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Full text of "Sammelbände der internationalen Musikgesellschaft 05 1903-04"

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SAMMELBANDE 


DER 


INTERNATIONALEN  MUSIK- 
GESELLSCHAFT 

Fttnfter  Jshrgsng  1903-1904 


Herausgegeben 


von 


Max  Seiffert 


LEIPZIG 

DRUCK  DND  YERLAG  VON  BRE1TK0PF  &  HARTEL 


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H"*i*f* 


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INHALT. 


Seit« 
Abraham,  Otto,  und  von  Hornbostel,  Erich  M.  (Berlin). 

Phonographierte  indische  Melodien 348 

Barclay  Squire,  William  (London). 

PurcelTs  Dramatic  Music 489 

Bruckner,  Fritz  (Leipzig). 

Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel 571 

Ecorcheville,  J.  (Paris). 

Note  sur  un  fonds  de  musique  francaise  de  la  Bibliotheque  de  Cassel.    .    .     155 
Fischer,  0.  (Prag). 

Zum  musikalischen  Standpunkte  des  Nordischen  Dichterkreises 245 

Nachtrag 475 

von  Hornbostel,  Erich  M.,  siehe  Abraham. 
Ludwig,  Friedrich  (Potsdam). 

Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter  II: 

Die  50  Beispiele  Coussemaker's  aus  der  Handschrifb  von  Montpellier  .     177 
Maclean,  Charles  (London). 

Berlioz  and  England 314 

Meinecke,  Ludwig  (Wiesbaden). 

Michael  Altenburg 1 

Mennicke,  Carl  (Leipzig). 

Johann  Adolph  Hasse.    Eine  biographische  Skizze 230 

Nachtrag 469 

Muller,  Hermann  (Paderborn). 

Zur  Musiklehre  des  Joannes  de  Grocheo * 175 

Aus  schlesischen  Visitationsberichten 225 

Niecks,  Frederick  (Edinburgh). 

General  Culture  and  Musicians 337 

Niemann,  Walter  (Leipzig). 

Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart 91 

Pedrell,  Felipe  (Madrid). 

La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII©  siecle 46 


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iv  Inhalt. 

8eit© 

Prod'homme,  J.-Gr.   Paris;. 

Notes  sur  plusieurs  musiciens  frangais  du  XVIe  siecle 172 

Bibliographic  berliozienne 622 

Rychnovsky,  Ernst  (Prag). 

Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz 263 

Sandberger,  Adolf  (Miinchen;. 

Roland  Lassus1  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur 402 

Schering,  Arnold  (Leipzig). 

Zur  Bachforschung  II 665 

Schiedermair,  Ludwig  (Pirmasensj. 

Die  Anfange  der  Munchener  Oper 442 

Seiffert,  Max  (Berlin). 

Joh.  Pachelbel's  »Musikalische  Sterbensgedanken< 476 

Sonneck,  0.  G.  ("Washington  . 

Francis  Hopkinson  (1737—1791).    The  first  American  Composer 119 

Nordamerikanische  Musikbibliotheken.    Einige  Winke  flir  Studienreisende  .     829 


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Michael  Altenburg. 

Ein   Beitrag   zur  Geschichte  der  evangelischen   Kirchenmusik 


Ludwig  Meinecke. 

(Wiesbaden.) 


Einleitung1)- 

Seit  dem  Erscheinen  von  Winterfeld's  bedeutendem  Werk  >Der  evan- 
gelische  Kirchengesang*  (1843  und  1845),  das,  obwohl  es  in  vielen 
Einzelheiten  iiberholt  ist,  noch  heute  fiir  die  Forschung  auf  dem  Grebiete 
der  evangelischen  Kirchenmusik  unentbehriich  ist.  sind  eine  ganze  Eeihe 
hervorragender  Arbeiten  veroffentlicht  worden,  welche  uns  die  Meister 
vergangener  Jahrhunderte  wieder  naher  gebracht  haben.  Die  beiden 
groBten  protestantischen  Meister  Heinrich  Schiitz  und  Johann  Sebastian 
Bach  haben  in  Philipp  Spitta  den  berufensten  Biographen  gefunden, 
ihre  Werke,  die  vollstandig  in  Neuausgabe  vorliegen,  bilden  den  kostr 
baren  Besitz  einer  jeden  groBeren  musikalischen  Bibliothek.  Leben  und 
Wirken  des  Leipziger  Thomaskantors  Johann  Hermann  Schein  ist  von 
Arthur  Prufer2)  eingehend  behandelt  worden,  der  zugleich  eine  Neuheraus- 
gabe  seiner  Werke  besorgt.  Der  dritte  der  drei  groBen  »S«,  Samuel 
Scheidt,  hat  in  Arno  Werner  einen  Biographen  gefunden3).  Von  Jo- 
hannes Eccard  und  Hans  Leo  HaBler  liegen  wenigstens  die  Haupt- 
werke  in  Neuausgabe  vor,  wenn  auch  das  biographische  Material  noch 
hochst  liickenhaft  ist.  Von  Michael  Altenburg,  dem  Meister,  der  uns 
im  Folgenden  beschaftigen  soil,  und  der  neben  Schtitz,  Schein,  Melchior 
Franck,  Michael  Praetorius  und  anderen  zu  den  am  meisten  geschatzten 
kirchlichen  Tonsetzern  seiner  Zeit  gehorte,  hat  der  durch  seine  rege 
Tatigkeit  als  Herausgeber  alterer  kirchlicher  Chormusik  bekannte  G.  W. 
Teschner  11  Q-esange  veroffentlicht;  auBerdem  finden  sich  noch  einige 
mehrstimmige  Satze4)  Altenburg's  bei  Winterfeld  Band  H,  Schober- 


1)  Allen  denen,  die  mich  bei  meiner  Arbeit  unterstutzten ,  insbesondere  Herrn 
Professor  Dr.  Flei  scher,  Herrn  Dr.  Wolf  und  Herrn  Oberbibliothekar  Dr.  Kopfer- 
mann  sage  ich  meinen  herzlichsten  Dank. 

2)  Habilitationsschrift,  J.  H.  Schein,  Leipzig,  1895. 

3)  Sammelbande  der  IMG.,  1900,  Samuel  und  Gottfried  Scheidt,  neue  Beitrage 
zu  ihrer  Biographie. 

4)  Ein  Verzeichnis  derselben  findet  sich  in  Eitner's  Monatsheften  Band  XI,  1879 
in  der  biographischen  Skizze  iiber  Altenburg  von  Auberlen. 

S.  d.  I.  M.    V.  1 


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2  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

lein  »Schatz  des  Kturgischen  Ohor-  und  Gemeindegesanges*  und  Kiim- 
merle  >Choralbuch  fiir  evangelische  Kirchench6re«.  Winterfeld,  der  in 
seinem  >Evangelischen  Kirchengesang*  (II,  Seite  78—87)  Altenburg  einer 
langeren  Betrachtung  wtirdigt,  urteilt  nur  auf  Grund  der  Kenntnis  weniger 
Werke,  seine  kritischen  Betrachtungen  konnen  uns  also  kein  vollstandiges 
Bild  von  dem  Schaffen  Altenburg's  geben.  Ein  Beitrag  zur  Biographie 
erschien  in  den  von  Eitner  herausgegebenen  Monatsheften  fiir  Musik- 
geschichte1)  von  Ad.  Auberlen,  der  als  die  von  ihm  benutzten  Quellen 
folgende  6  Werke  anfuhrt: 

1)  J.  C.  Olearius,  Evangelischer  Liederschatz,  Andrer  Teil,  Jena  1705, 
Seite  140:  Dom.  Exaudi,  Verzage  nicht,  o  Hauflein  klein. 

2)  J.  C.  Wetzel,  Hymnopoeographia,  Herrnstadt  1719,  1.  Teil,  Seite  48 ff. 

3)  Walther,  Musicalisches  Lexicon,  Leipzig  1732,  Seite  29. 

4)  J.   C.   Motschmann,    Erfortia    literata,    Fortsetzung,    Erfurt    1737, 
Seite  650—653.     M.  Michael  Altenburg,  Pastor  St.  Andrea. 

5)  Gerber,  Altes  Lexicon,  1790,  Seite  34  und 

6)  Gerber,  Neues  Lexicon  I,  Seite  80. 

Die  spateren  Lexika  stiitzen  sich  auf  Gerber,  selbst  Winterfeld  und 
die  Allgemeine  Deutsche  Biographie.  Ein  Verzeichnis  aller  bekannten 
Werke  Altenburg's  findet  sich  in  Eitner's  Quellen-Lexikon  Band  I. 

Das  vorliegende  biographische  Material  iiber  Altenburg  konnte  von 
mir  in  verschiedenen  Punkten  erganzt  werden,  nicht  zum  geringsten  Teil 
dank  der  Unterstiitzung,  die  ich  bei  den  Herren  Pastoren  derjenigen  Ge- 
meinden  fand,  in  denen  Altenburg  vor  bald  300  Jahren  als  Prediger  wirkte, 
und  dank  der  Liebenswiirdigkeit,  mit  der  Herr  Stadtarchivar  Dr.  Over- 
mann  zu  Erfurt  meine  Bitte  um  Nachforschungen  erfiillte. 

I.  Kapitel. 

Michael  Altenburg  wurde  am  27.  Mai  1584  zu  Alach,  einem  von 
Erfurt  eine  Stunde  entfernt  gelegenen  Dorfe,  als  Sohn  eines  wohlhabenden 
Schmiedes  geboren.  Olearius,  Wetzel  und  Walther  geben  Trochtel- 
born  als  Geburtsort  an,  sind  aber  von  Motschmann  berichtigt  worden, 
der  zum  ersten  Male  den  richtigen  Geburtsort  Alach  angibt.  >Im  Alter 
von  6  Jahren  brachte  ihn  sein  Vater  nach  Erfurt  und  sparte  keine 
Kosten,  die  zu  seiner  Unterweisung  erfordert  wurden*.  Schon  Michaelis 
1598  bezog  der  junge  Altenburg  die  Erfurter  Universitat  unter  dem 
Rektorat  Doctoris  Henrici  Selge,  um  sich  dem  Studium  der  Theologie 
zu  widmen.    In  der  Matrikel2)  steht  er  als  »  Michael  Aldenburgius  de 


1)  XI.  Jahrgang,  1879,  Nr.  11. 

2)  Studenten-Verzeichnisse  der  Erfurter  Universitat  bis  1636  in  den  Geschichts- 
quellen  der  Provinz  Sachsen,  Halle  1884. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  13 

Alich*  verzeichnet  und  zwar  in  der  Klasse  derer,  *qui  octo  grossos  sol- 
venmt*  K) 

Schon  1599  unter  dem  Dekanat  M.  Simeon  Binckepanck's  wurde 
Altenburg  Baccalaureus  und  Anno  1602  unter  M.  Ant.  Mocker  Magister. 
Wir  miissen  also  annehmen,  daB  er  bei  der  Musik  seine  Hauptstudia 
keineswegs  versaumt  hat,  welches  Zeugnis  ihm  auch  von  Motschmann 
ausgestellt  wird,  der  noch  hinzufiigt,  daB  er  ein  >guter  Theologe*  war. 

Schon  1600  hatte  Altenburg  die  Stelle  eines  »Schul-Kollegen«  an 
der  Reglerschule  zu  Erfurt  bekleidet,  und  im  Jahre  1601  wurde  er  als 
Kantor  an  die  Gemeinde  St.  Andrea  berufen2).  1604,  also  im  Alter 
von  20  Jahren,  verheiratete  er  sich  mit  »Catharinen,  Martin  Beyers,  Tuch- 
scherers  aus  Buttstadt  Tochter*,  aus  welcher  Ehe  13  Kinder  entsprossen3). 
Man  muB  mit  seinen  padagogischen  Erfolgen  recht  zufrieden  gewesen 
sein,  da  man  ihm  1607  das  Bektorat  der  Reglerschule  anvertraute4). 
Daneben  behielt  er  aber  doch  das  Kantorat  an  St.  Andrea  bei,  wie  man 
aus  dem  Titelblatt  seiner  ersten  gedruckten  Komposition,  dem  »53.  Kapitel 
des  Jesaiasc  aus  dem  Jahre  1608  ersieht,  wo  er  sich  »der  Schulen  S. 
Andreae  zu  Erffurt  Cantorem*  nennt. 

So  verhaltnismaBig  klar  wir  uber  Altenburg's  wissenschaftliche  Ent- 
wicklung  unterrichtet  sind,  so  fehlen  Belege  fur  sein  Werden  als  Musiker 
vollstandig.  Die  erwahnte  aus  dem  Jahre  1608  stammende  Komposition 
des  24jahrigen  weist  schon  ein  hervorragendes  Konnen  auf,  sodaB  wir 
annehmen  miissen,  ihr  Schopfer  habe  sich  mit  dem  technischen  Werkzeug 
eines  Komponisten  von  Jugend  auf  vertraut  gemacht.  Wem  er  aber 
seine  musikalische  Ausbildung  zu  verdanken  hat,  habe  ich  nicht  fest- 
stellen  konnen.  Der  Umstand  jedoch,  daB  Hieronymus  Praetorius, 
der  beriihmte  Hamburger  Meister;  in  den  Jahren  1580  —  1582  Kantor  zu 
Erfurt  war,  berechtigt  zu  der  Annahme,  daB  seine  Nachfolger  immerhin 
recht  tiichtige  Musiker  gewesen  sind,  wenn  ihre  Namen  auch  nicht  auf 
uns  gekommen  sind.  Einem  von  diesen  Kantoren  wird  Altenburg  wohl 
seine  musikalische  Ausbildung  zu  verdanken  haben,  und  zwar  muB  er 
als  17jahriger  Jiingling  schon  iiber  tiichtige  Kenntnisse  verfiigt  haben, 
sonst  hatte  man  ihm  wohl  kaum  im  Jahre  1601  das  Kantorat  an  St. 
Andrea  iibertragen.  Das  oben  erwahnte  Erstlingswerk  Altenburg's  ist 
auch  dadurch  von  Interesse,  daB  ihm  ein  Bild  des  Komponisten  beige- 

1)  Je  nach  der  Summa,  die  der  Student  bei  der  Immatrikulation  entricbtete,  wurde 
sein  Name  in  eine  der  folgenden  »Klassen«  der  Matrikel  eingetra^en: 

Erste  Klasse:  qui  plus  solito  dederunt, 
Zweite    »         qui  octo  grossos  dederunt 
Dritte      »         qui  inacqualitcr  solvcrunt 
Vierte     »         qui  gratis  iimeripti. 

2)  Motschmann,  Erfortia  literata. 
3;  Ebenda.  4   Ebenda. 

1* 


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4  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

geben  ist,  das  einzige,  das  wir  von  ihm  besitzen1).  Es  zeigt  uns  den 
damals  24jahrigen  als  einen  kraftigen  Mann  mit  energischen  Ziigen, 
starkem  Schnurrbart  und  Spitzbart,  auf  ein  Notenblatt  blickend;  umgeben 
ist  das  Bild  yon  Orgel,  Lauten,  Trompeten,  Zinken  und  einer  Viole 
mit  6  Saiten. 

