (A Hard Esclaves AuBerung cons. Marc. 20, daB Selib'Stmord ein 
Chr^tiens^ 127. Halkin Esclaves publics 221. 60 bequemer Weg sei, um der S. zu entrinnen), 

Gordon Journ. rom. stud. XIV 102) hat iihren nicht als ein weiteres Zeugnis fiir die schlechte 

Ursprung in der nicht zu bezweifelnden Grau- Behandlung der Sklaven (so Allard 139). 

samkeit, die man in republikanischer Zeit in Ita- Es gab auch im Westen niehts, was die Skla- 

lien und Sizilien gegen sie iibte (o. S. 977f.). Sie venkleidung als solche kenntKch machte (Sen. 

findet auch eine gewisse Stiitze dn der Schilde- clem. I 24, 1. Daremb.-Sagl. IV 1279. Die Klinst- 

rung grausamer Handlungen bei Satirikern und ler der romischen Kaiserzeit untersehieden die 

anderen Schriftstellern des 1. Jhdts., Hand- Tracht des Freien nicht von der des Sklaven: 

lungen, die zwar erdichtet sind, aber als Indizien Journ. rom. stud. XIV 96). Der Vorschlag des 



1055 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1056 

Alex. Severus, eine besondere Tracht fiir die einer Lungenkrankheit nach Igypten gesandit 

Sklaven des kaiserlichen Hofes einzuftiliren, hing hatte. Ein irrsinniger Sklave, der Hiadrian mit 

mit dem Versuch zusaanmen, fiir alle Stufen des dem Schwert aagriff, wurde der Behandlung 

kaiserlichen 'Bienstes Uniformjen einzulluhreii einea Arztes iibergeben (Script, hist. Aug. Hadr. 

und die Sklaven im Zaum zu halten, indem man 12, 5; vgl. FGrH 11 A 426 frg. 139. Sen. ben. 

ihren Verkehr mit der freigeborenen Bevolke- 11 21, 2). Plinius d. J. liefert ein bemerkenswer- 

rung unterband; wegen des Wid^standes des tes Beispiel von Milde in der Behandlung seiner 

Ulpian und Paulus wurde der Gedanke aufgege- farmlia, Er erlaubt ihnen, Testamente zu machen, 

ben (Script, hist. Aug. Sev. Al. 23, 3. 27, 1). wenn sie ihr Eigentum intra domum vermach- 
Wenn B 1 ii m n e r Maximaltarif des Diokletian 10 ten, und er fiihrte diese Bestimmungen getreu 

(1893) 169. 172 gewisse Kleidungsarten Bauern aus, obwohl es keine gesetzlich giiltigen Testa- 

und Sklaven zuweist, so beruht das auf einer un- mente waren (VIII 16, 1. Beaohte seine Trauer 

berechtigten Beziehung von (pafieXiaQiog und beim Tode junger Sklaven und seinen Wunsch, 

cpafjLsXiaQizog auf Sklaven der familia; vgl. Tiber sie vor dem Tode freizulassen, ebd.). Ein wei- 

die Bedeutungserweiterung von familia o. Bd. VI terer Beleg gutiger Behandlung oder herzlicher 

S. 1981. GIG III 2511. 3213. Pap. Oxy. XIV Beziehungen zwischen Herrn und Sklaven bei 

1712, 3. BGU I 316, 10. Petron. 57, 9 nemo tamen sciit utrum servus 

Die Summe der Nachrichten tiber die Unter- essem an liber. Vgl. die Grabschrift fiir ein im 

bringung der Sklaven in Italien, zumal in d^n Hause geboreneg Sklavenkind, das in loco Hlii 
Stadten, ist nicht groB. In Pompeii haben sieh 20 gehalten wurde. Dess. 8554. Flor. Ill 20. Cass, 

selbst in besseren Hausern keine den Sklaven Dio LX 12, 2. 4; das dichterische Bild der haus- 

ausischlieBlich zugewiesenen Raume gefunden, geborenen Sklaven umd ihrer Herren bei TibuU. 

auBer in der Casa del Menandro. Sie wohnten II 1, 21. I 5, 25. 

offenbar, wo es gerade bequem war, vieUeicht Ungewohnliche Grausamkeit der Herren fand 
in den oberen Stockwerken, wenn sie bei ihrem oft ihre Siihne durch Mord (Sen. clem. I 26, 1 
Herrn wohnten, und in den Stadtvierteln der erudelitatem privatorum serviles quoque manus 
armeren Handwerker, wenn sie ftir sich wohnten sub eerto crucis periculo ultae sunt. Vgl. epist. 
(wie in Arsinoe, s. o. S. 1050). In der Casa del 4, 8 und den Fall des Freigelasisenen Largius 
Menandro lagen die Sklavenzimmer an der einen Macedo, den Plin. epist. Ill 14, 1 als superbus 
Seite des Gebaudes und waren mit dem iibrigen 30 alioqui dominus et saevus schildert, und VII 6, 8, 
Hause nur durch einen langen Korridor verbun- wo Sklaven wegen Ermordung ihres Herrn ver- 
den (Maiuri Casa del Men. 1932, I 186; dachtigt werden. Totung eines Herrn in Mainz, 
vgl. II Tal 1). Ihre Wohnraume lagen im fewei- anschlieBend Selbstmord des Sklaven: Dess. 
ten GesehoB und gingen auf einen landliehen 8511) oder Flucht des miBhandelten Sklaven. 
Hof heraus, der unten einen Stall, Vorratsraume, Die Fluehtlimge (fugitivi, errones) bildeten in 
eine Kiiohe und Abtritte fiir das Gesinde enthielt alien Teilen des Reiches ein ernstes Problem, da 
(II Taf. 1 nr. 39). t)ber ahnliche Wohnvearhalt- sie fiir den Besitzer einen Verlust an Vermogen 
nisse der Sklaven auf Giitern in Campanien vgl. und an wertvoUen Diensten und fiir die Ail- 
Not, d. Scavi 1922, 459. 1923, 277 Fig. 4. Ro- gemeinheit eine Bedrohung durch das Anwachsen 
stovtzeff Gesellseh. I 276. In Plinius' Villa 40 der Rauberbanden bedeuteten. tJber die Be- 
Laurentina waren die Wohnraume der Sklaven ziehungen entlaufener Sklaven zu Rauberhorden 
und Freigelassenen abgesondert, so daB man die vgl. Cass. Dio LXXVH 10, 5. Vgl. luven. 8, 173, 
Stimmen der familia in den von den Freien be- der einen verkommenen Adligen neben nautis ae 
nutzten Zimmern nieht horen konnte (epist. H furibus ac fugitivis inter carniRces stelit. Wei- 
17, 22); Plinius Melt sie fiir behaglieh genug, tere Belege fiir die Hauiigkeit der Flucht von 
auch seine Gaste aufzunehmen (e^bd. 9). Seine Sklaven finiden sich Petron. 98. 107. luven. 13, 111. 
Sklaven schliefen zusammen in Salen (VII 27, Plin. epist. IX 21, 1. Lucian. lupp. tr. 42; KSi&K. 
13). Wahrscheinlich waren die Wohnbedingungen 24 (der fliiehtige Sklaven im Interesse der Her- 
fiir Sklaven auf solchen groBeren Giitern belmg- ren aufspurte). Apul. met. IH 16. VI 8. Martial, 
licher als in den Stadten. Die Behandlung kran- 50 III 91. Epikt. HI 26, 1. Die kaiserliehe Gesetz- 
ker Sklaven hing von der Giite oder Herzlosig- gebung, die den fugitivm definiert und die 
keit dea einzelnen Besitzers ab. Der Mangel an Bedingungen und Methoden seiner Ergreifung 
Mitleid mit kranken Sklaven bei einigen Skla- und seiner Riickkehr zu seinem Besitzer festsetzt 
venhaltem wurde die Veranlassung zu dem Edikt (Buckland Law of Slavery 267), bezeugt den 
des Claudius, nach dem kranke Sklaven, die aus- Umfang der Fluchtversuche und die administra- 
gesetzt und gesund geworden waren, die Freiheit tiven Schwierigkeiten der Ergreifung. DieEdikte 
erhielten (Suet. Claud. 25. Dig. XL 8, 2; o. der Aedilen ordneten an, daB es bei Verkauf von 
S. 1042). ImGegensatz zu diesemVorgehen stehen Sklaven auf offenem Markt angegeben werden 
bemerkenswerte Falle der Fiirsorge fiir die Ge- muBte, wenn der Sklave Neigung zum Entlaufen 
sundheit von Sklaven, die sowoM auf Herzens- 60 gezeigt hatte (GeU. IV 2. Dig. XXI 1, 1, 1; vgl. 
giite als auch auf wirtschaftlichen Griinden be- Karlowa Rom. Rechtsgesch. II 1220); faHs 
ruhten. Plinius' Angabe, daB freie Personen von sich dieser Fehler innerhalb einer bestimmten 
ihren Arzten aufmerksamer behandelt wiirden Frist herausstellte, so war der Verkaufer zu Scha- 
als Sklaven, zeigt, daB den Sklaven gewohnlich denersatz verpflichtet. Die Suohe nach entlau- 
^rztliche Fiirsorge zuteil wurde (epist. VIII 24, fenen Sklaven wurde in der Kaiserzeit ein or- 
5). Er schreibt einem Freunde (V 19, 1), er habe ganisiertes Geschaft, das von privaten fugitivarii 
einen Lieblingsfreigelassenen wieder aufs Land betrieben wurde (Flor. HI 19. Dig. XXI 1, 17, 
geschickt, seinen Vorleser, den er vorher wegen 12), die die ergriffenen AusreiBer entweder an 



1057 Sklayerei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1058 

die Eigentiimer direkt oder an die nachste Muni- stica der reichen Familien erhielten meist ein Ver- 

zipalbehorde ablieferten. Die Behorde wurd6 er- sammlungslo'kal im Hanse der Besitzer (OIL III 

sucht, den 8klaven so lange aufzubewahren, bis 4017. 4799. 7357. YI 7458. 8750. 9148. 9404. 

er an den praeses odei praefectus vigilum abge- 10251a. 10260—10264. XII 4449. XIV 2875). 

liefert werden konnte. Die Sache des Besitzers In den collegia, zu denen sie neben Freien und 

erhielt eine woitere Starkumg dnreh die Auflage Preigelassenen Zutritt hatte'n, waresn sie den an- 

einer Strafe auf jeden, der einen fugitivus auf deren Mitgliedern gesellschaftiich gleichgestellt 

^inem Besitz entdeckte und <davon nieht binnen (Barrow Slavery 165). In gewissen Vereinen 

20 Tagen Anzeige machte (Apul. met. VI 4. bakchischer Mysten waren alle soziialen Unter- 

Gelare fugitwum kostete die doppelte Strafe: 10 scbeidnngen der profanen Welt so volMg aus- 

V, Woess Asylwesen 178. Dig. XI 4, 1, 1). In geloscht, da6 aUe Mitglieder dieser geistigen 

der ersten Kaiserzeit, vielleicht unter Augustus Brudersehaft (fratribus mis D e s s. 3360), ganz 

(Barrow Slavery 59), gewahrte das Kecht des gleich ob Freie oder Sklaven, nur bei ihrem cog- 

Sklaven, sich zur Statue des Kaisers zu fluchten, nomengeiuien wurden (Cumont Amer. Joum. 

ihm einen gewissen Schutz, da es ihm die An- Arch. XXXVII [1933] 234). Unter den cultores 

horung seiner Beschwerden sicherte (Sen. ben. dei Solis invicti Mithrae in Sentinum (GIL IX 

III 22; clem. I 18, 1. Dig. I 12, 1, 1. 8. XXI 5737 = Des,s. 4215) erscheint ein Freigelas- 

1, 17, 12. In Bithynien fliiohtete ein Sklave, der sener (col. 1, 5) und ein offentlieher Sklave der 

friiher dem Lal^erius Maximus, legatus pro prae- Gemeinde Sentinum (col. 3, 3). In idiesen collegia 

lore in Moesia im J. 100, zur Statue des Traian, 20 und auch in denen, die nur aus Sklaven besten- 

Plin. epist. X 74; s. die Klage uber MiBbrauch den, fanden sie fiir die angeborene Sebmsucht 

dieses Rechtes in Rom unter Tiberius Tac. ann. nach sozialem Aufstieg Befriedigung durch Ver- 

III 36, 2. In Griechenland blieb die alte Sitte der einsamter, indem sie zu magistri und nrngistrae, 

Flucht zu den Altaren mit dem Recht, Verkauf curatores, decuriones oder praefecti gewahlt wer- 

an einen an deren Besitzer zu fordem, weiter in den konnten; in der Vorbereitung von G^lagen, 

Kraft, s. 0. S. 941f. Plut. mor. 166 de). Obwohl in^ der Auflegung von Strafen und der Dar- 

daa romische Kaiserreeht den Sklaven das Recht bringung von Opfern; in Verteilung liberschus- 

des Tempelasyls nieht gewahrte (vgl. lunos Be- siger Golder und in der Leitung von Versamm- 

merkung Apul. met. VI 4 legibus quae servos lungen (Waltzing IV 251. Barrow Sla- 

alienos perfugas invitis dominis suscipi vetant ^0 Yery 165. tlber als magistrae fungierende Frauen 

prohibeor)^ wurde die Bestimmung, da6 ein s. Walt zi ng IV 341. D'ess. 7882 d. Vgl. die 

Sklave Verkauf auis dem Besitz eines ihn mi6- magistrae in Mintumae bei Johnson Excava- 

bandelnden Herm verlamgen durfte, vom spa- tions at M. II 1, 120). Im collegium funeraticium 

teren romischen Recht anerkanmt (Dig. XXI 1, von Lanuvium, das sowohl Freie als auch Skkven 

17, 12). umfafite (Bruns FIR 175 = Dess. 7212 II 

Sklaven waren vom GenuB mahcher Vergnii- 4), war bestimmt, dafi, wenn ein unfreies Mit- 

gungen, die die Zdt mit sich brachte, nicht aus- glied stiirbe und der Herr die Leiche nicht dem 

geschlossen. Sie konnten Theater, Gladiatoren- collegium zur Bestattung auslieferte, der Verein 

spiele und Rennen besuohen (Colum. I 8, 2. Pe- ihm die Ehre eines Scheinbegrabnisses erweise 

tron. 45. 70. Cass. Dio LXIX 16, 3) und konn- 40 (funus imaginarium). Von jedem Sklaven, der zur 

tfcen gelegentlieh an Speisumgen teilnehmen, die Freiheit gelangte, wurde erwartet, dafi er dem 

der Stadtbevolkeruing gegeben wurden (Dess. Verein eine Amphora guten Weines stiftete (II 6). 

5672 Geld vermacht in Praeneste fiir Bader, die Die S. iibte >aueh in der Kaiserzeit weiter ihren 

auch von Sklaven benutzt werden soUten. In EinfluB auf die Moral und die herrschenden An- 

Suasa in Umbrien 5673. In Ferentinum nahmen schauungen (W. K r o 1 1 Ztschr. f . Sexualwiss. 

'Sklavenkinder neben freien teil an einer Vertei- XVII 147), wobei wahrseheinlich der Grad ihrer 

lung von Niissen, die ein Burger idurch Testament Wirkung mit dem Absinken der Sklavenzahl ab- 

angeordnet hatte, 6271. Vgl. Barrow Sla- nahm. Die Sklaven des kaiserKchen Haushaltes 

very 169). und der senatorischen Familien in Rom waren 

In den Begrabnisvereinen (S c h i e s s Die rom. 50 besondera einer Versehlechterung ihres Charak- 

coUegia funeraticia. Miincheai 1888) genossen die ters ausgesetzt durch die Versuchungen, die in 

Sklaven bei Lebzeiten geselHge Vergniigungen den im Umkreise ider Kaiser gesposnnenen Intri- 

Tind nach dem Tode die Sicherheit eines an- gen nnd in dem herrschenden Angebersystem 

sta/ndigen Begraibnisses. Sie wurden auch in die lagen; denn Aussagen gegen ihre Herren konn- 

Eerufsvereine aufgenommen, soweit diese nicht ten immer duroh Furcht oder Folter erzwungen 

aus fiir den Staat tatigen Arbeitern bestanden oder durch Hoffnung auf Belohnung erzielt wer- 

^(W a 1 1 z i n g Les corporations prof essioneUes den (Tac. ann. XV 54 nam quum secum servilis 

[Louvain 1895/1900] II 245. 1 346. Rostovtzef f animus praemia periidiae reputavit, simulque im- 

CreseEsch. I 147. 304, 22), und viel leichter in mensa peeunia et potentia obversabantur, cessit 

die collegia tenuiorum. Die Erlaubnis des Herrn 60 fas et salus patroni et acceptae libertatis memoria. 

war notwendig, ehe der Sklave die Mitgliedschaft Vgl. hist. IV 23). Obgleich ider Kreis der Sklaven, 

in irgendeinem Verein annehmen konnte (Dig. auf den diese Versuchungen unmittelbar wirkten, 

XLVn 22, 3, 2; 0. Bd. IV S. 417); aber isie beschrankt war, so muB der EinfluB ihres Vor- 
scheint bereitwillig gegeben worden zu sein. In bildes weit gereicht haben. Darauf weisen die 
dem Begrabmi^sverein GIL VI 10237 war das zahlreichen Falle von Angeberei, von denen wir 

Lokal, wo der Verein seine Opfer und Ge- horen, und die Wichtigkeit, die die historische 
lage abhielt, mit der Begrabnisstelle verbunden Literatur der Zeit diesen und verwandten Hand- 
({Wa It zing I 214); aber die collegia dome- lungen von Sklaven in der hoheren Gesellschaft 

Panly-Wtesowa-Kroll Suppl. VI 34 



1059 Sklaverei (Kaisarzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1060 

Roms zuschreibt (unter Tiberius: Tac. ann. H 30. non habet negandi potestatem. Quinl;. decl. 301. 

Vgl. die sehlechte Behaii'dlung des Drusu® duroh Dig. XXV 7, 1. Cod, IX 9. 20. 25). Homosoxuelle 

kaJserliche Sklaven bei Cass. Dio LVII 19, 5 — 7. Ausschreitungen wurderi zweifellos dureh die S. 

Angeberei unter Claudius LX 15, 5. Behand- untersttitzt, wedl di« Sklaven kein Recht zum 

lung des Britannicus Tac. ann. XII 26; vgl. hast. Wid^rstand hatten und wirtschaftlieh wie gesell- 

I 7. II 84. Suet. Galba 10). Jedoch lieB Nero die schaftlich abhangig waren (Ciccotti Tramonto 

Verfolgung eines Senators auf Grund der Be- della schiavitu 180. Lobreden auf die Tugend yon 

schuldigung eines Sklaven nicht zu, ann. XIII 10. Sklaven bei Sen. ben, III 19, 2. In der kyni'sch- 

tJber den Schaden, den Klatscherei von Sklaven stoischen Propaganda und der Romanliteratur 
anrichten konnte, s. auch Inven. 9, 102. 10, 87 10 der Kaiserzeit ist die Behauptung der Tugend 

sed videant servi, ne quis neget et pavidum in durch Sklaven trotz Versuehungen ein gewohn- 

ius cerviee obstricta dominum trahat. Folterung liches Thema, M. Braun Frankf. Studien VI 

von Sklaven, um Zeugnisse gegen ilire Herren zu 44). Stuprum eines Freien wurde von der offent- 

erhalten, wurde von Caraoalla angewandt: Cass. lichen Meinung verworfen, wenn auch die Be- 

Dio LXXVII 2. Das strenge Schweigegebot, das strafung der Familie iiberlassen war; aber das 

Sklaven in groBeren Haushaltungen oft in Ge- eines Sklaven feind keinen starken Tadel (W. 

genwart ihrer Herren auferlegt wurde, war oine Kroll Ztschr. f. Sexualw. XVII 157; vgl. Pe- 

um so groBere V^rsuchung zum Klatsch, wenn tron. 63, 3. Tac. ann. XI 2. XIV 42. XV 37. Cass, 

die Gelegeinlieit sieh bot (Sen. epist. 47,4). Fine Dio LXXIX 21, 1. Script, hiist. Aug. Macrin. 4,3. 
heftige Reaktion gegen das "Dbel der Angeberei 20 Flag. 6, 4). Wahrscheinlich gehoren Sklaven 

von Sklaven setzte im 2. und 3. Jhdt. ein (Script. ebenso wie Angehorige der niedersten Klasse der 

hist. Aug. Pert. 9, 10, wo ein Sklave dafur ge- freien Bevolkerung zu den Leuten, deren homo- 

kreuzigt wird, da6 er eine Anklage gegen iseinen sexuelle Betatigung wir axis den Graffiti von 

Herrn erhob; vgl. 10, 7. Sev, Alex. QQ, 3. MaB- Pompeii kennen (CIL IV 1882. 3375. 4024. 4126. 

regeln gegen spadones, die ihre Gunst verkaufen, 4816. Kroll 156). Im Gegensatz zu diesem Bilde 

Gord. 24f.). Der Kaiser Tacitus lehnte es ab, in steht der Eindruek einer recht anstandigen Le- 

FaUen von maiestas das Zeugnis von Sklaven an- benshaltung und Betatigung der Sklavenbesitzer 

zunehmen (ebd. Tac. 9, 4), und Constantin der und der Sklaven selbst, wie wir ihn aus Grabr 

Grofie machte einen weiteren Versueh, dieses schriften aus allein Teilen des Reiches und au-s 
"Dbelg Herr zu werden, indem er die Kreuzigung 30 agyptischen Papyri gewinnen. In den zahlreichen 

jedes Sklaven oder Freigelassenen anordnete, der bis jetzt veroffentlichten Vertragen iiber Sklaven- 

gegen seinen Herrn oder Patron eine solche An- verkaufe aus Agypten findet sich kein Beispiel 

schuldigung vorbrachte (CIL VI 2781 + Ephem. der Zufiigung edner Klausel, die den Gebrauch 

epigr. VII 416 := Bmns FIR 266, 28). Untea: des Sklaven zu Prostitutionszweeken durch dein 

Gratian wurden Anklagen wegen Verrates, die Kaufer ausschlieBt, so wie es bei manohen Ver- 

Sklaven erhoben, angenommen; aber der Sklave, kaufen nach romischem Recht vorkam (Dig. 

der seinen Herrn in irgendeinem anderen Punkte XVIII 1, 56. Vgl. Cod. IV 56, 1—3). Die Papyri 

beschuldigte, soUte durch -das Feuer sterben (Cod. zeigen im ganzen auffallend wenige Hinweise auf 

Theod> IX 6, 2). die groberen Formen der Ausschweifung. Wenn 
Es kann nicht zweifelhaft sein, daB das freie 40 auch viele Kinder von Sklavinnen, die auf den 

Verfligungsrecht der Herren uber ihre Sklaven Papyri in Testamenten vorkommen, offenbar 

zu vielen Fallen sexuellen Verkehrs mit Sklavin- auBerehelichen Beziehungen zwischen Herrn und 

nen und, weniger haufig, zwischen freien Frauen Sklavin ihr Dasein verdanken (Taubenschlag 

und Sklaven fiihrte (Lucian. Tyrann. 11). Der Ztschr. Sav. Stift. LI 44, 1. Sudhoff Irztliches 

ErlaB Hadrians, der das Recht, eine Sklavin an aus gr. Papyrus-Urk. [1909] 149), se ftihrt doch 

einen leno zu verkaufen, anf Falle beschrankte, die groBe Zahl der olxoysveig im romischen Agyp- 

in denen ein geniigender Grund fiir solchen Ver- ten zu dem SchluB, idaB sie zum groBen Teil Kin- 

kauf angegeben werden konnte (o. S. 1043. Script. der von Sklaveneltern sind, denen man gestattet 

hist. Aug. Hadr. 18, 8), lieB offenbar viele Mog- hatte, in quasi-ehelichen Beziehungen zu leben. 
lichkeiten der Ausbeutung zu Prostitutionszweeken 50 Zu idiesem Verfahren muB 'die Erwagung gefiihrt 

offen (A Hard 147, 5). Ein Weg, der Anklage haben, daB die Verminderung der Unruhe und 

der infamia (Dig. IH 1, 1, 4. 2) zu entgehen, Unzufriedenheit und die Aufzucht hinzugebore- 

war der, daB man seinen Sklaven Raume mietete ner Sklavenfcinder einen hoheren Ertrag ver- 

und sie Bordello auf eigene Rechnung auftun lieB sprach. Aus eben diesen Griinden hatten in Ita- 

(Dig. Ill 2, 4, 3). Die allgemeine Verbreitung lien sowohl Varro (r. r. II 10, 6) als auch Colu- 

der Anschauung, daB Sklavinnen in bezug auf mella (I 8, 19) das Verfahren, den Landsklaven 

ihren Lebenswandel auf einem anderen gesetz- Gefahrtinnen zu geben, empfohlen. Das ideali- 

lichen und moralischen Niveau standen als freie sierte Bild des Landlebens, wie es die Dichter der 

Frauen, ergibt sich deutlich aus der Ansicht, die Zeit schildem (Tibiull. I 5, 25. II 1, 21), ftihrt 
Ulpian ausspricht: wenn eine Sklavin von ihrem 60 zu demselben SchluB. Der erhebliche Prozent- 

Herrn zur Prostitution benutzt war, so soUte satz von vernae in Italien (o. S. 1006) laBt darauf 

nach ihrer Freilassung ihr Ruf darunter nicht schlieBen, daB die in industriellen und sonstigen 

leideij (Dig. H 2, 24); ebenso aus Aurelians Er- stadtischen Betrieben beschaftigten Sklaven oft 

laB, wonach freigeborene Frauen nicht als Kon- die Erlaubnis erhielten, eigene FamiHen zu grun- 

kubinen gehalten werden sollten, worin deutlich den. Eine Untersuchung der 3000 Inschriften au® 

liegt, daB es im FaHe von freigelassenen Frauen den columbaria von Sklaven und friiheren Skla- 

und Sklavinnen gestattet war (Script, hist. Aug. ven der niederen Klassen in Rom (Frank Amer. 

Aurel. 49, 8, Vgl. Sen. ben. HI 19 servus autem Hist. Rev. XXI [1916] 698), unter denen sich 



1061 Sklaverei (Kaiserzeit) Sklaverei (Kaiserzeit) 1062 

eimge wenige Inschriften der armieii freigebore- Korn, die Wolle, das Holz empfangen, um sie zu 
nen Bevolkerung befinden, zeigt, daB zwischen Brot, zu Kleidung, zu Geraten zu verarbeiten'). 
26^2 'und 39 % Zeugnisse fiir Sklavenehen er- E. H e i t z Neue Grundsatze der Volkswirtschalts- 
geben, 15% dieserFalle bezeugen, dafiausdiesen lehre (1897) 8 leitet den Verfali der antiken Kul- 
Vereiuigungen Kinder entsprossen waren, die tur aus der S. her, weil sie schliefilich die freie 
naturKdi dem Sklavenistande angehorten. Die Co- Arbeit aus fast alien Zweigen des Wirtschafts- 
lumbariumsinschriften vornehmer Familien zei- lebeng verdrangt habe. Si g wart Art. Kapi- 
gen in 24 — 40 % Sklavenehen, und 15 <^/o berich- t a 1 i s m u s o. Bd. X S. 1905 erklart die mangel- 
ten von Kindern, die diesen Sklaveneltem geboren hafte Entwicklung kapitalistischer Produktions- 
waren. In den auf kaiserliche Sklaven beztiglichen 10 methoden im Altertum daraus, daB die Sklaven- 
In;schriften sind idie Verhaltniszahlen solcher arbeit teuer war, weil die 8klaven sehlechte und 
Quasi-Ehen und der Gebrauch der Termini coniunx faule Arbeiter waren und koistspielige "Dber- 
und contubernalis noch hoher (51 — 59 ^/o); nur wachung erforderten, auBer wenn ihre geringe 
13% berichten von Kindern, die solchen Ehen Leiistungsfahigkedt durch ungewohnKch niedrige 
entstammten (ebd. 697; vgl. die interessanten An- Sklavenpreise aufgewogen wurden, wie sie vor- 
gaben iiber die Beschaftigung der in solchen Yer- kamen, wenn groBe Kriege Massen von Sklaven 
bindungen lebenden Manner und Frauen ebd. auf den Markt warfen (vgl. Ciccottis Glau- 
696). Die Verbreitung lasterhafter Gewohnheiten ben an den geringen Ertrag der Skkvenarbeit 
im Zusammenhang mit der S. in der romischen S. 37. 282. 295). Zwar fehlt unis jedes statistische 
Kaiserzeit, auch unter den Sklavenseharen des 20 Material, um die relative Rentabilitat von] freier 
romischen Adels, ist offenbar von der literatur und Sklavenarbeit auf Grund der Anschaffungs- 
dieser Zeit arg ubertrieben worden, und der Ein- kosten fur Sklaven und der Lohne fiir Lohnarbei- 
druck der allgemeinen Sittenlosigkedt muB sich ter zu berechnen; jedoch ist Rostovtzeffs 
steiigern, wenn man, wie unvermeidlioh und oben Ansicht zu billigen, daB der Sklave weder ein 
geschehen, die Zeugnisse zusammenstellt. Die beste billiger noch ein fiigsamer Arbeiter war (Ge- 
Moglichkedt einer Einschrankung dieser tJbertrei- sellsch. II 67, wo aber die Zahl der in helleni- 
bung liegt in den von Frank gegebenen Zahlen; stischer Zeit beschaftigten Sklaven ubertrieben 
sie beleuchtem das Familienl^ben zwischen Skla- ist, s. o. S. 932). Die Annahme, daB der Gebrauch 
ven in Rom und die Haufigkeit der Beziehungen von Sklaven im Handwerk die Entwicklung ver- 
zwisehen Freien und Sklavinnen oder zwischen 30 besserter technischer Methoden verhinderte (S a 1- 
Sklaven und freien Frauen, die auf gemi'schte viol i II capitalismo nel mondo antico 75, ge- 
Ehen herau'skommen (IGR I 492 aus Syrakus. billigt von Heichelheim Hist. Ztschr. CXLIII 
D ess. 2900. 8553. 8555. CIL V 1071. Vgl. .die 95), ist auch zu verwerfen (Rostovtzeff 
zahbreichen Beispiele bei Ciccotti Tramonto a. 0.), weil es keine G^wahr fiir die Ansicht gibt, 
261,2). daB ein System ausschlieBlich freier Arbeit nur 
Man hat die antike S. oft zu dem ,Verfair der am geringsten etwas an der Entwicklung der in- 
antiken Kultur in Beziehung gesetzt, sei es wegen dustriellen Teehnik geandert haben wlirde, wie 
des angeblichen moralischen Riiokganges, den die sie sich im Altertum voUzogen hat. Die vorsich- 
S. verursachte, sei es wegen der wirtschaftliehen tige Andeutung Ciccotti -s (Schiavitu 283), die 
Ltage, zu der 'die Verwendung von Sklaven fiihrte. 40 MiBstiimmung der Sklaven hajbe ihren Ausdruck 
tJber die Ansicht, daB der durch die S. bedingte in schlechter Arbeit gefunden, und es habe na- 
Niedergang der Moral zum Siooken der griechi- mentlich im Topfereigewerbe an der ruhigen Ge- 
schen Kultur beitrug, vgl. Barbagallo La schickMchkeit gefehlt, die zu kiinstlerisohen Lei- 
fine deMa Greda antioa (1 905) 1 und W a 1 1 o n stungen notwendig sei, wird vollig widerlegt 
L'esclavage I 452. 457; iiber ihren schadliehen durch die einzigen auf uns gekommenen Fabri- 
EinfluB auf die romische Kultur vgl. W a 1 1 o n kate, die wir bestimmt auf einzelne unfreie Hand- 
II 325. 383. Ill 335 und G. B. Adams werker zurtickfiihren konnen. Die Reliefkeramik 
Civilization during the Middle Ages (1904) 80. der unfreien arretinischen Topfer zeigt ein feines 
Eine Abwandlung dieses Themas findet sich Geftihl fiir Handwerkskunst, groBes technisches 
bei 0. Seeck IJnterg. d. ant. Welt P [1897] 50 Geschick und besondere Sorgfalt in der Detail- 
314. 327; er leitet aus der S. die Entwick- ausfiihrung (0 x e Arretinische Relief gefaBe vom 
lung eines zur Unterwurfigkeit neigenden Cha- Rhein* Vgl. 'die signierten GefaBe der Sklaven 
rakters her, den die griechisch-romische Be- Pylades Taf. V 12 a. b; Pantagathus Taf. XXII 
volkerumg der Spatzeit von ihren freigelassenen 108 a. b. Taf. XXXVI; Hilario Taf. LII und Dar- 
Ahnen geerbt habe. Zugegeben, daB die Moglich- danus, dem Sklaven des Q. Aneharius Taf. LV 
keit auBerehelicher sexueller Beziehungen durch nr. 282)^ 

die S. erheblich vermehrt wurde, so gibt es doeh Der immer starker e Riickgang der S. in der 

keinen Weg, die gewaltige moralische und phy- Kaiserzeit (Ciccotti Schiavitti 33. 285. 314; 

sische Wirkung dieser Tatsache auf die antike o, S. 994) ist als die Folge, nicht als die Ursache 

Gesellschaft zu beweisen. Da man an das Pro- 60 der wirtschaftliehen und staatlichen Veranderun- 

blem des Aulstieges und Niederganges der an- gen in dieser Zeit anzusehen. Die veranderten sozia- 

tiken Kultur gewohnlich von der wirtschaftliehen len Bedingungen, die den Hintergrund fiir die ge- 

Seite herantritt, so iibertreibt man die Zahl der ringere Verwendung von Sklaven in Landwirt- 

Sklaven im Altertum und den EinfluB der S. schiaft und Industrie bilden, waren: das Aufhoren 

(bes. K. Biicher Die Entstehung der Volkswirt- der Kriege und des Rauberwesens, die die Haupt- 

schaft^ [1906] 100: ,die artifices der Quellen- queUen fiir einen reichlichen und billigen Zu- 

schriften sind . . . Handwerkssklaven, welche aus strom von Skla.ven gewesen waren; die hohen 

den Handen der Acker- und Hirtensklaven das Kosten der Sklavenarbeit, die man sich durebi 



1063 Sklaverei (spate Kaiserzeit) Sklaverei (spate Kaiserzeit) 1064 

Aufzucht von Sklavenkindern verschaffte, und mentarische Wort avbQdnob[ov . . .] am Anfang 

die damit verbundene Gefahr der Verluste durch vou XXXI 6 fiiidet sich in einem Aibschnitt iiber 

Steiiblichkeit; 'das Herabsinken der groBen Masse Stticklohne Mr Goldschmiedearbeit nnid lafit sich 

der Landbevolkerung von freien Bauern zu coloni ndcht aul einen Kanfpreis fiir Sklaven beziehen), 

Oder adscripticiif die an den von ihnen bebauten und da6 keine Verfiigung iiber Tage- oder Stuok- 

Boden gefe;sselt waren (Rostovtzeff Rom. lohne fiii^ von Sklaven oder Freigelassenen ge- 

Kolonat 396; Gesellsch. II 233. Seeck o. Bd. roachte Arbeit im Unterschied zu der von freien 

IV S. 495) und deren Kaufkraft einschliefilich Arbei^ern getroffen wird (s. Ed. Diocl. VII, wo 

der Moglichkeit, Sklaven zu erwerben, voUig ver- 76 verschiedene Preise fur Stiickarbeit aufgezahlt 
schwand (Rostovtzeff Gesellsch. II 231 ,die 10 werden). Wenn Sklavenarbeit von dem Herrn ver- 

aUmahliche Verarmung' und ,verminderte Kauf- traglich verdumgen wurde, so muB sie nach dem- 

kraft' im spateren Kaiserreich). Zwei Andeu- jselben Mafistab bezahlt worden sedn wie die ent- 

tungen mogen zu diesen Griinden fur die dauernd sprechende gesehulte oder ungeschulte Arbeit 

abnehmende Bedeutung der S. hinzugefiigt wer- freier Arbeiter. Das ganze Edikt setzt also das 

den. Die eine geht dI;Mn, daB durch die Ver- tJberwiegen der freien Arbeit im Handwerk 

iegung der industriellen Tatigkeit aus ItaUen voraus und beweist fur jene Zeit die geringe Zahl 

nach Gallien und den rheinischen Provinzen, wo- von Sklaven, deren Leistunigen fiir Fabrikarbeit 

fur das Wandern der Fabrikation der Relief- auf Tagelohn oder fur Stiickaiibeit in Frage kam, 

keramik aus Arretium nach dem Norden ein Bei- die siie in ihren eigenen Wohnungen oder im 
spiel liefert (Dragendorff Gnom. X 360), 20 Hause ihrer Herren verrichteten (vgl. C i c c o 1 1 i 

die neuen Indxtstriezentren in Gegenden lagen, 304). In der kaiserlichen Munze des 4. Jhdts. 

wo Sklavenarbeit in der Indxustrie keinen FuB waren die monetarii alle freie Arbeiter (o. Bd. IX 

faBte, weil sie weder in jenen Gegenden einhei- S. 463. Cod. Theod. X 20, 1). Konstantins zur 

misch war noch dem Charakter der dortigen Be- Vorbereitung der Censur des J. 327 erlassene Ge- 

volkerung entsprach. Die zweite ist, daB bei dem setze ordneten an, daB mit Lrandarbeit beschaf- 

Nebeneinander von freier und Sklavenarbeit Frei- tigte Sklaven nur innerhalb derselben Provinz 

lastSTingen fortwahrend in weitem Umfange vor- verkauft werden konnten (0. Seeck Untergang 

gekommen waren und daB die Schranke zwisehen IP 324), Der ErlaB vom 30. Oktober 332 (Cod. 

S. und Freiheit nie streng gewesen war. Infolge- Theod. V 17, 1, o. Bd. IV S. 498), diurch den die 
deasen konnte der Riickgang im Gebrauch von ZOeoJoni dauernd an das Landgut gefesselt wurden, 

Sklaven allmahlich und fast unmerklich und o-hne auf dem sie eingetragen waren, spricht ebenfalls 

groBe Storungen auf dem Arbeitsmarkt erfolgen. deutlich fiir die Ansicht, daB Landarbeit schwer 

DieS. nachdenReformenDiokle- zu bekommen und festzuhalten war, und daB, 

tians und Konstantins. Oben ist ge- abgesehen von den groBten Giitern, keine groBen 

schildert, wie die freie Arbeit in der Periode Skkvenmengen fiir Landarbeit zur Verfiitgung 

zwisehen Augustus und Konstantin zunahm, wie standen. Wo man Sklaven auf den Giitern Melt, 

sie in weitem Umfange die friiher der Sklaven- durften ihre Herren isie nieht verkaufen oder frei- 

arbeit zufallenden Leistungen iibernahm und lassen oder sie zu Zwecken personlicher Bedie- 

wie der Unterschied in der sozialen und wirt- nung an eine andere Stelle versetzen. Wenn das 
sehaftlichen Lage der beiden Klassen allmahlich 40 Landgut, zu dem dieise Sklaven gehorten, auf- 

beseitigt wurde (Ciccotti 296). Bis jetzt gibt gegeben wurde, sollten die Sklaven selbst dem 

es keine umfassende oder befriedigende Darstel- Kaiser zufallen (Seeck IP 324). Man hat oft 

lung und wenige Einzeluntersuchungen iiber die eine Stelle des PaUadius zum Beweise dafiir an- 

weitere Abnahme der Bedeutung der Sklaven- gefiihrt, daB die groBen Landgliter des 4. Jhdts. 

arbeit (s. Bury Hist, of the Later Roman Em- Sklaven als TiscMer, Schloisser und Topfer be- 

pire [1889] I 27. 370). Angesichts des Fehlens schaftigten, um fiir die Bediirfnisse dieser Giiter 

solcher Vorarbeiten kann nur eine kurze und vor- zu sorgen (M. Weber Agrarigesch. [Stuttg. 1891] 

laufige Skizze des Problems der S. in der friih- 241); aber nichts an dieser Stelle zwingt zu dem 

byzantinischen Periode gegeben werden, die nicht Schlusse, daB die ^wahnten Arbeiter Siklaven 
beanspruoht, die antike oder moderne Literatur 50 waren {ferrarii lignarii doUorum cuparumque fac- 

iiber den Gegenstand zu ersohopfen. tores habendi sunt Pallad. I 6, 2; s. auch die Be- 

Das Edictum Diocletiani de pretiis rerum vena- merkungen von D o p s c h Grundlagen d. europ. 

Hum vom J. 301 (GIL III p. 1928—1935. Blum- Kulturentw. II [1924] 407, 29 iiber die Grunde 

n e r Der Maxiooaaltarif des Diocl. [1893]) muB fiir die von Palladius gegebene Regel). 

den Ausgamgspunkt fiir diese Untersuchung bil- Die allmahlichen Veraniderungen im G^samt- 

den. K. B ii c h e r hat in seiner Behandlung des bilde der antiken Kultur, die in die Zeit von Kon- 

Ediktes (Ztschr. f. d. ges. Staatswiss. L [1894] stantin bis zur moslemitischen Eroberung fallen, 

189. 674; Beitr. z. Wirtschaftsgesch. [1922] 179) traten in verschiedenen Teilen des Reaches mit 

den Grundirrtum begangen, die Tage- und Stiick- verschiedener Starke und Geschwindigkeit auf. 
lohne, die im Edikt festgesetzt werden, auf die 60 In Agypten anderte sich .die Landwirtschaft, wie 

Arbeit von Sklaven zu beziehen, deren gesehulte wir siie aus den Papyri des 4. Jhdts. kennen, nicht 

6der ungeisehulte Arbeit von ihren Herren an voUig im Vergleich zu dem Zustand, wie er im 

andere vermietet wurde, oder auf die von Frei- B. Jhdt. gewesen war. Die Latifundien waren 

gelassenen (vgl. Blumners Kritik o, Bd. V wahr^heinlich an GroBe und Wichtigkeit ge- 

S. 1956). Die wichtigste an dem Edikt, soweit wachsen, aber kleine Giitsbesitzer und kleine 

es sich um die erhaltenen Bruchstiicke handelt, Pachter waren welter die charakteristische Er- 

zu machende Beobachtung ist die, dafi Verkaufs- scheinnng fiir die agyptische Landwirtschaft 

preise von Sklaven nicht vorkommen (das frag- (H. I. Bell M^moires fiir ChampoUion [Paris 



1065 Stlaverei (spate Kaiserzeit) Sklaverei (spate Kaiserzeit) 1066 

1922] 263). StklavenverMufe und andeie aaif besitzern in den ostliehen Provinzen des- Reaches 

Sklaven beztigliche Urkunden kammen noch vor in weitem Umfange verwendet wurden, wird 

(Sklavenverkaufe: Pap. Lond. II 251 p. 317 aus durch das Gesetz des Kaisers Leo aus J. 468 be^- 

J. 337 — 350. BGU I 316 aus J. 359. Freilassnng zengt, das die Verwendung von bucelarios Isauros 

aller Sklaven dnrch Testament eines Ohxisit^n armatosque servos in alien Stadten und auf dem 

A. G. Ro s Pap. Groninganae 10. Drei Sklaven Lande verbot (Cod, lust. IX 12, 10. Dieses Gesetz 

im geimeinsamen Besitz von Briidern Pap. Soc. war wirkungslos: Hardy 61). Eine iiberraschend 

It. V 452, 10. Eigentumsteilunig zwischen Ver- groBe Ereiheit, Geschafte auf eigene Rechnung 

wandten in Pap. Leipz. 26, 7 aus dem 4. Jhdt.,' wo- zu fiihren, wird Sklaven auf den groBen, Be- 
bei vier Sklaven vorkommen, zwei davon Land- 10 sitzungen eingeraumt (ebd. 112). Der Eindruck, 

arbeiter, edn Maultiertreiber, der vierte Weber daB die geseBschaftliche und wirtschaftMohe Stel- 

tarsischer Gewander. Vgl. BGU III 798, 5, viel- lung dieser Latifundiensklaven besser war als die 

leicht aus dem 4. Jhdt., wo die dovXoi wahrschein- der eoloni und anderer Halbfreien, kann riehtig 

lich, aber nieht siicher Sklaven sind). Verpfan- sein. Das aUgemeine Elend der freien Bevolkerung 

dnng und Verkauf der eigenen Kinder durch in Agypten zeigt sich in dem Auf kommen der 

Schuldner vertrug sich nieht mit der romischen Sitte, seine Kinder an die koptischen Kloster als 

Rechtspraxis (Taubenschlag Ztschr. Sav.- oblati zu geben, wo ihre Stellung sich nur wenig 

Stift. L 146. P. M. Meyer Jur. Papyri p. 29. von S. unterschied (Steinwenter Ztschr. Sav.- 

Die von Constantin Cod. lust. lY 43, 2 erteilte Stift. kanon. Abt. XLII 175. A. A. Schiller 
Erlaubnis, nach der Eltem ihre Kinder verkaufen 20 Ten Coptic Legal Texts [New York 1932] 6). Der 

durften, war eine bedingte, begriindet propter deutliche tJbergang der halbfreien Bevolkerung 

nimiam paupertatem egestatemque vietus causa, zu voUstandiger S. hatte die geistige tJberlegen- 

mit dem Recht des Rtickkaufes durch die Eltem, heit der Freien fiber die Sklaven aufgehoben. Die 

0. S. 1043). Sie findet sich jedoch in Agypten in Papyri der byzantinischen Periode lief em daftir 

dieser Zeit wieder als ein Mittel, finanziellen einen reichlichen Beweis durch die Gewohnheit 

Schwierigkeiten zu entgehen (Bell Jews and unterwiirfiger Anreden an die Grundherren und 

Christians, nr. 1915, 35. 1916, 17. J. Mas- ihre Verwalter oder an die Beamten, worin die 

pero Catal. general dii Musee de Ctoe [1911]. Schreiber sich nennen 6 dovXog oov oder v/uhsQog 

Pap. Cairo Byz. I 67023, 12 aus J. 569. VerauBe- dovX^g (Beispiele Pap. Oxy. XVI 1855, 19. 1859, 8. 
rung einer Tochter wegen Armut auf dem WegeSOPap. Ross. Georg. Ill 21, 5. Stud, zur Palaeogr. 

gesetzlicher Adoption Pap. Oxy. XVI 1895, 5 aus XX 223 v. 224 v. Pap. Gothembourg 28, 11 

J. 554). Der Mangel an Urkunden maeht es [Goteb. Hogsk. Arsskr. XXXV 1929, 42]) oder 

unmoglich, die Entwioklung im 5. Jhdt. zu ver- den Adressaten als deoTzotrjg sfAog anreden (Bei- 

folgen; jedoch ist ein christliches Gebet vorhan- spiele Pap. Oxy. XI 1861, 11. 1864, 13, 1865, 12. 

den, das einen Sklaven erwahnt (Pap. Oxy. VII 15. W. Schubart Papyruskunde 205). 

1059, 3). Im 6. Jhdt. hatte sich das ganze System In Syrien und den tibrigen Landem am Mittel- 

der . Landverteilung verandert. Die alten Kate- meer auBer Agypten befanden sich viel groBere 

gorien von koniglichem, staatlichem, heiligem Sklavenzahlen auf den groBen Giitern. lo. Chrys. 

und Katoikenland waren verschwuniden und, der Hom. ad Matth. 63, 4 verlangt fiir einen reichen 

Umfang der Latifundien, ob nun im Privatbesitz 40 Burger von Antiochia 1 000— -2000 Sklaven auf 

oder der Kirche gehorig, hatte, sdch stark ver- groBen Landstrichen. In der Vita parvae Melaniae 

mehrt. Diese Gtiter zahlten ihre halb als Sklaven (Hist. Laus. 109 = Migne G. XXXIV 1230) be- 

zu betrachtenden eoloni nach Tausenden (Bell richtet Palladios, daB Melania die Jiingere 8000 

Mto. ChampolMon 263. Vgl. Mickwitz Geld von ihren Sklaven freilieB, daB aber die anderen 

u. Wirtschaft 143). Durch diesen Umschwung in der S. bei ihrem Bruder zu bleiben vorzogen. 

vermindierten sich die Sklavenzahlen in Agypten Auch. wenn man eine erhebliche tJbertreibung in 

in dem Grade, daB man nur auf den Latifundien den Zahlen zugibt, so muB man doch den SchluB 

m\t dhnen zu rechnen braucht (Reil Beitrage ziehen, daB die Verwendung groBer Sklaven- 

170. Der Verkauf einer jungen Negerin Pap. mengen auf einigen wenigen Besitzungen auBer- 

StraBb. inv. 1404, 25. Arch. f. Pap. Ill 418, ist 50 ordentlich reicher Eigentiimer fortgedauert hatte, 

die einzige Urkiinde ihrer Art, die aus dieser ebenso aber, daB im allgemeinen die Zahl der Skla- 

Zeit noch vorhanden ist). Die zahbeichei). Ur- ven rapide abnahm, und daB Sklavendienst bei 

kunden der groBen Apipn-Strategios-Familie aus einem reichen Grundherrn leicht einen hoheren 

dem 5. und 6. Jhdt. zeigen, daB selbst auf solchen Grad von Sicherheit gewahrt als Freiheit ohne 

Giitern die Zahl der Sklaven isehr klein war. Ent- den Schutz eines einfluBreichen Besitzers. In den 

gegen der Ansicht Hardys, Large Estates of Stadten des Ostens, besonders in Konstantinopel, 

Byzantine Egypt [New York 1931] 104. 112, wurden Sklaven in vornehmen Haushalten und 

sind die Tiaibsg in Pap. Baden 95 (Veroff. aus d. am kaiserlichen Hof noch zu Luxusdiensten ver- 

bad. Pap. Samml. IV [Heidelb. 1924] 62. 74. 108. wendet. Eine Tmppe kaiserlicher Sklaven, Hydro- 

379. 468. 503) nieht Sklaven, wie die Tatsache 60 phylakes genannt, wurden zur Bewachung der 

zeigt, daB sie oyjwviov in Naturalien erhalten; Wasserleitungen von Konstantinopel verwendet; 

aber die Privatsoldaten dieser -groBen Gmndher- sie waren halb militarisch organisiert. Kaiser 

ren (die bucelarii, s. Hardy I^arge Estates 63) Zenon ordnete an, daB ihnen auf die Hand der 

waren Sklaven. Die gothisehen naibaQia des Apion- kaiserliche Name eingebrannt wiirde, damit sie 

besitzes (Pap. Soc. It. VHI 933, 17. 32. 47. 84. von den kaiserlichen Beamten nieht zu anderen 

956, 26) konnen auch zn solchen Diensten ver- Diensten als zur Wasserversorgung der Stadt ge- 

wendet worden sein. DaB solche Tmppen, ein- braucht wurden (Cod. lust. XI 43, 10). 

schlieBlich bewaffnete Sklaven, von privaten Land- Die sparlichen Nachrichten iiber Fortdauer und 



1067 Sklaverei (spate Kaiserzeit) Smikythos 1068 

Ausdehnung der landlichen S. in Nordafrika in Allard 429 — 432); der kirchlichen Bemiihun- 

der spateren Kaiserzeit sind von St. G s e 1 1 Mel. gen, eine luxuriose Lebensweise zu unterdriicken, 

Glotz I 401 gesammelt worden. Nach der Expos. wozu Mahnungen der Bischofe gegen das Halten 

totius mundi 60 (GLM 122 R.) wurden noch einer nutzlosen Sklavenschar gehorten; und der 

im 4. Jhdt. Sklaven aus Mauretanien ausgefiihrt, Hebung korperlicher Arbeit in der allgemeinen 

und die Gesetzgebung des 4. und beginnenden Achtung, die ihr in der heidnischen Welt gefehlt 

5. Jhdts. erwahnt die mancipia rustica oder servi, hatte, mit dem Erfolge, dafi diese neue Achtung 

die auf den afrikanischen Domanen besehaftigt vor der Arbeit auf die Lage der Sklaven in giinsti- 

waren (Cod. Theod. VII 19, 1. 3. X 1, 2; 8, 4; im gem Sinne einwirkte (Wallon III 377—387), 
Zusammenhang mit dem donatistischen Schisma 10 Eine mehr moderne Anschauung beruht auf der 

XVI 5, 52; 6, 4; vgl. Augustin epist. 108, 6, 18. Erwagung, dafi das Christentum, als es die an- 

135, 4. 15). Es ist sehr wahrscheinlich, dafi, wenn erkannte Staatsreligion wurde und als Organisa- 

die Tatsachen erreichbar waren, es sich heraus- tion Reichtum und Macht gewann, sich notwendi- 

stellen wurde, dafi die S. im ganzen auch. in Nord- gerweise an die bestehenden gesellschaftlichen 

afrika abgenommen hatte, obwohl die Bewirt- und wirtschaftlichen Bedingungen der Zeit an- 

schaftung der grofien Domanen durch Sklaven- passen mufite. Es nahm in bezug auf die Frei- 

arbeit fortdauerte (Mel. Glotz I 407). Im Gegen- lassungen die Stellung ein, die friiher die heidni- 

satz zu den Apionbesitzungen in Agypten im schen Tempel innegehabt hatten. Es beanspruchte 

5. und 6. Jhdt., die sich ihre Ziegel verschafften, das Recht, ausgesetzte Kinder als Sklaven den 
indeni sie auswartige Ziegelmeister mieteten (Pap. 20 Findern zuzuweisen, falls sie nicht innerhalb von 

Oxy. XVI 1910, 5. 1913, 45. 63), und die ihren zehn Tagen von den Verwandten zuriickgefordert 

Bedarf an Weinkrugen auf ahnliche Weise deckten wurden (D o p s c h Grundl. II 222). Auf dem 

(ebd. 1911, 181.185. 187. 191.1913,29.33.49.51. Konzil von Orleans im J. 511 verlangten die 

Hardy Large Estates 122), hielten sich manche frankisehen Bischofe die Aufrechterhaltung der 

nordafrikanische Giiter eigene Handwerker in alten kanonischen Bestimmung, nach der Felder, 

grofier Menge, selbst fur die feineren Gewerbe Weingarten und Sklaven, die an Kirchen auf dem 

(G s e 1 1 Mel. Glotz I 404, 6 artifices multos, Lande geschenkt waren, unter ihrer Auf sicht blei- 

auriHces argentarios et aerarios). Auch die Skla- ben soUten (ebd. II 248). Der Einflufi, den die 

venbevolkerung von Gallien und Spanien in der Kirche auf die S. ausiibte, erklart sich daraus, dafi 
Zeit nach Constantin scheint zum grofien Teil auf 30 sie sich mit den Zeitstromungen identifizierte, die 

den Ackerbau beschrankt gewesen zu sein. Bei der einen rein wirtschaftlichen Ursprung hatten, und 

Landverteilung zwischen Romern und Westgoten sich in praktischer Weise an eine soziale Lage 

in Siidgallien und Spanien im 5. Jhdt. waren die anpafite, die sich mit einer Fortdauer der S. in 

das Land bearbeitenden Sklaven in die Verteilung weitem tfmfang schwer vertrug (C i c c o 1 1 i 277). 

einbegriffen (Dopsch Grundlagen I 213). Ein Die Annahme, dafi der romische Staat Gesetze 

Mangel an Sklaven in der Rhonegegend ergibt gegen Wucher unter dem Einflufi der Kirche er- 

sich ferner aus der Tatsache, dafi die Burgunden, liefi, weil diese hoffte, durch solche Gesetzgebung 

als sie dieses Gebiet besetzten, -sich genotigt eine Quelle der S. zu verstopfen (Wallon III 

sahen, ihre Sklaven aus Deutschland zu kaufen 365), ist durch E. J. Jonkers widerlegt wor- 
(ebd. I 218, 89). Das Weiterbestehen des Sklaven- 40 den, der den kirchlichen Einflufi auf eine Reihe 

handels wird jedoch durch die zahlreichen Frei- von Mafiregeln contra foenum leugnet (Mneinos. 

lassungen der Merovingerzeit bezeugt und durch III. Ser. I 269). Wahrend die Kirchenvater pre- 

die Bestimmungen iiber Sklavenhandel in den Ge- digten, die Freilassung von Sklaven sei eine gott- 

setzen der mittel- und ostgermanischen Stamme gefallige Handlung, war die Kirche als Organi- 

(ebd. II 175). Es ist aber wahrscheinlich, dafi die sation aus wirtschaftlichen Grunden genotigt, 

Vermehrung der Sklavenzahlen durch Kauf mit ihre eigenen Sklaven zu behalten als die unent- 

der Zahl der Freilassungen in der Spatzeit nicht behrlichen Arbeiter auf dem Lande, das den 

Schritt hielt (ebd. 177 gegen die Ansicht von grofieren Teil ihres Besitzes ausmachte. 
H. Wopfner Histor. Vierteljahrsschr. 1923, [W. L. Westermann.] 

199). 50 Skyrmiadai {2?<vQfxiddai, Herodot. IV 93, 

Die Stellung der Kirche zu dem Institut der var. EvQfitdvai, nach Eudoxus bei Steph. Byz. 

S., wie sie sich in den Konzilbeschlussen und den 29iVfA,vtddai). Thrakischer Volksstamm im Hinter- 

Schriften der Geistlichen ausspricht, und das lande von Salmydessos und Thynias; wahrend des 

praktische Ergebnis ihrer Mafiregeln und Lehren Feldzuges des Dareios durch Thrakien gegen die 

sind noch umstritten. Man kann nicht behaupten, Skythen unterwarfen sich die S. und ihre Nach- 

dafi die Kirche jemals den Wunsch aussprach, die barn, die Nipsaer, kampflos dem KOnig. H. Kie- 

S. abzuschaffen, oder dafi sie die ganze Einrich- pert FOA XVII. Tomaschek Thraker I 46. 

tung als verwerflich angriff (Dopsch Grundl. II Prasek Gesch. der Meder und Perser II 90. 
216). Eine moderne Anschauung von der Kirche [G. Kazarow.] 

und ihrem Verhaltnis zur S. (vertreten durch 60 Smikythos. 1) Sohn des Choiros, Rheginer, 

Wallon L'Esclavage und Allard Esclaves s. Mikythos Nr. 1. 

Chretiens) schreibt ihr einen hervorragenden Ein- 2) Athener aus dem Demos Sypalettos, s. Mi- 

flufi auf die Verringerung der Sklavenzahl und kythos Nr. 4. 

auf die Besserung des Schicksals derer zu, die in 3) Athener, yQafjLiAatevg ta^icbv tfjg d'sov 425/24 

der S. verblieben. Nach dieser Ansicht war die Auf ihn bezieht Kock Arist. Equ. 969. 
Verminderung der Sklavenzahl eine Folge der Anderere Trager des Namens ftihrt Kirchner 

Aufforderung an die Gemeindemitglieder, ihre an Pros. Att. II 12772 — 12798. 
Sklaven freizulassen (Wallon III 358—367. [Wilhelm Becher.] 



1069 Stat(io) Maieii(sis) Stat(io) Maien'(sis) 1070 

Stat(io) Maien(sis), stark befesti^r Mit- Nr. 8], erlambt die Erkenntnis; daB nieht-offizielle 

telpunkt des' oberen Etsehtales schon in vor- Inschriften dem jiingeren Philippus den Angus- 

romi'seher Zeit; in dor romisohen Kaiserzeit hart tus-Titel schon vor der Erhebung zum Augustus 

an der Grenze Italiens gegen Eaetien, entweder beilegen [vgl. Mommsen St.-R. II^ 1165, 2. 

zii diesem oder zu jenem gehorig (H e u b e r g e r E. Stein o. Bd. X S. 771; vgl. dazu auch Eorne- 

Raetien im Altert. u. Friihrnitteklter 87. 234), mann 98, 7]; unriohtigsetzt Miller Itin. Rom. 

urspriinglieh von He u b e rge r Schlem XI 396f. 256 die Inschrift ins J. 180). Heuberger Raetin 

fiir Raetien in Ansprueh genommen. 70 lehnt die Anisicht Plan t as Das alte Raetien 

Der naeh Holder Altoelt. Sprachsch. II 375 93f ., die st. M. habe zu den aufierhalb des galli- 
keltisohe Name dieser Station ist von literarischen 10 schen Steuergebietes gelegenen EinlidbesteUen der 

Zeugnissen des fruhen Mittelalters abgesehen nur quadragesima Galliarum gehort, vor allem mit 

durch die westlich von Meran unweit Partsehins dem Hinweise ab, daB vom Etschtale keine StraBe 

auf der Toll gef undene Weihinschiift auf einem westwarts gefiihrt hat (Heuberger Klio XXIV 

Dianaaltar bekannt (OIL V 5090 e= Dess. 1561 354). MM der Eingliederung Raetiens in die 

= Vollmer Inscr. Baiuv. Rom. 68; Verzeieh- Praefectur tinid Dioezese Italieri unter Diocletian 

nis d. Veroffentlichung d. Inschr. bei Heu- wurde die ZoUstatte in der st. M. aufgelassen 

berger Raetien 233, 1, uber den ursprung- (Heub erger Raetien 236). Der Bestandeinei 

lichen Standort des Dianaaltars ebd. 236). Siedlung in unmittelbarer Nahe der ZoUstatte 

Aus der Auf deckung mehrerer Wallburgen in bereits zu Romerzeit, wie Schneider Burgen 
unmittelbarer Nahe der Stelle, an der sich spater 20 u. Landgemeinden 21. Sparber Schlern IV 

die st. M. erhob, auf dem Grumser Biihel bei 302 und Cartellieri 74 vermuten, laBt sieh 

Herman und auf dem Sinnichkopf e bei Untermais quellenmaBig nioht naehweisen; Heuberger 

(Clemen Mtt. d. k. k. Centralkomm. N. R Raetien 237 verhalt sich gegen diese Annahme 

XIX [1893] 19. Menghin Mitt. d. Wien. an- nicht ablehnend. 

thropol. Gesell. XLI 298) ergiibt sich ihre Bodeu- Die Erwahnung eines Tores, einer anfanglich 

tung als Bergfestung in prahistorischer Zeit und bayrischen, spater einer langobardischen Besat- 

ihre Lage an der StJcaBe dem Etschtale entlanig, zung im castrum Maiense in der Vit. Corbin. 

det spateren Via Claudia Augusta, von der hiei c. 28. 37 siohem den B^staud eiuex wehrhaften 

die iiber den JaufenpaB zum Brenner abzweigte Siedlung oder eines Befesti'gungsiwerkes daselbst 
(Cartellieri Philol. 18. Suppl. Bd. 11. 76. 30 fur den Anfang des 8. Jhdts. Da aber die zu 

87), machte den Platz auch in verkehrsgeographi- jener Feste gehorige ecclesia Valentini unmittel- 

scher Beziehung wichtig. In dieser Erkenntnis bar iiber dem Steilabfall des Ufers der Passer in 

haben auch die Romer hier wahrscheinlich schon der Nahe einei^ Briioke iiber diese (vit.^ Corb. 40) 

bald nach der Landnahme des Gebietes eine be- stand, ist das romiisch-friiihmittelalterliche Dorf, 

festigte Niederlassung erriohtet (s. n.). In welche das in der Namensform Meies zum ersten Male 

Zeit die Anfange der ZoUstatte, die, um ihrer in einer Urkunde des Konigs Heinrich I. vom 

Aufgabe, neben der Via Claudia Augusta gleich- J. 931 n. Ohr. (Mon. Germ. hist. Diplom. I 63f. 

zeitig audi den Weg iiber den JaufenpaB zu iiber- nr. 28) ersoheint, auf einer Anhohe hart an 

wachen, gerecht zu werden, nur im Miindungs- der Passer; an welchem Ufer, ist unbestimmt 
gebiete der Passer, aber nicht an der Toll odei 40 (Er usch Einl. z. vit. Corb. llOf. Sparber 

sonstwo bei Partsehins in der Nahe der mittel- 302) gelegen und vom castrum zutrennen (Heu- 

alterliohen, seit 1267 nachweisbaren ZoUstatte, berger Raetien 238) und nicht an der SteUe 

wie Stolz Arch. f. osterr. Gesch. LXXXXVII der Meraner Altstadt (so S p a r b e r 302. Heu- 

615, Cartellieri 75 und Heuberger b e r g e r Schlern 397), sondern im Umkreise der 

Schlem XI 394 vermut6t haben, gestanden haben Dorfer Ober- und Untermais zusuchen (Ma z e g - 

kann (Heuberger Raetien 88. 236), zuruck- gerD. Romer-Funde und d. Station in Mais 16. 

gehen, entzieht sich unserer Kenntnis. Nach Cartellieri 73f.); auf ihrem Boden haben 

Mommsen z. Inschr. wurde vermutUch hier sich mancherlei tJberreste (Mauem, Ziegel, Gra- 

schon im 2. Jhdt. n. Chr., die Einbeziehung Rae- ber, Urnen, ein inschriftloser Grabstein mit Re- 
tiens in den illyrisohen Zollsprengel vorausgesetzt 50 liefs, Schleuderbeile, vgl. Mazegger Iff. Mitt. 

(Heuberger Raetien 318), das Portorium Illy- d. k. k. Centralkomm. , N. F. II, 1903, 106) aus 

rieum eingehoben, in der zweiten Halfte des Romerzeit gefunden, auf dem Merans rechts der 

3. Jhdts. nach dem Zeugnisse der oben erwahn- Passer bisher nur Munzen (0 r g 1 e r Ztsohr. Fer- 

ten Insohrift die (quadragesima) Gall(iarum) dinandeum III N. F. XXII 74). Diese Feststel- 

(Heuberiger Raetien 87) ; diese ermoglicht lungen isprechen gegen Mommsen, den die auf - 

durch die Angabe Aug(ustorum) n(ostrorum} fallige Tatsache, daB der Zoll fiir die nach GaL 

lib(ertus) und Praesent(e) co(n)s(ule) den Ansatz lien bestimmten Waren in dem von diesem weit 

der Tatigkeit des Aetetus als p(rae)p(ositus) sta- entfernten oberen Etschtale erhoben worden sei, 

t(ionis) Maien(sis) daselbst, in der er einen Diana- (CIL III 2 p. 707. V 5090) und im Anschlusse 
altar geweiht hat, ins J. 246 (nieht aber in die 60 an ihn eine Reihe Forscher, z. B. C a g n a t :&tud. 

J. 217 oder 246, wie Mommsen zu CIL V hist, sur les imp6ts indirects chez les Rom. 1882, 

5098 annimmt, dem auch Dessau und zuletzt 31f. 59. Marqiuardt Staatsverw^I 271,8. Oeohsli 

Cartellieri und H e u b e r ger folgen, da Mitt. Ziirich 26, 74, bestimmt hat, die in der In- 

sich im J. 217 der Dedikant nicht als Augg. nn, schrift CIL V 5090 genannte Station mit dem 

lib. bezeichnen kann [vgl. Kornemann Dop- aus der Tab. Pent. IV 1 5bekannten Magia, dem 

pelprinzipat und Reichsteilung 92]; den Ansatz heutigen Mayenfeld im Rheintale zwischen Chiir 

fur das J. 246, fiir das der Name des Consuls und Bregenz, zu identifizieren; die Unrichtigkeit 

[C. Bruttius] Praesens sprieht [o. Bd. Ill S. 914 dieiser Annahme ist von Mazegger 24 fest- 



1071 Strategos (attiseh) Strategos (attisch) 1072 

gestellt worden, da ganiz abgesehen von der Nahe Raetien, nach seiner Vertreifcung aus Passau eine 

des Fundortes der antiken Inschrift zum heaiti- Betzelle (Mazegger 29); ob er hier anch gie- 

gen Mais manche sprachlichen trbereinstimmungen storben ist und seine ^sterblichen tJberreste von 

die Identifizierung beider im hochsten MaBe Anbeginn hier ibre letzte Ruhestatte gefundem 

wahrischeinlich maehen, und Mazeggers An- haben, laBt sich nicht mit Bestimmtheit sagen; 

sioht hat seither vielfaoh Zustimmung gefunden ans der vit. Corbin. c. 23. 33. 38. 40 ergibt sioh 

(D u h n Neue Beidelb. Jahrb. H 89, 48, zuletzt nnr, daB isie die ecclesia Valentini in den ersten 

Miller 256. Cartellieri 73. Stahelin Jahrzehnten des 8. Jhdts. geborgen hat (Hem- 

Schweiz in rom. Zeit 324. 351. Heuberger berger Raetien 216. 295). Der hi. Corbinian 
Raetien 234), ja M o m m s e n hat Herm. XVI 493 10 besuchte im J. 723 das Grab und erbaute hier 

= Ges, Schr. V 436 seine ursprungliohe Deutung eine Kapelle; seinem Wunseh^ gemafi wurde er' 

iniolge des Fehlenis einer quellenmaBigien Unter- im Castrum Maiense bestattet (Mazegger 

lage als unsicher bezeichnet (H e u b e r g e r Rae- 30); im Laufe des 8. Jhdts. versehwindet der 

tien 234). Name aus nicht naher bekannten Grlinden aus 

Im friihen Mittelalter wird die st. M. unter der Geschichte; erst im J. 931 findet sich der 

dem Namen castrum Maiense ofter genannt. Hier Name Meies, der jetzige Name Mais begegnet 

erbartite sich der hi. Valentin, der Apostel beider zum ersten Male im J. 1250. [Max Fluss.] > 



Znm Band lYA. 

S. 252, 53 zum Art. Strategos: Konigs anfiihren. Nach der Beschrankung des 

5) Strategos (attisch). Konigs auf sakrale Befugnisse und der Einset- 

I. Que lien. Von der PrimarqueUe, dem zung des Polemarchos fiir die Heerfuhrung wir<i 
v6fA,og (Dienstanweisung) der S., ist nur eine be- eine ahnliche Anderung auch innerhalb der Phy^ 
langlose SteUe aus dem Amtseide bei Lys. K 15 lenverbande eingetreten sein; sie fiihrte zur Ein- 
erhalten; eine Angabe in Aristot. ji'&. tcoL 4, 2 setzung je eines S. (older Stratarchen) als Befehls- 
Tiber die Voraussetzungen der Wahlbarkeit nach 30 haber einer Division. Die Wahl kann nur durch 
der drakontischen Gesetzgebung entstammt der die Phyle fiir die Phyle erfolgt sein. Nach Ari- 
oligarchisehen Tendenditeratur. Sekundare Quel- stot. 4, 2 verlangte Drakon fiir die Wahlbarkeit 
len, in denen die Praxis der historischen Zeit ein schuldenfreies Grundeigentum im Werte von 
ihren Niederschlag findet, zum Teil ausgezeichnet 100 Minen, zehnmal so viel wie fiir die Archon- 
und sachkundig, sind die Geschichtsschreiber (He- ten, und den Besitz ehelicher, iiber 10 Jahie' 
Todot, Thukydiides, Xenophon), Redner (Lysias, alter Kinder und bestimmte: ,Die vorjahrigen S. 
Demosthenes) und die systematische Darstellung und Hipparchen soUen die ins Amt tretenden S. 
der attischen Verfassung bei Aristoteles lA.d', noL und Hipparchen bis zuihrerRechenschaftsablegung 
Manches amtliche Material bieten die Inschriften. haf tbar maehen, indem sie sich 4 Burgen aus der- 
Mit Vorsicht zu benutzen sind die Komiker, deren 40 selben Schatzimgsklasse stellen lassen, der die S. 
Seholiasten mitunter brauchbare Notizen liefern, und Hipparchen angehoren.' Zur Erklarung vgl. 
ebenso wie die spateren Grammatiker. Gelegent- Thalheim Herm. XXIX 460 und Parts ch 
liehe Bemerkungen in der ganzen prosaisehen Biirgschaftsrecht 58. 89. 112. Danach waren die 
und poetischen Literatur. S. die wichtigsten Beamten der Polls gewesen* 

Neuere Literatur. Vgl. Art. S t r a t e - Aber nach Thuk. I 126 lag zu Drakons Zeit die 

g s (hellenistisch), dazu L i p s i u s Das attische Leitung des Staates voUig in den Handen der 

Recht 110.452. 774. B e 1 o c h Die attische Poli- Archonten, und so war es nach Aristot. 13, 2 

tik seit Perikles 265ff. Swoboda Rh. Mus. noch in der Zeit nach Solon; den Oberbefehl 

XLV 288; Herm. XXVIII 546ff. Ferner die Ge- iiber das Heer fiihrte der Polemarch, s. Aristot. 
schichtswerke, insbesondere Ed. M e y e r G. d. A. 50 22, 2. Wenn es also schon S. gab, was' durchaus 

B u s 1 1 GG. B e 1 e h GG. wahrscheinlich ist, waren sie noch keine Organe 

II. Geschichtliche Entwicklung. der Polis. Auch die Reform des Kleisthenes ver- 
Fiir die alteste Zeit ist nichts Sicheres festzu- mehrte zwar mit der Zahl der Phylen auch die 
stellen; die tJberlieferung bezeichnet wahllos bei der S. von 4 auf 10, belieB sie aber in ihrer 
verschiedenen Kampfen einzelne Personen als S. Stellung in der Phyle, aus der sie hervorgingen, 
(Phrynon Diog. Laert. I 4, 1. Strab. 599. Plut. als Kommandeure eines Infanterie-Regiments. 
de Herod, malign. 15. Suidas s. Ilirraxog. Alk- (rd^ig = q)v^); erst indem seit 501/500 ihre 
maion Plut. Sbl. 11. Leogoras und Charias Wahl durch das gesamte Volk in der Gemeiiide- 
Andok. myst. 106. Alkibiades und Kleisthenes versammlung erfolgte, wurden sie Staatsbeamte, 
Isokr. XVt 26), ohne damit Ruckschliisse auf die 60 Aristot. 22, 2; vgl. Ed. Meyer Forschungen I 
tatsachlichen Verhaltnisse zu gestatten, s. H a u - 237. Die Einwendungen dagegen von T h o m p - 
vette-Besnault 6ff. Noch unter Solon sind son Herm. XXX 478. v. Schoffer Jahresber. 
die S. keine Gemeindebeamten, denn sie fehlen LXXXIII (1895) 230. Seeck Klio IV 310 sind 
in der Aufzahlung bei Aristot. 'A'd'. nok. 7, 3. nicht durchschlagend; vgl. B u s o 1 1 Staatskunde^ 
AUerdings waren sie wohl schon vorhanden, aber 53. Jeder S. fiihrt auch weiter das Aufgebot der 
als Phylenbeamte. In der Konigszeit mochten die Hopliten aus den drei oberen Klassen seiner 
(vier) Phylenhaupter (qjvXo^aodsig) auch jeder Phyle, die eine tdiig bilden (Si Herodot. VI 111, 
das Aufgebot seiner Phyle unter Oberleitung des Thuk. VI 98, 4. 101, 5. VIII 92, 4. Xen. hell. 



1073 Strategos (attisch) Strategos (attisch) 1074 

IT 2, 19. Lys. XIH 79. 82. XVI 16. Isai. II 42. tisch-militarische Leistung hohen Grades und das 

Aristot. 61, 3; auch die Listen der Gefallenen dadurch erworbene Vertrauen des Demos gehor- 

werden phylenweise veroffentlicht, s. Syll.3 77), ten, der durch eine einzige Abstimmung den S. 

aber alle 10 S. zusammen sind jetzt als Collegium sttirzen konnte. Ebenso ist nicht zu vergessen, 

eine oberste Kommandobehorde, die das Heer- daB ftir Krieg und Diplomatie auch die Opposi- 

wesen des Staates leitet und im Eriegsfall das tion (Vertreter von Adel und Besitz) dem Staate 

Gesardtaufgebot befehligt, abwechselnd in be- ihre besten Manner (Aristeides, Kimon) unbe- 

bestimmter Reihenfolge jeder einen Tag. Den Vor- dingt zur Verfiigung stellte. Die Mangel des 

sitz mit gewissen Bhrenrech-ten behalt noch der Systems traten nach dem Tode des Perikles offen 
Polemarch, aber seine Sftellung als Flihrer be- 10 zutage, als ein urQoordrrjg rov brjiiov^ der gleich- 

steht nur noch nominell, s. Aristot. 22, 2 vgl. zeitig die Befahigung zum S. besaB, den Athe- 

61,1. Plut. Aristeid. 5; Kim. 5. HerodotVI 110. nern fehlte. Die dauernde Trennung der politi- 

Vgl. Busolt-Swoboda St. 881. schen von der militarischen Leitung, die beide 

Eine bedeutende Steigerung erhielt die Stel- Teile lahmte, fuhrte damn bald zum Verlust der 

lung der S. durch das Mottengesetz des Themi- athenischen MaehtsteUung. Die S., im 4. Jhdt. 

stokles (s. den Art.) 481/80 und den Feldzug des auf ihr eigentliehes Fach beschrankt und aus 

Xerxes gegen Griechenland. Indem die Athener Mangel an Mitteln vor unlosbare Aufgaben ge- 

fiir die neugeschaffene Seemacht, die durch die stellt (Demosth. IV 46: ov yaQ sotiv, ovtc soxiv 

Entwicklung der Exeignisse bald neben und vor eva avdQa bvvrjd^vai oiore rat;#' vfuv nQa^ai 
dem Landheer das eigentliche Mittel der athe- 20 ndvd-'' 6oa §ovUo'd'e), konnten das Verlorene nicht 

nisehen Machtpolitik wurde, keine neue Kom- wiedereinbringen; sie gingen in Verwaltungs- 

mandobehorde errichteten, sondern sie ebenfaUs geschaften auf. Das Mhrte endlich zu der Ent- 

dem Befehle der S. unterstellten, schufen sie da- wicklung von Spezialkompetenzen, vgl. Art. 

mit eine SteHe, die einheitlich Heer und Motte Strategos (hellenistisch). 

leitete und gleichzeitig — neben und unter dem HI. Wahl, Rechenschaft, auBere 

Rat — die BereitsteUung des erf orderliehen F o r m e n. Die Wahl (xeiQoxovia) der S. er- 

Menschen- und Sachmaterials zu bewerksteUigen folgte in 10 verschiedenen Wahlgangen (Xen. 

hatte, also eine oberste> Kommandobehorde fiir mem. HI 4, 1) durch die Volksversammlung 

Land- und Seemacht, vereinigt mit einem Kriegs- unter Leitung der Prytanen nach Ablauf der 
und Marineamt. Eine Entlastung der S. erfolgte 30 6. Prytanie und Probuleuma des Rats, sobald die 

durch die tJbertragung des Regimentskommandos Vorzeichen giinstig waren, also in der Regel in 

(iiber die einzelnen rd^eig oder Phylen) an die der 7. Prytanie (Marz), S; Aristot. 44, 4. Ari- 

neue Behorde der Taxiarchen (zuerst erwahnt in stoph. Nub. 581 ff. Dabei soUte aus jeder Phyle 

Aischylos' Palamedes frg. 182). Die militarische ein S. gewahlt werden, bis erst kurz vor Aristo- 

Lage beim Einmarseh des Xerxes in Griechenland teles dieser Unterschied beseitigt wurde, s. Ari- 

fiihrte weiter dazu, einem einzelnen S. vor den stot. 61, 2. Das Gesetz konnte nicht eingehalten 

anderen das Oberkommando zu iibertragen (s. werden, wenn aus eine^ Phyle keine Bewerber 

Abschn. V) und ihn zum Vertreter des Staates vothanden waren oder keine Vorschlage gemacht 

im Bundesrate der HeUenen zu bestellen. Bei wurden, vielleicht tatsachlich keine geeignete 
dem Fortgang der Kampfe und dem tJbergange 40 Personlichkeit vorhanden war. Daher kommt es, 

der Grieehen zum Angriff gegen die Perser trat daB mitunter zwei S. aus e i n e r Phyle (mehr 

dieser S. auch dem Auslande gegenuber als der nie) erscheinen. Beispiele bei Hauvette- 

eigentliche Reprasentant seiner Vaterstadt auf, Besnault 22ff., vgl. die Liste von K r a u s e. 

an deren Namen er Kontributionen erhob und (Bei den Tamiai blieb in einem solchen Falle die 

Vertrage abschloB. Die Begrundung des 1. atti- fehlende Stelle, auch mehrere, unbesetzt.) Ein 

schen Sleebundes und die Organisation des atti- bestimmtes Lebensalter (30 Jahre), sicher ange- 

schen Reiches wahrend der Pentekontaetie (bis legtes Vermogen (Grundbesitz) und das Vorhan- 

zum Tode des Perikles) sind die groBartige Lei- densein von ehelichen Kindern waren stets vor^ 

stung der attischen S. zur Zeit ihrer hochsten geschrieben, da mit dem Amt groBe Verantwor- 
MachtsteUung, in der sie tatsachlich und recht- 50 tung (auch in Geldsachen) verbunden war, s. 

lich die Leiter der attischen Politik waren. Die Deinarch I 71. Eupolis frg. 117 Kock. Uber die 

Voraussetzung dafiir bildete freilich die dauernde soziale Stellung der S. vgl. S und wall 20il.; 

Vereinigung der militarischen Ftihrung mit der erst im 4* Jhdt. war das Amt als Mittel gesucht, 

politischen; diese wurde rechtlich dadurch er- sich zu bereichern, obwohl es jetzt diese Aufgabe 

moglicht, daB der ununterbrochenen Bekleidung weit schwerer erfiillen konnte als fruher, da die 

der militarischen Imter keine Schranken gesetzt geleisteten Vorschiisse sich oft nicht wieder ein- 

waren. Aristot. 'Ad', noL 28 zahlt die Manner bringen lieBen (Bankerott des Timotheos). Wie- 

auf, die gleichzeitig S. und jiQooxdxai xov brjfjiov derholte Bekleidung des Amtes ohne Zwischen- 

waren, d. h. der demokratischen Partei. Es isfc zeit war zulassig; Perikles war ununterbrochen 
charakteristisch fiir die attische Demo-kratie, daB 60 15mal (Plut. Per. 16), Phokion 45mal S. (Plut. 

sie das Fiihrerprinzip zum entsehiedensten Aus- Phok. 8), andere Beispiele bei Hauvette- 

druck gebracht hat, so daB der groBte Historiker Besnault 30. Beim Antritt ihres Amtes am 

der Grieehen sie zur Zeit ihrer unbedingten Jahresanfang leisteten die S. einen Diensteid, von 

"Dberlegenheit geradezu tatsachlich als Ftihrung dem nur das Gelobnis xovg doxQaxsmovg Tcaxa- 

(Beherrschung) durch den ersten Mann bezeich- U^eiv bei Lys. IX 15 erhalten ist. Sie schwuren 

nen konnte (Thuk. II 65, 6 vnb xov jzqcoxov dv- ihn nach Deinarch. HI 2 fxsxa^v xov ebovg xat 

dQog aQxv)' Dabei ist freilich zu bedenken, daB x^^g xQaTis^f^g, zwischen dem Kultbild und dem 

zur Behauptung einer solchen Stellung eine poli- Tisch mit den Myrtenkranzen s. Gilbert P 



1075 Strategos (attiscli) Strategos (attisch) 1076 

246, 3. Im Anfang des Peloponnesischen Krieges soUten, zumal sie fiir diese Arbeiten einen yQafi- 

wurde in die Eidesformel das Versprechen auf- fxatevg zur Verfiigung batten. Die Eeebensehafts- 

genommen, zweimal jahrlicb in die Megaris ein- ablegung erf olgte niebt gemeinsam, sonderndurcb 

zuf alien, s. Pint. Per. 30. Das Amtsbaus der S., jedenS. einzeln; auch im Falle einer Verurteilung 

das otQaxrjyiov, lag am Staatsmarkt, und zwar konnte die Strafe verscbieden ausfallen, s. Tbuk. 

wahrscheinMch an der Sudseite, nnid gehorte zu IV 65, 3. 'Welcbe Beborde fiir die Abnabme der 

einer Gruppe von Gebauden, die zusammen als Reebensebaft zustandig war, Tbesmotbeten oder 

,die Imter' (m aQxeia) bezeichnet wurden, s. Logisten, ist nacb der tlberlieferung niebt ganz 

Judeicb Topogr. 3081; es wird erwabnt klar; die Yerantwortlicbkeit erstreckte sicb aber 

Aiscbin. II 85. Demostb. XLII 14. Pint. Nik. 10 niebt nur anf ibre Geldverwaltung, sondern auf 

5, 1. 15, 2. IG II 728 B 29, vgl. Diog. Laert, ibre gesamte amtlicbe Tatigkeit, vgl. Lip sins 

I 2, 18. Dort opferten und speisten die S. ge- 298 (anders v. Wilamowitz II 2501). 

meinsam, s. Demostb. XIX 190. In jeder Pry- IV. Amtsgescbafte. a) Kriegs- 

tanie einmal fand eine Epicbeirotonie der Be- we. sen, 1. Im Kriegsfall. Die attiscben 

amten statt, die zur Apocheirotonie werden S. baben zu keiner Zeit, wie die spartaniscben 

konnte, s. Aristot. 43, 4, 61, 2, vgl. Demostb. aQxaykxai friiber, das Reebt gebabt, selbstandig 

XXVI 5; in letzterem Falle erf olgte sofortige Krieg zu fiibren oder aucb nur die Webrfabigen 

Suspension nnd die Vornabme einer Neuwabl zu den Waffen zu rufen. Kriegserklarung und 

(Diod. XI 27, 3). Eine Verurteilung erf olgte nur Mobilmaebiing erfolgen nur nacb Probuleuma 

im Falle einer Anklageerbebung (aucb durcb 20 des Rats durcb Beseblui3 der Ekklesie. Diese be- 

Eisangelie) oder bei der Recbenscbaftsablegung stimmt die Starke des Landbeeres und der Flotte, 

vgl. S w b d a Herm. XXVIII 560. L i p s i u s die Jabrgange, die ausgeboben werden und ins 

296. Es ist bei den meisten Prozessen gegen Feld riicken soUen, die Heranziebung von nicbt- 

Feldberrn, die uberliefert sind (Hauvette- biirgerlicben Streitkraften (Metoiken, Soldner, 

Besnault 107ff.), schwer zu entscbeiden, ob notigenfaUs Sklaven), das Aufgebot der Bundes- 

sie infolge einer Apocbeirotonie, Eisangelie oder genossen, die Heerfiibrer, vgl. Busolt-Swo- 

bei der Eutbyne anbangig gemacbt worden sind; bo da 1017. Aufgabe der S. ist dann die Aus- 

eine Apocbeirotonie fand sicber statt bei Phryni- fubrung dieser Bescblusse. Pbokion bintertrieb 

cbos Tbuk. VIII 54, 3, bei Alkibiades nacb der einmal die Durchfubrung eines Bescblusses, der 

Nioderlage bei Notion Plut. Lys. 5. Nep. Ale. 7. 30 gegen seinen Rat gefaBt war, durcb den Befebl, 

Lys. XXI 7, bei den Feldberrn in der Arginusen- sofort von der Volksversammlung aus zum Aus- 

scblacht Xen. bell. I 7, 1, bei Timotbeos De- marscb anzutreten, Plut. Pbok. 24. Im allgemei- 

inoistb. XLIX 9. Die Recbenscbaftspflicht d^r nen dauert die Mabilmacbung langere Zeit. Die 

S. ist selbstverstandlich, zumal sie iiber be- S. berufen die Webrpflicbtigen nacb den auf- 

tracbtlicbe Geldmittel verftigten, und wird aus- gestellten Listen (naxoXoyoi) ein, s. Lys. IX 4. 

drucklicb bezeugt Aristot. 27, 1. 59, 2. Plut Per. 15. XIV 6. XXXII 5, bemannen die Flotte, Xen. 

32; Nik. 6. Androtion Scbol. Aristopb. Ran. 347; bell. VI 2, 12. 14, und bestellen die Trierarcben 

Vesp. 842ff. 961. Lys. IX 9. XIV 38. Isokr. aus den Reicbsten, Demostb. XX 19. Aristopb. 

XV 129. Demostb. XLIX 12. 25, vgl. V. Wil a- Equ. 912 mit Scbol. Demostb. XXXV 48. 
mowitz Aristot. II 224. Lipsius II 294. 40 XXXIX 8. XLII 5. 14. Aristot. 61, 1. IG IP 

Swoboda Herm. XXVIII 354. Busolt- 1623. 1629. Ps.-Xen. rep. Atb. 3, 5, vgl 

S w b d a 1080. Die Betrage, die das Volk den B o e c k b Staatsb. F 698 und Art. Trierarcbie. 

S. zuwies, erbielten sie von den Tamiai der Got- Die Festsetzung der Kriegsziele und Be,stimmung 

tin, bei ihrer Anwesenbeit in Atben direkt, sonst des Kriegsplans ist wieder das Recbt des Volkes. 

durcb Vermittlung der Hellenotamiai, s. Ban- Die Ansfubrung liegt dann den S. ob, die das 

nier Rb. Mus. LXX 412ff. Busolt-Swo- Volk damit beauftragt und denen es dazu be- 

boda 1134. In den Urkunden iiber die Auszab- stimmte VoUmacbten gibt, bald engere, bald 

lung werden die Tamiai meist nur nacb ibrem weitere {o - ol avtoKQdtoQsg), letzteres namentlicb 

Scbreiber bezeicbnet, die S. einzeln mit Namen bei groBerer Entfemung des Kriegsscbauplatzes. 

und Demos oder der Empfanger :ial ^vvaQxovrsg, 50 Fur die Ausfiibrung tragen die S. die Verant- 

dazu Summe und Datum angegeben, s. Syll.^ 72. wortung und baben iiber den Gang der Ereig- 

IG 12 296—298 (J. 432/31). 324 (J. 426/25 bis nisse zu berichten, Tbuk. VI 8ff. SyU.3 104. 

423/22). Eine Urkunde iiber den Recbenscbafts- IG IP 1629. Xen! hell. I 6, 24. II 2. 4. VI 

bericbt ist niebt erbalten; die Veroffentlicbungen 2, 11. Demostb. Ill 4. Berichte: Tbuk. VII 11. 

werden aucb bier nur groBere Betrage genannt Xen. bell. I 7, 4. 17. Die Ausfiibrung leidet oft 

baben (wie in Boiotien bei der anoXoyia vor den durcb die Uneinbeitlicbkeit der Fiibrung und die 

^iaroTimi, s. Bd. IV A S. 1225), wabrend zu den Disziplinlosigkeit und mangelbafte Ausbildung 

Akten der genaue Nacbweis der Einzelbetrage ge- der Soldaten, Tbuk. VII 17, 2 (Nikias zu den 

nommen wurde. tiber die Recbenscbaftsablegung Atbenem: %ale7ial yag cd vfjuhsQai (pvaeig oQ^ai). 

bei erfolgter Wiederwabl gebt die berrscbende 60 Aristopb. Ran. 607. Plut. Pbok. 25. Allerdings 

Meinung dabin, da6 in diesem FaUe ein Auf- baben die S. disziplinariscbe Befugnisse, aber sie 

scbub eintrat. Das ist niebt gut moglicb, weil macben nur ungern und in geringem Umfange 

dadurcb gewobnlicb eine Nacbrecbnung im ein- davon Gebrauch, Aristot. 61, 2. Lys. IX 5. Ill 

zelnen unmoglicb gemacbt worden ware, und ge- 45; nur bei offenem Verrat erfolgt rticksiebts- 

rade bei Perikles die Eutbyne ausdriicklicb be- loses Einscbreiten, Lys. XIII 67. Frontin. Ill 

zeugt wird. Es ist aucb niebt einzuseben, wes- 12, 2. Aucb den S. iselbst feblt es oft an mili- 
halb die S., aucb wenn sie weiter im Amt blie- tarischer Erfabrung (Xen. mem. HI 5, 21), da 
ben, nicht iiber das Vorjabr Recbnung legen fiir ibre Wabl oft Parteiinteressen entscbeidend 



1077 Strategos (attisch) Strategos (attisch) 1078 

sind; dafi im allgemeinen aber die Riicksieht auf Tatigkeit der S. gehort es auch, dafi sie die vor- 

Tiiclitigikeit und anstandigen Charakter tiber- schriftsmaBigo Eideskistung der Bundesstadte 

wiegt, zeigt die standige Wiederwahl Phokions. iiberwachen, s. Syll.^ 64 (Chalkis 446/45). 

Immerhin muB man annehmen, daB seit dem c) Gexichtsbarkeit. Den S. steht die 

Tode des Perikles oft weder Feldherrn noch Voruntersuchung (avaHQioig) umd der Vorsitz in 

Mannschaften ihrer Aufgabe gewachsen waren. alien Prozessen zu, die in ibren Amtsibereich 

Daraus erklaren sich die MiBerfolge, s. Bauer fallen. 1. Strafsachen. Das attische Militar- 

Philol. L 410; Kriegsaltert.2 358. Busolt Strafgesetzbuch (vgl. Rosenberg Philol. 

Staatsk.3 579. Militarische Nebenanfgaben der XXXIV 65ff. Thai helm Jahrb. f. Philol. 
S. sind die Beitreibun^ von Geld bei den Bun- 10 CXV 269ff.), das vielleicht nur einen Teil der 

desgenossen, s. Thuk. HI 19. IV 50, 1. 75, 1, Dienstinstruktion fiir die S. bildet, unterseheidet 

die sich oft zu einem richtigen Pliinderungszuge drei groBe Vergehen, die durch Strafklage (yQa- 

erweiterte (Thuk. Ill 19. Diod. XIV 99), und (prj) verfolgt wenden konnen: a) Mchtbefolgung 

der Schutz der Handelsschiffe, namentlich der des Stellungsbefehls, aoxQarsia, s. Es.-Lys. XTV 7. 

pontischen Getreideflotte (Ps.-Demosth. L 17) Ps.-Demosth. LIX 27. Plat. leg. XII 2, vgl. Ari- 

gegen Feinde und Piraten. stoph. Equ. 443. Andok. I 74. Ps.-Lys. XV 1. 4. 

2. Im Friedenliegt den S. die (pvlaxn -^m Demosth. XXI 58. XXIV 103. Aischin. I 29. 

XfOQag, der Landesschutz im weitesten Sinne, ob. Ill 175. P) Verlassen des Postens vor oder wah- 

Dazu gehoren die Besetzung und dauemde In- rend der Schlacht, XiJiord^iov, Ps.-Lys. XIV 5. 
standhaltung der Grenzfesten, die Bewachung der 20 Andok. I 74. Aischin. EI 175. Bekker Anecd. 

Stadt- und Hafenmauern, der Kriegshafen und I 217. 7) Wegwerfen des Schildes, ano^s^XrjKevai 

Marineanlagen. Fur diese Aufgabe wurde spater rr^v domda, Andok. I 74. Lys. X 12. Plat. leg. 

eihe Spezialkompetenz geschaffen, s. Art. Stra- XII 943 E. Bekker I 217, vgl. Aristoph. Vesp. 

teg OS (hellenistisch). In Zusammenhang mit 592; Nub. 352, wohl identisch mit Feigheit, 

den militarisehen Obliegenheiten der S. steht es, dsdla, Andok. a. 0. Ps.-Lys. XIV 7. Den beiden 

wenn ihnen die Verhaftung von Landesverratern ersten entsprachen bei der Flotte dvavfjidxiov An- 

zusteht, s. Psephisma in Vita X oral Antiph. 23, dok. a. 0. Poll. VIII 40. 42 -ymdi Xinovamiov 

und mitunter durch besonderen Auftrag der ebd. Den Gerichtshof bildeten Soldaten, die den 

Schutz fremder Gemeinden und Personen uber- Feldzug mitgemacht batten, Ps. -Lys. XIV 5. Plat, 
tragen wird, s. Larfeld Epigr. II 791 ff. 30 leg. XII 943 A. Der Vorsitz der S. ist ausdriick- 

b) Auswartige Angelegenheiten. lich bezeugt, Ps.-Lys. XV Iff. Strafbar war auch 

In Kriegszeiten konnten Verhandlungen mit den die vorschriftswidrige Teilnahme am Feldzug bei 

Gegnern fast nur durch Vermittlung der S. er- der Kavallerie statt bei der Infanterie, weil die 

folgen. Diese schlossen daher Kapitulationen und orstere als gefahrloser gait und fur den Reiter- 

andere Vertrage (uber Waffenstillstand), auch dienst eine besondere Dokimasie vorgeschrieben 

Friedensvertrage vorlaufig ab, wobei ihre Rati- war, Ps.-Lys. XIV 7. 8, aber diese Bestimmung 

fikation durch Rat und Volk von Athen vor- stand in einem anderen Gesetz. Als Strafe war 

behalten wurde; zu letzterer schickte der Gegner voile Atimie vorgesehn, s. Lipsius 452ff. 

in der Regel Gesandte nach der Sltadt, s. Thuk. 2. B ti r g e r 1 i c b e S t r e i t i g k e i t e n. a) Ge- 
II 70 (Potidaia). HI 4, 2. 28, 2 (Mytilene). IV 40 gen die Ubernahme einer Leiturgie, wie es die 

16 (Sphakteria). 118, 14. 119, 2 (Waffenstill- Trierarchie und die jzQosio(poQd waren (s. die 

stand 423). Syll.3 112 (Selymbria 408). 173 betr. Artikel), standen dem Betroffenen zwei Wege 

(Julis auf Kreos 363/62). Die Genehmigung in offen (Aristot. 'A'd: noX. 56, 3), die OKTjipiq 

Athen erfolgte manchmal mit Abanderungen oder (B e c k h Seeurk. XIV onoyg 6' av Hal at oKYjxpsig 

Zusatzen (Selymbria). Aber auch auf den Ab- sloax'&woi, rovg d'sofjiod'hag naQaxhiQwoai dina- 

schluB anderer Staatsvertrage ubten die S. den otrjQta elg eva xal dianoolovg rm enl rag ovfA^fio- 

groBten EinfluB aus, so auf das Zustandekommen Qtag 7)QYjfjisvq) sv tip Movwxtcovt iayjvI rfj dsvrsQo. 

des ersten Seebundes einschlieBlich seiner finan- lorafjisvov nal xfj sKtrj iorafyisvov, s. d. Art. S' t r a - 

ziellen Bestimmungen Aristeides (Diod. XI 46f .), t e g s hellenistisch) und die Antidosis (s. den 
auf die Versuche zur Grundung eines zweiten 50 Art.), vgl. Lipsius 588. ^) Durch privatrecht- 

Tihrasybulos (ebd. XIV 94), auf die Stiftung und liche Anspruche des Trierarchen gegen seinen zu 

Erweiterung des dritten von 378/77 Timotheos spat eintreffenden Nachfolger entstehn {dUi^ km- 

und Chabrias (Syll.^ 147 mit den Anm. von iQir^QaQxrifJia'tog), wie die Klage des Apollodoros 

Kirchner). Der Tribut der Bundesgenossen, gegen Polykles (Ps.-Demosth. L) zeigt. Solcbe Falle 

wie ihn Aristeides vertragsmaBig vereinbart hatte, gehoren ebenfalls vor die S. tJber Anspriiche des 

hieB noch 50 Jahre spater amtlich (in dem Frie- Staates gegen die Trierarchen entscheidet der Ge- 

densvertrage mit Sparta 421) 6 (poQog 6 kn' Aqi- richtshof der eioaycoyslg. Vgl. Lipsius 774f. 

Gtsldov^ Thuik. V 18, 4. Beschworen werden die d) Kultus. DaB die S. auch an staatlichen 

attischen Staatsvertrage stets von Rat und S'. Kulthandlungen beteiligt sind, ergibt sich aus 
(Syll.s 123. 142. 146. 156. 163. 181. 184. 190. 60 ihrer wichtigsten Tatigkeit, der Heeresfuhrung, 

198), wahrend die iibrigen Staatsorgane wechseln die auf den gottlichen Schutz besonders ange- 

(vgl. Bd. IV A S. 1104). Da die auBere Politik wiesen ist. Dabei ist es auffaUend, daB die S. 

mit ihren vielfachen Verwicklungen im Osten, fast nur bei spat eingef iihrten Diensten auftreten, 
Norden und Westen von dem Zustande von Heer regelmaBig bei dem des Hermes Hegemonios und 
und Flotte (und der Finanzlage) abhangt, wirken der 'Aya'&rj Tvxv, dann der Eirene und der Demo- 
die S. bei aufienpolitischen Entseheidungen stets kratia; auch bei den Dionysien am Lenaion und 
mit (Bericht eines S. iiber auswartige Angelegen- im Peiraieus kommen sie vor, s. Syll.^ 1029, vgl. 
heiten, Isokr. VII 81). Zu der auBenpolitischen auch 719. 



1079 Strategos (attisch) Strategos (attisch) 1080 

e) Stelluiig zu Rat undVolksver- Oberkommando, so Perikles vor Samos (Thuk. I 

sammlung. Die S. haben jederzeit Zutritt 116, 1) und imersten Jahre des Peloponnesischen 

znm Eat, an dessen Sitzungen sie regelmaBig Krieges (Tbuk. II 13, 1). Thukydides driickt das 

teilgenommen zu haben scheinen (Pint. Nik. 5), aus: otQazrjydg cov "Ad^vaicov dsxarog avtog, bei 

imd das R^cht, dort Antrage zu stellen, naturlich einer geringeren Zahl entsprechend neixmog, iqU 

auch (schon als Burger) zur Ekklesie, wo sie ihre tog avtog I 61, 1. II 79, 1. EI 3, 2. 19, 1. 

Antrage befiirworten konnen. In jeder Hauptver- TV 42, 1. Die trbertragung des Oberkommandos 

sammlung fand ohnehin nach der Beratung iiber erfolgte stets dureh besonderen VolksbesehluB, 

dieV^lksernahrung (ns^l a/rov, Aufgabe des Rats, s. Syll.^ 192 (357/56): sXso^at orQatrjydv ek rwy 
erst in hellenistischer Zeit der S.) eine solche iiber 10 fesxeiQozovrjjusvcov. Das R^gelmaBige ist noeh 

den Landesschutz (tisqI (pvXaxfjg trjg xwQag) statt, immer (bis zur zweiten Halfte des 4. Jhdts.) ge- 

der zu ihren Obliegenheiten gehorte, s. Aristot. meinsame Leitung mit wechselndem Oberbefehl, 

'Ad>. jioX. 43, 3. IG IP 1629. 1631. Xen. mem. so bei den Arginusen (Diod. XIII 97 rcbv d' 'A&rj- 

III 6, 10, vgl. Wilhelm Osterr. Jahresh. VIII valwv 6 otQaxtjyog ©QoiovXXog, og rjv stic Tfjg Yjye- 

281. In dringenden Fallen konnen die SI die Be- /^ovlag sxelvrjv xrjv ri{A,eQav) und bei Aigospotamoi 

rufung von Ra-t und Volk verlangen, aber nur (Diod. XIII 106 ^ilonlfjg k>tdvriv rrjv rjixsQav dcpr}- 

durch die Prytanen (Thuk. Ill 36, 4. IG P 98), yov/bievog), und mit gemeinsamen Beratungen (Xen. 

nicht aber sie selbst verordnen. Doch scheint es hell. I 7, 29). Der Ausdruck oxQatrjyol 6 belm 

ihnen erlaubt gewesen zu sein, einen ovlXoyog zu Hal ^vvaQxovrsg in den Rechnungsurkunden der 
berufen, der zu Abstimmungen nicht berechtigt 20 Tamiai lafit keinen sicheren Schlufi zu; er kann 

war; anders lassen sich die Worte des Thuk. II den Oberstkommandierenden bezeiehnen, aber auch 

59, 2: (IleQiHlfjg) ^vlXoyov Ttof^aag, ht 6' sotQa- den Zahlungsempfanger, der gerade Tagesdienst 

ti^yst nicht erklaren. Wenn es im ersten Jahre hatte, s. IG P 296 — 298. Nach Beloch Att. 

des Peloponnesischen Krieges von Perikles heifit Pol. 274ff. soil stets ein oberster S. ohne Ruck- 

(Thuk. II 22, 1): sTixlrjoiav is ovx ijtolei avzwv sicht auf die Phyle gewahlt worden sein; Ed. 

ovds ^vXXoyov ovdeva, so geht das weit iiber die Meyer G. d. A. Ill 347 hat zugestimmt, da- 

Befugnisse eines S. hinaus und kann nur auf gegen Busolt GG III 1, 58. Gilbert P23L 

ganz besonderen Vollmachten beruhen, die etwa Colin Daremb.-Sagl. IV 2, 1525. Hauvette- 

der Verhangung eines Ausnahmezustandes gleich- B e s n a u 1 1 50. Der Widerspruch zu Aristot. 61; 
kommen, s. Swoboda Rh. Mus. XLV 308. B u - 30 ist offenbar. Der Oberfeldherr als solcher besaB 

solt-Swoboda Staatsk.^ 999f. tTber die o-ol naturlich keine weitergehenden Befugnisse, als 

avxoHQaxoQsg vgl. Abschn. V. dem Collegium zustanden, falls ihm solche nicht 

V. Kollegialitat. Die Leitung des Heer- ausdriicklich vom Volke erteilt wurden. 
wesens durch JO gleichberechtigte S., die nur auf 2. In den seltensten Fallen schickte Athen 
die Landesverteidigung abgestellt war, erwies sich das gesamte Collegium der S. zu einem Feldizuge 
im Ernstfalle schon bei Marathon als unzulang- aus, nicht weil immer einige in der Stadt zuriick- 
lieh, da die Meinungen liber Angriff oder Ver- bleiben muBten — bei Samos waren alle zehn, 
teidigung geteilt waren (Herodot. VI 109), und s. Hauvette-Besnault 74 ■ — sondernweil 
nur kiinstlich konnte damals eine Einheitlichkeit entweder auf mehreren Kriegsschauplatzen zu 
der Flihrung hergesteUt werden. Die Schwierig- 40 kampfen war oder fiir ein kleineres Unternehttien 
keiten muBten sich noch vermehren, wenn nach eine geringere Anzahl Ftihrer geniigte. In diesem 
dem Flottenbau auf verschiedenen, zum Teil fern- Falle konnte entweder ein Einzelner die Ober- 
ab gelegenen Stellen Krieg zu fuhren war und die leitung haben (s,- die Stellen aus Thuk. unter 1)^ 
heimische Wehrmacht nicht immer ausreichte. Zu oder alle waren gleichberechtigt, s. Thuk. I 45, 1. 
ihrer Uberwindung schlug Athen, ohne die Ver- 51,3. Diod. XV 29. Einen Einzelnen zu schieken, 
fassung und den Aufbau der Behorde grundsatz- scheinen die Athener seit der Sendung des Mil- 
lich zu andem, drei verschiedene Wegeein: 1. den tiades (Herodot. VI 132) vermieden zu haben. Sie 
Oberbefehl iiber die gesamte Truppenmacht auf. dachten dara,n bei der sizilischen Expedition 415, 
einem Kriegsschauplatze erhielt ein Einzelner, s. IG P 98, entschlossen sich aber dann doch 
2. fur jedes Untemehmen wurde nur ein Teil 50 fiir drei. In manchen Fallen wird nur ein Bin- 
der S. ausgesandt, 3. der oder die Ausgesandten zelner namhaft gemaoht; so Herodot. V 97 im 
erhielten weitergehende Vollmachten zur Heran- J. 499 Melanthios, Diod. XI 81 Myronides, Xen. 
ziehung von Bundesgenossen, Werbung von Leu- hell. V 5, 49 Iphikrates, Diod. XV 75. Xen. heU. 
ten, Aufnahme von Geld. 1. Die Einheit- VII 2, 18ff. Chares, und Demosth. IV 26 beklagt 
1 i c h k e i t des Oberbefehls muBte schon in den sich geradezu dariiber, daB die Athener nur einen 
Perserkriegen durchgefuhrt werden. So lag bei ausschicken, wahrend die anderen zu Hause Peste 
Salamis das Oberkommando in den Handen des feiern; aber die Stellen sind nicht sehr beweis- 
Themistokles, im folgenden Jahre zu Lande bei kraftig, und es ist wahrscheinlich, daB jedesmal 
Aristeides, zur See bei Xanthippos. Herodot nennt, noch andere S. anwesend waren, s. Hauvette- 
auch wenn mehrere S'. anwesend waren (IX 46. 60 B e s n a u 1 1 91ff. An auBerordentliche S., die 
117), den Oberfeldherrn 6 lidTjvalcov o. oder sagt: dem Collegium nicht angehorten, wie sie Ar- 
ji'&fjvalcov sozQatYiyes VII 173. VIII 4. 61. 131. nold Diss. 1874 schon fur das 5. Jhdt. mehrfach 
IX 28; bei Plutarch (Arist. 8; Them. 12) ist die annimmt, ist fiir diese Zeit gar nicht, fiir das 
Bezeichnung o. avroHQarcoQ nicht titular (vgl. 3.), folgende Jahrhundert schwerlich zu denken, die 
sondern mit Riicksicht auf romisehe Verhaltnisse Ersetzung des Nikias durch Kleon bei Pylos 
gewahlt. In der Folgezeit erhielt wiederholt ein (Thuk. IV 28, 3) entspricht dem (abgekiirzten) 
Einzelner aus dem Collegium iiber samtliche S. Verfahren bei einer Apocheirotonie; daB gar Aus- 
oder diejenigen, die ihm beigeordnet waren, das lander (^svoi) nach Ps.-Plat. Ion 541 c das Amt 



1081 Strategos (hellenistisch) 

eines S. bekleideten, ist verfassungsrechtlich un- 
moglich. Das sehlieBt nicht aus, daB einzelne 
Fremde nach Erteilung des Biirgerrechts zu 
ordentlichen S. gowahlt wurden (Cliaridemos). 

3. In besonderen Fallen erteilte der Demos 
einzelnen S. weitergehende VoUmachten. In Be- 
tracht kommen zunachst die a-ol avro?eQdtoQsg, 
zuerst genannt bei der sizilischen Expedition 415. 
tJber ihre Befugnisse geben Thuk. VI 26 und 
noeh besser IG P 98. 99 ziemlich genaue Aus- 
kunft: sie diirfen nach eigenem Ermessen sich 
Mannschaften, Schiffe und Geld beschaffen. Eine 
Erweitemng ihrer Machtstellung erfolgt danach 
nur gegentiber dem Anslande. In der Tat schicken 
sie selbstandig G^sandte nach Kamarlna, Thuk. 
Vi 75, 3. Die hoheren Befugnisse werden ihnen 
also nur aus praktischen Grtinden verliehen, well 
Verhandlungen mit Athen selbst zu viel Zeit er- 
fordert hatten. Die Stellung der o. avr. gegen- 
tiber Rat und Volk ist dioselbe wie die aller S., 
das zeigen idie Berichte des Nikias, namentlich 
Thuk. VII 15, wo er die Entseheidung der Stadt 
liberlafit, vgl. 48, 3. Unter sich waren die drei 
<y. avt. gleichberechtigt; sie beraten miteinander 
unter Zuziehung der Taxiarchen (ebd. 60, 1). 
Dem entspricht es, da6 das Volk nach demTode 
des Lamachos fiir Nikias zwei ^vvaQXovreg wahlt 
(ebd. 16, 2). Den Befugnissen der sizilischen S. 
werden diejenigen gleich gewesen sein, die 408 
Alkibiades, Thrasybulos und Konon erhielten 
(Xen. hell. I 4, 10), und ebenso nach der Schlacht 
bei den Arginusen Konon, Adeimantos und Philo- 
kl-es (ebd. I 7, 1). Weitergehend waren die VoUmach 
ten, die Perikles im ersten Jahr des Peloponnesi- 
schen Krieges besaB (s. IV e). Da sie einmalig 
waten, gab es dafiir keine amtliche Bezeichnung. 
Noch einmal muB das Volk eine besondere fel- 
lung 408 dem Alkibiades eingeraumt haben, den 
Xen. I 4, 20 aTtavrcov riyefjicov avtoKQaxcoQ^ Diod. 
XIII 69, 3 G. avxoKQax(x)Q nennt, mit der Angabe: 
%al Tcara yfjv ^al Tcaxh d'oXaxxav dndoag xdg dvvd- 
fj,sig ivsxsiQtoav avxcp. Der Unterschied scheint 
darin zu liegen, daB Perikles politisehe und mili- 
tarische VoUmachten erhielt, Alkidiades nur 
militarische; in beiden Fallen aber hatte das 
Volk vonibergehend auf die Ausiibung eines Tei- 
les seiner Souveranitatsrechte verzichtet. Beide 
Falle sind singular. 

Die Einrichtung von Sonderzustandigkeiten 
fiir die einzelnen S., die im Prinzip eine An de- 
rung der Verfassung bedeutet, erfolgte allgemein 
erst im hellenistischen Zeitalter. 

StrategOiS (hellenistisch). 

(tTber den S. der Ptolemaier s. Bd. IVA S. 184. 

Inhalt: Quellen: 1. Insehriften. 2. Mtinzen. 
3. Alte Literatur. Neue Literatur. 

A. tJbersicht. 

B. Der S. in der Polls. 

I. AUgemeines. 
II. Das Mutterland. a) Collegien aus 

alterer Zeit. b) Kaiserzeit. 
in. Die Insel- und Ostgriechen. a) Euboia. 

b) Kykladen und siidliche Inseln. 

c) Thrakische Inseln. d) Sporaden. 
e) Kleinasien. a) Aiolis. ^) lonien. 
y) Karien. 8) Mysien und Troas. 
e) Phrygien. t) Lydien. rj) Bithy- 
nien. '&) Pamphylien. i) Lykien. 



Strategos (hellenistisch) 1082 

f) Kolonien in Thrake und Skythien. 

g) Orient. 

IV. Die Westgriechen. a) Unteritalien. 
b) Sicilien. 

C. S'taatenbtinde und Bundesstaaten. 

I. AUgemeines. 

II. Panhellenische Staateribunde. a) Frie- 
densbund Philipps. b) Bund der 
Griechen unter Fiihrung Athens. 
10 c) Bund des Demetrios. 

III. Sonderbiinde. 1. Akamanen. 2. Aito- 
ler. 3. Phoker. 4. Epeiroten. 5. Boio- 
ter. 6. Thessaler. 7. Perraiber. 
8. Magneten. 9. Eleutherolakonen. 
10. Achaier. 

D. Die Konigreiche. 

I. AUgemeines. 

II. Alexanderreich. 

III. Diadoehenstaaten. Soldner. Ptole- 
20 maierstaat. 

IV. Seleukidenreich. 

V. Kleinere Konigreiche. 1. Das Perga- 
menisohe Reich. 2. Kappadokien, 
3. Galatien. 4. Thrake. 5. Bosporani- 
sches Reich. 6. ludaia. 

E. Bezeichnung fiir romische Beamte (Con- 
suln, Provinzialstatthalter, Praetoren, alle 
Beamte mit Imperium, 6 im ndvxcov o). 

Quellen; 
30 Abkiirzungen: 

1 . Insehriften. Collection of Greek Inscr. 
in the Brit. Mus. (== BMI). Monum. antichi 
d. Accademia dei Lincei (= MA). L e B a s - 
Wadding ton Voyage archeologique (= LW). 
Inschr. von Magnesia von Kern (= IM). In- 
schr. von Olympia von Dittenberger und 
Pur gold (= 10). Inschr. von Pergamon von 
Frank el (= IPe). Inschr. von Priene von 
Hillerv. Gaertringen (= IPr). Inscr. 

40 orae septentr. Ponti Euxini ed. Latyschew 
(i= IPE). Inscr. of Cos by P a t o n and Hicks 
(= IC). Bull, de corr. hell. (Bh). Journal of 
hell. stud. (= Jh). 'AQX^LtoloyiKT} Tj(pr}(A,eQig 
(= ^Ecp). ^QxaioloyiKov Aelxiov (= A), Papers 
of the American school at Athens (= Am). Athen. 
Mitt. (= AM). Revue des etudes grecques (= Rg). 
Ann. Inst. (= AI). 

2. Mtinzen. Eckhel Doctrina numorum 
veterum (= E). Mionnet Description de me- 

50 dailies antiques (= M) mit Suppl. (= MS). 
B a b e 1 n Traite des monnaies grecques et 
rom. (i= B). Head HNP (= H). Zmtschr. f. 
Numism. (= ZN). Revue Suisse de Numism. 
(= RSN). Catalogue of Greek Coins in the 
Brit. Mus. (= BMC). 

3. AlteLiteratur. Fur Alexander: Ptole- 
maios und Aristobulos bei Arrian. Diadochen: 
Hieronymos von Kardia bei Diod. Sicilien: Ti- 
maios bei Diod, Bundesstaaten: Polybios, zum 

60Teil bei Liv. Stadte: Aristoteles. DiyUos (vgl. 
PhUol. LXXXVI 145). 

Neue Literatur. Eine zusammenfassende 
Behandlung fehlt. AUgemeines uber die stadti- 
schen S. und ausfuhrliche Darstellung Athens 
und der Bundesstaaten bei Gilbert 8t.-A. F 
256ff. Colin Daremb.-Sagl. IV 1523ff. Swo- 
b d a Staatsaltert.^ a. v. St. B u s o 1 1 - S w o - 
b d a Gr. Staatskunde^. tlber die stadti- 



1083 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1084 

schen S. der romischen Zedt Menadier Diss. Gebiete betatigen konnen, um so mehr miissen 

Berl. 1880. Spezialliteratur b^i den einzelnen Ab- sie sich den Aufgaben der inneren Verwaltting 

schnitten. widmen, namentlich der Extiiehtigung der Jugend 

A. tr b e r s i c h t. In dem gewaltigen Ringen und der Versorgung der Btirgerschaft mit Lebens- 

nm die Neugestaltung von Staat nnd Gesell- mitteln; schon bald nach der Mitte des 4. Jhdts. 

schaft, das mit dem hellenistischen Zeitalter an- wird ein attischer S. wegen seiner Verdienste um 

hebt, spielt der S. die entscheidende Rolle. Los- das Erziehungswesen belobigt (Syll.^ 956). Das 

gelost von jeder burgerlichen Tatigkeit, ganz auBere Ansehn der S. und ihre Stellung zu den 

zum Berufssoldaten geworden, aber als solcher ubrigen Behorden mufi sich dabei eher heben 
zugleich vor eine Fiille neuer Aufgaben gestellt, 10 als senken. 

zerstort und begrtindet er Stadte und Reiche und Unter den bestebenden Umstanden ist es er- 

fiihrt schlieBlich eine vollige Umbildung von Ver- klarlich, d^Q die neuentstehenden B u n d e ,s - 

fassung und Eecht, Wirtschaft und Kultur her- staat en (?coivd) — toils in Anlehnung an die 

bei. Damit erfahrt aber auch seine eigene Stel- alten Verfassungsverhaltnisse, toils im Hinblick 

lung und sein Wesen eine griindliche Umwand- auf die neue Entwicklung der GroBstaaten — 

lung. Aus einem Diener von Staat und Volk, die unter den Zentralorganen des Bundes in erster 

ihn bestellen, aus einem Verehrer der heimischen Linie einen S. bestellen. Aus theoretischen Griin- 

Gotter, bei denen er den Gesetzen Gehorsam den versucht man es zuerst mit der tlbertragung 

sehwort, wird er zum unbedenklichen Selbstherr- der hoehsten Gewalt an zwei oder mehrere neben- 
scher, der sein Recht ausschlieBlich auf Gewalt 20 geordnete Manner, aber die Erf ordemisse der Pra- 

begriindet, und macht sich, wo er kann, selbst xis fiihren bald zur Anerkennung des Fiihrerprin- 

zum Konig, zum unbeschrankten Gesetzgeber, zips durch die Wahl eines einzigen S. als Ver- 

zum Gott. Aber diesen Neugriindungen fehlt die treters der Einheit des Bundes. Wenn man nach 

Gemeinschaft des Volkstums und der alten Tra- der tJberlieferung und aus MiBtrauen die Amts- 

dition, ftir die der Herrscherkult nur einen unge- dauer auf ein Jahr und die Einlegung amtsfreier 

ntigenden Ersatz bietet. Dazu kommt, daB Ge- Zwischenzeiten fiir den S. festsetzte, so wuBten 

walttat und Eigennutz, die zu ihrer Entstehung sich doeh hervorragende Personlichkeiten trotz 

geftihrt haben, sich auch weiter auswirken und dieser Beschranlcungen durchzusetzen. Verder])- 

sie durch neue Absplitterungen, Thronwechsel und licher aber wird es, daB es keinem der Bundes- 
Kampfe nach auBen und im Innern fortwahren- 30 staaten gelingt, den Partikularismus der Stamme 

den Erschiitterungen aussetzen. Das fiihrt folge- vollig zu tiberwinden und das gesamte VolJc, 

richtig dahin, daB die einzige national-geschlos- wenigstens auf heimischem Boden, zu einigen* 

sene Macht, Rom, ,sie am Ende samtlich unter- Die Folge davon ist der Ausbruch neuer inner- 

wirft, vielfach ruhmlos. griechischer Kampfe und die Einmischung des 

Aus diesem Ringen um Weltgeltung scheidet Auslandes, womit sich die Nation endgtiltig als 

Griechenland seit dem Verluste seiner Freiheit Faktor der Weltpolitik ausschaltet. 

als tatiger Teilnehmer aus. Diese Tatsache So wird der entscheidende Maehtfaktor im 

kommt aber den Zeitgenossen zum groBten Teil Beginn der hellenistischen Zeit der S. der M o n - 

noch gar nicht zum BewuBtsein, da f ormell alles archie. Das Prinzip der Monarchic verlangt 
beim alten bleibt. Staatsrechtlich wird auch 40 eigentlich, daB der Konig der SI, d. h. der 

unter makedonischer Fiihrung die Souveranitat einzige und unbeschrankte Ftihrer der gesamten 

(sXsv&sQia, avxovofiia, dcpoQfjola) der grieehi- wehrfahigen Mannschaft ist; wem die Moglich^ 

schen noXig stets anerkannt, obwohl Alexan- keit zur Ausiibung dieses wichtigsten Amtes ab- 

dros gegen Ende seiner Regierung aus eigener geht, dem fehlt auch die Befahigung zum "Ko- 

Macht Verfiigungen erlaBt (Riiekberufung der nigtum tiberhaupt. Aber die territoriale Erweite- 

Verbannten, gottiiche Verehrung des Konigs), rung der Staaten und die Notwendigkeit einer 

die auch fiir die Griechen verbindlich sind (s. militarischen Besetzung des neugewonnenen Ge- 

Wilcken S.-Ber. Akad. Berl. 1922, 114ff.). biets fiihren zwangslaufig zur Bestellung von S. 

Auch die Diadochen nehmen amtlich denselben durch den Konig und mit koniglicher Vollmacht; 
Standpunkt ein und erklaren die Freiheit Grie- 50 sie erhalten dadurch selbstandige Aufgaben, aber 

chenlands wiederholt fiir unantastbar (Polyper- die Art der Aufgabe und der Zeitpunkt ihrer Be- 

chon im Namen der Konige Philipp und Alexan- endigung hangen allein vom Auftraggeber ab. 

dros Diod. XVIII 55, Antigonos ebd. XIX 61, Der S. in der Monarchic kann daher von Anfang 

Ptolemaios XIX 62, alle zusammen im J. 311 an eine doppelte Tatigkeit ausiiben: eine mili- 

ebd. XIX 105, Kassandros und Demetrios im tarische als Fiihrer groBerer taktischer Einheiten 

J. 302 ebd. XX 111). In auffalligem Wider- oder eines selbstandigen Korps und eine verwal- 

sprueh dazu steht es aUerdings, daB schon unter tende als oberster Leiter der burgerlichen Ord- 

AJexandros in einzelnen hellenischen Stadten eine nung und Rechtsprechung in einem besetzten 

Tyrannis bestand (Ps.-Demosth. XVII 3ff. 16ff.) Gebietsteil. Indem sich unter einer schwachen 
und unter seinen Nachfolgern mehrfach eine Be- 60 Zentralgewalt solche S. selbstandig machen, ent- 

satzung in wichtige Orte gelegt wird, so daB stehn neue Staaten. Durch die Einteilung des 

dort ein auswartiger S. in fremdem oder eige- Reiches in Provinzen (Satrapien), Bezirke (Hyp- 

nem Namen die hochste Gewalt ausiibt. AuBer- archien) und Gaue oder Kreise, von denen die 

lich wird aber dabei die Verfassung im allgemei- kleinsten kaum noch einer militarischen Besat- 

nen nur selten geandert, und die alte Organisation zung, hochstens einer Gendarmerie bedtirf en, 

der Behorden besteht fort. So wahlt man auch wird der ordentliche S. auch in den monarchi- 

weiter S., wo es bisher geschehn war. Je weniger schen Staaten schlieBlich das, was er in ^der grie- 

sich diese auf militarischem und auBerpolitischem ehischen Stadtgemeinde langst geworden war, 



1085 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1086 

das Haupt der biirgerlichen Verwaltung flir einen beruf en und die Initiative bei der Gesetzgebung 

beschrankten Bezirk. AUerdings ist er hier nicht (yvmfirj otQarrjycbv) iibemehmen (Rh. Mus. XLIV 

der Vertrauensmann einer Bevolkerung gleichen 304ff.), geht in ihre Hande allmahlich das eigent- 

Stajnmes, sondem VoUstrecker der Befehle eines liche Regiment in der Polls fiber, auch wenn ihre 

volksfremden Konigtums. So entwiekelt sich der Antrage verandert, erweitert oder verworfen wer- 

B. schliefilieh vom volkischen Fuhrer der wehr- den konnen (IG XII 5, 1, 721. IPr 18, 28ff.). In 

haften freien Manner zum Werkzeng der Fremd- Verbindung damit steht es, daB in grofien Ge- 

herrschaf t, die, mit dem Volke nirgends verwur- meinden (Athen) sich f iir die einzelnen Mitglieder 

zelt und ohne Empfindung fiir seine nationalen der Behorde besondere Zustandigkeiten bilden, in 
Bediirfnisse, seine best^n Krafte fiir volksfremde 10 anderen die Amtsdauer auf ein halbes Jahr (Kni- 

Zwecke auspreBt. Im Westen maehen die S. dos, Stratonikeia) oder gar auf drei Monate her- 

eine ahnliche Entwicklung durch wie im Osten; abgesetzt wird (Erythrai). Das Verbot der Ite- 

doch verlieren sie hier ihre Bedeutung bald wie- ration, das einzelne Gemeinden erlassen (Ery- 

der durch ihren Eigennutz und ihre nationale thrai, Ilion), soil das Entstehen einer Tyrannis 

Unzuverlassigkeit; sie bestehen nur noch zum verhindern, die sich bei der fortlaufenden Be- 

Teil als. ss^dtisehe Verwaltungsbeamte fort. kleidung des hochsten Amtes mit seinen weit- 

Unter der romischen Herrschaft bleiben im gehenden Bofugnissen leicht von selbst ergeben 

Mutterlande und im Osten die S. erhalten, teils konnte. Es ist begreiflich, daB die einfluBreiche 

als Torsteher der stadtischen Verwaltung, teils Stellung der S. ihr Amt schon friih zum Gegen- 
als Leiter von Stammen und Gauen; sie gehn 20 stande des Ehrgeizes maohte und seine Fuhrung 

dort erst zusammen mit dem Reiche unter. Im als eine Auszeichnung fiir die Familie gait 

Westen wend'en sie schon frliher durch die (Aischin. I 27 si tig f^fj ngoyovcov koxl xwv eoxQa- 

romische Kolonisation und Einfuhrung der Muni- frjyrj^eorcov. Demosth. XXXIV 50 Pial ravra 

zipalverfassung verdrangt. TioXitrjv vfxwv ovta koI naxQog eoxQaxrjyrjKorog), 

B. Der S. in der Polls. und daB spater die S. vielfach denselben Hau- 

I. A 1 1 g e m e i n e s. Das Amt des oder der sern entstammten, deren Mitglieder sich in dem 

S. ist zwar in jeder Polls mit verschiedenen Be- Amte bewahrt hatten (s. Altoler, Thes- 

fugnissen ausgestattet, doch zeigt die G^samt- saler). 

entwicklung in der hellenistischen Zelt gewisse Die romische Herrschaft, namentlich in der 
gemeinsame Ziige. Die Z a h 1 der S. vermindert 30 Kaiserzeit, die zuerst ein folgerichtiges Verfah- 

sich nicht mit der Abnahme des Bedarfs, son- ren einschlug, hatte notwendigerweise eine ge- 

dern nimmt noch zu; das geschieht dadurch, daB wisse Uniformierung der Stadteverfassung zur 

abhangige Gemeinden, die selbstandig werden, Folge. Die einzelne Gemeinde hat jetzt im Mut- 

und neue, teils btirgerliche, teils Militarkolonien, terlande nur einen S. (s. Athen), der oft eioen 

die erst entstehn, ebenfalls ihre S. erhalten. Eine anderen, biirgerlichen Beamten verdrangt hat 

so kleine Gemeinde wie Nasos bekommt ihre S. und an der Spitze der gesamten Gemeindever- 

(Plur.). Alexandreia in Agypten hat seinen vvh- waltung steht, die Beschltisse der stadtischen 

xsQivog S. (s. Sitrab. XVfi 797) und andere S. Korperschaften herbeifiihrt und ausfuhrt, Schul- 

vgl. W i 1 c k e n Ostraka I 624. Auch die Mili- wesen, Getreideversorgung und Marktwesen ord- 
tarkolonien (Schulten Herm. XXXII 522) 40 net. Er vertritt die Gemeinde nach auBen, ver- 

haben — mindestens in einzelnen Fallen — einen fciindet Ehrenbeschlusse (GIG 2264. 3595) und 

S. an der Spitze, s. Keil-v. Premerstein nimmt an Fosten und Kulthandlungen im Namen 

Denkschr. Akad. Wien LIII 2 nr. 95. LIV 2 der Gemeinde teil (ebd. 3348). Besonders haufig 

nr. 160. Wenn bei der Bildung von Bundes- wird er als Antragsteller bei Gemeindebeschlussen 

staaten in einzelnen Stadten die friiheren S. eine genannt, teils allein, teils in Verbindung mit 

andere Amtsbezeiehnung erhalten (so in Megara anderen stadtischen Beamten, namentlich dem 

Polemarchos s. Foucart zu Lebas Megar. 34 a), ygafAfAaxevg, Vgl. Liebenam Stadteverwal- 

damit eine Verwechslung mit den Bundesbeamten tung 286. 

vermieden wird, so entstehn dafiir die neuen 11. Das Mutterland. a) Collegien 
Bundes-S. Dabei wird — mit Ausnahme derSOausvorromischerZeit. 1. Athen. Die 

militarisch organisierten Orte — das Prinzip der Bildung besonderer Geschaftskreise fiir die ein- 

Kollegialitat gtreng gewahrt, selbst in der zelnen S., die schon um die Mitte des 4. Jhdts. 

Zwerggemeinde Nasos (s, Nesioten). begonnen hatte, macht in der hellenistischen 

Andererseits wandelt sich der Charakter des Zeit weitere Fortschritte; dabei bleibt fiir die 

Amtes von einem militarischen immer mehr zu Erledigung gewisser Aufgaben nach wie vor 

einem biirgerlichen um. AUerdings bleiben die Zustandigkeit des gesamten Collegiums er- 

die militarischen Befugnisse erhalten, aber seit halten. 

dem Auftreten von starken Soldnerheeren ver- a) Der SI. enl xa onla (ml xcov otvXcov) oder 

lieren sie ihre praktische Bedeutung. Wenn schon inl xovg onXlxag (km xcov oTtXixcbv) ist dem Range 
f ruber in Athen zur Zustandigkeit der S. die Ent- 60 nach der Erste; das scheint schon aus dem Ehren- 

scheidung bei Streitigkeiten uber die Erhebung boschluB fiir Phaidros vom J. 275/4 (Syll.s 409^ 

der Kriegssteuer (siaq)OQd) und die Sorge fiir die 44f.) hervorzugehn, wo es heiBt: xeiQoxovrjd'elg 

Ertiichtigung der Jugend gehoren (II a 1), so er- knl xa onXa utQcbxog vno tov brjiJiov GXQaxrjyog, 

weitem sich ihre Befugnisse in dieser Hinsicht Die Annahme von Tarn Antigonos Gonatas 422, 

immer mehr (s. auch Smyrna), und es ist nur daB es damals (286/85) zwei S. enl xa onXa ge- 

folgerichtig, daB in Pergamon die S. alle stadti- geben haben muB, findet — abgesehn von dem 

schen und kirchlichen Gelder verwalten, s. Syll. sprachliehen AnstoB — in der tJberlieferung^ 

or. 267. Indem sie schlieBlich Rat und Volk ein- keine Sttitze, auch die Erklarung von D i 1 1 e n - 



1087 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1088 

b e r g e r Slyll. z. d. St., da6 es sich um die erste reien (Seerauber) sichern soUen. Schon in einem 
Wahl nach einer Umwalzung gehandelt haben VolksbeischluB vom J. 352/51 IG IP 204 = Syll.^ 
kann, ist ohne erlauternden Zusatz unwahrschein- 204 (vgl. K o e r t e Klio V 280) wird ihm (nach 
lich; derAusdruok ist also wohl mit Span gen- dem Areopag) mit den ihm unterstellten Peri- 
berg Diss. Halle 1884, 50 auf die Stellxing zu polarchen der Schutz der eleusinischen Flur iind 
beziehen. Die 10 Si. miissen der Reihe nach ge- samtlieher Heiligtiimer des Landes (nicht von 
"wahlt worden sein, und der im Range hochste Eleusis allein) anvertraut, die, soweit sie anBer- 
zuerst. Der hohere Rang dieses S. ergibt sich halb der Befestigungswerke lagen, leicht raube- 
-aus den erhaltenen Denkmalern. Daraus folgt rischen UberfaEen ausgesetzt waren. Zum Ge- 
freiljch nicht, dafi er auch zeitlich zuerst seinen 10 schaftskreise des S. %. gehort auch der Schutz 
besonderen Geschaftskreis erhielt oder gleich- der Werften IG IP 1631 Z. 124. Dagegen ist er 
zeitig mit dem S. fiir den Landesschutz, wie bei nicht zustamdig fur die freiwilligen Beitrage, die 
Eusolt-Swoboda Gr. Staatsk. 1122, ange- in besonderen Notf alien elq xy\v ooytrjQlav rfjg 
nommen wird; gerade ein Milizsystem, das sich jtoXscog xal xrjv cpvlaxrjv trig x^Q^^ erhoben wur- 
besonders auf die Yerteidigung einstellt, wird den, wie um das J. 232/31 naci IG IP 791 = 
kaum geneigt sein, eine besondere Stelle ftir Syll.^ 491. Die Meldungen dazu batten beim Rat 
ieinen Kommandeur in Angriffskriegen zu schaf- oder den S., also dem' GesamtcoUegium, zu erfol- 
Ten. Jedenfalls bestand das Amt aber schon um gen, und ihr Zweck ist keineswegs nur der Lan- 
326 und war nach Aristot. 'Ad>. tioX. fiir die Ffih- desschutz im engeren Sinne, wie er dem 8. x- ^^- 
Tung auBer Landes bestimmt, s. Ferguson 20liegt. Die SchluBformel: x6 bh yjr}cpio(A,a tods ... 
Klio IX 314. Hellenistic Athens 9; wahrschein- slvm anav slg cpvXaTcrjv xrjg x^Q^^ findet sich 
lich war es erst kurz vorher eingerichtet worden. ebenso oder ahnlich auch in anderen Volks- 
Inschriftlich kommt der S. im m ojtXa (== StzX.) beschliissen, z. B. dem vom J. 325/24 liber die 
erst geigen Ende des 4. Jhdts. vor, IG IP 556 Aussendung einer Kolonie nach dem Adriatischen 
turn 305/04) und 649 (vor 294/93). Als seine Meer unter Miltiades IG IP 1629 = Syll.3 305, 
Vorlaufer konnen die beiden Xen. heU. I 4, 21 auch in anderen Staaten s. B o e c k h IJrk. See- 
(im J. 408/07) erwahnten fjQripsvoi Kara yfjv o - ol wesen 467 und schreibt wohl eine besonders 
betrachtet werden. Schon um 80 v. Chr. wird sorgfaltige Aufbewahrung und Ausfiihrung des 
der S. onX. IG IP 1039 als der S. bezeichnet, Beschlusses vor, wie sie nicht in alien Fallen 
doch gibt es neben ihm noch andere (Z. 52 ol 30 stattfand. 

>G-ol vomVorjahr). Seit dem Anfange des 1. Jhdts. c) Der Geschaftskreis des S. x- wurde spater 

Y. Chr. ist der 'S. ojtX. eponym, was Gnaedin- sachgemaB unter zwei S. geteilt, von denen der 

gei Diss. StraBb. 1892, 44fE. nicht hatte fort- eine den Landschutz, der andere den Ktisten- 

deuten soUen, und zwar zuerst neben und nach schutz ubernahm; der erste hieB S. ml trjv xcoqol"^ 

dem Archon IG IP 1039, vgl. 1077. 1801. 1824ff., ri/r hn' 'EXsvoJvog (IP 1304), kurz S. soz' TJXsv- 

-dann vor ihm III 63. 65. 68, vgl. 158. 457. 616, oZvog (==: 'M.) (IP 1299 = Syll.3 485. H^ 

aber nicht allein. Zu seinen Obliegenheiten ge- 1349), der andere S. stzI rrjv x<^Q^'^ '^V'^ naQaXlav 

horen auBer der Heerfiihrung bei auswartigen (= naQaX.) (IG IP 1194 =: SyU.^ 468. IG IP 

Feldziigen die Veranstaltung einiger Staatsopfer, 1195) oder ausflihrlicher (im J. 100/99) S. piQo- 
die Sorge fiir die Verpflegung (Besehaffung von 40 tovrj'd'etg em Ta/uvovvta xal rrjv noQaXlav x^^^^'^ 

billigem Getreide) und die Aufsicht iiber die IG 11^ 5 p. 250 nr. 1206 b. Die Zeit dieser Tei- 

Ausbildung der Epheben, und zwar nicht nur lung ist streitig. Kurz vor 292 gibt es nach IP 

die korperliche, sondem auch die geistige. Von 682 nur einen S. x-i ^^st unter dem Archon 

dem Dichter Philippides, S. onX, 294/93, wird IG Kimon erscheint ebd. 1299 = Syll.s 485 zuerst 

n^ 649 geriihmt, daB er xag 'Bvoiag andoag olg inschriftlich ein S. 'EX. Wahrend B e 1 o c h GG 

ndxQiov fjv d'Eoig vnsQ xfjg noXeoyg xe'&vksv evos- HI 2, 35 den in der Inschrift gemeinten Dfeme- 

ficog >ial ^syaXonQsncbg, s. Spangenberg 49f. trios fiir den Poliorketes halt, sieht K o 1 b e Fest- 

Von Phaidros wird Syll.s 409 anerkannt, daB er schr. Hirschfeld 312 in ihm Demetrios II. von 

tov dlxov SK xfjg x^Q^^ ^«^ xovg aXXovg Kagnovg Makedonien (239 — 229). Die letztere AnUahme 
alxiog sysvexo eioHOfiiod^vai. Die Erziehungsauf- 50 ist schon deshalb wahrscheinlicher, well Eleusis 

gaben, die dem S. 6nX. oblagen, machten beson- erst wieder zwischen 287 und 283 attisch wurde, 

ders Dichter, wie Philippides, und Philosophen, s. Kolbe 314. Danach ailerdings wird bald 

wie Theophrast (220/19), fur das Amt geeignet, (spatestens vor 257) die neue Kompetenz ein- 

Philostr. vit. soph. I 23, 1, II 1, 5. 20, 1. Un- gerichtet worden sein, die vielleicht zur Behaup- 

zweifelhaft fiihrte der S. onX. auch den Vorsitz tung von Eleusis wahrend des 3. Jhdts. beitrug. 

im Collegium (s. K e i 1 Ber. S^cbs. Ges. LXXI Der S. EX. verfiigte iiber die drei Kastelle Eleusis, 

46), als dessen Mitglied er in der Kaiserzeit Panakton und Phyle, die samtlich Biirgerbesat- 

tibrigblieb (vielleicht schon seit Sulla). zungen batten; in Eleusis hat er auch eine Ab- 

b) Der S. fiir den Landesschutz, enl X7)v q?vXa- teilung Soldner unter sich (IG IP 1299). Er 
}€r)v xfjg x^Q^^ oder kurz hm xr]v x^Q^'^ (== Z-) 60 sorgte fiir die ordentliche Instandhaltung der 

ist der erste, der eine besondere Zustandigkeit Befestigungswerke und die planmaBige Starke, 

erbalten hat. Er hat mit dem Kommando iiber Verpflegung und Bewaffnung der Gamison, ver- 

die Feldarmee, die erst im Kriegsfall gebildet anstaltete ferner an den Haloen die iiblichen 

wird, nichts zu tun, sondem hat die Aufsicht Opfer fiir Demeter und Kore und schiitzte die 

liber die stehenden Garnisonen, die auch in Frie- ungestorte Einbringung der Ernte (ebd.). Der 

denszeiten in einzelnen festen Platzen sowohl die S. EX, wird oft in Ehrenbeschliissen genannt 

Tjandesgrenzen (gegen Boiotien und Megaris) wie IG IP 1285. 1287. 1288. 1303. 1305—1307. Der 

'die Xiisten gegen plotzliche tTberfalle und Raube- S. na^aX. hat die Besatzungen in Rhamnus und 



1089 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1090 

Sunion unter sich. Noch um 266 versorgt der S. «^;ifo^ Tca&iotdvai) war friiher eine der Aufgaben 

6nX. Sunion mit Lebensmitteln und Geschossen desGesamtcollegi'iinisgewesen,Demosth.XXXIX8. 

IG IP 1281, aber bereits vor 257 d«r S. naQal. Ps.-Demosth. XXXV 48; das geschah noch im 

IG IF 1194 (dazu Kirchner Athen. Mitt. J. 335/34, s. IG IP 1623 Z. 63, und mit den 

XXXII 470). 1195. Vgl. IG IP 1270. 1300. Slymmorien der « «a(j9o^a, denen die trierarchischen 

1302.1308. 1310— 1313. IF 5, 1206b. S. Fer- nachgebildet sind, verfuhr man noch um 330 

g u s n Klio IX 318. ebenso, s. Demosth. XLII 5. Den S. ov{jl. erwahnt 

d) Schon vor der Verteilung des Landes- zuerst Aristot. Mi^. noX. 61, 1, und in einem 
-schutzes unter zwei S. wurde ein besonderer Ge- VolksbeschluB vom J. 325/24 uber die Aussen- 
schaftskreis f iir den Hafenschutz eiingerichtet, mit 10 dung einer Kolonie (IG IP 1629 = Syll.^ 305) 
dem zwei S. em rov UsiQada (= 77.) betraut werden die Thesmotheten (vgL Panske Lpz. 
wurden. Diese Sonderzustandigkeit kennen schon I^iss. 1890, 31) angewiesen, dem S. ovfji. Ge- 
Aristot. "Ad', nol. 61, 1 (326) und Deinarch III 3 richtshofe von 201 Mitgliedem durch das Los 
(^25/24); sie ist vielleicht bei der VoUendung des zuzuweisen, die am 2. und 5. Munychion iiber die 
Seezeughauses und der Schiffshauser 330/29 ge- eingebrachten Beschwerden entscheiden soUen. 
schaffen worden, schwerlich schon bei der Be- Kurz vorher also kann erst die Sonderbefugnis 
festigung des Peiraieus 346, da sonst Demosthe- fur den S. gv(x. eingefiihrt worden sein, vgl. 
nes in der Kranzrede die Tatsache erwahnt hatte. L i p s i u s Att. Recht 1112. 230. Nach S u n d - 
Von den beiden S. 77. hatte der eine Munychia wall Epigr. Beitr. 20, 3 soil nur die Bestellung 
und die Marineanlagen, der andere di« Akte zu 20 der Trierarchen dazu gehort haben; aber es ist 
tiberwaehen. Vgl. dazu IG IP 1631 Z. 136. 156. kaum eine andere Behorde denkbar, die Mr die 
Wahrend Athen von den Makedonen besetzt war eio(poQd, eine Kriegssteuer, zustandig sein konnte. 
(261 — 229), ernannte der Konig einen S. knl rov Wie lange der S. ovfA, bestanden hat, laBt sich 
IIstQais(og\ der auch die anderen festen Platze nicht feststellen; da seine Tatigkeit wenig volks- 
Tind die Insel iSlalamis besetzt hielt, spater sogar tiimlich war, wurden fiir ihn keine Ehren- 
einen Athener, s. Syll.^ 454 ("HQaxXsirog 'AokIy}- beschltisse gefaBt. Jedenfalls verschwindet er mit 
mdbov "Ad-ixovevg) Tiad'sotrjxdyg vno rov ^aodscog der Abschaffung der Leiturgien. DaB diese De- 
(Antigonos Gonatas) oTQarrjydg ml rov UsiQaiscog metrios von Phaleron beseitigt hat, wie bei 
y<al rwv aXkcov rcov rarro/nsvoyv /nsra rov Ufa- Busolt-Swoboda Gr. Staatsk. 1122 ange- 
Qaisoyg, vgl. Ferguson 192f. Daraus ist aber BOnommen wird, weil sie nach ihm nicht mehr vor- 
nicht zu schlieBen, daB in dieser Zeit die dafiir kommen, trifft nicht zu; sie werden noch in dem 
bestimmten attischen S. nicht bestellt wurden, EhrenbeschluB Mr Phaidros von Sphettos (IG IP 
da S. Mr die naQaXla und Eleusis (Thukritos, 682 = Syll.3 409, 61) erwahnt (um 275/74), 
Aristophanes) wahrend dieser Jahre vorkommen. mtissen also die Regierung des Demetrios tiber- 
Sie konnten naturlich ihre amtlichen Obliegen- dauert haben. Im J. 94/93 gab es aber sioher 
heiten nicht gesetzmaBig erledigen; ausdriicklich keinen S. ov[a,. mehr, weil sonst kein dritter S. 
wird dariiber geklagt, daB das I^nd damals brach 77. hatte bestellt werden konnen (IG IF 1207 
lag (Syll.3 497: [rfjg x^Qag >card] rovg noXsixovg = Syll.^ 719). 

aQyov xal donoQov ov[arjg), und die Wiederher- f) Nacharistotelisch ist der S. im ro vavrmov 
stellung der Mauem von Salamis wird als ein 40 (= vav.), der Kommamdeur der Flotte. Er 

Verdienst des koniglichen S. bezeichnet (ebd. 454, kommt inschriftlich zuerst in dem EhrenbeschluB 

llf.). Vielleicht batten die attischen S. nur die fiir Phaidros IG IP 682 i= Syll.3 409 vor, dessen 

Mttel fiir die Besatzung und die Befestigungen Vater Thymochares dasi Amt auf dem Feldzuge 

aufzubringen oder die Arbeiten nach Anweisung gegen Kypros bekleidete; diese Kanipfe Verlegt 

des makedonischen S. ausfiihren zu lassen. Ferguson Hellenistic Athens 21 in das Fruh- 

Jedenfalls bestanden sie fort und waren imAmt. jahr 321, Klueber Verhandl. philol. Gesellsch. 

ihre voUen Befugnisse erhielten sie allerdings Wiirzb. 1862, lOOff., in das J, 316/15. Zu der 

erst nach der Befreiung der Stadt wieder, s. Stellung vgl. IG II 5 Add. p. 307 nr. 1219 e. 

Koehler Herm. VII 3. Im J. 94/93 gab es BuU. hell. XXV 226 (128/27). In den J. 102, 
drei S. 77.; wahrscheinlich war der dritte von 50 101 und 98 befindet sich ein vavaQxog an der 

ihnen der letzte S., der noch keine besondere Spitze der Flotte, dagegen im J. 95/94 nach 

Zustandigkeit besaB und fur den nun auch ein IG IF 2336 drei S. vav., vgl. Ferguson Klio 

eigener Geschaftszweig geschaffen wurde, s. IG IX 314. Ein einzelner Kommandeur (Euetion) 

IF 1207 = Syll.s 719, vgl. IG IF 1206. 1309. kommt schon im J. 323/22 vor (IG IP 505 = 

e) Der SI knl rag ovfjifjioQlag (= gv{a,.) erhielt Syll.^ 346), doch ohne die Amtsbezeichnung S. vav. 
als besonderen Geschaftskreis die Einriohtung g) Zwischen 306 und 296 wurde die standige 
der Symmorien (s. Bd. IV A S. 1161) und Bestel- Stellung eines S. enl rrjv TtaQaaxevriv {:=: jtaQaox.) 
lung der Trierarchen sowie die Instruktion und fur Kriegsrustung geschaffen, s. Ferguson 
Leitung der daruber entstehenden Streitigkeiten HeU. Athens 130. Westermann Class. Philol. 
{dvridoastg). Das ganze VerfaJhren hangt aufs 60 1910, 21 2f. Die Einrichtung als solche war nicht 
engste mit dem attischen Steuerwesen zusammen; neu, aber bisher nur in Fallen besonderen Be- 
dite Trierarehie wie die Proeisphora waren beson- darfs fiir eine bestimmte Zeit getroffen worden. 
dere Leiturgien, die den reichsten Biirgem zur So war Lykurgos auBer seinem Finanzamt mit 
Last fielen. Beschwerden (o^crjyjeig) wegen unge- einer besonderen Vollmacht fur die Beschaffung 
rechtifertigter Belastung wurden auf dem Wege von Kriegsbedarf ausgestattet worden: ejil rrjv 
der Diadikasia gerichtlich entschieden. Die Ein- rov noXsfAov TtoQaoHevrjv x^f'Qotovrj'd'eig Ps.-Plut. 
tragung in die Symmorien (elg ovfxfxoQiav iyy^d- vita X or. 841 C. 852. Im J. 306/05 wurde eine 
<peiv) und die Bestellung der Trierarchen (rQirjQ- besondere Kommission von S., an deren Spitze 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 35 



1091 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1092 

Hegesias stand, mit der gleichen Aufgabe be- k) Auch die Bestellung von besonderen S. 

tout, s. IG IP 1487, 13 otQarrjyol ol fxed>'' Hyr)- fiir die Kleruchien (aus dem Collegium oder dax- 

oiov o[tQatrjyi^oa]vrsg xal 'Hyrjolag tabe naQebo- iiber hinaus) mu6 fiir die vorromische Zeit gegen 

oav und Z. 2f . otQat[rjycbv xwv knl trjv xov noXs- Ferguson Hellenist. Athens 320 vemeint wer- 

fAov naQaoKjevrjv >c€X£i[Qorovr}fi8V(ov], dazu IG den. Aristoteles kennt keine solche, sondem nur 

IP 505 == Syll.s 346 Z. 33, vgl. Ferguson einen Hipparchen fiir Lemnos und einen Archon 

Klio IX 319. Zuerst in der Phaidrosinschrift IG fiir Salamis lAd'. nok 61. 62. In dem Bericht 

IP 682 ,= SyU.3 409 Z. 22 heifit as: snl Nixlov der Epimeleten von Eleusis IG IP 1672 vom 

aQxovtog (296/95) otQatrjydg hnb rov br}fxov xsiqo- J. 329/28 werden mehrere S. namhaft gemacht, 

rov7)'&eig inl rrjv naQaoHevYjv. Seit der Mitte des 10 die aus Drymos, Skyros, Myrine und Hephaistia 

2. Jhdts. Katte der S. uiaQaoK, sieh weniger mit auf Lemnos die Abgabe an die eleusinischen Got- 

Kriegsriistungen als mit Ausstattung der Tempel tinnen abgeliefert haben (aus Imbros ein Biirger 

und Ausbesserung der Tempelgerate zu befassen ohne Amtsbezeichnung). Das miissen die ordent- 

und kommt dabei oft vor, s. IG IP 839 — 842. lichen S. gewesen sein, fiir Drymos der S. x-^ ^^^ 

IP 1534. 1539. 1705. IP 5, 1161 b. In den J. 102 Skyros und Lemnos die S» ngdg ra noQovta TtQay- 

bis 95 wird in zwei Jahren der S. noQaoK. ohne f^oLta (zu beliebiger Verwendung), denn den ab- 

Zusatz, in zwei anderen mit der Beifiigung triv gabepflichtigen Bauern konnten nioht wohl noch 

kv aotsi genannt. Sehwerlich ist mit dem Zusatz die Kosten fiir den Transport aufgebiirdet wer- 

ein anderer S. gemeint, da sonst auch bei dem den, und die attisehen Behorden der Kleruchie 
ersten eine nahere Erklarung (z. B. sv UsiQaisi, 20 batten am Ort unzweifelhaft genug zu tun, so 

TJXevoZvi 0. a.) stehen wiirde, s. Ferguson 320. daB sie auf langere Zeit ihren Amtssitz nicht ver- 

h) Mur einmal erscheint ein S. im rd InrnTiov lassen durften. Wenn ferner nach Pans. I 35, 2 

fiir das J. 128/27, doch ist er gut beglaubigt, um das J. 304 Aischetades zu Athen zum Tode 

s. C 1 i n Le culte d'ApoUon Pyth. 72. Wahr- verurteilt wurde, og rots fiQrjro eg trjv HaXafuva 

scheinlich ist er an die Stelle der friiheren Hipp- cr., so ist in diesem nach v. Wilamowitz Arist. 

archen getreten. u. Athen. I 230, 3 und Horner Quaest. Sala- 

i) Aber der S. etzI rovg ^svovg (Span gen- miniae, Basel 1901, 31 ein ordentli^her S. zu 

berg 51. Hauvette-Besnault Les stra- sehn, dem der Schutz von Salamis fiir diesen 

teges atheniens 166. Busolt-Swoboda 1123) Fall anvertraut worden war. In romischer Zeit 
Beruht offenbar nur auf einer irrigen Erklarung. 30 gab es besondere S. in Salamis (IG IP 1008. 

In dem EhrenbeschluB fiir Phaidros (IG IP 628 1228), auf Lemnos fiir die Insel und die beiden 

== Syll.3 409) wird von dem Geehrten zwisehen Stadte (IG IP 1224) und auf Imbros (IG XII 

seiner Tatigkeit als S. snl rrjv naQooTtevfjv unter 8, 186 = Syll.^ 1054 aus der Zeit zwisehen 160 

dem Arehon Nikias (296/95) und der als S. onl, und 180). Sie gehorten nicht zu den stadtischen 

unter Kimon (292/91) folgendermafien berichtet Behorden in Athen, sondem waren Sonderbeamte 

(23ff.) : KOI knl irjv ;ijo6^av x^^Q^'^^'^V'^^''^ nleovaHig fiir den betreffenden Posten. Vgl. B u s o 1 1 - 

>tal ml rovg ^evovg yevofJLevog xglg rrjv uidaav Swoboda 1123. 

inoi^oaro ojiovdijv, ouioyg av ol otQaricorai wg 1) Wahrend allmahlich jeder S. einzeln seinen 

aQiota utaQaoxsvaooLfievoi, Tzagsxcovtai rag XQ^^^^S besonderen Geschaftskreis erhieit, den er ohne 
rwt brjfjioyi^ woran sich noch die Angabe iiber eine 40 Mitwirkung der iibrigen verwaltete, blieben eine 

Gesandtschaft an Ptolemaios I. schMeBt, die dem Anzahl allgemeiner Aufgaben nach wie vor dem 

Volike Getreide und Geld versehafite. Nun liegen Gesamtcollegium vorbehalten, das als 

aber zwisehen den Archontaten des Nikias und oberste Staats- und Regierungsbehord^ tatig war, 

Kimon nur drei Jahre; TiXsovdxig und r^lg sind allerdings im Auftrage und nach den Beschliissen 

also identisch, und Phaidros hat als S. X' sowohl von Eat und Volk. Dazu gehorte vor allem die 

die ^Evoi befehligt, fiir deren bessere Ausriistung Veranstaltung der wichtigsten Staatsopfer und 

er sorgte, als auch die Sendung nach Agypten Feste. Den Bericht aus den J. 334/33 — 331/30 

iibemomnaen, fiir deren greifbaren Erfolg das iiber die unverbrauohten Betrage und den Erlos 

Volk ihm dankt. Die Gleichsetzung der Stra- aus den Fellen der Opfertiere enthalt IG IP 
tegie X' init dem Kommando iiber die Soldner 50 1496 i= iSyll.^ 1020; iiber die Feste vgl. Bd. IV 

ergibt sieh auch sehon daraus, daB sonst iiber S. 243. Die Gelder, deren die S. zur ErfiiUung 

sein ,mehrmaliges' Amt als S. kein "Wort gesagt ihrer Aufgaben bediirfen, erhalten sie insgesamt 

worden ware. Die SteUung eines besonderen S. von den ra^/ae rwv rrjg d-sov (IG IP 1492 = 

ent rovg Ssvovg ist also hieraus um so weniger zu SyU.^ 334 vom J. 305/04); in welcher Weise ihre 

belegen, als die Zahl der Soldner ziemlich gering Verwaltung und Verteilung im einzelnen geregelt 

war (um 205 nach IG IP 1958 etwa 75 Mann, war, ist nicht iiberliefert. Sie sind ferner als 

vgl. Ferguson Hellenist. Athens 251, 1), also oberste Regierungsbehorde tatig, in dem sie im 

keinen besonderen S. erforderte. Praktisch ist es Namen des Staats Schreiben annehmen und ab- 

auch voUig undenkbar, daB in derselben Garni- senden; so iibermitteln sie dem Epimeleten von 
son Bjirgersoldaten und Soldner unter versdiiede- 60 Delos 164 v. Chr. einen SenatsbeschluB iiber den 

nen Kommandanten gestanden batten; das muBte Sarapisdienst und die danach erfolgte Entschlie- 

im Emstfall verhangnisvoU wirken. Auch der Bung des Rates (Syll.3 664). Beim Rat und bei 

EhrenbeschluB IG IP 1286 erklart sich ebenso. den S. werden freiwiUige Spenden elg rrjv owrr]- 

Allerdings sind es Soldner, die ihn fassen; aber Qtav rfjg 7i6Xe(og ?cal rrjv (pvXaTtrjv rrjg x^Qols an- 

der S. wird ohne jeden Zusatz genannt, und der gemeldet (IG IP 448 = Syll.3 491 vom J. 232/31), 

Fundort (Kato-Vathya bei Eretria) weist auf die dann beim ra^ilag otQanoyrtxcov eingezahlt 

einen S. ojvX, hin. Auch hier ist an eine Teilung werden. Rat und S. sorgen fiir Ehrenbiirger 

des Kommandos nicht zu denken. (IG n2 448 = Syll.3 317 vom J. 318/17. IG IP 



1093 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1094 

505 = Syll.3 345 yom J. 302/01), schicken im ttimer. Dem Areopag gehoren sie entweder schon 

Namen des Staates Gastges^henke (Syll.^ 537 bald an oder treten spater in ihn ein, so daB der zu 

iiach 200 v. Chr.) nnd sorgen ftir die offentliche neuem Leben erweckte Staatsrat und die Korper- 

Verfctindigung eines verliehenen Kranzes (IG IP. schaften der alten Demokratie reibungslos Hand 

1028 = Syll.3 717 Z. 50 vom J. 100/99). Sie in Hand gehn. Past die gesamte Tatigkeit des 

konnen, wie Mher, Eat und Volk zusammen- S. ist auBer MaBnahmen zur Linderung des 

berufen und Antrage bei ihnen stellen, doch stelit dauemden Notstandes nur der Erftillung auBe- 

ihnen das Recht dazu noch nicht aussehlieBlich rer Formen gewidmet. DaB die Bekleidung des 

zu, wie noch das Psephisma vom J. 100/99 zeigt. Amtes gesetzlich von einem bestimmten Census 
Ob die Zehnzahl der S. sich bis zur Kaiserzeit 10 abhangig ist, versteht sich fiir diese Zeit von 

erhalten, insbesondere ob sie die Sullanische Kata- selbst; seine Hohe ist nicht bekannt (Keil 87). 

strophe tiberdauert hat, ist nicht tiberlielert; tJber den Amtskreis des S. wird wenig be- 

doch bestand das Collegium sioher bis 94 v. Chr. richtet; die 'Uberlieferung bringt ihn in Verbin- 

aus mindestens 7 Mitgliedem und war auch noch dung mit der Ephebie, d. h. der Ausbildung der 

in den J. 83—78 mehrgliedrig, s. Keil Ber. Jugend nach der korperlichen wie geistigen Seite 

Sachs. Ges. LXXI (1919) 45f. Bezeugt sind ftir hin (Pint, quaest. sym. IX 1 p. 737 D) und der 

123/21 ot o. durch IG H^ 1006, fiir 107/05 eben- Volksemahrung (Philostr. vit. soph. I 23). Das 

so IG IP 1011, fiir 102/01 bis 95/94 der S. onl,^ ist derjenige Teil ihrer Tatigkeit, der am meisten 

2 vav, und 1 uiaQaox. durch IG IP 1236, dazu ins Auge fallt. Bestatigt wird ersteres durch die 
fiir 95/94 noch 3 77. durch II 1207 (also zusam- 20 Ephebeninsehriften (IG IP 1039ff.), letzteres 

men wengistens 7), eine Mehrzahl auch noch 83 durch die Verordnung Hadrians iiber den Olver- 

— 78 (Archon Apollodoros, s. K o 1 b e Archonten kauf (IG III 38, 50). Anderes tritt weniger offen 

144) durch IG II^ 1039. Aber schon friih in der zutage, muB aber die Tatigkeit des S. in weitem 

hellenistisohen Zeit scheint sich eine gewisse MaBe in Anspruch genommen haben; dahin ge- 

Rangordnung unter denS. entwickelt zu haben. horen namentlich die Veranstaltung der Feste 

So begannl Phaidros (IG IP 682 c=i Syll.^ 409) (s. o.) und die Pflege guter Beziehungen zu Rom 
als S. naQaox,, war dann dreimal S. %, und dann ' (Bittgesandtschaften um das Gesehenk von In- 

nur noch, ebenfalls mehrmals, 'S. onl.^ was wegen seln), insbesondere zum Kaiserhause (Ehren- 

der damit verbundenen Getreidebeschaffung ziem- beschliisse) und anderen einfluBreichen Personen. 
lich kostspielig war, aber gleichzeitig auch als 30 Da dem S. aussehlieBlich das Recht zu Antrag an 

hochste Auszeiohnung gait und wohl schon friih Rat und Volk zusteht (IG III 651. Vgl. Swo- 

die Vorstandsohaft im Collegium in sich schloB. bo da Volksbeschliisse 192. Strelow Zapiski 

Aus der Zeit von Sulla bis Augustus ist nur noch Akad. Petersb. XLVHI 304, russ.), neben ihm 

in drei Fallen ein S. 6nX, belegt, s. Sundwall wohl noch den tibrigen hoheren Beamten und 

Ofversigt af Finska Vetensk. Soc. Forhandl. L den Mitgliedem des Areopags (Dittenbexger 

(1907 — 1908) 10 und die Liste u. 12, kein ande- Herm. XII 15. Keil 34), aber schwerlich im 

rer S. Die tibrigen sind also in dieser Zeit ver- Gegensatze zu ihm, hochstens zu seiner Ent- 

schwunden; das war die Folge des wirtschaft- lastung, ,so ist im allgemeinen alles, was in Athen 

lichen Niederganges der Stadt, die eiaer so groBen amtlich vor sich geht, direkt oder indirekt aui 
Anizahl von hoheren Beamten nicht bedurfte und 40 seine Anregung zurtickzufuhren. DaB sich diese 

auch nicht mehr genug PersonlicMieiten mit einem Tatigkeit auf AuBerliehkeiten beschrankt, liegt 

auisreichenden Vermogen besaB. an den Verhaltnissen. DaB der S. auch EinfluB 

m) In der Kaiserzeit (s. Keil Ber. Sachs. auf die Austibung des Strafreehts besitzt, zeigt 

Ges. LXXI [1919] 8) ist der S. 6nX., der einzige, der ErlaB Hadrians tiber den Olhandel (IG W 

der tibrig geblieben ist, der wichtigste Beamte 1100, 51); dieser hangt mit der Befugnis zur 

in Athen. Nach dem Archon Eponymos, dem Einberufung von Bule und Ekklesie zusammen. 

eigentlichen Staatsprasidenten, dessen Stellung Alle wiehtigeren Strafsaehen waren aber damals 

rein reprasentativ ist, also auch von fremden dem Areopag vorbehalten (Keil 60ff.). Der S. 

Ftirstlichkeiten ohne Schaden bekleidet werden hatte eine besondere Amtstracht; in dieser wurde 
kann (Keil 49), ist er das eigentliehe Ober-50noch Kaiser Konstantin dargestellt, als er aus 

hartipt der Verwaltung und rangiert gleich hinter Fiirsorge ftir die notleidende Bevolkerung das 

jenem mit und neben dem' ktjqv^ rfjg i| jigslov Amt tibemahm (lul. I p. 9. Keil 88, 132). 

:n^dyov povXfjg, dem Leiter des S'taatsrats (Keil Wiederwahl war statthaf t und kam oft vox (IG 

52ff.). Bei der Aufzahlung der Amter, die her- IP 1990). 

vorragende Manner der Stadt bekleidet haben, Die S. ftir die Kleruchien sind schon Abschn. k 

fehlt sein Amt fast nie und wird nach oder vor erwahnt. Ein S. als Unterbeamter (Reihenfolge: 

dem des TcfjQv^ genannt (Keil 82f .). Da das avXrjrrjg — uibqI to pfjfjLa — otQarrjyog — htovQ- 

Amt wegen der damit verbundenen Sorge ftir die yog im trjv 2!xidda) kommt IG III 1020 (Ende 

Emahrung {eura annonae, Volkswohlfahrt) sehr des 1. Jhdts.) vor; er ist wohl Polizeibeamter 
kostspielig ist, konnen es nur Manner mit be- 60 mit einem Dienstplatz im Theater und zu ver- 

deutendem Vermogen verwalten. Sie sind die gleichen mit dem wmeQivbg a. in Alexandreia bei 

Vertreiter der Geldairistokratie, die Athen in Strab. XVII 1, 12 p. 797, dem w?croorQatrjy6g 

dieser Zeit beherrscht, und gebarden sich auch bei C h a p o t La province rom. d' Asie 242, dem 

durch entsprechende Stammbaume als Vertreter otQatrjydg rov ieqov in Jerusalem. B r i e h s Wie- 

der Geburtsaristokratie. Dabei legen sie Gewicht ner Stud. XXXIV 356. Vgl. Keil 46, 50. 

auf den Besitz des romischen Btirgerrechts als 2. Athens Nachbarschaft Megaira behielt 

Zeichen ihrer Ergebenheit ftir den Herrscherstaat in der hellenistischen Zeit ihr altes Collegijim 

und auf die Bekleidung entsprechender Priester- von S. bei. Aus der Zeit des Demetrios Polior- 



1095 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1096 

ketes (307—302) sind 14 Inschriften orhalten (IG Argos (Plut. Arat. 44); die Mafiregeln, die er 

VII 1—14), von denen die eine Halite 6, die dort durchsetzte (Einziehung der Giiter des friiJie- 

andere 5 S. nenni Gegen Foucart, der die ren Tyrannen Aristomaehos und seiner Anhanger 

letzteren fur die alteren halt und die Vermeh- zugunsten des Konigs von Makedonien), sind An- 

rung der Zahl durch die Einrichtung einer neuen gelegenheiten der St^dt, nicht des Bundes. Viel- 

Pliyle zu Ehren des Demetrios erklaren will, weist leicht haben auch die vorhergehenden Tyrannen 

Dittenberger zu IG VII 1 mit Recht dar- von der Strategic aus sieh zur Herrschaft auf- 

auf hin, daB Megara nur drei Phylen gehabt hat, gesdhwungen. Noeh urn 200 waren die S. die 

die erst unter Hadrian um eine neue vermehrt hoehsten Beamten der Stadt, wie aus Liv. XXXII 
wurden, und erklart den Ruckgang in der Zahl 10 25 hervorgeht, vgl. V o 1 1 g r a f f Mnemos. XLIV 

der S. durch die Verkleinerung des Gebiets von 50. In einem BesehluB der aXia, der die Errich- 

Megara um Aigosthena und Pagai, vgl. S c h o n - tung von Werkstatteh im Lykeion verbietet (IG 

f eld er Diss. Lpz. 1917, 48f. Es kann noch hin- IV 557), werden noch a-ol genannt. In der Kai- 

zugefugt werden, daB Megara gewiB keine Ver- serzeit gibt es nur einen S., s. IG IV 590. V 

anlassung zu einer besonderen Ehrung des De- 1, 1417. 

metrios hatte, der die Stadt fast vollig zerstorte. 5. Auch Aigina hatte im 2. Jhdt., also 

Demnach sind die Urkunden mit sechs S. als die wohl auch vorher und nachher, ein Collegium 

alteren anzusehn. Da sie unter drei versehiede- von S., das die stadtische Verwaltung als oberste 

nen (eponymen) ^aadeig abgefaBt sind, aber die- Behorde leitete. Aus der Zeit der pergamenischen 
selben S. angeben, muB die Amtsdauer der letzte- 20 Herrschaft (210 — 133) ist ein Ehrendekret fur 

ren sich auf mindestens drei Jahre erstreckt den sche-idenden konigliehen smordrtjg Kleon er- 

haben, aber auch schwerlich auf langere Zeit halten (SyU. or. 329), mit dessen Ausfiihrung 

und wohl nur unter diesen besonderen Umstan- die S. betraut werden. 

den. Nach der Zerstorung der Stadt wurde die 6. Die sudarkadische Stadt T e g e a behielt 

Zahl der S. um einen vermindert. Pas laBt dar- auch in der hellenistischen Zeit die S., die sie 

auf schlieBen, daB vorher je zwei aus jederPhyle friiher gehabt hatte (IG V 2, 6), bei; daran an- 

(oder auf jede) gewahlt wurden, wahrend die S. derte auch ihre kurze Zugehorigkeit zum Achaii- 

spater einen ortlich begrenzten Verwaltungs- schen Bunde und ihre Isopolitie mit den Aitolern 

bezirk erhielten und nur in gemeinsamen Ange- nichts. Die Zahl der S. erscheint in den erhalte- 
legenheiten der gesamten Gemeinde als CoUe- 30 nen Urkunden fast jedesmal verschieden; wah- 

gium auftraten. Die Amtsdauer betrug jetzt nur rend in einzelnen die einfache Angabe o-ol ol 

ein Jahr. Wahrend der Zugehorigkeit von Me- ^^^« wv dslva (IG V 2, 6. 10. 16) keinen be- 

gara zum Aehaierbunde, 242 — 223, wurde der stimmten SchluB zulaBt, wurden in anderen die 

Titel S. durch den von Damiurgen ersetzt (IG Namen besonders aufgezahlt, und es ergaben sich 

VII 41), in der boiotischen Zeit, 223—192, durch danach einnml 11 (IG V 2, 11 = SylL^ 501), ein 

den der Polemarchen (s. d. Art.). In der Kaiser- anderesmal hochstens 3 (IG V2, 13), eindrittesmal 

zeit hatte Megara, wie alle griechischen Gemein- (ebd. 116) 7 Mitglieder des Collegiums. Da die 

den mit EinschluB Athens, nur einen S., der Zahl nicht fortwahrend gewechselt haben kann, ist 

gleichzeitig das (eponyme) Amt des ^aodsvg mit- wohl die groBte als die urspningliche anzusehn, 
iibernommen hatte und auch bei Bedarf die Ob- 40 die kleinste (es sind moglicherweise auch nur 

liegenheiten eines emfjielrixrjg versah, s. Schon- zwei) als ein AusschuB, die Zahl 7 als diejenige, 

f elder 50. Wenn einmal (IG VII 106) ein ov- auf die spater der Bestand herabgesetzt wurde. 

oxQarrjyog genannt wird (nicht vor Hadrian), so Die betreftenden Urkunden entstammen samtlich 

ist dabei wohl nicht an einen regelmaBigen Stell- dem letzten Drittel des 3. Jhdts. v. Chr. Die S. 

vertreter des S. zu denken, der fiir seine Amts- haben in Tegea nicht nur die Vertretung des 

geschafte voUkommen ausgereicht haben muB, Staates nach auBen zu besorgen (Syll.^ 306), fer- 

sondem an einen einmaligen Vertreter, vielleicht ner die Militarverwaltung und die Kriegfiihrung 

fiir einen hohen Herrn in Rom, der auf ein Jahr zu leiten, sondern auch zum Teil die Zivilverwal- 

die Wtirde und die Eosten des Amts ubernom- tung und die offentlichen Arbeiten (IG V 2, 63. 
men hatte. Die Namen s. IG VII 1 — 14. 25. 70 50 59. 70: xafxlat o-cov rwv tisqI xbv 5.). Stadtische 

— 75. GIG 4236. 3475. Beschlusse werden beglaubigt durch die Namen 

3. Korinth hatte zur Zeit des Peloponne- der (3) nQootdxai xov ddfzov, der S., des Hipp- 
sischen Krieges mehrere S. (Thuk. IV 43, 1), archen, des Gramniateus und des Priesters der 
wahrseheinlich fiinf. Es ist anzunehmen, daB Athena Alea (11). Einer von den S. {oc neQl 
auch wahrend der hellenistischen Zeit das Amt x. b.) fuhrt dauernd den Vorsitz im Collegium, 
fortbestand. Nach dem Wiederaufbau erhielt die Iteration ist zulassig, denn Avdlog findet sich in 
Stadt wohl nur einen S., s. IG IV 793. 795. zwei Urkunden (11. 13). 

4. Argos hatte schon im J. 416 fiinf S., 7. Noch eine andere, dem Namen nach un- 
s. Thuk. V 59, 5; ihre Bedeutung lag in alterer bekannte Stadt in Arkadien hat (mehrere) S., 
Zeit hauptsachlich auf militarischem Gebiet. DaB 60 s. IG V 2, 21. 

das Amt auch in der hellenistischen Zeit fort- 8. Ebenso wird in S t y m p h a 1 o s im 

bestand, zeigt ein EhrenbeschluB fur Alexandros 3. Jhdt. neben den Damiurgen auch das CoUe- 

von Sikyon (Mnemosyne XLIV 1, 65ff.), in dem gium der S. IG V 2, 357 Z. 180ff. erwahnt, ohne 

ein yQ0(p8vg xoTg oxQaxayolg eponym vorkommt daB sieh liber ihre Befugnisse daraus nahere 

und die S. den Auftrag erhalten, fiir die Auf- Schliisse ziehen lassen; doeh stehn sie den Dami- 

stellung des Beschlusses zu sorgen, sowie einige urgen nicht gleieh. 

Jahre nach dem Beitritt der Stadt zum Bunde 9. Die Stadt Lamia in der Malis muB schon 

der Aehaier die Wahl des Aratos zum S. von friih einen S. gehabt haben, denn ein solcher war 



1097 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1098 

sogax wahrend ihrer Zugehorigkeit zum Bunde JVIaximos (vor 130 v. Chr.) statt der Amtsbezeich- 

der Aitoler (von 278/77 oder einem der beiden nung, die ihm zukam, den Titel S'. annahm (s. 

folgenden Jahj*e bis 189) im Ami Von seinen Bourguet De lebiis Delphicis 31), war ein 

Amtsbefugnissen ist nichts iiberliefert, da sein Mifibrauch iind scheint dort nur in diesem ein- 

Vorkommen nur aus Datierungsangaben zu er- zelnen Falle vorgekommen zu sein. 

sehn ist. In thessalischer Zeit kommen keine S. b) In der romisehen Kaiserzeit hatte, so- 

mehr vor. Vgl. Nanaen IG IX 2, 60 — 63. QS. weit wir iibersehn konnen, jede einzelne Gemednde 

S w b d a Staatsaltert.^ 369. ihren eigenen S., aber nnr einen, der gleichzeitig 

10. Auch in Itonos(?), das zur Phthioiis eponymer Beamter war und die Stadtverwaltung 
gehorte, werden drei otQatYjyrjoavxss hi sviavtcbi 10 leitete. Ihre Namen sind meist nur in Ehren- 
genannt (IG IX 2, 103), ohne Zweifel aus der beschlussen erhalten; aber ihre Tatigkeit er- 
Zeit vor dem Bestehn des thessalisichen Bundes. schoplte sich nicht nur in solchen Formalien, 

11. Die Stadt Demetrias auf der Halb- sondern umfaBte alle Zweige der stadtischen Ver- 
insel Magnesia, die erst im Anfange der helleni- waltung, wie das Edikt ftir Thisbe und das Ge- 
stischen Zeit durch einen avvoimofiog mehrerer setz Hadrians fiir Athen (s. o.) zeigen, und legte 
Gemeinden entstand und mit ihrem Landgebiet auBer erheblichen Kosten den Inhabern aueh eine 
den groBten Teil des Bundes der Magneten bil- weitgehende Verantwortung auf. Das Edikt fiir 
dete, hatte ein Collegium von drei S., die zu- Thisbe (IG VII 2227 =: Syll.3 884) behandelt die 
sammen mit den 4 Nomophylakes die ovvaQxla, Umwandlung von Ackerland in Wein- und Obst- 
die leitende Behordo der Gemeinde, bildeten, 20 pflanzungen und seine Vergebung in Emphy tense 
s. IG IX 2, 1108. Da die Nomophylakes ein be- sowie die Anlegung vonAkten (§i§Ua) iiber jeden 
sonderes Amtsgebaude batten (ebd. 1106. 1126), Vorgang und dauernde Aufsicht seitens der S. 
werden aueh die S. ein solches besessen haben. tiber das Gemeindeland, s. Rostovtzeff Kolo- 
Die Antrage an die beschliefienden Korperschaf- nat 386. Eine Angabe samtlicher Gemeinden, 
ten, Rat und Volk, gehn fast immer von der die in der Kaiserzeit S. haben, mit den Beleg- 
Synarchie aus (1108, 7ff. 1109, 4ff. 72ff.), wur- steUen bringt L i e b e n a m Stadteverwaltung im 
den also hier vorbereitet. Im tibrigen treten die rom. Kaiiserreiche (1900) 558ff. Das Material hat 
S. stets als Collegium auf, haben also nicht, wie sich seitdem (fur Kleinasien) vermehrt. 

in den meisten griechischen Staaten der Zeit, be- B o i o t i e n, wo in der vorromisehen Zeit die 

sondere ZustanS'gkeiten ftir die einzelnen Mit- 30 stadtischen Militarbehorden die Amtsbezeichnutfg 

glieder. Ob die iS., wie S w o b o d a Staatsaltert.^ Polemarchen gefiihrt batten (so in Akraiphia, 

435 annimmt, den Vorsitz im Rat und in der Orehomenos, Thespiai, Kopad, Lebadeia, Hyettos, 

Ekklesie fiihrten, ist zweifelhaft; Kip (Diss. Ohaironeia, Gropos), erhielt in der Kaiserzeit S. 

Halle 1910, 93) nimmt letzteren ftir den nQootd- Urkundlich nachweisbar sind solche in folgenden 

iYjg in Anspruch. Doeh kommen auch die jc^vrd- S'tadten: 

vsig (1109, 21) in Frage, die doch wohl mit Kip 15. Tanagra IG VII 533. 

105ff. als AussehuB des Rates aufzufassen sind. 16. Thespiai IG VII 2519. Vielleicht steekt 

Jedenfalls sind die S. die oberste Verwaltungs- in den drei aQ/ovrsg IG VII 1777 auch ein S. 

behorde der Gemeinde und ftihren das Stadtsiegel Doch erscheinen die S. erst unter den Antoninen; 

(1109, 43ff.); sie tiben polizeiliche Befugnisse 40 vorher, schon. in kaiserlicher Zeit, gibt es noch 

(1109, vgl. dazu Wilhelm Herm. XLIV 40ff.) (5) Polemarchen, die gleichzeitig Priester sind, 

und ftihren die Gemeindebesehltisse aus (1109, s. Bull. hell. L 394. 

63ff. 1113, 6ff.). Wenn die Stadt Demetrias mit 17. Koroneia IG VII 2881. 

Stadten auBerhalb des Bundes in Verbindung 18. Thisbe IG VII 2226 + 2227 == SyU.3 884. 

tritt, so ist das nur mit Erlaubnis der Bundes- Schonfelder Lpz. Diss. 1917, 42 halt die S. 

behorden zulassig, s. Hollaux Rev. et. gr. X der boiotischen Stadte ftir identiseh mit den 

296. Namen IG IX 2, 1108. 1109. Vgl. Reichl agzovtsg, die tiberall in der Dreizahl fortbestan. 

Progr. Prag 1891. den batten, und die Bezeichnung ftir schwan- 

12. T h y r r e i n in Akarnanien hat ein Col- kend; doch ist ftir die romische Kaiserzeit eine 
legium von S. Das beweist die Inschrift IG IX 50 solche unsichere Terminologie schwerlich anzu- 
1, 485: ot oxQaxayol Tlts6ibia[xog hzL] aus dem nehmen. AUerdings ist nach griechiseher Auf- 
3. Jhdt. V. Chr. Aus der Mehrzahl geht hervor, fassung ein S. stets auch ein agx^^'^ (leitender 
daB nicht der S. des Bundes gemeint sein kann. Beamter), und die Ausdrucksweise eTil o-ov rov 
Da es sich in der Urkunde anseheinend um ein delvog aQxovtog ist zulassig. 

Vermachtnis oder Geschenk an die Stadt handelt, 19. Von den Stadten der Argolis hatte Her- 

das an gewisse Bedingungen gekntipft wird, er- mione vor der Kaiserzeit bestimmt keine S.; 

streeken sich die Befugnisse der S. auch auf das ergibt sich aus dem BeschluB der Gemeinde, der 

btirgerliche Verwaltungsgeschafte. auf eine Anregung der Stadt Asine in Messenien 

13. Leukas hat im 2. Jhdt. einen S., der gefaBt ist und von einem Thearodokos beglaubigt 
eponym ist und, da ein Polemarch neben ihm 60 wird (IG IV 679 = Syll.^ 1051). In der Kaiser- 
vorkommt, die btirgerliche Verwaltung leitet, s. zeit wird nach SI datiert, und zwar ist es zuerst 
IG IX 1, 534. Wenn Colin Daremb.-Sagl. IV eine Mehrzahl von solchen in den Beschltissen 
1529 annimmt, daB sich auch ftir Messene S. IG IV 706—713, deren altester zu Ehren der 
naohweisen lassen (BelegsteUen fuhrt er nicht Mia Domna zwischen 212 und 2l7 gefaBt ist, 
an), so scheint er sich dabei auf die Inschrift spater ein einzelner (ebd. 743). 

Jh XXV 41 f. zu sttitzen, die aus Methone stammt; 20. In E p i d a u r o s wird im 2. Jhdt. n. Chr. 

aber der hier genannte S. gehort nach Argos. ein S. genannt, der auch in Athen S. war IG IV 

14. DaB in Delphoi der Archon Babbies P, 691, ein anderer ebd. 693. 



1099 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistiseli) 1100 

21. T r z a n datiert nach S. bei der Ver- nur noch. einen, der eponymer Beamter ist und 
offentlichung eines proconsularischen Edikts (IG die gesamte stadtischie Verwaltung leitet. 

IV 759) und bei der Errichtung einer Statue ftir 27. In K a r y s t o s wird ein Callegium {ot o.) 

Garacalla zu Lebzeiten seines Vaters, also zwi- als Antragsteller (IG XII 9, 1) erwahnt, ebenso 

schen 198 und 211 (ebd. 793). ein solehes als Empf anger der Verfiigung eines 

22. tTber K 1 e o n a i s. IG IV 490. romischen Magistrats (ebd. 5). 

23. Im nordostlichen Arkadien ersoheint zur b) Kykladen und sudliche Inseln, 

Zeit der Antonine in Pheneos auf einer Miinze 28. A n d r o ,s hat im 2. Jhdt. v. Chr., jeden- 

ein S. MS IV 286, 79. falls in tTbereinstimmung mit der fruheren Zeit, 

Die S., die L i e b e n a m fur Larisa und 10 ein Collegium von 6 S. (IG 511 5j 734), das sich 

Trikka nach MA VIII 29. 69 anfuhrt, sind nicht in dieser Starke unverandert bis zum 2. Jhdt. 

stadtische S;, sondern solehe des Thessalischen n. Chr. erhalten hat (ebd. 733). Ihr Amt ist ein 

Bundes. Jahresamt (ebd. 719). Sie haben einen yQaf^^a- 

III. Die Ins el- und Ostgrieehen. rsvg (716. 717), der fur die Aufzeichnung der 

In den noXeig, die einst zum Attischen See- Psephismen zu sorgen hat, und spater (Zeit der 

bunde gehort hatten, gab es ein Collegium von Antonine) einen standigen Vorsitzenden (724: rov 

S., das auch in der Folgezeit fortbestand; wo es uTQcordQX(^''^og o-ov). Ihrer Oberleitung unter- 

in Kieinasien unter der persischen Herrschaft ein- steht demnaeh das ganze Staatswesen (721). Erst 

gegangen war, trat es seit Alexander, der uberaD. im 3. Jhdt. n. Chr. ist an die Stelle des CoUe- 
die Demokratie wiederherstellte, von neuem auf 20 giums ein einzelner S. getreten, der nun (statt 

(s. Priene, Nesioten). Diejenigen Gemein- des friiheren Archon) auch eponym wird (758). 

den, die sich selbstandig gegen umwohnende Bar- IG XII 5, 734. 724. 

baren zu behaupten hatten, brauchten erst recht 29. T e n o s. Eine Anzahl von Beamtenlisten 

solehe militarischen Fiihrer. Die Zahl der S. in aus dem 1. Jhdt. v. Chr. (IG XII 5, 880 — 886) 

der einzelnen Stadt ist verschieden, wobei keines- enthalt auoh die Namen der SL Es sind teils 4 

wegs immer von der groBeren Starke des Colle- (880. 881), teils 6 (882 — 886), zu denen noch 

giums ein RiickschluB auf den Umfang der Ge- ein vnoatQarriyog kommt. Offenbar sind die Col- 

meinde zulassig ist. legien mit 4 S. die alteren (s. u.). Welchen 

a) Auf E u b o i a gab es in alien selbstandi- Grund die Vermehrung der Stellen gehabt hat 
gen Gemeinden ein Collegium von S. 30 ist nicht bekannt; vielleicht brachte eine giinstige 

24. In H i s t i a i a wird ein solehes schon in wirtschaf tliche Entwieklung der Insel eine Ver- 
dem Vertrage mit Keos 363/62 erwahnt IG XII mehrung der Bevolkerung und damit eine Steige- 
5, 594. Aus spaterer Zeit liegen keine Nach- rung der Arbeitslast fiir die S. mit sich, oder es 
richten vor. gesohah zur Angleichung an andere Inselstaaten 

25. In C h a 1 k i s wird ein Collegium der (Andros, Paros). In keinem Zusammenhange steht 
Probulen und S. in einem Gesetz tiber die rsxvl- die Zahl mit der Einteilung der Phylen, deren es 
rai aus der Zeit von 294 bis 288 genannt IG XTI 10 gab (Syll.^ 1201), oder in Stadtbezirke, von 
9, 207. Den S. und dem Grammateus des Syn- denen ein siobenter erwahnt wird (sv aorei h 
hedrion wird im J. 169 v. Chr. die Ausfuhrung rovcoi i^dof^coi, vgl. IG XII 5 p. 359 Tfjvog). Die 
eines Beschlusses tibertragen ebd. 900 c. In der 40 S. werden wiederholt nach der Bule iind vor den 
Kaiserzeit gibt es nur noch einen S. Namen ^Qxovteg (Behorden) mit der Ausfiihrung von 
s. Wien. Numism. Ztg. XLIV 127. IG XII 9 Psephismen beauftragt (trjv povXrjv koI tovg 
p. 172, 113. 115. IG XII 9, 906 = Syll.^ 898 otQarrjyovg xal tovg aQxovrag smfxelslod'ai ebd. 
vom J. 212. Wie aus der letztgenannten Urkunde 800. 802. 804. 805. 821. 847. 848. 849). Da die 
hervorgeht, ist der S. der Vorsitzende der Volks- ersten 5 Listen (880 = D, 881 = E, 882 = C, 
versammlung (drff/^og), aber nicht des Rats 883 = B, 884 == A) eine zusammenhangende 
(ovvsbQoi), wo der yQafxfxarsvg die Abstimmung Reihe bilden, in der mehrfach dieselben Personen 
leitet. Die Annahme erfolgt an beiden Stellen vorkoMmen, lassen sich aus den verschiedenen 
durch Akklamation. Antragsteller sind ein De- Amtem der einzelnen gewisse Schlusse ziehn. 
kaprot und ein Mann ohne Amtsbezeichnung. 50 Kein einziger, der die Strategie bekleidet, wird 
Datiert wird nach dem Hegemon und dem Amphi- Archon, eioaycoyevg oder loytoxrig, nur einer yQaii- 
polos. (Aatsvg, einer Trapezit und Tamias. Demnack 

26. In E r e t r i a, wo schon im J. 394/93 die scheinen die S. zu der Reihe der Ordnungs- und 
S. als erste die iSym«machie mit Athen beschworen Vollziehungsbeamten zu gehoren, bei denen es 
(IG II 5, 7 b c= Syll.3 123), wurden in einem mehr auf korperliche Leistungsfahigkeit und Ge- 
Vertrage der Gemeinde mit dem Unterne<hmer wissenhaftigkeit als auf besondere geistige An- 
Chairephanes zwischen 322 und 309/08 die S. lagen ankommt; der eine Mann, der auch zu zwei 
genannt (IG XII 9, 199 A 44), die den Epheben Einanzamtern gewahlt worden ist, besaB wahr- 
einen Eid abnehmen soUen. Als ihre Hauptauf- scheinlich durch seine Vermogenslage die Quali- 
gabe ergibt sich daraus die militarische Aus- 60 fikation dazu. In den S. sind danach in erster 
bildung der dienstpflichtigen Mannschaften. Im Linie oder vielleicht aussehliefilich militarische 
Anfange des 3. Jhdts. werden noch die Probulen Ausbildungsbeamte zu sehn. Da die Amtsdauer 
und die S. getorennt als AntragsteUer bei einem allgemein nur sechs Monate betrug, muB 
BeschluB genannt (ebd. 205. 206). In der Mitte jeder geeignete Biirger wiederholt zu oSent- 
des 3. Jhdts. (nach 252) kommt noch ein S. Tial lichen Amtem herangezogen worden sein. Der 
ovvaQxcov vor (ebd. 212, 24); es gibt also nur vnoa. hatte wohl die Listen zu fxihren (sonst ein 
(noch) zwei. Im J. 206 v. Chr. wird datiert (ebd. yQa/nuarevg). 

p. 162, 103) ml oxoatrjyov rov 5,; es gibt also 30. Paros hatte im 3. Jhdt. v. Chr. 6 S. 



1101 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1102 

mit einem Grammateus (IG XII 5, 220). Ihre 38. In Nisyros gab es in der Kaiserzeit 

Aufgaben waren die ubliehen: Ausftihrung der nur einen S., s. IG XII 3, 97. 

Psephismen (Aufstellung einer Stele ebd. 122) c)ThrakischeInseln. 

und die militarische Ausbildnng der Epheben. 39. T h a s o s hat noch in der ersten Halfte 

31. In los werden dm J. 287/86 (vgl. Syll.s des 3. Jhdts. 5 noXe(mQxoi, s. Bh, L 243. Spater 
367. K 1 b e Att. Archonten 27) die S. nsQl sind dort die S. die hochste Behorde, der in erster 
AvtovofAov genannt (IG II 5, 1004). Linie (neben anderen Behorden) das Recht zu- 

32. Ob lull s auf Keo s die 5 S., die es im steht, Antrage zu stellen, s. IG XII 8, 269, vgl. 
J. 363/62 besaB (IG IP 111 =i SyU.3 173), auch ebd. 595. 

spater beibehielt, ist nicht festzustellen. Kar-10 40. InSamothrake wird inschriftlich cin 

thaia hatte gegen Ende des 4. Jhdts. zwei S. S. genannt, ebd. 178. 

(IG XII 5, 1075). Auch Ende des 3. oder Anfang 41. Imbro s (vgl. o. Athen) hat spater einen 

des 2. Jhdts. ist von einer Mehrzahl von S. die eponymen S., ebd. 64. 65. 

Rede (ebd. 1069),. In Koressos soUen nach 42. In Lemnos (vgl. o. Athen) wird im 

einer Anordnung aus dem Anfange des 3. Jhdts. 3. Jhdt. n. Chr. ein fruherer S. genannt, ebd. 27. 

die S., deren Zahl nicht angegeben ist, eine Pa- d) Sporaden. 

rade iiber die Hopliten abnehmen (ebd. 647). 43. Lesbos. Die Stadt Mytilene hat bis 

33. In Kythnos wird im J. 315/14 ein S. in die Kaiserzeit hinein ein Collegium von S., 
genannt (ebd. 1297). deren Zahl nicht bekannt ist (vielleicht drei). An 

DaB in dem kleinen Inselchen Delos keine S. 20 ihrer Spitze steht der oxQorayog 6 TtQcotog, s. IG 

vorkommen, ist erklarlich. Der a, enl tovg SuzXeii)- XII 2, 244; er ist vielleicht identiseh mit dem 

tag Pammenes, der dort inschriftlich erscheint, a. im uiavtcov (s. Dialect. Gr. ex. epigr.^ nr. 623: 

gleichzeitig isQsvg AnoXXcovog 8ia ^iov, ist natur- o tstay/usvog otQaraydg enl ndvxmv in einer Ehren- 

lich S. in Athen (27/26), vgl. v. Schoeffer inschrift fiir Erythrai). Die S. sind die hochste 

De Deli insulae rebus 221 f. Behorde des Sitaates, stellen Antrage (ebd. 5 a. 6. 

34. Auf Am or go s hatte die Stadt Arke- 15. 18. 193), ziehn Strafgelder ein (67), wid- 
s i n e schon Ende des 4. oder Anfang des rigenfaUs sie sich selbst straff allig machen, und 
3. Jhdts. S., die als hochste Beamte an der Spitze vermitteln bei Streitigkeiten zwisohen Zurtick- 
des Staates standen. In dem Vertrage iiber eine gekehrten und Heimischen (IG XII 2, 6). Ende 
Stadtanleihe zu sehr driickenden Bedingungen 30 des 2. Jhdts. n. Chr. (spatestens unter Commo- 
(IG XII 7, 69) wird ausdriicklich festgelegt, daB dus) besteiht ein tcoiv 6v Aso ^ Icov mit einem 
giegen die Vertragsbestimmungen kein Gesetz, S. an der Spitze, s. M III 34, 22f . MS VI 50, 4ff. 
Psephisma, Dogma, S. oder Archon etwas ein- Die Vereinigung der Stadte muB aber sehr lose 
wenden diirfe, s. ebd. 67. Im 3. Jhdt. erscheinen gewesen sein, denn alle Stadte pragen noch beson- 
der hQsvg und die S. als AntiagsteUer, ebd. 4. dere Mtinzen mit eigenen S., deren Zahl sehr 
Ihre Zahl wird nirgends angegeben. In Mi no a groB ist. tTber Mytilene s. M IE 53, 144ff. MS 
sind die S. ebenfalls die hochsten Beamten. Sie VI QQ, 195ff. H 563; vgl. Cichorius Rom 
geben im Namen des Staates angesehenen Frem- u. Myt. 66, uber M e t h y m n a M III 40, 52ff. 
den Gastgeschenke (ebd. 221), fuhren Ehren- MS VI 57, 36. H 561; iiber EresosIG XII 
beschliisse aus (ebd. 225), stellen zusanunen mit 40 2, 544. 

den Dekaproten Antrage (ebd. 240) und haben 44. Uber N a s o s vgl. Art. Nesioten und 

auch die Befugnisse von Prytanen (ebd. 239). Poroselene. 

Spater erscheint ein B, (oder der Obmann der S.) 45. Chios. Aus friiherer Zeit fehlen Naeh- 

gleichzeitig als ateq?avf](p6Qog, womit das Amt richten. In der Kaiserzeit bestand das CoUe^gium 

ohne Zweifel besonders kostspielig geworden war der S. aus 3 Mitgliedern, von denen der Vor- 

(ebd. 270). Auch in Aigiale treten in der sitzende die Amtsbezeichnung uiQcotog a. fiihrt, 

Kaiserzeit die S. und Dekaproten als diejenigen s. GIG 2217. 2221. 

auf, denen allein das Recht der Antragstellung 46. Samos, erst durch Perdikkas von der 

zusteht und die gleichzeitig im Besitze der Be- attischen Herrschaft befreit (Diod. XVII 18), gab 
fugnisse von Prytanen sind (exovrcov 8k xal r^vBOsich nach Erlangung der Selbstandigkeit eine 

nQvravixrjv e^ovolav), s. ebd. 396 aus dem J. 153 neue Verfassung mit erwahlten S. Sie werden 

a. Chr. 399. 409. 410. Der Obmanm der S. ist zuerst in einem EhrenbeschluB AM XLIV 11 er- 

zugleich Archon, ebd. 395. In spater Zeit er- wahnt, in dem ihnen und den Prytanen die Flir- 

scheint sogar eine Frau als Tragerin der atscpa- sorge fiir den Geehrten aufgetragen wird. Da 

vrjtpoQla Tiol otQarrjyia (ebd. 409); das kann aber der dort erwahnte Antigonos nur der Monophthal- 

wohl nur heiBen, daB ihr die Ehren (und die mos sein kann, fallt der BeschluB noch in das 

Kosten) des Amtes zuerkannt worden sind, nicht 4. Jhdt. Die Zahl der S. betrug in der Kaiser- 

daB sie es wirklich gefuhrt hat. zeit (also wohl auch frtiher) sechs; das ergibt sich 

35. In M e 1 s wird ein friiherer S. genannt aus der Unterschrift eines Denkmals, das nach 
IGXn3, 1077. 60 AM IX 257 fiir Antoninus Pius zwischen 140 

36. In T her a gab es ein Collegium von drei und 149 errichtet wurde. Sie werden selten er- 
S. noch in kaiserlicher Zeit, s. IG XII 3, 326. wahnt und dann meist nach ihrem Vorsitzenden 
479. SuppL 1396. benannt, vgl. AM XLIV 40 vom J. 176 n. Chr., 

37. In Astypalaia gab es ebenfalls noch ebd. 44. A IX 103. 

in der Kaiserzeit ein Collegium von S., ohne daB DaB auch ftir Kalymna ein Collegium von S. 

ihre Zahl angegeben ist. Dort wird ein Antrag nachzuweisen ist, wie Colin Daremb:-Sagl. IV 

als a-cbv Hal Asvkiov tov Aiovvolov (ohne Amts- Art. S. annimmt, trifft nicht zu. Die Inschrift 

bezeichnung) yvcof^rj bezeichnet IG XII 3, 172. von Kalymna, auf die sich diese Ansicht wahr- 



1103 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1104 

scheinlieh griindet (BMI 299 = Syll.^ 953), be- einbegriffen. Mtt ihm ist der S. im rag ;^c6oag 

zieht sich auf S. von Knidos, Das schlieBt natiir- rag ev rat vdoocot (c= vdocp) IG XII 1, 701 offen- 

lich nicht aus, dlafi auch Kalynma S. gehabt hat. bar identisch; Selivamov Rhod. 1892, 104f. 

47. K iS hat ein Collegium von 3 S., ent- (russ.) halt vdooog fiir einen Ort oder Gau in der, 
sprechend den 3 alten (dorischen) Phylen, IC 65. Peraia und fiihrt darauf aueh das unerklarte 
Ihre urspriingliche militarische Bedeutung zeigt Demotikon Ndooiog (IG XII 1, 290) zuriick, doch 
sich darin, daB sie nach gliioklichem Ablauf ihres ist diese Annahme mit der Amtsbezeichnnng 
Amtes den Gottern einen Rundschild weihen, noch nicht in Einklang zu bringen. Unklar ist anch 
in der Kaiserzeit. Aber ihre wichtigsten Being- der Ausdruek orgarriyrjoag etc ndvrcov (ebd. 700. 
nisse liegen auf finanziellem Gebiet. In eineml0 701. 1036), um dessen Deutung sieh Longr 
Gesetz liber den Verkauf der Stelle einer Prie- perier Bull. arch, de I'Ath. fran§. 1855, 76. 
sterin des Dionysos Thyllophoros erseheint an Frohner Inscr. gr. Louvre nr. 27. S c h u - 
der Spitze einer Kommission von ovyyQaq)eig, die m a c h e r ebd. 54f. Hiller v. Gaertrin- 
aus 5 Mitgliedem nebst einem Grammateus be- gen Arch. ep. Mitt. XVI 248 bemiiht haben; 
steht, der S. Nikandros, IC 27 = Syll.s 1012. wenn v. Hiller ihn als Befehlshaber von Truppen 
Die Inschrift gehort frtihestens dem 2., vieUeicht aus dem garizen Reidisgebiete ansehn will (aber 
erst dem 1. Jhdt. v. Chr. an. Die Praxis war es heiBt IG XII 1, 701 ausdriicklich: o-rjoag 
offenbar neu und muBte daher erst gesetzlich etc ndvrwv enl rag x^Q^^ ^«? ^'^ ^«« vdoocoi), so 
festgelegt werden. Mit dem Verkauf werden die ist eher anzunehmen, da6 er selbst aus diesen 
rafAiai beauftragt; spater besorgen das die S. 20 Truppen herkam, also von Geburt kein rhodi- 
selbst, IC 32. scher Burger (bzw. kein Angehoriger einer hoho- 

48, R h d s, in hellenistischer Zeit Mittel- ren Steuerklasse) zu sein brauehte. Daraus wlirde 
punkt eines starken Seereiches (s. van G e 1 d e r zu schliefien sein, dafi man in Rhodes, wie schon 
Gesch. d. alten Rhodier T81), besafi — wahr- in Athen im 4. Jhdt., bei der V^ahl zu S. aus- 
scheinlich noch aus alter er Zeit — ein Collegium nahmsweise auch Fremde oder Einheimische von 
von 10 orQarayoi (IG XII 1, 42. 49. Athen. Mitt. niederer Herkunft beriieksiehtigte, wenn sie sich 
XX 382) mit einem yQafxfiarsvg. Wenn in einer als Offiziere bewahrt hatten. VieUeicht war fiir 
jiingeren TJrkunde (IG XII 1, 50) 12 S. genannt den Kriegsfall (xardrov nohfJiov 1036) eine solche 
werden, so ist diese Verstarkung vieUeicht durch Mogliehkeit gesetzlich vorgesehen oder konnte 
eine Teilung oder Neueinrichtung von Verwal- 30 durch BeschluB von ^ovld und bafjiog geschaffen 
tungszweigen zu erklaren, s. van Gel der werden. VV^as fiir Befugnisse die iibrigen S. 
Mnemos. XXIII 83; es ist aber auch moglieh, daB hatten, ist nirgends ersichtlich. Als Kommandeure 
die lyeiden neuen S. — es sind wohl der sig ro im Eriege erscheinen sie nie; fiir den Seekrieg 
TiEQav und der knl rdv x^^Q^v — in Anbetracht wurde im Bedarfsfall ein Nauarch gewahlt (van 
ihrer Dienstgeschafte auBerhalb der Stadt nicht G e 1 d e r 249f .), und Landkriege hat Rhodos 
zum CoUegium gereehnet wurden. DaB minde- nicht gefiihrt (fiir die Kampfe in der Peraia war 
stens die neuen S. Vorsteher besonderer Verwal- der S. sig ro nigav bestimmt). Mit Recht aber 
tungszweige und dabei gleichzeitig Inhaber der weist van Gel der 254 darauf hin, daB die S. 
Kommandogewalt waren, ergibt sich aus der Son- in engster Verbindung mit den rafilai standen 
derbezeichnung fiir sie: em rdv ;fc6^av und £fff40und zwei von den letzteren bald diarauf S. ge- 
TO TiiQav. Der letztere (IG XII 1, 49. Athen. worden sind (IG XII 1, 79). Danach laBt sich an- 
Mitt. XX 382, wahrscheinUch auch IG XII 1, nehmen, daB die 10 S. auch die oberste Leitung 
1036 und Liv. XXXIII 18, 2) war unzweifelhaft der Verwaltung und des Finanzwesens gefiihrt 
oberster Truppenfiihrer der rhodischen Besitzun- haben; als Verwaltungszweige fiir sie kommen 
gen auf dem Festlande und gleichzeitig Civil- in Betracht: SchifEsbau und V^erftverwaltung, 
gouvemeur fiir diesen ganzen Bezirk; er ist in Beschaffung von Waff en und Kriegsmaterial, Auf- 
dieser Hinsicht mit den attischen S. fiir Imbros sicht liber die Hafen und ihre Instandhaltung, 
und Lemnos sowie mit dem ptolemaiischen S. Festungswesen, militarische Ausbildung der Ephe^ 
ijil KvnQov auf eine Linie zu steUen. Es ist be- ben, Anwerbung von Soldnern, ZoUerhebung, 
greiflich, daB wir einiges von seiner mUitarischen 50 Steuerverwaltung, offentliche Arbeiten, SteUung 
Tatigkeit, aber gar nichts von seiner Verwal- von Antragen, Beaufsichtigung der Orts- und 
tungsarbeit horen, die fiir die Sicherheit des Bezirksverwaltung, SteUung zu der auswartigen 
rhodischen Besitzes von nicht geringer Bedeu- Politik. Sie scheinen nur gemeinsam (als Colle- 
tung gewesen sein muB. Als oberster Befehls- gium) tatig gewesen zu sein. In der Kaiserzeit 
haber der Truppen hat er einen dyeyidiv km Kav- hatte ein besonderer S. die Aufgabe, offentliche 
vov, einen dyefjLcov ml Kaglag und einen dyefioyv Denkmaler zu errichten (Dio Chrys. XXXI 9. 7L 
snl AvHlag unter sich (IG XH 1, 49 == SGDI 132. 134. 141). Vgl. van Gelder 242ff. Namen 
3788 =• SyU.3 619 aus der Zeit nach 188); der Liv. XXXIII 18. IG XH 1, 1036. 42. 49. 50. 
hier als ay, enl KoQlag genannte Theugenes er- 700. 701. 56. 

scheint bald darauf (SGDI 3789) als S. sig rd60 e) K 1 e i n a s i e n. Bei Beginn der helleni- 

jieQav, Der S. enl rdv x^Q^'^^ der dem attischen stischen Zeit wurden die alten Griechen- 

S. mit derselben Amtsbezeichnnng zu vergleichen s t a d t e durch Alexandres von der persischen 

ist (auch in Alabanda gibt es einen or. €jr« ;c<w^«s, Herrschaft befreit und erhielten durchgehends 

s. BuU. hell. V 180 = Syll.^ 1226), hatte un- eine demokratische Verfassung, s. Arrian. anab. 

zweifelhaft fiir die Sicherheit des flachen Landes I 18, 2 aal rag fisv ohyaQxiag navraxov Tcara- 

auBer der Stadt selbst zu sorgen und befehligte Ivetv exeXevoe, drjfiOPeQariag ds eyxa'&iordvai nal 

die dort aufgestellten Truppenteile; wahrschein- rohg vofjiovg rovg ocpwv exdoroig dnodovvai xal 

lich ist der Eustenschntz (gegen Seerauber) darin rovg cpoQovg dveivai^ ooovg roig fiagfidgoig dnecpe- 



1105 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1106 

Qw, Diod. XVII 24, 1 judkom 6' svegyhei rag Sie gehoren zu den obersten Kegierungsbehorden 

TJUrjvidag noXeig i^Ale^avbQog) noiwv amag avto- jeder Stadt, den aQxovxeg (Adresse bei Joseph, 

v6(A,bvg xal a(poQO%oyrjtovg TiQooeniXeycov on tfjg ant. XIV 10, 12 Tjcpeolcov xolg aQxovoi xal rfj 

Tcbif TjXXfjvcov sXev'&eQcboecog Bvexa xbv ngbg Usq- ^ovXfj xai xqt brjiic^ ;ua/^£t?^), nnd zwar in dem 

oag noXeixov snavfjQrjxai, vgl. die koniglichen Ver- Grade, daB der S., d. h. der Vorsitzende des Col- 

ordnungen fur Priene IPr 1 = Syll. or. 1: T6i>v legiums geradezu als Oberhaupt der Regiening 

iv NavXoxcoi [?caxoixovv]x(ov oooi fiev slai [IIqii]- angesehn wird, s. Dig. XXVII 1, 15. 9 d xfjg 

vsi]g, a[vx]o[v6]fiovg elvai 7ca[l skev&JsQovg nnd nolswg olqxo^v xovx' soxiv 6 o. Ach. Tat. VIII 9 

fur Chios Slyll.^ 283: TioXlxsvfm ds shai iv Xicoi nleioov ovv xa di?eaoxi^Qia, xaMle xa ^ovXevx^Qia, 
bfjfiov. Nach seinem Tode wechselte die poli- 10 s?ePaXs xovg o - ovg. Leb. 656 (Philadelpheia) ag- 

tische Staatszugehorigkeit der Stadte vielfach, Sav[xa /uejxa ndoag [aQxag x]al XsixovQ[yiag xal] 

vgl. Corradi Studi ellenistici (1929) 175ff. xrjv nQwx[r]v aJxQaxrjylav. Als seiche haben sie 

Staatsrechtiich blieben die Gemeinden stets frei das Reeht, Antrage an Eat und Volk zu stellen 

und autonom unter den verschiedenen Konigen, (vgl. u. Pergamon, Ephesos u. a.), wobei es 

wenn auch praktisch ihre Unabhangigkeit je nach nicht sicher ist, ob dieses Recht den Behorden 

den Staatsnotwendigkeiten und der Personlichkeit allein zusteht; jedenfalls hat noch unt^r der romi- 

des Herrschers oft wenig geachtet wurde, s. Syll. schen Herrschaft in der Zeit der Eepublik jeder 

or. 121, wie die wiederholten Beschwerden der Teilnehmer das Recht, zur Sache zu sprecheuj 

Griechen beweisen, s. Syll. or. 122. Als recht- s. Cic. Verr. I 27, 68 (Lampsakos). Aiif diese 

liche Grundlage fur die Beziehungen zwischen 20 Weise besaBen sie entscheidenden EinfluB auf die 

Stadt und Krone wurde ein Bundesvertrag (Sym- Vorschlage fur die Wahlen, die Aufstellung der 

maehie) abgeschlossen (Syll. or. 229). Kein Bei- besoldeten stadtischen Beamten (Arzte, Philoso- 

spiel eines solchen ist erhalten, aber nach dem phen, Rhetoren, Lehrer, Architekten), die gesamte 

Vorgange Philipps, Alexanders und des Deme- Verwaltung, insbesondere das Finanzwesen, das 

trios (s. u.) ist anzunehmen, daB die Polis Auto- liberaU unter Aufsicht des Rates stand, endlich 

nomie, Freiheit und Steuerfreiheit (von qpogog der stadtischen Gesetzgebung (iiber Rechtswesen, 

Oder avvxa^ig an den Staat) erhielt, aber sich Schulwesen, Polizei u. dgl.), vgl. Menadier38. 

verpflichtete, mit dem Konige xovg avxovg q>lXovg Ebenso liegt ihnen die Ausfuhrung der gefaBten 

pcat sx'&Qovg sx^iv. Diese Bestimmung zwang die Beschlusse ob, mit der sie oft ausdrtieklich be- 
Stadte, S. zu wahlen, die entweder ein beson- 30 traut werden, s. GIG 217 (Chios), ebd. 2595 

deres Bundeskontingent aufstellen (s. Wie- (Ilion). 2264 (Amorgos). Dureh sie verkehrt die 

gand Abh. Akad. Berl. 1908, 43: Milet fiir G^meinde mit anderen Gemeinden (Joseph, ant. 

Seleukos I. zwischen 306 UBd 294) oder die Mittel XIV 10, 22), und sie beglaubigen mit dem stadti- 

beschaffen muBten, Soldner zu werben, oder dem schen Siegel die amtlichen Schreiben CIG 3137, 

Staat den Betrag dafiir zuzufiihren. Dadurch er- 87 ^Smyrna). Dahin gehort es auch, wenn sie 

gab sich als naturgemaBe Entwicklung, daB die fiir die Unterbringung der fremden Gesandten 

S. weitgehende finanzielle Befugnisse erhielten (zusammen mit dem Tamias) Sorge tragen, ebd. 

und durch Verhandlungen mit der Krone die 58 (gleichfalls Smyrna). Ihren EinfluB auf das 

staatliehen Anforderungen moglichst herabzu- Finanzwesen zeigen am deutlichsten die stadti- 

driicken suehten. Auf diese Weise war das Amt 40 schen Miinzen, die in den meisten Orteh Namen 

der S. von ausschlaggebender Bedeutung fiir die und Amtsbezeichnung der S. tragen, nicht zum 

Gemeinde. Diese suchte deshalb daftir solche Zweoke der Datierung, sondem zur Bezeichnung 

Manner zu gewinnen, die uber gute Beziehungen des stadtischen Hoheitsrechts (mit stadtischen 

zum Hofe verfugten und notigenfalls selbst die Emblemen). Der Leitung von S. untersteht fer- 

erforderlichen Mittel ganz oder zum Teil auf- ner das Polizeiwesen in der Stadt und im Land- 

bringen konnten. In die freie Wahl der S. scheint gebiet,, des'sen Verwaltung oft einembeisonderen S. 

die Krone dabei nirgends eingegriffen zu haben, tibertragen wird, der nicht zu den Mitgliedern des 

ausgenommen im Pergamenischen Reich (s. u.). CoUegiums zahlt (a, im xfjg x<^Q^?'> s. u. Strato^ 

In der Ausgestaltung der Verfassung im ein- nikeia). In der Regel fiihrt der Leiter der stadti- 

zelnen, wie sie sich die Griechenstadte nach ihrer 50 schen polizei die Amtsbezeichnung o. im xfjg 

Befreiung von der Perserherrschaft geben durf- EiQYjvrig CIG 3151 oder siQfjvaQxog, so in Aizanoi 

ten, waren die einzelnen Gemeinden voUkommen GIG 3831, Ankyra 4020, Aphrodisias 2768, Ephe- 

frei, s. Alexanders ErlaB fiir Chios Syll.s 283: sos Leb. 147 a, Eiythrai Leb. 57. 58, Eumeneia 

aiQE'd'fjvai be vofioygaqpovg, oixivsg yQayjovoi xal CIG 3886, Milet ebd. 2881, Pergamon Leb. 1723 a, 

bioQ^cooovoi xovg vofiovg (es kann sich dabei nur Pessinus CIG 4085, Samos Rev, arch. 1872 juil- 

um Verfassungsrecht und Besitzverhaltnisse han- let, Thyateira CIG 3496, Tralleis ebd. 2929. 

deln), oTiwg firjbev ivavxlov ^t xfji br]f^o?eQaxcai 2930 b, auch q)vXa^ xfjg elQrjvrjg Aristid. I 523 D 

jjbTjbs xfji xcov (pvydbwv >ca^6bcoi, aber die neuen oder eiQf)vo<pvXa§ Liban. II 530 (Antiocheia). DaB 

Bestimmungen waren der koniglichen Bestati- dieser Beamte polizeiliche Befugnisse hatte, er- 

gung unterworfen, s. ebd. xa be bioQd-oo'&evxa fj 60gibt sich aus Dig. L 4, 18, 7, vgl. XLVIII 3, 6, 1. 

yQatpivxa e7tavaq)8QsoSai utQog 'AXe^avbQov. Auch Wenn die Amtsbezeichnung nicht iiberall gleich 

hatten stets die koniglichen Verordnungen (bia- lautet, namentlich seine Zugehorigkeit zum Col- 

yQdfjtfxaxa) den Vorrang vor den (stadtischen) Ge- legium der S. oft nicht in Frage kommt, erklart 

setzen. iSbhon diese Beschrankung muBte zu sich das so, dafi das Amt als Einzelamt auch in 
einer gewissen Einheitlichkeit (wenn auch nicht den spateren Kolonien vorhamden sein muBte, wo 

voUiger Gleiehformigkeit) fuhren, namentlich in es ein Collegium von S. nicht gab oder nur ein 

der Organisation der Behorden, zu denen die einzelner S. vorkam, der nicht der KoUege, son- 

konigliche Regierung in Beziehungen trat, der S. dem der Vorgesetzte des Eirenatchen war. DaB 



1107 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1108 

dieser zur Aufrechterhaltung des Landfriedens konnte die Haftpflieht der stadtischen Beamten 

und der offentlichen Sicherheit ein mehr oder ftir den richtigen und ungeschmalerten Eingang 

weniger zahlreiches Personal von Unterbeamten der Steuem werden (s. Art. Tributnm). Unter 

zur Verfligung hatte {dioy/Lutai xal Inneig LB III solchen Umstanden waren nur die allerreiehsten 

2, 255, aoQwrjcpdooi Liban. II 530), versteht sich Biirger in der Lage, das Amt zu bekleiden; es 

yon selbst. Zu den Befugnissen der Ordnungs- sind mitunter hohere Reichsbeamte. Auf welche 

polizei gehort es auch, wenn die S. in Sardeis Weisf> die Wahl der S. damals erfolgte, ist nicht 

den Juden ein bestimmtes Stadtquartier zur Nie- iiberliefert; wahrscheinlich war sie (wie in Rom 

derlassung anzuweisen haben, s. Joseph, ant. XIV dem Senat) dem. Rat iibertragen, der sich langst 
10, 24; dq?OQio&fJvai Ss avroig koI xonov vno tcov 10 kooptierte. Oft war wohl der Wunseh oder Be- 

atQarrjycov slg oixodofA,iav. DaB der noixnaXog o. fehl des Statthalters maBgebend, dem eine (kleine) 

in Smyrna GIG 3548 die offentlichen Aufziige Anzahl geei^gneter Personen vorgeschlagen wurde; 

(Prozessionen) leitet, ergibt sich aus der Amts- das wird von den Eirenarehen ausdriicklieh be- 

bezeichnung; die Beteiligung an den religiosen richtet Aristid. I 523 D, Unter solchen Umsftan- 

Feiem der Stadt war natiirlich dem ganzen Col- den wurde auch die Yereinigung mehrerer Imter 

legium zur Pflicht gemacht, s. CIG 2995 (Ilion): in einer Person, die fruher gesetzlich verboten 

twi 6' 'AttoXXcovi sial roig aXXoig d-soXg ol orQarrj- war, durch den Zwang der Verhaltnisse geboten, 

yol fjLEta rcov aXXoov isqscov (sc. ovvteXsodrcooav da es sonst nicht genug geeignete Bewerber gab; 

t'^v d'volav). Der vo/bioSsTrjg rfjg otQatrjylag Leb. ein Beispiel fiir die Verbindung der Amter eines 
1522a (wohl =: vofjLod-hrjg o.) ist schwerlich ein 20 Tamias und S. s. CIG 3151 (Smyrna), vgl. Me- 

ordentlicher Beamter, da fiir einen solchen kein nadier 65. Damit war der S. ein Organ der 

Bedarf vorhanden sein konnte, sondern derjenige, romischen Regierung geworden, von ihr besteUt 

dem in einem Sonderfall die Ausarbeitung eines und ihr verantwortlich. 

Gesetzentwurfes iibertragen wurde. Die Zahl der Neben die alteren Griechenstadte im Osten 

S. war in den einzelnen Gemeinden verschieden; treten im hellenistisehen Zeitalter die N e u - 

sie richtete sich teils nach Tradition, teils nach grundungen Alexanders, der Seleukiden und 

Bedarf und blieb nicht unabanderlich. Nur in der Attaliden, ganz spat noch solche des Herodes 

den seltensten Fallen ist sie uns bekannt. Die in Judaia und Hadrians in Bithynien. Die Zweoke, 

Amtsdauer betrug in der Regel ein Jahr; doeh denen diese Stadtgrundungen dienen soUten, konn- 
gab es in einzelnen Stadtordnungen auch abwei-30ten verschiedener Art sein: bevolkerungspolitische 

chende Bestimmungen, s. Aristot. pol. IV 12: ol (Ausbreitung des Hellenismus), wirtschaftliche 

fj,ev yaQ s^afxrjvovg^ ol be dC iXdzrovog, ol 5' svi- (Erweiterung der angebauten Landflaehe) und 

avaiovg, ol ds nolv xQovco)rsQag noiovoi rag dgxag. militarische (Sicherung des Landes und Begnin- 

Gewisse Vorbedingungen (Lebensalter, Vermogen) dung einer Landwehr); oft mochten alle diese 

fiir die Wahlbarkeit und eine Rechenschaftsab- Ziele zusammenfallen. Alle diese neuen Gemein- 

legung nach Ablauf des Amtes waren wohl iiber- den sind im Gegensatze zu den alteren Stadten, 

all vorgeschrieben, ohne da6 uns bestimmte Nach- die als freie und Bundesstadte bezeichnet wer- 

richten dariiber vorliegen. den konnen, konigliche Untertanenstadte. AUer- 

Neben dem RegierungscoUegium der S. gab dings ist der Unterschied zwischen beiden Arten 
es auch Unterbeamte mit dem gleichen Titel, sei 40 mehr theoretisch als praktisch; weder genieBen 
es, daB er ihnen (meist nur in einer Zusammen- die Bundesstadte eine unbedingte Unabhangig- 
setzung) rechtmaBig zustand oder nur gewohn- keit, auch nicht in Fragen der inner en Verwal- 
heitsmaBig beigelegt wurde. Dahin gehort der tung, noch entbehren die koniglichen Stadte bis 
<y. Tov IsQov Act, ap. 4, 1, der Wachtmeister vom zu einem gewissen Grade der kommunalen. Selb- 
Tempeldienst, der an anderen Orten inschriftlich standigkeit. DaB es sich bei den Neugriindungen 
d knl tov IsQov genannt wird, s. CIG 3151. 3152. nicht immer um freiwillige Ansiedlung handelte, 
3162. Wichtige Gebaude, namentlich solche, die zeigt der Aufruhr der Griechen im fernen Osten 
wertvollen Inhalt bargen und starken Menschen- nach Alexanders Tode (Diod. XVIII 5 — 6). Der 
ansammlungen ausgesetzt waren, bedurften einer politische Zweck der Stadtegrundung, die Helle- 
dauernden Bewachung; diese wurde von unter- 50 nisierung der Bewohiier, ist in weiterem Umfange 
geordneten Organen der Polizei besorgt, nicht von nur im westlichen Kleinasien (Reich der Atta- 
einem hohen Regierungsbeamten, allerdings unter liden = Provinz Asia) erreicht worden; im Se- 
der Verantwortliehkeit eines solchen. Dasselbe leukidenreiche und in den iibrigen Staaten bilde- 
gilt von dem o-wv (otQatrjyrjoag) rrjv vvxtsQivrjv ten sich nur gewisse Mittelpunkte hellenischer 
axQaxrjylav in Tralleis CIG 2930 (vgl. ebd. 8948 Kultur, und der weitere Osten (von Iran ab) ent- 
9? dia vvTitog otQatrjyia) oder dem vvxtootQatrjyog zog sich bald voUig dem griechischen EinfluS, 
Dig. L 4, 18, 12, der den Sicherheitsdienst in der woran auch die helTenischen Dynastien in Bak- 
Nacht besorgf oder kontroUiert. Solche Unter- trien und Indien nichts anderten. Wie weit die 
beamte mit dem Titel S. kommen auch in Athen wirtschaftlichen Ziele der Neugriindungen er- 
vor, wo sie einen Dienstplatz im Theater haben. 60 reicht wurden, dariiber fehlt es uns an jeder 

Grundlegende Anderungen voUzogen sich mit Kenntnis; doeh beweist das Sjndsch-romische 

dem Amte der S. unter der romischen Herrschaft, Rechtsbuch, daB gewisse Erfolge erzielt worden 

aber nicht sofort (wie iin Mutterlande), sondern sein mlissen. Im allgemeinen genossen auch die 

erst in der Kaiserzeit. Mit dem Antritt des koniglichen Stadte eine beschrankte Autonomie, 

Amtes waren bedeutende Spenden an das Volk Indem sie Rat und Volksversammlung erhielten, 

elg ottov (hvrjv verbunden, s. Menadier65, 12. s. Swoboda Staatsalt.^ 164; aber iiberall wur- 
Solche Ausgaben wiederholten sich im Laufe der den die leitenden Beamten der stadtischen Ver- 
Amtsfiihrung, s. Dig. L 4, 10. Noch kostspieliger waltung von der Krone bestellt. Dabei fiihrt das 



1109 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1110 

Oberhaupt der Stadt nie die Aimtsbezeichnung S.; seiner militarischen Stellung die bdrgerliche des 
wo eine solche vorkommt, bezeichnet sie den Pro- obersten Beamten In dem Stadtbezirk, zu dem 
vinzstatthalter, der gleichzeitig Oberhaupt der seine Festung gehort. Die Amtsbezeichnung S. 
stadtischen Gemeinde ist, so in dem hellenisier- war wohl sonst in der Stadt nicht tiblich. In 
ten Babylon (Syli. or. 254. Vgl. dazu Ha us- Verbindung mit der Ordnung der stadtischen 
s n 1 1 i e r Rev. philol. XXV 40ff. K 6 h 1 e r Vterwaltung von Babylon (s. u. D IV) fiihrt das 
S.-Ber.Akad. Berl. 1900, 1107ff.), oder siestamrat zu dem SchluB, daB die Krone uberall da, wo 
aus Tomischer Zeit (s. Laodikeia a. Lykos. u. 107). militariselie Befehlshaber vorhanden waren, die- 
Das geht so weit, daB selbst in alteren Griechen- sen auch die di^nstliche Aufsicht iiber die biir- 
stadten, die unter die Herrschaft der Attaliden 10 gerlichen Verwaltungsgeschafte mitiibertrug. Das 
kamen, den Gemeinden zwar die alten S. belassen kann auch in den Ansiedlungen der Katoiken 
wurden, aber an die Stelle der Wahl durch die nicht anders gewesen sein. Aus diesen wurden 
Burgerschaft die Emennung durch die Krone im Laufe der Zeit in Kleinasien allgemein Biir- 
trat (s. u. D V 1). Die Stadte scheinen sieh gerstadte, oder sie ' verschmolzen mit solchen. 
iibrigens dabei nicht schlecht befunden zu haben Schwerlich war das schon geschehn, als dort an 
(s. IPe 18). Jedenfalls hielten die hellenistischen die Stelle der seleukidischen Herrschaft die der 
Herrscher die untertanigen Gemeinden fest in Attaliden trat, die eine solche Entwicklung be- 
der Hand, s. G h i o n e Comuni del regno di Per- wuBt f orderten. Sie mufi sich vollzogen haben, 
gamo 111. Corradi Studi ellenistici 363ff. als mit dem Aufhoren der galatischen Gefahr die 
Eine besondere Betrachtung erfordern die 20 kriegerische Verwendung der Siedler uberfliissig 
Militarkolonien in Kleinasien, vgl. wurde, und war beim Tode Attalos' III. im 
Schuchhardt Athen. Mitt. XHI Iff. R a d e t wesentHchen vollendet. 

De coloniis a Maoedonibus deduetis 1892. S c h u 1 - Die romische Herrschaft glich die Verwaltung 

ten Herm. XXXII 522ff. Meyer ebd. XXXIII der koniglichen Stadte derjenigen der freien 

643ff. Reinach Rev. arch. XII 174ff. 364ff. Stadte ganz an, wenn auch die Umwandlung nicht 

XIV 55ff. Ghione Mem. Ace. Torino LV (1905) plotzlich, sondem schrittweise erfolgte, s. Fou- 

12ff. 31ff. Keil-v.Premerstein Denkschr. cart M^m. Ac. Inscr. XXXVII 30ff. (iiber Pon- 

Akad. Wien LIII 2. LIV 2. Swoboda Staats- tus vgl. Niese Rh, Mus. XXXVIH 577ff., liber 

alt.6 196ff., die fast alle von den Seleukiden be- SyrienMommsen St.-R. Ill 1, 746ff:). Piir die 
griindet und von den Attaliden um eihige ver- 30 S. hatte das zur Folge, daB ihre Wahl fortan der 

mohrt wurden (Aufzahlung bei Swoboda 199ff.). Biirgerschaft uberlassen war. So wurde scheinbar 

Sie wurden auf Staatsdomanen (x(^Qo. ^aoihy.rj die stadtische Verwaltung demokratischer. Aber 

Syll. or. 229) angelegt, teils im AnschluB an eine der AusschluB weiter Schichten der Bevolkerung 

bestehende Stadt, teils auf Neuland; in jedem von der Volksversammlung (Levy Rg VIII 209), 

Falle bildeten sie zunachst eine besondere Ge- die Einfiihrung des Census fiir die Bekleidung 

meinde. Nur wo es sich um bloBe Versorgung der Imter (Liebenam Stadteverwaltung 283) 

handelte, mogen Soldaten in eine schon be- und ihre Verwandlung in Leiturgien oder munera 

stehende Gemeinde als Burger eingetreten sein (Levy ebd. XII 259. C h a p o t La province 

(wie im Mutterlande in Dyme Syll.^ 529 im rom. d'Asie 23 Iff.) fiihrte bald zu denselben Zu- 
J. 219, in Milet die Kreter im J. 278, s. Inschr. 40 standen wie in den friiheren freien Stadten oder 

Mil. 33 e). Die Kolonisten (TidxoiKoi) standen in noch schlimmeren (wegen der Kleinheit und Ar- 

'cinem besonderen Treuverhaltnis zum Konige, das mut der Landgemeinden). In der Kaiserzeit stand 

-er ihnen und sie ihm durch besonderen Eidschwur wahrscheinlich in jeder Gemeinde ein S. an der 

besiegelten (s. u. D V 1). Ihr Militarverhaltnis Spitze der Ortsverwaltung oder ein Collegium 

brachte es mit sich, daB sie unter einem S. (oder von solchen (ofter drei); ein fest-er Grundsate fiir 

Offizier von geringerem Range) standen, der vom diesen Unterschied ist nicht zu erkennen. Aber 

Konige ernannt war. Notwendigerweise iiber- so viel ist klar, daB der S. sich (abgesehn von 

nahm dieser auch die Verwaltungsgeschafte und den alteren Stadten) fast nur in der Provinz 

^og unter den Attaliden — unter den Seleukiden Asia findet, und zwar hier aUgemein, seit Hadrian 
waren die mtomoi steuerfrei — die dsKatrj ein. 50 auch in einzelnen Gemeinden von Bithynien. 

Je langer die Siedlung bestand, um so mehr a) A i o 1 i s. 

muBte sie den Charakter einer Gemeinde anneh- 49. A i g a i. Nur Miinzen, s. ZN XX 276. 

men; an der BesteUung der leitenden Beamten M III 5, 21ff. MS VI 4, 14ff. H 552. 

durch die Krone anderte sich nichts. Die Ansicht 50. Myriria. Munzen: M III 24, 142ff. MS 

von Keil-v.Premerstein LIV 2, 116ff., VI 36, 237. 

daB die Katoiken allmahlich das Burgerrecht der- 51. K y m e. Es besteht ein Collegium von S., 

jenigen Gemeinde erhielten, auf deren Gebiet das sich ozQardyiov nennt Bh XXXVII 170; der 

ihre Siedlung lag, hat trotz des Widerspruches Ausdruck, der sonst fiir das Amtslokal gebraucht 

von Swoboda 206 die innere Wahrscheinlich- wird, scheint niur hier die Behorde selbst zu 
keit fiir siich. Dafiir spricht die Inschrift auf 60 bezeichnen. Der Vorsitzende der S. ist auch Lei- 

der Basis einer Ehrenstatue des loldcoQog NikIov ter der Volksversammlung, ebd. 136 nr. 2. Aber 

in Hieropolis in Kilikien (Syll. or. 754), der gleich- er verfiigt nicht iiber die offentlichen Gelder, son- 

zeitig drjfiiovQyos und der S. der Stadt, (pvXa^dQ- dern muB eine VorschuBzahlung bei der Ge- 

;<;?;? von Kastabala und Oberzahlmeister war. Wenn meinde beantragen. Miinzen: M III 9, 50. MS VI 

es sich auch hier nicht um Katoiken, sondern um 20, 149ff. ZN XX 280. H 554. 

ein aktive Truppe {(pqovqoI) handelt, so verbin- 52. E 1 a i a. Zu Elaia gehort nach F a b r i - 

det doch der Festungskommandant, der auch die c i u s AM XXXVIII 37 die Urkunde iiber das 

Verwaltungsgeschafte seines Korps besorgt, mit Foedus mit Rom SylL-^ 694, die W i 1 h e 1 m 



1111 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1112 

Jahresh. XVII mit groBerer Wahrseheinlichkeit leistung beauftxagt. "Uber ihre Zahl und ihie 

fiir Pergamon in Anspruch genommen hat. Im Befugnisse ist nights bekannt; doch miissen sie 

iibrigen vgl. iiber die S. in Elaia, die unter per- nach dem Vorangehenden die eigentliche Regie- 

gamenischer Herrschaft vom Konige besteUt wur- rung gebildet haben* Unmittelbar nach der Er- 

den, n. Pergam. Reich. Vorher nnd nach dem mordung des Tyrannen und der Einfiihrung der 

tJbergange winter die .Tomische Herrschaft er- Demokratie, die nicht ohne Widerstand erfolgte 

folgte Wahl durch die Btirgerschaft. Mlinzen: (Syll.3 284), treten die S. nicht hervor; ein Btir- 

E I 2, 494f. M III 16, 94fF. MS VI 30, 203ff. ger ohne Amtsbezeichnung tritt als Antragsteller 

H 555. auf. Die Demokratie maehte dann das Amt zur 

53. T e m n s. Zu Ciceros Zeit 5 S., s. Flacc. 10 eigentlichen Stutze der Verfassung; seitdem er- 
19,44. Miinzen: M III 27, 161ff. MS VI 42, 265ff. scheinen die S. stets zusamen mit den Prytanen 

54. Smyrna, durch Alexandres (Paus. VII und Exetasten, anfangs an zweiter Stelle (Syll.^ 
5, 1. PUn. n. h. V 31), dann yon Antigonos und 285), spater st«ts an erster St^Ue, als diejenige 
Lysimachos (Strab. IV 1, 37) neu begriindet und, Behorde, der die Initiative bei der Gesetzgebung 
wie alio Griechenstadte in Kleinasien, demokra- zusteht, IPr 50, 3. Das Collegium besteht aus 
tisch' organisiert (vgl. T s a k y r o g 1 u -Z'/^v^^mpca 9 Mitgliedem, wahrscheinlich 3 aus jeder Phyle 
50ff.), hatte noch in der Kaiserzeit 3 S., von (s. Gaebler 1181), und bleibt 4 Monate im 
denen einer die Bezeichnung ml xwv onlcov Dienst (LW III 1536: rrjv jLisorjv xexQdfjLrjvov), so 
fiihrte (GIG 3150. 3154. 3162. 3189. 3178), wie daB im ganzen Jahr 27 Burger zu dem Amte 
in Athen. Er mag anfangs der Befehlshaber der 20 gelangen; einer hat wahrend der ganzen Amtszeit 
bewaffneten Macht gewesen sein; spater konnte den Vorsitz. Sie fiihren den Obetbefehl im Felde, 
davon nicht mehr die Rede sein, und er erhielt alle 9 zu gleichem Recht, und haben alle Befug- 
andere Amtsgeschafte, darunter das Errichten nisse einer hochsten Militarbehorde; insbesondere 
von Denkmalern (3189, Zeit der Antonine). Seine haben sie fiir den S^hutz ((pvXaTcri) der Stadt urid 
Hauptaufgabe waT wohl die Versorgung der Stadt die Beschaffung von WaSen (e^onhola) zu sorgen. 
mit Lebensmitteln; darum war das Amt kost- Ihre Aufgabe ist es femer, die notigen Mittel 
spielig, und die Severe verfiigen um 200, daB durch Erhebung einer Vermogenssteuer (slacpoQa) 
der Philosoph Claudius Rufinus nach freiwilliger zu beschaffen, wobei vorausgesetzt wird, dafi sie 
Dbernahme der Strategic gesetzmafiig von ande- selbst mit gutem Beispiel vorangehn. Sie stehn 
ren Lasten verschont bleiben soU (3178). Auch30an der Spitze der Einanzverwaltnng {tfjg aXXi^g 
zu den Kosten der Wasserleitung, die J?' ra?^ ar^a- bioiKrjoscog) SjyU.^ 410. Deshalb haben sie auch 
trjylaig raig Molqxcov lovvlcov viov Ttal uiatQog zu bestimmen, alls welcher Kasse die Kosten fur 
unter dem Proconsul Ulpius Traianns errichtet die Publikation eines Psephisma zu bestreiten 
wurde, werden die genannten S. erheblich bei- sind, und diese in dem Voranschlage fiir den 
gesteuert haben (3146). Die S. waren die eigent- Staatshaushalt, (der dem Volke vorzulegen ist 
lichen Leiter der stadtischen Verwaltung, denn (h r<p otsqI rfjg bioiKrjomg yjrjfplojuari), an der 
der hochste Beamte, der oxe(pavriq)6Qog, gab nur betreffenden Stelle zu verrechnen Movoslov pi§X. 
seinen Namen und sein Geld fiir das Amt hin, Evayy, 2%. I (1875) 128, vgl. v. Wilamo- 
das auch Frauen iibertragen wurde (3150). AuBer wit z Nordion. Steine 23, Sie haben femer das 
diesem Collegium der S., die das hochste Ober- 40 Recht, das Volk zu berufen und Antrage bei ihm 
amt fiihren, gab es noch andere stadtische Or- zu stellen; die Vorberatung findet nach Zustim- 
gane mit dem Titel S., die ein Amt von geringe- mung der Prytanen und Exetasten im Rate statt; 
rer Bedeutung fiihrten. Der o, em xfjg elQ'fjvtjg doch wird dieser nicht immer erwahnt (so Syll.^ 
(3151) war wohl der Leiter der stadtischen Poll- 410). Ob die S. in der Volksversammlung den 
zei und hatte vielleicht sofort tJbertretungen ab- Vorsitz fiihren, ist aus den erhaltenen Urkunden 
zuurteilen. Der enlxQonog o. (ebd.), auch als snl- nicht zu ersehn. Nach Ablauf ihrer Amtszeit 
xQonog xi]g oxQaxrjylag bezeichnet (3162), scheint haben sie Rechenschaft abzulegen; bei besonde- 
der Biirochef der S. gewesen zu sein, der sie ren Verdiensten erhalten sie von seiten der Stadt 
notigenfaUs vertrat. Unter dem nofiTtalog o. eine Belobigung, die bei den Festen im Theater 
(3348: Claudius Melampus), der sich auch als 50 verkiindet wird, Vorsitz bei den Spielen und 
vjuvcpdog und d'eoUyog bezeichnet, ist der Leiter einen goldenen Kranz, und zwar jeder einzeln 
der offentlichen Peste und Aufziige zu verstehn. (iiber dem EhrenbesehluB Syll.^ 410 sind neun 

Namen inschriftlich: CIG 3146. 3150. 3154. Kranze mit den Namen der S. abgebildet). 

3162. 3189. 3193. 3178. 3201. Miinzen sehrzahl- Namen: Syll.3 410. Movo. II 2 (1878) 54. 

reieh, teilweise durch romische Beamte (Procon- Arch.-ep. Ber. Osterr. I (1877) 112. Miinzen: 

suln Suillius Nerulinus 69/70, Vettius Bolanus M III 133, 546ff. MS VI 221, 953ff. Im 513. 

77) datierbar, s. M III 189, 908ff. MS VI 301, H 579ff. 

1388ff. Unter Hadrian kommt ein S. 8ia fitov vor, 57. K o 1 o p h o n. Miinzen: M III 78, 123ff. 

MS VI 1689. MS VI 101, 139fE. H 571. 

55. K 1 a z m e n a i. Miinzen: Imhoof 69, 60 58. Auch E p h e s o s hat als hochste Behorde 
24. 26. 27. M III 69, 74ff. H 569. ein Collegium von S. Nach einer Urkunde von 

56. Die alte ionische Stadt Erythrai (s. 138 v. Ohr. (SyU. or. 493) nehmen sie an den 
Gaebler Diss. Lpz. 1892) hatte auch unter der Sitzungen des Rates ilnd Volkes teil. tlber ihxen 
Oligarchic vor Alexander ein Collegium von S.; Anteilan der Gesetzgebung geht aus dem Gesetz 
in dem Vertrage, den die Stadt vor 342/41 mit zum Schutz der Schuldner um 85 v. Chr. hervor, 
Hermias von Atameus iiber gegenseitige Kriegs- daB das Volk ihnen, dem Sekretar des Rats und 
hilfe und zoUfreie Einfuhr von Miichtlingsgut den Prohedroi den Auftrag gegeben hat, das 
abschloB (SyU.^ 229), werden sie mit der Eides- Psephisma einzubringen (siosvsysxeiv), und daB 



1113 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1114 

sie auf Antrag (yvcofz^) der Prohedroi und des a-cov (IPr 83, 13. 99, 15. Ill, 192). Wieder- 

Eatsschreibers das Gesetz beantragt haben (eloay- wahl wird zwar nirgends erwahnt, erseheint aber 

ysdajusvcov rcov q-cbv Syll.^ 742). Danaeh ist bei dem starken Bedarf als selbstverstandlich. 

die Ausarbeitung der Vorlagen Aufgabe der S., Die Bestellung durch Volkswahl ergibt sich aiis 

die Vorberatung (und notigenfalls Abanderung) dem demokratischen Charakter der Verfassung. 

Sache der Prohedroi umd d-es Ratsschreibers, als tTber die Voraussetzungen der Wahlbarkeit ist 

deren Antrag der Entwurf von den S. in den niehts bekannt. Namen sind nicht iiberliefert. 

beiden gesetzgebenden Korperschaften zur Ab- 62. Phokaia. Collegium von S., dem all- 

stimmung gebracht wird. Sb ist das Verfahren ein das Recht zusteht, Antrage vor die stadti- 

im wesentlichen auch in romiseher Zeit geblieben. 10 sohen Korperschaften zu bringen, IPr 65, 4. 

In einem Gesetz lifber die Eeilighaltung des Mo- Mtinzen: M III 180, 854ff. MS VI 290, 1338ff. 

nats Artemision um 160 n. Chr. (SyU.^ 867), das H 509. 

zur Rechtsgiiltigkeit der Bestatigung des romi- 63. Teos. Collegium, Bh lY 173. LW 1558. 

schen Proconsuls bedurfte, erseheint als Antrag- Miinzen: Im 99, 19ff. M III 261, 1488ff. MS VI 

steller nur der Sekretar des Demos, wahrend die 382, 1927ff. 

S. die Abstimmung leiteten (sne\pY}q)ioav). Einer 64. H a 1 i k a r n a B hat ein Collegium von S. 

Ausarbeitung und Vorbereitung bedurfte dieses Es ist ein EhrenbeschluB {lebo^s rco brjfico) fiir 

Gesetz nicht, denn es enthielt althergebrachtes den S. Tdocov lf«w/a))^o? erhalten, Bh XIV 91. 

Recht und bedurfte nur der Genehmigung durch Ein anderer BeschluB ebd. 98, der die kommen- 

Edikt des neuen Statthalters; so vereinf achten 20 den S. anweist, die Kosten fur die AufsteHung 

sich die Formen. Auf Miinzen der Kaiserzeit der Stelen zu tragen, zeigt, daB sie die Verwal- 

findet sich nur M VI 134, 369 und ebd. 147, 449 tung des Finanzwesens besorgten. Die Sorge fiir 

der Name eines S. Slonst ist die Miinzpragung die Errichtung von Ehrenstatuen u. dgl. teilen 

Aufgabe des Grammateus. sie mit dem aQxirsKxcov und dem yQafjiimrsvg 

59. Metropolis (lonien). Collegium, denn BMI 893. Wenn sie die Vblksbeschltisse zu unter- 
es kommt ein nQ{cbtog) o. vor. Im 83, 7ff. M III schreiben haben (ebd. ol vnoyeyQafxfAsvoi atQarr}- 
160, 177. H. 584. yol), so waren sie die Leiter der Volksversamm- 

60. M i 1 e t hatte als Mitglied des Attischen lung. Ihr Recht (vielleicht Vorrecht) zum Stellen 
Seebundes nach IG P 22 ein Collegium von S. von Antragen zeigt BMI 888 (2. Jhdt. v. Chr.). 
(nicht vor Juli 450). Als nach Befreiung von der 30 In der Zeit des Augustus werden zwei ehemalige 
persischen Herrschaft Alexander, der selbst das S., die sich auf militarischem und finanziellem 
Anif eines Stephanephoros fur das J. 334/33 tiber- Gebiete ausgezeiehnet haben, vom Volke geehrt, 
nahm (Syll.^ 272), und dann Antigonos 313/12 ebd. 893; die urspriingliche Bedeutung desAmtes 
die Demokratie wiederherstellte (Syll.^ 332. Diod. ist also noch nicht vergessen, wenn sie in der 
XIX 75), wird auch das Amt der S., wenn es in- Kaiserzeit auch nicht mehr hervorgetreten sein 
zwischen abgeschafft war, wiederhergestellt wor- kann. Die Miinzen von HalikamaB tragen im all- 
den sein. Es tritt dort nicht so sehr hervor, well gemmnen den Namen der aQxieQelg-^ ausnahmsr 
die kirchlichen Wiirden in Rang und Ansehn weise nennt eine unter Maximin den S., M III 
hoher standen, denn es heiBt von einem Ti. 349, 269. 

Claudius Damas (zur Zeit Neros): vtisq ozQatr]- 4.Q 65. Knidos hatte ein Collegium von S. (tol 

ylag Xa^oov trjv TtQocpYjxiav BMI 932. cftgatayoi Syll.^ 953). In einer Privatklage der 

Im 1. Jhdt. V. Chr. werden S. von Milet IG Erben des Diagoras von Kos gegen die Gemeinde 

IX 2, 508 Z. 42 erwahnt. Eine Mtinze M III Kalymna wegen einer angeblichen Restschuld von 

177, 810 mit dem Namen eines S. am der Zeit 30 Talenten aus einem der Gemeinde gegebenen 

des Gallienus. Darlehen im 2. Jhdt. v. Chr. vertraute die Stadt 

61. Priene hat ein Collegium von S., das Knidos, der die Parteien die schiedsrichterliche 
die hochste stadtische Behorde bildet. Die S. Entscheidung iibertragen hatten, die Leitung des 
allein haben das Recht, Antrage an die stadti- Siondergerichts zur Aburteilung der Frage den S. 
schen Korperschaften zu stellen (yvcbfArj o-wv an. Obgleich das Verfahren dabei durch ein Spe- 
iPr [14, 2.] 18,21. 53,38. 54,35. 61,32. 69,1. 50zialgesetz geregelt war (ebd. 2—52), das denVor- 
202, 22), und fiihren ihre Beschliisse aus, indem sitzenden ihre Befugnisse (tTbemahme der schrift- 
sie verliehene Bhren verkiinden, zusammen mit lichen Aussagen und tTbergabe an das Gericht 
dem ygafjifjiaxevg rov brjfjiov (99, 21. 109, 273), 13ff., mlinidliches Zeugenverhor 44. 48, Abstim- 
und fiir die sichere tTbemnlttlung von- Staats- mung 52) genau vorschrieb, notigt der Vorgang 
schreiben an den Empfanger Sorge tragen (44, zu dem Schlusse, daB die S. in ihrem Amt sich 
34). Bei feierlichen Gelegenheiten, wie Leichen- die notige Erfahrung fiir eine solohe Aufgabe er- 
feiern, stellen sie sich an die Spitze der Burger worben hatten, also mindestens den Vorsitz in 
(108, 369. 113, 116). Leider erfahren wir von den gesetzgebenden Korperschaften besaBen und 
ihrer eigentlichen Verwaltungsarbeit niehts, son- die Finanzfiihrung des Staates kannten. AuBer- 
dem nur von Formalakten. Fur die Abfassung 60 dem mtissen sie die hochsten Beamten gewesen 
der ProtokoUe und die Erledigung der schrift- sein. Ihre Amtsdauer betrug nach CIG 2654 
lichen Arbeiten steht ihnen ein yQafjifjcarevg zur (a - tjoavra mv devrsQav e^d[A,7jvov) nur 6 Monate. 
Verfiigung (4, 16, friihestens 332/31). tTber ihre ^Q, lasois hat ein Collegium von S. Bezeugt 
Zahl ist niehts bekannt (die Erganzung in Syll.^ ist, daB sie mit den TiQooxdxai zusammen die An- 
599, wo 5 Namen erscheinen, ist willktirlich), trage an Bule und Demos vorbereiteten und zu- 
ebensowenig iiber die Verteilung der Gesehafte. nachst den Prytanen zuleiteten, BhXI76: uzQvxd- 
Mindestens seit dem 2. Jhdt. beschrankt sich ihre veoyv yvco/biTji tzsqI wv sTifjXd'ov jiQooxdxat ftal a-oL 
Amtsdauer auf einen Monat {oc smiArivioi xwv 67. Myndos. Eine Miinze: MS VI 515. 



1115 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistiseh) 1116 

68. Bargylia. Mehrere S., s. LW III 499. sche Verfassung erheblich umgestaltet; in einem 
Mi Miinzen: MS VI 477, 202. BeschluB fiir den Arzt Ti. Claudius Tyrannus 

69. A 1 a b a n d a in Ka)rien, eine Zeitlang treten als Antragsteller die S; (ohne Namens- 
unter rhodischer Herrschaft, dann von den Ro- nennung) sowie der yQafifxarevg rov ^fjiov >cal 
mern als freie Stadt anerkannt, wahlte als solche aQxteQevg Pammenes auf. Es gibt also jetzt ein 
ebenfallsS., mindestens 2, wahxscheinlich 3, deren Collegium von S., das an erster Stelle steht; wie- 
Befugnisse es nach rhodischem Vorbilde gestal- viel es sind, ist nicht ersichtlich. Von militari- 
tete. In einer Grabinschrift (Bh V 180 = Syll.^ schen Befugnissen kann in dieser Zeit keine Rede 
1226) fiir drei verdiente Manner, die fiir ihr mehr sein. Sieher dagegen haben sie die Aufsicht 
Vaterland gefaUen waren, aus dem Ende des 2. 10 iiber die Finanzverwaltung, denn es handelt sicli 
Oder Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. werden zwei in dem Beschlusse um die Verleihung der Steuer- 
von ihnen als a. em x<^Q(^s bezeichnet; die Amts- freibeit fiir die Ergasterien des Tyrannos im 
bezeichnung des dritten 20P0TU1N ist uner- Dorfe Kadyie. Dafur sind wohl die olxovoiJioi als 
klarlich, aber vielUeicht ebenso zu lesen. Eine selbstandige Oberbehorde eingegangen, so da6 den 
andere Inschrift (Bh X 314) nennt einen o. rfjg S. die gesamte Leitung der S&.dtverwaltung zu- 
Tiohcog und einen o. eig tovg brj^ovg, vgl. Bh steht. Als Zeitpunkt fiir die Anderung der Stadt- 
XXXII 204; der letztere ist vielleicht mit dem verfassung kann die Neuordnung der Provinz 
(^. enl xwQag identisch. Danach haben die S. in Asia durch Augustus mit Bestimmtheit angenom- 
«rster Linie militarische und polizeiliohe Befug- men werden. Miinzen: M III 174, 810. 154, 675. 
nisse, MS! VI 439. 20 72. N y s a am Maiandros hatte im J. 1 v. Chr. 

70. Eine andere Stadt in Karien, vielleicht ein Collegium von S., zu dem "AQxsfjilbcoQog Afj- 
Aphrodisias, nennt als Antragsteller den fA,r}tQiov tiandg (Beiname) gehorte (CIG 2943 = 
yQafjLfjiatsvg brjiiov sowie zwei S. enl xfjg x^Q^^ SyU.^ 781. Vgl. v. Diest Nysa ad M. 1913, 
(Bh XIV 606). Auch hier ist das rhodische Vor- 64). Dieser sammelte die ieQa yQafAfiaxa iiber den 
bild klar. Ob und wieviel andere S. noeh auBer- Dienst der Gotter (nach Strab. XIV 649 Pluton 
d!em vorhanden waren, ist nicht ersichtlich; jeden- und Kore) und die Asylie und Atelie des Tempels 
falls aber besafien die S. das Recht, dem Volke und brachte sie mit Genehmigung des Proconsuls 
Vorsehlage zu unterbreiten, wenn auch nur neben Cn. Cornelius Lentulus Augur (s. o. Bd. IV 
und nach dem yQaixfmrevg, Sieher aus Aphrodi- S. 1363) in das stadtische Arehiv. Ob das Col- 
sias stammen CIG 2767. 2837; daraus geht her-301egium schon in alterer Zeit bestand oder erst 
vor, da6 es mindestens zwei knl rfjg ;fc6^a? o - ol unter Augustus eingesetzt wurde, ist nicht be- 
gegeben hat (wahrscheinlich audi nicht mehr), kannt; es wird sonst nie erwahnt. Eine Miinze 
denen der Sieherheitsdienst auf dem Lande an- nennt (angeblich) einen S. Diodotos, MS VI 525, 
vertraut war. Aufier diesen miissen danach auch 436; da aber sonst nur yQajujbtarsJg pragen und 
noch (etwa 3) S. stiI rrjg jtoXecog vorhanden ge- dieser selbe Aur(elius) Diodotos auf einer ande- 
wesen sein, die die Polizei in der Stadt hand- ren Miinze als yQ( ) bezeichnet wird (MS VI 526, 
habten. Ein Antrag Ann. d. Inst. XXIV 120 wird 437, vgl. v. Diest 87, 163f.), liegt wohl eine 
bezeichnet ala yvco/nrj o-cov xal yQ. 8. hol rov 8, falschle Lesung vor. 

xal rov dsivog rwv im rfjg x^^Q^^ o-cov. Ein 73. Keramos. Eine Urkunde iiber das Te- 
anderer Antrag (ebd. 118) ist von den Archon- 40 stament des Eirenaios (Joum. hell. stud. XI 121) 

ten, dem ygafifiarevg drjfxov und dem S. km rfjg nennt einige Namen von S., von denen einer das 

XcoQag gtesteUt; es waren also nicht alle S. dabei stadtische Vermogen verwaltet. Unter P. Aelius 

beteiligt. Ein Collegium von 5 S., das wohl auch Protoleon, Sohn des Aelius Themistokles, ent- 

die Aufsicht iiber die Finanzen fuhrte, ist in scheidet der Curator iiber die Gultigkeit des Te- 

Kleinasien nicht selten. stamentes, und unter dem S. ro /?' Theomnestos 

71. Magnesia am Maiandros hatte im rov MsXdvra 'ATioXXatvldov wird dem Eirenaios 
2. Jhdt. V. Chr. nur einen S., dessen Teilnahme eine Statue errichtet. 

an dem Feste des Zeus Sosipolis (Kern Inschr. 74. Panamara. SI im rfjg x^Q^^ 1- Jhdt. 

V. Magn. 98 = Syll.3 589) wie an der Ein- v. Chr., Bh LI 113. 

weihung des Tempels der Artemis Leukophryene 50 75. S y n n a d a. Collegium von S., s. Bh XI 

(Inschr. Magn. 100 =: Syll.s 595) im J. 196 und 220 sloavysddvrmv rwv o-wv, ebenso VII 300. 

nach 129 v. Chr. gesetzlich angeordnet wird. Die Keine Bule genannt. 

Tatigkeit dieses S. beschrankt sich offenbar auf 76. Stratonikeia hatte jahrlich ein Col- 
das rein militarische G^biet; ihm sind Polem- legium von 6 S., von denen drei das Sommerhalb- 
archen und Hipparchen unterstellt, die das Kom- jahr, drei das Winterhalbjahr iiber die Amts- 
mando iiber die einzelnen T^ppenteile fiihren. geschafte fiihrten, dazu einen S. im rfjg x^^Q^?^ 
Insbesondere hat er nichts mit der Finanzverwal- der nicht zum Collegium zahlte und ohne -Zweifel 
tung zu tun, fiir die es besondere oItcovoijloi gibt. langere Zeit (wohl ein Jahr) Dienst tat. Ein 
Auch ist ihm nicht das Recht der Antragstellung solcher kommt noch vor in Alabanda Bh V 180, 
vorbehalten. Das erste der beiden Gesetze erfolgt 60 Aphrodisias LW 1704. 1611. CIG 2831, Tralleis 
auf Grund einer yvcbfjLrj brjfjLOv, d. h., da das Volk UvXXoyog Ewvoravr. 1880/81 jzaQagr. 53, Rhodes 
in seiner Gesamtheit keinen Gesetzesvorschlag AM II 224. Bh XV 423 nr. 4: ol aQ^avreg rrjv 
einlbringen kann, auf Grund eines von einem Biir- x^^M'^Q^'^V'^ '^V'^ ^^^ aQxisQio^g MsvroQog, ebd. 424 
ger gesteUten Antrags, den die Volksversamm- nr. 5: d'SQivfjg o-ol (ohne Namen). Auch auf 
lung zum BeschluB erhoben hat; beim zweiten einer Inschrift Bh XI 126 sind die Namen nicht 
wird geradezu ein Mrger ohne Amtscharakter erhalten. Auf den Miinzen scheinen die Namen 
als Antragsteller genannt. Im 1. Jhdt. n. Chr. samtlich von S. zu sein, s. Im 152, 3ff. MS VI 
(unter Claudius oder Nero) erscheint die stadti- 593, 496. 



1117 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1118 

77. Apollonia Salbake. Miinzen: Im 375, 1. 379, 2. XXXV 401, la). Ihre Zahl und 
1^0, 7. MS VI 472, 181ff. H 610. Zustandigkeit scheint im ganzen unverandert ge. 

78. Ilion. Collegium, ;S!yll. or. 219. Itera- blieben zu sein; aber ein bedeutsamer Unter- 
tion strenigstens verboten, ebd. 218, 70ff. schied liegt darin, daB sie unter den Attaliden 

79. Adramytion. Collegium, Im 11, 2. von der Krone ernannt wurden (s. u.), also auch 
M II 514, lOff. MS V 280, 27ff. in erster Linie in ihrem Sinnie wirkten. Das war 

80. A,sso s. Miinzen: Im 37, 2. M II 524, 65. freilioh nicht von Anfang an der Fall, denn noch 
MS V 296, 92. H 592. in dem Vertrage mit Temnos iiber Isopolitie (Syll. 

81. Attaia. Mtiiizen: M IV 240, 276ff. MS or. 265), der etliche Zeit vor 226 abgeschlossen 
VII 518, 186. E I 3, 142. H 522. 10 wurde, ist von einer Einwirkung des Konigs 

82. Gar gar a. Miinzen: MS V 358, 495. (Attalos I.) auf die Beschliisse der Stadt keine 
H 545. Rede, und erst unter Eumenes I. (IPe 18) er- 

83. Kame. Miinzen: M II 526, 69. MS V scheinen die S. als Organe der Regierung. Von 
299, 103. H 522. einer selbstandigen auBeren Politik kann freilieh 

84. K y z i k s hatte 5 S., die zu den oiQxovrsg in der ganzen hellenistischen Zeit iiberhaupt keine 
gehorten. Sie waren aber dort nicht die hochste Rede sein, nur nach dem Tode Attalos' III. war ihr 
Behorde, sondern standen an Rang dem Hipp- entschlossenes Eintreten fiir Rom von giinstigem 
archen nach, der eponym ist. Jeder der S. fiihrte EinfluB auf die auBere Stellung der Sftadt. Die 
die Amtsbezeichnung S. rfjg noXscog, einer von XJrkunde Syll.^ 694, die im Gegensatze zu Fa- 
ihnen a. xaza noXiv (Syll.3 799), der wohl kaum 20 br i ciu s AM XXXVIII 37 mit Wilhelm 
den Vorsitz im Collegium fiihrte, aber der Rang- Jahresh. XVII 18 wahrseheinlieh als pergamenisch 
hochste war und allein als Antragsteller auftritt. anzusehn ist, nioht als elaitiseh, enthalt den Ab- 
DaB die Wirksamkeit der S., wie Hasluck schluB eines Vertrages mit Rom vom J. 129 
Cyzicus 255 annimmt, sich (im Gegensatz zum v. Chr., durch den die Stadt als eivitas libera 
Hipparcheii) auf das eigentliche Sitadtgebiet be- et foederata anerkannt wurde. Sie erhielt damit 
schrankt, ist aus der Amtsbezeichnung nicht zu auch die freie Wahl aller ihrer Beamten wieder. 
scHieBen; wahrseheinlieh batten sie jeder einen Die S. standen an der Spitze der gesamten 
besonderen Verwaltungszweig zu leiten, vielleicht stadtischen Verwaltung. Alle Beschliisse von Rat 
auch die Rechtspreehung, fiir die keine besonde- und Volk, die erhalten sind (s. o.), erfolgten auf 
ren Beamten genannt werden. Zu den Aufgaben 30 ihren Antrag (yvwfir) o - cov), ausgenommen einen 
des stadtis<;hen S. gehort auch das Pragen der einzigen, der ihre eigene Ehrung betraf (IPe 18 
Miinzen, die mit seinem Namen versehn werden, = Syll. or. 267, vgl. Curtius Herm. VII 45); 
nicht zum Zwecke der Datierung, sondern als dieser wurde von einem Biirger ohne Amts- 
Biirgschaft fiir den Feingehalt. In der Kaiser- bezeichnung eingebracht. Das muB also immer 
zeit scheint das Amt des Hipparchen ein reines noeh statthaft gewesen sein, wahrseheinlieh aber 
Ehrenamt geworden zu sein (im J. 37 bekleidete nur mit besonderer Zustimmung der S. und nach 
es Kaiser Gains, s. Syll.^ 798), wodurch sich vorhergehender schriftlieher Anmeldung. Die S. 
die Stellung der S. hob. Unter ihnen befinden fiihrten den Vorsitz in der Volksversammlung 
sich auffallend viel hohe Reichsbeamte. Wenn und dem Rat, wie sich das erstere direkt aus 
Mordtmann Athen. Mitt. X 201 nur 2 S. 40 den Worten des Ehrendekrets ergibt (IPe 18, 14: 
und 9 Phylarchen annimmt, so liegt das wohl xQivovreg o^v dUaiov slvai fjLrj Shycogslv zcov ovtcog 
an einer unrichtigen Anordnung der Kolumnen, sjtiorarovvrcov) und einen RuckschluB auf 
bei deren richtiger Lesung sich 5 S. und 6 Phyl- das zweite gestattet. In diesem wird femer auBer 
archen ergeben, vgl. J o u b i n Rev. etud. gr. ihrer ,gerechten Politik* [nsTtoUtsvvxai dixalcog) 
VI 7. Namen bei Hasluck 307. Athen. Mitt. ihre erfolgreiche Verwaltung der stadtischen und 
X 201. IX 19. kirchlichen Finanzen (wixovofArjTtaoi ov[A,(psQ6vtwg 

85. Lampsakos hatte ein Collegium von rwi brjfjiwi) und die Wiedereinziehung vergessener 
S., das mit und unter dem Rate die Verwaltung stadtischer Besitzungen (xa naQaXslsiixfAsva vno 
der Stadt leitet und insbesondere die Finanzen rwv tiqoxsqov aQXEioiv ava^rirrjoavrsg . . . anonaxk- 
ordnet einschlieBlieh der Kirehengelder. In einem 50 oxrjoav xfjt noXei) erwahnt. Ihre Hauptaufgabe 
Gesetz iiber die Feier des Asklepiosfestes (CIG ist danach idie Aufstellung des stadtischen Haus- 
3641 b) werden Bule und o - ol, ovg del ;f£«^/f «<v halts in Einnahme und Ausgabe und die Verwal- 
xa xa'&isQcofiEva /^^^ara tq> tia>cXrjmcp, beauf- tung des stadtischen und kirchlichen Eigentums; 
tragt dafiir zu sorgen, daB die Feier stattfindet, dabei beruhrt sich die emoKevrj xcov Isqcov dva-dTj- 
die Schule ausf aUt, die werktagliche Arbeit ruht /ndxcov mit den Obliegenheiten eines S. von Athen. 
und alle Burger sich bekranzen. Miinzen: Im Ein ^aodi?edg vofzog (AM XXVH 47ff. = Syll. or. 
506, 2. 28, 8. H 531. 483), der eine Instruktion fiir die Astynomen ent- 

86. Pergamon hatte ein Collegium von S. halt, zeigt, daB die S'. auch die Polizeigewalt aus- 
(vgl. Cardinali Regno di Pergamo 233. 254 iiben, (fie stadtischen Besitzungen notigenfalls 
u. 0. Ghione Comuni del Regno di Pergamo 60 durch Strafverfiigungen (50Drachmen) gegenjede 
111. Corradi Studi eUenistici 363ff. Levy Schadigung zu sehutzen (Syll.s 37ff.) und die 
Rev. ilfitud. gr. VIII 203ff. XII255ff. XIV350ff.), nachgeordneten Behorden (Astynomen) zu beauf- 
und zwar sowohl vor den Attaliden (dahin ge- sichtigen batten (55ff.). Fiir Schaden, die durch 
hort wahrseheinlieh IPe 5 == SyU. or. 265) als hohere Gewalt entstanden waren oder fiir die nie- 
unter ihrer Herrschaft (IPe 167. 224 = Syll. or. mand haftbar gemacht werden konnte, batten sie 
323. IPe 249 ^=' SyU. or. 24) und in der romi- auf Antrag der Astynomen die notigen Betrage zur 
sehen Zeit (IPe 251. = Syll.^ 1007. IPe 255 = Beseitigung anzuweisen (164ff.). Auch das stadti- 
Syll.3982. Joseph, antlud. XIV 10,22. AM XXXIII sche Archiv stand unter ihrer Aufsicht (193). 



1119 Strategos (hellenistiscli) Strategos (hellenistisch) 1120 

Auch die Kosten fiir Ehrendekrete und Statuen zum Hofe auf. Wenn die Sicherheit, Sauberkeit 

haben sie anzuweisen. tTberhaupt tragen sie die und Ordnung in Pergambn dem Herrscher beson- 

Verantwortung fiir die gesamte stadtische Ver- ders am Herzen liegen muBte (Astynomengesetz 

waltung, voUziehn die Elirenbeschliisse (IPe 156, AM XXVII 47ff.), so waren iiberhaupt die konig- 

14), ordnen die vorgeschriebene Eidesleistung an lichen Wiinsehe fiir die Amtstatigkeit der S. ma8- 

(251, 33), bringen dem Eumenes das gesetzmafiige gebend. In romischer Zeit anderte sich das: das 

Opfer, das ihnen die Tamiai liefern (18, 33), be- Amt wurde kostspielig und erforderte den Besitz 

sorgen den auswartigen Brief wechsel (Joseph. eines betrachtlichen Vermogens. Daher wurde die 

ant. lud. XIV 10, 22). Auf militarische Befug- Iteration zugelassen, die in Pergamon nicht sel- 
nisse der S. wiirde der EhrenbeschluB fiir einen 10 ten war, und das Amt wurde in gewissen Fami- 

militarisohen Befehlshaber IPe 452 hinweisen, lien fast erblieh. tiber die Mlinzen und die dar- 

wenn die Erganzungen von Frankel zu der auf befindlichen Namen s. v. Fritze Miinzen 

Stelle sicher waren (vgl. dazu Corradi 370, 1); von P. 1910. H 536. 

aber der Ausdruck Kaxaoxad'slg und die YjyovfAsvoi 87. M i 1 e t o p o 1 i s. Miinzen: M II 570, 

weisen auf einen Offizier geringen Ranges hin, 356ff. MS V 383, 625ff. H 531. Vgl. CIG 5944. 

der sich in diesem Falle besonders ausgezeich- ZN XXXIII 34. 

net hatte. 88. Per per en e. Miinzen: E I 2, 475. M 

Die Zahl der S. betrug fiinf, sowohl unter den II 625, 709f. MS V 482, 1204ff. 

Attaliden (IPe 18) wie in der romischen Zeit 89. Pionia. Miinzen: Im 41, If. E I 2, 
<ebd. 361), ist also, soweit sich iibersehn lafit, 20 475. MS V 487, 1224. H 548. 

stets unverandert geblieben. DaB die Amtsdauer, 90. P i t a n e. tTber Pitane unter den Atta- 

auch unter den Attaliden, einjahrig war, zeigt der liden s. Pergamenisches Reich. Miinzen: M II 

Hinweis auf die Nachfolger (eibd. 18). In romi- 627. H 537. 

scher Zeit sind die S. mitunter eponym, ent- 91. Poroselene (vgl. Art. Nesioten). 

weder in der einfachen Form enl oxQatriyovvtog Miinzen: M II 629, 733. MS V 491, 1246ff. 

tov betvog wie IPe 267. 269 und auf vielen Miin- 92. Poimanenos (Poimanion, vgl. Has- 

zen (s. u.) oder unter Aufzahlung samtlicher Mit- luck Cyzicus 115ff.), an der Strafie von Kyzikos 

glieder des Collegiums wie IPe 362. Haufiger ist nach Pergamon gelegen und dem heutigen Eski 

allerdings die Datierung nach dem Prytanen IPe Manjas gleichgesetzt. S. genannt AM XVI 144. 
5. 157. 224 A. 251. 254. 465. 55. Joseph, ant. lud. 30 Bh XVTI 547. Jh XXVI 28. 

XIV 10, 22 u. 6. Oder nach dem Priester IPe 18. 93. Skepsis. Miinzen: H 549. 

249. AM XXXIII 375 nr. 1 (beide Wiirden sind £) Phrygien. 

ofter vereinigt IPe 258. 323. AM XXVII 126. 94. Aizanoi. Collegium, an der .Spitze ein 

XXXII i278 u. o.), in der Kaiserzeit nach dem o-cov rov tJiQcozov ronov, synonym. Das Amt er- 

Priester oder dem yQafijuatevg. Wiederholte Be- fordert viel Zuschilsse, namentlich eig to yvf^vd- 

kleidung des Amtes kommt (vor Traian) nicht oiov und stg ta oircovixd. Iteration mehrfach nach- 

vor, auch nicht unter den Attaliden. Das kann weisbar. Ehrenbeschliisse aus der Zeit von Nero 

^Zufall sein, aber in dem EhrenbeschluB IPe 18 bis zu den Antoninen, CIG- 3831 a2— 3834. 3839 

wird ausdriieklich auf das Beispiel fur die Nach- (s. Add. S. 1066). 3840. Miinzen: M IV 212, 111. 
folger im Amt hingewiesen. Es hatte nahe- 40 H 664. 

gelegen, bewahrte Manner mehrere Jahre hin- 95. Akmonia. EhrenbeschluB fiir einen 

durch zu S. zu ernennen. Wenn das unterblieb, fruheren S. unter Nero, CIG 3858. Auf einem 

;S0 war die Iteration vielleicht (wie in Hion) ge- Grabdenkmal o-ov, Bh XVII 621. 

-setzlich untersagt. Abkunft von pergamenisohen 96. Ankyra. Eine a -/a, CIG 3847 b. 

Eltern muB unter den Attaliden nicht erforder- 97. Apameia. EhrenbeschluB fiir einen 

lich gewesen sein; wenigstens fehlt in dem Ehren- friiheren S., Bh XVII 303. 

beschluB die Angabe der Vatersnamen. Vielleicht 98. Appia, fruher Apia, s. Im 214, 2. 

war vorher Einbiirgerung erfolgt. H 667. 

Die Herrschaft der AtMiden muB die Tatig- 99. Bria. Miinzen: M IV 244, 301. MS VII 
lieit der S. in einer Hinsicht verengt, in der ande- 50 523, 209. Im 215, 1. H 668. 

ren erweitert haben. Entiastet wurden die S. in 100. Dionysopolis. Miinzen: M IV 281, 

der Sorge fiir die Emahrung der Bevolkerung, 498. H 671. 

die eine wichtige Aufgabe der Krone war, und 101. Dokimeion. Miinzen: M IV 284. 

fur die Errichtung offentlicher Bauten, die eben- 516. H 672. 

falls der Konig iibemahm und die gleichzeitig den 102. Gordos lulia. Miinzen: M VII 

Unterhalt der Arbeiter sicherte. Das bedeutete 346, 136. 

eine bedeutende Ersparnis nicht nur fiir den 103. Hierapolis. Drei S. zwischen 167 

Stadtsackel, sondern auch fur die S. personlich, und 159, Syll. or. 308. Ein eponymer S., JhXVII 

die in dieser Zeit nicht mit besonderer Rucksicht 411. Miinzen: M IV 304, 630. 
auf ihre Vermogehsverhaltnisse ausgesucht zu 60 104. Hyr gale is, s. H 677. 

werden brauchten. In der Tat riihmt sie das 105. Kadoi. Miinzen: M IV 252, 341. MS 

Ehrendekret IPe 18 mehr als tiichtige Verwal- VII 528, 255. 

tungsbeamte als wegen besonderer Spenden. 106. Karura. tJber die Lage s. Jh XVII 

Andererseits legte die Stellung der S. an der 398. Collegium, CIG 3948. Der o. dia vvmog 

iSpitze der Hauptstadt ihnen nicht nur wie den gehort nicht zum Collegium. (Art. Karura fehlt 

iibrigen ernannten Stadthauptern die strengste in der R. E.) 

Rucksichtnahme auf die Interessen des Konigs, 107. Keretape. Miinzen: M IV 257, 365. 

sondern auch die Pflege personlicher Beziehungen 108. Kibyra. Miinzen: MS VII 535, 252. 



1121 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1122 

109. Kolossai. Miinzen: H 670. 140. Se baste. Collegium mit eponymem 

110. Laodikeiaam Lykos. Inschrift: AM Vorsitzenden, CIG 3871. 

XVI 145. Miinzen: MS IV 323, 1741ff. MS VII 141. Silandos. Miinzen: M IV 143, 186ff. 

585, 449ff. E I 3, 165. RSN VII Iff. 

111. Metropolis. Miinzen: M IV 335, 142. S t r a t o n i k e i a Hadrianopolis. Miin- 
805ff. MS VII 593, 483ff. zen: H 657. 

112. Nakoleia. Miinze: MS VH 103, 528. 143. Tabala. Miinzen: M IV 144, 822. 

113. Peltai. Miinze: MS VII 605. H 682. 145, 824. 

114. Philomelion. Miinzen: H 683. Der S. von Tata (Tataion), den Liebe- 

115. Sala. Miinzen: M IV 358, 930. MS VII 10 nam nach Bureseh Aus Lydien 4 anfiihrt, ist 
613, 513. kein stadtischer S., sondem ein romischer Praetor. 

116. Stektorion. Miinzen: E I 3, 172. 144. Temenothyrai. Miinze (sonst Ar- 
il 7. Tymandos. Inschrift unter Pius, chonten und Oberpriester) mit S.: MS VII 438. 

Bh XVTI 258. 145. Thyateira. CoUegium, Bh X 416 

^) L y d i e n. (a - rjoag jtQcotov totzov). Andere S. CIG 3490. 

118. Akrasos. Miinzen: M IV 2, 8. MS 3496. Bh XI 105. 457. 473. 479. Miinzen: RSN 
VII 311. E I 3, 91. Im 520, 1. H 647. VII llff. M IV 155, 885ff. MS VII 448, 605f!. 

1 19. A p 11 n i a. Miinzen: M IV 6, 28. 30. H 658. 

120. Apollo nis. Miinzen: M IV 9, 48. 146. Tmolos AureHopolis. Miinzen: RSN 
H 646. 20 VII 22, 3. H 659. 

121. Attaleia. Die Stadt hat ein CoUe- 147. To maris. Miinzen: RSN VII 26, 7. 
gium von 3 S., von denen der erste die Amts- Im 186, 1. H 659. 

bezeichnung nQwrog o. fiihrt und eponym ist. 148. Trail e is. Inschriften: CIG 2927 a. 

Iteration kommt mehrfach vor. Ein Testament im rrjg xoi^ag HvkXoyog Kcovor. 1880/81 jzagaQt. 

des Euarestos macht eine Stiftung fur regel- 53. Miinzen (m-eist yga/LifAareZg): E I 3, 126. M IV 

maBige Olverteilungen. 185, 1071. 188, 1092. 

122. AureHopolis. Miinzen: M IV 15, ?;) Bi thy nien. 

74—76. MS VII 323, 49—51. 149. In Kalch edon gab es schon friih S., 

123. B 1 a u n d s. Inschrift unter Pius, LW da namentlich die Beziehungen zu der umwoh- 

III 1044. Miinzen: M IV 21, 107. H 650. gOnenden Bevolkerung eine dauernde Kriegsbereit- 

124. D aid is. Miinzen: M IV 34, 173. schaft erforderten. Auch die Lage an einer viel 
H 650. befahrenen und oft umstrittenen Meeresstrafie 

125. Dio shier on. Miinzen: M IV 38, 196f. verlangte militarische Sicherungen. Die tTber- 
MS VII 344, 129. H 650. lieferung berichtet davon wenig, s. Merle Diss. 

126. Eumeneia. GIG 3886: o-i^oag xfjg Kiel 1916, und aus alterer Zeit gar keine Namen. 
moXsog emov. Spater dauerte die Amtszeit der S. nur vier Mo- 

127. Germe. Miinzen: M II 555, 265ff. MS nate, s. Syll.3 645 = Michel Recueil 535 VI 
V 362, 51 Iff. tovg otQatayovg rovg dsvrsQav rstQa/Lirjvov otQata- 

128. Hermokapeleia. Miinzen: E I 3, yovvtag. 

102. M IV 95, 239. MS VII 351, 160. H 651. 40 150. Kios hatte ein Collegium von 5 S., die 

129. Hierokaisareia. Miinzen: Im eine Ephebenliste vom J. 109 n. Chr., Bh XV 
521, 1. H 651. 481, nennt. Der erste von ihnen ist gleichzeitig 

130. Hypaipa. Miinzen: Im 174, 2. MS Ephebarch, erster Archon, Poleitarch, Priester des 
VII 356, 176ff. H 651. Herakles, Verwalter der Gymnasiarchie (diese 

131. Kilbianoi (obere und untere, spater selbst hat die Stadt tibernommen) und Agora- 
vereinigt). Miinzen: M IV 28, 140ff. MS VH 338, nom, was auf bescheidene Verhaltnisse schliefien 
104ff. H 649. laBt. In seiner Gesamtheit ist das Collegium 

132. Magnesia am Sipylos. Miinzen: M eponym. DaB die ;S. die Antrage an die stadti- 

IV 75, 408ff. MS VII 382, 303ff. H 653. schen Korperschaften vorbereiten, geht aus LW 

133. Maionia. Miinzen: M IV 66, 355. 50in 1140 hervor. 

H 652. 151. H a d r i a n 1 h e r a i (an der StraBe von 

134. Majisdovsg Ygjiavol. Unter einer Kyzikos nach Pergamon, ungefahr in der Mitte, 
Kaiserstatue (wohl Elagabals) Namen eines S. to s. Ha slue k Cyzicus 88ff.). Miinzen: M 11 437, 
fi\ Bh XI 91. Miinzen: E I 3, 102. M IV 61, 147f. MS V 49, 248ff. Im 21. 

327ff. MS VII 364, 219. RSN VH 40, 6. H652. 152. Hadrianoi TtQog VXvfAmv. Inschrift: 

135. Mast aura. Miinzen: M IV 84, 160. LW III 1053 (139 n. Chr.). Munzen: M II 429, 
MS VII 390, 342. 108ff. MS V 44, 230ff. 

136. Mostene. Miinzen: M IV 91, 494ff. 153. Ha dria n o po 1 i s. Miinzen: M II 434, 
MS VII 394, 353. H 653. 132. MS V 48, 244f. 

137. Nakrasa. Vgl. Pergamenisches Reicli. 60 154. Nikaia. Miinze: MS V 111, 604. 
Miinzen: M IV 93, 504ff. MS VII 396, 366ff. 155. Nikomedeia. Miinzen: M II 472, 
Im 178, 1. H 654. 336ff. MS V 218, 1293. 

138. Philadelpheia. Inschriften: CIG '&) Pamphylien. 
3417.3429.3419. Miinze: MS VII 399, 379. 156. Aspendos. Inschrift: Ann. d. Inst. 

139. Sardeis. CoUegium (vieUeicht 3 S.). XXIV 166. 

Inschriften (unter Tiberius): CIG 3461. 3462. 157. Perge. v. Lanckoro6ski Stadte 

LW III 626. Miinzen (auch Archonten): M IV Pamphyliens I 164 nennt einen ?cara noliv a-6v. 

123, 698ff. MS VII 419, 468ff. Im 185, 5. «) tJber denS. in Lykien vgl. Petersen- 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 36 



1123 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1124 

V. Luschan Reisen im siidwestl. Kleinasien MaBe, behielten die S. in der romischen Zeit. 
II 121. Der Bund (xoivov, s'&vog) mufi, als das CIG 2060 zeigt, daB sie das Recht hatten, An- 
Land noch nicht in romische Verwaltung tiber- trage zu stellen {rol aroazayol eljiav); wenn fer- 
gegangen war, einen S. als obersten Blindeisbeam- ner ebd. 2063 der ddfA,og den S. den Auftrag gibt, 
ten gehabt haben, wahrend in romiseher Zeit der einen bestimmten Mann zu ehren, d. h. einen 
XvTiiaQxrjg der Vertreter des Landes war. Peter- Antrag auf Ehrung beim Volke einzubringen, 
sen- V. Luschan 179 ehrt die Stadt Termessos so geht daraus hervor, daB ihnen allein ein sol- 
den C. Licinnius C. f. Sergia, Romer und Burger ches Recht zustand. Sie sind also in der Leitung 
von Oinoanda, als syycyvov . . . otQarrjycbv tcoI der stadtischen Verwaltung zwar nieht unbe- 
aQxiq)vXdK(ov nal yQafAfxarsoov xov Wvovg xal 10 schrankt — denn das Volk kann ihre Antrage 
Xvmagxcdv, ebd. 105 V A die Ktadt Rhodiapolis ablehnen — , aber doch allein maBgebend. 
den Opramoas IAtzoXXcovIov dig tov KaXXidSov 162. Uber S. in Kallatis s. SGDI 3089. 
unter Hadrian und Pius auch als Nachkommen Sie werden beauftragt, die Abschrift eines Ehren- 
von S., ebenso 135 seine Erau Aglais trjv xal beschlusses den Behorden von Apollonia zu tiber- 
"AQiGxoKiXav und nr. 165 seine Sohne (vgl. auch mitteln. 

Heberdey Opramoas). Die beiLiebenam 163. Olbia hatte ein Collegium von 6 S., 

aufgefuhrten S. von Oinoanda und Rhodiapolis nach deren erstem das ganze CoUegium benannt 

sind also keine stadtischen S., sondern Nachkom- wurde: ol tzsqI tov bslva rov beivog otgaxrjyol. Die 

men von S. des Bundes. Amtsbezeichnung 6 ngwrog a. kommt zufallig 

158. Ein stadtischer (ehemaliger) S. von X a n - 20 nicht vor, wohl aber die entsprechende 6 TiQcorog 
tho s {oxQaxriyYjoag Kara noXiv) kommt LW 1260 olqxwv (IPE I 24. 76. 82), und danach ist auch 
= GIG 4269 d vor. Ein RtiekschluB auf die erstere vorauszusetzen. Mit dem Amte des S. be- 
anderen lykischen Stadte ist daraus aber nicht gann die politische Laufbahn (ebd. 24, 13: avbgco- 
statthaft. 'd'elg 8s — sc. KaXXtO'&svrjg KaXXio^svovg — rjipato 

f)Kolonien in Thrake und Sky- rfjg noXirelag koX uiioxcbg iilv koxQaxrjyrjGBv)^ die 

t h i e n. in der Stellung eines ersten Archonten (auch 'y} 

159. iSestos. BOVII 1000 nennt einen S. ^jtcoj^v^o? d^X^) gipfelte. Die Bezeichnung jrar^^ 
Straton. xflg noXecog, die nur bei einem Manne vorkommt 

160. Peri nth oder Selymbria (die Her- (I 24. 27 a. 97), ist, obwohl sie mit zur genauen 
kunft des Steins ist zweifelhaft). Es gibt ein 30 Datierung verwandt wird (Kaiser, Legat, tmaxfj^ 
Collegium von S., deren Befugnisse groBtenteils x. n., vollzahliges Collegium der Archonten) nur 
auf militarisehem Gebiete liegen. Wenn in einer als auBerordentlicher Ehrentitol anzusehn. Die 
Liste von verhangten Geldstrafen, Bh XXXVI S. hatten noch in der Spatzeit (2. und 3. Jbdt. 
551, neben oQcpavioxal und ayoQav6{A,oi auch die n. Chr.) in Anbetracht der Lage der Stadt vor- 
S. Strafverfiigungen erlassen und einen gewissen wiegend militarische Befugnisse, d. h. ihre Haupt- 
Chimaros, weil er das Holz von den Mauern und aufgabe war die q)vXaK7j^ die Abwehr skythiseher 
'die Tiiren von den 'Wachhausern {(pyXaxslcov) Uberfalle. Noch bei der Wahl der Archonten 
fortgenommen hat, mit einigen hundert Drach- wurde auf korperliche Ttichtigkeit gesehn (Siege 
men btiBen, so sehlagt das zweifellos in ihr Ver- eines Archonten im Diskus- und Lanzenwurf , eines 
waltungsgebiet und beweist, daB sie ziemUch 40 anderen im Lauf und Sprung I 77, eines S. im 
weitgehende strafreehtliche Befugnisse haben, Lanzenwurf I 80). Iteration war statthaft und 
zeigt aber gleicbzeitig den starken Verfall der kommt mehrfach vor, wird aber nicht vermerkt, 
militarischen Einrichtungen. auBer beim ersten S. (und ersten Archon, hier 

161. Byzantion (s. Merle Diss. Kiel bis zu 5'). Bei glticklicher Amtsfuhrung erhalt 
1916, 72) hatte, wie seine Mutterstadt Megara, das Collegium von Rat und Volk einen Kranz 
schon in vorhellenistischer Zeit S. Ihre Zahl (I 57. 58); die Auszeichnung kommt nur selten 
wird nirgends angegeben; daB es zwei gewesen vor, hat ihren Wert also nie eingebuBt. Als 
sind, ist aus Polyain. H 2, 7 nieht zu schlieBen, Unterbeamten haben die S. einen vnrjQsxrjg, der 
es waren jedenfalls mehr. Sie hatten ein beson- mitunter (53. 57. 68. 69) ehrenvoU erwahnt wird 
deres Amtshaus (FHG IV 149). Bis weit in die 50 {vjtrjQsxrjosv evaQeoxcog). Nach Ablauf ihres Amts- 
hellenistische Zeit hinein muB ihre Hauptfcatig- jahres stellen die S. dem ApoUon Prostates ein 
keit auf militarisehem Gebiete gelegen haben, da Weihgeschenk auf, eine silbeme Sbhale, goldene 
die Stadt bis ins 2. Jhdt. an alien kriegerischen Kette, silbeme oder goldene Nike o. dgl. vjisg^ 
Verwicklungen der Ostgriechen beteiligt und hau- svoxad'slag xfjg noXswg nal xrjg savxcov vyisiag, an 
fig in Kampfe mit den Nachbarstammen ver- dessen Stelle auch die Wiederherstellung des 
wickelt war, s. M e r 1 e 93ff. Daneben werden sie (wohl bei einem feindlichen Uberfall beschadig- 
die Aufgabe gehabt haben, die notigen Mittel ten) Tempeldachs tritt (I 58). Dem Achilleus 
fur die Kriegfiihrung zu beschaffen; dazu reich- Pontarches wird, wie von den Archonten, so auch 
ten oft die ordentlichen Einnahmen nicht aus, von den S. ein ;^:a^f(7r9j^«or dargebracht (I 79. 
und man muBte Abgaben vom Fischfang (Bd. V A 60 80), mit idem dycovsg verbunden waren. Die S'. 
S. 2421) und Gewerbesteuern (ebd. S. 253, 6) haben ein eigenes Amtshaus (oxQaxrjyiov), das 
erheben. Danach muB die Stellung der S. sehr unter Severus Alexander von BaoiXevg KaXXi- 
einfluBreich gewesen sein, so daB sie die eigent- oMvov auf eigene Kosten neu aufgebaut wird 
liche Regierung bildeten. Ihre Aufgabe war es (IV 26). 

daher, Beschliisse der gesetzgebenden Korper- Die erhaltenen Urkunden der S., die samtlich 

schaften herbeizufiihren und auszufiihren (Syll.^ einer sehr spaten Zeit, dem 2. und 3. Jhdt. 

349 erganzt, aber sicher, aus dem J. 302 v. Chr.). n. Chr., angehoren, zeigen eine starke Durch- 

Dieselben Befugnisse, aber noch im verstarkten setzung der heUenistischen Bevolkerung mit sky- 



1125 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1126 

thisehen Elementen (scheinbar etwa 80 v. H.). ist er nirgends nachweisbar. Die wenigen Falle, 

Eine genaue Feststellung ist deshalb unmoglieh, in denen ein solcher auftritt, konnen daher erst 

weil die Form des Namens auf die Nationalitat aus romischer Zeit stammen; auch da ist im 

des Tragexs keinen RuckschluB zulaBt; Sncoxd- einzelnen nicht bekannt, ob unid wieweit Rom den 

yavog "AvrKpcovrog (I ^Q) und 'AqIotcov OvaQya- Gemeinden eine selbstandige Organisation mit 

M>cov (I 56) sowie zahlreiche andere Beispiele freigewahlten Beamten gewahrt hat. Es laBt sich 

zeigen, dai3 in derselben Familie beide Sprachen nur feststellen, da6 an manchen Orten ein S'. 

zur Namensgebung gebraucht werden. I&e Ver- vorkommt, aber nicht, welche Befngnisse er ans- 

mischung kann aber noch nicht alt sein, denn geiibt hat. Sie konnen daher an verschiedenen 

fiii die skythische Namensform hat sich fast 10 Stellen jedesmal etwais anderes bedeuten und 

noch nie eine feste griechische Schreibweise ein- kntipfen vielleicht mitunter an die friihere Stam- 

gebiirgert (s. EaQo^orog I 80, KaQa^zog 1 52, mesordnung an, die in eine stadtische umge- 

KoLQaoxog I 55). Bei der Zeitbestimmung (vgl. wandelt worden ist. 

Latyschev Ohronologie, russ., sehr vorsich- K y p r o s kommt fur gewahlte S. erst in 

tig, aber zu etwas friihem Ansatz geneigt) ist romischer Zeit in Betracht. 

davon auszugehen, daB I 97 (erster Archont 166. A math us. EhrenbeschluB ftir einen 

KaUtoMvrjg Adbov) in die Zeit von 196 bi| 198 S., Bffi 975. 

fallt. Danach sondem sich vier Gruppen von In- Syrien. 

schriften (nach den Generationen, nicht immer 167. Ei tha (el-Hit in Palastina). GIG 4995 

ganz sioher), von denen die alteste in die Zeit 20 eponymer 8. LW III 2120. 

Hadrians (ungefahr 127 — 129) fallt, die zweite 108. Dasselbe in einem andern Ort(Sehoba), 

etwa in die J. 153—167, die dritte 190—199, die GIG 4601. 

vierte 225—231; zur ersten gehoren I 52. 55. 64, 169. Bala nai. Friiherer S.AM X 170. 

zur zweiten I 57. 80. 50 (add.). 72. 54. 63. 56. 59. 170. Palmyra. GIO 4483 c= Syll. or. 40 

58. 65. 67. 71, zur dritten I 72. 68. 87^ (add.). EhrenbeschluB ftir Zenobis vom J. 554 (sel.) = 

84. 60. 69, zur vierten IV 15. I 85. 53. m + 86. 232 n. Chr. Andere Inschriften mit S. GIG 4484. 

61. 70. 68i (add.). 74. 4485 = Syll. or. 646, vgl. GIG 4496 vom J. 577 

164. Gorgippia. Eine Biirgerliste aus (sel.) = 255 n. Chr. 

dem 3. Jhdt. n. Chr. gibt an zwei Stellen (IPE 171. Rama. Ehrendekret fiir Odainathos, 

II 402. 404) vor dem Namen eines Biirgers {Tei- 30 LW III 1236. 

fio'&sog Wi ... '&a, der andere ist abgebrochen) 172. Ha bib a. GIG 4560 Collegium von drei 

die Amtsbezeichnung S. Offenbar wurden diese Mitgliedern (unter Marcus). 

S'.;, solanlge die iStadt ihre Selbstandigkeit be- IV. Die Wes tgriechen. 

wahrte, von der Burgerschaft gewahlt, aber seit- a) In U n t e r i t a 1 i e n bringt der Beginn 

dem sie zum Bosporanischen Reiche gehorte, vom der hellenistischen Zeit den Griechenstadten eine 

Konige ernannt (vgl. u. Tanais). Uber ihre Zahl kleine Ruhepause (326 — 304) in ihrem Ringen 

in der Zeit der Freiheit laBt sich nichts Bestimm- mit den andrangenden einheimischen Volkem, die 

tes vermuten, aber es gab jedenfaUs mehrere durch innere Kampfe ausgefiillt wird. Von die- 

(s. Olbia); der Konig ernannte nur einen jahr- sen wichtigen Geweinwesen, die politisch von An- 

lich. DaB der S. Burger der Stadt war, zeigen 40 fang an auf verlorenen Posten standen, kulturell 

die Listen. aber die starksten Einwirkungen im Reeht (dgQa- 

165. Tanai,s. In der Inschrift eines Weih- pcov, vavriKog roxog), in der Sprache, der Lite- 
geschenkes IPE II 423 vom J. 193 bezeichnet ratur (Alphabet, Poesie), in der bildenden Kunst, 
sich Zrjvcov Zrivcovog Ad6a (GroBvater), der Sohn in der Wissenschaft auf ihre Umwelt ausgetibt 
des Zrjvcov Adda Eviov, als o. TtoXsircov s^cTtsfiqp- haben, sind uns weder ihre inneren Einrichtun- 
'd'slg vno rov ^aodscog (Sauromates II 174/75 bis gen noch ihre auBere Entwicklung naher bekannt, 
210/11) slg to sfjLTioQtov. Das laBt sich nicht und von den lei tenden Personlichkeiten sind meist 
anders verstehn, als daB der Konig den S. der nicht einmal die Namen tiberliefert; nur das Er- 
Stadt aus der Zahl der Biirger bestellte. Die gebnis steht f est, der AnschluB an Rom, der tiber- 
Griechenstadte im Bosporanischen Reich hatten 50 all toils freiwiUig, toils gezwungen, im Laufe des 
ihre eigene Organisation unter den alten Behor- ersten halben Jahrhunderts (Neapel 326, Tarent 
den behalten; nur die lei tenden Stellen wurden 272) dieser Zeit erfolgte. In den Kampfen mit 
durch konigliche Ernennung besetzt. Die Tatig- den Nachbarstammen miissen liberall S. an der 
keit des S. erstreckte sich bei der gefahrdeten Spitze der griechischen Aufgebote gestanden 
Lage der Stadt vor allem auf das militarische Ge- haben. Berichtet wird davon so gut wie gar 
biet, wie die Inschrift zeigt. Zenon nennt vor nichts; aber da wir auch von Sicilien in dieser 
seiner eigenen Strategic drei Manner, unter denen Hinsicht nicht viel mehr wissen, obwohl uns aus 
er gekampft hatte, darunter seinen Vater; sie Tauromenion eine lange Liste von S. inschrift- 
sind also ebenfalls als S. anzusehn, haben aber lich erhalten ist, von denen die literarische Uber- 
wohl nacheinander befehligt, so daB es nur einen 60 lieferung nicht ein Wort meldet, laBt sich fiir 
S. jedesmal gegeben hat. Die Amtsdauer betrug jede hellenische Gemeinde das Bestehn einer sol- 
dann ein Jahr (vgl. Gorgippia). Vor der Unter- chen Behorde mit Bestimmtheit voraussetzen. 
werfung durch die bosporanischen Konige wur- Ihre Befugnisse miissen anfangs ganz oder vor- 
den die S. (ein Collegium) jedenfaUs gewahlt. wiegend auf militarischem Gebiete gelegen, aber 

g) Im r i e n t ist der S. als koniglicher Be- gleichzeitig den Tragern des Amts einen starken 

amter (Vorsteher der Bezirksverwaltung) aUge- EinfluB auf die allgemeine Politik des Staates 

mein verbreitet; aber als Organ der stadtischen gewahrt haben. Ob und wie lange es noch unter 

Selbstverwaltung, sofem es eine solche dort gibt, romischer Herrschaft S. mit veranderten Obliegen- 



1127 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1128 

heiteii geg-eben hat, ist nicht einmal andeutungs- schenraum von 5 Jahren wiedergewahlt werden 

weise liberliefert; aber die Tafeln von Tauro- durf te, vgl. C i a c o r i Storia della Magna Grecia 

menion lassen uns ahnen, dafi der letzte grie- II 354. Die Erklarung der Worte 8ia nsvxe hcbv 

chische S. erst mit der tJberfuhrung einer romi- oxQatriyelv ist durch den Gegensatz wot' s^scvm 

schen Kolonie ans den Grieclienstadten verscbwun- avvsxcog tovg avzovg oxQaxriyeiv gesichert, ebenso 

den ist. Das wenige, was von SI bekannt ist, ist durch die Nachahmung dieser Vorschrift in Tau- 

folgendes. romenion, wo sie tiber 1^/2 Jahrhunderte genau 

173. Tarent (TaQag). DaB Tarent S. hatte, befolgt wurde. Der Gesetzgeber seheint dabei 
wird Diog. Laert. VIII 79 ansdrlicklich bezeugt; einen Mittelweg zwischen dem ganzlichen' Verbot 
an dieser Stelle wird gleichzeitig mit Riicksicht 10 der Iteration (wahrscheinlieh in Tarent) und der 
auf Archytas bemerkt {xcov aXXcov f/,rj nXeov hi- unbeschrankten Wiederwahl (in Athen) einge- 
avxov oxQaxrjyovvxcov 8ca xo ticoXvsiv xov vofytov), schlagen zu haben. Diese gesetzliehe Beschran- 
da6 ein gesetzliches Verbot bestand, langer als kung wuiide nach Aristot. a. 0. spater aufgehoben. 
ein Jahr lang S. zu sein, vgl. Ciaceri Storia Uber die Zahl der S. ist nichts liberliefert; aber 
della Magna Grecia II 446. Die Vorschrift kann nach dem Beispiel von Tauromenion ist anzu- 
so aufgefafit werden, da6 eine Wiederwahl ohne nehmen, daB es jahrlich zwei waren. tJber ihre 
amtsfreie Zwisehenzeit untersagt war, aber auch Tatigkeit ist nichts bekannt. 

— und das ist nach dem Zusammenhange und b) In Sicilien bildet das Zeitalter Alex- 

nach dem iiberstarken demokratischen Charakter anders keinen Einschnitt: idie alten Kampfe 
der Verfassung (Strab. VI 280 ot ToQavtlvoi 7ia-&' 20 dauern fort, zwischen Hellenen und Karthagern 

v7i8Q§oXriv jzolixevofyisvot brKioKQaxiKwg) das Wahr- wie zwischen den hellenischen Gemeinden unter- 

scheinlichere — , daB das Amt keinesfalls mehr einander. Unter diiesen Umstanden ist das Amt 

als einmal auf ein Jahr lang bekleidet werden der S. auch weiter nnentbehrlich, und der SI 

durfte. Wie das Beispiel des Archytas zeigt, avxoxQaxcoQ ist nach wie vor die Vorstufe zum 

wurde das Gesetz nicht immer streng eingehalten, Tyrannen, 'der sich nach dem Vorbilde der Dia- 

ohne daB es rechtlich aufgehoben wurde. tJber dochen eine groBere Territorialherrschaft zu er- 

die Zahl ider S. ist nichts liberliefert; doch ist werben strebt. DaB es neben oder unter dem 

nach dem Beispiel Spartas (zwei Konige) und der Tyrannen nach S w b d a Sltaatsaltert.^ 86, 4 

anderen Griechenstadte in Unteritalien (Rhegion, keine S. gegeben haben kann und die Bezeich- 
Thurioi) anzunehmen, daB es zwei waren, obwohlSOnung S., die in don Quellen (Diod. XIX 102, 2. 

ta,tsachlich stets nur von einem die Rede ist. In 103, 5. Polyain. V 3, 2) fiir Unterfeldherrn des 

der hellenistischen Zeit werden 303 Kleonymos Agathokles vorkommt, miBbrauchlich ist, ent- 

von Sparta Diod. XX 104, 1 und 281 Agis Zonar. spricht den istaatsrechtlichen Verhaltnissen schwer- 

VIII 2 genannt, der als Romerf round wieder ab- lich. Eine groBere Territorialherrschaft, die unter 

gesetzt wurde. Da nach der Weihinisehrift von Umstanden gegen zwei Fronten und auf verschie- 

Dodona Syll.^ 392 {Baodsvjg nvQQo[g Ttal 'Ansi- denen Schauplatzen zu kampfen hat, braueht ge- 

Qco]xai xal T [aQavxTvoi] and Tcofxalcov 7<al radezu S. mit einer weitgehenden Vollmacht; 

GVfAfjidxcov Ait Natcoi) Tarent noch bei Hera- allerdings kann es fraglich sein, ob sie vom 

kleia 281 gegen Rom ein starkes eigenes Heer Volke fiir eine bestimmte Zeitspanne gewahlt 
ins Feld steUte, muB dieses noch ein eigenes 40 oder vom Tyrannen (Konig) ohne Beschrankung 

Kommaado gehabt haben, d. h. von dem S. von ernannt und abberufen wurden. An eine Gleich- 

Tarent bef ehligt worden sein, vgl. Ciaceri III stellung oder Nebenstellung neben dem Tyrannen 

(1932) 50. (Beloch L'impero 24) ist allerdings nicht zu 

174. In Kroton werden S., die vom Volke denken; ihr Recht beruht auf der Ernennung 
gewahlt wurden, durch Diod. XIX 10, 3 bezeugt: durch ihren Auftraggeber und seiner Machtstel- 
KQoxcovidxai . . . ndgcova koi Mevsdrjf^ov . . . lung. AuBerdem gibt es auch S. aus eigenem 
G-ovg sxeiQoxovrjoav (im J. 317 v, Chr.). Gro- Recht, die staatsrechtlich heimatlos sind, tatsach- 
fier Gesch. u. Altert. der Stedt K. 104 weiB lich aber als kriegfuhrende Macht anerkannt wer- 
nichts von Amtern des Kriegswesens. Die genann- den, wie die Fiihrer {^yovf^evoi) der Verbannten 
ten S. kampften gegen die von der Demokratie 50 (Diod. XX 57. 79) oder der Soldner (ebd. XX 
verbannten Oligarchen, die Thurioi als Stiitz- 69, 3); ihre Befugnisse reichen so weit, wie sie 
punkt benutzten, und vemichteten sie vollstandig sich durchzusetzen vermogen, und sie gelangen 
(ndvxsg [xaxofjievoi ^caxeocpdyrjoav); es handelt sich unter Umstanden anch einmal zu einer rechtlich 
also hier noch um ein rein militarisches Kom- begrlindeten Stellung. Vielfach entziehn sich die 
mando. Ob die Zweizahl der S. der verfassungs- Verhaltnisse und Vorgange jeder staats- oder vol- 
maBigen Ordnung entsprach oder hier nur die kerrechtlichen Form, doch finden sie ihre Par- 
beiden (von mehreren) genannt werden, ist aus allele in anderen Zeiten und Landem (Italien der 
dem Zusammenhange nicht ersichtlich; doch Renaissance, RuBland nach dem Weltkrieg). Erst 
seheint nach dem Wortlaute des Berichts die der tfT^ergang der Romer nach Sicilien und die 
erste Annahme wahrscheinlicher. .Auch hier ist 60 Vertreibung der Karthager fiihrten eine feste 
das Amt eines S. das Sprungbrett zur Tyrannis, politische Neuordnung herbei; seitdem kommen 
denn Menedemos wird spater als Herrscher von die S. nur noch in den freien Stadten vor, wo 
Kroton bezeichnet (Diod. XXI 4). sie sich mit Verwaltungsgeschaften und vielleicht 

175. In Thurioi, dessen Gesetzgebung auf mit der militarischen Ausbildung der Epheben 
Protagoras zuruckgeftihrt wird (vgl. Menzel befassen; in den abhangigen Stadten findet sich 
Ber. Sachs. Ges. LXII 191ff.), war nach Aristot. keine Spur mehr von ihnen. 

Polit. Vin 8, 1307 b, 7ff. die gesetzliehe Bestim- 176. In Syrakns (vgl. H ti 1 1 1 Verfassungs- 

mung getroffen, daB ein S. erst nach einem Zwi-" gesch. von Syrakus 1929) hat man zu untersehei- 



1129 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistiscli) 1130 

den zwischen den S. unter der Demokratie und ftihren fremde Gesandte in den Rat (Liv. XXIV 

denen unter der Tyrannis oder vielmehr, da for- 23) oder verhandeln selbstandig mit ihnen (ebd. 

mell auch unter dieser die Demokratie forfbestand 27); wenn sie freilieh auf eigene Verantwortung 

(Diod. XX 79, 2) und der Konigstitel nicht an dab^i eine Entsclieidung trelfen und Verpflich- 

der Herrsohaft tiber Syrakus haftete, zwisehen den tungen fur die Stadt ubernehmen (ebd. 33), so 

ordentlichen S. einerseits, den auBerord^ntlichen tiberschreiten sie ihre Befugnisse. Die S. fiihren 

mit selbstandiger Gewalt und den ihnen unter- ferner den Vorsitz in der Volksversammlung, wie 

stellten andererseits. Lei der ist das vorhandene frtiher (Thuk. VI 41, 1. Diod. XI 92, 2), so auch 

Quellenmaterial in staatsrechtlicher Hinsicht in der letzten Zeit der Demokratie (Liv. XXIV 
wenig ergiebig; das liegt hauptsachlich an den 10 27); indem sie -dort ihren eigenen Standpunkt 

herrschenden Zustanden, die sich — bis auf die nachdrticklich vertreten, jedem Gegner aber das 

Regierung Hierons 11. — fast fortwahrend im Wort verweigern konnen (Thuk. VI 41, 1: xcbv de 

Zustande der Umwalzung befanden. Aus diesem otQatTjycdv elg dvaorag bXkov iilv ovdiva exi eiaos 

Grunde ist es vielfach auch schwer festzustellen, naQEhd^eiv, avtog ds utQog xa naQovxa sXs^s xotdde), 

ob einzelne Vorgange als gesetzmafiig oder als haben sie jederzeit (fie Macht, wenn auch nicht 

einfache Gewaltakte anzusehn sind. An amtlichen das Recht, eine Entscheidung in ihrem Sinne 

Urkunden tiber den Gegenstand fehlt es voUig. herbeizufuhren. Wenn durch Diokles (nach 

Im tibrigen bestand reine Demokratie von der Huttl 86) und Timoleon (ebd. 125) den S. diese 

Amtsniederlegung Timoleons bis zum Emporkom- Befugnis entzogen wurde, so haben sie sie spater 
men des Agathokles, vom Tode des letzteren bis 20 wiederenhalten. Sie sind also in Friedenszeiten 

zur Machtergreifung durch Hieron und von der als diejenige Behorde anzusehn, der rechtlich und 

Ermordung des Hieronymus bis zur Eroberung tatsachlich die aufiere und innere Leitung des 

der Stadt durch Marcellus. Die Romerherrschaft Staates obliegt. Voraussetzung daftir ist aller- 

schuf klare, wenn auch nicht bessere Verhalt- dings innere Geschlossenheit und t)bereinstim- 

nisse; unter ihr ist von S., wie das Beispiel von mung mit der offentlichen Meinung; jede Ab- 

Akragas zeigt, keine Rede mehr. weichung in oligarchischem Sinne ebenso wie 

a) Die ordentlichen S. werden vom Volke jeder Mifierf olg nach aufien fiihrt zur Einsetzung 

gewahlt (Diod. XX 79, 3). Wie groB ihre Zahl eines S. avxoxQaxcoQ. 

war, ist nicht iiberliefert; bei der Belagerung der §) Der S. avx ox gdx (oq wird ebenfalls 
Stadt durch Marcellus wurden fiir 2 Sitadtteile 30 vom Volke gewahlt (Diod. XIX 9, 4. Polyain. V 

sechs gewahlt (Liv. XXV 29, 10), was einer Ge- 37), und dioses hat grundsatzlich auch das Recht, 

samtzahl von 15 fur die ganze Stadt entspricht. ihn abzusetzen (Diod. XIX 6 — 9. lustin. XXII 

Da auch aus friiheren Zeiten sehr verschiedene 2, 9 — 12. Polyain. V 3, 7 — 8, vgl. Melber 

Zahlen dariiber angegeben werden (H ii 1 1 1 77), Jahrb. f. Philol. Sfuppl. XIV 504ff.). Auf welohen 

ist es wahrscheinlich, daB von der gesetzlichen Zeitraum er besteUt wird, ist nicht iiberliefert; 

Starke (15 schon bei Thuk. VI 72, 4) in un- wahrscheinlich geschah es auf unbestimmte Zeit 

ruhigen Zeiten abgewichen wurde und man je und zunachst zur Erledigung einer besonderen 

nach den Umstanden nur eine beischrankte An- Aufgabe (Diod. XIX 5, 5: jisxQi o.v yvrjolcog 

zahl wahlte. Wie die Volksversammlung die S. S^ovorjowoiv ol owsXrjXv&oxeg). Die Unbestimmt- 
wahlte, konnte sie sie auch wieder absetzen (Diod. 40 heit oder Schwierigkeit der letzteren brachte es 

XIX 3, 4. Plut. Tim. 37. Corn. Nep. Tim. 5). mit sich, daB der Gewahlte die Stellung lauge 

Die Ermordung von S. ohne gerichtliehes Urteil Zeit bekleiden durfte; es war auch nicht ausge- 

(Liv. XXIV 21ff.) ist natiirlich gesetzwidrig, wenn sehlossen, daB eine Wiederwahl (Diod. XIX 9, 4. 

auch im ordentlichen Recht&verfahren eine Ver- Polyain. V 3, 7) da,s Amt zu einem dauernden 

handlung vor dem Volke zulassig war. Als Amts- machte. DaB der S. a. allein steht, wie auch 

kleid trugen die S. eine Chlamys (Diod. XIX Hiittl 106 wieder annimmt, ist schon deshalb 

9, 2). Die Gesamtheit der S. bildete ein CoUe- unrichtig, well mehrfach zwei solche nebenein- 

gium, das als solches seine Entscheidnngen faBte ander stehn, so f ruber (357) Dion und sein Bru- 

und gemeinschaftlich Rechenschaft ablegte (Diod. der Megakles (Diod. XVI 10, 3), spater (269) 
XIX 9, 4); die Vorschrift sollte offenbar Gesetz- 50 Hieron und Artemidoros (Polyb. I 8, 3H., vgl. 

widrigkeiten einzelner Mitglieder verhindern, hat B e 1 o c h GG IV^ 2, 278), und Agathokles zuerst 

aber diesen Zweok nie erfiillt. Die S. haben im nur ein Teilkommando als S. a. erhalt (Marm. Par. 

Frieden die gesamte Militarverwaltung zu leiten, B ep. 12 c= IG XII 5, 444: "Ayad'OxXfiv I!vQa?c6- 

d. h. fiir die Instandhaltung der Befestigungen, oiot eUovxo em xwv sQVjbtdxcov xcov sv HiTieXlai 

Arsenale, Magazine usw. zu sorgen; die Offiziere, avxoKQdxoQa oxQaxrjyov). Es ist schwer zu sagen, 

die ihnen unterstehen, die Kommandeure der In- namentlich bei dem Zustande unserer "nberliefe- 

fanteriekorps — der Titel Chiliarch fur diese ist rung, was als Recht, was als bloBe Praxis zu be- 

kaum amtlich — und der Reiterabteilungen (Hipp- trachten ist. Sicher ist nur, daB der S. a. das 

arehen) werden aber vom Volke gewahlt und nur oberste Kommando fiihrt und allein die Verant- 
bei Tod oder Abgang von den S. selbstandig be- 60 wortung tragt, soweit sich eine solche praktisch 

stellt (Diod. XIX 3, 1. 4). Im Kriegsfall sollte durchfuhren laBt (Diod. XIX 9, 4). Wenn ferner 

nach der Verfassung Timoleons der Oberfeldherr Agathokles heimlich von Syrakus nach Afrika 

von Korinth erbeten werden (Plut. Tim. 38); da- geht, um Karthago anzugreifen, ebenso wenn er 

nach ist auch einmal verfahren worden (Diod. von Afrika heiirdich wieder zuriickkehrt, aber 

Xl!X 5, 1). AuBer ihren militarischen Befug- Truppen dort laBt, so muB er seine Vertreter 

nissen haben die S. auch sonst weitgehenden Ein- selbst ernennen, da eine offentliche Wahl oder 

fluB auf die Staatsleitung. Sie vermitteln den Ankiindigung den ganzen Zweck des Untemeh- 

diplomatischen Verkehr mit dem Auslande und mens vereiteln wiirde. Ebenso erfordern person- 



1131 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1132 

liche und sachliche Griinde die Bestellung der (ebd. 4). Die wiederholte Belagerimg iind Ein- 

Festungskominandanteii durch den S. a. Aber bei nahme der Stadt im 1. Punischen Krieg brach 

der Auirechterhaltung der Demokratie ist es nicht ihre Macht und ihre Wirtschaft. Unter der romi- 

wahrscheinlich, dafi alle Wahlen Mr militarisehe schen Herrsehaft hatte Akragas bestimmt keine 

Stellungen mit einem Male abgescbafft worden S., s. IG XIV 952 (urn 230). Vgl. Bd. I S. 1191. 

sind. Agathokles braueht nach seiner ersten Wahl Neuere Literatur o. unter Syrakus. 

zum S. und cpvXa^ rfjg siorjvrjg (Diod. XIX 5, 5) 178. Tauromenion. a) Aus T. ist in- 

noch eine besond-ere Erlaubnis zur Aushebung ge- schriftlich eine Liste der S. erhalten, her- 

eigneter Biirgersoldaten (ebd. 6, 1: s^ovolav eXa- ausgegeben von Bormann IG XIV 421, erlau- 

^ev dvvTtoTitcog KaxayQd(peiv ovg nQoaiQolxo oxQa- 10 tert von L a f a y e und Martin Melanges de 

ricotag, >iarayQd(psiv nur von Biirgern, s. 72, 2, I'Ecole Fr. de Rome I ( 1881) Iff., Bormann 

nicht von Soldnern), naturlich von der Volksver- Ind. lect. Marburg 1881, Rizzo La tavola degli 

sammlung. Danach lafit sich annehmen, da6 die strategi 1893, die zusammen mit der Liste der 

Biirgorabteilungen unter gewahlten S., die Sold- Gymnasiarehen (IG XIV 422) und den Berichten 

ner unter ernannten gestanden haben. Die letzte- der Finanzbeamten (ebd. 423 — 430 = SGDI 

ren waren stets zahlreicher (s. Diod. XIX 72, 2, S. 243 — 276) ein umfangreiches Material bietet. 

vgl. Hiittl 132, 15), so da6 der S. a. tatsach- Der Stein, 1,55x0,405x0,3 m groB, ist auf 

lich der Btirgerschaft tiberlegen war. Es ist fer- 3 Seiten beschriftet. Die I. (Schmalseite links) 

ner selbstverstandlich, daB dem S. a. alle Befug- besteht aus 2 Spalten; die eine hat die Uber- 
nisse zustehn, die sonst das GesamteoUegium 20 schrift A (besondere Zeile). HxQaxayol bia nsvxs 

hat, also der Verkehr mit dem Auslande, der execov und die Liste von 48, die zweite die der 

Vorsitz in der Volksversammlung, das Recht der folgenden 50 Jahre (A 1 — 98), alles ist von der- 

AntragsteUung bei Rat und Volk. Das schlieBt selben Hand eingemeiBelt. Die einzelnen Jahre 

nicht die Befugnis mit ein, selbstandig Staatsrver- werden durch eni mit dem Namen eines Beamten 

trage mit auswartigen Maehten abzusehlieBen, im Genetiv ohne weiteren Zusatz bezeichnet; 

Gesetze zu geben, das Biirgerrecht zu erteilen, darunter stehn, jeder in einer Zeile, die Namen 

Grundbesitz einzuziehn und zu vergeben, aUcs von zwei S. (im Nom.) mit Beifiigung des Vaters- 

Akte, zu denen Kahrstedt Gr. Staatsr. I 366 namens. Nur ganz ausnahmsweise ist zur Unter- 

und nach ihm Hiittl 127 den S. a. aus eigenem scheidung gleichnamiger Personlichkeiten das 
Recht fiir befugt halten. Alle diese Entschei- 30 Demotikon angegeben; dagegen wird stets die 

dungen stehn nie dem S. zu, auch wenn er a. Iteration vermerkt. Die II. Seite (rechte Stehmal- 

ist, sondern sind Sache des Volkes; wenn die seite) bringt in groBeren Buchstaben auf 56 Zei- 

tJberlieferung sie einem einzelnen zuschreibt, so len die Liste von 14 Jahren (D 1 — 14); hier ist 

kann dieser nur der AntragsteUer sein, wahreud jedes Jahr besonders eingetragen, im 13. Jahr 

die endgiiltige Annahme, wie bei jeder Gesetz- sogar der Tod des einen S. von anderer Hand. 

gebung, nur vom Volke rechtsgiiltig beschlossen Bei der Jahresbezeiohnung ist dem Namen des 

werden kann. Das scheinbare Rechtsverfahren Eponymos stets der seines Vaters hinzugefiigt. 

gegen Peisandros und Diokles sowie die damit Jeder S. ist auBer durch den Vatersnamen vom 

verbundenen Mordtaten und Plunderungen (Diod. 3. Jahre ab regelmaBig durch das Demotikon ge- 

XIX 6) sind schlieBlich reine Gewalttaten, die 40 kennzeichnet. In 8 Jahren ist auch der 'yQa/A,fia- 
sich unter Verachtung selbst der einfachsten ge- xsvg vermerkt. Die III. Seite (vordere Ijangseite) 
setzlichen Formen voUzogen und dem S. a. nur enthalt nur noch wenig leserliche Reste. Die 
die unbeschrankte Macht und die notigen Mttel erste Spalte links ist die Fortsetzung von Seite I, 
in die Hande spielen soUten. Das Miinzrecht, das bringt aber nur noch die Liste von 3 Jahren und 
Agathokles erst in Gemeinschaft mit der Stadt, ist in jeder Hinsicht so angelegt wie die I. Seite. 
spater allein ausiibt (Holm Gesch. Siciiiens II Links unten ist noch ein Jahresbericht erkenn- 
446. HI 615. Head HN^ 182. Giesecke bar, der sich in der Anlage nach der II. Seite 
Sicilia numismatica 89ff. Hiittl 133), muB ihm richtet. Rechts von der 1. Spalte beginnt etwas 
wie spater Hieron (Head 184. Giesecke 132. hoher eine zweite (mittlere) mit Resten von 
Hiittl 135f.) gesetzlich iibertragen oder von 50 3 Jahren; sie verbreitert sich nach unten, wo 
ihm ohne gesetzlichen Akt in Anspruch genom- der letzte Jahresbericht wieder lesbar ist und sich 
men worden sein; zu den Befugnissen des S'. a, bis zur rechten Xante erstreckt. Reohts von der 
gehort es nicht. 2. (mittleren) Spalte stand noch eine dritte, die 

177. In Akragas, das infolge der Zufiih- nicht bis zum unteren Rande gereicht haben kann, 

rung neuer Siedler durch Timoleon sich wieder well dort kein Platz mehr war; davon sind nur 

kraftig genug fiihlte, mit Syrakus um die Fiih- einige Buchstaben erhalten, ioh erkenne nur 

rung der Griechen in Sicilien zu wetteifern (Diod. [^Q]v[v]iog. Offenbar beginnt die Anlage einer 

XX 31, 2), scheint die Verfassung der von Syra- neuen Liste nach der Zerstorung alterer Denk- 
kus ahnlich gewesen zu sein. Wenn die tTber- maler mit Seite III, wo die Namen der S. Jahr 
lieferung stets nur einen einzelnen S. dort nennt, 60 fiir Jahr eingetragen wurden. Sehr bald wurde 
so ist das entweder derjenige aus dem Collegium, die Liste der friiheren S. auf Seite I nachgetra- 
dem der Oberbefehl iiber das Heer iibertragen gen und in der 1. Spalte von S. Ill fortgefuhrt. 
wurde, oder ein S. avxoHQaxcoQ^ der leicht seine Als S. II voU war, wurden die Eintragungen 
Stellung zu einer dauernden machen konnte. auf der Seite III Spalte 1 fortgesetzt, genau so, 
Jedenfalls hatte das Volk das Recht, ihn zu wie in der Liste der Gymnasiarehen auf Seite III 
wahlen (Diod. XX 31, 5) und abzusetzen (XIX unmittelbar nach dem Jahre A 97 das Jahr D 6 
71, 5). Solange er im Amt war, hatte er eine kommt. Auf die 1. (linke) Spalte folgte die mitt- 
weitgehende Verfiigung iiber die Staatsmittel lere, dann die rechte. Ob und wie die Liste spater 



1133 Strategos (hellenistiscli) Strategos (hellenistisch) 1134 

fartgefiihrt worden ist, entzieht sich unserer 423 — 430 fallen ziemlich genau in die J. 99 — 94 
Kenntnis. v. Chr. — eine Yersehiebung um je ein Jahr 
P) Die Z e i t, in der die Neuaufzeichnnng ware moglieh — , da sie nach einex Zeit der Ei- 
der S. nnd die Wiederherstellung der alten Liste schiitterung (2. Sklavenkrieg) eine ruhige Ent- 
erfolgte, ist verhaltnismaBig leicht zu bestimmen: wicklung zeigen, in der die drei octcovta wieder 
es ist der Sturz der Slklavenherrschaft im ersten aufgefiillt werden nnd unangetastet bleiben. Da- 
Sklavenkriege (132). Doch ist als erstes Jahr der mit steht in Einklang, da6 ein lA.(jL(jLwviog Haga- 
neuen Liste (D 1) nicht mit B o r m a n n 23 und mcovog als Prytane im 12. Monat des J. VI 
Rizzo 21ff. das J. 132/31, sondern erst das (= 94/93 v. Chr.) erseheint (IG XIV 430), dessen 
neue Amtsjahr 131/30 anzunehmen. Sbhwerer ist 10 Vater Sarapion im J. 132 als Syrer, d. i. Sklave, 
der Beginn der ersten Liste festzustellen, den die Burg von Tauromenion den Romem iibergab 
Bormann 22 und nach ihm Rizzo 33 auf 263 (Diod. XXXIV 2, 21); dieser mu6 als Belohnung 
berechnete, das Jahr des Biindnisses Roms mit die Freiheit und ein gutes Stiick Land erhalten 
Hieron II. von Syrakus. In Wirklichkeit bildet und bald danach geheiratet haben, so da6 sein 
dieses Ereignis keinen besonderen Einschnitt in Sohn bereits in den Rat der Stadt eintreten 
der Geschiohte von Tauromenion, da die Besitz- konnte. Es ist demnach das Jahr A 1 == 253/52 
und Verfassungsverhaltnisse unverandert fortbe- v. Chr., D 1 = A 122 = 131/30 v. Chr., I (Ep. 
standen. Bei der Berechnung des Jahres A 1 ist Apollodoros IG XIV 423) = D 33 = A 154 = 
mit Bormann davon auszugehn, dafi nach 99/98 v. Ohr. anzusetzen. Von den Resten auf 
Wescher-Foucart Inscr. Delph. p. 18 20 Seite III der Liste gehoren die Angaben der linken 
nr. 11 'Ayd'&aQxog Mevcovog von Tauromenion Spalte in die Jahre D 15 — 19 (1. u.), die der mitt- 
zwischen 168 und 157 v. Chr. Proxenos von Del- leren (o. Mitte bis u. r.) in die Jahre D 20 — 33, 
phoi geworden ist. Dieser Agatharchos war im die der rechten in 'die folgenden. 
Jahre A 86 Gymnasiarch (IG XIV 422) und ent- y) Als Anfang des Jahres von Tauromenion 
stammte einer angesehenen Familie, denn sein nimmt Bischoff o. Bd. X S. 1579 den 21. De- 
GroBvater lAysag Mevcovog war dreimal S. (A 22. zember an. Das ist nicht moglieh. Die Finanz- 
31. 43), sein Oheim ^dioricov 'Aysa zweimal berichte der Stadt geben den Eingang von Boh- 
(A 64. 74), und auch sein jungerer Vetter ^di- nen stets fur den letzten Monat des Jahres an 
aticov ^diorlcovog SnoQ einmal (A 94). Er muB (vielleicht einmal in einem Schaltjahr fur den 
also etwa mit 30 Jahren Gymnasiarch gewesen 30 vorletzten). Auch die Bareingange bia TicoXrj/^d- 
und ein oder zwei Jahre danach gestorben sein, rcov kommen nur im letzten Monat vor. Bei die- 
denn S. ist er nicht mehr geworden. DaB er als sen Verkaufen kann es sich aber nur um Getreide 
junger Mensch von 20 Jahren die Proxenie von handeln, das ebenfaKs als Teil (wie in ganz Sici- 
Delphoi erhalten hat, ist ausgeschlossen; das kann lien) vom Ertrage eingeliefert wird; Konfiska- 
fruhestens im Jahr seiner Gymnasiarchie oder tionen oder ahnliche MaBnahmen muBten sioh 
ein Jahr darauf geschohn sein. Setzt man da- uber das ganze Jahr verteilen. Wenn die Natural- 
nach seine Proxenie ins J. 167, so ist A 1 = abgaben im letzten Monat des Jahres erhoben 

253 V. Chr. Das paBt gut zum Verlauf der ge- werden, so muB dieser dem Juni/Juli entsprechen, 
schichtlichen Ereignisse. Die Romer eroberten wie auch Verres die Einlieferung der decuma 

254 Panormos; die Stadt wurde libera und m- 40 vor dem 1. August angeordnet hat (s. Art. Tri- 
munis, aber sine foedere (Cic. Verr. Ill 13). Letz- b u t u m). 

teres erklart sich daraus, daB nach Vertreibung d) Betreffs der Amtsdauer der S. enthal- 

der Karthager in Panormos kein Vertragspartner ten die tTberschrift {otQarayol did nevxs hecov) 

fiir Rom vorihanden war; die Stadt muBte sich und die Jahreslisten anscheinend einen unlosbaren 

erst eine neue Verfassung geben. Das konnte ein Widerspruch. Fur eine funfjahrige Amtsdauer 

Anreiz fiir die ubrigen Stadte Siciliens sein, auf spricht Cic. Verr. II 139 liber den Census, der in 

die Seite Roms zu treten; wenn Hieron von Syra- Sicilien alle 5 Jahre stattfand; daB aber die Liste 

kus die ihm untertanigen Stadte in der Hand jahrliche S. und nicht funfjahrige voraussetzt, hat 

behalten wollte, muBte er auch ihnen Autonomie Bormann Ind. lect. Marb. 1881/82 S. 11 und 

zugestehn. Wahrscheinlich gehort in denselben 50 im AnschluB an ihn Rizzo Tavola degli s. 6ff. 

Zusammenhang der ErlaB der lex Eieronica, die durch Hinweis auf die Zahl der Angaben, die 

den Untertanen einen sicheren Schutz gegen Zwischenraume der Iterationen und die Liste der 

tJbergriffe bei der Erhebung des Zehnten ge- Gymnasiarchen nachgewiesen. Wenn Lafaye 

wahrte (ebd. 20). Mit dem Ansatz A 1 = 253/52 Melanges d'archeol. de Fficole fran?. (1881) 24 

stimmt es auch uberein, daB TJq/^cov ^dsa S. in die Dberschrift nur auf die ersten Paare von S. 

den Jahren A 12 und 29 war, dessen Vater, der beziehn wiU, denen dann einjahrige folgen, so 

fjLTjxaviHog Phileas, nach Athen. V 43 fiir Hie- ware eine solche Auslassung einer zweiten tJber- 

ron II. ein Schiff mit Geschenken an Ptolemaios schrift nach hochstens 5 Paaren kaum glaublieh. 

Philadelphos vom Stapel lieB (also zwischen 270 Auch die Losung, die Martin ebd. 25 und 
und 261, wohl naher an 270). Weiter herab- 60Bormann 12 vorschlagen, daB zu einem Col- 

gesetzt kann der Beginn der Liste der alteren legium von 8 oder 10 Mitgliedern jahrlich 2 zu- 

S. aber auch nicht werden, da ein 'AnoXXcbviog gewahlt wurden, wahrend 2 andere ausschieden, 

AnoXXcovlov Eponymos D 3 c= A 124 und sein scheint nicht annehmbar, denn — abgesehn da- 

Vater dasselbe A 100 war; eine ahnliche DiSe- von, daB eine solche teilweise Emeuerung dem 

renz zwischen dem Amtsjahr des Vaters und des Altertum fremd ist — kommt es mehrfach vor, 

Sohnes (24 J.) findet sich nur noch bei Epigenes daB S. 2 (A 90. 92; A 89. 91; A 68. 70), 

(S. 32) und Eudamidas (S. 54), sonst ist sienidit 3 (D 3. 6) oder 4 Jahre spater (A 71. 75. 84. 88) 

sehr viel groBer. Die Finanzberichte IG XIV Gymnasiarchen werden; eine solche Cumulation 



1135 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1136 

von Amtern ist aber nach jedem grieehischen unangetastet. Dafi die S. im Kriegsfall, wie ihre 

Staatsrecht ausgeschlossen. Die Erklarung des Amtsbezeichnung besagt, das Aufgebot ihrer Stadt 

scheinbaren Widerspruches zwischen "Dberschrift ftiihrteii, zeigt ihr Widerstand gegen den jiinge- 

und Liste hat von dem Bericht bei Aristot. Pol. ren Caesar 36; nach 210 werden aber kriegerische 

V 1307 b, 6ff. auszugehn, wonach in Thurioi an- Leistungen selten von der Stadt verlangt worden 
fangs die Wiederwahl zum S. erst nach einer sein. JedenMls traf sie der erste Sklavenauf stand 
Zwisohenzeit von 5 Jahren (dca nevts hcov) er- ungeriistet. Seitdem hatte sie sich vorgesehn. Ob 
laubt war (vgl. Menzel Ber. Sachs. Ges. 1910, die S. im Rat und in der Volksversammlung den 
206fE. 214) und erst spater unbeschrankt gestattet Vorsitz fiihrten oder dieser den Prytanen zu- 
wurde. Die Vorschrift entspricht genau derDber- 10 stand, laBt sich nicht feststellen; Zutritt zu bei- 
schrift vor der Liste von Tauromenion, sogar im den Korperschaften hatten sie ohne Zweifel. Ihre 
Wortlant; ferner stimmt damit iiberein, dafi hier wichtigsten Amtspflichten aber waren offenbar 
nie ein S. Mher als 6 Jahre nach einer Stra- censorischer Art (Cie. Verr. II 131); sie hatten 
tegie dasselbe Amt wieder bekleidet hat. Die jahrlich, quod omnes Sieuli ex censu quotannis 
Uberschrift bedeutet also: S., die nach 5 Jahren tributa conferunt, die Steuerlisten aufzustellen 
wieder wahlbar sind; den Gegensatz dazu bilden und alle 5 Jahre das Vermogen der Burger neu 
Beamte, die nur einmal gewSilt werden dttrfen. einzuschatzen. Da6 es sich bei dieser Vorschrift 

s) Iteration ist bei der Strategie nicht nicht nur um die untertanigen, sondem auch 

selten, s. R i z z o 33ff., wahrend sie bei den ande- um die freien Gemeinden handelt, beweist ihre 
ren hoheren Amtern nicht vorkommt. Der ge- 20 besondere Erwahnung (ebd. 120). DaB Cicero die 

ringste Zeitunterschied zwischen dem einen und S. stets als Censoren bezeichnet, ist nicht nur 

dem nachsten SuAmt betragt 6 Jahre. Meist ein Hinweis auf ihre Hauptaufgabe, sondem ver- 

ist die Zwischenzeit viel langer und belauf t sich meidet auch die Verwechslung mit dem romisehen 

auf 10—14, ja bis zu 26 Jahren (A 5. 31). Acht Praetor. Wahrscheinlich lag den S. auch dieVer- 

Manner haben das Amt dreimal, ein einziger, gebung der Staatsbauten ob; Cicero stellt sie an 

AvoavdQog loobixov, viermal (A 11. 21. 27. 39) einer Stelle (II 137) mit den Adilen auf eine 

bekleidet. Wenn ein S. wahrend seines Dienst- Stufe. Ihr Werk ware demnaoh auch die Errich- 

jahres stirbt, was in unseren Listen zweimal tung des (grieehischen) Theaters. Dagegen haben 

(A 75. D 13) vermerkt ist, wurde ein anderer sie mit der Veranstaltung der aywveg nichts zu 

fiir ihn gewahlt. 30 tun; diese gehort zu den Obliegenheiten-der Gym- 

t) tJber die Amtspflichten der S. gibt nasiarchen. Bei der Verfassung von Tauromenion 

die Inschrift naturgemafi keine Auskunft; doch seheint in mancher Hinsicht das romische V'or- 

lassen sich gleichwohl einige Aufsehliisse daraus bild mitgewirkt zu haben, die Grundlagen isind 

entnehmen. Den S. lag offenbar in erster Linie aber ohne Zweifel rein griechisch. 

die Vertretung der Stadt nach aufien und im rf) Die W a h 1 der S. erfolgte durch das Volk, 

Innern ob; dafiir spricht namentlich das Auf- wie noeh in Ciceros Zeit die aller hoheren Be- 

treten alterer bewahrter Manner in dem Amt amten (Verr. II 131), wenn auch nicht mehr der 

wahrend der sehweren Zeit des 2. Punischen Ratsmitglieder (Cic. senatores). Wenn es fiir die 

Krieges (bis 209). Insbesondere kann es kein letzteren Vorschriften liber Lebensalter und Cen- 

ZufaU sein, daB die einzige vierte Strategie, die 40 sus gab (Cic. Verr. II 120), so war das nattirlich 

in der Geschichte der Stadt vorkommt, in das bei den S. erst recht der Fall. Der Unterschied 

J. 215/14 fallt, das bedeutungsvoUe Jahr des der Amtszeit zwischen Vater und Sohn betragt 

AbfaUs von Syrakus und des Anschlusses an Rom. im Durchsohnitt, wo die Familienverhaltnisse 

Unbedenklich kann der S. Lysandros als der ent- sicher feststehn, 33,8 Jahre (Rizzo 24); das 

scheidende Vertreter dieser Politik und der Be- Lebensalter, das fiir das Amt des S. verlangt 

griinder der Freiheit von Tauromenion angesehn wird, mu6 also mindestens 30 Jahre sein (Cic. 

werden. Das foedus mit Rom gewahrte der Stadt Verr. II 122). Eine Reihenfolge in der Beklei- 

nicht nur Immunitat in steuerlicher Hinsioht dung der Amter gibt es nicht; der S. wird Epo- 

(Cic. Verr. Ill 13), sondern auch Befreiung von nymos oder Gymnasiarch bald vorher, bald nach- 

der Gestellung von Schiffen (ebd. V 49. 50). Des- 50 her, auch gar nicht. DaB ein yQafjLpiatsvg der S. 

halb konnte die Stadt auch einen vertragswid- kein hoheres Amt bekleidet hat, seine SteUung 

rigen Befehl des Verres unbeachtet lassen (ebd. also von geringerem Range oder Ansehn ist 

V 86). Als Tauromenion freilioh auch gegeniiber (Rizzo 44), geht aus der Liste nicht hervor; 
Caesar Octavianus 36 seine Freiheit behaupten da nur 8 ygaiAiAaxsig bekannt sind, die samtlich 
wollte, bezahlte es einen voriibergehenden Er- der letzten Zeit angehoren (D 3. 4. 7. 8. 9. 13. 
folg spater mit seiner Existenz (s. Art. Tauro- 14), konnen ihre spateren Amter gar nicht iiber- 
menion). Die S. haben ferner das Recht, Gesetze liefert sein. JedenfaUs beweisen ihre Namen, daB 
zu beantragen; die beiden alteren Sitonia der sie samtlich Familien angehoren, deren Mit- 
Stadt, das des Eukleides und das des Phrynis glieder auch S. waren. Auch bei den Aitolern be- 
(IG XIV 423), sind jedenfalls nach den Antrag- 60 ginnen manche S. ihre Laufbahn als yQa^fA,ar€ig^ 
stellern benannt, das zweite wohl nach dem S. vgl. Soteriades A. I nr. 19. Zweifellos be- 
D 1, das erste entweder nach dem S. D 10 oder kleideten in Tauromenion das Amt des S. im An- 
(wahrscheinlicher) nach einem fruheren vor D 1. fange fast ausschlieBlich Manner aus den Reihen 
Beide waren wahrend des zweiten Sklavenauf- der groBeren Grundbesitzer; daB aber bald auch 
standes erschopft und muBten erst wieder frisch der Gewerbestand zu hoherer Geltung kam, zeigt 
aufgefiillt werden, blieben aber dann wahrend das Beispiel des Hermon S. A 12. 29. Je mehr 
der ganzen Berichtzeit und wahrscheinlich noch das der Fall war, um so umfangreicher wurde 
viel langer (s. W i 1 1 e r s Rh. Mns. LX 321ff.) die Last der schriftlichen Arbeiten, um so wich- 



1137 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1138 

tiger das Amt d^r Schrif tf tihrer. Einen Adel nicht zum Perserreich gehorten (vgl. S c h w a h n 

mit besonderen Vorrechten hat Tauromenion nie Heeresmatrikel und Landfriede 1930), kennt als 

gekannt; schon der Sohn eines Freigelas&enen Bundesorgan nur Synhedrion und Hegemon (Ps.- 

war ratsfahig (die Ratsmitglieder wurden koop- Demosth. XVII 15 tovg ovvsdQevovrag Tial rovg 

tiert, Oic. Verr. 11 120). im rfj xoivfj (pvXaxfj rsxayixevovg). AUerdings 

179. t)ber L i p a r a s. Art. Timasitheos. sieht er in bestimmten Fallen StrafvoUstreekung 

C. Staatenbiinde und Bundes- gegen einzelne Mitglieder wegen Vertragsbruehs 

staaten. vor (a. 0. 10. 16. 19), und in diesem Falle be- 

I. Allgemeines. Als beim fortschreiten- darf es offenbar eines Heeres mit einem S. oder 
den Zerfall der Weltmonarchie Alexanders die 10 mehreren solehen; aber diese handeln dann nicht 
Griechen auf bundesstaatlicher Grund- als Organe des Bundes, sondern als solche des 
lage ihre Selbstandigkeit gegen Makedonien zu Bunidesfiihrers oder der von ihm herangezogenen 
behaupten suchten, schufen sie damit nicht eigent- Staaten. Erst als der Bund dem GroBkonige den 
lich etwas Neues, sondern erweiterten nur die Krieg erklarte (vgl. Wilcken S.-Ber. Akad. 
bestehenden Stammesverbande zu groBeren Ge- Mtinchen 1917, 27. Schwahn 55), wurde Phi- 
meinschaften; ihre Bundesverfassung lehnt sich lipp a. avroKQarcoQ rfjg ml xov nsgorjv orQaridg, 
daher im ganzen durchaus an die alte Stammes- Diod. XVI 89, 3. Arrian. anab. VII 9, 5. Wah- 
verf assung an. Indem sie ein gleiches Bundesbiir- rend seiner (beabsichtigten) Abwesenheit bedurfte 
gerrecht schufen, das alien Biirgern der Einzel- er, auch in seiner Sttellung als Hegemon, eines 
gemeinden gleiche Rechte in alien Gliedstaaten 20 Vertreters; nach Analogie des Vertrages unter 
verlieh (Herm. LXVI 97), vermieden sie die Feh- Demetrios (s. u. c) muB seine Amtsbezeichnung 
ler, die friiher Sparta und Athen als Fiihrer ihrer o. vtzo rov ^aodscog ml rfjg xoivfjg (pyXaxfjg naxa- 
Symmachien gemacht batten, und hoben dureh hXsif^/Lievog gelautet haben. Als Philipp vor An- 
die (auch praktisch durchgefiihrte) Rechtsgleich- tritt des Perserzuges ermordet wurde, ging mit 
heit die allgemeine Teilnahme an den Angelegen- der Krone von Makedonien rechtlich und tatsach- 
heiten des Bundes. Zur Abwehr wider strebender lich seine Stellung als Hegemon und als o. avro- 
Krafte und partikularistischer Neigungen muBten xQarcog der Hellenen gegen den Perser auf seinen 
sie eine starke Zentralgewalt schaffen. Diese lei- Sohn Alexandros iiber (Diod. XVII 4, 9, Vgl. die 
tete nach hergebrachter Sitte der S. Die Ent- Anspielung bei Ps.-Demosth. XVII 12); in erste- 
wickMng verlauft auch hier in den verschiedenen 30 rer wurde er wahrend seiner Abwesenheit, d. h. 
Bundesstaaten ziemlich gleichmaBig. Aus demo- vom Beginn des Perserzuges an, dureh seinen S. 
kratischem MiBtrauen verbot man die Bekleidung Antipatros (s. d. Art.) vertreten, ohne Zweifel 
des Amtes zwei Jahre hintereinander; das konnte entsprechend dem Sinn und dem Wortlaut der 
nicht hindern, daB hervorragende Personlich- Vertrage. Als a. avtoxQarwQ hatte Alexandros 
keiten sich doch durchsetzten und dureh Gesin- die .selbstandige Fuhrung des Bundesheeres, das 
nungsverwandte oder dureh wiederholte eigene nicht besonders stark war und auch spater nur 
Wiederwahl ihre Politik fortfiihrten. Bei der dureh geringe Nachschtibe aus Griechenland er- 
Schwierigkeit, aUgemeine Btirgerversammlungen ganzt wurde (Schwahn 31ff.), und der helleni- 
oder auch nur Ratssitzungen ftir langere Zeit zu- schen Flotte (Syll.^ 283, 9f. to vavxiKov to rcov 
sammenzuhalten, muBte die Regierung bald em^OMXi^vcov); sie wurden beide makedonischen S. 
starkes t);bergewicht iiber die anderen Organe des unterstellt, wozu Alexandres offenbar befugt war. 
Staates gewinnen. Namentlich der EinfluB des Dementsprechend bezeichnen die Reiter von Or- 
S. beschrankte sich bald nicht auf die auBereRepra- chomenos in Boiotien, die aus dem Feldzuge nach 
sentation, sondern erstreckte sich auf die gesamte Asien gliicklich zuruekgekehrt sind (329), Alexan- 
auBere und innere Politik, die dadurch eine ge- dros einfach als ihren S. ohne jeden Zusatz 
wisse Stetigkeit erhielt. Wenn die Einriehtung (SGDI 470); sein Konigtum in Makedonien und 
schlieBlich ihren Zwcck doch verfehlte, so liegt das neuerworbene von Asien gehn sie nichts an. 
der Grund daftir teils an auBeren Verhaltnissen, Politische Rechte waren mit der SteUung als 
dom Fernbleiben (Athen) oder Widerstreben unumschrankter S. nicht verkntipft; die Grie- 
(Sparta) der groBten Einzelstaaten und der Geg- 50 chen erhalten von Staats wegen von dem Gewinn 
nerschaft der beiden groBen Bundesstaaten, Aito- des Perserkrieges an Land und Geld nicht den 
ler und Achaier, teils an der Kurzsichtigkeit und geringsten Teil. Weitgehende politische Bef ug- 
Leidenschaftlichkeit einzelner S., die aus Selbst- nisse besaB der Konig aber in seiner Eigenschaft 
uberschatzung den aussichtslosen Kampf mit der als Hegemon, in der ihn Antipatros vertrat. Ihm 
Weltmacht Rom aufnahmen und verloren. Wenn lag der Schutz ((j^vAapuT?) der Freiheit und Auto- 
Rom aus Achtung vor der griechisehen Kultur nomie der Griechen (Ps.-Demosth. XVH 8), der 
zum Teil einige der alten Organisationen und bestehenden Verfassungen (ebd. 10) gegen ge- 
mit ihnen die S. bestehn lieB und ihnen schein- waltsame Umwalzungen im Innern (15) und Ein- 
bare Unabhangigkeit gewahrte, so entsprachdem griffe von auBen (16) und der Freiheit derMeere 
keine tatsachliche Macht mehr. 60(19) ob; gegen Widerspenstige konnte der S. 

II. Zu einem panhelleni schen Bundes- mit Geldstrafen (Vertrag mit Demetrios Absclin. 
staat ist es nie gekommen, obwohl Ansatze dazu IV) und natiirlich im NotfaU mit Gewalt ein- 
gemacht wurden. schreiten, aber nur auf BeschluB des Siynhedrion 

a) Der Friedensbund, den Philipp von (ebd.). DaB Alexandros und sein S. bei den Ein- 

Makedonien nach der S'chlacht bei Chaironeia griffen, die der Redner von Demosth. XVH an- 

stiftete (Ps.-Demosth. XVH 6 oi rfjg eiQrjvYjg greift, im Auftrage des Synhedrion gehandelt 

/bisrexovxsg u. a.) und der aUe Staaten des Mutter- hatten, ist nicht wahrscheinlieh; wenigstens 

landes umfaBte sowie die Ostgriechen, soweit sie zieht der Konig bei der Zerstorung Thebens nur 



1139 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistiscli) 1140 

die gerade anwesenden Vertreter (Arrian. anab. Antigonos und Dometrios sowie mit ihren Naeh- 

I 9, 9 xoig be fisraoxovoi rov sQyov ^vfj,fAdxoig), kommen q?dla und ovfifxaxia (Abschn. I). Be&ser 

bei seinem Yorgehn gegen die Oligarchen von erhalten ist nur Abschn. Ill iiber die ovvsdQoi, 

Chios (Syll.^ 283. Arrian. anab. Ill 2, 5) iiber- ihre Tagungen, ihre Immunitat, tiber die szqo- 

haupt niemand zu Rate (Kar,st Rh. Mus. LII sdQot, ihre Aufgaben und ihre Rechenschafts- 

544ff. Wilcken S.-Ber. Akad. Berl. 1922, 110). pflieht sowie iiber die Strafgelder. Abschn. IV 

Den Krieg gegen Agis und die Spartaner ftihrt (auf der Riickseite von T) tiber die Verwendung 

Antipatros jedenfalls nicht als Vertreter des hel- der Strafgelder nennt ausdriicklich den S. Die 

lenischen Hegemon, sondern als makedonischer Schlacht von Ipsos flihrte schon ein Jahr danach 

S., denn Sparta gehort nicht zum Bunde; es war 10 zur Auflosung des Bundes. Kein einziger S. da- 

daher durchaus folgerichtig, daB das Synhedrion von (auBer den beiden Konigen) ist bekannt. 

da<s Urteil tiber Sparta wegen Unzustandigkeit III. Sonderbunde. 

(nicht mit Wilcken 112 aus Schwache) ab- 1. Der Bund der Akarnanen hatte in sei- 

lehnte. Der ErlaB tiber die Ruckberufung der ner zweiten Periode seit 314 (s. Bd. IV AS. 1196) 

Verbannten, dessen zwangsweise Durchftihrung ein Collegium von 7 S., die bei AbschluB des 

Antipatros tibertragen wurde (Diod. XVIII 9), Vertrages mit den Aitolem um 270 (Ecp. aQx- 

und die Forderung gottlicher Verehrung (Ed. 1905, 55 = Syll.^ 421) unter den Biundesbeamten 

Meyer Kl. Schriften 330. Ferguson Helle- an erster Stelle genannt werden. Da jeder von 

nistic Athens 11. Wilcken 114) gingen weit diesen einem anderen Gau angehorte, mtissen die 

tiber die Befugnisse des Hegemon und des SL hin- 20 einzelnen Gliedstaaten des Bundes gleichmaBig 

aus; man kommt geradezu zu dem SchluB, daB berticksichtigt worden sein. Die Organisation 

jetzt nicht die Hellenen den GroBkonig besiegt scheint sich nicht bewahrt zu haben. Bei der 

haben, sondern dieser Hellas unterworfen hat, Neugnindung des Bundes um 230 wurde nur ein 

das zu einer Grenzprovinz des Reiches geworden S. eingesetzt. Er ftihrte den Oberbefehl iiber das 

ist. Mit dem Tode Alexanders, der keinen regie- Heer (Polyb. V 6, 1), ohne allein zu entscheiden- 

rungsfahigen Erben hinterlaBt, erlischt der Ver- den MaBregeln befugt zu sein(Liv. XXXVI 11, 8), 

trag von Korinth rechtlich und tatsaehlich. Anti- und leitete auch die auBere Politik des Bundes, 

patros lehnte ausdriicklich die WiederhersteUung aber in Abhangigkeit von den Beschltissen des 

oder Anerkennung eines griechischen Bundes ab Rats und der Volksversammlung (Liv. XXXIH 

und wollte nur mit den Einzelstaaten Vertrage 30 16, 3. 5: Archelaos und Bianor, ^principes et 

schlieBen (Diod. XVIII 17); auch Polyperchon magistratus', wohl S. und leQanoXog-^ XXXVI 11, 

(ebd. 55f.) sprach wohl sein MiBfallen tiber das 10. 12, 2ff.). Vielleicht ftihrten sie darin den 

Vorgehn der S., d. h. des Antipatros, aus, steUte Vorsitz. DaB -sie allein (unter AussehluB der 

aber den hellenischen Bund nicht wieder her. nichtbeamteten Burger) das Antragsrecht besessen 

b) Der Bund der Griechen (Diod. XVIII hatten, ist nicht wahrscheinlich. Der S. ist neben 
11, 2: ovfAfAaxia rcov TlXXrjvcov. Syll.^ 327: hoivov dem isQcmokog eponym, s. IM 31. IG IX 1, 514. 
rcbv TJUrjvcov), den Athen nach dem Tode des Liv. XXXVI 11, 8: (Clytus praetor) pen&s quern 
Alexandros begrtindete, war zwar sicher als ein turn summa potestas erat. SGDI 1380 (kurz nach 

panhellenischer Bund gedacht (Diod. XVIII 10, 3: 200): km oxQa covog Otv[idda]. Vgl. Swo- 

trjv TJXXdSa Ttaoav Koivrjv elvai TzarQida hqIvwv 40 b d a Staatsaltert.^ 306, Andere S. bei Polyb. 

x(bv "Ellrivcov, ebd. vneQ xTJg Kotvfjg rcbv EXIy}- V 6, 1. IM 31. Liv. XXXVI 11, 8. IG IX 1, 514. 

vcov owrrjQiag) und umfaBte auch eine groBere 2. Uber den S. der A i t o 1 e r s. Bd. IV A 

Anzahl von Stammen und Stadten (aufgezahlt S. 1211. Eine Liste der S. hat Pom tow Bd. IV 

11, 1^2), aber keineswegs aUe, da sich manche S. 2673ff. zusammengestellt. Dazu ist folgendes 

auf die makedonische Seite neigten oder neutral nachzutragen: 

blieben (11, 1 rcbv 5' aXXav 'EXXrjvcov ot f/,sv uiQog 280/79 TloXvxQixog KaXXievg xb a' s. Sotiria- 

MaTisbovag dnexXivov, ot be xtjv fiovxiav elXovxo). dis A I (1915) 45ff. nr. 18 «. 

Bei der schnellen Entwicklung der Ereignisse ist 272/71 UoXvKQtxog x6 ^' Ecp. 1905 ev ox. 57/58. 

es wohl zu einer endgtiltigen Organisation niclit 220/19 HTconag xb a' s. ^ I 18 a — •d'. m. 20. 

gekommen, wenn auch ein Bundesrat (ovvebQiov 50 204/03 HKonag ro 7' zl I 19. 

Syll.3 327) gebildet wurde. Die S., die in diesem ? "AXe^avbQog 06a Tgcxovevg ^ I 21. 

Kriege genannt werden (Diod. XVIH 9: Leosthe- zwischen 216 und 213 oder 209 und 205 'AXe^ap- 

nes, 13 Antiphilos von Athen, 15 Menon von bgog AXe^o^evov TQixovevg A I 22. 23. 

Thessalien), .sind also als S. ihrer Heimatstaaten, nach 203 AcoQifxaxog xb b^ A I 24. Da in dieser 

nicht als solche des Bundes anzusehn (ebd. 17, 8). Zeit kein Raum ist, war entweder D. oder ein 

c) Eine Erneuerung des Korinthischen anderer einmal Ersatzmann. 

Bundes, jetzt auf bundesgenossischer Grundlage nach 185/84 IloXe{xaQxog Nwea Hcoo'&evevg A I 

(als ovf^juaxia), untemahm im Auftrage des Anti- 26 (da kein Jahr frei, Ersatzmann). 

gonos sein Sohn Demetrios 302; ein Exem- AoQyJvag NavnaKxiog A I 29. 30 wohl vor 221, 

plar des Bundesvertrages ist in sehr fragmentari- 60 moglich auch 216 — 213 oder 209 — 205 (es 

schem Zustande in Epidauros gefunden worden, heiBt enjl Aogmva oxQaxa[yov Navjiajfixlov 

s. Wilcken S.-Ber. Akad. Berl. 1922, 12 und entgegen der tiblichen Ausdrucksweise. 

1927, 277. Tarn Journ. hell. stud. XLII 198. XaQl^evog I. xb a' 290/89 IG IP 652, xb §' zu er- 

R u s s e 1 Rev. arch. XVH 117 gegen K a b b a - ganzen (etwa 284/83), xb / 277/76 s. Syll.3 402, 

dias Aqx. TJfprjf^. 1918, 128, der die Urkunde xb b' 268/67 s. Syll.s 421, 24. Vgl. Pomtow 

auf Philipp V. bezog. Nach dem Wortlaut schlie- Syll.3 402, 6. 

Ben ot [xexexovxeg xov ovvebQiov, deren Zahl und Xagi^evog 11. um 240/39 s. Eq). 1905, 99. Polyb. 

Namen nicht bekannt sind, mit den Konigen IV 34, 9, vgl. Pomtow Syll.^ 509, 1. 



1141 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistiscli) 1142 

XoQL^svog III, KvdQicovog Syll.^ 515. Vgl. Pom- und sollte eine einheitlichere Leitung der Ge- 

1 w Klio XV 13. schafte sichern; im iibrigen blieb die Ordnung 

Flir die J. 217 — 201 hat Pomto w Syll.^ 546 der Bundesbehorden unverandert, und das CoUe- 

eine neue Liste aufgestellt; darin ist zu andern: gium der Boiotarchen bestand unter der Leitung 

209/05 'AXi^avdQog Tqix., 204/03 Uxojtag to y% des S. fort. Es ist anzunehmen, da6 die Befug- 

203/02 AcoQlf^axog to d\ nisse des letzteren im allgemeinen denen des 

3. Der Bund der Phoker hatte nach seiner aitolischen S. entsprochen haben, vgl. Schon- 

Vernichtung und Neuordnung durch den Make- f el der Diss. Lpz. 1917, 32f. Erwahnt wird der 

donen Philipp zunacbst auch S. Als ein soleher boiotische S. Liv. XXXIII 1, 7. Polyb. XX 6, 4. 
erscheint Xanthippos Berl. Phil. W. 1912, 480. 10 XXII 4, 12. Wescher-Foucart Inscr. de 

507ff.; aus den Weihinschriften zu seinen Ehren Delphes 207 (dazu Gnaedinger 32). Liv. 

geht hervor, dafi er innerhalb der nachsten XLII 43, 9. Nach Busolt-Swoboda Staatsk. 

15 Jahre nach 285 zehnmal zum S. gewahlt wor- soU die Einsetzung des S. nach 245 erfolgt sein; 

den ist. Auch bei dem Kampfe gegen die Kelten doch ist es ebenso gut moglich, da6 sie kurz vor 

urn Delphoi werden die Phoker von zwei S. ge- ihrer ersten Erwahnung wahrend des 2. Makedo- 

fuhrt (Pans. X 20, 3). Aber bald danach muB nischen Krieges stattfand, wo auf eine einheit- 

eine Neuordnung oder vielleicht nur Umbenen- liche politische Leitung alles ankam. Aus der 

nung des obersten Bundesamts erfolgt sein. Es Zeit von 171 bis 146, d. h. bis zur endgiiltigen 

erscheinen statt der S. Phokarchen, drei an der Auflosung des Bundes, ist liber den S. nichts 
Zahl; ebenso viel SI wird es also in der Zeit ge- 20 mehr bekannt, ohne daB man daraus schlieBen 

gegeben haben, als das Amt bestand. tJber ihre diirfte, da6 das Amt wieder aufgehoben war; 

Befugnisse ist aufier dem Befehl liber das Heer der ganze Bund ftihrte in dieser Zeit nur ein 

nichts Naheres bekannt. Die Neuordnung von Scheindasein und war machtlos. Nach 146 waren 

189 fiihrte wieder S. ein. Es war abermals ein Plataiai, Thespiai und Tanagra civUates liberae 

Collegium, desen Mitgliederzahl nicht angegeben et immunes, die iibrigen Gemeinden steuerpflich- 

wird, mit einem Obmann an der Spitze, s. Ka- tig (anfangs zu Makedonia, seit Augustus zu 

zarow Diss. Lpz. 1899, 26. Das Amt konnte Achaia gehorig); an der Spitze der stadtischen 

wiederholt bekleidet werden. Auf die einzelnen Verwaltung stand in der Kaiserzeit mindestens 

Bundesglieder wurde keine besondere Riicksicht seit dem 2. Jhdt. stets ein S. (s. c). 
genommen. Auch nach der Auflosung des Bundes 30 6. T h e s s a 1 e r. tTber den Bund der Thes- 

146 und seiner Neueinrichtung unter romischer saler s. Bd. IV A S. 1230, iiber den S. und seine 

Herrschaft war der oberste Bundesbeamte ein S., Befugnisse ebd. S. 1231. Die Namen der S. sind 

aber, wie es scheint, jetzt nur als Einzelbeamter. auBer denen der ersten 18 bei Euseb. chron. I 

Er kommt noch in der Zeit Traians vor (IG IX p. 244 ed. Schoene (E.) fast nur auf Urkunden 

1, 189. 190. 191), verwandelt sich dann aber (iiber Freilassungen) erhalten, wo sie zur Datie- 

wieder in einen Phokarchen. Eine Liste der S. rung dienen; eine besondere thessalische Ara, die 

bei Kazaro w Diss. Lpz. 1899. mit dem J. 10 n. Chr. beginnt, hat keine weitere 

4. Die Epeiroten f iihrten erst nach dem Verbreitung gefunden. Die Angaben der Inschrif- 
Sturz des Konigtums (um 230) das Amt der S. ten in IG IX 2 (=: I) haben K r o o g Diss. Halle 
ein. Nach Liv. XXIX 12, 11. 12 (204 v. Chr.) 40 1908 (= K) und Kern I p. XXI Vf. zu einer 
gab es ein Collegium von 3 Mitgliedern, womit Liste vereinigt. Neues Material hat A r v a n i - 
IM 32, 36ff. (KQiGcova x6v oxQaxayov %ai rovg topulos in seinen OeooaXiHol hniyQafpal (A) 
GvvaQxovmg) sich wohl vereinigen laBt, wahrend nr. 1 — ^25 T](p. dox. 1910, 331 ff., 26 — 37 Revue 
bei Liv. XXXII 10, 2 (198 v. Chr.), in den Pra- de philol. 1911, ^123ff., 38—50 ebd. 282ff., 51 
skripten der Bundesbeschliisse SGDI 1338. 1339 —88 TJ(p. 1911, 123ff., 89—164 T)(p. 1912, 60ff., 
und in den Freilassungsurkunden ebd. 1349. 1350 165—181 TJcp. 1913, 25ff., 182—242 !E7^. 1914, 
nur ein einzelner genannt wird. Gegeniiber den 4ff. 167ff., 243—270 T](p. 1915, 8ff., 271—300 
Erklarungsversuchen von Freeman History of TJ(p. 1916, 17ff. 73ff., 301—354 TJcp. 1917, Iff. 
Federal Governments 118. Gilbert Handb. II lllff., 355—386 T^cp. 1923, 123ff„ 387—418 TJq?. 
4, 4 und Busolt Staatsalt.2 78, 8 hat Ka erst 50 1924, 142 beigebracht, dem er ebd. 1925/26, 217 
Bd. V S. 2729 die Widerspriiche der Quellen eine alphabetisehe Liste der S. seit 30 v. Chr. 
so vereinigt, dafi er den einzelnen S. als epo- folgen laBt. Dazu kommen noch Erganzungen 
nymen Vorsitzenden des Dreimanner-CoUegiums geringeren Umfangs von H a t z f e 1 d Bull. hell, 
betrachtet. Es ist anzunehmen, daB jeder der S. XXXV 231 und Woo dwar d Annals of Archaeo- 
einem verschiedenen Sitamme angehorte. Ihre Ob- logy III 145ff. (Ann.) und Journ. hell. stud, 
liegenheiten sind im einzelnen nicht bekannt. XXXIII 313. Die Miinzen (Gardner Cat^l. of 
Neben dem Oberbefehl im Kriege stand ihnen Gr. coins in the Brit. Mus. Thessaly to Aetolia. 
vielleicht der Vorsitz in der Rats- und Bundes- Mionnet Description med. ant. II suppl. Ill) 
versammlung zu, s. S w o b o d a Staatsaltert.6 konnen mit Sicherheit nur da herangezogen wer- 
315, 4. Da von besonderen Finanzbeamten nichts 60 den, wo die Amtsbezeichnung S:. hinzugefugt ist; 
iiberliefert ist, mogen sie auch die oberste Lei- sonst ist iiber die dienstliche Stellung der be- 
tung der Bundesfinanzen gehabt haben. nannten Personen, namentlich wo es zwei sind 

5. Der Bund der Boioter, der lange Zeit (oft in verschiedenem Casus), nichts Sicheres fest- 
auBer dem (geistlichen) Archon als oberste Bun- zusteUen. 

desbehorde die Boiotarchen bestellt hatte, setzte 7. "Cber das ^oivov der Perraiber (196 

spater, jedenfalls vor 197 v. Chr., einen S. als — 30 v. Chr.) und seinen eponymen S., von des- 

hochsten Beamten ein. Das geschah wahrsehein- sen Befugnissen nichts Naheres iiberliefert ist, 

lich in Nachahmung der aitolischen Verfassung s. Bd. IV A S. 1235. Eine Liste der S., deren 



1143 Strategos (hellenistiscli) Strategos (hellenistisch) 1144 

Namen ausschlieBlich durch die Datierung von libri ires 467ff . Freeman Federal Govern- 

Urkunden (iiber Freilassungen) bekannt ist, hat ment^ 468ff. Dubois Les ligues et. et ach. 

A r V a n i t o p u 1 s (vgl. 0. Thessaler) IAqx- '^<P' 162ff. N i e s e Herm. XXXV 65ff. B e 1 o c h GG 

1916, 91f. zusanimengesteUt. IV 2^, 219ff. Niecolini La confederazione 

8. Der Bund der Magneten (s. Bd. IVA achea 267ff. Ferrabino Arato 1921. 
S. 1232) hat neben einem geistlichen Oberhaupt, D. Die Konigreiche. 

dem isQsvg tov Aiog rov 'AxQalov, als weltliches 1. Allgemeines. Der S. in der Monarchie 

Oberhaupt einen S., der die Amtsbezeichnung wird vom Konige emannt, i^t aJlso nicht grundsatz- 

6 o. tcbv Mayvi]zcov oder 6 Kotvog o. (zum Unter- lich auf Befugnisse beschrankt, die das Gesetz 
sehiede von dem Collegium der S. in der Haupt- 10 ihm verleiht; aUerdings in erster Linie mit mili- 

stadt Demetrias) fiihrt (IG IX 2, 1109 = Syll.^ tarisehen Aufgaben betraut, kann er auch Ob- 

1157). Beide sind Jahresbeamte, eponym ist der liegenheiten libernehmen, die mit seinem eigent- 

geistliche Herr. Der S. tritt mehrfach teils al- lichen Amt wenig oder niehts zu tun haben. Als 

lein, teils in Verbindung mit anderen Beamten Alexandres seinen Zug nach Asien antrat, fehlte 

des Bundes als Antragsteller, bei Bundesbeschltis- ihm sehr bald das geeignete Personal, die erober- 

sen auf (aUein Rev. 6t. gr. X 280ff. IG IX 2, ten Lander zu behaupten und zu verwalten. Da- 

1100 a, mit anderen IG IX 2, 1103. 1104). tlber zu boten sich ihm zwei Wege: Militar- und 

die iiblichen Befugnisse der Bundesprasidenten Zivilverwaltung zu vereinigen, d. h. beide dem 

geht es scheinbar hinaus, daB der Priester und militarischen S. zu untersteUen, oder beide zu 

der S. auch bei den stadtisehen Instanzen der 20 trennen und die biirgerliche Verwaltung einheimi- 

Hauptstadt Antrage stellen konnen (ebd. 1109); schen Personen zu ubertragen. Beide Wege hat 

doch ihat S t a h 1 i n AM LIV 201 ff. nachgewiesen, Alexandres beschritten, aber beide hatten ihre Ge- 

dafi die Antragsteller stets Burger von Demetrias fahren. Der militarische S., der nun aUe Gewalt 

sind und als solche auftreten, wahrend ihre allein erhielt, richtete sioh meist nur nach mili- 

Dienststellung nur ehrenhalber hinzugefiigt wird. tarisehen Rucksichten — als riihmliche Ausnah- 

Das iibliche Verfahren war dabei so, daB die An- men werden Antigonos und Seleukos (s. d. Art.) 

tragsteller ihren Vorschlag zunachst den stadti- genannt — und schadigte -dadurch die Wirt- 

schen (3) S. und (4) Nomophylakes als der stadti- schaft des Landes; der einheimische Satrap, der 

schen owaQxla iibermittelten und dann der Antrag in seiner Provinz neben dem militarischen (make- 

als Vorlage der leitenden stadtisehen Behorden 30 donischen) S. nur die biirgerliche Verwaltung 

den bescMieBenden Organen der Stadt zuging. fiihrte, konnte das Interesse des Volkes und Lan- 

Als Burger konnten die Bundesbeamten bei der des leicht iiber das des makedoni schen Herrsehers 

Beratung und BeschluBfassung, die nur einen for- stellen und dadurch dieses gefahrden. Wo Alexan- 

mellen Charakter tragen, ihre Vorlage in den dros als biirgerliche Heifer geeignete Hellenen 

stadtisehen Korperschaften personlich vertreten vorfand (Kleinasien, Agypten) oder wo die Be- 

(slnav). Schwerlieh stand aber das Recht der volkerung langst an Fremdherrschaft gewohnt 

Antragstellung alien Biirgern zu. Die Verhalt- war (Syrien, Efuphratlander), konnte sich das 

nisse im Bunde lagen eben so, daB Bund und System behaupten; wo eine freie Be volkerung 

Hauptstadt fast gleichzusetzen sind und neben sich gegen die Unterwerfung auflehnte (Iran) 

der letzteren nur noch wenige unbedeutende Ort- 40 und die Griechen nicht bleiben woUten (vgl. den 

schaften vorhanden waren, so daB die Bundes- Abzug der Griechen aus den oberen Provinzen 

beamten ausnahmslos Biirger von Demetrias sind. Died. XVIII 7), muBte es versagen. Nur dort 

Spater werden Bundespriester und S. fast nur konnte sich die makedoniseh-heUenische Macht 

noch reprasentative Bedeutung gehabt haben. auf die Dauer erhalten, wo sie die Verwaltung 

Das Amt des S. konnte wiederholt bekleidet wer- mindestens bis zu den Vorstehern der Bezirke 

den, s. IG IX 2, 1119. Vgl. Fougeres Bh zu hellenisieren verstand. Das war die Aufgabe 

XIII 271; Daremb.-Sagl. V 837. Wilhelm der S., die auf diese Weise allmahlich mehr und 

Herm. XLIV 41; Beitr. z. Inschr. 145; Wiener mehr rein biirgerliche Obliegenheiten erhielten. 

Stud. XXXIV 411. Reichl Progr. Prag 1891. Diese Entwicklung entspricht derjenigen in den 

Kip Diss. Halle 1910, 87ff. Bu solt-S w o - 50 Stadten. 

bodas 1491ff. Swoboda Sttaatsaltert.6 429ff. IL Im Reiche Alexanders ist a) im 

Robert Bh L (1926) 482. Arvanitopulos Feldheer der S. Trager eines selbstandigen 

HoUjucov (Ztschr.) I (1929) 27ff. 119ff. S t a h 1 i n Kommandos, und zwar nicht nur, wie Dr o y s e n 

AM LIV 201ff. Kl. Schr. II 227 annimmt, Fiihrer einer Ver- 

9. Auch der Bund derlakonischen Kti- einigung verschiedener Kontingente, sondern 
stenstadte (Eleutherolakonen), das koivov auch einer selbstandigen Truppeneinheit, s. 
tcbv Aa^esdaijuovlcov, hatte einen S. als obersten B e r v e Alexanderreich I 202f. Solche sind 1. die 
Bundesbeamten. Dber seine Befugnisse ist niehts 6 (landschaftlichen) Taxeis der Pezhetairen, s. 
Naheres bekannt, doch werden sie sich von denen Arrian. anab. I 21, 4. 28, 3. II 7, 3. 16, 8. 
der anderen Bundes-SI. nicht wesentlich unter- 60 III 9, 3. V 25, 3. VII 9, 8; 2. die griechischen 
schieden haben. Sie sind eponym. Die einzelnen avju/Liaxoi ebd. I 29, 3; 3. die to^omi ebd. Ill 
Stadte datieren, indem sie tol ecpoQoi. tol km rov 5, 6; 4. die Thraker ebd. IV 7, 2. S. bezeichnet 
deivog otQatayov oder sm otQataycoi tcbi bslvi ferner jeden hoheren Truppenftihrer, der eine 
ihren Beschltissen voranstellen. Vgl. Kolbe IG selbstandige Heeresabteilung, eine Vereinigung 
V 1, 343 (Index). Schonfelder Lpz. Diss. mehrerer Kontingente oder ein besonderes Ex- 

1917, 113. peditionskorps fiihrt. Nach der Anderung der 

10. Tiber den S. bei den Achaiern s. Heeresorganisation im J. 330 hat der S. mehrere 
Bd. rVA S. 1258f, Vgl. Merleker Achaiorum Chiliarchien unter sich; im einzelnen ist die Zu- 



1145 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1146 

sammensetzung seitdem nicht genau bekannt. Bei also ebenfalls mit weitergehenden Befugnissen 

den berittenen Truppen entspricht dem S. der (aber erst nach dem Tode des Antipatros avroxQa- 

Hippareh. Der S. untersteht unmittelbar dem xcoq, Diod. XVIII 50) wird Antigonos fiir Klein- 

Konig, der ihn, meist nach Beratung mit den asien von Antipatros bestellt (Diod. XVIII B9, 5), 

Hetairen oder einer Anzahl von ihnen, emennt wobei der Reichskrieg gegen Eumenos und Alke- 

und abberuf t, s. B e r v e I 203f . Die meisten S. tas ausdriicklieh als Zweck ajigegeben wird, Py- 

gehoren dem makedonischen Adel an; Ausnab- thon fiir die oberen Satrapien (ebd. XIX 14, 1). 

men bilden die Griechen Nearchos, Eumenes, Der S. Lysimachos (s. Bd. XIV S. 1) von Thrake, 

Laomedon, der Lykier Pharnuches, s. d. betr. der die oberste Militar- nnd Zivilgewalt in seiner 

Art. Als S. der Pezhetairen werden genannt 10 Provinz erhalt, wei6 seinen Machtbereich allmah- 

a) Koinos, ^) Philippos "Afxvvta, Ptolemaios He- lich erheblich zu erweitern. Der S. Lykiskos von 

XevKov^ Polyperchon, y) Perdikkas, b) Krateros, Epeiros, auch als smfAeXrjrrjg bezeichnet (Diod. 

e) Amyntas, Simmias, C) Meleagros, als S. der XIX 36 nach Diyllos), vereinigt ebenfalls mili- 

griechischen ov/Lif^axoi Antigonos, Balakros, Kala- tarische und biirgerliche Befugnisse, vgl. S c h a - 

nos, der to^orai Kleandros, Antiochos, der Kreter chermeyr Klio XIX. E n B 1 i n Rh. Mus. 

Ombrion, als S. der Thraker Ptolemaios, vgl. d. N. F. LXXIV 313f!. Schwahn Klio XXIV 313ff. 

Art. b) ImBesatzungsheer sind die Trup- Jeder von diesen hat wieder andere S. unter 

pen dem Satrapen unterstellt (s. Art. Satrap); sich, die er selbstandig bestellt, so Anti- 

aber wo die biirgerliche Verwaltung Orientalen patros den Sippas fiir Makedonien (Diod. XVIII 

anvertraut war, erhalt das Kommando liber das 20 12, 2), den Polykles fiir Griechenland (ebd. 

stehende Heer ein makedonischer S. oder imoteo- 38, 2), den Polyperchon wieder fur Make- 

jzog, d. h. in den Provinzen Babylonien, Sus«iane, donien (38, 6), sein Sohn Kassandros den Kra- 

Persis, Karmanien, Medien, Parthien-Hyrkanien, teuas (Diod. XIX 50, 7), den Asklepiodoros (ebd. 

Areia-Drangiane, Baktrien. Hier haben die S. 60, 2), den Apollonides fur Argos (63, 1), Damis 

auch Verwaltungsbefugnisse tiber die neuen An- als Epimeleten fiir Megalopolis (64, 1), Polyper- 

siedlungen und leiten den Bau von Stadten, wie chons Sohn Alexandros (63, 4), Lykiskos, den 

Neiloxenos und Nikanor, Arrian. anab. IV 22, 5. frtiheren S. von Epeiros, iiber Akarnanien (67, 4. 

c) Eine besondere Ordnung ist fiir den euro- 88, 2), Philippos gegen die Aitoler (74, 3), Eupo- 

paischen Reichsteil getroffen, der Antipatros lemos tiber Griechenland (77, 6), ebenso den 

unterstellt ist; vielleicht tragt er die Amtsibe- 30 Prepelaos (Diod. XX 102, 1. 103, 1), den er 

zeichnung S. f^g EvQcojirjg, Diod. XVIII 1. Er spater dem Lysimachos zu Hilfe sehickt (ebd. 

hat weitgehende Befugnisse nicht nur in militari- 107, 1. 2. 4. Ill, 3). AUe diese S. sind in erster 

scher Hinsicht, sondern auch in der biirgerlichen Linie militarische Befehlshaber, haben aber auch 

Verwaltung einschl. des Finanzwesens, s. Curt. die oberste biirgerliche Gewalt in Handen, die 

III 1, 20. Arrian. anab. Ill 16, IQ. Plut. Alex. sich der militarischen durchaus unterordnen und 

71. Ihm ist wahrseheinlich auch die Aufsicht die Mittel fiir den Unterhalt der Truppen her- 

iiber Griechenland und die Thraker anvertraut. beischaffen mufi. Ihnen konnen wieder andere S. 

Die letzteren haben einen besonderen SI ijtl &q4- unterstellt ,sein, die sie selbst im Namen ihres 

jirjg; als solche werden der Lynkeste Alexandros, vorgesetzten S. ernennen oder dieser direkt ein- 

Memnon und Zopyrion genannt, s. Curt. X 1,43.40 setzt, so dem Lykiskos der S. Mikythos und 

Vgl. die betr. Art. Wenn Alexanders Finanz- Lysandros aus Athen, 8tatthalter von Leukas 

direktor von Kleinasien, Philoxenos, bei Plut. de (XIX 88, 5). Als S., die von Ptolemaios von 

vit. pud. 5 p. 531 A auch als S. genannt wird, Agypten bestellt sind, werden genannt Nikanor 

so ist diese Bezeichnung offenbar irrtumlich. fiir Syrien (Diod. XVIII 43, 2), Agis gegen Ky- 

III. Die Kampfe der Diaidochen waren rene (XIX 79, 2), Nikokreon fiir Kypros (79, 4), 

der Durchfuhrung einer geordneten Reichsverwal- Leonides fiir das rauhe Kilikien (XX 19, 4), meh- 

tung nicht giinstig; doch tritt dabei deutlich das rere andere S. fiir Kilikien (27, 1), Philippos, 

Vordringen makedonisch-griechischer Anschau- friiher unter Kassandros, in Sikyon (102, 2), sein 

ungen gegenuber den orientalischen zutage. Er- Bruder Menelaos in wichtigen Kommandostellen 

kennbar ist fur uns fast nur die Organisation 50 (XIX 62, 4. XX 21, 2. 47, 3), zuletzt auf Ky- 

der hochsten Verwaltungsstellen. Als oberster pros. Soweit sie ganze Lander oder Stadtbezirke 

Verwaltungsbeamter mit umfassenden militari- verwalten, sind sie auch fiir biirgerliche Ange- 

schen und biirgerlichen Vollmachten iiber ein legenheiten und in der Finanzverwaltung die 

grofieres Landergebiet (mehrere Provinzen zu- oberste Instanz. Bei Antigonos ist zu unterschei- 

sammen) erscheint der o. amoKQaxcoQ, dessen Be- den zwischen den S. im Westen, d. h. in Grie- 

fugnisse also nicht mehr, wie friiher in Athen ohenlandl und an der Kiiste von Kleinasien, und 

und im hellenischen Bunde, sich nur auf das denen im Osten. Nach Griechenland, das Anti- 

militarische Gebiet erstrecken; freilich ist die gonos angeblich befreien woUte (vgl. den helle- 

Ausiibung seiner Macht durchaus von dem Riick- nischen Bund des Demetrios, Wilcken S.-Ber. 

halt ausreichender Truppen abhangig. In einer 60 Akad. Berl. 1922, 122ff.), wahrend er es inWirk- 

solchen Stellung erscheint Antipatros in Europa lichkeit als Rekrutierungsgebiet fur seine Sold- 

(wie schon unter Alexandros, obschon damals ner brauchte, konnte er nur militarische Befehls- 

schwerlich unter dem gleiehen Titel) bei Photios- haber zum Schutze absenden; als solche erschei- 

Dexippos, auch als or. xmv Tcaxa tf)v EvQcoTnjVi. bei nen Aristodemos (Diod. XIX 60, 1. 6Q, 2), der 

Phot. -Arrian. succ. 1 bezeichnet, in Asien Eume- wieder im Namen (vtzsq) des Antigonos Poly- 

nes nach Diod. XVIII 58 (aus Hderonymos von perchon zum S. der Peloponnes und seinen Sohn 

Kardia), ernannt vom Reichsverweser Polyper- Alexandros fiir Kleinasien bestellt (60, 1), P(t)ole- 

chon. Als S. fiir mehrere Provinzen zugleich, maios (ebd. 60, 2. 77, 2. 78, 2. XX 19, 2) und 



1147 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1148 

Telesphoros (XIX 74, 1. 2). In Koilesyrien er- fangend von der Zeit des jungeren Kyros (Xeno- 

scheint Pithon (XIX 80, 1. 82, 1), in Kleinasien phons anab,) bis znr Romerzeit immer wieder. 