1609  kam  Altenburg  ins  Predigt-Amt,  da  er  zum  Pastor  der  beiden 
Gemeinden  Hversgehofen  und  Marpach  berufen  wurde2).  Uber  den 
Aufenthalt  in  Ilversgehofen  kann  ich  keine  naheren  Mitteilungen  machen, 
da  das  dortige  Kirchenbuch  erst  mit  dem  Jahr  1616  beginnt.  Doch 
findet  sich  darin  ein  » Index  et  catalogus  Pastorum  Ilversgehofianorum 
ab  initio  repurgatae  religionis,  quantum  memoria  et  relatione  aliorum 
colligere  potui**),  worm  es  heiBt: 

>M.  Michael  Altenburg  Alicensis  fere  annos  II  venit  Trochtelbornwn  anno 
1610  Musicae  inprimis  Studiosus4).* 

Wie  aus  dieser  Notiz  hervorgeht,  hat  sich  Altenburg  besonders  der 
Musik  befleiBigt,  sicherlich  auch  der  Pflege  des  Pigural-  und  Gemeinde- 
gesangs  sein  Interesse  zugewandt  und  vielleicht  auch  das  eine  oder  das 
andere  der  yon  Trochtelborn  aus  in  Druck  gegebenen  Werke  schon  hier 
geschrieben. 

Von  Ilversgehofen  kam  Altenburg  im  Jahre  1610  als  Pastor  nach 
Trochtelborn,  einem  zu  Erfurt  gehorigen  Dorfe.  In  alien  Werken,  die 
biographisches  Material  uber  Altenburg  bringen,  findet  sich  zwar  das 
Jahr  1611  als  dasjenige,  in  welchem  er  die  Stellung  in  Trochtelborn 
angetreten  habe,  verzeichnet.  Allein  der  Notiz  aus  Ilversgehofen  » venit 
Trochtelbornum  anno  1610*  diirfen  wir  mehr  Glauben  schenken,  als  den 
Angaben  seiner  Biographen,  deren  erster,  Olearius,  mit  seinem  Werk 
»Evangelischer  Liederschatz  Andrer  Teil«  erst  ungefahr  100  Jahre  spater 
im  Jahre  1705  herauskam.  Die  in  Trochtelborn  verbrachten  Jahre  bis 
1621  milssen  fiir  Altenburg  die  gliicklichsten  seines  Lebens  gewesen  sein, 
da  fast  alle  seine  Werke  hier  entstanden.  Wir  miissen  geradezu  staunen, 
daB  er  neben  seinen  Amtsgeschaften  Zeit  und  MuBe  fand,  die  Musik  in 
so  ausgedehnter  Weise  zu  pflegen,  daB  hier  nicht  weniger  als  12  zum 
Teil  recht  umfangreiche  Werke  entstehen  konnten5). 

Wie  zu  dieser  Zeit  in  Thiiringen6)    allgemein,    so   mag  es  auch  in 

1)  Exemplar  in  der  Bibliothek  der  Ritterakademie  zu  Liegnitz. 

2)  Motschmann,  Erfortia  literata. 

3)  und  4)  Diese  Notiz  verdanke  ich  der  Liebenawiirdigkeit  des  Herrn  Pastor 
Goehring  zu  Ilversgehofen. 

5)  Es  miissen  sogar  noch  mehr  gewesen  sein,  wie  man  aus  den  Vorreden  ersieht, 
in  denen  auf  das  baldige  Erscheinen  von  Werken  hingewiesen  wird,  die  aber  nicht 
auf  uns  gekommen  sind. 

6)  Siehe  Arno  Werner,  Geschichte  der  Kantorei-Gesellschaften  im  Gebiete  des 
ehemaligen  Kurfdrstentums  Sachsen,  erschienen  als  Beiheft  IX  der  IMG. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  5 

Trochtelborn  eine  Kantorei  gegeben  haben,  deren  Mitglieder  sich  die 
Aufgabe  stellten,  den  Q-ottesdienst  durch  Pigural-  und  Instrumentalmusik 
zu  verschonern.  Und  fiir  den  Gebrauch  dieser  Kantoreien  mag  Altenburg 
in  erster  Linie  seine  Werke  gesetzt  haben,  denn  fiir  den  Gemeindegesang 
waren  sie  in  ihrer  meist  motettenhaften  Behandlung  und  mit  ihrer  in 
den  verschiedenen  Stimmen  abwechselnd  auftauchenden  Melodie  zu 
schwierig,  im  Gegensatz  etwa  zu  Eccard's  geistlichen  Liedern1),  die  mit 
ihrer  klar  in  der  Oberstimme  liegenden  Melodie  ein  Mitsingen  der  Ge- 
meinde  ohne  weiteres  zulieBen. 

Welches  Ansehen  Altenburg  bei  der  Trochtelborner  Gemeinde  ge- 
nossen  haben  muB,  geht  unter  anderem  daraus  hervor,  daB  sein  Bild  an 
der  Orgel  angebracht  wurde  und  nach  Gerber2)  noch  im  Jahre  1812 
•dort  zu  sehen  war.  Jetzt  ist  es  verschwunden,  wie  mir  Herr  Pfarrer 
Koch  zu  Trochtelborn  mitteilt,  auch  konnen  sich  die  altesten  Leute 
seiner  Gemeinde  des  Bildes  nicht  mehr  entsinnen,  es  muB  daher  bei  der 
groBen  Reparatur  der  Kirche  im  Jahre  1822  zerstort  worden  sein.  Nahere 
Angaben  iiber  Altenburg's  Wirken  in  Trochtelborn  konnte  mir  Herr 
Pfarrer  Koch  nicht  machen,  da  die  Kirchenbucher  erst  von  1648  an 
vorhanden  sind8). 

Doch  hatte  er  die  Freundlichkeit,  mir  einen  Druckabzug  eines  von 
ihm  veroffentlichten4)  Dorfberichts  aus  dem  Jahre  1589  zu  ubersenden 5), 
in  dem  unter  anderem  die  Gehalts-Verhaltnisse  des  Trochtelborner  Pfarrers 
erwahnt  werden.  Bei  dem  Konservativismus  der  damaligen  Zeit  darf 
man  annehmen,  daB  20  Jahre  spater,  zu  Altenburg's  Zeit,  die  Verhalt- 
nisse  sich  nicht  wesentlich  geandert  haben  werden.     Der  Bericht  lautet: 

»Die  Pfarr  Kirche  zu  Trochtelborn  ist  genand  zu  Sanct  Bonifacio  unndt 

gehet    zu   Lehen    Vom u. 6)    Hochw.  Rahte    zu   Erffurdt,    der   itziger 

besitzer  ist  Herr  J  oh  an  n  Rottstedt  unndt  hat  sie  nun  in  das  17.  Jahr  bedient. 
Der  Pfarrer  hat  jahrlich  ein  Zukommen  9  Malter  Korn  gemangk  unndt  schon 
Korn  decimation,  2  Hufen  Landes  hat  Er  unter  seinem  pfluge  zu  gebrauchen, 
darin  gehoren  zween  Acker  Wiesen.  8  Schneeberger  An  gelde  und  Htih- 
nern  zu  Erbzinsen;  3  schneebr.  von  einem  alten  menschen  zu  begraben, 
unndt  von  einem  Jungen  so  nicht  communicirct  hat  15  d.« 

Von  Trochtelborn  aus  muB  sich  der  Ruhm  unseres  Meisters  weithin 


1)  Geistliche  Lieder  auf  den  Choral  mit  5  Stimmen  1597.     Neue  Ausgabe  von 
Teschner. 

2;  Neues  historisches  biographisches  Lexikon  der  Tonkiinstler  1812. 

3)  Auch  im  Erfurter  Stadtarchiv  sind  die  Kirchenakten  von  Trochtelborn  erst  von 
1668  an  vorhanden,  wie  mir  Herr  Stadtarchivar  Dr.  Overmann  mitteilt. 

4)  Vierteljahrszeitschrift  fiir  Gothaische  Geschichte  und  Altertumsforschung  II,  134  ff. 

5)  Ich  sage  Herrn  Pfarrer  Koch  fiir  die  Liebenswiirdigkeit ,  mit  der  er  mich 
unterstiitzt  hat,  meinen  verbindlichsten  Dank, 

6)  LUckenhafte  Stelle. 


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6  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

verbreitet  haben,  denn  Motschmann  teilt  mit1),  daB  aus  Deutschland 
die  Liebhaber  der  Musik  ihn  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  suchten, 
auch  der  zu  solcher  Zeit  beriihmte  Musikus  in  Niedersachsen  Michael 
Praetorius  ihm  seine  Sohne  zur  Unterweisung  hierin  anvertraute.  Ob 
nun  Praetorius'  Sohne  in  Trochtelborn  den  Unterricht  Altenburg's  ge- 
nossen  oder  schon  friiher  in  Erfurt  oder  Ilversgehofen,  laBt  sich  nicht 
feststellen,  vielleicht  besuchten  sie  in  Erfurt  das  Gymnasium  und  wan- 
derten  gelegentlich  nach  Trochtelborn  heraus  (3  Stunden),  urn  sich  von 
Altenburg  unterweisen  zu  lassen.  Es  ist  aber  nicht  bekannt,  daB  einer 
dieser  Sohne  in  der  Musik  etwas  Besonderes  geleistet  habe,  auch  die 
Erfurter  Universitat  haben  sie  nicht  besucht,  wie  ich  aus  der  Matrikel 
feststellen  konnte.  Auf  jeden  Pall  diirfen  wir  annehmen,  daB  Praetorius 
mit  Altenburg  personlich  bekannt  war,  da  er  ihm  sonst  wohl  kaum  die • 
Erziehung  seiner  Sohne  anvertraut  hatte.  Auch  spricht  der  Umstand, 
daB  Altenburg  in  seinem  1617  erschienenen  »Gaudium  Christianum*  3 
Chore  nebst  Instrumenten  anwendet,  dafiir,  daB  er  von  dem  Bewunderer 
der  Italiener  Michael  Praetorius  die  Anregung  zu  dieser  besonders  bei 
den  Venetianern  gebrauchlichen  Satzweise  erhalten  hat,  und  zwar  zu 
einer  Zeit,  als  der  dritte  Teil  von  Praetorius'  » Syntagma*  (er  handelt 
von  jetziger  neuer  Art  und  Italienischer  Manier  in  der  Musik)  noch  nicht 
im  Druck  erschienen  war,  also  nur  personliche  Anregungen  in  Betracht 
kommen  konnten.  DaB  schon  im  Jahre  1616  Altenburg's  Ruf  fest  bc- 
grlindet  war,  ergibt  sich  auch  daraus,  daB  Burckhardt  GroBmann, 
Fiirstl.  Sachs.  Amptschosser  zu  Jena,  der  in  diesem  Jahre  an  16  her- 
vorragende  Komponisten  die  Bitte  richtete,  den  116  Psalm2)  zu  kompo- 
nieren,  neben  Schiitz,  Schein,  Melchior  Franck,  Michael  Praetorius,  De- 
mantius  und  anderen  auch  unseren  Altenburg  der  Teilnahme  fur  wiirdig 
hielt. 

Von  Trochtelborn  kam  Altenburg  im  Jahre  1621  als  Prediger  an  die 
Bonifacius-Gemeinde  in  GroBen-Sommerda8).  Die  im  Erfurter  Stadtarchiv 
befindlichen  Akten4)  von  Sommerda  enthalten  ein  unseren  Altenburg 
betreffendes  Aktenstiick.  Es  ist  der  von  Altenburg  (er  selbst  schreibt 
sich  darin  Michael  Aldenburck)  eigenhandig  geschriebene  und  mit  seinem 
Petschaft  versiegelte,  vom  23.  Februar  1622  aus  Erfurt  datierte  Revers 
fur  den  Rat  zu  Erfurt,  worin  er  verspricht,  nachdem  er  von  der  Ge- 
meinde  St.  Bonifacius  zu  Sommerda  einstimmig  zum  Pfarrer  erwahlt 
worden  sei,  den  (in  dem  Schriftstiick  einzeln  aufgefiihrten)  Pflichten  seines 

1)  Erfortia  literata. 

2)  Derselbe  erachien  1623  zu  Jena  unter  dem  Titel  »Angst  der  Hellen  und  Friede 
der  Seelenc,  Exemplar  auf  der  Berliner  Bibliothek. 

3)  Zur  Unter8cheidung  von  dem  sachsischcn  Wenigen-Sommerda. 
4j  Signatur:  X,  c  Nr.  7. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  7 

neuen  Amies  getreulich  ne^chzukommen !).  DaB  Altenburg  einstimmig 
zum  Pfarrer  gewahlt  wurde,  beweist,  daB  er  auch  als  Prediger  in  groBem 
Ansehen  gestanden  haben  muB,  doch  mogen  daneben  auch  die  Musik- 
Auff iihrungen  zu  Trochtelborn,  die  sich  sicherlich  in  den  Erfurter  Landen 
herumsprachen,  die  Wahl  nicht  ungiinstig  beeinfluBt  haben.  Da  der 
erwahnte  Revers  vom  Februar  1622  datiert  ist,  so  mag  Altenburg  gegen 
Ende  des  Jahres  1621  seine  neue  Stellung  angetreten  haben,  -wie  es  auch 
seine  Biographen  angeben. 

Doch  sollten  solche  gliicklichen  Tage  wie  zu  Trochtelborn,  die  neben 
den  Amtspflichten  in  so  weitem  MaBe  die  Pflege  der  Musik  zuliefien, 
nicht  wiederkommen!  Der  30jahrige  Krieg,  dessen  Schauplatz  in  den 
ersten  Jahren  Bohmen  und  die  Pfalz  gewesen  war,  kam  mit  seinen 
Schrecken  auch  in  die  Thuringer  Lande.  Gleich  im  ersten  Jahre  1622 
hatte  Sommerda  viel  unter  den  Einquartierungen  und  Kriegs-Kontributionen 
zu  leiden,  »es  zogeu  bestandig  Kriegsvolker  durch  diesen  Ort  und  war 
man  selten  frei  von  Einlogierungen«  *). 

Aus  dem  Jahr  1623  berichtet  ein  Rats-Protokoll,  daB  am  22.  Januar 
1500  Mann  unter  Herzog  Friedrich  von  Altenburg  den  Ort  verlieBen, 
nachdem  sie  7  Wochen  dort  gelegen  hatten.  Wahrend  dieser  Zeit  wurden 
iiber  45  Hauser  gepliindert3).  Ln  Februar  schatzte  man  den  Gesamt- 
schaden  auf  20500  Taler4).  Die  folgenden  Jahre  brachten  Sommerda  im 
allgemeinen  Ruhe,  und  Altenburg  konnte  daher  1624  seinen  Sohn  Michael 
auf  die  Erfurter  Universitat  schicken;  er  findet  sich  in  der  Matrikel5) 
als  » Michael  Aldenberger  Erfordensis«  in  der  dritten  Klasse  (minus  so- 
lito  solventes)  verzeichnet,  und  zwar  zahlte  er  4  Groschen  Einschreibe- 
gebuhr,  wahrend  sein  Vater  26  Jahre  vorher  8  Groschen  bezahlt  hatte. 
Da  der  junge  Altenburg  als  »Erfordensis«  bezeichnet  ist,  so  miissen  wir 
sein  Geburtsjahr  zwischen  den  Jahren  1604 — 1608  suchen,  zu  welcher 
Zeit  sein  Vater  Kantor  an  St.  Andrea  war.  Uber  die  Wahl  des  Studiums 
und  liber  die  ferneren  Lebensschicksale  des  jungen  Altenburg  ist  uns 
nichts  bekannt. 