Dokimos (XX 107, 4) und Phoinix (107, 5), die Das notige Menschenmaterial lieferte Griechen- 

beide vor der Entscheidung bei Ipsos zu Lysi- la;nd seit dem Ende des 5. Jhdts. in Massen, 

machos iibergingen. Im eigentlichen Asien fand teils wegen der Ubervolkerung der landlichen Be- 

Antigonos noch zahlreiche Satrapen und S. vor, zirke, teils infolge der zahlreichen Umwalzungen, 

die ihr Amt von Alexandres batten; sie konnten die immer einen Teil der Biirgerschaft in die 

nur mit besonderer Hinterlist beseitigt werden Verbannung trieben. Seit Beginn der makedoni- 

(XIX 46). Im iibrigen blieb in Innerasien die schen Zeit kam der Medergang der heimischen 
militarische Gewalt von der btirgerlichen getrennt 10 Wirtschaft dazu. Sb wurde das Soldnertum ein 

(XVIII 50, 5); ,so ernannte Antigonos im J. B16 besonderer Beruf (Diod. XVIII 10, 1 rag xQO(pag 

zum Satrapen von Medien den Meder Orontobates, elwd-orsg sxetv ex rov fiiod'oq^oQeiv). Ein bekann- 

zum S; den Hippostratos, dem er eine T'mppe ter Werbeplatz war Tainaron (ebd. 9, 1). Spater 

von 3500 Soldnern unterstellte (XIX 46, 5). Die wurden besondere Staatsvertrage tiber das Wer- 

oberen Satrapien (Iran mit den Nachbarlandem bungsrecht abgesehlossen, s. Syll.^ 581. (tJber die 

im Nordosten und Osten) batten einen gemein- Kreter als Soldner vgl. H o e c k Kreta III 460). 

samen S. mit groBerer Truppemnacht (46, 1. Nicht selten versnchte es ein S. von Soldnern, 

100, 3). In Iran blieb also die Verwaltung in sich selbstandig zu machen (Telesphoros Diod. XIX 

den Handen des einheimisehen Adels. Fiir die 87, 1. Kleonymos ebd. XX 104), oder ein unge- 
Verhaltnisse dort ist bezeichnend das Fest, das 20 treuer Beamter woUte sich au! diese Weise der 

Peukestes 316 dem Heere des Eumenes gab (XIX Strafe entziehn (Harpalos ebd. XVII 108. Phil- 

22). Man lagerte sich in 4 Ringen; der auBerste, hetairos, s. d. Art.); so konnten kleine Herrschaf- 

der einen Umfang von 10 Stadien hatte, muB ten begriindet werden, die langere oder kiirzere 

nach der Starke des iHeeres (28, 1 : 35 000 Mann Zeit Bestand batten (vgl. auch Kratesipolis in 

Infanterie, 6100 KavaUerie, 114 Elefanten) etwa Sikyon Diod. XIX 67, 2). Entlassene Soldner- 

18 — 20 000 Leute, der zweite im Umfange von haufen bildeten stets eine Gefahr fiir das Land, 

8 Stadien ^k davon umfaBt haben; im dritten, da sie sich mit Gewalt zu erhalten strebten, wie 

4 Stadien langen lagerten die Subalternoffiziere die Mamertiner in Messana (s. d.) und die Sold- 

(dsvrsQoi riyefjiovsg), die (pilot und S. e^(o rd^scog, ner Karthagos nach dem 1. Punischen Kriege. 
d. h. zur besonderen Verwendung (Le;ichtl)ewaK- 30 Weitsichtige Monarchen machten daher die iiber- 

nete, Ingenieure, yQafxfjiatsig, Irzte, Zahlmeister) fliissigen Mannschaften im Lande ansassig, so die 

und die Reiter, zusammen 6 — 7000 Menschen; Ptolemaier (s. Katoiken) und die Attaliden (Syll. 

der inner ste von 2 S'tadien, wo die S., Hipp- or. 266). — Singular ist der Fall, daB die Grie- 

archen und zcov Usqowv ol fjidhora xiixcofxevoi in chen, die Alexandres in den oberen Satrapien an- 

Zelten speisten, kann also nicht weniger als gesiedelt hatte, nach seinem Tode in die Heimat 

300 Personen enthalten haben. Rechnet man auf zuruckzukehren wunschen und sich dazu den 

1 Pentakosiarchie als kleinste Einheit 1 S., fer- Ainianen Philon zum Anfiihrer wahlen (Diod. 

ner einen solchen auf 1 Chiliarchie und wieder XVEII 7, 2). Er bildet die gerade Umkehrung 

auf 1 Division von 3000 Mann — starkere Korps derFuhrerschaft fiir die Aussendung einer Kolonie. 
unter einheitlichem Befehl koimmen nicht vor — , 40 Uneigentlich werden mitunter auch die An- 

so gibt das fiir jede Division 10, fiir die gesamte fiihrer barbarischer (nichtgriechischer) Abteilun- 

Infanterie 100 S. Die Hen der Reiterei waren gen als S. bezeichnet, so ein selbstgewahlter Fiih- 

sehr viel schwacher, bis zu 100 oder 50 Mann rer der Pisider (Diod. XIX 16, 3) und der indische 

herunter, aber nicht in groBeren Abteilungen zu- Heerfiihrer Keteus (33, 1). Amtlich ist diese Aus- 

sammengefaBt; die Zahl ihrer Kommandeure kann drucksweise nicht. 

die der Infanterie nicht iibertroffen haben. Es tTber den S. im Reiche der Ptolemaier 

bleibt also Platz fiir eine Menge von einheimi- s. Bd. IV A S. 184. Erganzend sei noch hinzu- 

schen Notabeln, die etwa der Halfte der S. gleich- gefiigt, daB der militarische S., der oft aus dem 

kam. Es mtissen die Leiter der Verwaltungs- (griechischen) Auslande herbeigerufen wurde, im 
bezirke gewesen sein, die als solche in bestan- 50 Kriegsfall auBer seinem hohen Gehalt am G-ewinn 

diger Beruhrung mit den makedonischen Macht- beteiligt wurde. So erhielt der Aitoler Dikai- 

habem standen und in ihrer amtlichen Stellung arches (etwa 203) als dcoged zuerst 1 v. H., dann 

besondere Rticksicht erhielten. Von makedonisch- 1 Drachme von jedem verkauften Sklaven (Kriegs- 

griechischen Verwaltungsbeamten ist also in Iran gefangenen), s. Pap. Columbia Inv. 480, vgl. 

keine Rede, und ist es wahrscheinlich nie gewesen. Wester mann Upon slavery in Ptolemaic 

Die Heere der Diadochen bestanden zum Egypt (1929) 22ff. Ein seiches Verfahren muBte 

groBeren Teil aus iS o 1 d n e r 'U, die in eigenen allerdings den blutigen Charakter der Kriege mil- 

Formationen zusammengefaBt wurden und unter dern, artete aber leieht in Menschenraub aus und 

eigenen S. standen (Diod. XIX 100. 106. XX 11. fiihrte in den betroffenen Gebieten zu einer Ent- 
110 u. 0. Vgl. K ae r s t Hellenismus 1 70. G r o t e 60 volkerung des platten Landes, dessen Bewohner 

Diss. Jen. 1913); dasselbe war bei den sicilischen den Schutz fester Mauem entbehrten, und zu 

Tyrannen der Pall. Oft ist der Vorgang so, dafi einem steigenden Rtickgange der Landwirtsehaft. 

ein Machthaber oder Staat einen Werbeoffizier IV. Im Reiche der S e 1 e u k i d e n sind wir 

mit einer ausreichenden Geldsumme abschickt uber die allgemeine Landesverwal- 

und dieser als S. die Fiihrung der Angeworbenen t u n g, nicht nur was die Zentralinstanz, sondern 

iibemimmt; auf solche Weise bringt der Sparta- auch was die Einteilung in groBere und kleinere 

ner Kleonymos 303 ein Heer fiir Tarent zusam- Bezirke betrifft, ganz besonders schlecht unter- 

men (Diod. XX 104, 2). Das wiederholt sich, an- richtet, da die Terminologie der Schriftsteller 



1149 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistiscli) 1150 

schwankend und ungenau ist, s, Bouch^-Lec- neides Sohn, dem sein Freund, der Somatophylax 

I e r c q Histoire des Seleucides II 525ff. Nach Pythagoras, des Aristarchos Sohn, in der Haupt- 
Appian. 8yr. 62 teilte Seleukos Nikator sein stadt seiner Provinz ein Denkmal gesetzt hiat, 
Reich in 20 Satrapien. Wenn N i e s e Gr. und ebd. 747. Uber ihre amtlichen Obliegenheiten, 
mak. St. II 93ff. annimmt, daB von den alten, tiber die Frage, ob sie neben, iiber oder unter 
groBen Satrapien die in Syrien und Asien dies- sich andere Beamte (Satrapen, S.) gehabt ha;ben, 
seits des Tauros geteilt, die anderen aber im laBt sich daraus nichts schlieBen. Mehr ergibt 
alten Umfange erhalten seien, so findet eine solche sich aus einigen kleinasiatischen Urkunden. Ein 
Vermutung in der tJberlieferung keine Stiitze; GemeindebeschluB der Stadt Ilion uber die Ver- 
fur die alten Provinzen ist die Zahl zu groB, fiir 10 leihung des Biirgerrechts an den koniglichen 
neue, kleinste Gebiete (Kreise) zu klein (s. u.), Leibarzt Metrodoros bezieht sich auf ein Schrei- 
sie konnte sich allenfalls auf Mittelbezirke (Hyp- ben des Konigs Antiochos (I 280 — 261) und ein 
archien) beziehn. Bei den Schriftstellern schei- solches des S. Meleagros an die Stadt, Sjyll. or. 
nen die Bezeichnungen S., Satrap, Eparchos und 220. Derselbe Meleagros (s. Hou,ssoullier 
Hyparchos ohne Unterschied gebraucht zu sein. Rev. philol. XXV 30f.) teilt der Stadt Ilion mit, 
Polyb. V 46, 7 gibt den Statthaltem von Susiane daB Aristodikides von Assos seinen umfangreichen 
und Erythraia unter Antiochos III. den Titel Grundbesitz, den er aus dem Domaniallande (Paot- 
snaQxog, nennt aber V 54, 12 den Nachfolger des hKrj xcoQa) erhalten hat, auf Grund koniglicher 
Eparchen Diogenes in Susiane, Namens Apollo- Ermachtigung in das Stadtgebiet aufgenommen 
dor. Si. und ebenso den nach Medien versetzten 20 haben will, und weist sie an, demgemaB zu ver- 
Diogenes; wenn die Ausdrucksweise des Polybios fahren; er fugt drei konigliche Erlasse iiber den 
korrekt ware, miiBten entweder beide Amtsbe- Pall bei, s. Syll. or. 221. Der Absender bezeichnet 
zeichnugen die gleiche Bedeutung haben, oder sich nicht mit seinem Amtstitel und wird auch 
S. und Eparch waren personlicbe Titel (Rang- vom Konige nicht damit bezeichnet (das gesehieht 
stufen). Nach Diod. XIX 44 ist Rhagai eine im folgenden nicht einmal mit der Konigin), aber 
Eparchie, was also hier nur den Unterteil einer aus dem 3. ErlaB (Z. 27f.) ergibt sich, daB er 
Satrapie bezeichnen kann. Derselbe nennt auch die oberste Verwaltungsbehorde h tfji scp* TJXXrja- 
XIX 95, 2 Idumaia eine Eparchie, aber XXX 98 jiovrov oaxQaTisiat ist. In einer anderen Urkunde 
eine Satrapie. Bei Plut. Demetr. 30 heifit knaQx'ta teilt Anaximbrotos (ohne Amtsbezeichnung) dem 
Provinz (Satrapie), ebenso bei Memnon (FHG III 30 Dionytas (ebenfalls ohne eine solche) mit, daB 
532), wo Zipoites als Bi^vvcov snaQxcov bezeich- der Konig (Antiochos II. 261 — 246) Berenike zur 
n-et wird. Die gleiche Unklarheit besteht bei Oberpriesterin in der Satrapie ernannt hat, und 
dem Ausdruck vnaQxog. Bei Nikolaos von Da- verfiigt die Veroffentliehung; auch hier ist der 
maskos (FHG III 358) bezeichnet das Wort offen- konigliche ErlaB in Abschrift beigefiigt (durch 
bar einen Stellvertreter des Satrapen (Vize-Satra- vTioyQafprj), s. Syll. or. 224. Absender kann nur 
pen), dagegen Syll. or. I 238 den obersten Be- der oberste Beamte (S.) der Provinz eein, Emp- 
amten in dem Unterteil einer Satrapie, wahrend f anger von ihm ein IJntergebener, entweder sein 
es Athen. XIV 616 c, Polyain. VI 49 und Joseph. Stellvertreter oder der Leiter eines Bezirks (Hyp- 
ant. XII 261 nicht naher erklart werden kann. arch). Endlich ist eine Urkunde iiber Verkauf 
Nach 1. Makk. 10, 65 ernennt Alexandres I. Balas 40 von Domanialland an (die Konigin) Laodike im 
den Makkabaer Jonathan zum S. und jbtsQidaQxr)^- J. 254/53 zum Teil erhalten (Syll. or. 224); die 
Die Ungenauigkeit des Ausdrucks erklart sich Anweisungen des oinovoixog Nikomachos an den 
daher, daB die griechischen Historiker die grie- Hyparehen und des (S). Metrophanes sind ver- 
chische Amtsbezeichnung S. fiir einen Befehls loren, ebenso der Aafang des koniglichen Er- 
haber morgenlandischer Truppen im allgemeinen lasses an den letzteren, wahrend der groBere Teil 
vermeiden und dafiir einen anderen Titel vor- des Erlasses und die Festsetzung der Grenzen vor- 
ziehn, dessen Bedeutung ihnen selbst nicht ganz handen sind. Aus den Urkunden insgesamt ergibt 
klar ist. Das beweist nichts fiir die amtfiche sich, daB der groBte Verwaltungsbezirk amtlich 
Titulatur unter den Seleukiden, die feste Be- als oaxQaTista bezeichnet wird, der Beamte aber, 
zeichnungen gehabt haben muB. Nach Pap. Petrie 50 der ihm vorsteht, als S. (nicht als Siatrap). Als 

II 45 (vgl. W i 1 c k e n Chrestomathie 1 — 7) war S. ist daher auch Diodotos, der Begriinder eines 
im J. 246 V. Chr. Aribazos S. von KiMkien, und selbstandigen Reiches in Baktrien (lustin. XLI 
es gab dort auch sonst S. und Satrapen; danach 4, 5: mille urbium Baetrianorum praefectus) an- 
ist die Annahme von Kohler S.-Ber. Akad. zusehen, ebenso der parthische Praefect (ebd. 7)< 
Berl. 1894, 451, daB Kilikien von einem S. ver- Andragoras. (Nach Plin. n. h. VI 27 iibersetzen 
waltet wurde — ohne eine bewaffnete Macht war die Romer otQarrjyia mit praefeetura.) Da der S. 
das nicht moglich — und andere S. und Satra- in den Erlassen an nachgeordnete SteUen sich 
pen (?) unter sich hatte, im ersten Teil sicher nicht mit seinem Amtstitel bezeichnet, aber von 
richtig, wenn sie auch mit Rticksicht auf die diesen so bezeichnet wird, muB seine Ernennung 
schlechte Erhaltung des Textes im zweiten Teil 60 (und Abberufung) jedesmal den betreffenden Stel- 
als zweifelhaft bezeichnet werden muB. Aus eini- len amtlich mitgeteilt worden sein. AUe konig-^ 
gen amtlichen Urkunden, die inschriftlich erhal- lichen Erlasse, die auf die Satrapie Bezug haben, 
ten sind, ergibt sich als gewiB folgendes: Unter richtet der Eonig an den S, und nur an ihn; 
Antiochos III. (223 — 187) hat Koile Syria und dieser gibt dann die notigen Anweisungen weiter 
Phoinike einen S. namens Ptolemaios, Sohn des unter abschriftlicher Beifiigung {vnoyQacprj) des 
Thraseas, der gleichzeitig Oberpriester (fiir den koniglichen Erlasses. Der S. als Provinzialstatt- 
Konigskult) ist, s. Syll. or. 230. Susiane hat halter kann selbstandig iiber das Domanialland 
ebenfalls einen S. namens Arreneides, des Arre- verfiigen; das ergibt sich daraus, daB die konig- 



1151 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1152 

liche Schenkung an Aristodikides unter dem Vor- Regel ein Grieche war, ergibt sich aus den Er- 

behalte erfolgt; si fj,7j dedorai aXXcoi TtQoteQov {221, fordernissen der Verwaltung; sein Personal wird 

33f.). Tatsachlich war eine solche Konzession be- sich zum groBten Toil aus Eingeborenen zusam- 

reits verliehen (ebd. Z. 53f.)- I>em S. ist der Pro- mengesetzt haben, die des Griechischen in Wort 

vinzialfinanzdirektor (225, 37: oixovofjiog, 238, 5: und Schrift einigermaBen machtig waren. Welche 

o km tcov TZQooobcov) unterstellt, ebenso das Pro- Bezeicbnung diese kleinsten Verwaltungseinheiten 

vinzialarchiv (225, 23f.: rag PaotXiKag y^aqpag rag fithrten {orQarrjyiai, fze^ideg, oarQajielai), laBt sich 

kv UaQdsGiv). tTber seine Kommandogewalt wird nicht feststellen. 

naturgemaB nichts berichtet; daB er aber eine In dem ErlaB eines spateren Antiochos an 
solche besitzt, folgt aus seiner Aufsicht tiber die 10 (den S.) Euphemos (Syll. or. 262), den L a q n e u i 

Kriegskasse (225, 16; ro Kara orQarslav yat,0' Diss. StraBb. 1904, 99ff. als unecht angegriffen, 

(pvXaKiov). Es kann sich hier nur um die Kasse Keil Ber. Sachs. Ges. LXXI(1919)96 verteidigt 

der Satrapie handeln, 'da sonst die Mitteilung des hat, liber den Dienst eines Gottes (Zeus) am Dorfe 

Kaufpreises (ebd. Z. 7) und der Zahlungstermine Baitokaike wird in tTbereinstimmung mit Strab. 

(17ff.) keinen Zweck hatte. Der SI ist danach in XVI 2, 4 p. 750 das einzelne Stadtgebiet als 

alien Verwaltungszweigen der oberste Beamte der aaroansia bezeichnet. Es ist nicht ausgeschlossen, 

Provinz, nnd ihm sind alle anderen untergeben. daB diese Benennung nicht von Anfang an tiblich 

Dabei werden zweifellos alle hoheren Stellen vom gewesen ist, sondern erst spater (um die Mitte 

Eonige direkt besetzt, namentlich auch die Finanz- des 2. Jhdts.) iiblich geworden ist, als das Reich 
amter, die von hoher Bedeutung sind (vgl. Appian. 20 sich schon erheblieh verkleinert hatte. 

Syr. 45 liber den Satrapen von Babylonien Tim- An die S. der Kreise schlieBen sich die Stam- 

archos und seinen Bruder snl ralg nQoooboig Hera- meshaupter einzelner Nomadenstamme, denen 

kleides unter Antiochos IV.). Wie weit der S. ebenfalls der Titel S. zugestanden wird. Die Be- 

darauf EinfluB hat, wird im allgemeinen von lege dafiir linden sich erst in romischer Zeit, 

seiner personlichen Stellung zum Konige ab- doch geht die Einrichtung zweifellos auf das Se- 

bangen (er verfiigt mit: ,wir', s. Syll. or. 221, leukidenreich zuriick, ftir dessen Verkehr sie noch 

wie die seleukidischen Konige nach dem Vorgange groBere Bedeutung hatten. Unter Agrippa (wahr- 

Alexanders). Nach einer Inschrift auf der Basis seheinlich 11. , s. Leba s - Wa ddington 

eines Denkmals in Babylon (Syll. or. 254), das Inscr. Ill 2112) von ludaia wird ein soleher Fiih- 
die Stadt errichtet hatte, war dort Demokrates, 30 rer, dessen Name verloren gegangen ist, als Ep- 

des Psyttakos Sohn, unter Antiochos IV. Epipha- arch, Angehoriger (Offizier) der otielqtj Avyovorri 

nes (175 — 164) S., Epistates der Stadt und Be- (vgl. Act. apost. 27, 1) und [orQarriy]6g No/Aadcor 

iehlshaber der Burg, d. h. neben der obersten Lei- genannt (Syll. or. 421). Der letztgenannte Titel 

tung der Provinz (S.) fiihrt er auch die Aufsicht wird auch einem Ethnarchen Hadrianos, der auch 

ii'ber die Verwaltung der Provinzialhauptstadt Soaides heiBt, beigelegt Lebas-Wadding- 

iind das Kommando tiber die Garnison der Zita- ton III 2196. In Rama hat einem S. der Awi- 

delle. Ob diese Vereinigung von Amten in die- dener und Phylarchen namens Odainathos, Sohn 

sem Einzelfalle eine auBerordentliche wax oder des Sawades, seine Witwe ein Denkmal gesetzt, 

regelmaBig im ganzen Reiche stattfand, laBt sich Syll. or. 617. Diese Scheichs von Nomadenstam- 
aus der Inschrift nicht ersehn, doch ist die letz- 40 men waren offenbar als S. in den Dienst der 

tere Annahme durchaus moglich; jedenfalls ware Regierung getreten, um die VerkehrsstraBen zu 

eine solche Einrichtung durchaus zweckmaBig sichern oder nicht zu beunruhigen; dafur wurden 

und entsprache den Anschauungen der Zeit, da sie sie bezahlt. Sie unterscheiden sich von den S. 

die gesamte Staatsgewalt fur die Provinz in alien der Kreise — abgesehn von dem Mangel eines 

ihren Zweigen in die Hande des S. legt, vgl. festen Wohnsitzes — dadurch, daB ihre Stellung 

Haussoullier Rev. philol. XXIV 332 und an der Spitze des Stammes nicht durch ihr Amt 

Koehler S.-Ber. Akad. Berl. 1900, 1107. als S. bedingt wird, sondern umgekehrt. DaB es 

Die Provinz oder Satrapie zerf allt wieder in auBer den S. in der Verwaltung auch reinmilita- 

Bozirke oder Hyparchien, mit einem Hyparchen rische im Feldheer gegeben hat, ist selbstver- 
,an der Spitze. Wenn ein soleher auch als Ver- 50 standlich, s. Syll. or. 217; sie sind hohere Trup- 

treter des S. genannt wird, so ist es wahrschein- penfuhrer, wie unter Alexandres. An der Spitze 

lich, daB der Hyparch desjenigen Bezirks, zu der gesamten Reichsverwaltung steht neben dem 

dem die Hauptstadt der Provinz gehorte, gleich- Konige oft ein Vezier, o im rwv nQayfAarcov 

zeitig auch die allgemeine Stellvertretung fur den (rsray/Lisvog) oder ahnlich betitelt, so Hermias 

S. ubernahm. Ob der Hyparch ebenfalls den Titel unter Seleukos III. und Antiochos III., Helio- 

^. fuhrt, ist aus den erhaltenen Urkunden nicht doros unter Seleukos IV., Lysias und Philippos 

mit Bestimmtheit zu schlieBen, aber sehr wahr- unter Antiochos IV. (vgl. d. betr. Art.). Nach 

ischeinlich, da ihn sogar die Vorsteher der klein- C o r r a d i Studi ellenistici 256ff. gibt es im 

isten Verwaltungskreise fuhren. Nach Plin. n. h. Seleukidenreich in normalen Zeiten einen solchen 
VI 27 war die romische Provinz Armenien — 60 Vezier nicht, sondern nur bei Minder jahrigkeit 

■offenbar entsprechend ihrer fruheren Organisa- oder Abwesenheit des Konigs. 

tion — in 120 Praefecturen eingeteilt, quas or^a- Ausgenommen von der allgemeinen Landes- 

f^ylag vocant. Daraus ergibt sich, xmd zwarauch verwaltung waren die Griechenstadte (wie in 

fur die anderen Provinzen des Seleukidenreiches, Agypten), deren die Seleukiden eine groBe An- 

daB mindestens in spaterer Zeit die kleinste staat- zahl gegrundet hatten; sie besaBen kommunale 

liche Verwaltungseinheit, der Kreis (Stadtgebiet) Slelbstverwaltung und ihr eigenes Amterwesen. 

oder Gau, wie im Ptolemaierreich, unter einem An der Spitze standen wohl uberall, wie in Se- 

S. stand. DaB idieser immer oder doch in der leukeia in Pierien (Bh LVII 1933, 6) emordrai, 



1153 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1154 

dio vom Konige ernannt wurden, wahrend die stellung des Beschlusses tibertragen, ebd. 332. 

tibrigen Beamten Organe der Biirgerschaft waren. Auch das kleine Stadtchen Pitane hatte S., die 

Von stadtischen S. findet sich in den Griechen- alle Antrage vor die stadtischen Korpersehaften 

stadten des Ostens keine Spur, ausgenommen brachten, ebd. 335 A, ebenso eine andere, dem 

Kleinasien, wo das ganze Land, solange es selen- Namen nach nicht bekannte Stadt, wo vier (oder 

kidisch war, in Stadtbezirke zerfiel. tJber die ftinf) S. genannt werden (erhalten die Namen 

Verwaltung der Eingeborenenstadte wissen wir Lykophron, Boethos, Galestes), ebd. 319. In alien 

nicht viel mehr, als dafi der Konig ihre Vor- diesen griechisclien Gemeinden bestanden die S. 

steher ernannt hat. Wenn Antioehos 11. im auch an der Folgezeit fort; sie hatten durch das 

J. 259/58 einigen phoinikischen Stadten, wie Ara- 10 Testament Attalos' III. Autonomie erhalten (ebd. 

dos u. a., Selbstverwaltung verlieh (C o r r a d i 338) und wahlten f ortan ihre S. selbst. 

Studi ellenistici 222), so folgt daraus, -dafi sie bis t)ber die Entwicklung der neu gegriindeten 

dahin nirgends bestanden hatte und auch spater Stadte und Militarkolonien gibt es einige Hin- 

nur eine seltene Ausna;hme bildete. weise darauf , wie sie wahrscheinlich erf olgte. In 

V. KleinereKonigreiche. dem Vertrage, den Eumenes 1. (263 — 241) im 

1. Das Pergamenische Reich wird Anfange seiner Regierung (iiber den Zeitpunkt 

in Verwaltungsbezirke eingeteilt, an deren S^itze s. F r a n k e 1 Altert. v. Perg. VIII 1 p. XIX, 

ein S. (romisch praefectus, praefectura, ,s. Liv. dagegen N i e s e Griech. und mak. Staaten II 

XLII 67, 4. H 11 e a u X Bull. hell. XLVII 15, 3) 156, 2) mit seinen Soldnern schloB (SyU. or. 266), 

steht. Seiner Aufsicht waren auch die Griechen- 20 schwort der Herrscher Treue (svvorioco) gegenuber 

stadte unterstellt. Eine solche (vielleicht Apol- Paramonos, den Offizieren (tdig '^yef^ooi) und den 

Ionia a. Ehyndakos) erteilt nach 188 das Burger- anderen Soldnern iv rff orQatr}[yiat rjfji if^ ^ds- 

recht an KoQQayog jiQiotofA,dxov Manebcbv tsxay- raiQslai, die Paramonos untersteUt sind, gegen- 

fA.svog a, xcov Ka'&' TJXXi^aTzovrov roncov zum Dank tiber Arkes und den cpQovQol unter ihm, gegen 

fiir groBe Vergunstigungen und Erleichterungen. Philonides, die afAiod-ot und alle ihre Angehorigen 

Fiir die europaischen Besltzungen der Attaliden (rdlg xovxcov ndoi), gegeniiber Polylaos nebst Offi- 

gibt es einen a. xfjg Xsqqovyjgov Tiot xcov Ttaxa xrjv zieren und Soldaten in Attaleia, Infanteristen, 

©QdiK7]v xoncov, s. MIL 1907, 278. Vgl. Car- Kavalleristen und Trallem. Offenbar sind die mit 

dinali Regno di Pergamo 96, 4. AuBerhalb Namen Genannten S. und fiihren in erster Linie 

der allgemeinen Landesverwaltung standen die 30 das militarische Kommando tiber die ihnen unter- 

alten Griechenstadte, die Autonomie genossen, stellten Soldner; die oxQaxTjyla ist also als mili- 

worunter Steuerfreiheit nicht grundsatzlich mit- tariseher Kommandobezirk anzusehn (nicht mit 

inbegriffen ist. Auch sie waren aber den konig- Corradi Sltudi ellenistici 404 als Truppenkor- 

lichen Erlassen unterworfen, die tiber den Ge- per). Die angegebenen Orte sind aber Neugrtin- 

setzen, d. h. dem Stadtrecht, standen. Weitei- dungen des Herrschers, wenn auch Attaleia sioh 

gehend ist der EinfluB der Krone auf die konig- an eine bestehende Ortschaft anlehnt (s. Bd. II 

lichen Stadte, d. h. diejenigen, die von der Krone S. 2155). Die a/^iio'd'oc mtissen mit Grundbesitz 

einer direkten koniglichen Verwaltung unterwor- ausgestattet worden sein und hatten Familie, wie 

fen werden, indem der Konig den leitenden stadti- zum Teil auch die Soldner (Z. 8). Auch war ftir 

schen Beamten selbst emennt, s. IPe 18. tTber 40 Quartiere und geregelte Verpflegung (gegen Be- 

ihre Befugnisse in der Hauptstadt vgl. o. Perga- zahlung) zu sorgen, ebenso ftir Berechnung und 

mon. Sie unterstehn wieder der Aufsicht des sm Auszahlung der Lohnung. Das aUes brachte eine 

T^g TioXecog, der ebenfalls von der Krone bestellt Menge Verwaltungsgeschafte mit sich, die ohne 

wird, vgl. F r a n k e 1 Alterttimer von Perg. VIII gleichzeitige Aufsicht tiber die Finanzverwaltung 

1, 110. DaB sie in spaterer Zeit nicht mehr er- oder ihre tTbernahme nicht zu erledigen waren. 

nannt, sondem von der Biirgerschaft gewahlt Das Gebiet, das zu einer Strategie gehorte, kann 

wurden, ist zwar moglich, aber urkundlich nir- aber nur einen verhaltnismaBig geringen Um- 

gends bezeugt. fang gehabt haben; es umfaBte sehwerlich mehr 

Auch aus anderen Griechenstadten werden S. als eine Sltadt, idie hellenisch war oder heUeni- 

genannt, die von der Krone bestellt sind. In 50 siert wurde (wie Attaleia), mit dem dazu gehori- 

Nakrasa wird im Herbst 340 v. Chr. (tiber die gen Landgebiet (Kreis). DaB dabei Militarkolonie 

Datierung s. Bd. II S. 2159) der smaxdxrjg Apol- und Altstadt zu einer Einheitsgemeinde ver> 

lonios, Sohn des Meleagros, von der Stadt, wo er schmolzen, ist 2>unachst nieht ohne weiteres zu 

S. gewesen ist, durch goldenen Kranz und Spei- folgern; sie konnten ohne Schaden eine Zeitlang 

sung im Prytaneion ausgezeichnet (SyU. or. 267); nebeneinander bestehn, jede mit ihren eigenen 

auch er ist zum S. ernannt worden (nicht ge- Organen, die eine mit gewahlten, die andere mit 

wahlt). In Hierapolis wird ein zwischen 167 und ernannten, aber die stadtische Verwaltung wurde 

159 (s. Frank el IPe 39) erlassenes Ehrendekret in die staatliche eingegliedert, d. h. der Aufsicht 

fur die Koniginmutter ApoUonis von den drei S. des S. (oder eines besonderen Beamten) unter- 

ApoUonios, des Matron, Apollonios, des Hermo- 60 stellt, und das Endergebnis war dann doch die 

genes, und ApoUonides, des Phalangites Sohn, be- Vereinigung. Das allgemeine Vorkommen von S. 

antragt, s. Syll. or. 308. Ebenso werden in Teos in der romischen Provinz Asia, deren Oiganisa- 

mit der jahrlichen Ausftihrung von Opfern und tion unverandert blieb, laBt den SchluB zu, daB 

Festziigen neben den Timuchen die S. beauftragt, schon die Attaliden (wenn auch nicht von Anfang 

ebd. 309. In Elaia werden die S. nach den Prie- an) das ganze Land in Stadtbezirke eingeteilt 

stern als erste stadtische Beamte genannt, die hatten, an deren Spitze ein S. stand. Er wurde 

Attalos III. (138 — 133) bei ein em Besuche der tiberaU vom Konige ernannt. Die Einwohner- 

Stadt einholen sollen; auch wird ihnen die Auf- zahl und wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 37 



1155 Strategos (hellenistisch) Strategos (hellenistisch) 1166 

Bezirke (Stadt mit LandJbezirk) muB seht ver- oberflachlich hellenisiert gelten konnte, wurde in 

schieden gewesen sein. Ob der S. neben den Verwaltungsbezirke eingeteilt, an deren Spitze 

offentlichen Einnahmen und Ausgaben aueh den ein S. stand. Unter Lysimachos wird als (piXog 

Privatbesitz des Konigs verwaltete, lafit sich aus tov ^aodscog und a. em rcov noXecov x&v Icovcoyy 

den Quellen nicht feststellen. Dieser war ohne die ebenfalls zu seinem Reiche gehorten, in einem 

Zweifel sehr groB, da er bei den Romem sprich- Ehrendekret von 289/88 der Milesier Hippostratos 

wortlich geworden ist (Horat. carm. I 1, 12); l7tnobrj(j.ov genannt, SSyll.s 368. Als ein Teil der 

eine Zweiteilung ist also nur anf dem Grebiete thrakischen Kiiste nach dem Tode des Lysimachos 

altgriechischer Gemeinden moglich. unter die Herrschaft der Ptolemaier kam, unter- 

2. Kappadokien wurde in 10 Strategien 10 stellen diese ihr Gebiet ebenfaUs einem S.; so 
eingeteilt, s. Strab. XII 1, 2 p. 533: fjisQog rs rfjg erging zwisehen 228 und 225 ein EhrenbeschluB 
KaTiTtaboxiag sozl dinarov (17 MsXtri^v^) xara trjv der Samothraker Mr BOippomedon, Sohn des Age- 
€cg difca otQaxfjylag diaiQeoiv rrjg %(bQag. ovtco silaos aus Sparta, S. sqp^ TJXXr}on6vtov xal rcov 
yoLQ drj 01 na'&' rjfidg ^aodscg ol tiqo ''AQxsXdov sm &QdiHf)g rojtcov, Syll.3 502. Um die Mitte des 
diatetayfjievrjv slxov rrjv rjysfxovlav rfjg KanTtaJbo- 1. Jhdts. (zwisehen 48 und 42) wurde von der 
Kiag' ds?earov 5' sore fjLSQog }cal rj Karaovla. Da- Stadt Odessos Mrjvoysvrjg 'AoxXrimbov 'HQatrrjg 
mit stimmt es gut tiberein, daB die Bewohner (aus Heraion bei Perinth) Ka'&eorapLevog i)ui6 Paoi- 
(der gesamten Strategie oder eines Stadtbezirks) Xscog BgaHcov UavddXov (iSandalas II.) a. em rfjg 
dem S. von Kataonien und Priester der Mke- 7iqooxo)qov mit dem Biirgerrecht ausgezeichnet, 
phoros (von Komana: Ala oder Enyo) Arsames, 20 Bh LiVi 43. Unter Rhoimetalkes ist 'ATioXXcoviog 
Sohn des lazemis, ein Denkmal setzten. Wenn sie TJntaixevd'ov (thrakischer Name) o. rcov jibqI 
ihn in der Widmungsinschrift als [i^Jyrjadfievov AyxlaXov rojtcov, E)ph. epigr. IX 696. tTber einen 
avtcov emeiKwg xal evsQyerixwg bezeichnen, muB S. lA.otiHfjg (Land der Astai) neQi IliQivd'ov, vgl. 
seine Tatigkeit sieh auf die btirgerlicbe Yeiwal- Mo mm sen Ges. Schr. VIII 1, 299, 1. 

tung (Steuerveranlagung und -erhebung) erstreckt 5. Im Bosporanischen Reich, dessen 

haben. Auch das Ehrendekret der Phratores von Herrscher im Anfange des 3. Jhdts. (Rheskuporis 

Abonuteichos fiir den S. jiXm/uog MrjvotplXov vom 212 — 219) den Titel fiaodsvg BoonoQov xal rcov 

J. 138 V. Chr. Izvestya VIII 153ff. laBt eher auf ^sqi^ e&vwv fiihrt (Latyschew Inscr. Bospori 

einen koniglichen als einen stadtischen (gewahl- Cimmerii nr. 20), ernannte der Konig, wenigstens 
ten) Beamten schlieBen, da die Gemeinde offen- 30 in der Sipatzeit, fur die Stammesbezirke, S. Die 

bar keine Selbstverwaltung (^cwXi^ und exptXrjola) Grabsehrift eines solehen, der Aaf/,ag Fatov BieB 

besaB. Die Amtsbezeichnung S., die den Leitern und o. Tv^cavdatrcov war, ist erhalten, IPE IV 

der Bezirke zukam, zeigt Anlehnung an grie- 297. Ebenso bestellte er ftir die Griechenstadte, 

chische Einrichtungen, wenn auch die Inhaber der die er seinem Reiche einverleibt hatte, je einen 

Imter oft dem einheimischen Adel entstammten. jahrlichen S. aus der Zahl der Biirger. IJrkund- 

Die Zahl der Strategien (10) laBt auf ein Gebiet lich ist das bezeugt, fiir Tanais IPE II 423 aus 

mittleren Umfangs (Bezirk) schlieBen, das meh- dem J. 193; aueh in den Burgerlisten von Gor- 

rere Stadte mit dem zugehorigen Lande um- gippia ebd. 402 kommen S. vor. Da die Stadte 

faBte. Ob es auBerdem noch SL ftir kleinere Be- ihre alte Verwaltung (mit Ausnahme der obersten 
zirke (Kreise) gab, ist nieht bekannt. 40 Leitung) beibehalten hatten, ist anzunehmen, daB 

3. Aueh in den Piirstentumern der G a 1 a t e r diese S. friiher gewahlt worden waren (vgl. 0. 
gab es S., die ohne Zweifel von der seleukidischen unter Stadte). 

Verwaltung her iibernommen wurden. In Hiero- 6. Auch in I u id a i a begrtindete noch Hero des 

polds (friiher Kastabala) in Kilikien (vgl. Bent Militarkolonien, s. S c h ii r e r Geseh. d. jiid. Vol- 

Jh XI 234ff.) errichtete die Bevolkerung ein Denk- kes IP 112. 114. Sie dienten schwerlich nur zur 

mal fiir einen Beamten, den sie nach Angabe sei- Versorgung ausgedienter Soldaten (Joseph, ant. 

ner personlichen Titel rov orQarrjydv rfjg noXecog XV 8, 5; bell. lud. Ill 3), sondern wohl vornehm- 

>cat cpvXaTtdQxrjv rfjg Kaora^aXldog, reray/^evov ds lich als Stlitzpunkte seiner Herrschaft. Auf diese 

[:KalJ aQxvneQerrjv rcov Kara rrjv ^aodeiav dvvd- und auf das stehende Heer am Lande sind die 
jbiecov nennt (SyU. or. 754). Er war also oberster 50 dort genannten S. zuriiekzufuhren. An eine all- 

Verwaltungsbeamter der Stadt mit dem dazu ge- gemeine Landesverwaltung durch S. oder eine 

horigon Landgebiet, Kommandeur der bewaffne- Stadteordnung, die solche Beamte an die Spitze 

ten Macht in dem gleichen Gebiet, d. h. der Poll- der Gemeindeverwaltung gestellt hatte, ist dabei 

zei und Schutztruppe, und gleichzeitig — das nicht zu denken. 

gehort nicht mit zu dem genannten Amt — Ober- Das Stammland Makedonien hat in Erie- 

zahlmeister fiir den Teilstaat. In seinen Handen denszeiten weder in der aUgemeinen Landesver- 

liegt also die oberste militarische und biirgerliche waltung noch an der Spitze der Stadte einen S. 

Verwaltung eines Stadtbezirks (Kreises). Sein gehabt, auch nicht in romischer Zeit. Die S., die 

Name (Isidores, Sohn des Nikias) spricht nicht dort gelegentlich erwahnt sind, werden aus MiB- 
fiir keltische, sondern fiir syrisch-hellenistische 60 verstandnis so genannt. 

Herkunft. Die Zeit, aus der die Inschrift stammt, Neben den ordentlichen S., die dauernd fiir 

ist die der Herrschaft des Antonius im Osten bestimmte Verwaltungsposten bestellt werden, 

(40 — 30), denn hier ist von einer Paodela die gibt es im Kriegsfalle in alien monarchi- 

Rede, wahrend der Landesherr Tarkondimotos schen Staaten S., die in besonderem Auftrage fiir 

noch kurz vorher (SyU. or. 752) als rojcdQxv^ ^^- die Dauer des Kriegszustandes oder bis zur Ab- 

zeichnet wird. Die Galater waren damals bereits berufung ein Heer oder einen Heeresteil befeh- 

voUig hellenisiert. Vgl. Cagnat IGR III 343. ligen oder eine wichtige Stellung (Festung) ver- 

4. Auch Thrake, das seit Lysimachos als teidigen. Diese Manner, deren Bedeutung nicht 



1157 Strategos (heUenistisch) 2vvd^r^xri 1158 

auf ihrem Amt, sondem aiif ihren personlichen IV. S. bezeichnet auch zusammenfas- 

Leistungen beruht, sand in eigenen Artifeeln unter send alle Beamten mit imperium in der Wen- 

ihrem Namen behandelt und hier nicht einzeln dung: ^ ovyKhjxog Ttal ol oxQaxrjyol Tcal 6'^iA,aQxoh 

angefiihrt. wie in dem Beschlnase der Amphiktionen 184 

E. In Ro m bezeichnete die griechische Amts- v. Chr., SyU.3 613. 

sprache alle diojenigen Beamten als S., die mm V. Sehr eigentiinilich ist der Titel 6 snl ndv- 

imperio waren. Als solche kommen vor: tcov a., den eine Inschrift dn Epidanros, IG IV 

I. Die C n s u 1 n, auch wenn ihnen nach Ab- 932, vom J. 72 v. Cbr. dem Propraetor in Kreta 

lauf ihres Amtsjahres das imperium prorogiert M. Antonius (Vater des Illvir) gibt, der ein 
wurde. Sb nennt eine Denkmalsinschrift aus Gy- 10 aufierordentliches Kommando gegen die Seerauber 

theion 195 v. Chr. T. Quinctius Flamininus erhalten hatte. Zunachst ist klar, da6 der Aus- 

GZQatayov vnaxov Tcofjiaifov (cos. 198) Syll.3 592, druck mit dem gleichlautenden Titel in Mytilene 

ebenso eine solche aus Delphoi 191/90 M.' Aei- nichts zu tun hat. Auch die Angabe bei Plut. 

lius Glabrio cos. 190, ebd. 607. In einer amt- Pomp. 25, daB die lex Gabinia dem Pompeius 

lichen Ubersetzung eines Staatsschreibens an die bvvaiAiv enl utdvxag dvd'Qcbnovg dvvuievd'vvov gab, 

Behorden von Delphoi fiihrt C. Livius Salinator die Foucart Joum. des Savants 1906, 571. 

(Name erganzt) cos. 188 dieselbe Amtsbezeieh- 577f. zur Exklarung heranzieht, dtirfte kaum 

nung, ebd. 611, desgleiehen Cn. Manlius Volso dafur in Betracht kommen. Wichtiger ist der 

(Name ebenfalls erganzt) cos. 189 in einem Hinweis von P o u c a r t auf Ps.-Ascon. ed. OreUi 
Schreiben vom J. 188 von Herakleia, ebd. 618, 20 p. 121, wo Antonius als curator tuendae totius 

und der Bund der Achaier gibt dem Q. Marcius orae maritimae bezeichnet wird. Ein erfolgreiehes 

PhiMppus cos. 169 auf der Basis einer Statue in Einschreiten gegen die Seerauber ist ohne im- 

Olympia, ebd. 649, die Stadt Elis dem L. Mum- perium liber die Ktistenstriche unmoglich. DaB 

mius COS. 146, ebd. 667, ein Hilkkedone aus Thes- Antonius ein isolches besessen hat, geht daraus 

salonike dem Q. Caeeilius MeteUus cos. 143, ebd. hervor, daB er nach Epidauros eine Besatzung 

680, die Stadt Athen diem L. Caeeilius MeteUus legte und Lieferungen dort anforderte. Dana 

cos. 142, ebd. 681, diesen Titel. Derselbe Aus- ware o. snl ndvxcov {navxcov neutr.) = curator 

druck findet sich in einem EhrenbeschluB von totius orae maritimae. [Walther Schwahn.] 

Lampsakos, ebd. 591, in einem ScMedsspruch -^vri^^xi;, haufiger im Plur. owi^-^p^at, ist eine 
der Magneten zwischen zwei kretischen Stadten 30 der Bezeichnungen fiir Vertrage versehiedener 

aus dem J. 139, ebd. 685, und in der tJber- Art, wie sie Bd. IVA S. 1085 Art. Symbolaion 

setzung eines Senatsconsults tiber Priene von u. S. 1088 Art. 2v fA,^ oItj, 2v [jipoXov be- 

135, ebd. 688. Nach Momm sen Eph. epigr. 1223 handelt sind. 2". gehort also einerseits zu den 

ist G. V. eine "Obersetzung von praetor maximus. ovfjL^oXaia, Vertragen im engern Sinne, aber auch 

II. Die S t a 1 1 h a 1 1 e r, die pro consule eine im weitern Sinne zu den Rechtsgeschaften tiber- 

Provinz verwalteten, werden als oxQaxrjyol dv&v- haupt. Gerade das erschwert die Begriffsbestim- 

uiaxoi bezeichnet, so Sulla auf einer rhodischen mung. Dazu kommt die groBe Preiheit in der 

Inschrift von 82 v. Chr., SyU.^ 745, ein anderer, Wahl der Form bei Vertragen aller Art, fiir die 

dessen Name nicht erhalten ist (wohl Q. Pabius iigendeine bindende gesetzlich festgelegte Be- 
Maximus cos. 116), in Delphoi, ebd. 8261. nur 40 stimmung sich nicht nachweisen laBt. Der Ver- 

als S. M, Fulvius, ebd. 611, und lunius Silanus such, a. inhaltlieh und formell naher zu bestim- 

(erganzt) in einer Inschrift aus Tenos nach 22 men und gegenuber andem synonymen Bezeich- 

n. Chr., ebd. 794. nungen von Vertragen abzugrenzen, verlief er- 

in. Ganz aUgemein, im Amtsstil wie bei den gebnislos. Das war zu erwarten; denn das attische 

Schriftstellem, wird Praetor — ohne Ruck- und das griechische Recht tiberhaupt ist zu einer 

sicht auf seine amtHchen Punktionen — durch allgemeinen Fassung des Bogriffes des Vertrages 

S. wiedergegeben. So bezeichnet sich in einem oder der Obligation und damit zu einer festen 

ErlaB an Teos 193 v. Chr. der Praetor pere- Terminologie nicht gelangt. Nur so viel laBt sich 

grinus M. Valerius, Syll.^ 601, ebenso in einem sagen, daB a., das private oder staatliche Ver- 
amtlichen Schreiben an Delphoi der Praetor ur- 50 trage bezeichnen kann, iiberwiegend von letzteren 

banus Sp. Postumius 189 v. Chr. als oxQaxfjydg gebraueht wird, also namentlich von Bundes- 

Tco/uaicov, ebd. 612 B, desgleiehen der Praetor oderSymmiachievertragen und Staatsvertragen aller 

urbanus Q. Maenius 170 in dem Senatusconsult Art, zumal Waffenstillstands- und Friedensver- 

iiber Thisbe ebd. 646, der Praetor Q Minudus in tragen, die wahrend des Krieges oder nach einem 

dem SenatsbeschluB uber Delos 164, ebd. 664, solchen geschlossen werden, sowie von Vertragen 

C. Hostilius Mancinus in einem gleichen Akten- tiber Reditshilfe und Geriehtsstand. 

stuck tiber Narthakion um 150, ebd. 674; ebenso Beim Mangel an speziellen Vorarbeiten tiber 

nennt den Praetor Cn. Octavius, der ein Flotten- o. beschranken sich die folgenden Ausfiihrungen 

kommando ftihrt, die Basis eines Denkmals in auf das Ausschopfen der literarischen QueUen, 
Olympia, ebd. 650. Der gleiche Ausdruck findet 60 vor allem der Historiker und der Redner und 

sich oft, so in amtlichen Schriftstucken, SyU.^ ziehen das ziemlioh reiche inschriftliche Material 

679 (Slchiedsspruch der Stadt Magnesia 143 nur in beschranktem Umfang zur Beleuchtung 

V. Chr.), 6'83 (Sfehiedsspruch Milets zwischen des aus den literarischen QueUen Erschlossenen 

Sparta und Messene um 140), 591 (EhrenbeschluB heran, und zwar mit Hinweisen fast aussehlieB- 

von Lampsakos ftir Hegesias nach 196), 684 (6 lich auf Syll.^ und SyU. or. 

sm xcov ^svcov oxQaxrjyog =s Praetor peregrinus in 2., zuerst Aischyl. Choeph. 555 (im Plur.), 

einem Schreiben des Proconsuls Q Fabius Maxi- fehlt bei Herodot und im N. T., findet sich natur- 

mus an Dyme), Bh XLVIII 382. 385. gemaB von Staatsvertragen haufiger bei Thuky- 



1159 2vv&rj}c7fi 2vvd^}jxrj 1160 

dides und Xenophon, weniger haufig bei den Xen. Ag. 1, 12 jiqcotov (aev oQxovg s/j,jis8ovvta, 

Rednern, dagegen recht oft bei Plutarch, wah- sjteita ovv&rjTcag /Ltrj yjevdo^svov. Kyr. V 2, 11 

rend die Stellen aus Plato und Aristoteles, wie ovts ovv&rjKag av ipsv8olfA,r]v ekcov slvai. Kyr. Ill 

sich unten zeigen wird, nicht sehr aufschluBreich 1, 21 koI ovkexi rjij,nsdov mg jtQog fi[A,ag ovpfd'rj^ag, 

sind. VerhaltnismaBig selten ist o. in den Papyri, stdcjg ore rj(xeig ovS' oriovv wv 'AozvdyTjg ovvsd'sro 

die eben zum groBten Teil Privaturkunden sind naQa^alvoifAsv. 

und in denen fur Vertrage andere Bezeichnungen Leistet ein Vertragspartner mehr als der Ver- 

iiblich sind. trag von ihm verlangt, so z. B. die sizilischen 

Wir wiiBten tiber o. mehr, wenn uns die %pr}- Bundesgenossen mehr als wozu sie naoh Bundes- 
(piO[A,dx(jov Gvvaya>yri des Krateros erhalten ware; 10 vertrag (>iaxa ro ^vfAfxaxi^iov) verpflichtet sind, 

denn sie onthielt auch Abschriften von a., vgl. so heiBt idas, to bUaiov /ndXXov rfjg Svv&i^- 

Plut. Kim. 13 er de rolg yjr](plofA,aoi, a ovvrjyayE Kr}g jtgo'&vf^oog naQsoxovxo Thuk. TV 61, 4; vgl. 

X^axsQog, dvxlyQa(pa ovv&rjjicov d>g ysvofA,svcov auch Thuk. I 37, 3 iioXkov 7] Kaxa xdg ^vvd"ri7€ag. 

TiaxaxexaKxai. Fur das Brechen des Vertrages stehen pro- 

Fiir das AbschlieBen von Vertragen findet miscue naQa^alveiv, vnsQ^alveiv, Xveiv, dvaigstv 

sich neben ow&fjTiai ylyvovxai mit naehfolgender u. a., woftir die Worterbiicher Belege geben. Ver- 

Infinitivkonstruktion vor allem owd-rjKag ovvd'eivai eimzelt ftir das Widerrufen eines Vertoges steht 

Oder ovvd'eo'd'ai, nicht gerade oft o. yQ&ipai oder dvayyeXXsiv xrjv ^vv&rjnrjv Thuk. IV 122, 2. Das 

yQaipacd-ac, am haufigsten o. noisiod'ai, nur ver- Gegenstuck zu tcvqovv (s. o.) ist aavQov jcoisip in 
einzelt das Aktivum TzoteJv, letzteres besonders 20 Syll.^ 705, 50 xdg xs ovv&rjKag dg Enoirjoavxo tva 

bezeichnend Xen. rep. Lac. 15 ^ovXofmi be Tcal dg aTtvQoi ysvcovxai. 

PaoiXEl uiQog xrjv jioXcv ovvd^Kag 6 AvTcovQyog Aus dem Inhalt der a. soUen nur einige Ein- 

ETiolfjOE diTjyi^oao'd'aCj wo nicht eine Abmachung zelheiten herausgehoben werden. Charakteristiseh 

von zwei Parteien vorliegt, sondern die einseitige ist, daB im allgemeinen nur die gegenseitigen 

Festsetzung der Pflichten, deren Aufzahlung nach- Verpflichtungen der VertragschlieBenden auf ge- 

her folgt, duroh den Gesetzgeber. Daher auch der zahlt, dagegen uber die Aufhebung des Vertrages 

Dat. ^aotXEi statt des bei zwei Parteien ublichen bei Vertragsverletzungen durch einen Kontrahen- 

TtQog xiva. Spater findet sich ftir den Vertrags- ten besondere Bestimmungen, die in modernen 

partner, ofter einen Beamten, der den Vertrag Vertragen fur Vertragsbruch festgesetzten Sank- 
aufsetzt oder ausAuftrag vermittelt, ^sa^rfvetr, BOtionen, in der Regel fehlen. Wo solehe vorliegen, 

so Diod. XIX 71, 6 fjLEoixEvoavxog xdg ovi^rjKag sind sie der besonderen Art des Vertrages ent- 

"AfAiXHov xov KaQxv^o^^ov. Dion. Hal. ant. IX sprechend individuell verschieden. Es gilt also 

59, 5 ^Exd xovxo Gwd'fj^ai yivovxai xaig uzoXsoi auch von den or., was Bd. IV A S. 1085 von den 

fAEOiXEvoavxog avxdg xov vndxov xoiaids. Polyb. XI Vertragen im allgemeinen gesagt ist, wobei auf 

34, 3 ^^lov xov TrjXsav /uEoiXEvoai xrjv didXvoiv die Erfassung der juristischen Natur der Ver- 

EvvoiKwg. Syll. or. 437, 76 yevoiAsvov tcXtjqov dnb trage vorlaufig noch verzichtet werden muB. Da 

[xfjg fAEoJixEvovoTjg xdg ovvd"ri7cag noXEog. eine bestimmte Form, namentiich auch die 

Ist der Vertrag gesohlossen, so tritt das Perf . Schriftlichkeit, nicht vorgeschrieben ist, kann a. 

Pass. ovy?i£io'&ai ein, so lS^ll.3 116, 16 ^ial xdXXa auch jede Abmachung oder stille Vereinbarung, 
jtotsv tcaxd xog oQKog xal xdg Gvv&rjKag, nad'anEQ 40 Konvention, sein, so bei der Festsetzung der 

^vvKEixai "Ad^valoig nai Safxloig, Syll.^ 633, 26 Mlinze als Tauschmittel Aristot. Eth. Nic. (V 8 

GvyHElo-dai be uiQog '^HQanXscbxag ovv'&rjKrjv xrjvbs. p. 1133 a 28 olov b^ vndXXayfxa xfjg XQEiag xb 

Im gleichen Sinne, doch mehr im Sinne der Giil- voiAioiLia yiyovEv naxd Gvv'd"i]Kriv. 

tigerklarung oder Ratifikation steht jiVQoo), so Ein groBer Teil der staatlichen a. sind Sym- 

SjY\..^b81,S6^vQO}'d'sloag be xdg ovv&'rjxag eXeo^o} machievertrage, fur deren Zustandekommen, For- 

6 bdfxog naQaxQrj^a avbQag TtEvxs, Syll.^ 633, 105 mulierung und Inhalt auf v. Seal a Die Staats- 

eXeo'&o) 6 bdfjLog 6 Mdr}oca>v avb^ag xQEig (AExd xb vertrage des Altertums I (bis 338) Lpz. 1898 und 

HVQOi'&fjvai xb yjrjcpiof^a koi xrjv ovvd"rj7iriv. Die die eingehende Darstellung Bd. IV A S. 1103ff. 

durch den Vertrag verpflichteten Parteien sind verwiesen werden darf. 
01 vnb xdg ow&i^Kag Aristot. rep. EI 11 p. 1280 b 3. 50 Die selbstverstandliche Bestinamung, daB eine 

Fur das Halten des Vertrages ist der charak- a, fiir die Kontrahenten bindende Kraft hat, ist 

teristische technische Ausdruck fi ^ ^ £ V « « 1/ r a 7 ? bei Andok. Ill 34 so formuliert: olg 6' aV ofxo- 

Gwd-rj Tca ig, so Thuk. V 47, 1 E[A,(A,EV(b xfj ^vf,i- oo)f^Ev Tcal ovv&cbfAEd'a, xovxoig si^iaeveiv (xq^i). 

(A,axiq. naxd xd ^vyxEifAEva bcfcaiwg nal dpXa§(bg Eine haufige Bestimmung in Bundes-, Frie- 

?cal dboXoyg. Syll.^ 581, 88 Ef^fierslv xdi av(A.(A,axtai dens- und Rechtshilfevertragen lautet, daB die 

Tial xdi ovvxd^Ei xdi yEryEvrniEvai xcbi bdfA,oyi noxl Vertragsparteien zu keiner anderen Leistung ver- 

"lEQcmvxvlovg dboXoyg ?eal dnQocpaoloxwg. SyU. or. pflichtet werden diirfen als zu den im Vertrag 

229, 62 E[A.{A,Evcc> Ev xoig ovv&ijfcacg alg ovvxE'd'EifA,ai festgesetzten, sonst fallt die Verpflichtung fiir sie 

Tigbg EfAAjQvalovg eig dnavxa xby xQ^^vov. Syll.^ dahin. Statt mehrerer ein Beispiel, Xen. hell. VII 
633, 120 E[A,iA,ELvo)GLv xolg EV xfj Gvv&TjHij HaxaHE- 60 5, 4 ^WKElg fjisvxoi ovK rjHoXovd'Ovv, XeyovxEg oxi 

XO)Qio^svoig. Wer den Vertrag halt, handelt ftaxd ovvd'fjKat ocploiv avxoig eIev, eI xcg snl Sri^ag Hot, 

xdg 0. oder /^lExd xfjg o. wofur seltener sji xfjg o. ^orjd'Elv' eti' dXXovg bs oxQaxEvsiv ovtc Eivai ev xoXg 

steht, so Plat. leg. 879 A ek xfjg a. aixidod'ai. ovvd'YjKaig. 

Isokr. Paneg. \1% ek xwv o. Verbal findet sich 'Wiederholt ist in a. die Moglichkeit vorbe- 

dafiir spater ev ovvd-EXElv Chrysipp. ap. Stob. halten, neue Bestimmungen einzuftihren oder vor- 

XXVIII 15 und Plut. Rom. 5 Evovvd'Exsiv ^ovXo- handene aufzuheben nach gemeimiamer tJberein- 

fAsvog Koi bixaiwv e[a,{A£veiv xolg oQio'd'Eloiv. Be- kunft {>ioivfj povXfj), so im Vertrage Roms mit 

sondere verbale Verbindungen finden sich bei Kibyra aus der Zeit nach 180 v. Chr. Syll. or. 



1161 2vv3ii]xrj 2vv^7Jxr] 1162 

762, 7 ?cal idv ri nQog ramag tag Gvv&rjKag 6 Eine wesentliche Bestimmung der Vertrage, 

6Yj[^og 6 Tcof^aicov Tcai 6 dfjpiog 6 Ki^vQaxcbv noi- vor allem der Friedensvertrage, ist die Festset- 

vv\i povXfjt jtQoo'&eivat 7] s^sleXv ^ov^covrai, xoivfji zung der Dauer. Diese Befristung betragt im 

^ovXfji drj/^oolai EHaxsQcov -d^eXovzcov iSsozco' a ds 5. Jhdt. in der Regel 50 Jahre, so beim Nikias- 

av TZQooxL'd'cbGiv sv xoXg ovv&YjHaig, sviozco iv ralg frieden (Thuk. V 18, 3) und dem bald nachher 

avvd"r}Kaig, a be av aq?sXcooiv rcov ovvd^Kcbv, s>cxbg zwischen Athen und Sparta gesehlossenen Biind- 

sGxco. Ein weiteres Beispiel gibt der Btindnisver- nis (Thuk. V 23, 1). Femer im Vertrag zwischen 

trag Eoms mit Astypalaia vom J. 105, IG XII 3, Argos und Sparta von 418 CEiuk. V 79, 1). 

1 73, 40ff . a dh av uiQoo'd'woiv sv xalg ovv&rjKaig rj Spater ist die ewige Dauer, eg xbv ael xQovov oder 

otv d<peXcootv en xwv ovr&rjKwv, eTcxog eoxco xavxa 10 elg xov oLTiavxa xqovov, ob ausdrtieklich festgesetzt 

(ev) xalg avvd"rjxaig yeyQafXfdva. Daraus ergab oder stillschweigend vorausgesetzt, das Ubliehe, 

sich fiir Cichorius und Mommsen die Moglichkeit so in dem Vertrag zwischen Athen und Boiotien 

in dem stark verstiimmelten Bundnisvertrag von 396/95, Syll.^ 122, 3 eg xov del xQovov. Da- 

Homs mit Methymna von ca. 129 v. Chr., IG XII gegen findet sich die ftinfzigjahrige Befristung 

2, 510, 17ff. (= SyU.3 693) mit ziemlioher Sicher- auch noch um 389—383 in dem Btindnis der 

heit zu erganzen [edv xi nQog xavjxag xdg ovv- Chalkidier mit Amyntas, das teils rein politischer, 

'&Y)7iag TiOLvfj [^ovlfj TtQoo'&elvai ^ dQai ^ovXcov- teils handelspolitischer Natur ist, Syll.^ 135. Auf 

xa]c, drjiAooiq, povXfj eKaxeQ[(ov e^eoxco' a be av diesen zeitlichen Unterschied hat schon Swo- 

jiQOG'&cboiv r/ a]QcoGiv ev xalg ovv&i^siaig, [enxog b o d a Arch.-epigr. Mitt. VII 44 aufmerksam ge- 

eoxco xavxa 7CQooysyQa[A.{yieva ev xalg] ovvd'fjTiaLg. 20 macht. Wahrend der festgesetzten Dauer bleibt 

Eine Revision (bioQ^cooig) ist ausdrtieklich vorbe- der Vertrag unabanderli(£, falls nicht Zusaiz- 

halten im Vertrag zwischen Rhodos und Hiera- bestimmungen oder Revisionen, wie sie oben er- 

pytna von ca. 200—197 v. Chr. SyU.^ 581, 86 wahnt sind, ausdnicklich vorbehalten sind. Im 

i^eoxQ) be xat bioQ'&cooao'd'at xdg ovv&i^^iag, el xi Pachtvertrag der Aixoneer von 364/65 v. Chr., 

na bo7<^Y\t diicpoxeQaig xdXg noXeoi biaTiqeo^evoaiievaig IG II 1055 (= 'SiyU.^ 966), wird die Aufreeht- 

no-d^ avxdg' a be na 2ioivdi bo^rjt, rawa nvQca erhaltung der vierzigjahrigen Dauer der Pacht 

eoxco, Ein weiteres Beispiel bietet der grofie Ver- zugunsten der Paehter energiseh stipuliert, Z. 29 

trag der Milesier und Herakleoten von ca. 180, edv be xcg eijvet rj ejviipfjcplaei naQa xdabe xdg ovv- 

Syll.3 633, 121 edv be xl xoivfj (palvrjxai xalg uzd- 'd-rjKag uzqIv xd exTj e^eXd'elv xd xexxaQatcovxa, elvat 

Xeoiv biOQ'd'OV&d'ai xrjobe xfjg avvSh^KTjg, e^elvai av- 30 vuzobiKOv xdlg jutio'd'coxalg xrjg pXdprjg, 

xalg Tioielo'&at xrjv bcoQ'&oaiv nQeo§evaaiJievoi)v xwv Da eine o, meistens eine Reihe von Abmachun- 

brj^cov uiQog eavxotfg, gon enthalt, hat sich friihzeitig der Plur. ovvd-fj' 

Fiir den Fall von Streitigkeiten wird im Ver- xai, der in spaterer Zeit fast allein tiblich ist, 

trag das einzusehlagende Rechtsverfahren festge- audi in Fallen durchgesetzt, wo nur von einem 

setzt, Thuk. V 18, 4 i]v be xi btd<poQov fi nqog Vertrag die Rede ist, so in ydficov ovvd^xai Pint. 

dUi^Xovg, btKalcp xQ-riod'cov nal oQTcoig, Tca'd'^ o xi Lyk. 18, wo nur von dem einen Ehevertrag fiir 

av ^vvd'covxai. Oder es wird der Gerichtsstand Monime die Rede ist. Dagegen steht der Sing, 

vereinbart, wobei eine Ausnahme festgestellt von einem einzelnen Ehevertrag noch in dem 

sein kann, falls einzelne Staaten bereits private spaten Pap. Oxy. 903, 18 (6. Jhdt. n. Chr.). 

Abmachungen getroffen haben, so SyU. or. 437, 40 Mehr Beispiele bei P r e i s i g k e W.-B. 

63 JiXfjv el xiveg eloiv m xwv nolewv uiQog dg Da a. nicht ein'deutig umschrieben ist, treten 

eloiv ovv&fjTilai Xbiai, xavxa] bie^dyeo'&ai, xard andere synonyme Bezeiehnungen teils damit ver- 

xdg Iblag ovvd"]^?cag. Am beliebtesten ist bei Strei- bunden, oft geradezu als Hendiadyoin, teils ein- 

tigkeiten iiber die Auslegung des Vertrages das zeln, die versehiedenen Akte vom Zustandekom- 

Herbeiziehen eines dritten Staates als ScMeds- men des Vertrages oder dessen Inhalt hervor- 

richter, exxXrixog nohg. So wird in dem Briefe hebend, hinzu, wie onovbai, oqkoi, (piUa, auch 

des Konigs Antigonos von ca. 303 v. Chr., der SjuoXoyia, doch dieses nicht eben haufig und dann 

die Sympolitie von Teos und Lebedos ordnet, fur in Verbindung mit o., woftir Pap. Masp. 32, 6 

den Streitfall Milet als eKTiXr^xog noXig bezeichnet, (6. Jhdt. n. Chr.) xdobe xdg avxiygdcpovg ofAoloylag 

das den Fall binnen sechs Monaten entseheiden 50 Tcal ovvd'YjKag ngog dXXrjXovg noch ein. spates Bei- 

soll: Syll.3 344^ 25 oca be eaxiv (vfuv) [sc. eyxX'^- spiel liefert. Vgl. auch Plat. Krit. 53 D, wo die 

jbiaxa Tcal ovf4,p6Xaia] uiQog xovg Ae^eblovg rj xolg Gesetze zu Sokrates sagen naQd xdg ovv'&riKag xe 

Ae^ebiovg :n;[^6g fvf^dg^ uioeiv d(ji(poxeQ]ovg ovv- xal xdg ofxoXoylag, Had''' ag rjfuv avved-ov TtoXi- 

d'r)Kr)v, yQdipao'&ai be xrjv ovv&rjKriv, koI av xi xeveo'&ai und 54 C xdg oavxov ofAoXoylag xe xal 

dvxiX[eyrjxai jiQog xrjv o]vvd'r}xriv, ejiixQi'&fjvai ev ovv&i^Hag xdg uzQog '^f^idg bia§dg. In anderer Ver- 

xfji eHHXrjxwi ev e^afjirjvcor eKTcXrjxov [be uioXiv wendling stehen die Synonyma a. nal o[A,oXoyia 

yeveo'&ac na'&d] dfjL(p6xeQoi ovvcofA,oX6yrjaav, Mixv- Plat. Krat. 384 D. 435 C. Es mogen eine Anzahl 

Xiqvriv, Beispiele fiir die Verbindung solcher Synonyme 

Bei Vertragsbruch fallt der Vertrag einfach oder ihrer Identitat mit a. folgen Thuk. I 78, 1 

dahiQ oder es tritt bei Friedensvertragen statt ^^onovbdg /Ltrj Xi)eiv iiribe naQa^aivev xovg o ^ - 

des garantierten Friedens der Kriegszustanid ein. xovg, xd be bid(poQa Xveod-ai %axd xyjv o vv- 

Sanktionen fiir Vertragsbruch finden sich nur d'r) 7cr)v, I 40, 2 et ydQ ev xalg anovbaXg e'lQrjxai 

vereinzelt, so in dem zitierten Vertrag zwischen . . . ov xdig em pXafir^v lovoiv fj ^vvd'rjTcrj eoxiv 

Milet und Heraklea Syll.3 633, 123 (von ca. 180 (gilt der Vertrag). Der Nikiasfrieden heiBtThuk. 

V. Chr.) onoxeQoi 5' av [Arj e//,f^elvcooiv xolg ev xfji V 15, 1 ^vfipaaig, ebenso im Referat des Hi- 

ovv&rjTirji Haxa7iexo)QioiJievoig, abiKot xe eaxwoav storikers 17, 2 ot Aa^ebaifiovioc . . . jtoiovvxai xrjv 

xwv ^ewVj ovg w^ooav, xat dnoxetoaxwoav ol (xt) ^vix^aotv ?eal eoneioavxo uiQog xovg 'A'&rjvalovg Tcal 

ejLtjbiecvavxeg xolg ififxeivaocv xdXavxa nevxrjTiovta. wf/^ooav, wahrend der Vertrag selber beginnt onov- 



1163 ^vvS'ifjxrj Svvd^'ijxrj 1164 

8ag enoiYioavto 'AdTjvaioi Tiol Aaxebaifxovioi und "d^riJia auBer Grenzfestlegungen gegenseitige ent- 

dann steht onovbai auch im Vertrag seltoer 18, 3, yafxla und ydg syntrjaig zusichert, wahrend der 

in der Datierung 19, 1 und in der SchluBbemer- zweite Teil von Z. 27 an, als ovfifm/la . . . to/^ 

kung des Sehriftstellers 20, 1. Verbal ist der Ver- ^dvra xQovov bezeichnet, die gegenseitige Hilfe- 

trag 18, 4 bezeichnet binalc^ (Rechtsverfahren) leistung (fiod'&oia) ordnet. 

XQrjod-oyv koI oQKoig, 7ia'&* o n av Sw&cbvrai, Den Ein weiteres Synonymon ist ov fi^ oXov, so 

Eid legt jeder Staat ab mit den vorgeschriebenen Andok. IV 18 koI jiQog fjisv rag aXXag noXeig h 

Worten if^/Lievco raig ^vvd'riTcatg pcal raig onovbaig tdlg av/Li^6Xoig ovvtMfyied'a fi/rj e^elvai fjiri'd''' elg^ai 

taiods diTcalcog koI ddoXcog. Svvd-fjxai Aaxsdai- f^rjzs brjoat xov eXev'&sQov. Dieses steht mit avv- 
fjiovlcov .. . TtQog paodia kxX, Thuk. VIII 37, 1, '^^'^fj^ai als Handelsvertrag und yQaq?at von einem 

als tJberschrift des Vertrages von Steup Thuk. Symmachievertrag gleichwertig Aristot. rep. Ill 

Stud. I 38 festgestellt, beginnen oTtovddg elvai 11 p. 1280 a 38 slol yovv avxoig ovvd'fj k ai 

Kal (pdlav Kara rdde. Ein dritter Vertrag mit nsQi rcov eioaycoylfyiwv koI av ia,^ ola tisqI rov fXT] 

Tissaphemes heifit in der Urkunde selber VIII dbiKsiv ^al y Qa<pal negl cvfyifAaxiag. 

58, 1 Swd-ffpiat, imBerieht des Historikers 57 a. E. Vereinzelte Falle sind ovv&eoig Syll.^ 633, 16 

xal onovddg rQirag onMerai und abschliefiend 59 (ca. 180 v. Chr.), etc rtvog Sqio/liov xat ovv&i^Ti'yjg 

al (jihv anovbal a^rai iyevovro. So tritt das eine Hut. Anton. 58, czoirjodf^svot 8s ovv&i^Hag von 

f iir das andere ein, besonders sprechend Thuk. VII bloB miindlicher Verabredung einer Wette beim 

18, 2 on rag otjzovbdg (rtQorsQovg Xelvxivai Wiirfeln Plut. Artax. 18 und iylvovro ... reXog 
rjyovvro avrovg . . . ^al elQrjpLevov bv raig nQo -^^ be 6 [AoXoy la i xat ovv'&soe ig uibqI ydficov, 

rsQov ^vvd-rj Ka ig ojcXa (at} sm(psQ8iv, rjv bi- Plut. SuU. 35, wozu aus byz. Zeit noch av v- 

nag MXcoai bibovai. Entsprechend sind die Verba ^^^a hinzukommt in Pap. Masp. 169 b 13. 

avvrl'd'sa'&ai und anevbead'ai synonym verwendet, Charakteristisch fur die Fiille synonymer Aus- 

so z. B. Thuk. IV 119, 1 und 2 Svri'&svro be xal driicke ist das Lemma des Pollux I 154 birjXXd- 

sajtsvbovro Aa^tebaifjiovioi fjikv oibs, wobei bei ajz, yrjaav, KarrjXXdyrjaav . . . teat avfji^dasig sjioitjaavro 

naturlich immer an das AusgieBen der Spende xal avvs&svro xal avvd^nai syivovro xal <h(jioX6- 

gedacht ist. Sk) auch Andok. Ill 29 §aaiXsi rep yrjaav teal 6[A,oXoyiai iyevovro. Vgl. auch Suid. 

f^eydXcp . . . anovbdg noiYjadfievoi hoI owd-efAsvoi avvd'rjxr) • dfjioXoyla, 

(piXlav etg rov anavra xQovov. Vgl. auch ^vvM- Wenn auch, wie sich ergeben hat, a., anovbal, 
[Asvoi ^vfjL[Maxlav rivl Thuk. I 115, 4, wo C obe t ^^oq^oi u. a. Ausdrucke nicht scharf gesehieden sind 
^vfA,[Aaxlav zu XJnrecht gestrichen hat. AuBer mit als die besonderen Akte des Vertragsschlusses, 
Objekt, wie etwa Thuk. V 26, 2 sIqyjvtiv .,, iv fj sondern den Vertrag schlechtin bezeichnen, gibt 
ovrs djisboaav ndvra ovr' dnebs^avro a ^vvid'evro, es doch Falle genug, wo a. die Vertragsurkunde, 
steht a. auch absolut fiir einen Vertrag schlieBen das Vertragsinstrument, bezeichnet. Das ist bei 
mit dem bloBen Dativ Thuk. VIII 37, 5 fjv be ng offentlich-rechtlichen a. immer dann der Fall, 
rcbv noXsoyv onoaai ^vve'&evro paadet eni rrjv wenn im Vertrag die Aufzeichnung der Urkunde 
paademg ^ x^Q^v, Verbal ausgedruckt sind die auf festem Material, Stein oder Bronze und ihre 
Vertragsbestimmungen rd ^vyneiiieva, so Thuk. Aufstellung an einem sichtbaren Orte ausdrlick- 
V 47, 8. VIII 58, 5; vgl. V 47, 1 Kara rd ^vyKsl- lich verfiigt ist, bei privaten or., wenn von deren 
fyieva und V 47, 12 nQoad-eZvai nQog rolg ^vynei- 40 Hinterlegung bei einer Drittperson die Rede ist. 
ixevoig. In diesen Fallen bezeichnen dann anovbal und 
Weitere Beispiele synonymer Vlerbindungen oqkoi den Inhalt der a. Ein paar Beispiele mogen 
bieten Demosth. XVIII 164 naQ^ ovbev rjyov- genugen. Im Bundesvertrag Athens mit Argos, 
[jievog rdg '^/^ersQag aw&i^Kag Kal rovg oQKOvg Mantineia und Elis von 420/19, Thuk. V 47, 11 
Xveiv empdXXerat xal rrjv elQrjvrjv, noQa^alvwv wird beschlossen, rdg be ^vv&rjKag rdg neQi rcov 
rdg Koivdg nlareig, Epist. Phil. Demosth. XVIII anovbcbv Kal rcov oqkcov koI rfjg ^vf^f^axlag ava- 
il ov av(AnsQiedrifji,[jLevoig sv raig rfjg cpdlag KOivfj yQdipai sv arrjXrj XiMvy) 'Ad'rjvalovg fAsv ev noXei 
KBiiABvaig Tjfuv avvBriKaig, Zur Abwehr einer Ver- (d. h. auf der Akropolis, wo das Original 1876 
schworung Diodor I h^ avv'&riKag yQaxpdfzevoi neQl gefunden wurde, jetzt IG P 86). Im Vertrag 
rfjg nQog dXXrjXovg o^iovolag Kal nlorecog. Als Hen- 50 Athens mit den Bottiaiem von ca. 420 v. Chr. 
diadyoin wirkt namentlich die Verbindung 6q- wurde Syll.^ 89 j 21 entsprechend erganzt rdg be 
Tcoi Tcal a, oder avvd-fjiiai Tcal o q k o i, die x^'^'^'^^^^s "^^[^ ^^Q'' ^^^ anovbov Karajd^svai A'&e- 
in Inschriften ofter vorkommt, so Syll.^ 116, 15. valog fxev ef/, noXsJi dvaygdcpoavrag sareXei] Xi'&l- 
173, 15, aber auch Plut. Sertor. 24 ov f^rjv dXXd vei, jetzt IG F 90 rdg be ;|javv#f;i;a? rd[ad's Koi 
ylvovral ye avvd'fjTcai koI oqxoi, so daB dann oqkoi rov hoQKOv Karajd-evai. Im BeschluB der Athener 
fiir a. istehen kann, vgl. Hesych. avv^Kar oqkoi. ftir Selymbria von 409/08 v. Chr. IG P 116, 21 
Einige inschriftliche Beispiele: ex rcov avvd^Kcov (Syll.^ 112) wird beschlossen rdg be xowd'eKfag 
Tial oqkIcov Syll.^ 693, 15 (ca. 129 v. Chr.), awe- dvayQatpJaavteg eg areXev d'svai eg ro hteQofv rd 
'd'svro rrjfi <pdlav Kal avfjiaxlav (sic) Syll.^ 627 AnoXXovoJg; nach dem Amendement des Alkibia- 
(183 V. Chr.), ixexd ro KVQcohfjvai rd yjiljcpiafza xal 60 des soUen die Strategen mit dem Ratschreiber die 
rr}v avvd'rjHrjv Syll.^ 633, 105 (ca. 180 v. Chr.). Aufzeichnung und die Aufstellung auf der Burg 
Verbal: at avv&fjKai ag avve^ero koI cof^oae . . . besorgen, Z. 29 Kal Tcarad'evai e[fi noXJei dva- 
KVQiai Sai SyU.3 173, 25 und 70. Dagegen sind y^dcpoavrag r6ar[Qarsybg r]dg avvd'e[K]ag fAsrd ro 
a. und ov[jifA,axla deutlich auseinandergehalten in yQafjifjiareog r[eg poXeg]. Auch sonst sind etwa die 
der Urkunde Syll.^ 421 avvdrjKa Ttal avf^fmxla Redaktoren oder die Redaktionskommission einer a. 
AlrcoXolg Kal A^aQvavoig mit dem bezeichnenden mit Namen genannt, so im Vertrag zwischen 
Zusatz avv&rjKa AlroiXolg koI AxaQvdvoig o/aoXo- Milet und Heraklea Syll. 633, 26 avy^ela^ai be 
yog J indem der erste Teil der Urkunde als atjv- nQog "HQaxXscbrag avv&i^Krjv rrjvbs' . . . rdbe awe- 



1165 2vv&'^xr] ^vv&rixri 1166 

d^evxo Kol (hixoXoyrjoav Mdrjoioi Tcal HQaTclecbxai gungen fiir die Giiltigkeit oder Ungiiltigkeit von 

avvyQaxpafxevcov fiev rcov re jtQvxdvecov >ial rcbv Vertragen sicher feststellen. Nur so viel lafit sieli 

fjQrj/xivcov em xfji q)vla>irji Ttal xcbv anodei^x'&evtcov sagen, dafi die athenische Gesetzgiebung das pri- 

ovvsdQcov (folgen 10 Namen) . . . vjteg Ss T3.Qa- vate Vertragsreeht geregelt haben mufi. Das er- 

nlecoxcbv xcbv anooxolevxcov (folgen 3 Namen). In gibt sich axis Demosth. XLVUI 11, denn der 

Lebefdos gibt es, da das Albfassen von Vertragen Sprecher der Rede lafit xbv v6f4,ov dvayvcovai, nojd^ 

spezielle Kenntnisse verlangt, ein besonderes Amt ov xdg ovv&i^Kag syQayjafAsv jcQog fiiidg avxovg. 

von avvd-r^KoyQ depot, denen Konig Antigonos Auf gesetzliche Regelung weist auch Plat. leg. XI 

in seinem Sehreiben an die Lebedier SyU.^ 344, 920 D ooa xig dv 6(jLoXoycbv ovv&io'd'ac f4,7j noifj 
31 vertrauensvoll die Abfassung versehiedener 10 xdg o/aoXoyiag (mXrjv Sv dv v6[jloi dneiQycooiv fj 

Bestinunungen tiberlafit: xd fxsv o^v dVka vn[o' y}'i^q)iafia, rj xivog vno ddUov ^lac&slg dvdyKrjg 

lcLfA.§dvo[A,ev em xoiovxoig yjQaqpeiv rovg ovvd^)- o/LioXoyi^OTj, wo auch die Ungiiltigkeit der Aus- 

KoyQdcpovg, olg dv noxe yivcboxcooiv. Nach Z. 37 iibung von Zwang auf einen der Vertragschlie- 

werden .die ovv&rjjioyQd(poi aueh beauftragt, bei Benden erwahnt ist. Was tiberhaupt sich uber 

der Bezahlxing rtiekstandiger Sohnlden als Rech- die Geschaftsformen des grieebischen Rechts 

nungsbeamte zu funktionieren. feststellen laBt, hat schon Gneist Die formel- 

2. alsPrivatvertrage gehoren zu den len Vertrage (1845) 418ff. grundlegend dargestellt, 

ovjbtpoXaia, den Rechtsgeschaften tiberhaupt. Sie auf dem aUe spateren Darstellungen beruhen, 

sind bei den einzelnen Rechtsgeschaften zu be- tJber so manches, was wir wissen mochten, 
handeln, wie z. Paeht- und Mietvertrag, Werk- 20 bleiben wir aber im Unklaren. So konnen wir 

und Dienstvertrag von mir o. Bd. XV S. 2095ff. nicht einmal sagen, ob der romischrechtliche 

unter filo'&cooig dargestellt sind. Grundsatz von der Pravalenz der lex posterior 

Da auch hier die Sehriftlichkeit nicht gesetz- auch fiir griechische Gesetze und Vertrage ge- 

liche Vorschrift ist, so kann a. und ovvxtd-eod'ai golten habe, wie ihn Plut. Mor. 742 D anftihrt: 

auch die mtindliche Verabredung, Zusicherung ev xe doyfiaoi ^al vofxoig ev xe ovv&rjxatg koI of/.o- 

oder Zustimmung bedeuten. Vgl. Anidok. Myst. Xoylaig ^vQicbxega xd devxsQa vofxlteod'ai xal ps- 

42 Kal rjfjLag ovvd-efievovg ol xd dgyvQiov eig xdv §ai(x)xeQa xcov uiQcbxcov. Das ist romisches Recht. 

emovxa fifjva dcooeiv dtaipsvoao'd'ai %oX ov 8i86vai, Ob auch nach gri^chisohem Recht eine spatere o. 

Plat. Theaet. 183 C dnoTCQivofxevov Tcaxd xdg ovv- ohne ausdrtickliche Erwahnung der aufzuheben- 
'&T^?cag. Pap. Oxy. 1668, 12 (3. Jhdt. n. Chr.) ovxo) 30 den Einzelbestimmungen die friihere auf hob, wis- 

ovv iyo) avx(p ovve^efjiYjv uzeQi xovxov, ebd. 15 ovd^ sen wir nicht. 

ovxojg ovve'&evxo ot eQyaCo/^evot. Pap. Fay. 34. 20 Den Akt der Ausfertigung einer privaten a. 

(161 n. Chr.) Gvvsd'S(A,r}v ndoi xolg utQOTteifjievoig, schildert ausfuhrlich Demosth. XLVIII 9ff. ovv- 

Pap. Oxy. 1280, 5 (4. Jhdt. n. Chr.) df/,oXoyco •O'TfTiag eyQaipaf^tev TiQog r}fA,dg avxovg uzeQi dndvxoiv 

sKovola Kal av'&aiQexqy yv(6fA,rj ovvxsxio'&ai fis ngog teal oQHOvg ioxvQOvg d)fA,6aaf^ev dXli^Xoig 9cal fiaQ- 

oe ejzl x(p [xal emKoivoivlv ooi eig xdv xpvTCxfjQa xov xvQag enoir^odfjie'd'a tisqI xovxcov, wozu zu be- 

TiaiAYjXimvog, Mehr Beispiele bei M o u 1 1 o n u. merken ist, da6 weder das Beschworen noch die 

Milligan Vocabulary of Gree-k Testament u. Beiziehung von Zeugen gesetzliches Erfordernis 

ovvxl^f^i, fiir die Giiltigkeit des Vertrages war. Hingegen 

Private a. sind nur giiltig, wenn die Willens- 40 ist wesentlich und doch wohl gesetzlich vorge- 

erklarung von beiden Seiten freiwillig erfolgt ist. schrieben die Deposition des Vertrages bei einer 

DaB aber der Wortlaut des athenischen Gesetzes Drittperson, im vorliegenden Fall bei Andro- 

nicht ooa dv exeQog ixeQcp encbv exovxi o^oXoyriOYi^ kleides aus Acharnai, naQ^ (S naxe^eiAed'a xdg ovv- 

TtvQia elvae gewesen sein kann, wie aus einzelnen d'tj^ag, dessen Zeugnis verlesen wird. Es war 

SteUen geschlossen werden konnte, sondem daB moglich und gesetzlich zulassig, daB die Kon- 

das uns wesentlich scheinende eKcov enovxi nicht trahenten miteinander zum Depositar gingen, 

im Gesetz stand, hat Lipsius Att. Recht 684 eine Kopie des Vertrages anfertigten, das Ori- 

gezeigt, auf dessen Ausfuhrungen iiber Ungiiltig- ginal wieder versiegelten und die Abschrift in 

keit eines Vertrages bei auf einen Vertragspart- ein UrkundengefaB (exivog) legten, das versiegelt 
ner ausgeiibtem Zwang verwiesen isei, Von der 50 und erst vor Gericht entsiegelt wurde. Das selbst- 

Bindling der Vertrage gilt, was Isokr. paneg. 176 verstandliche Versiegeln des l;^«vo? mit den Akten- 

ganz allgemein sagt und was selbstverstandlich stiicken bezeugt ausdrlicklich Demosth. XLVIII 50 

ist: xig ydQ ovk oldev, oxi ovv&fjjiair fiev sloiVy nal d^ico ovyxo)Qeiv avxdv xal eycb ovyxoQcb dvoi- 

atxtvsg dv 'ioog nal xoivcbg d/bcqporsQovg exo)Oi. x'^V'^f^^ "^^^ ovvd^teag evxav&t enl xov biTcaoxriQiOv 

So sind die a., ob offentlich oder privat, bindende >eal dtcovoai vfA,dg tcoI uidXiv orjf^avd'fjvai evavxiov 

Akte, dvdyTiai', s. Isokr. paneg. 81 xalg ovvd^Tcaig v[awv; vgl. auch 51. Nattirlich ist hieftir die Zu- 

MoneQ dvaynaig efjifjieveiv d^iovvxsg, Es kann aber stimmung beider Telle notwendig, aber Qlympio- 

auch nur eines dieser den Vertrag sichernden Mit- doros verweigert sie. Inschriftlich sind avxlyQaq^a 

tel zur Anwendung kommen oder an deren SteUe xcov ovv&rjtccov z. B. erwahnt Syll.3 915, 15. 588, 
lediglich die schriftliche Ausfertigung treten. Da 60 90. Eine solche ordnungsgemaB versiegelte o, 

diese namentlich bei Privatvertragen friih fast tragt die Namen der Vertragspartner, aUfaUiger 

allgemein iiblich wurde, konnte an Stelle von o. Zeugen und Depositare und ist rechtsgiiltig, ojtoloi 

auch ovyyQaq?!^ treten, was nicht gerade zur Er- ydQ dv xiveg cooiv ol emyeyQafifxevoL ^ cpvXdxxovxeg, 

leichterung der Begriffsbestimmung des einen xovxoig at ovvd-fjKai moxal eioiv, wie es Aristot. 

wie des andern beitragt. rhet. I 15 p. 1376 b 4 heiBt. Die Anfertigung 

Weder fiir Athen noch fiir einen andern grie- einer solchen privaten a. unid deren Hinter- 

chischen Staat lassen sich beim Fehlen durch- legung beschreibt auch ausfiihrlich Lykurg. 23. 

greifender gesetzlicher Bestimmungen die Bedin- Amyntas verkauft SklaVen fiir 35 Minen an Ti- 



1167 ^vvd'TJxT] 2vv37]xrj 1168 

moehares. Da dieser nicht bozahlen kann, wird ftir private Pachtvertrage enthalten nicht immer 

di6senB©trageinS'chuldschein(avyi^;H;a«)aiifg€setzt Mr den Fall der Nichterfiillung der Pachtbedin- 

und bei Lysikles deponiext (ovv'&i^Has uioir]odiA,svog gungen die Festsetzung von Sanktionen, wahrend 

Kai Mfxevog naQa AvgikXsX). Sie kann nun vor im obgenannten Pachtvertrag der fAeQixai rcov 

Gericht vorgelegt werden (Xaph ds [xot koI zfjv Ev&tjoicov mit Eukles festgesetzt ist, daB der 

Ti/LioxaQovg [sc. f^aQtvQiav] ?cal rag ovr&rjTiag). Pachter bei Nichterfiillung der Pachtbedingungen 

Weitere Beispiele fiir das Deponieren von die festgesetzten Sununen doppelt zu erlegen und, 

Privatvertragen bei Drittpersonen, nicht, wie man wie es knapp nnd deutlich heiBt, ohne Widerrede 

erwarten wiirde, in Archiven oder bei Beamten, das Pachtobjekt, eine Werkstatte, zu verlassen 
geben die Hypothekensteine, die die Pfandbe- 10 hat, 6(pslXscv avzdv to dmldoiov xal dmevai Ev- 

stellung auf dem Pfandobjekt selber, wie Grund- KQaxrjv ek rov eQyaorrjQcov fxrj'&eva Xoyov Uyovxa, 

sttick oder Haus, feststellen und erwahnen, wo Es ist im Grunde nicht sehr viel, was wir 

die Schuldurkunde deponiert ist. Der oQog von aus Literatur und Inschriften iiber die rechtliche 

Aigiale auf Amorgos IG XII 7, 412 (= Syll.^ Natur der o. eruieren konnten. Die Feststellungen 

1190) bezeugt eine Hypothek von 90 Drachmen, bleiben moistens bei den auBeren Tatsachen 

die zugunsten der dureh ihren Geschlechtsvor- stehen. Aber auch die einsehlagigen Stellen des 

mund vertretenen Pasariste auf Hauser und Aristoteles und Platon ftihren nicht tiefer in das 

einen Garten des Antenor errichtet ist xara ovv- Wesen der griechischen Vertrage hinein. Aus der 

'd'7]7iag rdg Ksi/jisvag naQa [EJvdxsi; KQitoXdov. bekannten Sbheidung der GvvaXXdyfxara in EKOvoia 
Pfandbe stellung infolge Darlehens bezeugt der 20 und dnovoia in Aristot. eth. Nic. V 2 (5) 13 

athenische oQog IG II 1139 (= SyU.s 1192), der p. 1131a und die Einreihung der owalldyiiaxa 

dem Glaubiger die NutznieBung an dem Grund- in diese beiden Gruppen ergibt sich um so weniger 

sttick und dem Gebaude zusichert naxa ovv&rjHag etwas Sicheres, als ovvdllayixa wie ovf^fioXaiov, 

xdg KBifjLsvag noQa Aeivlai Ev(ovvfj,€2; vgl. dazu jedes Eechtsgeschaft bezeichnen kann (L i p s i u s 

IG II 1140 und Dittenberger zu SjlU 1192 Anm. Att. I^cht 683). Die Ausfuhrungen des Aristo- 

DaB derjenige, bei dem der Vertrag deponiert teles sind lediglich Definitionen, die sich mit der 

war, der Depositar, avvd"rj Koqjv Xa^ geheiBen Tatsache, daB ovv&rjHT} und vofiog nicht <pvoEi, 

habe, steht lediglich im Schol. Hom. II. XXIII sondem 'd'sosi, also durch Abmachung, entstanden 

486 taxoQa' [xdQxvQa, ovv&rjxofpvXa^ca, und zwar sind, befassen. 'Ygl. etwa Rhet. I 15 p. 1367 b 7 
zu Unrecht, denn hier ist, wie II. XVIII 501 BO ^ ovv&rjHrj v6f4,og soxlv 'Idiog xal xaxd fisQog. Kal 

hxcoQ nicht der Zeuge, sondern der Schiedsrichter. ai /nsv ovv&fjfiat ov noiovoi xbv voiiov kvqiov, ot 

Fiir bloB moindliche Verabredung bei Fest- bs vofjLoi xdg naxd xbv voiiov ovi^nag, Hal blcog 

setzung eines Lehrgeldes oder Honorars sei ver- avxog 6 voi^og ovv&rjKY} xlg soxiv, <x>gxs, ooxtg 

wiesen auf Plat. Gorg. 520 f^rj owMfAsvog avx(p dnioxei rj dvaiQsi ovvd'YjTirjv, xovg vojuovg dvaiQsi. 

^lo-dov. Hier war ja wohl mundliche Verabredung Dem v6l^og und der a. ist entgegengesetzt das 

iiblich, wahrend bei Darlehen und Pacht Schrift- (pvosi koivov Unaiov^ Rhet. I 13 p. 1373 b 8. Der 

lichkeit fast immer vorauszuseisen ist. Fur Dar- vopiog heiBt ovv^yjktj nal eyyvrjxrjg dXlrjloig xwv 

lehen geben die Rechnungen der Amphiktyonen, diKaicov. So ist die Definition des v6[A,og bei Ari- 

die als Verwalter der T'empelgiiter des ApoUon- stoteles immer gepaart mit a., auch Eth. Nic. VIII 
tempels auf Delos funktionieren, Syll.s 153 4013 p. 1161 b 7 doKsi yaQ elval xt dlnaiov navxl 

(377/76 — 374/73 v. Chr.) Z. 50 und 70 Beispiele. dv&QcoTicp nQog ndvxa xbv 8vvdfA,svov noivcovyoai 

Die Amphiktyonen, deren Rechnungen fiir eine vo/btov Kal ow&i^Krjg, xal cpdia drj, na'&' ooov av- 

Reihe von Jahren erhalten sind, halten sich bei 'd-Qconog, Vgl. auch Aristot. rhet. Ill 10 p. 1141 b 

der Gewahrung von Darlehen an die von ihren 16 ro xdg ovvd'YjHag cpdvat XQOJtaiov elvai noXv 

Vorgangern beobaehteten Vertragsbestimmungen: ndlXiov xwv iv xolg noXs^oig yivofA,svcov' xd fAsv 

edaveioa[A,sv mi xatg avxaig ovv&ijxaig Had'dneQ ot ydg vnsQ [xikqcov nal [xidg xv%rig^ a^xai 6' vjisq 

dXloL xd isQd XQW^'^^ '^^ lATtoXXcovog xd ArjXlov navxbg xov noXefjiov, Recht vag ist, was in schone 

bebavsLOfjievoi elolv. Der private Erbpachtvertrag, Worte gekleidet bei Demosth. XXV 16 steht: 

den eine Besitzergemeinschaft unter dem Namen Jiag ioxc vof^og evQYjfxa (asv Kal dcoQov d-ecbv, boyfjia 
Kv&fjQicov ot [XEQlxai mit Eukrates von Aphidna 50 6' dv^Qcojicov, sjiavoQ'&cofyia ds xcov ekovoIcov xal 

abgeschlossen hat, IG II 1058 (=: Syll.^ 1216), dxovolcov dfJiaQxrifjidxcov^ TtoXscog ds ovv&'ijxrj siOivri^ 

wird vom Pachter, d. h. auf dessen Kosten auf nad''' fjv naoi. tiqooyikei t,7\v xoig iv xfj jioXsi. 

eine Marmorstele eingegraben und an leicht sieht- Klarer als hier treten die Grundanschauungen 

barer SteUe aufgesteUt, Z. 25 dvayQdyjai 8s xdods iiber die Entstehung der vof^ot und ovvd'fjjiac 

xdg ovv&rjHag EvKQdxrjv sv oxrjXsi Xi&ivsi nal durch Moig, die spater Aristoteles lehrte, hervor 

Gxf}Gai[naQd xb]v tjqco. Eingehender und um- bei Plat. rep. 359 A doxEl XvoixsXslv ovvd'sod-ai 

standlicher sind die Sicherungen im Vertrag uber dXXrjXoig firix* ddmsZv [jtrix' dbiKslo'd'ai Tcal ivxsv- 

die Verpachtung des Theaters des Demos der d'sv dr^ aQ^aod-ai vof^ovg xl'&eo'&ac xal ovv&rjTtag 

Peiraieis IG IP 1176 (Syll.s 915). Es soil vom 5f avxwv. Vgl. auch Plat, epist. VI 323 C Tcal xof]- 
fzaQxog und den xafAiai eine Abschrift des Ver- 60 o'&at ovv^htj Ttal vof^cp kvqIc^, o iaxiv dlnaiov. 

trages angefertigt, in Stein gehauen und auf dem Literatur. L i p s i u s Att. Recht und Reehts- 

Marktplatz im Peiraieus aufgesteUt werden und verfahren (1915). Beauchet Histoire du droit 

auBerdem auf dieser Stele auch angegeben sein, prive die ia r^publique athenienne IV (1897). 

bei wem das Original deponiert ist, Z. 18ff. dva- Weiss Griechisches Privatrechtl (1923). R. von 

yQaipai 8s xbv 8rj[A,aQxov nal xovg xafilag dvxlyQa- S c a 1 a Die Staatsvertrage des Altertums I 

(pov xcov Gvvd"yjxcov sig oxrjXrjv Xc^cvfjv nal oxfjoai (1898). H. F. Hitzig Altgriechische Staatsver- 

Ev xfj I dyoQai xcov 8rjfj,oxcbv' TiaQayQaipai 8s xal trage iiber Selbsthilfe (1908). B. Keil EIqi^vt] 

xb dvofAo. TiaQ^ oj dv ?<£io)vxai at ovvd'fjHai, Auch 1916. [Otto SchultheB.] 



1169 Syria Telamon 1170 

S. 1614, 22f. zum Art. Syria: I, III, nr. 139, in: Herm. LXV 446—454; Pto- 

Die Anfiihrung der verschiedenen Ansicliten lemy II and Arabia, in: Journ. Egypt. ArchaeoL, 

liber die Datierung des ersten Syrischen Krieges May 1930, XYI, pt. I. II). Diese Datierung ist 

ist in folgender Weise zu bericbtigen: jedoch, wie Lehmann-Hanpt (Epitymbion 

,im ersten syriscben Kriege (nacb Lehman n- 143 — 147) anfs neue gegen S. Smith nachwies, 

Haupt und W. Otto 274—271, nach Sidney- vOilig nnmOglich. [Ernst Honigmann.] 

Smith und Tarn 276—273/72 v. Chr.) . . .' Tastris nennt Plin. n. h. IV 97, wahrsehein- 

L e hm an n -Haupt hat als erster auf die lich nach einer griechischen Quelle um Christi Ge- 

fiir die Datierung entscheidende babylonische burt, eine Halbinsel am promunturium Gimbro- 
Keilschrifttafel Brit. Mus. nr. 92 689 hingewiesen 10 rum, das weit ins Meer hinauslaufe. Mullen - 

(Berl. Phil. W. 1892 col. 1465; vgLdazu Kohler hoff Deutsche Altertumsk. II 287 und Ihm 

Zur Gesch. Ptolemaios' II. Philadelphos, in: S. Bd. Ill S. 2550 halten T. fiir den Namen der gan- 

Ber. Akad. Berl. 1895, II 969 und Wilcken zen c/jersonesMs Oimfenca. Es ist aber wahrsehein- 

0. Bd. I S. 2453f.) und seine Chronologie des lich damit nur die langgestreckte Halbinsel am 

Krieges spater noch eingehender begriindet (Der Kap Skagen von Aalbak an gemeint, die jetzt 

erste Syrische Krieg und die Weltlage um 274/73, Green genannt wird, Detlefsen Die Entdeckung 

in: Klio III 496ff. Vom pyrrhischen und ersten des germ. Nordens 36 und Anhang 17. Nansen 

Syrischen zum Chremonideischen Krieg, in: Epi- Nebelheim I 106. L. Schmidt Gesch. d. dtsch. 

tymbion, Heinr. Swoboda dargebr., 1927, 142ff.). Stamme II 4. R. H e n n i g Forsch. z. Branden- 
Ihm folgt W. Otto (Beitr. z. Seleukidengesch. 20 burg, und Preufi. Gesch. XL VI 361 sieht aus ver- 

des 3. Jhdts. v. Chr.. Abh. Akad. Mtinch. XXXIV, kehrsgeographischen Grtinden, aber mit Verge- 

Abh. I, 1928, 1 — 29; Zu den Syrischen Kriegen waltigung der tJberlieferung in der Halbinsel T. 

der Ptolemaer, Philol. LXXXVI, 1931, 400—418). die Kurische Nehrung. [Alfred Franke.] 

Die Datierung der im ersten Teil der Keil- Tatiassos, nur bekannt durch das Ethnikon 

schrifttafel berichteten Ereignisse auf das J. 36 Tatiaoorjvog ajuf einer Inschrift aus Ughin (Ty- 

Sel. (276/75 v. Chr.), die zuerst Sidney Smith riaion) im Grenzgebiet zwischen Phrygien und 

(Babylonian historical texts 150ff.) vorschlug, Lykaonien. Ram say is Vermutung (Asia min. 

verteidigt W. W. Tarn (The first Syrian War, 408f.), daB das Ethnikon von der pisidischen 

Journ. hell. stud. XL VI 155ff.; The Cambridge Stadt Tityassos kamo, ist wenig wahrscheinlich. 
Ancient History VII, 701iF.; The date of Milet30 [W. Ruge.] 



Zum Band VA. 

Teitha (Tsi'&a), unibekannte Stadt Thessalieoas, so dafi es fraglich ist, ob die Reisestation der 

PI assart Bull. hell. XLV 1921 p. 53 zu p. 16 Itinerare noch an der gleichen Stelle lag; viel- 

Col. Ill 37. [Friedrich Stahlin.] leicht wurde damals diese Station an die SteUe 

S. 192f. zum Art. Telamon Nr. 4: 40verlegt, die den Namen Talamone heute tragt. 

Mit dem 14. Jhdt. verschwindet der Ort Wichtig fiir die Bedeutung von T. erscheinen 

voUig. Einer Angabe zufolge, die Francois auch die Grabungen auf dem Landgut der Cor- 

im Bull d. Inst. 1851, 5 machte (vgl. Leh- sini. Hier in ,Marsiliana* sind 1893 — 1916 am 

mann-Hartleben Die antiken Hafenanla- linken Ufer der Albegna, in dem FluBtal und 

gen des Mittelmeers 1923, 283), batten sich an den Westabhangen des Htigelmassivs, auf dem 

Saulen und ein Ring zur Schiffsbefestigung ge- die Siedlung gestanden haben mu6, Graber auf- 

funden, die den antiken Hafen erwiesen, aber gedeckt worden, die erweisen, dafi hier eine 

der Bericht wird angezweifelt (Not. d. seav. 1888, Etruskersiedlung bestanden haben mufi, die ihre 

682ff. Dennis Cities and cemeteries of Etruria Bliite im 8./7. Jhdt. hatte. Der Untergang scheint 

IP 234ff, Nissen Ital. Landesk. II 308; Porti ant. 50 plotzlich erfolgt zu sein, aber eine Neuanlage er- 

pen. ItaL217ff. Osterr. Jahrb. VII 56). FiirPoggio folgte auf dem Nordufer der Albegna in der 

di Talamoniaccio entscheidet sich auch R. K i e - Stadt Heba und einer meerwarts gelegenen Sied- 

p e r t FOA tab. XX. Dort sind auch die etruski- lung, die bis in die Romerzeit nachweisbar ist. 

schen Miinzen gefunden, die die Aufschrift Tla Fiir die alte Stadt auf der Marsilianahohe wird 

zeigen und die man mit Recht auf T. bezieht. Sie Caletra (Plin. n. h. Ill 52. Liv. XXXIX 55) in An- 

reichen vom Ende des 4. Jhdts. bis 103 v. Chr. spruch genommen, deren Namen im ager Galetra- 

(Head HN^). Der Ort gehorte wohl zum Gebiet nus (Bd. Ill S. 1353) fortlebte und wo man die 

von Cosa als Hafen (vgl. u.). Auf die Umwalzungen Kolonie Saturnia anlegte, Liv. XXXI 55. Nach 

in dieser Gegend verweist auch Nissen Ital. Plin. n. h. Ill 52 hatte Saturnia einst den Namen 

Landeskunde II 309. Schon die Miinzpragung er- 60 einer Gemeinde der Aurini. Die Funde zeigen als 

weist, dafi der Ort einst von Bedeutung war, dem erste Bewohner dieser Siedlung ,Italiker', dann 

entspricht auch die Rolle, die T. in der Tradition etwas spater ,Etrusker*, so dafi sich italische 

spielt, und zwar bereits in der Sage. Timaios (bei einfache Brandgraber finden, daneben aber be- 

Diod. IV 56, 6 =:i G e f f c k e n Timaeus' Geogr. reits die Fossa-Graber der Etrusker oder Vor- 

des Westens 1892, 130): hier sollen die Argo- stufen der beriihmten Kammergraber. Die Bei- 

nauten gelandet sein. Auch Marius landete hier gaben sind reich an Edelmetall und Elfenbein, 

bei seiner Riickkehr aus Afrika: Plut. Mar. 41, 2. darunter ein Elfenbeintafelchen mit sehr sauber 

Wahrscheinlich zerstorte Sulla den Ort 82 v. Chr., eingravierten ,chalkidischem Alphabet* (G r e - 



1171 Telephanes M. Terentius Varro 1172 

n i e r L'alphabeth de Marsiliana, Mel. d'archeoL Tellen. Flotenspieler und Diehter von nalyvia, 
1924). Diese Funde weisen auf friihe Beziehungen Zui Erklarung des Spriehworts asibs ret TeUfJvog 
zu Griechenland und die Vermittlung Kymes; gibt Zenob. I 45 an em tcov OKComiKcov xlO'exai 
so erklart sich vielleicht auch der griechische rj nagoiiA,la, TslXrjv (so zu lakzentuieren nach He- 
Name von T. (A. Minto Marsiliana d'Albegna rodian. I 15, 13) yaQ avXrixrjg eyivexo ?cal /^eXcov 
und V. D u h n Ital. Graberkunde I 299ff.). Ttoirjtrjg nalyvid xe KaxeXmsv EVQvd'fjioxaxa Kai 

An die Schlacht bei Telamon, wo die Con- xolqiv s^ovxa utXsloxrjv Tiot a^cofifiaxa Koi^ipoxaxa., 

suln L. Aemilius Papus und C. Atilius Regulus Dasselbe kiirzer Zenob. 11 15, aber mit dean Zu- 

die Kelten 225 schlugen (Polyb. II 23 — 31; da- satz /A,sf^vfjxai avxov AiaaloQxog 6 Msoorjviog. Die 
zu Frontin. strat. I 2, 7), dagegen erinnert ein 10 Zeit des T. ergibt siich aus Plut. Apopthegm. Epam. 

seltsamer Fund von gallisehen Miniaturgeraten, 20 p. 193 A: Als man Epameinondas mit der 

Waffennachbildungen und solche von Acker- Meldung angstldch maehen will, die Athener hat- 

geraten in vergoldeter Bronze. M i 1 a n i deutete ten ein mit neuen Waffen ausgeriistetes Heer nach 

den 1892 gemachten Fund als eine Votivgabe fiir dem Peloponnes geschickt, sagt er xl ovv 'Avxi- 

den Sieg, der die Niederlegung der Waffen er- ysvrjg oxsvsi xaivovg TeXX^vog avXavg sxovxog; 

zwang und die Benutzung der Gerate des Land- ^v 8s avXrjxrjg 6 (xsv TeXXrjv ndmoxog, 6 de 'Avxc- 

bans ermoglichte. Sie waren niedergelegt in zwei ysvldag ?<dXXiorog.T. gehort also in die ersite Halfte 

Heiligtiimern auf der Hohe des Telamonmassivs, des 4. Jhdts. Fur edne gewisse Bedoutung des 

die man den Ortsgottern und dem luppiter Capi- Mannes spricht die Erwahnunig des Dikaiarch von 
tolinus errichtete. Milani hat sogar eine Reihe 20 Messene und mehr noch das ihm gewidmete Grab- 

von Tonfiguren, die man im Florentiner Museum epigramm des Leonddas von Tarent Anth. Pal. 

aufbaute, als die Figuren der helfenden Gotter VII 719 TeXXfjvog ode xvfA^^og" exco d^vjio §6Xam 

aus dem Giebel des einen Heiligtums erklart; (so E e i s k e, vjio^coXeco, P) nQso^vv xfjvov x6v 

andere Figuren greifen das Motiv aus dem TtQdxov yvovxa yeXoioiAsXeiv. Das Neue, das T. 

Kampf der Sieben gegen Theben auf, wo Amphia- brachte, ist die Verwendung lyrischer Versmafie 

raus und Adrastus ihr Ende finden; moglich, daB fur Spottgedichte. Nach einer wahrscheinlichen 

auch diese hier gefundenen Figuren die den Vermutung Meinekes ist in der Notiz Etym. G. 

Romern erlegenen keltischen Heerftihrer Ane- ToXvviov: xd xaXovf/^evov KQaxiveiov fA,sxQov noXv- 

restos und Concolitanus reprasentieren soUen: ovvd-stov ^aXsixm Tiol ToXvri(yi^ dno xov MeyaQscog 
Milani Museo topografico delF Etruria 1898, 30 ToXvvov earl de nQoysveoxsQog KQaxlvov statt To- 

91ff.; Stud, e mat. 1899, 125ff. Montelius Xvviov zu schreiben TeXXi^viov. Danaeh wurde T. 

Civ. primit. II Taf. 204-— 205; Museo archeo- aus Megara stammen. S, M e i n e k e Hist. crit. 

logico di Firenze 1912, 66E. 257ff.; Mon. Lincei com. Gr. 38. v. Wilamowi t zind. lect. Gryph. 

XXVII 230ff. G a 1 1 i Ztschr. f. Num. 1924, 237ff. 1880/81, 8. Kaibel FGG I 76. [A. Korte.] 

Galli berichtet (232), er habe 1913 gerade unter Tenestini (Teveoxlvoi). Den Namen dieses 

dem Burghugel von Telamon, wo die beiden nach Stamm (ten-) und Bildung (Suffix -ino, Bil- 

Tempel gestanden hatten, an dessen Siidrand dungselement st) echt illyrischen Ethnikons 

auch das Schlachtfeld festgesteUt, doch fehlt bis- (Krahe Indogerm. Bibl. Ill 7, 39. 45. 69. 101) 

her die Bestatigung und der nahere Bericht. Na- kennen wir nur aus der Legende von Munzen, 
tiirlich mu6 T., das den Munzen zufolge einst 40 die mit denen von Pelagia vielfache tlbereinstim- 

selbstandig war (vgl. auch Steph. Byz. ,7t6Xig'), mung zeigen (Imhoof-Blumer Monn. grec. 

frlih romisch geworden sein. Das Schicksal von 136). Der Ort, zu dem es gehorte, ist jedenfalls 

T. mu6 in Verbindung mit dem der jenseits der im sudlichen Illyrien in der Nahe des durch seine 

Albegna gelegenen Stadt Heba verbunden ge- Silbergruben ausgezeichneten Damastion (Bd. IV 

wesen sein. Wenn Heba mit der bei Plin. n. h. S. 2051f.) zu suchen, ohne da6 wir seinen Namen 

III 52 aufgefuhrten colonia Herbarium identisch und seine Lage feststellen konnen. Imhoof- 

ist, so dtirfte Heba an der Stelle von T. der Blumer halt es fiir moglich, in ihm die Be- 

romische Stiitzpunkt geworden sein; das mag zeichnung eines der Gebaude der Minengraber 

etwa in der Zeit geschehen sein, wo Saturnia von Damastion, deren uns mehrere aus Munzen 
183 Biirgerkolonie wurde. In dieser Zeit wird T. 50 bekannt sind, zu erkennen. [Max Fluss.] 

seine Bedeutung ftir die Romer eingebuBt haben. S. 546, 25f . zum Art. Teos : 

Als dann auch noch Sulla die Aufnahme des Die dort erwahnte, von L. Robert in Aus- 

Marius an T. rachte, voUzog sich der Verfall. sicht gestellte Arbeit ist nicht in der Rev. 6t. gr., 

Jedenfalls nennt Plinius T. nicht mehr in seiner sondern in der Rev. de philol. s6r. Ill, t. VIII 

Aufzahlung der Burgerkolonien. Literatur: im (1934) 43 erschienen. [W. Ruge.] 

Text; dazu zur Schlacht: Mo mm sen RG I S. 690, 62 zum Art. Terentius: 

577f. Klebs Bd. I S. 575f. Not. d. scav. 1888. 84) M. Terentius Varro, romischer Gelehrter 

1908. 1921. Inschriften: Bormann CIL XI und Diehter. fvl^n,. i«i,f 

1 p. 416 nr. 2641f, [Hans Philipp.] A. Das Leben. UDersicnt. 

S. 361, 19 zum Art. Telephanes: 60 B. Der Katalog. 

5) Sohn des Nebrichos, aus Naupaktos, wird C. Die Werke. 
zum Proxenos der Aitoler ernannt (202/01 v. Chr.) I. Die prosaischen Werke. 

IG 1X2 1^ 1^ 30. Dafi aber damals Naupaktos 1. Libri tres rerum rusticarum. 

selbst nicht aitolisch war, wie Klaffenbach 2. Die grammatischen Schriften. 

z. St. und Proll. XXXIII 68 behauptet, folgt 3. Die literarhistorischen Schriften. 

daraus wohl nicht; vgl. dariiber G. Daux Bull. 4. Die antiquarisch-historischen und geo- 

hell. LVI 328 — 30 und die dort angefiihrte Lite- graphischen Schriften. 

ratur. [Wm. A. Oldfather.] 5. Die rhetorischen Schriften. 



1173 M. Terentius Varro (Leben) M. Terentius Varro (Leben) 1174 

6. Die juristisehen Schiiften. das er sicher in nahem AnschluB an ein grie- 

7. Die Disziplinen. chisch-stoisches verfaBt hat, V. selbst erwahnt 

8. Die philosophischen Schriften. ihn mit grofier Achtung (1. 1. VII 2): homo in 
II. Die poetischen Werke. prima in Utteris Latinis exercitatus und bei Gel- 

1. Die Saturae Menippeae. lius (I 18, 2): L. Aelius noster, Utteris ornatissi- 

2. Das tTbrige. mus memoria nostra, zitiert ihn anch in de lingua 
A. Das Leben. Latina vielfach; aber es war ganz verkehrt, die 
Geboren wurde W, nachHieronymusim J. 116: Bedeutung Stilos ftir V. zu iiberspannen: V. ist 

M. Terentius Varro Hlosofus et poeta naseitur; nicht sein Nachtreter gewesen, sondem sein gro- 
wo, ist nicht absolut sicher. Gewohnlich bezeichnet 10 fier Fortsetzer und der Vollender seines Werkes, 

man als Heimatsort die Stadt Reate nordlich von indem er viel weiter griS in alle Bereiehe der 

Rom in den Sabinerbergen. Dort hatte V. ein Forschung, wahrend Stilo, wie es scheint, sich 

Gut und kannte die Verhaltnisse ausgezeiehnet mit der Erklarung einzelner Gebiete begniigte. 

(r. r. n praef . 6). Reate nennt er in den Buchern Auch ware die Annahme einer so umfassenden 

rerum rusticarum und de lingua Latina sehr hau- Forschung ftir die Zeit um 100 ein Anachronis- 

^g, hangt weiter mit besonderer Liebe am Sa- mus; ferner laBt sich dieses Verhaltnis fiir de lin- 

binerland und seinen Bewohnem, die in seiner gua Latina zeigen und muB auch sonst voraus- 

Zoit das alte Romertum noch am reinsten ver- gesetzt werden. Es ist daher ganz richtig, wenn 

korperten, so daB es nicht abwegig ist, dort Cic. Brut. 205 sagt, V. habe diese wissensehaft- 
seine Heimat zu suchen- man wird uberhaupt in 20 lichen Bemiihungen von Stilo libemommen, aber 

ihm am liebsten nicht einen Sftadtromer, sondem bereichert: pluribus et illustrioribus Utteris ex- 

ein Kind des LandeiS sehen. AUerdings: Rea- plicavit; ahnlich auch in den acad. post. I 8ff.: 

tinus heiBt er erst bei Symmachus (ep. 1, 2), Cicero laBt ihn tiber AeKus sprechen. Was dieser 

und Augustin (civ. dei 4, 1) nennt Rom als Ge- betrieben habe, konne man bei keinem Griechen 

burtsstadt: Eomae natus et educatus, Seine lernen und nach dessen Tode auch bei keinem 

Eltern sind unbekannt, der Stand seiner Familie Romer mehr. Dann kniipft sich das schone Lob 

nicht ganz sicher; Cichoiius (220) schlieBt aus V.s an, in dem Cicero ihm das Verdienst um die 

sat. frg. 478 Btich. auf Zugehorigkeit zum ordo Erforschung des gesamten romischen Altertums 

equester. tTber die Familie hat Ciehorius aus- und der romischen Literatur zuschreibt. Weit 
gezeichnet gehandelt: V. hat, vielleicht in de vita 30 weniger bedeutsam fiir ihn war die Einwirkung 

sua, tiber die Herkunft seines Cognomens ge- seines philosophischen Lehrers, zumindest was 

handelt, Serv. Dan. zu Aen. XI 743: Varro cum V.s eigene literarische Produktion anbelangt, des 

de suo cognomine disputaret, ait eum qui primus Antiochos von Askalon (Cic. acad. post. 1 7, 12; ep. 

Varro sit appellatus, in Illyrico host em Varronem IX 8, 1; Aug. civ. dei XIX 3, 349, 19). Eigent- 

nomine quod rapuerat et ad suos portaverat, ex lich philosophische Werke hat V. erst sehr spiit 

insigni facto vocahulum meruisse. Da in Ulyrien geschrieben, nach 45 (vgl. Cic. acad. post. I 3&.), 

die Romer zuerst 229/28 Krieg ftihrten und wei- in denen er den Lehren der alten Akademie folgt, 

ter der erste bekannte Trager des Cognomens V. die beiden Bticher de philosophia und de forma 

der bei Cannae besiegte C. Terentius V. war, philosophiae. In seinen fruheren Werken sieht man 
kombiniert Ciehorius mit Recht, daB dieser tiber- 40 ihn in philosophischen Fragen als Anhanger der 

haupt der erste V. gewesen ist, der also in Illy- Kyniker in den Satiren, als Schtiler der peripa- 

rien gekampft hat und von dem alle Varrones tetischen Forscher in den literarhistorischen 

abstammen. Von V.s Jugend ist so gut wie nichts Schriften, als Pythagoreer und vor aUem als 

bekannt; er ist sicher in den alten strengen Auf- Stoiker. Fur den Kynismus. hat er in seiner Jugend 

fassungen der mores maiorum aufgewachsen; im jedenfalls starke Sympathien gehabt; im tibrigen 

Cato de liberis educandis (frg. 19 R.) weist er ein- muB man berticksichtigen, daB V. auf den ver- 

mal darauf hin: mihi puero modica una fuit schiedenen Gebieten der von ihm betriebenen Wis- 

tunica et toga, sine fasceis calceamenta, ecus sine senszweige an die Vorganger ankntipfte, die je- 

ephippio, balneum non cottidianum, alveus rarus, weils die besten Erfolge gehabt batten, daB er 
Eutscheidend war fur ihn neben der altromi- 50 sich fur alles interessierte, was ihm ftir sein Ziel 

schen Einfachheit und Tradition seiner Familie bedeutungsvoU schien, daB man also mit dem 

der EinfluB seines Lehrmeisters L. Aelius Stilo, Pradikat eines Eklektikers, wenn man damit seine 

den auch Cicero gehort hat. Im Brutus 205 (s. eigene tTberzeugung treffen will, vorsichtig sein 

auch Gell. noct att. XVI 8, 2) handelt dieser muB. Moglicherweise liegt der EinfluB der aka- 

von ihm, seiner Kenntnis der grieehischen und demischen Methode vor in der Art des Aufbaus 

romischen Literatur, des romischen Altertums in von de lingua Latina: In der Akademie war die 

seinen verschiedenen AuBerungen; Redner sei er Form der Thesis in der philosophischen Dialektik 

nicht gewesen, aber Stoiker wollte er sein. All immer tiblich; das disputare in utramque partem 

das lag V.s eigner Natur sehr nahe: Redner war tibte Cicero in seinen Dialogen aus, etwa in nat 
auch er nicht, die Stoa hat ihn stark beeinfluBt, 60 deor. oder in de flnibus, wo erst fur und dann 

und die Erforschung des romischen Altertums gegen die Doktrin einer bestimmten Richtung 

beschaftigte ihn sein gauzes Leben. Wir wissen gesprochen wird. Diese akademische Methode hat 

einiges von Stilos Werken. Ins antiquarische V., so glaube ich, in den Bereich der Grammatik 

Gebiet gehorten seine Auslegungen des Salier- iibertragen, wo er wie Cicero in der Pbilosophie 

liedes (Varro 1. 1. VII 27) und des Zwolftafel- eine Umsetzung grieehischen Geistesgutes ins 

gesetzes (Cic. leg. 11 59); stoisch orientiert wareu Romische versuchte. So erklart sich aus seiner 

sein Buch de proloquiis, tisqI a^icofjidxwv (Gell. Philosophie die Gliederung der Einzelstticke seines 

XVI 8, 2), und ein lateinisches Etymologikon, sprachtheoretischen Werkes: erst wendet er sich 



1175 M. Terentius Varro (Leben) M. Terentius Varro (Leben) 1176 

gegen die Giiltigkeit der Etymologie, dann tritt keine groBe Bibliothek notig hatte, natiirlich nicht 

er fiir sie ein, erst f iir das Prinzip der Anomalie, gekommen, und auch die nachston Jahre waren 

dann fiir die Analogie. In einem dritten Buch durch den Siiaatsdienst reichlieh besetzt: er war 

folgt in jedem Fall wie bei Cicero die eigene in Volkstribun (Gell. noct. att. XIII 12, 6) item tri- 

der Mitte Hegende versohnende Meinnng, die bunus cum essem, vocari neminem iussi, nee vo- 

Entscheidung in den Fragen, in denen die Dog- eatum a conlega parere invitum, wohl nach der 

matiker keine Einigung sahen nnd fur moglich Rtickkehr ans Spanien, Mhestens 70 (C i c h o r. 

hielten. V. hat den Antiochos in Athen gehort 201 f.), Praetor (Themist. p. 453 Bind.: Bolqcov 

(Cic. acad. post. 1 12), wann ist nicht ganz sieher, xriv s^anslenvv tjqxsv olqxV'^, Appian. bell. civ. IV 

mitguten Griindenhat sich Cichorius mit Roth 10 47, 202: eoxQaxrjyrjKcbg), wahrscheinlich 68 (Ci- 

(7) ftir die Zeit Yor 82 entschieden, am liebsten chor. 303). Im naehsten Jahre nahm er als Legat 

fur die Jahre zwisehen 84 und 82. Damals etwa des Pompeius am Seerauberkriege teil, r. r. II 

begann auch seine Satirendichtung, die bis in die praef. 6: turn cum piratico hello inter Delum et 

Mitte der sechziger Jahre reicht und zum Teil Siciliam Qraeciae chssihus praeessem (vgl. Flor. 

gewiB wahrend seiner Teilnahme am Sertorius- I 41, 10). Damals soil er nach Plin. Ill 101 das 

kriege entstanden ist. Mit Recht kann V. sie in unmogliche Projekt ins Auge gefaBt haben, die 

den acad. post. I 8 als vetera nostra bezeichnen; Meerenge von Otranto zu uberbriicken; Munzer 

damals lag ihre Entstehung rund 30 Jahre zuruck (276, 1) meint, er habe vielleicht nur an eine Ab- 

(vgl. Cichorius 207ff., bes. 225f.). Die Menippea sperrung des Meeres gedacht und Plinius habe 
sind, soweit wir sehen, das am friihesten be- 20 tibertrieben. Sieher ist nach Plin. VII 115 und 

gonnene literarische Werk V.s. Vor 84 ist mit Si- XVI 7, der auf eigene Angaben V.s zurtickgeht, 

cherheit nur noch zu datieren de antiquitate lit- daB er von Pompeius durch die Verleihung der 

terarum ad Acdum, in jungen Jahren hat er wohl corona rostrata geehrt wurde, die auBer ihm nur 

auch de origine linguae Latinae geschrieben. Frtih Agrippa erhielt. Gewohnlich nahm man auch seine 

trat er in die Laufbahn der politischen Staats- Beteiligung als Legat am dritten mithridatischen 

amter: er war triumvir capitalis (GeU. noct. att. Kriege an (vgl. z. B. Munzer 278), doch sind die 

Xni 12, 6), wohlschon in der zweiten Halfte der Zweifelvon Ciehoriu's (194) ganz berechtigt-.diese 

neunziger Jahre (Cich. 201). Das Jahr der Quaestur Vermutung griindet sich allein auf Solin 93 (104), 

steht nicht fest; Cichorius (220) nimmt86, den der vom siiBen Wasser des kaspischen Meeres 
friihstmoglicben als den wahrscheinlichsten Ter- 30 spricht: dulce Alexandro Magno prolatum est, 

min an. Er hat auch (191ff.) recht scharfsinnig m,ox Pompeio Magno, qui hello Mithridatico, sieut 

auf Grund der r. r. II 10, 8 von Cossinius an V. commilito eius Varro tradit, ipsis haustihus peri- 

gerichteten Worte: ut te audivi dicer e . .. cum in clitari Mem voluit. Solin hat seine Angabe ent- 

Lihurniam venisses te vidisse matres familias nommen aus Plin. VI 51 und hat das Wort co7n- 

eorum adferre ligna auf Teilnahme V.s an einem milito selbst hinzugefiigt, das also keinen Glauben 

Kriege in diesem nordlichsten Teile Dalmatiens verdient. Nur im Bereich einer unsicheren Mog- 

geschlossen. Das kann nur die Untemehmung des lichkeit liegt eine weitere Vermutung von C i - 

Proconsuln C. Cosconius in Dalmatien in den c h o r i u s (203ff.) auf Grund der Stelle 1. 1. VII 

J. 78/77 gewesen sein (Eutr. VI 4. Oros. V 23, 109, wo V. die Widmung der drei Bticher II— IV 
23); V. war 38 Jahre alt und wahrscheinlich Le-40an P. Septimius erwahnt, qui mihi fuit quaestor. 

gat. In diese Zeit fallt seine Bekanntschaft mit V. hat demnach einmal nach seiner Praetur eine 

Cn. Pompeius, dem er sein gauzes Leben hin- Statthalterschaft innegehabt, moglicherweise die 

durch in treuster Anhanglichkeit ergeben war, der der Provinz Asien, am ehesten 66, ftir welches 

seine ganze politische Haltung bestimmte. V. sah Jahr der Name des Statthalters bisher unbekannt 

wohl in ihm den Garanten fiir die Beibehaltung war. Nahm er nicht am dritten mithridatischen 

der alten res publica in den Formen, wie er sie Kriege teil, so fand er in den naehsten Jahren 

liebte. An ihn richtete er 77, als Pompeius sich wohl die MuBe, sieh seinen Studien hinzugeben, 

fiir den Sertoriuskrieg in Spanien vorbereitete, die Wir horen erst wieder von ihm im J. 59, als er 

ephemeris navalis ad Fompeium, nahm dann eine politische Broschiire (keine Satura Menippea, 
selbst, sieherlich als Legat des Pompeius amSOCichor. 211), die sich mit dem Triumvirat des 

Kriege teil. Er war lange in Spanien, r. r. Ill 12, Caesar, Pompeius und Crassus beschaftigte, unter 

7: ,.. in Hispania annis ita fuisti multis, ut inde dem Titel TQiHaQavog publizierte; vgl. Appian. 

te Guniculos persecutos credam. 75 hat ihn Pom- bell. civ. II 9: ?cal ng avxcbv xrjvbe xyjv gv^jlcpqo- 

peius, als sein Quaestor L. Memmius gefallen ovvriv ovyyQacpevg OMqqcdv kvl ^ipXiq> nsQika^wv 

war, voriibergehend mit der Leitung der Quaestur- ensyQafps TQiKOLQavog. Im selben Jahre gehorte er 

geschafte beauftragt; das ergibt sich so gut wie zu dem ZwanzigmannerausschuB, der mit der 

sieher aus der Miinze Bab el on II 468 mit der Durchfuhrung der lex lulia agraria beauftragt 

Aufschrift Varro proqu, Magn. procos. (Cich. 193). war, neben Pompeius, M. Atius Balbus und Cn. 

Hierhin gehort auch Sail. hist. II 69: haec post- Tremelius Scrofa; vgl. r. r. I 2, 10: alterum col- 

quam Varro in mains more rumorum audivit. 60 legam tuum, mgintivirum qui fuit ad agros divi- 

Nach Rom zuriickgekehrt ist er wahrscheinlich dendos Gampanos, video hue venire, On, Treme- 

zusammen mit Pompeius im J. 71, in dessen zwei- Hum Scrofam und Plin. VII 176: Varro quoque 

ter Halfte er seinem groBen Freunde zwisehen auctor est, vigintiviro se agros dividente ... (s. 

Wahl und Amtsantritt auf dessen Bitten hin den auch Munzer 279). In den naehsten 10 Jahren 

sloaycoyi?c6g schrieb, ex quo disceret, quid facer e vor Ausbruch des Burgerkrieges war V., soweit 

dicereque deheret, cum senatum consuleret (Gell. wir sehen, nirgends am politischen Leben aktiv be- 

noct. att. XIV 7, 2). Zu literarischer Betatigung teiligt. Er war im Grunde eine durchaus unpoli- 

ist V. abgesehen von den , saturae, zu denen er tische Natur, ganz anders als Cicero, hatte jahre- 



1177 M. Terentius Varro (Leben) M. Terentius Varro (Leben) 1178 

lang seine Kraft der res publica zur lyerftigung div. I 68. II 114), mactite dann seinen Frieden 
gestellt, nicht aus Freude an der Sache, sondem rait dem Diktator, dem er schon vor dem Biirger- 
weil er als Gefolgsmann des Pompeins seine Pjlicht krieg (vgl. beU. civ. II 17) nahergetreten sein 
als Romer dem Staate gegentiber zu erfiillen mu6 und widmete ihm wohl 47 die Antiquitates 
glaubte. In dieses Jahrzehnt fallt gewiB vor allem rerum div. (Lact. I 6, 7. Aug. civ. dei VII 35) ; die 
seine gelehrte Arbeit, Lekttire und SchriftsteUerei. ant. rer. hum. waren damals bereits publiziert. 
Diese Beschaftigung war ihm keine Zuflucht, die Caesar ernamite ihn 47 zum Reichsoberbibliothe- 
er der Not gehorchend aufsuchte wie Cicero, son- kar (Suet. Caes. 44. Isid. etym. VI 5, 1); zur Grun- 
dern ein Bedtirfnis. Halb bewundernd halb ver- dung der Bibliothek ist es aber nicht mehr ge- 
standnislos hat Cicero diese Haltung V.s beob- 10 kommen. Nach Caesars Tode setzte sich Antonius 
achtet, und in den Briefen an V. (ad. fam. IX in den Besitz seines Casinatischen Landgutes, 
1 — 8) und an Atticus, besonders aus dem J. 45 das er schon einmal 47 wahrend Caesars Aufent- 
vor der Dedikation der Academica posteriora, halt in Alexandria an sich gerissen, aber auf Be- 
ofters zum Ausdruok gebracht: wie sehr er es fehl des Diktators hatte zuriickgeben miissen und 
lobe, daB er fast als einziger den Btichern treu machte die Villa V.s, die dieser als ein deversorium 
blieb (vgl. bes. IX 1, 2. 2, 2. 6, 4). Das Verhalt- studiorum benutzt hatte, zu einem deversorium 
nis zwischen V. und Cicero ist nie sehr eng ge- libidinum (Cic. Phil. II 103f.). 43 gehorte er zu 
wesen, dazu waren die beiden Manner zu ver- den von Antonius Proscribierten und entkam mit 
schicden: Cicero viel temperamentvoUer, liebens- knapper Miihe von Calenus versteckt gehalten 
wiirdiger, mehr nach auBen gerichtet konnte V.s 20 dem Tode: (pdotifA,ov^evcov ds avtov vjvods^ao'&at 
etwas altertiimlich schwerfallige Art, die in einer rcov yvcoQiprnv nal disQtCovrcov eg aXXrjXovg, KaXrj- 
gewissen Starrheit sich vielen Dingen verschloB, v6g k^sviKrjos xal slxsv ev knavlsi, evd'a lAvrcbvwg, 
seinen scheint es schwer zuganglichen Charakter ors dwdevot, xat'^ysro- xal rov Ovd^Qcova ovdslg 
und seine Befriedigung durch die wissenschaft- evdov ovra kvicprjve 'd'sgomcov, ovxe OvaQQcovog 
liche Beschaftigung nicht ganz verstehen. Dev ovre KaXrjvov (Appian. bell. civ. IV 203). Seine 
hofHche, fast respektvoU zuriickhaltende Ton in Bibliotheken, die er in seinen Villen unterge- 
den Briefen an V., die Einleitung der Academica bracht hatte, wurden gepliindert, so daB eine Reihe 
posteriora, noch mehr Ciceros AuBerungen tiber bereits fertiger eigener Werke, wie er im Einlei- 
ihn an Atticus aus der Zeit vor deren Publikation tungsbuch der Hebdomaden erzahlt, nicht er- 
sind fiir die Kenntnis der Personlichkeit V.s recht 80 scheinen konnte (Cell. Ill 10, 17). In die Jahre 
aufschluBreich; er laBt sich etwa durch Ciceros nach dem Btirgerkrieg gehort die Mehrzahl seiner 
standig wiederholte Bitte, mit der Widmung seines bedeutendsten Schriften: wohl nach Pompeius' 
Werkes, tiber das bezeiehnenderweise Cicero gar Sturz die Sehrift de Pompeio, in die J. 47/46 viel- 
nichts naheres weiB, nicht mehr zu zogern, nicht leicht de bibliotheciSy 47 beginnt er mit de lingua 
im mindesten beeinflussen, Cicero iseinerseits Latina, ediert vor Ciceros Tod, in die gleiehe 
flihlt sich nicht recht wohl, in der tTberlegung Zeit gehort wohl auch de sermone Latino, be- 
wie V. die Widmung der Academica aufnehmen stimmt nach de 1. 1. (vgl. 1. 1. VII 86) de poe- 
werde, und schreibt an Atticus XIII: sed est, ut matis, wohl auch de poetis. Nach Juli 45 (vgl. 
scis, deivog avr\g' xa%a kbv koL avalxwv mri6q>zo. Cic. acad. post. I 8) fallen die philosophischen 
Atticus kannte V., das lehren Ciceros Brief e an 40 Biicher: der liber de philosophia und de forma 
seinen Freund, viel besser und war ihm enger philosophiae. 43 ist fruhestens de gente populi 
verbunden. Ihm dedizierte V. die S'chrift de vita Bomani erschienen (Arnob. V 8), etwa gleichzeitig 
populi Eomani, einen Logistoricus benannte er wahrscheinlich de familiis Troianis und de vita 
nach ihm, in den rerum rusticarum libri tritt er populi Eomani (bestimmt nach 49). Um 40 wur- 
als Mitunterredner auf. Sonst kennen wir das den die Logistoriei veroffentlicht, 39 die Heft- 
private Leben V.s kaum; einiges hinsichtlich seines domades, 87 der Dialog de re rustica-, 34/38 das 
Preundeskreises laBt sich entnehmen aus den letzte datierbare Werk V.s, die Disziplinen, falls 
Titeltragern der Logistoriei, den Adressaten der die Beziehung zu Plin. n. h. XXIX 65 richtig ist. 
einzelnen Schriften und seiner Brief e, den TeiL- In seinen letzten Lebensjahren sind wohl auch die 
nehmern endlich am Dialog de re rustica. Was er 50 Biicher de vita sua entstanden. V. behielt bis zu- 
in diesen Jahren schrieb, ist nicht zu sagen; C i - letzt seine geistige Frische und Val. Max. VII 8 
chorius (196ff.) nimmt an, daB die legationum weiB, daB er, wahrend er schrieb, gestorben ist. 
libri zwischen 67 und 49 entstanden seien. Da- Das Todesjahr 27 nennt Hieronymus: M. Teren- 
tierbar ist ftir uns eine ganze Reihe von Wesrken tius Varro philosophus prope nonagenarius mori- 
erst nach seinem letzten Kriegsdienst fiir Pom- tur, Bestattet wollte er werden nach pythagorei- 
peius, der legatio im J. 49 in der Hispania ulte- schem Ritus: Plin. n. h. XXXV 160 quin et de- 
rior, die Caesar im bell. civ. I 38 und besonders functos sese multi Hctilibus soliis condi maluere, 
II 17 — 20 mit einer gewissen uberlegenen Ironie sicut M. Varro Pythagorio modo in mysti et oleae 
beschrieben hat, indem er das bedaehtige tJber- atque populi nigrae foliis. 

legen, Zweifeln, unzeitige Reden und zu spate 60 Schon zu seinen Lebzeiten gait V. als der an- 
Handeln des alten Mannes, der sich fiir die ver- erkannte Piihrer im Bereieh der romischen For- 
lorene Sache seines Freundes einsetzt, charakteri- schung, als der gelehrteste aller Romer. Pompeius 
siert. Nachdem er in Gades seine beiden Legionen holte sich bei ihm in schwierigen Fragen Rat, 
dem Sex. Caesar ausgeliefert und sich selbst Caesar wuBte sehr wohl seine Fahigkeit zu schat- 
zu Caesar nach Corduba begeben hatte, gab er zen, als er ihm die Einrichtung der Bibliothek 
die weitere Beteiligung am Xampf gegen Caesar ubertrug, vor alien hat Cicero mehrfach, beson- 
auf , wartete den Kampf Caesars gegen Pompeius ders im Brutus 205 und zu Beginn der Acad, po- 
rn Dyrrhachium mit Cicero zusammen ab (Cic. de steriora, sehr schon die Bedeutung V.s und seine 



1179 M. Terentius Varro (Leben) M. Terentius Varro (Leben) 1180 

Verdienste um die romische Wissensehaft ge- cero hinsichtlich der hellenistischen Philosophie 
kennzeichnet. Sein Ruf ist in d&n letzten Jahr- mit den groBen Werken der griechischen Gelehr- 
zehnten seines Lebens, besonders wohl durch die samkeit vertraut. Neue Disziplinen hat er nicht, 
antiquitates unnmstoBlich geworden, Asinius Pol- wie iiberhaupt kein Romer, gefunden, eigene Me- 
lio stellte im J. 38, als er die erste offentliche thoden nicht angewandt. In den Antiquitates folgt 
Bibliothek in Rom grtindete, seine Btiste als ein- er der stoischen Religionsphilosophie, in de lin- 
zige eines Lebenden auf. Die anderen gleichzei- gua Latina der stoischen und alexandrinischen 
tigen Forscher reichen an ihn langst nicht heran; Sprachtheorie, in der literarischen Forschung der 
neben ihm wird hochstens Nigidius Figulus ge- peripatetischen Literarhistorie, in de gente populi 
nannt, wie sehr er aber gegen V. abfallt, bemerkt 10 Romani der Chronologie des Kastor, in de vita 
GeU. XIX 14. Lag in seinem Zuriickgehen in die populi Romani DikaiarchiS Blog WJXXddog, in den 
altromische Vergangenheit fiir seine Zeit ein gut Aetia dem Kallimachos, in den Disziplinen der 
S'tiick Romantik, eine Sehnsucht nach einer bes- hellenistischen Fachliteratur, in der Erdbeschrei- 
seren Vergangenheit, der er die verkommene bung dem Eratosthenes. Noch manches andere 
Gegenwart gegentiberstellte, so wurde das anders lieBe sich nennen. Doch wichtig ist im Ganzen, 
im augusteischen Rom. V. ist durch seine Er- dafi fiir alle Zweige seiner literarischen Tatigkeit 
forschung der mores maiorum einer der wichtig- das gleiohe gilt, was Varro im Blick auf seine 
sten Wegbereiter der augusteischen Reformen ge- Saturae Menippeae in den acad. post. I 8 aus- 
worden. Man konnte jetzt aus der Ftille seiner driickt: er habe Menipp imitiert, nicht interpre- 
Schatze schopfen, ohne sich das Material auf20tiert, d. h. nicht einfach ins Lateinische umge- 
schwierigem Wege selbst erarbeiten zu miissen. setzt, sondern Stoff und Form zwar iibernommen, 
Verrius Flaccus ist nicht viel mehr als der Ex- aber fiir seine ganz anderen Lebensverhaltnisse 
cerptor der gelehrten Arbeiten V.s, nur daB er und Zwecke umgestaltet, und dadurch wirklich 
seinem Werk an Stelle der von V. angewandten etwas neues erreicht. Wenden wir diese Begriffe 
systematischen eine lexikalische Anordnung ge- der Imitatio und Interpretatio auf die wissen- 
geben hat, Vergil ubertragt auf die Troer des schaftlichen Arbeiten der Romer an, so ist zu 
Aeneas das, was V. tiber die Urbewohner Latiums sagen, daB die romische Wissensehaft weithin 
ergrtindet hatte, Ovid kennt ihn allenthalben in eine bloBe Interpretatio ist: das gilt fiir Sbnecas 
den Fasten, auch in den Metamorphosen. Nur hat naturales quaestiones, das gilt auch fiir Plinius 
sich jetzt die Tendenz geandert, von Romantik 30 in groBen Stucken und fiir Celsus, das gilt inner- 
kann keine Rede mehr sein: man versenkt sich halb der philbsophischen Literatur fiir Cicero: bei 
in die mores maiorum mit dem Blick des Ange- seinen philosophischen Schriften war eine bloBe 
horigen einer mindestens ebenso groBen und voU- Interpretatio mit gelegentlichen formalen Ande- 
kommenen Gegenwart; in der Foi^schung ist man rungen moglich: V. konnte so nicht vorgehem 
liber das von V. Festgestellte nie mehr hinausge- tibernehmen konnte er die F'orschungsmethode, 
kommen: er bedeutete, das ist bezeichnend fiir Systeme, Theorien, doch war sein Stofi romisch, 
die Stellung des Gelehrten in Rom, der nicht fiir und so bedurfte es einer Imitatio hohen eigenen 
Mitarbeiter und die weitere Forschung arbeitete, Wertes. Hinzu kommt noch etwas anderes: der 
Anfang und AbsehluB, alle spateren kniipfen an praktische und nationale Charakter der varroni- 
ihn an und erkennen in ihm die unanzweifelbare 40 schen Forschung: solch ein Ziel lag den Griechen 
Autoritat, seine Bedeutung fiir die Folgezeit ist weithin fern; sie trieben zweckfreie Forschung. 
nur mit der Ciceros zu vergleichen. Plinius und V. will mit seinen Biichem iiber die alte Sprache, 
Sueton, Gellins und dann vor alien Dingen die Sitte, Religion, Poesie und die anderen Gebiete 
KirchenschriftsteUerTertullian, Lactanz,Augustin, der menschlichen Bildung nicht nur das Bild der 
■stehen in weiten Stucken auf seinen Schultern: er alten Zeit wiederhersteUen, sondern in der Gegen- 
ist fiir alle der doetissimus Romanorum: Dion. wart wirken: fiir ihn kommt die griechische For- 
Hal. (ant. II 21), Seneca (ad Helv. 8, 1), Qnin- schung nur insoweit in Betracht, als sie sich ein- 
tilian (X 1, 95 und XII 11, 24: quam multa, gliedem laBt in die realen romischen Verhaltnisse, 
paene omnia tradidit Varro), Apuleius apol. 42 er forscht selbst nur weiter, soweit Rom in einem 
(Varronem philosophum virum aeeuratissime doc- 50 weiten Sinn das Thema der Untersuchung sein 
turn atque eruditum), Gellius (IV 16, 1), Augustin kann und soweit er Absichten verfolgen kann, die 
(Civ. dei VI 2 homo omnium facile acutissimus et fiir das Rom seiner Zeit von Wert sind. Ist V. 
sine ulla dubitatione doctissimus) und sta,unend derjenige unter den romischen Gelehrten, der sich 
bemerkt Terentianus Maurus GL VI 409 : vir doc- am tief sten in die Gebiete der griechischen Wis- 
tissimus undecumque Varro, qui tam multa legit^ senschaft begeben hat, am meisten gelesen und 
ut aliquid ei scribere vacasse miremur, tam multa zu verwerten gesucht und gewuBt hat, so ist er 
scripsit quam multa vix quemquam legere potuisse doch auch der am meisten romische unter alien: 
eredamus. Fur den Stil gilt begreiflicherweise Rom ist bei ihm in voUstem MaB das Objekt, 
nicht das gleiche Lob, etwa Quint. X 1, 95: ... ganz anders als bei Plinius, Celsus, Vitruv, Sue- 
plus tamen scientiae collaturus quam eloquentiae, 60 ton, Seneca. Etwa in de 1. 1. : Er will wissen, was 
August, civ. dei VI 2 : minus est suavis eloquio, die alten Worte, die Romulus und der Konig La- 
Die hohe Einschatzung, die V. zu alien Zeiten tinus pragten und verwandten, bedeuten, um sie 
erfuhr, ist vom Standpunkt des Romers aus selbst zu verstehen und auch anzuwenden. Wir 
berechtigt. V. war der Romer, der mit den me- sehen, wie sehr er in seinen eigenen Schriften das 
thodischen MitteLu der griechischen Wissensehaft altlateinische Sprachgut benutzt. War fiir Ptole- 
alle Bereiche des Lebens umfassend romische maios Pindarion Homer das M^ister des Hellenis- 
Forschung getrieben hat. Er kniipft an die Grie- m.us, so ist das entsprechende fiir V. die Ge- 
chen an und macht so die Romer ahnlich wie Ci- samtheit des vorlateinisohen Volkes, nicht was 



1181 M. Terentius Varro (Katalog) M. Terentius Varro (Katalog) 1182 

dem Griechen eniispreclieii wlirde, Ennius. Aueli ein paar Jahre darauf zwei Listen, die Chap puis 

dais Problem der Analogie hat fur V. eine ganz an- in der Pariser Bibliothek auffand, Nr. 1628 und 

dere Bedeutung als fiir den alexandrinischen Ge- 1629, in Hss. von Homilien zur Genesis; er pub- 

lehrten. Fur beide ist die Analogie ein Kanon der lizierte sie 1856 in seiner Pariser Ausgabe der 

Spraehe; sueht aber der grieehische Forscher mit Sententiae Varronianae; danach hat V. auch eine 

ihrer Hilfe im wesentlichen den Spraohgeibrauch Epitome der Imagines und nicht tragoediae^ son- 

einer vergangenen groBen Literatur festzusitellen, dern pseudotragoediae verfafit (vgl. R i t s c h 1 III 

zu sichem, zu andern, so hat sie fiir den Romer 552ff.). Im ganzen zahlt Hieronymus 39 Nummern, 

einen praktisehen gegenwartsbezogenen Wert: oder, da eine Nummer davon zehn monobiblia um- 

hier kommt es auf die Gestaltung der lebenden 10 faBt, 48 bzw. 47 Einzelwerke, je nachdem man 

Spraehe an. Der Autor, der liber Anomalie oder das Werk de vahtudine tuenda fur identisch mit 

Analogie schreibt, beriihrt damit nicht das interne dem Logistoricus Messalla de mletudine ansehen 

Gebiet einer grammatisehen Kontroverse, sondern will oder nicht. Die Zahl der Biicher belauft sich 

sucht seine eigene Sprachbehandlung oder die auf 490, Auf Grund der Erwagung, dafi sich das 

eines anderen lebenden Autors zu begriinden. Es vix medium descripsi indicem keinesfalls auf die 

geht nicht um die Form einer Literatursprache, Biicherzahl, sondem nur auf die Schriftenzahl be- 

sondern um das gesprochene Latein des Tages. ziehen konne, kommt Ritschl dureh diffizile Be- 

Seine romische Forschung ist nicht eine am ro- rechnungen, die er naturgemaB selbst nur als un- 

mischenLeben unbeteiligte Angelegenheit, sondern gefahre MutmaBungen ansieht, auf eine Gesamt- 

sucht auf Rom und seine Menschen zu wirken in 20 produktion von 74 Werken mit etwa 620 Biichern. 

bildendem und erziehendem Sinn; hierhin gehort Weiterhin nimmt er an, daB der Katalog, dessen 

auch das in de lingua Latina dem Stoff entspre- Anfang Hieronymus gibt, von V. selbst herruhre, 

chend selten anklingende, in de vita populi Ro- vielleicht aus de vita sua, da vieles im 4. Jhdt. 

mani und wohl auch in den anderon antiquari- gar nicht mehr bekannt war, und Sueton, der eonst 

sehen Schriften haufige Hervortreten einer Gegen- allein als Quelle des Hieronymus in Betracht 

uberstellung vom einstigen Guten und dem heu- kommt, nach seiner sonstigen Art zu schlieBen, 

tigen Sehlechten: er will seine Mitburger zuriick- nicht so ausfiihrlich gewesen sein kann. Diese 

fiihren zu den groBen alten Zeiten der Vergangen- Aufstellungen Ritschls hat K 1 o t z (Herm. XLVI 

heit, erfiiUt so auch in seinem otium, in den lite- 1) in mancher Hinsicht zu modifizieren gesueht: 
rarischen Arbeiten, den Dienst an der res publica 30 er geht von dem eigenartigen Zusammentreffen 

wie in seinem Beruf als Offizier und Staatsbeamter. aus, daB Hieronymus 490 Biicher aufzahlt und 

t)ber das Leben: Schneider Script, r. r., daB V. (GeU. Ill 10, 7) im Einleitungsbuche der 

Biponti 1787, 1, XCIXff. K. L. Roth Das Leben Hebdomades bemerkt, bis zum Beginn der zwolf- 

Varros, Progr. Basel 1857. G. Boissier La ten Hebdomade seines Lebens 490 Biicher ge- 

Vie et les ouvrages de M. Terentius Varron, Paris schrieben zu haben und behauptet, daB die liste 

1861, li. A. Riese Philol. XXVII (1868), 288. des Hieronymus das Verzeichnis sei, das V. im 

F, M ti n z e r Beitrage zur Quellenkritik des Pli- ersten Buche der Hebdomades selbst gegeben habe. 

nius, Berl. 1897, 275ff. C. Cichorius Rom. Doch ist diese These, fiir die das zunachst aller- 

Studien, Lpz. 1922, 189ff. dings eigentumli<;he Zusammentreffen von490Bu- 
B.DerKatalog. 40 chern sprechen mag, in keiner Weise aufrechtzu- 

Neben den erhaltenen und durch Zitate be- erhalten. Zunachst ist eine Schriftenliste in einem 

kannten Schriften V.s war schon immer eine un- Werke vom Charakter der Hebdomades unwahr- 

voUsiandige Liste seiner Werke im 20. Kapitel scheinlich; aber woUte man sich auch mit der 

des zweiten Buches der Apologie des Rufinus be- Moglichkeit ihres Vorhandenseins abfinden, so ge- 

kannt, die dieser einem Brief des Hieronymus an niigt zur Abweisung der Klotzschen These allein 

Paula entnommen hatte. Hieronymus selbst er- der Satz: vix medium descripsi indieem; denn da 

wahnt diesen Katalog, neben den er zum Ver- ist ganz deutlich gesagt, daB Hieronynius eine 

gleich der noch weit umfangreicheren Produktion Liste an einer SiteUe abbricht — so erklart auch 

ein Verzeichnis der Biicher des Origenes gestellt Ritschl 485 die SteUe, den K 1 o t z (6) voUig 
hatte, de vir. ill. 54; das voUstandige Regiister 50 miBversteht — sie miiBte aber, sollte sie die an- 

war jedoch mit der Briefsammlung des Kirchen- genommene V.s aus den Hebdomades sein, voll- 

vaters verloren. Da entdeekte U r 1 i c h s 1848 in standig sein. Das nimmt Klotz aUerdings auch 

einer englischen Privatsammlung ein Doppel- an, indem er die ganz klare Angabe des Hierony- 

blatt, das eine Hs. aus Arras im Druok wiedergab. mus vollig abwegig interpretiert, namlich so, daB 

eine Vorrede zu Origenes tiber die Genesis; und der Kirchenvater nichts an der Biicherzahl, son- 

zwar befand sich auf den ersten drei Seiten das dern nur an der Titelzahl verkiirzt habe und sich 

voUstandige hieronymianische Verzeichnis der nun daranbegibt, andere nichtgenannte Schriften 

Schriften V.s und des Origenes. Er stellte die Liste unter die aufgefiihrten Biicherzahlen mitunterzu- 

Ritschl zur Verfiigung, der sie sogleich mit bringen. Auch anderes fiihrt zu groBen S'chwie- 
einem ausgezeiehneten Auf satz iiber die Schrift- 60 rigkeiten, iso die Tatsache, daB die r. r. genannt 

stellerei V.s im Rh. Mus. 1843 (opusc. IH 419ff.) sind, die 39 noch nicht verfaBt waren, Klotz muB 

veroffentlichte und so die Grundlage fiir jede Be- also die Edition der Hebdomades auf 37 herab- 

schaftigung mit V.s Werken schuf. Aber auch das riicken; das Fehlen der Schrift de gente populi 

Verzeichnis des Hieronymus umfafite nicht alles, Romani und de poetis u. a., was zu nennen sich 

was V. schrieb; am SchluB bemerkt er: et alia eriibrigt. Die These von Klotz ist, soweit ich sehe, 

plurima, quae enumerare longum est. vix medium durchweg abgelehnt worden, besonders nachdriick- 

deseripsi indicem et legentibus fastidium est. Zwei lich von Hend rick son Class. Philol. VI 334S.: 

kleine Verbesserungen der Hs. von Arras brachten The provenance of Jeromes Catalogue of Varros 



1183 M. Ter. Varro (Schriften) M. Ter. Varro (rer. rust.) 1 1 84 

works. Weinreich Trisikaidekadische Studien Sehr gut ist der alteste erhaltene Paris. 6842 A 

GieBen 1916, 93f. Marx S.-Ber. Sachs. Ges. 1911, saec. XII/XIII, dem der Archetypus noch ganz 

50, 2. W. A. Baohrens Herm. L 264, 1. erhalten vorlag. Weniger zuverlassig sind ein 

Sicher stehen also folgende Daten: V. hat bis zum Laur. 30, 10 saec. XIV, dessen Lesarten Politian 

77. Lehensjahr 490 Biicher geschrieben, wieviele ebenfalls in seinem Exemplar der ed. pr. ver- 

dann noch folgten, ist nicht zu bestimmen, aber zeichnete und den aueh Victorius haufig nennt. 

Ritschls Berechnungen auf Grund des erhal- Endlich noch ein Laur. 51, 1 saec. XIV/XV. Diese 

tenen Teils des Katalogs werden schon dem Rich- handschriftliche Grundlage ist von H. K e i 1 ge- 

tigen nahekommen. Unsicherer ist allerdings seine legt und, wie Goetz (Illff. ed. 1929) darge- 
Annahme, daJS die Liste von V. selbst herriihrt; 10 legt hat, durch den Versuch von S c h o e r 1 

das ist nicht zu beweisen und erscheint mir wie (Wien. Stud. XXXV 75fE.), einen Vindob. 33 

Hendrickson zumimdest zweifelhaft; auf ausge- saec. XV nicht auf den (Marcianus, sondern 

zeichneter tJberlieferung beruht sie jedenfalls eine andere mit ihm verwandt© Handsohrift 

und von ihr hat die Betrachtung der Schriftstel- zuruckzufuhren, nicht erschiittert worden. Auch 

lerei V.s auszugehen. die zahlreichen varronisehen Zitate des Petrus 

tlber die Literatur zu V. vgl. im allgemeinen de Creiscentiis in seinen Ruralia commoda sind 

L. Mercklin Philol. XIII (1858) 683ff. A. fur die Textherstellung der r. r. wertlos (dar- 

RiesePhilol. XXVII (1868) 286ff. MrasJahres- iiber naheres Goetz Vf.). Auf dm bereits 

ber. CXLIII 63ff. CXCII 64&. Eine ausreichende genannte ed. pr. folgte mit einigen Verbesserun- 
Sammlung der varronischen Fragmente gibt es20gen die des Beroaldus (Bologna 1494) und 

bis zum heutigen Tage nicht, und sie wird oft als die recht verdienstvolle Aldina des I u c u n d u s 

ein dringendes Desiderat bezeichnet. Die Aufgabe Veronensis (Venedig 1514), der den Laurentianus 

ist auBerst schwierig, besonders wegen der Eigen- 30, 10 unter anderen Handschriften heranzog und 

art V.'S, der das gleiche in den verschiedensten vor allem ausgezeichnete Konjekturen machte. 

Werken nur in anderem Zusammenhang zu wie- Fast genau ist die Aldina 1515 von N. Angelius 

derholen liebt, .so daB, wenn nichts bestimmtes in der luntina (Florenz 1515) wiederholt worden. 

genannt wird, die Zuweisung zu einer Schrift oft Einen bedeutsamen Fortschritt brachte die Aus- 

unmoglich ist. Man konnte dann bei diesen Bruch- gabe von Victorius dadurch, daB er neben 

stiicken nur unter sachlichen Gesichtspunkten das der luntina den Marcianus heranzog. Auf sie 
varronische Gut anordnen. Ferner kennen die 30 greifen alle spateren Editoren zuriick: S y 1 b u r g 

spateren Autoren V. haufig nur durch die Mattel- (ed. Commeliniana 1595), G e s n e r (1735), 

quellen, so daB das wirklich Varronische nur Schneider in den Steriptores rei rusticae 

jsehr miihsam ausgesondert werden kann und man (1794), der seinerseits wieder Gesner zugrunde 

oft auf Vermutungen angewiesen ist. Ehe eine zu- legte und einen sehr ntitzlichen, vieles gltioklich 

verlassige Fragmentsammlung moglich ist, ware erhellenden Kommentar beifiigte, den einzigen 

es erforderlich, eine Geschichte seines Nachlebens Sachkommentar, der uberhaupt vorhanden ist. 

zu schreiben, seiner ungeheuren Nachwirkung bei Eine wirklich kritische Ausgabe V.s und auch 

fast alien heidnischen und christlichen Schrift- Gates mit ausfiihrlichen textkritischen Anmer- 

stellern und festzustellen, wie lange die einzelnen kungen hat erst H. Keil geliefert (Lpz. 1884), 
Biicher gelesen wurden. — Einzige brauchbare 40 der leider nicht auch Columella edierte, so daB 

Sammlung aller Bruchstticke von P o p m a Lei- man bei diesem heute noch fast ganz auf Schnei- 

den 1601, wiedergegeben in der Bipontina 1788. der angewiesen ist. Er hat dann 1889 eine editio 

Die Fragmentsammlungen einzelner Schriften a. 0. minor folgen lassen, die Goetz 1912 und dann 

I. Die prosaischen Schriften. 1929 emeuerte, leider durch falsche Sparsamkeit 

1. Libri tres rerum rusticarum. des Verlegers daran gehindert, groBere Ainde- 

tJberlieferung und Literatur. Der Text griindet rungen im Texte selbst vorzunehmen, so daB er 

sich wie bei Cato de agr. auf einen sehr alten alles Neuhinzugekommene nur in der Praefatio 

Archetypus, einen Florentinus S. Marci, der nicht (XV ff.) anftihren konnte. 

mehr vorhanden ist. Seine Rekonstruktion ist tJloex Inhalt, Form und Aufbau der r. r. ist 
aber auf zwei Wegen moglich: Politianus hat 50 nur wenig geschrieben worden, nicht sehr tiief 

in ein Exemplar der editio princeps von M e - geht H i r z e 1 (Dialog I 552 — 565). Fiir das 

rula (Venedig 1472 bei Nicolaus Jensonus), Prooemium einiges bei Wissowa Herm. LII 

das sich heute in der Pariser Nationalbibliothek 92ff.: Das Prooemium von Vergils Georgica; iiber 

befindet, im J. 1482 am Rande und zwisehen den eine Einzelheit: Mii n z e r Herm. LXI 263ff.: Ein 

51eilen Lesarten des Florentinus vefzeichnet. Auch unverstandener Witz bei Varr. r. r. 2, 5, 5. Weit 

Victorius, der 1541 in Lyon Cato und V. groBer ist die Literatur Tiber Quellen und Nach- 

herausgab, hat bei seinem Aufenthalt in Florenz wirkung. Das Wesentliche hat bereits 1888 in den 

den Morentinus noch benutzt und ihn als erster Commentat. philolog. Ribbeck. 434ff. R. Heinz e 

fiir seine Textgestaltung herangezogen, wahrend gesagt, dessen Beweis 0. Hemp el De Varronis 
friihere auf schlechte Apographa zuriickgingen. 60 r. r. auctoribus Lpz. 1908 im einzelnen naher aus- 

AuBerdem hat er noch an vielen Stellen in seinen und weitergefuhrt hat. Gegen Heinze sehr unzu- 

adnotationes die Lesarten des Archetypus ange- langlich G. G e n t i 1 1 i De Varronis in lb. r. r. 

^fiihrt. Nach ihm ist er verlorengegangen und auctoribus. Stud. Ital. XI 99ff. und M. Waeh- 

auBer durch die Angaben des Politianus und Vic- ler De Varronis r. r. fontibus, Jena 1912. Alle 

torius nur durch spatere Absehriften kenntlieh: Arbeiten sind auch fiir V.,s Nachwirkung wichtig. 

die beste ist ein Laurentianus 51, 4 saec. XV, der Fiir die lateinischen Vorganger neben Hempel be- 

wie Polizian und Victorius den Marcianus nur senders R. Reitzenstean De scriptorum rei 

aoch in unvoUstandiger Form ( — IH 17, 4) hat. rust, libris deperditis, Berlin 1884. Fiir das Ver- 



1185 M. Terentius Varro (rer. rust.) M. Terentius Varro (rer. nist.) 1186 

haltnis zu Vergils Georgica, C. Engelke Quae lich hingehort, und folgt einer bis ins einzelne 

ratio intercedat inter Vergilii Georgica et Varr. konsequent durchgefiihrten' Gliederung. So gibt 

r. r., Lpz. 1912 und gegen ihn E. Burck De Ver- er nicht eine FiiUe einzelner, knapper Rezepte, 

gilii Georgicon partibus iussivis, Lpz. 1926, be- sondern alles ist eingereiht in das Gebaude eines 

sonders 2fl. — E. Weiss De Varrone et Coin- zifsammenhangenden Lehrvoitrags. Diese formal- 

mella, Bresl. 1911. stilistische Uberlegenheit V.,s erklart isich aus den 

Abfassungszeit, Widmung, Absichten. ganz anderen zeitlichen Umstanden, in denen er 

Geschrieben hat V. (I 1, 1) den Dialog imachtzig- schreibt — nach der langen Schulung an den 

sten Lebensjahre, also 37. Die Veranlassung, sich griecMschen Vorbildern war ein formloses Ge- 

in einem Werke der Landwirtschaft zuzuwenden, 10 bilde wie Catos Buch kaum moglich — , sie schliefit 

einem Gebiet, das so viel wir wissen, V. bisher aber natiirlich das gleiche Ziel, wie es Cato ver- 

noch gar nieht bearbeitet hatte, gab ihm die folgte, fur V. nicht aus. Ein anderes Moment ist 

Tatsache, daB sich seine Gattin Fundania ein Gut da weit erheblieher: Cato ist selbst Landmann 

gekauft hatte, wohl im Sabinerland (I 15: ut mit reieher praktischer Erfahrung: alles, was er 

habet uxor in Sabinis) und ihn gebeten hatte, in sagt, ist sein Eigentum, das was sich ihm durch 

seiner Weise dafiir zu sorgen, daB sie es auch lange Tatigkeit als ntitzlich herausgestellt hat; 

recht ausnutzen konne. Ist das die Veranlassung, V. hat zwar einiges auch selbst erprobt, aber im 

so sollte man meinen, wiirde V. seiner Gattin GroBen und Ganzen kann er sich nieht auf sieine 

auch das ganze Werk gewidmet haben, und nicht eigenen Eenntnisse, sondern nur auf das, was er 

nur die Anfangsworte des Prooemiums (I 1, 1) 20 gelesen hatte, stiitzen. Sein Werk steht hier Ver- 

scheinen das zu bestatigen, sondern er schreibt gil viel naher als iseinen Vorgangern, nicht nur, 

auch: quocirca seribam tibi tres libros indices, wie es scheint, Cato, sondern auch den Siasemae 

ad quos revertare, siqua in re quaeres, quemad- und Tremelius Scrofa. Auch Columella war Guts- 

modum quidque te in colendo oporteat facere {I besitzer mit reichom eigenen Wissen und spricht 

1, 4). Danach hat V., als er das erste Prooemium viel von eigener Erfahrung; das geht V. hier wie 

schrieb, offensichtlich diese Absieht gehabt. Doeh iiberhaupt in seiner literarisehen Tatigkeit fast 

er hat sie dann, ohne im ersten Buche eine Kor- vollig ab: sein Werk ist in diesem Sinn literarisch, 

rektur vorzunehmen, im zweiten und dritten ganz wie das Vergils. Neben den Wunsch der 

Buche geandert: nur das erste Buch dedicierte er praktischen Belehrung, die ja auch, wenn man 

Fundania propter eius fundum, das zweite seinem 30 seinen Stoff anderen verdankt, durehaus moglich 

Preund, dem Viehziichter Niger Turranius (II ist, tritt in den r. r. also das Bestreben, ein Buch 

prooem. 6), das dritte seinem Gutsnachbar Pin- zu schreiben, das literarisehen Anforderungen 

nius (III 1, 1 u. 9) (falseh hierliber Hirzel I geniigt. 

555, 1). Francken Mnem. 1900, 294 erklart Die r. r. als literarisches Werk. Erkleidet 

die Schwierigkeit .so, daB Fundania nach Fertig- seinenStoff in dasGewand desDialoges. Das hatvor 

stellung von I gestorben sei. Die eben zitierte ihm in lateinischer Sprache noch niemand getan 

Stelle 11,4 (vgl. II pr. 6) zeigt auch das Ziel, und auch nach ihm niemand: fiir einen Nichtfach- 

das V. zunachst verfolgt: es ist rein praktisch mann, der seinen Stoff ubemimmt, liegt ein sol- 

belehrend; eben das gleiche hat auch Cato mit cher Gedanke ja viel naiher als fiir einen wirklich 

de agri cultura erreichen woUen: praeeepta, in- 40 Kundigen, wie Cato oder ColTimella. V. iibertragt 

dices zu geben, die in jedem Fall dem Lernbe- die Form, die Cicero in der Behandlung philo- 

gierigen einen Weg weisen. Ganz anders liegen sophischer Fragen in Nachfolge des Ans1x)teles 

die Dinge 'hinsichtlieh der Georgica Vergils, der und Dikaiarch, in deren Sehule bereits auch un- 

nicht ein Lehrbuch fur den Landwirt -schreibt, philosophisehe Stofie dialogisch behandelt waren 

sondern einmal zeigen wUl, mit welcher Kunst (vgl. Leo NGG 1912, 274), gepflegt hatte, nun 

sich dieser Stoff behandeln lasse, zweitens aber auf ein ganz neues Gebiet. ^n Dialog im pla- 

auch die Absieht hat, bei seinem Leser die Liebe tonischen Sinne, in dem sich wahrend der XJnter- 

und Freude am Lamdbau, der durch die anhalten- redung aus Frage und Antwort, aus einem wirk- 

den Kriege herabgekommen war, wieder zu wek- lichen, lebhaften Gesprach die Gestaltung und 

ken und zu heben. V. steht nun aUerdings nicht 50 der Inhalt erst ergibt, liegt bei V. allerdings 

ganz auf dem gleichen Punkt mit Cato: er ver- nicht vor, so wenig wie bei Cicero: man kniipft 

einigt sowohl dessen als auch Vergils Ziele: er an den platonischen Dialog direkt nicht mehr an, 

will belehren, erhebt aber auch literarische An- sondern an den Peripatos, zumal Aristoteles, bei 

;spruche, die Cato ganz fern liegen. Dieser erteilt dem ein Lehrvortrag dem andern folgte. Eine 

in hunter Reihe medizinische und wirklich land- Notwendigkeit des Dialogs ist nicht eigentHch 

wirtschaftliehe Vorsehriften in der Form des fu- mehr vorhanden, man wahlte ihn vielmehr als 

turischen Imperativs facito dato sumito, legt beliebte literarische Form. Im Vergleich zu Ci- 

einzig Wert auf Genauigkeit und Ktirze im ein- cero herrscht aber bei V. in allem AuBeren eine 

zelnen und auf moglichste Vollstandigkeit alles weit groBere Lebendigkeit: weit mehr Personen 

dessen, was iiberhaupt wissenswert ist, bringt so 60 treten auf, die sich in rascher Folge in der Dar- 

auch Dinge, die mit dem Landbau keineswegs stellung der einzelnen Teilthemen ablosen, recht 

direkt verbunden sind. Was er wollte, hat er aber haufig sind auch Fragen, Einwiirfe, kurze Be- 

erreicht: sein Buch ist von den praktischen Land- merkungen der anderen TeUnehmer, oft die Auf- 

wirten eifrig benutzt, erweitert, verbessert, bear- forderung, zu dem nachsten Teil der Gliederung 

beitet worden. Formal-stilistische und komposi- uberzugdien: Die Abfolge des Ganzen jedoch ist 

tionelle Ziele setzt er sich nicht. Sachlich und am Anfang jedes einzelnen Gespraches gegeben 

schrif tsteUerisch hat V. ganz andere Aspirationen: und steht dann unveranderlich fest. Immer lost 

er besehrankt den Stoff auf das, was auch wirk- einer den andern ab und spricht selbst iiber etwas 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 38 



1187 M. Terentius Varro (rer. rust.) M. Terentius Varro (rer. rust.) 1188 

anderes, jeder Imt sein Pensum (II 2, 1) zu alb- auf seine GeseUschaft von Vogeln hin: recipis 

solvieren. S^hr selten sind daher Storungen dnreh nos in tuum mnithona, ubi sedes inter aves 

Polemik, Abstreiten der vorgetragenen Auffas- (vgl. dazu Hirzel 557f.). Im ersten Buch wird 

fungen: es fehlt die dialektische Spannung, die 2, 12 zunachst die Themasliellung des Agrius: 

bei Cicero das belebende Moment des Dialoges docete nos, agricultura quam summam habeat^ 

ist, bei dem der zweite Redner dann den glei- utilitatemne an volputatem an utrumque zuriick- 

chen Stoff wie sein Vorganger behandelt, nur gestellt vor der notwendigen Begriffsbestimmung, 

vom philosophiseh-entgegengesetzten Standpunkte der Definition der agricultura uberhaupt; zuerst 

aus. Solch schwere Gontroversen kennt V. nieht: das quid. Unter lebhafter Beteiligung aller hat 
in allem waltet schone, kaum je (nnr einmal II 10 man dies Ziel (2, 21 Enide) erreicht. Ein pole- 

1, 25 durch einen Einwurf des Atticus) gestorte mischer Exkurs gegen die Sasernae und Cato^ 

Eintracht und Einlielligkeit der Meinungen. Po- den V. 2, 22 einleitet, bringt sachlich niehts 

lemik ist zwar auch vorhanden, allerdings und Neues und die Feststellung des Agrasins (3) 

aus klarem Grunde nur im ersten Buche. Sie fuhrt uber die Scrofas (2, 21) nieht hinaus. Nun 

liegt aber innerhalb des Vortrages Scrofas, ge- kann man zur Frage des Agrius von 2, 12 zurtiek- 

richtet gegen Where landwirtschaftliche Schrift- kommen, die Agrasius (3) noch etwas erweitert: 

steller, gegen Gato (I 2, 28. 7, 9. 18, Iff. 22, 3ff.) . . . nos docete, ars id an quid aliud, et a quibus 

und die Sasernae (I 2, 22ff. 16, 5. 18, 2ff. 19, carceribus deeurrat ad metas, wobei das letzte 

Iff.). Die zusammenhangende Rede hat V. mit das gleiche ist, wonach sich auch Agrius er- 
Aristoteles und Gicero gemein; noch ein zweites: 20kundigte: es handelt sich um das Problem, ob 

der Verfasser tritt selbst als eine der Hauptper- der Aekerbau zu den rexvai gehort, um seine aQX'^^ 

sonen in der Unterredung auf, und zwar als ein- {a quibus carceribus), prindpia (4, 1) und sein 

ziger in alien drei Gesprachen; denn diese gehen rsXog (metae). Der Gedanke der Ntitzlichkeit ist 

wie auBerordentlich oft schon bei Platon nieht mit ihrer Begriindung als ars eng verknupft: 

selbst vor sich, sondern er berichtet Tiber sie non modo est ars sed etiam necessaria ac magna, 

(referam sermones I 1, 7; vgl. II praef. 6. Ill Das ist eine Verkntipfung, die V.s Grundlegung 

1, 10). der ars iiberhaupt erfordert: scire autem debemus, 

Der Rahmen der Erzahlung ist in jedem Buch sicut Varro dicit utilitatis alicuius causa omnium 

recht geschiekt ausgewahlt in eine Beziehung ge- artium exstitisse prindpia (Gassiod. GL. VII 213, 
setzt zum Thema der Unterhaltung: der erste 30 14). Daher untersncht er etwa auch beziigl. der 

Dialog wird sioher nach 59 angesetzt (. . . colle- Etymologic in 1. 1. si quae sint cur et ars ea sit 

gam suum, vigintivirum qui fuit ad agros dim- et utilis sit (VII 109) oder er konstatiert, daB 

dendos Campanos, vides ... I 2, 10), hochstwahr- die ars der declinatio utili et necessaria de causa 

scheinlich vor 57, da L. LucuUus, der etwa in eingeftihrt worden ist (1. 1. VIII 3). Dann legt er 

diesem Jahre .starl3, I 2, 10 und 13, 7 wohl noch die Fundamente der Kunst des Landbaues (4, 1 

als lebend erwahnt ist. Die Gelegenheit bietet Anfang) und wendet sich ihren Zielen zu: zur 

die Freizeit der feriae sementivae, an denen die utilitas, dem ovfj,q?sQov, kommt noch die volup- 

vielbeschaftigten Manner MuBe finden, einer tas, das xalov hinzu, die stoische Zweiheit, die 

Einladung des aedituus des Tempels der Tellus auch in 1. 1. VIII 31 von groBer Bedeutung ist: 
L. Fundilius Folge zu leisten (Reate als dessen 40 quod si quis duplicem putat esse summam ad 

Heimat vermutet G i c h o r i u ,s Rom. Stud. 154). quas metas naturae sit perveniendum in usu, utili- 

Der Ort ist geschiekt gewahlt, da an der Karte tatis et elegantiae (im folgenden auch mehrfach 

Italiens, die an die eine Tempelwand gemalt ist, das Wort voluptas). Vgl. zur ganzen Stelle 

sich das Gesprach uber die Fruchtbarkeit der Dahlmann Varro und die hellenist. Sprach- 

tellua Italia ankntipfen konnte, und von da ist der theorie 63f. Die Erledigung dieser Vorfragen wird 

Weg nieht mehr weit zu dem Hauptthema des von 3 ab sehon Sterofa in den Mnnd gelegt, der 

Buches, der agri cultura uberhaupt (I 2, 12). Die dann in 5 das Hauptthema, quot partes ea disci- 

Zeit hierzu finden die Gaste, da der Tempelhtiter plina habeat, also die Darstellung der ars in 

durch den Auftrag, bei seinem Aedilen zu er- ihren einzelnen Teilen, beginnt. Den Dispositions- 
scheinen, an seiner sof ortigen Anwesenheit ver- 50 punkten, die er 5, 3 auf fuhrt, f olgt ^ die Darstel- 

hindert ist. In einer barocken Laune mit echt ro- lung ganz glatt und klar: a) cognitio fundi cap. 

mischer Freude am Namenwitz hat V. nun nieht 6-^16 in 4 Unterteilen: 1. forma: 6, 1 — 7, 4; 

nur den Namen des aedituus: Fundilius, was an 2. genus terrae 7, 5 — 9 z. E.; 3. de modo agri, 

fundus erinnern soil, sondern die aller Geladenen quantum; modi, quibus metiuntur rura 10, 1 — 13' 

in eine Beziehung zum Stoffe des Dialogs ge- z. E.; 4. de saeptis (quam per se tutus) 14, 1 — 15 

steUt, auBer seinem eigenen Namen: es sind dies z. E. Zum ersten Hauptteil, der cognitio fundi von 

G. Fundanius, G. Agrius, P. Agrasius, G. Licinius 5, 3 der prima species, quae ad solum pertinent 

Stolo und Gn. Tremelius Scrofa. Dasselbe gilt, terrae von 5, 4 gehort auch noch cap. 16 (pars, 

um es gleich hier zu sagen, weithin auch in den quae est extra fundum) in 4 Unterteilen, die 16, 1 
folgenden Biichem: weniger im zweiten tiber das 60gegeben werden, von denen aUein der zweite 16, 

GroBvieh, in dem aber doeh ein Vaccius tiber die 2 Mitte — 5 z. E. breiter dargelegt wird. b) agri 

boves zu reden hat und V. und Scrofa am SehluB quibus rebus colantur (5, 3 : quae in eo fundo- 

der Aufforderung eines Vitulus, ihn in seinen opus sint ac debeant esse culturae causa, 5, 4: 

Garten zu besuchen, nachgehen, um so mehr im quae moventur atque in fundo debent esse cul- 

dritten tiber das Kleinvieh: vier der sieben Teil- turae causa) cap. 17 — 22 in 3 Unterteilen 1. genus 

nehmer haben Vogelnamen (III 2, 2) und V. weist vocale: 17, 2—18 z. E.; 2. genus semivocale 19, 

mit schmunzelndem Witz Appius, der seinem 1 — 21; 3. genus mutum 22; c) eingeleitet durch 

Namen zufolge uber die apes zu sprechen hat, den deutlichen Hinweis des Agrasius, daB nun\ 



1189 M. Terentius Varro (rer. rust.) M. Terentius Varro (rer. rust.) 1190 

die ersten beiden Telle der Vierteilung von 5, 3 den Homer; dabei ist er wie sein SdiwiegetiSohn 
und 5, 4 erledigt sind: quae et quo quidque loco nieht infiziert durch .den griechischen Einflufi, 
maxime expediat severe (5, 3: quae in eo praedio Romer 7on altem Nationalgefiihl (2, 5ff.), der die 
colendi causa sint facienda, 5, 4: de rebus, quae romische Gesehichte kennt (2, 9), die diligentia 
ad quamque rem sint praeparanda et ubi quaeque anticorum lobt und von der luxuria, den libidines 
faeienda (23 — 62). d) tempora (5, 3: quo quicque indomitae der modernen Zeit, die er in einem 
tempore in eo fundo fieri conveniat, 5, 4: pars de lebhaften convicium saeculi einander gegeniiber- 
temporibus) 27 — 37, 3 in 2 UnterteUen: 1. genus stellt, nichts wissen will (2, 6f.). Endlioh Agrius 
annate 27, 1 — 36, 2. genus menstruum 37, 1 — 3. und Agrasius, die trotz ihrer Namen gar keine 
Damit ist die Vierteilung erledigt und Scrofa 10 Ahnung von der agri cultura habon und eigent- 
bemerkt abschlieBend: dixi de quadripertita lich nur der Erheiterung des Lesers dienen. Sie 
forma {in} cultura agri. 37, 4 setzt Stolo neben wissen audi selbst, daB sie nichts da von ver- 
den vierten Teil der quadripertitio eine andere stehen, und daher ist es Agrius, der um Beleh- 
temporum divisio fiir Saat und Ernte nach sechs rung iiber diesen Gegenstand bittet (2, 12) und 
Stulen abgegrenzt (37, 4): 1. gradus praeparandi der, als er einmal wirklieh eine sachliche Aus- 
38, 1 — 3. 2. serendi 39, 1 — 44, 3. 3. nutricandi kunft geben zu konnen glaubt, die dann recht 
44, 4 — 48, 3. 4. legendi 49, 1 — 55, 7. 5. condendi naiv lautet, bemerkt: istuc vel ego possum re- 
56,1 — 61. 6. promendi 62y 1 — 69. AlsdasThema spondere (12, 2). Sonst macht er einfaltige Elu- 
des Dialogs erschopfend behandelt und bis zum wiirfe (z. B. 2, 28), stellt torlchte Fragen (37, 2), 
SchluB gefuhrt ist, folgt das dramatlsche Ende. 20 worauf ihn Scrofa etwas ungeduldig belehrt. 
Die Gaste des Tempelhiiters, die sehon langst auf Im ubrlgen sind er und Agrasius, der noch 
seine Heimkehr warteten (36), waren vergebens mehr zuriiektritt — nur daB er einem spasslgen 
gekommen. Sein Sklave erscheint, meldet in Aberglauben huldigt, erfahren wir 37, 2 — , da 
hochster Aufregung, sein Herr sei soeben unter- sie stofflich nichts zu bieten haben, im wesent- 
wegs ermordet worden und lost so die Gesell- lichen darauf beschrankt, durch ihre Feststellun- 
schaft auf. Damit ist der Rahmen geschlossen, gen den Beginn eines neuen Punktes der Disposi- 
innerhalb dessen im Gegensatz zu den folgenden tion anzugeben (Agrius 26, 44, 4, 56. Agrasius 3 
Buchem das Gesprach, nachdem einmal (2, 10) und 23, 1). 

alle Teilnehmer erschienen waren, ohne jede Un- Im Gesprach des ersten Buches erortert man 

terbrechung, ohne Kommen und Gehen der Per- 30 die agri cultura, die ratio ac scientia coloni oder 

sonen stattfand. Die Ftihrung liegt im ganzen agrieolae, im zweiten die ratio ac scientia pa- 

Hauptteil c. 3 — 37 in den Handen des Tremellus storis (II prooem. 5) also die pastio und, da diese 

Scrofa 2, 10: qui de agri cultura Romanus peri- (III 1, 8) in zwei genera zerfallt, die agrestis und 

tissimius existimatur, dessen besondere Qualifika- die villatica pastio, nur den ersten Teil, der auch 

tion auch Stolo am Anfang sogleich konstatiert: res pecuaria genannt wird (II pr. 6). Die Zeit 

tu, inquit, et aetate et Jionore et scientia quod des Dialoges steht fest: er fand wahrend des 

praestas, dicere debes. Es ist bezelchnend, daB Piratenkrieges, also 67 statt; nichts wissen wir 

Stolo diese Worte in den Mund gelegt werden: aber tiber die nahere Gelegenheit und den Ort, 

neben Scrofa ist er der hauptsachlichste Unter- an dem sioh die Teilnehmer versammelten: das 

redner, der wie dieser den Stoff voUkommen be- 40 erklart sich aus einer Lticke nach prooem. 6, in 

herrscht. Gehort also Scrofa der zusammen- der die Scenerie, der Grund der Zusammenkunft 

hangende Vortrag des gesamten Stoffgebletes, so und die Einfuhrung der Personen, wie sehon 

tritt Stolo erganzend neben ihn: vor allem laBt Schneider zur Stelle richtig bemerkt hat, an- 

ihn V. die Auffassungen C^tos iiber elnzelne gegeben waren. Man hort nur, daB die Unter- 

Fragen referieren, worauf dann in jedem Falle redung in Rom stattfindet (vgl. 11, 12: Vituli 

Scrofa von seinem Standpunkte aus erwidert, so libertus in urbem veniens), daB es ein Festtag 

7, 1, 7, 9. 22, 3. 22, 7; einmal auch legt er Dio- ist (11, 12: ne diem festum faceres breviorem) 

phanes' Meinung dar 9, 7. Den zweiten Tell des — Ursinus dachte an die Palilia und als Ort 

Buches 37, 4 — z. E. bestreitet er voUstandig, den Tempel der Pales (Schneider zu II 5, 1) — 

sachlich in keinem Punkte unterbrochen. An drit- 50 daB es sich um ein Opfer handelt, das von einem 

ter Stelle steht V. selbst, der 8, 1 — 9, 6 und 14, Menates (Francken Mnemos. 1900, 297 vermutet, 

1 — 15 z. E. zwei zusammenhangende Partlen vor- er sei der aedituus des Palestempels) ausgeftihrt 

tragt, dann aber voUkommen .schweigt. Diese wird, der zu Beginn des Dialogs (1, 1 cum ilfenaiCes 

Partlen sind fiir ihn als Gesprachstellnehmer discessisset) die Gesellschaft gerade verlassen hat, 

weniger charakteristisoh als zwei andere Stiieke und an dem auch die Unterredner teilnehmen 

der einkleidenden Unterhaltung, bei denen er woUen. Bis die gottesdienstliehe Handlung so 

seine Gelehrsamkeit (2, 16) und seine Veraehtung welt vorgeschritten ist, daB man erseheinen muB, 

der luxuriosen Verschwendung (2, 10) zeigt. Die spricht man iiber das gewahlte Gebiet. 8, 1 wer- 

anderh drei Personen treten noch viel starker den sie bereits aufgefordert, wenn sie woUten, zu 

als V. selbst zuriick, sind nur zur Bekbung des 60 Menates zu kommen, um dort fur sich zu opfern 

Gespraches elngefiihrt, aber alle mit besonderer und nach Ende des Gespraehes begeben sich einige 

Liebe individuell charakterisiert: zunachst Fun- auch zu ihm (11, 12). Doch nicht nur am Anfang 

danlus, V.s Schwiegervater, der alte Herr, der von 8 wird die Unterhaltung, was in Buch 1 

unbedingt seinen Mittagsschlaf braueht (2, 5), iiberhaupt nicht geschleht, unterbrochen, sondern 

dessen FiiBe nicht mehr so recht woUen und der zu Beginn sind, obwohl es sich um eine feste 

gern ein Arzneimittel, sie zu kurieren, horen will V'erabredung handelt, noch nicht alle anwesend 

(2, 26). Er zeigt seine literarische BUdung, zitlert und erst in der Mitte der Zeit erscheint (5, 1) 

hintereinander Pacuvius, Catos Origines, auch Quintus Luclenus und muB sich entsprechende 



1191 M. Terentius Va.rro (rer. rust.) M. Terentiiis Varro (rer. rust.) 1192 

Vorwiirfe anhoren, qui tarn sero venisset ad con- kundig behandeln. Die Charakterisierung ist bei 

stitutum. Er entfernt sich auch gleicli wieder mit einigen nicht so mannigfaltig wie in I, Atticus, 

Murrius, kommt aber wahrend der naehsten Rede Murrius, Cossinius, 'V^ccius zeigen kaum etwas 

zuriick. Die andern sechs Unterredner sind bei Individuelles, eher schon Lucienus, homo quam- 

der Aufstellung des Themas bereits eingetroffen, vis humanus ac iocosus^ der sich mit eiaem Witz 

v., Cossinius, Murrius Reatinus, Vaccius, T. Pom- einfiihrt (5, 1). Scrofa ist der gleiche iiberlegene 

ponius Atticus und Cn. Tremelius Scrofa. Fachmann; am deutliehsten stellt sich V. selbst 

Die Darlegung beginnt diesmal sofort 1, 2 vor, in der tJbernahme des tefoncow am Anfang, 

ohne eine langere Hinfiihrung zum Thema, und doch auch an anderen Stellen, wo er philoso- 

zwar wie in Buch I mit der Erledigung einiger 10 phische und historische Bildung im Griechischen 

Vorfragen, die denen vom ersten Buch ganz ana- wie im Lateinischen zeigt, auch sein sprachlich- 

log sind: als ars wird die res pecuaria einfach grammatischeis und religionsgeschichtliches Inter- 

konstatiert (1, 1 und 2) und wie im Fall der agri esse. Endlich fehlt hier wie in III aus begreif- 

GuUura erst einiges iiber ihre principia und me- lichem Grund das kritisierende und polemische 

tae vorausgesehickt wurde, so hier tiber origo (1, Eingehen auf Vorganger in der Behandlung des 

3 — 5) und dignitas (1, 5—10), das genus histori- gleichen StoSes, ein Moment, das in Bueh I be- 

con, das .seinem antiquariseh-historischen Inter- senders gegen Cato und die Sasernae gewandt so 

esse durchaus gemaB V. selbst ubemimmt. So- haufig war. 

dann folgen die versohiedenen partes der ars, der Das Thema des dritten Dialoges sind die vil- 
scientia pastoralis (1, 11 — ^28): 3 Hauptteile wei-^Olatiei fructus (1, 9), die mllatica pastio (1, 8). 

den festgestellt: a) de minoribus pecudibus: V. nimmt fiir sich in Anspruch, als erster dies 

1. oves, 2. capra, 3. sus; b) de'pecore maiore: Gebiet in einem gesonderten Buche zu erortern, 

1. bovesy 2. asini, 3. equi-, c) quae propter rem das wegen seiner vermeintlichen Geringfiigigkeit 
pecuariam parantur aut et ex ea sunt: 1. mulij von einigen Autoren dem Stoff der agri cidtura 

2. canes, 3. pastores. Jeder dieser 9 Telle zerfallt beigegliedert wurde. Nun, das bedeutet natiirlich 
in 9 Unterglieder, die ihrerseits unter zwei Ge- nicht den Anspruch auf eine Behandlung von bis- 
sichtspunkten angeordnet sind: I. scientia pe- her unbesprochenenFragen,sondernlediglicheinen 
eons parandi: a) aetas, §) forma, y) semen, dispositionellen Fortschritt, eine bloBe Absonde- 
5) emptio; II. scientia pecoris pascendi: a) pastio, rung eines bisher noch nie fiir sich stehenden 
^) fetura^ y) nutricatus, d) sanitas. Neuntens 30 Teiles der Landwirtschaft. So etwas ist dem Sche- 
kommt ein Glied hinzu, das utriusque partis com- matiker V. durchaus zuzutrauen, der fur das 
mune ist, der numerus (1, 24). Da man aber be- 10. Buch 1. 1. iibrigens ganz etwas Entsprechen- 
ziiglich der muli von II /? und y nicht reden kann, des durchgef iihrt zu haben behauptet, auch in 
von fetura und nutricatus, werden als letzte der einer Materie, bei der nee fundamenta, ut debuit, 
beiden 81 Punkte der Disposition die species de posita ab ullo neque ordo ac natura, ut res po- 
tonsura und de lacte et caseo eingef iihrt. Diesen stulat, explicata est (1. 1. 10, 1; dazu III 1, 8: 
Aufbau legt wieder Scrofa, cui haec aetas defert neque explicata tota separatim, quod scio, ab ullo), 
rerum rusticarum omnium palmam (1, 11), ab- Die Zeit ist deutlich angegeben. Die Aedil- 
gesehen von dem korrigierenden Nachtrag (25 — 28) comitien des J. 54, wie sich durch Kombinatian 
dar. Dann ist aber die Verteilung der Stoffgebiete 40 von III 2, 3 mit Cic. ad Att. IV 15, 5 und Scaur, 
viel mannigfacher als in I: es sprechen die Epi- 27 ergibt; der Qrt ebenso: die villa publica, in 
rotae, die groBen griechischen Herdenbesitzer, und deren Schatten man den Ausgang der Stimmen- 
jeder Teilnehmer legt in meist ganz genauem An- zahlung auf dem sonnendurohgltihten campus er- 
schluB an die Gliederung, den ich im einzelnen wartet: hier sind gleich zu Beginn der Unter- 
nicht aufzeigen mochte, ein Sondergebiet dar: At- redung(2,,l — 2) alle sieben Teilnehmer zusammen: 
ticus iiber die oves (2); Cossinius iiber die ca- V. und Q. Axius finden die iibrigen ftinf bei ihrem 
prae (3)j dann nicht zur Zahl der epirotischcn Erscheinen vor: den Augur Appius Claudius, 
Besitzer gehorig Scrofa tiber die sues (4), weiter L. Cornelius Merula, Fircellius Pavo Reatinus, 
Vaccius tiber die boves (5, 2 bis z. E.), Murrius Minucius Pica und M. Petronius Passer. V. setzt 
liiber die asini (6), Lucienus tiber die equi (7). 50 wie in I die lokale Situation der Unterredung in 
Nun haben alle ein Kapitel erledigt. Murrius, eine nahe Beziehung zum eigentlichen Gesprach 
der den ktirzesten Vortrag gehalten hat, spricht selbst. In I brachte das Vorhandensein der Land- 
zur Erganzung seiner Partie tiber die Esel von karte Italiens im Tempel der Tellus das Gebiet 
den muli (8), dann wieder Atticus von den des Dialogs erst zum Vorschein, hier ist es ga-nz 
canes (9), Cossinius von den pastores (10, 1 — 8), ahnlich und auBerord^ntlich geschiokt tiberlegt: 
dann (9 — 11) V.; er, der begonnen hatte, macht auf die Frage, die in der villa publica angekom- 
auch den SchluB tiber lac (11, 1 — 5) und tonsura men Axius an Appius richtet, findet dieser die 
(11, 6 — 12a). Dann werden die Teilnehmer wie Gelegenheit, von der villa Reatina des Axius zu 
in I durch das Erscheinen eines Boten getrennt. sprechen, und so kommt der Stein ins RoUen. 
Im Ganzen ist auch dies Buch ein zusammenhan- 60 Appius vergleieht die villa publica mit der defe 
gender Lehrvortrag; doch sind einigeUnterschiede Axius, stellt die Charakteristika beider in meh- 
der formalen Gestaltung im Vergleich zu I nicht reren Antithesen einander entgegen, ganz zuun- 
zu verkennen: daB die Haupthandlung hier durch gunsten von Axius' Besitz (2, 4), so daB er nun 
auBere Ereignisse an verschiedenen Sitellen unter- eine dritte Villa, die des Appius am Ende des 
brochen wird, sagte ich bereits. Viel wichtiger ist Campus Martins, seiner eigenen, ahnlich wie vor- 
das Fehlen von bloB dekorativen Personen, wie her Appius, entgegensteUt. Die drei Gebaude, 
in I Agrius, Agrasius, auch Fundanius: es sind von denen man bisher sprach, sind alle durchaus 
alles Fachleute, die die ihnen zugeteilten partes versehiedener Art, und Appius fiihlt sich zar 



1193 M. Terentius Varro (rer. rust.) M. Terentius Varro (rer. rust.) 1194 

Frage veranlaBt: quid sit villa, velim me doceas. weit mehr als Agrius und Agrasius in I. Sie sind 
Der Begriff ist sehr vielseitig; des Axius reatini- im wesentlichen nur wegen ihrer amlisanten Vo- 
sches Landhaus auf dem roseischen Feld ist ele^ gelnamen eingefiihrt. Nur Pica greift einmal in 
gant (perpolita, polita opere tectorio eleganter), die das Gesprach ein (7, 11), Passer ist nur am An- 
Villa des Appius ist nur ein vornehmesWohnhaus, fang genannt und Pavo ist nur (5, 18 und 17, 1) 
geschmiickt mit Kunstwerken und Gemalden, eine an der Nebenhandlung beteiligt, die in diesem 
Landwirtschaft gehort tiberhaupt nicht dazu. Die Buche ihres spannenden Inhalts wegen noch weit 
des Seius in Ostia ist weder luxuries eingeriohtet, mehr in den Dialog eingreift als im zweiten 
noch hat sie irgendwelchen Besitz an Vieh, so Buche. 5, 18 entfernt sieh, um bei derWahlaktion 
daB Axius fragt, ob das tiberhaupt eine Villa sei. 10 dabei zu sein, Pavo, 7, 1 Appius, der 12, 1 zu- 
Mit der Erwahnung der letzten in der Reihe der riickkommt; 17 erseheint Pavo und meldet, daB 
Villen ist man im Grunde schon beim Thema jetzt die Aedilen verktindet wtirden und sofort 
angelangt. Seius hat in Ostia eine Kleinviehzneht erheben sich Merula und Appins, so daB Axius 
mit Bienen, Hiihnern, Tauben, Kranichen, Pfauen, nun selbst den Vortrag liber die piscinae halten 
Wieseln, Fischen und manchem anderen und hat mnfi; an dessen SchluB erscheinen V. und sein 
daraus die praehtvoUsten Einktinfte. Schon da Kandidat; man gratuliert ihm und geleitet ihn 
wird Axius warm, der stolz au! seine GroBvieh- zum Kapitol (vgl. aueh Hirzel 561, 4). 
zucht einen solchen Gewinn aus Geflugel und Die r. r. als Lehrbuch. Das erste 
Wild nicht fiir moglich hielt, und als endlich V. Buch behandelt die verschiedenen Zweige der 
noch von den groBartigen Einnahmen aus dem 20 Bodenkultur und eine Reihe damit im Zu- 
Gefliigelhaus der Villa seiner Tante berichtet, ist sammenhang stehender grundlegender Voraus- 
Axius ganzlich auBer Fassung (15 a. E.) und er setzungen. Unter diese gehort; zunachst die fiir 
bittet Merula, der gerade bemerkt hatte, Seius eine auf Reben-, Oliven-, Feld- und Obstbau, 
werde wohl des Puniers Mago und Oassius' Buch aueh auf der Viehzucht sich aufbauende Guts- 
gelesen und deswegen solch groBe Erfolge haben, wirtschaft notige Kenntnis des Bodens. Die im 
ihn in der villatica pastio zu unterweisen. Mit 8 Gegensatz zu Cato bei der Ausfiihrung fast genau 
beginnt die Erorterung des eigentlichen Themas. eingehaltene Gliederung des Stoffes ist eine der 
Eine disciplina (2, 18. 3, 1), das ist so viel wie auffallendsten und lobenswertesten Eigenschaften 
eine ars, ist aueh dieser Teil; ebenso werden die dieser Schrift. tlber das wirtschaftlich nutzbare 
gleichen Ziele wie in I fructus und delectatio 30 Land und seine erf orderlichen Qualitaten war vor 
(3, 1), also utilitas und voluptas (14, 1) erwahnt. V. schon in griechisoher und lateinischer Sprache 
Sonst aber nichts von Vorfragen, sondern sogleich geschrieben worden. Doch ist er wohl der erste, 
der Aufbau: a) ornithones, 1. quae terra modo der von allgemeineren und weiteren z. B. klima- 
sunt contentae: pavones, turtures, turdi; 2. quae tischen und orographischen Gesiehtspunkten aus- 
^tiam aquam requirunt: anseres, querquedulae, gehend die Betraehtung auf die eigentlieh sub- 
anates;]))leporaria,l.aper,caprea,lepus;2.apes, stantielle Beschaffenheit der Kulturboden und 
cochleae j glires; c) piscinae, 1. in aqua dulci; ihren Wert nach dem Grade der Feuchtigkeit 
2. in marina. Er gibt von 3, 4 — 10 noch andere usw. auskommen laBt. Die forma loci behandelt 
Einteilungspunkte, so trennt er von 3, 6 an in er daher zuerst und unterscheidet sie nach zwei 
jedem der einzelnen Hauptteile die frugalitas an- 40 Gesiehtspunkten : a) Die forma naturalis (6, 2—7, 
tiqua von der luxuria posterior, das alles bedeutet 1), d. h, der Unterschiod nach der Hohenlage 
im folgenden wenig. 4, 2 — 5 z. E. iiber die orni- (genus campestre, collinum, montanum 6, 2), aus 
thones, 5, 1 — 8 die des Nutzens, 5, 8 — 17 die denen klimatisehe Versehiedenheiten folgen (in- 
des Vergniigens wegen eingerichteten; a) 1. 6 Rma calidiora quam summa, collina tepidiora 
pavones, 7 columhae, 8 turtures, 9 gallinae (vil- quam infima aut summa 6, 2), die zu zeitlich und 
laticae 2 — 16, rusticae 16 — 17, Africanae 18 — 21); sachlich voneinander abweichenden Kulturen fiih- 
2. 10 anseres, 11, 1 — 3 anates, 11, 4 querquedulae. ren (6, 3 bzw. 6, 5; zu dem Zusatz in 7, 1 vgl. 
b) 12 lepores, 18 apri, caprae werden ubergangen, Cato I 3). Die klimatischen VerschiedenJieiten der 
14 cochleae, 15 glires, 16 apes, c) 17,. 2—9 unge- Hohenstufen sii^d aueh in der Weide wirtschaft 
trennt liber SiiB- und Salzwasserfischzucht. Die 50 von Bedeutung (6, 5). b) Die forma sationibus 
verschiedenen Stiicke sind in sieh nieht so bis imposita oder die cultura formae (7, 2 — 7, 4) da- 
ins einzelne wie in II aufgeteilt, wo jeder einem gegen hangt vom Wirtschaftenden selbst ab, denn 
Tier gewidmete Abschnitt in nenn Punkte zer- die richtige Verteilung der Pflanzen erlaubt nicht 
fallt, aber aueh hier kehrt entsprechendes wieder: nur eine bessere Ausnutzung des Raumes, sie ist 
a&taSy forma^ pastio, fetura, emptio. Wie in I aueh von Vorteil fiir das Gedeihen wie fiir den 
treten zwei Unterredner in den Vordergrund., Ertrag. Das genus terrae (7, 5 — 9) wird nach 
Die erste Stelle nimmt Merula ein, der von 3 bis mehreren Seiten charakterisiert, da die einzelnen 
zum Ende von 11 abgesehen von einer groBen Pflanzen verschiedene Ansprtiche an den Boden 
Unterbrechung in 5, wo V. die Einrichtung seines steUen. Erwahnt werden in diesem Sinne die 
Vogelhauses erklart, und ganz kurzen Bemerkun- 60 Reben, das Getreide und Baumarten inner- und 
gen einen kontimiierlichen Vortrag halt; 12 — 16, auBerhalb Italiens (vgl. Theophr. h. pi. I 9, 5. 
9 lost ihn Appius ab, er selbst fiihrt den Teil zu 3, 5; c pi. 11, 6; h. pi. I 4, 1—3. IV 6, 2). 
Ende ( — 16 E.). Ein kurzes Sttick bleibt endlich Mehr von Rentabilitatsriicksichten geleitet 
noch dem Axius (17, 2—^9). An ihn wen den sich (vgl. Cato 1, 7) ist die 7, 9 bis E. angefiihrte 
die Vortragenden haufig, und innerhalb der Rede Pflege und Verteilnng der Kulturen iiber die 
weist er oft auf die beginnenden Absehnitte hin, Bodenarten. V. bertihrte damit ein hochaktuelles 
wie Agrius in I ist er ja der, der belehrt sein Thema, das aber schon vor ihm Gegenstand 
wiU. Die iibrigen drei verschwinden fast ganz, der Behandlung gewesen war. Denn die wirt- 