Die  Jahre  1627  und  1628  brachten  fur  Sommerda  wieder  die  Schrecken 
des  Krieges,  und  das  Jahr  1629  forderte  ungeheure  Opfer.  Am  19.  April 
lag  der  Oberst  Altringer  mit  5000  Mann  in  der  Stadt,   spater  Coltalto 


1)  Herr  Stadtarchivar  Dr.  Overmann,  dem  ich  diese  Nachricht  verdanke,  teilte 
mir  gleichzeitig  mit,  daB  weitere  Akten  iiber  A.  nicht  vorhanden  seien. 

2)  Hesse,  Aus  Sommerdas  Vergangenheit,  Erfurt  1898.  Den  Hinweis  auf  dieses 
Werk,  ebenso  die  Mitteilung,  daB  das  Kirchenbuch  erst  mit  1640  beginne,  verdanke 
ich  Herrn  Pastor  Dr.  WeiB  zu  Sommerda. 

3)  Hesse,  a.  a.  O.,  Seite  25.  4)  Hesse,  a.  a.  0.,  Seite  26. 

5)  Studenten-Verzeichnisse  der  Erfurter  Universitat  in  den  Geschichtsquellen  der 
Provinz  Sachsen  1884. 


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8  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

und  Isolani  mit  ihren  Truppen1).  Am  15.  September  1631  zog  Gustav 
Adolf  in  Sommerda  ein  und  weilte  drei  Tage  dort2),  und  in  der  folgenden 
Zeit  hatte  die  Stadt  auBer  kaiserlichen  Truppen  auch  noch  schwedische 
zu  verpflegen.  Die  Einquartierungen  der  folgenden  Jahre  wtirden  »ganze 
Bogen  fiillen*,  wollte  man  sie  vollstandig  auffiihren.  Im  Jahre  1636 
wiitete  die  Pest  in  der  Stadt  und  brachte  an  600  Menschen  den  Tod3). 
Den  2.  November  dieses  Jahres  »kam  der  kaiserliche  General  Ullfeld  mit 
4  Regimentern  allhier  an,  logierte  mit  denselben  2  Nacht  im  hiesigen 
Stadtlein,  nahm  das  Hauptquartier  auf  der  Pfarr  bei  Herrn  Michael 
Altenburg . . .  zur  Verpflegung  liquidierte  der  Pf arrer  Altenburg  24  Schock 
14  Groschen  fiir  allerhand  Viktualien,  so  ihm  bei  der  Einquartierung 
aufgegangen« 4).  Das  ist  das  einzige  Mai,  daB  Altenburg's  Name  in  Ver- 
bindung  mit  den  Kriegslasten  erwahnt  wird.  Aber  auch  sonst  wird  das 
Pfarrhaus  von  Einquartierungen  nicht  verschont  geblieben  sein,  und  der 
Pfarrer  mag  in  den  schweren  Zeiten  alles  Leid  mit  seiner  Gemeinde  ge- 
meinsam  getragen  haben.  DaB  ihm  bei  all  dem  Elend  und  den  Greueln, 
die  er  erleben  muBte,  das  Herz  nicht  auf  Musizieren  und  Komponieren 
stand,  nimmt  nicht  Wunder,  zumal  noch  schwere  Schicksalsschlage  in 
der  eigenen  Familie  hinzukamen.  1637  starb  Altenburg's  Frau,  mit  der 
er  33  Jahre  in  gliicklicher  Ehe  gelebt  hatte.  Auch  von  seinen  13  Kindern 
waren  im  Jahre  1640  nur  noch  drei  am  Leben 5).  Nach  dem  Tode  seiner 
Frau  schloB  Altenburg  eine  zweite  Ehe  mit  »Marthen,  einer  Witwe  Mart 
Quiritii,  wie  das  Leichenprogramm,  welches  der  Rektor  Akaderoia  D.  Tob. 
Lagus  gemacht  hat,  bezeiget*6). 

>1637  fliichtete  Altenburg  mit  Hinterlassung  alles  seines  Vermogens 
nach  Erfurt  und  muBte  anfangs  gar  kiimmerlich  leben,  bis  er  nach  Mr. 
fienr.  Starklopf's  Absterben  Diakonus  an  der  St.  Andrea  Kirche  wurde, 
und  dann  1638  dem  verstorbenen  Pastori  an  solcher  Kirche  M.  Sam. 
Wagnern  succedirete,  indem  er  aber  bei  den  vielen  und  harten  aus- 
gestandenen  Troublen  seine  Gesundheit  ziemlich  zugesetzt  hatte,  so  starb 
er  bald  darauf,  den  12.  Februar  Anno  1640  7).« 

Wie  so  vielen  hatte  auch  ihm  der  30jahrige  Krieg  jede  Schaffens- 
freude  genommen.  Seinem  Talent,  das  besonders  in  dem  vierten  Jahr- 
zehnt  seines  Lebens  so  schone  Bluten  gezeitigt  hatte,  war  es  nicht  ver- 
gonnt  gewesen,  alle  noch  in  ihm  schlummernden  Knospen  zur  vollen 
Entfaltung  zu  bringen. 

1)  Hesse,  a.  a.  0.,  Seite  27  und  28.  2)  Ebenda,  Seite  29. 

3)  Hesse,  a.  a.  0.,  Seite  32. 

4)  Ebenda,  Seite  33. 

5)  Motschmann,  Erfortia  literata. 

6)  Ebenda. 

7)  Ebenda, 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  9 

II.  Kapitel. 

Altenburg's  Werke,  die  nach  dejn  Gebrauch  der  damaligen  Zeit  nur 
in  Stimmbiichern  gedruckt  sind,  erschienen  alle  zwischen  den  Jahren 
1608  und  1623  bei  den  Erfurter  Verlegern  (beziehungsweise  Druckern), 
Jacob  Singe,  Martin  Wittel,  wohnhaft  zum  gulden  Engel,  Philipp  Wittel, 
Johann  fiohboclj  sowie  bei  Johann  Weidner  zu  Jena.  Leider  ist  der 
Druck  stellenweise  ungenau,  besonders  Pausen  fehlen  haufig  oder  siiid 
falsch  notiert.  Dasselbe  gilt  auch  von  den  Versetzungszeichen,  die  im 
aUgemeinen  fiir  die  betreffende  Note  beziehungsweise  fur  sofort  darauf 
folgende  Wiederholungen  gelten.  An  manchen  Stellen  war  es  schwierig 
festzustellen,  ob  man  geschwarzte  oder  leere  Noten  vor  sich  hat,  auch 
lieB  die  Textunterlage  oft  zu  wiinschen  iibrig.  Unter  diesen  Umstanden 
war  das  Zusammenstellen  einer  Partitur  oft  sehr  zeitraubend.  Die  No- 
tation ist  die  in  rautenformigen  einfachen  Mensuralnoten  ohne  Taktstriche. 
Letztere  kommen  nur  vor  als  Trennung  der  einzelnen  Zeilen  in  den  Note 
gegen  Note  gesetzten  Choralen.  Im  3/2  Takt  wird  die  Verschiebung  des 
Bhythmus  von  *  f  in  ?  °  durch  Schwarzung  der  betreffenden  Noten 
kenntlich  gemacht. 

Die  von  mir  benutzten  Druckwerke  befinden  sich  zum  grofiten  Teil 
in  der  koniglichen  Bibliothek  zu  Berlin,  auBerdem  in  der  Bibliothek 
der  Eitterakademie  zuLiegnitz,  in  der  Konigl.  Bibliothek  zu  Dresden 
und  in  der  Stadtbibliothek  zu  Breslau.  Eine  Motette  >Hochzeitliche 
musicalische  Frewde  auss  dem  Propheten  Esaia  am  62.  Capit.  |  zu  9  oder 
12  Stimmen*  *)  vom  18.  Januar  1620  wird  in  London  bewahrt;  in  die- 
selbe  habe  ich  keine  Einsicht  nehmen  konnen,  obwohl  ein  Vergleich  der 
Altenburgischen  Komposition  mit  der  von  Johann  Rudolph  Ahle2),  der 
kurz  nach  Altenburg's  Tode  Cantor  an  St.  Andreae  zu  Erfurt  war,  hochst 
interessant  gewesen  ware,  und  vielleicht  wie  in  andern  Fallen  Beziehungen 
zwischen  beiden  Meistern  ergeben  hatte. 

AuBerdem  gibtEitner  in  seinem  Quellen-Lexikon  an  >3  Stb.  4°  o.  Sign, 
von  1619:  Tanze  zu  5  Stimmen«,  doch  konnte  ich  dariiber  nichts  in  Erfahrung 
bringen.  Es  ist  sehr  bedauerlich,  daB  wir  von  Altenburg  kein  rein  welt- 
liches  Werk  haben,  da  wir  in  vielen  seiner  Kompositionen3)  eine  aus- 
gesprochene  Begabung  fiir  das  Volkstiimliche  und  Rhythmische  finden, 

1)  Aus  dem  weiteren  Wortlaut  des  Titels,  dessen  genaue  Kenntnis  ich  Herrn 
Barclay  Squire  vom  British  Museum  verdanke,  interessiert  die  Stelle:  >Darein 
zngleich  ein  |  Choral  Stimme  beneben  2.  Clareten  vnd  1.  Trom-  |  bet  gerichtet  ist  | 
doch  also  dass  die  Claret  vnd  Trombet  |  (wo  mans  nicht  haben  kan)  mogen  ausge- 
lassen  werdenc.  Das  Werk,  8  Stimmbucher  in  4°,  war  >zu  ErfFurdt  bei  Johann 
Rohbock  zum  griinen  Lowen  bey  S.  Gorgenc  gedruckt. 

2)  Erster  Teil  geistlicher  Dialoge  1648. 

3)  Zum  Beispiel  in  den  Kirmefigesangen  im  zweiten  Teil  der  »Kirchen-  und 
Hausgesangec.    Einige  Beispiele  folgen  sp'ater  bei  der  Besprechung  des  Werkes. 


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10  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

sodaB  wir  auch  auf  weltlichem  Gebiet  ansprechende  Leistungen  unseres 
Meisters  hatten  erwarten  diirfen. 

Im  16.  Jahrhundert  bahnte  sich  bereits  der  Ubergang  von  den 
alten  Kirchen-Tonarten  zur  modernen  Tonalitat  an.  Untersuchen  wir 
Altenburg's  Tonsatze  bezuglich  ihres  Verhaltnisses  zu  den  Kirchen-Ton- 
arten, so  finden  wir  das  Gef  iihl  fur  Dur  und  Moll  schon  stark  ausgepragt, 
daneben  finden  sich  auch  noch  manche  Anklange  an  die  alte  Zeit,  es 
diirfte  daher,  wie  schon  Winterfeld1)  bemerkt,  vergebliches  Bemiihen 
sein,  Altenburg's  Satze  auf  die  Kirchen-Tonarten  zuriickfiihren  zu  wollen. 
Die  den  Dur-Charakter  tragenden  Satze  bauen  sich  nur  auf  c  und  g  auf, 
Tonsatze  mit  Dur-Charakter  auf  den  Tonstufen  d,  e,  /j  a,  h  sind  nicht 
vorhanden;  die  auf  g  stehenden  verlieren  ihr  mixolydisches  Geprage  voll- 
kommen  dadurch,  dafi  die  kleine  Septime  f  fast  stets  in  fis  erhoht  ist 
—  von  diesen  Stiicken  kann  man  nur  sagen,  sie  stehen  in  Q-dur.  Weit- 
aus  die  meisten  von  Altenburg's  Tonsatzen  stehen  in  Moll  (etwa  3/4  von 
alien),  und  zwar  werden  d-moll  und  a-mott  bevorzugt,  diese  haben  auch 
teilweise  den  DominantschluB,  also  den  altkirchlichen  PlagalschluB.  Auch 
die  ganz  ausgesprochen  kirchlichen  Charakter  tragende  phrygische  Kadenz 
kommt  haufiger  vor,  doch  fehlen  rein  phrygische  Satze  vollkommen,  da 
die  auf  der  Tonstufe  e  sich  aufbauenden  durch  haufige  Modulationen 
nach  H-dur  ihren  phrygischen  Charakter  verlieren  und  nur  als  unser 
e-mott  erklart  werden  konnen. 

Ist  in  Bezug  auf  Tonarten  bei  Altenburg  ein  Bruch  mit  der  alten 
Zeit  zu  spiiren,  so  zeigt  er  sich  in  den  rhythmischen  Formen  als  dem 
16.  Jahrhundert  angehorig ;  haufig  wendet  er  in  seinen  Melodien  den  aus 
der  alteren  Volksweise  stammenden  rhythmischen  Wechsel  an  (der  auch 
den  meisten  kirchlichen  Weisen  des  16.  Jahrhunderts  eigentiimlich  ist) 
und  schaltet  da  mit  Freiheit  und  Verstandnis.  Die  spatere  Zeit,  der 
der  rhythniische  Wechsel  als  der  kirchlichen  Wurde  nicht  geziemend  er- 
schien,  streifte  ihn  allgemach  ab,  wohl  nicht  zum  Vorteil  der  betreffenden 
Melodien,  die  dadurch  viel  von  ihrem  Schwung  einbiiBten. 

Wie  HaBler,  so  macht  auch  Altenburg  haufig  von  einem  Wechsel  im 
Takt  Gebrauch,  um  dadurch  einen  Wechsel  im  Ausdruck  zu  erreichen. 
So  tritt  zum  Beispiel  bei  den  15  Gesangen  im  ersten  Teil  der  Kirchen- 
und  Hausgesange  bei  11  ein  Wechsel  des  4/2  Takts  in  den  z/2  Takt  ein 
und  zwar  stets  bei  Textstellen,  die  eine  froh  bewegte  Stimmung  aus- 
drucken  sollen,  zum  Beispiel:  >laBt  uns  freuen  in  dem  Herrn«  (Nr.  3), 
>drum  laBt  uns  freuen  und  frohlich  drinnen  sein«  (Nr.  7),  »Christ  der 
Herr  ist  erstanden*  (Nr.  10),  >Halleluja,  der  Herr  ist  nah,  des  sind  wir 
froh,  singen  in  dulci  jubilo«  (Nr.  11),  »Wie  prachtig  ist  dein  Herrlichkeit« 
(Nr.  13)  u.  s.  f.     Solche  im  3/2  Takt  stehende  Stellen  sind  Note  gegen 

1)  Band  II,  Seite  87. 