1195 M. Terentius Varro (rer. rust.) M. Terentius Varro (rer. rust.) 1196 

schaf tliche Entwicklung Italiens hatte den Ge- Raume fur Wein und 01, luf tige f iir die Trocken- 

treidebau gegeniiber friiheren Zeiten zuriick- friichte wie Bohne und Heu, die Zelle des vilicus 

treten lassen zugunsten von edleren und ein- nahe der Tur, geraumige Schuppen (tecta) zur 

traglicheren Anbauprodukten und Betriebssy- Qnterbringung von Wagen usw. (c. 13) genannt 

stemen, und 7, 10 kommt die Meinung zum warden, hat mit dem modus agri (c, 15) und dem 

Ausdruck, daB diese seit Catos Zeiten noeh weiter quantus von c. 6, 1 nichts mehr gemein. 

gegangen ist (vgl. auch 2, 6). Dieser Auffa&siing Den Abschnitt uber die saepimenta, dessen 

soU anch der eingangs c. 8 von Scrofa im Sinne Quellen man noch nicht nachgegangen ist, ver- 

anderer vorgetragene Gedanke dienen, der Wdn- dankt V. wohl mittel- oder unmittdbar der gro- 
l3au werfe keine Rente mehr ab, auf den 8, 1 — 8, 6 10 matischen Literatur, denn die Beriihrungspunkte 

die genera vineae folgen, da die Rebstutzen einen (vgl.. 114. 111. 112. 113. 102. 103. 89. 107—109 

wesentlichen Kostenpunkt ausmachen sollen, der Thnl.) simd offensiehtlich. Von einigen Umstanden, 

sich aber verringern laBt. Die Ansichten wechseln, die die Umgegend eines Gutes betreffen, hangt 

einer klaren Stellungnahme entzieht sich V. So nach V. die Rentabilitat einer Wirtsehaft, die 

wird auch der Begriff des landwirtschaftlich nutz- neben der voluntas immer wieder betont wird, 

baren Bodens in umstandlicher Weise entwickelt, wesentlich ab: 1. ein Gntshof muB unge«st6rt 

und drei Arten Land simd (9, 1) unterschieden: bleiben von den tJberf alien der Rauber (16, 1); 

1. Land im weiteren Sinne (orhis terrae, terra 2. die Moglichkeit zum lohnenden Absatz eigener 

Italia 9, 1) mit einer Reihe von Grundelementen und der billigen Beschaffung notwendiger fremder 
(lapis, marmor^rudus, harena ... 9, 2); 2. Land 20 Erzeugnisse in der Nahe haben (16, 1. 16, 2 

im speziellen Sinne, worunter V. die bis zur Un- bis 16, 3; zu 16, 4. 5 vgl. Gummerus 68f.); 

kenntiichkeit gemischten und humusvermengten 3. der Gewlnn aus einer Gutswirtschaft wird er- 

Gesteinszersetzungen versteht, fiir ihn terra pura hoht durch gute Wege fiir den Warentransport 

(9, 3). Ist ein isolcher Boden mit den schon ge- (viae flumina 16, 1. 6); 4. die Anbauverhaltnisse 

nannten Grundelementen tso durchsetzt, daB man in der engeren Nachbarschaft spielen eine Rolle 

von der cretosa (9, 3), argillosa (9, 2) usw. terra (16, 1; zu 16, 6 vgl. Theophr. h. pi. IV 16, 6). 

spricht, so liegt das tertium genus vor. Der Fehler In einer scherzhaften Form teilt V. das Guts- 

V.s ist leicht zn ersehen, denn seine 2. und 3. Bo- inventar in das genus vocale (Menschen), genus 

denart sind nach ihrer Entstehung dieselben und semivocale (Tiere) und mutum (Gerate), aber hin- 
unterscheiden sich nur nach dem Mengenverhalt- 30 sichtlich der Zahl der in einer Wirtsehaft zur 

nis. Nun konnen a) das admixtum weniger oder Verwendung kommenden Arbeitskrafte zeigt sich 

starker vertreten sein (9, 3); b) die einzelnen deutlich die Abhangigkeit von den Quellen. Zwar 

Arten der terra mixta einen verschiedenen Grad polemisiert er gegen Catos Aufstellung (c. 10, 1. 

von Feuchtigkeit aufweisen (9, 4 vgl. Cato 34, 2); 11, 1 mit einer Anderung V.s in 18, 1) und be- 

den methodischen Weg der ganzen Auseinanderset- mangelt Sasernas Berechnung (18, 2), die ihm 

zung diirfteV.selbstgefunden haben. Denn sie liegt aUerdings mehr zusagt, aber seine eigenen Vor- 

ganz auf der Linie dessen, was er auch sonst nach schlage sind ganz allgemeiner Natur. Dasselbe 

dieser Seite in der r. r. bietet; sachlich aber wird gilt von den Ausfiihrungen iiber das instrument 

er, wie so oft, Anleihen bei seinen Vorgangern turn semivocale und bis zu einem gewissen Grade 
gemacht haben. Die Frage nach dem modus fundi, 40 auch vom instrumentum mutum. Der Gesichts- 

auf den Cato, abgesehen von der Gelegenheit, wo punkt, der schon in Catos Betrachtungen lag, von 

es sich um die Berechnung des Gutsinventars moglichst groBen Einnahmen und geringen Aus- 

handelt, nur gelegentlich hingewiesen hatte, be- gaben steht auoh hier im Vordergrund. 

handelt auch V. mehr nach allgemeinen Gesichts- Die Anweisungen, die V. in apodiktischer 

punkten und zeigt damit, daB ihm die tlbersicht Kurze fiir die wesentlichen Betriebszweige, Wie- 

tiber die italischen Verhaltnisse in Wirklichkeit sen-, Feld-, Wein- und Olbau wie Weidicht und 

abgeht. Bezeichnend ist, daB er die fiir die Zeit- Rohricht und ihre Standorte gibt, fuBen offenbar 

lage betriebs- und volkswirtschaftlich wichtige auf zwei sich deutlich abhebenden Quellen: Cato, 

Frage mit der belanglosen Bespreehung der Fla- der eigens erwahnt wird, und auf einem unge- 
chenmaBe einleitet (c. 10) und darauf hinweist, 50 nannten Gewahrsmann (zu 23, 3 vgl. Theophr. 

daB in der Landwirtschaft neben den offiziellen h. pi. VIII 9, 1; zu 23, 7 Cato 6, 1; zu 24, 1 — 4 

auch SondermaBeinheiten bestanden (10, 1; vgl. Cato, 6, 2 — 4; zur silva caedua Dig. L 16, 30. XVIII 

Frontin. Agrimens. I 1, 13 Thulin-, zu den sub- 1, 40), so daB es zu einigen Wiederholungen 

siciva (10, 2) Rudorff Gromat. Institutionen kommt. Auf ganz eigene Weise verteilt V. die 

390ff.). So wiinscht V. denn ein harmonisches Ver- landwirtsohaftlichen Arbeiten tiber das Jahr, in- 

haltnis zwischen der Ausdehnung des zu bewirt- dem er einmal auf die 4 Jahreszeiten und die in 

ischaftenden Areals und der Villa mit ihren Wirt- diese fallenden Hauptarbeiten hinweist, die Ta- 

schaftsgebauden (11, 1; vgl. Cato 3, 1), ebenso tigkeit des Bauern liber acht Abschnitte des 

hinsichtlich der einzelnen Gebaudeteile, wenn be- Jahres verfolgt und neben das genus annate ein 
stimmte Kulturen stark betrieben werden (11, 2). QO genus menstruum setzt (c. 37, 1 — 4), das sich aber 

Wie groB V. sich ein Normalgut denkt, sagi; er darauf beschrankt, Vorschriften fiir die Beach- 

nicht. Daran reiht er die Gedanken uber die gute tung der Mondphasen zu geben. Auf der anderen 

Lage eines Gutshofes (11, 2 M. bis 12 E.) und Seite stehen wieder 6 gradus, in denen die Ar- 

seine Einriohtung mit den zugehorigen Gebauden beiten im Zusammenhang mit dem Werdegang 

(c. 13; vgl. 15, 4). Die bunte Reihenfolge von Ge- der Friichte behandelt werden. Nur einem Stuben- 

danken zur Lage und Anlage des Gutshofes und gelehrten wie V., konnte der wunderliche Einfall 

einzelner Telle, wo V. iiber italische Verhaltnisse kommen, aus Vorliebe zur Stofigliederung, or- 

hinausgreift und sich die stabula bubilia, klihle ganisch Zusammengehoriges auseinanderfaUen zu 



1197 M. Terentius Varro (rer. rust.) M. Terentius Varro (rer. rust.) 1198 

lassen, wie das genus annate und die gradus. tJhei zur Seite stellte (1, 8. 9). Das hatte seine Berech- 

die Leere einzelner Punkte dieser kiinstlichen Glie- tigung. Aus unscheinbaren Anf angen der fruheren 

derung (vgl. den Abschnitt Tiber die nutricationes, Zeit, in der man nnr Hiihner, Tauben, durch die 

den gradus promendi) hilft sich V. mit einigen Jagd eingebrachte Hasen und wenige Steefische 

nutzlosen Auseinandersetznngen hinweg. S'ogar in auf den Villen kannte, hatte sich dieser Wirt- 

Widerspriiche zu iseinen eigenen Worten gerat er, schaftszweig stark entwiokelt, so daB man nicht 

z. B. bei der Begriffserklarung von seges (vgl. I nur bei Feld-, Wein- und Olbau oder Viehzucht, 

29, 1 und 69, 1), oder in Ungereimtheiten wie in sondern auch im Falle, dafi bei einer Villa nur 

1 28. Dem Stoffe .seines ersten Buches war V. nicht ein solcher Betrieb gefiihrt wurde, mit Recht 
ganz gewaehsen, und wenn er ri<?htige und branch- 10 von einer villa rustica sprechen konnte (vgl. 

bare Ansichten vortragt und sachlich manchmal 2, 1 — 10). Die Triebfeder zu diesem Aufschwung 

iiber Cato hinauskommt, so ist das weniger sein lag in den Festen mit ihrem unerhorten Tafel- 

eigenes Verdienst, sondern er verdankt das seinen luxus, so daB lebhafte Nachfrage nach gut be- 

guten Quellen. Eine Reihe von Fragen wird in zahlten Leckerbissen bestand. In dem Umfange, 

einer spater erscheinenden agrargeographischen wie V. die pastio villatica hier beschreibt, wer- 

8tu'die liber das Italien der frtihen Kaiserzeit zur den die noch jungen Tiergarten groBen Stiles 

Behandlung kommen. (12, 1. Plin. n. h. VIII 211) wohl kaum weit ver- 

Buch II, Befriedigender sind die FeststeUun- breitet gewesen sein (vgl. 9, 2. Col. VTII 2, 4). 

gen, die im zweiten Buch zu machen sind. Aus Denn sie setzten einen kaufkraftigen Markt vor- 
dem Umstande, daB V. selbst Tierzuchtereien 20 aus, den meist nur die Stadt bot. Diese Art Vieh- 

unterhielt, mogen sich gutteils seine Kenntnisse zucht zerfiel in 3 Kategorien, zu denen Vogel- 

von der Praxis dieses Wirtschaftszweiges er- hauser (ornithones, aviaria 5, 5, ornithotrophia 

klaren. Seiner Tierphysiologie liegen allerdings wie 5, 8), Tiergarten (leporaria, vivaria) und Fisch- 

auch im dritten Buch vielfach urteilslos iibernom- teiche {piscinae 3, 1) benotigt wurden und Vogel- 

mene aristotelische Anschauungen zugrunde. Wie steller, Jager und Fischer. Wie friiher schon 

im ersten Buche der Landwirtschaft, so wird in ispielen auch bei diesem Betriebszweige fructus 

diesem der Zucht und Haltung von GroBvieh, und delectatio eine RoUe, so daB V. nicht nur mit 

der pastio agrestis oder pecuaria, ein Lob gespen- dem Zwecke seiner Schrift, sondern auch mit dem 

det, die als eine auch dem Landmanne ntitzliche Ziele der Beschaftigung mit der Landwirtschaft 
und ehrwiirdige Einrichtung angesproehen wird, 30 von Cato abgeriickt ist. Darum stehen sich zwei 

da die Menschheit ihr die Anfange der Kultur Arten von Vogelhausern gegeniiber, die er als 

mit verdankt. Diese pastio agrestis, die auf Guts- einziger, wenn auch in Einzelheiten nicht ganz 

gebiet und entlegenen Gebirgs- und Waldweiden klar, beschreibt: auf der einen Seite der ornithon 

getrieben wurde, kommt nach den 1, 12 — ^1, 28 fructus causa und daneben ornithon, qui animi 

geauBerten Gesichtspunkten zum Vortrag. So- causa instructus. Eine Kombinatiori beider hatte 

weit die einzelnen Gattungen der Nutztiere in sich als unhaltbar erwiesen (4, 3). Als Be- 

Italien von Bedeutung waren, werden sie beriick- wohner der Vogelhauser nennt V. Drosseln, Am- 

siehtigt. Wenn V. aber den Ziegen ein kurzes Ka- sein, Fettammern und Wachteln als Tafelvogel 

pitel widmet, nur weil sie die Feinde der Kultur- und als Singvogel neben der schon erwahnten 
vegetation sind (3, 7; vgl. I 2, 28), so ist er da-40 Wachtel die Nachtigall. Den Begriff der Vogel- 

mit ihrem Wert und dhrer Verbreitung in Italien zucht hatte V. erweitert, so daB die Pfaue, Tau- 

nicht gerecht geworden, denn aus ihm selbst er- ben, Hiihner usw. auch unter ihn fielen. Er unter- 

gibt sich, daB der Stand der Ziegen- wie iiber- scheidet verschiedene Taubenarten, die columba 

haupt der Viehzucht, besonders in einigen Land- agrestis oder saxatilis, die Feld- oder Steintaube, 

schaften hervorragend war. Darin stimmen die die columba domestica, die Haustaube, aus deren 

anderen Zeugnisse mit ihm iiberein. Keineswegs Kreuzung die eigentliche Nutztaube (genus mis- 

aber hat sich V., sofern er iiberhaupt dazu in der cellum) hervorgiing, daneben die turtelta^ube 

Lage war, angelegen sein lassen, nach hoheren (turtur). Die Hiihner klassifiziert V. in gallinae 

Gesichtspunkten iiber die Tiergattungen, etwa vUlaticae, die Rassengruppe des Haushuhns, ru- 
nach ihrem wirtschaftlichen Wert oder nach ihrer 50 stica (nach R i e c k e 50 das Haselhuhn), gal- 

Verbreitung in ganz Italien, zu schreiben. Er linae Africanae (nach Riecke vgl. Hehn K. 

klassifiziert sie viel mehr, wie sie in ihrer GroBe u. H.^ 366. das Perlhuhn). Ganse und Enten soUen 

zueinander gehoren, in minor es pecudes und in der Nahe von Wasser gehalten werden; neben 

maior pecus und nur gelegentlich fallt ein Wort den gewohnlichen Enten sind noch die querque- 

ilber die Stellung und Bedeutung einzelner Zweige dula, die Krick- oder vielleicht die Knackente, und 

der italischen Tierzucht. Da es eine Anschau- die phalaris, das Wasserhuhn erwahnt. Auch als 

ung gab, nach der der Mensch zuerst das Schaf InsaBen der Tiergarten fiihrt V. eine groBe Zahl 

zahmte, so war es fiir V. ein trefflicher Gedanke, an, wie die Hasen, Hirsche, Rehe, wilde Schafe, 

mit ihm das eigentliche Thema beginnen zu las- die durch hohe Mauern gegen Raubwild geschtitzt 
sen, wo er pedantisch den einzelnen Punkten der 60 waren. Sogar von Schnecken und Bienenzucht und 

Gliederung, aetas, forma, semen usw. (vgl. oben der Haltung von Siebenschlafern (glires) ist die 

iiber den Aufbau der r. r.) folgt, so daB dieses Rede. Von der Fischzucht, die in SuBwasser 

Schema sogar auf die Hirten (c. 10) Anwendung (apud plebem) und an der Kiiste {maritimae pis- 

findet, und er dort von fetura und nutricatus cinae nobilium) betrieben wurde, sagt V. (17, 3) 

spricht. witzig: quae nostra piscina ac mediterranea pie- 

Buch III. Etwas ganz neues hat V. mit die- beta recte dicitur dulcis et ilia amara. 

sem Buche geleistet, indem er der GroB viehzucht Literatur (s. Bd. I S. 283. XII S. 676). 

die pastio villatica, die Kleintierzucht, selbstandig Abgesehen von dem immer noch brauchbaren 



1199 M. Terentius Varro (rer. rust.) M. Terentius Varro (rer. rust.) 1200 

Kommentar J. G. Schneiders zu den Script. heranzieht und gewifi auoh hier von Scrofa ab- 
rei rust, gibt es wenige Abhandlungen, die sich hangig tadelt, ja ironisiert. Ob C. Licinius Stolo, 
speziell mit Varros r. r. befassen. A. R i e c k e M. neben Scrofa der Hauptunterredner von I, selbst 
Ter. Varro, der rom. Landwirt, Stuttgart 1861 ein landwirtschaftliches Werk verfafit hat, wle 
faBt den Sachinhalt der r. r. kurz zusammen, fiir Reitzenstein (nach I 2, 67 und Colum. I 
das zwoit^ und dritte Buch dem Aufbau desWer- prol. 32) und mit ihm Hemp el (19) annehmen, 
kes folgend.. Durch die Vernachlassigung der Quel- ist nicht bestimmt zu sagen. Viel sicherer laBt 
lenfrage iiberschatzt er die varronische Leistung. sich uber Cn. Tremelius Scrofa urteilen, dem V. 
H. G u m m e r u s Der romische Gutsbetrieb, Klio offensichtlich viel verdankt (Reitzenstein 12ff. 
Beih. V (1906) 50ff., der V.s Werk auf seine hi- 10 Hempell9ff.).Er ist einZeitgenosseV.Si,dochlaBt 
storis<;h-volkswirtschaftliche Bedeutung hin unter- -sich nicht die Abfassungszeit seines Werkes, das 
suchte, ist mit Ausnahme des Kapitels iiber V.s auch Columella kennt, genau angeben. Sehr wahr- 
Vorlagen zu glticklichen Ergebnissen gekanamen scheinlich ist jedenfalls, da6 es nach 59 erschien, 
und hat tiberzeugend naehgewiesen, daB die r. r. dem Jahr, in welchem V. das Gesprach in I an- 
in den genannten Punkten nur mit Vorsicht als setzt, da -dort noch nicht auf eine literarische Lei- 
zeitgenossisches Zeugnis gewertet werden konnen. stung Scrofas hingewiesen wird (so Heinz e 434. 
A. Dickson The husbandry of the ancients, H e m p e 1 20). V. hat sich ihm in I sachlich und 
Edinburgh 1788, der nur den Feldbau behandelt, in der Beurteilung Catos und der Sasernae sehr 
trug schon vor Schneider viel zum sachlichen nah angeschlossen; Scrofa wird auch als einziger 
Verstandnis V.s bei; nur seine Schltisse sind zu 20 von alien Mitunterrednem V.s in mehr als einem 
weitgehend. Mit der Erklarung der Landwirt- Buche eingefiihrt: wie in I gibt er in H (1, llff.) 
schaftsschriftsteller, also auch V.s, zum Verstand- die Gliederung des folgenden Gesprachs und so 
nisse der Agrarverhaltnisse Ite,liens bis in Teil- kam Reitzenstein (15f.) dazu, seinem Buch 
fragen beschaftigen sich auch spatere Arbeiten: die Behandlung von Landwirtschaft und Vieh- 
wie Forch hammer Landwirtschaf tl. Mitteil. zucht zuzuweisen. Allerdings spielt er in II nicht 
aus dem klass. Altert., Kiel 1856. H. Knapp mehr eine so bodeutende RoUe wie in I, wo ei 
Zur Landwirtschaft der Alten, namentlich der die Fuhrung der Unterhaltung fast vollig be- 
Romer, Ztschr. fiir deutsche Landwirte 1863. herrscht. In II gibt er am Anfang (2, 11 — 24) 
Beheim-Schwarzbach Beitrag zur Kennt- den Aufbau des folgenden Gespraehes, dann tre- 
nis des Ackerbaus der Romer, Cassel 1866. F. 30 ten die anderen Teilnehmer aber ganz gleichbe- 
Staudacher Antike und moderne Landwirt- rechtigt neben ihn; aus dem Bereich der Vieh- 
schaft, Wien 1898. Sorlin-Dorigny Da- wirtschaft spricht er lediglich noch iiber die 
remb.-Sagl. IV 916ff. H. Bliimner Die rom. Schweinezueht (4, 3 — 22). Die Vermutung Hem- 
Privataltertiimer, Mtinchen 1911, 533ff. R. Bil- pels (21), die sich besonders auf 4, 2 — 3 und 
liard L'agriculture dans Tantiquit^ d'apres les 1, 2: nemo enim potest omnia scire grtindet, 
G^orgiques de Virgile, Paris 1928. (Den Teil iiber Scrofa habe aus dem Stoffbereich von II nur uber 
die r. r. als Lehrbueh verdanke ich Herrn cand. die Schweine geschrieben, ist daher sehr anspre- 
phil. P. S c h m i t z, Koln.) chend. Eine Beriicksichtigung lateinischer land- 
Quell en. Ungleich wichtiger als das, was V. wirtschaftlicher Autoren Hegt nun nur in den 
auf Grund eigener Erfahrung Neues geben kann, 40 ersten beiden Btichem vor und ist da auch nicht 
sind fur ihn seine Quellen gewesen. Er nennt eine beherrschend, sondern tritt lediglich zu den grie- 
ganze Reihe lateinischer Vorganger in der Be- chischen Quellen hinzu, in I noch iiber groBere 
handlung der Landwirtschaft. Catos Werk de agri Strecken, in II viel weniger, in III kaum. V. nennt 
cultura hat er naturlich gelesen und in I ist es eine ganze Reihe griechischer Schriftsteller inner- 
stark benutzt. Doch Cato war ein kundiger Land- halb seiner Darstdlung, vor allem Aristoteles und 
wirt, der seine praeeepta aus vollkommener Kennt- Theophrastus. Er nennt weiter an recht hervor- 
nis heraus dem Lernenden vermittelt. V. ist hin- ragenden Stellen in alien drei Bizchern (I 1, 10. 
gegen auf seine Vorganger so gut wie ganz ange- 9, 7. 17, 3. 38, 1. 2. II 1, 27. 5, 18. Ill 2, 13) das 
wiesen: Cato zitiert er sehr oft ihm bis aufs landwirtschaf tliche Werk des Puniers Mago bzw. 
Wort folgend, manchmal laBt er weniger Belang- 50 seine Bearbeitung durch Cassius Dionysius und 
loses weg, manchmal fiigt er etwas hinzu, es dessen nochmalige Zusammenfassung durch Dio- 
deutlioh von Catos Worten abhebend. Auch eine phanes von Bithynien (vgl. I 1, 10). DaB Magos 
meist anerkennende Kritik wird beigefiigt. Hem- Schrift in beiden oder der einen der griechischen 
pel (18) hat sehr schon darauf hingewiesen, daB tTbersetzungen von groBer Bedeutung fiir V. ge- 
V. selbst iiber die Sache, die er von Cato tiber- wesen ist, wird allgemein anerkannt. Es erhebt 
nimmt, kein eigenes Urteil hat: nur in I vermag sich nur die Frage, ob V. Aristoteles, Theophrast, 
er etwas uber die Ansichten seiner Autoren aus- Archelaus nur durch Cassius oder Diophanes 
zu^^en, und da stiitzt er sich auf Tremelius kennt oder ob er sie selbst gelesen hat und auf 
Scrofe, dem er die Beurteilung dann auch in Grund eigener Arbeit sie in seinem Buche an^ 
jedom Fall in den Mund legt. Da dessen Werk 60 fiihrte und behandelte. Vertritt man die erste 
aber nur die Agrikultur und vermutlich nur einen Auffassung, iSO tritt die griechische Quelle ganz 
geringen Teil der Viehzucht umfaBte, fehlt etwas stark in den Vordergrund, folgt man der zweiten, 
derartiges in den spateren Biichern. tJber die dann erkennt man V. einen groBen Grad von 
Schrift de agri cultura von Vater und iSohn Sa- Selbstandigkeit zu. Das hat man friiher ausschlieB- 
sema, Catos Nachf olgem, hat Reitzenstein lich getan (so S c h n e i d e r - K e i 1), bis He i nz e 
(3ff.) ausfiihrlich gelmndelt (vgl. auch H e m p e 1 einer kurzen Bemerkung Biichelers (Rh. Mus. 
18f.). Auch Plinius kennt sie und Columella; er XXXIX 291f.) folgend festzustellen , suchte, daB 
schatzt sie sehr im Gegensatz zu V., der sie in I V. aufs engste an Cassius oder Diophanes an- 



1201 M. Terentius Varro (rer. rust*) M* Terentius Varro (Gramm.) 1202 

kniipfte und durch sie die anderen Griechen Zuriickgehen Columellas auf die grieehische 'Dber- 

kennenlemte, da ja Cassius (I 1, 10) in seine tragung Magos weithin zugibt, nehmen an, V* 

Version des Puniers Mago de graecis libris eorum habe ihnen als Hauptquelle vorgelegen, schon 

quos dixi adiecit non pauea. Das hat dann Hem- recht merkwiirdig bei dem geringen tlmfang 

pel mit Sorgfalt und Scharf sinn naher aus- seines, bei der groBen Lange der beiden anderen 

zufiihren gesucht und zum SchluB (62) noch Werke. Bereits Heinz e hat ganz richtiggesehen, 

darauf hingewiesen, dafi V. wohl Diophanes, daB Columella und die Geoponica auf die gleiche 

den Epitomator des Cassiiis, und nicht diesen grieehische Quelle wie V., namlich Cassius oder 

selbst in den Handen hatte, woraus sich dann Diophanes zuriiokzuflihren sind und in eingehen- 
mannigfache MiBverstandnisse erklarten, die sonst 10 der Beweisfiihrung hat Hemp el (64!f.) das fur die 

schwer begreiflich waren. Dieser Beweis Heinzes* Geoponica von neuem dargelegt; fiir Columella 

ist nicht unwidersprochen geblieben. Gegen recht scharf sinnig Weiss (2ff . ; vgl. auch H e m- 

Gentilli hat sich bereits Hempel gewandt; pel 64ff„ bes. 84), Weiss hat weiterhin ge- 

Waehler in einer wenig f ordernden Disser- schieden zwisehen den Partien, die V. wie Colu- 

tation 63fE. nimmt wiederum an, V. arbeite mella der griechischen Quelle danken und dem im 

Yiel selbstandiger und habe, wenn auch nicht Vergleich verschwindend wenigen typisch Romi- 

eigens zur Abfassung der r. r., ,so doch friiher schen, das nur aus V. stammen kann, und hat so- 

Aristoteles und Theophrast gelesen und nun aus dann fiir beJde Stoffteile zu zeigen gesucht, daB 

eigenem Urteil deren Werke zu Rate gezogen. Columella Cassius bzw. Diophanes und auch das 
Zwar muB auch W a e h 1 e r zugeben (76), daB 20 typisch Varronische nur durch Celsus kennt, der 

V. oft Theophrast durch die Magobearbeitung ja erwiesenermaBen Columellas Hauptquelle ist 

gekannt haben wird, an andem Stellen jedooh (vgl. Reitzenstein 35ff.), durch einen Ver- 

auf Grund eigener Lektiire: das ist recht un- gleich Columellas mit Plinius (tiber Plinius Be- 

wahrscheinlieh und durch die Zusammenstellung nutzung des Celsus Reitzenstein 35ff.), die 

ahnlicher Partien bei Aristoteles, Theophrast und sich beide aufs engste berlihren und Zusatze und 

V. ist fiir direkte Benutzung gar nichts erwieseUi Modifikationen V.s enthalten, die nur durch eine 

Die These Heinzes, durch Hempel ausgefiihrt, die Mittelquelle erklarbar sind. Das mag im ein- 

schon an sich fiir einen Schriftsteller wie V., der zelnen unsicher sein; sicher hingegen ist und das 

nicht Fachmann auf dem Gebiet ist, viel wahr- ist allein wichtig, daB weder Columella noch auch 
scheinlicher ist, ist zur Evidenz gebracht dadurch, 30 die Geoponica auf V,, sondern direkt auf die grie- 

daB V. Aristoteles und Theophrast miBversteht, chische landwirtschaftliehe Schrift zuruckgehen. 

ja ihnen zuweilen Dinge zuschreibt, die bei ihnen tTber eine zuerst von B e r g k (Rh. Mus. I 

selbst nicht stehen (H e i n z e; ausfiihrlich Hem- 368), dann auch von R i t s c h 1 (op. HI 473) fiir 

pel 23ff.). V. f alschlich angenommene Schrift ephemeris ru- 

Nachwirkung. Eng mit der Beurteilung der stica vel agrestis vgl. Reitzenstein 44ff. 

Quellen V.s hangt dm nach der Benutzung V.s zu- 2. Die grammatischen Schriften. 

sammen. Die Wirkung der r. r. verglichen mit a) De lingua Latin a. tJberlieferung, Aus- 

der anderer varronischer Biicher ist nicht so weit- gaben, Literatur. Die erhaltenen 6 (V — X) der ur- 

g«hend; V. war eben kein Fachmann des Land- spriinglich 25 Biicher de 1. 1. sind in einer ein- 
baus. Einzelne Zitate bei Verrius Flaceus, Gellius, 40 zigen Hs. iiberliefert, dem Laurent. F, im 11. Jhdt. 

Nonius (oft I), Grammatikern und Vergilseho- im Kloster Monte Cassino gesehri^ben, auf der, 

liasten fiihrtKeil im Apparat der ed. maior an. wie H. Keil vermutete, wie Lachmann zu- 

Auch Isid. et. XVHI 1, 1 zahlt ihn unter den la- erst erkannte, alle andern durchweg wenig wert- 

teinischen Script, r. r. auf. Als Vergil in den voUen Abschriften unmittelbar oder mittelbar 

Jahren unmittelbar nach Herausgabe von V.s beruhen. Einer solchen liegt die ed. pr. zugrunde, 

Buch an den Georgica arbeitete, hat er V. zu Rate die 1471 PomponiusLaetus veranstaltete. 

gezogen; Jahn in einer Reihe von Aufsatzen An sie hielten sich bis zur Bipontina 1788 alle 

(Rh. Mus. LVin. LX. Herm. XXXVIII. Philol. weiteren Ausgaben, die heute voUig wertlos sind 

LXIII) hat sogar voreilig gemeint, V. sei seine bis auf eine Reihe trefflicher Adnotationes, be- 
einzige Quelle gewesen. Auf der anderen Seite hat 50 senders von Scioppius, Turnebus und 

aber E n g e 1 k e, der jegliche Beziehung zu V. S c a 1 i g e r. F wurde zuerst 1521 von den beiden 

leugnet, weit iibers Ziel hinausgesehossen (vgl. Humanisten P. Victorius und J. D i a c e - 

das zu harte Urteil Wissowas Horm. UI 95, 2. tins verglichen, die ihre KoUationen in ihrem 

Kroll Studien 195). An einer Aujswahl von Bei- Exemplar der ed. pr. eintrugen. Dieses Exemplar 

spielen hat B u r c k (2ff .) recht gut gezeigt, wie befindet sich auf der Mtinchener Bibliothek und 

weit Vergn von V. abhangig ist, wie weit beide dort fiel es L. S p e n g e 1 in die Hande, der 

auf die gleiche Quelle zuruckgehen, namlich Dio- gleich den groBen Wert der KoUationen erkannte 

phanes; im Einzelfalle die Quelle Vergils festzu- und nur auf Grund dieser, nicht des Laurentianus 

stellen, ist oft recht schwierig. Sehr deutlich ist selbst, 1826 seine erste Ausgabe herstellte. Diese 
sein AnschluB an V. besonders im Prooemium 60 Edition benutzte einige Jahre darauf K. 0. M u 1- 

(vgL Wissowa 92ff.), wo er V.s barocken lerzu seiner eigenen von 1833, die wichtig ist 

Einfall der Anrufung der 12 di Gonsentes in ein durch eine groBe Zahl gliicklicher Emendationen 

f eierlich ernstes Gebet umgeformt hat. tJber und vor allem durch den einzigen bisherigen Ver- 

das Verhaltnis Columellas und der Geoponica zu such eines knappen laufenden Kommentars, im 

V. ist mit der Entscheidung der Quellen V.s das ganzen aber recht fliichtig gearbeitet ist: in dem 

Urteil eigentlich schon gesprochen. Auch hier einen Jahre sei seine editio ,emendata et annotataS 

stehen sich zwei Anschauungen gegentiber. Gen- schreibt Miiller selbstbewuBt aufs Titelblatt. Dann 

tilli und Waehl'er (8ff.), obwohl dieser ein verglich H. Keil den Laurentianus aufs sorg- 



1203 M. Terentius Varro (ling, lat.) M. Terentius Varro (ling, lat.) 1204 

faltigiSte, stellte seine KoUationen L. Spengel keit sammelst, daB du Dinge betrachtest uad 

zur Verfiigung und auf diese und eine zweite Kol- behandelst, die niitzen und erfreuen und alien 

lation gestiitzt, von A. G r o t h in den Diss. Ar- Taten und Vergniigungen jener andern vorzu- 

gentor. IV (18^0): De Varr. de 1. 1. lb. cod. Floren- ziehen sind. Dafi trotz dieser eifrigen Studien V. 

tino, bereitete Spengel eine zweite Ausgabe nichts zum AbschluB bringt und publiziert, wun- 

vor, die kurz nach seinem Tode sein Sohn An- dert Cicero: silent enim diutius Musae Varronis 

dreas 1885 herausbraehte. 1906 hat F. Schoell qiiam solebant nee tamen istum cessare sed celare 

die Hs. erneut vergliehen und zusammen mit G. quae seribat existimo, laBt er Attikus im Prooe- 

Goetz 1910 das Werk ediert. Diese Ausgabe mium der Acad. Post, sagen und Cicero selbst hat 
wild jetzt allgemein verwandt, bedeutet aber der 10 von seinem Freund Libo gehort, V. unterbr^che 

zweiten Sipengels gegeniiber nur insoweit einen seine Studien nicht, sondem sei mit groBtem 

Fortschritt, als die Testimonia, wenn auch durch- FieiB am Werk. Nach Juli 45 erfahren wir nichts 

aus nicht voUstandig, auBer dem Apparat beige- mehr liber den weiteren Fortschritt oder gar die 

fiigt sind. Die Kritik selbst ist schwach und VoUendung und erfolgte Dedikation des Werkes. 

Spengel und Miiller gegeniiber in einem iibertrie- K. 0. M ti 1 1 e r in der Praef . seiner Ausgabe 

ben en Konservativismus geradezu riickschrittlich. (Illff.) und nach ihm Lachmann (XI. Sehr. 

AUgemeine Literatur. Die Schrift de 1. 1. ist 164f.) suchten an einer Reihe teils sachlicher teils 

lange Zeit stark vernachlassigt worden. Kurz sprachlicher AnstoBe den Nachweis zu fiihren, 

iiber sie A. Wilmanns De M. T. Varr. lb. daB V, das Werk nie ediert hatte, sondern daB es 
gramm. Berl. 1864, Iff. In einem groBeren Zu- 20 erst nach seinem Tode veroHentlicht wurde, ohne 

sammenhang behandelt wurde sie in dem in alien vom Autor die endgiiltige Gestalt empfangen zu 

Stticken tiberholten, seinerzeit sehr verdienst- haben. Diese Annahme ist aber gleioh und mit 

reichen Werk von H. Steinthal Gesch. d. den besten Grunden von L. Spengel tTber die 

Sprachw.2 1890 Bd. 2, dann von Reitzenstein Kritik der varron. Bucher, Miinchen 1854, 15ff. 

M. T. Varro und Joh. Maurop. v. Euchaita Lpz. und von Wilmanns 37ff. abgewiesen worden. 

1901, zum erstenmal a^uf Komposition und Quel- Fiir die Annahme einer postumen Edition besteht 

len bin analysiert, mit nicht gerade groBem Gliick; iiberhaupt keine Veranlassung, vielmehr sind die 

rec. von Rohrscheidt GGA 1908, 791ff. G. Biicher del. 1. gewiB noch zu Lebzeiten Ciceros, 

G e t z Zur Wiirdigung der gramm. Schriften der als lebend angeredet wird, spatestens also 
Varros, S.-Ber. Sachs. Ges. 1908. H. J. MetteSOEnde 43 erschienen. Ein Wort verdient noch die 

De Cratete Mallota s. Pergameno, Berl. 1931 ana- Frage der Dedikation. Die Biicher II — IV hat V. 

lysierte die Biicher VIII — X erneut mit geringem (vgl. V 1. VII 109) seinem Quaestor Septumius 

Erfolg. H. Dahlmann Varro und die helleni- gewidmet, einem Manne, der sonst weiter nicht 

stische Sprachtheorie, Problem. 5, Berl. 1932. bekannt ist (s. Art. Septumius Nr. 11). Mit 

Entstehungsgeschichte des Werkes, Widmung. Buch V beginnen die Cicero gewidmeten Biicher: 

Die Geschichte der Entstehung von 1. 1. lafit im Text wird er namentlich nun aUerdings nicht 

sich eine ganze Strecke ziemlich genau verfolgen. erwahnt (V 1. VI 97. VII 109 — ^^110), sondern nur 

Im Juni 45 schreibt Cicero an Atticus (XIII 12, 3): mit dem Personalpronomen der zweiten Person 

postea autem quam haee eoepi (pdoXoycoreQa iam angesprochen, und deshalb hat Funaioli 
Varro miki denuntiaverat magnam sane et gravem 40 (GRF 187f.) recht ansprechend vermutet, daB V. 

utQoocpcbvrjGiv. hiennium paeteriit cum ille KaXXt- im Prooemium des ersten Buches Cicero in ahn- 

mdrjg adsiduo cursu cubitum nullum processe- lich nachdriicklicher Weise apostrophiert haben 

rit; ego autem me parabam ad id quod ille mihi wird, wie Cicero ihn im Prooemium der Aca- 

misisset, ut avrc^ rep fxexQcp xal Xco'iov, si modo demica. Somit ware auch I an Cicero geriohtet, 

poiuissem. Im J. 47 hatte V. also Cicero bereits wie man es fiir die spateren Biicher von 

eine Widmung, und das kann nur die des Werkes VIII — XXV anzunehmen hat; VII 109: quare in- 

de 1. 1. gewesen sein, versprochen, doch weder stitutis sex libriSy quemadmodum rebus latina 

war bisher etwas erfolgt, wenngleich V., wie nomina essent imposita ad usum nostrum, e quis 

Cicero sagt, sonst ein homo 7toXvyQaq)cotawg sei tris seripsi P. Septumio qui mihi fuit quaestor, 
(ad Att. XIII 18), noch wuBte Cicero bis zur De- 50 tris tibi, quorum hie est tertius spricht dureh- 

dikation der Acad, post., Mitte Juli 45, zu der aus nicht gegen diese Annahme; denn es ist 

er sich nach langen Schwankungen, um V. zur nicht gesagt, daB V. Cicero iiberhaupt nur 

Beschleunigung seines eigenen Werkes zu veran- drei Biicher gewidmet hatte, sondern von 

lassen, besonders auf Anraten des Atticus ent- den sechs uber die impositio verborum. Auch 

schlossen hatte, iiberhaupt irgend etwas von dem entsprachen drei Biicher durchaus nicht einer 

Thema der Arbeit V.s, mit der er nunmehr bereits magna sane et gravis Ttgooq^covrjoig, wie sie V. 

zwei Jahre beschaftigt war, still in der Zuriick- Cicero in Aussicht gestellt hatte; endlich zitieren 

gezogenheit seiner Giiter, umgeben von einer auch die Grammatiker recht haufig die spateren 

groBen Bibliothek (ad fam. IX 4). DaB er im Biicher als V. ad Ciceronem, ja Servius, Diomedes 
Gegensatz zu Cicero auch in der erregtesten 60 und Philargyrius (frg. 4 — 6 Wilm.) sogar Stellen 

Staatslage an den literarischen Studien festgehal- aus dem dritten Buch. Das zeigt deutlich, wie 

ten hatte, hebt dieser halb voUer Achtung, halb Cicero, der den groBten Teil der Biicher empiing, 

voller Neid hervor ad fam. IX 6, 4: du warst Septumius in Vergessenheit geraten lieB. DaB V. 

weiser als ich, daB du den Biichern treu bliebst, die Biicher II — IV an Septumius schon vor 47, 

ich bewundere dich, ich habe dich ischon immer ehe er die Absicht hatte, an Cicero ein Werk zu 

fiir einen bedeutenden Mann gehalten, besonders richten, publiziert hat, mochte ich deswegen fiir 

aber jetzt, wo du fast als einziger sicher im Hafen wahrscheinlich halten, well er sonst der Einheit- 

bist und die reichen Friichte deiner Gelehrsam- liehkeit wegen das ganze Werk unter Ciceros 



1205 M. Terentius Varro (ling, lat.) M. Terentius Varro (ling, lat.) 1206 

Namen gestellt haben wiirde. Das misi (V 1 ii. VII 109 kurz an: in primo volumine est quae 

VII 109), wie Funaioli 187f. behauptet, sagt dicantur cur exviaoXoylkyj neque ars sit neque ea 

das allerdings nicht. Mittere heifit niir soviel wie: utilis sit, in seeundo quae sint^ cur et ars ea sit 

an jemanden richten, vgl. VI 97: quoniam de et utilis sit, in tertio quae forma etymologiae, 

hisce rebus tris lihros ad te mittere institui, de das ist eine Angabe, die in allem genau der Frage- 

oratione solutu duo, poetica unum, et ex soluta stellung in den erhaltenen drei Biichern iiber die 

oratione ad te misi duo . . .; denn das misi schreibt Analogie entsprieht. Dort steht die anomalistische 

er ja in dem Buch, von dem er andernfalls sagen Theorie der Deklination, die allein auf der con- 

wiirde, er habe es bereits tibersandt. V. wird II suetudo beruht, der rationalen analogistischen 
— ^IV als eine Sonderschrift de etymologia oder 10 gegeniiber, die einer ars folgt. Hier, wo es auf 

de origine verborum publiziert haben nnd dann die Frage der verborum impositio ankommt, wird 

auf den Gedanken gekommen sein, sie in den V. ahnlich gefragt haben, ob diese vermittels 

Kahmen eines umfassenden Werkes de 1. 1. einzu- einer ars vorgenommen wird oder nicht, ob die 

•ordnen, in den gestellt er sie mit den iibrigen Worter in der Sprache ihr Kecht haben nur auf 

Biichern zusammen, ohne eine Anderung vorzu- Grund der s/LiTzeiQla oder ob eine te/vrj in der 

nehmen, noeh einmal herausgab. Auferlegung der Worter die Latinitas eines 

Analyse. Buch I. tTber den Inhalt des Ein- Wortes anzeigt. In II hat V. sich also gegen die 

leitungsbuches sind viele Vermutungen geauBert Geltung der Etymologie gewandt, von einer der 

worden. Ritschl op. Ill 373 suchte in ihm anomalistischen des Buches VIII gleichartigen 
eine allgemein gehaltene ars grammatica wie im 20 Position aus, mit der sich die Behandlung auch 

.grammiatischen Buch der Disciplinen, Nachdem im einzelnen eng beriihrt haben wird: er ist ge- 

dann Wilmanns (16ff.) Augustins Buch de wiB vom allgemeinen zum Besonderen vorwarts- 

dialectica fur V. auszuwerten gesucht und den gegangen, hat die Bedenken gegen die Gultigkeit 

Inhalt auf 1. 1. I — IV zuriickgeftihrt hatte, kam dieser tsxvr}^ die er V 3 u. 6 wiederholt (6 in 

Reitzenstein (66ff.) auf den Gedanken, in Augu- superioribus libris ostendi) ausftihrlich erst aU- 

.stins Sehrift ein Exzerpt aus V.s erstem Buch zu gemein, dann an einer Reihe von Beispielen dar- 

finden; er bemtihte sich auch um einen Beweis gelegt, darauf in III gewiB einer nicht durchaus 

dieser Vermutung, indem er de dial, mit 1. 1. VIII rigorosen etymologischen Lehre folgend diese 

1 — 24 verglich und behauptete, V. habe in der Einwande unter Beriicksichtigung einer Reihe von 
Einleitung des achten Buches etwas vorher, und 30 Cautelen im engen AnschluB an II abgewiesen, 

zwar in I bereits Behandeltes rekapituliert. Nun ehe er endlich in IV Buch X entsprechend die 

hat aber zunachst VIII 1 — 24 mit de dial, so forma etymologiae systematisch in der Grund- 

gut wie gar keine Beriihrungspunkte, diese ge- haltung von III erortert haben wird. Ist dieser 

hort in die Dialektik und gibt Begriffsdefinitionen, Aufbau in groBen Ziigen klar, iso doch kaum 

das erste Stuck von VIII hingegen ist eine Ein- eine Einzelheit; 'Wilmanns' Zuweisung einos 

leitung in die Lehre von der Deklination, eine groBen Stiickes aus Aug. de dial, nach III (frg. 

rein grammatische Auseinandersetzung, die auch 2 W.) ist ganzlich unwahrscheinlich; nur drei 

nur an dieser Stelle am Platz ist, zu Beginn bezeugte Pragmente fur III, eines fiir IV sind 

der die Klisis erorternden Hexade, als Ein- vorhanden, vondenenauchnurfrg. 4W. (2 G.— S.) 
leitung also in das Gesamtgebiet der lingua La- 40 deutlich wird. Das ist ein Einwand gegen die 

tina gar nicht passen wiirde. Aber wenn man auch Geltung der Etymologie, auf den sodann die 

von der Zusammenstellung der beiden Stucke Abweisung der Etymologisten gefolgt 'sein muB; 

absehen will, ist es unmoglich, die Sehrift iiber ganz die Argumentationsart wie in IX. 

die Dialektik zur Rekonstruktion von I zu ver- Wilmanns 22ff. Dahlmann Iff.; frg. 

werten. Das haben bereits Rohrscheldt 813f. Wilm. 145ff. F u n a i o 1 i 190, 6ff., G.-S., S. 3, Iff. 

und Funaioli 187 knapp dargelegt; dann hat Bucli V — VII. Der Aufbau der Biicher ist fol- 

Fischer (De August, libro qui est de dialectica, gender. V., der in der Art der Alexandriner die 

Jena 1912, 47ff., bes. 62) ausgezeichnet dargelegt, Etymologie als einen xavchv der Latinitas, der 

daB die Sehrift de dial, nur ein Bruchstiick ist, die Richtigkeit oder Nichtrichtigkeit eines Wortes 
die erste Halfte des Teiles de loquendo enthaltend, 50 anzeigen soil, betrachtet, also ganz mit den Augen 

daB sie ferner nahe "nbereinstimmung mit Mar- des Grammatikers (vgl. Dahlmann lOff.), 

tianus Capellas Buch iiber die Dialektik aufweist, stutzt sich doch stark auf die stoische Etymo- 

heide aber nicht voneinander beeinfluBt sind, son- logic, deren Ziel auf erkenntnistheoretischem 

dern jeder von V. abhangt. Nun ist aber bei Boden liegt; er verwendet das stoische Material 

Mart. Capella die Abhangigkeit von V.s Diszi- zu ganz anderem Zweck. Stoisch ist die Gliede- 

plinen ganz klar, somit auch fur Augustin, dessen rung des ganzen Buches V, das der stoischen 

Sehrift de dial, also fur eine Wiedergewinnung Kosmosteilung folgt, al'&rjQ, arjQ, vScoq, yfj (14 

des Inhalts von I auszuscheiden hat. Buch I ist — 56), dann die in diesen loca weilenden corpora, 

gewiB eine Propositio des Ganzen gewesen, wie zunachst die dem caelum zugehorenden immor- 
sie V. den Imagines, den res humanae und den res 60 talia (57 — 74), dann die irdischen mortalia cor- 

divinae ebenfaUs vorausgeschickt hat, eine kurze pora (75 — 101), ebenfaUs in stoischer Reihen- 

Andeutung aJles dessen, was er dann im ein- folge die im di^Q 1^/16, v8coq 11 (78, 79) auf der 

zelnen ausftihrte, wie Aug. C. D. VT 3 vom Ein- yfj (80 — 101); 102 — 104 endlich die animalia, 

leitungsbuch der antiquitates sagt: sed unum quae vivere dicuntur neque habere animam, ut 

singularem, qui communiter de omnibus loquere- virgidta, auch diese an der Stelle angefiigt, die 

tur, in capita posuit. ihnen im stoischen Eosmos zukommt (Stoic, vet. frg. 

Buch II— IV. Den Inhalt der verlorenen all- II 710). Bespricht er von 105 bis z. E. quae inanu 

gemeinen Biicher iiber die Etymologie gibt V. facta sunt, so ist diese Ankniipfung der toten an 



1207 M. Terentius Varro (ling, lat.) M. Terentius Varro (ling, lat.) 1208 

die beseelten Korper gewiB auch durch stoisehen nicht selbst, und sie hat er dann in bunter An- 

Vorgang zu erklaren. Auf das Biieh des Korper- einanderreihung unter Bevorzugung seiner beson- 

lichen folgt das Buch des Unkorperliehen, voea- deron Interessengebiete Sitte, Altertum, Religion, 

hula temporum et quae in his Hunt, auf die Ety- seinen Ordnungsgedanken maBlos tibertreibend, in 

mologisierung des locus - corpus -Kom^lexes der das stoisehe Schema von V und VI zu bringen 

tempus- actio -Teil; Buch VI liegt die stoisehe gesucht. AUer dings liefi sich fiir einen solch 

Theorie der Zeit zugrunde, welche die Kosmos- disparaten Stoff diese Anordnung nur in eng- 

lehre notwendig erganzt; das zeigt die Dispo- begrenzten Partien (6 — 23 loca caelestia und ter- 

sition des ganzen Buches, das sich in zwei Teile restria, 72 — 79 tempora) annahernd durchfiihren, 
de temporibus (3 — 34) und de actionibus (35 — 96) 10 fur die grofien Teile des Buches 24 — 71, quae in 

gliedert. Erortert V. nun die durch die Sonnen- terris sunt, 80 — 108 res quae assigniHcant ali- 

bewegung hervorgerufenen Zeiten, Tag, Jahr, quod tempus, ist sie nur dem Namen nach da. 

Jahreszeiten, die durch den Mond bestimmten Reitzenstein 31 ff. Dahlmann 14ff. 

Monate, so ist bis ins einzelne die stoisehe Lehre Rohrscheidt 797. 

ebenso klar wiederzufinden, wie VI 35ff. innerhalb Buch VIII — X. Auf die Frage nach der impo- 

der Auseinandersetzung iiber die Aktionsarten sitio verborum folgt die der declinatio, und zwar 

cogitare (43 — 51), dicere (51 — 76), facere (77 — 95), zuerst allgemein das quemadmodum, wie V. VIII 

den drei Arten der ngatstg, dem svvosiv, Xeysiv, 24 sich ausdriickt de declinationum disciplina, ehe 

:^oi£iv, dem die stoisehe Stufenfolge vorj/ua, len- er in XI zu den propagines disciplinae tibergeht. 
ToV, jzQdy/Lia zugrunde liegt. Mit dieser Zuriick- 20 Er beginnt mit dem, quae contra similitudinem 

fiihrung der Einteilung von V und VI auf stoisehe declinationum (VIII 24) oder quae dieerentur cur 

Prinzipien liegt ihr Geriist im GroBen klar. Wei- dissimilitudinem ducem haberi oporteret (X 1), 

ter ist aber ein Zweites wesentlich, dafi namlich IsL^t iolgen quae contra dissimilitudinem dicantur, 

V. seinen altlatinisoh-antiquarischen Interessen (VIII 24) contra quae dieerentur cur potius simi- 

entsprechend in diese stoisehe Gliederung ein- Utudinem conveniret praeponi (X 1) und schliefit 

reiht die Erklarung der altlatinischen Welt und (X) mit dem Buch de similitudinum forma (VIII 

ihrer Zeiten, ein Moment, das an Umfang das 24), de declinatorum verborum forma (IX 115). 

allgemein giiltige Stoisehe weit libertrifft. Mit Voran sehickte er VIII 1 — 24 eine Gesamteinlei- 

der Klarlegung der Herkunft, der Etymologie tung in das Gebiet der Deklination, cur (3 — 8), 
der alten Worter, die er am liebsten nach seiner 30 quo (9 — 20) et quemadmodum (21 — 23) in lo- 

latinistischen Richtung aus autochthonen Wur- quendo declinata sunt verba (naheres Dahl- 

zeln, nicht aus einer Ubernahme aus dem Grie- mann 81fE.). Allein der letzten Frage sind die 

chischen, deutet, verfolgt er ganz praktische folgenden Bticher gewidmet. Buch VIII beant- 

Zwecke, insofern er in dem alten S^rachidiom die wortet also die Frage der Deklination vom ano- 

reine Latinitas sieht. Das ist etwas Ungriechi- malistischen Standpunkt. Die anomallstische Po- 

sches, Unstoisches. Es ist sicher, da6 der stoisehe lemik der pergamenischen Schule unter Krates 

Aufbau auf griechicher Quelle beruht, daB wohl von Mallos wandte sich in der Frage der Dekli- 

schon Chrysipp ein Etymologikon in dieser stoi- nation — nur auf diese kommt es im Streit der 

schen, systematischen Struktur gegliedert hat; Anomalisten und Analogisten an — - gegen die 
vielleicht ferner, daB Aelius Stilo, Stoiker wie er 40 alexandrinische des Aristarch, es war ein Streit 

war, ein griechisches Etymologikon ins Latei- zwischen der Forderung der Befolgung der sfATzei^ 

nische gewandt hat, GewiB hat V. diese Einbe- Qia, consuetudo, gegen die eines Xoyog, der rsxvt], 

ziehung des altlatinischen Sprachgutes in den ars. V. gibt in VIII in vielen noch nahe an die 

gegebenen Aufbau vorgenommen und so ein griechische Originalfassung erinnernd den Kampf 

Werk geschaffen, das ebenso von einer natio- des Krates, an einzelnen Stellen auch in einer 

nalen Tendenz getragen ist wie die antiquarischen spateren Form, gegen die Analogie, wie sie Ari- 

Schriften. starch verstand, wieder (VIII 25 bis z. E.). Auf 

Der stoisehe Aufbau ist mit VI zu Ende. Nun einen allgemeinen Teil, der sich umfassend gegen 

hat aber V. auf den Bereich der vocabula poetica in die Giiltigkeit einer Analogie tiberhaupt wendet 
VII die stoisehen Dispositionsprinzipien tibertra- 50 und in vielen Punkten sich nahe mit stoischer 

gen, nach denen er einen Stoff gliedert, der sich Doktrin bertihrt (25 — 43), folgt bis zum Ende des 

eigentlich in ganz andere Ordnungen fiigt: es Erhaltenen (44 — 84) die auf die Einzelheiten der 

kam hier ja nicht auf eine Deutung der Gesamt- Sprache gerichtete Ausftihrung. Ihr liegt die 

heit von Welt und Zeit wie in V und VI an, son- stoisehe Redeteilung zugrunde, der sich die Argu- 

dern auf die Deutung unklarer einzelner Dichter- mentation im einzelnen anschlieBt: V. kennt hier 

stellen in der Weise der alexandrinischen Gram- und nur hier die Scheidung von ovofjuaxa und 

matiker, deren Reich nach V. die Dichterinter- nQoorjyoolai, auf den zweiten Redeteil, das Qfjfxa, 

pretation ist (V 9). Bei genauerem Hinsehen sieht laBt er als dritten den ovvdeofA,og folgen und fiigt 

man die Scheidungsprinzipien, die diesen Absich- zu diesen drei Teilen, die Chrysipp und Diogenes 
ten auch konform sind: es lassen sich Glossen- 60 von Babylon kannten, viertens die von Antipater 

sammlungen herausfinden zu einzelnen Dichtern, von Tarsos hinzugefiigte fzeoSrrjg, das Adverb. 

Ennius, Plautus, Matins, Naevius; ferner muB es Wir haben nur noch voUstandig den Teil iiber 

Sammlungen aus verschiedenen Dichtern gegeben die pars appellandi, die provocd)ula (aQ^Qo) 50, 

haben, angereiht nach dem Prinzip des gleichen die pronbmina (dvrcowfiiai) 51, die vocabula 

Anfangsbuchstabens, wieder andere Stiicke sind (nQoorjyoQiai), innerhalb deren der Anomalist hin- 

in der in den Onomastika tiblichen Weise nach sichtlich des genus nominandi (52—62), casuale 

Bedeutungsgruppen geordnet. Solch verschieden- (63 — 74), augendi (75 — 78), minuendi (79) die 

artige Arbeiten fand V. vor, machte sie gewiB Regellosigkeit konstatierte, und ferner den An- 



1209 M. Terentius Varro (ling, lat.) M. Terentius Varro (ling, lat.) 1210 

fang des Stiickes iiber die nomina, ovofxata, Kon- forma similitudinum (VIII 24. IX 115). Er be- 

junktionen und Adverb fehlen. Vorangehen all- hauptet, das sei vor ihm noch von niemandem in 

gemeingiiltig fiir den Bereich der ganzen Rede der erforderlichen Weise untersucht worden. Er 

vorgebracbte Bedenken, VIII 47 hinsichtlich des selbst muBte naeh der Disposition des Werkes zu 

sexus, 48 der multitudo, 49 des casus. diesem Problem gefiihrt werden, so da6 man ihm 

Auf das Buch des Angriffs folgt das Buch seine Amgabe glauben wird. Die Selbstandigkeit 

der Verteidigung. Die Analogie, die in VIII an- gilt nattirlich nur fiir die Anordnung und die 

gegriffen wird, ist alter als die in IX. Diese ist Gruppierung. Die Stellungnahme im einzelnen 

auf den krateteischen Angriff bin gebildet, baut ist die der Analogisten in IX, die Anomalie die 

auf der aristarcbischen von VIII auf, modifiziert, 10 der Krateteer von VIII. Der Aufbau ist klar und 

prazisiert und ischrankt in manchen Dingen ein, ofters gezeigt (L. Spengel ed. 1885 praef. LXIIf. 

so daB sie friihestens eine spatere Entwicklungs- Mette 30); er umfaBt nach § 2 die vier Haupt- 

stufe der aristarcbischen Theorie, aUer Wahr- teile quid sit simile ac dissimile (3 bis in die 

scheinlichkeit nach aber erst die Form der Ana- Lticke von 34), quid ratio quam appellant loyov 

logie der aristarcbischen Schiiler reprasentiert. ( — 36 z. E., der groBte Teil ist verloren), quid 

Die Disposition des Buohes ist im GroBen mit proportioned quod dicunt avaloyiav (von 37 bis 

der von VIII gleichartig: zuerst ein allgemeiner z. E., wo (ks Buch innerlialb des dritten Teiles 

Teil (7 — 35), dann der,spezielle (36 — 115). Buch IX abbricht). Der vierte Teil quid eonsuetudo fehlt 

soil eine Widerlegung von VIII sein, so daB man vollkommen. Im ersten Teil beginnt er § 3 mit 

annehmen wird, V. werde sich hier, wie er auch 20 einer Definition der Begriffe similitudo und dis- 

selbst wiederholt versichert, im einzelnen auf die similitudo, ehe 'er in 14 die analogistische Rede- 

Aufstellungen von VIII beziehen. Sb kniipft er teilung wie in IX einfuhrt, nach der er weiterhin 

schon in der Einleitung an das allgemeine Stiick gliedert. 1. die pars casualis, 20 — 30, nominatus 

von VIII an, um dagegen die positiven analogi- — 29, innerhalb deren Behandlung ein groBes 

stischen Satze durch seine Polemik abzuheben, Stiick fehlt (vgl. Dahl man n 86, 2), ar^icw^i 30; 

stellt dann 36 — 39 Grundsatze fiir die analogi- 2. die pars temporalis 31 — 33; 3. die partieipalia 

stische Argumentation, die die Anomalisten voUig 34 a, woven kaum etwas da ist; die vierte pars, 

unbeachtet lieBen, auf, geht weiter sehr eng 40 quae habet neutrum, die Adverbien, fehlen ganz, 

— 48 auf VIII 26 — 43 ein, ehe er endlieh 50 — 115 werden wohl, nach Buch IX zu schlieBen, kaum 

die analogistische Lehre von der Klisis der ein- 30 oder iiberhaupt nicht genannt gewesen sein. Vor- 

zelnen Redeteile klarlegt nach der alexandrini- trefflich bis ins einzelne ist die Disposition des 

schen Teilung, die von der stoischen in VIII stark dritten groBten Toils iiber die Analogic: 37 — 42: 

abweicht: er scheidet in der pars appellandi, den Bestimmung der Analogic: a) 37 — 42 a allgemein, 

vocabula, nicht oVo^a und jiQoorjyoQia (50 — 95), b) 42: speziell bei der Stprache; 43 — 44: rationes 

er subsumiert auch nicht das Participium wie in derecta et transversa: a) 43 allgemein, b) 44 spe- 

VIII mit unter die vocabula, sondern fiir ihn ist es zieU bei der Sprache; 45 — 50: genera coniunetum 
der dritte Redeteil {fA,stox^), der auf das Qfjf^a et deiunctum: a) 45/46 allgemein, b) 47 — 50 spe- 
(95 — 109) folgt (110). Der ovvbsofjiog, der dritte ziell bei der Sprache; 51 — 62: fundamenta ana- 
stoische Redeteil, fehlt dieser Scheidung voUig, logiae a voluntate, a natura, a re utraque: a) 51 
und der vierte, das smQQrj/na (Adverb) kann V. 40 — 53: Erklarung der Begriffe; hier ist der Gang 
ohne weiteres weglassen, da die Adverbien als vom AUgemeinen zum Besonderen wie in den 
indeclinabilia eine Analogic gar nicht aufweisen vorhergehenden Abschnitten nicht moglich, da es 
konnen. Ihre einzige Klioig, die Steigerung be- sich um eine nur spraehliche Erscheinung han- 
handelt er gleich bei der Komparation der delt, b) 54 — 62 Entscheidung, 58/59 obliquisbis 
Adjektiva mit (IX 73). In diese Gliederung hat er recuperari possunt Binzelheit, 60 — 62 Endentschei- 
die Widerlegung von VIII nun so eingebaut, daB dung im Sinne von 56; 63 — 78 (bzw. bis z. E.) 
er nicht immer Argument fiir Argument vor- ubi analogia, a) 64/65 in rebus, b) 66/67 in voce, 
nimmt; das geht sehon einmal deswegen nicht, c) 68 — 71 in utraque (3 Unterteile) ; d) dazu 
well seine analogistische Theorie prinzipieU kommen muB der usus 72/73. Ferner 74 — 78 De- 
manche Satze der Anomalisten ablehnte, so daB 50finition der Analogic; 79 — 82: wo ist keine Ana- 
ein Eingehen auf den einzelnen AnstoB iiberfliis- logie?; 83 bis z. E.: was ist notig, damit Ana- 
sig war, ferner erklaren sich Abweichungen durch logie da ist? 

die Befolgung einer anderen Redeteilung, weiter- Reitzenstein 44ff. Rohrscheidt 797ff. 

hin hat V., wies er gleich an manchen Stellen die Mette 5ff. D a h 1 ma n n 5 Iff. 

AnstoBe der Krateteer bis ins einzelne genau ab, Buch XI — ^XIII. Der Aufbau ergibt sich im 
doch auch an anderen Beispielen als in VIII die wesentlichen aus der Analogic von V — VII: XI 

Ablehnung durchgefiihrt. Die prinzipielle Haltung und XII fiber die Analogic in der Deklination der 
in ihnen ist aber die gleiohe, und alle Telle von Sprache iiberhaupt, wobei V. gewiB wieder die 

IX stehen in Verbindung mit VIII, so daB tat- altlateinisehen Worter bevorzugt haben wird, XIII 
sachlich die Momente der anomalistisehen Pole- 60 beziiglich der verba poetica; in XI die Deklina- 
mik in der analogistischen Entgegnung respek- tion der vocabula, in XII die der anderen Rede- 
tiert werden. DaB V. variiert, ist verstandlich, telle, vor allem der verba, eine Folge, die mit 
er gibt auch selbst an, wie er gearbeitet hat: der von Ort und Zeit in V und VI korrespondiert. 
dicam ita, ut generatim eomprehendam et ea quae V, ist natiirlieh hier der alexandrinischen Rede- 
in priore libro sunt dicta et ea quae possunt diei teilung von IX und X gefolgt, ovofA,a, Qfjf^a, f^st- 
atque ilUc praeterii (IX 7). o^^, eTtiQQTjfjia. Am ausfiihiiichsten waren gewifi 

In dem Mckenhaft iiberlieferten Buch X be- die vocabula in XI besprochen, XII wird wesent- 

handelt V. die fundamenta, ordo et natura, die lich kiirzer gewesen sein, ganz so wie VI im Ver- 



1211 M. Terentms Varro (ling, lat.) M. Terentius Varro (ling, lat.) 1212 

gleich zu V; die Disposition gliederte sich in XI sten Beweis daftir, daB V. die Biicher nicht zui* 

nach der Eeihenfolge der genera, die er in IX Herausgabe voUendet habe, erst im Verlauf 

bef olgt (vgl. Dahlmann 78), sexus, multitudo, seiner Arbeit zu dem Gedanken gekommen sei, 

genus, casus, genus augendi, wo er wie in IX 73 sie durch Hinzufugung eines vierten Teiles zu 

die einzige Deklination des vierten Redeteiles, erweitern, ohne die friihere Bemerkung zu rekti- 

die Steigerung der smQQrjfxaxa, mit einbezogen fizieren. Doch einmal widerspricht di-e Forderung 

haben wird, genus minuendi, Auf Grund dieser eines vierten Teils der ganzen Form von 1. 1., die 

Annahme hat Wilmanns neben den vier na- in alien Stiicken Dreiteilung auszeichnet, auch ist 

mentlich fiir XI bezeugten Fragmenten eine ganze der Aufbau der Bildungslehre der Sprache von 

Reihe anderer erschlossen, aus denen der Inhalt 10 der Beziehung vom Wort zum Gegenstand, vom 

von XI durchaus vorstellbar wird, zu dem Schwie- Wort zu seinen Formen und endlich vom Wort 

rigkeiten der Genusbildung gehorten, die Frage zum Wort vollendet, so da6 ein vierter Teil, zu- 

des Doppelgeschlechts bei einem Wort, tTbernahme mal des ganz anders gearteten Inhalts, wie ihn 

aus dem Griechischen, UnregelmaBigkeiten im Miiller annimmt, die Symmetric des Ganzen zer- 

wwmerws^ vor allem betreffen sie die casus. In XII, storen wiirde; ferner hat schon Wilmanns 

das im einzelnen voUig unkenntlich ist, folgte er 15f. darauf hingewie-sen, daB flir den syntak- 

den Deklinationen des Verbums von IX 95: tern- tischen Teil das Material gar nicht zu armlich 

pora, personae, genera, divisiones, und daran gewesen ist, um zwolf Bucher damit zu fiiUen, 

schloB sich wie in IX 110 nach der alexandrini- endlich ist die Grundthese von Mtiller und 

schen Ordnung der dritte Redeteil, das Partizip, 20 Ritsehl, die NichtvoUendung des Werkes, von 

an; ebensowenig wissen wir uber XIII, die bei den Wilmanns (bes. 37ff.) und S p e n g e 1 (praef . 

bezeugten Fragmente sagen nichts, und wenn XXXVII; Abh. bayr. Akad. 1854, 443S.) bereits 

man auch mit Wilmanns (frg. 28 und 29, als irrig nachgewiesen (vgl. auch F u n a i o 1 i 

G.-S. 38, 39) zwei weitere nach XIII Ziehen will, 187). Man mufi also eine ahnliche Abweichung 

so hilft das auch nicht weiter: der Aufbau im von der strengen Ordnung wie in den Ant. an- 

ganzen faBte das ganze Gebiet von XI und XII nehmen und hat dabei zu bleiben, daB V. der 

fiir die poetischen Ausdriicke zusammen. Syntax zwolf Biicher widmete. Dann waren es 

Wilmanns 26ff., frg. 151ff. Funaioli gewiB sechs allgemeine und sechs spezielle. In 

192, 13ff. G.-S. 192, 7ff. XXIV sprach er tiber die proloquia (d^iwf^ata), 

Buch XIV — ^XXV. Im dritten Hauptteil des 30 die Lehre vom einfachen Satz, ein Gebiet, dem 

Werkes soil gezeigt werden, quemadmodum {vo- sein Lehrer Stilo bereits eine Schrift gewidmet 

cabula) coniungerentur (VII 110), noch deutlicher: hatte. Ob er da iiberhaupt erst dies Them^ behan- 

ut ea (vocabula) inter se ratione coniuncta sen- delte, wie ich eher glaube, oder nur auf friiher 

tentiam efferant (VIII 1). Wie V. also in den Erortertes zuriickgriff, laBt sich mit absoluter 

Fragen der impositio und declinatio verborum Sicherheit nicht sagen. 

das Walten eines Xoyog aufgezeigt hatte, so ver- Ritsehl (op. Ill 46e5f.). Wilmanns 15f. 

folgt er die gleiche Absicht auch hier, analog 3 7ff. Fragmente Wilmanns 160ff., frg. 32— 37. 

den vorhergehenden Hauptteilen des Werkes wohl Funaioli 93, 19ff., G.-S. 195, 26ff. 

einer anderen Anschauung gegentiber, die auch S t i 1. Um V.s Stil in 1. 1. richtig zu beurteilen, 

hier das alleinige Geltungsprinzip der con- 40 muB man vor allem jeden Vergleich mit Cicero 

siietudo proklamierte. Damit ist, denke ich, der aufier Acht lassen. V. hat zweifellos bewuBt an 

Aufbau des dritten Teiles als Ganzes gegeben. der neuen Schule unter Ciceros Fiihrung keinen 

Zuerst wird V, fiir die consuetudo, dann gegen Anteil genommen und sichcrlich in ihr gar keinen 

die Aufstellungen von deren Vertreiern fiir die Fortschritt gesehen. Es trifft ihn auch nicht 

ratio eingetreten sein und endlich auf dem zuletzt eigentlich N o r d e n s Vorwurf, daB das groBte 

Dargelegten sich griindend systematisch die forma Werk iiber die lateinische Sprache in dem schlech- 

coniunctionis erortert haben. Sodann lieB er auf testen lateinischen Stil gesehrieben sei, den irgend- 

die allgemeinen Biicher speziell die Durehfiih- ein Prosawerk zeigt (K. P. I 195), ja daB man 

rung der Satzlehre folgen. GewiB, wie es sich im ganzen tiberhaupt kaum von einem Stil spre- 

fiir seine Etymologie und die Gestaltung der De- 50 chen konne, vielmehr nur roh aufeinanderge- 

klination zeigen laBt, ist er auch in idiesem Teil tiirmte Steinblocke vor sich habe. Man hat einmal 

Schiller der alexandrinischen Grammatiker in der zu beriicksichtigen, daB V. viel mehr Romer war 

Befolgung des Prinzips der ratio gewesen. Die als Cicero, und daB sein Stil viel enger in die 

Reihenfolge im einzelnen, wie iiberhaupt die An- romische Tradition gehort als der ciceronische, 

ordnung des ganzen Stiickes ist nicht recht deut- dessen geniale Neuerung alles andere, sofern man 

lich. Wenn V. VII 110 von tres partes spricht, es mit ihm vergleicht, in den Schatten stellt. Man 

und den beiden ersten, dem quemadmodum impo- legt also, wenn man V. mit Cicero vergleicht, 

sitionls und quemadmodum declinationis je sechs einen verkehrten MaBstab an, zweitens hat man 

Biicher zuweist, liegt die Annahme zunachst nahe, zu bedenken, daB eine wissenschaftliche Lei- 

daB auch die tertia pars sechs Biicher umfaBt 60 stung gar nicht die kunstvoUe Stilisierung wie 

haben wird, drei allgemeine, drei spezielle. M iz 1- ein im eig^entlichen Sinne der hoheren Literatur 

1 e r (L) und nach ihm Ritsehl III 465f . ver- angehorendes Werk zu haben braucht, da es als 

traten diese Ansicht; nur XIV — XIX umfaBte die Kunstwerk nicht betrachtet sein wiU, die bloBe 

Syntax, dann sei ein vierter Teil iiber den usus Vermittlung des Stoffes das Wiehtigste ist, nicht 
vocabulorum, orationis ornatus imd ahnliiches der asthetische GenuB. Wenn man also in 1. 1. 

gefolgt. Da aber V. nur immer von drei Teilen eine gewisse Formlosigkeit feststellt, so liegt das 

seines Werkes spricht, so aber ein vierter noch nicht an einer XJnfahigkeit V.s, der etwa in der 

dazukommt, sieht Ritsehl hierin den schlagend- Schrift iiber die Landwirtschaft oder gar in den 



1213 M. Terentius Varro (ling, lat.) M. Terentius Varro (Gramfc) 1214 

Satiren eine hohe stilistische Vollendung zeigt, (Dahlmann 33, 1). Auch die sehr haufige An- 

sondern an der literarischen Gattuag des Werkes. wendung von rhetorischen Fragen und fcesonders 

Ganz ahnlich liegen da die Dinge beim alteren von Bildern aus anderen Spharen dUtt diesem 

Plinius in der n. h., deren Form stark an V. Ziel; es sind Bilder, die eine gleichgerichtete Si- 

erinnert, wahrend er in seinen historischen tuation veranschaulichen, aus einer ei^gtaxinlichen 

Schriften gewiB weit hohere Qualitaten gezeigt Vielheit von Bezirken des menschlicheii Lebens 

haben wird. Auch darin sind sie zu vergleichen, gewahlt, worin sich V..s genaue Kenntiiis der ver- 

daB sie, wollen sie nur, aueh in ihrem wissen- schiedensten Gebiete ausdriickt, jedes ftir sich in 

schaftlichen Werk einen vollendeten Stil zeigen knappster Kiirze formuliert; die argute brevitas 
konnen, der von der Ungepflegtheit des Ganzen 10 nennt auch M ii 11 e r (praef XXXIV) eins der 

erheblich abweicht. Das geschieht naturgemaB in Charakteristika des varronischen Stils; innerhalb 

den Partien, die nicht lediglich referieren, bei der einzelnen Glieder der Antithesen geht die 

denen es also nicht auf die bloBe Mitteilung der Parallelitat oft bis zum einzelnen W6n, Stuck 

Sache ankommt, sondem wo iiber dem rein utili- fiir Stiick entspricht sich, so daB Homoioteleuta, 

tari'Stischen Zweck ein asthetischer steht, die Teile Isokolie nicht selten sind. Das sind Dlhge, die 

demnach, die einen mehr generellen Inhalt haben, nun in besonders groBem MaBe in den rtboemien 

Exkurse, allgemein gehaltene Vergleiche, Bilder vorhanden sind, etwa in dem von B. V, ,das Satz 

und besonders die Prooemien der einzelnen Bii- fur Satz aus solch gegenubergestellten Sdheidun- 

cher. Da hebt V. mit dem Ziel auch den Stil; das gen besteht. 

istein Stil, der auch in den ungepflegteren Tfeilen 20 Zu Einzelheiten der Spraehe und deS Stils: 

zugrunde liegt, hier nur in groBerem MaBe zur Nor den 194ff. Miiller praef. XXXIVff. Spen- 

Vollkommenheit gebracht, der stark erinnert an gel LXVIIff. Krumbiegel De Va^toniano 

den Stil Catoe, altromischer Gesetze und Inschrif- scribendi genere, Lpz. 1892. 
ten. Knappe Satze, die unverbunden nebenein- a) Die Epitome de lingua Latina ift neun 

ander stehen, sich entsprechende Kola, Antithesen, Btichern ist nur durch den Katalog b^kannt; 

das Fehlen aller Periodisierung zeichnen ihn aus. sehr einleuchtend ist die Vermutung Ritschls 

Zu diesem Moment der Fortflihrung der altla- (HI 466), daB sich die neun Blicher zu den S5 des 

teinischen Tradition tritt ein zweites: Cicero (ad voUstandigen Werkes so verhielten, daB immer 

Att. XII 6, 1) nennt V. einen Anhanger des genus ein Buch einer Trias entsprach und dem Ganzen 

Hegesiae. Doch ist es nicht iso, daB, wie N o r - 30 ein Einleitungsbueh vorausging (vgl. auch W i 1- 

den (197) meint, die modernste und verkiin- manns 46; anders A. Riese Philol. XXVII 

steltste aller Stilarten mit der altertiimlichsten 298, 9). 

und einfachsten eine auBerliche, hoehst dishar- b) De similitudine verborum. Das Thema die- 

monisch wirkende Verbindung einging, sondern ser Schrift in drei Biichern, die Hieronymus zi- 

das genus Hegesiae kommt V.-s altlateinischer tiert, von der im iibrigen aber nur ein Fragment 

Neigung in jeder Weise entgegen, die raffinierten bei Oharisius aus dem zweiten Buch erhalten ist 

Sentenzen, bilderreichen Antithesen, bis zur Sil- (S. 222 frg. 109 Wilm., S. 185 frg. 4 Pun., S. 202, 

bengleichheit mit bewuBter Kunst durchgefiihrten 51 G.-S.), laBt sich durch entsprechende Er- 

Glieder, Gleichklang in den Endungen, Varia- orterungen aus 1. 1. mit Sicherheit erkenfien; 

tionen der gleichen Gedanken in immer neuen, 40 schon R i t s c h 1 (III 468) und nach ihm W i 1- 

iiberraschenden Formulierungen sind Dinge, die manns 134f. Funaioli 185 und Goetz hiel- 

dem Romer sehr nahe liegen muBten und nichts ten es fiir ein Werk iiber die Analogie, eine An- 

weniger sind als ein auBerlich aufgesteckter Putz. nahme, die gewiB richtig ist; die Verbindung si- 

So erinnert V. in seinem Stil nahe an den Stil militudo verborum begegnet etwa 1. 1. IX 93 und 

der Sentenz, der in der Deklamatorenschule seit aus dem Zusammenhang dieser Stelle und au^h 

augusteischer Zeit gepflegt wurde und bei alien sonst, vgl. z. B. IX 40. VIII 39, wird aus detli 

Schriftstellern der Kaiserzeit mit wenigen Aus- achten und neunten Buehe klar, daB V. die Krl- 

nahmen starkste Spuron hinterlieB, ein Stil, der terien aufgestellt haben wird, nach denen er .sich 

wohl weit mehr romisch ist als die individuelle entseheidet, ob ein Wort einem anderen ahnlich 

Schopfung Ciceros, die auf griechischem Vor- 50 ist oder nicht, die Kanones also, die von Aristo- 

bild aufbaut. Besonders charakterisiert V. die phanes von Byzanz und Aristardi bestimmt wor- 

Freude an .scharfen Scheidungen, die sich aus den sind (vgl. bes. Dahlmann 57ff.); diese 

der dem Romer eigenen Gabe zu strengster Sonderschrift muB sich in den Hauptlinien mit 

Durchfiihrung einer klaren Ordnung erklart. Die- den entsprechenden Partien des grammatischen 

sem deutlichsten Innehalten einer Schritt ftir Hauptwerkes beriihrt haben; vielleicht aber steUte 

Schritt vorwartsgehenden Gliederung entspringt sie mehr prinzipiell die Grundsatze der Analo> 

die Anwendung eines seiner stilistischen Haupt- gisten hin, nicht also in der Form einer Streit- 

mittel, der Antithese. V. sieht nie eine Sache fiir schrift, in durchgehend polemischer Haltung. 

sich und drtiekt sie in ihrer Eigenart aus, sondern Eine unentscheidbare Frage ist es endlich, ob 

es stellt sich ftir ihn sogleich das Gegenteil ein, 60 diese Einzelschrift vor oder nach 1. 1. verfaBt 

und in der Form der Gegentiberstellung macht er wurde. Goetz nimmt das erste an und sieht 

das, was er will, deutlich. Nun ist der Inhalt des in de similitudine verborum die Grundlage ftir 

ganzen Werkes weithin bestimmt durch Defini- 1. 1. IX, eine Vermutung, die aber voUig in der 

tionen und Erklarungen von sprachtheoretischen Luft hangt (vgl. Dahlmann 75, 1). 
Begriffen, so daB man seitenweise diese anti- c) De utilitate sermonis erwahnt der Katalog 

thetische Stilisierung aufweisen kann. Immer er- nicht; nur Charisius, der das Werk durch Pli- 

neut halt er gegeneinander die zu erklarenden nius d. dub. sermone kennt, ftihrt einmal eine 

Momente, bis ihre vollige Klarheit erreicht ist Stelle aus dem vierten Buche an, nach der V. den 



1215 M. Terentius Varro (Gramm.) M. Terentius Varro (Grainm.) 1216 

Genetiv aenigmatis gebraucht hat (S. 223frg. 110 ganz allgemein steht im Zentrum des Interesses, 
Wilm., S. 186 frg. 5 Fun., S. 202 frg. 53 G.-S.). wahrend es in de sermone latino die Umgangs- 
Auch die angeschlossenen Grundsatze des Plinius, sprache ist; hier kommt es nur auf die Frage der 
dafi die consuetudo und suavitas aurium das wich- litinitat an; derTitel de sermone latino sagt nichts 
tigste Kriterium sind und etwa griechisclie Wor- anderes als de latinitate, die korrekte lateinische 
ier ndcht an lateinische Regeln gebunden werden Umgangssprache soil festgestellt werden; eine 
konnen, werden gewiB V. gehoren. Sie und der Schrift des gleichen Titels kennen wir von dem 
Titel der Schrift werden E i t s c h 1 (III 468), Granimatiker Antonius Gnipho (Suet. gr. 7) und 
Wilmanns 136ff. und F u n a i o 1 i 185 Plinius hat in seinen Buchern dubii sermonis 
zu ihrer Auffassung des immerhin umfang- 10 Worter behandelt, bei denen der Sprachgebrauch 
reichen Werkes iiber den Gedanken der Niitz- zweifelhaft ist, und nach gewissen Kriterien sich 
lichkeit in der Sprache als einer Schrift iiber die fur eins oder das andere als riehtig lateinisch 
Anomalie gefuhrt haben, da Y. des of tern in 1. 1. entschieden. Nach gewissen Kavoveg hat auch V. 
das analogistische Prinzip der similitudo dem der die latinitas als incorrupta loquendi observatio 
utilitas entgegenstellt, bei dem es nicht auf die bestimmt, und es waren naturgemafi die vier 
Befolgung einer Regel ankommt, sondern allein Punkte, die Diomedes (GL I 431, 15) als die 
der S^rachgeibrauch waltet, in dem die inaequa- varronischen kennt: natura, analogia, consuetudo, 
bilitas herrscht. In dem Sinn sagt er VIII 26, auctoritas, wenn es auch durchaus nicht sicher 
nachdem er zuvor bemerkte, mit der natura ser- ist, ob das Fragment mit Wilmanns in de 
monis beginnen zu woUen, omnis oratio cum 20 sermone latino einzureihen ist (frg. 41) oder 
debeat dirigi ad utilitatem, ad quam tum deni- etwa in die disciplinae (115 G.-S.). Wilmanns 
que pervenit, si est aperta et brevis . . . et cum hat das groBe Verdienst, sich um die Rekon- 
efficiat aperta, ut intellegatur, brevis, ut cito in- struktion des Werkes energisch bemtiht zu haben, 
tellegatur et opertam consuetudo, brevem tern- er ist sogar soweit gegangen, dafi er Buch fiir 
perantia loquentis et utrumque fieri possit sine Buch den Inhalt ziemlich genau angibt; danach 
analogia, nihil ea opus est-^ oder IX 48 cum, in- hatte V. in I nach einer allgemeinen Einleitung 
quit, utilitatis causa introducta sit oratio, se- die Kanones der Latinitas behandelt und die 
quendam non quae habebit similitudinem sed Laut- und Buchstabenlehre, in II die Silben, in 
quae utilitatem. Wie also in de sim. verb, die III die Lehre von Spiritus, Akzent, die Prosodie, 
Grundsatze der analogistischen Sprachtheorie, 30 in IV die Metrik, Vers, Rhythmus, metrum: 
wird er hier den -stoisch-anomalistischen Satz (Kolon, comma, p&riodus); vor aUem auch die 
vom Walten der utilitas in der Sprachie ontwickelt einzelnen Versarten, vielleicht auch den Prosa- 
haben. Die Abfassungszeit bleibt ungewiB, eben- rhythmus, in V endlich die virtutes sermonis und 
so auch, ob V. sich hier, wie man es fiir die ana- die drei genera dicendi. Auch nach V.s QueUen 
iogistische Schrift anzunehmen hat, auf Seiten hat Wilmanns gefragt und denkt an Tyran- 
der vorgetragenen Theorie gestellt hat, ob er sie nion in der Prosodie, Aristoxenus in Metrik und 
objektiv referierte oder auch, ob er sie von seinem E/hythmik und weiter an Heliodor. Wilmanns 
alexandriniischen Standpunkt aus, dem er in 1. L ist bei allem Scharfsinn der Gefahr erlegen, die 
folgt, bekampft, endlich auch, ob er ihren Inhalt jedem Sammler varronischer Fragmente dxoht, 
in 1. 1. VIII kurz wiederholte. 40 der die Reste immer einzelnen Schriften zu- 
d) De sermone latino. Hieronymus nennt ein weisen will; seine Kombinationen sind allzu vag. 
Werk de sermone latino in fiinf Biichern; wenn G.-S. bilden dagegen insofern eine Reaktion, 
Rufinus 556, 7 und 556, 14 ein siebtesBuchnennt, als sie wenigstens davon absehen, jedes Frag- 
so hat das schon 0. J a h n riehtig in 4 korrigiert ment einem bestimmten Buch zuzuweisen, im 
(vgl. Wilmanns 47; G.-S. 206 hatten daran wesentlichen reihen sie aber alle die Wilmanns- 
nicht zweifeln soUen). DaB es einem Marcellus schen Fragmente ebenfalls, wenn auch als incertae 
gewidmet war, erfahrt man weiter aus einer sedis fragmenta, in de sermone latino ein (frg. 31 
ganzen Reihe von Zitaten. Wann V. die Schrift ■ — 106). Ich kannbeiden nicht folgen; vieles paBt 
verfaBt hat, laBt sich nicht bestimmt sagen; der gar nicht in eine Schrift iiber die reine lateinische 
SchluB aus der Benutzung einer Schrift des Ty- 50 Umgangssprache, ausfiihrliche metrische Abhand- 
rannion, die im J. 45 fertiggestellt gewesen sei lungen, in der die einzelnen Versgattungen vor- 
(Cic. Att. XII 6), dafi V. nach VoUendnng von gefiihrt werden, die Lehre von den genera di- 
1. 1. sich an die Arbeit gewandt ihabe, ist recht cendi, die Lautlehre u. a. Man muB mit F u - 
unsicher. Hat er das Buch friiher geschrieben, so naioli (199fE.) von dem, was namentlich ilber- 
ist es immerhin moglich, daB der Adresisat M. liefert ist, auisgehen und danach iiber den Inhalt 
Claudius Marcellus, der Consul von 50, war, der zu urteilen versuchen. Namentlich sind iiberlie- 
im J. 45 ermordet worden ist. Er war ein Partei- fert 17 Bruchstticke, eins aus I (frg. 48 W., 
ganger V.s und ein literarisch und rhetorisch 33 Fun., 55 G.-S.), zwei aus II (53 W., 34 Fun., 
recht interessierter Mann (Cic. Brut. 249f. Sen. 56 G.-S.; 54 W., 35 Pun., 55 G.-S.), zwei aus III 
Helv. 9, 4). Wenig kann m5,n auch mit Sicherheit 60 (62 W., 36 Fun., 57 G.-S.; 63 W., 37 Fun,, 
tiber den Inhalt aussagen. Durch seinen Titel ist 58 G.-S.), fiinf aus V (81 W., 40 Fun., 60 G.-S.; 
das Buch zunachst deutlich getrennt von 1. 1. 83 W., 41 Fun., 61 G.-S.; 87 W., 42 Fun., 
Hier kam es ganz allgemein auf die Sprache an, 62 G.-S.; 88 W., 43 Fun., 63 G.-S.), als fiinf tes 
ihre Entstehung, die Flexion und die Satzlehre. Fragment kommt hinzu eine Stelle aus Lydus de 
Die Frage derLatinitat ist dabei aUendings immer mag. II 13, der V. iv §ipUcp neixTtrco tzsqI "Pco- 
mit im Spiel, aber sie tritt doch gegen das rein (A,aiHf}g bmXsKtov zitiert. Wilmanns reiht es 
sachliche Interesse an der historisch-genetiischen allerdings, well der Inhalt keinesfaUs nach de 
Erklarung des einzelnenWorteszuriick: die Sprache sermone latino passe, in die Schrift de orig. ling. 



1217 M. Terentius Varro (Gramm.) M. Terentius Varro (Gramm.) 1218 

Lat. ein; G.-S. schlieBen sich ihm an, wah- es Wilmanns in groBem MaBe tut, und vieles mag 

rend F u n a i o 1 i die Frage unentschieden laBt auch nach de sermone latino gehoren (so mit teils 

und das Zitat unter die incertae sedis frag. gr6BererteilsgeringererWahrscheinlichkeitfrg.43. 

(S. 3111) eingliedert. Aber einmal nennt Lydus 44. 45. 47. 50. 51. 52. 58. 58 a, b, c, d. 84. 85. 

ganz deutlich die Schrift de sermone latino, so 86. 89 W.), aber sicher ist das gar nicht. Vor 

daB deswegen zunachst sehon kein Grund besteht, allem ist es unwahrscheinlich Mr das groBe V.- 

an der Richtigkeit dieser Angabe zn zweifeln, Fragment aus Servins (GL IV 529, 1), (ks Wil- 

ferner bereitet Schwierigkeiten der Einordnung m a n n s 49 allein auf die kurze Bemerkung des 

in de or. 1. 1. die Zuweisnng zu einem fiinften Gell. XVIII 12, 1 in priore verbo graves pro- 

Buch, da nach Hieronymus de or. 1. 1. nur drei 10 sodiae quae fuerunt manent, reliquae mutant, 

Btieher umfaBte; man muB dann also mit Wil- aus der iiberhaupt nichts fur eine ausfiihrliche 

m a n n s an der Richtigkeit dieser Angabe des Behandlung deir Prosodie und Akzentlehre zu 

Lydus zweifeln oder mit G.-S. ein fiinftes Buch schlieBen ist (vgl. auch Funaioli 200), gesttitzt, 

annehmen. (Ganz falseh hat man auch an das nach de sermone latino setzt, und auf ein ebenso 

fiinfte Buch del. l.gedacht,s. Wilmanns 130.) unsicheres Zeugnis hin (Wilm. 62) nach B. III. 

Das Gegebene ist also, zunachst einmal an de Es ist kaum denkbar, daB V., wo es auf die La- 

sermone latino zu denken und gegen eine Auf- tinitat des einzelnen Wortes ankommt, sich so- 

nahme unter die Bruchstiicke dieses Werkes weit in Betraohtungen ganz aUgemeiner Art ver- 

spricht meines Erachtens nichts: V. handelt liber loren haben soU. Wie der Inhalt der einzelnen 

das Wort cartamera, das sei kein lateinisches 20 Bucher disponiert war, bleibt unentschieden; viel- 

sondern ein galiisches Wort. Das ist eine Fest- leicht entsprechend der Anordnung in 1. 1. nach 

stellung, die innerhalb eineriSchrift, die der Frage den Redeteilen. Wilmann,s 47f.; frg. S. 170, 

der latinitas gewidmet ist, sehr wohl ihren Platz 41ff. Funaioli 199, 33ff; G.^S. 203, 54ff.; s. 

hat. Auch wenn Lydus fortfahrt, V. habe zu be- auch Usener Kl. Schr. 11 201 ff. Da ich keinen 

stimmen versucht, Ttola fxev U^ig eoxlv AIoXikyj, besseren Platz dafiir weiB, fuge ich hier ein Wort 

Ttola be raXXixYj, Tcal oxi kxeQa (xev rj BovoKOiv, uber V.s metrische Satze an, die Ritschl 

alXf} be TJxQovoKcov, so liegt eine solche Unter- (III 382ff., nach ihm Wilmanns 64ff., frg. 64ff.) 

suchung ganz in der Ebene dieser Schrift; endet ohne hinreichenden Beweis nach de sermone latino 

er dann Sv ovyxvd'eiocbv ri vvv tcQaxovoa xcbv Tco- gezogen hat. Am besten hat die Frage H e i n z e 

j^alcov djzexeXeo'&rj (pcovri, so ist das allerdings zu- 30 (S.-Ber, Sachs. Ges. LXX 1918, 9ff. u. 36ff.) be- 

mindest eine igroBe Ungenauigkeit, die sich aus handelt, der gezeigt hat, daB V. in erster Linie, 

der ganz allgemeinen Angabe des Lydus erklart, wenn nicht ganz ausschlieBlich, nur die altertiim- 

die Richtigkeit des Zitates an sich aber durch- lichen Verse im Auge gehabt hat und welter gegen 

aus nicht diskreditiert. Dazu kommen zwei von Christ und K i e B 1 i n g, vor allem gegen Leo 

Rufinus einem siebenten Buch zugewiesene Zi- (Herm. XXIV 286ff.), daB bei ihm noch keine 

i;ate, die aller WaJirscheinlichkeit nach ins IV. B. Spur der Derivationstheorie zu finden ist und 

gehoren (67 W., 38 Fun., 64 G.-Si; 73 W., nichts von dem Grundsatz, daB jeder Vers in zwei 

39 Fun., 65b G.-S.); und endlich 5 Anftihrungen, Kommata zerlegbar sei. V.s AbriB ist beherrseht 

bei denen kein bestimmtes Buch genannt ist: von dem Gedanken der variatio, nach der ein 

60 a W., 44 Fun., 84 a G.-S.; 61 W., 45 Fun., 40 Metrum aus einem andern entsteht nach ungefahr 

85 G.-S.; 74 W., 46 Fun., 66 G.-S.; 82 W,, den gleichen Prinzipien, die in der Grammatik 

47 Fun.; 85 W., 48 Fun., 105 G.-S. Neun von die Stoiker und alexandrinischen Grammatiker 

diesen Stellen behandeln die Frage der richtigen anwandten, der TZQood'eoig^ d(palQ£oig, dXXolcoaig 

Wortbildung mit dem Zweck, den richtigen latei- (commutatio), an deren Stelle in der Metrik die 

nischen Sprachgebrauch festzustellen, wenn etwa permutatio f^exd'&eotg tritt. DaB V. die concin- 

^48 W.) die Bildung Cretenses durch die auetori- natio als 4. Prinzip hinzugefiigt hat, ist nicht 

tas des Ennius belegt wird, wenn (53 W.) der zu beweisen und 'unwahrsehieinlich (H e i n z e 

Bildung aeditumus vor aedifuus der Vorzug ge- 46f.). 

:geben wird unter Berufung auf die Unverfalscht- e) De antiquitate litterarum. Eine Schrift die- 

heit der antiqua origo, der natura des Wortes, 50 ses Titels, die der Katalog nicht aufftihrt, ist 

wenn er (62 W.) die Schreibweise von faenera- allein bekannt aus einer Erwahnung des Priscian 

ior durch den Hinweis auf die Etymologic klar- (GL II 7, 27), und Ritschl, dem sich W i 1 - 

zustellen sucht, uber mutuo und mutue (88 W.) m a n n s und alle spateren anschlossen, hat sie 

Oder grammatische Verbindungen wie domi suae (III 469f.) bereits richtig aus der tJbereinstim- 

(87 W.) oder praesente legatis (82 W.) spricht. mung des Inhalts des Priscianfragments mit den 

Auch metrische Fragen hat er behandelt, gewiB Ubri ad Aecium, die Pompeius (GL V 98, 20 u. 

aber nicht rein der Metrik wegen — das gehort 108, 10) zitiert, identifiziert. Der Name Accius 

aiicht zum sermo latinus — , sondem insofem die hat verschiedentlieh Bedenken erregt (W. 118, 1); 

Metrik AufschluB geben konnte und von Belang es liegt aber kein Grund vor, an der Richtigkeit 

war fur die Bildung der reinen Latinitat (67. 73. 60 dieser tTberlieferung zu zweifeln, und man hat in 

74 W.). Er ist nun nicht beim einzelnen Wort diesem Accius hochstwahrscheinlich den Tragiker 

stehengeblieben, sondern hat den Tenor der gan- L. Accius zu sehen, der ungefahr im J. 84 ge- 

jzen Rede berticksichtigt wie das wichtige frg. 81 W. storben ist, so daB V. diese /Schrift in recht 

lehrt, wo er erortert, wie man im sermo latinus jungen Jahren verfaBt hat. In wieviel Biichem, 

gewisse fidri und uzoSyj elegant zum Ausdruck steht nicht fest; daB es mindestens zwei, wahr- 

bringt. Soviel laBt sich mit Bestimmtheit sagen; scheinlicher aber drei waren, erhellt aus dem 

es ist richtig, von dieser Basis ausgehend wei- Zitat Priscians. Obwohl nur zwei Bruchstiicke 

tere Zitate ahnlichen Inhalts heranzuziehen, wie namentlieh iiberliefert sind, zu denen mit einer 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 39 



1219 M. Terentius Varro (Gramm.) M. Terentius Varro (Lit. hist,) 1220 

gewissen Sicherheit ein drittes tritt (105 W., 241. | heit hinsichtlich der Zuweisung nach de origine 

240 Fun., 43 G.-S.; bei 94 W., 242 Fun., 44 G.-S.| linguae latinae fehlt. Danach hat V. sv nQooifj,loig 
ist die Entseheidung recht zweifelhaft), ist doch rwv ngog UofXTiYjiov avtm yeyQafjupLEvoov ausige- 
der Inhalt dank der reichen Angaben des Priseian fiihrt, daB Eoiander und die andern Arkader, die 
und Pompeius verhaltnismafiig gut kenntlich. naeh Italien kamen, die aiolische Sprache den 
Eiortert war die Erfindung der nomina und Barbaren einsaten, d. h. daB Y. die lateinische 
formae der Buchstaben, die V. den Chaldaem Sprache nicht aus rein autoehthoner Proveniens 
(103 W.) zuschrieb, also sie sind a barbaris in- erklarte, sondern friih vermiischt mit GrieeM- 
venta (vgl. 1. 1. VIII 64: die litterae sind nicht schem sah. Das stimmt vortrefflich zu gelegent- 
vocabula nostra [sc, graeca] sed penitus barbara), 10 lichen Bemerkungen in 1. 1., bes. V 21, wo er 
was auch einer der drei varronischen Griinde da- terminus entweder von terere abgeleitet wissen 
Mr ist, daB sie indeclinabel sind (vgl. auch 1. 1. will oder vom griechischen rsQi^cov mit der Be- 
X 82). Weiter hat er iiber ihre Zahl gehandelt; griindung: Euander enim, qui venit in Falatium, 
anfangs seien es nur 16 gewesen, allmahlich e Graecia Areas (vgl. auch 1. 1. V 45. X 69, wo 
dann weitere hinzugekommen, bis es 23 waren, er vocabula vernacular adventicia und peregrina 
deren Erfinder V. jedesmal genannt hat (104 W., unterscheidet, oder V 3: neque omnis origo est 
2 Fun., 41 G.-S.; S. 119 W.). Warum es so- nostrae linguae e vernaeulis verbis). tJberhaupt 
viele sind, warum sie in dieser Reihenfolge muB er sich hier nahe mit den etymologischen 
stehen und ihre Bezeichnungen untersuchte er; Biichern von 1. 1. beriihrt haben, da ja die Ety- 
hierhin gehort 43 G.-S. (vgl. unvoILstand. 105 W., 20 mologie der modus ist, nach dem die vocabula 

241 u. 240 Fun.). Nach Italien ist die Kenntnis rebus in lingua latina imposita sunt (s. V 1). In 
der Buchstaben gelangt durch den Arkader ihnen erwahnt V, haufig die Urverwandtschart 
Euander und seine Mutter Carmentis (Pomp. GL dos Lateins mit anderen Spraehen, dem Griechi- 
V 98: constat apud omnes Carmentem nympham schen, Sabinischen, Osklschen, Tuskischen, Siku- 
illam, Euandri matrem, quae Nieostrata dic&batur, liseheai. Auch wird er wohl wie in 1. 1. mogliebst 
latinas litteras invenisse. ipsa primum transtulit viele Worter als latinisch bestimmt haben (in 
in Italiam litteras Latinas; Cledonius GL V 26 de or. 1. 1.). Man wird endMch nicht fehl 
u. a.); das ist gewiB auch die Meinung V.s ge- gehen, wenn man die allgemeine sprachphilo- 
wesen; dafiir spricht abgesehen davon, daB die sophische Grundlage beziiglieh der Lehre des 
eben aufgefiihrten Worte des Pompeixis, deren 30 Sprachursprungs in de origine linguae latinae 
Inhalt dieser allerdings verkehrt dem Livius zu- sich nach der Auffassung, die sich aus 1. 1. rekon- 
weist, unmittelbar frg. 104 W. vorangehen, schon struieren laBt, vorstellt (vgl. Dahlmann 12ff.). 
dieallgemeineWahrscheinlichkeit (vgl. auch 1.1. V. Uber das nicht hierhergehorige frg. 108 W. 
21). Damals, apud maiores nostros (frg. 104 W.), (296 Fun., 47 G.-S.) vgl. zu de sermone latino. 
waren zunachst nur 16 Buchstaben bekannt, die Wilmanns 126ff., frg. S. 220, 106ff. Fu- 
tibrigen sind spater auf latinischem Boden ent- naioli 184, 3, G.-SL 200, 45ff. 

standen, wie auch Cadmus nur 16 Buchstaben g) (n:£Ql xaQaKXYjQoov. Ritschl (III 459) 

nach Griechenland brachte (frg. 21 W.). Viel- setzte dieses Werk, dessen drittes Buch einmal 

leicht gehoren frg. 46 W., 56 W. u. 67 G.-S., die von Ohariisius (GL I 189, 25) erwahnt wird, mit 

Wilmanns und G.-S. nach de sermone latino 40 der im Katalog genannten Schrift de descrip- 

setzen, in diese Schrift. — N o r d e n Germ.^, tionibus in drei Biichern gleich und daohte sich 

Beii. 1923, 215, 2 nimmt als Vorlage fiir den als Inhalt eine Abhandlung tiber xaQamrjQeg im 

Exkurs des Tac. ann. XI 14 fiber die Geschichte theophrastisehen Sinn, als Charakterbild (vgl. 

der Buchstabenschrift letzthin de antiquitate litte- Cic. Top. 22), eine Art ethischer Prosopographie. 

rarum an. W i 1 m a n n s 1 17ff.; frg. S. 218, 103fF. In dieser Erklarung ist ihm Wilmanns ge- 

Funaioli 193, If., G.^S. S. 199, 40ff.; allge- folgt, bei dem die Behandlung dieses Buches fehlt. 

meines bei F. D o r n s e i f f Alphabet in Mystik Ganz mit Recht hat sich U s e n er (Kl. Schr. II 

und Magie, Lpz. 1922, 5. 162ff.) dagegen gewandt, der dem Inhalt der 

f) De origine linguae latinae umfaBte nach Charisiusstelle, wo ungewohnliche advesbiale Su- 

Hieronymus drei Bucher, die Abfassungszeit steht 50 perlative aus Plautus angeftihrt werden, entspre- 

nicht fest. R i e s e (Philol. XXYII 302) setzt das chend, tzsqI xaQanxriQcov in die grammatischen 

Werk in sehr friihe Zeit, in die Nahe von de anti- Schriften einreihte, xaqanxiiQ als xvTiog deutete 

quitate litterarum. Wenn es aber richtdg ist, mit (s. die Belege 1631 A. Koerte Herm. LXIV 

R i t s c h 1 III 470) und Wilmanns (128) ein 69ff. hat die grammatische Bedeutung des Begriffs 

Lyduszitat (de mag. I 5), dessen Inhalt recht gut auBer Acht gelassen), als Wortform im Gegen- 

paBt, in diese Schrift einzubeziehen, und sie so- satz zum d^^ov/Lisvov, dem Inhalt des Begriffs. V. 

mit dem Pompeius dediziert ist, dann ist sie wohl hat iiber die verschiedenen Pragungen, die Formen 

erst in spaterer Zeit entstanden. Ein sicheres Zi- der Wortbildung geschrieben, muB also Ahnliches 

tat, und zwar aus dem ersten Buch, ist erhalten besprochen haben wie 1. 1. XI— XIII. Abfassungs- 

bei Prise. GL II 30, 12 (107 W., 3 Fun., 46 G.-S.) 60 zeit und Bucherzahl (vermutMch 3) stehen nicht 

Tiber den Buchstaben ayy/^a, wobei die Gleich- fest; s. auch Funaioli 206, 50 und G.-S. 

artigkeit der griechischen Sbhxeibweise mit der 201, 48. 

des Romers Accius festgestellt wird. Hieraus darf 3. Die literarhistorischen Schriften. 

man vielleicht schlieBen, daB V. durch einen Ver- Be bibliothecis. Die Abfassung dieser im Kata- 

gleich des Griechischen mit dem Lateini schen die log erwahnten drei Biicher umfassenden Schrift, 

nahe Verwandtschaft beider Spraehen aufgewiesen die nur einmal bei Charisius GL I 146 {at Varro 

hat. Mehr konnte man aus frg. 106 W. (295 Pun., de bibliothecis II vectigaliorum) wohl aber auch 

45 G.-S.) lemen, bei dem aber die letzte Sicher- 87, 24: Varro de bibliothecis dicens ,glutine et 



1221 M. Terentius Varro (Lit. hist.) M. Terentius Varro (Lit. hist.) 1222 

citro reHciV (vgl. 131, 23) zitiert wird, haben wozu noch hinzuzufiigen ist, daB V. wenigstens 

Ritschl III 452 und nach ihm Dziatzko (Men. 398 B) unter foema eine lexis enrythmos 

Beitr. zur Kenntnis des ant. Buchwesens, Got- id est verba plura modice in quandam conieeta 

tingen 1892, 17 mit der Beauftragung V.s durcli for mam verstand, das kleine Einzelgedicht im 

Caesar, in Rom oSentliehe Bibliotheken einzu- Gegensatz zu poesis, die im ibn ein perpetuum 

richten (Suet. Oaes. 44: bibliothecas graecas la- argumentum e rhythmis, ut Bias Homeri et an- 

tinasque quas m/aximas posset publicare data M. nalis Enni ist (ebenso Lncil. 338ff. M.). Aus den 

Varroni cura eomparandarum ac digerendarum; Pragmenten, die mit einer Ausnahme durch Ver- 

vgl. Isid. et. VI 5, 1) in VerbindTing gesetzt. Es ist mittlung von Plin. dub. serm. aus Charisius stam- 
gut zu denken, daB V. bei seiner Slorgfalt undlOmen, von Funaioli 213ff. zusammengestellt, 

Griindlichkeit die Gelegenheit ergriff, um isich in ist fur den Inhalt nicht viel zu ersehen; nur 

sein Amt einzuarbeiten, die Geschichte und Ein- frg. 66 1= 1. 1. VII 36 zeigt, daB V. die nach 

richtung der griechisehen Bibliothieken zu behan- seiner bistorisch unzutreSenden Auffassung alte 

deln, abnlich wie es Frontin spater tat, als ihm Diohterbezeichnung vates etymologisiert hat: va- 

die eura aquarum ubertragen worden war. Damit tes a versibus viendis, also nach griechischem 

ist die Moglichkeit gogaben, manche Notizen Vorbild, Qa\pq>b6g von Qanxsiv d)ddg, eine Erkla- 

iiber das Buch- und Bibliothekswesen, die sich rung, die spater haufig wiederholt worden ist 

bei spateren finden, der Sehrift zuzuweisen. So (SItellen bei Funaioli). Funaioli 319ff. hat 

zog schon R i t !S c h 1 Plin. n. h. XIII 68 — 70, auch die Angaben des Diomedes iiber nenia, tra- 
wo V. ausdriicklich als Quelle genannt wird, hier- 20 goedia, fabula togata und palUata, wo V. als 

her; vgl. auch Miinzer 152 und Dziatzko Gewahrsmann ohne genaue Quellenangabe ge- 

Unters. tiber ausgew. Kap. d. ant. Buchwesens nannt ist, ftir dies oder das Werk de scaenicis 

(Lpz. 1900) 58ff. Die gleichen Notizen tiber den originibus in Anspruch nehmen wollen. Moglich, 

Gebrauch von Schreibmaterialien finden sich in daB sie hierher gehoren; denn es ist durchaus 

etwas breiterer Form auch durch Sueton vermit- nicht notig, daB V. seine Definition von poema, 

telt bei Isid. VI 9. 10. 11. 12 = Suet. rell. die gar nicht die aUgemein herrschenide ist, in sei- 

p. 130 R.; Funaioli frg. 297. Ebenso wird man Gel- ner Sehrift streng beachtet ^hat, wogegen eigentlich 

lius' (VII 17) knappe Angaben iiber die Geschichte schon das frg. 66 Pun. spricht. 

der griechisehen BibMotheken xmd die beinahe Be poetis. Die Sehrift de poematis erganzte 
gleichlautenden Suetons bei Isid. VI 3, 3ff. 30 von der personalen Seite her das Werk de poetis, 

= Suet. rell. p. 130 R. am liebsten auch ftir das ganz analog wie etwa bei Plato neben die tcoXi- 

Werk de bibliotheeis beanspruehen (Ruske De tela der noXitwog, bei Cicero neben de inven- 

A. GeU. noet. att. font. 31). tione de oratore tritt. Soweit die sparlichen Reste 

Beztiglieh der drei Bticher de lectionibus im bei Gellius erkennen lassen, der I 24, 3 und XVII 

Katalog, die sonst nirgend's genannt sind, ver- 21, 43. 45 das erste Buoh zitiert (auBer ihm er- 

mutete Ritschl III 460fff., daB sie tiber die wahnt die Sehrift, und zwar auch das erste Buch 

Sitte der Rezitationen gehandelt batten, und nur noch Prise. GL II 469, 9), hat V. hier den 

sucht ausftihrlich den Terminus lectio als gleich- Grund ftir die Geschichte der alteren romischen 

bedeutend mat recitatio zu erweisen (vgl. auch Literatur gelegt, und es ist aUein ihm zu ver- 
Funaioli 209). 40 danken, wenn heute eine Reihe von Daten aus 

Drei Bticher c^e ^Jro^ne^aie sm^^tomm verzeieh- der Frtihzeit der romischen Poesie feststehen, 

net der Katalog, und sie werden auch einmal bei da man gewiB mit Reeht seiner Forschung auch 

Nonius p. 527, 4ff. Linds. (Funaioli 219) er- die nicht direkt ihm zugesohriebenen Notizen zu- 

wahnt, ein Zitat, aus dem auf den Inhalt aber weist. Die Fragmente, die Gellius an den beiden 

nichts mit Sicherheit zu schliefien ist. Am besten ziitierten Stellen erhalten hat (frg. 55 — 62 Fun.) 

wird man auf Grund der Noniusstelle mit bestehen aus der Grabschrift des Plautus (I 24, 

Ritischl an eine istilistische Untersuchung (III 3), zu der so gut wie sicher die vor und nach 

463) denken, in der V. die personliche Eigenttim- dieser angeftihrten Epitaphien des Naevius und 

lichkeit einzelner SchriftsteUer festgesteUt haben Pacuvius treten (Funaioli zu frg. 57), den 
wird, ihr Idlco/bia, ihre Idiorrjg, eine literarhisto- 50 chronologischen Angaben tiber Ennius (17.21.43) 

rische Bemtihung, wie sie etwa aus Quintilian und Naevius (44f.) und mit diesen dem ganzen 

bekannt ist und im Griechisehen seit langer Zeit zusammengehorigen literarhistorischen Sttick von 

ihre Vorbilder hatte. Es ist gut denkbar, daB 42—49. Viel uber die zeitliohe Begrenzung und 

GeU. VI 14, 6: vera autem et propria huiusce die Ausftihrlichkeit der Darstellung des Werkes 

modi formarum exempla in latina lingua M. Varro ist aus diesen Bemerkungen nicht zu entnehmen, 

esse dicit ubertatis Paeuvium, graeilitatis Luei- sicher aber das, daB die Grundlegung einer wis- 

liumy mediocritatis Terentium (Ritschl III senschaftlichen Biographie, die vor aUem auf die 

365 Anm.) hierher gehort. Chronologie Wert legte, V.s Hauptziel gewesen 

De poematis. Diese Sehrift in drei Btichem, die ist. Einen ungef ahren Eindruck von der Art der 
im Katelog erwahnt wird, hat V. nach de 1. 1. 60 DarsteUung kann man gewinnen aus der Terenz- 

verfaBt; denn er weist auf sie VII 36 ut de poe- vita des Sueton, deren Inhalt zuer^ Ritschl 

matis cum scribam, ostendam, bin. Vorbild war (Parerga 622; Literatur Bd. IV A S. 602) auf V. 

auch hier die griechische Schriftstellerei tiber de poetis zurtiekgeftihrt hat, woraus dann Sueton 

gleiche Fragen, von Ariistoteles' Poetik an, Neo- wohl tiberhaupt seine Berichte tiber die alt- 

ptolemus V. Parion, Philodem jisqI noiYifidrcov u. a. romische Poesie gezogen hat; auch die varroni- 

mit dem gleichen Titel. Mit Recht sah Ritschl schen Mitteilungen uber Plautus' Leben (GeU. Ill 

III 454 in ihr eine Art Poetik, die tiber Eintei- 3, 14 und Hieronymus aus Sueton), gehoren hier- 

lungen, Gattungen und Arten der Poesie handelte, her (L e Plant. Forsch.^ 70ff . und dagegen F. 



1223 M. Terentius Varro (Lit. hist.) M. Terentius Varro (Lit. hist.) 1224 

Marx Ztschr. ost. G. 1898, 388ff.). Am eindring- iiber die scaena. Eine Abgronzung de,s Inhalts fiir 

lich'sten und ergebnisreichsten ist dem Inhalt von die einzelnen Biicher ist nicht mehr moglich. 

c?e ^oefis und der ganzen literarMsteischen For- Cichorius hat endlich auch die verstre^iten 

schung V.s Leo nachgegaiigen,bes. Plant. Forsch.2 Angaben aus der N. H. des Plinins, soweit sie 

65ff. (vgl. auch Herm. XXIV 75; Griech.-r6m. die Theatergeschichte betreffen, aus de scaenicis 

Biogr. 136f,), der sie in die Entwicklung d^r wis- originihus abgeleitet; das ist naturgemafi ganz 

senschaftliehen alexandrinisehen Biographie ein- unsicher und mit gutem Grund von Mtinzer 

reiht, die V. auf romischen Boden libertragen hat. (Beitr. z. Quellenkrit. des Plin. 145ff.) abgelehnt 

Das Abhangigkeitsverhaltni's von den Griechen worden. Vieles, was Cichorius auffiihrt, 1st 
liegt also auch hier so, wie bei den anderen 10 wohl varronisches Eigentum, nur laBt sich eine 

S'chriften: er iibernimmt die Methode und das bestimmte Schrift nicht nennen; bei Puna ioli 

Gebiet der Forschung, setzt aber die an grie- stehen diese Pliniusstellen als ,incertae' sedis frg. 

chischen Objekten vorgenommenen Untersnchun- 309 — 318; die iibrigen frg. S. 215ff. Sehr wichtig 

gen in weitgehender Selbstandigkeit auf das la- ware es endlich, das Werk in den Znsammenhang 

teinische Gebiet tiber, wo er nur wenige und der griechischen literarischen Forschung einzu- 

schlechte Vorarbeiten vorfand (Lb o Plaut. Forsch. ordnen; ein paar Andeutungen hieriiber bei Leo 

60f.), bes. wahnsiehdnlich die Didascalica des Herm. XXXIX 75f. — Das vielumstrittene Li- 

L. Accius (Marx 385f.), aber selbst mit Eifer viuskapitel VII 2 i(mit ihm verwandt ist der 

und Erfolg Urkunden und Denkmaler zu Rate Bericht des Horaz epist. II 1, 139ff.) fiber dieVor- 
zog und den literarischen NachlaB fiir die Kennt- 20 geschichte des romischen Dramas unid die drama- 

nis der Lebensschieksale der Dichter auswertete matisehe Satura, den 0. Jahn (Herm. II 227) 

(Marx 386ff.). zuerst auf V. zuriickfiihren wollte (dann auch 

De compositione saturarum. Im Katalog Leo Herm. XXIV 75ff.), hat nach aller Wahr- 

nicht genannt, dahcr ist die Buchzahl unbekannt; scheinlichkeit nichts mit V. zu tun; so auf Grund 

einzige Erwahnung, und zwar ein von V. zitierter von Hendrickson (Amer. Journ. of Phil, XV 

Vers bei Nonius 93 Lds. Eine theoretische Er- Iff. XIX 285ff.) auch Leo Herm. XXXIX 63ff.; 

orterung iiber den Aufbau der Satiren, und wohl s. auch die besonnene Darlegung von K r o 1 1 

doch der Satiren nach Incilischem, nicht menip- Bd. II A S. 196ff., der allerdings wieder V. als 

pischem Charakter. Ist diese Vermutung richtig, Quelle fiir durchaus moglich halt, 
dann fallt Buchelers Annahme, die Menip- 30 Die drei Biicher de actionibus scaenicis^ im 

pea KwodtdaoKaXiHa habe das gleiche Thema be- Katalog anders als in den Zitaten der Gram- 

handelt (Petron.^ 207 Anm. 230), hin. S. auch matiker de scaenicis actionibus genannt, behan- 

Heinze Horaz' Satiren^ Einl. IX. deln nach Ritschl (III 455) die Didaskalien 

De scaenicis originibus. Mit dieser verhaltnis- der dramatischen Auffiihrungen; vgl. auchParerga 

maBighaufiggenanntenSchrift hat ischon Ritschl 321, zweifelnd Reisch Bd. V S. 401. Da Cha- 

richtig die im Katalog genannten drei Biicher risius (GL I 95, 18 aus Plin. dub. serm.) ein 

de originibus saeculi identifiziert; die Titelform fiinftes Buch zitiert, vermutete Ritschl, daB 

de scaenicis originibus wird richtig sein, so lautet die Katalogangabe unrichtig sei und moglicher- 

sie 6 mal; dagegen besagt nichts, daB eine Stelle weise eine Verwechslung mit den 5 lb. quaestio- 
bei Oharisius die Form de scaenicis originibus 40 num Plautinarum vorliege, eine Annahme, die als 

gibt, welche auch durch den Katalog nahe gelegt recht unwahrscheinlich bereits von Funaioli 

ist. Eine Scliwierigkeit entsteht ferner durch das 218 und Klotz (Herm. XLVI 12) zuruckgewie- 

Zitat bei Serv. Georg. I 19: Varro de scaenicis sen worden ist, mit dem Hinweis, daB bei Chari- 

originibus Del in Scauro. Hierin hat Rit,schl sins an Stelle des iiberlieferten V wohl II einzu- 

(III 411, schwankend 456. 497, 17) den Doppel- setzen sei. Bedauerlicherweise laBt sich aiui Grund 

titel eines Logistoricus sehen woUen, eine An- der 5 erhaltenen Bruchstiieke nichts iiber den 

nahme, die aber mit Recht aUgemein abgelehnt Inhalt des ganzen Werkes erschlieBen; eine Ver- 

worden ist, zuerst von Riese (Varr. sat. Men. mutung zu frg. 84, S. 218 Fun. bei Ritschl 

rel. 37 adn.), dann Cichorius (Comm. Rib- Parerga 321, Anm. So muB auch das Verhaltnis 
beck. Lpz. 1888, 419; s. auch Norden Rh. 50 zu den nur aus dem Katalog bekannten drei Bii- 

Mus. XLVIII 529). Es ist sieher, daB zwischen chern de actis scaenicis unklar bleiben, das F. 

dem groBeren wissenschaftlichen Werk de scaeni- S c h o 1 1 Rh. Mus. XXXI 469ff. im Gegensatz zu 

CIS originibus und dem Logiistoricus Scaurus zu Ritschl fiir das .grundlegende Werk uber die Ge- 

scheiden ist, der allerdings wie Norden gegen Ci- schichte des romischen Dramas, das den akten- 

chorius gezeigt hat, auch Fragen des Theater- maBigen Urkunden den Didaskalienstoff entnahm, 

wesens behandelt hat. Cichorius hat sehr ver- halt (so auch Norden Gercke-Norden I 549. 

dienstvoll die Fragmente gesammelt. Es sind im Teuffel-KrollI^ 335). Ritschl, der wohl 

ganzen 8 mit Angabe der Schrift, zu denen C i - die Schwierigkeit, zwischen einem Werk tiber 

chorius 3 weitere hinziifiigt, aus Charisius, dramatische Auffiihrungen und dramatisehe Ur- 
Servius, Sueton, Censorin, Nonius, die sich alle 60 kunden zu unterscheiden, fiihlte, hielt actis fiir 
auf Plin. dub. serm. und Sueton, die beide verderbt, verbesserte es in actibus und dachte so- 

V.s Schrift gelesen haben, zuriickfiihren lassen. dann an ein Werk iiber die Aktetneinteilimgen 

Auf Grund der Fragmente rekonstruiert er so- der Schauspiele, erkennt aber selbst an, daB das 

dann den Inhalt: es ist eine romische Theater- nur eine Moglichkeit ist (III 457f.). llJan wird 
und Buhnengeschichte, von den Ursprtingen dra- also bei dem iiberlieferten Titel bleiben miissen. 

matischer Auffiihrungen ausgehend und weiter De descriptionibus^ in drei Biichem, im Kata- 

die ludi scaenici in historischer Zeit betrachtend; log erwahnt, aber nie zitiert, ist nicht mit 

endlich enthielt sie auch technische Bemerkungen :it€qI xaQaKxiiQOiv (so Ritschl II 459) identisch 



1225 M. Terentius Varro (Lit. hist.) M. Terentius Varro (Lit. hist.) 1226 

(s. d.). Ritschl denkt an ein Werk liber Cha- Gebieten; in den Resten werden grammatische, 

rakterschilderung, eine Art von ethischer Proso- staatsrechtliche, kultliche, juristische, antiqua- 

pographife, die sich mit der romischen neben der rische Dinge erortert. Das erste Buch der quae- 

neuen attischen Komodie beschaftigte. stiones nennt Gell. VI 10, 2 wo er das Wort pi- 

De personis. In die Reihe der theatergeschicht- gnoriscapio erklart, XIV 7, 3 den Brief an Op- 
lichen Arbeiten gehoren anch die nur aus dem pianus aus dem vierten Buch, in dem er den In- 
Katalog bekannten drei Biicher de personis, die halt des Isagogicus an Pompeius (s. d.) wieder- 
nach Ritschl III 458, der an Aristophanes' holt, vgl. anch Gell. XIV 8, 2. Fest. 128, 1 Lds. 
Werk TtsQt crtQoacbncov erinnert (vgl. N a u e k Ari- zitiert das erste Buch f iir die Erklarung von 
stoph. Byz. frg. 257f.), die Ma-sken der Komodie 10 multa, das fiinfte fur eine sakrale Notiz beztigMch' 
und Tragodie behan/delten, s. auch Nor den Rh. der auspicia; Diomed. GL I 374, 15 u. 400, 1 
Mus. XLVIII 537 und Punaioli 219. das erste Buch, um zwei grammatische Formen 

Quaestionum Plautinarum libri V (Katalog). zu belegen, Charisius GL I 138, 4 das erste (co- 

tlber die Biicherzahl (Ritschl II 455) s. zu de rona navalis), GL I 120, 28 das sechste fiir die 

actionibus scaenicis, Nach den 2 erhaltenen Form ex annalei-^ ebenfalls das sechste GL I 109, 

Bruchstiicken, beide aus dem zweiten Buch, zu 1, nur mit der unvoUstandigen Titelangabe in 

urteilen, erklarte V. schwerverstandliche Aus- epistolicarum VI {quo loco und quo loci) und das 

driicke, so amussis (Non. 14, 13 Lds.) und sa- siebente {epistolicarum VU) GL I 73, 3, wo V. 

tura (Diomed. GL I 485, 30ff.). Ausdriicklieh sich fiir quintus tricensimus anstatt quintus et 
wird ihm von Diomedes nur ein kleines Stiick 20 tricensimus einsetzt. Das sind -die sicheren Zitate. 

aus der Auseinandersetzung iiber den Begriff sa- Die einzelnen Briefe der quaestiones hat V. natur- 

tura zugewiesen (Funaioli 207 u. G.-S. S. 202), lich, und wie es der Brief an Oppian zum tlber- 

aber nach dem Vorgange von 0. Jahn (Rh. flufi zeigt, an bestimmte Adressaten gerichtet. 

Mus. IX 629) hat Leo Herm. XXIV 69ff. mit Ob er sie ihnen wirklich iibersandte und spater 

guten Griinden die ganze Reiihe der etymologi- eine Sammlung herstellte und edierte, oder ob die 

schen Erklarungen auf V. zurtickgefuhrt. Briefform nur eine Fiktion war, ist nicht genau 

Nicht identisch mit den quaestiones, wie zu sagen; das letzte ist wahrseheinlicher. 

Ritschl anfangs (Parergal78ff. dann aber anders Ferner wissen wir von einer ganzen Reihe 

III 456) und Klotz (Herm. XLVI 15) annahmen, von Brief en, die einzeln unter dem Namen der 
ist das Werk de comoediis Plautinis, das nur Gel- 30 Adressaten angefiihrt werden; Gell. II 10 nennt 

lius III 3, 9 anftihrt (Funaioli 220f.). In ihm einen Brief an Servius Sulpidus, in welchem V. 

untersucht V. die Frage nach der Echtheit der den Terminus /at;zsae Oa^i^o^mae erklart, Ritschl 

plautinischen Komodien, anscheinend im An- (III 447f .) und Funaioli (262 frg. 228) weisen 

schluB an seinen Lehrer Aelius Stilo und andere ihn den quaestiones zu, doch das ist unsicher, um 

Literarhistoriker, die Gellius nennt. V.sForschung so mehr als Nonius (161, 19 Lds.) den gleichen 

ist hier von danernder Bedeutung insofern ge- Brief erwahnt, der nie die quaestiones, dagegen 

worden, als die 21 erhaltenen Komodien (die Vi- sehr haufig Einzelbriefe nennt: dreimal (79, 28. 

dularia eingerechnet) eben die von V. als absolut 402, 3. 684, 1 Lds.) eine epistula ad Caesarein 

unzweifelhaft anerkannt echten plautinischen sind (402, 3: in epistula lull Gaesaris), 791, 24 ad Fa- 
(vgl. die vorziigliche Interpretation des GeUms- 40 bium, 168, 4; 209, 10; 687, 15 ad Fukum, 874,4 

kapitels von Ritschl Parerga 75ff. und Leo ad Marullum, 38, 7; 246, 13 acH Varronem (wo es 

Plant. Forsch.2 18ff.). Neben diese steUte er noch nicht notig ist, mit Pop ma und Ritschl ad 

zwei weitere Gruppen (Ritschl 121ff.), erstens Neronem nach Charis. GL I 130, 17 zu konji- 

in der zweiten Gruppe die, die nicht von alien zieren). Ritschl (III 477) will am liebsten alle 

als plautinische Werke angesehen wurden und diese Briefe in den quaestiones unterbringen; 

die er nach weniger sicheren Kriterien mit mehr mir scheint das recht unglaubhaft, zumal da 

oder minder groBer Wahrscheinlichkeit Plautus Charisius, der an einer ganzen Reihe von Stellen 

zuwies, sei es aus historischen oder sprachlich- die quaestiones nennt, 130, 17 einen Einzelibrief 

stilistischen Erwagungen; hierhin rechnet Ritschl ad Neronem erwahnt, ferner GL I 104, 20 ein 
(127ff.) weitere 19 Stiicke, da er die Angabe des 50 drittes und GL I 108, 10 ein achtes Buch epi- 

Servius (Aen. S. 4, 16 Thilo.), einige batten stularum, wo Ritschl mit Unrecht eine Versehrei- 

40 Komodien fur plautinisch erklart, fur die var- bung aus epistulicarum annimmt (vgl. auch 

ronische Anschauung halt. Die dritte Gruppe um- Mercklin Quaest. Varron., Dorpat 1852, 12. 

fafit endlich die Komodien, die als plautinisch Funaioli 263). Man wird also gut tun, neben 

gar nicht oder fast gar nicht bezeugt waren, aber den epistolicae quaestiones, die mindestens sie- 

doch aus stilistischen und sachlichen Griinden ben Biicher (Charis. GL I 73, 3) umfaBten, eine 

nach V.s Urteil fiir echt gelten konnten. Sammlung von epistidae in wenigstens acht Bti- 

Im Katalog nicht genannt, aber durch eine chern (Charis. GL I 108, 10) anzunehmen, zu 

Reihe von Fragmenten bekannt sind die episto- denen am ehesten die Briefe gehoren werden, die 
licae quaestiones, Diesen Werktitel nennt Gellius 60 Nonius, Gelli'us und CharisiTis nur unter den 

vielleicht mit bewuBter Anspielung auf V. in der Namen der Adressaten erwahnen; eine Schwierig- 

Praefatio der Noct. att. 9 in der Reihe von amderen keit liegt allerdings darin, daB Charisius neben 

Benennungen fiir Biicher in der Art seines eigenen. den epistulae einmal auch nur den Adressaten 

Daraus wird der Inhalt kenntlieh, und die Zitate zitiert. 

bestatigen das Bild, das man sich nach Gellius Unbestimmt muB ferner bleiben, in welchem 

macht: V. handelte in Brief en, also in literariseh Verhaltnis zu den epistulae die epistulae Latinae 

anspruchsvoUer Form, iiber eine denkbar bunte stehen, deren erstes Buch Nonius 174, 15 Lds., 

Fiille von Einzelfragen aus den verschiedensten deren zweites er 759,. 10 zitiert, 206, 4 ohneBueh- 



1227 M. Terentius Varro (Lit. hist.) M. Terentius Varro (Lit. hist.) 1228 

angajbe, und viertens 676, 16: idem epistuUs La- gestellt hat. Das sind die Zeugnisse, auf Grund 
was Lindsay wohl mit Recht in La- deren besonders Ritschl und Mercklin den In- 



tinis Yerbessert. Bber die Bedeutung dieses Titels halt zu rekonstruieren vexsuchtetn; ,s. Ritschl 
hat Ritschl (III 4781) allerlei Vermutungen III 508ff., wo neben seinen eigenen Arbeiten 
vorgetragen, unter denen am meisten Anklang die auch die Abhandlungen von Mercklin, Brunn, TJr- 
gefunden hat, dafi V.s epistulae in zwei Haupt- lichs und Schmidt abgedruckt sand, s. auch die 
abteilungen, die epistulae Graecae, von denen wir gute zusammenfassend^ Betrachtung von Merck- 
gar nichts wissen, und die Latinae (so auch in lin Philol. XIII 742ff. Ritschl erkannte zu- 
den Literaturgeschichten von Teuffel-Kroll nachst ganz richtig, daB sich 700 Biilder in Heb- 
und Si e h a n 2? - H s i u si) zerfielen; anders' L. 10 domaden geordnet nicht auf fiinfzehn Biicher ver- 
Havet Rev. d. Phil. VII 176, der an Brief e, teilen lassen und vermutete, daB V. vom zweiten 
die an die gens Latinia gerichtet waren, denkt. Buche an in jedes B^uch sieben Hebdomaden ein- 

Die Fragmente der epistolicae quaestiones und gliederte, 49 Bilder, so daB sich das Werk auf 

der epistulae sind noch nicht ausreichend behan- im ganzen 686 imagines belief, Plinius also eine 

delt und gesammelt; die granamatischen bei ungenaue Angabe mache nnd Grellius, nach dem 

Funaioli 260ff . Vgl. 2^um Verhaltnis der ver- Homer im ersten Buche erwahnt ist, irre, Da- 

schiedenen Sammlungen auch L. Mercklin a. 0. gegen wandte sich Mercklin (III 530fE.), der 

llff.; Phn. Xm 709. alsbald Ritschls Beifall fand (III 546f.), mit 

Hehdomades vel de imaginibus. Den genauen der Annahme, daB die fehlenden 14 imagines in 
TMel gibt GeU. HI 10, 1, die Blicherzahl XV 20 das erste Buch gehorten, 7 von den griechischen, 

der Katalog (LI, wie Ritschl zuerst schrieb, 7 von den romisehen altesten Vertretern der 

ist ein Lesefehler). Die Naehrichten tiber dieses einzelnen behandelten Gebiete. Beztiglich der Ein- 

sehr bedeutsame Werk sind nicht sehr reichlich, teilung des Werkes kam Ritschl noch durch die 

haben aber doch geniigt, um von seinem Aufbau Bemerkung des Ausonius insofern etwas weiter, 

und Inhalt eine wenigstens annahernd zuverlas- als er aus der Erwahnung der griechischen Ar- 

sige VorsteUiung iiu. gewinnen. Gellius gibt einen chitekten im zehnten Buche folgerte, daB auf die 

kurzen Auszug aus dem isagogischen Teil des Griechen oder iiberhaupt Nichtromer wohl immer 

ersten Buches, an dessen Ende (17) V. auch die die Biicher mit geraden, auf die Romer die mit 

Zeii^ der Veroffentlichung der imagines angibt ungeraden Nummern entfielen. Das ist etwa sehon 
und die Zahl der Werke, die er bis zu diesem 30 alles, was einen hoheren Grad von Wahrschein- 

Zeitpunkt verfaBte: da kommt man auf das J. 39 lichkeit fiir sich hat. Mehr in den Bereich der 

und auf die Biicherzahl 490. Den AnlaB zur Ab- Vermutung gehoren die sehr seharfsinnigen Kom- 

f assung sieht Dziatzko (Beitrage zur Kenntn. binationen Ritschls iiber die verschiedenen 

1892, 17), in dem Auftrag, den V. durch Caesar Gebiete, aus denen V. jeweils die hervorragenden 

erhielt, eine romisehe Nationalbibliothek einzu- Vertreter entnahin. Er nimmt (III 552ff.) fol- 

richten, wo durch er dazu gefiihrt wurde, sich mit gende sieben Facher an: 1. Konige und Feld- 

den hervorragenden Vertretern auf den einzelnen herren, 2. Staatsmanner, 3. Dichter, 4. Prosaiker, 

Gebieten der menschliehen Kultur innerhalb und 5. hervorragende Manner in den DiscipMnen, 

auBerhalb Roms eingehend zu beschaftigen. Wenn 6. Kiinstler, 7. sonstige GroBen (z. B. Tanzer, 
man, wie es gewohnlich geschieht, Ciceros Be- 40 Athleten, Priester, Ei&nder), und sucht weiter 

merkung in einem Brief an Atticus vom Nov. 44 auch eine Reihe dieser beriihmten Leiute nament- 

(XVI 11, 3) nsnloyQacpiav Varronis tibi probari lich festzustellen (III 554ff.). Dank des genauen 

non moleste fero auf die imagines bezieht, hat Auszuges des Gellius (III 10) ist der einleitende 

V. mehrere Jahre an der muhsamen Zusammen- Teil des ersten Buches recht gut bekannt, eine 

stellung des Bildereorpus gearbeitet. Nach Gell. Deklamation tiber das Walten der Siebenzahl in 

III 11 hat er ferner im ersten Buch uber das der Welt. Aufgebaut ist das Stiick in typisch 

Alter Homers und Hesiods gehandelt, uber die varronischer Manier. Er beginnt mit der Bedeu- 

Heimat Homers, und endlich zitiert Gellius auch tung der Sieben am Himmel, hinsichtlich der 

das Epigramm, das er Homers Bildnis beifugte. Gestirne, der Jahreszeiten, des Mondes, geht 
Klar ist daraus, 'daB neben dem Epigramm, 50 dann (§ 7) zur Erde, zum Menschen tiber, zu 

das jedem Bild beigegeben war (s. Symm. ep. I seinem Werden und seiner Geburt, dann (§ 9) zu 

2, 2 scis . . . Terentium . . . hebdomadum libros seinem Leben, den perieula vitae fortunarumque 

epigrammatum adiectione condisse) auch eine Er- hominum, seinem Korperbau, kommt endlich 

lauterung des Bildes durch einen Prosatext bei- (§16 alia quoque ibidem eongerit frigidiuseula) 

geftigt wurde. Aus Auson. Mos. 305 forsan et zu allerlei Kuriositaten, den 7 Weltwundern, 

insignes hominumque operumque labores hie 7 Weisen, 7 gegen Theben, um mit der Bedeu- 

habuit decimo celebrata volumine Marcei heb- tung der Siebenzahl, die sie in seinem eigenen 

domas erhellt, daB die griechischen Architekten, Leben gewonnen hat, zu schlieBen. Das ist ein 

von denen Ausonius mehrere aufzahlt, im zehn- folgerechter Aufbau, der den varronischen gewiB 
ten Budhe besprochen wurden (vgl. z. d. St. 60 genau wiedergibt, zu vergleichen mit 1. 1. IX 23ff., 

auch R. Re eh De Varrone et Suetonio quaest. dem recht gleichartig aufgebauten Passus tiber 

Ausonianae, Halle 1916, 7ff.). Eine Reihe be- das Walten der Analogic in Welt und Menschen- 

rtihmter Manner, deren Elogien V. verfaBte, leben. In solchen Stiicken ist der philosophische 

nennt Symm. weiterhin ep. I 4, 1, Pythagoras, EinfluB nicht zu verkennen. Schmekel Philos. 

Plato, Aristoteles, Curius, die Catones, die gens d. mittl. Stoa, Berl. 1892, 409ff. und Boll Berl. 

Fabia, die Scipionen. Endlich wissen wir noch Phil. W. 1917, 1558 verweisen auf neupythago- 

durch Plin. n. h. XXXV 11, daB V. 700 in irgend- reische Einwirkung; s. auch W e i n r e i c h Tris- 

einem Fach hervorragende Manner in Bildern dar- kaidekadische Studien, GieBen 1916, 91ff. 



1229 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1230 

Recht unsicher mu6 endlich fast alles bleiben, zusammen, ahnlich wie er €s hinsichtlich der la- 
was sich iibeir die ikonographische Ausstattung teinischen SpracMorscliung in den Buchern 1. 1. 
sagen laBt. Fest steht mir das eine, daB man an tat, deren Aibfassung er den antiquitates an- 
eine mechanische Vervielfaltigung der Bilder scheinend unmittelbar folgen lieB. Sie sind ganz 
nicht denken darf, isondern daS zeichnerisch be- ahnlich aufgebaut wie jene, naeh analogen syste- 
gabte Sklaven die Bilder, wie die Abschreiber matischen Gesichtspunkten angeordnet; wie 1. 1. 
den Text, kopierten; dariiberUrlichs (III 588) keine Geschichte der lateinisehen Spraehe gibt, 
und Dziatzko, 2 Beitrage ... 8ff. Unsicher sondem einzelne sachliche Kategorien behandelt, 
ist schon, ob jedes der 700 Bilder ein Blatt so wollen die antiquitates keine Geschichte des 
fiir sich fiillte oder ob immer eine Hebdomade lOromischen Altertums sein, wie etwa de vita po- 
auf einem Blatt vereinigt war (so Brunn III puli Romani eine romische Kulturgeschichte ist, 
580), ob sie in Farben dargestellt waxen oder sondern ein nach Stichworten geordnetes Hand- 
nur schwarz und weifi (U r 1 i c h s III 590), ob buch, innerhalb dessen nur in den einzelnen Ab- 
nur als Btisten oder als ganze Figuren (589). In schnitten die historisehe Folge beachtet gewesen 
ihrer Art waren die hebdomades etwas Neues, sein kann. 

nicht nur insofern, als sie allem Anscheine nach Dafi V. den ersten Teii der antiquitates, die 

das erste illustrierte romische Buch waren, son- res humanae vor dem zweiten geschrieben hat, 

dern auch, als es bei den Griechen etwas diurch- sagt er selbst, Aug. C. D. VI 4: Varronis igitur 

aus vergleichbares nicht gegeben hat; darauf be- conHtentis ideo se prius de rebus humanis scrip- 

zieht sich Plin. n. h. XXXV 1 1 benignissimo in- 20 sisse, postea de divinis, quia divinae istae ab ho- 

vento, s. Urlichs 587. Anregung allerdings minibus institutae sunt. Wenn der Ansatz fiir die 

konnte V. empfangen durch illuskierte botanische Beendigung der res divinae im Herbst 47 

Biicher seiner Zeit, des Krateuas, Dionysios, richtig ist, dann sind die res humanae einige 

Metrodoros (Plin. n. h. XXV 8), die Pflanzen Zeit zuvor erschienen; alles nahere ist ungewiB. 

abmalen und dann von den Abschreibem kopieren Im Sonamer 45 jedenfaEs liegen sie Cicero bei 

lieBen (vgl. Ur 1 i c h s III 588. Dziatzko lOf. der Konzeption der Ac. post. vor. U s e n e r (Kl. 

und Bethe Terent. cod. Ambros., Leiden 1903, 55). Schriften II 287) nimmt als ungefahres Anfangs- 

Aus der Pariser Abschrift desKataloges horen datum der Bearbeitung das J. 55 an und denkt 

wir, dafi V. auch eine epitome ex imaginum U- sie sich vor dem Beginn des Btirgerkrieges be- 

bris in vier Buchern hergestellt habe, ahnlich 30 reitsf ertiggesteUt. Nor dens Ansatz ihrer VoU- 

wie von 1. 1. und den antiquitates^ neben die er endung im J. 56 oder etwas vorher (De Stilone 

sie als sein drittes Hauptwerk gestellt wissen Cosconio Varrone, Greifswald 1895, 14) ist un- 

wollte. R i t s c h 1 (HI 529) nahm anf anglich bewiesen und mir unglaubhaft. 

an, dafi die Zahl IV, da sie fur die Stoffvertei- Ben Aufbau im grofien erwahnt Augustin 

lung bei einer Hebdomadengliedeorung Sehwie- (C. D. VI 3); der ganze Tell tiber die res hu- 

rigkeiten ergibt, aus VII verschrd^ben sei, ist manae umfafite danach 25 Biicher, -die in Te- 

aber spater (III 554) davon zuriickgekommen und traden zu sechs Biichern und ein Einleitungsbuch 

vermutete eine Gliederung nach Staatsmannern, zerfielen; die Gliederung innerhalb der Tetraden 

literarischen Grofien, Kiinstlern und Gelehrten ist die gleiche wie in den res divinae und 

und vier tens sonstigen hervorragenden Manner n 40 deckt sich im wesentlichen mit dem stoischen 

(s. auch Weinreich 93fE.). — DieFragmente bei Aufbau der die Etymologien des ganizen Kosmos 

Chappuis Fragments des ouvrages de Varron umfassenden Biicher 5 und 6 von 1. 1. (s. auch 

usw., Paris 1868, 67ff. mit einer wenig ^f order- Gell. XIII 11; vgl. Dahlmann 37ff.; diese 

lichen Einleitung, aber recht niitzlicher Angabe Gliederung als griechisch nachgewiesen hat auch 

von Parallelstellen. Usener Kl. Sehr. II286f.). So ist auch derStoff, 

4. Die antiquarisch-hiistorischen der in den antiquitates behandelt wird, in grofien 

und geo gr aphis c hen Schriften. Stiicken der gleiche, wie in den genannten Bii- 

a) Die antiquitates rerum humanarum et dm- chern von 1. L, nur dafi hier mehr die sprach- 

narum. Dafi die Biicherzahl 45, die im Katalog lichen, dort die sachlichen Gesiehtspunkte im 

steht, unrichtig ist, lehrt Augustin, der CD. VI 50 Vordergrund stehen (Dahlmann 241). In den 

3 41 Biicher nennt und ihre Anordnung klarlegt. Biichern 2 — 7 sprach V. de hominibus (qui agant). 

Die Antiquitates waren im Altertum Vjs meist 8 — 13 de locis (ubi agant), 14 — 19 de temporibus 

gelesenes Werk, das seine Stellung in der Ge- (quando agant), 20 — 25 de rebus (quid agant). 

schichte der romischen Literatur begriindet hat. sed unum singularem, qui communiter prius de 

Cicero hat ihre grofie Bedeutung gleich nach omnibus loqueretur, in capite posuit: Buch 1 Ein- 

ihrem Erscheinen erkannt: V. ist fiir ihn (Ac. leitung. Augustin bemerkt auch, dafi V. iiberall 

post. I 9) der grofie romische Gelehrte, der seine nur die romischen Verhaltnisse im Auge gehabt 

Mitbiirger, die in ihrer eigenen Stadt wie Fremde hat: rerum quippe humanarum libros non quan- 

lebten, in die Heimat zuriiekfiihrte, indem er sie tum ad orbem terrarum sed quantum ad solam 

iiber die Geschichte und Topographic ihrer SItadt, 60 Romam pertinet scripsit (C. D. VI 4), ein Prin- 

iiber das Sakralwesen, den Staat in Krieg und zip, das er auch bei der sprachlichen Erklarung 

Frieden unterrichtete; deutlich weist Cicero auf der Dinge in 1. 1. angewandt hat. Leider gibt 

das unlangst voUendete Werk hin: ^w ommwm rf^- Augustin wie fiir die res divinae nicht auch 

vinarum humanarumque rerum nomina genera fiir die res humane genaue Angaben iiber die 

ofHcia causas aperuisti. V. fafite die ganze Fiille in den einzelnen Biichern behandelten Gebiete, 

der romischen Altertumer, staatlicher, privater so dafi man hier im wesentlichen auf Vermu- 

und religioser Natur, die er daneben in Einzel- tungen angewiesen ist. Nach der Popmaschen 

werken behandelte, in eine grofie Enzyklopadie Fragmentsammlung hat den ersten VersJuch einer 



1231 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1232 

Rekonstruktion L. H. K r a h n e r gemacht (Com- was Plinius iiber die Kusten vonbringt, auf de 

ment, in Varronis ant. lb., Halle 1834), dessen or. mar. zuriick. Um diese Zeit begann auch 

Arbeit durch die einzige nenere Gesamtlragment- Detlefsen mit seinen zahlreichen umfang- 

sammlung der res humanae von P. Mirsch reichen Arbeiten tiber Plinius' geographisehe Bii- 

(Lpz. Stud. V 1882) iiberholt worden ist, nach cher; besonders zu nennon ist sein Aufsatz uber 

der heute die Pragmente zu zitieren sind; die V., Agrippa und Augustus als Quellenschrift- 

grammatisehen auch GRF 228f. Mirsehs Arbeit steller des Plinius fiir die Geographie Spaniens 

ist an Qualitat nicht mit der Merkels an den (Comment. Momms. 23ff.), wo er fiir einen be- 

res divinae zu vergleichen, verdient aber schrankten Teil der plinianischen Erdbeschrei- 

doch im ganzen nicht die abfallige Kritik 10 bung die drei Quellen feststellte, die sich ihm in 

Reitzensteins Herm. XX 515. Er hat sich seinen spateren Weriken als iiberall benutzt er- 

dureh die Berticksichtigung aller friiheren Be- gaben: Agrippa besonders fiir Messungen, V. fiir 

miihungen an den res humanae, durch den Ver- die Gliederung der Lander und das eigentlich 

such, den Inhalt der einzelnen Biicher festzustel- Geographische, Augustus ftir statistische tJber- 

len, und durch die wenn auch nur knappe Be- sichten Uber die romischen Provinzen. Seitdem 

handlung der Benutzer des varronischen Werkes stand die starke Benutzung V.s durch Plinius f est, 

recht verdient gemacht. Im einzelnen sind seine und es fragte sich nur, was bei ihm im einzelnen 

Fragmentzuweisungen und Rekonstruktionen un- Y'. gehort und welches Werk die Grundlage bot. 

sieher, und man hat zuverlassigere Ergebnisse Da dachte Reitzen stein (Herm. XX 51 4S.: 

zu gewinnen versucht. Unsicher muB letztlich 20 Die geographischen Biicher V.s) an die Bucher 8 

doch vieles bleiben sowohl hinsichtlieh der Zu- — 13 der antiquitates, wo mehr nach ethnogra- 

weisung an die antiquitates iiberhaupt, wie be- phisch-historischen als rein geographischen Ge- 

sonders der an einzelne Biicher; denn mit Quel- sichtspunkten der gesamte Erdkreis beschrieben 

lenangabe sind etwa nur 70 Fragmente erhalten, worden sei, weswegen man die betreffenden' Frag- 

zu denen vieles hinzukommt, was mit mehr oder mente V.s bei Plinius, Siervius, Solin, Festus u. a. 

minder wahrscheinlichen Griinden in die antiqui- auf sie zu beziehen habe, nicht auf de or. mar., 

tates eingereiht wird, als Titel einzelner Biicher wie es e h m i c h e n tat; dagegen spreche der 

sind nur 2 genannt, de diebus (Gell. I 25) und Inhalt der vier aus dieser Schrift erhaltenen 

de hello et 'pace (Gell. Ill 25). Kurz sei nunmehr Fragmente und was sich sonst aus ihr gewinnen 

auf die einzelnen Biicher eingegangen, ohne da6 301asse: das zeige den Charakter der Schrift, der 

ich mich auf spezielle Fragen einlassen will. V. nicht geographischer Natur sei, sondern nau- 

sprach im ersten Buch communiter iiber das tische Zwecke, die Belehrung der Schiffer hin- 

ganze Gebiet der res humanae in der Form einer sichtlich der Winde und Wettervorzeichen ver- 

allgemeinen Einleitung, die seine Absichten und folge. Zu anderen Resultaten kam Detlefsen 

Zielie erorterte, den Aufbau des Werkes eingehend in einem ausgezeichneten Aufsatz: Vermutungen 

klarlegte, die philosophische Grundlegung des uber V.s Schrift de or. mar. (Herm. XXI 241 ff.). 

Ganzen gab : in his ipsis antiquitatum prooemiis Er hat die von Plinius in III und IV angewandte 

laBt Cic. Acad. post. I 8 den V. isagen, philo- Anordnung des Stoffes nach vier sinus, die das 

sophiae (more) scribere voluimus. Sodann der feste Geriist seiner Darstellung gibt und auch von 

Teil iiber die Menschen (2 — 7), der abgesehen 40 Mela befolgt wird, weiter auch die ahnHohe Glie- 

von Mirsch (3 Iff.) noeh nicht naher untersucht derung in V und VI mit Sicherheit auf V. zu- 

worden ist. In ihm war die Rede von den Urbe- riickgefuhrt und gegen Reitzenstein mit guten 

wohnern Latiums, von den anderen Stammen Ita- Griinden zu zeigen gesueht, da6 diese den sinus 

liens, im besonderen von den Romern, Roms folgende Erdbeschreibung vortrefflich in ein 

Griindern und ersten Bewohnern, seinen Biirgern, Werk de or. mar. passe. A. K 1 o t z Quaest. Plin. 

Konigen, Magistraten. Sehr viel ist iiber die Bii- geograph. (Quell, u. Forsch. XI, BerL 1906) hat 

cher 8 — 13 de loeis geschrieben worden: wahr- sich ihm hierin nicht angeschlossen, sondern 

scheinlicher als die Gliederung M i r s c h s (34ff.) : Reitzenstein, und hat in vielen Einzelheiten die 

8 de urbe Roma, 9 de foris viis vicis urbis Ro- Quellenfrage wesentlieh gefordert. DaB trotz aller 
mae, 10 de Italiae regionibus, 11 de Italiae bO BemuhvLngen noch vieles unklar bleibt, zeigt 
fertilitate, 12 de insulis, 13 de provineiis ist die Detlef sens letztes Buch, in dem er alle seine 
Reitzensteins (Herm. XX 545ff.): 8 Rom, Pliniusstudien zusammenfaBte und abschloB: die 

9 und 10 wahrscheinlich auch, 11 Italien, 12 das Anordnung der geographischen Biicher des Pli- 
iibrige Europa, 13 Asien und Africa. An diese nius und ihre Quellen (Quell, u. Forsch. XVIII, 
Biicher und die Schrift de or, mar. kniipft nun Berl. 1909; die ganze Reihe seiner plinianischen 
die auBergewohnlich reiche Literatur uber V.s Aufsatze zahlt er 2f. auf). Hier laBt er die Frage 
Geographie an, die sich vor allem mit der Quel- hinsichtlieh einer Benutzung der antiquitates 
lenfrage der Biicher 3 — 6 der N. H. des Plinius oder von de or. mar. unentschieden; gute Re- 
beschaftigt und zu sehr widersprechenden Lo- zension von Klotz GGA 1910, 471ff. Ganz ab- 
sungen geltihrt hat. Oehmichen (De M. Var- 60 wegig sind die Untersuchungen von Schweder, 
rone et Isidore Characeno Act. phil. Lips. Ill der eine Benutzung V.s durch Plinius und Mela 
1873, 399ff.; vgl. auch Plin. Stud, zur geogr. vollig ablehnt und als ihre Hauptquelle ganz 
und kunsthist. Literatur, Miinehen 1880) hat zu- phantastisch die Existenz einer auf Augustus' 
erst auf die groBe Bedeutung V.s fiir Plinius Veranlassung im AnschluB an Agrippas Welt- 
und Mela hingewiesen und sucht zu beweisen, daB karte entstandene Chorographie anninmit (bes. 
beide, wenn sie iibereinstimmen, auf V. beruhen; Philol. XLVI 276ff. XLVII 636ff. LIV 529ff. LVI 
und zwar fiihrt er, was mit Namensnennung V..s 131ff.). tJber Eratosthenes als Quelle fiir die 
bei Plinius zitiert wird, auf die libri legationum, Anordnung der varronischen Chorographie D e t - 



1233 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1234 

lefsen Herm. XXI 263f.; Quell, u. Forsch. B o ,s c h Die Quellen des Valerius Maximus, Stutt- 

XVIII 19ff. 133ff. 159. Klotz 39ff. (auch liber gart 1929. tber Plinius: zu Bueh II: W. K roll 

Polybios). Die Kosmologie des Plinius, Breslau 1930 (V. als 

Die Biicher 14 — 19 de temporihus sind vor Vermittler des Poseidonios). P. RuschDe Var- 

M i r s c h von K e 1 1 n e r Kritische Bemerkun- rone Plinii in 1. VIII auctore, Stettin 1900. N o r - 

gen zu v., RoBleben 1868, 14ff. und Gruppe den Germ. Urgeseh.s 1923, 293. Andere Litera- 

Herm. X 5 Iff. bearbeitet worden. In den Titeln tur iiber Plinius bei Teuffel-KroU IF 

dreier Biicher stimmen alle drei uberein: de die- 286ff. Eine Abhangigkeit des Plinius gerade von 

bus, d& mensihus, de annis. Gruppe und Kett- den antiquitates ist oft nicht sicher zu erweisen 
n e r begriinden ihre Einteilung a;uf die von Cen- 10 oder wahrseheinlich. Am erfolgreiehsten M li n - 

sorinus in c. 16ff. behandelten Zeiten, die sie zer Beitr. z. Quellenkritik d. Naturgesch. d. 

aus den antiquitates herleiten; vgl. auch Hahn Plin., Berl. 1897, 137ff.; er geht anch der Benut- 

De Censorini fontibus (Jena 1905) 17ff., bes. zung griechischer und lateinischer Autoren durch 

34ff., der die Benutzung der antiquitates durch V. nach 151ff. Bber Sueton Reifferscheid 

Censorin im einzelnen nachweist und in der An- Suet. rell. 473; er nimmt, ohne daB er es be- 

ordnung der Biicher sich Gruppe ansehlieBt, weisen kann, starkste Abhangigkeit der prata von 

namlich 14: de aewo, \h de saeculis, 16 de lustris, den antiquitates an. S. auch Wisso wa De Ma- 

11 de annis, IS de mensihus, 1^ de diebus. Beim crob. Sat. font., Breslau 1880. P. Weber Quae- 

letzten Teil de rebus (20 — 25) ist nur ein B^uch stiones Suet., Halle 1903, 32. Willemsen De 
sicher zu benennen: de hello et pace; die tibrigen 20 V'arr. doctr. apud fast, script, vestigiis, Bonn 

hat Mirisch (45ff.) zu bestimmen gesucht. 1906, 8. tJber Servius, Solin, Macrobins vgl. 

Sehr wichtig ist die Prage nach der Erhal- neben Gruppe und Mirsch 66ff. P. Sam- 

tung der res humanae bei den spateren mittel- t e r Quaestiones Varr., Berl. 1891, Zitate aus den 

baren oder unmittelbaren Benutzem. Im allge- res humanae bei Hieronymus Nor den Germ, 

meinen ist auf ihre ganze Reihe G r u p p e (Com- Urgesch.s 1923, 161, 1. tJber V.s Quellen vor 

ment. Momms. 540ff.) und nach ihm Mirsch aUem Mtinzer 151 ff. Zu Eratosthenes s. o., 

eingegangen (47ff.), die festzusteUen siuehten, wer Timaeus: S a m t e r 76ff. Geffcken Timaeus 

direkt und wer indirekt auf V. zuriickgeht, wie Geographie des Westens, Philol. Unters. XIII 

lange die res Mmwnae also noeh gelesen wurden. 74ff. 184. R. Ritter 292ff. Wissowa Ges. 
Die wichtigsten Autoren, die varronisches Gut 30 Abh. 108ff. 

iibermitteln, sind Dionys von Halikarnass, Ver- Leichter ist es, sich dank der genauen An- 

gil, Verrius, Plinius, Sueton, GeUius, Festus, gaben Augustins ein Bild von den 16 Btichern 

Macrobius, Nonius, Censorin, Graromatiker und der res divinae zu machen. V. hat sie dem 

Commentatoren, die Fasteninterpreten. Gruppe Pontifex maximus Caesar gewidmet (Lactant. 

konamt zu dem SchluB, daB im 1. und 2. nach- inst. I 6, 7. Aug. C. D. VII 35). Also sind sie 

christl. Jhdt. das Werk noch stark gelesen wurde, nach dem J. 63 verfaBt, ferner vor 47, als er 1. 1. 

im dritten aber infolge der Erhaltung des Wich- begann; denn dort zitiert er sie VI 13 und VI 18. 

tigsten durch seine direkten Benutzer verschoUen M e r k e 1 (CXff .) hat als Termin der Zueignung 

ist. Die Abhangigkeit von den antiquitates ist den Herbst 47 wahrseheinlich gemacht mit dem 
fiir viele Sehriftsteller aneh in Monographien 40 Hinweis, daB am ehesten die Zeit nach der 

nachgewiesen worden: iiber Dion. Hal. A. KieB- Versohnung zwischen Caesar und V. in Frage 

ling De Dionysii auctoribus latinis, Bonn 1858, kommt. Ganz sicher ist das allerdings nicht, denn 

38ff. Dion. Hal. zitiert V. zuerstI14, 14: BaQQcov schon wahrend des spanisehen Krieges laBt Cae- 

h aQxaioXoylaig. KieBling fiihrt Dionys' Er- sar (bell. civ. II 17, 2) V. sagen . . . necessitudinem 

zahlungen von Stadtegriindungen in Latium, den quidem sibi nihilo minorem cum Gaesare inter- 

Irrfahrten des Aeneas, den albanischen Konigen, cedere; ihre nahen Beziehungen liegen also bereits 

der romischen iStadtgrundung auf die antiqui- vor dem Biirgerkriege. DaB V. die res divinae den 

tates zurtick; s. auch Schwartz o. Bd. V res humanae nachstellte, begriindet er C, D. VI 

S. 961: Es ist liberaH dasselbe Verhaltnis; die 4, die divinae res seien von den Menschen ein- 
sagengesehichtlichen Konstruktionen des Dionys 50 gerichtet, daher spater als die civitates entstan- 

setzen V.s Forschungen voraus, arbeiten, zum den und er woUe nicht tiber die Gotter im all- 

groBen Teil wenigstens, mit seinem Material; gemeinen, sondern tiber die des romischen Volkes 

aber sie sind nicht eine einlache Wiedergabe des sprechen. Seine Absichten waren nicht eigentlich 

groBen romischen Antiquars, sondern geringwer- religionsgeschichtlich, sondern praktisch und be- 

tige Umbildungen, fiir welche Dionys selbst ver- zogen sifii auf die Handhabung deis gottesdienst- 

antwortlich zu machen ist. A. Jacobson Das lichen Kultes. Er rtihmte es als sein Verdienst, 

Verhaltnis des Dion. Hal. zu V. in der Vorgesch. seine Mitbiirger unterwiesen zu haben, quare 

Roms, Dresden 1895. tJber Vergil: R. Ritter cuique deo suppUcandum esset, quid a quoque 

Diss. Halle XIV 287ff. Uber Verrius Flaccus: esset petendum (C. D. VI 1), indem er feststellte, 
Reitzenstein Bresl. philol. Abh. I 4. 1887, 60 ^wam quisque deus vim et facultatem et potesta- 

22ff. Mercklin Index Lect. Dorpat. 1859, der tern cuiusque rei habeat. ex eo enim poterimus 

die Bemerkungen des Festus iiber die corona mi- scire quern cuiusque causa deum invocare atque 

litaris auf die res humanae zuruekfiihrt. Kriegs- adorare debeamus, ne faciamus ut mimi solent, et 

hammer De Varr. et Verrii fontibus, Comment. optemus a Libero aquam a Nympha vinum (C. D. 

Jen. 7, 1. 73ff. tiber Valerius Maximus Cicho- IV 22); vgl. Wis so wa Ges. Abh. 321. 

rius Conmient. Ribbeck. 1887, 429. Mtinzer Wie den res humanae schickte V. den res 

Beitr. 109; s. auch die meines Erachtens nicht divinae ein allgemeines einleitendes Buch vor- 

beweiskraftigen Quellenuntersuchungen von CI. aus: unum singular em qui prius de omnibus lo- 



1235 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1236 

queretur apposuit (C. D. VI 3). Dann folgen Georg. I 21. Ag. 165, 3fE.) als Verzeiehnisse der 
5 Teile zu je drei Btichern: 27 — 29 de homini- Priester, in denen angegeben war, welehe Got- 
bus (qui exhibeantjy de pontifleibus, de auguribus, ter, unter welchen Formeln, von welehen Men- 
de quindeeimviris sacrorum; 30—32 de locis (ubi schen nnd zu weleher Zeit angerufen werden 
exhibeant)^ de sacelUs, de sacris aedibus, de locis miissen, W i s s o w a als Anrufungsformeln flir 
religiosis; 33 — 35 de temporibus (quando exhi- den Gebraucli der Staatspriester (Herm. LVI 122). 
beant), de feriis, de ludis cireensibus, de scaeni- Die Versuche, in der Teilung naoh di certi und 
cis; 36 — 38 de sacris (quid exMbeant), de conse- incerti einen Begriff des romischen Volksglaubens 
crationibuSj de sacris privatis, de sacris publicis; oder der pontifikalen Theologie und nicht ein von 
39___41' (le diis (quibus exhibeant), de diis certis, 10 V. eingefiihrtes Ordnungsprinzip nachweisen zu 
de diis incertis^ de diis praecipuis ac selectis. woUen (s. z. B. v. D o m a s z e w s k i Arch, f . Rel. 
Nach Popma untemahm M e r k e 1 in seiner Aus- X14. Bickel Der altrom. Gottesbegriff, Lpz. 
gabe der Fasten Ovids (Berl. 1841, CVI — 1921, 63fE.) sind gescheitert; s. den vorztigliehen 
GCXLVII) eine neue Sammlung; er trug auBer- Aufsatz von Wi/ssowa Herm. LVI 113ff. Zu 
dom sehr fleiBig alles zusammen, was nach dem den di certi auch W i s s o w a Echte und falsche 
Erhaltenen zu sohlieBen in den Biichem erortert Sondergotter in der rom. Religion, Ges. Abh. 
gewesen sein mufi und maehte den Versuch einer 304ff . und W. F. Otto Rom. Sondergotter, Rh. 
Rekonstruktion des Inhalts, allerdings mehr mit Mus. LXIV 449ff . ; vgl. W i s s o w a Die Uberlie- 
Riicksicht auf die Erklarung Ovids als die Y.s. ferung tiber die rom. Penaten, Ges. Abh. 95ff. 
Flir einzelne Bticher, und zwar die durch Augu- 20 Di^e Hkuptquelle flir die Kenntnis der 4 von 
stin besonders gut bekannten ist Merkels Agahd behandelten Biicher der res divinae ist 
Sammlung durch neuere Versuche verbessert und Aug. C. D. IV, VI u. VII, der auch die Ga^und- 
ersetzt worden. Die Reste des 16. Buches der lage fiir Agahds Rekonstruktion bildet. Da- 
res divinae hat E. Schwarz De Varronis neben hat er, wie .schon S c h w a r z vor ihm, 
apud. s. patres vestigiis, Jahrb. f. Philol. XVI Tertull. ad nat. 11 und Laetant. inst. I heran- 
zusammengestellt, die des ersten Schmekel gezogen. Tertullian kennt V. teils durch eigene 
Die Philosophie der mittleren Stoa 104ff., die des Lektiire, teils, wie Lactanz iiberhaupt, nur durch 
1. und 14. bis 16. Agahd Suppl. Jahrb. t eine christliche Mittelquelle. Da diese Haupt- 
Philol. XXIV; die igrammatischen Fragmente quellen fiir die ubrigen Bticher nieht in Frage 
auch GRF 233ff. Agahd hat sieh neben der Re- 30 konmien, ist man bei ihnen nur auf gelegentliche 
konstruktion der Bticher vor allem auch wie Zitate, vor allem bei Gellius, Servius, Festus, 
Schmekel um die Frage der Quellen V.s bemtiht Nonius, Macrobius angewiesen, die nur wenig 
und sichere Ergebnisse ftir die von ihm behan- ausgeben. Viel ist gesehrieben worden tiber die 
delten vier Biicher gewonnen, wahrend der Inhalt Abhangigkeit der Fasten Ovids von den res 
der tibrigen infolge der ktimmerlichen Reste dun- divinae, die Merkel zuerst behauptet hat und 
kel bleibt. V. gab im ersten Buch die Absioht des dann Chr. H ti 1 s e n Varron. doctr. quaenam in 
Werkes an, die Disposition, den Grund, aus dem Ovid. Fastis vestigia extent, Berl. 1880, naher 
er die res divinae den res humanae nach- begrtindete. Dagegen suchte, in der gleichen 
stellte, die Scheidung in di© 3 genera theologiae, Weise wie Litt hinsichtlich der Aetia Plutarchs 
das mythicon, physicon und civile, unter denen 40 Wint her (De Fastis Verri Fl. ab 0. adhibitis, 
er aUein dem dritten genus eine wahre Einsicht Berl. 1885) zu beweisen, daB Ovid seine gesamten 
in das Wesen der Gotter zuerkennt, und identi- antiquarischen Kenntnisse dem Kalenderkommen- 
fiziert den Gott der Philosophen mit dem lup- tar des Verrius Flaccus, von dem durch die Fasti 
piter der Romer und dem einen Gott, den die Praenestini groBe Sttieke erhalten sind, verdanke. 
Juden ohne Bilder verehren (Nor den Varro Die Annahme hat vielfach Anklang gefunden, ist 
uber den Gott der Juden, Festgabe Harnack, Tu- aber doch recht unsicher und zumindest stark 
bingen 1921, 298f.). In 14 — 16 spricht er tiber tibertrieben. JedesfaUs hat Ovid V. neben Ver- 
die di certi und incerti^ welehe die Gesamtheit rius weitgehend herangezogen, wenn nicht gar 
der romischen Gotter umfassen und die di selecti, ausschlieBlich; die Benihrungen mit Verrius las- 
3 termini, die Agahd nach dem Vorgang W i s - 50 sen sich gut aus dessen Abhangigkeit von V. er- 
sowas (zu Marquardt Staatsverw. III^ 9 klaren. S. auch Schmekel De Ovid. Pythag. 
A. 4) klargestellt hat. Unter den di certi hat V. doctrinae adumbratione, Greifswald 1885, 15f£.; 
nach C. D. VII 17 (Ag. 128f.) die Gotter ver- weitere Literatur tiber diese Frage zuletzt bei 
standen, tiber die er etwas sicheres aussagen kann, E. Martini Einl. zu Ovid, Prag 1933, 46. Ab- 
und teilt sie nach ihren Punktionen in bestimmte gesehen von den lateinisehen sachlich-historischen 
Gruppen, innerhalb deren die Gotter aufgeftihrt und sakralen QueUen und weiter von der sehr 
sind in der zeitlichen Abfolge der Handlungen, betrachtlichen eigenen historischen Konstruktion 
mit denen ihre Wirksamkeit verknupft ist, unter V.s, die sich auf Analogieschltisse und besonders 
den di incerti die, von denen er nur unsieheres die etymologische Erklarung grtindet, ist ftir 
ausziisagen vermag, unter den selecti endlich eine 60 die res divinae die Theologie der Stoa von 
Reihe von 20 besonderen groBeren Gottheiten, groBer Bedeutung gewesen, zumal in den Bti- 
die er aus der Gesamtzahl herausgriff und im chern tiber die Gotter, wo V. hinsichtlich der 
16. Buch ftir sich behandelte. Wissowa (Re- naturalis theologia dem Poseidonios gefolgt ist; 
ligions 67ff.) hat gezeigt, dafi V. in 14 und 15 vgl. bes. Agahd 84S. Schmekel Mittl. Stoa 
das genus mythicon und civile, in 16 das genus 132ff., s. aber auch Dahlmann Problem. V 
physicon, die naturalis theologia betrachtete. Wei- 24ff. Auf EinfluB des Antiochus von Askalon in 
ter erklart Agahd (130ff.) den von V. ange- der Minervaallegorese (S. 188 Ag.) und in der 
wandten Begriff der indigitamenta (vgl. Serv. Anschauung von der Seelenstufung (S. 200 Ag.) 



1237 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1238 

weist Theiler (Problem. I 19. 40 und 54, folgte, sodann Telxion, als siebenter war Thuria- 
3) bin. cus genannt (C. D. XVHI 2 = 10 P); daran 
b) De gente populi Romani. DaB diese Schriit schloB sich die argiyiscbe Liste, beginnend mit 
vier Biicher umfafite, sagt Arnob. V 8, dureh den Inaehus, dessen Tochter lo als Isis in Agypten 
gleichzeitig auch die Abfassungszeit annahemd gottlichi verehrt wurde (XVIH 3 c= 11 P), Phoro- 
gesichert ist dadurch, daB V. vom Consulat des neus, dessen Mh verstorbener Baruder Phegeus 
Hirtius und Pansa sprach; also hat er 43 wohl wie sein Nachfolger Apis (Sierapis) vergottlicht 
nach Beendigiung von 1. 1. oder gleicbzeitig damit wurden (XVIII 3 = IIP und XVIII 5 = 13 P), 
sich mit dieser genealogischen Arbeit besehaf- Argus (XVIII 6 = 13 P), Eriasus, Phorbas, 
tigt. In gewissem Sinne hat V. hier eine Ergan- 10 Triopas, Crotopus und als neunter Konig, mit 
zung von de vita populi Romani gegeben; be- dem die Reihe der Inaehiden aufhort, Sthenelas 
schrieb er dort die kulturelle Entwicklung des (XVIII 8 = 6 P). Eigentlich folgen nun Danaus 
fertig gebildeten romisehen Volkes, so gibt er und sein Geschlecht, sodann die Pelopiden, je- 
hier die Vorstufen dazu: die Geschichte der doch ist es sehr leieht moglieh, daB V. sie ganz 
Abstammung, der Herkunft des romisehen Vol- iibergangen hat und an die Inaehiden sogleich 
kes; er verfolgt sein ysvog, ein Gesiehtspunkt, der die athenische Konigsliste angefiigt hat (Frac- 
wie im Leben des einzelnen so eines ganzen Vol- caro 148), mit der oder der argivischen Liste 
kes notwendig neben den ^log, die Lebensweise er vielleieht das zweite Buch anfing; die Eeihen- 
tritt. Von den verlorenen Werken V.s gehort de folge C. D. XVIII 2, wo aber die argivische 
gente populi Romani zu den infolge der groBen 20 Liste weggelassen ist: ab his enim Sicyoniorum 
Zahl der Zitate am besten im Inhalt kenntliehen; regihus ad Athenienses pervenit, a quibus ad La- 
Oharisius, der letztlioh wohl auf Plinius dub. tinos, inde Romanos. Unter den attischen K6- 
serm. zuruckgeht, nennt es viermal, funfmal nigen war der erste Cecrops (C. D. XVIII 8 
Servius im Vergilkommentar, einmal Amobius, == 6 P), unter dem Athen seinen Namen erhielt 
einmal f erner mit isehr wichtigen Bemerkungen (Streit zwisehen Neptun und Minerva C. D. XVHI 
Censorin 21, 1, der zwar nur den Namen V. 9 = 7a P. XVIII 10 = 7b P), sodann Cranaus 
nennt, aber gewiB aus de gente populi Romani (C. D. XVIII 10 ^ 10 P), in dessen Zeit die Flut 
berichtet, wie die nahen tTbereinstimmungen mit des Deukalion gehort, und vielleieht auch die 
Augustin lehren (dagegen Frick BerL Phil. W. Benenmmg des Areopags (C. D. XViniO= 8P). 
1910, 1023; 1911, 1323ff. und vor ihm Frae-30Der dritte, Amphiktyon, wird in den Ftagmenten 
caro lOOff.), ohne dessen reiche Exzerpte in nicht erwahnt und aus der ganzen Reihe der 
C. D. XVIII uns nur wenig geholfen ware. Um 15 Cecropiden tiberhaupt nur noeh der vierte, 
die Geschichte der Herkunft des romisehen Vol- Erichthonius, von dessen eigenartiger Geburt er 
kes klarzulegen und sie in die Genealogie der erzahlt, der weiter in Attica Spiele ftir Apollo 
heUenistisiehen Tradition einzureihen, hat V. und Minerva einrichtete (CD. XVIII 12 = 13 P); 
sehr weit zuruckgegriffen bis an den Anfang der gewiB ist aber V. hier vollstandig gewesen und 
Menschheitsgeschichte tiberhaupt und 3 Epoehen hat die Liste herabgefiihrt bis zum troisehen 
ihres Verlaufes unterschieden, das erste Intervall Krieg, standig die mythologischen Berichte, die 
ab hominum principio ad cataclysmum priorem ftir seinen genealogischen Zweck von Wert waren, 
{XQovog adr)Xog)j das zweite von der Flut des Ogy- 40 dort einreihend, wo sie der Tradition nach hin- 
gius bis zur ersten Olympiade (xQovog fjivS'iTcog), gehorten (C. D. XIVIII 12 = 13 P). Es ist anzu- 
das dritte von der ersten Olympiade bis in seine nehmen, daB er das dritte Buch mit der lauren- 
Zeit {xQovog iaroQiKog)-, vgl. frg. 3 P = Censor. tischen Konigsliste begann, wenn auch die An- 
21, 1. Wie sich die Darstellung dieser Epoehen fange der italischen Geschichte noch vor den troi- 
innerhalb der vier Biicher abtrennte, ist nur an schen Krieg gehoren (Fraccaro zieht C. D. 
zwei Stellen durch Augustin zu ersehen, einmal XVIII 15 == 14 [S. 20] P noch nach 2), die 
sagt er, das alteste Faktum, von dem man berich- Zeiten des ersten Konigs Pieus, des Sohnes Sa- 
ten konne, sei die Flut des Ogygius: inde exor- turns oder des Stereus und seines Nachfolgers 
sus est librum, also doch das erste Buch, so daB Faunus. Nach der Zerstorung Troias bereits re- 
das adrjXov nur kurz als Einleitung berlihrt ge- 50 gierte Latinus, der Sohn des Faunus, mit dem 
wesen sein kann (C. D. XVIII 8 '= 5aP); femer die Reihe der latinischen Konige einsetzt (C. D. 
hat er das zweite Buch abgesehlossen mit dem XVIII 16 = 17 P). Da hat V. von den Irrfahrten 
troianischen Krieg {hae tabulae bellum usque ad der Helden erzahlt, von Diomedes Aiikunft in 
Troianum, ubi secundum librum Marcus Varro Italien, von Ulixes bei Circe, von den Arkadern 
de populi Romani gente Hnivit (14 P = C. D. unter Euander und vor alien von Aeneas, der mit 
XVIII 13). Fur die Grenzen von Buch 1 und 2 20 Schiffen nach Latium kam und dem Latinus 
und 3 und 4 lassen sich lediglich Vermutungen in der Herrschaft folgte; aus dem Bericht iiber 
aufstellen. Das chronologische Genist ftir die seine Regierung ist nichts erhalten, nur seine 
Aufreihung idler mythologischen Tatsachen bil- Apotheose ist (C. D. XVIII 19 = 17 P) erwahnt 
deten die Konigslisten, und zwar begann V. hier 60 und seine Nachfolger Ascanius und Silvius, nach 
nach der ogygischen Flut, bei deren Erwahnung dem man die Nachfolger Slilvier nannte. Endlich 
er gewiB auch von der Gnindung Thebens ge- folgte nach der Grlindung Albas die albanische 
handelt haben wird, mit der sikyonischen (C. D. Liste, in die der zwolfte Nachfolger des Aeneas, 
XVIII 2: erat etiam tempore illo regnum Si- Aventinus, gehort (C. D. XVIII 21 == 17 P); 
cyoniorum admodum parvum, a quo ille unde- ihm folgte Procas (Serv. Aen. VII 657 =18 P). 
cumque doctissimus M. Varro scribens de gente Die albanischen Konige reichen hinab bis zur 
populi Romani, velut antiquo tempore, exorsus Griindung Roms und mit dieser beginnt die ro- 
es t), deren erster Aigialos war, dem Europs mische Konigsliste. Am liebsten wird man den- 



1239 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1240 

ken, daB Buch IV mit diesem Datum einsetzte, lionischen Flut, die in die Zeit des Inachus fallt, 

aber es ist iingewiB, ebenso wie zu bestimmen, bis znm Consulat des Hirtius und Pansa keine 

was V. iiberhaupt noch alles vorgebracht haben 2000 Jahre vergangen seien. Die dritte Angabe 

wird und wo er isein Ziel gosetzt hat; K e 1 1 n e r (CD. ,XII 48 = 4 P) besagt, daB genethliaci 

(55) denkt an die Vertreibung der Konige, F r a c- quidam, von denen V. redet, die Lehre einer 

c a r (76) laBt die Frage unentschieden. Aus der Palingenesie vertraten, derzuf olge alle 440 Jahre 

altesten romischen Zeit hat Augustin gar nichts dieselben Menschen wiederkehren; daB V. ihr 

erhalten, nur ein paar kulturhistorische Frag- gefolgt sei, ist jedoch nicht gesagt. Folgt man 

mente aus Servius gehoren hierher, die von der Gensorin, so hat V. das Buch II mit dem J. 1176 
Benennung des Aventin (18 P), von den Speise- 10 geschlossen, das Buch IV vielleicht mit dem ioro- 

gebrauehen (Aen. VII 176 = 21 P), von der Qi>e6g xQovog begonnen, fiir den Beginn des zwei- 

'pura hasta (Aen. VI 760 = 22 P), von den ludi ten steht nichts fest (Inachus?). Diese ganze Be- 

circenses in den altesten Zeiten (Georg. IV 18 reehnung hat aber Peter 231ff. abgelehnt und 

== 23 P) berichten. nach Aug. C. D. XXII 28 eine andere Epochen- 

Soviel liber den chronologischen Aufbau, durch lehre recht scharfsinnig aufgestellt, die jedoch 

den die gens populi Eomani in die uralte mytho- an Augustin keinen Halt findet, und Gensorin 

logische Tradition des griechisehen Volkes mit und Arnobius absolut wider spricht. Daher ist sie 

eingegliedert wird. Diese Abstammung seines mit Recht allgemein wegen ihrer Unsicherheit 

Volkes zu zeigen war der eigentliche Hauptzweck, abgelehnt worden (Fraccaro 91 ff. MrasN. 

neben den aber manches andere Moment tritt, 20 Jahrb. 1909, 86. Klotz GGA 1908, 828. 831). 

das aus den Uberresten deutlich wird. Einmal Peter teilt den iiv&Mog xQovog in drei Perioden 

erhebt V. des of tern den Anspruch darauf, den zu je 440 Jahren, sieben griechisehen Menschen- 

poetae und fabulae, der fabulosa ratio, den fa- altern zu je 63 Jahren, 2073 — 1663, von Ogygius 

bulosa figmenta entgegen zur historia, den res bis Deukalion (Buch I), von da bis zum troischen 

gestae, der historica ratio zu dringen, bei allem Krieg 1193 (Buch II), und endlich bis zu Roms 

auf dem Wege der ratio das Wahre von der poe- Grundung 753 (Buch III). Fur die dritte Periode 

tischen Ausgestaltung zu trennen (s. z. B. 6. 7 b. fehlten zwar in den Fragmenten genaue Zeug- 

8 P), also als Historiker an seinen Stoff heran- nisse, doch es sei so gut wie sicher, daB V. hier 

zugehen, eine Tendenz, in der es auch liegt, daB die von den Griechen herausgerechnete Zahl 440 

er die Gotter als gottlich verehrte Menschen von 30 nach romisch-etruskischer Vorstellung in vier sae- 

hervorragenden Verdiensten erklart, z. B. Mer- cula von je 110 Jahren zerlegte, wobei man aller- 

cur, Herkules, Minerva (G. D. XVIII 3 = 6 P), dingis nicht sagen konne, welche Marksteine er 

Dionysusi (G. D. XVIII 12 == 13 P); auch die dann in der Geschichte Roms angenommen habe. 

Apotheose der Konige erwahnt er (z. B. XVIII Es ist zu bedauern, daB man infolge der Art der 

=s 6 P. XVIII 3 = 11 P. XVIII 5 = 13 P. augustinischen Zitate iiber die chronologischen 

XVIII 6 = 13 P. XVIII 15 = 14 P), so haufig, Berechnungen V.s so wenig aussagen kann; denn 

daB man sich fragen muB, von welcher Wichtig- daB sie recht ausfiihrlich erortert wurden, wis- 

keit dies fiir die Frage der Aufdeckung der ro- sen wir: Gensorin riihmt, daB er die bei andern 

mischen gens gewesen sein kann. Als niichtern Autoren herrschende Unsicherheit der Chrono- 

beurteilender Forscher lehnt er alle Geschichten 40 logic innerhalb der historischen Zeit durch den 

ab, die den Gottern Unziemliches zumuten, Vergleich mit der Chronographie anderer Staaten 

ne deorum naturae seu moribus credat in- und Berechnung der Finsternisse beseitigt habe 

eongrua (CD. XVIII 10 = 7 b P; vgl. auch und so eine genaue Fixierung der historischen 

XVIII 13 = 14 P, Geschichte von Jupiter und Ereignisse nicht nur bis auf Jahre, sondern so- 

Ganymedes). Ein beliebtes Mittel seiner eigenen gar bis auf die einzelnen Tage herbeigeftihrt 

historischen Deutungen ist hier wie immer die habe; auch Arnobius weiB von seinen sorgsamen 

Etymologic (XVIII 10 = 8 P. XVIII 5 = 14 P), Berechnungen. 

und wichtig endlich fur seine Absicht, die romische Die wichtigste Quelle V.s sind die xQO'^t^<^ 

gensin denZusammenhangderaltenGeschichteein- des Kastor von Rhodes, der in sechs Biichern 

zubauen, die kultureUe AnkniipfungRoms an die an- 50 in tabellarischer tlbersicht die orientalische, grie- 

deren Volker aufzuweisen, quid a quaque traxerint chische und romische Geschichte bis hinab in 

gente per imitationem (Serv. Aen. VII 176 = 21 P; seine Zeit fiihrte. Sein Endpunkt ist das J. 61/60; 

vgl. hierzubes. Pe^erRh. Mus. LVII241f.). Recht sein Anfang liegt im Gegensatz zu alien alteren 

schwer ist eine Antwort auf die Frage nach dem griechisehen Ghronographen nicht beim troischen 

chronologischen System, das die Schrift beherrscht. Krieg, sondern in der ganz friihen Zeit der Herr- 

In drei Fragmenten wird es beriihrt, bei Gensor. schaft des Ninus tiber die Assyrer, des Aigialeus 

21, 1, der fiir den xQovog adrjXog keine Zeit an- iiber Sikyon; vorher noch geht die ogygische 

gibt, fiir die zweite Periode von der Flut des Flut. Diesen Anfangspunkt haben die vorvarroni- 

Ogygius bis zur ersten Olympiade ungelahr schen romischen Ghronographen, Gornelius Nepos 

1600 Jahre; danach ist ihr Anfang ins J. 2376 60 in seinen Ghronika und Atticus, der erst bei der 

gesetzt. Von da bis Inachus seien es etwa Griindung Roms beginnt, nicht; an sie hat V. 

400 Jahre (1976), dann ist im Text Gensorins sich also nicht gehalten, wohl aber an Kastor, 

eine Liicke, die Peter entsprechend (Rh. Mus. der im frg. 6 P (G. D. XXI 8) einmal erwahnt 

LVII 239) ausfiillte, von Inachus bis zum troi- wird, von dem V. den gesamten Aufbau der 

echen Krieg 800 Jahre (1176), und endlich bis Konigslistenfolge tibernommen hat: nur er hat 

zur ersten Olympiade 400 Jahre (776). Dazu den gleich friihen Ausgangspunkt und die gleiche 

stimmt frg. 9 P = Arnob. V 8, V. habe euriosis Reihenfolge der sikyonischen, argivischen, atti- 

computationibus errechnet, daB von der deuka- schen, albanischen, romischen Listen; nur die Wei- 



1241 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1242 

terfiihrunig bis in die republikanische Zeit und mani, insofern V. dort die Herkunft des ganzen 

die Einbeziehung der assyrischen Gesehichte fehlt Volkes, hier die einzelner Familien auf troisehen 

bei ihm allem Anschein nach (vgl. neben den Ursprung zuriickfuhrte. Daher wird man auch 

unten genannten Werken hier aueh Wachs- ihre Abfassung am besten in die gleiche Zeit 

mu th Einleitung 139ff.). Ftir die Herkunft der setzen. W. A. Baehrens (Herm. L 264, 1) denkt 

mythologischen Partien kann man niehts Sicheres allgemein an caesarische oder gar augusteische 

aussagen, in dem Gedanken, daB V. eifrig naeh- Zeit. Da6 V.s Forschung hier einem Zweig der 

geforscht habe, quid a qiiaque traxerint gente Untersuchungen iiber die Gesehichte romischer 

(Romani) per imitationem (frg. 21 = Serv. Aen. Patrizierfamilien entgegenkommt, die auf altesten 
VII 176), also die Feststellung der svQszal und 10 Ursprung Anspruch erhoben, hat schon Ritschl 

CrjXcoml hat Wendling (Herm. XXVIII 347) (III 464) richtig erkanut und bereits einige Be- 

einen EiniluB des Poseidonios auf V. sehen wol- lege dafiir angegeben, so wies er auf die genea- 

len, doch ist bei der auBerordentlich gering- logischen Monographien des Atticus (Nep. 18, 3), 

fugigen Bedeutung, die dies Moment in den er- der in Einzelsehriften die Familien der lunier, 

haltenen Zitaten spielt, schlechterdings niehts Marceller, Fabier und Aemilier a stirpe ad hane 

sicheres zu bestimmen; und wenn Wendling wei- aetatem or dine enumeravit, auf das Buch des 

tere Stiicke aus dem Serviuskommentar, die einen Messalla Corvinus de Romanis familiis und die 

entsprechenden Inhalt haben, auf de gente populi mit V.s Arbeit gleichnamige Schrift des Hygin 

Romani zuruckfiihren will, so ist Infolge der (Serv. Aen. V 389). Er hatte auch noch etwa 
Tatsache, daB V. Dinge, die von einer romischen 20 auf das interessante Stiick aus der Leichenrede, 

imitatio sprechen, auch in vielen anderen Schrif- die Caesar im Jahre 68 seiner Tante lulia hielt, 

ten vorgetragen haben kann, auch hier leider aufmerksam machen konnen, wo er mit dem Stolz 

alles Vermutung. F r i c k 74 denkt an eine Be- des Patriziers seine vaterliche Familie von Venus, 

nutzung verschiedener Werke des Periegeten Po- der Mutter des Aeneas, entstammen laBt (Suet, 

lemon durch V.; daB das nur eine Moglichkeit Caes. 6), wie es julische Mtinzen mit dem Bilde 

ist, die unbewiesen bleiben muB, hat F r a c - der Venus bereits im 2. Jhdt. taten. 

c a r 241 bereits gesagt, der im besten Fall nur Namentlich erhalten ist nur ein Fragment bei 

eine indirekte Benutzung durch eine spatere Mit- Serv. Aen. II 166, auf das er dann ofters wieder 

telquelle annehmen will. Bei aller Abhangigkeit hinweist (III 407. IV 427. V 67. 704). Wahrend 
von der griechischen Forschung ist doch endlich 30 Aeneas in Calabrien opferte, nahte Diomedes, um 

nicht die starke eigene Note zu vergessen: V. ihm das Palladium, das ihm nur Gefahr gebracht 

steht hier noch mehr auf eigenen FuBen als in habe, zuruckzTigeben. Aeneas habe, um das Opfer 

de vita. populi Romani. Dort handelte es sich um nicht zu ,storen, sich mit verhiilltem Haupte ab- 

die Nachahmung einer griechischen Schrift des gewandt, und Nautes das Heiligtum in Empfang 

gleichen yhog^ hier hat er ja ganz andere Ziel- genommen, bei dessen Nachkommen, der romi- 

setzungen als Kastor; er will nicht eine Chrono- schen Familie der Nautier, der Kult der Minerva 

graphic lief ern, sondern sie ist ihm nur ein Mit- auch geblieben sei. Vergil erzahlt diese Gesehichte 

tel zur Erfiillung seines national romischen nicht, aber bei seiner Kenntnis V.s, ist es anzu- 

Zweckes, sie gibt ihm nur die Moglichkeit, die nehmen, daB er an anderen Stellen ahnlichen 
Herkunft des romischen Volkes bis in die" weiteste 40 Inhalts de familiis Troianis herangezogen hat, 

Vergangenheit zuruckzufiihren. Das ist ein dem Mnestheus, genus a quo nomine Memmi (V 117), 

Griechen fern liegender Gedanke und so erklart Sergestus^ domus tenet a quo Sergia nomen (V 

es sich, daB es in ihrer Literatur auch keine 121), Cloanthus, genus unde tibi, Romane, Cluenti 

Schrift gibt, deren Titel dem varronischen ent- (V 122) vgl. Peter II, XXXIII; auch Serv. zu 

sprache. — Der erste sorgfaltige Versuch einer V 118: Gegania a Gya eomite Aeneae. Da ferner 

Sammlung der Fragmente riihrt her von H. die gens Nautia auch bei Paulus p. 167 als troisch 

Kettner Varronische Studien, Halle 1865, bezeichnet wird, eine Notiz, ftir die ja die Her- 

38ff., dessen vielfach unkritische Behandlungs- kunft aus de familiis Troianis sicher ist, ist es 

weise durch die eingehende Analyse C. Fricks ebenfalls recht wahrscheinlich (Ritschl 446), 
Die Quellen Augustins im 18. Buch de Civ. Dei, 50 auch fur die anderen derartigen Notizen eine Be- 

Hoxter 1886, iiberholt wurde, der gegenuber die nutzung dieser Schrift durch Verrius Flaccusan- 

Sammlung Peters Hist. Rom. rel. II lOff., zunehmen, p. 23 gens Aemilia, 44 Caecilia, 55 Clo- 

keinen wesentlichen Fortschritt bedeutet (nach dia. Hingegen hangen ganz in der Luft die An- 

Peters Sammlung zitiere ich die Fragmente, da nahme von Baehrens 263ff., der Serv. Aen. IV 

sie am leichtesten zuganglich ist). Um den ge- 682 und V 4 unserer Schrift zuweist, Stellen, die 

nauen Aufbau des Werkes, der aus den genann- mit dem Thema absolut niehts zu tun haben, und 

ten Sammlungen nicht deutlich wird, bemuhte damit auch die weiteren Kombinationen, die er 

sich zuerst Fraccaro SItudi Varroniani. De daran ankniipft, daB er namlich Fragmente die 

gente populi Romani libri IV, Padua 1907, der Irrfahrten des Aeneas und seiner Gefahrten be- 
mit groBer Gelehrsamkeit alles irgendwie das 60 treffend (was hat das mit den troisehen Familien 

Thema Beruhrende aus dem Kreis des varroni- zu tun?), die nicht in den ersten Biichern der 

schen Gutes heranzog. Das hat den Nachteil, daB Archaologie des Dionysius stehen, der die var- 

Fraccaro bisweilen in der Ftille erstickt und ronisehen antiquitates benutzte, de familiis Tro- 

V. vieles zuschreibt, was nicht hierhin gehort; ianis zuweisen will. 

s. die gute Besprechung von Klotz GGA 1908, 827. Fragmente bei Peter Hist. Rom. rel. II 9; 

c) De familiis Troianis. Diese Schrift in meh- vgl. sonst noch W i s s o w a Herm. XXII 40ff. 

reren Biichern, deren Titel Serv. Aen. V 704 zi- und zur Nautierstelle: Samter Quaest. Varron. 

tiert, ist eine Erganzung von de gente populi Ro- 11 — 17. 