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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  11 

Note  gesetzt  (mit  gelegentlichen  Durchgangsnoten  besonders  bei  Kadenzen) 
und  bilden  mit  ihren  Dreiklang-  und  Sextakkord-Harmonien  einen  groBen 
kunstlerischen  Kontrast  zu  dem  vorausgehenden  polyphonen  Tongewebe. 
Man  darf  iiberhaupt  Altenburg  ein  enges  AnschlieBen  an  den  Text  nach- 
ruhmen,  seine  Kompositionen  iiberraschen  an  vielen  Stellen  durch 
Charakteristik  des  Ausdrucks.  Schon  in  seinem  ersten  Werk,  der  Pas- 
sions-Motette  iiber  das  53.  Kapitel  des  Jesaias  aus  dem  Jahre  1608  linden 
sich  Beispiele  hierfiir.  So  pflegt  der  Komponist  bei  Textstellen,  die  sich 
der  Gemeinde  fest  einpragen  sollen  wie:  >und  durch  seine  Wunden  sind 
wir  geheilt*  (Teil  5  der  erwahnten  Motette),  »wenn  er  sein  Leben  zum 
Schuldopfer  gegeben*  (ebenda),  »und  fur  die  Sunder  gebeten«,  den  Ton- 
satz  Note  gegen  Note  zu  gestalten,  um  dadurch  eine  tiefere  und  ein- 
dringlichere  Wirkung  auf  den  Zuhorer  zu  erreichen,  dessen  Aufmerksam- 
keit  durch  Rgurenwerk  von  der  Wichtigkeit  des  Wortes  leicht  hatte  ab- 
gelenkt  werden  konnen.  Neben  solchen  tief  erfaBten  Stellen  finden  sich 
auch  rein  auBerliche  Tonmalereien;  Worte  wie  »gehen«,  »eilen«,  »fliegen«, 
»sausen«,  »brausen«  und  andere  sind  haufig  yon  laufender  Achtelbewegung 
begleitet,  um  die  in  diesen  Worten  liegende  Bewegung  musikalisch  zu 
illustrieren.  Von  dieser  Manier  ist  kein  Zeitgenosse  Altenburg's  frei, 
und  es  ist  interessant  zu  sehen,  daB  Heinrich  Schiitz  in  seiner  Komposition 
des  116.  Psalms1)  der  mit  derjenigen  Altenburg's  im  Jahre  1623  in 
GrroBmann's  > Angst  der  Hellen«  erschien,  genau  dieselben  Worte  in  fast 
notengetreuer  Weise  wie  Altenburg  tonmalerisch  behandelt  hat. 

"Wie  bei  den  meisten  Tonsetzern  seiner  Zeit,  so  beruht  auch  Alten- 
burg's Tatigkeit  hauptsachlich  in  der  kunstvollen  und  sinnreichen  Aus- 
gestaltung  entlehnter  Weisen,  die  in  den  meisten  Fallen  als  Grundlage 
und  thematischer  Stoff  motettenartiger  Tonsatze  dienen.  Sie  werden 
derart  als  cantus  firmi  verwendet,  daB  die  einzelnen  Zeilen  des  Chorals 
in  imitatorischer  und  kanonischer  Verwebung  in  den  verschiedenen 
Stimmen  erscheinen.  Manchen  von  diesen  Satzen  folgt  ein  »Kontrapunkt«, 
das  heiBt  ein  Note  gegen  Note  gesetzter,  fur  den  Gemeindesang  bestimmter 
Choral.  Was  die  dem  evangelischen  Kirchengesang  entlehnten  Weisen 
betrifft,  so  finden  wir  solche  aus  folgenden  Gesangbuchern:  »Walther  1524, 
WeiBe  1531,  Klug  1535,  1543,  Schumann  1539,  Babst  1545,  Selneccer 
1587,  Dresden  1593,  Praetorius  »Musae  Sioniae«  1605,  Gesius  1607. 
Die  Quelle  Altenburg's  wird  wohl  das  Erfurter  Gesangbuch  vom  Jahre 
1617  gewesen  sein.  Die  den  aufgezahlten  Gesangbuchern  entlehnten 
Weisen  werden  bei  der  Besprechung  der  einzelnen  Werke  unseres  Meisters 
besonders  aufgefiihrt  werden. 

Neben  seiner  Wirksamkeit  als  Setzer  alterer  Weisen  hat  Altenburg 


1;  Im  XII.  Band  der  Neuausgabe  S pitta's. 

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12  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

auch  eine  rege  Tatigkeit  als  Sanger  neuer  Melodien  entfaltet:  Zahn1) 
schreibt  ihm  die  Erfindung  von  17  Melodien  zu,  die  in  den  Gemeinde- 
gesang  Eingang  fanden.  Von  ihnen  haben  sich  einige  bis  in  unsere 
Zeit  im  kirchlichen  Gebrauch  erhalten2). 

Als  Verfasser  der  yon  Altenburg  komponierten  Texte  nennt  Zahn 
Tobias  Kiel3)  und  Thomas  Hartmann4),  bei  einigen  weist  er  auch  die 
Urheberschaft  unseres  Altenburg  nach,  beziehungsweise  vermutet  sie.  Wir 
haben  also  in  Altenburg,  ebenso  wie  in  seinem  beruhmten  Zeitgenossen 
Schein,  einen  von  der  Natur  mit  den  drei  Gaben  des  Setzers,  Sangers 
und  Dichters  begnadeten  Kiinstler  zu  sehen.  Es  wiirde  aber  im  Eahmen 
dieser  musikgeschichtlichen  Arbeit  zu  weit  fiihren,  wenn  wir  Altenburg's 
Tatigkeit  als  Dichter  geistlicher  Lieder  ausfiihrlicher  betrachten  wollten; 
nur  das  sei  noch  hier  erwahnt,  daB  das  Lied  »Verzage  nicht  o  Hauflein 
klein«,  das  Altenburg  zugeschrieben  wurde,  nicht  von  ihm  herruhrt.  Das 
Lied  findet  sich  zuerst  in  dem  von  M.  Jer.  Weber,  Prof,  theol.  zu 
Leipzig,  1631  herausgegebenen  Gesangbuch  mit  der  Uberschrift  >Herz- 
freudiges  Trostliedlein  auf  das  von  der  evangelischen  Armee  in  der 
Schlacht  von  Leipzig  am  17.  September  1631  gefiihrte  Kriegslosungswort 
>Gott  mit  uns«  gestellet  von  M.  Joh.  A.  Pfarrherrn  zu  groBen  Sommern 
inDiiringen.*  Das  gab  Veranlassung,  daB  Wetzel6)  und  Schamelius6) 
Altenburg  fiir  den  Verfasser  hielten.  In  Wirklichkeit  ist  das  Lied  von 
dem  Peldprediger  Gustav  Adolf s  Jacob  Fabricius  nach  der  Leipziger 
Schlacht  verfaBt  worden,  jedoch  dichtete  Altenburg  zu  den  3  Original- 
strophen  noch  weitere  hinzu7). 

Welche  Texte  Altenburg  zugeschrieben  werden,  ersieht  man  aus  der 
folgenden  Tabelle,  welche  die  17  Melodien  Altenburg's,  die  in  den  Ge- 
meiridegesang  Eingang  gefunden  haben,  enthalt.  Bei  den  bekanntesten 
habe  ich,  urn  ein  Bild  von  ihrer  Verbreitung  zu  geben,  die  Gesangbucher 
(wenigstens  im  Auszuge)  angefiihrt,  in  die  sie  Aufnahme  gefunden  haben8). 

1)  Zahn,  Die  Melodien  der  deutschen  evangelischen  Kirchenlieder.  Band  V,  S.  413. 

2)  Eine  Tabelle  dieser  17  Ges'ange  folgt  weiter  unten  auf  Seite  13. 

3)  Tobias  Kiel,  geboren  1684  zu  Ballstedt  bei  Gotha,  gestorben  1627.  Verfasser 
von  geistlichen  Schauspielen  und  Kirchenliedcrn ,  die  durch  Altenburg's  Vertonung 
weite  Verbreitung  fanden.    (Allgemeine  deutsche  Biographic) 

4)  Thomas  Hartmann,  Archidiakonus  zu  Eisleben,  gab  1604  eine  Sammlung 
geistlicher  Lieder  heraus  unter  dem  Titel  »Christenschild«,  die  Bich  groBer  Beliebtheit 
erfreuten.    (Allgemeine  deutsche  Biographie  und  Koch,  Geschichte  des  Kirchenliedes.) 

5)  "Wetzel,  Hymnopoeographia  oder  historischer  Liederschatz  der  beruhmtesten 
Liederdichter.    Herrnstadt  1719.    I,  Seite  48. 

6)  Schamelius,  Evangelischer  Liederkommentarius  zum  Naumburger  Gesang- 
buch, Leipzig  1737. 

7)  Ausfuhrliches  uber  das  Lied  findet  sich  bei  Koch,  Geschichte  des  Kirchenliedes* 
II,  Seite  165—168  und  bei  Godeke,  GrundriC  zur  Geschichte  der  deutschen  Dichtung. 

8)  Nach  Zahn,  Die  Melodien  der  deutschen  evangelischen  Kirchenlieder, 


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Ludwig  Meineoke,  Michael  Altenburg. 


13 


Nr.bei 
Zahn 


Herkunft  beziehungsweise 
Verbreitung 


Dichter 


248     Jesu  da  Gk>ttes  Lammelein 


1958 


7641 


8176 

1748 
2039 
1967 

5278 

2056 

620 
2556 


8443 
1962 

5481 

7008 


Aus   Jacobs    Stamm    ein 
Stern  aehr  klar 


0  Gott  Vater,  ich  glaub 
an  Dich 


Herr  Gott,  nnn  achleuB  den 
Himmel  auf 


Macht  auf  das  Thor 
Grechtigkeit 


der 


Lob  aeiGott  in  deaHimmela- 

thron 
GlaubigeaHerze,  freue  Dich 

hent  Gottea 
OChriatenmensch  betrachte 

nun    Wie   hie  Ghristus 

der  Gottea  Sohn 
Wir  dankenGott  dem  Sohne 

zu  dieaem  neuen  Jahr 
Gleichwie  8ich  fein  ein  Vo- 

gelein 
Du  aeist  zuFeld  oder  zuHaua 
Danklied  eines  Gevatters: 

>  Wohlauf  mein  Herz,  aei 

guten  Mutsc 
Jesus,  du  liebatea  Herrlein 

mein 
Frolockt  und  triumphieret 
Gleichwie  der  Hirscn  nach 

frischem  Waaaer  schreit 

Gleichwie  einHirschbegeh- 

ret  ein  friache  Waaserquell 

Je   langer  je  lieber,  dies 

Blumelein 


Kirchen-  und  Hauageaange  I. 
Goth.  Cantional  1646,  Witt 
1715,  Konig  1738,  Klein  1785, 
Weimar  1803,  Schicht  1819, 
Natorp  1822,  Karow  {Dorpat) 
1848,  Volckmar  1865,  Anding 
1865,  Schoberlein  1868. 
Kirchen-  und  Hauagesange  I. 
Goth.  Cantional  1646,  Stenger 
1663.  Witt  1715,  Konig  1738, 
Uettingen  1754,  Kittel  1790, 
Weimar  1803,  Fischer  1820, 
Kiimmerle  1887. 
Kirchen-  und  Hauageaange  I. 
Darmatadtl699,Graupnerl728, 
Klemann  1730,  Konig  1738,  in 
einer  ganzen  Reihe  von  Hand- 
achriften,  Kittel  1790,  Weimar 
1803,  Schicht  1819,  Volckmar 
1865,  Anding  1865,  Richter 
1873  Gebhardi  1879. 
Kirchen-  und  Hauageaange  L 
Goth.  Cantional  1646,  Cramer 
1641,  Janus  1663  ala  Melodie 
zu  dem  Lied :  >Gottlob  der  Tag 
der  Angat  und  Note.  Mitklei- 
nen  Varianten  bei  Witt  1715, 
Telemann  1730,  Koniff  1738, 
Freylinghauaen  1741,  Nicolai 
1765,  Klein  1785,Dolea  1786, . . . 
Schicht  1819,  Elberfeld  1835, 
Karow  (Dorpat)  1848,  Anding 
1868,  Prov.  Sachaen  1885. 
Kirchen-  und  Hauagesange  I. 
Goth.  Cantional  1646,  Frey- 
linghauaen 1704. 
Georg  Oeaterreicher'a  Gesang- 
buch  1623. 

Georg  Qeaterreicher's  Gesang- 
buch  1623. 

Georg  Oeaterreicher'a  Gesang- 
buch  1623. 

Georg  Oesterreicher'a  Geaang- 

buch  1623. 

Erfurter  Geaangbuch  1634. 

Gothaer  Cantional  1646. 
Gothaer  Cantional  1646. 


Gothaer  Cantional  1646. 

Gothaer  Cantional  1646. 
Erfurter  Geaangbuch  1663. 

Erfurter  Geaangbuch  1663. 

Erfurter  Geaangbuch  1663. 


Thomas  Hart- 
mann. 


Tobias  Kiel. 


Tobias  Kiel. 


Umbildung eines 
Textes  von  We  i  6  e. 


Thomas  Hart- 

mann. 

? 


Altenburg. 

Altenburg. 

Tobias  Kiel. 
Altenburg. 

Altenburg. 

Altenburg. 


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14 


Ludwig  Meineoke,  Michael  Altenburg. 


Unter  den  98  einzelnen  Nummern  der  Kirchen-  und  Hausgesange 
(Teil  1—4),  der  »Weihnachts-  und  Neujahrsgesangec  und  der  »Oantio- 
nes  de  adventu  domini*  finden  sich  47  (also  die  Halfte)  fiinfstimmige,  5 
vierstimmige,  14  sechsstimmige,  1  siebenstimmiges,  27  achtstimmige  und 
4  neunstimmige.  Wie  Eccard,  so  zeigt  auch  Altenburg  eine  Vorliebe 
fiir  den  funfstimmigen  Satz,  wahrend  er  den  vierstimmigen,  den  HaBler 
noch  so  sehr  bevorzugte l),  nur  wenig  pflegte,  obwohl  diese  wenigen  yier- 
stimmigen Satze  zu  den  schonsten  unseres  Altenburg  gehoren;  besonders 
Nr.  1  der  » Weihnachts-  und  Neujahrslieder*  »Wir  danken  Dir,  Herr  Jesu 
Christ*2]  weist  einen  harmonisch  auBerordentlich  reichen  Satz  auf,  der  sich 
auch  durch  die  schwungvolle  melodische  Piihrung  aller  4  Stimmen  aus- 
zeichnet  und  einen  Vergleich  mit  den  HaBler'schen  vierstimmigen  Satzen 
keineswegs  zu  scheuen  braucht.  In  diesem  Choral  wendet  Altenburg 
mehreremale  im  Dominant-Dreiklange  statt  der  Quinte  die  kleine  Sexte 
als  Wechselnote  an, 


i 


^Irrt^r 


m 


——<*-- 


# 


r- 

und  erzielt  hierdurch  eine  interessante  Parbung,  welche  wir  iibrigens 
vor  ihm  schon  bei  Seth  Calvisius  antreffen,  der  sie  fast  bei  jeder  Kadenz 
seines  vierstimmigen  Choralsatzes  » Christ  ist  erstanden«  anwendet3). 

Ein  siebenstimmiger  Satz  findet  sich  auBer  dem  mit  drei  Posaunen 
begleiteten  »Ich  weiB,  daB  mein  Erloser  lebt*  (Vierter  Teil  der  Festge- 
sange)  nur  noch  einmal  und  zwar  ,in  der  Motette  »Adams  hochzeitliche 
Freude*  aus  dem  Jahre  1613.  Neben  den  14  sechsstimmigen  Tonsatzen 
in  den  oben  erwahnten  Werken  findet  der  sechsstimmige  Satz  Anwendung 
in  den  Motetten:  >das  53.  Kap.  des  Jesaias«,  »der  55.  Psalm«,  »Adams 
hochzeitliche  Freude*  (Teil  1  und  2;  Teil  3  ist  siebenstimmig)  und  in 
den  Intraden  fiir  Geigen,  Lauten,  nebst  einer  Ohoralstimme.  Mit  Vor- 
liebe laBt  der  Komponist  den  sechsstimmigen  Vokalsatz  dreistimmig  be- 


ll Zum  Beispiel  Kirchengesange,  Fsalmen  und  geiatliche  Lieder  auf  die  gem  ein  en 
Melodien  mit  4  Stimmen  simpliciter  gesetzt.  (67  vierstimmige  Satze  enthaltend.) 
Neuausgabe  von  Teschner. 

2)  Siehe  NeuauBgabe  von  Teschner  Nr.  7. 

3)  Dieser  aus  Calvisius,  Harmonia  cantionum  ecclesiasticarum,  1597  stammende 
Satz  findet  sich  bei  Becker  und  Billroth,  Sammlung  von  Ghoralen,  Nr.  3;  auch 
andere  Satze  von  Calvisius  in  der  erwahnten  Sammlung  bringen  diesen  Akkord,  den 
Melchior  Franck,  Schutz  und  Schein  ebenfalls  gern  anwenden. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  15 

ginnen,  auch  pflegt  er  den  drei  oberen  Stimmen  gern  die  drei  unteren 
gegeniiberzustellen;  solche  Stellen  machen  dann  den  Eindruck,  als  ware 
die  Komposition  fiir  2  dreistimmige  Chore  gesetzt1).  In  seinen  doppel- 
chorigen  achtstimmigen  Satzen  erreicht  Altenburg  durch  wirkungsvolle 
Kombination  beider  Chore  und  vox  allem  durch  dramatische  Behandlung 
des  Textes  groBe  Wirkungen.  Doppelchore  wie  »die  Erde  ist  des  Herrn«, 
»Wer  ist  derselbige  Konig  der  Ehren«,  »Mir  herzlich  lieb  ist  Jesus 
Christ*,  »Ob  mich  viel  Jammer  in  der  Welt«,  samtlich  aus  den  »Cantio- 
nes  de  adventu  domini*  diirften  heute  noch  eines  tiefen  und  nachhaltigen 
Eindrucks  gewiB  sein.  Die  neunstimmigen  Satze  weisen  denselben  Bau 
auf,  wie  die  achtstimmigen;  die  neunte  Stimme,  der  »Generaldiskant«  oder 
»Jungferngesangc,  verstarkt  entweder  die  Oberstimme,  aber  nicht  noten- 
getreu  sondern  frei,  oder  sie  bringt  (wie  in  »Dixit  ei  Jesus*  im  vierten 
Teil  der  Festgesange)  einen  einfachen  Choral,  dessen  ruhige,  von  den 
Schulkindern  gesungene  Weise  sich  plastisch  von  dem  darunter  wogenden 
Tonmeer  abhebt.  Venetianischer  EinfluB  zeigt  sich  in  dem  15— 18stim- 
migen  >Gaudium  Christianum*,  worin  Altenburg  neben  drei  fiinfstimmigen 
Choren  auch  drei  Trompeten  und  Pauken  anwendet. 

Altenburg's  Satz  ist  im  allgemeinen  korrekt,  doch  kommen  falsche 
Fortschreitungen,  wie  verdeckte  Oktaven  und  Quinten  gelegentlich  vor, 
auch  die  Folge  von  4  Quinten  in  den  AuBenstimmen  findet  sich  einmal 
in  der  >Passio  tua  des  53.  Kap.  des  Jesaias«. 


,      i     f   J,     ,«?  I  J.^JLJ^tJr 


!^-_!L-JL=g4^^rJi=J3^^^g^gp 


In  der  kanonischen  und  imitatorischen  Verarbeitung  der  Choralthemen 
zeigt  sich  eine  groBe  Beherrschung  des  Kontrapunkts :  VergroBerung,  Ver- 
kleinerung,  Umkehrung  des  Themas  werden  verstandig  und  maBvoll  an- 
gewandt.  Die  thematische  Arbeit  und  die  organische  Entwicklung  sind 
fast  stets  zu  loben,  der  Aufbau  der  Satze  (besonders  bei  mehrchorigen) 
ist  wirkungsvoll,  gegen  den  SchluB  hin  breit  ausladend,  und  unser  In- 
teresse  wird  durch  dramatisch  belebte  Einzelheiten  stets  rege  gehalten. 

Die  melodische  Fiihrung  der  Stimmen  verdient  alles  Lob;  diese  sind 
sangbar  und  flieBend  geschrieben,  bringen  gern  volkstiimliche  Elemente 
und  Bhythmen  und  iiberraschen  oft  durch  ihre  melodischen  Wendungen, 
wie  denn  iiberhaupt  Altenburg's  Begabung  mehr  auf  melodischem  als 
auf  harmonischem  Gebiet  liegt,  wenn  auch  seine  Harmonien  stets  klar 
und  kraftvoll  sind  und  auch  manche  interessante  Einzelziige  aufweisen. 
Neben  der  menschlichen  Stimme  verwendet  Altenburg  auch  verschiedene 
Instrumente  wie  Geigen,  Lauten,  Zinken,  Trompeten,  Pauken,  Posaunen 

1)  Beispiele  hierfur  nnter  anderem  in  der  Motette  >das  53.  Kapitel  des  Jesaiasc. 


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1  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

und  die  Orgel  in  seinen  Kompositionen,  urn  dadurch  den  Gottesdienst 
feierlicher  und  prunkvoller  auszugestalten.  Seine  Instrumentalsatze  sind 
nicht  immer  bloBe  Verdoppelungen  der  Singstimnien,  sondern  zum  Teil 
schon  ganz  selbstandig  gefiihrt,  so  daB  wir  auch  auf  instrumentalem 
Gebiet  Altenburg  der  fortschrittlich  gesinnten  Gruppe  der  Komponisten 
zu  Beginn  des  17.  Jahrhunderts  (also  vor  allem  Mannern  wie  Praetorius, 
Schiitz,  Schein  u.  a.)  zuzahlen  miissen. 

III.  Kapitel. 

Besprechung  der  einzelnen  Werke. 

Das  53.  Cap.  des  geistreichen  Propheten  Esaiae,  das  ist  |  das 
bitter  Leiden  und  Sterben  |  sampt  der  frolichen  und  siegreichen 
Auferstehung  unseres  Herrn  und  Heilands  Jesu  Christi  |  Auch  der 
herrliche  und  schone  Passionsspruch  des  frommen  Alt  Vaters  Bern- 
hardi  |  Passio  tua  Domine  Jesu  Christe,  etc.  Mit  6  Stimmen  com- 
poniert  und  in  Druck  verfertigt  durch  M.  Michaelem  Altenburgium, 
der  Schulen  S.  Andreae  in  Erffurdt  Cantorem.  |  Gedruckt  zu  Erffurdt 
bei  Jacob  Singe  Anno  1608. 
(Exemplar  in  der  Bibliothek  der  Ritterakademie  zu  Liegnitz.) 

Das  Werk  enthalt  ein  Bild  Altenburg's  nebst  einem  lateinischen  Lob- 
gedicht  von  Christoph  Fabricius.  In  der  Vorrede  widmet  Altenburg 
seine  Komposition  vier  Reichsgrafen  von  Schwarzburg  und  unterzeichnet 
sich  als  M.  Michael  Altenburck,  Musicus.  Wenn  auch  der  Text  dem 
alten  Testament  entlehnet  ist,  so  darf  man  das  Werk,  wegen  des  deut- 
lichen  Hinweises  auf  Christi  Leiden  und  Sterben,  doch  als  Passions-Motette 
bezeichnen.  Auch  Christ.  Demantius  hat  im  Jahre  1631  dieses  53.  Ka- 
pitel des  Jesaias  als  Anhang  einer  Passion  beigegeben,  wie  Kade1)  mitteilt, 
der  auch  einige  Takte  von  Demantius'  Satz  seiner  Besprechung  beigibt. 
Doch  geniigt  dieses  wenige  nicht,  urn  einen  Vergleich  mit  Altenburg's  Kom- 
position ziehen  zu  konnen.  Auf  keinen  Fall  wird  der  damals  64jahrige 
Demantius  sich  die  Komposition  eines  24jahrigen  zum  Vorbild  genommen 
haben. 

Betrachten  wir  jetzt  die  in  6  Teile  sich  gliedernde  Komposition  Alten- 
burg's. Sie  ist  der  Wiirde  des  Textes  gemaB  einfach  gehalten,  vermeidet 
Figuration  bis  auf  einige  Tonmalereien  und  ruht  oft  rezitierend  auf 
demselben  Akkord,  macht  aber  gerade  durch  die  Einfachheit  einen  tiefen 
Eindruck  auf  die  Horer.  Als  charakteristisch  im  Ausdruck  erwahne  ich 
im  dritten  Teil  die  Stelle  »wie  ein  Schaf,  das  verstummet*;  hier  bringt 

1)  Kade,  Altere  Fassionskomposition  bis  zum  Jahre  1631,  Seite  99. 

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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  17 

der  Komponist  auf  das  Wort  »verstummet«  die  phrygische  Kadenz  d-mott 
E-dur,  dann  eine  halbe  Pause,  wiederholt  das  »verstummet«,  bringt  wieder 
eine  halbe  Pause  und  fahrt  erst  dann  im  Tonsatze  fort.  Als  tonmalerisches 
Beispiel  fllhre  ich  die  Stelle  an:  »denn  er  scheuBt  auf  wie  ein  Reis«; 
hier  bringen  Alt,  Tenor  II  und  BaB  wahrend  dreier  Takte  imitatorisch 
aufsteigende  Sequenzen,  wohl  um  das  »AufschieBen<  zu  veranschaulichen. 
Als  sechster  Teil  folgt  dem  Werk  der  Passionsspruch  des  Alt-Vaters 
Bernhardi: 

Passio  tua  Domine  Jesu  Christe 

est  ultimum  refugium. 

Passio  tua  Domine  Jesu  Christe 

est  singulare  remedium. 

Passio  tua  Domine  Jesu  Christe 

est  indeficiens  sapientia. 

Den  Worten  entsprechend,  gliedert  sich  die  Komposition  in  3  Teile 
von  je  15  Takten  Ausdehnung,  auch  erhalt  das  Werk  noch  dadurch  etwas 
organisch  Geschlossenes,  daB  Altenburg  das  ganze  thematische  Material 
der  Passionsformel: 


TBSZ 


mm 


=t= 


Pas   -  si  -  o        tu  -  a    Do  -  mi  -  ne       Je  -  su    Chris  te 

entnimmt,  wobei  sich  die  Tonwendung  auf  dem  Wort  » Christe «   als  be- 
sonders  ergiebig  zur  thematischen  Verarbeitung  erweist. 

Adams  hochzeitliche  Freude. 

(Zu  sonderlichen  Hochzeitlichen  Bhren  und  Wohlgefallen  |  Des 
Wiirdigen  |  Achtbarn  und  Wohlgelahrten  Herrn  Johann  Rappolds  | 
Pfarrer  zu  G-oltbach  |  Breutigams  |  und  Der  Erbarn  und  Tugend- 
samen  Prauen  Annen  |  des  Erbarn  und  Wohlgeachten  Hans  Gliiser 
(seligen)  daselbst  nachgelassener  Witwen  |  Braut  |  den  20.  Juni  Anno 
1613  zu  Goltbach,  Christlich  und  Ehrlich  gehalten.) 

Mit  6  Stimmen  (Neben  dem  Symbolum  >Fidenti  sperata  cedunt«, 
mit  7  Stimmen  componiert  und  dedicieret  durch  M.  Michaelem  Alten- 
burgium,  Trychtelbornensium  Pastorem.  |  Et  pia  vita  viro  sine  dulci 
conjuge  mors  est. 

(Exemplar  in  der  Koniglichen  Bibliothek  in  Berlin.) 

Das  Werk  erhebt  sich  weit  iiber  den  Rahmen  einer  Gelegenheits- 
Komposition  und  gehort  in  Bezug  auf  harmonischen  Reichtum  mit  zu  den 
besten  Werken  des  Meisters.  Der  Satz  ist  sechsstimmig  und  wird 
nur    gelegentlich   durch  kiirzere   drei-  und   vierstimmige  Zwischensatze 

S.  d.  L  M.    V.  2 


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18 


Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


unterbrochen,  die  Stimmen  weisen  mehr  Figurenwerk  auf  und  sirid  be- 
weglicher  gef  iihrt  als  in  der  vorher  besprochenen  Passions-Motette.  Auch 
hier  findet  sich  das  Streben  nach  Charakteristik  des  Ausdrucks  oft  unter 
Zuhilfenahme  rein  auBerlicher  Tonbilder,  die  in  dem  Horer  ein  Bild  des 
betrefienden  Vorgangs  wach  rufen  sollen,  zum  Beispiel: 


--£*L 


6=aEJtej^ 


£ee 


See 


*=t 


Da  lies  Got*  der  Herr  einen  tie 


fen  Schlaf  fal 


len. 


Erwahnung  verdient  auch  der  SchluB  dieses  ersten  Teils,  der  sich  sequenz- 
artig  mit  den  beiden  Motiven: 


2± 


■32Z 


mm 


f£ 


3=^* 


=t 


und      fuh  -  ret     sie     zu     ihm. 


und      fuh  -  ret     sie      zu     ihm. 


aufbaut,  von  denen  das  letztere  in  alien  Stimmen  auch  in  der  Umkehrung 
mid  Verkleinerung  gebracht  wird.  Gegen  SchluB  des  zweiten  Teils  bringt 
der  Komponist  bei  den  Worten  »und  sie  werden  sein  ein  Fleisch*  den 
dreizeitigen  Takt  und  gestaltet  den  Tonsatz  Note  gegen  Note.  Nach  9 
Takten  tritt  jedoch  wieder  der  gerade  Takt  ein,  und  die  Komposition 
wird  zu  Ende  gef  iihrt  unter  Benutzung  des  folgenden  BaBmotives: 


2± 


-5.— *-«=: 

und    sie    wer 


den 


^t=W- 


Fleisch. 


das  ein  Motiv  des  ersten  Teils  ist1),  und  das  sich  wie  ein  roter  Faden 
durch  das  ganze  Werk  hinzieht. 

Das  Symbolum  »Fidenti  sperata  cedunt«  ist  ein  siebenstimmiger  mo- 
tettenhafter  Satz,  der  sich  in  atlBerst  kunstvoller  Weise  uber  zwei  Oantus 
firmi  aufbaut,  namlich  dem  Choral  »Wer  hofft  in  Gott  und  dem  ver- 
traut«2)  und  dem  Symbolum; 


fe 


3: 


35^ 


m 


ra  -  ta 


* 


r=i= 


i^i 


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1 


ce  -  dunt,  spe  -  ra  -  ta 


dunt. 


Fi  -  den  -  ti       spe 
das  die  Anmerkung  tragt: 

»Wann  die  gesungn  zum  neunden  mahl  so  ist  der  Gsang  aus  liberal.* 


1)  Siehe  oben. 

2)  Die  dori8che  Weise  dieses  Chorals  stimmt  uberein  mit  derjenigen  von  »Ich 
bitt  o  Herr  aus  Herzensgrund«  im  Klugfschen  Gesangbuch  1536.  Der  Text  >Wer 
hofft  in  Gott«  bildet  die  siebente  Strophe  des  Chorals  > Durch  Adams  Fall  ist  ganz 
verderbt*.  sm     ,  # 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  19 

...  Obgleich,  der  Komponist  durch  die  beiden  Cantus  firmi  gebunden  ist, 
so  sorgt  er  doch  fur  reiche  harmonische  Abwechslung  und  erhoht  durch 
dramatische  Einzelheiten  die  Wirkung  seines  Satzes,  z.  B.  bei  den  Worten 
»improba  nam  mens  est,  quae  dubitare  velit*;  bier  ertonen  zu  dem  rhyth- 
misch  belebten  flinfstimmigen  Satz,  der  immer  und  immer  wieder*  sein 
verdammendes  »improba  nam  mens  est*  erschallen  laBt,  die  zuversicht- 
lichen  Worte  des  Chorals:  >der  sich  verlaBt  auf  Gottes  Trost,  er  hilft 
sein'  Glaubigen  alien*. 