1243 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1244 

d) De vita populi Eomani, Ein Wexk dieses etymologisehe Deutung, aus deren so leeht triige- 

Titels, das nach dem Katalog vier Biicher um- rischer Art er den Sinn einer Sache erkennen will. 

fafite, widmete V. (Charis. GL I 126, 25; B. I Oft hat er gewifi gute Kenntnisse, oft aber sind 

frg. 1 Kettn.) dem Atticus, Ciceros getreuem diese Anschauungen seiner Zeit reine Konstruk- 

Frennd. VexfaBt hat er es nach dem Beginn des tionen. Denn Yor alien Dingen tritt ein Zng der 

Biirgerkrieges 49, da in den erhaltenen Frag- Gelehrtennatur V.s, der auch in 1. 1., wenn er auch 

menten IV 5 und IV 6 auf Pompeius' Weggang dem Inhalt dieser Arbeit entsprechend recht zu- 

aus Italien und Caesars spanisehen Krieg hinge- riicktritt, vorhanden ist, hier mit ganzer Deut- 

wiesen wird. Der Terminus ante quern ist der lichkeit in seiner beherrschenden RoUe in Er- 
Tod des Atticus im J. 32. Kettner (4) ver- 10 scheinung: die nationale Tendenz, die mit einem 

mutete als Entstehungsjahr 43, wo V. de genie gewissen Recht romantisch genannt werden kann. 

fCfpuli Romani, dessen Inhalt mit de vita populi Der Hauptzweck der kulturhistorischen Forschung 

Eomani eng verwandt ist, publizierte; die gleich- V.s ist nicht die Mitteilung der Tatsachen, son- 

zeitige Bearbeitung zweier sich nahe beriihrender dern der nationale Wert, der in diesen liegt: da& 

Gebiete ist wahrscheinlich, mehr aber auch nicht. alte Leben ist fiir ihn deswegen so bedeutend, 

DaB die wichtige Schrift immerhin gut kenntlich weil er in ihm den Angehorigen seiner, wie er 

ist, ist bis auf ganz wenige Zitate des Servius, meint, auBerlich und innerlich herabgesunkenen 

Charisius, Priscian lediglich Nonius zu verdanken, Zeit das Bild der Vergangenheit einer ganz 

der sie fleifiig studiert hat und aus gramma- anderen GroBe und Einfachheit vor Augen halten 

tischen Griinden fiber hundertmal mit genauer 20 will mit dem Wunsch zu bessern und der Hoff- 

Buchangabe anfiihrt. So ist es auch moglich, den nung auf eine Regeneration im Sinne des alten 

Inhalt der einzelnen Bucher ungefahr zu fixieren: Romertums, der Sehnsucht auf eine Riickkehr zu 

I behandelte die alteste Zeit bis zur Vertreibung diesen Zustanden. So stellt er entgegen die alte 

der Konige, II die erste Zeit der Republik, wohl paupertas dem Reichtum seiner Zeit, ein Kontrast 

bis zum Anfang des ersten punischen Krieges; bestehe hier, den man ermessen konne, wenn man 

III ging bis zur Revolution der Gracchen (133), die damaligen Bildex luppiters mit den neuen aus 

IV bis mindestens in die Zeit des Biirgerkrieges Marmor, Gold und Elfenbein yergleiche (I 15), 
zwischen Pompeius und Caesar (Kettner 5f .). was sonst zum Kult gehorte, sei schlicht gewesen, 
Der Aufbau ist also ein historischer, kein syste- paupertina, sine elegantia ac cum castimonia (I 
matischer; aber doch kommt es V. nicht auf eine 30 13). tTberhaupt war durch der Censoren Strenge 
geschichtliche Darstellung an sich an, sondexn bestimmt, daB man nihil luxuriosum haben durfte 
die politische Geschichte ist ihm nur insoweit von (II 24); multi praediti pudore et pudieitia adules- 
Wert, als sie die kultureUe Entwicklung, ,die centis vixerunt, turn maiore parte eius graduis 
Lebensweise des romischen Volkes* beeinfluBt hat: aetatis stipendia facer ent (II 5); abstinentia zeieh- 
diese sucht er in ihrem allmahlichen Verlauf in nete die romischen Manner und Frauen aus (II 4). 
all ihren einzelnen AuBerungen darzustellen, das Spater ist dann alles schlechter geworden: die 
politische Leben, wie es sich in der Verfassung, Zerrissenheit der Burger laBt das honum proprium 
den politischen und militarischen Amtern und civitatis erschlaffen (II 6), propter res secundas 
Rangen, Gesetzen, Gebrauchen des Rechtes, dem sublato metu non in commune spectant, sed suum 
Ritus der Kriegserklarung und des Friedens- 40 quisque diversi commodum focilantur (II 7), die 
schlusses, im Volker- und Gesandtenrecht doku- Stadte Italiens, die friiher so volkreich waren, 
mentiert, das private Leben in seinen Formen stehen verlassen (IV 2), die cupiditas honorum- 
des hauslichen Lebens, in der Kleidung, in der beherrscht die meisten, daB sie es gem sehen, 
Nahrung von der altesten Zeit bis in die Gegen- wenn der Himmel einstiirze, falls sie nur ihre 
wart, der Art des Kochens und Backens, Trinkens, magistratische Wiirde erreichen (IV 9), friiher 
der Weinsorten, dn Speise- und Trinkgeraten, dem gestaltete die utilitas das menschliche Leben, 
Geldverkehr, der Zusammensetzung der Familie jetzt die luxuria. Diese Gedanken sind nicht fiir 
und der Lebensgestaltung des einzelnen Mit- V. allein typisch, sondern eine Stimmung, die 
glieds von der Wiege bis zum Grabe, das reli- seiner Zeit iiberhaupt eigen ist, und in Begriin- 
giose Leben in den verschiedenen kultischen Ge- 50 dungen fiir den Verfall und in den Formulierun- 
brauchen. Ware die Schrift voUig erhalten, wiirde gen seiner Anzeichen herrscht eine recht weit- 
sie fiir uns eine Fundgrube fiir die Kenntnis der gehende tlbereinstimmung V.s mit Sallusts Aus- 
alteren romischen Kultur von bedeutendem Wert lassungen iiber den inneren Verlauf der romischen 
darstellen, allerdings doch nicht von einwandfrei Geschichte in seinen historischen Werken. Das ist 
glaubhaftem. Denn was V. iiberall charakterisiert, eine innere Haltung, wie sie eine Zeit, die den 
trifft auch hier zu: was er betreibt ist nicht Verfall zu sehen vermeint, iiberall gem der Ge- 
eigentliche kulturgeschichtliche Forschung, son- sobichte gegeniiber einzunehmenpflegt.Durchdiese 
dern seine Kulturgeschichte ist der Aufbau der moraKsierende nationale Absicht, in der er seine 
Anschauungen, die sich seine Zeit vom Leben antiquarische Schriftstellerei in Verbindung setzt 
ihrer Ahnen machte. Sein Material sind nicht die 60 mit dem Leben seiner Zeit, geht V. hinaus iiber 
tTberreste der alten Zeit, sondern literarische Be- sein groBes griechisches Vorbild, auf das er auf- 
richte seiner Gewahrsmanner vor allem der An- baut, Dikaiarchs ^log TJXXddog. So weit aus den 
nalisten, die V. offenbar immer fiir ihre eigene Fragmenten (FHG II 233ff.) zu ersehen ist, hatte 
Zeit herangezogen hat, so Calp. Piso fiir die Zeit diese erste Arbeit, die sich die Kulturgeschichte 
vor der Zerstorung Carthagos und Corinths, Va- ausdriicklich zum Ziel setzte, allein das objektive 
lerius Antias fiir die spatere Geschichte (vgl. Ziel der Erkenntnis, nichts Tendenzioses dariiber 
Miinzer 199ff., bes. 21 Iff.), Schliisse aus noch hinaus, so daB V.s AnschluB an sie nicht einmal 
bestehenden Einrichtungen, vor alien Dingen die allein in einer Nachahmung von immerhin star- 



1245 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Antiqu.) 1246 

ker Eigenart beruht, insofem er Untersuchungen, anische Darstellung aus dem ersten Buch de vita 

die an dem ganz anders gearteten griechischen populi Romani stammt, auf das er auch noch 

Volk gemacht waren, auf das romische iibertmg, andere vexsteckte plinianische Bemerkungen zu- 

ein Verhaltnis wie es etwa auch beztiglich der riickfiihrt. 

Sprachforschung bei einem Vergleich V.s mit e) Die Aetia. Ganz weniges laJSt sich mit Si- 
seinen alexandrinischen Meistern besteht. In den cherheit tiber diese Schrift sagen, die nicht im 
erhaltenen Stiicken von de vita fovuli Ttomani Katalog angefiihrt wird, deren Buchzahl und 
wird Dikaiarch nie erwahnt, auch besteht zwi- Abfassungszeit unbekannt ist, yon deren Aufbau 
schen den Fragmenten der dikaiarchischen und wir gar nichts wissen. Und doch ist der Inhalt 
varronischen Schrift keine nahere Beriihrung. 10 im allgemeinen wohl zu bestimmen: akiai, causae 
Doch spricht V. zweimal in der Schrift iiber die werden gegeben, Erklarungen, Begriindungen, in 
Landwirtschaft I 2, 16 und II 1, 3ff., von Dii- der Art natiirlich wie V. auch etwa in 1. 1. und in 
kaiarchs Theorie der Aufeinanderfolge der 3 ^loi, den antiquarischen Schriften die Ursachen von 
der vita naturalis, pastoricia (vo^abiKog ^log) und Namen, Festen, Gebrauchen u. a. gibt (vgl. auch 
agrestis (yscoQyiKog ^log), eine Anschauung, die Dahlmann 28). Der Vergessenheit entzogen 
weit ausfiihrlicher Porph. abst. IV 1, 2 als dikai- hat diese Schrift Mercklin Philol. Ill (1848) 
archisch vortragt. Es ist anzunehmen, daB V. in 267ff., der auch die Bruchstiicke aus Servius, ^so 
seiner eigenen kulturhistorischen Schrift im ^log weit sie sich mit einiger Wahrscheinlichkeit den 
der alten Latiner die gleichen Stufen aufgewiesen aetia zuweisen lassen, zusammengestellt hat 
haben wird, die aus einer ganz anderen Verbin- 20 (eine andere Fragmentsammlung gibt es nicht): 
dung in 1. 1. V 105ff. bei ihm noch durchaus Nuptialgebrauche (Serv. Buc. VIII 29), einen 
kenntlich sind. Hier gibt er solch ein Stuck zu- Agonalbrauch (Serv. Aen. VIII 128); hochstwahr- 
sammenhangender historischer Darstellung des scheinlich liegt auch in folgender Notiz des Ser- 
Eulturzustandes der altesten Zeit, wenn auch vius (Aen. I 408) ein Hinweis auf diese Schrift 
unter einem sprachtheoretischen Gesichtspunkte V.s: cur dextrae iungere dextram. maiorum enim 
betrachtet: da kennt V. drei Stadien in der Ge- haec fuerat salutatio: cuius rei to alxiov i. e. 
schichte der Nahrungsweise der alten Latiner 110: causam Varro Gallimachum secutus exposuit, 
der primitive Naturzustand [contenti his quae asserens, omnem eorum honorem dexterarum con- 
suapte natura ferebat sine igne), dann die vita stitisse virtute. Kallimachos' Aitia waren also in 
pastoricia, in der man sich von Mehlspeisen 30 diesem einen Fall das Vorbild fiir die Deutung 
nahrte, bis man endlich zur Fleischkost auf der V.s, woraus man mit gewissem Recht auf eine 
dritten Stufe iiberging (vgl. Dahlmann 30ff.). weitergehende Abhangigkeit schlieBen kann, zu- 
Dafi die Wahrscheinlichkeit sehr groB ist, daB V. mindest in der Methode der Betrachtung: der 
das gleiche in de vita populi Romani im Gefolge Stoff war bei V. naturgemaB aus der romischen 
Dikaiarchs ausgefiihrt hajben wird, wird noch be- Kulturgeschichte genommen. Nun hat Mercklin 
kraftigt durch eine Reihe von iiber 20 nahen auBerdem auf die Aina Tco[A,aLKd Plutarchs als 
Beriihrungen von 1. 1. und den Fragmenten aus Fundort fiir varronische Fragmente, vor allem 
de vita populi Romani, die G.-S. in den Testi- fiir die aetia, aufmerksam gemacht, und es hat 
monia ihrer Ausgabe im wesentlichen aufgefiihrt sich im vorigen Jahrhundert eine ausgedehnte 
haben. So kommt die Aufzahlung der Trink- 40 Literatur iiber das Verhaltnis von V. zu Plutarch 
gefaBe 1. 1. V 119 — 123 sehr nahe an de vita populi daran angeschlossen; Mercklin hatte noch 
Romani I 43. 45. 46. 47. 50, die Behandlung der nicht gefragt, ob Plutarch V. selbst oder durch 
Lagerstatten V 166f. an I 24. 53 u. a. m.; aus Vermittlung einer Zwischenquelle benutzte. Fiir 
solchen tlbereinstimmungen kann man auf die das erste entschied sich dann Thilo (De Varrone 
Art der Darstellung und des Textzusammenhangs Plutarchi auctore praecipuo, Bonn 1853) und nach 
in de vita populi Romani schlieBen. Den urspriing- ihm F. L e o (De Plut. quaest. rom. auct., Halle 
lichen Text hat fiir das Stiick vom Wein und 1864). Nach ihnen ist V. die wichtigste Quelle 
WeingenuB (I 33) W e s s n e r Herm. LXI 460 fur Plutarchs Aetia. Da/gegen wandte sich sodann 
wiederherzustellen versucht; s. auch Biic hole r mit guten Grunden Soltau (De font. Plut. in 
Kl. Sehr. I 193 (dagegen Lindsay Class. Rev. 50 sec. bello Punico enarrando, Bonn 1870), der als 
XX 440). Durch eine sorgfaltige Priifung var- Mittler zwischen Plutarch und V. den Konig 
ronischer Zitate bei jtingeren Autoren ist es mog- Tuba feststellte, eine These, die dann von A. 
lich, noch manches Fragment wiederzugewinnen, B a r t h De lubae 6f^oi6t7]oiv a Plut. expressis, 
wenn natiirlich auch die letzte Sicherheit bei der Gottingen 1876, naher ausgefiihrt und begrtindet 
Zuweisung zu einer bestimmten Schrift fehlen wurde. Endlich hat die ganze Frage noch einmal 
muB. Auf diesem Wege ist etwa Samter Quaest. umfassend behandelt Glaesser Lpz. Stud. IV. 
Varron. 32ff. iiber K e 1 1 n e r hinausgegangen, Er entscheidet sich zunachst zur Ansicht Soltaus 
der die Bemerkungen Serv. Aen. VI 224 fiber das und Barths, daB Plutarch V. nicht selbst gelesen 
fu7ius bei den Romern (auch Serv. I 727 und XI habe, die er noch durch Nachweis der geringen 
143) auf de vita populi Romani IV zuriickfiihren 60 Lateinkenntnis Plutarchs stiitzt, halt auch weiter 
wollte (vgl. Non. 93, 8 L. =s IV 12 und 212, 27 an luba als Vermittler fest, zweifelt nur, daB er es 
= IV 12). Zum Teil ganz ausgezeichnet sind die allein gewesen sei. Ferner zeigt er, daB man die 
Untersuchungen von M ii n z e r Beitr. z. Quellen- Bedeutung V.s fur Plutarch iibertrieben hat, daB 
kritik 189 tiber das Weintrinken der romischen eine Reihe von Stellen der aetia nichts mit ihm 
Frauen; 251 zeigt er, daB fiir die Einleitung von zu tun hat, da sie Unvarronisches vortragen, daB 
Plin. n. h. XVIII V. der Hauptgewahrsmann fiir andere zwar Varronisches enthalten, aber nur in- 
die wirtschaftlichen Verhaltnisse der romischen direkt, was auch fiir die namentlich V. zugeschrie- 
Urzeit ist, und vermutet, daB diese ganze plini- benen Stellen Plutarchs gilt. Thilo hatte das var- 



1247 M. Terentius Varro (Antiqu.) M. Terentius Varro (Hist.) 1248 

ronische Gut aus Plutarehs aetia und den Stellen sicht tiber die Beschaftigungen in der Stadt, 

der vitae, die damit iibereinstimmen, auf die anti- um sie den Landarbeiten gegentiberzustellen, 

quitates, auf de vita populi Romani und die aetia auch recht unglaubhaft. Res urbanae konnen nur 

zurtickgefiihrt, eine Feststellung, die hochstens die in der Stadt vorfallenden Dinge bedeuten, im 

den Anspruch auf Wahrscheinlichkeit machen Gegensatz zu den res peregrinae, also keine 

kann, bei der grofien Moglichkeit von varroni- Stadtgeschichte im Sinne Ritschls, sondern eine 

schen Schriften entsprechenden Inhalts aber vol- Dbersicht tiber die inneren Ereignisse in Rom, 

lig unsicher bleiben muB. Man kann also nur eine Stadtchronik, verfaBt auf Grund von Kom- 

sagen, varronisches Gut steckt darin durch lubas mentarien, Annalen und anderen Berichten, wie 

und vielleicht anderer Vermittlung; in erster Linie 10 0. J a h n (Herm. II 235) am ansprechendsten 

wird man schon weiter wegen der Ahnlichkeit vermutete, der auf die Ahnlichkeit mit dem com- 

des Titels an die aetia denken, aber direkte Frag- mentarius rerum urbanarum, den Caelius fiir den 

mente kann man nicht gewinnen. In ganz andere in Cilicien weilenden Cicero verfassen soil, weiter 

Richtung gegangen ist L i 1 1 (Rh. Mus. LIX auf die Einrichtung Caesars wahrend seines Con- 

603ff .), der varronischen EinfluB in den aetia wohl sulates. Suet. 20, ut tarn senatus quam populi 

anerkennt, aber fiir eine besonders wichtige Quelle diurna acta confierent et publicarenturj die Cic. 

Plutarehs die Fasten des Verrius Flaccus durch fam. XIII 23, 2 rerum urbanarum acta nennt, 

Vermittlung lubas nachzuweisen sucht, durch aufmerksam macht. Er nimmt an, daB V. durch 

tJbereinstimmungen Plutarehs mit Festus, Ovid, diese MaBregel Caesars zur Sammlung der res 

den praenestinischen Fasten. Hier wird die ganze 20 urbanae frtiherer Zeit veranlaBt worden sei, wo- 

Unsicherheit der varronischen Quellenforschung durch ein terminus post quem fiir die Entstehung 

deutlich: der Nachweis des Vorhandenseins naher gegeben ware. Doch bleibt das nattirlich ganz 

trbereinstimmungen ist sicher erbracht, aber bei ungewiB. 

der starken Abhangigkeit des Verrius von V. ist h) Annalium libri III nennt der Katalog und 

damit noch nicht gesagt, daB Plutarch auf Ver- einmal wird bei Charis. GL 1105, 6 zitiert : Farro 

rius aufbaut. Andrerseits kann das Verhaltnis . . . m annali: nummum argenteum flatum primum 

oft auch umgekehrt liegen, daB man V. als Quelle a Servio dicunt. is Till scripulis maior fuit quam 

aufzeigt, aber ein umarbeitender, neuernder Ver- nunc est. Ritschl (III 448), der vermutet, daB 

mittler zugrunde liegt. hinter annali I oder II ausgefallen ist, sieht in 

f) Tribuum liber. Ein Buch dieses Titels zi- 30 der Schrift einen chronologischen AbriB in Tabel- 
i;iert Varr. 1. 1. V 56 bei der Namenserklarung lenform in der Art von Nepos' oder Atticus' chro- 
einzelner romischer Tribus mit der Angabe, daB nologischen Werken. Wenn man auch sonst von 
er hier die Bezeichnungen aller Tribus erklart dieser Schrift V.s gar nichts weiB, hat man doch 
habe; es war also eine antiquarisoh-topographische gegen das Zeugnis des Katalogs kein Recht, mit 
Schrift, die den Teil de locis der antiquitates re- Gruppe (Comment. Momms. 541) an ihrer Exi- 
riim humanarum erganzte (R i t s c hi III 445). In stenz zu zweifeln und bei Charisius eine Entstel- 
;seinem vorziiglichen Aufsatz tiber die alteste Glie- lung aus Antiquitates rerum humanarum anzu- 
derung Roms (Eranos Vindobon. 1893, 345ff.) hat nehmen. Ftir eine Notiz des Gell. XVII 21 tiber 
B r m a n n samtliche auf Tribus bezugliche den Verrat des Manlius, woftir V. ohne Nennung 
Stellen aus 1. 1. zusammengestellt (V 46. 56. 81. 40 der Schrift genannt wird, nimmt Ritschl (III 
89. 91. 181) und dann die Auffassung V.s von 449 Anm.), da direkt daneben die Chronika des 
der altesten Gliederung der Stadt und somit eine Nepos und die Annalen anderer genannt werden, 
Vorstellung von seinem Buch rekonstruiert. Es ist die Herkunft aus V.s Annalen an. Vgl. auch die 
ferner durchaus moglich, daB auch die Tribus- recht vagenKombinationen von Sanders Americ. 
artikel dea Festus dureh Verrius lauf V.s Tribus- Journ. of Phil. XXIII 28; dagegen: Mr as Jahres- 
Buch beruhen (Mercklin Quaest. Varron., ber. CXLIII 87ff. Frick Rh. Mus. LXVI 272. 
Dorpat 1852, 5ff ; Philol. XIII 709); doch ist auch Urlichs Anfange d. griech.Kunstlergesch., Wtirzb. 
Verrius' Abhangigkeit von V. an sich wahrschein- 1871, 38. Holzapfel Klio XII 101. Peter 
lich, so laBt sich eine Zuruckfiihrung gerade auf Hist. Rom. rel. II, XXXVIII, Fragment© S. 24. 
diese Schrift nicht nachweisen, da direkte Frag- 50 i) De Fompeio. Drei Bticher de Pompeio sind 
mente voUig und so jeglicher Anhalt zum Ver- nur durch den Katalog bekannt. Ritschl (III 
^leich fehlen. 436) halt sie auf Grund des Titels nicht ftir eine 

g) Rerum urbanarum libri III. Abfassungs- voUstandige Biographic, das hieBe de vita Pom- 
zeit und Aufbau dieses im Katalog genannten 2^ei, sondern ftir eine politische Schutzschrift, ge- 
IVerkes, das nur einmal Charis. GL I 133 zitiert: schrieben wohl nach dem Sturz seines Freundes 
innocente Varro de rebus urbanis III: Spartaco zu seiner Rechtfertigung, eine Vermutung, die 
innoeente coniecta ad gladiahrium (frg. 1 P) und Mtinzeij Beitrage 283 aufgenoimnen hat, die aber 
an dessen Existenz Gruppe (Comm. Momms. doch ungewiB bleiben muB. M ti n z e r 280ff. hat 
541. 550) mit Unrecht zweifelt, sind voUig dunkel, die Angaben des Plinius tiber Pompeius groBten- 
und beztiglich des Inhaltes ist man lediglich auf 60 teils auf V. zuruckzuftihren und dadurch einiges 
Vermutungen angewiesen: Ritschl (III 449) tiber den Inhalt zu gewinnen gesucht: Plinius 
etwa denkt an eine Stadtgeschichte Roms, Ent- zeigt eine deutliche Vorliebe ftir Pompeius, die 
stehung, Erweiterung, Schicksale durch Belage- besonders im siebten Buche zutage liegt, wo Cae- 
rung, Einnahme, Brand usw., namentlich unter sar hinter seinem Gegner merklich zurticksteht. 
topographischen Gesichtspunkten betrachtet, aber Dies ist eine Haltung, die fur Plinius nicht, fur 
eine Entwicklungsgeschichte der Stadt kann V. aber wohl verstandlich ist. Auch die Urkunden 
der Titel kaum ausdrucken, B o i s s i e r (169) an aus der Geschichte des Pompeius III 18 und VII 
•ein Gegensttick zu de re rustica, an eine tJber- 96, Inschriften des spanischen Siegesdenkmals, 



1249 M. Terentius Varro (Hist.) M. Terentius Varro (Hist.) 1250 

VII 97 Weihinschrift aus dem Tempel der Mi- auch bezieht sich V. gar nicht so sehir darauf, 

nerva, VII 98 Programm des Triumphes iiber wie Pompeius es nun in seinem Consulat zu 

Mithridates, wird Plinius ihm verdanken, zumal machen habe, sondern er richtet weit haufigef 

es in der Art V.s lag, Urkunden, Material zu seinen Blick zuriick und erklart dem Freund, wie 

sammeln, nicht eigentlich kiinstlerisch zu gestal- es einst gewesen sei, als die strenge Art der 

ten. M ii n z e r (283f .) versucht endlich noch Senatssitzung noch innegehalten wurde. 

Spuren der V. ausdrticklich entgegengesetzten 1) Legationum lihri. Autobiographischen In- 

Beurteilung des Pompeius durch Sallust durch halts werden wohl die im Katalog aufgefuhrten 

den Vergleich einiger Historienfragmente mit drei libri legationum gewesen sein, die nie zitiert 
Stellen aus Plinius aufzuweisen; doch sind die 10 werden, so daB iiber sie mit Sicherheit sehlechter- 

Beriihrungen, die auch dann nur etwas mehr be- dings nichts zu sagen ist (Reitzenstein 

sagen wiirden, wenn die spate Abfassungszeit von Herm. XX 517). Vermutungen iiber sie sind vor 

de Pompeio sicherstande, allzu nichtssagend, als allem von R i t s c h 1 (III 436fE.) und von C i - 

daB man auf sie bauen konnte. chorius (Rom. Stud. 196) geauBert worden, 

k) EloaycoyiKog ad Pompeium. Abfassungszeit, Kombinationen, die keine Beweise sind, aber doch 

Inhalt und Absicht dieses Schreibens an Pom- manche Wahrscheinlichkeit fiir sich haben: V. hat 

peius, das im Katalog nicht erwahnt wird, sind nach ihnen seine Legationen im Heere des Pom- 

recht gut durch Gell. noct. att. XIV 7 kenntlich. peius behandelt in einer naturgemaB Pompeius 

Danach wandte sich kurz vor Antritt seines feiernden Tendenz, nach Ritschl die drei Kriege 
1. Consulates im J. 70 Pompeius an seinen im20gegen die Piraten 67, im AnschluB daran gegen 

Staatsrecht bewanderten Freund mit der Bitte, Mithridates und in Spanien 49, nach denen sich 

ihm ein Buch abzufassen, ex quo disceret, quid fa- die Bticher dann wohl gegliedert haben konnten. 

cere dicereque deberet, cum senatum consuleret, Neben dem Bericht kriegerischer Ereignisse wird 

und V. entsprach dieser Bitte in seinem commeii- er liber wissenschaftliche Beobachtungen, zu denen 

tarius isagogicus. Spater ist die Schrift aber ver- er unterwegs Gelegenheit fand, besonders geo- 

lorengegangen, woraus man wohl zu erkennen graphischer Natur, Mitteilungen gemacht haben 

hat, daB er sie nicht publiziert, sondern nur Pom- und manches Zitat, zumal aus Plinius, lieBe sich 

peius privat iibersandt hatte; er hat dann im vier- so gut fiir diese Biicher (oder auch de sua vita) 

ten Buch der epistolicae quaestiones im Brief an in Anspruch nehmen. Vgl. auch Oehmichen 
Oppianus das gleiche Thema noch einmal be- 30 Act. Lips. Ill 432; Plinian. Stud. 22ff. ImPrinzip 

handelt, indem er den Inhalt der Unterweisungen vertritt auch C i c h o r i u s die gleiche Auff as- 

an Pompeius rekapitulierte. Es war ein Xoyog sung vom Inhalt der Biicher, nur lehnt er die Be- 

eioaywyiTiog, eine Literaturgattung, der man in teiligung V.s am dritten mithridatischen Kriege 

der romischen Literatur zum ersten Male bei V. ab, macht hingegen eine solche im illyrischen 

begegnet, und N o r d e n, der Herm. XL 524 in Kriege des Cosconius von 78, und gegen Sertorius 

seiner tJbersicht iiber isagogische Schriften auch in Spanien 76 — 71 wahrscheinlich; iiber diese und 

auf V. hinweist, vermutet, daB er hierin unter als dritten den sicher bezeugten Piratenkrieg hat 

dem EinfluB der Stoa stehe, weist auch gut auf nach ihm V. geschrieben, da die Legation von 49 

den von ahnlichen Zielen bestimmten commen- in Spanien wegen des klaglichen Ausganges fiir 
tarius des Q. Cicero an seinen Bruder de peti- 40 V. und der politischen Unmoglichkeit, danach 

tione consulatus hin, der ein paar Jahre spater pompeiusfreundlich zu schreiben, kaum behandelt 

entstand. V. hat wohl, ahnlich wie Quintus in sein kann. So kommt er zu einer Datierung der 

knapper Form, die wichtigen Fragen, die fiir den Schrift in die Zeit zwischen 67 und 49, der die 

Leiter von Senatssitzungen von Bedeutung waren, alles umfassende Lebensbeschreibung erst in spa- 

zusammengefaBt; dank der reichen Exzerpte des ten Jahren gefolgt sei. 

Gellius ist es noch moglich, die Disposition zu m) De sua vita. Aus den drei Biichern de sua- 

erkennen, wenn auch Gellius' Angaben vielleicht vita des Katalogs stellte Ritschl (III 439) 

nicht den Inhalt des Briefes an Oppian bis zum den Titel der Schrift wieder her, die ein einziges 

SchluB (§11: haec et alia quaedam id genus . . .) Mai von Charis. GL I 89, 28 angefiihrt ist: nam 
genau umfassen; die Freude an einer streng ge- 50 et Varro de vita sua non tantum huius Sarapis 

gliederten viergeteilten Disposition wird auch hier declinavit sed et Isis, quod pauto est durius, DaB 

klar, zuerst (§4/5u. 6): wer hat das Recht den sie in V.s hohes Alter gehort, werden Ritschl 

Senat abzuhalten, wer zu intercedieren (§ 7), wo 440, M ii n z e r 277 und Cichorius Rom. 

findet der Senat (§ 8 u. 9 Anf.), wajin findet Stud. 196ff. wohl mit Recht annehmen. Cicho- 

er statt und endlich (§ 9 u. 10) was wird in ihm rius hat sich 197f. recht scharfsinnig darum 

beraten; erst wird iiber res divinae, dann die hu- bemiiht, aus den bei Charisius genannten Namen 

manae referiert, entweder infinite de republica oder Sarapis und Isis Schliisse fiir den Zusammen- 

finite de singulis; weiter iiber die verschiedenen hang, in dem sie von V. genannt waren, zu ziehen 

Arten des Zustandekommens der Senatsbeschlusse, und bringt sie zusammen mit der Verbannung des 
iiber die Reihenf olge der Befragungen und endlich 60 Kultes der beiden Gottheiten vom Capitol im 

iiber einigeOrdnungsbestimmungen. Deutlich wird J. 58 und der Entfernung ihrer Statuen, wozu V., 

endlich auch in dieser kleinen Schrift, die es doch was Cichorius weiterhin vermutet, als quin- 

auf ganz beistimmte praktische Anweisungen fiir die decimvir sacrorum mitgewirkt habe. Das muB 

Gelegenheit absieht, V.s stark ausgepragtes anti- ein voUig unsicherer Versuch bleiben. Auch halt 

quarisches Interesse und sein Gegeniiberstellen es schwer, mit Sicherheit weitere V.-Fragmente, 

des Einst mit dem Jetzt. Der mos maiorum (§ 4) die keinen bestimmten Werken zugewiesen sind, 

wird genannt, dagegen (§ 9) eine neue Sitte, die wegen ihres Inhalts auf de vita sua zu beziehen, 

per ambitionem et gratiam eingefiihrt worden sei, da V. die Tendenz hat, iiberall, etwa in r. r., auch 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 40 



1251 M. Terentius Varro (Geogr.) M. Terentius Varro (Geogr.) 1252 

in einer so speziell wissenschaftlichen Schrift wie von dieser Schrift nichts bekannt; Eitschl 

1. L, Biographisches beizubringen. Recht gut (III 393. 473) und nach ihm M o m m s e n (Solin. 

wiirde allerdings hierher passen Serv. Dan. Aen. XIX), Reitzenstein (Herm. XX 525) nnd 

XI 743. Cichorius 189. 200; vor alien hat Cichorius (Rom. Stud. 212) haben sie, was 

M ti n z e r 275 bemerkt, daB Charisius seine No- nicht bewiesen werden kann, mit de ora maritima 

tiz Plinius' Werk de dub. serm. verdankt, dem identifiziert. 

also am ehesten eine Kenntnis von V.s autobio- p) Liber de aestuariis. Reitzenstein (526) 

graphischer Arbeit zuzutrauen ist und darauf bin, verbindet mit de ora maritima nach M o m m - 

ohne sich in der Unsicherheit solcher Argumen- sens (Solin. XIX) Vorgang auch die Naohricht, 
tation zu tauschen, eine grofie Reihe plinianischer 10 die V. selbst iiber einen vor 1. 1. entstandenen 

Angaben, die V.s Leben betreffen, zusammenge- liber de aestuariis gibt und halt ihn fiir ein Ein- 

stellt, unter denen wohl manches aus de vita sua zelbuch des groBeren Werkes. At in mari, credo, 

geflossen sein kann, z. B. Plin. n. h. XXXV 170 motus non habent similitudines geminas, qui in 

— 173 iiber den Transport eines Freskogemaldes XXIIII horis lunaribus cotidie quater se mutant, 

aus Sparta nach Rom wahrend V.s Aedilitat, III ac cum sex horis aestus creverunt, totidem decre- 

101 iiber sein Projekt als Legat im Piratenkrieg, verunt, rursus idem, itemque ab his . ., an hane 

die Enge von Otranto tiberbriicken zu lassen, analogiam ad diem servant ad mensem non item, 

XVI 7 die Verleihung der corona rostrata an ihn alios motus hie item cum habeant [alios (delevi)] 

durch Pompeius im Piratenkrieg, VII 115 dieAuf- inter se convenientes? de quibus in libfo, quern 
stellung seiner Btiste in der Bibliothek des Asi- 20 de aestuariis feci, scripsi, 1. 1. IX 26. aestuarium 

nius PoUio, II 209 die Geschichte von den schwim- ist das Flutgebiet (vgl. Reitzenstein 526. 

menden Inseln in Lydien, VII 176 ein Ereignis N o r d en 296, 2) und V. hat die Lehre von Ebbe 

wahrend der Ackerverteilung in Campanien, wo und Flut auseinandergesetzt, und zwar, wie man 

er 59 zu den Kommissaren gehorte u. a. m. auf Grund der eben zitierten Stelle annehmen 

n) De ora maritima, Eine Schrift de ora mari- muB, folgte er der Theorie des Poseidonios (vgl. 

tima ist nur durch vier Zitate des Servius (Aen. I Dahlmann 61 f.). S. auch Schtihlein Po- 

108. 112. V 19. VIII 710) bekannt. Auf Grund seidonios' Schrift UbqI wxsvavov 1901, 83. Ich 

des Inhalts dieser Fragmente, die sich auf die halte es fur wahrscheinlich, daB das Buch eine 

Schiffahrtskunde und Windverhaltnisse beziehen, Sender schrift gewesen ist; naturlich beschaftigte 
hat Reitzenstein (Herm. XX 517), indem 30 sie sich nicht mit Anweisungen zur Herrichtung 

er weitere SteUen iiber Winde, Wettervorzeichen, von Fischteichen (so Ritschl III 495, 10). 

Schiffahrt und Flut in sie verwies, indem er Oder Philol. Suppl. VII 1899, 365 denkt bei 

ferner die libri navales und ein Werk de litorali- Vitruv. VIII 1 — 3 und Plin. n. h. XXXI 43 an 

bus mit ihr identifizierte, den liber de aestuariis de aestuariis als Quelle. 

als eins ihrer Biicher ansah, ihren Charakter zu q) Ephemeris navalis ad Pompeium. Itin. Alex, 
bestimmen gesucht. Er halt (fe ora manfima (530) M. 3 p. 2, 11 Vo: Varro Gn. Pompeio per Hi- 
fiir ein Kompendium der Schiffahrtskunde, das spanias militaturo librum ilium Ephemeridos sub 
die Meereskiiste mit all ihren Haupterscheinungen nomine elaboravit, ut inhabiles res eidem gesturo 
behandelte, zahlreiche Angaben titer einzelne Lo- scire esset ex facili inclinationem Oceani atque 
kalitaten machte, aber keinen geographischen 40 omnes reliquos motus aerios praescientiae Me pe- 
Zweck verfolgte, sondern einen nautischen, die Be- tere, ut declinaret. Wohl mit Recht wird die Aus- 
lehrung der Schiffer. Ihm schlossen sich K a i b e 1 arbeitung dieses Witterungskalenders, dessen vol- 
(Herm. XX 610) und Klotz (Quell, u. Forsch. len Titel Non. 99, 15 L. nennt, allgemein ins 
XI 12) an. Dagegen fafiten Oehmichen (Acta J. 77 vor den Beginn des Sertoriuskrieges ge- 
Phil. Lips. Ill 399) und nach ihm Detlefsen setzt; schon hier tritt V. wie sieben Jahre spater 
(Herm. XXI 241) die Schrift als eine Erdbeschrei- im Isagogicus als der beratende Lehrer des Pom- 
bung nach dem Lauf der Ktisten auf, in der peiiis auf in den Fragen, die ein langeres Stu- 
Weise, wie sie Plinius in den geographischen Bii- dium, zu dem der vielbeschaftigte General keine 
chern befolgt, und hielten sie fur seine Quelle, Zeit hatte, beanspruchten. Das Ziel war, Pom- 
nicht wie Reitzenstein und Klotz an- 50 peius die Moglichkeit zu geben, den Zufalligkeiten 
nahmen, die Biicher 8 — 13 der r. h. Obwohl der der Meeres- und Luftbewegungen durch ein ge- 
Inhalt der vier Serviusfragmente die Annahme naues Vorherwissen der meteorologischen Bedin- 
Detlefsens nicht gerade nahelegt, ist sie mir gungen aus dem Wege zu gehen. Am besten ware 
doch schon nach dem Titel des Werkes wahr- naturlich eine ungelehrte, rein praktische Unter- 
scheinlicher, wenn auch nicht zu erweisen. Die weisung in den verschiedenen Wettererscheinungen 
Abhangigkeit des Plinius von den antiquitates gewesen, aber wenn ein SchluB aus dem Isagogicus 
oder von de ora maritima ist damit allerdings ad Pompeium erlaubt ist, wird auch hier das anti- 
nicht entschieden. quarisch-historische Moment stark in den Vorder- 

N or den Germ. Urgesch.^ 1923, 151, 1 nimmt grund getreten sein, der Bericht iiber die Ge- 
an, daB Poseidonios tzsqI wxsavov der Schrift de 60 schichte der Schiffahrtskunde und Wetterbeob- 

ora man^ima zugrunde liegt. achtung (vgl. auch Kaibel Herm. XX 610). 

o) De litoralibus zitiert Solin. XI 6, wo er iiber Mit dem groBen und umfassenden geographischen 

Kreta spricht: albet iugis montium Dictynaei et Werk de ora maritima, so Kaibel, ist diese fiir 

Gadisti, qui ita excandescunt, ut eminus navigan- eine ganz spezielle Gelegenheit verfaBte Schrift 

tes magis putent nubila. praeter ceteros Ida est, gewiB nicht identisch, s. auch Oder 364, eher 

qui ante solis ortum solem videt, Varro in opere, konnte man sie schon den von Veget. r. milit. 

quod de litoralibus est, etiam suis temporibus 4, 41 (Lang) genannten libri navales V.s (Ritschl 

odfirmat sepulcrum lovis ibi visitatum. Sonst ist III 473) gleichsetzen: aer vero et mare ipsum 



1253 Mi Terentius Yarro (Ehet.) M. Terentius Varro (Jurist.) 1254 

nubiumque magnitudo vel species sollicitos in- sacrum deutet und in rhetoricorum (oder dem in 

struit nautas, Aliquanta ab avibus aliquanta einer Hs. tiberlieferten rephoricoriim) ein Ver- 

signiHcantur a piscibus, quae Vergilius in Qeor- schreiben fur rerum humanarum sieht; vor ihm 

gicis divino paene comprehendit ingenio et Varro schon M i r s c h 92. 

in libris navalibus diligenter excoiuit, in denen Orationum Ubri XII wurden erst dureh den 

Reitzenstein(Herm.XX525)recht unwahrschein- Katalog bekannt. Vielleicht waren es 22 einzelne 

lich von seiner sicher unrichtigen Auffassung von Reden (R i t s c h 1 III 434), ob aber Gerichts* 

ihrem Wesen ausgehend die Schrift de ora mart- reden und laudationes oder wie R i t s c h 1 will 

tima sieht. — Prise. GL II 256, 20 Varro in ephe- (492, 3) reine "Dbungsstticke privater Liebhaberei, 
meride: postea honoris mrtutum causa lulii Cae- 10 also nur geschriebene Reden, das ist nicht zu sagen. 

saris, qui fastus porrexit, mensis lulius est appel- Moglicherweise gehorten zu ihnen die von Cic. 

latus. Diese Ephemeris kann schon aus chronolo- acad. post. I 8 erwahnten laudationes, die er V. als 

gischen Grunden, da sie Caesars Kalenderreform oinen Teil seiner philosophiscben Schriftstellerei 

vom J. 46 voraussetzt, nicht mit der ad Pompeium hervorheben laBt (R i t s c h 1 III 435, von C i - 

gleichgesetzt werden und Boissiers Vermu- c h o r i u s Roin. Stud. 239 mit Unrecht auf die 

tung (40ff.), V. habe diese zuerst nicht publi- logistorici bezogen). Eine solche laudatio V.s, die 

ziert, sondern nur privat an Pompeius gesandt, der Porcia, erwahnt Cic. Att. XIII 48, 2 neben 

dann aber in caesarischer Zeit umgearbeitet und seiner eigenen und der eines sonst unbekannten 

ediert, hangt ganz in der Luft. B e r g k Rh. Mus. GUius. Das war also die Lobrede auf die kurz 

I 367ff., der die bei Johannes Lydus aus V. er- 20 zuvor verstorbene Schwester des M. Cato, die 
haltenen kalendarischen Notizen und solche aus Gattin des L. Domitius Ahenobarbus; so richtig 
den Geoponica und Censorinus auf diese zweite R i t s c h 1 434. D r u m a n n^ V 209 und M ii n- 
Ephemeris bezog, hatte in ihr eine rustica sive zer Adelsparteien 330; falschlich denken an die 
agrestis ephemeris als Gegenstiick zu der navalis Tochter des Cato, die Gemahlin des Marcus Bru- 
sehen woUen, was R i t s c h 1 (III 473) daraufhin tus, V o 1 1 m e r Jahrb. f . Philol. Suppl. XVIII 
annahm, als Erganzung oder als Vorarbeit zu den 470 und H o s i u s Rom. Lit. ¥ 446. 

lib. rer. rust.; dagegen Reitzenstein De Neben den orationes nennt Hieronymus sua- 

script, rei rust., Berl. 1889, 44; Herm. XX 529. sionum Ubri III; wohl nicht Suasorien in der Be- 

Mit nur einiger Wahrscheinlichkeit ist iiber Cha- deutung der augusteischen Deklamatorenschule, 

rakter und Inhalt dieser Schrift aus dem einen 30 sondern Anempf ehlungen von Gesetzesvorschlagen 

Priscianzitat schlechterdings gar nichts zu er- (R i t s c h 1 III 435 u. 492, 3). 

schliefien. 6. DiejuristischenSchriften. 

r) De mensuris. Angefiigt sei hier V.s groma- a) De iure civili. Von den 15 Biichern de iure 

tische Schrift de mensuris, die von Priscian (GL civili des Katalogs ist bei den romischen Juristen 

II 420) und Boethius de geometria (Migne keine einzige Spur erhalten und Ritschl (III 
LXIII 1859 C) zitiert wird, von der direkt 444), der sie am wahrscheinlichsten fiir ein Werk 
nichts erhalten ist. Aber in den Schriften der iiber das romische Privatrecht hielt, konnte iiber 
Feldmesser wird V. einmal als peritissimus Lati- ihr en Inhalt gar nichts aussagen. Dann versuchte 
norum hinsichtlich der Geometrie bezeichnet aber F. D. S a n i o Varroniana in den Schriften 
(p. 393 Lachm.) und in alteren Agrimensoren-Hss. 40 der romischen Juristen maohzuweisen, Lpz. 1867, 
stand ein Abschnitt V.s de geometria mit dem mit groBem FleiB ein Bild von V.s Werk und 
Titel incipit liber Marci Barronis de geometria ad seiner Bedeutung zu geben. Nach ihm hat das 
Rufum feliciter, wobei man entweder an das Buch Werk isagogischen propadeutischen Charakter ge- 
de geometria aus den Disziplinen oder an de men- habt, keine systematische Erschopfung angestrebt, 
suris denken wird; der Abschnitt hat sich an- V. war kein Jurist, umfaBte beide Telle des iuris 
scheinend bis ins Mittelalter erhalten und ist eivilis, das ius publicum und privatum, zeigte 
dann verlorengegangen (vgl. Ritschl III 359f . seinen Interessenspharen entsprechend ein stark 
474f. Sabbadini Le scoperte dei codici 1905, historisches Moment, behandelte die 12 Tafeln, 
25, 13). Nor den (Germ. Urgesch.^ 11, 1) halt die erhaltene altere juristischeLiteratur undauch 
es ftir aussichtsreich, varronisches Gut aus den 50 sonstige erhaltene juristische und sprachliche 
Schriften der Feldmesser wiederzugewinnen; der Denkmaler, kam weiter stark auf grammatische 
Versuch, den B u b n o v Gerberti opera mathem., und philosophische Fragen zu sprechen (bes. 
Berl. 1894, 494 in dieser Richtung gemacht hat, 211ff.). Spuren dieses Werkes seien nun in den 
ist mir unbekannt. einleitenden Schriften bei den spateren Juristen 

5. Die rhetorischen Schriften. zu finden, vor alien Dingen in dem langen Frag- 

Die Kenntnis eines rhetorischen Werkes V.s von ment des Pomponius de origine iuris. Sanio 

mindestens drei Biichern beruht allein auf einem geht endlich sogar so weit, 265, zu behaupten, 

Zitat Priscians (GL II 489, 2) : Varro tamen etiam daB die Juristen der Kaiserzeit ihre philoso- 

,adoluV protulit in libro 111 rhetoricorum: post- phische, historisch-grammatische und rhetorische 

quam adoluerunt haec iuventus. Sonst ist es vol- 60 Bildung V. verdankten, den doch nie ein Jurist 

lig unbekannt, was nicht wunderlich ist, da dieser zitiert. Sanio ist mehr wie ein anderer dem 

Stoff V. ferner lag, so daB seine Rhetorik anschei- nach Ritschls Auf satz iiber die Schriftstellerei 

nend neben Ciceros Schriften sogleich unbeachtet V.s einsetzenden Panvarronianismus erlegen; bei 

bKeb; auch nennt ihn weder Cicero noch spater seiner Theorie war der Wunsch der Vater des 

irgendjemand als Schrift steller auf diesem Ge- Gedankens; er kann kein einziges sicheres Indiz 

biet. Dennoch geht es kaum an, das Vorhanden- fiir varronischen EinfluB namhaft machen und 

sein der Schrift iiberhaupt abzustreiten, so Klotz muB alles im Bereich von allgemeinen Moglich- 

(Herm. XL VI 13), der das Zitat auf ein Ver keitserwagungen belassen, an die er dann weit- 



1255 M. Terentius Varro (Discipl.) M. Terentius Varro (Discipl.) 1256 

gehende Kombinationen kntipft. Richtig hat gleich strikte beweisen lafit; doch wird man nach dem 

A. E. i e s e (Philol. XXVII 31 3H.) Sanios Aufstel- Charakter des Werkes am liebsten an spate Ent- 

lungen abgelehnt. Es ist auch weiterhin nicht stehungszeit denken. Fiir die Anordnung der 

gelungen, irgendwelche Spuren des Werkes aut'- Biicher steht als sicheres Ergebnis fest: Buch I 

zuweisen, s. die Literatur bei M r a s Jahresber. de grammatiea, II de dialectica, III de rhetoriea, 

CXCIII 104f.; vgl. noch Zocco-Rosa Petrus IV de geometria, V de arithmetica (nach Gell. X 

Diaconus e Topera di Varrone de iure civili lib. 1, 6), VI de astrologia, VII de musica, VIII de 

XV, Annuario delF Ist. di storia del. dir. Rom. medicina, IX de architectura. V.s Werk umfafite 

XI 1 91 0/ 1 1 . • also einmal eine Neunheit von eXsyd-sQiai imorfjfmi, 

b) Libri de gradibus. Die libri de gradibus 10 von disciplinae cycUcae oder liberales, oder in- 

sind aug einer Erwahnung des Servius (Aen. V genuae et humanae artes (Cic. de oral. Ill 21), 

412) bekannt: germanus est secundum Varronem zweitens war es eine Encyclopaedie. Damit er- 

in libris de gradibus de eadem genetrice manans, geben sich zwei Fragen, die behandelt werden 

non ut multi dicunt de eodem g ermine, quos ille miissen, um die Schrift historisch einzuordnen 

tantum fratres vocat (Funaioli 260), aus der und ihre Eigenart zu verstehen. Die Geschichte 

Ritschl (III 473) mit Recht auf eine Schrift der Entwicklung und Stellung der kynvnlioq 

geschlossen hat, in der die gradus necessitudinum naibsla in der griechisch-romischen Bildung, die 

oder consanguineorum abgehandelt wurden (s. Schmekel einst zu geben versprach, iist noch 

auch Karlowa Rom. Rechtsgesch. I 776 und nicht geschrieben worden; gut daruber vor alien 
S a n i 235). Weiter kann man nicht kommen, 20 N o r d e n Ant. Kunstpr.^ 670ff. und G u g g e n - 

wenn man auch geneigt sein mag, ein Werk von h e i m Stellung der liberalen Ktinste oder ency- 

mehreren Biichern als zu umfangreich fiir dieses clischen Wissenschaften im Altertum, Zurich 

Thema zu halten. Es bleibt eine recht muBige 1893. Da6 schon Hippias die tsxvai lehrte, die 

Vermutung, wenn S c h a n z (Rh. Mus. LIV 23!f.) man ispater unter die sXevdeQiai imotfjfiai zahlte, 

dadurch den Inhalt weiterzufassen sucht, da6 er steht zuerst bei Platon (Hipp. mai. 285 D; andere 

auf andere Stellen hinweist, an denen V. mehrere Belege bei Nor den 671, 1). Der Ausdruck 

gradus unterscheidet, so bei Censor. 14, 2 quin- slsvdeQiai kmotfj^ai begegnet bei Platon noch 

que gradus aetatis, Aug. C. D. 7, 23 gradus ani- nicht, erst bei Aristoteles (Polit. VIII 3, 1338 A 

mae, r. r. 2, 1, 3 gradus vitae humanae, Denn daS 32. naibsla iXev'&sQi.og; 2 1337 B 15), ist aber 
man verschiedene Stufen kennt, ist hinsichtlich 30 bei ihm ischon vorgebildet und in seiner Be- 

aller Objekte klar und so kame man zu tiberhaupt deutung klargelegt: log. VII 817 E: sn dt] rol- 

keiner Zielsetzung des Themas; V. kennt etwa vvv xdlg sXsvd'eQoig son xQia (xa'&i^f^aTa und dann 

auch 1. 1. 5, 7: quattuor gradus explanandi ver- zahlt er Arithmetik, Geometric und Astronomic 

borum origines, 1. 1. 9, 86 tres gradus beztiglich auf; vgl. 819 A: xoodbs rolvvv ifidotcov xqyj q?dvai 

der numeri antiqui. Gradus kann also fiir V.s [Aavd'avsiv del rovg sXev&sQovg. Es sind die Wis- 

Schrift nicht eine so allgemeine Bedeutung ge- sensgebiete, die der freie Mann — eXev'&sQog 

habt haben, sondern eine ganz spezielle, und dann ingenuus — beherrschen mufi, die er durch seine 

heiBt es doch wohl Verwandtschaftsgrad wie bei naibsla erwerben mufi (vgl. Sen. ep. 88, 2: quae 

Paulus in seinem liber singularis de gradibus et liberalia studia dicta sunt, vides: quia homine 
adRnibus et nominibus eorum (vgl. K n o c h e 40 libero digna sunt). Aristoteles verwendet fiir die 

Thes. 1. 1. VI 2158, 64ff.). gleichen Wissensgebiete auch den Ausdruck sy- 

7. Die Disciplinae. tJber die von Hieronymus TiVTcha bLaHovrjixaza (Pol. 17, 1255 B 25) oder 

angeftihrten neun Biicher disciplinarum, die auch syKv^iXioi biaKwlai (Pol. II 5, 1263 A 21), auch 

von antiken Autoren haufig zitiert werden (Vitruv. dies ein klarer Terminus, es ist der Kreis der 

VII praef. 14: ... item Terentius Varro de novem allgemeinen Disdplinen, durch den der Schuler 

disciplinis unum de architectura'; Isid. II 23: dia- gefiihrt werden mufi, ehe er zu dem eigentlichen 

lecticam et rhetoricam Varro in novem discipli- Hauptgebiet seines Studium gelangt, die artes, 

narum libris tali similitudine deiinimt. Gell. X wie Quintil. I 10 sagt, die notwendig sind, ut 

1, 6, vgl. Non. 700 L. Gell. XVIII 15, 2, Non. efRciatur wbis ille doctrinae, quam Graeci synvn- 
196 L. 884 L. Pseudacro in Herat. A. P. 203) 50 hov naibslav vocant; damit ist gleichzeitig auch 

fasse ich nur das Wichtigste kurz zusammen und die Stellung dieser sy^vKlia [Aad'tj (j.axa bestimmt: 

behalte mir vor auf den ganzen Fragenkomplex, sie sind, wird ihre Berechtigung nicht voUig ab^ 

der an dieses vielleicht einflufireichste Werk V.s gelehnt, wie von den Kynikern (Diogenes), Ze- 

ankniipft, spater ausfiihrlich zuriickzukommen. non, Epikur, vorbildende Unterrichtsfacher, tiqo- 

Ausgangspunkt aller Forschung ist der bedeutende aiaibsv/i^am, als solche bereits von Platon und 

Aufsatz Ritschls De Varronis disciplinarum Isokrates (Antidos. 26 Iff.) hingestellt, die Vorbe- 

libris (op. Ill 352ff.), der Zahl und Art der ein- reitung zur hochsten Stufe, der Philosophic wie 

zelnen Disciplinen festgestellt hat, die Reihen- beiPoseidonios.(Sen. ep. 88, bes.20f.), derRhetorik 

f olge der Biicher bestimmte und weiter auch, wenn wie etwa bei Quintilian, oder, wie spater immer bei 
in diesem Punkt auch nicht mit dem gleichen 60 den christlichen Autoren, der Theologie. In dieser 

Gltick wie hinsichtlich der ersten Fragen, ihren letzten RoUe haben die artes, das trivium und 

Inhalt aus der Benutzung bei spateren Schrift- quadrivium (dies Wort, soweit ich sehe, zuerst 

stellern rekonstruierte. Als Abfassungszeit ver- bei Boet. Arithm. praef. 7. 9, 28) ihre eminente 

mutet er auf Grund der Angabe des Plin. n. h. Bedeutung in der Bildungsgeschichte des Abend- 

XXIX 65: cunctarer in proferendo ex his reme- landes gehabt, bis in die Neuzeit hinein: auf 

dio, nisi M. Varro LXXXIII vitae a7ino prodidisset ihnen griindet sich ja die philosophische Fakul- 

. . ., die er fiir das achte Buch der Disciplinen in tat, die einstige Vorstufe des theologischen Stu- 

Anspruch nimmt, das J. 34/33, was sich nicht diums. 



1257 M. Terentius Yarro (Discipl.) M. Terentius Yarro (Discipl.) 1258 

Es ware nun moglich, die Geschichte des menden Zusammenstellung von Gebieten als die 

StUidiums der ikev&sQiat imotfjfxat zu unter- ganz auf die geistige Bildung gerichteten ihv 

suchen und die Eeihe der verschiedenen Gebiete 'd'SQiai kmotfj^ai, Disciplinen V.s, der eben der 

festzustellen, die in hellenistischer Zeit unter sie Romer war, der am tiefsten unter dem EinfluB 

g6zahlt wurden. Hier seien nur diejenigen Ele- der griechischen Wissenschaft stand. Eine Um- 

mente erwahnt, die speziell fiir die Bedeutung kehr zu Cato bedeutet V.s Nachfolger in der 

V.s in der Entwicklung der artes von Wichtigkeit encyclopaedischen Literatur, Celsus, in seinen 

sind. Dafi V., wie Nor den (672f.) annimmt, in artes: seine Stoffe, Landwirtschaft, Medizin, Rhe- 

den Disciplinen an Poseidonios (Sen. ep. 88) an- torik, Kriegswissenschaft sind wieder die Cato- 

knupft, ist gut moglich, bedeutsam ist vor allem 10 nischen. 

folgendes: die bei V. in die kynvnliog naibsla ein- Die Ziele sind bei Cato, Celsus und V. die 

bezogenen Einzelgebiete gehoren auch vor seiner gleichen, die Ausbildung in den fur den gebilde- 

Zeit samtlich in die Reihe der Disciplinen, aber ten Romer notwendigen Fachern. Nur sieht V. 

es fehlt augenscheinlich vor ihm bei den Grie- das was notwendig ist in anderen Dingen, in den 

chen eine feste Zahl und eine feste Reihenfolge. humanae artes. Durch diese Entscheidung ist er 

Die einzelnen Gebiete standen fiir sich und waren ein Mittler zwischen griechischer Kultur und 

in keine innerlich begrundete Abfolge gebracht, abendlandischer Bildung geworden, dessen Be- 

bildeten nicht einen festgefugten Bau. Die ein- deutung kaum unterschatzt werden kann. Fuchs 

zelnen Disciplinen in ein Werk zusammengefaBt (Neue phil. Unt. Ill 158, 1) hat ganz richtig be- 

und ihre Zahl bestimmt zu haben, das ist wohl 20 merkt, daB die Disciplinen das humanistische 

das Hauptverdienst V.s gewesen. AUerdings Streben auszeichnete, den Menschen durch Wis- 

waren es bei ihm 9 artes und erst durch das senschaft zu erziehen und hoher zu fuhren, daB 

Fortlassen der beiden letzten sind die septem li- sie keine tote Wissensanhaufung darstellten, und 

berates artes geworden, schon bei Augustin und zitiert in diesem Zusammenhang Aug. retract. 1 6, 

Martianus Capella, der die beiden letzten var- der als Absicht der liberalia studia hinstellt per 

ronischen Wissenszweige noch ausdriicklich er- corporalia ad incorporalia quibusdam quasi passi- 

wahnt (§ 891), sie aber von seinem Werke aus- bus artis vel pervenire vel ducere (vgl. doctr. 

schlieBt, da sie nur mit der mortalium rerum christ. II 40, 60; de musica Migne XXXII 1163 

cur a terrenorumque sollertia zu schaffen hatten; a corporeis ad incorporea) und Claudianus Mam. 

ihr Schopfer ist aber V. Vor ihm gab es eine 30 II 8 (CSEL 11, 30), wo er V.s eigene Worte, wie 

ky7iv>ihog naihtla^ aber keine Encyclopaedie. ich glaube mit Recht, wiederfindet (dagegen aller- 

Durch die Wahl dieser systematischen Form tritt dings T h e i 1 e r Porphyries und Augustin, Halle 

er in die Tradition der spezifisch-romischen li- 1933, 5, 1): V. beabsichtige mit seinen Disciplinen 

terarischen Gattung der Encyclopaedie ein. Die nichts anderes als daB er a visibilibus ad invisi- 

Griechen kannten etwas entsprechendes nicht; bilia, a localibus ad irdocalia, a corporeis ad in- 

aber bei den praktischen Tendenzen des Romers oorporea miris aeternae artis modis abstrahat 

kam es nicht auf Einzeluntersuchungen, auf Dis- animum, ein Ziel, das in an<ierer Weise gewandt, 

kussionen problematischer Fragen, sondern auf auch Isid. II 71, 41 ausdriickt: ordo autem iste 

einen Dberblick tiber das bisher Erforschte an; septem saecularium disciplinarum ideo a philo- 

man steht nicht wie der griechische Gelehrte in 40 sophis usque ad astra perduetum est scilicet ut 

einer mitarbeitenden Tradition, sondern legt dem animos saeculari sapientia implicatos a terrenis 

gebildeten Publikum einen Stoff vor, bei dem man rebus abducerent et in superna contemplatione 

keine Vorkenntnisse voraussetzte oder verlangte. conlocarent. Die Losung von den res terrenae, 

Bei dieser Absicht waren Einzelschriften, die Befreiung von irdischen Schmerzen und Sorgen 

einer ganz einmaligen historischen Situation ent- nennt Seneca als die Frucht, die das Studium der 

wiichsen, nicht am Platz. Auch kein Fachmann bonae artes hervorbringt, ad Polyb. II 5 vom 

ist zur Herstellung einer solchen Encyclopaedie Bruder des Polybius: sciebas animum eius libe- 

notig. So sind die Disciplinen ahnlich wie die ralibus disciplinis, quibus non innutritus tantum 

encyclopaedischen Werke V.s auf den Gebieten der sed innatus est, sic esse fundatum, ut supra om- 

Sprachwissenschaft und der. Altertumskunde, 1. 1. 50 nis corporis doloris emineret und die Mutter weist 

und die antiquitates, ein SchluB stein, das Ende er, um ihr liber den Schmerz hinwegzuhelfen, auf 

einer Entwicklung, eine Zusammenfassung, ver- die Beschaftigung mit den artes hin, ad Helv. 

langen keinen Neuerer, sondern hochstens Fort- 17, 3: itaque illo te ducOj quo omnibus qui for- 

setzer oder Exzerptoren. Das lebendige grie- tunam fugiunt, confugiendum est, ad liberalia 

chische Bemiihen und Immerweiter suchen war studia: ilia sanabunt vulnus tumrij ilia omnem 

praktisch aufgereiht, des Problematischen beraubt tristitiam tibi evellent. 

und erstarrt. V. will den Kreis der griechischen Soviel im allgemeinen. Die Hauptaufgabe im 

Bildung fur romische Verhaltnisse umsetzen, er- besonderen ist die, aus den spateren Benutzern 

setzt also fiir die weit mehr in der griechischen der Disciplinen, die V.s Werk dem Mittelalter 

Bildung wurzelnden Menschen seiner Zeit die 60 tibermittelten, ein Bild von ihnen zu rekonstruie- 

Encyclopaedie des M. Cato, der wohl die gleichen ren, die sicheren Fragmente zu sammeln und 

utilitaristisch-belehrenden Absichten hatte, aber weiter zu bestimmen, wo sonst varronischer Ein- 

von den Griechen noch kaum beeinfluBt war in fluB vorliegt. Ferner auf Grund des Gefundenen 

seinem encyclopaedischen Werk, den praecepta ad sich nach den hellenistischen und romischen Quel- 

Marcum, den er in Medizin, Rhetorik und Land- len umzusehen, Fragen, die fiir einzelne Teilgebiete 

wirtschaft, vielleicht auch in Kriegswissenschaft wohl erfolgreich angegriffen, aber fiir das ganze 

und Jurisprudenz unterwies, einer den durchaus Werk noch in keiner Weise befriedigend gelost 

praktischen Bediirfnissen vielmehr entgegenkom- sind. 



1259 M. Terentius Varro (Philos.) M. Terentius Varro (Philos.) 1260 

Literatur. Zu Buch I de grammatica: Wil- hatte Gicero nicht schreiben konnen, wenn V. die 

manns 98ff:., Fragmente 208, IIS. GEF 205f., beiden philosophischen Schriften, den Zi6er de ^/ii- 

frg, 49, G.-S. 227, 107ff. B a r w i c k Philol. losophia und die 3 Biicher de forma philosophiae 

Suppl. XV, bes. 230ff.; zu Buch II de dialectica: bereits ediert hatte (Wilmanns De Vaxr. lb. 

B. Fischer De Augustini libro de dialectica, gramin. 9, 2). In der ersten Schrift legt V. als 

Jena 1912. GRF 278, frg. 265. G.-S. S. 234, 130; Angehoriger der alten Akademie seinem philo- 

zu Buch IV de geometria: Fr. Ltidecke De Mar- sophischen Lehrer Antiochos von Askalon folgend 

tiani Gapellae libro sexto, Gottingen 1862. R e e h den Grund der Philosophie, die fiir ihn rein auf 

De Varrone et Suetonio quaestibnes Ausonianae, das praktische Ziel des Eudamonismus gerichtet 
Halle 1916, 34ff. weist Censorin d. n. c. 13 dem 10 ist. Der Auszug Aiigustins ist, wenn auch knapp, 

Buch IV de geometria zu, 10 und 12 Buch VII so doch klar, und es eriibrigt sich, den Gedanken- 

de musica, c. 8 und die 8. (vielleicht auch 6. gang der varronischen Schrift hier im einzelnen 

und 7.) ecloga des Ausonius Buch VI de astro- darzulegen; s. Zeller III P, 693ff. Boissier 

logia; zu Buch VII de musica: H. D alters 112ff. Krahner De Varr. philosophia, Fried- 

Uber das Verhaltnis des Mart. Cap. zu Aristides land 1846, Iff. Nur einiges sei angedeutet: 

Quint., Posen 1881, Studien zu den griech. Mu- Typisch varronisch ist der Schematismus in der 

sikern, Posen 1887; E. Holzer Varroniana, Bestimmung der moglichen philosophischen Hal- 

Ulm 1890. H. Abert Sammelbd. der intemat. tungen, deren er angeregt durch Antiochos (Cic. 

Musikges. Ill 439ff., zu Cassiodor (Varro Quelle fin. V 16) 288 errechnet, die er alsbald auf 
Gassiodors fiir die asthetischen Anschauungen des 20 3 Hauptklassen reduziert. Sie betreffen das Ver- 

Musikkapitels seiner Encyclopaedie) ; P. Ma as haltnis der virtus zu den prima naturae: soil das 

Herm. XLVIII 157ff.; zu Buch VIII demedicina: 0. erste NaturgemaBe um der Tugend willen, die 

Probst Gelsus und Plinius in ihrem Verhaltnis Tugend um des NaturgeniaBen willen oder soUen 

zum 8. Buch der Encyclopaedie V.s, Munch. 1905. beide um ihrer selbst willen begehrt werden? 

Wellmann Philol. Unters. XIV 26 Anm.; zu Um eine Antwort hierauf zu geben, wendet sich 

Buch IX de architectural E. Oder Philol. Suppl. V. der Frage nach der Natur des Menschen zu. 

VII 1899, 365, 186. A. Kalkmann Quellen der Er ist Leib zugleich und Seele und so muB das 

Kunstgesch. des Plinius, Berl. 1888, 86ff. Eine summum honum des Menschen aus den Giitern 

Fragmentsammlung gibt es nicht; Ansatze bei des Leibes und deir Seele bestehen. Daher sind 
Ritschl III 372ff. Sie ist bei diesem Werk 30 die nQcbra nam (pvaiv und die virtus um ihrer 

auch geradezu unmoglich, da hier varronisches selbst willen zu erstreben. Das hochste Gut ist 

Gut von Hand zu Jffand weitergeht und man die Tugend, die sich und die anderen Giiter, die 

schlieBlich oft gar nicht bestimmen kann, was den Menschen glucklich machen, richtig anwendet. 

noch an wirklich Varronischem bleibt. Es kom- Geschieht das, so ist das Menschenleben glucklich 

men fiir die Disciplinen neben Vitruv, Plinius, (vita beata), kommen noch andere Giiter dazu, die 

Gellius, Sueton vor alien Martianus Gapella, nicht unbedingt zur Tugend gehoren, so erreicht 

Augustin de dialectica, de musica, de ordine man die vita heatior, fehlt endlich kein Gut des 

(Migne XXXII), Gassiodor de artibus et disci- Leibes und der Seele, die vita beatissima. Schon 

plinis liberalium artium (Migne LXX 1449 — diese Gliederung in vita beata, beatior und bea- 
1219) und Isidor. etym. Buch. I — III in Betracht, 40 tissima muBte dem nuchtern materiell gesonnenen 

und bei ihnen ware die Frage der Quellen und Romer zusagen, noch mehr die Forderung, dafi 

des Verhaltnisses untereinander zu betrachten. diese vita beata sich in einer Gemeinschaft auszu- 

DaB bei alien Varronisches steckt, weiB man wirken habe, im Haus fiir Gattin, Kinder, Diener, 

natiirlich langst, aber man kann meines Erachtens in der Stadt fiir die Biirger, auf dem ganzen Erd- 

hier noch welter kommen. Augustin und Isidor kreis fiir die gentes, endlich im mundus fiir Him- 

kommen nur in zweiter Linie in Betracht; der mel, Erde und Gotter; und zwar in einem Leben, 

eine ist zu selbstandig, der andere hat V. nicht das weder rein theoretisch (otiosa) noch praktisch 

mehr selbst gelesen; mehr ist aber aus Gassiodor (actuosa) ist, sondern aus beiden Arten gemischt. 

und vor allem Martianus Gapella zu gewinnen, Fest steht dabei das, was das hochste tJbel und 
dem, wie ich glaube, bei Abfassung seiner artes 50 was das hochste Gut ist; liber das Wesen der 

V.s Disciplinen vorlagen und der V. viel mehr virtus ist nicht zu zweifeln, wie es die novi Aca- 

verdantt als dies W e s s n e r Bd. XIV S. 2007ff . demici seit Arcesilas tun, denen alles ungewiB ist. 

annimmt. Es muB eerta dogmata geben. Das ist, sagt V., 

8. Die philosophischen Schriften. die Lehre der alten Akademie, des Antiochos von 

a) Der liber de philosophia. Wann V. dies Askalon. Dies ist knapp dargelegt V.s philosophi- 

von Hieronymus nicht angefiihrte Buch, das sches Bekenntnis, die Anerkennung einer einzigen 

durch den Auszug Augustins (G. D. XIX 1 — 3) Moglichkeit, das gliickliche Leben zu gewinnen; 

recht gut bekannt ist, verfaBt hat, laBt sich schon Krahner hat gut darauf hingewiesen, 

einigermaBen genau bestinmien. Bei der Ver- wie nahe sich die augustinischen Kapitel mit V.s 
offentlichung der ac. post. Giceros im Juli 45 60 Vortrag in Giceros Academica beruhren. Man fiihlt, 

hatte er noch kein im engeren Sinne philosophi- daB er sich nicht plotzlich einem ihm abliegen- 

sches Werk geschrieben (I 3), obwohl er, wie Gi- den Thema zuwandte, sondern, als er die Schrift 

cero sagt, auch auf diesem Gebiet hervorragend schrieb, seit langem mit der Philosophie der alten 

kundig sei, sondern nur in einigen anderen Academie vertraut war. Die Absicht bei ihrer 

Schriften, die Gicero den V. auffiihren laBt (1 8), Abfassung war anders als die ciceronische: nicht 

den Menippeen, Laudationes, den Prooemien der Belehrung seiner Landsleute in einem fremden 

antiquitates auch die Philosophie beriihrt, jedoch Stoff, sondern grundsatzliche Begriindung der 

ad impellendum satis ad edocendum parum. Das eigenen Anschauung. So ist V.s Buch viel person- 



1261 M, Terentius Varro (Philos.) M. Terentius Varro (Philos.) 1262 

iicher als Ciceros philosophische Schriften. Mit lus Fundanius de admirandis, 8. Orestes de in- 

diesen kann man der inneren Haltung nach viel sania, 9. Pappus indige (?), 10. Pius de pace^ 

eher die wissenschaftlichen Werke Varros verglei- 11. Sisenna de historia-, nur mit den Eigennamen 

chen. Denn hier ist V. auf philologisch-antiqua- 12. Galenus, 13. Later ensis, 14. Nepos, 15. Scae- 

rischem Gebiet, was Cicero auf philosophiscfiem vola, 16. Scaurus] nur mit dem zweiten Titel 

war, der "Qbermittler hellenistischer Methode und 17. de moribus, 18. de pudicitia, 19. de saecu- 

hellenistischen Gedankengutes. lis (?). Uber die Logistorici lassen sich allgemein 

b) Be hrma philosophiae. Wie sich zu diesem eine Keihe von Einzelheiten mit groBerer oder 
Weg zur Philosophie die von Hieronymus genann- geringerer Sicherheit aussagen. Zunachst umfafite 
ten 3 libri de forma philosophiae verhalten, ist 10 jedes ein in Prosa abgefafites Buch und hatte 
nicht zu sagen. Mit dem einen Zitat des Cha- einen Doppeltitel, dessen beide Teile im Gegen- 
risius (GL I 103, 13) capparim feminino genere satz zu den der Saturae Menippeae in lateinischer 
dixit Varro de forma philosophiae 11 ist nichts zu Sprache gehalten waren. Stets war eine Person 
machen; bei den iibrigen 3 Stellen, die Chap- genannt, und zwar, wie Ritschl (III 408f.) 
puis lediglich ihres Inhaltes wegen als Frag- richtig bemerkt hat, immer mit dem Cognomen, 
mente zahlt (64f.), ist die Zugehorigkeit auBerst auBer dem Marius, der keinen Beinamen hatte, 
dubios. Jedenfalls ist dies groBere Werk nicht und dem Gallus, dem V. wegen des haufigen Vor- 
mit dem einbandigen liber de philosophia iden- kommens dieses Cognomens den Gentilnamen 
tisch. Die Bedeutung von forma im Titel hat Fundanius zufugte. Die Titeltrager sind durch- 
Chappuis (Paris 1868, 63) dadurch recht gut 20 weg Zeitgenossen V.s. Die Abfassungszeit steht 
naher zu bestimmen gewuBt, dafi er auf analoge fest nur fur den Pius, bestimmt nach 54/53, 
Ausspriiche in 1. 1. hinwies: VII 109 bezeichnet wahrscheinlich erst nach 40 verfaBt; in diese 
V. das Stoffgebiet von IV, in dem er allgemein Zeit gehort vielleicht auch der Catus. Fur die 
die Grundlagen der etymologischen Lehre legte, anderen Logistorici ist auch die Zeit um die: 
als forma etymologiae^ VIII 24 ebenso das generell Mitte des Jahrhunderts am wahrscheinlichsten. 
der Analogie gewidmete Buch X de similitudi- Da der Titeltrager des Pius de pace mit groBter 
num forma; und am Anfang von X sagt er: qua- Sicherheit Q. Caecilius Metellus Pius ist, der 
rum rerum quod nee fundamenta ut debuit po- etwa 64 starb, steht fest, dafi dieser Logistoricus 
sita ab ullo neque ordo ac natura ut res postulat einen Toten in der tJberschrift nennt, eine Tat- 
explieita, ipse eius rei formam exponam. Ahnlich 30 sache, die man dann auch fiir andere Biicher wird 
allgemein in die Prinzipien der Philosophie hat er annehmen mtissen, wie Scaevola, Sisenna, Marius,. 
also auch in diesem Buch eingefiihrt. Die im Titel genannten Personen waren demnach 

c) De principiis numerorum. DaB die im Ka- nicht die Adressaten, was man iibrigens schon aus 
talog erwahnten 9 Biicher dieses Werkes die pytha- dessen Beschaffenheit schlieBen muBte; sonst 
goreische Zahlenlehre zum Gegenstand batten, wtirde es z. B. heiBen ad Sisennam de historia. 
hat Ritschl (III 442) wohl mit Recht vermutet: Der Titel weist also die gleiche Form wie Ciceros 
dies pythagoreische Interesse an den Zahlen zeich- Cato de senectute oder Laelius de amicitia auf, 
net V. in alien seinen Schriften aus. Fries und auch darin stimmen Cicero und V. iiberein, 
(Rh. Mus. LVIII 115ff.) hat durch tJbereinstim- daB im Haupttitel — bei V. nur bisweilen — 
mung mit Martianus Capella und Censorin zu 40 Verstorbene genannt sind. Es ist aber sehr frag- 
zeigen gesucht, daB Favonius Eulogius von V. lich, ob man diese Parallelitat noch weiter vor- 
aibhangig ist, dem ebenso Gellius und Macrobius aussetzen darf: Ritschl (III 41 6f.; vgl. Ill 
folgen. Er fiihrt die ganze Tradition iiber die 493) nahm namlich auf Grund des in Wirklich- 
pythagoreische Zahlenlehre, die in zwei verschie- k«it nichts besageniden frg. ' 4 (Riose) aus -dem 
denen Reihen, der varronischen und adrastischen, Catus an, die Form der Logistorici sei dialogisch 
vorliege, auf Poseidonios zuriick; abgelehnt von gewesen und der Titeltrager der Hauptunterred- 
MrasllOf. Prachter (Herm. XL VI 407) hat ner -^ ganz wie bei Cicero; eine Annahme, die 
im AnschluB an Fries weiterhin eine Augustin- dann auch von R i e s e (35) gebilligt wurde, aber 
stelle (C. D. XI 30) aus V. mit Favonius kom- doch in keiner Weise bewiesen werden kann. 
biniert und so den varronischen Gedankengang 50 Sicher steht nur, daB die Person und die Sache 
zu rekonstruieren versucht, den er nach de prin- im Titel in einer innerlichen Beziehung gestanden 
cipiis numerorum oder in das Buch tiber die haben; klar ist diese bei Sisenna de historia, 
Arithmetik in den Disciplinen weist. — Ich fiige bei Atticus de numeris und Marius de for tuna; 
hier die wichtigste Literatur tiber V.s Pythago- bei Orestes de insania, Curio de eultu deorum, 
reismus an: A. Schmekel De Ovid. Pythagor. Messalla de valetudine laBt sie sich zumindest 
doctr. adumbratione 76ff., wo er die varronischen vermuten. DaB V. also bestimmte Personen 
Bruchstiicke die pythagoreische Lehre betreffend nannte, sollte eine Ehre fur sie sein; was sie dann 
sammelt; ferner Philosophie der mittl. Stoa 409ff. fiir eine Rolle im Buch selbst spielten, muB oB^n 
449f. A. Gianola Pitagora e le sue dottrine I: bleiben; Cichorius (237) nimmt an, V. \ei 
Framm. d. dottr. di Pitag. desunti dalle opere di 60 von ihnen nur in der Einleitung ausgegangen und 
Ter. V. Estr. d' Ultra 1911. habe dann allgemeinere Dinge behandelt. Pie 

d) Die logistoricL AoyioxoQixcbv libros LXXVI Themen sind sehr mannigfaltig: philosophisch 
nennt der Katalog, Als Logistorici mit beiden und zwar in der Richtung der Akademie im Pius 
Titeln zitiert werden 1. Catus de liberis educan- de pace und wohl auch in de moribus, stoisch 
dis, 2. Curio de cultu deorum, 3. Marius de for- vielleicht im Marius und Curio, historisch-antiqua- 
tuna, 4. Messalla de valetudine, 5. Tubero de ori- risch in de numeris, de admirandis, im Scaurus, 
gine humana, mit beiden Titeln ohne die Bei- allgemeine Fragen der praktischen Ethik behan- 
fiigung logistoricus, 6. Atticus de numeris, 7. Oal- delnd im Catus, Messalla, Orestes, in de pudicitia. 



1263 M. Terentius Varro (Philos.) M. Terentius Varro (Philos.) 1264 

Am wichtigsten ware es natiirlich, wenn man nach Kaum etwas weiB man liber den Galenus; 

all den Einzelheiten sich ein genaues Bild vom Serv. Aen. IX 53 erwahnt aus ihm einen Kriegs- 

Wesen dieser Gattung iiberhaupt nach dem Titel branch beim Betreten des feindlichen Landes. Die 

,logistorici* machen konnte; der Titel begegnet Titelperson ist nicht mit Sicherheit zu identifi- 

auBer bei V. nie; er wird ihn wohl selbst gebildet zieren: eskommen in Betracht C. Subernius Ca- 

haben. Weiter aber ist es infolge der diirftigen lenus (Cic. fam. IX 13), ein Parteiganger des 

Eeste unmoglich, festzustellen, in welcher Weise Pompeius, der 49 mit V. nach Spanien ging (so 

eine Verbindung von Xoyog und laxoQia voUzogen Ritschl III 414) oder Q. Fufius Calenus, der 

war. Ritschl (III 482 Anm.) stellt sie sich als von Cicero oft genannte Adressat der epistula ad 
philosophische, namentlich ethische, jedoch mit 10 FuHum, dem V. im J. 43 bei den Proscriptionen 

einem reichhaltigen Beiwerk historischer Belege sein Leben verdankte (Appian. bell. civ. IV 47). 

durchwirkte, und mehr popular als systematisch Gatus de liberis educandis ist der best kennt- 

gehaltene Diskurse vor, Hirzel (Dial. I 330) liche logistoricus: Nonius zitiert ihn 34mal, Gel- 

bestimmt sie als Xoyoiy Gesprache, verbunden mit lius zweimal und Macrobius einmal. V. geht auf 

toroQia, Geschichte, und vermutet, daB das Ergeb- den Wunsch eines Vaters ein, ihm bei der Er- 

nis der dialogischen Erorterung durch eine Er- ziehung eines Sohnes zur Seite zu stehen (frg. 1 R.) 

zahlung aus dem Bereich der Sage oder Geschichte und legt ausftihrlich den Erziehungsgang eines 

untersttitzt wurde. Er verweist als nachste Par- romischen Knaben von seiner Geburt an dar; 

aUelen auf die pseudoplatonischen Dialoge Minos Geburtsriten, Namengebung, Wahl der Amme, 
und Hipparchos; v. Wilamowitz (Gott. 20 Opfer beim Einnehmen der ersten Speise, beim 

Progr. 1889, 20) auf Plutarchs Moralia. Das sind ersten Sprechen, Auswahl der Nahrung, Kleidung; 

Moglichkeiten, deren Probabilitat man ebenso da- aber nicht nur die korperliche, auch die geistige 

hinstellen muB, wie die oft vertretene Ansicht, und Charakterbildung: Vermeidung schleehten 

die Dialoge des Herakleides Ponticus seien V.s Einflusses; immer sieht er es auf Einfachheit ab, 

literarisches Vorbild gewesen. Ritschl (III so bringt er eine Reminiszenz an seine eigene an- 

482, vgl. auch Riese 34. Chappuis 4. spruchlose Jugend (19 R.), zeigt im ubrigen sein 

M o m m s e n RG III 603) bezieht eine Reihe immer hervortretendes starkes Interesse an der 

von Zitaten aus ciceronischen Briefen an Atticus Erklarung alter Namen, historischer Gebrauche. 

auf die Logistorici, in denen Cicero Varronis — Rit schl (III 413) bemuhte sich vergeblich^ 
didkoyov nennt (XV 13, 3) oder, womit das gleiche 30 etwas uber die Person des Catus festzustellen, 

gemeint ist, a quo (sc. Varrone) adhuc 'HQanhi- Cichorius (226ff.) vermutet als Adressaten 

deXov illud non abstuli (XVI 11, 3); s. auch XV den Juristen Q. Aelius Tubero, dessen Sohn Sex. 

13, 3 iam probo 'HQaHleideiov, XVI \2 de 'H^a- Aelius Catus, der Consul von 4 n. Chr., zwischen 

nXeiMip Varronis negotia salsa; recht unsicher, 40 und 30 geboren sein muB. Ganz sicher ist 

da dabei die Dialogform fiir die Logistorici vor- diese Vermutung natiirlich nicht, noch vager 

ausgesetzt ist. Aber andere Momente, auf die die Einf alle Gudemans Tac. dialogus^ 96, 

Ritschl (III 482 Anm. 498, 4) aufmerksam Tacitus habe im Dialogus auch den Catus zu Rate 

macht, sprechen wohl eher fiir Herakleides, ohne gezogen und Fraccaros Boll, di fil. class. 

daB man auch darauf viel geben darf : die Gleich- XVII 161, Cato sei im Catus die Hauptperson 
artigkeit der Themen (vgl. Diog. Laert. V 86f.), 40 gewesen, seine Jugend sei als Muster einer rech- 

der Umstand, daB auch Herakleides Verstorbene ten romischen Erziehung aufgestellt worden, auf 

in seinen Dialogen einfiihrte (vgl. Cic. Att. ihn beziehe sich auch frg. 19 R., und V.s Logisto- 

XIII 19). ricus habe Cicero im Cato de sen. zum Muster 

Literatur. Ritschl op. Ill 4031 440. 482. gedient. — S. noch Mo mm sen RG III 610 

493 Anm. 4. Mercklin Rh. Mus. XII 372ff. Anm., der den Inhalt kurz rekonstruiert. 

Cichorius Rom. Stud. 226. Fragmente: A. Curio de cultu deorum ist besonders aus dem 

Riese Varronis sat. Men. rel. 247. Chappuis 4. und 7. Buch von Aug. C. D. bekannt. Danach 

Fragments des ouvr. de Varron intitules logisto- hat L. Krahner Varronis Curio de cultu deo- 

riqi usw., Paris 1868, Iff. rum, Friedland 1851, sehr scharfsinnig den In- 

Zu einzelnen Biichern: Censor, d. n. 2 spricht 50 halt, der sich eng mit der romischen Theologie 

von dem Buch cui titulus est Atticus et est (da- der antiquitates beriihrt, wiederzugewinnen ver- 

fiir falsch von Ritschl et intus vermutet) de sucht; gegen seine zuweitgehenden Rekonstruk- 

numeris und fiihrt eine Sitte der Vorfahren bei tionen Agahd (Jahrb. Suppl. f . Philol. XXIV 8). 

der Verrichtung des mwnws anwaZe fur den (/emws ITber den Titeltrager Ritschl (III 414) und 

an; Ritschl nahm wegen dieser Erwahnung Cichorius (238), der in ihm C. Scribonius 

die Konjektur de muneribus von Manutius Curio, den Consul von 76, der Pontifex war, ver- 

auf , dem unter anderen auch Chappuis f olgte. mutete. 

Richtig behalt aber Riese numeris bei und ver- Gallus Fundanius de admirandis. Den Titel 

weist auf des Atticus liber annalis, von dem V. zitiert am genauesten Macrob. sat. II 112 Gallus 
moglicherweise ausgegangen ist. Weiter suchte 60 de admirandis; er laBt sich durch andere Erwah- 

Schanz Rh. Mus. LIV 25 zu kommen: V. hat nungen besonders bei Nonius vervollstandigen. 

nach ihm von den numeri, d. h. den Jahren des Die Titelperson ist nach Ritschl (III 409) 

menschlichen Lebens gehandelt, und zwar den Fundanius, der Schwiegervater V.s. Das Buch ge- 

klimakterischen Jahren. Dies letzte ist eine eben- hort zu dem literarischen genus der d^aviidoia 

so vage Vermutung wie die weitere, daB das Buch und hat sich z. B. mit Seltsamkeiten an Quellen 

ins J. 46 gehore, verfaBt zu Atticus 63. Geburts- und Gewas^ern beschaftigt, auch mit Erfindungen 

tag, als er ein klimakterisches Jahr zuriickgelegt bemerkenswerter Dinge, so daB Eriehthonios zu- 

hatte. erst ein Viergespann bei den Panathenaen ver- 



1265 M. Terentius Varro (Philos.) M. Terentius Varro (Philos.) 1266 

wandte, Aeacus der erste Tempelerbauer war. Auf Begriffs mos zitiert Macrob. Sat. Ill 8, 9; viel- 
Grund dieses Inhalts hat Chappuis nach leicht gehort dahin auch Serv. Aen. VII 601, wo 
R i t s c h 1 (III 393f.) noch eine ganze Reihe ahn- die genauere varronische Definition gegeben wird; 
licher varronischer Fragmente, vor aUem aus Pli- s. Krahner De Varronis philos., Friedland 
nius und Solin, die ohne Angabe der Schrift er- 1846, 2, der V.s Definition mit ahnlichen Stellen 
wahnt sind, unter die Bruchstiicke der admiranda aus Cic. Acad, vergleicht, die Existenz eines 
gestellt. Oder Philol. Suppl. VII 364 A. 185 Buches de moribus ablehnt und das Macrobius- 
halt die Schrift fiir die Quelle der paradoxa aqua- zitat auf de philosophia bezieht. 
rum bei Vitruv. VIII 2 und L a f a y e Les Meta- Nepos. Fur die ungewohnliche feminine Bil- 
morph. d'Ovide (Paris 1904) 212 fiir die der 10 dung haec praesepes von Charis. GL I 59, 15 an- 
paradoxa bei Ovid. met. XV und die gleichartigen gefuhrt. Gemeint ist wohl der Historiker Come- 
in Plin. n. h. C i c h o r i u s (240) konjiziert im lius Nepos, der vertraute Freund und Offizier des 
frg. 8 R. auf Grund von Plin. n. h. VIII 225 an Pompeius. 

Stelle des tiberlieferten in silva mea in silva Aus dem Orestes de insania fiihrt Gell. XIII 4 

Mesia. ein Antwortschreiben der Olympias an auf einen 

Later ensis, nur einmal bei Priscian GL II Brief ihres Sohnes Alexander, in dessen iiberheb- 

511, 25 zitiert. Titeltrager ist nach Ritschl lichem Ton V. wohl ein Zeichen von insania 

(III 415) M. luventius Laterensis, Praetor 52. sehen woUte. Viel Miihe hat man sich mit dem 

Marius de fortuna; so in den beiden Erwah- Orestes gemacht: Mercklin (Rh. Mus. XTI 
nungen Schol. Veron. Aen. VII 681 und Macrob. 20 393) halt ihn fiir den Sohn des Agamemnon, fiir 

sat. Ill 18, 6 genannt. Das gleiche Thema be- den der zweite Titel am besten pafit, Cicho- 

handelt auch die Satire sxco oe, nsQi xvxng (Nor- rius (240) scheidet den Orestes wegen der my- 

den Rh. Mus. XLVIII 540). Hinsichtlich der thischen Person iiberhaupt aus der Reihe der 

Titelperson lafit es Ritschl (III 409f .) unent- Logistorici, da etwas derartiges ganz aus der son- 

schieden, ob der alte Marius, sein Sohn oder auch stigen Gewohnheit herausfalle und erklart ihn 

irgendein j lingerer Verwandter gemeint ist, wah- recht unwahrscheinlich fiir eine satura. Mir scheint 

rend N o r d e n eine Beziehung auf den alten Ma- am glaubhaftesten die Ansicht Ritschls (III 

rius fiir sicher halt; er fiihrt eine Reihe von 408. 413), daB ein Zeitgenosse, am ehesten Cn. 

Stellen, die von der Fortuna des Marius handeln, Aurelius Orestes, Consul 71, gemeint ist und dafi 
aus Livius und Plutarch an. Diese beiden gehen 30 V. ihn absichtlich zur Titelperson einer Schrift 

auf Poseidonios zuriick, der Marius als das de insania gemacht hat, um an den wahnsinnigen 

typische Beispiel des von der ivxri Geleiteten Sohn Agamemnons zu erinnern. 

hingestellt habe; aus ihm habe auch V. die Ver- In dem Bruchstiick aus einem Pappus aut 

bindung seiner Person mit der tvxr]. Dieser Auf- indige, bei Non. 19, 1 L., wofiir Ritschl de 

fassung widersprach Cichorius (233) auf indigentia, e h 1 e r Varronis Sat. Menipp. rel., 

Grund der Nennung von Praeneste in beiden Lpz. 1844, c?6 mc?i^ewakonjizierte,sieht Ritschl 

Fragmenten und nimmt an, dafi der jiingere (III 405) die Spur eines Logistoricus, e h 1 e r 

Marius in Betracht kommt, der in Praeneste und nach ihm Chappuis (2) zahlt ihn unter 

von SuUa belagert wurde und umkam. Man kann die saturae. 

die Frage nicht entscheiden; die Erwahnung40 Pius de ^Jace zitiert Gell. XVII 18: M. Varro 

von Praeneste soil man besser als Argument fiir ... in libro quern scripsit Pius aut de pace C. 

Marius, den Sohn, aufier acht lassen. In beiden Sallustium scriptorem seriae illius et severae ora- 

Pragmenten behandelt V. spezieU praenestinische tionis, in cuius historia notiones censorias Heri 

Geschichte, einmal die Griindung der Stadt, ferner atque exereeri videmus, in adulterio deprehensum 

spricht er von einem Nachbarstamm der Praene- ab Annio Milone loris bene caesum dicit et, cum 

stiner, und es ist sehr gut moglich, daB er diese dedisset pecuniam, dimissiim. Als den Titel- 

Stadt erwahnte nur der Fortuna von Praeneste trager stellte Ritschl (III 410) ganz rieh- 

wegen, ohne an den Untergang des jiingeren Ma- tig Q. Caecilius Metellus Pius, Consul 80, der 

rius zu denken. etwa 64 starb, fest; .so auch Cichorius 

Messala de valetudine, erwahnt von Probus 50 229. Der terminus post quem fiir die Abfassung 

Verg. eclog. 6, 31. Die Frage nach der Person ist das J. 54/53, in das das von Gellius erwahnte 

des Messala lieB Ritschl (III 410) unbeant- Ereignis failt; R i t s c h 1 hat die Zeit noch naher 

wortet; Cichorius (233ff.) setzt ihn in Ver- umgrenzt durch die Vermutung, daB V. sich 

bindung mit dem Thema und entscheidet sich da- gegen die schweren Beschuldigungen, die Sallust 

her fiir M. Valerius Messala Rufus, Consul 53, dem Metellus in den ersten Historienbiichern ge- 

der sich einer besonders guten Gesundheit und macht hatte, dadurch wandte, daB er ihn selbst 

langen Lebens erf rent haben muB, gehorte er angriff, eine ansprechende Vermutung, die Ci- 

doch nach Macrob. sat. I 9, 14 55 Jahre lang dem c h o r i u s 229 auf griff und naher ausgefiihrt hat. 

Augurencollegium an. — DaB der einzige im Damit kommt man an den Anfang der dreiBiger 
Katalog erwahnte liber monobiblus, die sonst nie 60 Jahre, etwa in die gleiche Zeit, in die auch der 

zitierte Schrift de valetudine tuenda identisch mit Catus gehort. (Weniger Wahrscheinlichkeit, da 

dem Messala ist (so Ritschl III 440), ist, des- hier keine Beziehung des Titeltrager s zum Gel- 

wegen wenig wahrscheinlich, weil er sonst der liuszitat vorhanden ist, hat die Annahme N o r - 

einzige fiir sich genannte Logistoricus ware. dens bei E. Meyer Caesars Monarchic^ 587, 2, 

Wahrscheinlich war es eine Sonderschrift ahn- der Pius sei eine Gegenschrift gegen Sallusts 

lichen Inhalts wie das medizinische Bueh der zweites Sendschreiben an Caesar von 46, und soUe 

Disciplinen. den Widerstreit zwischen den Worten und der 

Varro de moribus mit einer Bestimmung des Lebensfiihrung Sallusts zeigen.) Der Inhalt der 



1267 M. Terentius Varro (Philos.) M, Terentius Varro (Poet.) 1268 

Schrift, soweit wir sehen, der einzigen der romi- der philosophisch interessierte L. Aelius Tubero, 

schen Literatur iiber den Frieden, ist recht gut der Freund Ciceros; ihm dedizierte nach Phot, 

kenntlich seit dem Nachweis von H. Fuchs N. bibl. 212 Ainesidemos die Xoyoi TJvqqwvioi. 

Phil. Unters. Ill 150, daB die Friedensgedanken II. Diepoetischen Werke. 

Aug. C. D. XIX llff. sich auf V.s Logistoricus 1. Die Saturae Menippeae. Von den 150 libri 

griinden. Saturarum Menippearum, die im Katalog erwahnt 

De pudicitia, einmal von Serv. Aen. IV 45 er- werden, sind rund 90 Titel und 600 Fragmente 

wahnt; Msch sieht hierin Mereklin (Rh. Mus. fast ausschlieBlich durch Nonius erhalten; neben 

XII 372) den zweiten Titel eines angeblichen Lo- ihm kommen auBer ganz sporadischen Zitaten, 
gistoricus Tanaquil (vgl. Non. 245, 8L.); mit 10 z. B, bei Charisius, Macrobius, Diomedes nur 

richtiger Begriindung abgewiesen von Chap- Priscian und besonders Gellius in Betracht. Ver- 

p u i s 5. faBt hat sie V. in seiner ersten Lebenshalfte. 

Scaewlaj Macrob. GL V 625, 1 u. 646, 6; wohl Cicero laBt ihn 45 in den Acad. post. I 8 auf sie 

Q. Mucins Scaevola, Tribun 55 (Ritschl III 415). als ilia vetera nostra, also auf eine literarische 

Der ScauruSj so viermal von Charisius zitiert Gattung, die er langst abgeschlossen hat, hin- 

GL I 77, 9. 88, 2 = 131, 24. 106, 30, einmal von weisen, und, wie C i c h o r i u s (Rom. Studien 

Serv. Dan. georg. 1, 19: Varro de seaenicis ori- 207ff.) dargelegt hat, weist die fruheste zeitliche 

ginibus vel in Scauro ist nicht identisch mit de Anspielung in der KoofioroQvvrj auf die Zeit 

seaenicis originibus (so Ritschl, bes. Ill 411); um 80, die spateste im ovog XvQag auf 67. V. wird 
vgl. zu dieser Schrift. Der Titeltrager ist gewiB 20 die einzelnen Satiren, da er in diesen Jahren 

M. Aemilius Scaurus, dor als Aedil 58 glanzende meist im Kriegsdienst -stand, wenigstens teilweise 

Spiele auf gefiihrt hatte (Ritschl III 411). Der im Feldlager verfaBt und sie am ehesten ein- 

Nebentitel ist unbekannt, sicher ist jedenfalls zeln ediert haben ohne besondere Numerierung 

nach Nor den (Rh. Mus. XLVIII 529), daB V. mit Angabe der Buchzahl und dem Titel; von 

auch hier szenische Fragen erorterte, Mr der en den uns bekannten umfaBte jede ein Buch, auBer 

Quelle N r d e n die Didascalica des Accius, dem dem nsQiTtXovg, dessen 2. Buch die Sonderiiber- 

wiederum Aristophanes von Byzanz zugrundelag, schrift nsQl (pcXooo(plag trug; zusammenfassend 

fiir moglich halt. Fragmente auch GRF S. 217. nannte er sie dann Menippeae. Es ist unmoglich, 

Bedenklich ist es, mit R i e « e (38) und Chap- aus den Fragmenten auch nur eine Satire in ihrem 
puis (51) aus dem Zitat des Serv. Aen. VIII 526 80 Auf ban zu rekonstruieren. Ein allgemeines Bild 

Varro de saeculis auditum sonum tubae de caelo kann man sich von ihrer Lange, Form und der 

dicit (vgl. Censorin 17, 5f. und Plut. Sulla 7) auf Haltung am ehesten nach Senecas Apokolokyn- 

das Vorhandensein eines Logistoricus mit diesem tosis machen; denn, wenn man auch die Ein- 

Untertitel nach Analogie von de pudicitia und de maligkeit der Situation und der Absichten Senecas 

moribus zu schlieBen; vielleicht liegt auch eine beriicksichtigt, so liegen doch eine ganze Reihe 

ungenaue Erwahnung der antiquitates vor, da naher Parallelen auf der Hand; die phantastische 

hier in dem Toil de temporibus dies Gebiet auch Form des Titels, Einkleidung des Themas, Aus- 

bearbeitet gewesen sein muB (Ritschl III 481; stattung mit eigenen Gedichten, das Vorkonmien 

vgl. auch M i r s c h 40). von Zitaten, griechischen Wortern, volkstiimlichen 

Sisehna de historia (Gell. XVI 9, 5). Gemeint 40 Wendungen, Sprichwortern (Bucheler Kl. 

ist der Historiker L. Cornelius Sisenna (Ritschl Schr. I 169ff.), Sehr wichtigen AufschluB geben 

III 410). die Titel: In der tJberlieferung begegnen vier ver- 

Fiir den Tubero de origine humana, bei Prob. schiedene Formen, entweder ein lateinischer oder 

Verg. eclog. 6, 31 zitiert, ist die Hauptquelle ein griechischer, oder ein lateinischer und ein 

Censor, d. n. 9, 1 , der den Logistoricus f olgender- griechischer oder zwei griechische. Mereklin 

maBen auffuhrt: Tubero et intus subseribitur de (Rh. Mus. XII 372ff.) nahm an, daB V. jeder 

origine humana; intus von Ed. N o r d e n In Satire einen Doppeltitel gegeben habe, daB ent- 

Varr. sat. Men. obs., Lpz, 1891, 277 erklart. Das weder beide Telle oder die zweite Halfte grie- 

ganze 9. Kapitel iiber die pythagoreische Lehre chisch gewesen sei und daB diese immer den In- 
von der Schwangerschaftsdauer geht auf V. zu- 50 halt angab, wahrend die erste durch ein Sprich- 

rtick, aber auch noch weitere groBe Teile aus der wort, Eigennamen oder Appellativum gebildet 

ersten Halfte von Censorins Schrift. D i e 1 s Dox. wurde (s. auch N o r d e n Obs. in Varr. Sat. Men,, 

188 halt ihn geradezu fiir die Hauptquelle der Lpz. 1889, 276). Doch ist das gar nicht sicher 

cap. 4 — 14, was P. Weber Quaest. Suet, capita und die Bedenken V a hi ens, der Satiren von 

duo, Halle 1903, 38 auf die zusammengehorigen beiderlei Art fiir wahrscheinlich hielt (in Varronis 

pythagoreischen cap. 7. 9. 11 und 14 (?) einge- Sat. Men. reliquias coniectanea, Lpz. 1858, 192S.) 

schfankt und naher begriindet hat; vgl. auch R. sind ganz berechtigt. Auf der andern Seite hat 

R e e h De Varr. et Suet, quaest. Auson., Halle R i e s e, sicher verkehrt, nachweisen woUen, daB 

1916, 36ff.; unrichtig S c h a n z Herm. XXX 421. V. nur immer einen Titel gab, der zweite nur eine 
Wilmanns (36, 1) weist vermutungsweise 60 Zugabe spaterer Grammatiker sei (Symb. in hono- 

hierhin auch die varronischen Etymologien der rem Ritschelii II 1867, 479ff.). 

Bezeichnungen menschlicher Korperteile aus Lac- V. nannte die Satiren Menippeae: Menippus 

tant. de opificio, s. auch D i e 1 s Dox. 197, der' fiir cuius libros M, Varro in saturis aemulatus est, 

de opif. 12 den Tubero als Vorlage annimmt. Als quas alii cynicaSj ipse appellat Menippeas (Gell. 

Quelle V.s denkt er weiter (201) an einen liber noct. att. II 18) und in den Acad. post. I 8 betont 

placitorum stoischer Provenienz, der die 66^a(, der er, er habe Menipp imitiert, nicht interpretiert. 

alten Physiker und Mediziner sowie der Epiku- Dieser AnschluB an Menipp, den V. als erster 

raer und Stoiker umfaBte. Der Titeltrager ist unter den Romern vollzog, ist zu zeigen. Zunachst 



1269 M. Terentius Varro (Poet.) M. Terentius Varro (Poet.) 1270 

liegt er besonders deutlich in der Form der Satire. ben ist, hebt er doch in dem gelehrten Werk mit 
Liiian redet von der schriftstellerischen Form der Absicht anch die Form, und so finden sich 
des Menipp als einer Mischung von Poesie und neben f ormlosen Partien Stellen voll der hochsten 
Prosa, ovte ne^og eifit ovt' im ra>v (xexQcov ^sfirjHa, stilistischen Qualitaten. Da6 zum Charakter der 
von einer KQaoig naQabo^og, einem tnnoKevxavQog, Saturae Menippeae diese Zweiheit von Anfang an 
diKTiv cvr&stov xal ^svov (pdo[Aa xoig dxovovoiv gehorte, konnte ihm nur willkommen sein. So 
(bis accus. 33). Auf welchem Wege Menipp zur war zwischen Poesie und Prosa sauber geschieden, 
Wahl des Prosimetrum gekommen ist, ist eine wahrend Lucilius streckenweis in versifizierter 
schwierige Frage. Vielfach nimmt man an, da6 Prosa schrieb. Etwa drei Viertel aller erhaltenen 
Menipp, der Syrer, in dieser fiir einen Griechen 10 Reste haben metrische Form. Doch darf man hier- 
seltsamen Form semitischem Vonbilde sich an- aus nicht auf das wirkliche Aussehen der Satire 
schloB, dagegen hat 0. Immisch (N. Jahrb. schlieBen; das tJberwiegen der poetischen Frag- 
1921, 409i.) diese Mischung von Poesie und mente liegt lediglich an den lexikalischen Inter- 
Prosa als eine volkstumliche Darstellungsf orm essen des Nonius, die durch die poetischen Partien 
in der griechischen Literatur nachweisen woUen, mehr befriedigt wurden. Das quantitative Ver- 
indem er auf dde Homerbiographie, auf den Ale- haltnis von Vers und Prosa ist einfach nicht zu be- 
xanderroman des Pseudokallisthenes, auf den stimmen. Prosa wird wie dn Senecas Apokolokyn- 
Roman des ApoUonios von Tyros, die beiden tosis das Gerippe gewesen sein, das er durch ein- 
meistgelesenen Volksbticher des Altertums hin- gestreute Originalgedichte ausfiillte, die sich im 
wies. Wenn also in der Mitte des 3. Jhdts. 20 Gegensatz zu Seneca durch einen aufierordent- 
Menipp diese literarische Form gebrauchte, so lichen Formenreichtum auszeichnen: der jam- 
hat er ihr dadurch zu einer literarischen Existenz bische Senar, der der Prosa am nachsten kommt, 
verholfen. Das sei die Neuaufnahme einer uralten, dominiert; daneben kommen trochaische Tetra- 
aber unterliterarisch stets lebendig gebliebenen meter vor, jambische und trochaische Skazonten, 
Gattung (Immisch 421), vergleichbar mit der anapastische Dimeter, Paone, Bacchien und Kre- 
Neigung zum Volkstiimlichen, die den ganzen tiker, Glykoneeai und HendekasyUaben, loniker, 
Friihhellenismus, Kallimachos und Theokrit, cha- Sotadeen, Galliamben. Es ist nicht zu sagen, ob 
rakterisiert. Die Argumentation von Immisch V. in dieser Polymetrie ein Vorbild in Menipp 
hat viel Verlockendes, doch verzichte ich auf eine gehabt hat, oder ob er, wie v. Wilamowitz 
eigene Entsoheidung der Ftage, zumal sie nur fiir 30 (Griech. Verkunst 1921, bes. 265, 1) vermutet, 
Menipp, nicht fiir V. von Bedeutung ist. Denn sich einem metrischen Handbuch anschloB (uber 
wahrend Lukian von Menipps Form nur selten V.s Metrik bes. Biicheler Kl. Schr. I 543ff. 
Gebrauch macht, ist V. ihr durchaus gefolgt. Man V a h 1 e n Coniect. 65ff.). 

hat das friiher abgestritten und besonders Roe- Die Abhangigkeit Yarros von Menipp liegt 

per hat in einer Reihe von Aufsatzen (Philol. IX ferner im Gehalt der Satire; ihren Grad und ihre 

223ff. 567ff. XV 267ff. XVII 64ff. XVIII 418ff.) Beschaffenheit aufzuweisen ist im einzelnen gar 

mit einem Scharfsinn, der einer besseren Sache nicht moglich; fest steht zunachst nur, daB V. 

wert war, samtliche Fragmente metrisch erklaren wie auch Lukian Menipp nicht ubersetzte, Cicero 

wollen. Das glaubt heute niemand mehr; es spricht von imitari, Gellius gar von aemulari. 
widerspricht der Form der Fragmente, dem Cha- 40 Menipp ist Kyniker. (Auf Menipp gehe ich nicht 

rakter der varronischen Biicher als Saturae Me- ein; iiber ihn: Helm Lukian und Menipp, Lpz. 

nippeae und den antiken Zeugnissen uber sie 1906, bes. 342fE.; o. Bd. XV S. 888.) Was den 

(Biicheler KL Schr. I 169): QuintiL X 1, 95 national denkenden Romer an dem kosmopoliti- 

spricht von alterum illud etiam prius saturae schen Hellenisten anziehen konnte, war ein wesent- 

genus sed non sola carminum varietate mixtum, licher Bestandteil des kynischen Gedankengutes. 

das V. begrundete und noch deutlicher Probus In der Kritik an ihrer Zeit und den falschen An- 

(Verg. eclog. VI 31): Varro qui sit Menippeus sehauungen der Menschen sind sie beide einig, 

non a magistro, cuius aetas longe praecesserat, in der Propagierung des einfachen natiirlichen 

nominatuSj sed a soeietate ingenii, quod is quo- Lebens ebenfalls, im Kampf gegen die dogma- 
que omnigeno carmine saturas suas expoliverat. 50 tischen Schulen, dem stark skeptischen Einschlag, 

Man darf sich auch nicht dariiber wundern, daB in der Polemik gegen den Gotterglauben. So ist 

v., ein Romer von altem Schrot und Korn, sich V. weithin wirklich der Gynicus Romanus. Eine 

den Kyniker, den hellenistischen Syrer, der toto Satire heiBt Tacprj Msvinnov^ bei seinem Leichen- 

coelo von ihm verschieden war, zum Vorbild schmaus, dem nsQibeiJivov, wird das Lob des ver- 

wahlte. In erster Linie fiihrte ihn zu Menipp das storbenen Kynikers gefeiert. Mit der racprj be- 

sachliche Moment — er fand in ihm unter den schaftigt sich der Cycnus uieqI xaq)fig und Epi-^ 

Griechen den, der seinen Absichten der Kritik an taphiones tisqI rdq?cov, wo V. wie Cicero in de 

der Zeit und ihrer Besserung am nachsten ver- legibus Buch II gegen den Graberluxus kampft. 

wandt war — , aber auch ein formales: wie der An den Kynismus lehnen sich an Themen wie 
Kyniker sich ganzlich unbesorgt um die litera- 60 1^Jio?ivcovy Kwodidaoxahfedj Kvvoqi^tcoq, YdQo- 

rische Form zeigt, well er alle Konventionen ab- }<vcov (s. K n a a c k Herm. XVIII 148ff.). Gegen 

lehnt, so pafit auch zu V.s Besserungsplanen eine die dogmatischen Schulen polemisiert er, dem vor 

anspruchslose, einfache Gestalt, die nichts mit allem das Schulgezank zwischen Stoikern und 

der neoterischen tJberfeinerung seiner Zeit zu tun Epikureern nicht gefiel, in der Aoyof^axla, Da hat 

hat. Muhsam anzueignen brauchte er sich di^se er nach Porfyrio (Herat, sat. II 4, 1 = frg. 243 B) 

gewiB nicht: V. ist einerseits ein groBer Meister behauptet, die beiden Schulen seien in ihrer Lehre 

der Form, andrerseits ist sie ihm ganz gleich- vom summum bonum gar nicht verschieden und 

giiltig: so ungepflegt de 1. 1. als Gauzes geschrie- doch bestiinde zwischen ihnen eine Xoyof^axla. In 



1271 M. Terentius Vairo (Poet.) M. Terentius Varro (Poet.) 1272 

der OKiaiJLaxia uieqI xvcpov spricht er von dem dessen Name eine Satire vielleichttrug (frg. 456 B.), 

Dunst, den der prahlerische Philosoph den Men- greift er an (frg. 152 und 128 B); unter ihm ist 

schen vormacht in dem Glauben, die einzige Wahr- vielleicht in der Satire Pseudulus Apollo ^hbqI 

heit zu besitzen, in der Satire nsQi aiQsoscov tiber '&sa>v diayvcooecog, in deor er eine Musterung der 

die verschiedenen philosophischen Schulen. Den auslandischen Gotter vorgenommen haben wird, 

dogmatischen Eigendiinkel lehnt V. ganz wie Me- der falsche Apollo zu verstehen (so Bticheler 

nipp ab, aber aus anderem Grunde: nicht wie der Kl. Schr. I 178). Hierhin gehoren gewifi die My- 

Kyniker, weil er iiberhaupt die hohere Bildung steria, die wohl ihre Verspottung bezweckten. 

verwirft, sondern als der praktische Romer, der Ganz aus den romischen Verhaltnissen zu ver- 
alle Dinge, die zum Leben niclits ntitzen, ver- 10 stehen ist ein weiteres Hauptgebiet seines Kamp- 

schmaht. Die praktische Ethik zu lehren ist so fes, die Polemik gegen die Verwilderung der Sit- 

auch eine besondere Aufgabe der Satura. Einen ten. Er macht sich nicht lustig iiber die Tor* 

der Kernspriiche der kynischen Popularphilo- heiten der Menschen, sondern er verfolgt wirk- 

sophie tragt als Titel die Satire yvw'&i osavrov, liche Ziele: Lucilius kannte noch die gute alte 

Hier stellt er der philosophischen Betrachtung der Zeit des echten Romertums aus eigener Erfahrung 

Natur die Beschaftigung mit der des Menschen und will den Verfall der Aristokratie aufhalten. 

als viel wichtiger entgegen; mit der Natur des V. kennt diese Zeit schon nicht mehr selbst und 

Menschen, Seele und Korper und ihrem Verhalt- blickt mit einem Anflug von Romantik auf eine 

nis ist er auch in den Andabatae (vgl. hierzu bessere Vergangenheit zuriick; in diesem Punkte 

G e r ck e Herm. XXVIII 135ff.) und in mutuum 20 zeigen die Satiren bereits das gleiche Gesicht wie 

muli seahunt tieqI xooQiof^ov beschaftigt. Im Tqio- seine wissenschaftlichen Werke der spateren Zeit: 

dlrrjg xQtnvXog tieqI aQexrjg xxfjoscog zeigt er, daB dieselbe nationale padagogische Tendenz verbin- 

dem Menschen der Besitz der aQextj nicht ohne det sie. So stellt er haufig das bessere Einst dem 

aoxrjoig und jiovog einfach in den SchoB fallt, verdorbenen Jetzt entgegen. Im Sexagesis (frg. 

sondern dafi er sich dazu anstrengen muB, wie 491 B.) kehrt einer, der 50 Jahre geschlafen hat, 

auch ein Pferd zuerst einem Magister zur Aus- nach Rom zuriick und findet dort alles verandert: 

bildung gegeben wird, ein Flotenspieler seine ergo turn Eomae parce pureque pudentis vixere, 

Kunst erlernen muB. Er kampft gegen die Tor- en patriam, nunc sumus in rutuba. In der Satire 

heiten des Menschen, gegen den modernen Tafel- Manius vergleicht er die biiuerliche Wirtschaft 

luxus und fiir die alte Einfachheit ganz im Tone 30 von einst und jetzt, damals bestand die Mahlzeit 

des Kynikers in der Satire jisqI idsof^dxcov (vgl. aus Wasser und Zwi^bel (frg. 250 B.), der Atem 

0. H e n s e Rh. Mus. LXI Iff.), gegen ihre Siin- roch nach Knoblauch und Zwiebel, aber doch 

den in der Columna Herculis jisqI do^rjg, im Inglo- waren unsere GroBvater und UrgroBvater optume 

rius Jiegl <p'&6vov. Der Tcvvixbg xQonog waltet in animati (frg. 63 B. Bimarcus). Der alte Romer 

diesen Satiren, doeh liegen schon in ihnen, die rasierte sich nur jede Woche einmal (frg. 186 B.), 

dem Menipp wohl am nachsten verwandt waren, der junge Gatte in seiner keuschen Blodheit taci- 

starke Abweichungen vom Kyntismus zutage: tulus taxim uxoris solvebat cingillum (hg. 181 B,), 

bei Menipp ist die negative Seite viel starker, er vehebatur cum uxore vehiculo semel aut bis anno, 

will nicht so sehr die Menschen iiber das belehren, cum arceram si non vellet, non sterner et (188 B. 

was sie tun soUen als vielmehr das brandmarken, 40 rsQovxodMoxaXog); aber an Stelle der alten pau- 

was sie falsch tun; ferner wendet er sich an das pertas und castimonia, an Stelle des avitus und 

wurzellose Proletariat; V. denkt nicht an das ge- patritus mos sind inquilinae, impietas, perHdia, 

wohnliche Volk, sondern wie Lucilius an seine impudicitia getreten, die der Schlafer nach 

Standesgenossen, die gebessert werden soUen, um 50 Jahren bei seinem Brwachen vorfindet 

Rom seine alte Bliite wiederzubringen. (frg. 495 B. Sexagesis): ubi turn comitia habe- 

Diese charakteristische Umbiegung ins R6- bant, ibi nunc fit mercatus (frg. 497 B.), quod 

mische zeigt sich besonders in religibser Hinsicht. leges iubent, non faciunt: dog xal Xa^e fervit 

Menipp, der hier im Stoff an die aristophanische omnino (frg. 498 B.), Jetzt geht's zu Haus hoch 

Komodie ankniipft, sie aber mit ganz anderem her, man schlaft in eburnei lecti (frg. 434 B.), 

Geist fiillt, und auch Lukian verachten den Got- 50 aber die meisten Menschen sind Schweine und 

terglauben, parodieren die Gotter und machen sie das Forum ist ein Schweinestall geworden (435 

lacherlich: ganz anders V. Er ist ein im romi- Prometheus liber). Im Modius stellt er das ein- 

schen Sinne sehr frommer Mann, der vom vir fache MaBhalten dem heutigen Luxus entgegen: 

bonus verlangt, die Gotter zu ehren und den Friiher sagte man, non eos optume vixisse, qui 

Gesetzen zu gehorchen (frg. 265 B. im Manlius), diutissimevixent,sed qui modestissime(fig.S21B.). 

der dem alten Glauben der maiores wieder zu Unserer ganeones modulus vitae est culina (frg. 

seinem Recht helfen will: denn tum sacra religio 315 B). Kurz, den heutigen Schmutz beseitigen, 

castaeque fuerunt res omnes (frg. 537 B); in der non Hercules potest, qui Augeae egessit hojiqov 

xa(pY) Msvinnov sagt er entriistet: haec Numa (frg. 70 Bismarcus B.). Aber man will nicht 

Pompilius Reri si mderet, sciret suorum institu- 60 glauben, daB er recht hat, er kaue nur die anti- 

torum nee volam nee vestigium apparere. Nun quitates wieder: erras, inquit, Marce, accusare 

wendet er sich gegen die fremden Kulte, zumal nos ruminans antiquitates (frg. 505 B.). 

die orientalischen, die in seiner Zeit immer mehr Auf die Jagd zu gehen, lehnt er ab in den 

an Anhang gewannen: in den Eumeniden hat er Meleagri; denn das ist eine aus Makedonien nach 

(frg. 141ff. B.) ein Atthisfest im Tempel der Rom eingefiihrte Sitte, die eines echten Romers 

Magna Mater geschildert, den orgiastischen Taa- unwiirdig ist: currere, vigilare, esurire, ecquando 

mel der cymbala; leider ist der Zusammenhang haec facere oportet? quem ad finem? (frg. 294 B.). 

im ganzen nicht klar; auch den Kult des Serapis, Zum Nutzen oder zur Freude? sin autem delecta- 



1273 M. Terentius Varro (Poet.) M. Terentius Varro (Poet.) 1274 

tionis causa venamini, quanto satius est salvis handelnden Personen jah zur Erde stiirzen 
cruribus in cireo spectare qmm his descobinatis (frg. 272 B.), auch in den Endymiones wird das 
in silva cursare? Besonders anstoBig, wenn die Treiben der Menschen in der Stadt von der Hohe 
Damen wie eine Atalante bekleidet non modo herab betrachtet (frg. 105 B.). Auch hat er sich 
suris apertis sed paene natibus apertis im affek- selbst eingefiihrt; im Manius (frg. 255/56 B.) 
tierten Kostiim an der Jagd teilnehmen (s. auch findet man beim Auswerfen einer Grube eine 
ovog XvQag frg. 361 B.). Streng ist seine Stellung Biicherkiste, die man zu V. bringt, well man ihn 
zur Ehe ganz im Gegensatz zum laxen Jung- als libellio kennt. In der Taq?rj Msvijtjiov wahlt 
gesellen Lucilius. Eine Satire heiBt rov naxQog rb er die Form des nsQibemvov, im Agatho, Papia- 
naibiov uisqI naiboTzodag-. Kinder zu zeugen und 10 papae, Quinquatrus das ovfijiooiov, eine Form, die 
zu heiraten ist die Pflicht des Romers, ego, unus in der philosophischen Literatur sehr haufig ist, 
scilicet antiquorum hominum subductis super- auch in Horazens Satiren imd bei Petron begeg- 
ciliis dicam: yafirjoei 6 vovv sxcov sagt er in der net. Neben solchen Einkleidungen, die aus d«m 
Satire svqsv ri lonhg %o ncbfia, tisqI ysyafA,r]x6tcov taglichen Leben gegriffen sind, hat 'das mytholo- 
(frg. 167 B.). und in de officio mariti (frg. 83 B.): gische Moment groBe Bedeutung. Aus dem Prome. 
vitium uxoris aut tollendum aut ferendum est: theus liber ist einiges erhalten: Anscheinendsingt 
qui tollit vitium, uxorem commodiorem praestat; er am Anfang ein Canticum, dann hat wohl Herak- 
qui fertj sese meliorem facit; eine schone Frau les mit ihm eine teleologische Erorterung uber di« 
ist wirklich etwas wert: quid enim est quod homo ZweckmaBigkeit der menschlichen Natur (s. Nor- 
masculus lubentius videre debeat bella wa;ore 20 den N. Jahrb. Suppl. XIX 430; dagegen v. Wi- 
i^frg. 482 B. Sesculixes). Auch die Staatsregierung lamowitz Herm. XXXIV 226fE.). Im Bereich 
kritisierte er, die er von der allgemeinen Kor- des Mythos weilten entweder oder gingen doch 
ruption ergriffen sah. Darin war nicht Menipp wenigstens von ihm aus der Aias stramenticius, 
sein Vorganger, sondern Lucilius. Im Bimarcus die Endymiones, Hercules Socraticus, Oedipu- 
wirft er einem Provincialverwalter vor: sociis es thyestes, Pseudaeneas, Sesculixes, Tithonus, nsQi 
hostis, hostibus socius, bellum ita geris ut bella yrjQcog. Kurz die Art der Einkleidung war sehr 
omnia domum auferas (frg. 64 B.), er spricht von lebendig und abwechselnd. Dennoch war es ein 
den rapinatores, die in invidiam veniant (frg. falscher Gedanke von H i r z e 1 (Dialog I 442f .), 
65 B.), in einer Satire mit dem dunklen Titel die Saturae mit dem Drama zu vergleichen: in 
Flaxtabula hat er nsQl hnaQxi(bv, liber die Pro- 30 ihnen zeige sich auch die auBerst lebendige Hand- 
vincialverwaltung gesprochen (s. B u c h e 1 e r Kl. lung und der Szenenwechsel, ja H i r z e 1 meinte 
Sehr. I 569). Im besonderen scheint er einzelne sogar zeigen zu konnen, wie sich die Dramatisie- 
Personen nicht, wie es Lucilius tat, angegriffen rung bis zur Nachahmung einzelner Dramen der 
zu haben. Der TqinaQavog gehort wahrscheinlich Tragodie wie der Komodie gesteigert habe. Aber 
nicht zu den Satiren (C i c h o r i u s 211). V. er- mit dem Drama hat die Satura Menippea nichts zu 
fiillte wohl seine politischen Pflichten, aber ein tun: es fehlt ihr das Hauptcharakteristikum des 
aggressiver Politiker, dem es Freude machte, sich Dramas, die Handlung; sie liegt bei V. nur in 
politischen Streitigkeiten auszusetzen, war er der Rahmenerzahlung vor, sie ist nicht die Haupt- 
nicht; ihn bekummerte auch in der Politik der sache, sondern nur der AnlaB. Wie V. den Stoff 
allgemeine sittliche Verfall; so kommt ©s, daB in 40 gegliedert hat, laBt sich nur bei einer Satire 
den Resten der Saturae erstaunlich wenig zeit- infolge der ausfiihrlichen Inhaltsangabe des Gel- 
genossische Namen begegnen. lius noch in etwa erkennen: nescis, quid vesper 
Das polemische Moment, das durch Lucilius' serus vehat (Gell. XIII 11 ==: frg. 333 — 340 B.), 
Personlichkeit fiir die Satire bestimmend gewor- in der V. de apto convivarum numero deque ipsius 
den ist, ist auch hei V. durch weg vertreten, aber eonvivii habitu cultuque handelte; da hat er den 
eben in einem ganz anderen Geist, weniger per- zweiten Hauptpunkt unter die vier Gesichts- 
sonlich, individuell, vielmehr allgemein gehalten, punkte homo, locus, tempus, res geteilt, Ordnungs- 
ebenso wie in den antiquarischen Schriften. Mit prinzipien, die er in gleicher Weise auch in de I. L 
dem KvviKog tQonog iibernahm V. von seinem und in den antiquitates verwandt hat, die in der 
griechischen Vorganger die lebhafte Form der ky- 50 gleichen oder ahnlich systematischen Form auch 
nischen Rede, die immer lebendig gestaltet ist, in den Siatiren wohl noch hauj&ger befolgt ge- 
nie den Charakter logischer Beweisfuhrung tragt, wesen sind. 

den Horer nicht zerknirschen sondern lachend zur Was an der auBeren Form zunachst ins Auge 

Erkenntnis seiner Torheit fiihren soil: das onov- fallt, das ist der auBerordentlich reiche Gebrauch 

daioyeloiov ist das Hauptmoment; eine gewisse des Griechischen, nicht nur in den Titeln, son- 

hilaritas beherrscht das Ganze, quo facilius minus dern auch innerhalb des Textes selbst. Das ent- 

docti intellegerent iucunditate quadam ad legen- spricht der gebildeten Konversationssprache der 

dum invitati (Cic. Acad. post. I 8). Daher hiillt Zeit und findet seine Parallelen bei Lucilius wie 

er den ernsten Gehalt in ein buntes Gewand ein, vor allem in den Brief en Ciceros, wo er sich gehen 
das sehr reich und mannigfach gewesen zu sein 60 laBt. Eine gewisse Volkstiimlichkeit beherrscht 

scheint, so den eigentlichen Vortrag umkleidend. im ganzen seine Sprache. Gern benutzt er archa- 

Das Phantastische spielt hier wie bei Menipp im ische und volkstiimliche Worte, die der Literatur- 

Gegensatz zu Lucilius eine bedeutende RoUe. Man sprache ungewohnt waren und von einem Mann 

kann den Rahmen der Erzahlung nie rekonstru- wie Nonius als Kostbarkeiten aufgesptirt wurden. 

ieren: in reicher Erzahlung scheint der Stoff Haufig sind Deminutiva, Archaismen in der De- 

selbst eingeschlossen gewesen zu sein. Im Marci- klination. Alliteration (z. B. frg. 263 B.), Wort- 

por hat er im AnschluB an Menipps Icaromenip- spiele und Amphibolien, die auf Schritt und Tritt 

pos eine Luftreise geschildert, in der die dort begegnen, gehoren zum KvviKog xQonog und wur- 



1275 M. Terentius Varro (Poet.) M. Terentius Varro (Poet.) 1276 

den schon von Antisthenes verwandt (vgl. Nor- 1862. Helm Luk. u. Men. 299ff.; l%o:) os tisqI 

den 280); bei V. begegnen sie in den mehrdeu- tvxrjg Nor den Rh. Mus. XLVIII 5401; Fsqov- 

tigen Titeln wie Marcopolis, Marcipor, Bimarcus, tobibdoKaXog Biicheler 189. 569. M o m m s e n 

Modius, Koof^oroQvvrj, Sexagesis und oft auch im RG III 610. R i b b e c k Dichtg. 256. C i c h o - 

Text (z. B. frg. 64, 18. 259. 266 B.); ebendahin rius 213f.; Fvcb'd'i oeavxov Biicheler 570. 

gehort auch die Prosopopoeie, das stilistische Vahlen 49ff. Rib beck Rh. Mus. XIV 113. 

Mittel, Abstracta in menschlicher Form auftreten N o r d e n Diss. 284ff.; Manius Biicheler 573. 

zu lassen: die Infamia tritt auf (frg. 123 B.), die Mommsen RG III 609. Ribbeck Dichtg. 

eana Veritas, Attices philosophiae alumna (frg* 257; Marcipor Biicheler 576. N o r d e n Diss. 
141 B.), die Existumatio (frg. 147 B.), Metamelos, 10 268fE.; Marcopolis tisqI aQxfJQ Biicheler 576f. 

hiconstantiae Hlius (frg. 239 B.) s. auch im Grie- Nor den Diss. 276ff.; Meleagri Biicheler 

chischen frg. 291. 348. 397. 542 B. Der einprag- 577. Vahlen 54ff. Ribbeck Rh. Mus. XIV 

samen Deutlichkeit dienen weiter Etymologien (s. 128; Modius Biicheler 578. M a h 1 y Progr. 

frg. 33. 61. 100. 179. 384. 420 B.) und besonders Basel 1865, 15. Nor den Diss. 272ff.; Mutuum 

die zahlreichen griechischen und lateinischen muli scabunt tisqI xcoqigixov Biicheler 579. 

Sprichworter, die V. als tJberschriften und auch Nor den Diss. 290ff.; ovog XvQag Vahlen 3ff. 

im Text verwendet: z. B. big naibeg ol yeQovxsg, Ribbeck Rh. Mus. XIV 116. Ndrden Diss. 

svQsv rj Xojiag to ncbf^a, x6 em xfj (paKTj fzvQov; 280ff. Cichorius 212f.; Papiapapae negl eyxoi)' 

eras eredo hodie nihil, eave eanem, est modus ma- /Ltlcov Vahlen 39ff . Ribbeck Dichtg. 261 ; 
tulae, longe fugit qui sero fugit, mutuum mw^i 20 Parmeno Vahlen 91 f£.; Prometheus liber Rib- 

scabunt, nescis quid vesper serus vehat; im Text beck Dichtg. 255. N o r d e n Beitrage 430. 

frg. 69. 164. 586 B. (s. den Index Varronianus in v. Wilamo witz Herm. XXXIV 2261; Ses- 

Biichelers Ausgabe: Petron^ 277). Der Stil culixes Vahlen lOOS. Ribbeck Dichtg. 

im ganzen ist sorgfaltig und gepflegt, knapp, er- 250. Cichorius 218fE.; Sexagesis Momm- 

strebt moglichst groBe Pragnanz und meidet die sen RG III 611. Ribbeck Dichtg. 257. Ci- 

Periode: er zeigt die gleichen Charakteristika chorius 2161; Tacprj Mevlnnov Biicheler 

einer Vereinigung des Archaischen mit dem Asia- 188f. Vahlen 147S. Ribbeck Rh. Mus. XIV 

nismus, wie ich sie o. S. 1213 fiir die gehobenen 126; Dichtg. 259. Nor den Diss. 258ff. 

Partien von I. I. dargelegt habe: Klangmittel und 2. DasUbrige. Von den andern poetischen 
Figuren, Isokolie, Antithesen. Auch die Verse sind 30 Schriften V.s sind nur durch den Katalog bekannt 

auBerst korrekt und sauber gebaut. die 6 Biicher pseudotragoediarum; ein Gattungs- 

tJber den Stil: N o r d e n Kunstprosa I 194ff. begriff, den V. selbst geschaffen hat und der doch 

Marx Berl. phil. W. 1892, 113. wohl besagen soil, daS die Stiicke nicht zur Auf- 

Ausgaben der Fragmente: Nach der P o p m a- fiihrung bestimmt waren, sondern nur zum Lesen 

schen Sammlung in der Bipontina machte den (Ritschl III 429. 527). Als literarisehes Vor- 

ersten, sehr unzulanglichen, Versuch einer Edi- bild nahm Ribbeck (Gesch. d. rom. Dichtg. I 

tion F. e h 1 e r Varronis sat. Men. reliquiae, 265) die von Diog. Laert. VI 80 als xQaycobagia 

Quedlinburg u. Lpz. 1844. Dann A. R i e s e, Lpz. zitierten Tragodien des Kynikers Diogenes (oder 

1865, und endlich am besten Biicheler in der Philiskos?) an, die anscheinend auch nur in dra- 
Petronausgabe^ (Heraeus), Berl. 1922. Zur 40 matischer Form kynische Lehren verteidigen woU- 

allgemeinen Erklarung: Mommsen RG IIP ten (vgl. Weber Lpz. Stud. X151. Suse- 

604fE. Vahlen In M. Terentii Varronis sat. m i h 1 1 26f . Gerhard Phoinix von Kolophon, 

Men. rel. Coniectanea, Lpz. 1858. Biicheler Lpz. 1909, 236, 4; s. auch Riese Sat. Men., 

Kl. Schr. I 169fl 0. Ribbeck Rh. Mus. XIV Lpz. 1865, 30ff.). 

102; Dichtung der Romer F 250ff. G. Bois- Ferner lihri X poematum, iiber deren Inhalt 

s i e r iStude sur la vie etc., Paris 1861, 58ff. J. schlechterdings nichts zu sagen ist. Es war wohl 

Mahly Varroniana, Basel 1865. E. Nor den eine Sammlung kleinerer Einzelgedichte (Ritschl 

In Varr. Sat. Men. observ.. Diss. Lpz. 1892 = III 491, 1); daB er die Elogien aus den imagines 

N. Jahrb. Suppl. XVIII 265; Beitr. z. Gesch. d. hier wieder aufgenommen hat (so Ritschl III 
griech. Philos., ebd. XIX 428fE. H i r z e 1 Der 50 430), ist recht unwahrscheinlich. Zitat vielleicht 

Dialog I, Lpz. 1895, 436ff. Helm Lukian und bei Charis. GL 1 400, 29: Varro in poetico lihro 

Menipp, Lpz. 1906 (s. im Register). K. Mras ,et tamen non demolio rostra'. 

N, Jahrb. XXXIII 390S.: Varros men. Satiren Endlich libri IV saturarum. Sie miissen, da 

und die Philosophic. Cichorius Rom. Studien, sie als besondere Sammlung aufgefuhrt werden, 

Lpz. 1922, 207ff. Der Versuch Geffekens sich von den Menippeen unterschieden haben, also 

Kynika und Verwandtes (Heidelberg 1909, 95ff.), waren sie in der Art des Lucilius verfaBt (Ritschl 

Tertullians Schrift de pallio auf eine Satire V.s III 430. H e i n z e Horaz Sat.^ XII). Literarische 

zuriickzufuhren, ist miBgluckt. Zu einigen ein- Bedeutung hatten sie nicht; weder werden sie 

zelnen Satiren: alV ov {Aivei oe, tieqI (pdaQyvQiag zitiert, noch deutet Horaz je auf sie hin. 
Biicheler 538. Nor den Diss. 293ff.; Anda- 60 Auf Grund von Quintil. 14, 4 ... propter 

batae N o r d e n Diss. 287S. G e r c k e Herm. Empedoclea in Graeeis, Varronem ae Lucretium in 

XXVIII 135ff. Ribbeck Dichtung 253; Bi- Latinis, qui praecepta sapientiae versibus tradi- 

marcus Biicheler 182ff. 539f . Vahlen 128ff. derunt, Lactant. inst. II 12, 4: Empedocles quern 

N r d e n Diss. 278. Ribbeck Rh. Mus. XIV neseias utrumne inter poetas an inter philoso- 

120; Epitaphiones :7r£^2 Ttt^coi' B ii c h e 1 e r 549. phos numeres, quod de rerum natura versibus 

N r d e n Diss. 297ff.; Eumenides Biicheler scripsit ut apud Romanos Lucretius et Varro und 

562S. Vahlen 168ff. Ribbeck 102ff. Roe- Veil. II 26: auctoresque carminum Varronem ae 

per Varr. rel. part. I — III, Danzig 1858. 1861. Lucretium hat man auf das Vorhandensein eines 



1277 Tetraguron eaviiaTonotoC 1278 

Lehrgedichtes Vs., vermutlich mit dem Titel de (Bd. VA S. 1172) ohne weiteres ftir moglich, 

rerum natura geschlossen (s. Reifferscheid tragt aber gegen die Richtigkeit der Namensform 

Suet, rel., Lpz. 1860, 408). Aber schon Rit sclil Teutae Bedenken. An lUyrier zu denken (infolge 

hat mit vollem Reeht darauf hingewiesen (III der Ihnlichkeit ihres Namens mit dem der Koni- 

432), da6 an diesen Stellen eher an des Atacinus gin Teuta, Bd. V A S. 1140ff.), geht nicht an, 

Cosmographia zu denken sei (s. auch K 1 o t z weil keine Quelle lUyrier in der Umgebung Pisas 

Herm. XL VI 11). Trotzdem aber halt er die Exi- erwahnt. [Max Fluss.] 

stenz eines groBeren zusammenhangenden Ge- Thalaea? Nach Pint. comp. Lye. et Num. 

dichtes V.s fiir unabweislich infolge der Worte 3, 13 soil eine OaXala, Prau eines Pinarius, zu- 
Ciceros in den Acad. post. I 3, 9: plurimumque 10 erst in Rom zur Zeit des Tarquinius Superbus 

idem poetis nostris omninoque Latinis et litteris mit ihrer Schwiegermutter Gegania in Streit ge- 

luminis et verbis attulisti atque ipse varium at- raten sein. Wahrend die beiden anderen Namen 

que elegans omni fere numero poerna fecisti, bei alten patrizischen Geschlechtern gehOren (s. Bd. 

denen mir aber gegen R i t s c h 1 mit K 1 o t z (12) VII S. 927, 50), scheint T. unrCmisch und ist 

eine Anspielung auf die Menippeae ganz evident wohl verderbt. Die Anekdote ist mit der oft 

erseheint. [Hellfr. Dahlmann.] wiederholten von der ersten Ehescheidung in 

Tetraguron (TetQdyovQov), So nennt Const. Rom (Bd. Ill S. 1631, 6ff. V S. 1244, 33ff.) 

Porphyr. de adm. imp. c. 29 ein iiijiQov vrjolov verbunden, aber gewifi erst von einem spaten 

£Xov Kal tQaxrjXov scog t^g y^g otevcorara dixrjv Antiquar aus freier Einfindung. [P. Miinzer.] 
yscpvQag, Es ist zweifellos mit der sonst in der 20 Thallumetus, einer der vertrauteren und li- 

antiken Literatur (z. B. Mela II 57. Plin. n. h. terarisch gebildeten Sklaven des Atticus, er- 

III 141. Itin. Ant. 272) unter dem Namen Tra- wahnt 703 = 51 (Cic. ad Att. V 12, 2). 

gurium bekannten Siedlung Dalmatiens identisch [F. Mtinzer,] 

(s. d.) ; von ihrer Insellage spricht auch Strab. Oav juazojtoiol, Gaukler, werden unter diesem 

VII 315. ^ [Max Fluss.] Namen seit Platon (Soph. 235 b. rep. VII 514 b) 

Tetrisias (TszQiaidg) heifit bei Arrian. per. erwahnt; verwandt ist die Bezeichnung ^avf^a- 

p. E. 35 und bei dem von ihm abhangigen Ano- tovQyog, die z. B. Heron I 342, 2 von den Dar- 

nym. peripl. 75 das bei Mela II 22 Tiristis pro- stellern seines Automatentheaters braucht. Mehr 

munturium und bei Ptolem. Ill 10, 3 TiQioxlg bei Bl limner 1918, 32 A. 28ff. Lateinisch 
oLKQa genannte Kap an der von Bizone nach Siid- 30heiBen sie praestigiatores; das Wort bezeichnet 

osten ziehenden Kuste des Schwarzen Meeres in bei Plautus (Lodge Lex. Plant. II 368) durch- 

Moesia inferior (spater Scythia); vgl. den Art. aus 'den Schwindler; den Gaukler z. B. Varr. 1. 1. 

Tiristis. [Max Fluss.] V 94. Der Bereich des T. war nicht fest ab- 

Teucorias pagus, Name eines unzweifelhaft gegrenzt und bertihrt sich mit dem verwandter, 

treverischen Gaus mit nicht naher bestimmbaren meist wenig geachteter Kunstfertigkeiten. Dazu 

Wohnsitzen, vielleicht auch p. Teucoriatis genannt gehoren: 

nach den dort wohnenden Teucoriatii, einzigdurch 1. yeXcotojioiol, s. Bd. VII S. 1019; vgl. Jahn 

eine 1913 gefundene Inschrift aus dem Heiligtum Pers. LXXXIV; Abh. Akad. Miinch. VIII 254. 

beim Balduinshauschen bei Trier bekannt. Text Reich 8. Bltimner 1918, 24. 
und Literatur bei H. F i n k e Bericht der Rom.- 40 2. Ethologoi, s. o. Suppl.-Bd. Ill S. 442 (wo 

Germ. Komm. XVII 4 nr. 14. [Rau.] zu 443, 37 zuzufiigen Cassiod. GL VII 167, 9 

S. 1150 zum Art. Teuta: vasus cpaXXog, to aldolov xcbv §Lol6y(ov, vgl. He- 

2) T. ist nach einer von Cato orig. II frg. 13 r a u s Sprache d. Petron 43). 

(Jordan 11) unabhangigen Nachricht einiger 3. der jfvPiorrjriJQ, s. Bd. XI S. 2299. Dazu 

Gewahrsmanner bei Serv. Aen. X 179 der Name jetzt Furt w. -Reichh. Taf. 171 mit Wat- 

der Stadt Pisa in Etrurien vor der Ankunft der zingers Text III 319: Hydria aus Neapel mit 

Etrusker. Sie hat ihren Namen von dem Volke vier Szenen aus einer Akrobatinnenschule: zwei 

der Teutae bekommen (s. d.). Nach Kretschmer Kalathiskostanzerinnen, eine nackte Schwert- 

Glotta XXI 115 erklart sich T. als Name der tanzerin, die iiber drei aufrechtstehende Schwer- 
Stadt Pisa aus dem Appellativum teuta =; Volk, 50 ter hiipfen will; ein nacktes Madchen auf einem 

Gemeinde. [Max Fluss.] Tisch im Handstand, die mit dem Munde eine 

Teutae werden nach Serv. Aen. X 179 von Trinkschale zu fassen sucht, eine Waffentanzerin 

einigen Gewahrsmannern als Einwohner Pisas (in (s. d. Art. Pyrriche). Dort weitere Literatur; 

Etrurien) vor den Etruskern bezeichnet. Sie sind wichtig Schroder Rom. Mitt. XXIV 114. 

jedenfalls mit den bei Cato orig. II frg. 13(Joi- Bulle Festschr. f. Lob 28. 

dan 11) als Graece loquentes bezeichneten Teu- 4. die Mimoi; s. Bd. XV S. 1742, 49. 1748, 

tones und den bei Plin. n. h. Ill 50 als Graeca 64undetwanochPlut. Xleom. 12, 4. Diod. XXXIV 

gens geiiannten Teutani identisch. Kretsch- 34 exaiQs (Antiochos IX.) ixtfxoLg xal nQobsixxaig 

mer Glotta XXI 115 nimmt die Angabe, dafi die (jtQotKtaig Hercher aus Artemidor) }cal Tiad'olov 
T. griechisch gesprochen batten, nicht ernst (viel- 60 ndot xoig d'avfAaxonoioig. Dio Chrys. ^Q, 8 avXrjxag 

leicht infolge des Vorkommens des Namens Pisa ?ial (jiifAovg nal xid'aQioxag koI '&avfA,axo7iotovg. 

auch in der griechischen Landschaft Elis) und Vit. L. Veri 8, 11 adduxerat secum et Micinas 

meint, daB die Sprache dieses Volkes den Ge- et tibicines et histriones scurrasque mimarvos et 

wahrsmannern Catos, wenn sie iiberhaupt etwas praestigiatores et omnia mancipiorum genera, 

von ihr gewuBt batten, wahrscheinlich unver- quorum Syria et Alexandria paseitur voluptate. 

standlich gewesen sei; daher halt er auch eine Theophr. Char. 27, 7: der 6yjifj,a'&7Jg halt iv xolg 

Identifizierung dieses dem 5. Jhdt. v. Chr. an- d-avf^aoiv verschiedene Vorstellungen hinterein- 

gehorigen Volkes mit den germanischen Teutoni ander aus, um die Couplets zu lernen* 



1279 &av(xaT07toioi &av(iaT07toioi 1280 

5. BaUspieler, s. Bd. II S. 2832. IIIA S. 1682. quaest. canv. V 1, 2) oder wie Schweine grunzen 

Nach Athen. I 19 a verliehAthen dem acpaiQ toting (lustige Anekdote bei Phaedr. V 5, dazu Append. 

Alexanders, Aristanikos, das Btirgerrecht. prov. II 87). S. auch Bd. XV S. 1730, 49. 

Ferner Tanzer im weitesten Sinne (Artemid. I Tierbandiger und Tierabrichter gab es schon 

41 p. 40, 18; s. d. Art. Kinaidos). Vgl. auch friih. Isokr. antid. 213 erwahnt gezahmte Lowen 

die Art. Agyrtai, A k roam a, Apobates, iv roig 'd'avf^aot; auch hinter dem ratselhaften 

Kontopaiktes, Metragyrtai, Neuro- ^rjQcov des alexandrinischen nXdvog Matreas, der 

bates, Neuro s pasta, Petauristes, in Hellas und Rom bewundert wurde (Athen. I 

Psephopaiktes. 19 d), mag etwas Ahnliches stecken. Plut. Gryll, 

Unter denKiinsten der T. erscheinen zunachst 10 9 (VI 99, 8B.) gibt eine ganze Liste: tanzende 

solche, bei denen es auf eine Illusion abgesehen Pferde, sprechende Raben, durch Reifen sprin- 

ist. So berichtete Phanodemos (FHG I 369), dafi gende Hunde usw. Der schreibende Elefant und 

der Lokrer Diopeithes sich Blasen mit Wein und der seiltanzende Ziegenbock waren ebenso in die 

Milch unterband und den Schein erweckte, als Rtistkammer der hellenistischen Philosophen 

flosse beides aus seinem Munde. Von ahnlicher iibergegangen (T a p p e De Philonis libro qui 

Art ist Feuerspeien, das der Sklavenfiihrer Eunus inscr. Alexandros. Gottingen 1912, 11), wie seiner- 

(Bd. VI S. 1143) anwendete (Poseiddnios FGrH zeit die Kunststiicke des klugen Hans unsere 

II 290. Flor. II 7, 5). Bei Karanos' Hoch- Tierpsychologen beschaftigten. Daher erscheint 

zeit sah man aufier Schwerttanzerinnen auch der Beruf des Tierbandigers schon in hellenisti- 

nackte Madchen, die Feuer aus dem Munde 20 scher Zeit bei den Astrologen (Manil, IV 234, 

bliesen (Athen. IV 129 d). Von Leuten, die V 700); sie heifien domitores oder mansuetarii 

brennende Lampen in den Mund nehmen, spricht ferarum (Squ. epist. 85, 41. Firmic. VIII 17, 6) 

Theophr. de igni 57 (ed. Gercke Ind. lect. Reiches Material fur die Kaiserzeit bietet F r i e d 

Gryph. 1896). Schwertschlucker erwahnt Plut. lander IFO 86. Daremb. Sagl. I 689. Abbildun 

Lyk. 19, 4. Apul. met. I 4 (dort auch ein circu- gen auch bei Rich lUustr. Worterb. 150. 381 

lator, der eine Lanze mit der Spitze in den Hals (iiber Marser als Schlangenbeschworer s. Bd. XIV 

steckt, wahrendam Schaft ein Knabe voltigiert — S. 1978, 58). 

wenig glaublich) ; andere verschlangen spitze Na- Hierher gehoren ferner die Jongleure (xsiqovo- 

gel und zerkauten Schuhe (lo. Chrys. Migne 49, f^etv Xen. conv. 2, 9), die etwa Balle in die Luft 

548). 30 warfen und wieder auffingen (mit Schwerttanz ver- 

In diesem Sinne mogen manehe Kunststiicke bunden auf der Vase Mus. Borb. VII 58, B a u - 
verwendet worden sein, wie sie uns besonders m e i s t e r Denkm. Abb. 633). Praestigiatores aut 
Heron I 88ff. schildert: Durch Wasserdruck lafit pilis ludentes stellt Firmic. VIII 8, 1 nebenein- 
man Vogel singen und pfeifen; das laBt sich ander (es folgen pantomimi aut mimologi). Die 
steigern, indem eine sich ihnen zu- oder ab- Tanzerin bei Xen. conv. 2, 8 wirft unter Floten- 
wendende Eule sie zum Singen oder Verstummen begleitung zwolf Ringe in die Luft und fangt sie 
veranlaJBt. Ein Tier schltirft Wasser unter Ge- auf. Nicht klar ist XQoxojiaimelv Artemid. I 76 p. 
rausch (136, 10); die Tiir einer Kapelle offnet 69, 13. Bei der anschaulichen Beschreibung des 
sich, wenn ein Opferfeuer auflodert, und schlieSt Ballspiels Manil. V 165 ist wohl auch an einen 
sich bei dessen Erloschen (174, 11); Herakles 40 Beruf sjongleur gedacht. Von miracula ilia in 
schiefit nach der Schlange der Hesperiden, und scaenis pUariorum ae ventilatorum redet Quint. X 
diese zischt, wenn man den unter einem Baume 7, 11. Die Inschrift GIL VI 8997 (vgl. XII 
liegenden Apfel aufhebt (186, 7), u. dgl. Das 4501) m Dess. 5174 ist gesetzt 2?*Z«no ommwm 
heronische Automatentheater (D i e 1 s Ant. Tech- eminentissimo; aus der Zeit um 130 n. Chr. 
nik 62) hat gewifi auch zur Belustigung breiter stammt OIL VI 9797 (= Dess. 5173. GEL 29) 
Massen herhalten mlissen; vgl. Bd. VIII S. 1048. fiir Ursus, togatus qui 'primus pila lusi decenter 
Auch manehe der von Hippolytos (Bd. VIII cum meis lusorihus laudante populo maximis da- 
's, 1873) mitgeteilten Stiickchen der magia natu- moribus; er produzierte sich in denThermen. Von 
ralis (54, 6 — 64, 10 Wendl.) mogen auf Jahr- einem ionischen Madchen, das Kugeln in die Luft 
markten vorgefiihrt worden sein (G a n s c h i - 50 wirft und Fackeln schwingt, spricht Alkiphr. Ill 
n i e t z TuU 39, 2, 30) : Der Zauberer steckt seine 72, 2. Aus Antiochia berichtet lo. Chrysost. 
Hande in heifies Pech oder legt gliihende Kohlen Migne 49, 195, er habe Leute gesehen, die Messer 
auf ein Tuch, ohne dafi es anbrennt (G a n s c h i - in die Luft warfen und am Griff auffingen. Nach 
n i e t z 49. 53). Auch chemische Rezepte, wie sie Philostr. Vit. Ap. II 28, 2 stellen Inder einen 
der Stockholmer und unter der Uberschrift Menschen vor ein Brett und schieBen um ihn her- 
ArifA^oKQkov Tiaiyvia der Londoner Papyrus bieten um, so dafi die Pfeile seine Kontur wiedergeben. 
(Pap. Holmiensis ed. Lagercrantz. Uppsala Max. Tyr. 29, 4 (344, 4 Hob.) erzahlt von einem 
1913. Diels VS II 132) lieBen sich teilweise in lonier, der zum GroBkonig kam und kleine 
diesem Sinne verwerten (s. Suppl.-Bd. Ill S. 461). Kugeln aus Fett so nach aufrechtstehenden Mes- 
Hierher gehort der T. Xenophon, der den Kra- 60 sern warf, daB sie sich aufspieBten. 
tisthenes aus Phlius zum Schiller hatte; er lieB Von starken Mannern weiB Varro bei Plin. 
n. a. „Feuer von selbst auflodern" (Athen. 1 19 e). n. h. VII 83: Rusticelius, den man Hercules 
Auch Plat. rep. Ill 396 b mag, wenn er Nach- nannte, hob ein Maultier hoch; Fufius Salvus 
ahmer von Tierstimmen erwahnt, an T. denken; trug mit Handen, FuBen und Schultern zusammen 
bei Plut. Ages. 21, 9 wird ein Nachtigallennach- 800 Pfund. Plinius selbst hatte einen gewissen 
ahmer genannt, und einen solchen halt sich Athanatus mit einem bleiernen Harnisch von 
Trimalchio (Petron. 68, 3). Andere konnten wie 500 Pfund und ebenso schweren Kothurnen tiber 
Hennen gackern oder wie Krahen krachzen (Plut. die Buhne gehen sehen. 



1281 OavficcvoTtoiot Theiluthios 1282 

Bauchredner {syyaozQifA^v&oi) begegnen schon hatten (Polyb. XXX 26. Diod. XXXIV 34); Anto- 

zur Zeit des peloponnesischen Krieges: Eury- nius war darin ihr getreuer Nachfolger (Plut. 

kles (Bd. VI S. 1330), dem der Athener eine Ant. 21, 3). Nicht nur bei furstlichen Hochzeiten 

Statue setzten (Atlien. I 19 e) und nach dem sich traten sie auf, sondern auch bei Gotterfesten; im 

spatere Wahrsager Eurykleidai nannten, Hier Programiin der delischen Feste erscheinen T. zwi- 

tritt uns die Verwandtschaft der T. mit den schen J. 268 und 169 v. Chr., meist an letzter 

Wahrsagern entgegen; die beiden Kategorien oder vorletzter Stelle. Unter ihnen ist (IG XI 

werden oft zusammengestellt, z. B. beiDio Chrys. 110, 34. 112, 22. 113, 28) eine Kleopatra (J. 268 

8, 9 (132 M.): an den Isthmia konnte man horen — 263); im J. 259 (ebd. 115, 25) tritt emI!sQdcov 
nolX&v d'avixavoTioiwv '&av^iaxa ejiidsi?ivvvtcoy, 10 "Fco/bidiog' HqIotiov Siui (letztere wolil eine Sklavin 

nollobv ds teQarooKojtcov tsQaxa kqivovxcov. Firmic. und Gehilfin, ahnlich wie das den Sj^rakusaner in 

VIII 20, 4 haruspex augur praestigiator. Aristot. Xenophons Gastmahl begleitende Madchen: s. 

oec. II 2. 1346 b 21 nennt die T. neben fA,dvrsig v. Wilamowitz zur Inschr, und Bticheler 

und (paQ[A.a7i07iwXai. AUe diese Leute gehoren Ehein. Mus. XXXVIII 480. "Pof^aiog macht sach- 

unter den Begriff ^TT/law?: Athen. I 20 a berichtet, liche Schwierigkeiten). Ebd. 133, 78 (J. 169) 

daB die nldvoi Kephisodoros und Pantaleon es stehen sie vor dem Tanzer, den vsvQooTzdoxai und 

im 4. Jhdt. in diesem ,Beruf' zu einem Namen dem TcofAa'lorijg; auch hier ist eine Frau dar- 

brachten; weitere Mitteilungen dariiber macht er unter. S. Bd. XV S. 1739, 41. Auftreten von T. 

XIV 615 e, wo ausdrucklich T. und :jzXdvoi in im Theater bezeugt Alkiphr. Ill 20, 1. 
Parallele gestellt werden; Pantaleon erscheint als 20 Die gewohnlichen T. waren auf die offene 

Trinker und SpaBvogel. Fiir Matreas begegnet Hand ihres Publikums angewiesen. Theophr. 

bei Suid. s. v. auch die Bezeichnung ).ao7zXdvog. char. 6, 4 nennt unter den Kennzeichen von 

Das Niveau war auch hier sehr "verschieden; wah- djiovoia: h duvfAaoi rovg xalKovg exlsyEiv Ka'&' 

rend Matreas sich mit physikalischen Problemen exaoxov naQiwv kol /i^dxso'&ai xdig %o ovf^^oXov 

abgab (bei Athen. I 19d mu6 es heiBen stiovtjos (ps^ovoc xal nQoixa d'ewQsiv d^iovv. Das setzt 

nsQc rag 'AQcarorsXovg dnoQiag), trieben andere voraus, daB ein Mitglied der Truppe das Ein- 

die grobsten Possen (Hor. epist. I 17, 59). Einen trittsgeld [^av^aKXQov^ doch s. Kaibel zu 

planus als Hofnarr bei Ptolemaios Lagu erwahnt Sophron frg. 120) einsammelte und dafiir Marken 

Plin. n. h. XXXV 89. verabfolgte, die fiir alle Vorstellungen des Tages 
Manches — so auch die oftere Erwahnung 30 galten (anders B 1 ii m n e r 53). Bei Athen. X 

ionischer T. — weist darauf hin, daB die eigent- 452 f wird das Auftreten h xoig nvnloig und 

liche Heimat der T. Agypten und der Orient h xolg '&avfAaoi unterschieden, wobei letzteres 

waren. Mehrfach ist von indischen Gauklern die (als Teil eines Festprogrammes) das Vornehmere 

Eede, so gelegentlich der Hochzeit Alexanders ist, wahrend die kvkXoi (circuli, daher circula- 

Athen. XII 538 e = Aelian v. h. VIII 7 ; vgl. tores) sich auf den StraBen ansammeln. Das Auf- 

Philostr. 0. S. 1280, 53. Von Syria et Alexandria schlagen eines Geriistes bezeugt Plat. rep. VII 

spricht Vit. Veri (o. S. 1278, 62), und Cicero sagt 514b; dazu sind Bethes Ausftihrungen iiber 

(tendenzios) von Alexandreia (Kabir. post. 35): die Phlyakenbtihne zu stelleh (Proleg. zur Gesch. 

illim omnes praestigiae, illim inquam omnes d. Theaters 278). Vgl. Bd. VA S. 1412. 
fallaciae, omnia denique ah lis mimorum argu- 40 [K.-N. Viele hierhergehorige Abbildungen 

menta nata sunt. Von Abrichtung von Affen von Monumenten des Berliner Antiquariums ent- 

durch Kleopatra weiB Lucian. apol. 5. pise. 36. halt der T^felband Sport und Spiel bei Griechen 

S. auch Bd. IX S. 1313 und liber agyptische und Romern, BerL, Verlag fiir Kunstwissenschaft 

Jongleure Reich 12. Ihre MiBachtung (De- 1934. So die Tonfigur eines mit Kugeln auf 

mosth. 2, 19 d'av^axonoLcbv dosXysoxsQovg. Plut. Kopf, Arm und Bein jonglierenden Negers, Taf. 

de facie 8. V 414, 12 B.) mag zum Teil auf ihrer 36; das Vasenbild einer nur mit Schurz bekleide- 

ostlichen Herkunft beruhen; sie wird nament- ten Gauklerin, die, mit den Vorderarmen auf den 

lich die weiblichen T. betroffen haben, die ebenso Boden gestiitzt, mit den FiiBen einen Bogen ab- 

wie die mimae nicht mehr als Dirnen waren. Un- sehieBt, Taf. 39; Kalathiskostanzerin (TongefaB 
verhiillt sagt das Matron im 'Axxikov bsinvov 121 50aus Megara), nur mit iSchurz bekleidet, Taf. 41.] 

(Athen. IV 137c. Corp. poes. ludib. I 71) noQvai Literatur. Hermann-Bliimner Privat- 

5' siorjX'd'ov xovQat, 8vo '&avfiaxo7zoioi, ag UxQaxo- alt. 503. H. Reich Progr. Wilhelmsgymn. 

?iXfjg TJXavve (!) nobwKeag oQvi'&ag ojg, DaB sol- Konigsberg 1897. Bltimner Fahrendes Volk 

ches Gesindel den TroB der Heere zu bilden im Altertum. S.-Ber. Akad. Miinch. 1918, VL 

pflegte, sagt Plut. Kleom. 12, 4. Die Madchen Daremb. Sagl. Ill 1462. 1900. [W. KrolL] 

traten nackt oder fast nackt auf (Athen. IV Theiluthios {OeiXov'&iog). Griechischer Mo- 

1 29 a. d und o. S. 1278, 48 iiber die Neapler Vase; natsname. 1. In Boiotien, vgl. B i s c h o f f 

daher der Zweifel o. Bd. VIII S. 1348, 37 unbe- o. Bd. X S. 1576; Lpz. Studien VII 343f.; der 

rechtigt). Das hinderte aber nicht, daB einzelne 7. Monat der boiotischen Monatsreihe. Boeckh 
T. es zu Ansehen und Beriihmtheit brachten; s. 60 Staatshaushalt d. Ath. F 375f. bringt den Namen 

den Katalog Athen. I 19 d ff. So erzahlte Duris in Beziehung zu den SaXvoia, also einem Dank- 

von dem auch schriftstellerisch hervorgetretenen fest fiir die Fruchtbarkeit, s. auch P a p e Wor- 

Nymphodoros (s. d.), er habe den Rheginern terb. d. gr. Eigenn., wo auf Ahrens Dial. I 

offentlich ihre Feigheit vorgeworfen (Bd. I A 173 nr. 6 {SssXovd'iog, d. h. Monat, wo ein Gott 

S. 500); bei Alexander waren Skymnos aus Ta- erschien) hingewiesen wird. Da der Jahresanfang 

rent, Philistides aus Syrakus und Herakleitos nach Plut. Pelop. 24 urn die Wintersonnenwende 

aus Mitylene beliebt; auch von Antiochos IV. erfolgte, ist er dem attischen UxiQccpoQcwv (also 

und IX. horen wir, daB sie eine Vorliebe fiir T. Juni) zu gleichen (vgl. N i 1 s s o n Studia de 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 41 



1283 Themistios Thiannica 1284 

Dionysiis Atticis 6ff.)- Stellen in IG VII 1737, 10 Xwviog (oder "A. und 'Eq[a,.) fur die erste sSa/bifjvig. 

(fjLrjvog S[ei]Xov[d']lco IlQa^itsXecog aQxovxog . . .)• Vgl. noch fiir Larisa IG IX 2, 517, 40. 540, 10. 

2861, 1. 3171, 1. 3172, 177. In der Form eriX(^- 543, 7. 16. 554,2. 566, 7, fur Pharsalos IX % 

^log in IG VII 3326. 3412. Vgl. Hermann 256b, Matropolis IX 2, 274. 277, fiir Gonnos IX 

tber griech. Monatskde 101. 2. In Elis (?): 2, 1042 (22) [Perrhaibia]. 2. in Halos (Achaia 

Boeckh (GIG II p. 370) hat die Stelle Schol. Phthiotis) IG IX 2, 40 (a 48. b 28), vgl. IG IX 

Pind. 01. Ill 33 (vov/Lirjvlag [AYjvog, og d'wov- 2, 109, wonach der Kalender von Halos her- 

'& tag sv "Hhdt ovofidCeraiy nsQi ov xQonal rillov gestellt werden kann und dem T. der achte Platz 

ylvovtai) emendiert und aus '&coov'&iag den Mo- der Reihe zuzuweisen ist. 3. in Hypata IG IX 2, 
natsnamen Awo'&vog erschlossen, Dit t enb er- 10 9. 20. 4. in Lamia (vgl. Bull. hell. XXIV 219) 

ger 0. Bd. V S. 1146 mit Recht bemerkt, daB IG IX 2, 66b 2. Den Bukatios in IG IX 2, 76, 

Ssdov-d'iog palaographisch naher lage. Es ist 14/15 [/Ltrjvdg BovJ^axlov scheidet Hi Her 

aber Dittenberger zuzustimmen, wenn er auch v. Gaertringen als Lamia zugehorig aus, 

diese Konjektur als hochst fragwiirdig betrachtet da das Jahr in Lamia schon vol! ist und erganzt 

und einen korrupten, bisher unbekannten Monats- unter Annahme eines Irrtums [Qefxiajriov, dem 

namen vermutet. TJnter die elischen Monats- hier die zwQlfte Stelle in der Monatsreihe zu- 

namen ist T. nicht einzureihen. fiele (vgl. IG IX 2 add. VI). 

[Walther Sontheimer.] fWalther Sontheimer.] 

S. 1680, 67 zum Art. Themistios: Oevvefpis. Nur von Ptolem. IV 3, 10 p. 658 
9) Griechischer Monatsname der thessalisch- 20 Miill. erwahnte Siedlung Nordafrikas von un- 

perrhaibischen Monatsreihe. AusIGIX 1, 689geht "bekannter Lage. Die Nahe der Orte Kdipa (jetzt 

liervor, daB der thessalische und perrhaibische Ka- Gaf sa) unid Ilovtea (P u t e o der Tab. Pent., jetzt 

lender um 182 v.Chr.verschiedengewesen ist (/ar^a- Bir Abd Allah) ftihren uns in die Gegend des 

zayojvvrog S.saaaXcd't^ [f^srljijioJXoxov rovjiXe^in- Tritonsees (jetzt Schott el Djerid). C. Mtiller 

7Z0V [to dsvJxsQov AaQiaalov, [A,rjvbg[(X)g GsJooaXol (zu Ptolem. p. 658) halt es deshalb fiir moglieh, 

ayovxi Gsf^ioxlov, [dfAs^Jai xQianabi, UeQQai^cbv dafi das in der Tab. Pent. VI 4 erwahnte T i m e - 

be oxQa[xayo]vvxog Ar}/A,r)XQLOv xov A7}fj,aivs[xov zegeri turris (jetzt Tamezred, aueh unter 

r]ovscog, /Ltfjvog Ha'&cog tleQQai^oi [ayovjxi Alov dem Namen Sidi Gnaui bekannt), vom Geogr. 

d^sQai xQiaxadi . . .), vgL Hiller v. Gaer- Rav. Ill 5 p. 144 Temizec genannt, mit 0. 
tringen im Index. Mit dem Verlust der poli- 30 identisch ist, eine durchaus annehmbare Hypo- 

tischen Selbstandigkeit wird auch der eigene these. [Hans Treidler.] 

perrhaibische Kalender verschwunden sein (s. S. 1863, 65 zum Art. Theodores: 

B i s c h f f 0. Bd. X S. 1575). 1. Larisa: IG IX 42a) T. aus Syrakus, wird im Verzeichnis der 

2, 554 b a JJdvrjfxog, 0., 'AuzoXXcbviog, TJQfAoiog. Theodore bei Diog. Laert. II 8, 19; 104 als tak- 

IX 2, 540: ndvYjfjiog, Q. IX 2, 1344: Ixwviog, tischer Schriftsteller genannt: oydoog HvQaxooiog, 

n[dvr]fj,og], [&.]^, ([jEQ/Lt]aiov'^), AyayvXtog. nsQi xaTixiHfjg ysyQaqpcbg. Fabricius BibL 

Matropolis: IX 2, 276 a @., Ayayvyiog, 'EQiiaXog, Graec. X p. 364—477 ed. Harl. 

AnoXXwviog. Es ergibt sich also die Reihenfolge: [Friedrich Lammert.] 
Ixcbviog, UdvYjiAog, &., Ayayvyiog, TJg/bialog, AnoX- 



Zum Band VI A. 

Thiannea (xh Biavvsa), landlicher Bezirk, L a g e : In der Umgegend der Station Sennaja 

doch wohl mehrere Quadratkilometer groB, in der auf der Halbinsel Talman. Noch fehlt T. auf den 

Nahe von Phanagoria auf der asiatischen Seite Karten, Ausgrabungsberichte sind genannt zu 

des kimmerischen Bosporos. IPE 353 (vorerst ein- IPE II 353, brauchbar ist nur der von C. G o e r tz 

zige Urkunde vom J. 448 bosporan. i= 151 n.Ohr.) 50 Archaologische Topographic der Halbinsel Taman, 

nennt heilige Landereien in T. Genauer laBt sich Drevnosti, Schriften der Moskauer archaol. Ges. 

T. vorerst nicht lokalisieren. Durch L a t y - II, 1870, 260fE., besonders 275f., dazu die Karten 

s c h e w s vorziigliche Verbesserung zu Diod. XX 2 (tTbersicht) und 3 (Sennaja mit der Gegend 

25 xrjv 6vofA,a^ofAsvrjv Oiawlxiv xdtQav HaxeTiXrj- von Phanagoria westlich davon, russ.) Giavvlxig 

Qovxrjasv ergab sich ein zweites Zeugais iiber T., x^^Q^' ^- Latyschew Journ. d. (russ.) Bil- 

und zwar aus dem Ende des 4. Jhdts. v. Chr. dungsministeriums 1894 April, klass. Abt. 6 — 9 

Eumelos (s. d. Nr. 11) hat also FMchtlinge aus =: nONTlKA 171— 173. Die Grabschrift Demo- 

Kallatis als Kleruchen in T. angesiedelt. Der Nach- phons (3. Jhdt. v. Chr.) BOA == Izvestija (BuUe- 

komme eines solchen Kleruchen konnte der wohl- tin) d. kais. archaol. Kommissdon LVIH 1915, 23 

habende Letodoros gewesen sein, der Landereien 6Q nr. 8, gefunden Juni 1914 am Mithridatberge in 

in T. der ,G6ttin* stiftet, IPE a. 0. Ob die kiirz- Kertsch. Sehr gut sind auch .die Karten zu IPE H. 

lich gefundene Grabschrift Ar)fA,o(pa>v Fogyiov Namen: Die Untersuehungen von V. Mil - 

KaXXaxmvog (3. Jhdt.) einen der Fliichtlinge nennt, 1 e r iiber das iranische Element in den bospora- 

die Eumelos ansiedelte, ist zwar naheliegend, laBt nischen Inschriften beschranken sich leider nur 

sich aber nicht beweisen. Man fand sie notorisch auf Personennamen (zuletzt BOA XLVH, 1913, 

nicht in situ. Vorerst ungeklart ist der etwaige 80 ff.). [Erich Diehl.] 

Zusammenhang zwischen dem Namen T. und dem Thiannica (OiawiHi^)^ Kiistenstrich der ro- 

der pontischen Landschaft Thiannica (Qiavvixrj). mischen Provinz Pontus etwa von der Gegend 



1285 Thisamatai QovvovSqoixov xoXwvia 1286 

von Trapezuis nach Osten bis zum FluB Ophis, legendum OovXd>ca. hod. Thala-Isli, cui proximum 

Ajrian. peripl. 8 (bei seinem Nachtreter, dem Diar Mami, ubi olim Tulei castellum fuit. Vgl. 

Anonymus § 38 heifit der FluB Ophius). Eine E. Cat Manr^tanie C^sarienne. [Hans Treidler.] 

genaue Interpretation des ganzen Arrianabschnit- OoviXd^. Nur von Ptolem. IV 6, 7 p. 749 Mull. 

teg zeigt, dafi T. von Westen her bis an den Ophis erwahnte Siedlung der Libya interior. Sie lag am 

reicht. Das ostlich (nicht westlich!) davon ge- Meer (iv rep naQo&alaooicp rf^i^fiart) zwischen den 

legene Gebiet tragt den ethnographischen Sam- Orten AvtoMXai und Tdyava (s. d.). Vivien 

melnamen Kolchis, der bei Xen. anab. IV 8, 22 d e S t. M a r t i n Le Nord de I'Afrique 372 setzt 

und V 3, 2 noch fiir den ganzen Kustenstrieh vom sie glaubwtirdig dem heutigen Tekouleth im Siiden 

Kaukasus nach Westen bis liber Tiapezus und 10 dei Mundung des Tensift gleich. 

Kerasus hinaus gilt. Bei Arrian reicht er vom [Hans Treidler.] 

Kaukasus bis zum Ophis (Plin. n. h. VI 111 er- OovfieXi'd'a, Eine nur von Ptolem. IV 6, 12 

wahnt nur das Kemvolk der Kolcher an den Aus- p. 752 Mtill. genannte Siedlung der Libya interior 

laufern des Kaukasus). In klassiseher Zeit scheint unter 41° L. und 19° Br. zwischen den Orten 

der Name T. nicht vorzukommen. tJber die Bevol- FaQafia fjirjXQonoXig und FsiQa ^fjtQojioXig und JteQc 

kerung von T. zu Arrians Zeit ist nichts Sieheres rag dQxdg rov Kiwcpog moraiiov, also im Hinter- 

bekannt. Die Gleichsetzung der Bewohner von land der Grofien Syrte. B, ist nicht mehr zu be- 

T. mit den Makronen, die spater Sannoi und stimmen und konnte auch von Ch, T is sot 

Tzannoi genannt wurden, laBt sioh nicht halten, (Geogr. comp. II 720) und ViviendeSt. Mar- 
denn T. ist bei Arrian Kiistenland, wahrend die 20 tin (Le nord de TAfrique 122) nicht identifiziert 

M. Bewohner des Binnenlandes sind, Apoll. Rhod. werden. Doch weisen FaQaiia /LcrjrQ. (jetzt Djerma) 

H 393f. Strab. XII 548, 18. Eustath. Dion. und FeiQa fA,rjrQ. (jetzt Gherara) auf eine Ortlich- 

Pe]?. 765. keit im Bereich der Oase Fezzan hin. 

Literatur: Forbiger lafit sich jetzt [Hans Treidler.] 

wohl nur noch als allerdings sorgfaltige Quellen- Thunigabensis (pagus). Eine nur inschrift- 

sammlung benutzen (S. 411 viele Mifiverstand- lich — durch eine 1882 in Ain-Maabed entdeckte 

nisse). Die geographischen Angaben im Art. K o 1 - Inschrift — • bezeugte Siedlung Nordaf rikas, wo- 

c h i s Nr. 1 und M a k r o n e ,s sind zu revidieren. durch zugleich die Identitat von T. f estgelegt ist, 

Vgl. noch die Spezialkarte des Schwarzmeergefeie- das somit etwa 20 km nordlich von Badja, dem 
tes bei L a t y s c h e w Scythica et Caucasica II 30 antiken Vaga, lag (C h. T i s s o t Geogr. comp. II 

fase. 2, Petropoli 1906 (Beilage zu den Schriften 304 — 305 und Ephem. V nr. 469: Pagus Thuni- 

der kais. russ. archaol. Ges., Petersburg 1906). gabensis). T. ist vermutlich auch identisch mit 

[Erich Diehl.] der ecclesia Tunugabensis, deren Bischof Niven- 

Thisamatai^ Volk unbestimmter Stammes- tins zu den donatistischen Abgeordneten der Sy- 

zugehorigkdt, Anfang des 3. Jhdts., wohnhaft in node von 411 gehorte. Vgl. Tissot II 305. 

der Steppe zwischen Bug und Dnjepr, bekannt nur [Hans Treidler.] 

aus der Protogenesinschrift IPE P 32 B 9 == Oovvovfia. Nur von Ptolem. IV 3, 8 p. 651 

Syll.3 405 und Anm. 24, dazu iM. Rostovtzeff Miill. erwahnte Siedlung Nordaf rikas unter 33° 

Iranians and Greeks 87. [Erich Diehl.] 20' und 27° 30' Br. in der Nahe von Musti (jetzt 

Oovfiovva. Nach Ptolem. IV 2, 7 p. 611 Miill. 40 Hr. Mest). Ihre Lage ist nicht naher zu bestim- 

eine Siedlung der Mauritania Caesariensis unter men. Von Ch. Tissot (G^ogr. comp. II 770) 

23° 50' L. und 28° 30' Br. zwischen den Orten ist sie nur kurz genannt. [Hans Treidler.] 

SaiidQf&a (s. d.) und OviraKa. Sie ist wahr- ©ovvov^gOjttov 3<oAc»vm. Nur vom Ptolem. IV 

scheinlich identisch mit dem Tobonis der Tab. 3, 7 p. 644 Mull, erwahnte Siedlung Nordafrikas 

Pent, und in diesem Falle dem heutigen Tobna unter 28° 20' L. und 30° 30' Br. von unbestimm- 

gleichzusetzen. [Hans Treidler.] ter Lage. Vielleicht ist @. mit dem von Plin. n. h. 

OovSana, Eine nur von Ptolem. IV 2, 7 V 29 namhaft gemachten Thinidrumense (oppi- 

p. 609 Miill. erwahnte Siedlung der Mauritania dum civium Romanorum) identisch, das sich eben- 

Caesariensis unter 19° 10' L. und 32° 20' Br. Die falls nicht fixieren laBt. Ch. Tissot (G^ogr. 

Lage dieses Ortes ist nicht festzustellen, hochstens 50 comp. II 770) hat auf eine Ansetzung verzichtet. 

zu mutmafien unter der Annahme der Lesart &ov- Vgl. noch C. M li 1 1 e r zu Ptolem. p. 644. 

U?ca. Vgl. C. M ii 1 1 e r zu Ptolem. p. 610: Fort. [Hans Treidler.] 



1287 Nachtrage (Digitus) 



Nachtrage (Dioptra) 1288 



Nachtrage und Berichtigungen. 



Digitus. Ein ZoU, ^/le eines FuBes, pes. 
Caito braucht noch digitus transversus, Finger- 
breite, in der urspriinglichen Bedeutung; r. r. 45, 
3. 48, 2; bei spateren nur sprichwortlich, s. 
Otto Sprichworter 356. Cato braucht drei ver- 
schiedene Fingerbreiten: digitus pollex r. r. 19, 

2, Daumenbreite; digitus minimus r. r. 22, 1, 
Kleinfingerbreite; digiti primores r. r. 21, 2. 40, 

3, Fingerbreite der drei hervorragenden mittleren 
Finger, die gleich breit sind, der eigentliche digi- 
tus. Digitus quadratus QuadratzoU, FlachenmaB, 
Colum. V 11, 9; Frontin. aqu. I 24 vom Lumen 
einer Rohre. Digitus rofundus das Lumen einer 
Rohre von einem ZoU im Durchmesser, Frontin. 
aqu. 1 24, 26. Das Verhaltnis zwischen den beiden 
berechnet er so: Quadratus tribus quartisdeeumis 
suis rotundo major, rotundus tribus undecumis 
suis quadrato minor est, scilicet quia anguli 
deteruntur. Den Durchmesser einer runden Rohre 
von einem QuadratzoU berechnet er: Digitus 
quadratus in rotundum redactus habet diametri 
digitum unum et digiti sescunciam sextulam. 

[A. G. Drachmann.] 
Bd. V S. 1074 zum Art. Dioptra 3: 
R Schones Rekonstruktion von Herons 
Dioptra, Heron Op. omn. HI 191ff. Arch. Jahrb. 
XIV 91, ist von Rep sold Astronom. Nach- 
richten 1918, 206, 11 (4931), kritisiert worden. 
Die Kritik ist mehr praktisch-mechanisch als 
philologisch, gibt aber dem Philologen Anhalts- 
punkte Mr eine genauere Interpretation gewisser 
Einzelheiten. 

Die D. bestand aus einem Unterteil, worauf 
Instrumente fiir verschiedene Zwecke angebracht 
werden konnten. Es werden im Text zwei Instru- 
mente erwahnt: der Theodolith, rj diontQa rj to 
TjixiKVHhov sxovoa, und das Nivellierinstrument, 
6 nlayiog navcbv. Die Beschreibung der Instru- 
mente ist durch eine Textliicke teilweise zerstort; 
wir haben die Beschreibung des Unterteils, des 
Anfangs des Theodoliths und des Schlusses des 
Nivellierinstruments. 

Was den Unterteil betrifft, so wissen wir 
nichts vom FuBe; die Hss.-Figur, in der Ven- 
turi, Vincent und S c h o n e den FuB sehen, 
ist miBgedeutet, wie sich bald zeigen wird. Der 
Praktiker R e p s o 1 d verwirft die Rekonstruk- 
tion und lehnt die Figur ab: ,Die Pariser Hs. 
gibt . . . eine Saule von ganz unglaublicher Form.* 

Der Oberteil des Unterteils war wie eine 
Saule gestaltet; oben trug sie eine Bronzescheibe, 
die konzentrisch mit einem Zapfen fest an- 
gebracht war. Um diesen Zapfen bewegte sich 
ein Zahnrad, das mit einer Schraube in Eingriff 
war. Die Schraube war horizontal in kleinen 
Lagerbocken gelagert, die auf der Bronzescheibe 
angebracht waren. Die Schraube hatte eine langs- 
laufige Nute, so breit wie das Zahnrad dick war; 
wenn die Nute gegen die Zahne kam, war das 



Rad frei und konnte gedreht werden; die Schraube 
diente nur dazu, um das Rad in jeder beliebigen 
SteUung festzuhalten, 194, 11—19. 

Um den Zapfen dreht sich ein Bronzezylinder, 
der mit dem Zahnrad verbunden ist; drei Zapfen 
sitzen namlich auf der Unterseite des Zylinders 
und greifen in drei Locher im Zahnrad hinein. 
Oben ist der Zylinder wie ein dorisches Kapitell- 
chen ausgestaltet. Auf dem Kapitell sind zwei 
10 vertikale Bronzepfosten angebracht, die ein 
halbes Zahnrad tragen; die Zahne des Halb- 
kreises greifen in eine Schraube ein, deren Lager- 
bocke — hier bricht der Text ab; die Lagerbocke 
sind wahrscheinlich auf dem Kapitell angebracht. 
(Fig, 1). 




Fig. 1. Der FuB. Fig. 2. Der TheodoUth. 

Eine Durchsicht der Stellen, wo der Gebrauch 
des Theodolithen beschrieben wird, lehrt uns, 
daB auf dem Halbkreis eine groBe Bronzescheibe 
angebracht war; das Diopterlineal, das abnehm- 
50 bar war, drehte sich liber der Scheibe; zwei 
Linien auf der Scheibe und zwei Zeiger auf dem 
Lineal dienten dazu, um rechte Winkel festzu- 
legen. Die eine Linie muB parallel zum Halb- 
zahnrad gewesen sein, die andere senkrecht auf 
der ersten. (Fig. 2.) 

Beim Gebrauch muBte man das Diopterlineal 
erst auf die erstgenannte Linie feststellen, dann 
den ganzen Theodolith drehen, bis man einen 
festen Punkt innehatte; jetzt wurde der Theodo- 



1289 NacMrage (Dioptra) 

lith mittels der Schraube mit der Nute festgehal- 
ten iind das Diopterlineal wieder gedreht, bis es 
iiber die zweite Linie kam; damit war eine zweite 
Richtung senkrecht zu der ersten gefunden. Wenn 
Hohen und Tiefen gemessen werden soUten, 
mufite man das Lineal genau iiber das Halbzahn- 
rad einstellen, den Theodolith festsetzen und 
dann das Lineal mittels des Halbzahnrades 
neigen. Die Winkel wurden nicht gemessen; man 
zielte gleichzeitig naeh dem fernen Ziel und nach 10 
einer MeBstange, die man innehatte; das Resul- 
tat wurde mittels proportionaler Dreiecke ge- 
funden. 

Nur fur astronomische Zwecke wurde die 
Scheibe in 360 Telle geteilt; das Lineal wurde 
abgenommen und die Scheibe gedreht und ge- 
neigt, bis die zwei Sterne, deren Winkelabstand 
gemessen werden soUte, in ihrer Ebene lagen. 
Das Lineal wurde wieder angebracht, und der 
Winkel konnte gemessen werden; c. 32 p. 286f. 20 

Nach der erwahnten Textliicke sind wir schon 
in der Mitte der Beschreibung des Nivellier- 
instruments. Es besteht aus einem langen Lineal, 
6 nlayioq Tioj^wv^ 4 Daktylen dick und wahr- 
scheinlich ebenso breit (7,7 cm); die Lange be- 
trug nicht weniger als 4 Ellen, 1,85 m. Eine 
Bronzerohre, 162 cm lang, lag in einer Rinne 
im Lineal; ihre Enden waren auf warts gebogen, 
und zwei Glasrohrchen waren darin eingekittet; 
wenn Wasser eingegossen wurde, muBten die 30 
zwei Oberflachen dieselbe Hohe einnehmen. Zwei 
kleine Blechscheiben konnten vor den Rohren 
auf- und abgleiten; durch Schrauben konnten sie 
genau eingestellt werden. Sie hatten Ausschnitte 
zum Visieren; wenn diese genau auf die Wasser- 
oberflachen eingestellt waren, konnte man eine 
genau horizontale Richtung festlegen. (Pig. 3.) 



NacMrage (Hippokrates) 1290 

Die andere Latte wurde dann hinter der D. auf- 
gestellt, und die zweite Scheibe eingestellt, bis 
sie auch durch die D. visiert wurde. Die zwei 
Scheidelinien waren jetzt genau in derselben 
Horizontale, und der Unterschied zwischen ihrem 
Abstand vom Boden gab den Unterschied zwi- 
schen den beiden Nivellierpunkten. Die D. wurde 
wahrend der Operation nicht bewegt. Die Latten 
konnten mittels eines Lotes senkrecht gestellt 
werden. 

Die zwei Instrumente waren in Einrichtung 
und Gebrauch verschieden; nur der FuB war 
gemeinsam. Sie miissen deshalb austauschbar 
sein. Wie dies geschah, ist klar: jedes Instrument 
hatte seinen eigenen Zylinder, der mit drei 
Zapfen in das erste Zahnrad paBte. (Fig. 4.) 




Fig. 4. Die Figur der 

Pariser Hs., etwas 

schematisiert. 



^ — n- 




u u u 
Fig. 3. Das Nivellierinstrument. 

Fill die Nivellierung wurden Zielscheiben ange- 
wendet. Sie waren 10 — 12 Daktylen (19 — 23 cm) im 
Durchmesser, halb schwarz, halb weiB angestri- 
chen, mit genau waagerechter Scheidelinie. Jede 
Scheibe konnte auf einer 10 Ellen (4,6 m) hohen 
Latte auf- und abgleiten und mittels einer Schnur 
festgehalten werden. Ein Zeiger, der genau in 
der Hohe der Scheidelinie saB, zeigte auf eine 
Einteilung an der einen Seite der Latte. 

Die eine Latte wurde auf einen Mvellier- 
punkt angebracht; die D. wurde auf gestellt und 
eingestellt; die Zielscheibe wurde gehoben oder 
gesenkt, bis die Scheidelinie genau visiert wurde. 



40 DieFigurderPaiiserHs.,dievonVenturi,Vin- 
c e n t und S ch o n e als die ganze D. gedeutet wurde, 
stellt somit nicht die ganze D. mit einem FuBe 
,von ganz unglaublicher Form* dar, sondern nur 
das Nivellierinstrument mit den drei Zapfen. 
[A. G. Drachmann.] 
rifjiLTOfios ist nach Athen. XI 470 d ein Trink- 
gefaB, das in Attika in Gebrauch war und seinen 
Namen nach seiner Form erhalten hat. Welcher 
Art aber der halb durchgeschnittene kubische Kor- 
50 per war, laBt sich nicht mehr sagen. 

[v. Lorentz.] 
Bd. VIII S. 1801, 12 zum Art. Hippokrates: 
16) Hippokrates von Kos. 
I. Die Biographic. II. Die Geschichte der Schrif- 
ten. III. Die Zeugnise iiber Person, Lehre und 
Werk. IV. Nachleben in Mittelalter und Neuzeit. 
Die hsl. "Oberlieferung der Werke des H. ist 
verzeichnet bei: H. Diels Die Handschriften 
der antiken Arzte, Abh. Akad. Berl. Ill 1905, 
60 3—56. II 1907, 25—29. Die grundlegende Aus- 
gabe der Schriften ist: Oeuvres completes de H., 
Traduction nouvelle avec le texte grecque I — X, 
Paris 1839—1861, par E. Littre, in der Haupt- 
sache nach den Pariser Hss. Durch diese Edi- 
tion sind die friiheren Ausgaben uberholt, die 
erste erschien Venedig 1526; alle Gesamtdrucke, 
Einzeldrucke und Ubersetzungen bis Littre ver- 
zeichnet C. Choulant Handbuch der Biicher- 



1291 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Ilippokrates) 1292 

kunde der alteren Medizin, Lpz. 18412, Neudruck Die Biographien, die Geschichte der Schriften, 

Mtinch. 1926. Die spater begonnene Gesamtaus- die die Meinung der verscMedenen Jahrhunderte 

gabe: Hippocratis opera omnia, I— II, Lpz. 1894, vom Werk des H. zeigt, die Zeugnisse sind die 

1902, ed. H.. K ii h 1 e w e i n (mit Einleitung von einzige Grundlage des Urteils. Alles hangt von der 

J. 1 1 b e r g liber die Hss. und die tJberlieferung) ZufaUigkeit der indirekten Uberlieferung ab. 

ist nicht fertig geworden, die Akademieausgabe: Wenn sich aus ihr genug lernen laBt, vermag 

Hippocratis opera, edd. Heiberg, Mewaldt, man vielleicht zu einer richtigen Anschauung vobl 

N a c h m a n s n, S c h o n e, ist erst im Erschei- Leben und Lehre des H. zu kommen. Einen ande- 

nen begriffen, bis jetzt nur CMG I 1, ed. Hei- ren Weg der Untersuehung gibt es nicht. 
berg 1927. An Auswahlausgaben ist wichtig 10 I. Die Biogr aphie. 
durch ihre Ubersetzung: Jones-Withig- 1. Schichtung der Biographien. 2. Die Herkunft 

ton Loeb Class. Libr.; weitere Angaben bei G. des Materials. 3. Die Fakten der Biographie. 

Sa r 1 n Introduction to the history of science, 4. Inhalt und Schichtung der H.-Legende. 5. Le- 

1927, I 96ff.; Des ouvrages d'Hippocrate, Ex- gende und Wirklichkeit. 6. Entstehungszeit der 

trait du Tome LXXII du catal. des livres im- Legende. 7. Das Bild des H. 
primes de la Bibl. Nationale, Paris 1921. Die Ausftihrliche Berichte tiber H. geben Tzetzes 

Brief e edierte W. Putzger: Wiss. Beilage z. (Chil. VII 944 — 989) und Suidas (s. InnoxQa- 

Jahresber. d. Gymnasiums in Wurzen, 1914 (da- rrjg), Aufierdem sind erhalten: eine anonyme H.- 

zu D i e 1 s Herm. LIII 81). Die Scholien findet Vita der Briisseler Priscianus-Hs. 1342 — 1350 
man: Scholia in Hippocratem et Galenum, ed. F. 20 (hrsg. von H. S cho n e Rh. Mus. LVIII 56) und 

E. Dietz, I — II, Konigsb. 1834; Apollonios die sog. Soran-Vita (Soran, ed. Ilberg, CMG IV 

V. Kition, ed. H. Schone, Lpz. 1896. Die 175, 3 — 178, 6). Eine bestimmte biographische 

Lexika sind: Erotiani, Galeni et Herodoti Glos- tlberlief erung stellen auch die Pseudepigrapha des 

saria in Hipp., rec. Franzius, Lpz. 1780; G. H. dar (Die Urkunden tiber H., seine Brief e, 

Erotianus, rec. E. Nachmanson, Upsala IX 312ff. L.). 