Musikalischer  Sehild  und  Schirm  der  Burger  und  Einwohner 
der  Stadt  Gottes  (das  ist)  der  55.  Psalm  des  Koniglichen  Propheten 
Davids  mit  6  Stimmen  componiret,  und  artig  auff  den  Text  gerichtet 
durch  M.  Michaelem  Altenburgium  Trochterb.  Pastorem.  Gedruckt 
zu  Erfurt  bei  Philipp  Witteln. 

(Exemplar  in  der  Koniglichen  Bibliothek  zu  Dresden.) 

In  der  Vorrede  des  dem  Herzog  Johann  Georg  zu  Sachsen  gewidmeten 
Werkes,  die  vom  3.  November  1618  datiert  ist,  klagt  Altenburg  tiber 
diejenigen,  die  ihn  verleumden  und  lastern: 

». . .  .  warm  ich  dann  solchen  falschen  Judasbrudor  (auch  wohl  vernom- 
men)  ungeacht,  daB  ich  wenig  (nur  35  Jahre)  erreichet  (alB  habe  ich  allezeit 
den  55.  Psalm  des  Koniglichen  Propheten  Davids)  mein  Schutz  und  Schirm/ 
wider  dieselben  seyn  lassen. 

Auch  denselben/  damit  cr  mir/  und  andern  christlichen  Burgern  der 
Stadt  Gottes/  desto  demutiger  were/  mit  anmutigen  Intervallen  und  Clau- 
sulen,/  sonderlich  wenn  mein  Ampt  verrichtet  und  es  die  Zeit  und  Ge- 
lagenheit  hat  geben  wollen/  Harmonice  ornieret  und  gezieret/  welches  denn 
vielen  Christlichen  Btirgern  so  wolgef alien/  daB  sie  bei  mir  angehalten/  ihnen 
solchen  Psalm  durch  den  offentlichen  Druck  zu  communicieren  und  mit- 
zuteilen/  welchen  vielfeltigen  Anhalten  ich  denn  gerne  statt  und  raum  ge- 
geben/  und  also/  wie  fur  Augen/  in  offentlichen  Druck  auBgehen  lassen.* 

DaB  das'  Werk  in  seiner  kunstvollen  Polyphonie  ein  eingehendes  Studium 
erforderte,  sagt  der  Komponist  selbst  in  einem,  vorausgeschickten  kurzen 
Gedicht: 

» denen  ich  nicht  componieret  bin/ 
-'    ■-   -  die  nach  der  Larven  singn  obn  hin/ 

.  .        Sondern  ioh. will; niich  unterwerfen  denen/ 
die  mioh  konnen  treffen/ 
Sollst  mich  wol  zweymal  singn  fen/ 
dennoch  sehwerlich  getroffen  ban/ 
drumb  sing  langsam/  .,  . 

triffs/ 

recht  pausier/  ,        ,  < 

Nimm  wahr  den  Text:  dann  judicir.* 

Die  in  6  motettenhaft  gesetzte  Teile  zerfallende  Komposition  gehort 
mit  zu  den  schwierigstea  Werken  AJtenburg's,  gibt  aber  die   jeweilige 

2* 


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20 


Ludwig  M  eineeke,  Michael  Altenbnrg. 


Stimmung  des  Textes  in  treffender  Weise    musikalisch  wieder.     Gleich 
das  Thema  des  ersten  Teils: 


:pn 


i^^^^gg^ 


^•=^n 


*=£ 


*F 


* 


Gott  er  -  ho  -  re  mein  Ge   -   bet,      Gott       er  -  ho  -  re      mein  Ge  -  bet 


das  kanonisch  von  alien  6  Stimmen  gebracht  wird,    ist  gut  erfunden, 
ebenso  das  charakteristische  BaBmotiv  auf  dem  Wort  »heule«: 


^^Hrffr-^ma^^^^^^ 


und    heu le. 

Als  harmonisch  interessant  erwahne  ich  die  Stelle,  »wie  ich  so  klag- 
lich  zage«  mit  dem  klagenden  Tonfall  g  fis  e  im  Alt: 


^ 


&-^ — = 


Die  letzten  Worte  dieses  ersten  Teils:  »und  Zittern  ist  auf  mich 
kommen  und  Grauen  ist  auf  mich  gef alien*  werden  in  ausgedehnter  Weise 
tonmalerisch  behandelt;  auch  im  zweiten  Teil  wendet  der  Komponist  bei 
den  Worten  »floge«,  >eilen«,  »entrinnen«  laufende  Achtelbewegung  zur 
musikalischen  Ulustrierung  der  betreffenden  Worte  an.  Gut  getroffen 
ist  in  demselben  Teil  die  Stelle:  »und  Hader  in  der  Stadt«,  die  durch 
kanonisch  durcheinander  laufende  Achtel  mit  verschiedenem  Bhythmus 
in  treffender  Weise  vertont  ist;  ganz  ahnlich  ist  im  zweiten  Teil  die  Stelle: 
>mach  ihre  Zungen  uneins,  Herr«  behandelt.  Von  den  vielen  interessanten 
Einzelheiten  des  Werkes  erwahne  ich  nur  noch  die  Harmonie  auf  den 
letzten  Silben  der  Worte:  ».  .  .  lebendig  in  die  Holle  fahren*. 


* 


i.   * 


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Ludwig  Meineoke,  Michael  AJteixbupg.  21 

Erater  Teil.  Christlicher,  Lieblicher  und  Andachtiger  neuer 
,  Kirchen  und  MauB-Ges&age,  so  auff  alle  Festtage  und  aucli  sonsten 
zu  jedeweit  konnen  gebraucht  werden/  Also  daB  man  den  Text  fein 
vornehmen  und  ein  jeder  Gottseliger  Christ  mitsingen  kann.  Mit  5 
Sfcimmen  conaponiert  von  M.  Miohael  Altenb.  pastore  Trochtelbornensi. 
Mit  einer  Vorrede  Herrn  M.  Modestine  Wedmann  Ministerii  Erffur- 
tensis  Seoioris  S,  S.  Theologiae  Hebraicae  ling.  P.  P. 

Ad  Lectorem. 
BiB  anhero  haben  sich  ihrer  etliche  unterfangen  die  Gesange,  welche 
ich  lassen  auBgehen  in  meinem  Nahmen  hin  und  wieder,  alB  auf  den 
Ddrffen  zu  offerieren  und  dedicieren:  Darumb  ich  nicht  unterlassen 
konnen,  dieses  hinzuzusetzen,  daB  sich  diejenigen,  welche  zu  solchen 
Lust  und  Liebe  tragen,  konnen  sich  zu  dem  Autore  fin  den,  oder  sie 
vom  Buchdrucker  bekommen. 

Gedruckt  zu  Erffurdt  bei  Johann  Rohbock,  zum  griinen  Lowen/ 
bey  S.  Gorgen  1620. 

(Exemplar  in  der  Koniglichen  Bibliothek  zu  Berlin.) 

Altenburg  widmet  sein  Werk  den  Pfarrern  Hugo  Morlin  zu  Molsch- 
leben,  Johann  Sauberlich  zu  Pfertingshausen,  Melchior  Mengewein  zu 
Wechmar,  dem  Diakon  Mathias  Julius  zu  Molschleben,  auBerdem  seinem 
»inbesonders  gutem  Freunde  und  Forderer*  Andreas  Erhard  zu  Handsch- 
leben  und  den  Altesten,  SchultheiBen,  Heimbiirgern  und  der  ganzen  Ge- 
meinde  zu  Molschleben.  Die  yon  M.  Modestrnus  Wedmann,  Pfarrer  zu 
Kauffmans  Kirchen  und  Senior  des  evangelischen  Ministerii,  demWerke 
mitgegebene  vom  15.  November  1619  datierte  » Commendatio  harum  CaTb- 
twmtm*  sagt,  daB  Gott  dem  Herrn  M.  Michaeli  Altenburgico  >smgulare 
talenfum  musicum*  verliehen,  daB  er  liebliche  Muteten  biB  anhero  ge- 
stellet/  dadurch  der  Gemeine  des  Herrn  ganz  nutzbarlich  gedient  wird.  Wie 
denn  sonderlich  dieses  sind  sdectae  CavMcmesj  welche  alien  Musicanten  und 
christlichen  Gemeinen  sollen  bekandt  seyn«.  Eine  zweite  Vorrede  Alten- 
burg's  an  »den  Liebhaber  der  evangelischen  ewigwahrenden  Kunst*  sagt, 
daB  er  »erst  auf  das  vielfalltige  Anhalten  seiner  guten  Freundec  sich  habe 
bewegen  lassen,  diesen  ersten  Teil  der  Festgesange  zu  publizieren  und  ver- 
heiBt  ferner  das  Erscheinen  eines  2.,  3.,  4.,  5.  und  6.  Teils  noch  vor  Ostern. 
Ein  5.  und  6.  Teil  sind  nicht  auf  uns  gekommen,  da  aber  kein  Grund  zu  der 
Annahme  vorliegt,  daB  diese  Teile  nicht  im  Druck  erschienen  sein  sollten, 
so  muB  man  annehmen,  sie  seien  durch  ungliicklichen  Zufall  verloren 
gegangen.  Einen  sicheren  Beweis  ftir  das  Erscheinen  dieses  5.  und  6. 
Teiles  sehe  ich  auch  darin,  daB  von  den  15  Gesangen  Altenburg's  im 
Gothaer  Kantional  1646  nur  9  aus  uns  bekannten  Werken  stammen,  die 
6  andern  aber  doch  einem  Druck  entnommen  sein  mussen,  da  die  An- 


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22  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

nahme,  man  habe  6  Jahre  nach  Altenburg's  Tode  6  ungedruckte,  also 
unbekannte  Lieder  in  ein  fiir  den  praktischen  Gebrauch  in  Schulen 
bestimmtes  Gesangbuch  aufgenommen,  doch  zu  wenig  Wahrscheinlichkeit 
fiir  sich  hat.  Das  Werk  enthalt  noch  mehrere  lateinische  Lobgedichte, 
deren  eins  (vom  Jahre  1616  datiert)  von  dem  Gothaer  Konrektor  Johann 
Weitzius  herruhrt,  wahrend  in  einem  zweiten  Gedicht  von  Altenburg 
als  dem  » Orlandus  Thuringiae*  die  Kede  ist.  Wenn  man  auch  den  Wert 
solcher  Lobgedichte  nicht  gerade  hoch  einzuschatzen  braucht,  so  liefern 
sie  doch  immerhin  den  Beweis,  dafi  Altenburg  schon  damals  in  hohem 
Ansehen  als  Tonsetzer  gestanden  haben  muB. 

Betrachten  wir  nun  das  Werk  selbst.  Es  enthalt  15  filnfstimmige 
Gesange  und  zwar  1  auf  das  Advent,  4  auf  Weihnachten,  Neujahr  und 
heilig  Dreikonigstag,  je  1  auf  Maria  Verkiindigung  und  Reinigung,  3  auf 
Ostern  und  5,  die  zu  jeder  Zeit  gesungen  werden  konnen.  Von  bekannten 
Melodien  finden  wir  hier  keine  einzige,  dagegen  eine  ganze  Anzahl  von 
Weisen,  die  von  Altenburg  selbst  herriihren.  Von  den  15  Gesangen  tragen 
6  einen  liedartigen  Charakter,  es  sind  dies: 

Aus  Jakobs  Stamm  ein  Stern  sehr  klar, 

Hie  gute  Mar  ihr  Christenleut,7 

Ach  mein  herzliebes  Jesulein, 

Herr  Gott  nun  schleufl  den  Himmel  auf, 

Macht  auf  die  Thor  der  Gerechtigkeit, 

Himmlischer  Vater  lobesam, 

die  mit  Ausnahme  des  zuletzt  genannten  Vaterunser-Liedes  alle  im  Gothaer 
Cantional  1646  Aufnahme  fanden.  Mit  Ausnahme  von  »Hie  gute  Mar« 
und  >Herr  Gott  nun  schleuB«,  die  bei  Schoberlein1)  in  Neudruck 
vorliegen,  sind  sie  von  Teschner2)  neu  herausgegeben  worden.  Es  diirfte 
schwer  halten,  bei  diesen  6  Liedern  eine  Kirchentonart  bestimmen  zu 
wollen3),  ja  es  wird  durch  die  Mannigfaltigkeit  der  Ausweichungen  direkt 
unmoglich  gemacht.  Vier  dieser  Melodien  (Nr.  1,  2,  5,  6)  stehen  in  arfnott, 
aolisch  kann  man  aber  nicht  sagen,  da  sie  alle  H-dur,  eine  dem  aolischen 
fremde  Tonart  beriihren;  Nr.  3  steht  in  e-moB,  tragt  aber  durchaus  kein 
phrygisches  Geprage,  da  unter  den  vielen  Modulationen  mehrere  Male 
der  H-dur  Akkord  vorkommt,  wahrend  man  von  Nr.  2  nur  sagen  kann, 
daB  es  in  unserm  G-dur  steht.  Die  Harmonien  sind  vollklingend  und 
kraftvoll.  Hohle  Zusammenklange  oder  Schliisse  ohne  Terz,  wie  sie  bei 
den    alteren  Tonsetzern    so   haufig   vorkommen,    sind   vermieden,    auch 


1)  Schoberlein,  Schatz  des  liturgischen  Chor-  und  Gemeindegesangs. 

2)  Teschner,  Geistliche  Musik  aus  dem  16.  und  17.  Jabrhundert,  Lieferung  2: 
Michael  Altenburg. 

3)  Ich  gehe  nochmals  auf  diesen  Punkt  ein,  da  meinc  Angaben  an  der  Hand  der 
Teschner'schen  Ausgabe  leicht  nachgepriift  werden  konnen. 