1918; Galen =5 Galeni opera ed. Ktihn, XIX 62ff. 1. Die Schichtung der Biogra- 

"Dbersetzungen sind: R. Puchs H. samtliche phi en. Das Material ist in sich uneinheitlich 

Werke, I— III, Munch. 1895 — 1900 (eine neue und wider spruchsvoU. Nach Tzetzes waren die 

Gesamtubersetzung bereitet vor: E. Kapferer Lehrer des groBen H., des Asklepiaden aus Kos 
Die Werke des H., Hippokrates Verlag). M. G. 30 (sein Stammbaum 944 — 958), in der Medizin sein 

Levi, Venezia 1838. F* Adams The genuine Vater Herakleides und Herodikos von Selymbria, 

works of H., New York 1886. Oh. D a r e m - in der Rhetorik Gorgias, schlieBlich in der Philo- 

berg Oeuvres choisies d'Hippocrate 2, Paris sophie Demokrit (959 — 963). In Kos als Biblio- 

1855, von besonderem Wert durch ihre Kom- thekar tatig, verbrannte H. die alten Bticher der 

mentare. Die allgemeine Literatur tiber H. ist bis Arzte und das Archiv, mufite darum fiiehen und 

1919 gesammelt bei Bursian CLXXX 1 — 108, ging zu den Edonen, Griechen und Thessalern, 

auch die frtiheren Berichte CLVIII 132 — 234, zur Zeit des Artaxerxes und Perdikkas (963— 

CXXIV 144—153, LXIV 281—346 sind noch 967). Seine Sohne waren Thessalos und Drakon, 

wichtig. Fur die Zeit zwischen 1914 und 1924 die er unterrichtete, wie Praxagoras und andere; 
orientiert besonders tiber die auslandische Litera- 40 er schrieb 53 Bticher (968 — 971), Sieben Manner 

tur: Marouzeau Bibliographie classique, Paris des gleichen Namens sind zu unterscheiden (974 

1927, I, s. V. H. C. und II 1928, Sciences et —978), Dargestellt wird H. auf Bildern mit ver;- 

metiers. Noch spater gibt eine tlbersicht: P. htilltem Haupt, was man sich auf viererlei Art 

Diepgen Arch. f. Kulturgesch. XXI 357ff. und erklart (979—984). Mit Unrecht bezeichnen ihn 

die fortlaufende Bibliographie der Mitt. z. Gesch. manche als Empiriker (985). 
d. Med. u. d. Naturwiss. Die Darstellung, die Tzetzes gibt, geht offen- 

tlber Lehre und Leben des H. mufi sich, wie bar auf eine typische Gelehrtenvita zurtick. Wah- 

es scheint, mit Bestimmtheit urteilen lassen. rend es sonst heiBt, H, habe die im Tempel auf- 

Denn es sind nicht nur Zeugnisse und Biogra- gestellten Weihgeschenke verbrannt (Plin. n. h. 
phien sondern auch viele Schriften des H. erhal- 50 XXVI 4, nach Varro), ist diese Erzahlung hier 

ten. Trotzdem gibt es keine einheitliche H.-Auf- ganz im Stil einer solchen Biographie umgeformt: 

fassung. Der Grund daftir ist nicht die ver- H. arbeitet in der koischen Bibliothek wie ein 

schiedene Interpretation wichtiger Nachrichten alexandrinischer Gelehrter und verbrennt die 

und die ungentigende Durcharbeitung des bio- Bticher, Tzetzes sagt ja auch selbst: e^ 'Ecpsolov 

graphischen Materials. Entscheidend ist die Eigen- IcoQavov xa InnoKQarovg 8cpr}Vy 985). Seine Vor- 

art des als Hippokratisch tradierten Werkes. lage ist also die H.-Vita des Soran aus dessen 

Denn sicher sind nicht samtliche Bticher des ^loi lar^cay (vgl. tiber sie Kind Bd. IIIA S. 1115; 

sog. Corpus Hippocraticum von H.; darin stim- zu Soran als Vorlage des Tzetzes auch D e i c h- 

men alle tiberein. Die atiologischen Theorien der graber Abh. Akad. BerL 1933, 3, 145)*). 
einzelnen Schriften widersprechen sich, die pro- 60 Auch die Brtisseler Vita ist eine Gelehrtenvita. 

gnostischen Anschauungen sind ganz verschiedeUj Sie will Geschlecht, Leben und Lehre des H. dar- 

die Methoden der Behandlung immer anders, stellen (56, 1). Sie gibt zuerst eine Genealogie 

Nur eine Lehre kann aber doch Hippokratisch der Asklepiaden, zu denen H. gehort (56, 2 — 10, 

sein, nur die Werke, die sie wiedergeben, konnen anders als Tzetzes, vgl. Schone 62). Dann nach 

echt sein. Um zu entscheiden, welche das sind, einer genauen Schtilerliste (56, 15 — 21, sie findet 

mu6 man also das System des H. schon kennen. sich sonst nicht, H. hat veluti primus meditinae 

Man kann nicht von den Hippokratischen Schrif- — — 

ten ausgehen. *) Zitiert im folgenden: Deichgraber. 



1293 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1294 

conscriptor viele Schtiler), nach Beschreibung des Dann heiBt es, er habe sich nicht nur in der Me- 

Bildes (56, 22—30, wie bei Tzetzes, doch mit dizin sondern in allem, was zur Bildung gehort, 

mehr Erklarungen fiir die Verhiillung des Haup- unterrichtet (die anderen sprechen von Medizin, 

tes), nach Bezeichnung des Ortes und der Zeit Rhetorik und Philosophie) und erst nach dem 

des Todes (das Alter ist das gleiche wie bei Tode seiner Eltern die Heimat verlassen, um in 

Tzetzes, der Ort nicht ganz derselbe, dazu kommt ganz Griechenland zu praktizieren. So wurde er 

die Angabe, daB man sich dort noch an H. er- uberall beruhmt (175, 15 — 176, 4). Darum be- 

innert), wird nach der Meinung vieler behauptet, rief ihn auch der Makedonenkonig zusammen mit 

H. habe 72 Biicher geschrieben (Tzetzes nennt 53), Euryphon zu sich (nur Suidas erwahnt eine Be- 
die dann mit ihren Titeln aufgeftihrt werden. Da- lo ziehung zwischen H. und Perdikkas), darum woU- 

bei heifit es: hos (libros) ordinavit in Athenis ten die Abderiten, daB er Demokrit behandelte 

postquam reversus est a Medis de Batchana civi- (176, 4 — 13). lUyrier und Paonier baten ihn um 

tate ah Artaxerxe rege Medorum, Eodem tern- Hilfe gegen die Pest, aber er stand nicht den 

pore aecepit septem libros de Memphis civitate a Barbaren sondern Athen bei, dessen Bedrohung 

Polybio alio Apollinis, qui secum inde portavit durch die Krankheit er voraussah (176, 13^-17). 

et ex his libris suis canonem medicinae recte or- Auch ging er nicht zum GroBkonig, der ihn zu 

dinavit (56, 34 — 43; und in gleichem Sinne die sich lud, denn er liebte die Griechen, war sich 

zweite Fassung der Schriftenliste ebd.). H. ist seiner Wiirde bewuBt, frei von Geldsucht, der 

also ein Schtiler des Orients (davon sagt Tzetzes Heimat treu (176, 18 — -23; Suidas erwahnt die 
nichts, dagegen fehlt in der Briisseler Vita die 20 Einladung des GroBkonigs, sagt aber nicht, daB 

Erzahlung von der Verbrennung der Biicher in H. sie abgelehnt habe; nach der Briisseler Vita 

Kos). Die Ausfiihrungen liber die Lehre, die in war er bei Artaxerxes). So wurde er in Kos, 

der tJberschrift angekundigt waren, sind nicht in Thessalien, bei Argivern und Athenern hoch 

erhalten (vgl. Schone 61; man kann also nicht geehrt (176, 25 — 177, 3)* Er lehrte seine Kunst 

beurteilen, wie sie zu denen des Tzetzes standen, neidlos jeden, der den vorgeschriebenen Eid ge- 

ebensowenig, ob die gleichen Lehrer genannt schworen hatte (176, 3 — 4). In Thessalien starb 

wurden. Vor 11 ist eine Liicke). Jedenfalls unter- er dann, 90 Jahre alt (das von den anderen Viten 

scheiden sich Tzetzes und die Vita in den ein- iibereinstimmend angegebene Alter von 104 Jahren 

zelnen Nachrichten. wird nur als Variante mit einer dritten Zahl ge- 

Trotz der tlbereinstimmung im Typus der 30 geben) und wurde zwischen Gyrton und Larissa 

Darstellung mit der Briisseler Vita und Tzetzes, begraben. Das Grab, von dem eine wunderbare 

trotz der gleichen Angabe von Lebensalter, Ort des Heilwirkung ausging, wird noch jetzt gezeigt 

Grabes und bildlicher Darstellung (662, 16 — 21) (177, 4 — 10; auch das wuBten die anderen nicht). 

erzahlt Suidas das Leben des H. im ganzen Auf den meisten Bildern ist H. mit einem Piles 

anders. Er nennt als Lehrer des H. nach der (davon war vorher nicht die Rede) oder mit 

Uberlieferung Einiger auch Prodikos (662, 14) einem Gewand tiber dem Kopf dargestellt, was 

und beziffert sein Werk auf 64 Schriften (662, man auf verschiedene Weise erklart (177, 10 — 19; 

14ff.; gegen 53 und 72). AuBerdem weiB er, daB es werden mehr Griinde angegeben als sonst). 

Artaxerxes den H, zu sich kommen laBt (die tJber seine Schriften herrscht groBe Uneinigkeit, 
Briisseler Vita sagt, daB H. bei Artaxerxes war, 40 es ist nicht leicht, tiber sie zu urteilen (177, 20 

nennt aber die Brief e des H. an ihn im Schriften- — 25; in den anderen Viten fanden sich Zahlen). 

verzeichnis nicht, wahrend Suidas sie zitiert; Er hinterlieB viele Schtiler, die bedeutendsten 

Tzetzes spricht davon tiberhaupt nicht), er er- unter ihnen waren seine Sohne (178, 4 — 6; die 

zahlt, H. sei mit Perdikkas befreundet gewesen Satze 177, 25—178,4 sind eine Wiederholung aus 

und habe in Makedonien gelebt (was die anderen Frtiherem). 

nicht erwahnen; nach der Briisseler Vita hat H. Die sog. Soran-Vita schildert also nicht den 

in Athen geschrieben. Es fehlt bei Suidas die Ab- Arzt H. sondern den idealen Menschen. H. ist 

hangigkeit des H. von orientalischer Weisheit Patriot, Freund der Griechen, Gegner der Bar- 

und die Geschichte von der koischen Bibliothek). baren (von H. als Schuler der Orientalen wird 

Die Tradition der Gelehrtenviten ist offenbar 50 nicht geredet). Sein Charakter erscheint der Vita 

uneinheitlich; es muB viele miteinander nicht so voUendet, daB sie es ausdrticklich als Verleum- 

(ibereinstimmende Traktate tiber H. gegeben dung des Andreas bezeichnet, zu sagen, H. sei 

haben (vgl. Schone Q6, Die Briisseler Vita auf Reisen gegangen, well er die Bibliothek von 

und Suidas lassen sich nicht auf Soran zuriick- Knidos verbrannt hatte und fliehen muBte (175, 

fiihren, der ja nach Tzetzes zu rekonstruieren ist, 5ff.; also lehnt sie auch dieErklarung desTzetzes- 

von dessen Angaben sich aber beide unterschei- Soran ab. Denn daB H. die Bibliothek von Kni- 

den, gegen Kind a. 0.). dos, nicht die von Kos verbrannt haben soil, wie 

Nicht nur in Einzelheiten, auch grundsatzlich jene zur Erklarung der Flucht annehmen, ist ja 

unter scheidet sich von all diesen Darstellungen nur eine Variante der gleichen Geschichte. Der 
die sog. Soran-Vita. Nachdem die Abstammung 60 Charakter des H. wird also anders als bei Tzetzes- 

des H. angegeben ist (175, 3 — 7; anders als bet Soran gesehen). So wenig liegt an dem realen 

Tzetzes und in der Briisseler Vita, vgl. Schone Menschen, dem Arzt H., daB von seiner Lehre 

62), seine Lehrer genannt worden sind (7 — 9; nichts gesagt wird und das Werk unbestimmt 

Prodikos fehlt), wird seine Lebenszeit nicht nur bleibt (die Vita kann nicht von Soran sein und 

synchronistisch (wie bisher) sondern genau an- auch nicht auf ihn zurtickgehen, wie II berg 

gegeben: H. ist nach Ischomachos und nach So- Prolog, d. Ausg. XIV — ^XV, Kind 1115 und 

ran von Kos, der in den koischen Archiven nach- Deichgraber 145 annehmen. Die aufgezeig- 

forschte, am 27. Agrianos 460/59 geboren (9 — 15). ten Unterschiede von der nach Tzetzes zu rekon- 



1295 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1296 

struierenden Soran-Vita beweisen es. Dafi die ,Asklepiade* nur ein anderes Wort fur Arzt war 

Vita in Hss. den Namen no.Ta Zco^avov tragt, wie spater (Platon laBt den Eryximachos sagen 

laBt sich sachlich nicht reclitfertigen. Unmoglich d rjfxexsQog nQoyovog 'AonXi^mog Symp. 186 e, 

ist es darum auch, eine Liicke im Text der Vita, ebenso ist die Auseinandersetzung iiber die Askle- 

die tibrigens nicht vorzuiiegen scheint, nach So- piaden Rep. 405 b zu verstehen; vgl. auch Leg. X 

ran zu ergainzen, wie es W e 1 1 m a n Fragm. d. 559 c. Fiir die spatere Zeit Gal. VI 41 K., Athen. 

sizil. Arzte 7 tut). VIII 355 a, Tzetz. Chil. XII 63fE. v. W i 1 a - 

2. Herkunft desMaterials. Die Her- mowitz S.-Ber. Akad. Berl. 1901, 22, 1 i'afit 
kunft des Materials dieser verschiedenen, nicht Asklepiade als Bezeichnung adliger Herkunft). 
auf eine Uberlieferung zuriickgehenden Biogra- 10 Die Lebenszeit des H. ist nach ApoUodor nur 
phien (wie Deichgraber 147 meint) ist nur synohronistrsch bestimmt (vgl. frg. 48 Jac); wah- 
ungefahr bestimmbar. Die Vorlagen des Soran, rend des Peloponnesischen Krieges ist die Hohe 
den Tzetzes wiedergibt, sind wahrscheinlich Phi- seines Wirkens. Auch das bestatigt sich durch 
Ion von Biblos (jtsqI ^L§hod"yjK7]g ^crrjoecpg und die platonischen Dialoge, in denen H. als Zeit- 
Hermipp von Berytos tisqI tcov 8ia jiaidslav genosse des Sokrates erscheint. Das genaue Da-^ 
oefivTj'&evtojv svdo^cov avbqwv iaxQwv nach Schol. turn der Geburt, welches Ischomachos und Soran 
Oreibas. 3, 687^1; (vgl. Kind 1115, die anderen von Kos aus den koischen Archiven geben, ist 
auf Grund der sog. Soran-Vita dort und bei nicht nachzupriifen (iiber Listen mit Geburts- 
Deichgraber 147 angegebenen Vorlagen daten vgl. v. Wilamowitz Einl. in d. gr. Tra- 
kommen nicht mehr in Frage). tJber die Vorlagen 20 godie 3, 4; liber die Zuverliissigkeit des Soran 
der Brusseler Vita, deren lateinische Redaktion imallgemeinen s. U.S. 1297, 35). Das Alter, in dem 
nach sprachlichen Indizien erst aus dem 5. Jhdt. H. gestorben sein soil, scheint von Demokrit auf 
n. Chr. stammen kann (S c h o n e QQ), ist ebenso- ihn tibertragen worden zu sein (vgl. Jacoby a. 0.), 
wenig wie uber die des Suidas ein Urteil moglich, jedenfalls iiberliefert nur Ps.-Soran ein anderes 
da keine Namen genannt werden (vgl. aber u. Alter als 104 Jahre (uber seine Sicherheit vgl. 
S. 1297, 12). V. Wilamowitz S.-Ber. Akad, Berl. 22, 1). 

Der aiteste Gewahrsmann der sog. Soran-Vita Als Lehrer des H. werden sein Vater, Hero- 

ist Eratosthenes. Denn Pherekydes von Athen dikos von Selymbria (1 1 b e r g zu Herodikos bei 

wird zwar genannt (175, 6), ist aber durch Era- Soran 175, 8 denkt an den Knidier, was Deich- 
tosthenes vermittelt, der ihn in der Genealogie 30 g r a b e r 148 mit Recht ablehnt, da bei Soran- 

der Asklepiaden zitierte (vgl. J a c o b y zu Phere- Tzetzes der Beiname Selymbria iiberliefert ist), 

kydes frg. 59; ,Wie weit Pherekydes den Stamm- Gorgias, Prodikos und Demokrit genannt. Wie 

baum herabfiihrte [vielleicht nichfc iiber die No- alle Angaben solcher Art gehen auch diese auf die 

sten heraus, jedenfalls nicht bis auf den groi^en Beobachtung von inhaltlichen und stilistischen 

H., dessen Ruhm nach Pherekydes Zeit fallt, s. tlbereinstimmungen hippokratischer Schriften mit 

auch frg. 2] . . .'; vgL dazu Apollodor frg. 48 AVerken jener Autoren zuriick (vgl. v. W i 1 a m o- 

Jac). Der jiingste in der Vita genannte Autor witz Herm. XII 333). Zuerst als Vermutung 

ist Areios vonTharsos, ein Asklepiadeer, also ein ausgesprochen, wurde die Abhangigkeit spater 

Arzt des ausgehenden 1. Jhdts. v. Chr. (175, 17, als sicher angenommen und in ein Schtilerverhalt- 
dazu D i e 1 s Dox. 87, 3). Die sonst angefuhrten 40 nis umgedeutet. Die Auffassung dieser Angaben 

Schriftsteller sind in die Zeit zwischen Erato- allein als tatsachlicher Begegnungen des H. mit 

sthenes und Areios zu setzen (iiber Soran von diesen Mannern (Deichgraber 148. Pom- 

Kos 175, 12. 176, 2 s. u. S. 1297, 35). Die Vita tow Klio XV 303ff.) ist eine mehr oder weniger 

oder ihre Vorlage ist also nicht vor dem 1, Jhdt. wahrscheinliche, doch jedenfalls nicht beweisbare 

n. Chr. entstanden (sie geht keineswegs auf Era- Kombination. Da6 eine mittelalterliche Vita (hrsg. 

tosthenes zuriick; so Schone gegen Fuchs von Sudhoff Arch. f. Gesch. d. Med. VIII 

Rh. Mus. LVIII 63). 411, 3) H. zum Schiiler des Melissos macht, geht 

Das biographische Material ist, wie sich zeigt, offenbar auf dessen lobende Erwahnung in n. cpy- 

nicht alt; von dem Buch des Hermipp jre^t evdo- otog ardQwnov c. 1, VI 34 L. zuriick. Ebenso ist 
^cDv latQcov (FHG III 52, 576) etwa findet sich 50 Herodikos v. Selymbria wohl aus Epidemien VI, 

nichts. Die tJberlieferung reicht nicht iiber die V 302 L. erschlossen, der dort getadelt wird (vgl. 

Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. hinaus. Nur wenige Deichgraber 148). 

allgemeine Angaben iiber Genealogie und Lebens- Alle Viten berichten von Reisen des H. (vgl. 

zeit gehen auf bekannte und zuverlassige Autoren auch Galen scr. min. II 5, 6ff.). Dafi die Athener 

zuriick (Eratosthenes, Apollodor). Soweit die Vor- zur Zeit des Sokrates den H. schon gut kannten, 

lagen sonst deutlich werden, sind es Schriftsteller, wie die platonischen Dialoge zeigen (s. U.S. 1318,5), 

von denen man nichts weiB (Andreas 175, 18; lieBe sich kaum verstehen, wenn H. nur in Kos 

Ischomachos 175, 10). gelebt hatte. Wo er iiberall gewesen ist, bleibt 

3. Fakten der Biographien. Wenige unsicher (iiber seinen Aufenthalt in Athen, seine 
Tatsachen sind in den Biographien iiberein- qq Reisen in ganz Grdechenland s. u. S. 1297). Da- 
stimmend iiberliefert und lassen sich durch an- gegen, daB er bei Perdikkas war, sprechen schon 
dere Zeugnisse bestatigen. H. wird immer als chronologische Schwierigkeiten (vgl. Apollodor 
Asklepiade aus Kos bezeichnet, wenn auch die frg. 48 Jac). Auch handelt es sich bei der Hei- 
mythische Asklepiadenliste verschieden gegeben lung, die berichtet wird, um eine Geschichte, die 
wird. Platon nennt ihn ebenso an den beiden auch von anderen Arzten erzahlt wurde und nur 
Stellen, an denen er ihn erwahnt (Prot. 311b; einmal (Ps.-Soran 176, 4ff.) von H. So wird die 
Phaidr. 270 c). Unsicher bleibt, ob sich H. selbst Anekdote nicht von H. auf den unbekannten Vater 
von Asklepios herleitete, oder ob schon damals des Erasistratos (W oilman n Herm. XXXV 



1297 NacMrage (Hippokrates) NacMrage (Hippokrates) 1298 

380), sondern von anderen auf H. iibertragen sein indem sie sie an vier Ereignisse erinnert: an die 
(zu der Geschichte selbst vgl. Merck Rh. Mus. Hilfe des Nebros und Chrysos, der Vorfahren des 
LXVIII 366ff.). Jedenfalls wird H. in Thessalien H., im Kampf der Athener nnd der Amphiktyo- 
gewesen und dort auch gestorben sein, da nach nen gegen die Kriseer (406 — 414), an den Wider- 
alien Nachrichten sein Grab in Thessalien lag stand der Koer gegen die Perser zusammen mit 
(v, Wilamowitz S.-Ber. Akad. Berl. 1901, alien Griechen auf Veranlassung der Vorfahren 
22. Deichgraber 149). Es ware sonst wohl des H. (414 — 418), an die Hilfe, die H. selbst 
die Legende von seiner Bestattung in Kos ent- Athen und den griechischen Stammen bei der 
standen. Aber auch von Demokrit erzahlt man, Pest leistete (418 — 420), schlieBlich an die arzt- 
dafi er in Thessalien gestorben sei. 10 liche Tatigkeit des Thessalos bei der sizilischen 
Auch eine vereinzelte Angabe iiber das Aus- Expedition auf Wunsch des H. (422 — 424). Thes- 
sehen des H. scheint wahr zu sein. H. war klein salos spricht also von Ereignissen, die vor dem 
von Gestalt, wie die Brtisseler Vita (Z. 22/23) EhrenbeschluB der Athener liegen und in ihm 
ubereinstimmend mit der mittelalterlichen Vita nicht erwahnt werden, obwohl sie dem Inhalt 
sagt (a. 0. 406, 74). Das stimmt zu einer Be- nach batten angeftihrt werden konnen (der Hin- 
merkung des Aristoteles (Polit. VII 1326 a 15; weis auf Tatsachen, die wahrscheinlich nach dem 
vgl. Edelstein Problemata IV 1931, 122*); EhrenbeschluB liegen, so die Teilnahme an der 
der Hinweis auf die Brusseler Vita von I) e i c h - sizilischen Expedition, ist kein Widerspruch). 
graber 149). Nach den Worten des Thessalos war H. selbst in 
Mehr ergibt sich aus den Viten an sicheren 20 Athen, die anderen Stadte haben ihn ebenso wie 
Daten iiber H. nicht. Denn was sonst erzahlt wird, Athen fiir seine Hilfe gegen die Pest geehrt (wah- 
laBt sich nicht nachpriifen. Ja es scheint Legende rend im EhrenbeschluB Athen im Namen aller 
zu sein, die in alle Biographien aufgenommen Griechen handelt). Als Dank erhielt H. von Athen 
wurde, well man vom Leben des H. nicht viel einen goldenen Kranz im Theater (der Ehren- 
wuBte. Fur Lehre und Werk des H. lernt man beschluB behauptet die Verkiindung beim gym- 
wenig. tiber seine Schrif ten finden sich nur wider- nischen Agon der Panathenaen), nicht nur H. 
spruchsvolle Angaben, iiber sein System wird gar (wie es friiher hieB), auch Thessalos wurde in die 
nichts gesagt. Mysterien eingeweiht. AuBerdem fehlen einige 
4. Inhalt und Schichtung der H.- derim EhrenbeschluB genannten Auszeichnungen 
Legende. Die Viten erzahlen von der Flucht 80 (Burgerrecht, Speisung im Prytaneion, Ephebie 
des H. aus Kos, von seiner Abhangigkeit von fur die Koer, Dinge, die Thessalos erwahnen 
orientalischer Weisheit, von seinem Gegensatz zu konnte). Es wird auch nicht von Verdiensten ge- 
den Barbaren und seiner Liebe zu den Griechen. sprochen, die der EhrenbeschluB voraussetzte (Ab- 
Sie sagen nicht, woher sie diese Erzahlungen lehnung der Einladung des GroBkonigs, Unter- 
nehmen. Nur die sog. Soran-Vita verweist einmal richt in der Medizin ohne XJnterschied an Alle). 
auf die Hippokratischen Briefe, um die Ablehnung Bei all dieser Verschiedenheit in Einzelheiten 
der Einladung des GroBkonigs durch H. zu be- stimmen aber der EhrenbeschluB und die Rede des 
iegen (176, 23); Suidas zitiert wenigstens den Thessalos in der philhellenischen Auf fassung des 
Brief des Artaxerxes (662, 22). Diese Briefe des H. iiberein und beide zeigen auch seine enge Ver- 
H. und die Urkunden iiber ihn, also die sog. 40 bindung mit Athen (wie Ps.-Soran 177, 1; zu 
Pseudepigrapha des C. H., geben eine weitr Unrecht nimmt H e r z o g Koische Forschungen 
gesponnene Legende, die in sich wieder uneinheit- 216 fur alle Urkunden eine Athen feindliche Ten- 
lich ist und mit den Berichten der Viten nicht denz an). Beide verdeutlichen am Beispiel des 
immer iibereinstimmt. H., wie viel ein Mensch der Wissenschaft auch in 
Der EhrenbeschluB der Athener fiir H. {d6yfA,a politischen Gefahren fiir seine Vaterstadt be- 
'A'&rjvatcov IX 400—402 L. vgl. zu Inhalt und deutet (422). Denn H. ist im Gegensatz etwa zu 
Form solcher Dokumente IG II 186f., dazu der Auf fassung, die man von Demokrit hat (s. u. 
V. Wilamowitz Herm. XXII 240) zahlt als S. 1300, 54), an dem Geschick seiner Heimat be- 
seine Verdienste auf, daB er die Griechen vor der teiligt, er will als Arzt, dem das Leiden der Men- 
Pest rettete, indem er seine Schiller in die einzel- 50 schen nahegeht, helfen, soviel er kann. 
nen Landschaften schickte, daB er das medizi- In seiner Bitte an die Thessaler um Hilfe 
nische Wissen Vielen mitteilte und nicht aus Neid gegen die Athener {nQEopevtiKog IX 402 — ^404 L.) 
fur sich behielt, daB er trotz aller verlockenden sagt H., er komme jetzt zu den Thessalern auf 
Versprechungen nicht zum Perserkonig, dem ge- der Flucht aus seiner Heimat, doch kennten ihn 
meinsamen Feinde der Griechen, ging. Athen, Viele, denn sein Name sei durch seine Kunst wei- 
dessen Sache es ist, fiir die Griechen zu handeln, ter vorgedrungen als er selbst. So kann er nur 
ehrt darum H. durch Einweihung in die groBen reden, wenn er das erste Mai in Thessalien ist. 
Mysterien wie einst den Herakles, durch Ertei- Thessalos behauptete, H. lebe in Thessalien und 
lung eines goldenen Krauzes, die bei den groBen sei dort auch schon zur Zeit der Pest gewesen^ 
Panathenaen verkiindet wird. Es gibt den Koern 60 die lange vor dem Angriff Athens auf Kos Grie- 
das gleiche Recht der Ephebie wie den Athenern. chenland heimsuchte (a. 0. 418). H. beruft sich 
SchlieBlich gewahrt es dem H. das Biirgerrecht auch nicht auf seine Verdienste um die Thessaler 
und lebenslangliche Speisung im Prytaneion. oder um die Griechen, er bittet um des schiitzen- 
Die Gesandtenrede des Thessalos {TtQsopsvrt- den Zeus und der gemeinsamen Gotter willen, 
?wg) versucht, die Athener von einer gegen Kos Kos beizustehen (Thessalos erwartete fiir Kos die 
geplanten Unternehmung abzubringen (IX 424 L.), Hilfe der Thessaler, Argiver, Lakedaimonier und 

anderer, 426). Wieder tritt H. fiir seine Vater- 

*) Im folgenden; zitiert: Edelstein, stadt ein, aber nicht das ist der Sinn der Ge- 



1299 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1300 

schichte. Sie will vielmehr am Ungltick des H. eine Berufung an den Hof des Perserkonigs aus- 

deutlich machen, daB jeder Mensch, auch der geschlagen haben (so Herzog Quell. Stud. z. 

grofite, leiden und das von Gott verhangte Schick- Gesch. d. Naturwiss. Ill 264, 3). Aber soweit 

sal tragen mufi (402; die gleiche Auffassung des man nachpriifen kann, hat die Legende keinen 

H. spricht die Sentenz aus: iTtnoKQdztjg noXlag historischen Ansatzpunkt. 

vooovg laodfisvog avrog vooi^oag djie'd-avsv, Marc Nach den Worten des Thessalos liegt das Ein- 

Aurel III 3, 1). Im tibxigen rettet H. nach Ps.- greifen des H. bei der Pest vor der sizilischen 

Soran (176, 24) Kos vor der von Athen drohenden Expedition. In der furchtbaren athenischen Pest, 

Gefahr, indem er die Thessaler um Hilfe bittet. von der sonst nicht bekannt ist, da6 sie ganz 

Nach dem Epibomios aber knechten die Athener 10 Griechenland heimgesucht hatte, soil also H. nach 

Kos, vernichten seine ererbte Freiheit, behandeln der Legende geholfen haben (vgl. Soran 176, 17). 

es nach dem Recht des Schwertes, wovor Thes- In den Berichten tiber die Krankheit wird der 

salos sie warnte (422). Kos ist hier also schon Name des H. nirgends genannt (vgl. Littre 

von den Athenern erobert. Einleitung I 426ff.). Sie kommt auch nicht aus 

In den Briefen iiber die Berufung des H. zu dem Norden, wie in der Legende, sondern aus 

Artaxerxes (IX 312 — 320 L.) erscheint H. da- Aithiopien (Thuk. II 48). So ist die Ablehnung 

gegen als gottlicher Mensch gottlicher Herkunft einer Hilfe fiir lUyrier und Paionier und das Vor- 

(schon die sog. Soran- Vita berichtete, daB dem aussehen der Bedrohung Athens unhistorisch. 

H. in Kos als Heros geopf ert wurde und daB man Eine erhaltene delphische Weihinschrift als Be- 

seine Reisen durch ein gottliches Traumbild er- 20 weis der von Thessalos anlaBlich der Pest be- 

klarte (175, 14. 176, 2ff.). Er lernte durch seinen haupteten Opferung des H. in Delphi anzusehen, 

Vater und seinen Grofivater nur das wenige, was ist nicht moglich (P o m t o w Klio XV 306ff ., da- 

jene wuBten; die ganze Kunst lernte er aus sich gegen schon Herzog 264, 3). 

selbst kraft seiner gottlichen Natur. Wie Tripto- Eine besondere Beziehung des H. zu Athen er- 

lemos die Gaben der Demeter, verteilt H. die wahnt auch Platon nicht. Er sagt nicht aus- 

Heilmittel des Asklepios. Darum verehrt man driicklich, daB H. in Athen gewesen sei, wie es 

ihn in Kos und an vielen Orten als Vater der Ge- Thessalos behauptet (420) und wie es die Ein- 

sundheit, als Soter, als Schmerzheiler, als ersten weihung in die Mysterien voraussetzt (ebenso 

der ganzen gottlichen Heilkunst (314; s. aber die Briisseler Vita). Das scheint vielmehr aus ihm 

u. S. 1300, 54; H. als Seher nennt noch Maximus 30 erst erschlossen worden zu sein, oder es ist wie 

Thyrius, 164, 1 Hob., auf Grund der von ihm anderes auch von Demokrit auf H. iibertragen 

vorausgesehenen Pest. Ps.-Soran [176,16] spricht (vgl. Diels Vors. 55 B 116; s. n. S. 1303, 61). 

dabei nur von einer rationalen tJberlegung [ovl- Ebensowenig konnte H. seiner Vaterstadt gegen 

loyiodfAsvogl), Athen helfen. Denn Kos steht immer auf Seiten 

Als Weisen schildern den H. dann schlieBlich Athens, erst 357 v. Chr. trennt es sich von ihm 

die Briefe, die von seinem Besuch bei Demokrit (s. o. Bd. XI S. 1479), also in einer Zeit, in der 

erzahlen (IX 320 — 392 L.). Er glaubt nicht an H. schon tot war; der Hohepunkt seines Wirkens 

die Krankheit des Demokrit, aber er geht zu ihm, fallt ja viel friiher (s. o. S. 1296, 10). 

um seine Ansicht vom Leben zu bekampfen, zu Auch wiirde ein Arzt im 5. Jhdt. v. Chr. die 

heilen. Gegen das Lachen des Demokrit uber alle 40 Aufforderung des GroBkonigs kaum mit der Be- 

menschlichen Dinge will er die Anteilnahme an griindung abgelehnt haben, daB er Barbaren nicht 

Freude und Schmerz stellen, die, wie er glaubt, heilen woUe (316), oder damit, daB er keinen 

menschliche Pflicht ist (336 — 338). Das ist die Herren tiber sich haben woUe (Stob. Ill 13, 51). 

gleiche Anschauung des Arztes, die gleiche Und andere erzahlen ja auch, H. sei bei Arta- 

menschliche Bereitschaft, die seine Anteilnahme xerxes gewesen (s. o.S. 1293, 38; da die Assklepiaden 

am Geschick der Heimat bedingte. Demokrit aber am Hofe des Konigs schlecht behandelt wurden 

bekehrt H. und iiberzeugt ihn von der Richtig- oder Bedingungen stellten, wenn man sie berief, 

keit seiner Meinung, daB der Weise nur zu allem halt Herzog 264, 3 eine Ablehnung des H. fiir 

lachen konne. Vertraut mit der menschlichen wahrscheinlich. Aber die von ihm angefiihrten 

Natur, wie sie wirklich ist, erfiillt von der Weis- 50 Stellen zeigen doch auch, daB die Irzte jener 

heit, die er gelernt hat, geht H. von Demokrit Zeit nach Persien gingen, die Voraussetzungen 

fort als Herold seiner Lehre. Er ist ein Anderer der Legende also nicht gegeben sind). In voUem 

geworden (378 — 380). Gegensatz dazu steht wieder die Herleitung 

Wie die Biographie ist auch die Legende von seines Wissens von orientalischer Weisheit. Sie 

H. in sich uneinheitlich. Es bestehen nicht nur wird aus der Vita des Demokrit tibernommen sein 

Unterschiede in der Erzahlung der gleichen Er- (vgl. Diels Vors. 55 A 16. B299), dessen Leben 

eignisse. Die ganze Auffassung des H. ist ver- die Vorstellung von dem des H. offenbar in vielem 

schieden. Er ist ein Gegner der Barbaren, dann angeglichen wurde, er soUte aus Freundschaft fiir 

wieder ihr Schiiler, praktisch helfender Mensch ihn auch ionisch geschrieben haben (Ailian. IV 

und gegen alles reale Geschehen gleichgtiltig als 60 20) oder sie ist aus der allgemeinen spaten Ten- 

Weiser, Mensch und Heros zugleich. denz zu verstehen, die Griechen als Schiiler der 

5. Legende und Wirklichkeit. Es Orientalen hinzustellen (iiber die legendarische 

ware moglich, daB diesen Erzahlungen doch histo- Erklarung der Reisen des H. s. u. S. 1303, 10), 

rische Ereignisse zugrunde lagen. Ist die Heroi- Die legendarischen Nachrichten iiber H. sind nicht 

sierung des H. auch spate Verehrung und die mehr als Legende. 

Verwandlung des Arztes in einen Weisen eine 6. Ursprung und Entstehungs- 

Fabel (s. u. S. 1301), so konnte H. wirkiicih fiir zeit der Legende. Man kann nur fragen, 

Athen und fiir Griechenland eingetreten sein und in welchem Kreis und in welcher Zeit die H.- 



1301 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1302 

Legende entstanden ist. Im allgemeinen wird der Philhellenen H. entstanden sein, als die Menschen 

Ursprung der Urkunden auf 300 v. Chr. gesetzt von Alexandria losgelost, an Rom noch nicht ge- 

(1. M a r c k s Symbola crit. ad epistologr. graecos bunden, f iir Athen, fiir Griechenland und damit 

30. H e r z g Koische Forsch. 215, der den km- gegen deren Feinde, die Barbaren, empfanden. 

^cbfxiog jetzt in tJbereinstimmung mit Mewaldt Im Anfang des 2. Jhdts. v, Chr. formt sich 

ins 3. Jhdt. setzt, Quell. Stud. z. Gesch. d. Med. auch in Griechenland selbst die ,Spatgestalt des 

III 264; als altesten Bestandteil der Pseudepi- tugendhaften Panhellenen* (Burckhardt Gr. 

grapha bezeichnet sie D i e 1 s Herm. LIII 84). Kulturgesch. IV 525, 369), die der Gestalt des H. 

Die Brief e gelten als im 1. Jhdt. n. Chr. entstan- in der Legende entspricht. Wesentlich ist fur die 
den (Marcks30. Herzog Quell, u. Stud. 30; IQ Menschen dieses Typus der Stolz darauf, dafi sie 

Koische Forsch. 215. Pohlenz Herm. LII 348ff . Griechen sind, die Sorge um ganz Griechenland. 

D i e 1 s 84), sie sind aber auch auf die Zeit zwi- Angstlich lehnen sie jeden nicht rechtmaBig er- 

schen 130 und 80 datiert worden (v. Wilamo- worbenen Besitz ab, denn nur dem Barbaren ist 

witz Die Ilias u. Homer 416, allerdings ohne fiir Geld alles fell. So will H. auch darum nicht 

weitere Begriindung. Herzog Quell, u. Stud. zum GroBkonig gehen, weil es Unrecht sei, von 

264, 3 setzt sie ins 1. Jhdt. v. Chr. oder n. Chr.; uberall her Geld zu nehmen (IX 326. 328. 334. 

Philippson Rh. Mus. LXXVII 322ff. die 344 L.). Die Liebe der Menschen zur Vaterstadt, 

Demokrit-Briefe ins 1. Jhdt. v. Chr.). Alle diese zu Griechenland bedingt den Gegensatz zu den 

Ansatze gehen aber nur auf die Abfassungszeit Fremden, zu den Barbaren. Darum tritt H. fiir 
der erhaltenen Urkunden und Briefe. Doch mufi 20 seine Vaterstadt ein. Darum geht er nicht zum 

man zwischen der Entstehungszeit der Legende Perserkonig, will lUyrier und Paionier nicht 

und der Zeit ihrer Aufzeichnung unterscheiden heilen. Die AuBerung Catos, die Griechen batten 

(Herzog allein hat bei der Datierung der Ur- geschworen, als Arzte die Romer zu toten, zeigt 

kunden auch nach der Geschichte des Motivs ge- die politische Auswirkung jener Tendenzen, viel- 

fragt [215ff.]). leicht geht sie wirklich schon auf die H.-Legende 

DaB die H.-Legende von Kos ausgeht, ist na- zuriick (wie Plut. Cato 23 meint). Athen ist da- 

tiirlich und noch deutlich erkennbar. Die Nach- mals wieder die geistige Vormacht Griechenlands. 

richten der Urkunden und der Briefe zeigen Darum kann es H. im Namen von ganz Griechen- 

Kenntnis der Landschaft und der Geschichte von land ehren. Die koische Legende vom Patrioten 
Kos (vgl. Herzog a. 0.). Durch die Erzahlung 30 H. entspricht dem allgemeinen griechischen Emp- 

von der Rettung der Vaterstadt, durch die Ver- finden jener Zeit. 

bindung koischer und athenisch-griechischer Ge- Nur in der patriotischen Auffassung des H. 

schichte (in der Rede des Thessalos), durch die ist die Legende einheitlich. Seine Beziehung zu 

Weigerung der Koer, H. dem GroBkonig auszu- Asklepios und zur Priestermedizin sieht sie ver- 

liefern (Ep. IX), wird H. fiir Kos in Anspruch schieden, wenn auch H. immer als Abkommling 

genommen. Der Heros H. (Ps.-Soran 175, 14f.) des Asklepios bezeichnet wird. Der Heros H. ist 

ist von alien Koern verehrt worden, die Geschichte ein Diener des Asklepios wie Triptolemos ein 

vom Weisen H. doch auch fiir Kos, seine Heimat, Diener der Demeter. Er ist von den Athenern 

riihmlich. in die Mysterien der Demeter eingeweiht wie He- 

In dieser koischen Legende aber erscheint H. 40 rakles und Asklepios (IX 312 — 314 L.; vgl. Soran 

immer als Freund der Griechen, als Gegner der 177, 1). Auch der Weise H. steht zu Asklepios 

Barbaren (selbst in den Demokrit-Briefen IX in Beziehung, der Gott erscheint ihm im Traum 

328 L; allein der kmPwfAiog spricht davon nicht, (340 — 342). Dagegen sind in den Urkunden die 

s. 0. S. 1294, 13). Die Stadt Kos, 356 v. Chr. durch Asklepiaden, die Vorfahren des H. ein vornehmes 

Synoikismos gegriindet, steht in hellenistischer Adelsgeschlecht. Der Gott, dem H. opfert, ist 

Zeit unter der Herrschaft der Ptolemaier, sie ist dort ApoUon (420, der auch als Gott der Medizin 

eng mit Alexandria verbunden, wo um die Mitte bezeichnet wird [400] ; in den Demokrit-Briefen 

des 3. Jhdts. in tJbereinstimmung mit der offi- ist er zwar der Vater der Medizin und der Man- 

ziellen Politik die Lehre von der Gleichheit der tik [342], aber Asklepios ist der eigentliche 
Griechen und Barbaren im Vordergrund steht 50 Fiihrer des H.). H. wird von den Athenern in die 

(Eratosth. bei Strab. 67; aibgesehen von den poli- Mysterien eingeweiht wieHerakles, von Asklepios 

tischen Beziehungen ist zwischen Kos und Ale- ist dabei wie auch sonst in den Urkunden keine 

xandria der wissenschaftliche Austausch besonders Rede (402). Er wird auch deshalb geehrt, weil 

stark, vgL Wellmann Herm. XXXV 381, 1. er die Medizin zum allgemeinen Besitz machte, 

Herzog Abh. Akad, BerL 1928, 6, 38). Nach vieleBiicher schrieb undneidlos seinWissen mit- 

dem Ende der ptolemaiischen Herrschaft (190 teilte (400; Soran 177, 3). Der Priester des Askle- 

v. Chr.) wird Kos selbstandig, allerdings in Ab- pios hilft und verteilt wohl die Gaben des Gottes 

hangigkeit von Rom. Wirtschaftlich tritt es mit an Alle, aber er verktindet kaum Allen sein Wissen. 

Athen in Verbindung (die Miinzen zeigen zwischen Erst um 350 v. Chr. wird der Kult des Askle- 
190 und 160 attischen MiinzfuB, wahrend sie unter 60 pios gegriindet (Kos hrsg. v. R. Herzog I, 

der ptolemaiischen Herrschaft nach rhodischem Asklepieion von P. Schazman, Berl. 1932, 72). 

MiinzfuB gepragt waren). Ja es kommt damals Die Arzte erstrebten im 3. Jhdt. v. Chr., in dem 

in Kos zu einer Parteinahme fur Perseus von Ma- erst ein Heiligtum entsteht, eine Zusammenarbeit 

kedonien gegen die Romer; es wird zum Abfall mit den Priestern (Herzog Abh. Akad. Berl. 

von Rom geraten (Polyb. XXX 7, 10, dem dieses 1928, 6, 46ff.), die ihrerseits ein Interesse daran 

Ereignis so wichtig scheint, daB er ausfuhrlich batten, den groBen H. mit ihrem Heiligtum zu 

dariiber spricht). Erst in dieser freiheitlich und verbinden, dessen Geschichte sie dadurch fiber die 

patriotisch gesinnten Zeit wird die Legende vom Zeit der Griindung hinausfiihren konnten. Aber 



1303 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1304 

vor Ende des 3. Jhdts. war das kaum moglich, zugleich sein Patriotismus verurteilt. An die Stelle 

vorher wufite man noch zu gut, wie spat der der Fuhrung durch Asklepios tritt die Fiihmng 

Asklepioskult entstanden war. Diese Verbindnng durch die Wahrheit (IX 340 L.). Die patriotische 

des H. mit der Tempelmedizin spricht sich in der und die religiose Legende sind also vorausgesetzt. 

Erzaihlung aus, er habe von den im Tempelbezirk Die Erzahlung vom Weisen H. ist die spateste 

aufgesteliten Gesehenken gelernt (Strab. 657) oder Umformung der Sage. Am Anfang des 1. Jhdts. 

er sei gefiohen, nachdem er sie verbrannt habe v. Chr. spricht man von einer Begegnung des 

(Plin. n. h. XVI 4; wodurch zugleich auch er- Demokrit mit H. und einem Eintreten des H. Mr 

klart war, warum es keine alten Weihgeschenke Demokrit (Philo de prov. 2, 13. D i e 1 s Vors. 

mehr gab). Jedenfalls ist diese Auffassung spater iq 45 A 14, vgl. Philippson Rh. Mus. LXXVII 

so fest geworden, daB die Reisen des H. in den 322ff.; Athenodor, der Stoiker, hat nach Phi- 

Biographien so erklart werden, wenn auch in der 1 i p p s o n Geschichten von H. und Demokrit er- 

Form einer Umdeutung ins Wissenschaftliche (s. zahlt, s. o. Suppl.-Bd. V S. 53). Schon damals 

0. S. 1294, 50). Der immer wiederkehrende Hinweis kann man auch von der Behandlung des kranken 

darauf, H. habe seine Kunst neidlos jeden ge- Demokrit durch H. berichtet haben. Doch schei- 

lehrt, ist der Widerstreit der historischen Erinne- nen die Briefe urspriinglich dargetan zu haben, 

rung gegen die priesterliche Auffassung von H.; wie die Abderiten durch H. die Krankheit des 

H. wird zum Gegenbeispiel der Priestermedizin. Demokrit verstehen lernten und mit ihm ver- 

Aber H. als Stadtheros zu verehren, ihn mit sohnt wurden. So soil auch Melissos, der Lehrer 

Triptolemos, Asklepios mit Demeter zu verglei- 20 des H., Heraklit mit den Ephesiern versohnt 

chen, ist kaum vor der Mitte des 2. Jhdts. V. Chr. haben (Diels Vors. 20 A 1). Nur so trat die 

moglich. Denn erst nachdem Kos 160 v. Chr. tJberlegenheit des H. hervor, die doch der eigent- 

jede Selbstandigkeit verier und voUkommen von liche Sinn der Erzahlung sein mufi. Dafi H. von 

Rom abhangig wurde, wird die Bedeutung des Demokrit widerlegt wird, also weniger weiB als 

Asklepieions auch politisch wichtig. Erst zwischen er, ist kaum ein Thema, tiber das man Briefe des 

160 und 80 zeigen die Miinzen das Bildnis des H. erfindet. So nimmt H. zuerst auch an, Demo- 

Asklepios, bis dahin wurden allein die alten krit sei gesund, er will nur hinfahren, um sein 

Phylengotter Demeter, Herakles und ApoUon ge- Urteil bestatigt zu sehen und den Abderiten zu 

pragt (Herzog Abh. Akad. Berl. 1928, 3, 47); helfen, die ihn darum bitten. Er sieht in der 
Asklepios stand diesen Gottern nach. Die Heroi- 30 Krankheit des Demokrit nichts anderes als die 

sierungslegende ist also spater als die politische gewohnliche Haltung des Genies (IX 334 L.). Aui 

Legende, in der ja auch von Asklepios nicht ge- einmal kommt er auf den Gedanken, Demokrit 

redet wird und nur Herakles und ApoUon genannt zu bekehren, well er eine falsche Ansicht vom 

werden. Die Briefe zeigen noch, wie sich die Ge- Leben habe, also wenn nicht krank, so doch im 

schichte vom Heros H. in die urspriingliche Form Irrtum befangen sei (336 — 338), und wird dann 

einftigt, denn zuerst bittet der GroBkonig den von dem iiberlegenen Demokrit widerlegt. So 

Paitos, ihm jemanden zu schicken, der die un- schiebt sich das Thema der Bekehrung des H. in 

heimliche Krankheit abwehren kann, welche das die Darstellung seiner Hilfe fiir Demokrit, seiner 

Heer befallen hat. Paitos empfiehlt ihm den Heros richtigen Beurteilung der Dinge ein; andere er- 
H. (IX 312 — 314 L.). Dann aber beauftragt der 40 zahlen, H. habe Demokrit zuerst fiir wahnsinnig 

Konig den Hystanes, H. wie andere tiichtige Man- gehalten, dann bewundert (Ailian. IV 20). 

ner aus Europa fiir ihn anzuwerben, weil es nicht Die H.-Legende entsteht also ihrem Inhalt 

leicht sei. Manner zu finden, die raten konnen nach im 2. Jhdt. v. Chr., sie wandelt sich gegen 

(316). Vom Heros H. wird ebensowenig mehr Ende des 2. Jhdts. und im Anfang des 1. Jhdts. 

gesprochen wie von einer bestimmten Krankheit, Hire Aufzeichnung kann nicht auf e i n e n Men- 

gegen die er helfen soUte. H. lehnt auch die Auf- schen zurtickgehen, die Widerspriiche der Erzah- 

forderung des Artaxerxes mit einer allgemeinen lung in Urkunden und Brief en sind zu gro6. 

Begrundung ab, die dem Priester des Asklepios Weder sind die Urkunden ein einheitliches Werk 

nicht anstehen wiirde (316). Offenbar erzahlte man (Herzog Koische Forscji. 217), noch die Briefe 
die patriotische Legende spater in einer heroisie- 50 (die nur Herzog 21 v auf Grund der von 

renden Fassung (liber die Ausgleichung beider M a r c k s Symbola critica 31 und Ermerins 

Versionen in einem Zusammenhang, die auch sonst Hippocrates III. Prolog. LXXXI beobachteten sti- 

bei den Briefengewohnlich ist, s. U.S. 1304,58). Die listischen Verschiedenheit verschiedenen Verfas- 

Erzahlung vom Heros H. wird gegen Ende des sern zuschrieb). Gar fiir beide an einen Verfasser 

2, Jhdts. entstanden sein. (Damit ist auch das zu denken (D i e 1 s Herm. LIII 84), ist unmoglich. 

Werk des Soran von Kos datiert, der bei Ps.- Die Legende wurde in den verschiedensten Fas- 

Soran als Gewahrsmann der heroischen Auffas- sungen erzahlt und ist auch in den verschieden- 

sung des H. zitiert wird, s. o. S. 1294, 46, und zu- sten Fassungen erhalten, die Briefe schon in einer 

gleich die Zuverlassigkeit seiner Angaben cha- Form, die das Widerstrebende auszugleichen sucht, 
rakterisiert). 60 Rezensionen der Briefe sind ja fiir das 1. Jhdt. 

Die Belehrung, die dem H. durch Demokrit n. Chr. bereits durch Papyrusfunde gesichert 

zuteil wird, ist kynische Erkenntnis, wie sie sich (Pohlenz Herm. LII 350ff.; vielleicht standen 

im 1. Jhdt. V. Chr. allgemein i&ndet (Nor den. sie urspriinglich mit Zwischentexten in einer Bio- 

Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 378ff.). Friiher war graphic, Regenb ogen bei Diels 77, 1). Auf- 

H. voll menschlicher Anteilnahme an der Welt, gezeichnet wurden die Urkunden dann wahr- 

seine Weisheit bestand darin, sich, wie es Pan- scheinlich am Anfang des 2. Jhdts., die Briefe 

aitios und Poseidonios lehrten, von ihr nicht aus- etwa zwischen 130 und 80 (die Ansetzung von 

zuschlieBen. Jetzt wird er widerlegt und damit v, Wilamowitz bestatigt sich, s. o. S. 1301, 12). 



1305 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1306 

Die friihere Datierung der Urkunden ist nicht Schlafenhohe abwarts noch von diinnem, kurzem 

beweisbar, sie lassen sich erst bei Erotian nach- Haar bedeckt. Das Gesicht durchfurcht, und von 

weisen, also im 1. Jhdt. n. Chr. Daraus zu ernstem, fast traurigem, doch mildem Ausdruck; 

schliefien, daB sie etwa schon im Katalog der die Augen tief gebettet, und von Runzeln um- 

Alexandriner oder in der alexandrinischen Biblio- geben. Der Bart nicht sehr lang in ungleichmaBig 

thek gewesen waren (H e r z o g Quell, u. Stud. verteilten Locken Wangen und Kinn begrenzend' 

264, B; Koische Forsch. 215, ubrigens werden (168). 2. Der Kopf Villa Albani nr. 1036, ohne 

nur em§(x>iA,iog und nQEO^evxiKog erwahnt), ist Replik, nach Bernoulli ,viel energischerer 

grundlos (iiber die Hippokratischen Schriften in Ausdruck, trotz der Kahlheit nichts eigentlich 
Alexandria s. u. S. 1309, 19). Die Datierung der 10 Greisenhaftes. Die Hauptmerkmale sind eine 

Brief e erst auf das 1. Jhdt. n. Chr., die von der B:e- breite, machtige Stirn, tiefliegende Augen unter 

stimmung der in den Briefen genannten Adressaten ziemlich gerade gezogenen Brauen, ein geoffneter 

ausgeht, ist auch nicht zwingend. Namen wie Mund, in dem die obere Zahnreihe sichtbar, ein 

Paitos oder Dionys, die haufig vorkommen, lassen voUer, iiber dem Kinn vorgewolbter, in maBig 

sich uberhaupt nicht mit Sicherheit identifizieren lange Strange gegliederter Bart mit rundlichern 

(Pohlenz 333). Die Anrede an Krateuas (IX AbschluB' (171). 

342 L.), der nicht geringer sein soil, als sein Vor- Der erste Typ ist ein pragnantes Beispiel der 

f ahr, der Arzt zur Zeit des Mithridates, setzt realistischen Behandlungsweise, die erst am Ende 

diesen Brief zwar in die Zeit des Augustus, doch des 4. Jhdts. aufkam. Das Bildnis des bertihmten 
ist eine Ubertragung dieser Datierung auf alle 20 Arztes ist also erst in hellenistischer Zeit ge- 

Briefe, wie man sie vornimmt (vgl. Pohlenz schaffen, wie sich auch das biographische Mate- 

353, 2) unmoglich, da ja verschiedene Rezensio- rial nicht iiber den Hellenismus zuriick verfolgen 

nen der Brief sammlung feststehen, dieser eine laBt (mit Bernoulli 170, 1. 167 die Identi- 

Brief also spater eingefiigt sein kann. Gerade fikation abzulehnen, well das Bild so spat ist, 

der Krateuas-Brief hat urspriinglich kaum etwas besteht darum kein Grund). 

mit den anderen Briefen zu tun. Denn H. glaubt Der zweite Typ wiirde vielleicht auch tJber- 

ja gar nicht an die Krankheit des Demokrit, er einstimmungen mit den Munzen auf weisen, doch 

hat es darum auch nicht notig, sich Krauter fiir sind keine Repliken erhalten. Es konnte sich um 

dessen Heilung schicken zu lassen. Offenbar ist der zufallige Ahnlichkeit handeln, der Physiognomie 
Brief eingefiigt, um einen Arzt mit Namen Krateuas 30 wird so eine besondere Beweiskraft zugemutet; 

zu ehren. Man kann also die Brief e so friih an- darum ist die Identifikation unmoglich (B e r - 

setzen, daB auch das Vorhandensein von Rezen- noulli 172f.). Jedenfalls ist auch dieser Kopf 

sionen schon im 1. Jhdt. n. Chr. verstandlich wird. eine Idealbildung des 4. Jhdts., schon durch den 

(Zu Verschiedenheiten der Briefe im einzelnen Realismus der voralexandrinischen Zeit beein- 

vgl. die angefiihrten Arbeiten; den 19. Brief er- fiuBt, kein Portrat. 

weist als spate Falschung D i 1 1 e r Quell, u. Stud. Eine auf Kos gef undone Statue attischer Rich- 

z. Gesch. d. Naturwiss. Ill 243fE. Merkwiirdig tung aus der ersten Halfte des 4. Jhdts., Praxi- 

ist, daB H. am Ende des 17. Brief es eine weitere teles nahesteihend, bezeichn^t man als H. (Lau- 

Unterhaltung mit Demokrit verabredet [IX 380 L.J, renzi Clara Rhodes V 2, Sculture di Coo 1932, 
statt dessen aber ein Brief wechsel zwischen H. 40 69ff.). Aber das Miinzmaterial gibt dafiir keinen 

und Demokrit folgt, der aus den Werken kom- Anhalt. Es handelt sich nur um eine in Kos 

piliert ist.) unter dem Volk entstandene willkiirliche Benen- 

Die H.-Legende ist nichts als Legende. Sie nung. So kann man iiber das Aussehen des H. 

zeigt, daB H. im 2. Jhdt., in dem sie entstand, nichts weiter sagen. (Der Arzt Antigonos besaB 

sehr beriihmt war. tJber den historischen H. lehrt eine eherne Statue des H., eine EUe lang, die er 

sie nichts. als Heros verehrte, Lucian. Philopseudes 21 ; ihre 

7. Das Bild des H. Wie H. aussah, laBt niihere Beschreibung fehlt.) 

sich nicht sagen, obwohl Bilder von ihm er- Alle Biographien berichten aber, daB H. auf 

halten sind. Denn erst vier koische Miinzen den Bildern mit iiber den Kopf gezogenem Ge- 
spater Zeit stellen ihn mit inschriftlicher Bezeu- 50 wand dargestellt worden sei (s. o. S. 1292, 42; nur 

gung dar: 1. Biirchner Ztschr. f. Num. IX Soran spricht auch von einer Bedeckung mit dem 

Taf. IV 24 S. 125; vgl. Osk. Bernhard Gr. u. Piles). Man wird nicht annehmen, er sei wirk- 

Rom. Miinzbilder in ihren Beziehungen z. Gesch. lich so gegangen, wie die Biographien es tun, in- 

d. Med. 1926, Abb. 205 p. 68. 2. Bernoulli dem sie zur Begrundung dieser Darstellung 

Gr. Ikonographiei, Miinztf. IT 8. 8. Catal. of Gr. Lebensgewohnheiten oder Eigentiimlichkeiten des 

Coins of Caria, Cos usw., 1897, PL XXXIII 7 H. anfiihren (Tzetz. 980ff. Brusseler Vita 23ff. 

p. 216. 4. Bernhard Abb. 206, sitzend in Soran 177, 12ff. Suidas 662,^ 191). Es scheint 

ganzer Figur; vgl. dazu Biirchner 126. B e r- vielmehr einen ganz anderen Sinn zu haben. Denn 

noulli beschreibt die Miinzen so (165): ,Der auBer H. wird auch Triptolemos, dem die heroi- 
Kopf ist der eines Greises mit hoher kahler Stirn 60 sierende Legende den H. gleichstellt, mit einem 

(und kahlem Scheitel, Biirchner), ziemlich Himation iiber dem Kopf abgebildet (Tarentiner 

dicker Nase und maBig langem Bart.' TJnterweltsvase, Furtw. -Reich h. I Taf. X; 

Nach diesen Munzen hat man zwei Typen von vgl. Roscher Myth, Lex. V 1142) und ebenso 

Busten als H. bezeichnet: 1. der Kopf Galleria Asklepios selbst (Erlangen, Photographie des 

Geographica Vaticana nr. 113 und seine sechs Dtsch. Archaolog. Instituts Rom; Ny Carlsberg, 

Repliken; vgL Bernoulli (167ff.), der sagt: pi. 8 (97); Coll. Jameson Paris, Exposition Sam- 

,Schoner Greisenkopf von schmaler gerundeter Jbon, pi. XIV 60; Utrecht, Esperandieu Recueil 

Schadelform, mit kahlem Scheitel, nur von der 6675; vgl. dazu Pans. II 11, 6. v. Wilaino- 



1307 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1808 

witz Glaube d. Hellenen II 505, 1; Weber Etwa 130 Schriften sind in den Manuskripten 

Philol. 1932, 409. Asklepios tragt audi einen als Hippokratisch erhalten, darunter viele spate 

Pilos: Carthage, Fouilles Sainte Marie. Rei- Falschungen (Brief e an Galen, D i e 1 s Handschr, 

nach Statuaire II 36. Telesplioros [Bd. VA d. alten Arzte I 47; das Testament 39), manche 

S. 387], gewohnlich mit einer Kapuze dargestellt, nur lateinisch, denen iiberhaupt kein griechisches 

tragt einmal auch ein Himation tiber dem Kopf, Original zugrunde liegt (50ff.). Die guten grie- 

Anc. coll. Bludoff, Annali. 1864, pi, G., p. 108). Die chischen Hss. haben etwa 60 Biicher, ebensoviel 

Darstellung des H., von der die Biographien be- bezeichnet man gewohnlich als Corpus Hippocra- 

richten, wird also damit im Zusammenhang stehen. ticum (diese Werke enthalt auch die Littr6'sche 

Schon die Triptolemosfigur weist auf den Kreis 10 Ausgabe, ihrer Anordnung folgt D i e 1 s im Kata- 

der eleusinischen Mysterien. Die Verhiillung ist log der Hss., der zugleich einen Index der Biicher 

das Kennzeichen des Mysten (Dieterich Kl. enthalt [152]). Es fragt sich, welche Biicher etwa 

Schr. 117). Wenn sich in Gruppendarstellungen nach der Tradition eher als andere den Namen 

auch meist eine vollkommene Verhiillung des des H. zu Recht tragen. Sie konnte man als echt 

Kopf es iindet, so erklart sich bei einzelnen Figu- herausnehmen und bei der Untersuchung uber die 

ren schon genugsam aus ktinstlerischen Grtinden, Hippokratische Lehre zugrunde legen. 

daB der Kopf nicht ganz verhiillt wird (Brings- 1. Zahl der echten Schriften. Flir 

h e i m Archaol. Beitr. z. Gesch. d. Eleus. Kultes, die Echtheit einer dieser Schriften waren Zeug- 

Bonn 1905, 38, der die Terrakotte eines Knaben nisse der Zeitgenossen des H. oder der auf ihn 
und eine andere Figur [34] so erklart; auch Tri- 20 folgenden Generation am wichtigsten. Aber vor 

ptolemos wird ja nur mit deih Gewand iiber dem Alexandria fehlt jede sichere Angabe dariiber. 

Hinterkopf dargestellt). Es ist also auf H. wie Zwischen den Platonischen und Aristotelischen 

auf Asklepios die Tracht des eleusinischen Mysten Schriften und Biichern der Hippokratischen Samm- 

tibertragen worden. H. war ja auch nach der Le- lung finden sich zwar inhaltliche tPbereinstim- 

gende in die eleusinischen Mysterien eingeweiht mungen (Poschenrieder Die platon. Dial, 

worden. in ihrem Verhaltnis zu den H.schen Schriften, 

Dargestellt wurde H. sowohl auf den Bildern, Landshut 1882; Die naturwiss. Schriften des Ari- 

die man ihm als Heilheroen in Kos weihte (vgl. stot. in ihrem Verb. z. d. Biichern d. H.schen 

tiber solche Votivtafeln im koischen Asklepieion Sammlung, Bamberg 1887). Aber darum ist noch 
Herond. IV 19 — 20, dazu Wiin sch Arch. f. Rel. 30 nicht sicher, daB Platon und Aristoteles ihre An- 

VII 107, man pflegte den helfenden Gott selbst schauungen aus diesen Werken des C. H. genom- 

abzubilden. Soran redet von sixovsg 177, 10; men haben. KeinesfaUs steht fest, daB sie diese 

ebenso Suid. 662, 18; Tzetz. 978: e^myQacpsixo), Schriften als Hippokratisch kannten. Darauf aber 

Der Zusammenhang zwischen Asklepios, Demeter kame alles an; doch lieBe sich das nur durch ein 

und damit den eleusinischen Mysterien ist gerade wortliches Zitat mit dem Namen des Autors be- 

ftir Kos in spater Zeit durch die H.-Legende weisen, das eben fehlt. Das gleiche gilt fiir alle 

sicher (s. o.S. 1302, 38), vielleicht wurde er starker Versuche, aus inhaltlichen tJbereinstimmungen 

betont dadurch, daB schon der erste Ptolemaer einiger Autoren des 5./4. Jhdts. mit Hippokrati- 

die eleusinischen Mysterien in Alexandria begiin- schen Schriften deren Echtheit zu erschlieBen 
stigte (Tac. hist. IV 83), die nach Vasenbildern 40 (tiber die Bedeutung solcher Obereinstimmungen 

dort tiberhaupt alt sind (Bring sheim 12)*). Mr andere Fragen s. u. S. 1328). 

Welche Stellung H. als Heros, dem dann alle Ktesias und Diokles zitieren nach der Dber- 

Koer opfern (Soran svaylCeiv 175, 14), im Kreise lieferung H. Ktesias tadelt ihn wegen einer Ope- 

der dem Asklepios beigegebenen Gottheiten ein- rationsmethode (Galen. XVIII A 731 K.), Diokles 

nahm, ist unklar (vgl. W e b e r 409 tiber Identi- bekampft eine Fiebertheorie des H. (frg. 97; 

fikation koischer Heroen mit thessalischen). Die Gal. XVII A 222 K.). Ob wirklich beide den 

Darstellung auf Votivtafeln war notwendig auf Namen des H. nannten oder ob spater ihre AuBe- 

einen bestimmten Kreis beschrankt und muBte rung als Polemik gegen H. verstanden und sein 

nach der Art ihres Materials verloren gehen. Name eingesetzt wurde, ist unsicher. (Fur die 

II. D i e S c h r i f t e n. 50 Authentizitat der Zitate entscheidet sich H. 
1. Zahl der echten Schriften. 2. Sammlungen und Sch one Dtsche med. Wochenschr. 1909, 466, 
Ausgaben der Schriften; Geschichte des Textes. gegen sie Diels -S.-Ber. Akad. Berl. 1910, 1140ff. 
3. Echtheitskritik, Kommentare, Glossare. Edelsteinl39, 1 und D i 1 1 e r Gnom. IX 77, 1 
halten die Frage fiir unentscheidbar.) Jedenfalls 

*) Dieser Zusammenhang des Asklepios mit wurde aus den Worten des Ktesias nicht folgen, 

Demeter und den eleusinischen Mysterien, dessen daB die Schrift ^m;. uq'&qcov, in der die von ihm 

Vorkommen in der H.-Legende schon in verhaltnis- getadelte Operationsmethode empfohlen wird, 

maBig fruher Zeit von P o u c a r t 322 nicht er- nach seiner Meinung echt sei. Noch viele andere 

wahnt wird, erklart vielleicht die fiir Asklepios Arzte auBer H. konnten die von Ktesias ange- 
charakteristische Darstellung mit einer Binde. 60 griffene Behandlungsart anwenden; ob nicht einer 

Denn diese ist das Zeichen des Priesters, der das von ihnen die Schrift verfaBte, kann man nicht 

ihm anvertraute Mysterium weitertradieren darf wissen. (Auch Deichgraber 161f., der die 

(vgl. Foucart 1761). Mit iiber die Schultern Echtheit der Namensnennung aufs neue vertei- 

herabfallender Priesterbinde sind auch Asklepios- digt, f olgert im Gegensatz zu S c h o n e 466 aus 

darstellungen erhalten (Coll. Pamphili, nr. 55 B; ihr nicht mehr die Zuschreibung eines Buches 

man sagte, Asklepios ist ein Gott geworden, seit an H.). Ebensowenig kann nach Diokles ein Buch 

er in die eleusinischen Mysterien eingeweiht der Sammlung als Hippokratisch gelten, in dem 

worden ist, Philostr. vit. ApoU. IV 17). sich die von ihm widerlegte Hippokratische Fie- 



1309 NacMrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1310 

bertheorie findet. Solche Einzelheiten lassen sich scheint ein jxingerer Zeitgenosse des Herophilos. 

im Zusammenhang mit den verschiedensten medi- gewesen zu sein (s, o. Bd. VI S. 544). 

zinischen Systemen denken (Deichgraber Wieviel Schxiften dem Bakcheios und Eupho- 

160, 2 betrachtet iibrigens mit Recht Diokles rion als Hippokratisch vorgelegen haben, ist un- 

frg. 34, wo auch H. genannt wird, als unecht, da sicher. Hire Werke sind nicht erhalten, die Frag- 

sich in ihm die fur Diokles charakteristische Hiat- mente lassen sich nicht immer eindeutig auf be- 

beachtung, vgl. M a a s bei Deichgraber Empi- stimmte Schriften des H. zuriickfiihren. Yielleicht 

rikerschule 274, 3, nicht findet. Ebenso halt er sind es etwa 20 Blicher gewesen (vgl. Well- 

andere Nennungen des H. in Dioklesfragmenten m a n n H.-Glossare, Quell. Stud. z. Gesch. d. Na- 
nicht fiir sicher. Das macht die Auffassung der 10 turw. II. Johns Einl. z. H.-Ausg. XXXVIII/IX,. 

Echtheit des Zitates in frg. 97 und bei Ktesias fiir Bakcheios auch Deichgraber 146, 1). Bis 

nicht wahrscheinlicher). Jeder Versuch, gar eine zum 1. Jhdt. n. Chr. laBt sich tiber den Umfang 

Liste der dem Diokles bekannten Hippokratischen des fiir echt gehaltenen Hippokratischen Werke& 

Schriften auf zustellen (Wellmann Fragm. s. iiberhaupt nicht mit Bestimmtheit urteilen. Denn 

sizil. Arzte 5 Iff. und Art. Diokles Bd. V erst bei Erotian findet sich eine Liste der Hippo- 

S. 812), der sich wieder nur auf inhaltliche In- kratischen Schriften. Es sind 29Titel oder 38Bii- 

dizien stiitzt, scheitert aus den gleichen Griinden cher, die er heranzieht (mit den nicht-medizini- 

wie bei Platon und Aristoteles. schen Schriften jiQeo^evxiKog, sm^cof^iog 31 Titel 

Vor Alexandria findet sich also kein sicheres oder 40 Biicher). Diese Unterscheidung von Titeln 
Zeugnis iiber die Hippokratischen Schriften. Gegen 20 und Biichern ist fiir den Vergleich der an den 

Ende des 3. Jhdts. aber gelten schon einige Werke, verschiedenen Stellen gegebenen Zahlen wichtig. 

die als Hippokratisch erhalten sind, fiir Biicher Die 7 Epidemienbiicher etwa konnen als 1 Titel 

des H., wie die erhaltenen Glossierungen des oder als 7 Bucher gezahlt werden, je nachdem, 

Bakcheios von Tanagra und des Euphorion lehren. welches System der Zahlung bef olgt wird. Die 

Weiter laBt sich das Hippokratische Werk nicht von Erotian genannten Biicher sind bis auf eines- 

verfolgen. Wenn wirklich Herophilos am Anfang erhalten (tisqI fielcbv hoI tQav/xdrcov 9, 13, die 

des 3. Jhdts. gegen das Hippokratische Progno- Schrift tisqI vSdxoyv ist nicht identifizierbar, vgl. 

stikon schrieb (Wellmann Herm. LXIV 17, E dels t ein 29, 1, dagegen Deichgraber 

derzugleichdieAnnahmeeinerKommentierungdes 115, 1; Diller Philol. Suppl. XXIII 3, 176). 
H. durch Herophilos selbst in tJbereinstimmung 30 Aber Erotian kennt mehr Schriften als er angibt 

mit Klein und 1 1 b e r g widerlegt, da sie sich unter dem Namen des H., die von ihm auf- 

nur auf zwei falsch iiberlief erte Galenstellen gezahlten sind nur die nach seiner Meinung sicher 

XVIII A 186. XIX 65 K. stiitzt), so ist es nicht echten Werke (9, 1. 22). 

das als Hippokratisch erhaltene JPrognostikon ge- Die Brtisseler Vita, im 5. Jhdt. n. Chr., gibt 

wesen. Denn die Stelle, die Herophilos in jenem dann 53 Biicher (etwa 46 Titel, die Zurechnung 

Buche erklarte, steht nicht im iiberlieferten Text. ist aber nicht sicher, vgl. S c h o n e Rh. Mus. 

Sie kann schon darum unmoglich erganzt werden, LVIII 63ff.). Suidas sagt: at fxsv ovv yQacpsioat 

weil die in ihr bekampfte Ansicht mit den iibrigen §ipXot . . . nlriv rcov iv TZQcoroig Kai rjixeig djioiJLvri- 

Ausfiihrungen der Schrift gar keinen Zusammen- [xovevcofxsv. tiqcott] fj^sv ovv §i§Xog rj x6v oqhov 
hang hat (gegen Wellmann 17. Regen-40 Tiegiexovoa, demeQov rj tag nQoyvwoeig 8fA.q?aLvovoa, 

b g e li Quell. Stud. z. Gesch. d. Math., Abt. B XQitrj ds ri rcbv dq>0Qiafj,cdv, reraQzrjv rd^iv kx,£'i:o> 

1930, 132, 1). Vielleicht schrieb auch Herophilos rj noXv&Qvllrjxog xal TtoXv&avfAaorog "E^rjKovtd- 

gar kein Buch gegen H.; denn Galen sagt ein- /^«/5Ao^ (662, 30ff.). Er nennt also 63 Schriften, wie- 

mal: bio nal xd Kanwg vno 'HQocpilov ysyQafyifA,sva viel Titel und Biicher, bleibt ungewifi. Jedenfalls 

TiQog xdg InnoHQdxovg nQoyvwosig dv8paXX6[jLr}v muB die s^rjHovxdpipXog nach dem, was Suidas 

imotisipao'd'ai (CMG V 9, 2, 270, 23) und dann sagt, ein Teil des Hippokratischen Werkes sein,. 

e^sxdoai ds avd'ig sm oxoXrjg nletovog ev ixs^q nicht etwa das ganze umfassen. Denn er stellt ja 

jiQay/jiaxsiq xal diaoKsipao'&ai nsQi xcbv vno 'Hqo- die drei Schriften, die er zuerst nennt, nicht als 

(plXov TiQog xo nQoyva)oxiK6v rov 'InnoKodxovg dvx- Teil dem Ganzen voran, sondern er zahlt die 
siQYj^svwv (a. 0. 205, 6). Man glaubt, mit nQog 50 Schriften auf, die an Wichtigkeit voranstehen. 

xo jiQoyvoiaxiKov InnoKQaxovg sei der Titel des Eine von ihnen ist neben den Aphorismen, Pro- 

Herophileischen Buches gegeben. Nach den vor- gnosen und dem Eid die e^rjxovxdpi^Xog. Es kann 

hergehenden Worten konnte der Titel aber auch aufierdem noch andere Werke des H. geben. 

TtQog xdg iTznoKQdxovg nQoyvcbosig lauten. Mog- SchlieBlich nennen die in Hss. erhaltenen Indices 

licherweise ist in beiden Fallen gar nicht der wieder andere Zahlen: V 62 Titel und 74 Biicher, 

Buchtitel genannt, sondern Galen meint nur, er aber M 47 und 60, R 45 und 58 (vgl. CMG I U 

woUe einmal priifen, was Herophilos gegen Pro- 1 — 3; gegen lib erg Proleg. z. Ausg. XIX. XX 

gnosen des H. falsch geschrieben habe oder worin und E d e 1 s t e i n 146, die die Scheidung zwi- 

er anders als das Prognostikon urteile. So bestritt schen Titel und Biichern nicht beachten), 
Herophilos ja auch Diokles (vgl. Wellmann 60 2. SammlungenundAusgabender 

18). Er schrieb iiber Prognostik (vgl. den An- Hippokratischen Schriften; Ge- 

fang des Galenkommentars zum Prorrhetikon, der schichte des Textes. Bei diesen Zahlen, 

die versprochene Auseinandersetzung mit Hero- die ein langsames Ansteigen des Umfanges der 

philos gibt CMG V 9, 2. 3) und kann in diesem Schriften seit Erotian zeigen, sind viele Biicher 

Buch sich mit H. auseinandergesetzt haben. Auch mitgerechnet, die nicht erhalten sind (die genaue 

Xenokritos von Kos, den Erotian, der Lexikograph Zusammenstellung s. u. S. 1315). Auch zeigt sich 

des 1. Jhdts. n. Chr., in der tJbersicht iiber seine eine grofie Verschiedenheit in der Bestimmung^ 

Vorganger als altesten Glossator nennt (4, 24), des Hippokratischen Werkes. Denn die Listen,, 



1311 NacMrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1312 

die mehr geben als Erotian, bei dem sich die [s. o.], ist dieser Schlufi unmoglich. Die Eintei- 

erste sichere Zusammenstellung findet, haben nicht lung der Aphorismen, die Soran kennt, beweist 

etwa alle von ihm genannten Werke und differie- ein RoUencorpus Mr ihn ebensowenig wie fiir 

ren audi untereinander. In der Brtisseler Vita Galen und andere, die sie audi haben. Das ist die 

fehlen gegentiber Erotian 8 Titel, also fast ein Einteilung e i n e s Budies). 

Drittel der von ihm genannten Werke, dagegen Denn es findet sidi kein Zitat einer Hippokra- 

finden sich 18 neue. In V stehen 22 Titel, die tischen Schrift mit Buchzahl, wie sie sich etwa 

in R und M fehlen; R und M haben 6 Titel, die von Platonischen Schriften bei Varro findet (1. 1. 

V nicht nennt; 1 Titel, den M und V geben, fehlt VII 37, natiirlich nach viel friiherer Einteilung, 
in R; die Brtisseler Vita nennt 11 Namen, die in iq vgl. v. Wilamowitz Platon II 322) oder von 

den Indices fehlen (s. u. S. 1317, 18). Die Zaihl der alien den Schrift werken, deren Ausgabe und Be- 

Schriften wird also in den verschiedenen Jahr- stimmung zu einem endgiiltigen AbschluB gekom- 

hunderten ganz verschieden angegeben, nicht nur men ist (wie schon v. Wilamowitz bei Fred- 

der Umfang, auch der Inhalt andert sich. Nur rich hervorgehoben hat). Es gab also kein ale- 

ein Teil der Schriften bleibt der gleiche. Vor Ero- xandrinisches Corpus Hippocraticum, keine perga- 

tian und nach ihm werden die meisten der in menische Sammlung, soweit man nach der Form 

seiner Liste angefuhrten Schriften glossiert, aber der Zitate urteilen kann (so selbst Wellmann 8). 

es kommen doch immer neue Werke dazu, es wer- Es miifite ja auch, wenn eine solche Zitierung 

den alte fortgelassen. moglich gewesen sein sollte, im Hellenismus oder 
Es gibt nach Erotian jedenfalls keine feste 20 ^^ spaten Altertum eine Gesamtausgabe der Werke 

Ordnung und Sammlung der Hippokratischen des H. gegeben haben, die von entscheidender Be- 

Schriften. Im spaten Altertum kann also nicht deutung war und eine Einheitlichkeit des Werkes 

nur eine Auswahl Hippokratischer Schriften im schaffen konnte. Aus alexandrinischer Zeit laBt 

Umlauf gewesen sein, sondern es mtissen verschie- sich aber nur eine Ausgabe des 3. Epidemien- 

dene Corpora bestanden haben (so Schone 65). buches nachweisen (Gal. XVIII A 619 K.). Un- 

Zwar zitiert der Vindicianus Hippokratische moglich kann man annehmen, diese Ausgabe habe 

Sckriften mit Buchzahl (vgl. Wellmann Frg. mehr Schriften des H. — etwa alle, die Bakcheios 

d. sizil. Arzte 7: in libro trigesimo octavo, quern fiir echt hielt oder kommentierte — umfaBt (so 

graece n. onxaiiiivov nominani; in libro quadra- zuerst lib erg Rh. Mus. XLV 111, dann S u s e- 
gesimo nono de infantis natura), aber man kannSOniihl I 778. Wellmann Herm. LXIV 17, 

daraus nicht auf eine verbindliche Ausgabe und dagegen Edelstein 151, 1. Diller Gnom. 

Zahlung der Hippokratischen Werke schliefien. IX 76). Denn davon steht bei Galen nichts. Auch 

Sonst sind die verschiedenen Zahlenangaben liber beweisen die Glossare des Bakcheios und Eupho- 

das Werk in jener Zeit unverstandlich. Am ein- rion keine H.-Ausgaben dieser Gelehrten (so jetzt 

fachsten lassen sich die Zitate des Vindicianus Wellmann QueU. Stud. II 2. 8). Dann wtirde 

auf die e^i-jKovxdpiplog beziehen, die Suidas nennt auch aus dem Glossar des Erotian und aus dem 

und die nur ein Teil des Hippokratischen Werkes Lexikon des Galen eine Ausgabe dieser beidenfolgen. 

ist (s. 0. S. 1310, 42). Vielleicht handelt es sich um Vor Artemidoros Kapiton und Dioskurides, 

eine Teilsammlung, die im Zusammenhang mit also vor der Zeit des Hadrian ist keine Edition 
der lateinischen Ubersetzung der Hippokratischen 40 der Hippokratischen Werke bekannt: lA-Qxe^lbo)- 

Schriften gemacht wurde, da sie sich in einer Qog 6 stick Xrj'&elg Kankojv exdoocv sjiotijoaro rcov 

lateinischen tJbersetzung findet, deren Zusammen- InnoKQaxovg ^ifiXlcov . . . evdo^ci/^rjoaoav &07tEQ 

hang mit der lateinischen Briisseler Vita moglich koL rj tov ovyyevovg avrco AiooKovQibrjg (Galen 

ware (vgl. Schone 65). CMG V 9, 1, 19—22; vgl.'l 1 b e r g 111). In dem 

Es gibt nach Erotian keine feste Sammlung Zusammenhang, in dem von ihr die Rede ist, gibt 

der Hippokratischen Schriften. So ist es von vorn- Galen eine Ubersicht iiber das hsl. Material des 

herein nicht wahrscheinlich, dafi es sie vor Ero- H., er nennt auch keine nach anderen Ausgaben 

tian gab. Zwar fehlen genaue Angaben iiber die durchkorrgierten Hss., wie er es etwa bei Platon- 

Zeit bis zum Ende des 3. Jhdts, wo sich zuerst zitaten tut (vgl. A 1 1 i n e Histoire du texte de 
Hippokratische Schriften nachweisen lassen. Aber 50 Platon, Paris 1915, 106 — 112). Es kann also vor- 

schon Erotian wahlt aus, er kennt also mehr her keine Ausgabe gegeben haben, die allgemeine 

Schriften als er in seine Liste aufnimmt (s. o. Geltung hatte. Wenn der Hippokratische Text 

S, 1310, 14) oder andere Sammlungen. Da er die nicht hauptsachlich in Einzel-Hss. fiir den Ge- 

alexandrinische Tradition wiedergibt und die Liste branch zusammengestellt tradiert wurde (s. u. 

der Schriften ebenso iibernommen haben wird wie S. 1332, 41), so waren die Ausgaben, die man nicht 

die Glossierungen, mu6 es schon im Hellenismus mehr kennt, nur unverbindliche, immer verschie- 

verschiedene Corpora Hippocratica gegeben haben. dene Sammlungen. Nicht einmal Artemidoros und 

Das beweisen auch andere Tatsachen. Die Ord- Dioskurides scheinen das ganze Corpus Hippocrar 

nung der Hippokratischen Sammlung war nie fest ticum in dem Sinne ediert zu haben, daB sie alle 
und ihr Umfang nie bestimmt (so v. W i 1 a m o - 60 Schriften, die echten und unechten, herausgaben. 

w i t z behauptend bei Fredrich Philol. Unters. 15, Denn Galen sagt in einer Erorterung dariiber, dafi 

12, 1*). Wellmann 8 widersprach dem zu Hss. und friihe Kommentare in ihren Lesarten 

Unrecht auf Grund der Vindicianuszitate wenig- iibereinstimmten: mots d'avfxdl^siv ovvfjlM (aoi %r}> 

stens fiir die Spatantike; er woUte aus Suidas toli^av rcov x'^^^ ^«^ jiqwtjv td v7co/LivrjfA,ara yga- 

auch schon fiir Soran ein RoUencorpus annehmen. ipdvrcov rj ndvx a>v rcov 'InnoxQdxovg pi^XiGov 

Da aber Soran nicht die Vorlage des Suidas ist iblav sKbooiv uienoirjiJLevcov s^ Sv eialv Kal oi tisqI 

lAQzeiLildcoQov rov eTtwXrjd-evta Kanhcova xal Aioo-^ 

*) Im folgenden zitiert: Fredrich. xovQldfjv noXkd tisqI rag dQxo-to.g yQaq?dg Kaivo- 



1313 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1314 

to[jLrioavt£g (Gal. XVIII 631 K.). Es ist also nur Erklarungen zum ganzen Werk des H. schreibea 

gemeint, die beideh hatten wie Andere von jeder (Gal. XVIII B 631 K. XVI 196 K., vgl. Edel- 

Schrift besondere, von den f ruber en abweichende stein 150), schliefilich den Eklektikern tra- 

Ausgaben gemacht. Wie viele das waren, laBt sicb diert (vgl. M e w a 1 d t 128, eine Ubersicht iiber 

nicht erkennen, es werden wohl nur die ,echten' alle Erklarer bei L i 1 1 r e 1 80 — 132). Auch dieses 

Werke ediert worden sein (uber die Schriften, die Material ist bis auf den Kommentar des ApoUo- 

in diesen Ausgaben nachzuweisen sind, vgl. 1 1 - nios von Kition zu neQi oIqi^qcov verlorengegangen. 

berg 115; zum Ganzen auch D i 1 1 e r Gnom. IX Selbst in den Lexika ist die Echtheitskritik 

75; ahnlich urteilt iiber die Galenstelle Me- vorausgesetzt. Aber Erotian, dessen Werk das 
waldt Herm. XLIV 130, 4). 10 erste erhaltene ist, nennt sie nur, ohne Methode 

DaB es keine grundlegende H.-Ausgabe gab, und Griinde der Kritik darzulegen. Das gale- 

bestatigt' zuletzt die Geschichte des Textes. Die nische Lexikon spricht von echten und unechten 

Glossen, die die alten Erklarer und ihnien folgend Schriften (IX 68 K.), glossierte sie aber unter- 

Erotian paraphrasieren, sind aus dem Text, den schiedslos in gleicher Weise, Mehr solcher Werke 

Erotian selbst liest, schon zu einem groBen Teil sind nicht tibrig geblieben. 

verdrangt, er hat also einen schlechteren Text Die pinakographische Literatur unterschied 

vor sich (P f a f f Wien. Stud. L 68; einen^ besse- naturlich echte und unechte Schriften. Doch findet 

xen Erotiantext behauptet 1 1 b e r g N. Jahrb. sich allein ein spates Zeugnis, nach dem das Buch 

1921, 140, ohne ihn weiter zu beweisen). Bis zu 7t, ddevcov nicht als Hippokratisch verzeichnet 
Erotian war also keine Ausgabe da, die den Text 20 wurde (Gal. XVIII A 379 K.)» Notizen aus dem 

normalisierte oder auch nur schiitzte, wie es in Werk des Kallimachos gibt es nicht (vgl. E d e 1 - 

-spateren Jahrhunderten die Ausgabe des Artemi- stein 147, zustimmend Wellmann Quell, 

dor OS (auch das ist durch P faffs Auffindung Stud. II 1; zu der noch von Littre I 277 

der arabischen Galenkommentare zu Epidemieai 2 als pinakographisch gedeuteten Nachricht bei 

^rwiesen, S.-Ber. Akad. Berl. 1931, 560f£.; Wien. Gal. VII 854 Kff., vgl. Schone GGA 1900, 

Stud.72gegenIlbergRh.Mus.a.0.111ff.)unddie 655,1, Edelstein 147, 2. Deichgraber 35, 1). 

Oalenerklarungen tat en (vgl. D i 1 1 e r a. 0. 76, 3). Ob wohl nur so wenig Material erhalten ist, 

Wenn es dann aber auch Hss.-Klassen gibt, lafit sich doch wenigstens das Prinzip der antiken 

die Artemidor oder Galen folgen, so stehen andere Kritik aus den Schriften Galens erkennen. Er 
Hss. wieder ganz fur sich: Laur. B 74, 7 aus Cy- 30 wendet ja nur die ihm durch seinen Lehrer Quin- 

pern ist nicht abhangig von A und V, die aus dem tus vermittelte fruhere Methode an (M e w a 1 d t 

Westen stammen, ebenso stimmen '& und M nur 122; die spateren Kommentatoren geben nicht 

teilweise mit A und V tiberein, die die tl^berliefe- mehr als Galen). Die Echtheitskritik ist in der 

rung des Artemidor und Galen reprasentieren. Aussonderung von Zusatzen, in der Ablehnung 

Eine eigene Textrezension zeigen auch wieder die oder Anerkennung der Schriften immer davon ge- 

lateinischen tlbersetzungen und die Varianten, die leitet, daB das, was Hippokratisch sein soil, des 

.sich in Hss. fanden, welche man noch im Mittel- groBen Arztes wurdig sein muB (B r 6 c k e r Rh. 

alter und der Renaissance besaB (Pf aff 75f.). Mus. XL 415ff. sammelte und interpretierte das 

Die hsl. tJberlieferung geht also nicht auf einen Material). In alien Problemen entscheidet die 
Archetypus zurlick (wie noch 1 1 b e r g meinte, der 40 Vorstellung von H., die Meinung von seiner Lehre, 

^ie aus der collectio Alexandrinea ableitete, Pro- seiner Sprache, seinem Stil. Nichts wird ohne 

leg. d. Ausg. XXVIII), sondern auf die verschie- Grund angenommen, alles muB durch einen guteu 

densten Sammlungen Hippokratischer Schriften, Grund motiviert sein (aXoycogj evX&ycog Gal. VII 

.die es gegeben haben muB. Es bestand wirklich 891. XVI 511 K.). Die Tradition der Bticher ist 

jiie eine feste Ordnung und Zusammenstellung unwichtiger, mit ihr wird kaum argumentiert, 

eines Corpus Hippocraticum. hochstens wird angefiihrt, daB alle in Ablehnung 

3. Echtheitskritik, Kommentar e, oder Annahme tibereinstimmen. Man muB also 

•G 1 s s a r e. Aus der Tradition laBt sich nicht schon wissen, wer H. ist, bevor man an sein Werk 

einmal mit Sicherheit ersehen, wie viele Schrif- herangeht. Galen glaubt die wahre Hippokratische 
ten bei einer Echtheitsuntersuchung des Hippo- 50 Lehre aus Platon (s. u. S. 1318), Sprache und Stil 

,kratischen Werkes heranzuziehen sind. Diese wahrscheinlich aus einem urspriinglich nach sach- 

iSchwierigkeiten der tJberlief erung suchte die Echt- lichen Griinden f iir echt erklarten .Buch zu ken- 

Jheitskritik in besonderen Untersuchungen zu nen. Da er sich alle Methoden der antiken Kritik 

losen. Erotian sagt, er woUe an anderer Stelle zu eigen machte, werden auch die Anderen nur 

zeigen, warum er das Prorrhetikon II nicht fiir eine solche logische Kritik gekannt haben. 

echt halte (9, 8), Galen schreibt ein Buch iiber die In Einzelheiten gab es naturlich verschiedene 

echten und unechten Hippocratica (vgl. Me- Auf fassungen. Fur Galen ist ein Widerspruch zur 

waldt Herm. XLIV 111). Die Zahlen der Schrif- echten Lehre Grund fiir eine Ablehnung bestimm- 

ten, die Tzetzes, die Brusseler Vita und Suidas ter Bticher, die er dann Sohnen oder Verwandten 
.geben, werden auf Arbeiten gleicher Art zuriick- 60 des H. zuschreibt. H. ist, wie er meint, sich 

gehen. Aber alle diese Biicher sind bis auf wenige selbst immer gleich in der Sicherheit seiner Er- 

Reste der Schrif t des Galen (vgL Me waldt kenntnis und in der Vorztiglichkeit der Darstel- 

113) nicht erhalten, lung. Die Reihenfolge der Schriften interessiert 

Auch die hellenistischen Kommentare werden ihn kaum, wahrend Andere versuchen, sie zu be- 

wie die galenischen die Echtheit des Hippokrati- stimmen. Nach der Brusseler Vita gab zuerst 

-schen Werkes behandelt haben. Die Kommentie- Bakcheios, der Herophileer (Z. 64, der Name nach 

rung beginnt im Kreis des Herophilos, wird dann Gal. XVIII A 187 K. von 1 1 b er g bestimmt), eine 

Ton den Empirikern ubernommen, die die ersten Chronologie der Schriften. Auch die Brusseler 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 42 



1315 Naehtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1816 

Vita ordnet das Werk des H. chronologisch. Da- nQOQ^rixiKov ^ Gal. XIV 620 K., Erotian 9, 8 

mit verbindet sich vielleicht schon eine Anschau- tisqI TQO(pfjg Galen, vgl. R. Walzer a. 0. 

ung Yon der Entwicklung des H., die es ermog- neQi <pvoiog avd'Qoynov Gal. CMG V 9, 1, 7, 15H., 

licht, verschiedene, einander widersprechende zugeschrieben an Polybos 

Werke doch auf den einen H. zuruckzufiihren uibqI xvficov Ps.-Gal. XVI Iff. K., zugeschrieben an 

(vgl. R. Walzer Riv. d. Studi Orientali 15). Thessalos, Polybos, zu Euryphon Beziehungen. 

Jedenfalls gab es Erklarer, die meinten, die eine Dureh Nichterwahnung in der Liste des Ero- 

Ansicht habe H. in seiner Jugend yertreten, als tian werden athetiert: 

er noch nicht so viel wuBte, die andere in seinem :neQi dvctTOfirjg 

Alter, nachdem er die richtige Einsicht gewonnen 10 ^sqI yovfjg boy^a H'&rjvaicov 

habe (vgl. Walzer a. 0.; zu solchen Entwick- neQi ipdofiddcov, vgl. Gal. XVII B 530 K. 

lungsthesen bei Aristoteles Jaeger Herm. LXIV :n;eQl ey}tataxo[xf}g ifi^Qvov 

22). Soran 177, 24 deutet die Vorstellung von jisqI em>cvrjOLog 

einer Veranderung des H. an, indem er die Ver- kmotoXai 

schiedenheit des Stiles in den verschiedenen Le- neQt s'voxrj/^oovvrjg 

bensaltern als eine Schwierigkeit der Hippokra- jisQt Iyixqov 

tischen Schriften bezeichnet. Diese Anschauung tisqI >iaQUrjg 

ging vielleicht von einer Ordnung der Biicher in nsQl xQioecog 

der Reihenfolge, in der man sie lesen soUte, a-us, ne^l xQiiflpicov 

die sich schon frtih findet (Erotian 9, 24; spater 20 tzcqi vovocov 

Ps.-Oribasius, Comm. in Apli., Praefatio, vgl. jceqI odovzocpvirig 

Wellmann Fragm. d. Sizil. Arzte 7, 2). Andere neQi dorecov (pvoiog 

wieder arbeiteten mit einer Homonymentheorie jieqI oyjecog 

an Stelle der Zuteilung widersprechender Lehren :jisqI rcov svrog Tia'&cov 

an Sohne und Verwandte des H. naQayyeXlai 

Mehr laBt sich tiber die Methode der antiken nsQi tioq'&^Icov 

Echtheitskritik nicht sagen. Das wichtige Ergeb- uisqI goqkwv 

nis, zn dem sie kommt, ist jedenfalls, daB von den jisqI (pvoiog yvvaiHelrjg. 

erhaltenenBiicherndirektfurunechterklart werden Durch Nichterwahnung bei Soran CMG IV 

nsQl hffiiibv Gal. CMG V 9, 1, 135, 8—10, vgl. 30 94, 17, vgl. Ed el stein 144ff.*): 

XVIII B323f. K., zugeschrieben an Gnosidikos; mQi ywaiKeioov a + /5. 

vgl. Palladius in lib. Hipp, de fract. in H. Durch Nichterwahnung in der Briisseler Vita 

opera, ed. Foesius 1657, I 918 werden athetiert: 

nsQi dbevwv Gal. XVIII A 379 K. tibqI sXhOjv 

d^oQiofMil Gal. IX 894 K.; vgl. Ps.-Oribasius, vof^og 

Com. in Aphorismos, Basil. 1535, 7 nsQi xBxvrjg. 

insQi oQ'&Qcov Gal. CMG V 9j 1, 135, 8 — 10, vgl. Durch Nichterwahnung im Index R und M 

XVIII B 323f. K., zugeschrieben an Gnosidikos werden athetiert: 

jiEQt dmtrr]g Gal. CMG V 4, 2, 212, 18ff., zuge- jtsqI dsQwv 

schrieben an Philistion, Ariston, Euryphon, Phi- 40 empcbixiog 

letas; vgl. 235, 4 tzeqI t. ev xscpaXfj rQO)iLidrcov 

neQL 8ialt7]g 6^so)v, Athen. II 57 c ttsqI ro^cov r. xat' avi^Qoyjiov 

TteQc bmixfjg vyisivfjg Gal. XVIII A 9, CMG V 9, jibqI vyQwv xqV^^^^' 

1, 89, 14, zugeschrieben an Ariston, Philistion, Nach der Methode der Galenischen Kritik sind 
Pherekydes, Polybos wenigstens ftir ihn unecht **) : 

snibrj^iai 1 — 7 tzsqI dQxatrjg irjXQixfjg 

1,3: Gal. VII 855 K. TinTiOKQdtovg elvai xov fis- tisqI <pvo(bv 

ydXov oxsbov cijtaoiv d)fioX6yr]xai; vgl. D i e t z :;isqI leQfjg vovoov (dieses zugleich nach der Forrift 

Schol. II 3 der Zitate CMG V 9, 2, 206, 13; XVII B 341 K., 

2, 4, 6: Gal. IX 859 K. VII 854. 890 K., zu-50 vgl. auch Littr^ I 354). 

geschrieben an Thessalos Nach seinen AuBerungen mu6 von anderen be- 

5, 7: Gal. VII 891. 854 K., das 5 zugeschrieben stritten gewesen sein***): 

an Drakon nQoyvoioxixov. 

ne^l knxafjirjvov Clem. Strom. VI 16, 139, Di els 

Dox. p. 429, 1 ; vgl. L i 1 1 r e I 363, zugeschrie- 
ben an Polybos *) Der Einwand von D i 1 1 e r Gnom. IX 74 

Kax' Itjxqsiov Gal. XVIII B QQQ K., zugeschrieben beruht auf einer sachlich falschen Interpretation 

an Polybos von Aph. 5, 49. 

Hwatial jzQoyvcbosig Gal. XVII A 575 K. **) Denn sie wider sprechen der ,echten* Hippo- 

juoxh^eov Gal. CMG V 9, 2, 13, 29 60 kratischen Lehre, weshalb er auch sonst Biicher 

jtsQi vovoov Gal. CMG V 9, 1, 198, 4 als unecht ablehnt. 

n, omafjirivov Clem. Strom. VI 16, 139. Dials ***) Denn es gilt, zusammen mit uibqI dsQo:)v, 

Dox. p. 429, zugeschrieben an Polybos dcpoQiofAol und negl dcalxrjg 6Seo)v nur c{}?c dX<yyco$^ 

jcsqI nd'&cbv Gal. CMG V 9, 1, 198, 4 als echt (VII 891 K.). Diese drei Biicher sind 

7c, jzaidlov (pvoiog Gal. IV 653. XVII A 445 K., zu- direkt durch andere Nachrichten bestritten (s. c). 

geschrieben an Polybos Das Ttgoyvooxixdv wird selbst in spaten Kommen- 

nQOQQYixiKov « Gal. XVII A 575. CMG V 9, 2, taren nicht mit Sicherheit dem groBen H. zu- 

68, 1, zugeschrieben an Thessalos und Drakon geschrieben (Dietz I 54). 



1317 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1318 

Von alien erhaltenen Schriften sind dann nicht der erhaltenen Schriften als ' sicher echt. Alles 

bestritten worden: hangt also von den Zeugnissen ab, die mit Platon 

jisQi aliioQQoibwv Kol ovQQiyycov (kurzer chirur- beginnen und sich seitdem fast ohne Unterbre- 

gischer Traktat) chung in jedem Jahrhundert finden. 

jieQi dq?6Qcov (gehort zu dem nnechten n. vovocov 1. Die Method e. Platon spricht zuerst 

IV, vgl. L i 1 1 r e I 373H.) von der Hippokratischen Methode. Sokrates ver- 

oQ?eog (keine medizinische Schrift) gleicht Medizin und Rhetorik (Phaidr. 270 b). In 

TiQsa^svTtKog. beiden Kunsten ist es notig, ein Objekt einzu- 

Die verlorenen Bticher sind alle athetiert, da teilen {bieUod'ai), die Natur des Korpers in der 

sie immer nur in einer Vorlage genannt werden. 10 Medizin, die Natur der Seele in der Rhetorik. 

Nur in V: Dann fragt er den Phaidros: 'ipvxfjg o^v (pvoiv 

nsQL aqpQobiolwv d^lcog Xoyov Tcaravofjoat oUi dvvatov elvai avsv xfjg 

TisQi ^slcbv i^aiQsoEcog rov oXov (pvoecog und Phaidros antwortet: si fihv 

jisQL iXXefioQOV 'InnoHQa/isi ys rep rcbv 'Ao7tXr}niab(x>v del ti tci- 

71€qI ?cXvGfA,€ov 'd'eo'&ai ovds Jtegl 0(b[A,axog avev rfjg fzsd'odov rav- 

neQc xQcoiid-tcov SXs^qIcdv x7]g, Sokrates gibt ihm darin recht. Die Methode 

TisQi (paQfAOLKCDv. wahror Erkenntnis der Seele ist also der Hippo- 

Nur in der Briisseler Vita: kratischen Methode der Erkenntnis des Korpers 

nsQi bibvfjicov gleich. Die Natur der Seele ist ebensowenig wie 

tibqI EQfAafpQobirwv 20 die Natur des Korpers faBbar, ohne dafi die Na- 

nsQi fjTiaxixebv tur des Ganzen erkannt wird. 

nsQl iKXEQMwv Es fragt sich, welches Ganze es ist, dessen Be- 

TiEQi KEepalaXyiag stimmung die Voraussetzung einer richtigen Ein- 

de neurotritis sicht in die Natur der Seele und des Korpers ist. 

nsQt ofjcoiorrixcov Ist das Ganze die Welt (so verstehen die Stelle 

nEQL TiobaQyiKcov zuletzt Mewaldt DLZ 1932, 258; Deich- 

nsQi Qcbv yvvaiKEicbv graberlSl; Rehm Gercke-Norden II H. 5^ 

TtEQi oxofj,axi^cbv 26; S t e n z e 1 Platon als Erzieher 249; A. P a 1 m 

TiEQi vbQcomKwv. Diss. Tiib. 1933, 103)? Oder ist das Ganze der 

Die ubrigen in den Hss. erhaltenen Schriften, 30 Begrifi, die Idee des Korpers und der Seele 

die spaten Falschungen (s. o. S. 1308, 2) sind nicht (Edelstein 131)? Je nachdem miifite der Arzt, 

einmal in eine alte Schriftenliste aufgenommen wie H. meint, die Natur, das Weltall erkennen 

worden. oder einen Begriff vom Korper zu gewinnen 

XJnter diesen Umstanden ist es verstandlich, suchen. 

daB die verantwortlichen Kritiker des 2. Jhdts. Sokrates erklart selbst nach der Antwort des 

n. Chr. viele der umlaufenden Bticher anonym Phaidros, was H. und der richtige Logos unter 

zitierten (Gal. XVII b 247 K., methodisch belegt der Unter suchung der Natur eines Gegenstandes 

bei W a 1 z e r a. 0.). Manche naturlich glaubten, verstehen. Er sagt, man mtisse iiberlegen, ob der 

fiir jede Schrift den Autor zu kennen, es gab auch Gegenstand einfach oder zusammengesetzt sei, 
den Sammelnamen ,Hippokratische Schriften* (xd 40 dann, wenn er einfach sei, seine Fahigkeit im Lei- 

InnoKQdxovg Gal. VII 890 K.), unter dem man den und Handeln durchdenken, oder wenn er 

echte und unechte Schriften verstand. Aber im mehrfach geteilt sei, die Telle zahlen und darauf 

ganzen war man sich der Unsicherheit der Zu- wie beim einfachen Korper Handeln und Leiden 

schreibungen klar bewuBt (so auch D i 1 1 e r angeben. Ein doppeltes Vorgehen ist also notig, 

Herm. LXVIII 167fE., der mit Recht gegen Edel- ohne ein solches ist jede Fertigkeit, die man aus- 

stein 145 betont, daB daraus eine Tradierung tibt, nur blinde Geschicklichkeit, nicht Kunst 

der Schriften ohne Namen des Autors in jener (270 d — e). 

Zeit nicht folgt, dariiber s. u. S. 1332). Auf die Rhetorik angewendet bedeutet dtese 

Keine Hippokratische Schrift ist so gut be- ebenbeschriebene Methode, daB man zuerst fragt: 
zeugt, daB sie einer Untersuchung liber Lehre 50 ist die Seele einfach oder vielfach, dann: welches 

und Werk des H. zugrunde gelegt werden kann. Handeln und Leiden kommt ihr zu, schlieBlieh: 

Zuerst schieden die Bticher nur aus, well sich in wie wirken die verschiedenen Arten der Reden 

ihnen so widersprechende Ansichten fanden, man auf die Seele. Damit wird auch die praktische 

muBte aus anderen Indizien wissen, welche eigent- Anwendung in die methodische Erkenntnis her- 

lich echt sein konnten. Aus der Tradition laBt eingezogen. Fiir die Untersuchung des Korpers 

sich das jedenfalls nicht entscheiden. Wenn schon wiirde damit die Erforschung der Heilmittel und 

die wenigen erhaltenen Nachrichten alle Bticher ihrer Einwirkung auf die menschliche Natur ge- 

bis auf vielleicht drei als bestritten zeigen, so fordert sein (271 a — ^b). 

kann man nicht wagen, auch nur eines als Hippo- Entspreehend ftihrt Sokrates die Methode 

kratisch zu bezeichnen. 60 schematisch in einer Untersuchung tiber die Rhe- 

III. DieZeugnisse. torik durch (271 c— 272 b). Er halt sie selbst ftir 

1. Die Methode. 2. Die Lehre und die Praxis. schwierig, aber doch ftir unumganglich notwendig 

3. Die Bedeutung. 4. Der historische H. und die (272 b — 274 b), besser redend als schreibend zu 

Veranderung der H.-Auffassung. 5. Die Bedeu- verwirklichen (274 b — 277 b). AbschlieBend sagt 

tung der sog. Hippokratischen Schriften; der er: tiqIv av xig x6 xs dhjd'Eg i^idoxcov slbfj uieqI wv 

Name des Corpus Hippocraticum. XsyEi rj yQdqpEt nax^ avxo xs uiav oQlCso'&ai bvva- 

Die Biogiraphien lehren nichts tiber das System xbg yEvrjxai, oQiodfAsvog xs ndhv kox^ sibrj ijlexqi 

und Werk des H. Die Tradition bezeugt keine xov dxfjLYixov xsf^vsiv mio'd'rjxfj' tisqI xs xrjg ipvxrjg 



1319 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1320 

q)vascog ditdoyv Tiara tavzd ... oii jiqoxsqov dvva- moglich sind, untersuclit haben. Von Natur, Um- 

rw rexvT] eaeod'ai ^ . . [xstaxsiQio'd'fjvai^ x6 Xoycov welt, Natur des Weltalls ist dabei keine Rede. 

ysvog ... wg 6 e(A,7iQood-sv nag [ABfiriTcvvev f}(Mv Auch der Zusammenhang, in dem die Worte 

loyog. des Sokrates stehen, zeigt, da6 man sie so ver- 

Die Methode, der man in der Erkenntnis der stehen mu6. Er bringt den Vergleich von Medi- 

Seele folgen muB, besteht also, nach der ersten zin und Rhetorik zur Erklarung dessen, was er 

Formulierung, in der Untersuchung, ob der Gegen- tiber Perikles und Anaxagoras am SchluB eines 

stand einfach oder vielfach ist, welches seine Telle Gespraehes gesagt hat, in dem die Notwendigkeit, 

sind und wie sie sich zueinander verhalten das Ganze in der Definition (261 a), in Rede und 

(270 c — d), nach der zweiten, inhaltlich naturlich 10 Darstellung (264 c. 268 d), in der Ausbildung des 

gleichen Formulierung, in Definition und Eintei- Menschen (269 d) zu beachten, betont wurde. Er 

lung des Gegenstandes (277 d; vgl. 237 b/d; aus- erklart: ndoai, ooat fAsyaXai rcbv rexvwv jzqoo- 

drticklich fiir richtig erklart 265 d. 245 c — e. dsovtai ddoXsoxlag nal lAexswQoloylag q)yascog 

246 a. 253 c). Einteilung des Gegenstandes ist nsQr ro yaQ vyjrjXovow rovzo nal navxTj rsXsoiovQ- 

ohne Definition nicht moglich, beide sind nur ver- yov bolksv evxsid'iv no'&sv sioievai (270 a). Aus 

schiedene Seiten derselben Sache und machen zu- diesem Grunde hat auch Perikles, der beste Red- 

sammen die Kunst der Dialektik aus (ausfiihrlich ner, sich an Anaxagoras gehalten, also mehr als 

dargelegt 265 — 266, 277 b). Rhetorik gelernt und sich mit der wiJg-Lehre des 

Die Darstellung dieser Methode, die in Rhe- Anaxagoras vertraut gemacht (ebd.; vgl. Rehm 

torik und Medizin zu befolgen ist, geht vom Be- 20 26). Platon meint also, jede wichtigere Kunst 

griff der Einteilung aus (5f£Agai^a« 270 b, worauf brauche eine tief eindringende Untersuchung 

I)eichgraberl51 hinweist). Sokrates fragt (a5o2£a;t/a ;vat ^wer^co^oAoy/a, ursprtinglich der Vor- 

zuerst: ,Glaubst du nicht, daB mail die Seele wie wurf schwatzhaften Geredes, das sich in den 

den Korper einteilen muB, um richtig zu erken- Wolken verliert, bedeuten ironisch aufgenommen 

nen?* Phaidros bestatigt ihm das. Dann setzt er nur richtige Erkenntnis; v. Wilamowitz Gr. 

hinzu: ,Glaubst du, daB man die Natur der Seele Leseb. I 230 ohne weitere Begriindung, ausfiihr- 

in richtiger Weise erkennen kann ohne die Natur liche Interpretation in diesem Sinne E d e 1 - 

des Ganzen?' (270c). Damit meint er also die stein 132 — 134) der Natur (cpvaecog jzsqi). Da- 

synthetische, definierende Operation des Denkens, mit ist wieder Erkenntnis der Idee, und zwar fiir 

die mit der analytischen, diaretisehen, welche 30 jeden, der eine rsxvr] ausiibt, Erkenntnis der Idee 

eben zuerst genannt wurde, untrennbar verbunden seines Gegenstandes gemeint (Rehm 25 meint, 

ist und sie erst moglich macht: die Erkenntnis q)vaecog tibqi konne nur Natur der Welt bedeuten, 

der Idee. Auch sonst wird bei Platon unter to und stiitzt so aus dem Zusammenhang der Stelle 

oXov im logischen Verfahren die Einheit der Idee die Auffassung von to olov als Kosmos. Aber wie- 

verstanden (vgl. S t e n z e 1 Arete und Diairesis der ist die Verwendung des Begriffes q)voig fiir 

66; 67ov als Epitheton der Einheit, ola als Mehr- Idee platonisch, vgl, Phaidr. 270 c to xolwv nsol 

zahl von sv gleich Ideen 67. DaB es in anderem cpvoscog OHonei und q)voiv bsiTcvvai 271 a, beide 

Zusammenhang Weltganzes bedeuten kann, ist Male handelt es sich um begriffliche Einteilung 

sicher, aber seine Verwendung als logischer Be- eines Objektes; ebenso bezeichnet Epikrates 

griff ist hier gefordert). Die Voraussetzung 40 frg. 11 F. C. A. II 287 K die Diharese platonischer 

der Definition als Erkenntnis des Ganzen bei der Naturerkenntnis, die nicht beschreibende Natur- 

Einteilung ist keine petitio principi (wie Deich- wissenschaft ist, als tvsqI q^voecog dqpoQiCdf^voi dia- 

gr aber 151 meint), bei jeder Diairese liegt die x^^Q^Cstv^ vgl. Aristoteles iiber Platons Idee, Met. 

Erkenntnis schon in der , Definition (iiber diesen 987blff., die ja die wahre Natur der Welt wie jedes 

notwendigen Zirkel, durch den das AUgemeine Einzeldinges ist). Perikles lernte also von Anaxago- 

nur im Besonderen, das Besondere nur im All- ras,deriiberVerstandundUnverstandsovielredete 

gemeinen faBbar ist, vgl. Stenzel 112). So- (q>voiv vov xs puat dvolag a>v d^ nsQv xbv noXvv — 

krates sagt also zu Phaidros, nachdem er von der tibrigens sicher nicht in der Erklarung der Natur 

Einteilung der Seele und des Korpers gesprochen Phaidon 97 c; leg. XII 966 eff. — loyov stioisixo), 

hat: ,Glaubst du, daB es moglich sei, die Natur 50 nach der Meinung des Sokrates (jcQoojveocov yaQ 

der Seele in richtiger Weise einteilend zu er- ol f4,a i xoiovxq) ovxi 'AvaSayoQc^Yy was jeder lernen 

kennen, ohne die Natur des Ganzen, das Ganze muB, der ein guter Redner sein will: den rich- 

der Seele, ihre Idee, zu erkennen?* (die sprach- tigen Begriff der Seele und des Denkens. So muB 

liche Moglichkeit dieser Interpretation, die jeder die Natur, das Ganze, die Idee seiner Wis- 

Deichgraber 151 und Rehm. 26 gegen senschaft erkennen, die die Voraussetzung der 

Edelstein 131 bestreiten, belegt Hermias, der Einteilung des Objektes ist, auch der Arzt, wie 

die Phaidros-Stelle so umschreibt: oQa ncbg enai- H. meint. 

vet xov 1n7zo}{Qdx7}v Xsyovxa oxi ov fiovov xd nsQi Das aber ist nur der Seele, dem gefliigelten 

tpvx'Pjg ov dvvaxov d'ecDQ'rjoai avsv xov d'scoQfjaai Wagengespann moglich (245 bff.), die von allem 

X7JV olr}v yjv XV'^ «^^' ov5e xd nsQi ocbfA,axog. 60 Korperlichen am ehesten f ahig ist, sich zu Gott 

Zum Gedanken vgl. auch Aristot. Met. 1086 b 5 zu erheben, zur Wohnung des Gottlichen aufzu- 

avsv yaQ xov siad'oXov ovk soxiv emaxrjfjLrjv XaPslv). steigen (246 d). Sie begleitete vor ihrer korper- 

Da diese Methode richtiger Erkenntnis der Seele lichen Existenz die Gotter auf ihrem Kreislauf 

die gleiche ist, der H. in der Erkenntnis desEor- am Himmel und betrat mit ihnen, als sie die 

pers folgt, wie Platon den Phaidros sagen laBt, vom Himmel umspannte Welt verlieBen, den 

so muB H. den Korper definiert und eingeteilt iiberhimmlischen Ort {vneQovQaviog xonog) der 

haben und dann den Zusammenhang der Telle Ideen, deren unkorperliche Gestalt sie allein zu 

untereinander und die Einwirkungen, die auf ihn erkennen vermag (247 c — 248 b). Fallt die Seele 



1321 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1322 

nach dem Gesetz der Adrasteia der korperlichen als Skeptiker (Diog. Laert. IX 73). Alle nur denk- 

Existenz anheim, dann bestimmt sieh die Art baren medizinischen Standpunkte wurden im 

ihres Daseins danach, wieviel sie im Sdiauen der Laufe der Zeit als Hippokratisch angesehen. 
Ideen aufnahm (248 d — 249a). Auch im Leben 2. Lehreund Praxis. Es bleiben die 

vermag der Menscih nur zu erkennen, indem er Nachrichten iiber die Lehre. Menon, der Schiiler 

aus vielen Wahrnehmungen durch das Denken des Aristoteles, spricht zuerst von ihr, wenigstens 

ein Ganzes zusammenfiigt (ek ev ^oyiaf^(p ^vv- von der Lehre tiber die Atiologie der Krankheiten 

aiQovfisvov 249 b), in Erinnerung daran, was die (Suppl. Aristot* III 1, V 35ff.; dazu D i e I s Herm* 

Seele bei ihrer IJmfahrt im aufierhimmlischen XXVIII 407ff. Wenn die Angaben des Ktesias 

Raum schaute, als sie sich tiber das Sein dieser 10 und Diokles iiberhaupt echt sind, so geben sie 

Welt erhob und in das wahre Sein einging. Nur nur Einzelheiten der Praxis des H. s. o. S. 1308). 

die Seele des Philosophen, der sich stets des frii- Und zwar erklart H. nach Menon, es bildeten sich 

heren Lebens erinnert, ist gefltigelt, er allein, den 'Dberschusse der Nahrung (uiBQioow^axa), wenn zu 

die Menge tadelt, well er sich von ihr entfernt, viel, zu verschiedenartige oder zu schwer verdau- 

ist geweiht (tsXsiog 249 c — d). liche Speisen aufgenommen werden. Aus diesen 

Ebenso sind auch die Worte des Sokrates tiber "Dberschtissen entwickeln sich Winde (cpvcai), die 

Perikles, Anaxagoras und H. zu verstehen, in aufsteigen und so die Krankheiten verursachen 

denen alle diese Begriffe wiederkehren. Die Seele, (V 35 — ^VI 12; vgl. Edelstein 135fE.). 
die aufsteigt, um zu wissen, nicht zur Hohe des Warum H. diese Theorie vertrat, im Gegen- 

Himmels sondern in tiberhimmlische Hohe, muB 20 satz zu Euryphon, nach dessen Meinung die "Dber- 

Natur erforschen, aber allein im Denken der Idee, schtisse der Nahrung selbst in den Kopf gelangen, 

die Erkenntnis wird so durch die unsichtbare, und zu Herodikos, der annahm, da6 aus ihnen 

nicht durch die sichtbare Welt voUendet (ebenso sich Fltissigkeiten absondern, die die Krankheiten 

ist im Theat. die dorgovofA^lrj des Philosophen ovQa- verursachen, wird jetzt erklart (tavra ds scpYioev 

vov xs vneQ 173 e, die q)voig xwv ovxcov eKaoxov dvrjQ nivri'd'slg doy/imxi xoiovxcp, VI 13), H. glaubte, 

oXov, die Gerechtigkeit erf aBt er oXcog nur hoch- die Luft sei von den Dingen in uns das wichtig^te 

gehoben in die Hohe des wahren Seins, 175 d — c). (to TtvsvfAa dvay^aioxaxov hoI HVQiwxaxov aTtoXsl- 

Die Methode rationaler Einteilung der Objekte jiei xcjv iv fjfuv). Zu dieser Annahme veranlaBte 

tritt an die Stelle einer Erforschung der Welt, ihn, daB der Mensch gesund ist, wenn sein Atem 
der sichtbaren Dinge {nQdy[A,axa Phaid. 99 e, nach 30 richtig geht, daB aber bei Schwierigkeiten der 

einer Auseinandersetzung tiber Anaxagoras). Die Atmung Krankheiten entstehen (sTzsidrj ys naQa 

Erkenntnis der Gottlichkeit der Gestirne und die xrjv xovxcov svQoiav vylsia ylv^sxac^ uiaQa bs xrjv 

damit gegebene Erkenntnis der Natur ist allein dvoQoiav vooci; iiber die Atmung [xd nv£V(xaxa\ 

Grundlegung des Glaubens an Gott, nicht metho- und ihre Bedeutung ftir Gesundheit und Krank- 

dische Fundierung wissenschaftlicher Einsicht heit vgl. etwa Epidemien VI, V 278 L., Prognost. 

(Leg. XII 966 eff.; auch im Tim. ist die Beschrei- 5, I 83, 4 Khlw.; Galen rtihmt H. gerade wegen 

bung der Welt Mythos, 29 d. Darum kann die seiner Lehren tiber den Atem, VII 826 K.). Das 

metaphysische Wesenserkenntnis, die in der Dial- ist die eine Erfahrung, aus der man etwas tiber 

resis der sibr} liegt, nicht die Forderung expli- die Wichtigkeit der Luft im Innern des Korpers 
zieren, sich am Weltganzen, der Natur des Welt- 40 schlieBen kann. AuBerdem gleichen die Menschen 

alls zu orientieren, wie Deichgraber 151 zur den Pflanzen. Wie jene in der Erde, so sind sie 

Erklarung seiner Auffassung der Hippokratischen in der Luft verwurzelt. Wohin sie sich bewegen, 

Methode meint; vgl. aber tiber die Naturwissen- umgibt sie die Luft, wie die T^aricor^y-Pflanzen 

schaft bei Platon W. Jager Aristoteles 12ff. 16), sich nicht vom Wasser trennen konnen. Also ist 

Die Worte, in denen Sokrates tiber H. spricht, die Luft das Wichtigste, heiBt es abschlieBend 

sagen also auch nach dem Zusammenhang, in dem noch einmal (VI 30), und darum mussen nattir- 

sie stehen, nach dem Inhalt des ganzen Gespra- lich auch die Krankheiten auf sie zurtickgeftihrt 

ches, daB H. ein Arzt war, der von Definition werden. Die Trager der Krankheit im Menschen 

und Erkenntnis des Korpers, von einer Unter- sind nicht die "Dberschtisse der Nahrung oder eine 
suchung der Beziehungen seiner Telle zueinander 50 Fltissigkeit, was man frtiher annahm, sondern 

ausging. Nicht die Erfassung der Natur der Welt, Winde. Damit ist die von H. aufgestellte These 

der Umwelt, also Naturphilosophie (D e i c h g r a- durch die atiologische Digression in ihrer Beson- 

b er 151), war ftir ihn wichtig, sondern die klare derheit verstandlich gemacht worden (Fred- 

und zusammenhangende Erfassung des Korpers rich 52 bestimmte zuerst den formalen Sinn 

selbst wie der Moglichkeiten einer Einwirkung dieser Ausftihrung; B 1 a s s Herm. XXXVI 407 

auf ihn. Und zwar muB H. diese Anschauung klar widersprach ohne Begrtindung). Es handelt sich 

ausgesprochen haben, sonst konnte Phaidros auf nicht um eine "Dberleitung zu neuen Gedanken, 

die Frage des Sokrates, ob er die Einsicht in auch ist unter dem schweren oder leichten Flie- 

solche Zusammenhange ftir wichtig halte, nicht Ben des Pneuma nicht etwa eine Bewegung der 
antworten: wenn ich H. glauben darf, ja (270 a). 60 von auBen kommeiiden Luft in Pneumakanalen 

Doch nicht alle glaubten wie Platon, daB dies des Korpers zu verstehen, die nach der Meinung 

die Hippokratische Methode sei. Die Empiriker des H. die Krankheiten verursache, wie man meint 

sahen ihn nicht als Dogmatiker, sondern meinten, (Deichgraber 154, der so zu einem Wider- 

H. rede in allem wie ein Empiriker und lehre als spruch der dem H. zugeschriebenen Theorien 

Empiriker die Wahrheit (Deichgraber Em- kommt, und vor dem Vergleich der Menschen mit 

pirikerschule, frg. 103. 310). Sie schreiben ihm den Pflanzen eine Lticke annehmen muB). In 

also ihre, der dogmatischen entgegengesetzte Me- Wirklichkeit sind es analogische Beweise der vor-- 

thode zu. Die Skeptiker wieder betrachteten H. hergehenden Behauptung (zum analogischen Be^ 



1328 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1324 

weis vgl. Regenbogen Quell. Stud. z.. Gesch. lieferten Worte in Ordnung. Man braucht nicht 

d. Math., Abt; B I ISlff.). Fraglich ist, ob diese mit Mifiverstandnissen und Lticken im Text zu 

Erklarung urspriinglich in der Schrif t stand, die rechnen (vgl. tiber die Besonderheit dieser Theorie 

Menon als Hippokratisch exzerpierte, oder ob es und ihr Verhaltnis zur Schrif t n. cpvacav Edel- 

sich um einen spateren Zusatz im stoischen Sinne stein 140ff.). 

handelt, wie sie sich im Papyrus haufiger finden H. ist also nach Aristoteles (xa'&cbg dielXrjq)sv 

(vgl. Timaios-Darstellung VI 24. XIV 15. XVI 3, tieqI avtov 'AQtowrsXrjg V 35) Diatetiker. Aus- 

dazu D i e 1 s 425). Der Vergleich des Menschen drticklich wird sein System in die Reihe der dia- 

mit den Pflanzen klingt alt und findet sich gerade tetischen Lehiren (IV 28), nicht in die der natur- 
in Verbindung mit Theorien tiber die Wichtigkeit 10 philosophischen eingeordnet, die davon streng ge- 

der Luft ofter im 5. Jhdt. v. Chr. (D i e 1 s 425). trennt sind. In tTbereinstimmung mit Platon (s. o. 

Es laBt sich nicht mit Sicherheit entscheiden S. 1318) sieht also die Ardstotelische Schule die 

(Fredrich 52 und Edelstein 142, 1 neh- Hippokratische Lehre nicht als Erkenntnis der 

men zu Unrecht den Zusatz als sicher an). Jeden- Elemente, die Erankheiten sind nicht durch die 

Mis handelt es sich bei den ganzen Ausf uhrungen Stoffe des Korpers, der Elemente der Welt bedingt 

nm eine Erklarung der vorher geschilderten Hip- sondern nur durch die aufgenommene Nahrung. 

pokratischen Theorie. Diese Aristotelische Anschauung von der Lehre 

Ausdrucklich wird dessen Darstellung Jetzt des H. bleibt aber ebensowenig wie die Plato- 

noch einmal aufgenommen (rovrcov 8y>csi(jisvcov, nische von seiner Methode unwidersprochen. Schon 
oxav ysvYjrai nsQioomfxara ano rovrcov ylvovrai 20 der Menonpapyrus selbst bringt unter Berufung 

qpvaaiy at 8rj dva'&vfiiad'slaaf, rag vooovg anorsXovoi auf das, was H. selbst sagt, eine andere Darstel- 

VI 31 — 33. Es war vorher nur gesagt, die Winde lung seines Systems. Danach hat H. die Krank- 

bringen, wenn sie aufsteigen, die Erankheiten, heiten aus den Veranderungen von Galle und 

nun heifit es: naQa re rrjv dm(poQav rcbv (pvooov Schleim und aus den Einwirkungen der Luft auf 

aTtorsXovvtai a! vooor eav fjiev ycnQ jioXlal cooi vo- den menschlichen Eorper erklart (VI 42ff., dazu 

odCovatv, eav be sXdxiorai TidXi, vooovg eniq)sQovoi. D i e 1 s Herm. 430 und die Richtigstellung seiner 

naQd re rrjv fjtexa^oXrjv rcbv cpvocov ylvovrai a! vo- Erganzung der zerstorten Worte durch F r e d - 

oor dixcbg dh fxera^dXXovoiv rj km ro vneQfjisrQov rich 54 in tJbereinstimmung mit anderen). An- 

d'SQfxbv rj im ro vTzsQ/usrQov yjvxQov. Kal oKotcog dere behaupteten, H. habe die Erankheiten durch 
av ysvrjxai rj fierafioXrj, vooovg dnoreXsc 33 — 42). 30 die Luft allein erklart (Gal. XVII B 521 E.; Gels. 

Trotzdem die frtihere Hippokratische Ansicht so- 19, 22). SchlieBlich meinte Galen, H. leite die 

gar dem Wortlaut nach aufgenommen wird, zu Erankheiten aus Veranderungen der vier Safte 

glauben, es sei unter cpvoac jetzt nur die von des Eorpers, also aus Galle, Schleim, Blut und 

auBen kommende Luft zu verstehen (vgl. D e i c h- Wasser her (CMG V 9, 1, 8, 19ff.). Wie die Me- 

g r a b e r 155), besteht kein Grund. Es lassen thode des H. den verschiedenen moglichen metho- 

sich die Worte ja auch im alten Zusammenhang dischen Standpunkten angegliQhen wurde, schrieb 

begreifen. Die Verschiedenheit der Erankheiten man ihm auch jede in der Antike wichtige Atio- 

wird jetzt erklart, sie steht in Beziehung zur logie der Erankheiten zu. 

quantitativen und qualitativen Beschaffenheit der Wie H. auf Grund seiner Lehre von der Ent- 
cpvoai. Dabei werden zwei quantitative Verschie- 40 stehung der Erankheiten behandelte, ob er auch 

denheiten als bestehend vorausgesetzt; es sind im als Chirurg tatig war, dartiber laBt sich nicht 

Eorper viele oder sehr wenige cpvoai vorhanden. mit Sicherheit urteilen. Die Methode, die Platon 

Offenbar ist das der Fall, wenn sich wegen zu schildert, ohne uber die Praxis des H. zu sprechen, 

vieler oder zwar sehr geringer aber zu schwer luhrt zu einem Wissen, welches ftir die Heilung 

verdaulicher Nahrung nsQiaocbfxara bilden (vgl. innerer Erankheiten und auBerer Verletzungen 

V 40. VI 7). Es entstehen dann viele oder sehr wichtig sein kann. Ob H. nach seiner Meinung 

wenige 7isQioocbfA,ara, und entsprechend ist die die Lebensweise der Eranken umstellte, Mittel an- 

Menge der aus ihnen aufsteigenden cpvoai. Von wendete oder mit bei dem kurierte, bleibt unklar. 

ihrer Qualitat ist dabei ebensowenig die Rede Die Lehre, die Menon dem H. zuschreibt, ist jeden- 
wie von der Qualitat der aufgenommenen Nah- 50 falls die Grundlage einer diatetischen Behandlung 

rung; selbst die Schwerverdaulichkeit kann durch der Erankheiten. Der Mensch, der durch falsche 

die verschiedensten Speisen bedingt sein. Dann Ernahrung erkrankt, wird durch richtige Ernah- 

wird vorausgesetzt, es bildeten sich im Eorper rung gesund. tTber die chirurgische Tatigkeit des 

entweder sehr heiBe oder sehr kalte cpvoai; nur H., die an sich bei einem Arzt des 5. Jhdts. neben 

eines davon ist moglich, aber auch notwendig. der diatetischen Praxis wahrscheinlich ist (vgl. 

So ist es offenbar, wenn die neQioocbfxara infolge Edelstein 176), sagt Aristoteles nichts. Hat 

zu verschiedenartiger Nahrung entstehen (VI 5). Diokles wirklich H. wegen einer Operations- 

Sie sind dann auch sehr verschieden wie allein methode getadelt, so wurde man ihn im 4. Jhdt. 

extreme Verschiedenheit der Qualitaten, nicht als Chirurgen gekannt haben (s. o. S. 1308, 43). 
jede ungleichartige Ernahrung schadlich ist. Ent- 60 In tTbereinstimmung mit Aristoteles und Me- 

sprechend steigen dann sehr heiBe oder sehr non gilt H. jedenfalls im Beginn des Hellenismus 

kalte cpvoai auf, und zwar nacheinander, da auch vor allem als Diatetiker (Porphyrii rel., ed. Schra- 

die Eochung infolge des Zwiespaltes in verschie- der 1 165. Schol. Ven. B zu II. XI 514, die Datie- 

denen Zeitraumen geschieht (vgl. negl cpvocbv VI rung s. u. S. 1326, 45). Auch spater noch wird ge- 

98 L.). Die cpvoai schlagen also erst allmahlich rade die Bedeutung diatetischer Lehren des H. 

zu dem einen Extrem uin, das entsprechend der hervorgehoben, sie sollen auf die Aufzeichnungen 

Verschiedenheit der Nahrungsmittel endgultig im Asklepiostempel zurtickgehen (Strab. 657). 

die Oberhand gewinnt. So ist der Sinn der uber- Doch schon am Ende des Hellenismus ist H. der 



1325 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1326 

Arzt, der auf alien Gebieten der Medizin hervor- tator Hippocratis, einen jiingeren H., W e 1 1 - 

ragt, als chirurgischer Schriftsteller ebenso bedeu- m a n n Fragm. d. sizil. Irzte 209, 9, so sagt das 

tend ist wie als diatetischer (Cels. 301, 13ff.)- Ja nur, er habe sich eng an die Lehre des H. an- 

sein Wirken liegt iiberhaupt vor der Teilung der gesehlossen, aber es beweist nichts fiir die Stel- 

Medizin in Fachgebiete (Cels. 18, 12 — 18; vgl. lung des H. in jener Zeit.) 

Cic. de orat. Ill 33. Bei der Besprechung der Man kann aus Platon und Aristoteles die Be- 

Heilmittel nennt Celsus aber H. kaum, s. u. deutung des H, nur erschlieBen. Sicher war er 

S, 1330), Wie die Yerschiedenen Jahrhunderte iiber fiir Platon eine Autoritat, denn seine Lehre war 

die Tatigkeit des H. dachten, wird nicht deut- die richtige. Man muBte in Athen, in der Aka- 

lich; die verschiedene Auffassung seiner Lehre 10 demie wissen, wer H. war. Auch nach seinem Tod 

ist gewifi, blieb H. beriihmt und geschatzt. Denn Aristoteles 

3.DieBedeutungdes H. Platon spricht rechnet damit, dafi man seine erklarende Anekdote 

iiber die Bedeutung des H. nicht ausdrucklich. Er yersteht, und die ^rztliche tJberlegenheit des H. 

vergleicht aber die Ausbildung durcE Protagoras ist in ihr auch vorausgesetzt. 

mit dem Unterricht durch Pheidias, Polyklet und Aber Platon kennt- auch noch andere Arzte 

H, (Prot. 311b). Daraus schliefit man, Platon aufier H., und viele sind fiir ihn wichtig, die er 

habe H. fur ebenso bedeutend gehalten wie Phei- nicht nennt (vgl. die medizinischen Lehren des 

dias und Polyklet, er habe in ihm den Reprasen- Tim.). Das Urteil eines platonischen Dialoges 

tanten der Medizin seiner Zeit gesehen (D e i c h- sagt noch nichts Endgiiltiges dariiber, wie Platon 

g r a b e r 149 sagt sogar, er gelte soviel wie 20 iiberhaupt den H. in die Medizin des 5. und 

Homer, der aber hier nicht genannt ist; ebenso 4. Jhdts. einordnet. Es gibt Demokrit, auch 

M e w a 1 d t DLZ 1932, 260. Homer aber wird wenn er in den platonischen Dialogen nicht zitiert 

spater 311 e allein neben Pheidias gestellt). Doch wird. Parmenides hat fiir Platon entscheidende 

dann mtiBte ans einer Beispielreihe, in der nach- Wichtigkeit, wenn auch im Phaidros nur Anaxa- 

einander die Arzte Akumenes und Eryximachos, goras genannt wird. 

die Dichter Sophokles und Euripides genannt Aristoteles erzahlt eine Allen verstandliche 

wer den (Phaidr, 268 a — ^b), folgen, daB fiir Platon Anekdote von H. Aber in der Geschichte der 

diese beiden so bedeutend sind wie Sophokles und Medizin, die der Schiller des Aristoteles, Menon, 

Euripides. Auch sie waren also Eeprasentanten schreibt, finden sich die Namen vieler anderer 

der Medizin, und damit H., Akumenes und Eryxi- 80 Arzte, die wichtig genug sind, um neben H. ver- 

machos gleich bedeutend. Wie H. als Namensvet- zeichnet zu werden. Und das Hippokratische Sy- 

ter des jungen H. genannt wird, mit dem Sokrates stem unterscheidet sich nicht grundsatzlich von 

gerade spricht (Prot. 311b), werden Akumenes den friiheren Lehren, sondern ist nur die Umbil- 

und Eryximachos als Freunde des Phaidros ein- dung alterer Ansichten (s. o. S. 1322). Auch die 

gefuhrt, mit dem Sokrates sich unterhalt (Phaidr. knidische Schule war damals angesehen, Euryphon 

268 a — ^b); auch personliche Griinde sind also fur ist ihr bedeutendster Vertreter, ebenso die sizi- 

die Wahl der Beispielreihe bestimmend (vgl. lische, aus der Philistion hervorgeht, die kyre- 

Edelstein 117f.). nische, vor ihr die krotoniatische (Herodot. HI 

An einer anderen Stelle will Sokrates unter- 131), die rhodische (Galen. X 5 K.). Neben den 

suchen, was H. und der aXrj'&rjg Xoyog meinen 40 Angehorigen dieser Schulen wirkte H., mit ihnen 

(ojioTiei tl uiouE Xeysi l^TcoHQazrjg rs xal 6 dXrj'&'rjg war er beriihmt. Damals kannte man sie noch 

Xoyog Phaidr. 270 a). Daraus wird gesehlossen, alle und las ihre Werke. Die Vernichtung so vieler 

das Urteil des H. gelte fur Platon so viel wie ein Schriften, die Liickenhaftigkeit der tJberlieferung 

Ausspruch der Wahrheit (Hoffmann Anhang darf nicht dariiber tauschen, da6 H, in jener Zeit 

zu Zeller H 1^ 1074. 1083). Aber Sokrates hatte noch nicht etwa der einzige Arzt war, den man 

die Autoritat des H., die Phaidros anfuhrte, erst schatzte (Diels Herm. XXVHI 416 weist gerade 

gelten lassen, nachdem sie durch die richtige bei der Interpretation des Menon-Papyrus darauf 

Untersuchung bestatigt war {dXrj^i^g 270 c), Dar- hin, daB solche zufalligen Funde neuen Materials 

um erortert er jetzt nicht etwa die Meinung des erkennen lassen, wie unsicher auf Grund der 

H, allein sondern seine Ansicht und die des als 50 wenigen erhaltenen Nachrichten die Beurteilung 

wahr befundenen Xoyog zusammen (so zuerst bekannter Manner des 5. und 4, Jhdts. ist). 

V. Wilamowitz Erlaut. zu IX 1; Gr. Lese- Die frtih-alexandrinische Anschauung von H. 

buch lib 230 ohne Begrundung, ausfiihrliche zeigt schon eine Veranderung dieses Urteils. 

Interpretation Edelstein 118—121). H., heiBt es, voUendete mit Praxagoras und Chry- 

Auch Aristoteles aufiert sich iiber die Bedeu- sipp die Diatetik, deren Anfang Herodikos machte 

tung des H. nicht. Er sagt nur, um klar zu (Schol. Yen. B zu II. XI 514; vgl. Schol, Plat, 

machen, daB die GroBe eines Staates nicht auf Rep. Ill 406 b. Strab. XIV 657, dazu Plin. n. h. 

seiner auBeren Macht sondern auf seiner inneren XXIX 4). Fragestellung und Antwort des Scho- 

Starke beruht: ,So wurde man H. nicht als Men- lions sind charakteristisch fiir die altere peripate- 

schen sondern als Arzt groBer nennen konnen als 60 tische Forschung, die das Auftreten eines Gedan- 

einen, der sich der GroBe des Korpers nach vor kens und seine Fortentwicklung zu erfassen sucht, 

ihm auszeichnet* (Polit. VII 1326 a 15ff.). Dar- wahrend die Spateren einen einzelnen Menschen 

aus wird man nicht beweisen konnen, daB H. fiir als Erfinder und VoUender einer Kunst oder Wis- 

Aristoteles der Arzt war (so zuletzt M e w a 1 d t senschaft ansehen (vgl. Leo Griech.-rom. Bio- 

DLZ 1932, 261) sondern nur, daB der als Arzt graphie 100). Dadurch laBt sich das Scholion 

iiberlegene H. von Statur klein war. (Zur 'Dberein- absolut datieren; relativ datiert es sich (Edel- 

stimmung mit den Biographien s. o. S. 1297, 12. stein 132, 2) aus seiner Zwischenstellung in der 

Nannten die Athener wirklich Diokles, den sec- Geschichte der H.-Betrachtung. Mit Praxagoras 



1327 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1328 

und Chrysipp ist H. jetzt wirklich aueh in der wird immer anders gesehen. H. scheint nicht nur 

geschichtlichen Betrachtung wenigstens fiir ein ein Name ohne Werk (v. Wilamowitz S.-Ber. 

Teilgebiet der Medizin reprasentativ. Er ist der Akad. Berl. 1901, 21), sondern iiberhaupt ein 

einzige Arzt seiner Generation, der in der Ge- Name ohne jede noch faBbare historische Wirb 

scMchte der Diatetik beachtet wird. iichkeit zu sein. 

Am Ende des Hellenismus aber steht H. allein. Aber unter den vielen miteinander nicht liber- 

Er ist fiir alle der erste der der Erinnening wer- einstimmenden Nachrichten sind doch einige von 

ten Arzte (Cels. 18, 12 — 13), vielleicht sehon besonderem Wert. Platon nnd Aristoteles reden 

der Arzt schlechthin (Apollonios v. Kition III 9, iiber H. Bessere Zeugnisse tiber einen Mann des 
15, nach Diller Gnom. IX 73, dazu Vitruv. T 10 5. Jhdts. kann es nicht geben. (Die Entwertung 

1, 12 — -13). Er ist der Begriinder der Medizin der aristotelischen Zeugnisse durch v. W i 1 a m o- 

(Sen. ep. 443, 2. Scribon. Larg. 2. 17), der Ftihrer witz a. 0. 22, die sich nur auf den Wider- 

der Medizin (Plin, n. h. VII 1 ; vgl. Comment. spruch zu den spateren Angaben stiitzt, ist un- 

in Aristot. VI 370, 34), der beste der Arzte (Eu- moglich, vgl. Edelstein 141, 1. Deich- 

fus 218; vgl. Comment, in Aristot. VI 265, 21). graber 160.) Sie miissen als die historisch 

Die grofien Arzte aus der Zeit des H. sind iiber- richtigen gelten, denen gegenliber die spateren 

haupt vergessen (vgl. Celsus 18, 12 — 13). Aussagen zunachst nicht in Frage kommen. 

Trotzdem der Archaismus sich wieder ein- Dann lehrte also H. in Wirklichkeit, die Er- 

gehend mit den Arzten des 5. und 4. Jhdts. aus- kenntnis des Korpers miisse von seiner Definition 
einandersetzt, behalt H. seinen Rang. Galen 20 und Einteilung ausgehen, den Zusammenhang 

schafft die VorsteUung von H., dem groBten Arzt seiner Telle und die auf ihn mogliche Einwirkung 

seiner Zeit und aller Zeiten (vgl. v. W i 1 a m o - bestimmen. Alle guten griechischen Arzte wufiten 

witz Die gr. Lit. d. Altert., Kultur d. Gegenw. zwar, dafi der Korper ein Ganzes sei und man 

I Abt. 8, 175). Er sieht in ihm auch den groBen keinen der Telle fiir sich behandeln diirfe (Plat. 

Schriftsteller (Gal. Scr. min. II 5), auf den schon Charm. 158 a). H. aber sprach diese Methode klar 

Erotian hingewiesen hatte, der ihn mit Homer, und allgemein gefaBt aus. Er erklarte wirklich 

Demokrit, Thukydides und Herodot vergleicht die Krankheiten durch Winde, die aus den trber- 

(vgl. 4, 8 — 12.16). H., der Freund der Natur (Ori- schtissen der Nahrung aufsteigen, wenn diese 

bas. in Hippocr. Aphor. 7), der treffliche Erforscher nicht richtig verdaut werden kann. Diese Theorie 
der Natur (Favor, Eulog. 9, 22), ein Mann von 30 stiitzt sich auf einen AnalogieschluB, wie immer 

gottiicher Einsicht (Gell. XIX 2, 8. Macrob. 161, die Begriindung des H. gewesen sein mag. Fahig- 

1; 'd'slog Comment, in Aristot. XX 534, rsXeiog keit zur Abstraktion, logische Schulung sind 

ebd. VI 339, 4; IsQcbxaxog Athen. IX 399 b), ist Eigentiimlichkeiten des Hippokratischen Denkens. 

der Urheber der ganzen Wissenschaft (Theod. Sicher war er als Diatetiker, vielleicht auch als 

Prise. 121, 14), der VoUender der Medizin iiber- Chirurg tatig. Wie er im einzelnen behandelte, 

haupt (Rose Anecdota II 243). Seine Biicher laBt sich nicht sagen. Denn die Art der Eintei- 

sind nicht aus menschlichem Mund heryorgegan- lung des Korpers bleibt unklar. Ebensowenig 

gen, sie sind Werke eines Gottes und umfassen weiB man, welchen Faktoren er eine Einwirkung 

die ganze medizinische Wissenschaft (Suidas in auf die Organe zuschrieb und mit welchen 
seiner Biographie). H. erf and die Diatetik 40 Mitteln er die durcli falsche Ernahrung ent- 

(Eustath. Comment, zu II. XI 514 in Umkehrung stehenden Krankheiten bekampfte (vgl. E d e 1 - 

des Scholions Venet. B, ebenso Scholion Townleia- s t e i n 131). 

nus, oSenbar scheint jetzt die Erfindung eine Keine der als Hippokratisch tradierten Schrif- 

groBere Leistung als die VoUendung), er erfand ten gibt die Methode des historischen H., keine 

die logische Medizin wie Asklepios die empirische, seine Lehre. Nur in einem Buch (n, ronwv xcbv 

ApoU die methodische (Isid. Orig. IV 2). Tiax' cMqcotiov VI 276ff. L.) finden sich Spuren 

So hat sich allmahlich die VorsteUung von der einer ahnlichen Einteilung des Korpers, ahnlicher 

Bedeutung des H. gewandelt. Zuerst ein Arzt, Erklarung der Krankheiten aus den "nberschussen 

bertihmt wie wenige andere seiner Zeitgenossen, der Nahrung. Aber es wird nicht von der Defi- 
ist er allmahlich der beriihmteste Arzt geworden. 50 nition des Korpers und seiner Einteilung aus- 

AUe iibrigen sind an Bedeutung hinter ihm zu- gegangen, es fehlt die Annahme von Winden, die 

riickgetreten. aus den "Dberschussen der Nahrung entstehen. So 

4. DerhistorischeH. und dieVer- weit sich die Biicher methodisch oder systema- 

anderungderH.-Auffassung. Die Bio- tisch beurteilen lassen, kann also keines wirklich 

graphie des H. gab nur wenig sichere Daten: die von H. verfaBt sein, keines stimmt mit seinen An- 

Lebenszeit, die Reisen, den Ort des Grabes. Die schauungen iiberein (gegen Deichgraber 

Zahl der Schriften wurde verschieden bezeichnet, 163). Die Schriften, die sich nach Methode und 

iiber die Lehre allein gesagt, daB er kein Em- System nicht zurechnen lassen, sind iiberhaupt 

piriker war (s.o.S. 1324, 60). Die Werke, die unter nicht identifizierbar, da die Biographie und die 
dem Namen des H. tradiert werden, sind fast alle 60 tJberlieferungsgeschichte keinen Anhalt geben. 

schon in der Antike bestritten worden. Keines H. ist mehr als ein bloBer Name, aber ein Name 

laBt sich also ohne weiteres als echt ansetzen, die ohne Werk. 

Bestimmung der Lehre des H. kann von seinen Die Anschauung des Platon und Aristoteles 

Schriften nicht ausgehen (s.o.S. 13 17,49). Die Zeug- von H. ist der Zeit und dem Wert der Zeugnisse 

nisse iiber die Methode und die Lehre, aiich iiber nach die historisch wahrscheinliche und richtige. 

die Praxis sind uneinheitlich. Die Bedeutung des Aber sie bleibt fur die spateren Jahrhunderte nicht 

H. in den einzelnen Jahrhunderten ist verschie- maBgebend. Die Bedeutung des H., die Vorstel- 

den, seine Stellung in der Geschichte der Medizin lung von seiner Methode, seiner Lehre, seiner 



1329 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1330 

Praxis andert sich. Wenn das nicht ein Gegen- schung der Natur der Dinge trennte, mit der sie 

beweis gegen die Gtiltigkeit der Platonisch-Ari- vor ihm verbunden war (naturae rerum contem- 

stotelischen Aussagen sein soil, so mu6 sich diese flatio QqIb. 18, 7) und nach ihrem eigenen Ge- 

andere Auffassung aus der geschichtlichen Ent- setz als selbstandiges Wissen konstituierte (Gels, 

wicklung verstehen lassen. Es besteht ja die 18, 13). H. ist kein Naturphilosoph, er reflektiert 

Moglichkeit, daB Platon und Aristoteles irrten, iiber das Objekt seiner Wissenschaft, den Korper, 

daB sie die Tatsachen interpretierend umdeuteten, er ist wissenschaftlicher Arzt im Sinne der alexan- 

daB man nach ihnen auf Grund besseren Materials drinischen Wissenschaft, deren Geschichte tiber 

und neuer Nachforschungen H. richtiger sah. Platon nicht hinausgeht. Darum ist H., den Pla- 

Die erste sichtbare Veranderung der alten H.- 10 ton nennt und mit dem er libereinstimmt, der 

Yorsteilung ist die Beurteilung seiner Leistung erste der Erinnerung werte medizinische Schrift- 

im Anfang des Hellenismus. H. wird mit Praxa- steller iiberhaupt (Gels. 18, 12f.; zur "Dberein- 

goras und Chrysipp als VoUender der Diatetik be- stimmung der H.- Auffassung des Celsus mit 

zeichnet, die Herodikos begriindiete (s. o. S. 1324, Platon und Aristoteles s. o. S. 1325). 

60). DaB die Diatetik auf Herodikos zuriickgeht, Als Begriinder der wissenschaftlichen Medizin 

ist auch die Meinung Platons (Rep. Ill 404). "Db^r ist H. aber auch in den Streit iiber das wahre Prin- 

die Bedeutung, die H. ftir sie hat, sagt er nichts. zip wissenschaftlicher Forschung hereingezogen. 

Doch durch die trberlief erung der Aristotelischen Wie man Platon empirisch und skeptisch inter- 

Sehule ist H. als Diatetiker bekannt. Sein System pretiert, wie jeder die Autoritat der Friiheren, 
gilt als letztes der alten diatetischen Lehren, die 20 der Archegeten, fiir sich in Anspruch zu nehmen 

er umbildete, aber gerade dadurch fortsetzte. Doch versucht, geschieht es mit H. Die Empiriker be- 

die Diatetik, die im 5. Jhdt. durch Herodikos be-^ rufen sich ftir ihr neues System auf ihn, die Skep- 

griindet wurde, war in ihrer alten Art wie alles tikerbezeichnenihnalsSkeptiker (s. o. S.1321, 68). 

vor der mit dem Hellenismus beginnenden Epoche In der Auseinandersetzung der Empiriker mit 

zur Vollendung gekommen. Als Lehrer des Hero- ihren Gegnern konstituiert sich das ganze Werk 

philos und Erasistratos, der Begriinder der alexan- des H., der tiber alle Gebiete der Medizin schreibt, 

drinischen Medizin, sind Praxagoras und Chrysipp sie verfassen um die Mitte des 2. Jhdts. die ersten 

notwendigerweise die Meister des ausgehenden Gesamtkommentare (s. o. S. 1313). Mit der Me- 

4. Jhdts.; H. aber hatte nach Platon die richtige thode muB sich auch die Lehre des H. andern. 
Methode der Erkenntnis befolgt, die dann ver- 30 Selbst die Dogmatiker sehen sie anders als Platon 

mittelt durch die Platonische und Aristotelische und Aristoteles. Man findet jetzt in seinen Schrif- 

Philosbphie die Grundlage der alexandrinischen ten eine Saftelehre, die sich schon auf die Kennt- 

Wissenschaft wurde. Darum ist H. ftir die ge- nis der GefaBe des Korpers grtindet, welche dann 

schichtliche Betrachtung der einzige Arzt seiner ftir die alexandrinische Medizin entscheidend 

Zeit, der nach ihrem Urteil wichtig sein kann. wichtig ist. Galle und Schleim, Stoffe des Kor- 

Nur mit ihm stimmte Platon uberein, nur ihn pers, und nicht die Ernahrung verursachen die 

nannte er ausdrticklich. Im AnschluB an die Pla- Krankheiten; mit der von auBen kommenden Luft 

ionische Darstellung, aber auch bestimmt durch zusammen ist die aufgenommene Nahrung nur 

ihre eigenen Wertungen schreibt die peripate- nebenbei fiir die Entstehung von Krankheiten be- 
tische Forschung tiber die Philosophen vor Sokra- 40 stimmend. So wird dem Aristoteles mit der glei- 

tes und die, die mit ihm zusammen lebten (vgl. chen Freiheit widersprochen, mit der auch sonst 

W. Jaeger S.-Ber. Akad. Berl. 1928, 390S.; die frtiheren Lehren der jetzt herrschenden An- 

iiber die Auffassung des Parmenides und das fur schauung akkommodiert werden (im Menon-Papy- 

das spatere Altertum so bestimmende Pythagoras- rus selbst, s. o. S. 1324, 1 9). SchlieBlich entdeckt man 

bild der Akademie, 395). In gleicher Weise ist in den Schriften des H. die Pneuma-Lehre, die zur 

die Anschauung tiber H. bestimmt. Indem er Herrschaft kommende stoische Anschauung (Gal. 

neben Praxagoras und Chrysipp gestellt wird, ist XVII B 521 K.; zwar werden die Stoiker von Galen 

die Geschichte der Diatetik von der Zeit ihrer Be- nicht ausdrticklich als diejenigen bezeichnet, die 

grtindung bis zur Vollendung Itickenlos erf aBt. dem H. diese Anschauung zuschreiben, wie D i 1 - 
H. ist junger als Herodikos und nach der Tra- 50 1 e r Gnom. IX 73, 1 betont. Aber sie haben doch 

dition sein Schtiler, er ist eine Generation alter das Interesse daran, daB H. ihrer Meinung ist; 

als Chrysipp und Praxagoras, der wieder nach der auch war in dem Zusammenhang der Galenstelle 

Tradition sein Schtiler ist (E del stein 126 gerade vorher von ihnen die Rede), 

versuchte, die von ihm dargestellte Veranderung Als die wissenschaftliche Gesinnung des Hel- 

der H.-Vorstellung allein aus der Einwirkung lenismus verloren geht und sich die neue philo- 

koischer und knidischer Uberlief erung auf die ale- sophisch-rhetorische durchsetzt, wird die alte Tra- 

xandrinische Medizin zu erklaren, die durch Pra- dition nicht etwa aufgegeben, sondern nur anders 

xagoras und Chrysipp gegeben ist. Man wtirde verstanden. So wird auch H. neu interpretiert. 

dann aber erwarten, daB in der Geschichte der Der Platoniker Galen begreift ihn wie Platon 
Diatetik auch ein knidischer Arzt genannt wird), 60 selbst im Sinne naturphilosophischer Lehren des 

Damit ist H. zum erstenmal neben zwei ande- Poseidonios. Der wahre Arzt ist Philosoph (Gal. 
ren Arzten ftir die Medizin reprasentativ. Als sich script, min. II Iff. on 6 agiotog latQog nal (p do- 
die Geschichte der alexandrinischen Medizin nach oo(pog). Darum ist H. nicht mehr der Begriinder 
der Bildung der groBen Schulen tibersehen laBt, der wissenschaftlichen Medizin durch Abkehr von 
steht H. allein am Anfang der ganzen medizini- naturphilosophischer Spekulation, durch rationale 
schen Wissenschaft. Arztliche Eunst gab es immer. Erkenntnis und Einteilung des Korpers, er ist 
H. aber begrtindet die wissenschaftliche Medizin, der beste Arzt gerade durch die Erforschung der 
indem er sie von der PhiliDSophie, von der Erfor- Elemente der Welt und des Korpers. In ihm sieht 



1331 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1332 

man den Archegeten dieser Medizin wie in Pla- Diatetik, Gynakologie, Deontologie. Der Form 

ton den Archegeten der ihr zugrunde liegenden nach sind es fertig gearbeitete Biicher, Sammlun- 

Philosophie (vgl. Galen 718qI tcov Ttad'' InjioKQaxrjv gen von Notizen, Keden und Kompendien (Uber- 

Ttal nXdrcova doyfj,drcov ed. Mueller 1874). Galens sicht iiber die Werke Littre 292 — 439, kiirzer 

Auffassung aber wird fiir alle spateren Jahrhun- PJdelstein 160 — 178). Die Aufgabe ist, durch 

derte mafigebend. stilistische Untersuchungen die Datierung der 

H., wegen der Klarheit und tlberlegenheit Schriften sicherzustellen, durch Interpretation 

seiner Erkenntnis von Platon bejaht, der bei ihm der Systeme die inhaltlichen Beziehungen zur vor- 

die richtige Anschauung wissenschaftlicher Me- sokratischen Philosophie zu klaren, durch Beob- 

thodik wiederfindet, von Aristoteles geschatzt, 10 achtungen derDialektverschiedenheiten die sprach- 

wird fur alle der einzige Arzt, der Griinder der liche Herkunft der Biicher zu erschlieBen und so 

Heilkunde, der grofite Mediziner aller Zeiten (s. o. wenigstens Gruppen nach ortlicher Zugehorigkeit 

5. 1299), well die Geschichte der griechischen Bil- zu scheiden (wie es Regenbogen Symbola 
dung durch Platon bestimmt ist. Wie das pla- Hippocratea, Berl, 1914 zuerst tat, dazu D i 1 1 e r 
tonische Werk die Biicher aller Friiheren ver- Gnom. IX 78). Eine solche Untersuchung der 
drangt, von den Vorsokratikern nur Namen, Frag- Schriften ist zwar moglich (so f ormuliert auch 
mente bleiben, steht schlieBUch am Anfang der Mewaldt die Aufgabe, DLZ 1932, 263); fiir 
Medizin das Werk des H. AUes andere geht ver- die Hippokratische Frage aber kommt sie nicht 
loren. Die Veranderungen der H.-Vorstellung in Betracht (Literatur zu den einzelnen Schriften 
sind nicht Widerspriiche der versehiedenen Jahr- 20 s. o. S. 1290 in den allgemeinen Nachschlage- 
hunderte, die die Richtigkeit der platonisch-ari- werken, die sie gesondert verzeichnen). 
stotelischen Angaben widerlegen, sie sind viel- Doch bleibt das Problem, warum die Tradition 
mehr ihre organische Umbildung. diese Biicher als Werke des H. bezeichnet. Man 

5. Die Bedeutung der sog. Hippo- meint, die Schriften seien den Alexandrinern als 

kratischen Schriften; der Namedes Hippokratisch verkauft worden und triigen darum 

Corpus Hippocraticum. Wenn wirklich den Namen des H. (Mewaldt Gnom. Ill 143. 

Platon und Aristoteles die richtige tJberlieferung Wellmann Herm. LXIV 16. Mewaldt DLZ 

iiber System und Lehre des H. geben, ist kein 1932, 262). Aber diese Annahme macht Schwie- 

Werk des sog. Corpus Hippocraticum echt. Man rigkeiten, obwohl Falschungen von Biichern in 

kann sich nicht vorstellen, dafi diese Biicher von 30 alexandrinischer Zeit sicher sind. Denn Falscher 

H. geschrieben und publiziert wurden und wie die batten nicht Werke als Hippokratisch verkauft, 

Werke anderer Autoren des 5. Jhdts. nach Ale- die untereinander keinen Zusammenhang haben 

xandria kamen, um von dort aus weitertradiert zu und in denen sich zahlreiche Verweise finden, die 

werden. Die Veranderung der H.-Vorstellung ware nicht erfUUt werden. Jeder sieht auBerdem so- 

an sich moglich, auch wenn es ein festes, klar fort, wie uneinheitlich die Sammlung ist (so schon 

umrissenes Werk des H. gegeben hatte. Die Biicher Littre I 262 gegen eine solche Hypothese). 

des Platon und Aristoteles sind erhalten und wer- Auch wiirde man gerade bei einer Falschung er- 

den doch interpretierend immer in einem anderen warten, dafi die Ansichten des Platon und Ari- 

Sinne verstanden. DaB aber alle Werke des H. stoteles iiber die Methode und das System des H. 

bestritten werden, daB die Meinungen, die H. 40 in den Schriften wiederkehren. 

nach Platon und Aristoteles vertritt, in den sog. Niemals sind aber die Schriften alle als Werke 

Hippokratischen Schriften iiberhaupt nicht vor- des H. gesammelt worden, auch in Alexandria 

kommen, erlaubt nicht, sie fiir echt zu nehmen. nicht, das zeigt das Ergebnis der Geschichte der 

Die Biicher, in sich verschieden und das ganze tJberlieferung (s. o. S. 1310). Es hatte eine feste 

Gebiet der Heilkunde umfassend, sind die Reste Ordnung der Biicher, eine grundlegende Samm- 

der medizinischen Literatur des 5. und 4. Jhdts. lung und damit auch einen gleichmaBig geform- 

V. Chr. (Littre I 241. Daremberg Journal ten Text gegeben, wenn etwa das Corpus Hippo- 

des Savants 1852, 45 7ff. G o m p e r z Griechische craticum in Alexandria publiziert worden ware. 

Denker2 1 227.. Fredrich 11, Dielsbei Gom- Von einer Sammlung des Corpus Hippocraticum 

perz 449. v. W i 1 a m o w i t z K. d. G. I 8; Die 50 durch die Alexandriner kann nicht die Rede sein 

griech. u. lat. Lit. u. Sprache 1905, 57). Kaum (gegen L i 1 1 r e 262). 

ein Buch der Sammlung ist jiinger (das 7. Epi- Auch hat man die Hippokratischen Schriften 

demienbuch datiert aus besonderen Griinden auf nicht etwa aus dem Besitz der koischen Schule 

das 3. Jhdt. Herzog Abh. Akad. Berl. 1928, oder der Familie der Asklepiaden gekauft, nach- 

6, 38). Zwar lassen sich die Schriften erst seit dem sie vorher nicht allgemein zuganglich waren 
dem 3. Jhdt. nachweisen, viele sind sogar erst (gegen Littr^ I 153. 263ff.). Denn dafi diese 
seit der Kaiserzeit bezeugt. Aber es findet sich in Werke umliefen und nicht etwa an einer Stelle 
ihnen keine Spur hellenistischer oder gar spaterer verborgen waren wie die Aristotelischen Schriften, 
Lehren, alle vorgebrachten Ansichten gehoren in bis sie nach Alexandria kamen, das beweisen die 
die Zeit vor Aristoteles (Littre I 200 — 241). Es 60 inhaltlichen "Dbereinstimmungen zwischen ihnen 
kann vielleicht bei einzelnen Werken die Ent- und Autoren des 5. und 4. Jhdts. (fiir Platon und 
scheidung noch anders ausf alien, im ganzen Aristoteles s. o. S. 1324, 11; fiir Sophokles P si - 
scheint diese Ansetzung richtig, chari Rev. de Philol. XXXII 97ff.; fiir Euri- 

Mit H. haben die Hippokratischen Schriften pides Daremberg Revue Arch(5ol. XIX 67ff. 

nichts gemein. Nicht einmal Lehren finden sich und iiberhaupt H. Harries Tragici qua arte 

in ihnen, die der historische H. vertrat. Dem usi sint in describenda insania, Kiel 1891; fiir 

Inhalt nach handelt es sich um die verschieden- Thukydides Cochrane Thuk. and the science 

sten Werke iiber Atiologie, Prognostik, Chirurgie, of history, dazu Regenbogen S.-Ber. Akad. 



1333 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1334 

Heiidelb. 1934, vgl. DLZ 1934, 907). Waren nicht jede schriftliche lufierung selbstverstandlich ge- 

diese Biieher im Umlauf gewesen, so miiBte man worden, nachdem einzelne selbstbewuBte Autoren 

sich andere Schriften gleichen Inhaltes denken, die schon f riiher ihren Namen an den Anfang von Wer- 

bekannt waren (so sehon Daremberg gegen ken gesetzt haben, die. Anspruch darauf erheben, 

Littre, Journal des Savants 1852, 457; es wiirde fiir alle Zeit zu gelten und zu bestehen (Deich- 

auch gegen Herzog Abh. Akad. Berl. 1928, graber 117,2 verkennt den Niveautinterschied 

6, 88 gelten). Und schlieBlich heiBt es, daB zwischen den Biichern der Hippokratischen Samm- 

es in Alexandria vom 3. Epidemienbuch eine lung und den Werken eines Hekataios und Thukj- 

Hs. gab, die sich in der koniglichen Bibliothek dides, wenn er mit dem Ausf all einer Sphragis am 
vorfand, also beim Erwerb der Bestande mit ge- 10 Anfang von Biichern wie n. ywaixslrjg q?voiog 

kauft war, eine andere, die als to ek rcov nXolcov rechnet. Ebenso Mewaldt, der glaubt, die Werke 

bezeicjmet wurde, offenbar, weil man sie Schif- die man den Alexandrinern als Hippokratische 

fern abgenommen hatte (Gal. XVII a 619 K.; da- verkauft habe, batten den Namen der selbstbewuB- 

zu Ed el stein 179, 1; die an der Galenstelle ten Verfasser getragen, die einfach entfernt wur- 

noch erwahnte nach Bakcheios durchkorrigierte den. Fiir viele, gar fiir alle Schriften kann man 

Hs. ist wohl erst nachalexandrinisch). das nicht behaupten). Es entspricht dem Zu- 

Um die Bezeichnung dieser Werke des 5. und stand, in dem die Werke erhalten sind, und ihrem 

4. Jhdts. V. Chr. als Hippokratisch zu verstehen, technischen Charakter am meisten, anzunehmen, 

muB man von der Bestimmung ihrer formalen sie seien anonym tradiert worden und anonym 

Struktur ausgehen. Viele der Bticher sind Notizen 20 nach Alexandria gekommen (so v. Wilamo- 

(e. g. Epidemien 2, 3, 4. V 72ff. 144ff. 266ff.); witz Homer.Unters. 3791; vgl.Fr edrich 11). 

manche sind Sammlungen medizinischen Mate- Als die Alexandriner von uberall her die grie- 

rials ftir die Praxis (e. g. Prorrhetikon I). Es chische Literatur zusammenbirachten, erwarben sie 

finden sich Auszuge aus groBeren Schriften (e. g. einzeln oder auch in Gruppen die Bestande der 

jtsQi yvvaixslrjg (pvoiog VII 312ff. L.), dann wie- sog. Hippokratischen Sammlung, die mit keinem 

der ist eine ,Schrift* die Zusammenstellung von Namen gekennzeichnet waren. 

Notizen und Eeden (e. g. uibqI cpvoiog av&Qwnov Es ist also das Wahrscheinliehste, daB die im 

VI 32ff. L., das zuerst in 9 zusammenhangenden Umlauf befindlichen Schriften des sog. Corpus 

Kapiteln die Natur des Menschen und der Krank- Hippocraticum etwa am Anfang des 3. Jhdts. 

heiten erortert, danach eine Aderbeschreibung und 30 anonym in die alexandrinische Bibliothek kamen. 

verstreute Notizen, schlieBlich eine Abhandlung Gegen Ende des 3. Jhdts. aber miissen nicht nur 

liber die gesunde Lebensweise bringt). Fast in einzelne sondern schon mehrere zusammen ediert 

alien Biichern finden sich Zusatze, wie schon die gewesen sein. Die Erklarungen des Euphorion 

antike Kritik erkannte, die selbst aus den fiir und Bakcheios zu Werken, die noch jetzt als 

richer echt geltenden Werken solche Einschiibe Hippokratisch erhalten sind, setzen zwar nicht 

aussonderte (e. g. Gal. XVII A 732. 204 K; selbst eine Ausgabe dieser Schriften durch Euphorion 

hex den Epidemien I und III). Besonders am und Bakcheios voraus (s. o. S. 1312), aber doeh 

SchluB der Werke nahm man Zusatze an (e. g. Ausgaben, in denen sie zusammenstanden, und 

jt, x(bv kv teeq^aXfj xQco/Lidtcov und tisqI dialzfjg bei deren Lektiire man die Lexika verwandte; 

o^ecov, dessen letzter Teil ein Zusatz mindestens 40 Editionen mehrerer Werke zusammen gibt es je- 

schon aus der Zeit des Erasistratos sein soil, doch nicht anonym. Einzelne Schriften werden 

Galen CMG V 9, 1, 270, 19ff.). Mogen einige ohne Namen tradiert, Werke ohne Benennung sind 

Biieher in der Form erhalten sein, in der sie ur- nicht denkbar. An die Spitze einer Sammlung von 

spriinglich publiziert wurden, die meisten sind in Abschriften auf Steinen erhaltener Epigramme, 

tJberarbeitungen, in Abschriften, die beliebig er- die natiirlich keinen Namen trugen (v. W i 1 a - 

weitert wurden, in Zusammenstellungen erhalten, m o w i t z Textgesch. d. Lyriker, Abh. Gott. Ges. 

die irgend einem Menschen aus personlichen 1900, 36), tritt der Name des Anakreon. An die 

Griinden wesentlich waren. Diese schlechte Er- Spitze der anonymen medizinischen Schriften trat 

haltung entspricht dem Charakter dieser techni- spatestens jetzt der Name des H. Man hatte 

schen Literatur (v. Wilamowitz Einl. in d. 50 seine Werke in Alexandria nicht, aber fiir die 

Tragodie 129), die zum praktischen Gebrauch be- anonymen Schriften aus seiner Zeit, deren Ver- 

stimmt, von jedem beliebig abgeschrieben und fasser man nicht kannte, drangte sich der Name 

umgestaltet wurde. des H. auf, fur den man sich interessierte. Man 

AuBerdem aber muB man fiir solche Schriften glaubte, in den Biichern, die von der Lehre und 

von Begriffen wie geistiges Eigentum und Publi- Methode des historischen H. nichts enthalten, den 

kation in jener Zeit absehen (v. Wilamowitz H. wiederzufinden, den man sich jetzt vorstellte. 

122: ,Die Schriftenmasse, die nach H. heiBt ... Von Anfang an ist die Geschichte der Hippokra- 

versteht niemand, ehe er von ,. . . (diesen) uns tischen Schriften darauf gestellt, daB von auBen 

selbstverstandlichen Begriffen abstrahiert hat'). her eine Meinung iiber H. an die Biieher heran- 

Man schreibt solche Werke nicht fiir die litera- 60 getragen wird. Darum ist die Echtheitskritik 

rische Publikation. Es sind Nachschriften nach auch spater immer nur logisch (s. o. S. 1314), nie 

Keden, Hypomnemata und Abrisse, die man sich entscheidet in ihr ein Moment der Tradition (vgl. 

zu seiner Orientierung macht, ohne dabei zu fra- Edelstein 179). 

gen, von wem sie stammen oder bei ihrer Weiter- Man kennt den Namen des Mannes, der zuerst 

gabe darauf Wert zu legen, daB man sie selbst eine Sammlung der Schriften veranstaltete und 

verfaBt habe. Betitelung und geistiges Eigentum ihnen dann auch die Benennung gab, nicht. Denn 

sind Begriffe, die erst durch die attische Tra- die Annahme, es sei Euphorion gewesen (Edel- 

godie geformt werden. Sie sind allmahlich fiir s t e i n 148), ist nicht haltbar. Die Erotianstelle 



1335 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1336 

(5, 16ff.)» auf die sie sich stlitzt, ist so verderbt, vor allem fiir die prognostischen Bticher (fiber 

daB sich aus ihr nichts beweisen laBt, vielleicht zwei friihmittelalterliche Versionen des Progno- 

muB man in dem Zusammenhang, um den es geht, stikon Sigerist Arch, f . Gesch. d. Med. 23, 

eine Lticke annehmen (so mit Recht D 11 1 e r 87ff .). Dann sind die diatetischen Biicher wich- 

Gnom. IX 77). AuBerdem geht die Vermutung tig. Erst im 13. und 14. Jhdt. besteht ein Inter- 

davon aus, Euphorion habe ein Gesamtglossar esse fiir die chirurgischen Schriften (Sudhoff 

geschrieben (5, 161), im Gegensatz zu den ande- Stud. z. Gesch. d. Med. 11, 96 — 98). Nur eine 

ren, die nur einzelne Schriften erklarten. Die provencalische Anatomie nach H. und Aristoteles 

Worte ndaav iojtovdaos U^iv s^rjyrioao'&ai sind ist bekannt (Sudhoff 4, 42). Auch Angaben 
aber offenbar terminus technicus fiir ,jede Lesart 10 iiber Mittel des H. sind nicht haufig, obwohl es 

erklaren* im Gegensatz zu tag Xs^sig snl to not- ein Buch des H. Be viribus herbarum schon im 

votsQov rfjg ofiiUag ayayeiv (4, 23) ,schwere Les- 4./5. Jhdt. gibt (Sigerist 13, 16; vgl. Cas- 

arten erklaren'. Dieser tjnterschied bedeutet, daB siod. inst. div. c. 31, 1146ff. M.). Jedenfalls 

einige Erklarer wenigstens den Anspruch mach- wurde die Hippokratische Lehre fiir die Arzte zu 

ten, Wort fiir Wort zu kommentiereii, aridere sich einem Evangelium, von dem sie nicht abweichen 

nur einzelne Worte, die besonders wichtig waren, woUten (vgl. aber schon Celsus II prooem. 45, 

heraussuchten, wie Erotian spater selbst sagt (7, 22ff. Sen. ep. 443, 3. Gal. XVIII A 41 K.). 

Sff.) und wie auch das Galenische H.-Lexikon be- Die ,echten und unechten* Hippokratischen 

statigt (Gal. XIX 63ff. K.). Jedenfalls aber gingen Schriften werden noch im Ausgang des Altertums 
die Ausgaben nicht auf die alexandrinische Biblio- 20 und dann spater in Byzanz griechisch gelesen. Die 

thek zurtick, sicher wurden sie von verschiedeneh vielen verschiedenen Abschriften, die sich erhalten 

Seiten gemacht. Keine gewann wirkliche Autori- haben (s. o. S. 1313) zeigen, daB sie weit ver- 

tat, immer verschiedene Corpora waren im Um- breitet waren. Aber schon frtih spaltet sich auch 

lauf. Da es sich nicht um die Edition der tiber- von der Tradition der Originale eine tTbersetzungs- 
lief erten Hippokratischen Werke handelte, ist das literatur ab. Lateinische tlbersetzungen sind schon 

auch verstandlich. Niemals ist der ProzeB der im6. Jhdt. nachweisbar (Cassiod. Inst. div. cap. 31, 

Sammlung im Altertum zu einem endgiiltigen 1146f. M.; vgl. Cod. Ambros. gr. 108 saec. V/VI, 

AbschluB gekommen. Der Name Corpus Hippo- Rose Herm. XXV 113, vgl. W. Puhlmann 

craticum fiir alle diese Schriften ist nicht alt. Es Kyklos III 396. 404ff.). 

gab nur die Werke des H., die man fiir echt hielt, 30 Etwa um 800 sind aber auch schon fast alle 

eine Bezeichnung fiir die Schriften, die als Hippo- Werke des H. zusammen mit den Kommentaren 

kratisch galten (ra 7?r:7z:op(;^ar(wg Gal. VIII 890 K.). des Galen ins Syrische und Arabische tiber setzt 

Wenn aber anfanglich immer nur Telle der (A. Baumstark Gesch. d. syrischen Lit., Bona 

anonym nach Alexandria gekommenen Schriften 1922, 228. 231. Stelnschneider Die gr. 
als Hippokratisch ediert wurden, so miissen vlele Arzte in arablschen Dbersetzungen, Berl. 1891^ 

Schriften in der Blbliothek noch anonym zurtick- § 1 — 12. BergstraBer Abh. f. d. Kunde d. 

geblieben sein. Sie werden, nachdem es erst ein- Morgenlandes 17, 2). 

mal Werke des H. gab, einzeln herausgegeben Aus den arablschen "Dbersetzungen wird dann 

worden sein, mit oder ohne Nennung des Namens der Text der Hippokratischen Schriften im 
H. Einzelne Werke gehen ja immer anonym. So 40 11. Jhdt. noch elnmal ins Lateinische zuriickuber- 

war es auch moglich, daB wleder neue Anslchten setzt. Der erste, der das tut, ist Constantin von 

tiber Lehre und System des H. eine Sttitze in Africa, der Maglster orientis et occldentls novus- 

seinen Werken fanden. Dieser ProzeB geht bis in que effulgens Hippocrates (so eine frtihe Chronik 

die Xalserzeit welter, es finden sich in den In- von Monte Casslno, Sudhoff Arch, f . Gesch. d. 

dices der Brtisseler Vita aus dem 5. Jhdt. und in Med. 23, 298). Ihm folgen in Anknupfung an die 

den noch spateren Indices der Hss. Werke, die Schule von Toledo (vgl. tiber sie Rose Herm. 

vorher nlrgends nachweisbar sind. Darum 1st es VIII 327. T r a u b e Vorlesungen ll 87) Gerhard 

am einfachsten, anzunehmen, daB vlele wirkllch von Cremona, Burgundlo von Pisa, Pletro von 

erst in den spaten Jahrhunderten den Namen des Albano (vgl. H a s k 1 n s Renaissance of the 12tb 
H. erhielten. Die Philologie des 2. Jhdts. n. Chr. 50 Century, Cambr. 1927, 287. 295). SchlieBllch 

war noch bemiiht, fiir anonyme Literatur den tibersetzt Wilhelm von Morbecke den H. zwlschen 

Namen des Autors zu finden (vgL Athen. XVl 1260 und 1280, vgl. auch D. Campbell Ara- 

625 c. V. Wilamowitz Abh. Akad. Gott. bian Medecine and its influence on the middle 

1900, 37,4). So tat sie es auch fiir die Werke der ages, London 1926, I 12 — 18 zu den H.-Manu- 

medlzinlschen Literatur des 5. und 4. Jhdts. skrlpten; tiber hebralsche "Dbersetzungen aus dem 

V. Chr., bis sie alle, sowelt sie der Erhaltung fiir Arablschen und Latelnlschen vgl. Stelnschnel- 

wert befunden wurden, den Namen des Arztes der Die hebraischen "Dbersetzungen d. Mlttel- 

trugen, den alleln man aus jener Zeit noch kannte, alters, 1893, 657ff.). 

den Namen des H. (Gegen Dlller Gnom. IX H. ist also im Original und In Dbersetzungen 
73; s. 0. S. 1316.) 60 gelesen worden, und zwar uberall. Schon Cassio- 

IV. Nachleben in Mittelalter und dor empf ahl den Monchen die Werke des H. und 

N e u z e 1 1. des Galen zur Lekttire, well arztllche Hllf e ein 

1. Mittelalter. 2. Neuzelt. Tell ihrerPflichtensel (Inst. div. cap.,31,1146ff.M.; 

1. Mittelalter. Die Hippokratische Lehre vgl. auBerdem Cod. LIII 8 Bamberg, der H. und 

geht in der Form, in der sie Galen interpretlerte, Galen neben Cosiuas und Damlan, den christ- 

als ,Galenlscher Hippokratlsmus* in die mittel- lichen Helllgen nennt, Sudhoff Arch, f . Gesch. 
alterliche Tradition ein (vgl. 0. Temkin Ky- d. Med. 7, 233—235. 224, 237). Richer, ein Schti- 

klos IV 1932, Iff.). Die Arzte Interesslerten sich ler Gerberts von Fulda, reist 991 nach Chartres, 



1337 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippofcrates) 1338 

um die Aphorismen zu studieren (Richeri Historia hoig (hoamcog, aXV on rag anobet^sig avxov §s- 

IV c. 50). Aus Chartres sind auch sonst H.- §atag oqco, dia rovto yovv koi avxog knaivcb %bv 

tJbersetzungen bekannt (Liebesckiitz Die InnoKQaxriv (Script, physiogn. II 291, 11), so war 

Galeniibertragungen der Sutri-Schule, Vortr. der doch schon im ausgehenden Altertum H, ohne 

Bibliothek Warburg 1923/24, 121). Vom Abt jede Beschrankung derjenige, der andere lehren 

Ulrich aus St. Gallen, der 1204 stirbt, heifit kann (Comment, in Aristot. YI 341, 22). Er ist 

es, er habe die ganze Kunst des H. gekannt als Mediziner fiir den Philosophen so wichtig wie 

(MGH II 165, 37ff. Schon im 9. Jhdt. finden Archimedes als Mathematiker, Aristoxenos als 

sich irische H.-tTbersetzungen in St. Gallen [Bur- Musiker (II 2, 90, 23). Die vier Elemente waren 
s i a n Gesch. d. klass. Philol. I 28]). Wie sonst 10 da, bevor H. sie entdeckte, ebenso wie die Sterne, 

im 14. Jhdt. studiert man in Paris aller dings bevor Thales sie berechnete (XII a 109, 1), aber 

mehr Galen als H. (Cambr. Medieval hist. VI H. machte diese Wahrheit doch erst alien zu- 

573). Aber in Montpellier war H. so beriihmt, ganglich, er ist darum derjenige dem man folgt 

daB man sagenkonnteiH.olimCous nunc! Montpel- (vgl. Epiktet I 8, 111). Noch Albertus Magnus 

liensis (Daremberg Nouv. Biogr. generale 14, sagt: sciendum quod {Augustino in his quae sunt 

743), Und die Articella, zusammengestellt auch de Me et moribus plus quam philosophis creden- 

aus Hippokratischen Schriften nach der tlberset- dum est, si dissertiunt. sed si de medicina loque- 

zung des Constantin, ist in Salern, der Civitas returj plus ego crederem Oaleno vel Hippocrati et 

Hippocratica, sofort fiir den tagliqhen Gebrauch, si de naturis rerum loquatur credo Aristoteli plus 
fur den Unterricht, zur Prtifung und zur Promo- 20 vel alii experti in rerum naturis (Comment, in 

tion verwandt worden. Sie war in Frankreich, Sent. II Dist. XIII art. II ad 1, Opera XV paf. 137). 

Italien und Deutschland das ganze Mittelalter Der Glaube an die wissenschaftliche Autoritat 

hindurch grundlegend (Sudhoff Arch, f. Gesch. des H. verbindet sich zugleich aber auch mit Be- 

d. Med. 23, 296). wunderung seiner Einsicht in das Leben, seiner 

Aber nicht nur ftir die Arzte ist H. wichtig. menschlichen "Dberlegenheit und seiner Enthalt- 

Er ist fur alle, die sich mit medizinischen Fragen, samkeit: si velles bene comedere, non sustineres 

mit Physiologie beschaftigen, der Autor, den man iantam corporis debilitatem,; er antwortet: volo 

einsieht. Anselm von Canterbury will die Apho- comedere ut vivam, non vivere, ut comedam (R. 

rismen lesen, um aus ihnen zu lernen (Migne 1, Bacon Opera ined., ed. Steele, Oxf. 1920, V 7 — 9). 
35, 51; col. 1107 D. 1120 C). Thomas von Aquino 30 Es ist sprichwortliche Bezeichnung der Unmafiig- 

zitiert ihn in einer naturwissenschaftlichen Unter- keit, dafi man die Aphorismen des H. nicht be- 

suchung (Summa 14). Ja Honorius nennt als achte (Liber de recuperatione Ptolemaidae v. 338; 

Hauptvertreter der Physik nach Arat und Hygin Hugo v. Trimberg, der Renner, 9614). Denn nach 

den H. (de animae exilio et patria cap. 2, Migne H. ist evdsia f^rjxrjQ vycslag (Prokl. Inst, theol. II 

coL 1243 D), Grosseteste stellt H. neben Em- 84 Cr.; Hieronym. adv. lovin. II 5 — ^17). Aber 

pedokles (Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalt. die Gesichtsziige des H. zeigen doch Begehrlich- 

IX 278). Auch fur die Astronomie ist H. wichtig keit und Sinnlichkeit, wie ein Physiognomiker 

(vgl. Gal. XIX 529 K. und Augustin, I 212, 17). den Schiilern sagt, als sie ihm ein Bild des H. 

Dazu gehoren die Spekulationen uber die Zajilen. zeigen. H. weifi es selbst, aber er hat seine Natur 
Roger Bacon nennt H. in einer Erorterung tiber 40 durch Erziehung uberwunden: hoc est itaque laus 

die Krisen der Krankheiten und die Stunde der et sapiencia Ypocratis ex eius operibus quia philo- 

Konzeption ebenso wie in einer Auseinanderset- sophia nihil aliud est quam abstinencia et victoria 

zung liber die Aquinoktien (Opera 1 271. 273). Da concupiscibilium (R. Bacon V 165, 6). Es folgt 

Ptolemaios dem H. folgt, ist auch die mittelalter- daraus nur, dafi die Physiognomik bestenfalls 

liche Vorstellung von der Welt durch H. beeinfluBt tiber die sittliche Eignung des Menschen urteilen 

(vgl. F. Boll Stoicheia I 1914, 144). Selbst fur kann. Denn H. konnte der beste aller Menschen 

die Magie ist H. von groBer Bedeutung. Biicher nur durch seine iiberlegene Sittlichkeit werden, 

iiber die Auffindung des Steines der Weisen wer- die Physiognomic triigt (Albertus Magnus De 

den ihm zugeschrieben (tiber des H. Steinbticher quindecim problemat., Les Philosophes Beiges 
R i 1 1 e r Vortr. d. Bibl. Warburg 1921/22, 112). 50 par P. M a n d o n n e t Louvrain 1908, VII 39, 2; 

Der Ursprung der Alchemic wird auf Zoroaster, tiber die mogliche Verweehslung des H. mit So- 

Platon und H. zuruckgefuhrt (lat. tj'bers. arabi- krates vgl. Greenhill lanus I 854 und F o e r- 

scher Traktate bei B e r t h e 1 o t La chemie au s t e r Script, physiogn. Prolog. XIV tiber H. als 

moyenage, Paris 1893, 1, 301; ein syrischer Trak- Erfinder der Physiognomik nach Galen), 

tat der gleichen Zeit geht ganz von H. aus, II 37f . Diese Erzahlungen streifen schon die Legende. 

Zur Richtigkeit der Nennung des H. in diesem Im Mittelalter ist H. immer eine Gestalt der Mar- 

Zusammenhang vgl. noch das arabische Manu- chen. Schon Alkuin erzahlt von dem alten und er- 

skript des Octanes, Bibliotheque Nationale Paris, fahrenen H., der eine Frau vom Verdacht des 

972 bei Berthelot Introduction a Tetude de Ehebruches befreit (Migne CL 329; die byzanti- 
la chemie, Paris 1889, 217). 60nischen Fabeln gesammelt bei Herzog Kos I 

H. gilt also als eine allgemeine wissenschaft- 1932, Xlllff.). Diese Fabeln sind keine ,Nieder- 

liche Autoritat. Hatte Platon im Phaidros H. nur trachtigkeit der mittleren Zeit, bis ins 16. Jhdt. 

gelten lassen, weil seine Anschauung durch die treffliche Menschen wie Aristoteles, H. durch 

Untersuchung bestatigt wurde, hieB es noch spa- dumme Marchen lacherlich und verhaBt zu machen* 

ter: 'InnoKQarrjg [jlsv smbel^ag .., andvtcov a§io- (Goethe Samtl. Werke 42, 2, 525). Esspricht 

motoratog ion /naQrvg, dtig eTiifxaQxvQoixo xad'd- sich in ihnen nur die Nahe und Wichtigkeit des 

neQ evioig e'&og eoxlv xrjv xcbv doyfA,dxcov dXrj'&siav H. fur jene Zeit aus. 

iyo) de ovx d>? f^aQxvQc maxsvco xdvdQt xotg nol- Selbst fur die Kirche hat H. Bedeutung. Der 



1339 Nachtrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1340 

Heros H. war in der Einleitung zur CapsiQa Ebur- Mittelalters in Italien, Handb. d. Kunstwiss. 
nea umgedeutet in eine Gestalt der Offenbarung, 1924, Taf. VIII S. 204), so schreibt man denEid 
wie sie sich auch sonst in der christlichen Litera- des H. in Kreuzf orm (vgl. W. H. S. Jones The 
tur jener Zeit findet. Er hatte eine Schrift in das Doctors Oath, Cambr. 1924, 26f.). 
Grab mitgenommen, die dazu bestimmt war, von Es macht nichts aus, da6 die Magie H. an- 
Caesar gefunden und dann als d'eia iivoxriQia greift, weil er unfromm war und Gott ihm dar- 
weiter verbreitet zu werden (vgl. F. Boll Stoi- um keine Weisheit offenbart haben kann (Nico- 
cheiaI1914, 8, 136). Schon Mherwar dasMyste- laus v. Polen, Antipocras, Sudhoff Arch. f. 
rienhafte des Hippokratischen Stils von manchen Gesch. d. Med. 9, 40ff.; Neuausg. Diels S.-Ber. 
empfunden worden (L o b e c k Aglaophamos IlOAkad. Berl. 1916, 376ff.; Codex des 14. Jhdts. 
163; der v6[Aog IV 642 L. spricht ja von teletaC), in Atti della Eegia Accademia, Padova 25, 213ff.; 
wenn auch andere H. gerade als den Enthiiller des Codex des 15. Jhdts., Stud. z. Gesch. d. Med. 10, 
medizinischen Mysteriums auffafiten (Nikephoros 111). H. gehort wie wenige andere antike Autoren 
Gregoras Corp. hist, script. Byz. II 1256, 26). zum Leben des mittelalterlichen Menschen. Dar- 
Die Kirchenvater zitierten H. wie alle anderen um ist er auch einer der Heiden, die nicht in die 
Autoren (TertuU. de anima 15. 25. TheodoretV HoUe verstoBen werden (Dante Div. com. IV 
22). Dadurch kommen H.-Zitate in einem Gene- 143; vgl. die arabische Auffassung, nach der H. 
siskommentar (Angelomusvon Cuxeil, Col. 220A.). wie Homer, Sokrates und Platon ein Engel und 
Fiir den frommen Menschen trat natiirlich neben Prophet Gottes ist, der in den Himmel erhoben 
die versagende menschliche Hilfe der Beistand der 20 wurde, e. g. Roger Bacon V 272). 
Heiligen (Cosmas und Damian, ed. L. Deubner, 2. Die Neuzeit. Trotzdem H. mit dem 
47, 34; non E., non Asclepius rettulerunt, Novem mittelalterlichen Denken so eng verbunden ist, 
vitae sanctorum saec. 9 — 11, ed. Hercher, 1887, tritt er bis in das 19. Jhdt. an Bedeutung nicht 
V 327). Aber Jesus erscheint im Gleichnis als zurtick. Zwar beginnen Angriffe auf seine Lehre, 
geistiger H. (spiritualis Hippocrates, Hieron. man mu6 ihn verteidigen (Andrea Turino, Hippo- 
contra loann. hier. 38). Wie der beste Arzt selbst cratis et Galeni defensio de causis dierum criti- 
die Sektion der Toten wagte, um die Lebenden zu carum, Bologna 1543). Aber erst sehr viel spa- 
retten, stieg Christus zum Heil der Menschen in ter, erst am Ende des 17. Jhtds., erscheint das Buch 
die Holle (Euseb. hist. eccl. X 4, 11). H. und eines Arztes, das die Aphorismen des H. wider- 
Aesculap stehen Christus und Pantaleon gegen- 30 legt (Sinapius, Absurda, Vera sive paradoxa me- 
tiber, Christus ist der Urheber der hochsten Heil- dica quibus continetur tractatus de vanitate, falsi- 
kunst (auctor supremae medieinae, Fulbert von tate et incertitudine Aphorismorum Hippocratis, 
Chartres Migne 16, 1. 17, 1. 341 B). Es werden Geneva 1697, vgl. Gyory Arch. f. Gesch. d. 
die Mittel, dieH., der Mensch, gegen menschliches Naturwiss. 6, 132ff.). Bis dahin ist die wissen- 
Leid weifi, unterschieden von den Mitteln, die schaftliche Medizin mit ihm in "Dbereinstimmung. 
nicht von H. und Galen sondern vom Heiligen Auch die, die neue Lehren vertreten, halten sich 
Geist bereitet sind (S. Gerardi episcopi Scripta an H. Fernel erkennt ihn an, Baglivi, Sydenham 
Albo Carolinae 1790, 119). SchlieBlich stellt Bern- ,der englische H.* (vgl. D ar e m b e r g bei Didot 
hard von Clairveaux die Sekte Christi der Sekte XXIV 754ff.). Die chemische Medizin geht auf 
des H. gegentiber, um zu zeigen, daB man sich 40 H. zuriick (Leibniz Akademieausg. Reihe 2, 1, 
zwischen Diesseits und Jenseits entscheiden muB 178, 34: ,nomina quae nunc expertissimi viri Syl- 
(Migne CLXXXIII 1378). Ihm folgt Dionysius vius, Villisius aliique Hippocratis ipsio exemplo 
Cartusianus, ja er sagt, wie H. und Pythagoras in methodo medendi ita magno successo introdu- 
ihren Willen zum Gesetz der Schiller machten, cunt, ut ab his clavis medieinae pendere videtur*). 
musse fiir die Christen die Autoritat Christi hoch- Mit H., nicht mit Paracelsus beginnt die Ge- 
ster und sicherster Grund der "Qberzeugung sein schichte dieser Wissenschaft (Otto Tachenius 
{pro summa et certissima ratione auctoritas Ghri- Hippocrates chemicus, 1666). Und auch die groBe 
sti Opera omnia Tornaci 1909, XXVIII 432 d. medizinische Erneuerung im 18. Jhdt. geht auf 
XXXV 368 b). Wie H. eine Auswahl seiner Schii- H. zuriick (vgl. G o e t h e W. W. 28, 3381). 
ler traf, miissen es die Monche und Geistlichen, 50 Schon die Wiederaufnahme der klassischen la- 
die die Heilkunst der Seele lehren (Hieron. Migne teinischen Tradition veranlaBte eine neue Beschaf- 
XX I 268. II 866; diese Wendung klingt nach tigurig mit H. Campanella schreibt an Galilei, 
bei Erasmus Methodus ad veram theoL, hrsg. von um den Eigenwert der lateinischen und italieni- 
Holborn 1933, 151, 4. 180, 29). Wie H. den schen Kultur zu betonen: ,habet et Celsum Hippo- 
menschlichen Korper nach dem Grundsatz heilte, cratem suum Italia* (Galilei Opera XI 23), 
daB jede Krankheit nur durch das Entgegen- und Celsus verlieB sich ja vor allem auf die 
gesetzte zu bekampfen sei, soil Gott die mensch- Autoritat des H. Weil Vitruv verlangte, daB der 
liche Bitternis durch den Nektar und Honig der Architekt H. kenne, wenn er auch nicht ein 
Erkenntnis heilen (Hieron. 851). Der Gedanke dar- Arzt wie er sein konne und miisse, darum ist H. 
an, daB selbst Abraham, H. und Galen sterben 60 wieder fiir Ghiberti, der Vitruv als Vorbild 
muBten, wendet die Seele von dem siindigen Leben nimmt, ein Autor, den der Bildhauer und Archi- 
der Welt ab; am Tod des Platon, Aristoteles, H., tekt lesen soil (L. Ghiberti Denkwiirdigkeiten, 
Varro wird deutlich, daB der arme Fischer Petrus hrsg. v. Schlosser, 1912, I 7: ,non bisogna esser 
die Welt besitzt (Serlo von Wilton; Roger von medico come Ippocrate et Avicenna et Galieno, 
Caen, Manitius Gesch. d. lat. Literatur 909. ma bene bisogna aver vidute V opera di loro*; 
852). So findet sich selbst in einer Kirche das Bild III 66 wird H. neben anderen fiir die Anatomie 
des H. zusammen mit dem des Galen (Vitz- des Auges zitiert). Auch Albert! weist neben 
thum u. Volbach Die Malerei u. Plastik d. Aristoteles auf H. hin (De re aedificia IX c. 5, 9).^ 



1341 Nachtrage (Hippokrates) NacMrage (Hippokrates) 1342 

Dann aber gibt die Auffindung der griechi- suam tarn longa vita comprobavit et honestavit, 
schen Originale den AnstoB zu erneuter Ausein- vir cum prud-entia doctus, in experientia et obser- 
andersetzung mit H. (Ciriano von Ancona ent- vatione multus, non verba aut methodos captans 
deckt 1443 auch Schriften des H., vgl. G. Voigt sed nervos tantum scientiae separans et piopo- 
Die Wiederbelebung d. klass. Altert. 1893, 134 nens* (Hist, vitae et mortis 19. Opera II 145). 
— 136. "Ober die Verbreitung des grieehischen H.- Darum bringt er auch in der Naturgeschichte 
Textes H. Wenckebach Stud. z. Gesch. d. mehrere Beispiele aus den Werken des H., des 
Med. 14, 52—53). Die Lekture der eigenen descriptiven Naturforschers, wie er meint, der 
Schriften des H. wirkt wie eine Befreiung, nach- kein Vielwisser und darum ein Nichtswisser war, 
dem er jahrhundertelang vor allem in der Inter- 10 und sagt: ,primum est intermissio diligentiae 
pretation des Galen tradiert worden war. Der illius Hippocraiis cui utilis admodum et accurate 
griechische H. wird jetzt die Antoritat, die man moris erat narrativam componere casuum circa 
gegen die tiberlebte Form der mittelalterlichen aegrotos specialium, referendo qualis fuisset morbi 
Medizin anfiihrt. Ohne Antoritat ist ja Medizin natura, qualis medicatio, qualis eventus. atque 
nicht denkbar: ,male vero non nulli huic compa- huius rei nactis nobis iam exemplum, tam pro- 
rationi medicinam quoque philosophiam ac me- prium et insigne in eo scilicet viro, qui tamquam 
thesin miscere. nam Hippocrates, Galenus et Ari- parens artis habitus est, minime opus erit exem- 
stoteles erroris saepe convicti sunt. Euclidi non plum aliquod forinsecum ab alienis artibus pe- 
creditur quia dicit sed quia probat, quod secus tere; veluti a prudentia iurisconsultorum, quibus; 
est in legibus de divinis humanisque, ubi stat 20 nihil antiquius, quam illustriores casus et novas 
pro ratione voluntas* (Leibniz Akademieausg. decisiones scriptis mandare* (de dignitate et aug- 
Eeihe 6, 1, 294, 8fE.). Das darf nicht zu der lacher- mentis scientiarum, IV 2 Op. II 591). Noch Vo 1- 
lichen Naehahmung und Dberschatzung des H. t a i r e riihmt an H. die ruhige Beobachtung der 
durch die Irzte fiihren, die Affengesichte von H. Tatsachen, das Fehlen einer leeren Metaphysik 
und Galen (Benv. Cellini Tagebuch in Goethe, (Oeuvres compl. Paris 1879, XXV 153f.; vgl. XXI 
Sammtl. Werke 43, 237); aber mit Becht ist es 335). Diderot will in einer aufklarerischen 
das hochste Lob fur einen Arzt, ,ut in eo vetustis- Auseinandersetzung mit D'Alembert ein Gesprach 
simi ac sanctissimi Hippocratis anima ac ratio schreiben, dessen Teilnehmer H., Demokrit und 
esse videretur* (V a 1 e n t i n e 1 1 i III 3). Mit Leukipp sind (Oeuvres compl. XIX 321). Goethe, 
Recht sagt man von H. im Sinne des Galen: ,H. 30 der schon als junger Mensch ,die schone Hippo- 
primus omnium quorum scripta ad nos pervenere, kratische Verfahrungsart, wodurch sich, ohne 
omnium scientiarum omnium artium fundamenta Theorie, aus eigener Erf ahrung, die Gestalten des 
iecit neque unquam frustra verbum dicit (Gali- Wissens heraufgeben* bewunderte (W. W. 28, 9), 
lei Opera XII 54; vgl. zu dem Stilurteil Leib- schreibt spater: ,Ich habe auf diese Zeit die be- 
niz Akademieausg. Reihe 4, 1, 3, 16: ,venit in riihmte Abhandlung des H. de acre aquis et locis 
mentem masculum illud, breve et torsum et ipsa gelesen und mich iiber die Aussprtiche der reinen 
subtilitate cultum orationum genus, quo se Hippo- Erfahrung herzlich gefreut, dabei aber auch zu 
crates coUegit, quo Euclides astrinxit, quo Aristo- meinem Trost gesehen, dafi es ihm, wenn er hypo- 
teles cbntorsit quo admirabilis iure consultorum thetisch wird, gerade geht wie uns, nur mochte 
veterum in pandectis brevitas se diffudit*). 40 ich seine Hypothesen eher den Schiffsseilen und 

unsere Zwirnsfaden vergleichen* (a. 0. IV 10,. 

Entscheidender ist noch, daB die neue Zeit in 3611). 

den Schriften des H. wiederfindet, was fiir sie Aber auch inhaltlich bleibt die Lehre des H. 

selbst der Sinn ihrer Forschung ist: Experiment wichtig. Er erkannte den Zusammenhang aller 

und Erfahrung. Galilei, der zu einer von H. Dinge: ,Tous est conspirant (ovfzjivoia ndvtwv 

ausgehenden Schrift tiber Astronomic und Medi- comme disoit Hippocrate)*, erklart Leibniz; 

zin das Vorwort schreibt (Opera II 430), ver- (Monadologie §61; Natur u. Gnade§3 undofter). 

teidigt sich auf Angriffe dagegen, indem er sagt: Ja Berkeley meint: ,that attracting and repel- 

,che il signore Galilei si contentera d' aver per ling forces operate in the nutrition and dissolu- 
compagno Ippocrate* (IV 648). Zwar wird die 50 tion of animal and vegetable bodies in the doc- 

Autoritat des H. als Gegeninstanz angeftihrt: trine both of H. and Sir Isaac Newton' (Tha 

,perche questi medici non vogliono credere che works of Berkeley by Frather, Oxf. 1901, III 237, 

Ippocrate non T avesse ancor egli sperimentato vgl. auch to d'slov by H. and Sydenham 324f.). 

ne ora siamo in tempo da chiarsi con nuova In diesen Zusammenhang gehoren auch die Ge- 

perienza* (XI 390). Aber er verteidigt sie doch danken Her der s: ,Schon H. nannte die mensch- 

,amando di salvare V autorita di si grand uomo in liche Natur einen lebendigen Kreis, und das ist 

qualunque modo si puo* (XI 440). Denn die Auto- sie* (Sammtl. Werke, hrsg. von Suphan VIII 200) 

ritat des H. geht ja selbst auf Experimente zu- und ,Der Korper des Menschen, sagt H., ist ein 

rtick und bestatigt sich durch sie. Auch die Ex- Zirkel ohne Anfang undEnde: zwei Lebenspunkte 
peri^ente Bacons, die Zwang und Eisen der 60 gab er ihm doch, Herz und Haupt* (298). "Weil 

Natur sein soUen, sind eine bewufite Naehahmung alles miteinander zusammenhangt, ist der Mensch 

Hippokratischer Methoden (De dignitate et aug- ohne den EinfluB der Welt auf ihn nicht zu be- 

mentis scientiarum II 2 Op. I 500). greifen: ,Den groBen EinfluB des Klimas auf die- 

Im Zusammenhang mit dem Experiment ist Safte und Bestandteile, auf die Gesundheit und' 
der Wille zur Erfahrung gegeben. Bacon, im mithin auch auf die Bildung der Menschen, ware 
Programm der neuen Naturwissenschaft, spricht unnotig beweisen zu wollen, da H. und Platon, 

bei der Aufzahlung der lange lebenden Menschen Aristoteles und Galenus . . . sich so sehr dariiber 

von H* und sagt: ,medicus insignis artemque erklart haben' (IV 204). H. ist der Hauptschrift- 



1843 NacMrage (Hippokrates) Nachtrage (Hippokrates) 1344 

steller iiber das Klima (XIII 227) und ,das Ein- dem er Sokrates fiir die Menschheit ist, zeigt dem 

zige und Beste ist, daB man nach H.s Weise mit Arzt die Aufgabe, im Gegensatz zu H., liber den 

seiner scharf sehenden Einfalt einzelne Gegenden hinaus er ja auch hundert Mittel mehr weiB, zu 

klimatisch bemerke . . , Naturbeschreiber und sein in den Zeiten ,Arzt mit menschlichem Her- 

Arzte sind hier physicians, Schuler der Natur und zen* (269). Aber schon in der Antike hatte man 

der Philosophen Lehrer* (269). ja die Humanitat des H. empfunden: H, praefor- 

Uber die Philosophie hinaus aber hat H. Be- mans longe animos discentium ad huKnanitatem 

deutung als Vorbild des erkennenden und nach (Scribon. Larg. 2, 31L; yjv yaQ noQfj (pdav^Qcomr) 

Wissen strebenden Menschen. Man bewundert an naQsoxt ?iat (pdofts/virj CMG 1 1, 32, 9). So zeichnet 

ihm die Ehrlichkeit des Forschens, die eigene 10 Wieland im Zuriickgreifen auf alte Tradition den 

Fehler gesteht. Schon im Altertum erzahlte man groBen Kosmopoliten H., der den Abderiten sagt: 

davon (Gels. VIII 43, 3; Quint, inst. Ill 6, 64). Ja ,Ich bin weder ein Koer noch ein Athener, weder 

manche zeigten gerade an seinem Beispiel die ein Larisseer noch Abderit: ich bin ein Arzt' 

Grenzen der menschlichenErkenntnis (Sen., ep. 443, (Wieland Abderiten c. 8). Im Gegensatz zum 

15: quid ergo mirandum est maximum medicum deutschen Idealismus also erihnert sich die neue 

ac naturae peritissimum in mendaeia frendi). nationale Bewegung der franzosischen Revolution 

Durch das Eingestandnis der Fehler ist er aber an den Patrioten H.; Giordet malt ein Bild: 

das Vorbild der Wahrheitsliebe (Plut. moral. I Hippocrate refusant les presents d'Artaxerxes 

199, 1). Aber je beriihmter H. wurde, um so (ficole deMedecine, Paris 1792; vgl. RabeH. bar- 

weniger schien es zu ihm zu passen, daB er andere 20 baris operam negans byz. 1722). Seit Byzanz war 

aus Irrtum tausche oder gar selbst getauscht werde der patriotische H. vergessen (vgl. Niketas Cho- 

(Macrob. 509, 13: E. quoque ipse qui tam fallere niata, Corp. Script, hist. Byz. 767, 23, ebd. 650, 

tam falli neseitj vgl. auch Commentare zu H. II 14; auch Manuel Philas, Cam., Paris 1855 — 

207). Jetzt aber wird fiir Bayle, der gegeniiber 1857, I 434ff.). 

der H.-Legende kritisch ist und H. nur zusam- Das 19. Jhdt. aber brachte schlieBlich doch 

men mit Demokrit behandelt, H. gerade das Vor- eine entscheidende Abkehr von H. ,Alles, was bis 

bild der Wahrhaftigkeit (Dissertation contenant dahin in der Medizin gelehrt worden war, bezog 

le projet dictionaire, Rotterdam 1715, III 981, sich auf Qualitaten, selbst die latromathematici 

1052). Und in gleichem Sinne notiert L e s si n g, woUten mit der Mathematik nicht eigentlich er- 

der einmal scherzend schreibt: ,Sehen Sie, daB ich 30 klaren, sondern nur die innere Ordnung des Ge- 

den Aphorismus des H. besser innehatte* (Werke, setzes aussprechen; die Corpusculartheorie brachte 

Lachm.-Muneker XVIII 329), die Celsus-Stelle eben die Corpuscula summa samt ihrem Con- 

tiber H. in seinen Collectanea offenbar als Vorbild cursus schon als Qualitaten mit, ebenso der in- 

(XV 420 — 21). Auch Herder schreibt in einem fluxus physicus usw. Vollig also auf qualitativem 

Aufsatz iiber Bentlay, als er dessen Kontroverse Grund stand Alles, was seit H. tiber Medizin vor- 

mit Hemsterhuys behandelt: ,Dies . . , zeigt an, getragen worden ist, Aber diese Qualitaten waren 

welch hohen Begriff der Ehre Hemsterhuys in auch alle, mehr oder weniger, qualitates occultae, 

sich trug. . . . Wahr und schon sagt Celsus von und als solche gewahrten sie einerseits keine be- 

einem ahnlichen Gestandnis des H.: ,Leichte friedigende Einsicht und geboten andererseits 

Kopf e, die nichts in sich haben, lassen sich nichts 40 tiefere, miihsame Untersuchung, Befreiung aus 

nehmen; einem hohen Genius, und der noch nach dieser doppelten Not hot Brown* (L. Sachs an 

Hoherem strebt, ziemt, wenn er fehlte, ein gerades Herbart, Herbarts Samtl. Werke XVII 137). In 

Gestandnis seines Fehlers.* (Samt. Werke XXIV der mechanischen Medizin, in der mechanischen 

188). Und im 18. Jhdt. lernt man zugleich von Naturwissenschaft galtH. nichts. Keine der unter 

ihm illusionslose Einsicht in die Wirklichkeit. dem Namen des H. tradierten Schriften enthalt 

Herder sagt, nicht jeder Grieche sei schon und mechanistische Lehren. Man griff den Atheisten 

ideal gebildet gewesen: jBeiihnenwieallenthalben H. an (Triller Theologia Hippocratis, Venet. 

lieB sich die formenreiche Natur an der tausend- 1638; Gundling Otia Halae Sax. 1707). Man 

fachen Veranderung menschlicher Gestalten nicht versuchte einmal, seine Lehre dahin zu interpre- 

hindern und nach H. gab es, wie allenthalben, so 50 tieren, daB er wie Homer und Simonides die Un- 

auch unter den schonen Griechen miBf ormende sterblichkeit der Seele leugne (Petrus P o m p o - 

Krankheiten und XJheV (XIV 108). Im gleichen n a c u s De imortal. animae 1516, c. 8). Aber 

Sinne notiert sich L e s s i n g Bemerkungen des wie Descartes und Spinoza von H. nicht reden, 

H. tiber die Bildung des menschlichen Korpers konnte die Forschung des 19. Jhdts. die dyna- 

(Collectanea XV 369). Winckelmann, dem mischen Lehren des H. nicht anerkennen. 

kein Preis fiir' eine H.-Ausgabe zu teuer schien Niebuhr fand, es seien ,wegen der Verande- 

(vgl. C. J u s t i Winckelmann^ 1923, I 109), zeigt rungen der Natur in der Zeit, die aus den Fugen 

aus seinen Schriften, wie der Korper der Grie- geht, die Epidemien (des H.) ftir den Historiker 

<jhen wirklich beschaffen war (vgl. tiber die Nach- sehr wichtige Bticher* (Vortrage tiber alte Gesch., 

wirkung desHippokratischenEides im Erziehungs- 60 Berl. 1848, II 78). Dann wurde die Auseinander- 

programm des Wilhelm Meister E. Hoffmann setzung mit H. zum historischen Problem. Schon 

Neue Jahrb. 1929, 18ff.). ftir Littre, einen Schtiler Comtes, handelt es sich 

Damit wird die menschliche Personlichkeit des darum: ,de faire saisir le lien entre le present et 

H. tiberhaupt von neuem lebendig. Herder, der le passe (Einl. z. Ausg. I, XIV). H. war ein Ob- 
zur Menschenliebe ermuntern will, die, wenn sie jekt der Geschichtswissenschaft und der klassi- 
sein konnte, wahrhaftig mehr als Vaterlands- und schen Philologie geworden, die zur reinen Unter- 
Etirgerliebe ware, der den Philosophen seiner Zeit suchung und Edition seiner Werke tiberging, 

die Aufgabe stellt, mehr zu sein als Sokrates, in- nachdem sich die Schwierigkeit, ja die scheinbare 



1345 Nachtrage (Vlxeeov) Nachtrage (lulia Titi f.) 1346 

Unmoglichkeit gezeigt hatte, etwas Sicheres iiber die sprachliche Bezeiehnung eines solphen Doppel- 

ihn selbst zu wissen. [Ludwig Edelstein.] zoUpostens bringt anscheinend ein Weihestein 

oXneiov {oXxaiov, oXhiov). Hangt etymolo- aus Aquileia, den B r u s i n soeben in ^einen Scavi 

gisch mit sX^cco znsammen und bezeichnet ein di Aquileia (1934) p. 80 veroffentlieht hat (J. 212 

groJBes Gefafi nieht naher bestimmbarer Form. — 217): vil(licus) vect(igalis) Illyric(i) prae(posi' 

Hesych. s. v. nennt es einfach fAsyag HQaxYjQ, tus q(uin)q(uagesimae = 2 ^/o) station es 

XovxYjQ^ Phot. s. xaXKovq Xs^rjg, wie auch Poll. X utras q(u e) empori ... ampliavit et restituit, 

176 berichtet, da 6 es meist aus Bronze war und I. gehort somit in den Zug der via Claudia 

fiir Fliissigkeiten sowohl, als auch fiir trockene Augusta (OIL V p. 938. D e s s. 208), quam Drusus 
Stoffe verwendet wurde. DaB die oXjceia von be- 10 pater Alpibus hello (J. 15 v. Chr.) patefactis de- 

traehtlieher GroBe gewesen sein mussen, geht rexerat, munit (n. Kaiser Claudius) ab Altino 

aus Athen. XI 472 e und 480 a hervor, wo sie usque ad flumen Danuvium; vgl. iiber diese 

neben anderen groiSen GefaBen genannt werden. StraBe H. N i s s e n Land und Leute Italiens I 

Goldene, mit Sd;be gefiillte oXxsta hatte Antio- 163f.; die Meilensteine dieser Strafie erheben sich 

chos Epiphanes fiir die Teilnehmer an den Gast- dadurch, daB ihre Meilensaulen anscheinend stets 

mahlern und Wettkampfen aufgestellt (Athen. V die voile Lange des Baues und nicht die jeweils 

195 c. X 439 b. Polyb. XXXI 4, 1). erreichte Meilenzahl nennen, sichtlich in die Reihe 

[v. Lorentz.] monumentaler Erinnerungen. I. fallt aller Wahr- 

vQXV* ^it diesem aolisehen Namen wurde ein scheinlichkeit nach auf das heutige Dorf Nauders, 
WeingefaB bezeichnet (Poll. VI 14. Hesych. s. v.), 20 nordlich unterhalb der Wasserscheide zwischen 

das zwei Henkel hatte und dem Pi2<og ahnlich ge- Inn und Etsch, unterhalb also des Reschen-Scheid- 

wesen sein soUte. Dem scheint die Angabe des ecks, iiber dessen Lage Cartellieris SkizzeYI 

Isid. (orig. XX 6) zu widersprechen, daB die vqxV AufschluB gibt. 

eine Art Amphora war, wenn auch die Form des Eine Hauptstiitze dieser Bestimmung ist einer- 

fil?iog nicht genau bestimmbar ist. Die friiheste seits der Ortsnamen, dessen geschichtliche Vari- 

Erwahnung der vqxv 'l>ei Aristoph. Vesp. 676 anten Schneller 1 131 verzeichnet (besonders 

(vgl. auchi die iSchol. z. d. St.). [v. Lorentz.] beachtenswert sind die Formen Nodrio und Nu- 

Ix'd'va. Insehrift einer schwarzgefirniBten Dek- ders), ander seits Nachrichten iiber regelmaBiges 

kelscMssel aus der zweiten Halfte des 5. Jhdts. Dbernachten auf der Strecke zwischen Landeck 

V. Chr. (Hackl Miinohn. Arch. Stud. f. Furt- 30 und Meran auch in Nauders; vgL Alois Schulte 

wangler 54f.), die sich jedoch nicht auf dieses Gesch. des mittelalt. Handels und Verkehrs zwi- 

GefaB zu beziehen braueht. Die Richtigkeit der schen West-Deutschland und Italien I (1904) 504. 

Annahme von P f u h 1 (Mai. u. Zeichn. I § 43), Nur referierend und ohne Versuch eigener Auff as- 

daB die mit Fischen luad Seetieren bemalten Tel- sung kann ich erwahnen, daB Pater H o p f n e r 

ler zum Teil so genannt worden seien, ist mog- in einem anscheinend sehr beachtenswerten Arti- 

lieh, aber nicht ibewoisbar. [v. Lorentz.] kel der Festschrift der Stella Matutina I (1931) 

Inutrion, nur durch Ptolem. Geogr. II 12, 4 182 I. als *Ino-dur40'n, d. h. Innburg, Inndorf 

inmitten einer ziemlich geschlossen aussehenden (von duron =^ Turm, SchloB)' deutet. Der meines 

kleinen Gruppe von Ortlichkeiten Vindeliciens Wissens neueste Traktat von Herm. v. Ts c h i g g- 

genannt, , die mit Augusta Vindelicorum h. 40 f r e y Nauders (1932), eine anscheinend fleiBige 

Augsburg beginnt, iiber Abudiacum h. Epfach Arbeit mit guten Abbildungen, kann leider nicht 

und Cambodunum h. Kempten lauft und mit als Forderung der I.-Frage angesehen werden. 

MidovXXov (von dem wir nichts wissen, aber [Wilhelm Kubitschek.] 

F 1 u s s hat trotzdem Bd. XV S. 117 dieses Schlag- (Flavia) lulia Titi f. 

wort behandelt) und Ivovxqiov endet. Fiir diesen I. Name und Titulatur. Das eigent- 

letzteren Ort gibt Ptolemaios 32° 50 Lange und liche, der Tochter des Kaisers Titus Flavins Ve- 

45° 30 Breite an, was irgendwie gegen Suden spasianus zugehorige Gentile Flavia kommt nicht 

der Landschaft Raetia Vindelicia und an die vor; die Prinzessin heiBt immer nur lulia (vgl. 

Grenze Italiens fiihrt. Auch sind bisher in der ClaudiaOctavia Bd. Ill S. 2894). Seit der 

fiir I. allein in Betracht kommenden Gegend (nicht 50 Verleihung des Augusta-Titels durch ihren Vater 

wie der 'alteste unserer Interpreten, R e g i o - erscheint sie auf Miinzen und inschriftlichen Denk- 

montanus, glaubte: Landshut, also nordost- malern aus der Zeit des Titus und Domitian als 

lich von Miinchen) nachst dem Reschen-Scheideck- lulia Augusta, bzw. lovXla Se^aoxri (vgl. die 

Pafi (1494 m ii. M.) keine bedeutenderen Boden- Miinzen E c k h e 1 VI 365f . C o h e n 1 463. 465^.; 

funde gemacht worden. Trotzdem wird Walter griechische Miinzen aus Makedonien und verschie- 

Cartellieri Die rom. AlpenstraBen iiber den denen kleinasiatischen Stadten, wie ApoUonideia, 

Brenner, Reschen-Scheideck und PlockenpaB (= Assos, Pergamon, Smyrna, Temnos, Thy^teira, 

Philol. Suppl. XVIII 1 , 79f .) jeden Zweif el daruber vgl. C o h e n 468. Imhoof-Blumer Kleinas. 

zerstreuen, daB I. sich trefflich in das Bild des Miinzen I 48. II 508. M i o n n e t Descr. de med. 

im J. 47 angelegten, 350 Millien langen, wich- 60 III p. 28 nr. 168. p. 225 nr. 1260. 1261. IV p. 7 

tigen tJberlandweges einfiigt und sich fiir eine hr. 40. p. 156 nr. 893. Suppl. V p. 431 nr. 947. 

^oUstation eignet, die allerdings bis nun nicht Act. Arv. 3. Jan. 81. 3. Jan. 87). Der Name ihres 

belegt ist; aber sie wtirde sich gegeniiber Maia Vater s ist nicht immer beigefiigt; der offizielle 

(s. d.) fiir die Einhebung der 2V2^/o Steuer bei Titel lautete wohl: lulia Imp(eratoris) T(iti) f(i' 

der Ausfuhr aus Italien so trefflieh eignen, ,wie uns lia) Augusta (vgl. Cohen 465) oder lulia T(iti) 

«olche DoppelzoUposten diesseits und jenseits der Imp(eratoris) fjilia) Aug(usta), vgl. Act. Arv. 

grenzscheidenden PaBhohe bereits an der Pon- 1. Oct. 81, oder lulia Aug(usta) T(iti) fil(ia), vgl. 

tebba- und PlockenstraBe entgegengetreten sind'; CIL IX 2588 (Triventum, heute Trivento). X 1632 

Pauly-Wissowa-Kroll Suppl. VI 43 



1347 Nachtrage (luHa Titi f.) Nachtrage (lulia Titi f.) 1348 

(Neapel). Na^h Titus' Tod heiBt I. entsprechend: dem er nicht gut stand (vgl. Plin. epist. IV 9^.2). 

Divi Titi Mia (Cohen 466f. CIL V 4313 Brixia, Zu der Verwaisten und Verwitweten (also spate- 

heuiQBiescm :Iulia[e] August [ae] Divi Tit [miiae] stens nach 89, vgl. Kappelmacher 2615) 

Trumplin[i] et Benaeens[es]), In den acta der unterhielt er dann offene Beziehungen und I. 

Arvalbrtider ist I. ganz gleich bedacht wie der nahm fast den Rang einer Gemahlin des Kaisers 

Kaiser Domitian und seine Gattin Domitia, was ein (vgl. Henzen Act. fratr. Arv. 1. 1. Dio 

vota pro salute et incolumitate und Opfergaben ep. LXV 18, 1. Zonar. XI 19 p. 58 Dind. r^ 

betrifft (Henzen Acta fratr. Arv. CVII. CXI. abelq)ibfj lovMq, ovvfjv anaQaTcalvmcog wg ya- 

CXVIf.). Nach ihrer Konsekration durch Domi- i^sxfj), nachdem Domitian seine Gattin Domitia 
tian erscheint I. auf Miinzen, die laut Aufschrift 10 (i>g inl fA^otxdq. entlassen hatte; nachher versohnte 

in Domitians 15. Consulatsjahr, also 90 n. Chr., er sich auf Verlangen des Volkes mit Domitia, 

gepragt worden waren, auf einem von zwei Ele- setzte aber dessenungeachtet sein Verhaltnis mit 

fanten gezogenen carpentum mit Zepter und I. fort. Ephesus hatte die ,Hochzeit* des Kaisers 

Zweig (Cohen 467 nr. 19. 466 nr. 9. 10, vgl. mit Opfern gefeiert; der Philosoph und Magier 

E c k h e 1 p. 366). Ihr Titel lautet nun Diva lulia Apollonius von Tyana, der die heilige Handlung 

Augusta, so auf den in den J. 90 — 94 gepragten zufallig mit ansah, soil geauBert haben; c5 vv^ 

Konsekrationsmlinzen (E c k h e 1 a. 0.). In Aecla- twv jidXac Aavat8cov,<bg ^/a ^o'&a (Philostr. vit. 

num (Aeculanum) in Samnium wurde die Inschrift ApoU. VII 7). Bei Johannes von Antiocheia wird 

einer sacerd(os) flam(inica) Gantria P(ublii) fil(ia) die Kaiserin Domitia mit I. verwechselt, d. h. fiir 
Longina (CIL IX 1153, vgl. IX 1165) der Diva 20 eine Tochter des Kaisers Titus gehalten (FHG IV 

lulia Pia Augusta, zugleich der Mater deum und 579f. 107). Die frevelhafte Verbindung sollte die 

Isis Regina, gefunden. I. hieB nach ihrer Kon- Ursache des friihzeitigen Todes der ungliicklichen 

sekration diva lulia Augusta (vgl. E c k h e 1 a. 0. Prinzessin werden, coactae conceptum a se abigere 

Martial. IX 1, 7), Livia, die Gattin des Augustus, (Suet. Dom. 22, vgl. Plin. epist. IV 11, 6; cum 

dagegen diva Augusta, Offizielle griechische ipse' — sc. Domitianus — fratris Rliam incesto 

Schmeichelei gab der Kaisertochter den Ehren- non polluisset solum, verum etiam occidisset: 

titel I'ea "H^a (BuU. hell. IV 1880, 396); ob die 7ovA/a nam vidua abortu periit), Paneg. 52 wird Domi- 

Hafisiva SePaoTY}, die hier vom bfjfjiog von Hali- tian als incestus princeps bezeichnet, vgl. 63. Do- 

karnaB geehrt wird, mit I. identisch ist, bleibt mitian, der die lex lulia de adulteriis et stupro 
freilich sehr zweifelhaft. DaB I. das Cognomen 30 oder de pudicitia erneuert hatte, zwang I. nichts- 

Sabina gefiihrt hat, ist nicht wahrscheinlich (vgl. destoweniger, die Folgen des tragicus concubitus 

E c k h e 1 365. PIR II 82). zu beseitigen (luven. II 291., vgl. W. H 6 h 1 e r 

II. L e b e n. L ist die Tochter des Kaisers Die Cornutus-Scholien z. ersten Buche der Satiren 

Titus (T. Flavins Vespasianus iunior, vgl. Bd. VI luvenals, Jahrb. 1 Philol. Suppl. XXIII 397; 

S. 2698) und der Marcia Furnilla (vgl. Milt- tiber den Gegensatz zwischen den von Domitian 

n e r Bd. XIV S. 1606f.) splendidi generis, mit erlassenen Sittengesetzen und seiner eigenen Le- 

der Titus in zweiter Ehe vermahlt war; nach bensfiihrung vgl. v. Domaszewski Gesch. d. 

der Geburt der Tochter trennte er sich wie- rom. Kaiser II 159f.). Ein zu erwartender Sohn 

der von ihr (Suet. Tit. 4, 2). I.s Geburtsdatum des Kaisers wird von Martial mit vergilischem 
stimmt nach Sueton (Tit. 5, 2) mit dem Tag der 40 Pathos begriiBt (VI 3, If., vgl. Verg. Aen. I 288; 

Einnahme Jerusalems (2. Sept.) uberein; ihr eel. IV 49. 60ff. Tibull. IV 1, 68); das Gedicht 

Geburtsjahr ist unsicher, liegt jedoch nach der ist jedenfalls auf die bevorstehende Niederkunft 

obigen FeststeUung jedenfalls vor 70. I.s Oheim der Domitia zu beziehen. I. (diva) erscheint als 

Domitian (geb. 51) verschmaht die ihm von sei- verklarte Schutzgottin des erwarteten Kindes 

nem kaiserlichen Bruder selbst angetragene Ver- (Martial. VI 3, 6: ipsa tibi niveo trahet aurea 

bindung mit der Mchte (Suet. Tit. 9, 3), da er die pdllice Ma / et tdtam Phrixi lulia nebit ovem), 

von ihm entftihrte Domitia Longina geheiratet Spatestens im J. 90/91 muB I. gestorben sein, 

hat (Suet. Dom. 1, 3. 22; vgL Stein Bd. V nach den bereits in diesem Jahre gepragten Kon- 

S. 1513ff.). I. wird mit T. Flavins Sabinus, dem sekrationsmtinzen (s. o. S. 149). Aus der Tat- 
Sohne des Stadtpraefecten Flavins Sabinus, des 50 sache, daB I. in den vota der Arvalbrtider vom 

Bruders Kaisers Vespasian, vermahlt (vgl. Stein 3. Januar 90 nicht erwahnt ist, darf man noch 

0. Bd. VI S. 26141 Kappelmacher Bd. VI nicht (mit Weynand o. Bd. VI S. 2573) 

S. 2611). Im J. 82 war T. Flavins Sabinus cos. schlieBen, daB sie im J. 88 oder 89 gestorben sei. 

ordinarius mit Kaiser Domitian; nach Sueton Beigesetzt war die Kaisertochter in dem von Do- 

(Dom. 10, 4) lieB Domitian ihn im J. 90 oder 89 mitian an der Stelle seines Geburtshauses auf dem 

(vgL Weynand Bd. VI S. 2573) toten, weil Quirinal erbauten templum gentis Flaviae (vgl. 

ihn der Herold irrtumlich vor dem Volke nicht Mart. IX 3, 12. IX 20). Dort wurde sie gottlich 

als Consul, sondern als Imperator ausgemfen verehrt, vgl. Martial. IX 1, 6ff.: Dum voce sup- 

habe. Domitian war auch sonst dem gener fratris plex dumque ture placabit / matrona divae dulee 
(Suet. Dom. 12, 3), unter dem gewiB niemand 60 luliae numen, / manebit altum Flaviae decus gen- 

anderer als Flavins Sabinus verstanden werden tis e. q. s, 

kann, miBgunstig, ja neidisch gesinnt (Suet. a. 0. III. A u B e r e s. Die Munzportrats (Cohen 

Dio Chrys. or. 13, 1, vgL v. Arnim Leben u. I465ff. B e r n o u i 1 1 i Eom. Ikonogr. II 2 S. 43ff . 

Werke des Dio v. Prusa 228. Herm. XXXIV 363. Taf . XV. XVI; Munztaf. 2 nr. 5—8. I m h o o f - 

XXXV 130). Das Sprichwort ,Cherchez la femme* Blumer Portratkopfe auf rom. Munzen S. 8 

scheint hier am Platze zu sein. Domitian ver- Taf. I nr. 27) zeigen durchwegs den fur die fla- 

fuhrte die ehedem Verschmahte nach ihrer Ver- vische Haarmode bezeichnenden Lockenaufbau 

ehelichung, noch bei Lebzeiten ihres Vaters, mit oberhalb der Stirne, aber geschmackvoUer, weni^ 



1849 Nachtrage (lulia Titi f.) Nachtrage (Korinthos) 1350 

ger steil und weniger steif, als auf den sonstigen Braccio nuovo des Vatikans befindliche weibliche 

Frauenportrats bzw. -biisten der flavischen Zeit Bildnisstatue (Bernouilli Taf. XV S. 45fE.); 

(ygl. Bernouilli Taf. XIII. XIV. Heklex weder in der Haartracht noch in den strengen, 

Die Bildniskunst d. Griech. u. Rom. 236ff.). Auf matronalen Gesichtsziigen lafit sich auch nur die 

dem Hinterhaupt ist das Haar verschieden ge- geringste Ihnlichkeit mit dem bekannten I.-Typ 

ordnet (Lockenknauf, hoher oder tiefer Knoten, feststellen. 

Haarzopf). Das Gesicht zeigt die Ziige einer IV. NeuereLiteratur. Dessau PIR 

bliihenden Frau — fiir L kommt ja hochstens ein II S. 74 nr. 234* S. 82 nr. 281. D u r u y-H e r t z- 

Alter von 30 Jahren in Betracht — und laJBt sich berg Gesch. d. rom. Kaiserreichs II 162f. 
als tippig und edel zugleich bezeichnen. Diesen 10 Schiller Gesch. d. rom. Kaiserzeit I 2, 520. 

Typus lassen sowohl die Miinzportrats als auch 537f . v. Domaszewski Gesch. d. rom. Kai- 

die Plastiken erkennen. Eine dieser Plastiken, die ser II 159f. S t e i n Bd. V S. 1513ff. VI S. 2614f. 

I.s gewiB vorhandene Schonheit (ohne die Domi- Kappelmacher Bd. VI S. 2611 ff. Wey- 

tians Leidensehaft kaum denkbar ware) meister- n a n d Bd. VI S. 2549. 2555. 2573. 2593. 2698. 

haft wiedergab, wird von Martial mit iiber- [Gertrud Herzog-Hauser.] 

schwanglichem Lobe bedacht (VI 13): Quis te Suppl.-Bd. VI zum Art. Korinthos: 

Phidiaco formatam, lulia, caelo / vel quis Palla- S. 193, 30f. lies: Pausias. 

diae non putet artis opus? / Candida non taeita S. 197, 68 lies: Carpenter. 

respondet imagine lygdos / et placido fulget m- S. 199, 46 ist nachzutragen: 
"vus in ore liquor. / Ludit Acidalio, sed non manus 20 Quelle n. 0. Broneer Am. Journ. Arch* 

aspera, nodo, / quern rapuit collo, parve Gupido, XXXVII 554ff. (Siidstoa). A. Newhall-Still- 

tuo. I JJt Martis revocetur amor summique Tonan- well Am. Journ. Arch. XXXVII 605ff. (Graffiti 

Us I a te luno petat ceston et ipsa Venus. I. war des Kerameikos). G. P. Stevens Am. Journ. 

offenbar als Venus in einer Gruppe mit Amor dar- Arch. XXXVIII 55ff. (Peirene). E. C a p p s jr. 

gestellt, der sich den cestos um den Hals gelegt Am. Journ. Arch. XXXVIII 188 (Skulptur des 

hatte (vgl. F r i e d 1 a e n d e r zu V. 5. 6)* — Die Theaters). H. Cadbury Journ* Bibl. Lit. LIII 

bekannteste und reprasentativste Biiste ist wohl (1934) (MaceUum in Korinth). H. Mattingly 

die I. Titi im Thermenmuseum (vgl. Hekler Numism. Chronicle XI (1931) 229ff. (romischer 

238 a. Delbruck Bildnisse rom. Kaiser, Berl. Mtinzenfund). 

1914, T. XIV. SttickelbergDie Bildnisse d. 30 P e r i b o 1 o s. Hypothetisch bleibt die Bestim- 

rom. Kaiser u. ihrer Angehorigen, Zurich 1916, mung der friihromischen, wohl marktahnlichen 

Taf. 35). Die lulia-Biiste aus der Villa Ludovisi, Anlage, die dem Peribolos in der letzten Gestal- 

von Visconti mit Recht dem Typus der Mittel- tung in klassischer Zeit vorangegangen ist. Es 

bronzen zur Seite gestellt, ist mit der erstgenann- dtirften die Fragmente der wichtigen Inschrift 

ten Biiste ziemlich verwandt (vgl. Bernouilli (Cor. VIII 2 nr. 124), in der ein macellum und ein 

47). Zum gleichen Typus gehoren auch zwei (viel- [pijscarium erwahnt sind, aus dieser Gegend 

leicht drei) Florentiner Biisten (vgl. Bernouilli stammen und zwei Markte andeuten, die im 

481 Hekler 238b). Moglicherweise laBt sich 1. Jhdt. n. Chr. an der von den Propylaen an- 

in dem beriihmten, iiberaus anmutigen Frauen- fangenden ersten Strecke der AUee nach Lechaion 
kopf des kapitolinischen Museums (gefunden in40gelegen haben. Dem sog. Fischmarkt (s. o.), 

der Villa Casali bei S. Stefano Rotondo in Rom) dessen Anlage kaum vor der Flavierzeit existiert 

auch ein Portrat der I. erblicken (vgl. Delbriick hat, diirfte jedoch ein friiheres Forum piscarium 

Antike Portrats Taf. 39 b. 40. Hekler 244. schon in der ersten Kaiserzeit vorangegangen sein 

H e 1 b i g Fiihrer durch d. off. Sammlungen klass. und das wohl dem Paulus (1. Kor. X 25) vor- 

Altert. in Rom. IF 475); der schlanke Hals wiirde schwebende MaceUum mit einer friiheren Anlage 

diese Vermutung nicht ausschlieBen, sondern viel- des Peribolos zu identifizieren sein (Cadbury a. 0.). 

leicht nur auf groBe Jugendlichkeit der Dar- Zwischen dem Peribolos und der ersten An- 

gestellten hinweisen. Die Haartracht findet sich lage der Peirene wurde eine friih-archaische, einst 

auf Miinzen und geschnittenen Steinen bei I. und iiberwolbte Brunnenanlage entdeckt (Art and Arch. 
Domitia (vgl. DelbriickS. XLIX Taf. 59, 9. 50 1922, 192), als deren entfernten Prototypes K a r o 

62, 36. B e r n u i 1 1 i Miinztaf . II 5—8. 12—15). (Am. Journ. Arch. XXXVIII 126) die Perseia (s. 

Kaum anzuzweifeln als ein echtes Portrat I.s ist u. Art. Perseia) von Mykenai erkennen mochte. 

der beriihmte und schone Pariser Stein (Aqua- Peirene. Bei der Beriihmtheit der groBen 

marin oder Bergkristall) des Euodos (Cab. des Wasseranlagen K.s wie Peirene und Glauke diirfte 

m^d., Chabouilletnr. 2089. Furtwang- man leicht vergessen, daB es unter dem ganzen 

ler Arch. Jahrb. Ill 1888 Taf. 11 nr. 4. Del- Stadtgebiet ein weitverzweigtes Netz von Wasser- 

b r ii c k Taf. 59, 9). Der Kopf zeigt in feinster kanalen gibt, die irgendwo mit den groBen An- 

Ausfuhrung den oben beschriebenen Tj^pus der lagen in Zusammenhang stehen, und auBerdem 

eleganten Edeldame mit Diadem, Stirnlocken und eine Menge von runden, mit Stuck verkleideten 
Knoten, sowie zierlichem Hals- und Ohrenschmuck. 60 und mit FuBhohleiitreppen versehenen Brunnen, 

Das iippige Kinn und die ganz leicht geschwun- sowie Regenwasserbehalter, die in Anlage und Er- 

gene Nase lassen eine gewisse Ahnlichkeit zwi- haltung moistens iibertroffen werden von den Bei- 

schen Vater und Tochter erkennen. tJber sonstige, spielen in der korinthischen Faktorei Perachora 

mit einiger Wahrscheinlichkeit auf I. beziehbare (Payne Journ. hell. stud. LIII 280. K a r o 

geschnittene Steine vgl. Bernouilli 51f. Arch. Anz. 1933, 227ff.). 

Sicher nicht auf I. zu beziehen ist die 1828 Siidstoa. Siidlich dieser riesigen Stoa be- 

beim Lateran zugleich mit einer Titusstatue ge- fand sich eine Basilika in der Art der lulischen 

fundene und deshalb als I. Titi gedeutete, im Basilika. Dahinter nach Akrokorinth zu diirfte 



1351 Nachtrage (Kriegsrecht) Nachtrage (Kriegsrecht) 1352 

sich ein wichtiger, bisher noch nicht untersuchter turns nach der Bibel, den Kirchenvatem und den 

Stadtteil befunden haben. An der Stidwestecke Konzilsbeschliissen. 

Oder in der^ Westseite der Agora miindete wohl Der Gedanke, daB Krieg und Recht nichts 

der Hauptweg ein, der in das Stidviertel der Stadt miteinander zu tun haben, wird zu alien Zeiten 

und zu Akrokorinth fiihrte. vertreten. DaB Macht vor Recht gehe, hat Thuk. 

Heiligttimer und Kulte. Wo das V 89 die Athener im Melierdialoge ausfiihren 

Heiligtum der Leto gelegen hat, in dem Diodor, lassen, und VI 85, 1 kehrt diese Ansicht wieder. 

ein sonst unbekannter korinthischer Trierarch, Wir linden sie bei den Historikem, wie in Plut- 

ein Weihgeschenk aufstellte (Plut. de Herodoti arehos* Ljisanidros c. 22: d ravrrjg (sc. fxaxaiQag) 
malign. 870 F), ist nicht bekannt. DaB es in 'K. l{) xQaxwv ^SXriota tisqI yrjg oqcov diaUysraij und 

Windbeschw6rergab,erwahntHesych.s.dve(«o;tfoZtra«. Caesar: ov rov avxov onlcov xal vo/acov TcaiQov 

Aetopetra. Die besondere Lage (S. 194) Bivai. Dieser verzichtenden Auffassung gegenliber 

sowie der moderne Name legen die Vermutung wurde die Notwendigkeit des Rechtes betont. Die 

nahe, daB der Hugel Aetopetra vielleicht zu iden- Philosopheni und Rechtslehrer zeigten, daB ohne 

tifizieren sei mit der in der Aratosgeschichte er- RechtsorduTing keinerlei menschlieh^ Gemein- 

wahnten Stelle Ornis, westlich und auBerhalb der schaft bestehen konne. DaB selbst eine Diebes- 

Stadt (Plut. Arat. 20). bande ohne eine solche zxigrunde gehen miiBte, 

Museum. Zu einem Zentralhof mit nied- war ein seit Aristoteles beliebtes Beispiel, auf das 

rigen Portiken an zwei Seiten sind die Raume auch Polyb. IV 29, 4 zuriiekgreift. Cicero hat 
gruppiert: die Schatzkammer mit archaischen 20 sich rep. Ill 86 und sonst mit &eser notwendigen 
(Am. Journ. Arch. XXXII 489. XXXIV 450) und ^ Grundlage des Staatslebens befaBt. 

klassischen Skulpturen (Cor. X 117ff.), Silber- Das konnte einmal zum voUigen Verwerfen 

schatz (Am. Journ. Arch. XXXVII 448f.) usw., die des Kriegeis fiihren, besonders nachdem helleni- 

grofie Skulpturenhalle (Cor. IX passim. X 117ff. stische Philosophic aus dem Menschen an Stelle 

Am. Journ. Arch. XXXII 479. XXXIII 531 ff. eines ^c^ov noXitiKov ein ^coov hoivcovikov ge- 

XXXV 442ff. XXXVII 439), der Vasensaal mit macht und damit einen zwischenvolkischen Zug 

fast ununterbrochener Kontinuitat der Reihenf olge gebracht hatte. Wie denn etwa der Kaiser Mar- 

von der neolithischen bis zur byzantinischen Ke- cus VT 44, 6 erklart: nohg Tiol uiatQig wg fxev 

ramik (s. o.; dazu Am. Journ. Arch. XXXIII 523. 'AvrcovlvM fjioi rj Tcbfirj, wg ds avd-Qcbnco 6 TioofAog, 
XXXIV 442. XXXVI 512ff. XXXVII 570), dasSOunid Sen', ep. 95, 30 homieidia eompescimus et 

Zimmer mit den Funden des Asklepieions und singulas caedes: quid bella et oceisamm gentium 
den Inschriften des palaochristlichen Friedhofes- gloriosum scelus? . . . publice iuhentur vetita 
und der Arbeitssaal mit Inschriften und sonstigen, privatim. 

Gegenstanden. Der Katalog ist in Vorbereitung. Sodann begegnen wir auch hier dem Ver- 

[F. J. de Waele.] suche — vorher findet er sich schon in der chine- 

Kriegsrecht. Das K. umfaBt die Rechts- sischen Geschichte — , den Erieg durch eine zwi- 

satze, die zwischen Kriegfiihrendeni gelten. Es schenvolkische Rechtsordniung wenigstens zuriick- 

bildet einen Teil des V 6 Iker rechtes in neu- zudrangen, wenn nioht abzuschaffen. Das klas- 

zeitlichem Sinne. Uber ius gentium s. Bd. X sische Beispiel dafiir ist der iKonigsifrieden des 
S. 1218ff. Gern werden seine Satze auBerdem 40 J. 386 und der Brief des Perserkonigs Arta- 

naturrechtlich begriindet. ISTeben den etwa schrift- xerxes, der ihn diktiert. Es bietet alle Ziige eines 

lich aufgezeichneten Regeln kommen solche des Volkerbundes, wie auch wir ihn erlebt haben. Der 

Volkergewohnheitsrechtes in Betracht. Neben Perserkonig erklart selbst seine Entscheidung ftir 

wirklichen Rechtssatzen, die das Volkerrecht unter gerecht. Er ordnet die territorialen Verhaltnisse 

der Bezeichnung Kriegsgebrauch zusammenfaBt, nach seinen Wiinschen, atomifsiert vor alien Ddn- 

findet sich eine gewisse ttbung im Verhalten, die gen zu Persiens Gunsten durch Gewahren der 

rechtlich nicht festgelegte sog. Kriegsmanier. Freiheit auch an den kleinsten Staat die gesamte. 

Der schwache Punkt aUes K.s Hegt natiirlich Griechenwelt. Und schlieBlioh erklart er, sich im 

darin, daB mit Kriegsbeginn ziemlich willkiirlich Bunde mit denen, die den Frieden biUigen und 
Volkerrecht aufgehoben wind, wie etwa Grotius 50 halten, gegen die zu wenden, die etwa nicht er- 

formuMert: in hello omnia licere, qaue necessaria fiillen. Damit ist, das Schwierigste bei alien 

sunt ad finem belli. Doch wird kaum jemals unter Volkerbundsversuchen, sogar ein Machtfaktor ge- 

Menschen derart unbeschrankt Krieg geftihrt. schaffen, der nun auch 'die Durchftihrung des neuen 

Vielmehr bleibt zumeist doch den Kriegsnotiwen- zwischenrvolkischen Rechtes gewahrleisten soil, 

digkeiteott gegentiber ein bedeutender Rest Rechts- Wir horen bei Xenophon sehr genau, wie 

ordnung infolge der Forderungen der Menschlich- dieser Volkerbundsversuch ausging. Der zweite 

keit bestehen. Vor aUen Dingen auch darin, daB Sieger, Sparta, band sich nicht an seine Bestim- 

dem, der sich auf Kriegsnotwendigkeit beruft, das mxmgen, versnchte vielmehr nur den Frieden zur 

onus proband! zufallt. Eine zusammenhangende Sicherung seiner errungenen Stellung zu verwen- 
Darstellung des K.s aus dem Altertum ist nicht er- 60 den. Das lieB sich Theben nicht bieten, und so 

halten. Wir sind darauf angewiesen, die Ansich- griff man wieder zur Entscheidung durch Krieg. 

ten der Alten fiber das K. aus den einzelnen Be- Sonst hatte man noch das Mittel des Schieds- 

riihrungen bei den Philosophen, Rednem, Ge- gerichtes, und Thuk. I 85 laBt Konig Archidamos 

schichtsschreibern und schlieBlich aus den Juri- erklaren, daB man diejenigen nicht angreifen 

sten zu sammeln. Kleinere Zusammenhange finden diirfe, die bereit sind, ein Schiedsgericht ent- 

sich Cic. off. I 33 — 41 und im Strategikos des scheiden zu lassen, vgl. c. 140. Dieses Schieds- 

Onasandros an den unten angefiihrten Stellen. Da- gericht war nach I 115 in dem Vertrage auf 

zu kommen dann die Anschauungen des Christen- 30 Jahre vorgesehen worden, vgl. c. 144. 



1353 Nachtrage (Kriegsrecht) Nachtrage (Kriegsrecht) 1354 

Wir wissen allerdings gerade von der Staats- romischen Kaiserzeit hier imd da zur Ablehnung 

ethik der S'partaner durch! das Zeugnis des Thuky- des Kriegsdienistes durch die Christen gellihrt. 

dides, des X^nophon, des Aristoteles, des Polybios Doch verbot sehlieBlich die Kirche selbst die Ver- 

und spater des Plutarchos, da6 ilmen gerecht weigerung des Kriegsdienstes, so im Kanon 111 

schien, was ihrem Staate niitzte, ahnlich dem des ersten arelatensisehen Konziles. Die Kirehen- 

britischen ,right or wrong my country*: Thuk. vater, wie Ambrosius und Augustinns sprachen 

V 105, 4 TtQog oqpas [ihv avtovg xal ra kmxwQia sich fiir den Krieg ans. 

vofiifia nXeXoxa aQsxfj xQdbvxai usw. Lehrreich ist Man nnterschied den privaten nnd den offent- 

indieserBeziehungdie GfegeniiberstellungdesKal- lichen Krieg. Ersterer, die Fehde, hat re^htlieh 
likratidas nnd des Lysandros bei Plutarchos, Lys- 10 nur noch seine Stelle bei der Notwehr oder wo 

andros nnd die Kennzeichnnng des letzteren c. 7, die Rechtshilfe voUig fehlt. Wo Rechtshilfe vor- 

437: khoKEi TtavovQyog elvai >cai (jo(pioxYjg, anaxaig handen ist, wird die Selbsthilfe vom CIC ver- 

xa TtoXla bioMOiKiXlcov xov TtoUfxov nal x6 dixaiov boten. Offeintliche Kriege miissen eigentlich von 

sTzl X(o XvoixeXovvxi izsyaXvvcov, el Ss fjirj^ xco ovfi- der hoehlsten Stelle im Staate ausgehen und ge- 

(psQovxi xQcbfjievog (bg xaX<p, nal xb dXrj'd'sg ov (pvosi wissen Anforderungen des Volkerrechts entspre- 

xov ipevdovg xgeixxov rjyovfjLsvog, aXl^ kxaxEQov xfj chen. Vgl. Xen. rep. Lac. 15, 2. Kahrstedt 

XQ8ia xYjv xifjirjv oqiCcov, 193ff. Die bekannteste Abweichung von dieser 

Gegentiber solchen unehrliehen Versuehen be- Voranssetzung ist Caesars Angriff anf die Helve- 
stand die Moglichkeit, den Krieg unter gewissen tier, auf Ariovistus, und auf die Usipeter und 
Bedingungen ftir rechtmafiig zu erklaren. Im 20 Tencterer, die Cato durch die Auslieferung Caesars 
Sinne der oben beriihrten Auffassung von der gesuhnt sehen wollte. Minder durchsichtig ist 
Notwendigkeit d^s Rechtes wurde der Krieg iR die RoUe Hannibals vor Saguntum. Wie die Kar- 
die Rechtsordnung einbezogen. Nicht mehr der thager ihren Peldherrn, so nimmt in den Philip- 
Krieg an sich ist unrecht, sondem nur derjenige, piken Cicero Decimus Brutus und Octavianus hin- 
der den Rechtsanschauungen zuwider lauft; vgl. sichtlich ihres Kampf es gegen Antonius in S'chutz. 
etwa Thuk. I 42. Dabei sind letztere freilich Rechts- und Maehtfrage sind dabei unlQsbar mit- 
stark von Zeit und Grelegenheit abhangig, aufier- einander verknlipft. Die gesetzmafiige hochste 
dem stark subjektiv. So halt z. B. noch Aristot. Spitze des iSttaates hat aueh das Recht tiber Krieg 
pol. I 8, 1256 b 27 einen Krieg gegen Barbaren und Frieden zu befinden, Aristot. pol. IV 4. Ab- 
fur ganz naturgemafi gerechtfertigt xfj noXsfxiHfi 30 hangige Gebiete batten also dies Recht nicht. 
dsl xQfjodai TtQog xs xa d^Qia Tcal xcov dv&QcoTicov Daher steUt der romisehe Konig bei Liv. I 38, 2 
0001 Tzstpvpioxsg aQxsod'ai [A,r} d-iXovoiv, wg <pvo8i fest: Estne populus Collatinus in sua potestate? 
bixaiov ovxa xovxov xov noXsfjiov. Er hat damit Dem eindringenden Feinde gegenuber ist 
aber freilich auBer den spateren Philosophen jeder zur Abwehr nach Moglichkeit verpfliehtet: 
schon Plat. rep. 2l62 d e gegen sich, wahrend die In reos maiestatis et publicos hostes omnis homo 
romisehe Staatspraxis wieder zu derartigen "Ober- miles est lehrt TertuUian. Aber nicht immer ist 
zeugungen zuruoklenkt. das Recht zum Kriegfiihren damit eindeutig ge- 

Ein Krieg gait ohne weiteres als gerecht, der sichert. Einmal ist der Angreifer keineswegs 

zur Verteidigung von Leben, Gesundheit und inmier der Veranlasser des Krieges, eine Wahr- 
lebenswichtigen Giitem gefiihrt wurde. Cic. de40heit, die in Unsedren Tagen zu langen Verhand- 

off. I 34 lehrt: cum sint duo genera decertandi, lungen tiber die Definition des Angreifers gefiihrt 

unum per disceptationem, alterum per vim, cum- hat und zu Abmachungen diariiber, wie z. B. im 

que illud proprium sit hominis, hoe beluarum, Londoner Abkommen vom 3./4. JuM 1933. Und 

confugiendum est ad posterius si uti non Meet sodann wird eine solch^ sehwierige Lage immer 

superiore, Danach darf also G^walt nur entschei- soviel Raum zu subjektiver Beurteilung bieten, 

den, wo das Recht der Notwehr zur Seite steht. daB immer Gelegenheit ist, das sophistische xov 

Auch Kaiser Marcus IX 9, 7 betont, daB die Ver- rjxxoy Xoyov xqsIxxo) noisiv zu uben. Alia enim 

nunftwesen selbst im Kriege Vertrage und Still- aliis et honesta est et probabilis causa armorum 

stande kennen. sagt der rhodische Gesandte bei Liv. XXXVII 54. 

Nach dem Naturrechte, wie nach dem Volker- 50 Daher verlangte man ndcht nur vom Diplomaten, 

rechte — wobei der Begriff allerdings unklar sondem audi vom Feldherm, daB er fiir einen 

bleibt — wurde der Krieg fiir solche Falle als verniinftigen Kriegsgrund besorgt war. Onasan- 

erlaubt betrachtet: Cicero hat de off. I 34. 41 ge- dros widmet das 4. Kapitel seines Buches vom 

radezu einen Abschnitt iiber Kriegsrecht iura belli Feldherm der Ftage IIsqI xov oxi dei xrjv dgxvv 

§ 34, bellica ofRcia § 41, eingefiigt. Er betont xov noXsfxov J| svXoyov alxlag sndysiv. Das Ziel 

§ 36 nullum bellum esse iustum, nisi quod aut dabei ist das Recht auf seiner Seite zu haben und 

rebus repetitis geratur aut denuntiatum ante sit die Gotter, vgl. Thuk. 11 74. Xen. Kyr. I 5, 13. 

et indictum. Ahnlich muB er sich rep. Ill aus- 14. Dion. Hal. II 72, 30, natiirlioh aber auch die 

geisprochen haben; vgl. § 34f. Ferner gehort offentliche Meinung, um nicht mit dem Odium 
hierher Di'od. XXX 18,, 2 ^caMTzsQ vofxoi, vgl. 60 des Krieges belastet zu werden. Ein splcher diplo- 

R. Hirzel jiyQaqpog vojuog (1900) 50, 2. lure matischer Feldherr war offenbar Hasdmbal, yon 

gentium ita comparatum est, ut arma armis pro- dem selbst Liv. XXI 2, 5 und 7 anerkannt: Has- 

pulsentur sagt Livius. Liv. XXI 6 unterscheidet bei drubal plura consilio quam m, vgl. c. 12, 6 mirae 

Hannibals angeblichen Kriegsvorbereitungen eer- aHis in sollidtandis gentibus. Cicero, der ep. ad 

tamen iuris und vis, Spater wurde aueh die Bibel fam. XIV 4, 14 auf die Aufgaben des Feldherm 

in diesem Sinne ausgelegt, wahrend andere die zu sprechen konwnt, sagt von sich, er habe be- 

Ansicht verfochten, isie lehne Krieg und Kriegs- senders durch aequitas et conUnentia die Ver- 

handwerk ab. Das hat in den Jahrhunderten der haltnisse 'gemeistert, quae nullis legionibus conse- 



1355 Nachtrage (Kriegsrecht) Nachtrage (Kriegsrecht) 1356 

qui potuissem. Zweifellos sind solche Wendxmgen springenden Kriegslust gedenkt auch Thuk. I 

jedierzeit auch gebraueht worden, um die Tat- 33, 3: (p6Pq> rep vfietsQcp TtoXefirjaeiovmg. Hier 

sache kriegerischen Vorgehens vor der Welt zu rat der kerkyraische Gesandte allerdings lieber 

verschleiern. 'Wahrend nun bei Kriegsbeginn der TzQosm^ovXsveiv als dvtsmPovXsvsiv. 

phjlosophisch gerichtete Histariker einen Unter- Der Krieg ist ein Hauptmittel Eigentum zu 

schied maeht zwischen tiefer Ursacbe und AnlaB, erwerben; daneben kommt Aneignung berrenlosei), 

so ist juristisch zu scheiden zwischen gerechtem Gutes umd Vertmg volkerrechtlich in Betracht, 

Kxiegsgrund und Vorwand. Der rhodische Ge- wie Cic. off. 1 21 ausfuhrt. Ferner erlaubt ear das 

sandte sagt Liv. XLV 22 zu den Romem qui ideo Selbstbestimmungsiecht zu wahren. Durch eine 
felicia bella vestra esse, quia iusta sint, prae 10 Niederlage dagegen kann Selbstbestimmungsrecht 

vohis fertis. und Eigentum verloren gehen. Die Verhandlun- 

Gereehte Kriegsgrunde sind Verteidigung, wie gen bei Thukydides, Xenophon, Livius bieten Bei- 

erwahnt, Wiedergutmachung umd Bestrafung. Die spiele, etwa diejenigen zwischen Rom und Kar- 

Romer pflegten, wie aus liv. I 32. IV 30 u. o. thago. Realpolitiker, wie die Spartaner, vgl. z. B. 

hervorgeht, in der alteren Zeit vor der Kriegs- die Kritik des Polyb. IV 27, 4ff., hatten gem 

erklarung Sohadenersatz zu verlangen durch die gelegentlich wehrlose Volker grunidsatzlich nicht 

Fetialen, s. o. Bd. VI S. 2259ff., die ebenfalls bei als selbstandig anerkannt; bei Pint. Ages. c. 35 

der Kriegserklarung wie beim AbchluB von Erie- macht ihnen aber der PriedenskongreB einen Sitrich 

den und Biindnissen in Tatigkeit trateu; s. z. B. durch diese Rechnung hinsiehtlich Messeniens, 
Liv. IX 5. XXX 43. Gell. XVI 4. Cie. off. I 36; 20 das damals, weil ohne Mauern, jedem Angriff aus- 

andete Formalitaten bei Kriegsausbruch erwahnt gesetzt lag. Per vim metumque gesta irrita sint, 

Gell. X 27, 3—5. Auch hatten die Eetialen laut Sen. contr. IV 8. IX 26, 

Liv. XXXI 8 und XXXVT 3 Zweifelsfragen bei Bei den volkerrechtliehen Verhandlungen gait 

diesen Staatsakten zu entsoheiden. Die Fetialen der Eid als bindend, auch wenn er nicht frei- 

scheinen erst mit dem Heidentum verschwunden willig geleistet war; es geniigt dafiir auf Cic. off. 

zu sein; zuletzt erwahnt sie Ammian. XIX 2, 6. Ill 92 hinzuweisen und 99 den Namen des Regu- 

Ablehnung findet der Praventivkrieg. Offen- lus zu erwahnen. In der Praxis sah das natiirlich 

bar hat die Sophistik dieses Problem behandelt. oft ganz anders aus: wir erinnem etwa an die 

Psychologiisch gehort hierher Gorg. B 11a (II Erorterungen, in denen die Abmachun^en von Cau- 
254, 3 Diels^) wore tmoXXdmg mvdvvov rov fjiiXkov- 30 dium bei Liv. IX 9 fiir ungiiltig erklart wurden, 

rog (wg} ovrog q)svyovoiv eKuihxysvrsg oder des- wobei in der Rede des Consuls Postumius noch 

seliben Zweifel an der vorh^rigen ErschlieBung die Scheidung der Begriffe sponsio und foedus 

der Zukunft B 11 (II 252, 15): ovte fmvreioaod-ai bemerkenswert ist. Letzteres war nur vom einheit- 

rb f^sUov svTioQcog sxsr Sore tibqI rcov nlsiorcoi^ lichen Trager der Staatsgewalt, also in Rom vom 

ol nlstoroi rrjv do^av ovfji^ovXov rfj rpvxfj ^olqs- Senate zu schliefien, von Einzelpersonen also nur 

Xovtai Oder Ajitiph. B 58: ^al iv (xlv r0 yeyevfja- in ausdriioklichem Auftrage; vgl. Liv. VII 16. 

'd'ai ovji svsotiv, iv ds rco fjisXXstv irdsxsrai xal ro Gell. XIII 15. Lysandros wurde sogar bewuBter 

/Lirj ysvead-ai. Thukydides warnt I 42, 2 davor, MiBbrauch des Eides vorgeworfen, Plut. Lys. c. 8. 

offene Feindschaft herbeizufuhren aus Besorgnis, 19. LieB sich naeh Caudium die sponsio immer- 
daB es spater sowieso dazu kommt; denn die Zu- 40 hin noch mit einem Schein des Rechtes verwer- 

kunft liegt im Dunkel, und es ist dem ganzen fen, so war das gegentiber den Numantinern 

Zusammenhange nach kritisch gesagt, wenn er eigentlich nicht mogHch; vgl. Cic. rep. Ill 28. 

m 82, 5 berichtet djiXoog rs o (pMoag rov fiiX- Veil. II 1, 4—2, 1. 

Xovra >ca7c6v ri dgdv sjtfjveTro. Dazu aber stimmt Menippus, der Gesandte des Antiochos bei 

Eurip. frg. 459 N. si ydg o^spisXXsv, dtg ov q)r\g, Liv. XXXIV 57 unterscheidet drei Arten von 

TcrdvEiv ndoig XQV^ ^a« or« (xeXXeiv, wg xQ^vog Froundschaftsvertragen: erstens ftir Besiegtenach 

naQrjXvd-sv. Die bose Absieht auf der anderen dem Diktate der Sieger, zweitens Vereiabarung 

Seite geniigt nicht, ihr damit zuvorzukommen. nach unentschiedenem Kriege und dtittens zwi- 

Klearchos betont die gleichen Anschauungen in sohen Staaten, die in Frieden miteinander leben. 
seiner Rede an Tissaphemes, Xen. an. IT 5, 5. Wir 50 Der Gesandte will offenbar den Anspruch auf 

finden sie auch bei den Romem vertreten. Cicero Gleichberechtigung gegeniiiber dem herrischen Vor- 

hat in seiner Rede fiir TuUius nach Quint. V 13, gehen der Romer betonen. 

21 dasselbe gesagt wie Euripides. Cato denkt so Was idie Formen der Staatsvertrage und des 

in seiner Rede ftir die Rhodier Orig. V, die Vertragsabsehlusses betrifft, so sei hier nur auf 

zu einem guten Telle bei Gellius erlmlten ist, v. S c a 1 a Die Staatsvertrage dfes Altertums, und 

VI (VII) 3,26: quod illos dicimus voluisse facer e, auf E. Taubler Imperium Romanum I: Die 

id nos prior es facer e occupabimus? undyeTw^Dd^t Staatsvertrage u. Vertragsverhaltnisse 1913 hin- 

alsbald in diosem Zusammenhang die oben ange- gewiesen. Der letztere hat auch in seinem Werk 

fiihrte Stelle des Euripides. Gellius selbst fiigt ,Die Vorgeschichte des zweiten Punisehen Krie- 
32 eine andere bemerkenswerte Auspragung des 60 ges* (1921) den Friedensvertrag von 241 und den 

Gedankens hinzu: Eominum autem vita non tarn Ebrovertrag von 226 in ihrer Beziehung zum Aus- 

iniquis neque tarn indomitis necessitatihus con- bruche des zweiten Punisehen Krieges behandelt 

scripta est, ut idcirco prior iniuriam facere de- und damit ein typisches Beispiel einer Kriegs- 

beas, quarrv, nisi feceris, pati possis, wozu wieder schuldfrage dargelegt. Bruch von Abmachun- 

Jiiv. in 65, 11 paBt cavendoque ne metuant, ho- gen, wie Thuk. II 5f., oder hinterlistige Aus- 

mines metuendos ultro se efHciunt, et iniuriam legung war natiirlich verpont, wie von Cic. off. 

a nobis repulsam tamquam aut facere aut pati I 39f., vgl. HI 92 und Liv. I 24, 7 die Vertrags- 

necesse sit, iniungimus aliis. Der aus Furcht ent- formel Sine dolo malo utique ea hie hodie rec- 



1357 Nachtrage (Kriegsrecht) Nachtrage (Kriegsrecht) 1358 

tissime intellecta sunt, Da,B dagegen volkerrecht- duces pertinere, wobei natiirlich die letztere 

liche Abmachungen nur ,rebus sic stantibus* gal- glimpflicher fahrt. S. a. Onasandros c. 28. 

ten, daran konnen Senecas Ausfiihrungen De bene- Der Gefangene, der. sich an! Gnade nnd Un- 

ficiis IV 35 erinnern, wo er schliefit: omnia esse gnade hatte ergeben miissen, wiirde bei Griechen 

debent eadem quae fuerint cum fromitterem, lit und Romern oft umgebracht, Bekannt ist das 

promittentis Mem teneas. Ein Beispiel vorsich- z. B. aus den Perserkraegien nnd von denen, 

tiger PoMtik bei Kriegseroffnung bringt Polyb. die in Rom im Trimnphe aufgeflihxt worden 

IV 26. Obwo'hl ftir die Verbtindeten alle Veran- waren; vgl. Thnk. I 30. HI 32. Xen. helL H 

lassung ist, gegen die Ranbziige der Aitoler vor- 1, 32. Pint. Lys. c. 13; s. auch c. 9. Piir den 
zugehen, gibt ihnen Konig PhUipp noch brieflich 10 romischeri Biirgerkrieg heifit es Tac. hist. HI 

anheim, vorzubringen, wenn sie einen gerechten 66 ganz treffend: moriehdum metis, moriendum 

Gegeneinwand haben. deditis. Sonst finden wir eiiie tTbergabe auf 

Beisondieren volkerrechtlichen Schutz geniefien, Bedingungen, z. B. Xen. hell. VI 2, 36, wo Mr 

auch bei primitiven Volkorn die Gesandten, wie die Mannschaften gleieh 'das Losegeld ins Auge 

Philipp II. an die Athener § 2 und Cic. de haru- . gefaBt wird, nicht jedooh fur den Fiihrer,^ der 

spicum responso 34, Liv. VIII 6, 7 beweisen. Sie offenbar nicht so billig davon kommen soil. Ihn- 

miissen jedoch vom Trager der Staatsgewalt aus- lich ist bei Thuk. IV 69 der Unterschied berich- 

gehen. Darum eifert Cicero gegen die Gesandt- tet, daB sich die Lakedaimonier auf Gnade und 

schaft an Antonius: Non enim cum Hannihale Ungnade ergeben miissen, wahrend fur ihre Bun- 
res est, hoste rei puhlicae, sed cum cive; s. auch 20 desgenossen Auslosung vorgesehen wird tJber die 

Liv. VI 37,45. Tac. ann. Ill 73; hist. Ill 80f., Auslosung s. Art, Xvtqov Bd. XIV S. 71—75. 

hierbei empfahl der Stoiker Musonius Rufus den Nicht ausgeloste oder ausgetauschte Gefangene 

Frieden. Im unentschiedenen Biirgerkriege haben wurden als Sklaven verwendet; sie konnten auch 

beide Parteien das Gesandtenreeht. Die Gesandten weiter verkauft werden, s. Art. Xvxqov o. 

miissen gehort werden, wenn kein Grund, sie ab- Bd. XIV S. 71 — 75. Genaue Besti-mmungen hin- 

zuweisen, vorliegt, s. Hannibal, Liv. XXI 9, 3 u. siohttich der Kriegsgefangensehaft kennt das 

10, 1, und diirfen nicht verletzt werden. romisehe Recht, s. Art. Captivitas Bd. Ill 

Anderseits darf eigentlich der Gesandte nicht S. 1555. Vgl. Onasandros e. 35 u. 36. 

auf Kosten der dignitas der utilitas nachjagen. Der Gefangene geriet mit der Gefangennahme 
Liv. CXLn 47 gibt dafiir ein Beispiel mit der Ge- 30 in den Sklavenstand, servitus, § 4. I. de iure pers. 

sandtsehaft des J. 171 an Perseus, die nur Zeit 1, 3. Starb er in der Gefangenschaft, so gait er 

gowinnen und Vorbereitungen treffen wollte. Die als Freier im Augenbliek der Gefangennahme ver- 

Geschichte vom Arzte des Pyrrhos und Fabricius storben nach der flctio legis Corneliae. Wer aus 

begegnet hier als Gegenbeispiel, wie auch sonst der Gefangeiiisehaft zuriickkehrt, tritt ohne wei- 

iiblicherweise, z. B, Cic. off. Ill 87 u. 88 gegen teres wieder in seinen friiheren Stand und seine 

Curios Ausspruch Vincat utilitas! Naheres iiber friiheren Rechte ein, ius postliminii. Als Zeichen 

die volkerrechtliche Stellung der Gesandten e. bei der Ergeibung zeiigt man Tac. hist. HI 31 vela- 

S. 'Cybichowski Das ant. Volkerrecht (1907) menta et infulas von den Maiiem von Cremona. 

93—100. Doch hat es auch zu keiner Zeit an Humanitat 

Brachte der Krieg nun auch Willkiir und Ge- 40 gegen Gefangene gefehlt; s. z. B. Val. Max. V 1 

walttat mit sich, so sollte dabei MaB gehalten Be humanitate et dementia 8ff. 

werden. Est enim ulciscendi et puniendi modus Wie hinsichtlich der Unverletzlichkeit der Ge- 

erklart Cic. off. I 33. Nur allzuleicht, fiihrt er sandten, so herrscht iiii Altertum auch daruber 

aus, kann wieder vergolten werden: parta autem Einigkeit, daB dem gefallenen Feinde das Be- 

vietoria eonservandi ii, qui non crudeles in hello, grabnis nicht versagt werden darf. Oft wird das 

non inmanes fuerunt, Nicht einmal der Feldherr geradezu als vofnog oiyQaq)og bezeichnet. Die Hi- 

soU nach Onasandros IV. alles anwenden, den storiker bieten tiberall Beispiele, wie nach dem 

Feind zu sehadigen, sondem die Rticksicht auf Kampfe, oft unter Vertrag, beiderseits die Toten 

das Ganze walten lassen, wie Onasandros in begraben werden. Doch unterblieb das auch ge- 
Gleichnissen ausf iihrt. Eine etwas kritischere 50 legentlieh, sei es aus Erbitterung, sei es im 

Beurteilung zeigt das pacem et concordiam metis Drange der Ereignisse. So haben wir Tac. hist. 

utilia, victoribus tantum pulchra esse bei Tac. Ill 70 die Schilderung des Leichenfeldes von 

hist. Ill 70. Cicero unterscheidet § 38 Kriege Bedriacum, vgl. 11 45, Welchen Wert man auf 

um die Existenz von solchen um die Macht: die Bestattung legte, geht aus der Literatur her- 

uter esset, non uter imperaret. In den ersteren vor, etwa Soph. Ai. 1332ff., oder das Schicksal 

geht man riicksichtslos vor. Aus Puldsamkeit in der Sieben gegen Theben mehrfach bei Isokrates, 

den anderen ist das romisohe Reich erwachsen. z. B. Panath. 168ff., (Lysias), Eipitaph. 7. S. Ona- 

Rom hat die besiegten Feinde darin aufgenom- sandros c. 36, 1. Val. Max. V 1, 1. 2. 11. 

men. Auch wer sich nach hartnackigem Wider- Die Frage, ob man dem Feinde auch durch 
stande ergibt, soil geschont werden. Caesar bell. 60 List schaden soil, wird im allgemeinen bejaht. 

Gall. II 32, 1 sagte Schonung der Stadt zu, si So schon bei Homer, bei ThukydideSj Xenophon 

priu$ quam murum aries attigisset, se dedidis- und Polybios. Die kriegswlssenschaftliche Lite- 

sent^ Cicero § 35 beftirwortet sie auch quamvis ratur kennt ganze Sammlungen von Erieg.&listen 

murum aries percusserit, Vgl. auch Val. Max. V atQarYjyrjfxata. Erhalten ist diejenige des Fron- 

1, 5. Wir haben hier offenbar den Widerschein tinus und die dos Polyainos; s. Art. 2tQatr]' 

eines bestimmten Kriegsgebrauches. Ein solcher yrjixara Bd. IVA S. 174—181. Nach Thnk. 

scheint auch Tac. hist. Ill 19 vorzuliegen: ex- II 39, 1 sind die anaxai ein Teil der militarisehen 

pugnatae urbis praedam ad militem, deditae ad Ausbildung, vgl. Xen. hell. I 6, 19 — ^21. 36. IV 



1359 Nachtrage (Kriegsrecht) Nachtrage (Kriegsrecht) 1360 

3, 13. Aineias c. 39. m. It. VII 265. Plut. wie vergiftete Waffen. Nach Strab. X 1, 12 haben 

Lys. c. 7 sub fin.; Fab. c. 7. Tac. hisit. V 23, 15, die ChaUddier und die Ereixier einst miteinander 

Anon. Byz. c. 6, 4. 19, 25. 26. Doch beschrankt vereinbart, keine Fernwaffen (rrjlspoloig) wider 

sieh die Erlaubnis der List eigentlich auf das einander gebrauehen zu wollen. Dagegen gait es 

militarische Gebiet. Bei den volkerrechtlichen fiir erlaubt, etwa das Trinkwassea: mit NieBwurz 

Verhandlungen soUte List ansgeschlossen sein. zu verderben, oder es abzuleiten. Nicht erlaubt 

Wir erwahnten schon aus Liv. XLII 46 die ro- war auch das Verletzen he-iliger Statten. Spion6 

mische Truggesandschaft an Perseus. So brand- {piaraoxoTiiovg) pflegte man naoh Appian nu toten. 

markt Polyb. IV 27 das Verhalten der Aitoler, Die Beseitigung feindlieher Fuhrer dureh Meuehel- 
die Krieg fiihren, scheinbar aber ohne Teilnahme 10 mord gait als ungehorig, wie das Val. Max. IX 

des Staates. Damit stindigen sie auBerdem gegen 6, 4 von dem Morde an Viriathus versichert. 

einen anderen volkerrechtlichen Grundsatz, da6 Der Besitz des Feindes, Bofestigungen, Hafen, 

namlich nur der regelrechte Soldat kampf en darf . Stadte, Schiffe, Friichte und ahnliche Werte, 

Das wird bei Cic. ofi. I 37 aus einem Briefe Catos unterlag jedem Zugriff und jeder Vernichtung. 

an seinen Sohn beleuohtet: Catos Sohn ist aus Auch die Heiligtiimer waren spater davon nicht 

dem Heeresdienste entlassen, aber noch beim mehr ausgenommen, wie sie auch von dem 

Heere: Monet igitur, ut caveat, ne proelium ineat; eigenen Volke zu Kriegsnotwendigkeiten benutzt 

negat enim ius esse, qui miles non sit, cum hoste werden konnten. Die Ausstattung der Tempel in 

pugnare. Hostes sunt, definiert Ulp. 1. 24, qui- Syrakus wanderte durch Marcellus nach Kom. 
bus helium publice populus Eomanus decrevit vel 20 Anderseits gaben die Eomer nach Val. Max. V 

ipsi populo Bomano: ceteri Idtrunculi vel prae- 1, 6 den Sicilianern die von den Puniern ent- 

dones appellantur. ftihrten Ausstattungen der Tempel zuruck. Vgl. 

Vom Kriege betroffen wird, anders als im Cic. Verr. IV 120ff., 84ff. Auch Grabstatten diir- 

modermen ideellen Volkerrecht — in WirkHchkeit fen nach romischem Reehte zerstort werden, je- 

ist eis oft anders — rechtlich nicht nur der Staat doch okie die Leichen zu versehren, wie Pom- 

und seine bewaffnete Macht, sondern auch jeder ponius und Paulus lehren. 

Staatsangehorige unmittelbar. Das lehren die Wie schon oben erwahnt, ist der Krieg ein 

Kriegsansagen der Fetialen bei Livius und bei reohtmaBiges Mittel des Erwerbs von Eigentum. 

Cincius de re militari 11 = Gell. XVI 4, 1, das Maxime sua esse credehant, quae ex hostibus ce- 
lehrt vielleiciht auch die Antwort des Agesilaois an 30 pissent, sagt Gaius Inst. IV 16 von den Romern 

Phamabazos Xen. hell. IV 1, 34ff. Nach Liv. und fahrt fort: tmde in centumviralibus iudiciis 

XXXIV 61 kannte man Repressalien, doch sehen hasta praeponitur. Das private Eigentum war 

hier die Karthager gegeniiber Ariston aus Tyrus nicht geschiitzt, jedoch das der Neutralen. 

davon ab, um nicht Repressalien der Tyrier gegen In Rom gehort die Kriegsbeute an sieh dem 

ihre Landsleute zu verursachen. Staate; s. Art. Manubiaeo. Bd. XIV S. 1361f. 

Formliche Kriegsankiindigung findet sich Doch kommt auch Verteilen an- die Soldaten vor, 

haufig, vgl. was oben uber die Fetialen gesagt wie Polybios berichtet, oder Verkauf der Beute 

ist, doch sagt Dio in seiner Rede an die Einwoh- und Verteilen des Geldes. War Pliinderung aus- 

ner von Mkomedia, die moisten Kriege begannen driieklich gestattet worden, so behielt jeder seine 
ohne Anktindigung; s. o. iiber fetiales. Sie konnte 40 Beute, wo damn gerade der tapfere Eampfer leicht 

mit Bedingungen oder der Riickforderung ent- zu kurz kam, daher die Bestimmung Xen. an. 

fremdeter Sachen verknupft sein, wie Liv. I 32, VI 6, 2. 

9f.; letztere hieB nach Plin. n. h. XXII 12 elari- Geriehtliche Klagen wegen Unterschleife bei 

gatio, s. Bd. Ill SI 2627, s. a. XXV 9. Das K. der Kriegsbeute waren in Rom an der Tagesord- 

deckt sodann die im Kriege begangenen Hand- nung; sogar ein L. Scipio wurde naoh Val. Max. 

lungen, wie Sen. ep. 95 bemerkt: Quae com- IV 1, 8. V 3, 2. VIII 1, 1 deswegen verurteilt, 

missa capite luerent, turn quia paludati feeerunt, vgl. Ill 7, 1 und Liv. XXXVTEI 55. Cato hat 

laudamus. Daher lehnen die Achaier bei Liv. in seiner Rede de praeda gegen den Unterschleif 

XXXIX 36 es ab, derartiges zu diskutieren: an der Beute gedoniiert. Das Heer konnte darauf 
Quonam modo ea, quae iure belli acta sunt, in 50 vereidigt werden, nichts von der Beute zu behal- 

diseeptationem veniunt. Wie auch Seneca in der ten, sondern alles abzuliefem. Zweifellos haben 

Tragodie Troades v. 335 bemerkt: Quodcumque zur Wahrung der Disziplin und aus politischen 

libuit facere: victori licet. Bekannt ist, daB be- Rticksichten auf die Bevolkerung hieriiber genaue 

sonders die Romer olt nicht Weib, nicht Kind Vorschriftenbestanden. Cincius de re militari V bei 

geschont haben, wie es Tacitus von den Zugen Gell.XVI4, 2uberliefertz,B. einenEidmea;em^M 

dies Germanicus in Deutschland erzahlt, ann. I 51 decemque milia passuum prope furtum non fades 

non sexus, non aetas miserationem attulit: pro- dolo malo solus neque cum pluribus pluris nummi 

fana simul et sacra et celeberrimum illis gentibus argentei in dies singulos; extraque hastam, ha- 

templum quod Tamfanae vocabant solo aequantur. stile, pomum, pabulum, utrem, follem, faculam 
Nur das neutrale Gebiet gestattet keine Kriegs- 60 si quid ibi inveneris sustulerisve, quod tuum non 

handlimgen, vgl. Liv. XXVIII 17f., wo sieh im erit, quod pluris nummi argentei erit, eo soil das 

Hafen des Syphax und unter seinem Daohe Has- binnen drei Tagen abgeliefert oder dem Eigen- 

drubal und Scipio begegnen. Die Verwendung tiimer zuriicfcgegeben werden. Man kann hier so- 

von Gilt wird allgemein abgelebnit, wie besonders gar die Annahme eines bestimmten Kriegsgebietes 

aus der Gesehichte des Pyrrhos bekannt ist. Ti- (sedes belli) herauslesen. Natiirlich waren die 

berius hat nach Tac. ann.ll 88 das Angebot eines Manner und Zeiten hinsichtlich des Aufrechthal- 

Chatten, Arminius zu vergiften, abgelehnt. Ver- tens der Disziplin sehr versehieden: Xen. hell, 

giftung der Brunnen gait ebenso fiir unzulassig til 1, 10 erzahlt von Derkylidas: ?ial sv'&vg fJiev 



1361 Nachtrage (Kriegsrecht) Nachtrage (Maia) 1862 

rooovrcp bie(pBQev slg to olqxsiv rov QipQcovog, sen. Mehrjahrige WaSenstillstande unterlageu 

COOTS ^aQYiyaye xb otQdrsvf^a Sia rfjg q?dcag x^Qag dann hoherer Entscheidung. Als Bedingungen 

^exQi rfjg ^oQva^dCov Aiollbog ovbsv ^Mipag rovg militarischer Art finden wir etwa die Bestimmung 

ovfifidxovg. S. Art. Militarstrafrecht einer Fahrtgrenze auf See^ wie z. Bi im Frieden 

Bd. XV S. 1668ff. HinsioMlich der Deserteure mit Antiochos, Einsehrankung der Zahl der Schifie 

vgl. Onasandros c. 10, 15. und der Elefanten. Haufig sind auch Schiedsge-' 

Auf dem Kriegsrecht beruht auch das Eigen- richtsbestimmungen, wie eben im Antiochosver- 

tum an erobertem Grund und Boden. Si qmi trage, Polyb. XXI 43 (45), 26; aber auch sonst 

bello captum est, in praeda est, non postliminio finden wir oft Zuriickgreifen auf Schiedssprtiche; 

redit lehrt Lab. C. 28 D. de capt. 49, 15. Varr. r. r. 10 vgl. Thuk. I 143 u. 6., die Inschriften, Val. Max. 

II 10, 4 sagt: Dominum legitimum sex fere res VII 3, 4. Auch hier ist wieder des Mitsprechens 

perHciunt: . . . aui si e praeda sub corona emit; des Keligiosen und Ethischen und der Humanitat 

tumve cum in bonis sectioneve cuius publice veniit. zu gedenken: es ist eine hohe Zielforderung im 

Staatsangehorige, die vom Kriegsausbruch im Kriegsdienst, die Cic. off. I 35 aufstellt: Mea 

Feindesland tiberrascht werden, werden nach quidem sententia pad, quae nihil habitura sit 

Tryph. I. 12 pr. D. de capt. 49, 15 Kriegsgefan- insidiarum, semper est consulendum. 

gene: in pace qui pervenerunt ad exteros, si bel- Literatur, aufier Handbtichern: Ayala 

lum subito exarsisset, eorum servi efficiuntur, De iure et officiis beUicis et disciplina militari 

apud quos iam hostes suos factos deprehenduntur. libri tres, 1597. F. Bender Volkerrecht und 

Ebenso gehen Sachen der Gegenseite im feind- 20 Kriegftihrung im Altertum, Wiener Blatter f. 

lichen Staatsgebiete in feindliches Eigentumiiber: Freunde der Antike VII (1931) 109—112. H. 

Gels. Dig. XLI 1, 51. Et quae res hostiles apud Brauer Die Kriegschuldfrage in der geschicht- 

nos sunt, non publicae, sed occupantium Hunt, lichen trberlieferung des PeloponnesischenKrieges. 

Derselbe lehrt ebd. XLI 2, 18 Eursus si cum magna Diss. Emsdetten, Lechte 1934. Chauveau Le 

m ingressus est exercitus, eam tantummodo par- droit des gens dans les rapports de Rome avec les 

tern quam intraverit, optinet, peuples de I'antiquite. Nouvelle Revue Historique 

Der Begriff des Neutralen kommt oft bei den 1891, 393S. S. Cybichowski Das antike 

Geschichtsschreibern vor, wo es sich um Durch- Volkerrecht, Breslau 1907. Ehrenberg Die 

marsche handelt, z. B. Xen. hell. Ill 1, 10. Polyb. Rechtsideen im friihen Griechentum, 1929. Frisch 

IV 3, 9. 7, 4. 9, 7 die Marsche der Aitoler. Es 30 Der Krieg im Wandel der Jahrhunderte. G e n - 

ist nur im Einzelfalle zu prufen, wieweit es sich tills De iure beUi libri tres, 1588; De legationibus 

da um Neutrale in unserem Sinne handelt: bei libri tres, 1585. H. Grotius De iure belli ac 

griechischen Nachrichten sind es oft Landsleute, pacis. R. Hirzel Der Eid, 1902; jiy^aq^og 

bei romischen Volkerschaften, die schon irgend- v6/A,og, Abh. Sachs. Ges. XX (1900) 1; Themis, 

wie in die Interessensphare des Imperiums ge- Dike und Verwandtes, 1907. Kahrstedt Grie- 

horen. Onasandros gibt c. 6, 10 Gesichtspunkte chisches Staatsrecht I. Sparta und seine Symma- 

ftir den Marsch durch Bundesgenossenland. Den chie, 1922. v, Kaltenborn Die Vorlaufer 

Begriff der Konterbande umschreibt deutlich Sen. des Hugo Grotius , . . im Reformationszeitalter, 

de ben. VII 20, aber fur den privaten Fall des Lpz. 1848. B. W. Leist Altarisches ius gentium, 

Verhaltnisses eines Burgers zum Tyrannen. 40 Jena 1889. M. Mtiller-Jochmus Das allge- 

Verhandlungen sehen wir oft wahrend des meine Volkerrecht I. Geschichte des Volkerrechts 

Krieges von Feldherr zu Feldherr aufgenommen; im Altertum, Lpz. 1848. E. Osenbrueggen 

es geniigt auf die Beispiele in Xenophons Ana- De iure belli et pacis Romanorum, Lipsiae 1836. 

basis, auf die Zusammenkunft zwischen Pharna- R. v. Seal a Staatsvertrage des Altertums. Stein- 

bazos und Agesilaos Xen. heU. IV 1, 29ff., Ario- w enter Urkundenwesen, 1915. H. Swob o da 

vistus und Caesar, Arminius und seinem Bruder Griechische Volksbeschliisse, 1890. E. Taubler 

hinzuweisen. Nicht eben erheblichen Rat fiir ein Imperium Romanum I: Die Staatsvertrage und 

solches Zusammentreffen erteilt Onas. c. 10, 14. Vertragsverhaltnisse, 1913; Die Vorgeschichte des 

Die Kriegsbeendigung miindet wieder in die zweiten Punischen Kriegs, 1921. Vanderpol 

allgemeine Vertragslehre. Die religiose Grundlage 50 La doctrine scolastique du droit de guerre, Paris 

der Vertrage ist bei den Alten deutlich. Die Ro- 1919. [Friedrich Lammert.] 

mer haben die Form von den Griechen ubernom- Bd. XIV S. 533 zum Art. Maia: 

men. Auf einem Hohepunkte der Entwicklung 7) Erschlossen aus dem Namen der romischen 

ftir die etwa zwei Menschenalter, in denen Rom ZoUstation statio Maiensis. Diese wird genannt 

nach dem 1. Punischen Kriege tiber Italien hin- durch eine Widmung an Diana, aus dem J. 217 

ausgriff, wobei sich dieses Vertragsrecht aus- eher als 246, GIL V 5090. Des s. 1561. Voll- 

bildet, unterscheidet Taubler in seinem oben ge- mer Inscr. Bai. nr. 68, gestiftet von einem p(rae)' 

nannten Buche Imperium Romanum I den Tra- p(ositus) stat(ionis) Maiens(is) XXXX Gall, (= 

ditionsvertrag, den Waffenstillstandsvertrag, den quadragesimae Galliarum, d. i. 21/2 ^/o des Waren- 

ewigen Vertrag: namlich Freundschaftsvertrag, 60 wertes von Einfuhr aus ,Gallien'), gefunden 

Bundesgenossenschaftsvertrag undKlientelvertrag, nachst Partschins bei Meran. Kein anderes antikes 

je mit Spezialbestimmungen tiber Kriegskosten Zeugnis liegt vor. Vorlaufig miissen vorromische 

und Geiseln, Grenzbestimmungen, Auslieferungs- und romisehe Bodenreste antike und insbesondere 

bestimmungen und Schutzbestimmungen. Der die romisehe Besiedlung bekunden und den Weg 

Waffenstillstandsvertrag ist offenbar aus dem zur wiederholten ErwShnung eines castrum Mai- 

Brauche, in der schlechten Jahreszeit die Waffen ense der friihmittelalterlichen Kirchengesehiehte 

ruhen zu lassen, hervorgegangen, wobei ihn die und zum Fortbestand des Namens der heutigen 

kriegfiihrenden Feldherrn untereinander aibschlos- Orte Ober- und Untermais bei Meran bahnen. An- 



1363 Nachtrage (Manichaismus) Nachtrage (Marius [Quellen]) 1364 

dererseits ist diese Zollstation, die statio Maiensis, aber nicht geschlossen werden darf, da6 alle fiir 
noch dazu in direkt eindeutigem und durch das M, ungunstigen Nachrichten auf ihn zurtickgehen. 
Terrain gegebenem Zusammenhang, ein starkes Ferner hat Q« Lutatius Catulus, Consul des J. 102 
Zeugnis ftir den Lauf der im J. 47 erbauten via und Mitbesieger der Cimbern, einen liber de con- 
Claudia Augusta; vgl. tiber diesen Uberlandweg sulatu et de rebus gestis suis geschrieben; Plut- 
den Art. Inutrion. — Literatur: B. M a z e g - arch hat ihn zitiert gefunden, nicht selbst gelesen 
g e r Die Komerfunde und die romische Station (25, 8. 26, 10. 28, 2). In einer Schrift eines sonst 
inMais (1896). W. Cart ellieri Dieromischen unbekannten Gains Piso war uber die letzten 
AlpenstraBen iiber den Brenner, Reschen-Scheid- Stunden des M, berichtet (Plut. 45, 8). Wenn auch 
eck und Plockenpafi (= Philol. Suppl. XVIII 1) 10 M. Aemilius Scaurus nicht zitiert wird, hat doch 
73ff. mit Dbersichtsplan und Spezialkarte V. Als Sallust wahrscheinlich seine Biicher de vita sua 
Gegenstation nimmt Cartellieri 79 einen (sane utiles^ quos nemo legit Cic. Brut. 112) fur 
ZoUposten in Inutrium an. die ersten Vorgange des lugurthinischen Krieges 
[Wilhelm Kubitschek.] herangezogen (vgl. Sail. lug. 15, 4. 25, 4 u. 6.). DaB 
Suppl.-Bd. VI zum Art. Manichaismus C. Fannius eine Hauptquelle fur Sallusts bellum 
ist nachzutragen: lugurthinum war (Rosenberg 170), ist eine Glei- 
S. 243, 8: add. [Planck] GGA 1831, 2049—63 chung mit vielen Unbekannten. AuchL. Cornelius 
(den anonymen Rezensenten ermittelte freund- Sisenna (SaU. 95, 2; Bd. IV S. 1512), der hi- 
lichst G. V. S e 1 1 e aus dem hsl. Register der storiae der Zeit von 90 ab verf afit und die Revo- 
Gottinger Univ.-Bibliothek). 20 lution des M. beschrieben hat, bleibt im Halb- 
S. 244, 7: der ,Zwilling* war schon langst durch dunkel. — GehaltvoU war die Darstellung des 
Euod. de fide 24 p. 961, 14f. bezeugt: qui (sc. Poseidonios, der im J. 87, von Rhodes als Ge- 
Manichaeus) se mira superbia adsumptum (vgl. sandter nach Rom gekommen, M. in seiner letzten 
S. 267, 36) a gemino suo, hoc est spiritu Krankheit besuchte (Plut. 45, 7. 1, 1), in seinen 
sancto, esse gloriatur, Der ,Zwilling* ist iden- umfangreichen loxoQiai (Rosenberg 196ff.). 
tisch mit dem Lebendigen Parakleten (= HI. Man darf sie trotz mancher hiergegen geauBerter 
Geist), der M. nach den Keph. (Mani-Fund 54) Bedenken immer noch als die Hauptquelle Plut- 
die Offenbarung bringt; es ist aber nicht richtig, archs ansehen. 

daB die beiden Gestalten sich, wie Schmidt Wichtig ist Cicero als Quelle. Verloren ist 

will, auf die verschiedenen tTberlieferungszweige 30 zwar das Epos M., das er aus Verehrung ftir 

verteilen. seinen groBen Landsmann etwa um 60 (vgl. 

S. 245, 13: hinter ,k6nnte* add. ,per exclusionem*. leg. 1, 4) geschrieben hat. Das Bruchsttick de 

S. 253, 6: auch Keph. 58, 15 — 18, unter Zitie- divin. 1, 106 ist historisch bedeutungslos. Aber 

rung von Mt. 3, 10. an vielen Stellen seiner andern Schriften gibt 

S. 262, 1: auch Keph. 75, 23. Cicero historisch wertvolle Nachrichten tiber M. 

S. 266, 42ff.: bezieht sich nicht auf Act. 2, son- (vgl. Rob. Schiitz Ciceros historische Kennt- 

dern auf Joh. 20, 22; iiber die gemina clari- nisse, GieBen 1913). 

Hcatio Christi vgl. Aug. c. Ep. fund. 10 p. 205, Es ist trotz allem auf die Quellenfrage in 

. 17ff. [Polotsky.] zahlreichen Untersuchungen verwandten Scharf- 
Bd. XIV S. 1811, 34_ zum Art. Marius: 40 sinns nicht moglich, iiber die Abhangigkeit der 

14) C. Marius C. f. erhaltenen Schriften von den primaren Quellen 

I. Quellen. apodiktisch zu urteilen, zumal da zwischen die- 

Von M. wurden bemerkenswerte Ausspriiche sen beiden Instanzen noch die kaum erfaBbare 

kolportiert (Rut. Mar. 2, 2. 8, 5. 9, 2. 14, 8. jiingere Annalistik liegt (Rosenberg 133ff.), 

18, 7f.); auch die von Sallust (Bell. lug. 85 vgl. die vor allem auf Livius und die von ihm ab- 

Plut. Mar. 9, 2f.) dem M. zugeschriebene Rede hangigen Schriftsteller eingewirkt haben wird. 

macht den Eindruck, daB er sie ungefahr so ge- Q. Claudius Quadrigarius hatte im 19. Buch 

halten hat. Geschrieben hat er nichts. Sulla, der seiner Annalen tiber M. geschrieben (zwei; Zitate 

nur anfangs in freundschaftlichem Verhaltnis zu bei Gell. X 1, 3. XX 6, 11). Uns liegen Beriehte 
M. stand (Sail. 96, 4), bald sein Gegner und Feind 50 iiber M. bei folgenden Schriftstellern vor: 

wurde, hat Denkwiirdigkeiten (vnoiivrjixaxa Plut. 1. Sallust als Parteiganger Caesars und der 

35, 4: rerum gestarum libri XXII; vgl. A. Ro- popular es stand M. zeitlich und nach politischer 

s e n b e r g Einleitung und Quellenkunde zur Gesinnung am nachsten; bei ihm kann man dem- 

rom. Gesch. 88f .) geschrieben, in denen M. nachst gemaB eher Einfuhlungsfahigkeit als ktihles Ur- 

dem Verfasser die wichtigste Figur gewesen sein teil erwarten. Ftir das beUum lugurthinum hat er 

wird (Plut. 25, 6. 26, 5f. 35, 4). DaB Plutarch sie mtindliche Uberlieferung benutzt (conperior 45, 1. 

benutzt hat, lehren die genannten Zitate; daB sie 108, 3, parum conperimus 67, 3); ftir den ersten 

ftir Sallust Quelle waren, beweist die Ausftihrlich- Teil des Feldzugs kann er Scaurus, fiir den Metel- 

keit, mit der er Sullas Taten wiedergibt, obwohl lusabschnitt P. Rutilius Rufus, der zu jener Zeit 
er fiir ihn keine Neigung hat, wahrend sein Heros 60 am Afrikanischen Krieg teilnahm, gelesen haben; 

M, in dem letzten Teil des Bell. lug. zu kurz der restliche Abschnitt ist dort ausfiihrlich, wo 

kommt. Zweifellos waren Sullas Erinnerungen fiir es sich um Sulla handelt, im tibrigen dtirftig, so 

alle Historiker, die die Zeit des M. behandelten, daB man hier auf Sullas Erinnerungen als Quelle 

eine besonders wichtige Quelle. Zitiert wird noch schlieBen darf. Es ist aber auch moglich, dafi Sal- 

ein anderer Zeitgenosse, P. Rutilius Rufus, der lust einer alteren Darstellung, die den ganzen 

de vita sua geschrieben hat, xa fiev aXXa (piXaX'^- Krieg umfaBte, aber ungleich angelegt war, folgte 

i&7]g dvrjo xal XQr^otog^ Iblq. be tco MaQiq) tcqoo- (Fannius? — Vgl. Lenschau o^ Bd. X S. 6. 

TisKQpvKcbg (Plut. 28, 8. Rosenberg), woraus Cambridge Anc. Hist. 115. W. A. Baehrens 



1365 Nachtrage (Marius [Quellen]) Nachtraga (Marius [Leben]) 1366 

Sallust als Historiker, Politiker und Tendenz- viustradition zum ersten Biirgerkrieg: Klio XX 

schriftsteller, in: Neue Wege zur Antike IV). 415ff.). 

Sallust woUte zeigen, wie M. die Laufbahn betrat, 4, Andere Quellen in lateinischer Sprache: 

auf der er als Homo novus den Staat aus der Velleius ist mit berechtigtem Mifitrauen zu 

Krisis rettete, in die ihn die Unfahigkeit des lesen; doch finden sich einzelne beachtliche Ztige 

Adels gebracht hatte, und wie er der machtigste zum ^log des M. nur bei ihm (Fr. Burmeister 

und sehicksalbestimmende Burger Roms wurde. De fontibus Vellei Pat., BerL Stud. XY 1894. 

Bei dieser offenkundigen Tendenz seines Werkes Wachsmuth Einleitung i. d. Stud. d. a. Gesch. 

(vgl. 5, 1. 42), ist die Unparteilichkeit, mit der 606ff.). Granius Licinianus' Fragmente enthalten 
er den Metellus und den M. behandelt, anerken- 10 einiges Wichtige. Valerius Maximus ist wegen 

nenswert (44ff. 64, 1; vgl. mit 100); MiBerfolge einiger Exempla heranzuziehen, ebenso Lucius Am- 

des M. verschweigt er nicht (93. 94, 7. Kroll pelius* Liber memorialis. 

Gnom. VIII 323). Angesichts seines starken politi- 5. Andere Quellen in griechischer Sprache: 

schen und personalen Interesses versteht man Appians Tcof^atxd: aus der Nof^adiJii^ sind Aus- 

auch, dafi ihm die chronologischen und geogra- ztige tiber den lug. Krieg enthalten; trotz vieler 

phischen Probleme nicht so wichtig waren, daB Fliichtigkeiten ist besonders wertvoll das erste 

sie stets mikroskopischer Untersuchung geniigen der funf Biicher 'JEfKpvXlcov^ Seine Quellen sind 

konnten. noch nicht sicher bestimmt. Livius ist fiir ihn 

2. Von Plutarch liegt eine Biographie des M. Hauptquelle (vgl. EnBlin 415 und die dort 
vor — in Parallele mit Pyrrhos gesetzt! (recogn. 20genannten Abhandlungen. E. Mey er Kl. Schr. I 
K. Ziegler Lpz. 1915). Sie gibt mit reichem 399), aber manches wird auf Poseidonios zurtick- 
Material ein abgerundetes Bild. Als Quellen nennt gehen (s. aber Rosenberg 209. W a c h s - 
er Poseidonios, Sulla, Rutilius Rufus, Gains Piso muth Einl. 601ff. Schwartz Bd. V S, 663). 
in einer Form, daB man nicht so ohne weiteres, Diodor verarbeitet fiir die M.-Zeit Poseidonios; 
wie es beliebt ist, annehmen darf, er habe ihre sie ist nur in Resten erhalten (Schwartz 
Namen und Angaben ,Kompendien' der ersten Bd. V S. 663). Cassius Dio lagen die Probleme 
Kaiserzeit entnommen. Bei Catulus gibt er deut- der Zeit ganz fern; gegen M. ist er gehassig. 
lich zu erkennen, daB er seine Berichte aus zweiter 6. Inschriften : Ein Elogium (v. P r e m e r - 
Hand ubernimmmt. DaB er verschiedene Schrift- stein Bd. V S. 2440. Rosenberg 219fE.) 
steller vor sich hatte, darf man aus den Anfiih- 30 hat groBen Wert: GIL F 195 (dazu Mommsens 
rungen slot d' ot Uyovoiv, aXXoi de cpaoiv, vnb Bemerkungen S. 196) =2 Des s. 59; parallel geht 
uzo}l(bv iaroQrjtai, ol jbisv Xeyovaiv; ol be u. a. (11, eine Inschrift aus dem Geburtsort des M. (GIL 
6. 13. 13, 2. 21, 6. 25, 2. 27, 3. 5. 6. 28, 2f. 36, 9. X 5782). 

39, 9) schlieBen (vgl. A. Bauer Philol. XLVII 7. Mtinzen. Die wenigen auf Grund von Ver- 

242ff.). Plutarch bemtiht sich, M. gegeniiber ob- mutungen gewohnlich auf M. bezogenen Munzen 

jektiv zu sein und erkennt sein militarisches Ta- haben meist nicht s mit ihm zu tun oder die Be- 

lent und seine Tatkraft ebenso an wie er sein hem- ziehungen sind unsicher (S. 1397). 

mungsloses Benehmen ablehnt. Bemerkenswert ist, 8. Neue Bearbeitungen: M. wurde nur in all- 

daB Plutarch selbst eine Biiste des M. in Ravenna gemeinen Geschichtswerken behandelt, von denen 

gesehen hat oder haben will und sie zu den lite- 40hier genannt seien: L. Lange Rom. Altertiimer. 

rarischen Nachrichten tiber den Charakter in ParaL Th. M m m s e n RG IF 138ff . H e r z o g Geseh. 

lele setzt (2, 1), Die Urteile von Wilamo wit z und System der Rom. Staatsverfassung I 1884, 

(Arist. u. Athen II 290) : ,liistorisch urteilslos* 482ff. B. N i e ,s e 6rundriB d. Rom. Geseh.^ von 

und R s e n b e r g: ,nur ein Zerrbild historischer Hohl 1822. V g t Rom. Gesch. 1932, 195ff. F e r- 

Vorgange* (218) treff en in dieser Hart e wenigst ens rero Grandezza e Decadenza di Roma, tiber- 

auf die M.-Biographie nicht zu, wenn auch Wun- setzt von Pannwitz-Kapff I 73ff. The Cambridge 

derlichkeiten auf fallen (so die Bemerkung zur Ancient History volume IX: The Roman Republic 

Herenniusgeschichte 5, 7ff. und der Bericht tiber 133/4 B.C. Edited by S. A. Cook etc.; di« in 

Vercellae 25f.; vgl. auch v. d. Muhll De Ap- Betracht kommenden Kapitel sind verfaBt von 

puleio Saturnine, Basel 1896, 32). 50 Hugh Last, Cambridge 1932. Ausgedehntes 

3. Livius hat die Zeit des M. in den Btichern Literaturverzeichnis S. 904ff., wo auch nicht- 
62 — 80 behandelt, die in den Periochae vorliegen. deutsche Werke genannt sind, die ich nicht ein- 
Unter den von Livius abhangigen Schriftstellern sehen konnte: Barbagallo Roma antica I: 
ist Orosius besonders beachtenswert. Nachrichten delle origini alia fine della Republica, Turin 1931. 
tiber M. geben ferner L. Annaeius Florus Pais Delle guerre puniche a Cesare Augusto, 
(Bd. VI S. 2761), ed. Rossbach 1896, Eutropius 2 Bde, Rom 1918. G. Bloch La r^publique Ro- 
(Bd. VI S. 1521), Festus (Bd. VI S. 2257) maine: les conflicts politiques et sociaux^, Paris 
und die Schrift De viris illustribus urbis 1922. W. E. Heitland The Roman Republic. 
Romae. 3 Bde, Cambridge 1909, Neudruck 1923. Einzel- 

Livius Haltung gegen M. ist strong (vgl. Per. 60 schriften werden im folgenden zu den einzelnen 

69); aber Zuverlassigkeit der Berichterstattung Punkten genannt: ausfuhrliches Verzeichnis in 

kann ihm nicht abgesprochen werden. Die zahl- Cambridge Anc. Hist. IX 906ff. 

reichen Untersuchungen, die uber die Abhangig- II. L e b e n. 

keit seiner Darstellung und ihren EinfluB auf 1. Name. Gains M. fuhrte kein Cognomen, 

andere Quellen dieser Epoche angestellt worden woruber sich Plutarch (Mar. 1), auf Poseidonios 

sind, haben zu keiner zuverlassigen Beantwortung gesttitzt, ausf uhrlich auBert und Parallelen gibt 

geftihrt (vgl. M. Bang Marius in Minturnae: (vgl. Ad. Bauer Philol. XLVII 242ff.); an sich 

Klio X 178ff. W. EnBlin Appian und die Li- hat das Fehlen fiir diese Zeit nichts Verwunder- 



1367 NacMrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1368 

liches an sich (M o m m s e n St.-R. Ill 208. M a u tlber dieGesellschaftsklasse,derM.entstammte, 

Bd, IV S. 226, vgl. Bonn. Jahrb. CVII 187. gibt es namlich zwei Traditionen: Die eine sagt 

CVIII 193f.). klar und bestimmt, daB er dem Ritter stand ent- 

2. Das Geburtsdatum des M. ist nicht stammte: natus equestri loco (Veil. II 11, 1; eque- 
genau bekannt und kann nur aus dem Datum des stri ist in agresti verandert worden mit sprach- 
Todes und den Lebensjahren ungefahr berechnet lich unhaltbarer Konjektur, vgl. Thes. 1. 1. s. v.); 
werden, Gestorben ist M. am 13. Januar (tov seine equestria stipendia vor Numantia werden 
jr^c6Tou/*3?j'6s'T^^d^;f^ffApp. bell. civ. 1346; idibus erwahnt (Val. Max. VIII 15, 7); doHwv ysyovsvat 
lanuariis Liv. per. 80) seines 7. Consulats (^^we- drjfLOGiwvrjg (Diod. 34f. frg. 38 Dihd.), was eine 
Qag inraxaidsfca rfjg ipdof^rjg vTiaxEiag enda^cbv 10 gerade im Ritterstand gebrauchliche Betatigung 
Plut. 45, 7. 46, 6 ,nach eigenster Beobachtung war. Dem widerspricht nicht, daB er ignotae ori- 
und Kenntnis des Poseidonios* M ii n z e r Herm, ginis war (Veil. II 12, 8), wenn er als erster seine 
LXVII 235, 1; vgl. Appian. bell. civ. I 75. Cic.deor. Familie bekannt gemacht hat (vgl. yovicov ayvw-- 
m,t III 81. Veil, n 23, 1. Flor. II 9, 17. Oros. ox(ov Plut. vom alteren Cato 1). Eine zweite Tra- 

V 19, 23) d. h. im J. 86, und zwar im Alter von dition spricht in geringschatzigen, aber unbe- 
70 Jahren (Plut. 45, 12. GIL P 195); doch darf stimmten Ausdriicken: sie lafit M. e plebe inHma 
man diese Angabe nur als eine Schatzung an- entstammen (Tac. hist. II 38) yovicov navxdnaoiv 
sehen, wenn man die ungenaue Zivilstandsbeur- abo^cov (Plut. 3, 1); seine humilitas wird in rhe- 
kundung im Altertum in Betracht zieht (vgl. torischen Gegensatz zu seiner spateren Mafilosig- 
Marquardt'Mau Privatleben 86ff. Levi-20keit gesteUt (1. de Caes. 39, 6; vgl. de vir. ill. 
son Bonn. Jahrb. CII Iff., wo auch zu er sehen 67, 1; navxog [xev xov ovQ(psxcodovg, acp* o^tisq 
ist, daB die ZiSern haufig auf durch 10 teilbare ?cal eneq)vji£i, cplXog, navxog ds xov yevvalov nad-ai- 
abgerundet wurden). Soil er doch schon, als er QExrjg. Cass. Dio 89, 2 Boiss. Ailian. var. hist, 
sich mit Cinna verband (d. h. mitten im J. 87) XII 6. XIV 36). Diese Ausdriicke konnen aus der 
mehr als siebzigjahrig gewesen sein (Plut. 41,6); Abneigung gegen den Aristokratenfeind M., ge- 
auch in einem Bericht von der "Dbertragung des legentlich auch schon als rhetorische Antithese zu 
Kommandos im Mithridatischen Krieg an M., also den summi honores, zu denen es M. gebracht hat, 
im J. 88 (vgl. Bd. IV S. 1531ff. und u. S. 1409), verstandlich werden; iibrigens werden solche Be- 
wird er als mehr als siebzigjahrig bezeichnet (Veil. ziehungen auch sonst von Mannern gebraucht, die 
II 18,6). M. ist also schwerlich erst 156, wahrschein- 30 dem Ritterstand angehort haben (vgl. bei M. 
lich 157, vielleicht aber auch noch friiher geboren. G e 1 z e r Die Nobilitat der rom. Republik 1912, 

3. Geboren wurde M., wie es (mit unsicherer 12f.). Die Zeit des Tacitus wird aus den unbe- 
Lesung) heiBt, sv tcco^t) KiQQacaxcovi xfjg 'AQuiivrjg stimmten Ausdriicken etwas anderes herausgehort 
(Plut. 3, 1 ; vgl. Feldm. 233. OIL X p. 564. Ephem. haben als urspriinglich gemeint war (M a d v i g 
ep. VIII p. 152), was dem KeQsdxai (bei Strab. Kl. philol. Schr. 1875, 526). So schlieBt auch 

V 238) und lat. Cereatae entspricht; spater er- yov80)v avxovQycov ?eal nsvrjxcov (Plut.) wie arator 
Melt der Ort M. zu Ehren Stadtrecht und wurde Arpinas (Plin.n.h. XXXIII 150) fiir die Zeit des M. 
Cereatae Marianae genannt {Gernetani [=■ Cerea- die Ritterbtirtigkeit nicht aus, klingt aber bei den 
tini] quiMariani cognominantur Vim. Ti,h., Ill 6^; spateren Schriftstellern wie ,armer Ackerer*. 
vgl. CIL X p. 564. 5782). Die westlich von 40 Ein nicht restlos zu losendes Ratsel ist der 
Arpino gelegene Abtei S. Giovanni e Paolo di Ca- Bericht tiber ein Klientenverhaltnis des M. und 
samari bewahrt das Andenken an sein Geburts- seiner Familie zur gens Herennia (Plut. 5): Als 
haus (Jung Geogr. v. Italien 38. N i s s e n Ital. M. Praetor geworden war, wird er de amhitu 
Landesk. I 2, 670. H ii 1 s e n o. Bd. Ill S. 1969. angeklagt; ein nur aus dieser Stelle bekannter C. 
Baedekers Unteritalieni^ [1906] 213). Die Herennius, als Belastungszeuge vernommen, will 
Angabe, M. sei in Arpinum geboren und erzogen offenbar M. als den Emporkommling demiitigen 
worden (Sail. lug. 63, 3; vgl. Cie. p. Plane. 20; und verweigert die Aussage, well es in Rom nicht 
p. Sulla 23; p. Sest. 50; acad. pr. II 13; leg. iiblich sei, daB der Patron gegen seine Klienten 
1, 4; de vir. ill. 67, 1) ist ungenau; Cereatae zeuge; die Eltern des M. und M. selbst seien von 
gehorte zum Gebiet von Arpinum. 50 alters her Klienten der gens Herennia gewesen. 

4. Herkunft. Von den Vorfahren des M. Als die Riehter mit der Ablehnung des Zeugnisses 
werden nur der gleichnamige Vater (Plut. 3, 1. einverstanden waren, wendete M. gegen Heren- 
CIL X 5782; dagegen MaQiov xov naxsQa ovk nius ein, er sei von der Zeit an, da ihm zum 
'lofiEv Ailian. var. hist. XII 6. XIV 36, was sich ersten Male ein magistriales Amt iibertragen wor- 
auf die Ignobilitat beziehen kann) und seine den sei, aus der Klientel getreten. Dagegen wen- 
Mutter Fulcinia genannt; offenbar konnten auch det wieder Plutarch ein, das stimme nicht ganz: 
die alteren Geschichtschreiber fruhere Glieder denn nur ein mit der sella eurulis ausgezeichnetes 
der voUig unberiihmten Familie nicht nennen Amt iiberhebe den Beamten und seine Familie, 
{yovewv Ttavxdnaoiv ddo^wv Plut.; fiir das Con- einen Patron anzuerkennen. — Verstandlich ist, 
sulat hatte er alles praeter vetustatem familiae 60 daB M. gegen die Aussageverweigerung eines Be- 
SaU. lug. 63, 2). Die Eltern werden avxovQyol lastungszeugen Einspruch erhebt, weil er sich da- 
und nsvTjxsg genannt (Plut.); das braucht ur- durch gegen eine Herabsetzung wehrt. Uberflussig 
spriinglich nur zu bedeuten, daB sie als Guts- ist der Einwand des Schriftstellers, da das, was 
besitzer bei der Feldbestellung selbst mit an- er spitzfindig vorbringt, auf den Praetor M. zu- 
packten und nicht ,reich' waren (vgl. M. Gel- trifft. Herennius war also iiber das Klientenrecht 
zer Nobilitat 18. 109), wurde aber von der spa- nicht gut unterrichtet oder er stellte sich nur so, 
teren Auffassung im Sinne von inHma plehs (Tac. um M. als obscurus herabzusetzen, und M. wuBte 
hist. II 38) gedeutet. damit nicht recht Bescheid, weil er sich offenbar 



1369 Nachtrage (Marius [Leben]) NacMrage (Marius [Leben]) 1370 

auf sein Amt als plebeiischer Aedil, nicht als Prae- Eine offenbar post eventum erfundene Anekdote 

tor beruft. Das ist erklarlich, wenn man an- erzahlte sogar, daB, als einmal nach der Tafel 

nimmt, daB die Klientel damals fast veischoUen das Gesprach auf Feldherrn kam und einer zwei- 

war und daB von Herennius die frtihere Stellung felnd fragte, ob das romische Volk je einen dem 

der Familie (weshalb auch die Eltern genannt Scipio gleichwertigen Feldherrn und Schirmer 

sind) zu polemischem Zweck heryorgezerrt wurde. haben werde, dieser dem neben ihm (als Contu- 

Man kann auch die Frage aufwerfen, ob Plutarch bernale?) zu Tisch liegenden M. auf die Schulter 

mit jisXdrrjg den Klienten im alteren Sinne meint; geklopft und gesagt habe: ,Vielleicht wird der es 

vielleicht ist ein freiwillig eingegangenes Schutz- sein/ (Plut.). 

verhaltnis gemeint (Jul. Binder Die Plebs 10 Diese Erzahlung, die auf M. als fieiQamov in 

[1909] 225ff. Mommsen RF I 365 mit A. 15; der Nahe des Feldherrn, mit eigenem Pferd und 

St.-R. Ill 67f. 78, wo die Frage gestellt wird, wie eigenem Saumtier als ritterbtirtig hindeutet, 

es tiberhaupt kam, daB die Marier in der Klientel wird ausdrucklich bestatigt durch Val. Max. 

der Herennier standen; Madvig Kl. Schr. 6. 528, VIII 15, 7 cum apud Numantiam eo (Africano) 

2; V. Premerstein Bd. IV S. 48). tJbrigens duce stipendia mereret Dagegen wird M. in einer 

wird auch ein Verhaltnis der Marierfamilie zum anderen Tradition als der manipularis imperator 

Haus der Meteller erwahnt {KskiXiov MezeXXov betrachtet, der es bis zum imperator am weite- 

rov oIkov i^ olqxv^ ^«^ Tzatoo'&ev sd'SQanevev Plut. sten hatte, weil er eben zunachst die caliga, den 

4, 1). Schuh des gemeinen Soldaten und Centurionen, 

5. Jug end. Seine Herkunft vom Land und 20 trug (Sen. benef. V 16; brev. vit. 17. Plin. n. h. 
das Landleben, in dem er in seiner Heimat auf- XXXIII 150). Auch ohne die Erwagung, daB die 
wuchs, hat seine Personlichkeit dauernd beein- Laufbahn eines gemeinen Soldaten, dann Cen- 
fluBt. Es verlief in baurischer, ganz altromischer turionen zur hochsten militarischen und politi- 
Weise (Plut. 1,3; ex parente meo et ex aliis Sanctis schen Stellung (trotz Marquardts Annahme, 
viris ita accepi, munditias muliehribus, lahorem daB Centurionen, die zum Kriegstribunen auf- 
viris convenire, omnibusque bonis oportere plus riickten, in den Ritterstand erhoht worden seien), 
gloriae quam divitiarum esse; arma, non sup- ein sonderbares Unicum ware, sind diese Stellen 
pelectilem decori esse: Sail. lug. 85, 40; ita a als rhetorische tJbersteigerungen verdachtig, wie 
pueritia fui, uti omnis labores et pericula con- auch luv. VIII 247, wo das gewohnliche peinliche 
sueta habeam: 85, 7. 18. 100, 5). Im Sinne der 30 Erlebnis des gemeinen Soldaten, daB der Cen- 
zweiten unter 4 gezeichneten Tradition wird sein turio dem bei der Schanzarbeit Tragen mit der 
Schicksal als Bauernknecht gegen Tagelohn aus- knorrigen vitis Tiber den Kopf schlug, bis sie zer- 
gesponnen von luv. VIII 245; es ist eine Schilde- brach, in starkem Gegensatz zum Ende seiner 
rung des gewohnlichen Loses der Bauernsohne militarischen Laufbahn steht. Seine grundlegen- 
und steht im rhetorisehen Kontrast zu der v. 248ff. den militarischen Erlebnisse werden von Sallust 
geschilderten hochsten Ehrung. M. lernte in der ganz anders wiedergegeben (lug. 85, 29. 30f . 33) : 
Jugend nicht die Genusse des Stadtlebens ken- er laBt M. aufzahlen als seine militarischen 
nen; aber es blieb ihm auch die griechische Bil- Ehrungen hastas, vexillum, phaleras, alia mili- 
dung durch das ganze Leben fremd (non Qraeca taria dona (vgl. S t e i n e r Bonn. Jahrb. CXVII), 
facundia neque urbanis munditiis se exercuit 40 auBerdem cicatrices adverso corpore (vgl. das 
Sail. lug. 63, 3. 85, 32. 35; hirtus atque horri- Rtihmen vor dem Volke xQavfAaoiv olxsvoig Plut, 
dus vitaque sanctus VelL II 11, 1; rusticanus vir 9, 2); statt griechischer Bildung habe er zum 
Cic. Tuse. II 52). Erst spat erlebte M. die Stadt Heil des Staates gelernt hostem ferire, praesidia 
und bekam einen Begriff von der stadtischen agitare, nihil metuere nisi turpem famam, hie- 
Lebensart (Plut.). mem et aestatem iuxta pati, humi requiescere, 

6. ErsterMilitardienst. Sobald sein eodem tempore inopiam et laborem tolerare. 
Alter es zulieB, widmete sich M., zum Krieger 7, Amterlaufbahnbis zum Consulat. 
wie geschaffen, dem Militardienst (Sail. lug. 63, M. wurde durch die Anerkennung des Scipio 
3). Die Kriegskunst hat er nur praktisch gelernt zu groBen Hoffnungen ermutigt. Die Amter, die 
(Cic. Font. 33). Aus der ersten Zeit seines Dien- 50 Marksteine seiner Laufbahn sind, werden im 
stes ist als einzige sichere Nachricht anzusehen, Elogium (CIL P p. 183ff. 195) und einer in Cere- 
daB er 133, etwa 23 Jahre alt, gegen die Kelt- atae gefundenen Inschrift (CIL X 5782) in um- 
iberer im Felde stand, als namlich Scipio Afri- gekehrter Reihenfolge genannt: Consul VII, Prae- 
canus Numantia belagerte, und daB er sich unter tor, Tribunus plebis. Quaestor, Augur, Tribunus 
den jungen Leuten durch Tapferkeit auszeichnete, militum. Er bewarb sich beim Volk um ein Kriegs- 
wie auch durch die bereitwillige Einfiigung in tribunat und wurde durch alle Tribus gewahlt, 
die hartere Lebenshaltung, die Scipio dem durch plerisque faciem eius ignorantibuSj factis notus 
tTppigkeit verweichlichten Heere auferlegte (Plut. (Sail. 63, 4; vgl. Marquardt Staatsverwaltung 
3. Val. Max. VIII 15. 7. Veil, II 9, 4). tJbrigens IP 365f,). Wenig wissen wir von seinem Augur- 
diente sein spaterer Gegner lugurtha mit ihm in 60 amt {cum in Gappadocia esset, lege Domitia fac- 
Spanien unter Scipio (Veil. II 9, 4)... Es wurde tus est augur Cic. ad Brut. 1, 5). t^ber seine 
auch erzahlt, daB M. im Kampf einen Feind vor Quaestur ist nichts bekannt auBer der Tatsache, 
den Augen des Feldherrn zu Boden gestreckt daB er sie bekleidet hat (Elogia in CIL P p. 185, 
habe (Plut.). Bei einer Besichtigung soil dann 1. 195. X nr. 5782; vgl. Cic. p. Plane. 51 f.) und 
auf Scipio ein besonders gut gehaltenes Pferd der sehr verdachtigen Notiz bei Val. Max. VI 
und ein Maultier des M. einen nachhaltigen Ein- 9, 14: Arpinatibus honoribus iudicatus inferior 
druck gemacht haben (Plut. 13). M. wurde von quaesturam Romae petere ausus (vgl. Mtinzer 
Scipio wiederholt durch Ehrungen ausgezeichnet. Herm. LXVII 234, 1). Wenn es von ihm heiBt 



1371 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1372 

oQfifjoai jtQog iY}v nohxeiav Tial tvxstv dr^iAaQxiag fehlt dieses Amt auf den erwahnten Inschriften 

Ksmliov Msxellov onovbdoavTog {^\vit.lA.2.xA,\), (vgl. Mo mm sen St.-R. 1^ 581, 6. v. Pre- 

so hatte er doch schon vorherdieQuaesturbekleidet. merstein Bd. IV S. 48. S e i d e 1 Fasti aedi- 

Dann wurde er im J. 119 zum Volkstribun ge- licii, Breslau 1908, 90f.). 

wahlt, in erster Linie, weil sich L. Caeeilius Me- So niederschmetternd auch eine solche Nie- 

tellus, der Consul des Jahres, fur ihn verwandte; derlage war, bewarb sich M. dennoch bald darau! 

seinem Hause waren Marius und sein Vater von um die Praetur. Beinahe hatte er wieder Mifi- 

jeher zugetan (Plut. 4, 1. M. Ziegler Fasti erfolg gehabt, denn er wurde zwar ernannt (Cic. 

trib. pi. 130—70, Ulm 1903, 7f. weist darauf off. Ill 79), aber an letzter SteUe, und wurde 
hin, daB die Beispiele, wo es besonderer Emp- lo auBerdem wegen Bestechung angeklagt. Nament- 

fehlungen zur Erlangung des wenig umworbenen lich einem sehr guten Freunde des M., CassiuS 

Tribunats bedurfte, selten seien, und sucht die Sabaco, wurde unerlaubte Hilfe zur Last gelegt; 

Veranlassung der besonderen Empfehlung in den er wurde deshalb beim nachsten Census aus dem 

armlichen Verhaltnissen, aus denen M. heraus- Senat gestoBen, was doch zu denken gibt. Dafi 

gewachsen sei). Als Volkstribun brachte M. eine man M. aber auch mit alien Mitteln diffamieren 

lex Maria de siiffragiis ein, quae pontes fecit an- wollte, zeigte das Auftreten des C. Herennius (s. 

gustos (Cic. leg. 38. Val. Ma^. VI 9, 14. Plut.), o. S. 1368). Die Sache stand fur M. nicht giinstig, 

d. h. er traf Vorkehrungen auBerer Art fiir die man erwartete seine Verurteilung; aber schlieB- 

Zugange, wohl weniger um eine ruhigere Ab- lich wurde er doch mit Stimmengleichheit frei- 
wicklung des Abstimmungsvorgangs herzustellen, 20 gesprochen (Plut. 5, 3ff. Val. Max. VI 9, 14). 

als um Unberufene am Einblick in die Stimm- Dieses Stimmenverhaltnis zeugt fiir seine Schuld, 

taf eln zu hindern (vgl. H e r z o g Gesch. u. Sy- da der Spruch nicht von Senatoren, sondern von 

stem d. rom. Staatsverf. I 480. 1123. Mo mm- seinenStandesgenossen gefallt wurde (Gel zer 110). 

sen St.-R. Ill 1, 401f.). Das Gesetz (oder ein Die Praetur bekleidete M. im J. 115, schon 

zweites de ambitu?) lieB die Deutung zu, daB liber 40 Jahre alt (vgl. W e h r m a n n Fasti prae- 

den Vornehmen jeder EinfluB bei den Gerichten torii 15). Wahrend der Praetur leistete er nichts 

abgeschnitten werden soUe. Deshalb trat der Besonderes ({AexQiwg enaivovfjisvov savrdv naQsoxs 

andere Consul des Jahres, L. Aurelius Cotta, mit Plut. 6, 1). Es ist moglich, daB ein Wahlabkom- 

Entschiedenheit dagegen auf und brachte den men mit M. Aemilius Scaurus in diese Zeit fallt 
Senat dazu, das Gesetz zu verwerfen und den M. 30 (Plin. n. h. XXXVI 116. Gelzer 110. Vgl. 

sogar zur Verantwortung fiir sein Verfahren vor- Bd. I S. 585). 

zuladen. M. trat ohne Furcht und Respekt vor, Nach der Praetur fiel dem M. als Propraetor 

drohte Cotta und dem dem KoUegen beitretenden das jenseitige Spanien durchs Los zu (114). Dort 

Metellus mit Verhaftung, und da diesem keiner soil er mit Erfolg gegen die landestiblichen Rau- 

der von ihm angerufenen Tribunen zu Hilfe kam, berbanden vorgegangen sein, so daB er sich durch 

gab der Senat dem Ungestum des M. nach und Herstellung der Ordnung und Sicherheit in der 

nahm seinen BeschluB zurtick, so daB M. vor das Provinz Ansehen erwarb; auch seine Einfachheit 

drauBen versammelte Volk wie ein Triumphator und Rechtlichkeit werden geruhmt (Plut. 6, If.; 

trat. AUerdings fiigte er sich auch nicht dem vgl. Cic. Verr. Ill 209). Einen Beweis fiir seine 
Geiste der demokratischen Partei, als eine Ge- 40 gesteigerte Geltung darf man darin sehen, daB er 

treideverteilung (Steigerung der Getreidespende? lulia, eine Frau aus dem angesehenen Haus der 

Vgl). Mommsen RG IF 128) vorgescMagen Caesaren, eine Schwester von Caesars Vater (vgl. 

wurde; er blieb bei starrem Wider spruch und Bd. X S. 892), heiraten konnte (etwa 113); so 

setzte sich durch (Plut. 4). Es fragt sich aller- wird verstandlich, daB Caesar, der Neffe der lulia, 

dings, ob M. wirklich so massiv gegen L. Metellus M. verehrte und in ihm ein Vorbild sah (Plut. 

aufgetreten ist, wo er doch gerade durch Emp- 6, 4; Caes. 1, 2. Suet. Caes. 6). Mit dieser Hei- 

f ehlung des Metellus sein Amt bekommen hatte, rat hatte M. eine weitere Stiitze in seinem Streben 

und ob nicht ein aus seiner spateren Feindschaft nach der hochsten politischen Macht, dem Con- 

gegen Metellus gewonnenes Bild vom Bericht- sulat, gewonnen, ad quern capiundum praeter 
erstatter vordatiert ist. Es miiBte doch schon von 50 vetustatem familiae alia omnia abunde erant (Sail, 

da an dauernde Verstimniung zwischen beiden be- 63, 2). Die Schwierigkeiten, die einem Homo 

standen haben. Kaum verstandlich ware dann die novus, was M. war, damals noch in der Beamten- 

Erwahnung ihrer Freundschaft und ihre Zusam- laufbahn begegneten, waren groB (vgl. M ti n z e r 

menarbeit im lugurthinischen Kriege im J. 109 Herm. LXVII 220ff.), namentlich dem Ritterbtir- 

(Sall. 58, 5). DaB M. sich aller dings Feinde zu- tigen beim Werben um das Consulat (Sail. 63, 

gezogen hatte, zeigen seine MiBerfolge bei den bes. 7: novus nemo tarn clarus neque tam egregiis 

nachsten Bewerbungen, die vielleicht auch die factis eratj quin indignus illo honor e et is quasi 

machtigen Meteller nicht mehr patronisiert, pollutus haberetur; vgL Gelzer 27f. 401 und 

sondern bekampft haben: denn als sich M. die dort zitierten Stellen aus Cic. leg. agr. I 27 
nach Ablauf des Tribunats um die kurulische 60 und II 3). M. konnte keine consularischen Ahnen 

Aedilitat bewarb, fiel er durch; als er sich sofort aufweisen, er konnte nur auf einen Ersatz oder 

darauf, am gleichen Tage, um die plebeiische Ausgleich der Nobilitierung durch Leistungen 

Aedilitat bewarb, fiel er wieder durch, weil man hinarbeiten (Sail. 85, 97). Dieser Kampf wurde 

sich Tiber sein Verhalten als dreist und anma- ihm nicht leicht gemacht (non mediocribus inimi- 

Bend aufregte (duabus aedilitatibus repulsus Cic. citiis ac laboribus contendit, ut ad summos hono- 

Plane. 51; Cat. 4, 21; Sest. 37f.; Cat. 3, 24; Pis. res perveniret Cic. Verr. V 181, wobei besonders 

43; ad Q^ir. 9. Plut. 5, 3; mor. 202 a. Diod. auf das Verhalten des Metellus angespielt sein 

XXXIV 38. Val. Max. VI 9, 14). Dementsprechend wird, s. u. S. 1377. Vgl. auch off. III 79). 



1373 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1874 

Gelegenheit, sich auszuzeichnen, hot ihm der tellus keinen Erfolg fiir seine bisherigen Metho- 

lugurthinische Krieg. Nicht nur die damals noch den erwartete, hot ihm seine Unterwerfung an; 

bestehende Freundschaft des Consuls Yon 109, Q. doch war dieser mifitranisch nnd zog die Vei- 

Caecilius Metellus (Sail. 58, 5), sondern auch die handlungen bin, riickte aber zugleich in das wie 

militarische Tiichtigkeit des M. werden veranlafit im Frieden arbeitende numidische Land mit vor^ 

haben, daB jener ihn als Legat in diesen Krieg sorglicb geordnetem Heere: dabei hatte M. den 

(s. 0. Bd. X S. 2H.) mitnahm. Befehl iiber die aus der Reiterei gebildete Nach- 

8. M. alsLegatdes Metellusimlu- hut (Sail. 46, 7). Als Metellus seine Stellung zu 

gurthinischen Krieg. Der Auf stieg des den Friedensantragen lugurthas unklar liefi, aber 
M. wurde durch den Krieg gegen lugurtha be- 10 zu gleicher Zeit zum Angriff schritt, indem er die 

grlindet. M. erscheint als Legat (Sail. lug. 46, 9. wichtige Handelsstadt Vaga zu seinem Stiitzpunkt 

Veil. II 11, 1. Plut. 7) im Heere des Q. Cae- machte, rtistete jener und trat 109 (in der heiBen 

cilius Metellus (s. Bd. Ill S. 1218). Der im J. Ill Jahreszeit: Sail. 50, 1) dem romischen Heere ent- 

gegen lugurtha begonnene Krieg in Numidien gegen. Der Schlachtort, Nahe des Muthul (s. 

war ohne Erfolg und erst recht ohne Ehre fiir die Bd. XVI S. 937), ist eins der vielen geographi- 

Romer verlaufen. Naeh dem fiir lugurtha giin- schen Probleme in der Berichterstattung (wahr- 

stigen, fiir Rom demiitigenden Ausgang des vom scheinlich OuedMellag: Cambridge Anc. Hist. IX 

Propraetor Aulus Postumius Albinus (Sail. 37 122 mit Karte 117; dort wird aueh ein Aufsatz 

— 39) improvisierten Winterfeldzugs (im Januar von Saumagne in der Revue tunisienne, N. S. I 
109 V. Chr.) war Metellus mit M. lunius Silanus 20 1930, 31 zitiert, wonach der Oiied Tessa, ost- 

zum Consul, und zwar erst im J. 109 selbst er- lich des Oued Mellag, gemeint sei, auBerdem die 

wahlt worden; ihm war die Provinz Numidien, Operation des MeteUus in der Richtung auf Hippo 

d. h. die Weiterfiihrung des Krieges gegen lu- Regius, die Gleichung Muthul =: Oued Bou Na- 

gurtha zugef alien; im Sommer traf er in Afrika moussa, die Schlacht beim heutigen Orte Combe 

ein (Sail. 44, 1. 3). In ihm trat ein unbescholte- — gegen G sell Hist. anc. de TAfrique du Nord 

ner und tatkraf tiger Fiihrer auf, der zunachst VII 191 — als moglich angenommen; vgl. noch 

umfangreieh und energisch riistete und das ver- R. Oehler Osterr. Jahresh. XII 327. XIII 257). 

lotterte romische Heer, das er in Afrika vorfand, Der erbitterte Kampf, in dem M. das Mitteltreffen 

in Zucht nahm. Mit seinem Legaten M. arbeitete befehligte (post principia Sail. 50, 2), blieb fur 
er einmutig zusammen (45, 2. 46, 7). Aus seiner 30 lugurtha trotz seines geschickten Angriffs und 

offiziellen Unterordnung unter Metellus und der des fiir ihn giinstigen Gelandes erfolglos (Sail. 

Gemeinsamkeit ihrer MaBnahmen erklartsieh, daB 49 — 53). Allerdings war es auch kein durchschla- 

in der Einzelgeschichte des Krieges M. nur bei- gender Sieg der Romer (I h n e Rom. Gesch. V 

laufig erwahnt wird. Es ist auch nicht festzu- 142 ist sogar der Meinung, daB Metellus nach 

stellen, wieweit Metellus auf den militarisch ihm dieser Schlacht den Riickzug angetreten habe). In 

wesensverwandten M. eingewirkt oder dieser die Rom wurde jedoch Metellus wegen seiner Erfolge 

eigentliche Trieb- und Organisationskraft war (so (erwahnt wird die, Disziplinierung des Heeres, 

die Behauptung in der spateren Agitation: es der Sieg in advorso loco, die Eroberung des feind- 

komme vor, daB einer aus der NobUitas sumat lichen Gebietes, die Hoffnungslosigkeit des Ko- 
aliquem ex populo monitorem offieii sui; ita pie- 40 nigs) gefeiert (senatus oh ea feliciter acta dis 

rumque evenit, ut, quern vos imperare iussistis, is immortalihus siipplicia decernere, civitas, trepida 

imperatorem alium quaerat Sail. 85, lOf.). Ob antea et sollicita de belli eventu, laeta agere, de 

nun M. nur der willige Gehilfe des Metellus oder Metello fama praeclara esse 55, 1, was geraume 

der eigentliche Organisator war, das Bild seiner Zeit vor der 64, 5. 73, 5 und Veil. II 11, 2 ge- 

Tatigkeit bleibt dasselbe: die Soldaten wurden in schilderten Stimmung bei M.' Consulatsbewer- 

der Art der alten Kriegszucht wieder an Stra- bung gelegen haben muB, also wahrscheinlich 

pazen gewohnt (44, 3); dabei wurde verfahren Ende 109). 

temperantia inter ambitionem saevitiamque (45, 1). Da lugurtha nicht nachgab und von neuem 
Eine strenge Lagerdisziplin trat wieder in Kraft; riistete, anderte Metellus seine Methode: er be- 
Manover wurden abgehalten, in denen man die 50 gann jetzt einen Krieg der Verwiistung und des 
exakte Marschordnung und Vorschiebung und Terrors. lugurtha antwortete mit einem tJberfall 
Deckung des Lagers ubte; bei den Wachtposten durch seine bewegliche Reiterei. Darauf gingMe- 
machte Metellus personlich mit seinem Legaten tellus mit gesteigerter Vorsicht vor. Zersplitte- 
die Runde (45; vgl. dazu 100, 4f.). Bei M. rung der Truppen mied er; immerhin trennte er 
wird ganz aUgemein seine Tapf erkeit, militarische aus Griinden der Versorgung das Heer in zwei 
Befahigung, List, Manneszucht geriihmt, beson- Gruppen, von denen er eine selbst fiihrte, die 
ders aber die Art, wie er sich den Soldaten in andere M. anvertraute (Sail. 55, 5). Sie lagerten 
Strapazen und Entbehrungen gleichsteUte, sie be- getrennt, wenn auch nicht weit auseinander, um 
riet und fiir ihr Wohl sorgte (Plut. 7; vgl. Sail. zu Angriffen gemeinsam vorzugehen; im iibrigen 
100). Der Erfolg war: exercitum brevi con/?rma- 60 fiihrten sie verheerende Streifziige divorsi aus, 
vit (45, 3). Schon deshalb kann man nicht (mit muBten aber beide erleiden, daB lugurtha das 
M m m s e n RG IP 146) annehmen, daB die Futter und die sparlichen Wasserquellen verdarb 
Kriegshandlungen des Metellus, an denen M. be- und die Nachhut beunruhigte, dagegen aussichts- 
teiligt war, erst 108 begannen, Auch hatte ein losen Kampf en auswich (55). Nun suchte ihn Me- 
langes Hinauszogern des Beginns der Kriegs- tellus durch einen Sturm auf das wichtige Zama 
handlung in Rom, wo man auf einen Umschwung aus der Reserve zu locken. Als M. mit einigen 
zu Ehren des romischen Volks wartete, bitter ent- Kohorten von der Hauptlinie des Vormarsches 
tauscht (vgl. 43, 5. 44, 3). lugurtha, der bei Me- fort nach Sicca beordert wurde, um Getreide zu 



1375 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1376 

fassen, griff ihn beim Ausriicken aus der Stadt Inzwischen hatte der Senat bei der Beratung 

lugurtha mit auserlesenen Reitern an; die Stadt- fiber die Provinzen dem Metellus (fiir 107) die 

bewohner drohten schon, M. im Riicken anzugrei- Provinz Numidien, also die Fortftihrung des 

fen; daraufhin beschleunigte er den Abmarsch, Krieges tibertragen. lugurtha nahm ihn noch im 

griff die feindlichen Reiter mit Entschiedenheit Winter (68, 2) wieder mit Tatkraft auf. Es gelang 

an, trieb sie auseinander und marschierte nach ihm, die romische Besatzung von Vaga zu ver- 

Zama (Sail. 56). Inzwischen hatte lugurtha die nichten; doch Metellus nahm die Stadt wieder 

dortige Besatzung durch tJberlaufer verstarkt. ein und bestrafte sie fur ihren AbfaU empfind- 

(Spater hat lugurtha dem Metellus mehr als Hch. Der romische Stadtkommandant T. Turpi- 

3000 tTberlaufer ausgeliefert: Oros. V 15; vgl. 10 lius Silanus hatte sich dadurch verdachtig ge- 

SalL 62, 6). Trotz genauer Yorbereitung — jedem macht, daB ihm allein die Numidier nichts getan 

Legat wurde eine bestimmte Aufgabe zugewiesen batten. Als die Stadt wieder im Besitz der Romer 

— miBlang der Sturm des romischen Heeres (Sail. war, wurde er von Metellus zur Verantwortung 

57; vgl. Quadrigarius bei Gell. IX 1). Aber auch aufgefordert. Es war peinlich, daB ein romischer 

der gleichzeitige Angriff lugurthas auf das ro- Offizier als einziger die Katastrophe tiberlebt 

mische Lager, zuerst erfolgreich und fiir dieRo- hatte (vgl. Sail. 67. 99); zudem konnte ihre Er- 

mer sehr gefahrlich, wurde gebrochen, indem Me- klarung als ,Verrat* die Beklommenheit der 

tellus die ganze Reiterei und unmittelbar darauf Heeresleitung und des Senats losen. Trotz oder 

M. mit den Kohorten der Bundesgenossen ent- gerade wegen der alten Verbundenheit mit der 

sandte, eumque lacrumans per amicitiam perque 20 Familie des Turpilius konnte Metellus sein Los 

rem publicam obsecrat, ne quam contumeliam re- nicht erleichtern, da M. leidenschaftlich den 

manere in exercitu victore neve hostis inultos Kriegsrat zur hartesten Auffassung drangte, und 

abire sinat: ille brevi mandata efRcit (58, 5). So sah sich gegen seinen Willen gezwungen, jenen 

behaupteten die Romer wenigstens ihr Lager. Der zum Tode zu verurteilen und ihn als einen Latiner 

folgende Kampftag verlief ahnlich; M. leitete den enthaupten zu lassen. Spater stellte sich seine 

Angriff auf die eine Seite der Festung, versuchte Unschuld heraus (wie nur Plut. 8 berichtet): M. 

dabei, die Verteidiger, die das nahe Gefeeht zwi- soil sich iiber die Trauer des Metellus gefreut, 

schen den Reitern lugurthas und den das Lager sich als Urheber der Tat bezeichnet und sich ge- 

deckenden romischen Reitern aufmerksam beob- riihmt haben, dafi er dem Metellus als dem Mor- 

achteten, durch Zuriickhaltung irre zu ftihren und 30 der eines Gastfreundes die rachende Furie auf 

dann durch schnellsten VorstoB zu tiberrumpeln; den Hals gehetzt habe. 

aber diese List des M. blieb ebenso erfolglos wie Doch lugurtha durch Verrat seiner Umgebung 

das ganze Unternehmen des Metellus (SaU. 58 — 60). in seine Gewalt zu bekommen, gelang Metellus 

Die Ereignisse seit der Schlacht am Muthul nicht. Er riistete deshalb mit neuem Eifer zum 

liegen in der Zeit von der Hitzeperiode des J. 109 Kriege; auf die freudige Mitarbeit des M. muBte 

(s. 0.) bis zum Einrucken in die Winterquartiere er allerdings verzichten (73, 2), da dieser sein 

Ende 108. Denn die Entwicklung bis zum und im ganzes Sinnen darauf richtete, das Consulat fur 

Kleinkrieg bedurfte langerer Zeit; zudem ware 107 zu erobern (s. u.). Deshalb hielt Metellus ihn 

€s nicht verstandlich, wie M. bei seiner Bewer- nicht langer von der Fahrt nach Rom zur Bewer- 

bung um das Konsulat des J. 107 agitatorisch 40 bung um das Consulat zuriick. Gegen den un- 

behaupten konnte, Metellus ziehe den Krieg ab- sicher gewordenen lugurtha hatte er einige Er- 

sichtlich in die Lange (Sail. 64, 5. Yell. II 11,2), folge, aber ohne durchschlagende Kraft, darunter 

wenn in Rom das Dankfest fiir die Taten des Me- die schwierige Eroberung von Thala (57f.). Die 

tellus erst ein Vierteljahr vorher stattgefunden Lage wurde sogar fiir Metellus noch schwieriger 

hatte (Mommsen II 146 z. T. anders. Weitere durch den Eintritt des Konigs Bocchus von Mau- 

Literatur und Erorterung bei M ein el Zur retanien in den Krieg und die Bedrohung der 

Chronologie des lug. Krieges, Progr. Augsburg Stadt Cirta, die schon als Materiallager fur die 

1883. Cambridge Anc. Hist. IX 124). Ein Zeichen Romer wichtig war (80f.). Doch ist es bei der 

■des geringen Erfolges des Metellus ist es auch, fliichtigen Schilderung des Sallust kaum moglich, 

daB er fiir den beginnenden Winter 108/07 Be- 50 ein sicheres Urteil iiber die Kriegslage zu fallen, 

satzungen nur in den numidischen Stadten, quae Da lugurtha Ost- und Mittelnumidiens beraubt 

satis munitae loco aut moenibus erant zuriicklieB war, sei seine Unterwerfung nur eine Frage der 

und das tibrige Heer in der angrenzenden romi- Zeit und der Aktivitat des Metellus gewesen, ur- 

;schen Provinz unterbrachte (61, If.). Bezeichnend teilt Cambridge Anc. Hist. IX 125. SchlieBlich 

ist, daB ein numidisches Korps zwischen romi- wurde Metellus durch die Nachricht, die Provinz 

;schen Winterlagern stand, um Verwiistungen des sei ihm entzogen und dem M. tibertragen worden, 

Landes zu verhiiten (70, 4). Armis bellum parum verbittert und gelahmt (82. 83, 1 s. u.); er be- 

procedebat (61, 3): auf Grund dieser Erkenntnis schrankte sich auf Unterhandlungen mit Bocchus, 

versuchte jetzt Metellus, sich des lugurtha durch so daB bei der Ankunft des M. der Krieg wieder 

Yerrat zu bemachtigen. Durch einen von Metel- 60 versumpft war: tempus proeedere et ex Metelli 

lus gewonnenen Yerwandten bearbeitet, erklarte voluntate bellum intactum trahi (83, 3). 

sich dieser zur bedingungslosen Unterwerfung 9. M.' Bewerbung um das Consu- 

bereit; ein von Metellus einberufener Kriegsrat, lat 107. Der Gegensatz zwischen Metellus und 

in dem auch M. eine wichtige Stimme hatte, M., der durch diese Erzahlung scharf hervor- 

stellte schwerste Bedingungen. lugurtha erfiillte gehoben wird, bestand seit langem und ist schon 

•sie, wurde aber bedenklich als er sich selbst stel- daraus verstandlich, daB hier zwei Manner mit 

len soUte, riistetete von neuem und trat wieder starkem und leidenschaftlichem Willen bei ihrer 

in den Kampf ein (Sail. 62). Zusammenarbeit in der Heeresleitung naturgemaB 



1377 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1378 

aiich rivalisieren. Den Gegensatz muBte verschar- Propaganda traf in Rom auf eine giinstige Stim- 

fen, da6 Metellus kastenmafiig befangener Ari- mung, well gerade der Adel durch die Lex Ma- 

stokrat war (Sail. 64, 1), dem man wohl mit milia eine Niederlage erfahren hatte und das Volk 

Recht nachsagte, dafi er die Legaten aus alter sich bemtihte, homines novi hoch zu bringen 

Familie vor M. bevorzugte (Diod. XXXV frg. 38 (Sail. 40. 65. 73, 3ff.). Die Volkstribunen erregten 

Dind.), dafi anderseits M. vom Soup^on des Em- die Masse noch mehr durch Angriffe auf Metellus 

porkommlings besessen war. Die Scharfe des und Verherrlichung des M. (Sail. 73, 5). So war 

Gegensatzes trat schroff zutage, als M. sich missio schlieBlich eine ganze Volksbewegung fur M. in 

erbat, um sich um das Consulat fiir 107 zu be- Szene gesetzt: die Handwerker liefien ihr Ge- 
werben. Als M. in Utica (Ende 108, s. o. S. 1376) 10 schaft im Stich, die Landleute ihre Arbeit (es 

den Gottern ein Dankopfer brachte, horte er vom war also der Winter zu Ende) und stromten ohne 

Haruspex, was er in diesem Augenblick an Er- Riicksicht darauf, woven sie nun leben soUten, 

munterung und Aussieht auf ktinftige GroBe M. zu, um an seiner Erhebung beteiligt zu sein. 

brauchte (Sail. 63, 1. Plut. Mar. 8, in der Zeit- Diese geschickte Agitation, die die politiscbe Fa- 

angabe abweichend). Ilium iam antea consulatus higkeit der Nobilitat in MiBkredit brachte, er- 

ingens cupido exagitabat; die erforderlichen schtitterte die Stellung des Adels. Dem M. hatte 

Eigenschaften traute er sich mit Recht zu, er Metellus endlich Urlaub gegeben, da er von dem 

hatte sich in den Amtern bewahrt; doch er war widerwilligen und erbitterten Mann doch nichts 

ein Homo novus (s. o. S. 1372). Dadurch hatte hatte (s.o.S. 1376), aber erst imletzten Augenblick, 
er sich bisher gehemmt (ihdignus illo honor e et 20 12 Tage vor der Wahl, von denen er 2 Tage und 

quasi pollutus) gefuhlt: consulatum adpetere non eine Nacht fiir den Weg vom Lager bis Utica, 

audebat: etiam turn alios magistratus plebs, con- 4 Tage fiir die tJberfahrt nach Rom bei giin- 

sulatum nobilitas inter se per manus trade- stigem Wind brauchte (Plut. 8, 8. Plin. XI 198, 

bat (Sail. 63, 7). Seine Bitte, ihm petundi vgl. SalL 63, 1). Ein Tribun fiihrte ihn sofort 

gratia Urlaub zu gewahren, nahm der iiber dem vor das versammelte Volk, das ihn in freudiger 

Durchschnitt seiner Standesgenossen tiichtige, Spannung erwartete; er sprach scharf gegen Me- 

aber in ihren Einschatzungen befangene Metellus tellus, was gewiB viele als Treubruch tadelten; so 

mit Befremden auf und nahm zur Ablehnung den empfand es auch noch Cicero (Q. Metellum, cuius 

Ton liberlegenen freundschaftlichen Rates zu legatus eratj summum virum et civem, cum ab eo, 

Hilfe. Aber M. beharrte auf seiner Bitte; Metellus 30 imperatore suo, Romam missus esset, apud popu- 

suchte die Angelegenheit zu vertagen, indem er lum criminatus est, Itaque factus est ille quidem 

ihm den Urlaub fiir den Zeitpunkt zusagte, in consul, sed a fide iustitiaque discessit off. Ill 

dem es der Staatsdienst erlaube. In der letzten 79); er, der erfahrene Soldat, versprach, lugurtha 

Zeit durch die Turpiliussache mit M. offen ver- das Leben oder die Freiheit zu nehmen (Plut. 8, 

feindet (Plut. Mar. 8, 6) habe er dem immer von 9). So wurde dem Homo novus das ehrenvoUste 

neuem bohrenden M. ins Gesicht gesagt — so Amt, das Consulat, tibertragen. 

wurde wenigstens erzahlt (fertur: Sail. 64, 4) — Der nachste Schritt war, daB ihm, ein Ergeb- 

er soUe mit der Abreise nicht so eilen; er werde nis der Einmischung des Volkes, auch der Krieg 

sich noch zeitig genug mit seinem Sohne ums gegen lugurtha tibertragen wurde, obwohl der 

Consulat bewerben. Dabei war dieser ungefahr 20, 40 Senat erst kurz vorher dem Metellus Numidien, 

M. ungefahr 50 Jahre alt (Sail. 64, 2. Plut. Mar. d. h. die Weiterf uhrung . des Krieges tibertragen 

8, 6. Cass. Dio frg. 89, 3 Boiss.). Metellus er- hatte (Sail. 73. 62, 10, vgl. Cic. Balb. 61; epist. 

reichte so das Gegenteil: M. strebte nur noch fam. 17, 10). Er hat den Krieg extra sortem ge- 

hartnackiger zur hochsten Wiirde und schtirte fiihrt (so das Elogium CIL P p. 195), d. h. die 

die Erbitterung iiber Metellus bei sich und mog- Provinz Numidien ist ihm auf Anfrage des Volks- 

lichst bei anderen. Hemmungslos sagte und tat tribuns Manlius Mancinus durch Plebiscit tiber- 

er alles, was ihm Anhanger gewinnen konnte: tragen worden (Sail. 73, 7, vgL Mommsen 

die Soldaten, die er im Winterlager komman- RG IP 152). 

dierte, hielt er laxer, die zahlreichen GroBkauf- Den M. stimmte die Niederlage des Adels 

leute und Ritter, die sich in Utica aufhielten, 50 und die tJbernahme des hochsten Amts durchaus 

konnten von ihm groBsprechende und iiber den nicht versohnlich; sondern er verfolgte den ge- 

Oberfeldherrn perfideReden horen: mit der Half te schlagenen Feind unerbittlich, vielleicht weil der 

des Heeres wiirde er, M., in ein paar Tagen den lang gehegte GroU durch das feindliche Verhal- 

lugurtha gefangen haben; der Imperator schleppe ten des Metellus aufgepeitscht worden war. Die 

den Krieg schon ins dritte Jahr (Veil. II 11, 2) Gegner des M., die nicht an seinen weiteren Er- 

und zwar absichtlich hin, w^il der eitle Mann am folg beim Volk glauben woUten (s. u. S. 1379), hat- 

Imperium klebe. M. wandte sich also damit ge- ten nicht in Rechnung gestellt, welche werbende 

rade an die Kreise, die im Krieg Vermogensver- Kraft von dem Volksmanne ausging. Er riB das 

luste erlitten batten und sich ein baldiges Kriegs- Volk durch seine Reden in einen Taumel hinein, 

«nde, nach dem Numidien fiir den Handel wieder 60 indem er die schon wankende Autoritat der 

eroffnet ware, gern vorspiegeln lieBen. Einem Staatstrager mit gehassigen Redewendungen ganz- 

geistesschwachen, von Metellus gekrankten numi- lich zerbrockelte und dem Volk eine Selbstherr- 

dischen Prinzen bot M. sich als Racher an und lichkeit einredete, die doch nur Vorspiegelung 

machte ihm Aussieht auf die Nachfolge lugur- war, denn der Inhalt des Volksdenkens war Ab- 

thas, wenn er Konsul wurde. So skrupellos bear- klatsch von des Agitators Denken und WoUen 

beitete M. alle, und ihre Brief e an ihre Ange- (vgl. Sail. 40, 5 zur lex Mamilia): jetzt sei die 

horigen in Rom arbeiteten auch dort gegen Me- Herrschaft der Vornehmen und Begiiterten, die 

tellus und warben leidenschaftlich fur M. Diese nur Merkmale der Degeneration ({mXaTiia Plut. 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 44 



1379 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1380 

9, 2) aufwiesen, zu Ende, jetzt beginne der wahre ten auBer dem wiehtigen, da6 die Neulinge all- 
Staat: die Aufgabe sei nun, den g a n z e n Staat mahlich Erfahrung gewannen und mit den alteren 
zu verwalten, was ein schwieriges Werk sei, ins- Soldaten eine Einheit bildeten. Die Konige batten 
besondere fiir den Homo novus, der den Adel der sich bei der Ankunft des M. in schwierigeres Ge- 
Leistungen aufweisen miisse, so wie er ihm, M., lande zuriickgezogen und warteten auf die Ge- 
zur zweiten Natur geworden sei; er werde einen legenheit, ihre Guerillatechnik anzuwenden (87). 
gemeinntitzigen, btirgerfreundlichen Oberbefehl Aber M. war auf der Hut vor ihren Schlichen, 
austiben: quam oh rem vos, quibus militaris aetas beobachtete ihre Marsche und Absichten und lieB 
est^ adnitimini meeum et capessite rem publicam; sie nicht zur Rube kommen, griff auch lugurtha^ 
egomet in agmine aut in proelio consultor idem et 10 der Beuteziige in das Gebiet der soeii wagte, an 
socius periculi vobiscum adero; omnia matura und jagte ihm selbst in der Nahe von Cirta die 
sunt, victoria praeda laus (Sail. 85, 47f. Plut. 9. Waffen ab. Dafi aber so keine Entscheidung her- 
Val. Max. l\ 3, 1. Flor. I 36, 13. Cic. oS. beigeftihrt wurde, sondern die bisherigen Kriegs- 
ni 79). ereignisse, nur mit lebhafterer Methode, repetiert 
10. M. als Oberfiihrer im numidi- wurden, sah er selbst (88, 4). Jetzt ging er daraul 
s c h e n K r i e g. M.' agitatorisches Talent kam aus, die Basisplatze, die durch Lage und Besat- 
auch der Vorbereitung des neuen Krieges zu- zung fiir ihn ebenso wichtig werden konnten wie 
gute: quae bello opus erant, prima habere (84, 2). sie es fiir den Peind waren, systematisch einen 
Er hielt also den weiteren Krieg durehaus nicht nach dem anderen metu aut praemia ostentando 
fiir eine leichte Sache und verlieB sich auch nicht 20 zu nehmen und Garnisonen hinzusetzen (was er 
darauf, lugurtha durch diplomatische Ranke in in groBerem Umfang als Metellus konnte, da er 
seine Gewalt zu bekommen. Er verlangte Auf fill- mehr Truppen hatte), auch um lugurtha zu 
lung der Legionen, was der Senat ihm nicht zu schwachen und zu einer entscheidenden Schlacht 
ungern bewilligte, weil sich nach seiner Meinung zu notigen. Bocchus hatte ihm iibrigens wieder- 
M. durch Truppenaushebungen unpopular machen holt freundliche Neutralitat zugesiohert, womit 
wiirde, vielleicht aber die Mittel zum Kriege aber noch nicht sicher war, an wem nun der 
iibei^haupt nicht zusammenbrachte. Die Gegner Konig zum Verrater wiirde. Aber auch diese Me- 
des M. batten nicht mit seiner die Masse fort- thode versagte. lugurtha blieb enttauschend fern 
reiBenden Leidensehaft gereehnet: bald war jeder und sogar aliis negotiis intentus^ wahrend es fiir 
iiberzeugt, mit Sieg und Beute zuriickzukehren 80 M. Zeit wurde maiora et magis aspera aggredi 
(s. 0. S. 1378f.). M. brachte sogar eine weit gro- (89, 3): muBten doch die Hoffnungen seines Con- 
Bere Truppenmenge zusammen, als ihm bewilligt sulates erfiillt werden. Von ihm wurde darum die 
war (86, 4), weil er aushob non more maiorum ex Eroberung der Stadt Capsa offenbar als Gegen- 
classibusj sed uti cuiusque lubido erat, capite stiick zur Eroberung von Thala durch Metellus 
censos plerosque (86, 2), eine MaBregel von groB- unternommen und zugleich als der groBe Schlag 
ter Bedeutung (s. S. 1421). Ob diejenigen recht des Jahres; denn es war schon Spatsommer 107 
batten, die daraus auf Mangel an Tauglichen geworden (89, 6. 90, l)i Die schwierige Unter- 
schlossen, falls M. das alte Rekrutierungssystem nehmung gelang M. durch seinen Wagemut und 
angewandt hatte, oder ein bewuBtes Hinarbeiten seine Verschleierungstaktik schlieBlich in einem 
des M. auf die Ergebenheit derer, die nichts zu 40 Handstreich. Die Einwohner ergaben sich, aber 
verlieren batten und in Abenteuern alles gewin- ihre Stadt wurde niedergebrannt, die WaHen- 
nen konnten (86, 3; vgl. 73, 6): M. wurde so ein fahigen getotet, die anderen versklavt, die Beute 
Feldherr neuen Stils und zu einer so noch nicht an die Soldaten verteilt: id f acinus contra ius 
bekannten personlichen Macht befahigt. tTbrigens belli non avaritia neque scelere consulis admisr 
hatte er auBerdem Hilf struppen von Volkern und sum, sed quia locus lugurthae opportunus, nobis 
Fiirsten aufgerufen, aus Latium und dem Bundes- aditu difHcilis, genus hominum mobile inMum, 
genossengebiet besonders tapfere, ihm personlich ante neque beniHcio neque metu coercitum, fiigt 
geriihmte oder gar von ihm personlich im Krieg der Berichterstatter entschuldigend hinzu (vgl. 
beobachtete Manner und durch personliches Zu- Cic. off. I 82. Flor. I 36, 14); in der Tat war 
reden Ausgediente gewonnen (84, 2). Erst schickte 50 der fernabliegende Platz militarisch nicht halt- 
er seinen Legaten A. Manlius mit einer Trans- bar, die Expedition wahrscheinlich militarisch 
portflotte fiir Proviant, Sold, Waffen usw. nach ohne Bedeutung; aber auf die Afrikaner wirkte 
Africa (86, 1). Dann fuhr er mit den Truppen ab der Terror, und das Prestige des M. beim Heer 
und landete nach wenigen Tagen in Utica. Der und in Rom war gewahrt und wunderbar ge- 
Legat P. Rutilius Rufus iibergab ihm das Heer; stiegen. Seine Soldaten batten ohne alien Ver- 
Metellus sparte sich den Anblick des verhaBten lust gekampft, empfanden das Kommando des M. 
Mannes, dem er nach seiner iibersteigerten Be- als maBvoU, waren reich beschenkt, verhimmelten 
hauptung so gut wie nichts mehr gegen lugurtha den Feldherrn, dem bald Freund und Feind gott- 
zu unternehmen iibriggelassen babe (Plut. 10, 1; liche Eingebung andichteten, zumal da omnia 
dazu Sail. 82f.). M. fiillte zunachst die Truppen- 60 non bene considta in virtutem trahebantur (92; 
korper an. Dann begann er sein Erziehungswerk If.), Auf dieser Bahn des Gliicks und Ruhms 
am Heer mit der Schule des kleinen Kriegs; erst ging M. riicksichtslos gegen viele andere Boll- 
zog er nur in fruchtbare Gegenden und iiberlieB werke der Afrikaner vor, soweit sie nicht nur 
den Soldaten, um sie an sich zu fesseln, alle infolge der Angst vor dem Terror leere, zum 
Beute; dann kamen leichtere militarische Auf- Niederbrennen geeignete Hausergruppen waren: 
gaben daran: Angriffe auf Kastelle und schlecht- luctu atque caede omnia complentur (92, 8). Der 
verteidigte Siedlungen, viele unbedeutende Ge- Bericht ist sehr summarisch; Namen werden 
fechte, die keinen Erfolg versprachen und brach- nicht genannt. 



1381 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Mariiis [Leben]) 1382 

Eine weitere schwierige XJnternehmung gegen geben, wenn die Romer aus Afrika verdrangt 

ein Kastell am Mulucha wird schon in das J. 106 wiirden oder beim KriegsabschluB wenigstens 

zu setzen sein, fiir welches Jahr dem M. das Im- sein Gebiet ungeschmalert bliebe (Sail. 97, 2).. 

perium jedenfalls verlangert wurde. Winterquar- DaB Sulla nach seiner Ankunft" am Mulucha Ge^ 

tier erwahnt Sallust nicht, was kein zwingender legenheit hatte, in operibus, in agmine atque ad 

Grund ist, eine zeitweilige Einstellung der Feind- mgilias multus adesse und in kurzer Zeit sehr 

seligkeiten abzustreiten (Cambridge Anc. Hist. kriegskundig wurde (96, Iff.), laBt auf weiterC: 

IX 127). Es ist nicht gut moglich, daB M. nach Ztige in jenen Gegenden schlieBen, und zwar 

der im Spatsommer voUzogenen Expedition nach auch gegen Bocchus: er lieB nicht zu, daB M. den, 

Capsa noch einen Zug in das westliche Numidien 10 Teil Numidiens verwiistete, aus dem er, Bocchus,, 

bis zur Grenze von Mauretanien, mehr als 1000 km den lugurtha einmal vertrieben hatte — offenbar 

Yon Capsa weg, untemommen hat (C 1 e B in Lan- dasselbe Sttick Numidien, das dem Bocchus in 

genscheidts Bibl. zu Sail. bell. lug. 92. M e i n e 1 f riedlicher Vereinbarung zu uberlassen lugurtha 

22). Der (von Sail. 92, 6. 97, 1 angegebene) Grund nunmehr bereit war (vgl. Sail. 102, 13. Appian. 

fiir den harten Kampf um diesen Platz: quod ibi Num. 3). Als M. auf dem Riickweg zum Winter- 

regis thesauri erant, wird nicht der einzige ge- quartier (106/05) begriffen war, wurde er von 

wesen sein: es wurde dadurch lugurtha aus einem dem vereinigten Heer iiberf alien. M. geriet in 

groBen Teil seines Reiches verdrangt, der zwei- eine bedrohliche Lage; er griff personlich in den 

deutige Konig von Mauretanien eingeschuchtert; Kampf ein; Tatkraft und Disziplin brachten wie- 

so konnte der Krieg schneller beendigt werden. 20 der den Sieg und groBe Beute an Waffen und 

Das Unternehmen drohte aber zu scheitern, der Feldzeichen (Sail. 97fE.). M. nahm darauf den 

Mut der romischen Truppen sank; M. multis Marsch zu den Winterquartieren mit groBter 

diebus et laboribus consumptis anxius trahere Vorsicht wieder auf; es kam zu einer blutigen 

cum animo suo, omitteretne inceptum, quoniam Schlacht nicht weit von Cirta,'die zeitweise fur 

frustra erat; quae cum multos dies noctisque die Romer ungtinstig stand, namentlich als lu- 

aestuans agitaret — bringt ihm ein sonderbarer, gurtha dem romischen FuBvolk auf lateinisch zu- 

ganz unmilitarischer Zufall (ein ligurischer Sol- rief , die Romer kampften vergebens, er habe eben 

dat entdeckt auf der Suche nach Schnecken einen den M. mit eigener Hand getotet, und ein blutiges 

Zugang zur Festung) R^ttung: sic forte correcta Schwert zeigte. Doch endete der Kampf durch 

Mari temeritas gloriam ex culpa invenit (Sail. 30 entscheidendes Eingreifen des Sulla und des M. 

92—94. Frontin. Ill 9, 3. Flor. I 36, 14). mit einer blutigen Niederlage der Afrikaner (101). 

DaB der Feldzug zum Mulucha ein Glied in M., haud dubio iam victor^ gelangte nach Cirta, 

einer groBer angelegten Operation war, darf dar^ das damit wiedergewonnen wurde, falls es ver- 

aus geschlossen werden, daB der Quaestor L. Cor- lorengegangen war (vgl. Cass. Dio frg. 89, 5. 

nelius Sulla cum magno equitatu im Lager ein- Oros. V 15, 10. Cambridge Anc. Hist. a. 0.). 

traf, fiir M. angesichts der groBen numidischen Die Wichtigkeit der Schlacht wird durch die 

Reiterei (Oros. V 15) eine willkommene Verstar- Tatsache bestatigt, daB Bocchus wenige Tage 

kung, wenn er auch von Sulla, den er fiir ver- nachher M. um die Entsendung zweier zuverlas- 

weichlicht hielt, damals noch keine hohe Mei- siger Unterhandler bat. Er sandte sofort Sulla 

nung hatte (Val. Max. VI 9, 6). M. hatte ihn in 40 und A. Manlius; Sulla fiihrte geschickt das Wort. 

Rom zuruckgelassen, um diese Reiterei in Latium Inzwischen unternahm M. vom Winterlager aus 

und bei den Bundesgenossen mobil zu machen mit leichtbewaSneten Cohorten und einem Rei- 

(95, 1). Da die "Dberfahrt des-^ M. mit seinem tertrupp einen Zug nach einem Kastell in der 

Heere erst tief im J. 107 vor sich gegangen sein Wiiste. Als er abwesend war, gelangten fiinf Ge^. 

kann (s. S. 1380), ist es nicht zu auffallend, sandte des Bocchus ins Winterlager, wo sie Sulla, 

wenn Sulla mit der Reiterei im J. 107 nicht reeht- von M. pro praetore zuriickgelassen, giitig emp- 

zeitig nach Afrika gelangen konnte, um noch in fing. Sie teilten ihm die Botschaft des Bocchus 

den Krieg einzugreifen, und erst 106 die Uber- mit: sie soUten mit Genehmigung des M. nach 

fahrt ausfiihren konnte. Es ist auch moglich, daB Rom zu Unterhandlungen gehen, die dem 

M. von dem stidlichen Numidien aus, wo er im 50 Krieg auf jede mogliche Art ein Ende machen 

Herbst 107 stand, im Frtihjahr 106 direkt nach soUten; Sulla mochte ihnen als fautor consultor- 

Westnumidien zog (M e i n e 1 nach Marcus que beistehen. Sulla belehrte sie, was sie M. und 

Parallele entre les operations militaires de Me- spater dem Senat vortragen soUten. Aber erst 

tellus et Marius contre lugurtha, les premieres nach ungefahr 40 Tagen kehrte M. von seinem er- 

invasions des Arabes et les exploits des Fran^ais folgreichen Zug zuriick; er entbot die Gesandten, 

dans TAlg^rie 765), wahrend Sulla von den ferner Sulla, den Praetor L. Bellienus und alia 

Kiistenstadten aus einen nordlichen Weg nahm. Manner senatorischen Ranges zu sich. M. erteilte 

so daB sie sich erst in Westnumidien vereinigen den Gesandten Befehl, nach Rom zu gehen; in- 

konnten. — Sulla gewann in kurzer Zeit durch zwischen soUte ein Waffenstillstand in Kraft tre- 

sein Benehmen M. und die Soldaten (Sail. 96, 4). 60 ten. Die Antwort des Senats war ktihl, aber doch ftir 
Trotz des VorstoBes des M. bis an die Grenze Bocchus, wenn er woUte, ermutigend. Er bat den 

von Mauretanien gelang es lugurtha, Bocchus zu M. in einem Schreiben, Sulla mit unbeschrankter 

bewegen, mit einem ansehnlichen Heere zu ihm VoUmacht zu ihm zu schicken. Nicht ohne Ge- 

zu stoBen. DaB Bocchus sich fiir den Krieg ent- fahrdung gelangte Sulla zu Bocchus. Als dieser 

schloB, wird nicht nur auf die eindringliche nur bewaffnete Neutralitat ftir den weiteren Krieg 

Mahnung des lugurtha und die Bestechung der zwischen Rom und lugurtha anbot (110), erklarte 

Leute um Bocchus zurtickgehen, auch nicht auf Sulla das Angebot fiir unzureichend und drangte 

das Versprechen, ihm ein Drittel Numidiens zu ihn, lugurtha auszuliefern. Bocchus lud lugurtha 



1383 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1384 

zu sich, schwankte aber lange, bis er zuletzt dem wesen. Zuerst waren die Cimbern in lUyricum 
Rat des Sulla folgte (113, 4). lugurtha ging in pliindernd aufgetaucht und batten den Consul des 
die Falle: Sullae vinctus traditur et ab eo ad J. 113 Cn. Papirius Carbo bei Noreia verniehtend 
Marium deductus est (113, 7). So war der Krieg geschlagen (Liv. per, 63. Tac. Germ. 37. Veil, 
gegen lugurtha beendet, aber schlieBlich doch II 12, 2. Eutrop. IV 25. Flor. I 38. Obsequens 
nur durch Verrat, wenn auch der Verrater unter 98. Jullian a. 0. 59). Dann hatte der Gonsul 
dem Eindruck der romischen Eroberungszuge des J. 109 M. lunius Silanus in Gallien gegen die 
stand. Und diese Auslieferung lugurthas war Cimbern mit MiBerfolg gekampft; der Senat hatte 
durch SuUas Geschieklichkeit herbeigefuhrt wor- die Forderung der Cimbern, ihnen Wohnsitz und 
den — ein Grund zur Verfeindung von Sulla und 10 Felder zur Siedlung zu iiberlassen, abgewiesen 
M., zumal da Sulla sein Verdienst sogar prahle- (Liv. per. 65. Flor. I 38, 2). Schlimmer, gefahr- 
risch betonte: so lieB er sich einen Siegelring an- drohend und entmutigend war die Lage im J. 105 
fertigen, auf dem die Auslieferung des lugurtha geworden. Erst hatten die Cimbern den Legaten 
durch Bocchus an ihn dargestellt war, trug ihn M, Aurelius Scaurus geschlagen, gefangen genom- 
bestandig und gebrauchte ihn zum Siegeln (Plut. men und umgebracht; dann waren der Proconsul 
Mar. 10, 8; Sulla 3; mor.806d. Val. Max. VIII 14, Q. Servilius Caepio und der Consul Cn. Mallius 
4). Naturlich dachten auch die aristokratischen am 6. Oktober 105 in der Nahe von Arausio unter 
Gegner des M. das Stichwort aus, daB die ersten erschtitternden Verlusten besiegt worden, was den 
und wichtigsten militarischen Erfolge Metellus, Romern so nahe ging, dafi sie dem angeblich un- 
den diplomatischen Endeffekt und damit das 20 besonnenen Caepio zur Strafe das imperium nah- 
Ende des Krieges Sulla erzielt habe (Plut. Mar. men und die Guter konfiszierten (Liv. per. 67. 
10, 9). Sail. 114, 1. VeU. II 12, 2. Oiros, V 16, Ihm 
Am Ende des J. 105 kehrte M. aus Afrika o. Bd. Ill S. 2548. Miinzer Rom, Adelsfami- 
zurtick (Sail. 114, 3); er war abwesend zum zwei- lien 288). Jetzt drohte der Einbrueh der Sieger, 
tenmal zum Consul gewahlt worden trotz der angeblich 300 000 waffenfahige Manner, die Hun- 
Opposition, die sich auf das Gesetz berief (Plut. ger nach Land und Siedlungen hatten, den nach 
12, 1), und zwar nach der Niederlage des Ser- dem Vorgang der Gallierinvasion das mit Zersto- 
vilius Caepio (s. u. S. 1384), d, h. nach dem rung bedrohte Rom stillen soUte (Plut. Mar. 11, 
6. Oktober (Plut. Lucull. 27. Veil. II 12, 2. Eu- 3. 14. Sail. bell. lug. 114, 4. Cic. Pomp, 60; 
trop. 5, 1) und nach Eintreffen der Nachricht, 30 prov. cons. 32). 

daB lugurtha in Fesseln auf dem Weg nach Rom In diesem Augenblick gab es fiir Rom stim- 

sei. Am 1. Januar 104, am 1. Tage seines 2. Con- mungsgemaB wie rein sachlich kaum eine andere 

sulats hielt M. mit groBem Glanz seinen Triumph- Entscheidung als^M. dem Feind entgegenzustellen. 

einzug in Rom (Elogium a. 0. Sail. 114, 3. Plut. Nur von ihm konnte man erwarten, daB er ein 

12. Veil. 11 12, 2). Das Prunkstiick war neben hinreichend groBes Heer aufstellen wiirde. So 

dem erbeuteten Gold und Silber der vor dem wurde er abwesend ohne sein Zutun (Liv. per. 

Wagen des M. mit zwei Sohnen einhergefiihrte 67. Veil. II 12, 2; de vir. ill. 67), zusammen mit 

lugurtha, der angeblich wahrend des Aufzugs den C. Flavins Fimbria zum Consul gewahlt mit Dis- 

Verstand, nach ein paar Tagen recht unkonig- pensation von dem Gesetze, daB niemand das 
licher Behandlung das Leben verlor. Nach dem 40 Consulat mehr als einmal iibernehmen diirfe, nicht 

Aufzug versammelte M. den Senat auf dem Ka- ohne Widerspruch, natiirlich der nobiles, der aber 

pitol; iiber den Inhalt des Aktus wird nicht s be-r vom Volk zuriickgewiesen wurde: das Wohl des 

richtet; aber der Senat nahm es M. libel, daB er Staates sei mehr wert als die Satzung; es liege 

aus Unachtsamkeit oder rfj tvx^ xQ^f^^^og ayQoi- auch ein Prazedenzfall vor, da Scipio gesetzwidrig 

TiotsQov im Triumphkleide auftrat, was allerdings Consul geworden sei zur Zerstorung Karthagos, 

noch kein Triumphator getan hatte; als er merkte, nicht einmal bei so unmittelbarer Gefahr ftir die 

daB der Senat daran AnstoB nahm, ging er hin- Hauptstadt (Liv. per. 67. Veil. II 12, 1. Cic. Pomp, 

aus und kam in der purpurverbramten Toga zu- 60; Flor. I 38, 5; de vir. ill. 67, 2. Plut. Mar. 

riick (Plut. Mar, 12, 7. Liv. per. 67). Die Betonung 12, 1 ; vgl. Mommsen Staatsr. 1 521, 1). So wurde 
der Formfrage oder vielmehr der obersten staat- 50 M. Gallien als Provinz zugewiesen. Aus Afrika 

lichen Autoritat durch den Senat laBt erkennen, zuriickgekehrt bemtihte er sich, ein starkes Heer 

daB das glaubige Urteil tiber M. : ea tempestate auf zustellen. Es setzte sich nicht, mindestens nicht 

spes atque opes civitatis in illo sitae (Sail. 114,4) im wesentlichen, aus Bestandteilen des von ihm 

nicht das der Senatskreise war (Cic. p. lege Man. in Afrika geftihrten Heeres zusammen, sondern 

60 hat nur rhetorischen Wert). aus den tJberresten der bei Arausio geschlagenen, 

11. M. im Germanenkrieg. aber schon vom Consul des J. 105 P. Rutilius 

a) B i s zur Schlacht bei Aquae Sextiae. Ruf us wieder in Zucht genommenen Legionen 

Fast gleichzeitig mit der Freudenbotschaft von (Veget. de re milit. 3, 10. Frontin. IV 2, 2; dem- 

der Gefangennahme lugurthas traf in Rom die entsprechend kampfte Sertorius bei Arausio mit 
Nachricht von dem drohenden Einfall der in un- 60 und stand dann im Heere des M.: Plut. Sert. 3). 

geheurer Starke anruckenden Cimbern und Teu- Im iibrigen werden ligurische Hilfstruppen ge- 

tonen ein (Plut. Mar. 11. 12. Strab. VII 293. Vgl. nannt (Plut. Mar. 19, 5); fiir ein groBes Auf- 

zum Folgenden Camille Jullian, Histoire de la gebot von Auxilia zeugt, daB M. im Auftrag des 

Gaule III 53ff. K o e p p in Gebhardt Handb. d. Senates sogar den Konig Nikomedes von Bithy- 

deutschen Gesch.'^ 1930, 44ff.). Diese Gefahr soUte nien um Hilfe bemtiht haben soil (Diod. XXXVI 

M. vor eine noch groBere Aufgabe stellen als er 3, 1 Dindorf). Ein Zeugnis dafiir, daB M. im 

schon erfiillt hatte. So nahe war die Gefahr und J. 104 an einer Umgestaltung des Heerwesens ge- 

so groB die Erregung in Rom bisher nicht ge- arbeitet hat, ist die Nachricht, daB Romanis earn 



1385 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1386 

(aquilam) legionibus C. Marius in secundo con- Rom ausgenutzt hatten. Ein groBer Glticksfall 
sulatu suo proprie dedicavit (Plin. n. h. X 16. war es fiir M., daB die Germanen aus undurchf 
Marquardt StaatsverWi IP 354). Im beson- sichtigen Griinden zunachst nicht vorwartsflute- 
deren hielt M. es fiir notig, die Truppen v o r ten, sondern erst das Gebiet zwischen Rhone und 
einem Eampf mit den Feinden erst griindlich aus- den Pyrenaen verwtisteten und dann nach der 
zubilden; es ging diese Arbeit jedoch nicht nur, iberischen Halbinsel zogen (Liv. per. 67. Obsequ. 
wie Plutarch (Mar. 13, 1) sagt, ?ca^^ 686v vor 43). Aber M. war auf ihre Wiederkehr gefaBt 
sich, sondern, well die Feinde nicht sobald er- So benutzte er die Zeit, die Truppen nicht nur 
schienen, ebenso wie der ganze apparatus belli weiter korperlich zu schulen, sondern auch see- 
(Vell. II 12, 3) durch die Jahre bis zum Entschei- 10 lisch zu festigen und selbst mit ihnen zusammen^ 
dungskampf fort (Pint. Mar. 14, 1). Zunachst zuwachsen (Plut. Mar. 14, 1; woraus ebenfalls 
stahlte er die physischen Krafte der Truppen hervorgeht, daB nicht etwa sein im lugurthini- 
durch Laufiibungen aller Art, lange Marsche, Ge- schen Kriege gebildetetes Heer ftir den Germanen- 
piicktragen, Selbsthilfe in der Verpflegung, so dal5 krieg bei den Fahnen blieb). Die Soldaten ge- 
sie fiigsam und schweigend die Befehle ausfiihr- wannenVerstandnis f tir seine unerbittlicheStrenge, 
ten; deshalb nannte man sie oder sie sich selbst weil er auch unparteiisch war, und sahen in sei^ 
auch Marianische Maulesel. Die Bezeichnung war nem martialischen Auftreten eine Chance fiir 
aber offenbar als Soldatenscherz nicht eindeutig; ihren Sieg iiber den in der Vorstellung desHeeres 
sie wurde auch einer groBen Holzgabel bei- martialischen Feind (Plut. Mar* 14, 2). Sie er- 
gelegt, auf der die Soldaten ihr Gepack be- 20 klarten auch, nur unter M. fechten zu woUen, was 
quemer verteilt tragen sollten (Frontin. strat. dazu beitrug, ihm fiir die nachsten drei Jahre 
IV 1, 7.^ Fest. p. 149). Ferner lieB M., una die 103 — 101 das Consulat zu verschaffen (ei prop^ 
Soldaten wahrend der sich ausdehnenden Er- ter metum Cimbrici belli eontinuatus per corn- 
wartung eines feindlichen Angriffs zu disziplinie- plures annos consulatus: Liv. per. 67. Eutrop; 
ren, am Unterlauf der Rhone einen Kanal bauen. V 1,3). Das zweite Consulatsjahr war verstrichen, 
Denn zweif ellos sorgte er nicht erst, als die Feinde ohne daB die Germanen erschienen. Es scheint, 
tatsachlich anriickten, fiir die OSnung eines kiir- daB die Wahlen erst spat stattfanden. Man wahlte 
zeren und schnelleren Zufuhrwegs durch das M. als den einzigen Mann, dem man das Kom- 
Rhonedelta. Diese Nachricht ist von Plutarch mando gegen die im nachsten Friihjahr zu erwar- 
(Mar. 15, 2) an den Bericht angeschlossen, daB 30 tenden Germanen anvertrauen konnte, zum drit» 
M. in das Sperrfort an der Rhone einen reichen ten Male, und zwar in seiner Abwesenheit (Plut. 
Vorrat von Lebensmitteln habe bringen lassen. Mar. 14, 9. Liv. per. 67) zum Consul, zusammen 
bezieht sich aber auf die vorhergehende Zeit: er mit Lucius Aurelius Orestes. Stimmung machte 
laBt tov oxQaxov oxoXdCovta den Kanal bauen (15, fiir ihn, daB er sich bei einem peinlichen Vorfall 
4), und die murrenden Soldalren nennen ihre Lei- einem Offizier gegeniiber gerecht zeigte, der einen 
stungen, namlich xd(pQovg oQvooeiv nat TifjXov ex- Neffen des M., C. Lusius, in der Notwehr getotet 
Had'aiQeiv >cai noxafjiovs rivag naQaxQeuieiv die hatte (Plut. Mar. 14, 3ff. Cic. Mil. 9). 
Prunkstiicke seiner Consulate (tcovvTiaxeiwv Die Germanen erschienen aber auch im J. 103 
16, 8). Es hatte sich offenbar gezeigt, daB die noch nicht; sie haben offenbar in diesem Jahre 
Zufuhr fiir das an der Rhone stehende Heer um- 40 den Zug nach Nordgallien unternommen und sich 
standlich und kostspielig war, weil fiir die Pro- dort mit den Teutonen vereint (und zwar im Ger 
viantschiffe infolge der Verschlammung des biet der Veliocasser, nach einer annehmbaren Kon^ 
Rhonedeltas die Fahrt vom Meere her nur schwie- jektur Mommsens zu Liv. per. 67), auch 
rig und langsam vor sich ging. Dem half M. ab, groBere Kampfe ausgefochten (Caes. bell. Gall. II 
indem er vom Heere von Arelate bis Massilia 4. 29). So ging fiir M. auch das dritte Consulats- 
einen groBen Kanal ausheben lieB; in das Bett jahr in apparatu belli consumptus (Veil. II 12, 3) 
leitete man einen Teil der Rhone. Der Kanal ohne besondere Ereignisse voriiber, und bei den 
miindete noch ostlich vom Os Massilioticum mit Wahlen des Jahres war die Situation fiir ihn im 
tiefem, gegen Wind und Wellen geschiitzten, wesentlichen unverandert. Sein KoUege war ge- 
auch fiir groBe Schiffe geeigneten AusfluB. Damit 50 storben. M. lieB den Legaten Manius Aquilius 
hatte der Praktiker M. eine fiir die Kriegsfiihrung beim Heer und begab sich nach Rom, um die 
liochst wichtige Vorarbeit geleistet und zugleich Consularcomitien zu halten. Er fand zahlreiche 
als kluger Zuchtmeister seine Leute tiichtig her- beachtliche Mitbewerber vor. Der Demagoge L. 
angeholt. Der Kanal wurde nach M. benannt (hi Appuleius Saturninus agitierte fiir die Wahl des 
oLTi^ EH8LV0V Tfjv sTKowfjclav (pvXdxtsi Plut. a. 0. M. Dlosor war seines Erfolgs nicht ganz sicher; 
15; fossae ex Bhodano, C. Mari opere et nomine so verstand er sich zu der Komodie, zum Schein 
insignes Plin. n. h. Ill 34). Er schenkte ihn spater die Wahl abzulehnen (dissimulanter captans con- 
den Massilioten als olqioxsIov xaxd xbv nQog ^fi- secutus est Liv. per. 67): er begehre das Amt 
^Qcovag xal Tcovyevovg noXsfiov (Strab. IV 183; nicht; worauf ihn Appuleius als ,Vaterlandsver- 
vgl. Miillenhoff Deutsche Altertumsk. II 60 rater* ,brandmarkteS weil er in der kritischsten 
296, 1). Sein Bett ist unter dem Namen Marais Lage des Staates sich von der obersten Heeres- 
de la Foz teilweise noch vorhanden (F o r b i g e r leitung driicke. So wurde dem Volk klar gemacht, 
Handb. d. alten Geogr. Ill 2, 90. D e s j a r d i n daB die Lage gebieterisch nach der Tiichtigkeit 
Gdogr.de la Gaulel 169ff.199ff.Ihmo.Bd.VIIS.75). und dem Gliick des M. rief ; er wurde zum vierten 
Es ist sehr fraglich, ob M. diese Aufstellung Male Consul, zusammen mit Q. Lutatius Catulus 
und Ausbildung des Heeres gelungen ware, wenn (Plut. 14, llff. Cic. Arch. 5). 
die Cimbern und Teutonen die giinstige Gelegen- Wenn man die Meinung Delbriieks (Kriegs- 
heit zu einem sofortigen VorstoB nach Italien und kunst 435), daB sich alle Einzelheiten des Ger- 



1387 NacMrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1388 

manenkrieges, die berichtet werden, bei naherer um ihr Drangen scharf abzuweisen, als Vater- 

Betrachtung als Wachtstubengeschicbten und Ad- landsverrater bezeichnen (Plut. 16, 1,2. Flor. I 

•jutantenklatseh erweisen, als in der Skepsis iiber- 88, 5. Polyain. VIII 10, 1). 

steigert ablehnt, so ergibt sich von den Vorgan- Die Unzufriedenheit der Truppenbefehlshaber 

gen folgendes Bild: Es war dafiir gesorgt, daB M. mit dem zanderndon Verbalten des M. braticht 

iiber die Bewegungen der Feitide auf dem laufen- nicht auf die Truppen iibergesprungen zu sein, 

den gehalten wurde (vgl. Plut. Sert. 3, wo wir sondern ihr rebellierendes Schimpfen ist als eine 

einen Einblick in die Spionage bekommen). In Art Schiitzengrabenstimmung auch ohnedies ver- 

Eom lief die Nachricht ein, dafi die Feinde im standlich. Er gab auch ihnen strenge Verweise, 
Anmarsch seien (vgl. zum Folgenden JullianlO wenn sie zuviel Ktihnheit und Kampflust zeigten. 