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Ladwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  23 

schlieBen  alle  Satze  mit  groBer  Terz.  Die  Harmonien  sind  besonders  bei 
Kadenzen  mit  Vorhalten  gewurzt,  und  ein  maBvoll  angewandtes  Figuren- 
werk  tragt  zur  Belebung  des  Satzes  bei.  Die  Stimmen  sind  flieBend  und 
sangbar  geschrieben,  nur  der  BaB  ist  an  einigen  wenigen  Stellen  etwas 
sprunghaft  gefiihrt,  bleibt  aber  doch  stets  sangbar  tind  vermeidet  plan- 
lose,  dilettantisch  wirkende  Springerei,  wie  sie  so  manche  Satze  von 
Erhard  Bodenschatz  aufweisen.  Ein  groBes  melodisches  Talent  spricht 
aus  der  Fahrung  der  Melodien,  denen  der  rhythmische  Wechsel  nur  zum 
Vorteil  gereicht  und  an  denen  besonders  das  enge  AnschlieBen  an  das 
Gredicht  zu  riihmen  ist.  Ihre  Deutlichkeit  wurde  aber  dadurch  beein- 
trachtigt  (und  das  ist  die  Ursache,  warum  sie  mit  so  mancherlei  Varianten 
in  den  verschiedenen  Gesangblichern  auftauchen),  daB  die  zweite  Stimme 
die  erste  ofter  iibersteigt  und  die  Gemeinde  dann  den  hoheren  Ton  fiir 
die  Melodie  halten  muBte1).  Die  am  tiefsten  empfundene  Melodie  ist 
»Herr  Gott  nun  schleuB  den  Himmel  auf «  auf  Mariae  Keinigung,  die 
in  vielen  Gesangbiichern  Eingang  fand2).  Auch  findet  sie  sich  in  einem 
Gesaugbuch,  das  auf  der  Universitats-Bibliothek  zu  Konigsberg  aufbe- 
wahrt  wird  und  iiber  welches  ich,  da  Seite  1 — 13  fehlen  und  es  mit 
Seite  359  unvollendet  abschlieBt,  keine  genauen  Angaben  machen  kann; 
nach  dem  Namen  der  Tonsetzer  Schein,  Schutz,  Vulpius,  Gesius,  Franck, 
Joachim  von  Burg,  Caspar  Cramer  und  anderer  Meister  zu  urteilen, 
stammt  es  aus  dem  17.  Jahrhundert,  auf  welche  Zeit  man  auch  aus  der 
GeneralbaB-Bezifferung  schlieBen  konnte.  Jedenfalls  ist  es  nach  1641  ge- 
druckt  worden,  da  es  Gesange  aus  Caspar  Cramer's  Liedersammlung  vom 
Jahre  1641  enthalt.  Auskunft  iiber  die  Verbreitung  der  anderen  Me- 
lodien erhalt  man  aus  der  Tabelle  auf  Seite  13. 

Die  iibrigen  9  Satze  dieses  ersten  Teils  sind  motettenhaft  behandelt, 
und  zwar  weisen  4  eine  Wiederholung  des  ersten  Teils  auf,  nahern  sich 
also  mehr  dem  Lied.  Die  Stimmen  setzen  teils  kanonisch  ein,  teils 
beginnen  alle  gleichzeitig.  Kontrapunktische  Kiinste  und  Figurationen 
werden  in  reicherem  MaBe  angewandt  als  bei  den  vorher  besprochenen 
6  liedartigen  Satzen,  der  Ausdruck  ist  belebt,  wozu  besonders  der  Wechsel 
im  Takte  beitragt.  Manche  Melodiezeilen  tragen  ein  volkstiimliches 
Geprage,  ja  erinnern  in  ihrer  Bbythmik  an  den  Tanz,  zum  Beispiel: 


Nr-  9.  j^a^S^^S 


-\- 


Fro-locktund  tri  -  um-phie  -  ret,  :|:  und  tri-um- 


1)  Vergleiche  zum  Beispiel  die  Varianten  der  Melodie  »Herr  Gott  nun  schleuB 
den  Himmel  aufc  bei  Winter fe Id,  Bvangelischer  Kirchengesang  II,  Seite  85. 

2)  Siehe  Tabelle  Seite  13. 


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24 


Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


lennm 


-GL- 


phie-ret,    Chri-sto      dem     Sie  -  ges  -  maun. 


N,10.|~£^^=J 


--^- 


Du    bist  der  rech  -  te     Da  -  vid   Herr. 

dessen  von  Altenburg  herrtihrender  Text  in  der  Handschrift  Liebenstein 
1775  mit  einer  neuen  Melodie  erscheint1]. 

Interessant  isrt  die  Behandlung  des  Schlusses  von  »Herr  Zebaoth  du 
groBer  Gottc.  Hier  singt  der  erste  Diskant  die  Worte  >heilig  ist  unser  Gott« 
ganz  allein,  ihm  antwortet  in  der  gleichen  Weise  der  ffweite  Diskant,  unci 
erst  bei  der  dritten  Wiederholung  fiihren  alle  funf  Stimmen  den  Tonsate 
zu  wirkungsvollem  AbschluB: 


P=^ 


-Jg^r 


~m 


M=4^y==? 


-&. 


? 


? 


-i^fiir- 


* 


51 


Heilig  ist    un-ser  Gott.  Hei-lig   ist    un-ser  Otott  der  Her  -  re  Ze   -   ba-oth. 

i 


Das  erste  mal  allein  von  Distant  1. 
Dae  Eweite  mal  allein  von  Diskant  2. 


nei-ug    ist     un-ser  urow  aer  zier  -  re  zie    -    i 


a#a 


I 


Aber  Altenburg  ist  nicht  der  erste,  der  derartige  Stellen  bringt,  schon 
16  Jahre  vorher  laBt  Melchior  Vulpius  die  Chorale1)  »Was  furchst 
du  Feind  Herodes  sehr«  und  »Ich  stund  an  einem  Morgen*  mit  einer 
einzelnen  Stimme  beginnen,  worauf  der  ganze  Chor  einfallt.  Diese  Art 
der  Behandlung  ist  sicher  von  groBer  Wirkung,  und  es  ist  nicht  ausge- 
schlossen,  daB  Altenburg  durch  die  Vulpius'schen  Satze  zu  ahnlicher 
Behandlungsweise  angeregt  wurde;  daB  ihm  diese  Chorale  bekannt  waren, 
darf  man  wohl  annehmen,  da  die  Vulpius'sche  Sammlung  in  Jena  bei 
Weidner  erschien,  demselben,  der  auch  1617  Altenburg's  »Gaudium 
Christianum*  druckte.  AuBerdem  ist  es  bei  der  geringen  Entfernung 
von  Erfurt  und  Weimar  (hier  war  Vulpius  bis  zu  seinem  Tode  1616 
Kantor)  nicht  ausgeschlossen,  daB  sich  beide  Meister  personlich  kannten. 

Soviel  Ansprechendes  diese  motettenhaften  Satze  auch  bieten,  so  ver- 
dienen  die  zuerst  besprochenen  6  liedformigen  Satze  doch  den  Vorzug 
wegen  des  klaren  Satzes  und  ihrer  leicht  faBlichen  Melodik.  Fiir  die 
groBe  Beliebtheit  zu  ihrer  Zeit  spricht  unter  anderem  auch  der  Umstand, 


1)  Zahn,  a.  a.  0.,  V,  25. 

2)  Vulpius,  Kirchenges'ange  und  geistliche  Lieder  Dr.  Luthers,  1604. 


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Lndwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  25 

daB  5  davon,  wie  schon  erwahnt,  Aufnahme  im  Gothaer  Cantional  1646 
fanden,  wahrend  wir  von  den  motettenhaften  Satzen  dieses  ersten  Teils 
der  Festgesange  nur  drei  dort  finden,  namlich:  »Frohlockt  und  trium- 
phieret«,  »Du  bist  der  rechte  David,  Herr«  und  »Nun  lafit  uns  singefa 
Gott  dem  Herrn«. 

Der  ander  Teil  christlicher  .  .  .  Eirclien  uud  HausgesSnge  mit 
5,  6  und  8  Stimmen.     1620. 

(In  der  Bibliothek  Berlin  nur  Diskant  und  Tenor  L  Vollstandiges  Exem- 
plar in  der  Bibliothek  der  Marienkirche  zu  Elbing.) 
Das  Werk  ist  dem  Licentiaten  beider  Rechte  Johann  Heinrich  Kol- 
haus,  dem  regierenden  Burgermeister  Johann  Weidmoller  <und  dem  Burger 
und  Handelsmann  Johann  Bfcurmann,  samtlieh  zu  Gotha,  gewidmet.  Es 
wird  eingeleitet  durch  eine  vom  15.  Marz  1620  datierte  Vorrede  des  Pfar- 
revs  Modesrtinus  Wedmann  (ein  wortlioher  Abdruck  der  Vorrede  desselben 
Verf assers  zum  ersten  Teil  der  Festgesange)  und  ein  lateinisohes  Lobgedieht 
von  dem  Pfarrer  Bernhard  Schilling  zu  Markwippach,  der  unsern  Alten- 
burg mit  Orlandus  Lassus  vergleicht.  Von  den  26  Gesangen  beziehen 
sich  1  auf  die  Fastenzeit,  5  auf  Ostein,  3  auf  Pfingsten,  1  auf  Hoohzerten, 
3  auf  Kirmessen  und  12  konnen  jederzeit  gesungen  werden.  Unter  den 
letzteren  befinden  sich  auch  3  fiinfstimmige  Messen,  beziehungsweise 
Kyrie,  denen  das  deutsche  Gloria  >Allein  Gott  in  der  Hoh'  sei  Ehr« 
fdgt.  Noch  im  ganzen  17.  Jahrhundert  wurde  im  Hauptgottesdienst 
eine  »missa  brevis*,  nur  aus  Kyrie  und  Gloria  bestehend,  gesungen,  und 
zwar  sang  sie  im  gewohnliehen  Gottesdienst  der  Chor  einstimmig  auf  die 
gregorianischen  Melodien,  wahrend  sie  an  Festtagen  figuraliter,  das  heiBt 
in  mehrstimmiger  Kunstmusik  ausgefiihrt  wurde1).  Die  erste  »Misse« 
Altenburg's,  »0  Vater  barmharziger  Gott«,  deren  Melodie  sich  naoh 
Zahn2)  zuerst  bei  Michel  WeiBe  1531  findet,  ubernahm  Praetorius  in 
seine  »Musae  Sioniae«  in  der  textlichen  Fassung  Spangenberg's.  Die 
zweite  »Missa  paschalis*  »0  Herr  Gott  Vater  in  Ewigkeit*  ist  eine  ver- 
kiirzte  Umbildung  des  alten  Kyrie  paschale  (aus  dem  Babst'schen  Gesang- 
buch  1545),  ihre  textliche  Fassung  findet  sich  nach  Zahn  zuerst  im 
Dresdener  Gesangbuch  1593,  von  wo  sie  ins  Erfurter  Gesangbuch  1617 
iiberging.  Auch  die  dritte  Messe  >Kyrie  Gott  Vater  in  Ewigkeit*  findet 
sich  im  Erfurter  Gesangbuch  1617,  woraus  sie  Altenburg  wohl  entnom- 
men  haben  diirfte. 

Die  Texte  der  Gesange,  unter  denen  sich  13  fiinfstimmige,  6  sechsstimmige 
und  7  achtstimmige  befinden,  sind  bis  auf  den  alten  Ostergesang  » Salve 


1)  VergleicheLiliencron,  Liturgisch-musikalische  Greschichte  der  evangcliscben 
Gottesdienste  von  1623  bis  1700,  Seite  41. 

2)  Die  Melodien  der  evangelischen  deutscben  Kircbenlieder. 


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26  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

festa  dies*  deutsch.  Von  bekannten  Weisen  finden  wir  hier  die  aus  dem 
Klug'schen  Gesangbuch  1535  stammenden:  »Ich  ruf  zu  dir  Herr  Jesu 
Christ*  und  das  als  Gebet  vor  der  Predigt  bezeichnete  >Ich  bitt  o  Herr 
aus  Herzensgrund*,  dessen  Melodie  yon  Altenburg  auch  als  cantus  firmus 
seines  siebenstimmigen  »Symbolums<  vom  Jahre  1613  benutzt  wurde. 
Aus  dem  Walther'schen. Gesangbuch  1525  treffen  wir  an:  >Ohrist  lag 
in  Todesbanden*;  aus  dem  Schumann'schen  Gesangbuch  1539:  »Allein 
Gott  in  derHoh'  seiEhr'c;  aus  Praetorius  »Musae  Sioniae*:  »Erstan- 
den  ist  der  heilig  Christ «  und  >Wir  danken  dir  Herr  Jesu  Christ,  daB 
du  vom  Tod  erstanden  bist«,  dessen  Melodie  von  Gesius  (1607)  herriihrt. 
Alle  sind  fiinfstimmig  gesetzt,  auBer  >  Erstanden  ist  der  heilig  Christ «, 
dessen  Weise  als  Cantus  firmus  eines  sechsstimmigen  Satzes  dient.  Zum 
ersten  Male  finden  wir  hier  die  von  Altenburg  selbst  erfundene  Melodie 
zu  dem  Hartmann'schen  Lied  >0  Gott  Vater,  ich  glaub  an  Dich«  in 
kunstvollem  achtstimmigem  Tonsatz1),  die  im  Gothaer  Cantional  1646 
Aufnahme  fand  und  sich  bis  in  unsere  Zeit  in  den  Gesangbilchern  er- 
halten  hat*). 

Um  aber  auch  die  Gemeinde  zu  Wort  kommen  zu  lassen,  laBt  Alten- 
burg von  den  Weisen  >Christ  lag  in  Todesbanden*,  »Allein  Gott  in  der 
Hoh'  sei  Ehr'«  und  >Ich  bitt  o  Herr  aus  Herzensgrund*  die  geraden  Verse 
»choraliterc  singen.  Eine  ahnliche  Bestimmung  finden  wir  bei  Gesius3), 
der  den  Gebrauch  der  Kirchenlieder  vorschreibt  »altematim  in  choro  und 
vrgano*,  also  daB  ein  Knabe  mit  lieblicher  reiner  Stimme,  einen  Vers 
in  organo  mitsinge,  darauf  den  andern  Vers  der  chorus  musicus,  und 
also  jedermann  tieben  dem  concentu  auch  die  verstandlichen  Worte  in 
gebrauchlicher  und  gewohnlicher  Melodie  horen  und  mitsingen  kann  .... 
In  dem  Choral  >  Christ  lag  in  Todesbanden«*)  erleidet  die  Melodie  an 
mehreren  Stellen  kleine  Veriinderungen  (zum  Beispiel  Erhohung  von  c 
in  cis),  auch  uberschreitet  der  Alt  mehrere  Male  bei  Kadenzen  den  Dis- 
kant;  doch  bleibt  die  Melodie  als  solche  stets  erkennbar,  da  der  den 
Diskant  uberschreitende  Alt  nur  als  harmonischer,  nicht  als  Melodieton 
fuhlbar  wird. 

In  den  KirmeBgesangen  findet  sich  viel  Volkstumliches,  zum  Beispiel : 

Nr.  24. 


1=^: 


E3EES 


Heutsol-lenrait  unsgroCundklein,  und  all  die  mit  uns  kommen  sein  (sich  freuen) 


1)  Siehe  Winterfeld  IIt  Beispiel  34. 

2)  Vergleiche  Tabelle  auf  Seite  13. 

3)  Geistliche  deutsche  Lieder  Dr.  M.  Luther  . .  .  1601. 

4)  Siehe  Kiirn merle  »Choralbuch  fur  evangelische  Kirchenchore  I,  Seite  88. 


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Ludwig  Meineoke,  Michael  Altenburg. 


27 


Nr.26. 


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Wach  auf  du  christ-li  -  che   Ge-  mein,  Zum  Tempel  Got-tes    ei 


le. 


Nr.26. 


Heut  mit-ein  -  an  -  der    hal  -  ten, 


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kommt  herbeid'  Jung    und     Al   -  ten, 


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1= £- 


ffEEg 


Gott  laB    sein  Gtt  -  te     wal  -  ten,       Gott     laC    sein    Gu  -  te    wal  -  ten. 

Der  dritte  Teil.  Christlicher  |  lieblicher  und  Andachtiger  |  newer 
Kirchen  und  HauB  Ges&nge  |  zu  jederzeit  durchs  gantze  Jahr  wohl 
zu  gebrauchen  |  also  daB  man  den  Text  fein  vernehmen  |  und  ein 
jeder  gottseliger  Christ  mitsingen  kann  |  beneben  einem  Generaldis- 
kant  vor  die  Schulmagdelein  *).    Mit  5  und  8  Stimmen. 