Ill 69 — 93. CI ere La Bataille d'Aix, 1906* Sein Verhalten erscheint nicht ratselhaft, wenn 

Kurt W e i k e 1 1 Die Schlacht bei Aquae Sextiae, man annimmt, dafi er nach all dem Ungliick, das 

Lpz. 1928; dort s. auch weitere Literatur). Die die romischen Heere bisher im Kampf mit den 

Oimbern und Teutonen werden sich nicht vor Germanen batten, sein Heer zum entscheiden- 

Fruhjahr 102 aus Nordgallien in Bewegung ge- den Schlag noch nicht fiir hinreichend geschult 

setzt haben. Auf die Nachricht bin ging M. eilig hielt. Vor allem erzog er die Soldaten methodisch 

liber die Alpen und legte an der Rhone, wo die zur Gewohnung an den Feind, und diese Schu- 

Isara einflieBt (Oros. V 16, 9; anders J u Hi an lung wird er noch welter bis zur Entscheidungs- 

und andere, die an die Durancemiindung denken), schlacht fiir notwendig gehalten haben. Die Trup- 
fein befestigtes Lager an als Waffenplatz und als 20 pen wurden abteilungsweise auf den Lagerwall 

Proviantmagazin. Er lieB reichlich Lebensmittel kommandiert und batten Auftreten, Bewegung, 

(xoQrjyiav d(p'&ovov) hineinschaffen als eine Art Riistung der Feinde zu beobachteU) so dafi fiir sie 

-,eiserner Bestand', damit er seine Entschliisse die fremde Art schlieBlich nichts Befremdliches 

iiber den fiir eine Schlacht gtinstigen Zeitpunkt und Einschiichterndes an sich hatte. Natiirlich 

ohne Riicksicht auf die Erganzung der Heeresver- war es ihnen unertraglich, dafi die Feinde groB- 

pflegung fassen konnte, wobei ihm zugute kam, sprecherische Aufforderungen heriiberriefen, die 

daB er fiir OSnung eines ktirzeren und schnelleren ganzeGegend auspliinderten und sogar Angriffe auf 

Zufuhrweges gesorgt hatte (s. o.). Ein neuer fiir die Verschanzungen unternahmen, wahrend sie 

M. gliicklicher Zufall war es, daB die Germanen untatig zusehen muBten. Aus dieser tJberreizung 
sich in zwei Gruppen teilten; ob Uneinigkeit der 30 ist der Spott der Soldaten iiber M. zu verstehen: 

Stamme oder ihrer Fiihrer der Grund war oder ob sie batten am Kanalbau geschuftet und waren 

die Germanen glaubten, sie konnten sich diese Er- militarisch geschliffen worden; sie fiihlten sich 

ieichterung des Marsches erlauben, well sie die und ihren Feldherrn erhaben iiber die f ruber im 

Eomer oft genug besiegt batten (so Delbriick Rhonegebiet besiegten romischen Heere und Feld- 

Weltgesch. I 483), ist undurchsichtig. Die Cim- herrn; so muBte ihnen selbst ein ungliickliches 

bern tibernahmen es, von Nordosten her iiber die Vorgehen ertraglicher erscheinen (na'&slv ri Sqcov- 

Alpen nach Italien vorzudringen; die Abwehr im rsg wg epielvot pcdXhov) als die Untatigkeit 

Etschtal fiel dem Consul des J. 102 Q. Lutatius (Plut. 16). 

Catulus zu. Die Teutonen und Ambronen bin- M. war groBziigig genug, sich iiber diese Un- 
gegen planten, bia Aiyvcov em MaQi(yv naQa ^d- 40 geduld der HeiBsporne, die sich durch Knurren 

iatmv anzurucken — eine Angabe, die in ihrer und Schimpfen Luft machte, sogar zu freuen. Er 

Unbestimmtheit nicht dazu zwingt, den Anmarsch versicherte ihnen zur Beruhigung, daB seine 

der Germanen von Norden her und die Anlage Handlungsweise nicht AusfluB eines MiBtrauens 

des groBen Lagers an der Isere durch M. abzu- gegen sie sei, sondern er warte die gunstige Zeit 

streiten (vgl. M o m m s e n RG IF 184). Da die tind den gtinstigsten Ort ab auf Grund von Ora- 

Cimbern fiir ihren Zug geraume Zeit mehr branch- keln, wie er hinzufugte (Plut. Mar. 17, 1. Val. 

ten, als sie angenommen batten, und die Teutonen Max. I 3, 4. Frontin. strat. Ill, 12). Dabei war 

nicht warteten — ob aus Mangel an strategischer und ist es nicht klar, ob er sich nur auf sie berief , 

Besonnenheit bei Fuhrer und Heer oder aus an- um die Soldatenseele gefiigig zu machen, oder ob 
deren Griinden, ist nicht klar — , so gestaltete 50 er selbst an sie glaubte. Das ist bei dem Bauern- 

sich fur M. der ganze Feldzug noch giinstiger. Es sohn doch als sehr wahrscheinlich anzunehmen; 

erschienen die Teutonen und Ambronen (nach zudem hatte seine Fran die besonderen Fahig- 

Oros. V 16, 14: die Tiguriner und Ambronen; keiten einer Syrerin Martha erprobt und M. in 

die Teutonen und Cimbern seien tiber die Alpen ihren magischen Kreis gedrangt und ihn sogar 

gezogen, vgl. Strab. IV 183; dagegen das Elo- zu ihren Bewunderern gemacht. Daher folgte diese 

gium: IV cos. Teiitonorum exercitum delevit; V dem Heer des M. und trat bei den Opfern, die er 

COS. Gimbros fudit) mit ungeheurem Getose in nach ihrem Ermessen voUzog, mit mystischem 

der Rhoneebene, lagerten sich und suchten den M. Brimborium auf, woruber die Skeptiker (man darf 

zur Schlacht zu reizen. Dieser brauchte oder woUte annehmen, dafi hier SuUas Auf zeichnungen reden) 
sich aber den Zeitpunkt zur Schlacht nicht auf- 60 sich argerten und fragten, ob M. hier nur Be- 

zwingen zu lassen, blieb gelassen, hielt das Heer trogener oder auch Betruger sei (Plut. 17). 

im Lager f est und f iihrte strenge Zuruckhaltung Die Zuriickhaltung des M. zwang die Teutonen 

durch, well er sich der groBen Verantwortung in die Stellung des Angreifers: Marius summa ci 

bewuBt war und die Schwierigkeit der Aufgabe oppugnata a Teutonis et Ambronibus castra defen- 

sab, ouicog veq?og rooovrov noUfjLov Tiat OKYinxbv dit (so Li v. per. 68; starker als Plut. 18, 1); Teu- 

oiodfxsvoi biaocboovGi rrjv 'IraXiav; so konnte er tones continuo triduo circa Romanorum castra 

auch die zum hitzigen Losschlagen drangenden pugnarunt (Oros. V 16, 9): sie wurden vom Wall 

hoheren Offiziere hart anfassen und sogar, wohl herab mit Wurfgeschossen empfangen und erlit- 



1389 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1390 

ten Verluste. Aus den Quellen wird es nicht be- gebracht), angeblich 30 000, zu den Waff en ge- 
greiflich, wie sie sich entschliefiem konnten, ohne laufen und riickten, satt gegessen und durch den 
sich um die romische Befestigung zu bektimmem, GenuB des unverdtinnten Weines in aufgeraumter 
ntinmehr den Vormarsch tiber die Alpen an einer Stimmung, mit Schlachtruf , taktmafiigem Zusam- 
anderen Stelle zu versuchen. Vermutlich lag die menschlagen der Waffen und gleichem Schritt vor. 
romische Befestigung so, da6 die Teutonen nicht Den Angreifern standen die ligurischen Hilfstrup- 
das Isartal hinaul zu marschieren wagten; sie pen am nachsten: sie stiefien, ohne den Befehl 
zogen also nach Suden, um dann in der Gegend des M. abzuwarten, erregt mit gleichem Kampf- 
der Durance nach Osten abzubiegen (Flor. I geschrei wie die Ambronen zum Tal vor und tra- 
38, 6). Sie soUen sechs Tage lang dicht an der 10 fen auf den Teil der Ambronen, der tiber den 
Befestigung mit Spottreden vorbeigezogen sein, FluB gegangen und noch nicht zum Kampf geord- 
M* nutzte diese Gelegenheit zum Kampf nicht aus, net war. Es kam sofort zu einem Handgemenge, 
weshalb nicht, ist unklar; er mag seinen Soldaten Andere romische Truppen kamen den Ligurern zu 
den Erfolg doch noch nicht zugetraut haben (vgh Hilfe; von dem hoheren Gelande aus anstiirmend 
non ausus congredi staiim Flor. I 38, 5). Er folgte brachten sie die Ambronen zum Wanken. Zusam- 
vorsichtig und lagerte stets in der Nahe der mendrangung am Flu6 und Gemetzel folgte; dann 
Feinde, aber in moglichst gesichertem Lager. gingen die Romer hiniiber. Im Eampfe wurden 
b)I)ieSchlachtbeiAquaeSextiae. die Germanen bis zur Wagenburg gedrangt, wo 
Als die Teutonen in die Gegend von Aquae Sextiae die germanischen Weiber, auch gegen die zuriick- 
kamen, beschloB M., ihnen den Eintritt in die 20 weichenden Ambronen gewandt, in das Hand^ 
Alpen mit Gewalt zu wehren. Er hatte sie offen- gemenge eingriffen. Bei einbrechendem Abend 
bar durch eine schnelle Bewegung uberholt, so zogen sich die Romer in ihr Lager zuriick (Plut. 
daB er in der Nahe der Vorhut der Teutonen Mar. 19. Liv. per. 68. Veil. II 12, 4. Flor. I 
stand (Plut. Mar. 18, 6; mor. 202 c. Frontin. II 38, 7. Oros. V 16, 10. Eutrop. V 1, 4). 
7, 12. Flor. I 38, 7. Weikert 31. 36. Zur So war das von M. nicht geplante Treffen zu 
Topographie und zum Verlauf der Schlacht vgl. seinen Gunsten ausgefallen. Trotzdem verbrachte 
Kaufmann Deutsche Altertumskunde I 23. er im nur schwach bef estigten Lager die Nacht 
Jullian III 71, 6. Weikert 33ff.). Wah- in Besorgnis vor einem untibersichtlichen Nacht - 
rend die Feinde in dem FluBtal lagerten, baute gefecht gegen die gereizten und aufgeregt larmen- 
M. auf hoherem Gelande eine SteUung aus, 30 den Feinde, die in der Hauptmasse noch gar nicht 
die militarisch sehr glinstig war. Der ioxvQog in den Kampf eingetreten waren. Der folgende 
Toaro? (Plut. 18), ein collis, qui campo et fluvio Tag ging mit Vorbereitung der Schlacht auf bei- 
imminebat (Oros. IV 16, 10) ist der sudlich des den Seiten hin: M. gelang es, in das waldige ^erg- 
Arc sich hinziehende, allmahlich bis 100 m tiber gebiet, das die SteUung der Teutonen in ihrem 
das FluBbett ansteigende Montaignet; die Feinde Rticken beherrschte, den Legaten Claudius Mar- 
lagerten in der Ebene nordlich vom FluB bei cellus mit 3000 Mann zu FuB am Abend unbe- 
Aquae Sextiae, das etwa 2 km vom FluB ablag. merkt einrucken zu lassen (Plut. Mar. 20, 5. 
Durch diese SteUung des M. war den Feinden die Polyain. VIII 10, 2). Dann rangierte er den An- 
Moglichkeit genommen, ohne Kampf durch das griff gutdurchdacht. Er stellte die wohlausgeschla- 
ostwarts nach Pourrieres sich erstreckende De- 40 fenen Soldaten bei Tagesanbruch (des dritten Ta- 
fil6 weiterzuziehen (vgl. Kromayer-Veith ges: Plutarch; des vierten: Orosius) vor dem 
Schlachtenatlas, rom. Abt. Blatt 13 und die Dis- Lager auf und schickte die Reiterei in die Ebene 
kussion tiber die topographischen Fragen bei vor. Die Feinde sttirmten hitzig die Abhange 
Weikert 35ff.). In Anbetracht der Vorzuge hinan, wahrend die Romer, gemaB dem durch die 
dieser SteUung schlug er Wasserknappheit gering Offiziere weitergegebenen Kommando und der vor- 
an; daB er den in dieser Hinsicht mangelhaften bildlichen Haltung des M., ruhig warteten, bis sie 
Platz wahlte, um den Soldaten den Platz unleid- mit Erfolg die Pila schleudern konnten; dann 
lich und die befreiende Entscheidung besonders arbeiteten sie im Nahkampf mit Schilden und 
begehrenswert zu machen, ist als Lagerklatsch zu Schwertern. So konnten die Teutonen keinen 
werten, der sich aus einer charakteristischen AuBe- 50 festen FuB fassen und waren gezwungen, sich zur 
rung des M. (,Dort am FluB ist Wasser ftir Blut Ebene zurtickzuziehen, um sich neu zu ordnen. Da 
zu haben*) entwickelt haben kann. Ebenso ist die griff Marcellus, der die Lage zur rechten Zeit er- 
Nachricht von der imprudentia metatorum (Fron- f afit hatte, vom Rticken her im Lauf schritt ein. 
tin. II 7, 12) und das Bedenken consultone id Unordnung verbreitete sich bei den in die Zange 
agerit imperator an error em in consilium verterit genommenen Kampf ern; sie flohen. Es ist durch- 
(Flor. I 38, 8) zu werten. Das Wasser war so aus glaublich, daB die ungewohnte Hitze die Teu- 
knapp, daB die TroBknechte ohne Erlaubnis, mehr tonen lahmte und daB die Romer sie wie fast 
mit Eimern als Waffen versehen, zum Flusse wehrlose Schlachtopfer niedermachten (Oros. V 
lief en, Dort trafen sie zunachst auf nur wenige 16, 11) und den Rest des geschlagenen Feindes in 
Feinde, da die meisten gerade die Gelegenheit er- 60 der Nacht und am f olgenden Tage nicht zur Ruhe 
griffon hatten, die warmen Bader zu benutzen, kommen lieBen (Frontin. II 9, 1). Die Zahl der 
Oder nach dem Bad frtihsttickten. Es entstand Gefallenen, die Plutarch nennt, 100 000, wurcle 
allmahlich Larm und Geplankel. Die Soldaten, nach seinem eigenen Bericht von anderen Ge- 
die um das Schicksal der TroBknechte besorgt schichtsschreibern bestritten (Mar. 21, 6). Um- 
waren, konnte oder woUte M. nicht zurtickhalten. stritten war auch schon, ob die Soldaten, im Be- 
Inzwischen waren die besonders streitbaren Am- sitz von Zelten, Wagen und der Habe der Geschla- 
bronen (sie hatten im J. 105 den Romern unter genen, beschlossen, dem M. die Beute (nach Ab- 
Mallius und Caepio die groBe Niederlage bei- zug der schon unterschlagenen Stticke) zu wid- 



1S91 Nachtrage (Marius [Leben]) NacMrage (Marius [Leben]) 1392 

men, was er fiir keine ausreichende Anerkennung vgl. vonderMiihllDeL. Appuleio Saturnino 

seiner Leistnng angesehen habe; ein bedenklieher tr. pL, Basel 1906, 53ff.). Catulus hatte daranf ver- 

Bericht, da die Kriegsbeute von Rechts wegen zichtet, die Alpenpasse zu verteidigen, wobei dei 

nicht den Soldaten zufiel (Marquardt Staats- BrennerpaB, vielleicht noch der Jaufenpafi in Be-* 

verw* IP 282S.). Eher wird zutrefien, dafi M. tracht kommen, auch wohl die Radstadter Tauern 

den Soldaten, um sie zu belohnen und aufzu^ nnd der Katschberg, falls die Cimbern dnrch 

muiitern, die Beute verkanft habe, und zwar sehr Noricum zogen (Plut. Mar. 15, 5, was nicht, wie 

billig; es soUte nur nicht der Schein erweckt Miillenhoff II 141 meint, im Widerspruch 

werden, als ob er sie ihnen ganz schenke (Dio zu 23, 2 steht). Seine Krafte waren, heifit es^ 
frg. 92, 1 Melb.). 10 durch die Verteilung an die einzelnen Stellen nicht 

Ein scheinbar genaues Datum der Schlacht stark genug gewesen. Diese Nachrichten bescho^ 

gibt die Nachricht, da6 M. bei der Siegesfeier nigen wohl einen militarischen MiBerfolg (vgl. 

die Botschaft erhielt, er sei fiir 101 zum Consul Frontin. I 5, 3) und stammen, wie vieleZtige der 

erwahlt worden. Wenn auch der Berieht, die Bot-^ Dberlief erung, aus dem apologetischen Bericht des 

schaft sei ausgerechnet im programmafiig geeig-^ Catulus (Miillenhoff II 139, der librigens dieEr* 

netsten Augenblick der Feier eingelaufen (s. u.), zahlungdesFlorusvorschnellauf dieSeiteschiebt). 

nach Konstruktion aussieht, so wird man doch Er hatte sich dann an der Veroneser Klause 

annehmen diirfen, daB die Nachricht um die Zeit festgesetzt. Ob das so falsch war und er besser 

der Feier eintraf . Demnach farid die Schlacht im die Kelten bei ihrem Debouchement in die Ebene 
Spatherbst statt. Zu dieser Jahreszeit pafit gut, 20 gefafit hatte (so Cambridge Anc. Hist. IX 149), 

dafi die Hitze erst um Mittag eintrat (Oros. V 16, bleibe dahingestellt. Es ist gelegentlich mit Recht 

11). Was die Starke der Heere angeht, so gibt darauf hingewiesen worden, dafi es im J. 1226 

Plutarch fiir die nordlandischen Kampfer die n. Chr. den Veronesern gelang, durch Sperrung 

Zahl 300 000 (Mar. 11, 3): im einzelnen nennt der Klausen den Anmarsch Konig Heinrichs aus 

er 30 000 Ambronen als geschlagen, 100 000 in Deutschland zur Unterstiitzung Friedrichs II. zu 

der Hauptschlacht bei Aquae Sextiae, 180000 bei verhindern. In ahnlicher Lage hat 1797 bei Rivoli 

Vercellae getotet oder gefangen. Velleius (II 12, Napoleon mit Mass^na den Sieg iiber die Oster- 

4), Orosius (V 16, 15) undLivius (per. 68) haben reicher erfochten. — Es gelang Catulus (oder 

fiir Aquae Sextiae sogar die Ziffern 150 000, seinem Legaten Sulla, s. Bd. IV S. 1526) 
283 000, 290 000. Hier ist scharfste Kritik ge- 30 schliefilich nicht, diese Stellung zu halten, nicht 

boten, wenn es auch angesichts der Vorsicht und nur, weil die Cimbern die Stellung vielleicht um- 

Behutsamkeit, mit der M. seine Truppen einsetzt, gehen konnten, sondern weil sie riicksichtslos an- 

unwahrscheinlich ist, daB sein Heer viel grSBer griffen und die Romer ausrissen. (Eingehende 

als das seiner Feinde war (wie Delbriick Untersuchung der topographischen Fragen und 

Kriegskunst II 309 annimmt). Sein Heer betrug der moglichen Erklarungen von E. Sad^e B. Ji 

bei Vercellae 32 000 Mann (nach Plut. 25, 6); ver- 118, lOOff. Vgl. auch C a p e 1 1 e Die Germanen 

mutlich war es bei Aquae Sextiae hochstens im Friihlicht der Geschichte; Erbe d. A. II 15). 

ebenso groB. Man muB eher auf eine kleinere Nur einen Teil der zuriickflutenden Truppen hatte 

Zahl schlieBen, wenn man bedenkt, daB er dem Catulus in der Hand behalten konnen; ein Teil, 
Claudius Marcellus fiir die wichtige Umgehungs- 40 der eine Bef estigung ostlich der unteren Etsch 

bewegung nur 3000 Mann zur Verfiigung stellte besetzt hielt, hatte ehrenvoU kapituliert und dann 

(Plut. Mar. 20, 5). offenbar Catulus eingeholt (Liv. per. 68, ver- 

Nach der Schlacht lieB M. die Prunkstiicke stiimmelt; vgl. Miillenhoff II 141f.). Die 

der Beute vorsorgl^ch fiir den Triumphzug aus- Reiterei soil sogar bis nach Rom geflohen sein 

scheiden. Darauf soil sich ein Schauspiel ereignet (Val. Max. V 8, 4. de vir. ill. 72, 10. Ampel. 19, 

haben, das schwerlich die Wirklichkeit so thea- 10). Darauf hatten sich die Cimbern (etwa im 

tralisch aufgebaut hat: die iibrigen Beutestiicke Friihwinter 102; Anfang 101 nach v. d. Miihll 

55ur Verbrennung aufgehauft; groBes Opfer; das 53) ohne. Wider stand in die Ebene ergossen und 

Heer mit Waffen und Kranzen im Umkreis; M., das Land verwiistet (Plut. Mar. 23; mor. 202 d. 
mit purpurbesetztem Kleid, halt mit beiden Han- 50 Flor. I 38, 11. Oros. V 16, 14). Aber auch dieses 

den die Fackel zum Himmel, bereit, sie dann in Mai kam es nicht zu einem Marsch nach Rom: 

den Scheiterhaufen zu stoBen; plotzlich Reiter, nicht nur das milde Klima Venetiens verlockte sie 

Freunde; gespannte Erwartung des Kreises; sie zupa Bleiben, sondern auch die vorgefundene ma- 

springen von den Pferden, griiBen M. und mel- terielle Kultur; insbesondere die iippigere Er^ 

den, daB er zum 5. Male zum Consul ernannt ist; nahrung verweichlichte sie schnell (Flor. I 38, 13* 

Obergabe der offiziellen Briefe; groBes Jubel- Oros. V 16, 14. Dio frg. 94, 2 Melb.). 

geschrei und Waffengetose, die hoheren Offiziere Es mag M. nicht unwillkommen gewesen sein, 

binden demM. neue Lorbeerkranze; er ziindet den daB Catulus, dem er als Kollegen des J. 102 den 

Scheiterhaufen an tind voUzieht das Opfer (Plut. Krieg gegen die Cimbern hatte iiberlassen miissen, 
Mar. 22). 60 nichts erreicht hatte (vgl. I h n e RG V 189). Da 

c) VonAquaeSextiaebisVercellae. die Cimbern es sich zunachst in Venetien bequem 

Wenige Tage nach der Siegesfeier erreichte den machten, liegt kein Grund zu der Annahme vor, 

M. die Nachricht seines Mitconsuls Catulus vom M. habe zunachst mit den schwachen Kraften des 

unaufhaltsamen Vormarsch der Ciinbern in die Catulus ihren tJbergang iiber den unteren Lauf 

Poebene. Es muB spat im Jahre gewesen sein, des Po zu verhindern gewuBt (wie Mullen- 

deiin als die Cimbern durch die Alpen zogen, lag h o f f II 143 behauptet). Auf die Nachricht von 

bereits Schnee (Flor. I 38, 11. Plut. Mar. 2B, 3. Catulus' Versagen nach Rom gerufen, zog M. 

Oros. V 16, 14. Zur Chronologie des Krieges nicht, wie jedermann erwartete, im Triumph ein. 



1393 Nachtrage (Mariiis [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1394 

trotzdem der Senat ihm diesen ohne weiteres be^ Denkungsart der Cimbern; aber darum ist sie 

willigt hatte, sondern verschob ihn, am ehesten, noch nicht unglaublich (wie Ihne RG V 190 

well er nicht mit seinen Soldaten einziehen will). Es hatte sich also M. aus nicht durchsich^ 

konnte und er ihre Freude an den Ehrungen tigen Griinden im Westen der Poebeiie festgesetzt 

nicht enttauschen woUte; vielleicht auch, was aber und die Gimbern zum Anrticken in die von ihm 

gesuchter klingt, weil er dem Volke Mut machen ausgesuchte Gegend und jetzt sogar an einen be- 

woUte, wenn es als selbstverstandlich hingestellt stimmten, ihm zweifellos besonders giinstigen Ort 

wurde, dafi ein zweiter groBer Sieg den Triumph veranlafit: in patentissimo, quern Raudium vo- 

steigern werde (Plut. Mar. 14. Liv. per. 68). cant, campo (Flor. I 38, 14. eirca Alpes Veil. II 
AUerdings wird angesichts der neuen Gefahr nicht 10 12, 5. de vir. ill. 67). So fand geradezu programm- 

die rechte Stimmung dagewesen sein, wie er ge- gemafi in der Frtihe des 30. Juli 101 (Plut. Mar* 

wiB empfunden hat {biaXsxd-slg xa nQen(yvta xco 26, 4. M o m m s e n RG IF 186, vgl. N i s s e n 

y.aiQcp). Er begab sich zu Catulus, ermutigte ihn Rh. Mus. XL 331) der Aufmarsch zur Schlacht 

und lieB sein eigenes Heer aus Gallien anrucken. statt. Die Romer woUten dem Feind durch iiber- 

Nach Vereinigung der Heere (Liv. per. 68; in raschend friihen Aufmarsch zuvorkommen; M. 

Placentia, mutmaBt Miillenhoff II 143) ging und Catulus Hannibalis secuti ingenium in nebula 

er liber den Po und versuchte den Feind, der disponere pugnanij in sole pugnarunt (Oros. V 16, 

offenbar wieder in Bewegung gekommen war, vom 14), und zwar stand Catulus mit seinen 

weiteren Vorriicken nach Italien abzuhalten. Es 20 300 Mann im Zentrum, eingerahmt von den 
hat, wie es scheint, lange Praliminarien gegeben. 20 auf die Flugel verteilten 32 000 Mann des M. : 

Die Cimbern wichen einer Schlacht aus. Es steUte nach dem Bericht des Sulla, der in der Gruppe 

sich heraus, daB sie auf die Teutonen warteten; des Catulus an dem Kampf teilnahm, hoffte M., 

sie schenkten den Boten, die offenbar im Auftrag daB die Flugel den Hauptangriff auf sich ziehen 

des M. ihnen die Geschehnisse an der Rhone mit- und infolgedessen seine Soldaten als die Sieger 

teilten, keinen Glauben oder sie taten so, miB- erscheinen wiirden, wahrend die Gruppe des Ca- 

handelten sie und schickten umgekehrt an M. tulus zuriickbleiben sollte und weder angegriffen 

Gesandte mit der Forderung, ihnen und ihren wtirde noch selbst angreifen konne. Wieweit diese 

„Briidern" an Land und Ortschaften zu geben, bose Deutung des Sulla zutrifft, ist nicht mit vol- 

was sie notig batten. Die Antwort soil ihnen M. ler Sicherheit zu entscheiden (vgl. Frohlich 
iii einer dramatischen Szene gegeben haben, die 30 Bd. IV S. 1526, der SuUas Bericht ablehnt)* 

nicht von Poseidonius [= Plutarch] erfunden sein Beachtenswert ist, daB auch Catulus dartiber iii 

muB, sondern nur mit besonderer Liebe betont zu demselben Sinne schrieb und die ^axoij'd'sia des 

sein braucht: um ihre Briider, die Teutonen, soil- M. gegen ihn unterstrich. 

ten sie sich keine Sorge machen, die batten schon Das cimbrische FuBvoIk riickte gemachlich 

Land bekommen und soUten es ewig behalten. aus den Verschanzungen und schob sich in einem 

Die Gesandten batten, emport tiber den bitteren ungeheuren Quadrat von je 5kmSeitenlinienvor; 

Hohn, die Rache der Cimbern und der heran- es ist natiirlich unglaublich, daB es sich in solcher 

nahenden Teutonen angedroht; worauf M. er- Tiefe fiir die Schlacht aufgestellt hat, wenn man 

widert babe: sie seien schon da, und es ware un- tiberhaupt die angegebene GroBe des Quadrats 
hoflich von ihm, die Gesandten weggehen zu 40 gelten lassen und annehmen will, daB M. die 

lassen, ohne daB sie ihre Briider begriiBt batten; Cimbern schon geordnet und angriffsbereit vor- 

darum babe er ihnen die Ftirsten der Teutonen, fand (vgl. Miillenhoff II 145 A 1, 14). Die 

die- auf der Flucht von den Sequanern abgef angen glanzend ausstaffierte Reiterei, 15 000 Mann, 

waren, gefesselt vorftihren lassen (Plut. Mar. 24. machte eine Rechtsschwenkung, um die Romer 

Flor. I 38, 10. Eutrop. V 1, 4. Oros. V 16, 12). zwischen sich und das FuBvolk zu locken. Mit 

d) Schlacht bei Vercellae. DaM. dem Bericht iiber diesen klugen Plan (Plut. Mar* 

die Forderung der Cimbern ablehnte, waren sie 26, 1) laBt sich ein anderer Bericht (Oros. V 16, 

entschlossen, ihren Willen durchzusetzen, indem 15) nicht recht vereinigen, nach dem die Cimbern 

sie dem Kampf nicht langer auswichen, sondern einen Schreck bekamen, weil sie die geordnete 
gegen das romische Heer heranriickten. M. blieb 50 romische Schlachtlinie erst bemerkten, als sie mit 

wieder abwartend in seinem Lager. Er soil damals ihr zusammenstieBen; die Reiter seien unter Ver- 

sogar fiir eine Neuerung Zeit gefunden haben, die lusten auf die noch ungeordnete Masse zurtick- 

ein Ergebnis aus den Kampfen mit den Teutonen geworf en worden und batten sie in Verwirrung 

gewesen sein kann: das Speereiisen sollte am gebracht. — Nach Plutarchs Erzahlung batten M. 

Schaft kiinftig nicht mehr durch zwei eiserne, und Catulus den Versuch der tJberflugelung wohl 

sondern durch einen Eisen- und einen Holznagel bemerkt; aber die Soldaten hatten die Schwen- 

befestigt werden, so daB dieser beim Eindringen kung der Reiterei als Flucht gedeutet und seien 

des Speeres in den Schild zerbrechen konnte und nicht mehr zu halten gewesen. Bei Annahme 

der Schaft, am Schild herunterhangend, nachge- dieser Darstellung liberrascht es, daB M. — wie 
schleppt werden muBte. — SchlieBlich kam der 60 auch Catulus — , als schon das cimbrische FuB- 

Cimbernkonig Boiorix mit kleinem Gefolge ange- volk heranwogte, eine Opferceremonie abhielten, 

ritten und forderte M. auf. Tag und Ort fiir den bei der jeder der beideii ein votum fiir die Gotter 

Entscheidungskampf zu bestimmen. M. antwortete aussprach; M. soil bei der Opferschau gerufen 

mit Humor, noch nie hatten die Romer ihren haben: Mein ist der Sieg! Das haben die Auf- 

Feind zur Beratung tiber eine Schlacht herange- zeichnungen des Sulla offenbar mit Behagen her- 

zogen; aber er woUe den Cimbern den GefaUen vorgehoben und es mit der taktischen Leistung 

tun; ubermorgen bei Vercellae soUe der Kampf des M. kontrastiert: er habe, zur Verfolgung auf- 

stattfinden. Diese Erzahlung enthulit eine naive gebrochen, die feindliche Linie infolge des dichten 



1305 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1396 

Staubes verf ehlt und sei mit seinen Truppen eine kann die Zahl der Toten nicht die berichtete phan- 

Zeitlang zwecklos in der Ebene umhermarschiert. tastische GroBe gehabt haben. Von den 33 Feld- 

Den AnlaS zu dieser hamischen Darstellung zeichen der Cimbern waren, wie es heifit, von den 

konnte ein Ablauf der Kampfhandlung gegeben Truppen des Catulus 31, von denen des M. ganze 

haben, dem die diirftigen Quellen wenigstens zwei erbeutet worden (Entrop. V 3, 2). 

nicht widersprechen: der linke Fliigel, wo ja die e) Der Erfolg des M. Wie auch ein 

Halfte der M.-Truppen stand, riickte gegen die Schiedsspruch auf Grund sachlicher Feststellung 

cimbrischen Reiter vor und warf diese zuriick lauten konnte, das Volk schrieb M. den Erfolg zu 

(so berichtet ja Oros. V 16, 15), stieB aber dann und mit Recht, nicht nur weil er schon einmal 
zunachst ins Leere, wie es bei einer TJmgehungs- 10 gesiegt hatte und der erste Sieg die Voraussetzung 

bewegung vorkommen kann; dann darf man weiter des zweiten war, sondern auch deshalb, weil er 

vermuten, dafi auch der rechte M.-Fliigel eine das hohere Amt des Consuls bekleidete, dem 

entsprechende Bewegung maehte, wodurch die gegentiber Catulus, der nur pro consule gewirkt 

beiden Fliigel eher zum Lager kamen und die hatte, in der Vorstellung des Volkes zuriicktrat; 

XQYifmm erbeuteten, wahrend den Soldaten des zweifellos hatte ja Catulus ohne die Truppen und 

Catulus mehr die Waffen, Feldzeichen und Heer- das Eingreifen des M. keinen Sieg von diesem 

homer zufielen (Plut. Mar. 27, 6; vgL 23, 7. Mill- Umfang erringen konnen. Im ganzen gesehen 

lenhof f II 146. 150). Denn es walzte sich das hatte wirklich M. Rom von der Germanengefahr 

cimbrische Fufivolk auf Catulus, dem so gegen befreit {actum erat, nisi Marius illo saeculo eonti- 

den Willen des M. der Hauptkampf zufiel. Die 20 gisset Flor. Ill 3. solus trepidantem protegit ur- 

Schlacht stand bald zugunsten der Romer, viel- bem luv. 8, 250). Deshalb wurde er vom dank- 

leicht schon ohne ihre fiir eine sichere Beurteilung bar bewegten Volke als ,der dritte Grunder Roms' 

nicht ausfiihrlich genug berichtete taktischeKunst; gefeiert, seine Tat, Roms Rettung vor den Ger- 

M. hatte wahrscheinlich mit Vorbedacht das manen, incredibile facinus et nunquam antea 

Schlachtfeld so gewahlt, daB die Cimbern die Romanis cognitum (Oros. V 16, 22) der sagen- 

Sonne im Gesicht batten, und auch der Wind und haften Rettung Roms von der gallischen Gefahr 

der Staub wehte ihnen entgegen, was M. (trotz durch Furius Camillus (M u n z e r Bd. VII 

Flor. I 38, 15) nicht geplant haben kann. Deshalb S. 380) gleichgesetzt. Bei den Siegesfeiern in den 

hielten sie oft die Schilde vors Gesicht (vgl. Hausern brachten ihm die Biirger, schwarme- 

Frontin. II 2, 8). Durch ihren Friihlings- und 30 risch hingerissen, zugleich mit den Gottern das 

Sommeraufenthalt in der Poebene schon verweich- erste Trankopfer dar (Val. Max. VIII 15, 7. Plut. 

licht (s. 0.; Flor. I 38, 13 mit Beziehung auf die Mar. 27, 9. Cie. p. Rab. perd. 27). 

Schlacht), litten sie am Tage der Schlacht auch Auch die ihm, dem so hoch gestiegenen homo 

schwer unter der Schwiile und dem SchweiB, wah- novus nicht gewogenen vornehmen Kreise er- 

rend die Romer, abgehartet und an Sonnenbrand kannten an, daB er den Staat gerettet habe (Liv. 

gewohnt, selbst beim Sturmangriff nicht ins Keu- per. 68; vgl. Cic: pair em patriae, parentem ve- 

chen oder Schwitzen kamen. strae libertatis huiusque rei publicae: pro 

Der Kampf gegen den groBten und streit- Sesi. SI; spes subsidiumque patriae SS). Die Bvli- 

barsten Teil der Feinde war nun doch dem Ca- ger trugen ihm sogar an, er soUe beide Triumphe 

tulus zugef alien: dimicatum est a Catuli par^e 40 allein halten. Wenn M. diese ihm angebotene Ehre 

felieius (Eutrop. V 1, 2). Aber es muB doch als ablehnte und nur einen Triumph, und zwar mit 

wahrscheinlich angenommen werden, daB M. durch Catulus zusammen abhielt, so war er gewiB von 

die seitliche Umfassung (s. o.) das Hauptheer der der Besorgnis bewogen, daB die Soldaten sich der 

Cimbern erschutterte und so dem Catulus die AusschlieBung des Catulus widersetzen und dann 

Aufgabe erleichterte. Des Catulus Truppen trieben auch ihm keinen Triumph gonnen wiirden; doch 

die Cimbern, so weit diese nicht niedergemacht maehte M. sogar aus der Not eine Tugend: er 

wurden, bis zu den Verschanzungen zurtick, wo maehte den Grundsatz geltend oder lieB ihn gel- 

sie bei den XQayiKCotatoig ndd'eoiv Zeugen wurden, tend machen, daB er im Rausch des groBen Er- 

fiir die Selbstvernichtung der Frauen, die auch folgs MaBigung zeigen musse. So feierte er den 

die Manner und Kinder in den Tod schickten, um 50 Triumph gemeinsam mit Catulus (Plut. Mar. 27, 

sie nicht den Romern zu tiberlassen. Trotzdem 10. 44, 8. Cic. Tusc. V 56; prov. consul. 26): die- 

wird eine groBe Anzahl von Gefangenen, iiber ser triumphierte uber die Cimbern, M. uber die 

60 000, und doppelt soviele Tote, ja sogar noch Ambronen, Teutonen und Cimbern (Fasti Capitol, 

mehr, angegeben (Plut. Mar. 27. Oros. V 16, 21; CIL P p. 177. 195 XVIII. Liv. per. 68. Oros. V 

dagegen Veil. II 125: eaesa aut capta amplius cen- 16, 22. Eutrop. V 2, 2. Val. Max. Ill 6, 6 [= Plin. 

tum milia hominum), wahrend jedes der beiden n. h. XXXIII 150]. IV 9, 4. VIII 15, 7. IX 12, 4. 

romischen Heere nur 300 Mann verloren habe luv. 8, 253. de vir ill. 67, 2. Plut. Caes. 6; de 

(Eutrop. V 2, 27. Flor. I 38, 14. mitiima Roma- fort. Rom. 4 p. 318 c. Diod. XXXVIII 4, 2). Wie 

norum elade Oros. V 16, 16). Catulus sich aus der Cimbernbeute einen Porticus 

Der Streit dartiber, welchen Anteil M. und 60 errichtete (Cic. Verr. II 4, 126; Cael. 78; Att. IV 

Catulus am Erfolg habe, begann schon auf dem 2, 4. 3, 2; dom. 102. 114; ad Quint. Ill 1, 14) so 

Schlachtfelde. Als Schlachtenbummler waren ge- wurde jetzt zu Ehren des M. auch, wie schon 

rade einige Gesandte aus Parma da, und sie friiher beim Triumph iiber lugurtha, ein Sieges- 

muBten bestatigen, daB die meisten gefallenen denkmal errichtet [cuius bina tropaea in urbe 

Cimbern von Wurfspeeren, auf deren Schaft der spectantur Val. Max. VI 9, 14; von Sulla zer- 

Name des Catulus eingeritzt war, getotet waren stort, von Caesar wieder aufgerichtet: Suet. Caes. 

(Plut. Mar. 27, 7). Wenn man tibrigens wirklich 11 ; vgl. Jordan-Hiilsen Topogr. I 3, 348. 

eine derartige Feststellung hat machen konnen, Hu Is en Rom. Mitt. XIV 1889, 255). M. selbst 



1397 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1398 

lieB einen Tempel errichten: de manubiis Gim- Bardey Das sechste Konsulat des M., Rostock 

bricis et Teutonicis aedem Honori et Virtuti vie- 1884. F. von der Mtihll De Appuleio Satur- 

tor fecit (CIL P p. 195 XVIII; dazu Mommsen: nino tr. pi. Basel 1906. F. W. Robinson Ma- 

yielleicht am clivus CapitoUnus; Fest. p. 344. rius, Saturninus und Glaucia = Jenaer hist. Ar- 

Vitruv. Ill 2, 5. VII praeL 17. monwmewf Mm Mam beiten III 1912; vgl. auch Klebs Bd. 11 

Oic. div. 1 59; Plane. 78; Sest. 116; vgl. Jordan S. 261ff., der mit Recht die Schwierigkeit betont, 

Topdgr. I 2, 44. R i c h t e r Topogr. 89. Wis - bei der einseitig optimatisch abgestimmten tJber- 

6 w a Religion 136). lieferung Appuleius — dasselbe gilt von M. — 

Man hat auch einige M ii n z e n auf diesen gerecht zu werden). Es konnen hier nicht alle 

Triumph des M. bezogen. Auf Quinaren des C. 10 aufgestellten Vermutungen wiedergegeben und er- 

Ergatuleius und T. Cloulius (Coins Rep. I 164f.), ortert werden; es mu6 hier in den Vordergrund 

bald nach 103/2 gepragt, zeigt die R. Victoria treten, was tatsachlich in den Quellen angegeben 

und Tropaeum mit gallischen Waff en (carnyx). und was als entscheidend anzusehen ist. 

Es ist eine Vermutung Lenormants, frei- Vorausgenommen sei, daB der politische Ban- 

lich begrtindet auf der irrigen Interpretation kerott des M. zu Ende des J. 100 unzweifelhaft 

Q{uaestor) statt Q(uinarius), dafi mit dem galli- war: staatsmannisch als unfahig erwiesen, ist er 

schen Sieg der Sieg des M. gemeint sei. — Fer- der Geringschatzung ,wie eine Waffe in Friedens- 

ner findet sich auf Denaren des C. Fundanius eine zeit' verfallen {noXitiKoXg /^£<a<? hsQcov Xemo- 

Quadriga mit Triumphator, auf Quinaren des- [xevog, woneQ oQyavov noUfxijicw en' elQi^vrjg jiaQrj- 

selben Munzmeisters eine Victoria mit Tropaeum 20 fJieXeixo Plut. Mar. 32, 2). Der Zusammenbruch 

{carnyx), Gefangener knieend (Coins Rep. I 231 war klar, als M. sich auch die Feindschaft der 

; — 233. Bab el on Monnaies de la rep. Rom. I Popularen, nicht nur die schadenfrohe Gering- 

515). Diese Miinzen wurden von Cavedoni und schatzung der Senatspartei zugezogen und damit 

Borghesi auf den Triumph des M. von 101 be- tiberhaupt die politische Basis verloren hatte: 

zogen. Als Pragezeit ist aber nach Stil und Fund- auBerlich auch dadurch, daB er sich von Rom nach 

umstanden etwa das J, 89 anzunehmen. Mat- Asien begab (im J. 99; s. u.). Der Tiefstand in 

tingly Roman coins (London 1929) 78, Abb. der Einschatzung war mit dem Ende des Consu- 

Plate XVIII 9 hat gegen die Beziehung offenbar lats eingetreten. 

keine Bedenken; Gruber, der keine andere Inter- Die politische Hilfsbediirftigkeit und Unzu- 

pretation gibt, halt auch bei diesem Datum einen 30 langlichkeit des M. ist summarisch von Plutarch 

Hinweis des Fundanius auf friihere Teilnahme am motiviert (Mar. 28). Seine geistige Haltung war 

Feldzug flir moglich. durch eine damonische Machtgier bestimmt. Er 

12. Das sechste Consulat. Versa- konnte es nicht ruhig hinnehmen, nachdem die 

gen in der Politik. Am Ende des J. 101 Germanengefahr nicht mehr fiir ihn wirkte und 

stand M. auf der Hohe seiner militarischen Lauf- die Walen schwiegen, einen anderen, etwa gar 

bahn. In Rom war das Militarische jahrelang so Metellus, als den Herrn der Geschicke anzusehen. 

wichtig gewesen, dafi das Politische zuriicktrat. In seiner Ehrsucht brachte er es nicht iiber sich, 

Gerade die Anhanger des M. batten beim Volke zu entsagen und den Schritt in die Leerheit eines 

daftir gesorgt, daB der militarische Gesichtspunkt Lebens ohne Macht zu tun (was wohl als Mangel 

als der durch die Notlage der Zeit herrschende 40 an CharaktergroBe zu deuten ist). Deshalb strebte 

betont und die politischen Entscheidungen von er nach dem 6. Consulat (hg ovb'' slg nQcorrjg wqc- 

ihm aus gesehen wurden. Das wichtigste Ereignis ysto. In den Mitteln war er nicht wahlerisch. 

in dieser Ausnutzung des militarischen "Dberge- Wenn er das Consulat von neuem bekleiden wollte, 

wichts zugunsten der politischen Macht der Popu- ohne daB eine groBe kriegerische Aufgabe domi- 

laren war wohl das Vorgehen des Volkstribunen nierte, wenn er sich also rein politischen Ruhm 

Manlius Mancinus im J. 107 gewesen (s. o. S. 1378), erwerben und auch im Frieden der angesehenste 

namlich der Bruch mit der Praerogative des Se- Mann sein soUte, so muBte er beherrscht vom 

nats, die militarischen Kommandos bestimmen zu staatsmannischen Denken und auch wendig sein 

konnen. Die Volkspartei hatte es damals ausge- in der Auffassung, in der rednerischen AuBerung 

nutzt, daB gerade der Feldherr Mi als Kandidat 50 und im ganzen Auf treten* Diese Eigenschaften 

bereitstand und das BewuBtsein der Masse so sehr besaB er aber off enbar nicht. Wenn er trotzdem 

beherrschte, daB ihm ein Plebiszit das militarische um der Macht willen nach der Macht strebte, war 

Kommando iibertrug. Wenn sich Demokratie und er in Gefahr, als Politiker charakterlos zu werden 

Militargewalt, tribunicische Gewalt und milita- und standig bin und her zu pendeln. 

risches Imperium dauernd verbunden konnten, Ein Fall, in dem er Sicherheit und tJber- 

war die Senatherrschaft gebrochen, wie es spater legenheit zeigte, wird geradezu als Ausnahme be- 

Pompeius, Caesar und Octavian bewiesen (vgl. richtet, und es spricht auch in ihm mehr der 

K. J. Neumann in Gercke-Norden III 493). Feldherr als der Politiker: es kam namlich zur 

M. gelang diese Verbindung auf die Dauer Sprache, daB er nach der Schlacht von Vercellae 

nicht. Es ist sogar iiberraschend und zunachst 60 tausend Camerinern als Anerkennung fiir ihre 

kaum begreiflich, daB nach dem groBen milita- Tapferkeit aus eigener MachtvoUkommenheit das 

rischen Triumph von 101 der Umschlag in der Biirgerrecht erteilt hatte. Den Vorwurf der Un- 

Macht und die Isolierung des M. so schnell ein- gesetzlichkeit parierte er mit der Antwort, er babe 

trat. Bei dieser Ratselhaftigkeit lassen sich die vor dem Gerausch der Waffen das Gesetz nicht 

immer erneuten Versuche verstehen, aus dem diirf- vernehmen konnen (Plut. Mar. 28, 3; mor. 202 c. 

tigen Quellenmaterial unter dem Hochdruck sub- Val. Max. V 2, 8. tTber die Schenkung des Bur- 

tilster Interpretation eine pragmatische Darstel- gerrechts durch Feldherren s. M o m m s e n St.-R. 

lung des entscheidenden Jahres 100 au geben (E. II 891; Ges. Schr. VI 30. M. hatte also das Recht 



1399 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1400 

fiir den Cimbernkrieg erhalten und auf Grund des- Land in Afrika bekominen soUte (de vir. ill. 73, 

selben ganzen Abteilungen von Nichtblirgersol- 1). Sodann hatte er sich fiir die Wahl des M. zum 

daten das Btirgerrecht als Siegesbelohnung ver- Consul des J. 102 eingesetzt in nicht gerade 

liehen; die Verleihung an die Cameriner wurde nur fairem, mit M. abgekartetem Spiel (s. o. S. 1386). 

insofern beanstandet, als ihr deren Biindnisver- Ob diesem Bericht nicht nur boshafter Optimaten- 

trag im Wege stand; Cic. Balb. 46f. o. Bd. Ill klatsch zugrunde liegt, hat man sich wohl ge- 

S. 1429). fragt; aus dem Chaxakter des M* und des Appu- 

Schon bei der Bewerbung um das Consulat leius laBt sich aber kaum ein <Dl-egenbeweis ab- 

des Jahres 100 hatte M. trotz des noch nicht lange leiten. 

zuruckliegenden Triumphs {dieser und die Wah- 10 Die Vorgeschichte der Unruhen des J. 100 da- 

len miissen zwischen dem 30. Juli und dem Spat- tiert Appian (bell. civ. I 126) von daher, dafi den 

herbst stattgefunden haben) und der enthusia- Senatsmitgliedern Glaucia und Appuleius, Q. Cae- 

stischen Feier durch die Biirger Sejiwierigkeiten cilius Metellus als Censor (im J. 102) bei der 

zu tiberwinden. Die nobiles feindeten ihn heftig lectio senatus ihre Wiirde nehmen wollte, well 

an; man kann wohl annehmen, da6 schon damals sie einen unpassenden Lebenswandel fiihrten 

Catulus mit der Kritik nicht zuriickhielt, viel- (aloxQcog ^lovvtag), was vielleicht mit den Augen 

leicht auch sein liher de consulatu herausgab des politischen Gegners beobachtet war, besonders 

(M ii 1 1 e n h f f II 138), und ebenso wird Sulla falls es zutrifit, dafi bei der Censorenwahl Appu- 

scharf e Kritik getibt haben. Mitbewerber war aber leius einen Volksauflauf gegen Metellus veranlafit 

wieder Q. Caecilius Metellus, der starkste Cha-^ 20 hatte {censor em crefitum obsedit Oros. V 17, 3)4 

rakter der politischen Gegenseite, sein alter, von Metellus drang allerdings nicht durch, weil sein 

ihm geftirchteter Gegner (fidXiota oQQcodcov tov Amtsgenosse und Vetter, C. Caecilius Caprarius, 

Mkellov Plut. Mar. 28, 6), der das besafi, was sich wiedersetzte. 

M. nicht hatte: Charakterfestigkeit und gering- DaB ,nicht lange nachher*, namlich im 6. Con- 

schatzende Gleichgiiltigkeit gegeniiber Volksgunst. sulate des M. (Appian. bell. civ. 1 127 mit P. Yier- 

M. hafite ihn wohl auch aus schlechtem Gewissen, e c k s Anm. Robinson 94ff.: Oktober 101?) 

weil er den Metellus, seinem ersten Gonner, das Glaucia als Praetor die Tribunenwahlen zu leiten 

Eintreten fiir ihn mit Undankbarkeit und Feind- hatte, ist zwar unwahrscheinlich; sicher aber be- 

sehaft gelohnt hatte (s. o. S. 1378). M. muBte sich warb sich Appuleius zum zweitenmal um das Tri- 

dessen bewufit sein, daB er mit ihm als KoUegen 30 bunat. Nach dieser Macht strebte er, um die Ober- 

nicht fertig werden konnte. hand iiber Metellus zu bekommen und sich an 

M. siegte; er bekam einen Valerius Flaccus ihm zu rachen. Als Mitbewerber trat der ange^ 

,mehr zum Lakaien als KoUegen* (vjrsQhrjv ^idl- sehene, freimutig sich auBernde Nonius auf. 

Aov § ovvoLQxovta xrjg vTtarelag Plut. Mar. 28, 8). Glaucia und Appuleius schickten einen aufriihre- 

Es wurde behauptet, daB M. das neue Consulat rischen Volkshaufen gegen ihn und lieBen ihn 

per tribus sparsa pecunia gekauft habe (Liv. per. niederstechen (Appian. a. 0. Plut. Mar. 29, Liv* 

69): die Nachricht geht auf P. Rutilius Rufu&zu- per. 69. Val. Max. IX 7, 3. de vir. ill. 73, 5. Flor. 

riick und wird selbst von Plutarch mit Zuruck- II 4, 1. Oros. V 17, 3). Nach Livius geschah das 

haltung wiedergegeben, da Rutilius mit M. per- adiuvante Mario per milites (vgl. tantum animo- 

sonlich verfeindet gewesen sei (Mar. 28, 8), ist 40 rum viro Marius dabat Flor.; fraude G, Marii 

aber durchaus glaublich und widerspricht auch consulis Oros.; TioXXa ovve^afAaQzdvcov zdig tisqI 

dem nicht, daB er das Consulat meritorum veluti tbv UazovQvtvov Plut.). Wieweit aber die Hilfe 

praemium (so Veil. II 12, 6) erhalten habe. DaB der Soldaten oder die Billigung ihres Auftretens 

er Soldaten dazu anstiftete, sich in die Biirgerver- durch M. wirklich ging, wird nicht gesagt — 

sammlungen zu verteilen, und so dem Metellus Wahrend das erregte Volk zusammenlief, wahl- 

Abbruch tat, war ein anderes Mittel des poli- ten die Anhanger des Glaucia den Appuleius zum 

tischen Erfolgs. Volkstribunen (tribunus pi. per vim creatus: Liv. 

Immerhin ist weder Belohnung des M. noch per. 69; zum zweitenmal: Appian. a. 0.). Gegen 

Bestechung oder Einschiichterung des Volkes mit den gewalttatigen Mann, der tibrigens jetzt als 

Sicherheit als Voraussetzung der 6. Consulwahl 50 schon gewahlter Beamter sacrosanct war, eine 

anzunehmen. Ganz wesentlich fur den Erfolg des Untersuchung wegen der Ermordung des Nonius 

M. war aber sein politisches Biindnis mit L. Ap- einzuleiten wagte oder wollte man nicht. — Nach 

puleius Saturninus und C. Servilius Glaucia. Es Appian zogen Glaucia und Appuleius erst nach 

war aber auch verhangnisvoU, daB er sich diese dieser Revolte den M. auf ihre Seite, und zwair 

unruhigen und gerissenen Agitatoren und Draht- weil sie ihn als ix'&Qdv acpavrj (e^g^av^?), im In- 

zieher des Volksteils, der nichts zu verlieren und nersten dauernden Feind des Metellus kannten 

von Unruhen nur zu gewinnen hatte, gewann oder (vgl. erat autem res [Metello] cum exercitu G. 

wiedergewann. Appuleius war aus Erbitterung Mart invicto, habebat inimieum 0. Marium con- 

iiber die ihn entehrende Entziehung der procu- servatorem patriae; res erat cum L. Saturnino ite- 

ratio frumentaria durch den Senat (im. J. 104) 60 rum tribuno pi, usw. Cic. pro Sest. 37) und sie 

zur Volkspartei iibergegangen und zum ersten Metellus, d. h. die Macht des Senats beseitigen 

Male im J. 103 Volkstribun geworden (was sich woUten. Das ist der gemeinsame Plan der Drei (so 

aug Plut. Mar. 14, 6ff. und Appian. bell. civ. I auch, vielleicht iibertreibend, Oros. V 17, 4: Ma- 

126f. erschlieBen laBt; vgL Ziegler Fasti trib. rius et Glaucia et Saturninus cons pirave- 

pl. 12) und hatte auf Veranlassung des M. oder runt Metellum in exilium quacumque vi agere; 

aus freien Stucken, um sich seine und seiner Sol- vgl. K 1 e b s a. 0.). Dazu stimmt, daB Livius 

daten Gunst zu sichern, den Gesetzvorschlag ge- dem M. die aktivere RoUe gibt {seditionis aue- 

macht, daB jeder seiner Veteranen 100 Morgen tor), was besonders auf die gewaltsame Durch- 



1401 NafChtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1402 

setzung der lex agraria zu beziehen ist. M. wird schwankte und von Appuleius abbiegen woUte, 

also als Mitschuldiger oder gar Anstifter des Ap- Er erklarte namlich, er wiirde diesen Eid niemals 

puleius bezeichnet, von dem es mit Bezug darauf, freiwillig schworen (soweit Appian und Plutarch, 

daB er durch einen Mord zu seinem zweiten dann Plutarch:) und, wie er hoffe, auch sonst 
Tribunat gelangt war, heifit: non minus violenter kein verstandiger Mann: denn wenn auch das 

tribunatum, quam petierat, gessit. Gesetz an sich nicht nachteilig ware, so sei es 

Die lex agraria (so Liv. per. 69. Plut. Mar, doch eine Beschimpfung fiir den Senat, daB er es 

29, 1. Cic. de leg. II 6, 14. Ill 11, 26; de vir, nicht mit tJberlegung und freiwillig, sondern ge- 

ill. 73) soUte die Veteranen des M, gewinnen zwungen genehmigen soUe. Die Rechnung, wenn 

und die Macht des M. verstarken. Er hatte den 10 es wirklich eine kuhle Rechnung war, stimmte: 

Cimbern Landereien abgenommen, die sie in Gal- Metellus erklarte seine tJbereinstimmung mit der 

lia Transalpina (vgl. Robinson 67) besetzt Meinung des Consuls; dieser hob die Sitzung auf, 

hatten, und das Land recht naiv den Romern zu- und damit ging der Senat auseinander. Aber 

geeignet. Appuleius brachte das Gesetz auf Ver- wahrend Metellus ein Mann war, der fest und 
teilung dieser Landereien ein (diaddaao'&ai yfjv unabanderlich bei dem blieb, was er bedacht und 

Appian. bell. civ. I 130). Ferner schlug Appuleius gesagt hatte, ,sah M. das Lugen fiir Ttichtigkeit 

eine lex de eoloniis zugunsten des M. vor, ut in und Gewandtheit an' (so Plut. Mar. 29, 5) und 

singulas colonias ternos civis Romanos facere war gesonnen, sich an die im Senate abgegebene 

posset (Cic. Balb. 49) : auch damit war ein Unter- Erklarung welter nicht zu binden. Er wartete mit 

nehmen groBen Umfanges geplant, das dem M. 20 der Einberufung einer neuen Sitzung 4 Tage lang; 

langdauernde Tatigkeit und ihm als Leiter groBte am 5. Tage, nach dem Gesetz dem auBersten 

Macht bringen sollte. Termin fiir die Eidesleistung, berief er (nach 

Das Agrargesetz enthielt die Klausel: wenn Plutarch Appuleius) sie und erklarte bei allgemei- 
das Volk es bestatige, mtisse der Senat (innerhalb ner Spannung: er habe keinen so breiten Nacken 
5 Tagen: Appian) die Befolgung des Gesetzes be- (d. h. er konrie nicht solche Lasten auf sich 
schworen (scharfere Klausel bei Plutarch: der nehmen), dafi er iiber eine so wichtige Sache mit 
Senat sollte schworen, alles zu genehmigen, was einem Male abzusprechen sich getraue (eine in 
das Volk beschlieBen wtirde, und sich in keinem ihrer drastischen Form zweifellos authentische 
Punkte zu widersetzen: sf/,fA,evsiv dig av 6 brffAog AuBerung); er woUe schworen und dem Gesetze 
y.fr](ploaito xal TZQog firjdev vjievavricooso'd'ai). Wer 30 gehorsam sein. Nach Plutarch setzte er diese Worte 
es nicht beschwore, verliere seinen Sitz im Senat schlau hinzu, um seine Schande zu verdecken (tovro 
und verfalle in eine Strafe von 20 Talenten (gleich tiqoos'&tjxs to oo(p6v wonsQ naQaxdlvfjiiAa rfjg 
500 000 Sesterzen). Nach den iiber einstimmenden aloxvvrjg), Nach Appian sagte er ausftihrlicher: 
Berichten von Appian und Plutarch sollte mit der er furchte das Volk, das auf das Gesetz versessen 
Forderung des Eides dem Metellus eine Schlinge sei (also die Landleute); er sehe darin einen 
gelegtwerden: man erwartete, daB Metellus seiner kiinstlichen Ausweg, daB man beschwore, das 
Gesinnung gemaB ihn nicht leisten wiirde, und Gesetz zu befolgen, sof ern es Gesetz sei. Das wird 
wuBte, daB der charaktervoUe Mann niemals von aber wohl nur eine Deutung der tJberlegung des 
der offentlich ausgesprochenen Verweigerung des M. sein wie erst recht der darauf folgende Satz, 
Eides abgehen wiirde: die Folge sollte die Ab- 40 den M. offentlich zu auBern schwerlich naiv genug 
neig'ung des Volkes gegen ihn sein. Nach Abfas- war: fiir den Augenblick werde man das Land- 
sung des Gesetzes bestimmte Appuleius den Tag volk los, das noch auf der Lauer liege; spater be- 
der Vorlage. Er war besorgt, daB das stadt- weise man, daB ein mit Gewalt und unter Donner 
romische Volk gegen das Gesetz sein konnte, well gegen die alte Sitte bestatigtes Gesetz kein Ge- 
es die ,Italiker' begiinstigte. Darum schickte er setz sei. 

Boten zu solchen Landleuten, die unter M. gedient M. wartete den BeschluB nicht ab. Der Ab- 

hatten; auf sie setzte er das groBte Vertrauen. Der lauf des Termins lieB niemand Zeit zur Besin- 

Entscheidungstag verlief unruhig. Die Volkstri- nungj wie auch M. keine Zeit lieB: er ging in 

bunen erhoben Einspruch gegen das Gesetz und den Saturntempel zur Schwurleistung und schwur 

wurden miBhandelt; die Volksmenge aus der Stadt 50 zuerst mit seinen Freunden unter jubelndem Bei- 

schrie dagegen, es habe wahrend der Versamm- fall des Volkes. K 1 e b s (266) nimmt an, der 

lung gedonnert. Wegen solch ungiinstiger Auspi- Senat sei freudig gefolgt, da er der augenblick- 

zien war ein BeschluB unerlaubt. Trotzdem trat lichen Bedrangnis enthoben war und fiir die Zu- 

die Partei des Appuleius welter gewalttatig auf, kunft freieHand hatte. Anders die Uberlieferung: 

bis das Stadtvolk, mit Kniitteln bewaffnet, die die Patricier sahen das Vorgehen des M. als Hin- 

Landleute auseinandertrieb, und dann wieder terlist an und waren sehr niedergeschlagen. Aber 

diese, von Appuleius gesammelt, zu Kniitteln grif- auBer Metellus hatte niemand den Mut, sich gegen 

fen; sie bekamen schlieBlich die Oberhand und die Brutalisierung durch Appuleius und gegen die 

bestatigten das Gesetz (Appuleius legem agrariam Kniffe des M. zu wehren: wahrend die anderen in 

2)er vim tulit. Liv. per. 69. Appian. bell. civ. I 60 ihrer Angst, auch vor nier angedrohten Strafe, 

129ff. Plut. Mar. 29, 2). nur emport waren gegen M., beharrte Metellus 

Das Gesetz wurde vom Consul M. dem Senate ohne Furcht bei seinem EntschluB und schwur 

zur Beratung vorgelegt und zur Erfiillung der nicht [unus in legem per vim latam iurare nole- 

Eidesklausel. Dabei hielt M. eine Rede, die ent- bat Cic. pro Sest. 37, 101). Darauf bewirkte Ap- 

weder den Metellus in eine Schlinge drangen puleius, daB die Acht iiber Metellus verhangt 

sollte — er griff die Klausel, die den Senat ent- wurde; er ging nach Rhodes in die Verbannung. 

miindigen sollte, verstellterweise (jiQoonoiovfAsvog Wenn Appian (bell, civ, I 140) iiber die Promul- 

Appian. a. 0.) heftig an — oder sie zeigt, daB M. gation nur berichtet: m ev xco yjrjcpla/Aan MaQiog 



1403 NacMrage (Marius [LebenJ) Nachtrage (Marius [Leben]) 1404 

BTieKriQvxtev (vgl. profecto C. Marius aqua et igni als ihm die Verbindung gefahrlich zu werden 

interdixit Liv. per. 69) — so mtiBte doch irgend- drohte. Er wechselte jetzt offen zum Senat bin-: 

wie irgendwo betont sein, daB M. umgefallen sei, Tiber (aecomodato ad tempus ingenio consensui 

wenn dieses Verhalten nicht auf derselben Linie honorum se inmiseuit commotamque plebem lent 

gelegen hatte wie das am Tag vorher, so daB also oratione sedavit Oros.). Nicht nur die Senatoren 

seine Kede im Senat nicht als AusfluB einer Ehr- und Ritter bewaffneten sich, sondern auch ein 

lichkeit fast wider Willen anzusehen ist, sondern groBer Teil des Volkes: M. verteilte selbst Waff en 

als Berechnung, die auf Knebelnng des Senats unter das Volk (Cic). In den folgenden Kampfen 

und Unschadlichmachung des Metellus abzielte. auf dem Kapitol eingeschlossen, ergaben sich Ap- 

Wenn die hier vorgetragene Ansicht vom Her- 10 puleius und seine Freunde, nachdem M. (oder 
gang der Ereignisse und dem Verhalten des M. andere, wahrend er noch zauderte: Appian. a. 0.) 
zutrifft, so muBte einerseits der Senat hochst em- die Wasserleitungsrohre hatte durchschneiden las- 
port gegen M. sein und andererseits Appuleius sen (Oros. V 17, 7), freiwillig, indem sie auf den 
und Glaucia der tJberzeugung sein, sie batten M. Beistand des M. hofften: Appuleius palam clami- 
ins Schlepptau genommen. Weder das eine noch tans, Marium auctorem esse omnium molitionum 
das andere kann M. recht gewesen sein; weder suarum, contestatus est! (Oros. V 17, 8). Wie es 
Metellus noch Appuleius soUte der Machthaber scheint, sicherte M. ihnen Straflosigkeit zu, wozu 
sein. er allerdings ohne Senats- oder gar VolksbeschluB 

Die nachste Aufgabe des M. war es, die be- nicht berechtigt war (Mem Saturnino G. Marius 
schlossenen Gesetze durchzufiihren. Aus dieser 20 dedit, idemque molavit, si in Hde non stetit Cic. 

Aufgabe hatte er sich sogar ein ,langjahriges a. 0. 28; vgl. Bd. II S. 268). Er tat alles, um 

Imperium*, eine Monarchie auf Lebenszeit sie zu retten, konnte es aber nicht durchsetzen. 

(M o m m s e n RG II 202) aufbauen konnen, wenn Wenigstens lieB er sie in die Curia sperren, ob- 

die Entwicklung nicht gehemmt wurde. Da er die wohl allgemein ihre sof ortige Hinriehtung ver- 

Vollmacht hatte, einigen Bundesgenossen dasBiir- langt wurde: er suchte Tumult und Lynchjustiz 

gerrecht zu verleihen, ist es ganz natiirlich, daB auszuschalten, indem er betonte, daB gesetzmaBig 

er als alter Soldat fortissimum quemque (Cic. verfahren werden soUe. Damit woUte er woW 

Balb. 47f.) auswahlte. Die Gesetze fanden scharfe Zeit gewinnen; so faBte es das Volk auf (nQocpa- 

Opposition bei den besitzenden Klassen; Senat olv zovr^ elvat vofjiloavxeg Appian. bell. civ. I 145, 
und Ritterstand wurden so wieder zueinander- 30 Plut. Mar. 30, 4f.). VoU Ungeduld warf man die 

gedrangt (vgl. Plut. Mar. 30, 4), und die Burger- Gefangenen mit den Dachziegeln der Curia tot. 

schaft sah den Aufstieg der Italiker ungern (vgl. M. ist nicht dem Lob optimatisch eingestellter 

M m m s e n RG II 204ff.). Berichterstattung entgangen (Glaueiae Saturni- 

Wie M. zwischen den Gegensatzen schwankte, nique Appulei furorem consul armis compeseuit 

wurde in einer Anekdote karikiert (Plut. Mar. hominesque exitiahilis in Hostilia curia morte 

30, 3): Die angesehensten Manner der Stadt multavit Veil. II 12, 6). Im ganzen gesehen war 

kamen nachts zu ihm, um sich uber Appuleius zu fiir M. dieses Ende seiner alten Verbiindeten, von 

beklagen; diesen lieB er durch eine andere Tiir ihm selbst geduldet und gefordert, ein unsagbar 

herein, ohne daB jene es merkten. Dann lief er schmachvoUes Ereignis. Das bose Urteil tiber 
zwischen ihnen hin und her, indem er sich htiben 40 seinen Charakter, das Livius bei dieser Gelegen^ 

und driiben mit Durchfall entschuldigte. heit gibt, wird das aUgemeine gewesen sein: 

Appuleius und Glaucia waren darum besorgt, homo varii et mutabilis ingeni consiliique semper 

wenn notig, auch ohne M. machtig und geschlitzt secundum fortunam (per. 69). 

zu sein, wozu ihnen Magistratsposten — dem Ap- 13. Nach dem sechsten Consulat. 

puleius das Tribunat, dem Glaucia das Consulat Bundesgenossenkrieg. DaB der poli- 

-^ verhelfen soUten. Das konnte nicht ohne tische Kredit des M. gefallen war, zeigte sich, als 

Verletzung der Gesetze geschehen (vgl. Bd. II sich ihm die Gelegenheit hot, fiir das Ehrenamt 

S. 867). Appuleius erlangte das Tribunat; der der Censur zU kandidieren: man erwartete, er 

Mitbewerber des Glaucia, L. Memmius, wurde werde sich bewerben; doch er hatte trotz semer 
wahrend der Abstimmung von ihren Banden er- 50 sechs Consulate Angst durchzufallen und lieB zu, 

schlagen. Darauf erging am 10. Dezember, dem daB man geringere Manner wahlte. (So interpre- 

Tag des Amtsantritts der Tribunen, fremente pro tiert Plut. Mar. 30, 5 seinen Verzicht.) Um eine 

tantis reipublicae malis senatu populoque Romano Ausrede war er nicht verlegen: er woUe sich 

(Oros. V 17, 6) ein Senatusconsultum, das die nicht durch strenge Untersuchung von Lebens- 

Consuln aufforderte, dafur zu sorgen, ut impe- haltung und Sitten viele Feinde machen. (Die 

rium populi Romani maiestasque conservaretur Geschichte von der miBratenen Bewerbung halt 

(Cic. p. Rabir. perd. 7. de vir ill. 73, 10). M. von der Mil hll 40 fur eine Erfindung zu Un- 

war in einer peinlichen Lage (vgl. I h n e RG V gunsten des M. Aber es ware auffallend, wenn 

234f .), der Entscheidung konnte er aber nicht der ehrgeizige Mann, nachdem er sechsmal Consul 
ausweichen. Wenn er eine Zeitlang dem Appuleius 60 gewesen war, nicht nach der Censur gestrebt 

freie Hand gelassen hatte, so schamte er sich hatte.) 

jetzt vor den Aristokraten, woUte aber auch die Ein weiterer MiBerfolg des M. war es, daB 

Gunst des Volkes behalten (vgl. Robinson 99). er sich vergeblich gegen den Antrag des Calidius 

So spielte er jetzt dem Appuleius selbst gegen- stemmte, MeteUus aus der Verbannung zurtickzu- 

iiber, der seine Dreistigkeit und Gewalttatigkeit berufen (mit Hilfe des Volkstribunen P. Furius 

ungeniert fortsetzte, eine ebenso zweideutige und im J. 99? Appian. beU. civ. I 147. Dio frg. 93j 

treulose Rolle: nachdem er ihn gehoben und be- 2, 3. Oros. V 17, 11. v. d. Miihll 40); denn 

nutzt hatte, lieB er ihn fallen und opferte ihn, das Volk nahm den Antrag freundlich auf (Plut. 



1405 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Mariiis [Leben]) 1406 

Mar. 31, 1. Appian. bell. civ. I 147. Cic. post die Aufstandischen anriickten, standen ihnen die 

red. ad Quir. 6. 9. 11; ad sen. 37ff.; Plane. 69. tiichtigsten Manner als Legaten zur Seite, in 

Veil. II 15, 4. de vir. ill. 62, 3. Val. Max. IV grofier Zahl wegen der vermuteten Zahl der 

1,13. V 2, 7). Verargert entzog er sich der fest- Kriegsschauplatze berufen, und zwar war dem Ru- 

lichen Etickkehr seines nach Charakter ihm weit tilius M. beigesellt, auBerdem vier andere, dar- 

iiberlegenen und allgemein anerkannten Gegners unter C. Perpenna (Appian. bell. civ. I 179) 

(sie land wahrscheinlich noch im J. 99 statt: rov Jedem war eine bestimmte Gegend zugewiesen 

6' imovTog exovg ri ndd^bog ido'&rjf d. h. nach der der Consul reiste zur Oberaufsicht umher. Per- 

Verbannung: Appian. bell civ. I 148f.; im J. 98: penna wurde von einem bundesgenossischen Heere 
Ziegler Fasti tr. pi. 15). 10 unter groBen Verlusten geschlagen, der dem Tod 

M. begab sich nach Kappadokien und Galatien, entgangene Teil seines Heeres entwaffnet. Darauf 

angeblich, um der Gottermutter gelobte Opfer enthob ihn der Consul Rutilius der Fiihrung und 

darzubringen. In der Tat soil er sich bemiiht wies den Rest des Heeres M. zu (Appian. bell, 

haben, neue kriegerische Unternehmungen anzu- civ. I 183). Rutilius und M. schlugen in einiger 

fachen, um dann von Rom mit der Fiihrung eines Entfernung voneinander Briicken tiber den Tole- 

Krieges betraut zu werden und wieder als Feld- nus (Ovid. fast. VI 565. Oros. V 18, 13. Appian. 

herr glanzen zu konnen. Er stachelte insbeson- bell. civ. I 191 nennt den Liris; vgl. Marcks 

dere Mithridates an, der ihm mit Hoflichkeit und Die tJberlieferung des Bundesgenossenkrieges 91 

Ehrungen auswich, aber von M. eine gebieterische — 89 v. Chr., Marburg 1884, 50 A 1), um gegen 
Sprache zu horen bekam (vgl. Th. Reinach20 Vettius Scato, einen der sechs Praetoren des 

Mithradates 9, 1). Erreicht hat M^ aber nichts. Marserbundes, vorzugehen. Dieser stand der von 

Er kam 97 nach Rom zuriick und baute sich ein M. geschlagenen Briicke naher als der von Ruti- 

Haus nahe am Forum, angeblich, um seinen Be- lius geschlagenen, griff aber tiberraschend gerade 

suchern einen weiten Weg zu sparen. Er woUte diesen beim Ubergang an; in dem fiir die Romer 

nicht tibersehen werden, war aber nicht geschickt ungiinstigen Gefecht wurde Rutilius todlich ver- 

genug, seine Besucher noch fiir sich zu inter- wundet. M. ahnte, als Leichen an ihm vorbei- 

essieren (Plut. Mar. 32, If.). trieben, was vorgef alien war, raptis continuo 

Unter seinen Konkurrenten auf der politischen copiis victores insperatus oppressit, oeto milia et 

Laufbahn war ihm Sulla besonders unangenehm. ipse Marsorum interfecit (Oros. V 18, 13). Nach 
Wenn iibrigens Plut. Mar. 32, 3 diesen charak- 30 dem Bericht des Appian stieB M. liber den FluB 

terisiert als i?c rov JiQog exeivov av^avofjisvog (pM- vor und bemachtigte sich des schwach geschlitzten 

vov rcov dvvarcdv Kal tag nQog exeivov biaqjoQcug Lagers des Scato (nach Ovid am 11. Juni 90; vgl. 

cLQxrjv jiohteiag noiov^jievog, wird man sich stets auch Marcks 38ff.); dieser iibernachtete des- 

bedenken mtissen, die fiir M. ungiinstigen Urteile halb auf dem Kampfplatz und zog sich am nach- 

des Plutarch als optimatisch gefarbt zuriickzu- sten Morgen zuriick, da ihm mit dem Lager die 

schieben. Den AnlaB zu einer nicht nur mit Wor- Lebensmittel genommen waren (Appian. bell. civ. 

ten scharfen Auseinandersetzung zwischen M. und I 191ff.). Das Heer des Rutilius iibernahmen auf 

Sulla drohte ein Geschenk des inzwischen zum Weisung des Senats M. und Q. Servilius Caepio; 

romischen Bundesgenossen aufgeriickten Konigs als dieser, in eine Falle und zu einem Gefecht 
Bocchus von Numidien zu bieten: er hatte auf 40 verlockt, fiel, bekam M. auch den Rest dieses 

dem Capitol trophaenhaltende Siegesgottinnen Heeresteiles (Appian. bell. civ. I 198). 

aufgestellt und daneben vergoldete Reliefbilder, Eine weitere Tat des M. im Bundesgenossen- 

die darstellten, wie er lugurtha an Sulla aus- krieg wird an einer im Text verdorbenen Stelle 

lieferte. M. deutet diese Aufstellung dahin, daB Appian. bell. civ. I 201 erwahnt: zusammen mit 

Sulla sich als Helden dieser Taten auf spielen einem anderen Feldherrn von den Marsern ange- 

woUe, und traf Anstalten, die Denkmaler mit griffon, verfolgte er sie, bis er die Verfolgung ab- 

Gewalt zu zerstoren, wogegen sich wieder Sulla zubrechen fiir gut hielt; und gerade diese fliehen- 

zur Wehr setzte. Die Zuspitzung zu handgreif- den Marser, heiBt es, habe Sulla aufgefangen und 

lichen Auseinandersetzungen wurde abgebogen empfindlich geschlagen. Ob sich auf diesen oder 
durch den iiberraschenden Ausbruch des Bundes- 50 andere Kampfe die Nachricht bezieht: G. Marius 

genossenkrieges noch im J. 91 (Plut. Mar. 32. proelio Marsos fudit Ilerio \AsiniOj praetore Mar^ 

Sulla 6, 1. 2. Flor. Ill 18, 8). rucinorum, occiso (Liv. per. 73) und die andere, 

In diesem langwierigen Krieg, in dem die daB er in einer groBen Schlacht gesiegt und 

Romer auf der Gegenseite iiberraschende Zahig- 6000 Feinde getotet habe (Plut. Mar. 33, 3), ist 

keit und tiichtige Fiihrer zu spiiren bekamen, ist angesichts der triimmerhaften Cberlieferung nicht 

M. auffallend wenig hervorgetreten. Es heiBt, zu entscheiden. Der berichtete Erfolg wiirde das 

Sulla habe in diesem Krieg ebensosehr zugenom- Urteil verstandlich machen: Pompeio Sullaque et 

men an Macht und Ansehen wie M. abgenommen Mario fluentem procumbentemque rem populi Ro- 

habe (Plut. Mar. 33, 1). Andere allgemeinere Ur- 7nani restituentibus (Veil. II 16, 4). Ganz isoliert 
telle sind freundlicher: a Romanis bene contra 60 steht auch der weitere Bericht: G. Marius cum 

eos (Pieentes et Marsos) pugnatum est a G. Ma- Marsis dubio eventu pugnavit (Liv. per. 74), 

rio et a Gn. Pompeio, maxime tamen a L. Gor- Immerhin wird man daraus, daB M. dem Ruti- 

nelio Sulla (Eutrop. V 3, 3). Das weniger giin- lius Hinauszogern des Kampfes, bis die Rekruten 

stige Urteil iiber M. wird man als begriindet be- im Lager ausgebildet seien, anriet (Oros. V 18, 

trachten, wenn man, aller dings auf Grund durf- 11) und selbst bemiiht war, den Fein den nicht die 

tig^r Berichte, seine Taten iiberschaut. Als im geringste BloBe zu bieten, daB er sich im Lager 

J. 90 beide Consuln, L. lulius Caesar und P. einschlieBen und durch keinen Hohn zum Kampf 

Rutilius Rufus, mit dem romischen Heere gegen reizen lieB, schlieBen diirfen, daB er fiir die im 



1407 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1408 

Kampf gegen die italischen Bundesgenossen er- Konigs von Pontus war die Vertreibung der 

forderliche Art von Feldzug methodisch zu Konige Ariobarzanes und Nikomedes aus ihren 

schwerf allig oder an EntschluBkraft nicht mehr Reichen, Kappadokien und Bithynien, und die Be- 

elastisch genug war. Charakteristisch ist dafiir setzung der Provinz Kleinasien (im J. 89) ge- 

die Anekdote, dafi er dem groBten Feldherrn der wesen (Appian. bell, civ, I 241 ; Mithr. 56f . Liv. 

Gegenseite auf die Aufforderung: ,Wenn du ein per. 76; vgl. Niese Bd. II S. 833. Reir 

groBer Feldherr bist, so komm herab und kampf e' n a c h Mithradates^ 126). Um das Kommando in 

antwortete: ,Wenn du einer bist, so zwinge mieh Asien zu erhalten, bedienten sich beide Bewerber 

gegen meinen Willen zum Kampfe*. Noch bezeich- der Hilfe der Demagogen. Ein Teil des Volkes 
nender ist, dafi er dem P. Rutilius Lupus geraten 10 trat fiir M., ein Teil fiir Sulla ein. Die Gegner 

hat, den Krieg hinauszuziehen; dann wiirden die des M. benutzten seine eigenen Aufierungen iiber 

Feinde am Mangel an Lebensmitteln zusammen- seinen von Alter und Krankheit geschwachten 

brechen (Dio frg. 96, 2). Mit diesen Hemmungen Korper, um ihn als korperlich der Sache nicht 

war der romisehen Sache nicht gedient; die Zeit gewachsen hinzustellen: nicht auf den Kriegs- 

arbeitete nicht fiir Rom. Gerechterweise darf man schauplatz, sondern in die Bader von Baiae soUe 

aber nicht aufier acht lassen, dafi M. offenbar kein er gehen; dabei wurde sein Leben auf seinem 

von ihm selbst lange geschultes Qualitatsheer zu Landhause bei Misenum als luxuries und fiir einen 

fiihren hatte und daB das Kriegsziel die Truppen alten Haudegen unpassend durchgehechelt. Mit den 

nicht in Schwung bringen konnte: waren die angeblichen Aufierungen des M. waren wohl die 
Feinde doch homines eiusdem et generis et san- 20 gemeint, mit denen er sich im Bundesgenossen- 

guinis (vgl. Veil. II 15, 2. Diod. XXXVII 15. kriege krank gemeldet hatte. Er bemiihte sich 

Plut. Mar. 33, 4ff.). nun, schleunigst den Gegenbeweis gegen die Be- 

Im ganzen gesehen wurde ihm Langsamkeit hauptung der Vergreisung anzutreten. Alle Tage 

in seinen Unternehmungen und tibergrofie Be- tibte sich der wohlbeleibte, schwerfallige alte Herr 

denklichkeit offenbar mit Recht zum Vorwurf ge- auf dem Marsfelde inmitten der jungen Leute. 

macht. Dabei wird betont, dafi er ja schon iiber Daraus wurde ein Schauspiel, das man gesehen 

65 Jahre alt war und, nach seiner eigenen Be- haben muBte, und man staunte oder lachte. Man 

hauptung krank und unbeholf en, nur mitgegangen deutete sein krampfhaftes Bemiihen als krank- 

sei, um sich nicht schamen zu mtissen. AuBerdem hafte Ruhmbegierde und Gewinnsucht, die nach 
wird an sich dieser Krieg nicht geeignet gewesen 30 dem Reichtum des Mithridates und der asiati- 

sein, sein Temperament anzustacheln und sein schen Stadte griff (tov noXeiJiov evxeQfj aal noXv- 

Phlegma zu tiberwinden. Es muBten schon ehr- xqvoov riyovfjisvog slvai Appian. bell. civ. I 242); 

geizige Regungen hinzukommen: personliche anders verstand man nicht, daB er sich in seinen 

Motive vermutete Rutilius hinter dem Rat des M.,. alten Tagen, nach so groBen Erfolgen, in denen er 

den Kampf zu verzogern (dolo id eiim agere ratus sich sonnen konnte, in Kappadokien und Pontus 

Oros. V 18, 12); den obenerwahnten Rat soil er mit Satrapen des Mithridates herumschlagenwoUte. 

Lupus gegeben haben, well er hoffte, zugelegener Der Grund, den er angab: er woUe seinen Sohn 

Zeit der Sache eine gliickliche Wendung geben im Kriegswesen ausbilden, tiberzeugte niemanden 

und infolgedessen fiir sich das 7. Consulat be- (Plut. Mar. 3, 4. Diod. XXXVII 29. Flor. 119,6). 
anspruchen und erreichen zu konnen — was zu 40 SuUas letzte Siege und das WohlwoUen der 

dem Charakterbild, das die nachsten Jahre ent- Optimaten verschafften diesem (zusammen mit Q. 

hiillten, durchaus paBt: als er wieder groBere Pompeius Ruf us) das Consulat des J. 88 und den 

Ziele vor sich sah, konnte er sich aus seinem Er- Oberbefehl gegen Mithridates, den er ebenso heiB 

lahmen machtig aufreiBen; zunachst aber legte er begehrt hatte wie M. Charakteristisch fur die 

verdrossen das Kommando nieder und entschul- Rivalen ist, daB sich jetzt Sulla zur Abwicklung 

digte sich mit korperlicher Schwache (Plut. Mar. des Kriegs ins Lager begab, wahrend M. oItcovqwv 

33, 6. K i e n e Bundesgenossenkrieg, 1845, 241 ff. keKxaivsxo rijv oXs'&Qicordrrjv ixslvrjv xal ooa 

sieht in diesen Berichten ,die falschende Hand ovfAnavxeg ol noUfxioi rrjv Tcbf^rjv ovk s^Xayjav 

des Parteihasses, des Neides und der Schmeichelei, aneiQyao[A,ev7]v oxdoiv (Plut. Sulla 7, 3. Das Fol- 
welche sich nach Sullas Endsieg der Zeitgeschichte 50 gende, soweit es Sulla betrifft, ausfiihrlicher 

bemachtigt hat' und nimmt an, M. sei nach Rom ' Bd. IV S. 1532ff.). Sulla war noch in Rom, als 

gegangen, um sich um das Consulat zu bewerben, M. ihm den Oberbefehl abzujagen begann, Als 

und, als ihm dies miBgltickte, sei er aus VerdruB Heifer gewann er den Volkstribun P. Sulpicius 

in Rom und dem Kriegsschauplatz fern geblieben, Rufus vjtooxeoeai TtoXXatg (Appian. bell. civ. 1 242, 

vielleicht auch, um seine Bewerbung fiir das vgl. evcpvsoraxov svQovxog oQyavov MaQtov nQog 

nachste Jahr noch nachdriicklicher betreiben zu x6v kolvov oXsd'Qov x6 I!ovXm?ecov d'Qaoog Plut. 

konnen. Vgl. auch u. S. 1408). Mar. 35, 1; vgl. causam hello civili C, Marius 

14. Kampf um das Imperium im dedit Eutrop, V 4. de vir. ill. 67, 4). M. wieder- 

Kriege gegen Mithridates. Wahrend- holte hier den Versuch aus dem J. 101 , sich durch 
dessen hielt Sulla durch und schloB den Krieg ab 60 Vermittlung eines einfluBreichen Tribunen auf das 

(Plut. Sulla 6, 3ff. Eutrop. V 3, 3. Veil. II 17, 1), Volk zu stutzen, wie auch Sulpicius ein Bewun- 

zugleich bestrebt, das Heer zu gewinnen, um M. derer und bewuBter Nachahmer des Saturninus 

auszuschalten, wenn iiber das Kommando im Kriege war, den er aber in Kiihnheit und Schnelligkeit 

gegen Mithridates entschieden wiirde (Plut. Sulla des VorstoBes noch tibertreffen woUte (vgl. hier 

6, 17). Denn als der Krieg gegen die Bundes- und zum Folgenden Mtinzer in Bd, IV A 

genossen abflaute, war in Rom schon der Wett- S. 846ff.). Als stets einsatzbereites politisches 

bewerb um das Kommando im Krieg gegen Mi- Machtmittel hatte er ein Privatheer von 3000 mit 

thridates im Gauge. Der letzte groBe VorstoB des Dolchen bewaffneten Leuten und eine Leibgarde 



1409 Naehtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 141() 

von 600 Mann aus dem Ritterstande um sichj den und behielt dabei die Gunst der Soldaten: sie 
^Gegenseiiat' (Pint. Sulla 8, 3). Auctore Mario brannten darauf, den beuteverheifienden Feldzug 
(Liv. per. 77) stellte er mehrere Antrage (perni- in Asien zu fiihren und befiirchteten, M. wiirde 
ciosas leges Ian. per. 77. Veil. II 18, 6): zunachst andere Truppen dazu bestimmen. Sie steinigten 
auf Riickberufung der Verbannten, namlich der- die Tribunen und verstanden Sulla, als er sieh 
jenigen, die der Forderung des Bundesgenossen- tiber das gewalttatige Verfahren des Sulpicius 
triegs bezichtigt worden waren, Verteilung der und M. gegen ihn beklagte, schon ricbtig: sie er- 
neuen Burger und Freigelassenen in alle Tribus, klarten sich, anders als fast alle hoheren Offiziere) 
wodurch die Neubiirger die Uberzahl tiber die freiwillig bereit, gegen Rom zu Ziehen, um so 
alten bekommen batten und in den Comitien 10 nach Asien zu kommen. Mit sechs Legionen 20g 
aUes, was M. und Sulpicius woUten, dankbar hat- er gegen M. aufMie Hauptstadt los (Appian. belL 
ten durchsetzen konnen. Da die alten Burger im civ. I 250ff.). Dieser hatte inzwischen, als Rache 
zweiten Gesetz die Gefahr ihrer Machtverringe- ftir die Steinigung der von ihm beauftragten Tri- 
rung, wenn nicht sogar die Auflosung der alt- bunen, in Rom viele Freunde des Sulla, soweit 
romischen Republik erkannten, widersetzten sie ihnen nicht die Flucht ins Lager des SuUa ge^ 
sich seiner Durchfiihrung und bewaffneten sich, gliickt war, umbringen und ihre Hauser pliindern 
um Widerstand zu leisten. Die Consuln wufiten lassen. Der Senat hatte nur den Befehlen des M. 
sich nicht anders zu helfen, als dafi sie die Ab- und Sulpicius entsprochen. Als er dem anriicken^ 
stimmung tiber die Antrage durch formale Hem- den Sulla vergebens durch zwei Praetoren Halt 
mungen abbogen, indem sie eine mehrtagige Feier 20 gebieten lieB und diesie sogar mifihandelt und ent- 
ansagten, mit der das iustitium, die Sistierung ehrt zuriickkehrten, war zum allgemeinen Ent- 
ailer offentlichen Handlungen, verbunden war (vgl. setzen die Lage klar. Nichts von Bereitschaft 
M m m s e n St.-R. 262f. o. Bd. X S. 1339). Dar- zum KompromiB verriet auch die AntwOrt des 
aufhin besetzte Sulpicius mit seinen bewaffneten Sulla an immer wieder zu ihm geschickte Ge- 
Anhangern das Forum, protestierte gegen die sandte. Eine Gesandtschaft, die ihn zur Einstel- 
Feier, da sie gesetzwidrig sei, und verlangte von lung des Vormarsches aufforderte, bis der Senat 
den Consuln ihre Aufhebung, damit seine An- uber die Lage beraten habe, war vielleicht nicht 
tragO: bestatigt wurden. Der Larm und die Be- aufrichtig gemeint, well M. und Sulpicius Zeit 
drohung der Consuln unterstiitzten die Forderung. zu Rtistungen gewinnen woUten: wenigstens fa6te 
Der Consul Pompeius entfloh; sein gleichnamiger 30 Sulla die Sendung als List auf oder tat spater, 
Sohh wurde jedoch gepackt und, wie eine Menge als ob er sie so aufgefafit habe; er stimmte dem 
anderer Leute, getotet. Sulla verstand es, sich Begehren zu und riickte trotzdem sofort wei- 
zuriickzuziehen. Seine Gegner erzahlten, er sei, ter vor. 

ohne da6 einer es ahnte, in das Haus des M. bin- Er lieB mit einer Legion das esquilinische 

eingeschliipft, habe die Verfolger vorbeirennen Tor (Plut. Sulla 9, 10. Appian. bell. civ. I 257. 

lassen, sei von M. zur andern Tur sicher hinaus- Jordan Topogr. Roms II 221) und den an- 

gelassen worden und in sein Lager entkommen. schliefienden Mauerteil besetzen, wahrend Pom- 

Indesseri bestritt er spater in seinen Erinnerun- peius mit einer Legion das coUinische nahm, eine 

gen, dafi er in das Haus des M. geflohen sei. Er dritte zur Holzbrucke vorriickte (vgl. 0. R i c h - 
behauptete vielmehr, man habe ihn mit Gewalt 40 t e r Die Bef estigung des Janiculum, Progr. Ber- 

wegg^drangt zur ,Beratung* tiber die Antrage, zu lin 1882, 21) und eine in Reserve blieb. Mit den 

deren Annahme ihn Sulpicius habe notigen wol- zwei tibrigen Legionen rtickte Sulla ein. Den 

l6n; mit geztickten Schwertern habe man ihn um- Widerstand der Anwohner bandigte er. M. und 

ringt und in das Haus des M. getrieben, bis er Sulpicius traten ihm am esquilinischen Forum (bei 

auf das Forum hinausgegangen sei und nach S. Maria Maggiore) mit eiligst bewaffneten Leu- 

ihrem Begehren das iustitium aufgehoben habe ten entgegen. Es kam zu einem kriegsmaBigen 

(Appian. bell. civ. I 248. Plut. Mar. 35, 4). Darauf Gefecht. Sulla zog, als seine Truppen wankten, 

begab er sich sofort nach Nola (so Plut. Sulla 8, seine Reserven heran und schickte eine andere 

'8; Vgl, Veil. II 184; bei Appian. bell. civ. I 248 Abteilung durch die Subura, um M. zu umzin- 
ist Capua genannt, irrig statt Campanien; vgl. 50 geln. Dieser konnte den Kampf gegen die frischen 

EnBlin Klio 1926, 4191), um mit dem dort Krafte nicht durchhalten, ftirchtete auch die Ein- 

^tehendeii Heere nach Asien tiberzusetzen. Diese schlieBung und wich bis zum Tempel der Tellus 

'Gelegenheit benutzten M. und Sulpicius zum Vor- zurtick (Plut. Sulla 9, 14. Gilbert Topogr. I 

stoB gegen Sulla, der glauben mochte, daB sein 193ff. Ill 356). Vergebens hatte er die von den 

Oberbefehl jetzt nicht mehr gefahrdet sei (Appian. Hausern aus kampfenden Burger zusammenge- 

bell. civ. I 248. Eutrop. V 4). Sulpicius rtickte rufen und sogar den Sklaven, die sich ihm an- 

jetzt tiiit dem dritten Gesetz heraus und lieB es schlieBen wtirden, die Freiheit versprochen; alles 

von den umgestalteten Comitien bestatigen: er blieb erfolglos: es batten sich, heiBt es, ganze 

nahm Sulla zwar nicht das Consulat, aber den drei Sklaven bereitgefunden. Nach kurzem, tap- 
^Oberbefehl gegen Mithridates und tibertrug die- 60 ferem Widerstand gab er die Hoffnung auf Sieg 

sen durch Volksabstimmung dem M. (Oros. V 19. auf und entfloh aus der Stadt; seinem Beispiel 

Ljiv. per. 77. Veil. II 18. Eutrop. V 4. Val. Max. folgten die Angesehenen unter seinen Anhangern 

IX 7 mil. Rom I. Uber diesen BeschluB und seine (Appian. bell. civ. I 257—263. Plut. Mar. 35, 7f.; 

Bedeutung s. Bd. IV S. 1533f. und Bd. IV A Sulla 9. Diod. XXXVII 2, 12. Liv. per. 77. Oros. 

S, 848). Dieser machte schon Anstalten abzu- V 19, 6. Flor. II 9, 6ff. Eutrop. V 4). 

reisen und schickte zwei Tribunen nach Nola, die Sulla war Herr der Stadt und hob sofort als 

im Namen des Volkes das Heer tibernehmen und ungesetzlich auf, was Sulpicius nach der Verkuur 

dem M. zuftihren soUten. Sulla aber straubte sich dung der Geschaftsferien bestimmt hatte (Appian; 

Pauly-Wissowa-KroU Suppl. VI 45 



1411 Nachtrage (Marius [Leben]) NacMrage (Marius [Leben]) 1412 

biell. civ. I 268). M. und seine wichtigsten An- der fanatisch zuversichtlichen, auf alte Orakel ge- 

hanger, im ganzen zwolf, an erster Stelle der stiitzten Behauptung auf, das Schicksal habe ihm 

Tribun Sulpicius, wurden als Staatsfeinde erklart, noch ein siebentes Consulat bestimmt. Etwa drei 

da sie die Revolte veranlafit, gegen die Consuln Kilometer vor Minturnae sahen sie in der Feme 

gekampft und die Sklaven zur Treulosigkeit auf- Reiter auf sie zuhalten. Wenn der Bericht des 

gereizt batten. Wer M. oder die anderen traf, Plutarch fortfiihre, dafi sich M. jetzt versteckte, 

durfte sie toten oder soUte sie den Consuln aus- in einen Sumpf geriet, herausgezogen und nach 

lief em; auf den Kopf der Geachteten setzte er Minturnae gebracht wurde, muBte man ihn in 

einen Preis; ihr Vermogen wurde beschlagnahmt. diesen Ziigen als unverdachtig ansetzen (vgl. Liv* 
Den ausgesandten Haschern fiel Sulpicius in die 10 per. 77. de vir. ill. 67, 4). Dazu gibt auch der 

Haride; er fand schnellen Tod (Appian. bell. civ. Parallelbericht: cum persequentum instantia cir- 

I 271f.; vgl. Mar. Sulla 10, 2. Oros. V 19, 6. Cic. cumsaep tu s esset, in Minturnensium paludi-' 

Bmt. 168). bus se ahdidit (Oros. V 19, 7) eine gute Motivie* 

15. DieFlucht desM. Die Flucht des rung. Diese fehlt bei Plutarch: bei ihm gerat Mi 

M. ist als Sturz des GroBen ins Elend (acerbis- eigentlich nur durch Tiicke des Schicksals in den 

sima fuga Cic. de or. 8; vgl. in Pis. 43) oSenbar Sumpf, und zwar nach einem marchenhaft klin^ 

gern erzahlt und im einzelnen abenteuerlich aus- genden Abenteuer: M. und seine Begleiter er- 

geschmtickt worden (vgl. M. Bang Klio X 178ff., blickten die heransprengenden Reiter und zugleich 

wo die Quellenfrage eingehend Untersucht wird; zwei Frachtschiffe, die an der Kiiste entlang fuh-^ 
dazu E n 6 1 i n Klio XX 429). Livius (per. 77) 20 ren. Man rannte zum Strande hinab und schwamm 

gibt den glaubwtirdigen Kurzbericht: G. Marius auf die Schiffe zu. Granius erreichte das eine und 

pater cum in paludibus Minturnensium later et, gelangte so nach Aenaria (Ischia), uberliefi also 

extractus est ab oppidanis, et cum missus ad occi- M. seinem Schicksal. Dieser kam im Schwimmen 

dendum eum servus natione Gallus maiestate tanti nicht vorwarts; er war zu schwer und unbehol- 

viri perterritus recessisset, impositus publice navi fen. Zwei Sklaven, offenbar aus seinem Gefolge, 

delatus est in Atricam. Gibt diese Erzahlung schon hoben ihn mit Miihe iiber den Wasserspiegel und 

Ratsel auf, insbesondere wie der Dmschlag in der trugen ihn zum anderen Schiffe. Trotzdem sich 

Stimmung zwischen der beabsichtigten Hinrich- dieser Vorgang nicht schnell abgespielt habeii 

tung und der Deportierung nach Afrika moglich kann, soUen erst jetzt die Reiter am Strand an- 
war, so noch mehr die genauen Darstellungen. 30 gelangt sein. Sie galoppierten aber nicht in die 

Der ausfiihrliche Bericht Plutarchs (Mar. 35, 8ff. See hinein, in die soeben die Sklaven mit ihrer 

36ff.) ist im ersten Teil einfach und ohne Wider- Last weit hineingewatet waren, sondem schrieen 

spriiche. Sobald M. die Stadt hinter sich hatte, hiniiber, die Schiffer sollten anlegen oder Mi tiber 

zerstreuten sich seine Begleiter im Dunkeln. Er Bord werfen. Die Schiffer schwankten, lieBen sich 

fand Zuflucht auf seinem Landgut im ager Solo- aber durch die Bitten und Tranen des M. be- 

nius. Seinen Sohn, der bei ihm war, schickte er wegen, ihn nicht preiszugeben. Doch als jene wu- 

auf die nahen Giiter seines Schwiegervaters Mu- tend schon fortgeritten waren, wurden die Schiffer 

cius, damit er sich mit dem Notigen versehe. M. wieder angstlich, fuhren zur Miindung des Liris 

gelangte trotz der umherschweifenden Reiter, die (Garigliano), warfen Anker und redeten M. ein, es 
ihn suchten, nach Ostia, wohl am Morgen nach 40 sei besser, er gehe zunachst wieder ans Land^ 

dem Aufbruch von Rom. Dort hielt ihm ein nehme dort Nahrung zu sich und mhe sich aus, 

Fretind, Numerius, schon ein Schiff bereit. Er fuhr bis der erwartete gtinstige Wind vom Lande her 

ab, ohne noch lange auf seinen Sohn zu warten, ihnen gestatten wiirde, mit ihm abzufahren. M» 

also wohl kaum mit dem Notigsten versehen, ging darauf ein, was doch recht verwunderlich 

wurde aber von seinem Stiefsohn Granius be- ist, und legte sich ganz erschopft ins Gras, bis er 

gleitet. Bei zunachst glinstigem Winde fuhr er verbliifft sah, dafi die Schiffer ihn batten liegen 

die Kiiste entlang nach Sliden, woUte aber um lassen. Schliefilich raffte er sich auf und arbeitete 

Terracina einen groBen Bogen machen, um nicht sich durch die Rinnen und den Schlamm des Li- 

von einem dort wohnenden Gegner, Geminius, risdeltas weiter, bis er auf die Hiitte einies altesi 
bemerkt zu werden. Starker Wind von der See 50 Mannes stieB, der in den Siimpfen sein Fischer- 

her trieb jedoch das Schiff mit dem von der See- handwork trieb. Diesen, den sozial am ktimmer- 

krankheit heftig mitgenommenen M. zum Strand lichsten gestellten gebrechlichen Mann, bittet M.j 

des circaeischen Vorgebirges, wo er und seine der stolze Sieger, der sechsmal romischer Consul 

Begleiter ausstiegen, um dem anwachsenden Sturm war, knieend um Hilfe und Rettung und ver- 

zu entgehen und sich Lebensmittel zu verschaf- spricht ihm eine jede Erwartung tibersteigende 

fen. Sie stieBen gegen Abend auf ein paar Hirten, Belohnung, wenn er ihm aus der augenblicklichen 

die ihnen nichts geben konnten als den guten Lage heraushelfe. Der Greis — ob er nun M. von 

Rat, sich schleunigst fortzumachen, da sie kurz friiher her wiedererkennt oder ihn der Blick de& 
vorher einen Trupp Reiter auf der Suche nach Befehlsgewaltigen bannt — antwortet, zum Aus- 
M. gesehen batten. Da also schon von M. und 60 ruhen reiche sein Hiittchen bin, zum Versteck 

seiner Flucht ein Geriicht umging, ist es denkbar, vor Verfolgern konne er ihm anders einen sicheren 

daB die Hirten in dem fliichtigen Mann M. er- Ort zeigen: er steckt ihn in eine Hohle am FluB 

]i:annten. Die Nacht brachte er mit seinen ausge* und verdeckt diese mit Schilf und Gestrauch. 

hungerten Gefahrten ktimmerlich in einem Ge- Inzwischen hat Geminius von Terracina aus> 

btisch zu. Ana nachsten Tage wanderten sie bun- die Verfolgung aufgenommen; einige der Ver-^ 
gernd an der Kiiste bin; vom Schiff des Numerius folger kommen zufallig zur Htitte des alten 
ist nicht mehr die Rede. Den Rest von Kraft Sumpfbewobners und scblichtem ihn ein durch 
stachelte M. bei sich und seinen Begleitern mit ihr drohendes Geschrei und ibre Behauptung, er 



1413 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Leben]) 1414 

habe einen Feind der Romer aufgenommen und brico captus erat (Veil. II 19, 3), servus puhlicus 

versteckt; womit sie also fast wirklich ,auf den natione Gimher (Val. Max. II 10, 6; vgl. E n B - 

Busch geklopft* hatten. M. hort den Larm, zieht 11 n Kilo 1926, 428). Man wird also annehmen 

die Kleider aus und springt in den Sumpf* In diirfen, dafi er ein Gallier war, vielleicht ein 

dem dicken, schlammigen Wasser wird er bald Kriegsgefangener. 

entdeckt. Nach Livius (per. 77) haben ihn aber An dem historischen Kern der dramatisehen 

nicht Terraciner, sondern Minturner herausge- Scene, die sich dann entwickelte, wird man nicht 

zogen, und diese Nachricht wird dadurch besta- zweifeln konnen, wenn auch das Schweigen Ciceros 

tigt, dafi M. (auch nach Plutarchs Bericht) nach auffallig ist. Als der Scherge mit einem Schwert 

Minturnae gebracht wurde. Also stimmt die vor- 10 in den dunklen Eaum eintrat, in dem M, ver- 

ausgehende Erzahlung des Plutarch nicht; tibri- weilte, hatte er, ,wie erzahlt wird* (Plut.) den 

gens auch schwerlich die Erzahlung yon dem Eindruck, als ob die Augen des M. eine starke 

Transport des M. auf das Schif! und aus dem Flamme ausstromten, und eine laute Stimme habe 

Schiffe ans Land. Vielmehr wird sich die Flucht aus dem Dunkel gerufen: ov ro^fxqg Ttxeivai Fdiov 

in den Sumpf infolge der Einkreisung durch die Molqiov. Der Mann fliichtete sogleich, warf das 

Reiter und die Auffindung durch die Leute von Schwert nieder, liefi die Tiir off en und lief aus 

Minturnae an die Begegnung mit den Hirten am dem Hause mit dem Rufe: ov bvvaiiai Kxeivai 

circaeischen Vorgebirge angeschlossen haben, Fdiov Molqiov (Appian. bell. civ. I 273f. Plut. 

M. wurde also oculis tantummodo ac naribus Mar. 39, 3f.; vgl. servus maiestate tanti viri per- 
eminentibus extractus arundineto circum paludem 20 territus recessit Liv, per. 77. magno eiulato ex- 

Maricae (Veil. II 19, 2) ab oppidanis (sc. Min^ pr omens indignationem casus tanti viri abiecto 

turnensibus, Liv. per. 77), nackt und schlammbe- gladio profugit carcere Veil. II 19, 3; ahnlich mit 

deckt inieeto in collum loro (Veil.) turpi specta- Ausschmiickung und Reflexion Val. Max. II 10, 6). 

culo (Oros.) nach Minturnae gef iihrt und contrusus Dieses Verhalten des eingeschtichterten Gal^ 

in carcerem (Oros. Veil.) iussu duumviri (Vell.)^ liers soil die Minturner zur Besinnung und zum 

Auch diese Episode wird (besonders bei Plut. 38, Umschlag der Stimmung gebracht haben; soU 

3ff.) durchsetzt mit Ziigen, die an Tausendundeine doch auch der friihere Beschlufi nicht ohne Be- 

Nacht erinnern. In privata domo clausus (Val, denken gefafit worden sein. Und offenbar hatte 

Max. II 10, 6; iv o'ixcp Co(pa>d€i Appian, beU. civ. doch einDaimon aus dem Gallier gesprochen; dafi 
I 273) konnte er ausruhen; es war das Haus der 30 M* noch ein siebentes Mai Consul werden sollte, 

Fannia. Sie kannte M., und sie hatte eigentlich stand ja durch Wunderzeichen fest (Appian. bell, 

erbittert gegen ihn sein miissen; denn er hatte in civ. I 275f.). Man sah, dafi man nahe daran ge- 

seinem letzten Consulat zwar ihren geschiedenen wesen, den Retter Italiens mit hochstem Undank 

Mann dazu verurteilt, die Mitgift herauszugeben, zu belohnen (vgl. Cic. Pis. 43). Es fand sich der 

well dieser sie trotz ihres begriindeten und ihm Ausweg, ihn abzuschieben, djzoQov Tcal yv^vov. 

bekannten schlechten Rufes geheiratet hatte; Gar so schlimm soil es aber nicht geworden sein: 

aber als iudex de moribus hatte er in salomoni- die Menge drang ins Haus, umringte ihn, versah 

scher Weisheit auch der Frau eine Strafe auf- ihn mit allerlei Dienlichem (Cic. Plane. 26. via^ 

erlegt, wenn auch eine lacherlich geringe (inpu- tieo conlataque veste Veil, II 29, 4) und fiihrte 
dicitiae sestertio nummo damnavit Val. Max. VIII 40 ihn zum Meer, durch den aXoog der Marica, der 

2, 3. Plut. a. 0.; vgL Girard Gesch. u. System schnellen Rettung zuliebe alten Brauch verlet- 

des rom. Rechts II [1908] 1047f.). Fannia nahm zend. Ein gewisser Belaeus stellte ein Schiff; 

ihn gegen Erwarten ohne Empfindlichkeit auf spater soil er sogar einen Pinax mit der Darstel- 

und unterhielt sich freundlich und trostend mit lung der Geschehnisse in dem genannten Heilig- 

ihm. Er versicherte ihr, er sei ganz ruhig und tum geweiht haben (Plut. Mar. 39, 5 — 40, 1), — 

erzahlte ihr ein kleines Erlebnis von bester Vor- Von diesem feierlichen Geleit schweigt Appian 

bedeutung, das er gerade vor dem Hause gehabt (bell. civ. I 277), bringt aber dafiir hier die Ge- 

habe (vgl. Val. Max. I 5, 5). Nach der Unterhal- schichte von dem alten Fischer in angepafiter Va- 

tung aufierte er, der Gefangene, den Wunsch, zu riante vor (vgl. Enfilin Klio 1926, 426ff.). 
ruhen, und befahl, das Zimmer zu verschliefien! 50 Die ganze Erzahlung von dem Stimmungs- 

Der Rat von Minturnae hatte schon den all- umschlag kann zu einer Zeit erf unden sein, als es 

gemein verbreiteten Befehl erhalten, den M. als den Minturnern peinlich war, sich an M. vergrif- 

Staatsfeind zu verfolgen und zu toten, und be- fen zu haben. Es ist ja auch sehr sonderbar, dafi 

schlofi dem Achtungsbefehl entsprechend die Hin- von einer Bestrafung der Minturner durch Sulla 

richtung; aber kein Biirger ver stand sich zu der nicht s gemeldet wird (das fiel auch M o m m s e n 

Tat, well der Nimbus des Feldherrn und des RG IP 258 auf; er meint, Sulla habe vielleicht 

sechsmal zum Consul Gewahlten abschreckte (Ap^ seinem Glucksstern auch dafiir gedankt, dafi es 

pian. bell. civ. I 273). Sie schickten deshalb einen ihm erspart blieb, den Cimbernsieger zu toten I 

Mann vor, den die Quellen verschieden bezeichnen: Ahnlich I h n e RG V 351, 3). Schlackenfrei scheint 
als rakdrrjv avbga imdrjf^ovvra (Appian. a. 0.; 60 der tatsachliche Verlauf bei Orosius (V 19, 7f.) 

bvjfjLiov nach L. Mendelsohns Konjektur; de sichtbar zu sein: Marius percussorem ad se mis-^ 

vir. ill. 67, 5), servus natione Gallus (Liv. per. 77), sum solo vultu exterruit; deinde lapsus vinculis 

iTiTtevg raXdirjg to ysvog ^ Klfz^Qog- d[i(poxsQwg in Africam transfugit (vgl. Gran. Licin. 23 Bonn.). 

yaQ iotoQelxat, (Plut. 39, 2); das seltsame Zusam- Diese Flucht wird von seinen Anhangern, beson- 

mentreffen, dafi ein Cimber der Henker des M. ders den kleinen Leuten, unterstutzt (vgl. ad 

sein soil, wird anderswo sogar novellistisch und inHmorum tenuissimorum hominum Minturnen- 

mit dvayvcoQioig gegeben: servus publicus natione sium misericordiam eonfugit Cic. Sest. 50; ad 

GermanuSj qui forte ab imperatore eo bello Gim- Quir. 20, wo allerdings auch an den alten Fischer 



1415 Naclitrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Mariiis [Leben]) 1416 

gedacht werden kann; auch die Fanniaepisode ihm Verurteilten, auch sein Sohn, trafen ihn dort. 

konnte in diesen Zusammenhang gehoren; vgl. Wo und mit wem er auch zusammenkam, zutref- 

Cic. Plane. '26). Aber auch die Stadtbehorde hat fend ist sicher, da6 er mit seinen Schicksals- 

die Flucht wohl nicht ungern gesehen oder sogar ^enossen Plane zum Sturz von Sulla schmiedete 

begiinstigt (impositus publice navi Liv. per. 77); und auf eine giinstige Gelegenheit zur Durchfiih- 

kam sie doch damit aus einem bosen Dilemma rung lauerte (Appian. bell. civ. I 281). Der Sohn 

heraus. Zu passender Zeit konnte diese Duldung des M. war aus Numidien entkommen, obwohl ihn 

in ein Eintreten fur M. umgedeutet werden, so in Konig Hiempsal in zweideutiger Haltung zurtick- 

einer Lobrede Ciceros (Plane. 26). zuhalten suchte (vgl. Uticaj ubi in custodia ob- 

Das Sehiff, in das M. stieg, kam mit giinstigem 10 servabatur Oros. V 19, 8). Sie fuhren gemeinsam 

Winde zur Insel Aenaria (Ischia), wo er Granius in einem Fiseherkahn hinuber zur Insel Kerkina 

und seine ubrigen Freunde antraf. Mit ihnen (jetzt Gherba), nahe bei dem Festland, und ent- 

fuhr er nach Afrika ab. Unterwegs liefen sie aus gingen so noch gerade den heraneilenden Reitern 

Wassermangel die Westkiiste voii Sieilien nahe Hiempsals (Plut. Mar. 40, 14). 

beim Eryx an; die Ausgestiegenen wurden von 16. Riickkehr des M. Nach der Flucht 

einer romischen Wachmannschaft liberfallen, sech- des M. war Sulla trotz der schwierigen Lage im 

ziehn Mann getotet, M. beinahe gefafit. Er sehifite Osten noch in Rom geblieben, well er die Wahl 

sich sehleunigst wieder ein und fuhr weiter nach der Consuln nach seinem Sinne lenken woUte. 

Suden zur Insel Meninx (heute Djerba) in der Das gelang ihm indes nicht ganz: die Wahl fiel 

kleinen Syrte, wo er durch die Nachricht aufge- 20 auf Cn. Octavius, einen Aristokraten viel zu sanf- 

richtet wurde, dafi sein Sohn gliieklich entkom- ten Charakters fiir diese Zeiten, und den fana- 

men und zum Numiderkonig Hiempsal unterwegs tischen Demagogen L. Cornelius Cinna. Die ein- 

sei, um Hilfe zu erbitten. (Nach. Veil. II 19, 4 zelnen Geschehnisse dieser Zeit gehoren zum Teil 

traf er seinen Sohn schon bei der Insel Aenaria.) zur Geschichte des Sulla und des Cinna (s. 

Zuversichtlicher fuhr er auf Carthago zu. Von Bd. IV S. 1537ff. 1283ff.). Ehe sich Sulla nach 

dem Praetor Sextilius, der in Afrika stand (Wehr- Amtsantritt der Consuln auf den ostlichen Kriegs- 

mann Fasti praet. 26), erwartete er eine wohl- schauplatz begab, lieB er.sich von Cinna das eid- 

woUend neutrale Haltung. Kaum war er aber ge- liche Versprechen geben, nichts gegen die be- 

landet, da schickte ihm der Praetor das Verbot, stehende Ordnung zu unternehmen. Als sich aber 

Afrika zu betreten; widrigenfalls werde er ihn 30 der Kampf der Alt- und Neubiirger erneuerte, 

gemafi den Senatsbeschliissen als Feind der Ro- unterstutzte Cinna die Forderung der von den Ver- 

mer behandeln. M, soil vor Schmerz und Gemtits- bannten gestutzten Neubiirger, unter alle alten 

druck nicht haben sprechen konnen und den Tribus verteilt zu werden. Das war im Sinne des 

Boten finster angeblickt haben, bis dieser fragte, M. und ein TiQool/bitov xfjg avrov re Maghv xat 

was er dem Praetor sagen soUe. Da habe M. seuf- tcov d/bi(pt tov avbQa y.a&oSov (Appian. bell. civ. I 

zend geantwortet: ,Melde, da6 du den Gains 287); legem de exulibus revocandis f evens (de vir. 

Marius verbannt auf den Ruinen Carthagos sitzen ill. 69, 2) dokumentierte er, da6 er der unter- 

sahst' — ov xaHcbg oi^a xrjv rs xfjg noXscog msivrjg druckten Partei des M. aufhelfen woUte (Plut. 

rvxrjv xal rrjv savrov justapoXrjv ev naQctJbeiy iA,aTog Sert. 4). Octavianus, der andere Consul, hielt es 

loycp 'd'Sf^svog (Plut. Mar. 40, 9); Man wird nicht 40 dagegen mit den dieser Forderung widerstreben- 

mit Sicherheit entscheiden konnen, ob damit ein den Altbiirgern. Er brachte es fertig, seinen Amts- 

Ereignis oder eine aus Reflexion entstandene genossen unter blutigen Kampf en aus der Stadt 

Anekdote berichtet ist (vgl. inopem vitam in tu- zu drangen und ihm durch den Senat das Con- 

gurio ruinarum Garthaginiensium toleravit, cum sulat zu nehmen. Cinna war es aber schon gelun- 

Marius aspiciens Garthaginem, ilia intuens Ma- gen, latinische Stadte, die ktirzlich das Biirger- 

Hum, alter alteri possent esse solaeio Veil. II 19, recht erhalten hatten, zum Abfall zu bringen; er 

4). Die Situation der Erzahlung: der Praetor, der gewann das bei Capua stehende Heer, vergroBerte 

M. ausweist, statt ihn zu verhaften und zu toten es durch Aushebungen unter den Italikem und 

(woran I h n e RG V 352, 1 mit Recht AnstoB zog mit ihm gegen Rom. Dann nahm er die Ver- 

nimmt), dann der auf Antwort (was fiir eine 50 bindung mit M. auf {opus erat partibus auctori- 

eigentlich?) wartende Bote — ist zu kiinstlich; tatCj cuius augendae gratia G. Marium cum Rlio 

aber ein solcher Ausspruch des trubgestimmten de exilio revocavit quique cum iis pulsi erant 

M., wenn er in einer elenden Hiitte zwisehen den Veil. II 20, 5. 21, 6. Dio frg. 100, 8. Liv. per. 79. 

Trtimmern Carthagos hauste und die Erinnerung de vir. ill. 67, 6). 

an Rom und an den Glanz der Consulatsjahre in M. fuhr sofort ab, als er Nachricht, ob nun 

ihm aufstieg, war, falls er etwas Sinn fiir Sym- vom Vorrticken des Cinna gegen Rom (Appian. 

bolik hatte, fast unvermeidlich (vgl. die Stufen bell. civ. I 305) oder die erwahnte Einladung 

in der Erniedrigung des M. bei luv. 10, 276: (deren es bei M. nicht bedurfte; Ihn eRG V 353, 

exilium et career Minturnarumque paludes \ et 1) bekommen hatte, offenbar gegen Ende des 

rnendicatus victa Garthagine panis-, dazu die 60 J, 87. Er nahm Fliichtlinge aus Italien und mau- 

Scholien). tetanische Reiter mit, im ganzen kaum tausend 

Nach einer anderen Nachricht (Appian. bell. Mann (so Plut. und Gran. Licin. 23 Bonn. Appian 

civ. I 279f. Plut. Mar. 40, lOf.) soil M., weil ihm gegen 500; er nennt aber nicht die afrikanischen 

die Landung nicht gestattet wurde, den Winter Reiter. Die Zahl ist ratselhaft hoch; vgl. Ihne 

(Ende des J. 88) auf dem Meere an der Grenze RG V 353, 2). Als er in Telamon (heute Castello 

von Numidien zugebracht haben (was aber nicht di Talamone, zwisehen Grosseto und Orbetello) 

Ibedeuten kann, daB er standig auf See gewesen gelandet war, lief eine Menge Landleute und 

ist; vgl. Plut. Mar. 40, 13). Mehrere der mit Hirten ihm zu, auch Sklaven, denen er die Frei- 



1417 Nacbtrage (Marius [Leben]) Nacbtrage (Marius [Leben]) 1418 

heit' versprochen hatte, so da6 er in wenigen maten und Popularen: der personliche Ha6 und 

Tagen eine ansehnliche Macht zusammenbrachte; der Wtnsch, den Gegner zu verniehten. Metellus 

aufierdem riistete er vierzig Schiffe aus. M. scheint versuchte friedliche Verhandlungen mit Cinna an- 

es sich (wie anch Sertorius) trotz des Eintretens ztikniipfen: M. vereitelte sie (Diod. frg. XXXVIII 

des Cinna fiir seine Sache erst iiberlegt zu haben, 2^ 1). Der Senat muBte schlieBlich bei der zwei- 

welehem Consul er sich anschlieBen soUe, an Oc- deutigen Haltung der Befehlshaber und der Nei- 

tavius, dem man nur rechtmafiige Handlungen zu- gung der Truppen, zur Gegenseite tiberzulaufenj 

traute, oder an Cinna, der mit Sulla nicht bar- auf Widerstand verzichten und schickte Ge- 

monierte und seine Verfassung stiirzen woUte: er sandte an Cinna und M. mit der Bitte, die Biir- 

entschied sich fiir Cinna und ordnete sich ihm als 10 ger der Stadt zu schonen. Cinna versprach, da6 

Consul unter. Cinna war erf rent und erkannte ihn er niemanden werde mit Absicht toten lassen: 

als Proconsul an, in Wirklichkeit aber als Leiter M&Qiog 6' avrco naQeoxwg rjovxa^s f^sv, kbrjlov bs 

der Operationen. Die tibersandten Insignien lehnte tfj dQijLivrrjn rov tiqoocotiov, nooov sQydasrai cpovov 

M. jedoch ab, weil der Schmuck nicht zu seiner (Appian. bell. civ. I 322). Der Senat konnte riicht 

Lage passe: er gefiel sich darin, wie ein Verur- mehr anders als M. und Cinna zum Einzug einzu- 

teilter schlecht gekleidet, mit langem Haar und laden. Wahrend Cinna einzog, blieb M. im Tore 

Bart, die er sich wahrend der ganzen Flucht nicht stehen und machte hohnisch lachelnd darauf auf- 

hatte scheren lassen, als mitleiderweckender, den merksam, dafi Verbannte die Stadt ja nicht be- 

IJndank seiner Mitbiirger anklagender Greis lang- treten dtirften; wenn man seine Anwesenheit fiir 

sam einherzugehen; aber er war durch sein Un- 20 notig erachte, miifite erst das Verbannungsurteil 

gliick gewachsen und f iihlte sich in der Tat animo durch ein neues Gesetz aufgehoben werden — als 

conRrmato et renovato (Cic. ad Quir. 19. Flor. II ob die Abstimmung der eingeschiichterten Biirger 

9, 10); seine erschreckende Miene verriet sein ver- mehr hatte sein konnen als eine leere Formalitat. 

bittertes Gemiit. In den Stadten sprach er offent- Eiligst wurde eine Volksversammlung (nicht der 

lich, stellte seine Siege iiber die Cimbern und Senat: Cic. post red. in sen. 38) zur Aufhebung 

seine sechs Consulate ins rechte Licht und ver- des Verbannungsgesetzes einberufen. Es wird 

sprach den Horern das von ihnen gewiinschte einerseits von einem von den Volkstribunen ver- 

Stimmrecht (Gran. Licin. 23 Bonn. Plut. Mar. 41, anlaBten formlichen BeschluB der Aufhebung be- 

6. Appian. bell. civ. I 305f.). Man schenkte ihm richtet (Appian. bell. civ. I 324. prior ingressus 

Vertrauen; 6000 Etrusker folgten ihm zu Cinna, 30 Cinna de recipiendo Mario legem tulit; Veil. II 

do/biivcog avtov stzI Koivwvla rcbv naQovxcov dsxo- 21, 6); andererseits behauptet eine tTberlief erung, 

fisvov (Appian. a. 0.) trotz der von Sertorius ge- noch ehe mehr als ein paar Tribus gestimmt 

aufierten Bedenken (Plut. Sert. 5; Mar. 41). batten, sei M. schon riicksichtlos an der Spitze 

Nach der Verbindung mit Cinna ad profligan- einer mordbereiten Leibwache von Sklaven einge- 

dam universam rempuhlicam (Oros. V 19, 9) iiber- zogen, was durchaus glaublich ist, da es M. nicht 

nahm er das Kommando einer der vier Heeres- darauf ankam, das positive Ergebnis der Abstim- 

gruppen, die drei Legionen umfaBte. Er ging so^ mung entgegenzunehmen (Plut. Mar. 43, 4). Wenn 

fort energisch vor: er bemachtigte sich mit seiner auch nicht alle Berichte iiber den pestifer civibus 

neugeschaffenen Flotte der Proviantschiffe, die suis reditus (Veil. II 22, 1) des M. die Farben 

nach Rom fuhren, und der Eiistenstadte, schlieB- 40 gleich stark auftragen und die ausdriicklich ge- 

lich auch Ostias (durch Verrat: Plut. Mar. 42, 3. nannten Namen von wichtigen Personen nicht 

Gran. Licin. 25 Bonn.; durch Gewalt: Oros. V 19, zahlreich sind, so variieren sie doch stets alle 

17), wo er groBe Summen herausholte und viele den Satz: Cinna et Marius in urbem recepti velut 

Einwohner hinrichten lieB. Er schlug eine Briicke captam earn caedibus ae rapinis vastaverunt Cn. 

iiber den Tiber und schnitt den Feinden die Zu- Oetavio consule occiso et omnibus adversae partis 

fuhr von der Seeseite voUig ab. Das Janiculum, nobilibus trucidatis (Liv. per. 80). Die Banditen 

das er zusammen mit Cinna eroberte, konnte er toteten auf Befehl oder bloBen Wink des M. eine 

nicht behaupten (vgl. M ii n z e r Bd. IV S. 1284f.). Menge Biirger, hieben den gewesenen Praetor Q. 

Es gelang ihm, die Streitkrafte der Samniter, die Ancharius (Wehrmann Fasti praet. 27. Klebs 

als letzte Kampfer des Bundesgenossenkriegs noch 50 Bd. I S. 2102) nieder, dessen GruB M., der 

gegen ein senatorisches Heer unter Caecilius Me- iibrigens gerade auf dem Kapitol opfern woUte, 

tellus (dem Sohne) im Felde standen, fiir sich zu nicht erwiderte, und brachten nach demselben 

gewinnen, indem er ihnen alle Forderungen be- Kennzeichen viele Manner der Gegenpartei um. 

willigte, die sie dem Metellus gestellt batten (vgl. Nach so vielen Hinrichtungen war Cinna bald 

Dio frg. 100, 7 Melber. Gran. Licin. a. 0.). Die des Mordens satt; die Rache des M. soil sich fiinf 

Nachricht iiber einen Kampf bei Ariminum ist voile Tage und Nachte in Proscriptionen ausge- 

ratselhaft; sie bezieht sich vielleicht auf M. den tobt haben, bis alle Versteckten aufgespiirt und 

Sohn (Gran. Licin. 25 Bonn.; vgl. Miinzer a. 0.). aUe Verdachtigen vernichtet waren. Bei solcher 

Darauf durchstreifte M. pliindernd und mordend Griindlichkeit muB es allerdings auffallen, daB 

die Stadte im Siidosten von Rom, um der Haupt- 60 der junge M. spater eine Nachlese halten konnte 

stadt auch von dort die Zufuhr abzuschneiden. (I h n e RG V 362, 2). Die Sklavenhorde benahm 

Ehe von anderer Seite Lebensmittel hereinkom- sich besonders bestialisch und niedertrachtig, bis 

men konnten, stieB er auf der Via Appia gegen endlich Cinna und Sertorius zusammen sie nieder^ 

Rom vor und lagerte mit Cinna nicht 20 km vor hauen lieBen (Plut. Mar. 44, 10; Sert. 5). Sulla 

der Stadt. Da inzwischen der Senat die Forderung wurde als Feind des Vaterlandes erklart, seine 

der Italiker erfiillt und ihnen das gleiche Stimm- Freunde wurden umgebracht, seine Gesetze auf- 

recht in alien Tribus erteilt hatte, gab es nur gehoben, sein Haus wurde izerstort, sein Vermogen 

mehr einen Grund zum Kampf e zwischen Opti- eingezogen; seine Frau und seine Kinder ent- 



1419 Nachtrage (Marius [Leben]) Nachtrage (Marius [Heer]) 1420 

kamea (Plut. Mar. 43ff. Appian. bell. eiv. I 325ff. sicht des von Sulla her drohenden Krieges (frg. 

Dio frg. 100, 8ff. Melb. Liv. per. 80. Flor. II 9, XXXVII 29, 4; ahnlich, aber zuruckhaltend de 

12ff. Oros. V 19, 17ff.). Nachdepa schon viele Morde vir. ill. 67, 6); aber andere M. nicht freundliche 

ohne Urteil und Recht geschehen waren, woUte Autoren wissen nichts davon (sera tandem morte 

man der Gewalt den Anschein der GesetzmaBig- praereptus Oros. V 19, 23; morbo oppressus dis- 

keit geben und besteUte offentliche Anklager, so cessit Veil. II 23, 1). Cicero sagt sogar: feliciter 

gegen Q. Lutatius Catulus. Aber da er auf die septimum consul domi suae senex est mortuus 

Verbannung des M. gedrungen hatte, konnte er, nat. deor. III81, wo er aller dings da>s feliciter gut 

belli Cimbrici gloria, quae illi cum Mario com- brauehen kann: improbis optime evenit), 

munis fuerat, celeberrimus (Cic. Tusc. 5, 56. Plut. 10 Zweifellos hat M. den unvermeidlichen Kampf 

Mar. 44, 8) auf keine Gnade hoffen; als M. nur gesehen (jtoUa Tiol deiva eig 2vXXav imvowv Ap- 

ein moriatur fiir ihn hatte, erstickte er sich mit pian. bell. civ. I 346 von den letzten Tagen des 

Kohlendunst — maximus Marianae gloriae rubor M.). In der Tat stand aber die Riickkehr SuUas 

(Val. Max. IX 12, 4, vgl. Cic. nat. deor. Ill 80. durchaus nicht nahe bevor; kampf te er doch erst 

Diod. XXXVIII 4). vor Athen und hatte er doch noch den Hauptteil 

17. Siebentes Consulat und Ende. seiner Aufgabe vor sich. Man wird im Gegenteil 

Nach den blutigen Tagen kam ein Riickschlag, M. eher gerecht, wenn man annimmt, da6 er in 

eine PQaxsia enioxsoig Tccd tnavla oXiyri dq)dtcov seinem ehrgeizigen Drange die Absicht hatte, 

fittfecov (Plut. Mar. 45, 2), die Folge einer auBeren Sulla das Heer zu nehmen und selbst, wie vormals 

und inneren Ermiidung des M. (rolg re Tiovoig 20 in Afrika und Europa, so auch in Asien als der 

dstsiQTjxcjg Tiai raig (pQovxloiv olov vnsQavxlog cov groBe Feldherr aufzutreten, der die Entscheidung 

Hal Hatdjtovog Plut. Mar. 45, 4), aber schwerlich bringt. Deshalb hat mehr innere Wahrscheinlich- 

der torichten Geriichte von SuUas drohendem Auf- keit der auf C. Piso zuruckgehende Bericht tiber 

bruch nach Rom. Unter dem Druck solcher Be- seine letzten Tage: M. habe sich bei einem 

furchtungen bei den Biirgern und der tatsach- Abendspaziergang mit seinen Freunden liber seine 

lichen Machtverhaltnisse war es nicht anders mog- Erlebnisse von friihesten Zeiten und das Auf und 

lich, als daB M., wenn er nur wollte, zum sieben- Ab in seinem Leben unterhalten und gesagt, ein 

ten Male zum Consul ernannt wurde; fiir ihn weiser Mann dtirfe sich nicht langer auf das 

war es die ErfuUung eines dauernd gehegten Gltick verlassen: das heiBt also, daB er jetzt wie 

Wunsches. So erklarten sich M. und Cinna eigen- 30 der einen Riickschlag erwartete. Dann habe er 

machtig fur das folgende Jahr als Consuln {citra sich verabschiedet und sei nach siebentagigem 

ulla comitia Liv. per. 80; doch sind die Bedenken Krankenlager gestorben. In diesen letzten Tag:en 

I h n e s RG V 302, 4 beachtlich; im tibrigen vgl. (ziveg q?aotv) tobte sich seine Ehrsucht noch ein- 
Munzer Bd. IV S. 1286), und so trat er am mal wie im Wahnsinn aus: er glaubte gegen Mi- 
l.Januar 86 nochmals ein Consulat, sein siebentes, thridates zu kommandieren^ nahm entsprechende 
an: post LXX annum patria per arma civilia ex- Haltungen ein und schrie Kommandos und Kampf- 
pulsus armis restitutus VII consul factus est rufe, wie er es friiher in den Schlachten getan 
(Elog.). DaB er an diesem Tage bei seinem ersten hatte (Plut. Mar. 45). — Der Todestag ist der 
Auftreten den Senator Sextus Licinius vom tar- 13. Januar 86 (s. o. S. 1367; Liv. per. 80. Flor. 
peischen Felsen herabsturzen lieB, wurde — doch 40 II 9, 17. Nach Plut. Mar. 46, 6 starb M. am 
wohl von noch vorhandenen Gegnern — als un- 17. Januar. Von der Bestattung spricht Cic. Sex. 
heilvoUes Symbol fiir seine Partei und fiir Rom Rose. 33. Val. Max. IX 11, 2). 

gedeutet (Liv. per. 80. Plut. Mar. 45, 3). Vermut- HI. Marius und dasHeer. 

lich in den ersten Tagen des J. 86 fiihrte er DaB M., der von der Pike auf gedient hatte, 

seinen Neffen C. lulius Caesar in das offentliche den Kriegsdienst und die Manneszucht griindlich 

Leben ein, indem er und Cinna ihn zum Priester verstand und deshalb, als die Germanen drohten, 

des luppiter, flamen Dialis, wahlen lieBen (Veil. in der Aufstellung und Ausbildung eines diszi- 

II 43, 1. Suet. Caes. 1. Drumann-Groebe plinierten und leistungsfahigen Heeres ein Mei- 
Gesch. Roms^ III 127). — Das damalige Leben sterwerk vollbrachte, ist aus alien QueUen zu 
des M. wurde als korperlich und seelisch ge- 50 ersehen. 

qualtes Dasein in Einzelheiten so geschildert, wie Die Mangel des bisherigen Heerwesens be- 
es einem verhaBten Tyrannen gern nachgesagt stimmten ihn aber auch, wichtige organisatorische 
wird: qualende Erinnerung an die Abenteuer Eingriffe zu voUziehen. Von einer durch ihn voll- 
seiner Flucht, schrecldiche Ratlosigkeit, Angst- zogenen Reform des Heerwesens kann gesproch'en 
zustande naturlich beim Gedanken an Sulla: dsi- werden, wenn auch nirgends ausdriicklich davon 
val yaQ noixai %al dnoixofAevoio X&ovtog klang berichtet wird (doch vgl. Sail. lug. 86, 2f. GeU. 
ihm im Traum in die Ohren. In seiner Angst XVI 10, 14. Plut. Mar. 9, If. Flor. I 36, 13. 
vor den schlaflosen Nachten suchte er sich durch Val. Max. II 3, 1 ; Lyd. de mag. I 48. Quiritil. 
Trinken zu betauben. In diesem tiberreizten Zu- decl. Ill 5. W. V o t s c h Cajus Marius als Re- 
stand geniigte zur Krise eine Pleuritis, wie Po- 60 ^ormator des romischen Heerwesens 1886. Mar- 
seidonios, selbst in den letzten Tagen als Gesand- quardt Staatsverw. II 430ff. Delbriick Gesch. 
ter (aus Rhodes) Gast bei M., aufzeichnete. Ist d. Kriegsk. I 415. 439fE. Kromayer-Veith 
diese letzte Tatsache also gut bezeugt, so laBt Heereswesen und Kriegsftihrung 379. 439. L a m- 
die Erzahlung von den Angsten und ihrer Betau- m e r t N. Jahrb. V 186f. und o. S. 1379. 1385. 
bung doch den herabsetzenden Ton des SuUa- Bd. V S. 591 i. VI S. 1599). Der dilectus nach dein 
kreises erkennen. Der M. unfreundliche Gewahrs- Census war schon in einzelnen Fallen umgeandert 
mann des Diodor berichtet sogar, er habe sich worden, well es mehrfach notwendig wurde, auch 
freiwillig aus dem Leben gestohlen in Voraus- die armere Bevolkerung zum Kriegsdienst heraur 



1421 Nachtrage (Marius [Heer]) NacMrage (Marius [Personl.]) 1422 

zuziehen, zumal da die Begiiterten immer verdros- indem er das Gepack auf einem holzernen Geriist 
sener wurden (cogere ad militiam eos, quos nolis bequemer verteilte (s. o. S. 1685); doch ina;g di-ese 
offendere, asperius est: M. bei Sail. lug. 85, 3), Mafiregel nur eine Entlastung des Trosses und 
Das Gesetz wurde nicht geandert, offenbar auch groBere Unabhangigkeit der Truppe von ihm be- 
in M.s Zeit nicht, wohl aber die Praxis. M. brach zweekt haben (Fest. p. 149. Frontin. strat. IV 1, 
im J. 107 mit dem alten Branch und hob meist 7). Auch auf die Entwicklung der Castrameta- 
Soldaten aus der untersten, nach Kopfen, nicht tion scheinen die Ref ormen des M. EinfluB gehabt 
nach Vermogen geschatzten Biirgerklasse aus. DaB zu haben (vgl. N i s s e n a. 0.). 
M. damals auch Sklaven ausgehoben habe, wird M, war nicht mehr Vorkampfer und Feldherr 
man als verfriihten Bericht ansehen diirfen (mit 10 zugleich; er trug ehrenvoUe Narben; aber sie 
Marquardt; vgl. Pint. Mar. 41, 3; Sulla 19, 14. stammten kaum aus seiner Feldherrnzeit (Kro- 
Flor. II 9, 11). Damit war das Biirgerheer zum mayer-Veith 439). Mit Beginn des Burger- 
Beruf sheer, aber auch proletarisiert worden; die kriegs setzte sich das Berufsfeldherrntum durch; 
Soldaten muBten sich mehr dem Feldherrn als die Personlichkeit konnte sich freier ausleben. 
dem ihnen ferner liegenden Staat verpflichtet ,M. war der letzte groBe Feldherr alten Stiles; 
fuhlen (homini potentiam quaerenti egentissimus mochte er politisch gelegentlich frondieren, als 
quisque opportunissimus Sail. lug. 86, 3; vgl. Soldat hat er sich stets als Werkzeug der Staats- 
Appian. bell. civ. V 68). Trotzdem wird man gewalt gefiihlt und benommen.' (Kromayer- 
diese Umwandlung der Miliz in ein Soldnerheer Veith 463.) Als M. starb, war Rom politisch 
mehr als sozialpolitische MaBregel zur Entlastung 20 ^^^ Chaos, das Heerwesen aber auf neuer Grund- 
des vor dem Ruin stehenden besitzenden Bauern- lage geordnet und gefestigt (Kromayer- 
standes durch Heranziehung des besitzlosen zum Veith 376; anders, Augustus zuliebe, M o m m - 
Kriegsdienst als die Absicht der Herstellung sen, der meint, zur definitiven Gestaltung bei 
eines Instruments des personlichen Ehrgeizes an- der Reorganisation des Heeres sei jweder die rohe 
sehen diirfen (so Kromayer-Veith 411). Hand des M. noch Sullas leichtfertiger Griff* ge- 
Diese summarische Methode der Aushebung langt: Hist. Ztschr. N. F. XXXVIII [1877] 3; 
brachte es mit sich, daB auf Differenzierung der vgl. Gardthauseri Augustus 629ff.). 
Legionssoldaten kein Wert mehr gelegt werden IV. Personliches. 
konnte. Die velites werden zuletzt im lugurthi- 1. Aufieresund Benehmen. Die Quel- 
nischen Krieg erwahnt (Sail. lug. 46, 7. 105, 2); 30 len sagen fast nichts iiber seine Gestalt und seine 
in Caesars Heer fehlen sie. Je mehr die leicht- Physiognomic. Wahrend von Sulla hervorgehoben 
bewaffneten beweglichen auxilia herangezogen wird, daB er blaue Augen und blondes Haar ge- 
wurden, desto entbehrlicher waren jene, und es habt habe (s. o. Bd. IV S. 1523), wird bei M. 
war praktisch, sie ganz zu Hopliten zu machen, nur der imperatorius ardor oculorum (Cic. Balb. 
wobei die Rtistung der Hopliten (pilum — Pint. 21) erwahnt, die in Minturnae den Henker durch 
Mar. 25, 2 — und scutum) erleichtert wurde (falls ihr Leuchten im dunkeln Raum abgeschreckt 
nicht hier die Rucksicht auf korperliche Leistungs- haben soUen (s. o. S. 1414). Plutarch (Mar. 2, 1) 
fahigkeit des einzelnen Mannes und ein Nach- hat in Ravenna einen Marmorkopf des M. gesehen, 
geben gegeniiber seinem personlichen Geschmack der ganz der ihm zugeschriebenen Unfreundlich- 
vorliegt, in das wir uns, die Uniform des Sol- 40 keit und Harte entsprochen habe. Dieser Aus- 
daten gewohnt, nur schwer hineindenken konnen; druck war offenbar zur Zeit seiner Ruckkehr aus 
vgl. Kromayer-Veith 410). Damit hat die dem Exil ins Furchtbare gesteigert und lieB auf 
Legion, zumal da statt der nationalromischen und eine Niedergeschlagenheit und ein im Ungliick 
der bundes^enossischen Reiterei immer mehr vei*diistertes Gemiit schlieBen (s. o. S. 1417). Die 
fremde Reiterschwadronen eingesetzt wurden, auf- auf M. angewandten Begriffe hirtus atque horri- 
gehort ein Verband gemischter Waff en zu sein, dus (Veil. II 11), ,struppig und zottig', werden 
was die StoBkraft des Heereskerns erhohte. Mit im iibertragenen Sinne als ,nachlassig im AuBern 
der Vereinheitlichung des Heeres hing es zusam- und ungehobelt im Wesen', allenfalls als ,rauh 
men, daB die Legion, fiir die M. eine SoUstarke und schlicht* zu deuten sein. Zur Zeit seiner Ver- 
von 6200 Mann festsetzte (Fest. p. 336. N i s - 50 bannung wird sein gewoUt vernachlassigtes 
sen Bonn. Jahrb. CXI 38), nicht mehr nach Ma- AuBeres, langes Haar und Bart, hervorgehoben; 
nipeln, sondern nach Kohorten aufgestellt wurde. es war also sonst anders, d. h. er trug, wie es bei 
Wahrscheinlich wirkten auch die Erfahrungen den vornehmen Romern der Zeit iiblich war, 
in dem Cimbernkriege mit (vgl. Marquardt keinen Bart. Er betonte, daB er Narben auf der 
Staatsverw. II 436); die Aufstellung in Manipeln Brust habe (Sail. lug. 85, 29). War er in seiner 
wird zuletzt im lugurthinischen Kriege, als Me- Soldatenzeit abgehartet, so hatte er sich doch 
tellus kommandierte, erwahnt (Sail. lug. 49, 6). spater eine luxuriose Lebensart angewohnt, die 
Die gleichmaBig bewaffnete Kohorte konnte als ihm nicht nur das erheiratete Vermogen gestat- 
starkerer taktischer Korper auftreten. Als Zeichen tete, sondern auch die bei den Feldherrn tibliche 
der Neuordnung ist auch die Neuerung zu be- 60 Bereicherung in den Kriegen. Diese Herkunft 
trachten, daB M, im J. 104 der ganzen Legion seines spateren Reichtums muB geschlossen wer- 
ein gemeinsames Feldzeichen, den Adler, verlieh den aus der Parallele mit Sulla (Bd. IV S. 1552) 
(Plin. n. h. X 16; s. Bd. II S. 317 und v. Do- wie daraus, daB M. seinem Heifer Sulpicius Be- 
maszewski Die Fahnen des rom. Heeres; dazu lohnung aus der erhofften Beute des asiatischen 
Mommsen Ges. Schr. VI 134. De lb ruck Krieges versprach (Appian. belL civ. I 242; 
Ant. Kriegsk. I 436ff. Kromayer-Veith Bd. IV A S. 846). Sein Korper wurde in den spa- 
a. 0.). Fiir den Marsch der iibermaBig schwer teren Jahren schwer und unbehilflich; aber er 
bepackten Soldaten schuf M. eine Erleichterung, suchte sich wieder durch Training zu verjiingen. 



1423 Nachtrage (Marius [Person!.]) NacMrage (Marius [Personl.]) 1424 

um die Bexechtigung zur tJbernahme des Kom- 1931, 754), die bei ihm starker war als die stra-^ 

mandos im mithridatischen Krieg zu beweisen tegische Begabung. Wenn er auch nicht so wie 

i^. B. 1408). M. hat auch die Leiden der Flucht Sulla vom Gltick begiinstigt war, sondern sich 

und Verbannung iiberstanden. Er litt an Krampf- erst mtihsam emporrang, so hatte er doch ala 

adern, die ihm beide Beine entstellten; er lieB Feldherr das Gliick, dafi die Cimbern und Teu- 

einst das eine Bein operieren, ohne dafi es ab- tonen ihm Zeit lieBen, seine Truppen zu schulen, 

gfibunden war, und hielt die Schmerzen mit ruhi- und dafi sie es ihm moglich machten, auf der 

ger Miene aus; das andere Bein gab er dem Arzt inneren Linie zu operieren und die nicht mitein* 

nicht her: er fand, dafi die Ausbesserung die ander verbundenen Heere getrennt zu schlagen; 
Schmerzen nicht lohne (Pint. Mar. 6, 5ff.). Beim 10 dazu kam als giinstiger Umstand ihre taktische 

alternden M. stellte sich Rheuma ein (a. 0. 34, 2); Unbeholfenheit, so dafi die altromische disciplina 

Todesursache war eine Rippenfellentziindung siegte. Spater hatte er im Bundesgenossenkri6g 

(a* 0. 45, 7). allerdings geringen Erfolg; doch lag das wohl 

Durch Portratstatuen sind wir tiber M.' Ge- auch an der herrschenden Partei, die ihn nicht 

stalt und Physiognomic nicht unterrichtet. Wenn mehr hochkommen lassen wollte. 

das Volk ihm als seinem Abgott gewifi solche M. war ein Mann mit ,naturlichem Menschen-^ 

noch zu Lebzeiten gesetzt hat, so hat sie Sulla verstand', wie auch zahlreiche der von ihm volks- 

nach seiner Rtickkehr grtindlich ausgemerzt: liefi tiimlich anschaulich gef ormten Ausspriiche zeigen» 

er doch sogar seine Asche in den Anio streuen Ihn durch die modische Bildung zu schleifen 
(Val. Max. IX 2, 1 ; Licinian. 43 Bonn.). Doch 20 lehnte er ab. Er war Verachter der griechischen 

Caesar holte Bilder des M. aus dem Hause der Bildung, well sie ihm nicht lag, suchte aber 

Witwe beim Leichenbegangnis der lulia hervor: Deckung im Herrenstandpunkt: die griechische 

er wollte die Erinnerung an den demokratischen Wissenschaft werde ja von Sklaven gelehrt — wo- 

Ftihrer erneuern (Pint. Caes. 5). Falls Caesar in mit er in der Tat ins Nebensachliche gefliichtet 

Rom neue Denkmaler setzen liefi, waren sie zur war (Plut. Mar. 2, 3f.). Es wirkte wohl auch ein 

Zeit Plutarchs schon verschwunden, da er sich auf gewisser Trotz gegen die Aristokraten mit, denen 

ein Stiick in Ravenna beziehen mufi (s. o.). — gegeniiber er mit zynischer Haltung seine Ab* 

Die Stiicke, die heute als M.-Bilder JDezeichnet kunft zur Schau trug (vgl. bes. Sail. bell. lug. 85* 

werden, sind ohne Beglaubigung und schliefien Plut. Mar. 9); hat er sich doch durch den ihn 
sich meist gegenseitig aus. Bernoulli (Rom. 30 stimulierenden Gegensatz erst zu Metellus, dann 

Ikonogr. I 76ff.) bringt die Abbildung einer in zu Sulla, emporgearbeitet. Er hatte auch keine 

Palestrina gefundenen, von Visconti publizierten Bedenken, sein Heer mit Leuten aus den unter- 

Glaspaste mit der Inschrift G. MARIVS VII COS; sten Volksklassen zu ftillen, und sogar, um seine 

hochst verdachtig. Auch alle anderen Stiicke Plane durchsetzen zu konnen, mit Sklaven. Er 

(a* 0. 80ff .) sind sicher f alsch bezeichnet oder besafi aber auch Schlauheit als Erbmasse (omnium 

ganz unbeglaubigt. Nach, physiognomischer Deu- perHdiosissimus Cic. nat. deor. Ill 80), hatte sie 

tung halt Bernoulli einige Stiicke als Por- wohl auch in dem Kampf um sein Ziel schatzen 

trats des M. Mr moglich: eine Marmorbtiste der und ausbilden gelernt, wie sein Verhalten gegen 

Miinchener Glyptothek nr. 216 (Abb. S. 82), ahn- Metellus im J. 100 zeigt — was nicht hindert^ 
lich Uffizien nr. 270; zwei Stiicke aus dem Museo 40 dafi er selbst im Laufe des Jahres von Schlaueren 

Chiaramonti, eins davon ein ,treffendes Bild eines gefangen wurde. 

etwas galligen Alten' (Burckhardt Cicerone^ Der alte Romer wird auch in M.' Glaube an 

I 165. Bernoulli Abb. S. 83. W. Helbig Magie und Damonie sichtbar; darin ist er Sulla 
Fiihrer F 58f . A m e 1 u n g Skulpturen des Vatik. gleich. Aus diesem Reich holt er sich an den 
Museums I Taf. 69 u. S. 646ff.); ferner das an entscheidenden Punkten seines Lebens den Glau- 
sich ausgezeichnete Portrat in der Glyptothek in ben an seine Berufung. So trug er die Vorbedin- 
Miinchen nr. 172 (Abb. Bernoulli 85. P. gungen fiir einen grofien Charakter in sich, wenn 
W 1 1 e r s lUustr. Katal. 53 und Taf. 63 = sich nicht sein Ehrgeiz und sein Machthunger 
Furtw angler Beschr. d. Glypt. 324; 100 Ta- tiber steigert hatten. War dieser Trieb als An- 
f ein nach Bildwerken der Glyptothek Taf. 74 == 50 lage in ihm, so wurde er durch den Druck, unter 
A r n d t Griech. u. rom. Portrats 27. 28). dem er in der ersten Halfte seines Lebens stand, 

2. Charakter. Aus den genannten Stellen die Reibung mit den Aristokraten, die ihn erst 

ergibt sich schon, dafi M. eine eiserne Natur be- geringschatzig behandelten und auch spater nicht 

safi. Sein Wille war stark. Gegen Schmerz und anerkennen wollten, verstarkt [immodicus gloriae, 

Riihrung war er unzuganglich (s. auch Cic. Tusc. insatiabilis VelL). Die militarischen Erfolge solL 

II 15. 53). Er war ,ein Bauernkerl, aber ein gan- ten das Sprungbrett fur die politischen werden. 
zer Kerl* (rusticanus vir, sed plane vir Cic. 53). Aber er fiihrte den Beweis, dafi die militarischen 
Romische Bauernart bewies die schlichte und sit- Gaben ohne die Stiitze politischer Klugheit nicht 
tenstrenge Lebenshaltung (vita sanctus Veil.; vgl. die Suprematie verleihen. M. war nicht Caesar, 
Sail. b. I. 85, 39ff.; Lusius und Fannia o. S. 1386. 60 der fiir beide Betatigungsgebiete geniale Anlage 
1413). Wie er von Jugend auf, hart erzogen, von besafi. Er wollte die res publica meistern und 
sich alles verlangte, so auch von andern. Das berief f iihren, war aber der Aufgabe nicht gewachsen 
ihn zum Soldaten und Soldatenerzieher. Wahrend (s. o. S. 13971.; vgl. impotens semper que inquietu^ 
Sulla eine tiberlegen leichte Art hatte, zu leben, Veil. a. 0. Liv. per. 79» Plut. Mar. 2, 2). Im Be- 
zu kommandieren und zu regieren (vgl. B e r v e wufitsein seiner staatsmannischen Unzulanglich^ 
Neue Jahrb. VII 673fE.), ist M. mehr der Troupier keit und Charakterlosigkeit (vutsq xov ixiyimog 
(so Delbriick 402), eine ,spezifische Kommifi- ysveod'ai to ^sXtiorog slvat nQodfjievog Plut. Mar. 
begabung* (Gerh. Giinther Ztschr. Dtsch. Volkst. 28, 5) griff er nach demagogischen Kiinsten, in* 



1425 Nachtrage (Neapolis) NacMrage (Neapolis) 1426 

dem er sich gefallig vom Volkswillen bestimmen erste Herausgeber Blaramberg vermutete, 

liefi und das Vblk durch Liebenswiirdigkeiteii zu dafi eine der drei Burgen des Skiluros, und zwar 

gewinnen suchte. Er setzte damit nicht nur sein eben N. gefunden sei, Journal d'Odessa 1827 

Aint herab, sondern auch sich selbst, da diese nr. 47. 69. 73. 1834 fand Dubois bei Sehurfungen 

Fiigsamkeit und geschmeidige Popularitats- wmter« Altertiimer. 1853 machte Graf Uwaroff 

hascherei im Grunde seinem herben, hochstreben- Ausgrabungen, wobei u. a. Amphorenhenkel mit 

den Charakter wider sprach. So unerschrocken und dem Stempel NeonoXiog gefunden wurden. 1889 

in sich selbst gefestigt er im Felde und so groB untersuchte Ja^curzinski die Statte; es wurden 

er durch seine praktische militarische Tiichtig- verschiodene griechische und skythische Ton- 

keit war, so erschien er in nicht militarischen 10 gefaBe und sonstige Gebrauchsgegenstande ge- 

Dingen, im Kampffeld der Politik unsicher und funden (Izvestija d. taurisfohen Archivkommis- 

angstlich {vno q)dodo^iag axolixoxaxog Plut. Mar. sion VII 1889, russ.). 

28, 12), verier in der Offentlichkeit schon durch Trotz der von Becker Die HerakleotisChe 

ein kleines Lob wie auch leisen Tadel das Gleich- Halbinsel 41 ff. erhobeaen Zweifel diirfte Blaram- 

gewicht, erst recht durch das Larmen versammel- bergs Identifikation richtig sein. Wenn auch ein 

ter Massen. Es fehlte ihm also die aus dem ge- urkundlicher Beweis noch nicht vorliegt, .spricht 

schlossenen Charakter stammende Unerschtitter- die Summe der Einzeltatsachen doch fur die 

lichkeit und Gleichgtiltigkeit gegentiber Kritik, Gleichsetzung Kermentschik-N. Meine Skepsis im 

so daB ein Fall, in dem er durch eine die innere Art. S k i 1 u r o s (s. d.) ziehe ich zuriick. DaB 

und auBere Uberlegenheit verratende Antwort die 20 neben Skythen (Strab.) auch Griechen in N. leb- 

Kritik ablehnte, als Ausnahme erscheint (o. ten, zedgen die (vorerst einzigen gefundenen) In- 

S. 1398). Seine schwache Haltung bei politischen schriften IPE I i241ff. = 2668ff., daB es die 

Fragen machte ihn bei den Aristokraten natur- Residenz des Skiluros war, diirfte aus den In- 

gemaB verachtlich und, da er doch die Maeht aus- schriften de.^ Olbiopoliten Posideos hervorgehen: 

zuliben sich anmaBte, verhaBt, wie er selbst ihnen ein Mann von seiner Bedeutung konnte nur bei 

gegentiber das Gef uhl der Minderwertigkeit hatte, Hofe leben. ^244 c= 2 672 zeigt ihn als erfolg- 

das sich in Gehassigkeiten entlud. reiohen Feldherrn, der im Interesse der Handels- 

So wird man — trotz allem MiBtrauen gegen schiffahrt das Meer (d. h. den Kiistenstrich) von 

das Bild der Quellen, das von der Parteien Gunst Seeraubem saubert. Da sie in der Inschrift Sa- 

und HaB, namentlich von aristokratischer Auffas- 30 tarchaioi heiBen, soUte man sie auch so nennen und 

sung, verzerrt, sein konnte — den Satz in der nicht Satarchoi wie im Art. Bd. II A S. 60. Auch 

lapidaren Charakteristik des VeUeius verstehen: di« hsl. Uberlieferung bei den Autoren geht auf 

quantum hello optimus, tantum pace pessimus (II die Form Satarchaioi zuriick. ^242 == ^670 und 

11, 1; vgl. II 23, 1). Sallust freilich, sein Partei- i243 = 2671 mit Wedhungen an rhodische Gotter 

ganger, spricht von dem animus belli ingens, domi zeigen seine weitreichen/den Beziehungen; auch 

modicus (lug. 63, 2), was sich aber auf die Zeit i49 = 277 und ^48 = 278 sind mit fiecht dem 

vor dem ersten Consulat bezieht. Auch Cicero, gleichen Posideos zugeschrieben worden. L a t y - 

sein Landsmann und entfernter Verwandter, als schev Untersuchungen fiber Olbia 133, 16 

solcher vermutlich voreingenommen, spricht meist (russ.). ^94 = 2 168 ist die Dankesgabe eines 

freundlich von ihm, nennt ihn einmal sogar di- 40 GroBkaufmannes, ^101 =2183 zeugt vom Reich- 

vinus vir (Sest. 50); doch das gehort mehr zum turn seiner FamiHe. AUe diese In schriften ge- 

Problem Cicero (Stellen bei r e 1 1 i VII 3841). horen ins 2. Jhdt. v. Chr. Latyschev hat 

Man darf indessen die Eroberung der Macht Olbia 133, 15 Stephanys Datierungen von IPE I 

in den letzten Monaten seines Lebens nicht ohne i94 und 244 auif Grund erneuter Priifung der 

weiteres als die Befriedigung der fixen Idee eines Stoine ausdriicklieh zunickgenommen, aber un- 

Greises auffassen — er war doch im Ungliick ge- begreiflicherweise in 2 168 und 2672 nicht getilgt, 

wachsen, allerdings auch in der Harte und Grau- wo aber der Befund die Eichtigkeit der Datierung 

samkeit. Zu zeigen, ob er im Kampf gegen Sulla ins 2. Jhdt. erweist. Die vom Zeichner etwas 

Herr bleiben und den Staat in gerader Linie zu ,schongemachte* Abbildung des Uwaroff schen 

Caesar fuhren konnte, hat ihm das Schicksal nicht 50 Fundes ^244 (nur in 2672 abgedruckt) verrat 

Zeit gelassen. So bleibt er, nach dem Hohepunkt gleichfalls die Zeit der Inschrift durch das kleine 

seines Wirkens eingeschatzt, der Sieger tiber Cim- Omikron. 

bern und Teutonen, der den Andrang der ger- N. diirfte nur kurze Zeit als Ansiedlung be- 

manischen Volker zu einer Zeit, als Gallien, standen haben: unter Skiluros etwa Anfang des 

Hispanien und Nordafrika noch nicht latinisiert 2. Jhdts. v. Chr. gegriindet, wurde N. zur Zeit 

waren und ftir den germanischen EinfluB oHen seines Sohnes Palakos am Ende des Jahrhunderts 

standen, mit alien weltgeschichtlichen Folgen vom von Diophantos erobert und hochstwahrsohein- 

Imperium abgewiesen hat. [Weynand.] lich zerstort: ixeiQCJoaro piq Strab. 312, dazu 

Bd. XIV S. 2128, 36 zum Art. Neapolis: IPE I2 352 = ^185 = SyU.^ 709. Der zu Bla- 

18) Residenz des Skythenkonigs Skiluros, 60 rambergs Zeit gefundene Topf mit Mtinzen, ein 

Strab. 312. hochstwabrseheinlich identisch mit typischer Sehatzfund, diirfte wohl erst in viel 

der etwa 2 km siidostUeh von Simferopol am spaterer Zeit im verlassenen Ruinenfeld vergra- 

linken Ufer des Baches Salgyr strategiseh sehr ben worden sein. 

giinstig gelegenen Hiigebunge Kermentschik (ta- Latyschev IPE I^ S. 214S. = ^S. 503ff. mit 

tariseh ,die Burg*). 1827 wurden hier dreiBruch- kritischer tlbersacht fiber die altere Literatur (der 

stiicke griechischer Inschriften gefunden, deren Aufbewahrungsort einiger in P als verschollen 

eine den Namen Skiluros aufwies IPE I ^241 bezeichneten Steine ist 1892 von J. Smirnov 

== 2068, sowie mehrere Reliefplatten. Schon der festgestellt worden, P zu 161). Plan bei Dub i s 



1427 Nachtrage (Eegina castra) Nachtrage (Kegina castra) 1428 

Voyage Taf. XVII 8. Minns 119, 5. 463, 3 — 6. ten fruhzeitig zu reger Ansiedlung reizen: eine 

476, 5. 9. 479, 4, 13. iind sonst. Ernst im fruchtbare E&ne an einem seluffbaren Strome mit 

Sammelbande 11 konferenoija aroheologov, 1927, leichter tJbergangsmogliclikeit durch zwei Inseln, 

23—27 und Tai 10—11 (russ.). [Erich Diehl.] die beiden Wohrd, drei Fliisse, die in der Nahe 

Reglna castra, das heutige Regensburg in von links in die Donan mlinden, Laber, Nab nnd 

dor bayrischen Oberpfalz am nordllchsten Do- Regen, und durch ihre Taler einen leichten Ver- 

nauknie. kehr nach Nordwesten zum Main, nach Nordeh 

Name. Der Name c. R. kommt im Altertum nach Mitteldeutsehland und nach Nordosten nach 
nur einmal vor Not. dign. occ. XXXV 17 castra Bohmen ermoglachen, S t e i n m e t z Verhandl. 10. 
Eegina nunc Vallato. (tJber das Nebeneinander 10 tJber die vorgeschichtlichen Funde in R. und Um- 
von Ortsnamen im Akkusativ und Ablativ s. jetzt gegend orientiert am besten Z e i B Verhandl. 
Nor den Alt-Germanien 92.) Itin. Ant. 250 und LXXVII (1927) 3 mit Fundverzeiehnis nebst Li- 
Tab. Peut. ersoheint er in der Ablativform Regino. teraturnacKweis und 4 Karten. Die Funde auls der 
Di« Buobstaben K R der Inschrift CIL III 14370^^ palaiolithisohen Zeit besehranken sich meist auf 
(Steinmetz Rom.-Germ. Korresponidenzbl. VII Hohlenf unde, namentlich aus dem Sehulerloch bei 
88 und Fiihrer durch die vorgesch., rom. und Kelhdm und der Rauberhohle bei Waltenhofen. 
iriihgerm. Sammlungen im Oberpfalz. Kreis- Im Neolithikum zeigt sieh eine besonders starke 
museum zu St. Ulrieh in Regensburg [im folgen- Ansiedlung ackerbebauenider Bandkeramiker na- 
den ,Fuhrer* zitiert] nr. 56 a. V o 1 1 m e r Inscript. mentlicn am reohten Donauuf er, Z e i B Karte I, 
Baivariae Romanae nr. 361) werden als K[ana- 20 die sich hier mit den donaulandisehen Spiral- 
harum] R[eginensium] erklart. Auf dem Meilen- keramikern verbanden. Im Gegensatz zu diesen 
stein OIL in 5997 (V o 11 m e r nr. 488) wird der Ackerbauern sind in der Bronzezeit neue Bewoh- 
Ort mit legio bezeichnet; s. auch CIL III 5996 ner eingerlickt, die als Jager und Viehztichter 
(V 1 1 m e r nr. 490). Vielledcht ist auch Itin. mehr die Jurahohen dm Nordwesten und Westen 
Ant. 259 ad castra auf c. R. zu beziehen, I h m bevorzugten, wie ein Blick auf die Karten I und 
0. Bd. Ill S. 1771 Nr. 44. Sicher ist c. R. der II bei ZeiB zeigt. Die Besiedler der Hallstattzeit 
Name des spateren von Marcus Aurelius 179 an- nehmen als Ackerbauer wieder die fruchtbaren 
gelegten Lagers, auf dem ein Teil des heutigen R. Niederungen in Besitz, ebenso die Bewohner der 
steht. Das Lager ist benannt nach dem Flusse La-Tene-Zeit, deren Siedlungsreste namentlich aus 
Reganum, Geogr. Rav. IV 25. Rappap ort 30 der Spatstufe sehr zahkeieh sind; besonders die 
Bd. IAS. 464, dem heutigen Regen, der gegen- sogenannten Vierecksschanzen und die groBartigen 
liber in die Donau sich ergieBt. In der zweiten Wallanlagen bei Kelheim, Weltenburg und Saal 
Halfte des 8. Jhdts. taucht in Arbeos Lebens- zeugen von groBerer Stammesverbundenheit. Tra- 
beschreibung des heiligen Emmeram (Mon. Germ. ger dieser Kultur sind die Kelten, deren Anwesen- 
hist. script, rer. Meroving. IV) c. 4. 6. 31. 35. u. a. heit auch durch die keltischen Namen bewiesen 
Stellen der Name Radaspona oder Ratisbona fiir wird; von ihnen wird daher auch die erste Benen- 
Regensburg (R.) auf. Der Name ist sicher keltisch. nung R.s, Radaspona, erf olgt sein. 
Wenn auch der erste Bestandteil des Namens noch Mit der Romerzeit treten wir in die ge- 
nicht sicher erklart ist, so ist doch der zweite schichtliehe Zeit R.s ein. Wir besitzen iiber diese 
Teil bona = ,gebaut, bewohnt' in etwa 70 kel-40fiir die geschichtliche Entwicklung Rjs so -bedeut- 
tischen Ortsnamen bezeugt, Holder Altcelt. same Periode eingehende Untersuchungen in den 
Sprachseh. I 3. Steinmetz Verhandl. des schon genannten Werken von v. Walders- 
Hist. Vereins von Oberpfalz u. R. [im f olgenden d o r f f , r t n e r und namentlich von dem lang- 
jVerhandl.* zitiert] LXXVI (1926) 16, so daB jahrigen, verdienten Direktor des St.-Ulrich-Mu- 
Steinmetz mit Reoht annimmt, Radaspona gei ur- seums in R. Steinmetz, der in seiner Abhand- 
sprilnglich der Name des keltischen oppidum ge- lung R. in der vorgeschichtHehen und romischen 
wesen, das in der Nahe des ersten Romerlagers in Zeit, Verhandl. LXXVI (1926) die Angaben 
Kumpfmiihl lag, der von den Romem auf das neu- v. Walders dorf f s auf Grund der neuesten 
gegriindete Lager tibertragen wurde Steinmetz auf Veranlassung des riihrigen Historisohen Ver- 
Verhandl.23. Nach Auf gabe dieses Lagers ist dann 50 eins von Oberpfalz und R. vorgenommenen Aus- 
der Name auf die neue Zivilsiedlung, ja auf das grabungen und zahlreicher Funde erganzt. Auf 
neue Lager am Ufer der Donau selbst ubergegan- diese Werke ist daher im folgenden nicht immer 
gen. In der Form Ratisbona lebte er in der latei- besonders verwiesen. 

nischen Literatur des friihen Mittelalters weiter Unter Augustus wurde 15 v. Chr. von Tiberius 

und ist in Formen romanisoher Spraehen heute und Drusus Raetien mitsamt dem Alpenvorlande 

noch lebendig, ja klingt als Ratabuna im Indi- Vindelicien dem romischen Reiche einverleibt, wo- 

schen noch nach, Steinmetz Fiihrer 5. Ver- raus unter Tiberius die eine Provinz Raetia gebil- 

handl. 7. Ortner Das rom. R. 1909, 9 Anm. 2. det wurde, Haug Bd. IAS. 48. An ihrer 

Als die Baiuaren aus Bohmen einwanderten, uber- Spitze stand ein Praefectus, dann ein Procurator 
namen sie c. R. als Hauptstadt und ubersetzten 60 ritterlichen Standes mit dem Sitze in Augusta Vin- 

e. R. ins Deutsche mit Reganespurc, aus dem delicum (Augsburg). Unter Claudius wurde die 

dann Regensburg entstanden ist. Eine Reihe an- Provinz Raetia mit einem StraBennetz tiberzogen, 

derer Namen ftir R. im Mittelalter stellt noch worunter die via Claudia besonders zu nennen ist, 

V. Walders dorff Regensburg in s. Vergan- und durch eine Reihe von CasteHen an der Donau 

genheit u. Gegenwart^ (1896), Steinmetz Ver- gesichert. Wahrscheinlieh ist auch der strategisch 

handl. 9 zusammen. so wichtige Punkt bei R. damals schon befestigfc 

Besiedlunginvorgeschichtlicher worden, obgleieh es bisher noch durch keinen 

Zeit. Die auBerst giinstigen Verhaltnisse muB- Fund bestatigt wurde, Reinecke Germania IX 



1429 Nachtrage (Regina castra) Nachtrage (Regina castra) 1430 

(1925) i90. Erst das Lager, das unter Vespasian Lager heiBt auf den oben genannten Meilensteinen 
entstand, der die StraBe von Mainz quer dureh legio oder castra, VoUmer nr. 487 — 491; es wird 
das neueroberte Neckartal nach der Donau baute damalis den offiziellen Namen c. R. erhalten haben. 
nnd zum Schutze der DonaustraBe die Casftelle Seine standige Besatzung bildete die l-egio III 
vermehrte, ist durchdie Amsgrabnngen vonStein- Italica bis zum Ende der romischen Herrsohaft, 
metz und Eeinecke 1-924 und 1925 festgestellt noch in der Not. dign. occ. XXXV 17 wird c. R. 
worden. Es liegt auf der Hohe slidlich von R., als ihr Gamisonort genannt (s. o.); nur das Kom- 
westlieh von Knmpfmiibl an der RomersttraBe mando wurde zeitweilig naoh Vallatum (MaQ- 
nach Augsburg und war urspriinglich ein Erd- ching) verlegt. Ob ein Briiokenkopf gegemiber an- 
holzlager von 160x137 m Ansdehnung. Spater, 10 gelegt worden ist, wieSteinmetz Verhandl. 28 
wahrseheinlich in hadrianiseher Zeit, ist es in ein vermutet, ist nicht unwahrscheinlich, aber bisiher 
Steinlager mit mindestens einem 9 m breiten noch nieht dfurch Funde bestatigt. 
Spitzgraben umgebaut worden. Es hieB vielleicht Mit dem Lager wurden auoh die canabae ver- 
nach einem in der Nahe befindlichen, aber noch legt. Westlieh von dem neuen Lager entwickelte 
nioht nachgewiesenen keltischen oppidum Radas- sich, ansoheinend nach bestimmten Planen, der 
pona Oder Ratisbona (s. o.). Die dazugehorigen ca- neue vicus^ der schon ein Jahr vor der Fertigstel- 
nabae erstreckten sich nordlich und ostlioh davon lung des Lagers erwahnt wird und einem beson- 
iiis Tal hinab. Ein dazugehoriges Castellbad war deren Aedil unterstand, OIL III 14370i<^. Voll- 
schon langst bekanmt, ohne daB man das Gastell m e r nr. 361. Diese Zivilansiedlung erhielt wahr- 
selbst vermutete. Das kleine CohortencasteU diente 20 scheinlich im Volksmunde denselben Namen Ra- 
nach den gefundenen Ziegelstempeln der cohors 11 daspona, wie die Ansiedlung in Kumpfmuhl hatte^ 
Aquitanorum equitata mehrere Jahrzehnte lang im der dann spater, als 'die Zivilbevolkerung in das 
2. Jhdt. als Garnison, Cichorius Bd. IV Lagerterritorium aufgenommen wurde, auf das 
S. 243. Femer erscheint noch di« cohors 1 Flavia Lager selbst iiberging. Heiligtiimer sind mehrfach 
Canathenorum, Cichorius 267, die ala 1 Fla- bezBugt, darunter ein dem Mercurio Censuali ge- 
via Singularium, V o 1 1 m e r nr. 500, und die weihtes, das einzige bisher gefundene, wo Mercur 
cohors hi Britanorum, Cichoriuis 261 ; viel- diesen Beinamen tragt, GIL III 5943 (V o 1 1 m e r 
\Qi(i]ii 2^\i(^ ^Q ala 11 Flavia Pia Fidelis Miliaria nr. 360). Heichelheim Bd. XV S. 983. 
nach VollmerS. 201. Steinmetz Verhandl. Benkmaler des Kultes des lupiter Dolichenus und 
25. H a u g Bd. I A S. 53. tiber die zeitliche 30 des Mithras sind bisher noch nicht gefunden, 
Aufeinanderfolge dieser Ttuppenkorper in der Be- Steinmetz Verhandl. 63. Friedhofe mit zahl- 
setzung des lagers von Kiimpfmuhl laBt sich reiehen Funden befinden sich an den beiden Haupt- 
nichts Bestimmtes sagen. straBen, der via Aiigustana nach Augsburg west- 
Das romische Cohortenlager von Kumpfmuhl lich und sudlichi zwischen der neuen Ansiedlung 
fiel in den verheerenden Marcomannenkriegen, und dem alten Lager von Kumpfmuhl und im 
F r a n k e Bd. XIV S. 1619, mit den benach- Osten an der alten RomerstraBe nach Straubing 
barten CasteUen den Germanen zum Opfer. Sie — Passau. Die zahlreichen Graberfunde stellt 
wurden verbrannt. Die Annahme, daB Marcus Steinmetz Vom groBen rom. Friedhof in R. 
Aurelius, als er 172 den Offensivkrieg gegen die Verhandl. LXXIII 1 und Fiihrer 14 zusammen. 
Marcomannen begann, bei R. die Donau iiber- 40 -^^^^ ®i^ Hafen ftir die Donauflotte scheint in 
sctiritten habe, wird von L. S c h m i d t Gesch. d. c. R. vorhanden gewesen zu sein, Steinmetz 
dtsch. Stamme II 185 mit Recht abgewiesen, Verhandl. 35, wahrend von einer romischen Briicke 
F r a n k e 1625. tiber die Donau keine Spnren gefunden sind. 

Als die Germanen ttber die Donau zurtick- Durch das fiir die Romer ungunstige Ende der 
gedrangt worden waren, machte sich der Schutz Marcomannenkriege war auch das Schicksal R.s 
der Grenze und die Erneuerung der zerstorten entschied^n. Der Plan, das romische Reich bis zur 
Castelle notig. Aus politischen, militarischen und Elbe auszudehnen und eine neue Provinz Marco- 
topographischen Grtinden wurde aber nieht das mannia dem Reiche einzugliedern, muBte auf- 
alte CohortencasteU auf der Hohe erneuert, son- gegeben werden. Die Romer muBten sich damit 
dern es wurde 179 ein neues, groBeres Legions- 50 ^^gi^^^^^j ^^ Germanen einstweilen an der Do- 
lager der nou gegriindeten legio III Italica im nau f estgehalten zu haben. So wurde R. eine Grenz- 
Tale gegentiber der Einmiindung des Regens von f estung und hatte die Schicksale einer Grenzstadt 
Marcus Aurelius und seinem Mitregenten Com- zu tragen. Selbst der unter Commodus oder C^ra- 
modus erbaut durch den legatus Augusti pro prae- calk in eine Steinmauer umgebaute romische La- 
tere M. Helvius Clemens Dextrianus. So ist das mes, Wagner Die Romer in Bayern^ 26, ver- 
Jahr 179 das Geburtsjahr des heutigen R., das mochte dem Ansturm der nun auftauchenden Ale- 
bezeugt ist durch die 1873 gefundene Bauinschrift mannen nicht zu widerstehen und wurde 233 von 
vom Osttor, der porta principalis dextra des ihnen durchbrochen. Unter Severus Alexander 
neuen Lagers, CIL III 11965 (V 1 1 m e r nr. 362. muBten die Romer das Gebiet links der Donau auf- 
Steinmetz Fiihrer nr. 1. Ortner 10). Die 60 gel>en, so daB R. seine linke Flankendeckung ver- 
Besatzung bildete die legio III Italica concors, die lor. ttber seine Schicksale wahrend dieser Ale- 
mit der legio II Italica von Marcus Aurelius 165/66 mannenkriege als vorgosehobener romischer Po- 
zum Schutze Raetiens gegriindet worden war, sten ist uns nichts Naheres bekannt. Nur ist es 
Ritterling Bd. XII S. 1532, die vorher in gliicklioher weggekommen wie andere romische 
Abusina (Eining) gelegen hatte und das neue La- Stadte Raetiens, die damals zerstort 'und von ihren 
ger ©rbaute zum Teil mit Benutzung des Materials Bewohnern verlassen wurden, so Kempten, Pf linz 
des Cohortenlagers von Kfumpfmiihl, weshalb dort u. a., W a g n e r 28; tiber das Ende des raetisehen 
se wenig tJberreste vorhanden sind. Das neue Limes s. Wagner 119, 28. Erst Diocletian 



1431 Nachtrage (Eegina castra) Nachtrage (Eegina castra) 1482 

fiihrte eine strengere Grenzverteidigung duxch und Garni sonen zuriickgekehit siiud* Der ktzte romi- 
organisierte das romische Reich neu. Dabei wurde sche Statthalter, der Raetien zu soMtzen ver- 
Raetien in zwei Teile geteilt^ der nordliche Teil, suchte, war Aetius* Als 451 Attila mit seinen 
Raetia ^secunda, das ehemalige Vindelicien, erhielt Hunnenscharen gegen ihn zog, seheint er Raetien 
eine Zivilverwaltung unter einem praeses provin- verschont zu haben und nordlich der Donau 
ciae mit dem Sitze in Augsburg, d«r milil^risehe nach Gallien gezogen zu sein. Zwischen 462 und 
Kommandant, der dux mit dem "Ktel vir specta- 473 ist auch R. in die Hande der Germanen gefal- 
bilis, in R. In constantiniseher Zeit ist c. R. in len; es ist ungewiB, ob durch die Thuringer oder 
eine starke Festung umgebaut warden. Von den Alemannen, Reich 20. Heuwieser Verhandl. 
Steinbauten ist die benihrnte Porta praetoria mit 10 LXXVI 77 vermutet, daB es Alemannen waren 
ihrem rechten Torturm erhalten, heute eine und daB ihr Konig Gibuld vortibergehend seine 
Sehenswiirdigkeit R.s, Barthel VI. Ber. d. Rom.- Residenz in R. gehabt habe. Die romischen wohl- 
Germ. Komm. 163. Auch betrachtliche Teile der haibenderen Bewohner und Beamten flohen nach 
Mauer, namentlich die Umbiegung im Nordosten Italien. 476 fielen die letzten raetischen Castelle; 
(Abbild. Verhandl. 144) sind noch erhalten, wo von damit war die Herrschaft der Romer in Raetien 
Stednmetz Verhandl. 50 einen eingehenden zu Ende. Der Germane Odoaker wies den fliehen- 
Bericht gibt, den er in bezug auf die Wesitmauer, den Romern in Italien Sitze an! Doch ist R. auch 
deren Spuren fast ganzlich verschwuniden sind, damala nicht zerstort worden, romische Hand- 
Verhandl.LXXVIII 208, erganzt. Demnach betragt werker und Landleute hielten sioh in der von den 
die westostliche Ausdehnung 453 m, die nordsfjid- 20 Germanen edngenommenen, aber gesehonten Stadt 
liche 543 m. Ob die in gewaltigen Quadem 7 m als willkommene tributicii. Unter Odoaker gehorte 
hoch erriehtete Mauer auBer den Torttirmen noch Raetien nominell noch zum romischen Reiche, des- 
Zwischentlirme besaB, konnte noch nicht fest- sen Kaiser Germanen waren, ea wurde aber von 
gestellt werden, Steinmetz Verhandl. 58. Die den Thiiringem arg bedrangt, zum Thiiringer 
Zwischenraume zwischen den einzelnen bef estigten Reiche hat es aber nicht gehort, Heuwieser 
Platzen sind damals durch burgi geschiitzt wor- 79. Der Ostgotenkonig Theoderich d. Gr. liber- 
den, von denen einzelne in der Nahe von R. nach- nahm die Erbschaft Odoakers und gab seine An- 
gewiesen sind. spriiche auf Raetien nicht auf, er ernannte noch 

Am Anfange des 5. Jhdts. war nach der Not. um 507 einen dux Raetiarum, den Sexvatus, Cas- 
dign. occ. XXXV die legio 111 Italiea in 6 Teile 30 siod. var. VII 4. Nagl Bd. VA S. 1759. R. 

geteilt und in verschiedene Garnisonen Raetiens hatte damals vielleicht eine standige ostgotische 

verteilt; ein Teil blieb in c. R. unter einem Brae- Besatzung, Reich 24. Nach Theoderichs Tode 

fecten, der zeitweilig in Vallatum seinen Sitz fiel Raetien an den !Frankenkonig Theudebeirt I. 

hatte, Steinmetz Verhandl. 41. Wahrschein- (534 — 548). In dieser Zeit erfolgte auch die fried- 

lich ist die Zivilbevolkerung damals in das durch liche Einwanderung der Baiuaren, die aus den 

Verminderung der Truppen freigewordene Lager Marcomannen in Bohmen hervorgegangen sind, 

gezogen, und so wurde das Legionslager Marcus Franke Bd. XIV S. 1633. Heuwieser 

AureMus' eine befestigte Stadt. Im J. 357 ist sie 84. hie machten R. zum Hauptsitz ihrer Herzoge, 

anscheinend durch die luthungen bestiirmt wor- der Agilolfinger, und nannten es Reganespurc. Der 
den, woibei wahrscheinlich das Osttor zerstort 40 Bayernherzog war der Nachfolger des romisch-ost- 

wurde. Bei dem Wiederaufbau geriet die oiben ge- gotischen dux und nahm auch seinen Sitz dort> 

nannte Bauinschrift mit in die Eundamente als wo der dux gesessen hatte. Als Pfalz benutzte er 

Bauistein. Wahrscheinlich hat auch lulian auf sei- wahrscheinlich das kleine Castell, das nach der 

nem Zuge nach Osten R. beriihrt, Steinmetz Verminderung der romischen Besatzung innerhalb 

Verhandl. 41, und Valentinian es neu befestigt. des alten Legionslagers angelegt worden war, wie 

tJber die Geschichte R.s in den folgenden zwei es ahnlich z. B. in dem benachbarten Abusina 

Jhdten. ist man nur auf Vermutungen angewiesen, nachgewiesen ist. A n t h e s X. Ber. d. Rom.-Germ. 

da bestimmte Angaben nicht vorliegen. Man kann Eomm. 146, und dessen Nordwestturm der noeh 

nur aus der Geschichte der Provinz Raetien Riick- erhaltene Romerturm am Moltkeplatz bildete, 
schliisse auf R.s Geschichte Ziehen. Literatur tiber 50 Heuwieser 121. Um diese Pfalz aber entwik- 

diese Periode: Reich Gesch. R.s in der Zeit vom kelt sich innerhalb der alten romischen Castell- 

5. — 7. Jhdt. Verhandl. LXXIV 12. Haug Bd. lA mauern die Stadt weiter, von deren gewaltigem, 

S. 46 Art. Raetia. Steinmetz Verhandl. praohtigem Anblick Arbeo am Anfange des 

42. Eugippius berichtet in der vita Severini von 8. Jhdts. in seiner Lebensbeschreibung des heili- 

den Leiden und Drangsalen, die Raetien damals gen Emmeram einen begeisterten Bericht gibt. So 

unter den Wiirungen der Volkerwanderung durch- bietet gerade R. ein glanzendes Beispiel fiir die 

zumacheh hatte. Darunter hatte auch R. zu ledden. Kontinuitat der Entwicklung vom romischen Le- 

Aber wahrend die Romer damals das ganze Rhein- gionslager bis zum mittelalterlichen Herzogs- und 

land, fast ganz GaUien, Britannien und Spanien Bischofssitz, wie sie D o p s c h in ,seinem bekann- 
verloren, haben sie doch langere Zeit das Alpen- 60 ten Buche: Wirtschaftliche und soziale Grund- 

vorland mit Raetien als BoUwerk Italiens zu hal- lagen der europaischen Eulturentwicklung usw. 

ten versucht. Daher ist auch R. am Anfang des nachzuweisen versucht, Heuwieser 143 (gegen 

5. Jhdts. nicht aufgegeben worden, wie man ver-> P h i 1 i p p i GGA 1920 47). 

mutete, sondern hat alien Sttirmen standgehalten. Das Christentum hat sohon f riihzeitig 

W a g n e r 33. Am Anfange des 5. Jhdts. rief Sti- in R. FuB gefaBt. Einzelne Spuren davon findet 

licho alle romischen Truppen nach Italien zum man schon aus dem 3. Jhdt., Steinmetz Ver- 

Kampfe gegen den Westgotenkonig Alarich, dar- handl. 64. Zu erwahnen ist namentlich die Grab- 

unter auch die raetischen, die aber danach in ihre inschrift der Sarmann[i]na aus der zweiten Halfte 



1438 Nachtrage (Regma castra) Nachtrage (Scrofulas) 1434 

des 4. Jhdts., Steinmetz Fiihrer nr. 24. Klasters von St. Emmemm Ganbald als neuer 

Vollmer nr. 419. OIL III 5972; die aus dem Bischof eingesetzt. Seitdem wechselten die Monche 

Zusatz martiribus sociata entstandene Ansicht von von St. Emmeram iind die Kanoniker von St. 

dem Martyrertode unzahliger Christen ist aber Peter in der Besetzung des Bischofstuhles ab. 
fronime Legende, H e u w i e is e r 153. Christliche [Alfred Franke.] 

Oraber vermutet man' auch auf dem Graberfelde Bd. IAS. 2394 zum Art. Sarapion: 

von Kumpfmiihl wegen der ostlichen Orientierung 9) Aelius Sarapion (ZaQOMicov 6 MXiog)^ nach 

der Graber. In romischer Zeit miufi man auch Suid. 936 Bekker ein xQVf^'^^<^^^ qyixcoq aus Alex^ 

schon christliche Kirehen in R. annehmen, und andria, der im 2. Jhdt. n. Chr. lebte; er schrieb 
zwar hat Heuwieser in seiner grundlegenden 10 nach Suidas tzsqI xcbv sv ralg f^eXetaig d/iaQtof^evcov^ 

Abbandlung Verhandl. LXXVI als die alteste axQodoscov pi§Xta C% tuavtjyvQixdv ml lidQtav(p r(p 

christliche Kirche innerhalb der alten Lager- §aoiXei, §ovlsvtiKbv 'AXs^avbQevoiv, el dinalco^ 

mauern eine Bisehofskirche zu St. Peter in der Illdxcov V/lctjqov dninsfiips xfjg noXvtslag (vgl. 

ISfahe des heutigen prachtigen Domes zu St. Peter dazu Weinstock PhiloL N. F. XXXVI 149); 

und die dazu gehorige Taufkirche St. lohannis texvTj QrizoQiTit} und noch viele andere Werke. 
hachgewiesen, aufierhalb der befestigten Stadt als [Max Fluss.] 

jjrrabeskirche St. Georg, wo an der zweiten Halfte ad Scrofulas (so Tab. Pent, VII 3. Scrofula^ 

des 7. Jhdts. der heilige Emmeram seine Ruhe- Geogr. Rav IV 7 S. 190, 15 Pinder), eine Statioi 

statte fand, bis seine Gebeine 778 in die Krypta in Moesia superior an der Strafie von Viminaciuni 
derselben Kirche uberfubrt wurden, weshalb die 20 nach Durostorum, m. p. X hinter ad Novas (Golur 

Kirche und das dabei entstehende Kloster nach bac), m. p. XV vor Taliatis (an der Itfiindung des 

Ihm benannt wurden. Die einwandernden Baiua- Porec etwa bei der heutigen Klisura). Aus eineir 

ren, die wohl zum groBten Teile schon arianisehe Felseninschrift auf dem rechten Donauufer siid;- 

Christen waren, wurden bald durch ihre Herzogs- lich von Drenkova aus dem J. 92/93 n. Chr. (GIL 

familie, die bereits im 6. Jhdt. katholisch war, III 13813 d) erfahren wir von der Wiederherstel- 

und durch die sitzengebliebene romanische Bevol- lung des [it]er scr(o)fularum vetustate et incursu 

kerung zum Katholizismus bekehrt. Bischofssitz Danuvi c[or]ruptum. Drei andere ganz verstum- 

ist R. wahrscheinlich schon in romischer Zeit ge- incite Inschriften aus derselben Gegend (GIL III 

wesen, da die kirchliche Organisation der staat- 13813 a — c) aus der Zeit der Kaiser Titus und 
lichen folgte, Heuwieser 165, doch war die 30 Domitian (80 — 93) behandeln vielleicht die Er- 

Succession von der romischen Zeit her nicht bauung bzw. Wiederherstellung dieser Strafie. 

liickenlos, Heuwieser 178. Im 7. Jhdt. werden Miller Itin. Rom. 501 sucht S. bei dem heu- 

als Bisohofe genannt Emmeram, Raipert, Lupus, tigen Dobia unterhalb Bosman. 
Ilatharius und Erhard. Im J. 739 wurde die Kirche [W. Tomaschek f — Max Fluss.] 

von Bonifatius neu organisiert und der Abt des 



GESCHIGHTE 
DES UNTERGANGS DER ANTIKEN WELT 

Von DR. OTTO SEECK 

weil. Universitatsprofessor an der Universitat Mtinster 

6 Tcxtbande mit 6 Anmerkungsbanden 

ERSTER BAND: Die Anfange Constantins des GroBcn 

Vcrfall der antiken Welt 

4. Aufl^ge 1921. 440 Seiten. 80. Gehcftct RM 345, Gebunden RM 4.50 

Anmerkungen hierzu: 187 Seiten. 8^. Geheftet RM 2.25, Gebunden RM 3.50 

ZWEITER BAND: Die Verwaltung des Reiches 

Religion und Sittlichkeit 

2. verm, und verb. Aufl. 1921. 468 Seit. 8^. Geheftet RM 3.15. Gebund. RM4.50 

Anmerkungen hierzu: 159Se4ten. S^, Geheftet RM 2.25. Ganzleinen RM 3.50 

DRITTER BAND: Religion und Sittlichkeit (Fortsetzung) 
2. verb. Auflage 1921. 457 Seiten. S^ Geheftet RM 3.15, Gebunden RM 4.50 
Anmerkungen hierzu: 134 Seiten. 8<^. Geheftet RM 2.25, Gebunden RM 3.50 

VIERTER BAND: Die Constantinische Dynastie 
2. Auflage 1922. 379 Seiten. 8^. Geheftet RM 3.15, Gebunden RM 4.50 
Anmerkungen hierzu: 158 Seiten. 8<>. Geheftet RM 2.25, Gebunden RM 3.50 

FtJNFTER BAND: Valentinian und seine Familie 

Die Auflosung des Reiches 

2. Auflage 1928. 424 Seiten. 8«. Geheftet RM 3.15, Gebunden RM 4.50 

Anmerkungen hierzu: 2. Aufl. 1934. 203 Seit. 8 ». Geheft. RM 2.25, Geb. RM3.50 

SECHSTER BAND: Die Auflosung des Reiches (Fortsetzung) 

1920. 389 Seiten. 8^. Geheftet RM 3.15, Gebunden RM 4.50 

Anmerkungen hierzu: 124 Seiten. 8^ Geheftet RM 2.25, Gebunden RM 3.50 

Der beste Kenner der spatromischen Geschichte hat hiermit ein Werk hinter- 
lassen, das, wie er selbst sagt, nicht nur dem Gelehrten bei seiner Forschung 
dienen, sondern auch den Gebildeten an einem charakteristischen Beispiel in 
die Gesetze des historischen Werdens und Vergehens einfiihren will. Die rund 
200 Jahre von Diocletian bis zum Ende des westromischen Kaisertums lafit er 
in glanzender Darstellung vor dem Leser erstehen. 

(Byzantinisch-NeugriechischeJahrbiichcr) 

J.B.Metzlersche VerlagsbuGhhandlttng / Stuttgart