Desgleichen: 

Zweene  neue  Intraden  10  voc.  zu  2  Choren  |  da  der  erste  auf 
Geigen  |  der  ander  auff  Zincken  und  Posaunen  gerichtet  |  oder  nur 
auf  das  Orgelwerk  |  darinn  eine  Choral  Stimm  |  wie  aus  dem  Register 
zu  vernehmen  |  kan  gesungen  werden.  Componiert  von  M.  Mich. 
Altenburgio,  Troch.  Pastore,  Gedruckt  zu  Erffurdt  bey  Johann  Eoh- 
bock  |  in  Verlegung  Sigismundt  Hopfiens  1621. 

(Exemplar  in  der  Koniglichen  Bibliothek  zu  Berlin). 

Das  Werk  ist  ohne  Vorrede.  Unter  den  20  Gesangen  befindet  sich 
ein  vierstimmiger,  das  mit  »Kindergesang«  bezeichnete  Gebet  »Herzlieber 
Gott,  du  treuer  Hirt«,  das  die  Anmerkung  tragt«:  diese  6  Vers  konnen 
auch  -wohl  von  6  Knaben  oder  6  Magdelein  gebetet  und  darauff  der  7 
vers  »heilig  heilig«  gesungen  werden*.  Der  siebente  Vers  ist  zu  5  Stim- 
men und  einfach  Note  gegen  Note  gesetzt.  Die  ersten  Verse  liegen  in 
Neudruck  bei  Teschner2)  vor.  In  diesem  drittenTeil  finden  wir  ferner 
noch  8  fiinfstimmige,  3  sechsstimmige,  8  achtstimmige  Gesange  und 
auBerdem  2  zehnstimmige  Intraden,  die  spater  bei  der  Instrumental- 
Komposition  besprochen  werden  sollen.  Von  bekannten  Melodien  treffen 
wir  hier  nur  >Vater  unser  im  Himmelreich*  und  »Wo  Gott  der  Herr 
nicht  bei  uns  halt*   (beide  aus  dem  Schumann'schen  Gesangbuch  1539) 

1)  Im  Tenor  >Schul knaben'*. 

2)  Teschner,  a.  a.  0.,  Nr.  9. 


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28  Ludwig  Meineoke,  Midhael  Altenbusg. 

in  fiinfstimmigem,  kunstvollem  Tonsatz.  Fur  den  Gemeindengesang  be- 
stimmt  waren  die  Kontrapunkte  zu  den  beiden  zuletzt  erwahnten  Melo- 
dien,  die  aber  nicht  zu  den  besten  Satzen  Altenburg's  gehoren,  da  sie  in 
einzelnen  Stimmen  Figurenwerk  bringen,  das  in  keinem  organischen  Zu- 
sammenhang  mit  dem  Satze  steht.  Auch  ist  die  Deutlichkeit  der  Melo- 
die  nicht  immer  gewahrt;  so  iiberschreitet  in  »Vater  unser  im  Himmel- 
reich«  die  zweite  Stimme  mehrere  Male  die  erste,  und  in  >Wo  Gott  der 
Herr  nicht  bei  uns  halt*  wechselt  die  Melodie  zwischen  Diskant,  Tenor  1, 
Tenor  2  und  Diskant  ab.  Altenburg  hat  sich  also  gegenttber  den  Be- 
strebungen  eines  Lukas  Osiander,  Raselius,  Rogier  Michael,  Eccard 
und  Anderer,  die  darauf  ausgingen,  der  Gemeinde  dae  Mitsingen  dadurch 
zu  erleichtern,  daB  sie  die  Ohoralmelodie  stets  in  die  Oberstimmen  legten, 
nicht  absolut  zustimmend  verhalten.  Zwar  heifit  es  auf  dem  Titelblatt 
seiner  >Kirchen  und  Hausgesange*,  daB  >ein  jeder  gottselige  Christ 
mitsingen  kann«,  doch  trifft  diese  Behauptung  nur  sehr  bedingt  zu,  da  die 
Gemeinde  die  Melodie  bald  horte,  bald  im  Stimmengewirr  wieder  verlor ; 
bei  der  motettenhaften  Behandlung  aber,  die  bei  Altenburg  bei  weitem 
iiberwiegt,  war  ein  Mitsingen  der  Gemeinde  wohl  ganz  unmoglich. 

Im  fiinfstimmigen  kunstvollen  Satz  finden  wir  >Mir  herzlich  lieb  ist 
Jesus  Christ*  und  den  »andern  Teil«,  >Ob  mich  viel  Jammer  in  der 
Welt«,  die  beide  zugleich  in  einer  achtstimmigen  Bearbeitung  in  den 
»Cantiones  de  adventn  Domini*  1620  erschienen.  Den  Text  der  acht- 
stimmigen Motette  >Zion  spricht:  der  Herr  hat  mich  verlassen«,  den 
Altenburg  recht  wirkungsvoll  vertont  hat,  hat  ouch  Melchior  Franck1) 
sechsstimmig  mit  GeneralbaB  als  >Konzert<  komponiert.  Zur  Vortonung 
wenig  geeignete  Texte  haben  Altenburg  zu  achtstimmigen  motettenhaften 
Tonsatzen  angeregt,  namlich  >Wenn  du  von  Jemand  geladen  wirst  zur 
Hochzeit,  so  setze  dich  nicht  oben  an«  und  der  »ander  Teil«:  »Sondern 
wenn  du  geladen  wirst,  so  gehe  hin  und  setze  dich  unten  an«. 

Vierter  Teil  der  FestgesBiige  |  darinnen  begrieffen  liebliche  |  An- 
dSlchtige  und  christliche  Gesange  |  die  auff  Himmelfahrt  |  Pfingsten  | 
Trinitatis  |  KirmeBn  |  zur  Erndte  und  jeder  Zeit  konnen  gesungen 
werden  | 

componiert  durch 
M.  Michaelem  Altenburgium,  Trocht.  Pastore.  Gedruckt  bey  Philip 
Wittel  |  in  Verlegung  Johann  Birkners  |  Buchhandlers  zu  Erffurdt 
Anno  1621. 

(Exemplar  in  der  Stadtbibliothek  zu  Breslau). 

Von  den  15  Gesangen  dieses  vierten  Teils  sind  drei  auf  Himmelfahrt,' 


1)  Melchior  Franck,  Rosetulum  musicum  Nr.  28,  Coburg  1627. 


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Lndwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  29 

3  auf  Pfingsten,  4  auf  Trinitatis  und  B,  die  auf  Kirmessen,  zur  Ernte 
and  zu  jeder  Zeit  konnen  gesungen  werden.  Darunter  befinden  sich  5 
fiinfstimmige,  1  eiebenstimmiger  7  6  achtstimmige  und  3  neunstimmige; 
die  drei  letiten  und  das  siebenstimmige  >Ich  weiB,  daB  mein  Erloser 
lebt«  haben  einen  Generaldiskant  und  werden  von  Inatrumenteh  begleitet, 
die  teilweise  ganz  selbstandig  gefiihrt  sind  und  nicht  bloBe  Verdoppe-. 
Inngen  der  Singstimmen  darstellen.  Liedformige  Satze  finden  wir  hier 
gar  nicht,  alle  tragen  einen  motettenhaften  Charakter  und  zeigen  eine 
groBe  Gewandtheit  in  der  Beherrschung  des  Kontrapunktes,  Die  erste 
Nummer  ist  ein  ziemlich  ausgedehnter  lateinischer  Pfingstgesang  zu  ft 
Stimmen  mit  Instrumentalbegleitung  » Dixit  ei  Jesu,  noli  me  tangere«. 
BaB  und  Tenor  des  vierstimmigen  Instrumentalchors  tragen  die  Anmerkung: 
»doch  sol  ein  Voeaiiste  in  dieser  Stimme  mitsingen,  damit  der  Textus 
wahrgenommen  werdec.  Auf  den  Worten  Christi  >noli  me  tangere« 
bringen  die  beiden  Tenore  einen  mit  »solus  cum  solot  bezeichneten 
Kanon  in  der  Oktave,  der  einige  Takte  spater  auch  von  den  beiden 
Bassen  eine  Quinte  tiefer  gebracht  wird.  Es  ist  dies  die  einzige  Solo- 
stelle  in  alien  Werken  Altenburg's  (ausgenommen  »Herr  Zebaoth«  im 
ersten  Teil  der  Kirchen  und  Hausgesange);  die  zweistimmige  Behandlung 
des  Solos  war  in  jener  Zeit  allgemein  iiblich :  lSBt  doch  zum  Beispiel 
auch  Heinrich  Schiitz  in  seiner  »Auferstehung«  1623  Jesus,  Maria  und 
Magdalena*  und  den  Jiingling  im  Grabe  zweistimmig  singen.  Bei  den 
Worten  »adscendo  ad  patrem  meum«  setzt  der  Jungferngesang  mit  dem 
jonischen  Choral  »Gen  Himmel  zu  dem  Vater  mein  fahr  ich  aus  diesem 
Leben1)*  ein,  dessen  zweiter  Vers  »Ehr  sei  Gott  Vater  alle  Zeit«  mit  dem 
darunter  jubelnden  Alleluja  die  Komposition  sehr  wirkungsvoll  abschlieBt. 
Auch  Nr.  2  »Hie  Schwert  des  Herrn  und  Gideon*  und  Nr.  3  »Viktoria, 
die  Feinde  sind  zerstort*,  haben  einen  Instrumentalchor,  der  »mit  chorus 
capellae*  bezeichnet  ist,  doch  wird  hier  keine  Instrumentalstimme  durch 
Sanger  verstarkt.  Der  zweite  Ghor  des  siebenstimmigen  »Ich  weiB,  daB 
mein  Erloser  lebt<  tragt  die  Anmerkung:  » dieser  Chor  soil  etwa  von 
drei  Posaunen  geblasen  werden  beneben  den  Vokalisten*.  Die  Anregung 
hierzu  empfing  Altenburg  vielleicht  von  Praetorius,  der  in  seinem 
*Musae  Sionae*  bei  zweichorigen  Kompositionen  vorschlagt,  die  drei 
unteren  Stimmen  von  drei  Posaunen,  oder  zwei  Posaunen  und  einer  BaB- 
geige  ausfiihren  zu  lassen3). 

Ich  erwahne  noch  das  sehr  kunstvoll  gesetzte  fiinfstimmige   »Also 
hat  Gott  die  "Welt  geliebet*  und  das  achtstimmige  »Komm  heilger  Geist«, 


1)  Die  Melodie  ist  diejenige  von  >Es  ist  gewifilich  an  der  Zeit*   aus  dem  Klug- 
schen  Gesangbuch  1536. 

2)  Siehe  Winterfeld,  a.  a.  0.,  II,  Seite  198. 


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SO  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

worin  bei  den  Worten  »der  du  durch  Mannigkeit  der  Zungen*  gegen- 
einander  und  durcheinander  laufende  Achtelbewegung  eintritt,  wahrend 
in  wirkungsvollem  Gegensatz  hierzu  die  Worte  >Die  Volker  der  ganzen 
Welt  versammelt  hast  in  Einigkeit  des  Glaubens*  von  Altenburg  in 
treffender  Weise  Note  gegen  Note  gesetzt  sind.  Nr.  7  »Nun  danket 
alle  Gott«  ist  ein  kunstvoller  achtstimmiger  Kanon,  No.  8,  9  und  10: 
>0  Gott  Vater  in  Ewigkeit*  »0  Jesu  Christ  getreuer  Gott«  und  >0 
heilger  Geist  du  Lehrer  gut«  sind  als  »ein  Gebet  vor  und  nach  der 
Predigt  zu  singen*  bezeichnet;  in  Nr.  9  decken  sich  einige  Melodiezeilen 
mit  dem  Praetorius'schen  Choral  »Herr  Jesu  Christ  du  hochstes  Gut« 
aus  den  »Musae  Sioniae*.  Nr.  13  tragt  die  XJberschrift  >evangeliflche 
KirmeB  Musik  8  voc.«,  obwohl  der  Text  >TJnd  siehe,  da  war  ein  Mann 
genannt  Zachaus,  ein  Oberster  der  Zollner*  mit  einer  KirmeB-Musik 
nicht  das  geringste  zu  tun  hat.  Der  »ander  Teil«  zeigt  bei  den  Worten 
Jesu:  » Zachaus  steig  eilend  hernieder*  eine  geradezu  dramatische  Belebt- 
heit  in  alien  Stimmen. 

Von  den  vier  Teilen  der  Festgesange  zeigt  dieser  letzte  den  Meister 
auf  einer  bedeutenden  Hohe  technischen  Konnens  und  treffender  Charak- 
terisierungsgabe.  Freilich,  ein  Mitwirken  der  Gemeinde  war  hier  aus- 
geschlossen,  das  mag  Altenburg  auch  selbst  eingesehen  haben,  denn  die 
auf  den  Titeln  der  drei  ersten  Teile  stehenden  Worte  »daB  ein  jeder 
gottselige  Christ  mitsingen  kann«  fehlen  hier.  Die  Kompositionen  er- 
forderten  vielmehr  einen  durchaus  geschulten  Chor,  der  damals  bei  der 
Pflege  der  Musik  durch  die  Kantoreien  (die  im  Gottesdienst  sowohl  vo- 
caliter  als  auch  instrumentaliter  mitwirkten)  besonders  in  Thliringen  fast 
in  jedem  Orte  bestand1).  Altenburg' s  »Kirchen  und  Hausgesange«,  seine 
»Cantiones  de  adventu  domini«  und  seine  »Intraden«  erfreuten  sich,  wie 
Werner2)  mitteilt,  der  besonderen  Gunst  der  Kantoreien,  wie  die  noch 
vorhandenen  alten  Notendruckwerke,  die  »Kataloge<  und  Gottesdienst- 
Ordnungen  jener  Zeit  zur  Geniige  beweisen. 

-Cantiones  de  adventu  Domini  ac  Salvatoris  nostri  Jesu  Christi 
5.   6   &    8  voc.    Composit.   &  M,  Michaele   Altenburgio,    Trochtel- 
bornensium  Pastore.  Erfurti,  TypisPhilippiWittelii,Impensis:Johannis 
Birknerii  Bibliop,  1620,  ......  * 

(Exemplar  in  der  Stadt-Bibliothek  zu  Breslau.) 

Das  Werk  enthalt  11  Nummern,  darunter  die  auf  Geigeji  gerichtete 
Intrade  »Nun  kommt  der  Heiden  Heilandc,  die  auf  dieselbe  Art  behandelt 
ist,  wie  die  spater  noch  zu  besprechenden  Intraden.   Von  den  10  Vokal- 

.  •    ■  f 

1)  Werner,  a.  a.  0. 

2;  Werner,  a.  a.  0.,  S.  58. : ;„•    - 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


31 


kompositionen  sind  2  fiinfstimmig,  4  sechsstimmig  und  4  achtstimmig. 
»Nun  kommt  der  Heiden  Heiland*  findet  sich  hier  in  dreifacher  Be- 
arheitung:  einmal  als  Cantus  firmus  der  sechsstimmigen  Intrade,  dann 
als  kunstvoller  sechsstimmiger  Tonsatz  und  drittens  als  »Kontrapunkt«, 
d.  h.  Note  gegen  Note  gesetzt  mit  der  Melodie  in  der  Oberstimme  fur 
den  Gemeindegesang  bestimmt,  und  zwar  schreibt  der  Komponist  fiir 
Strophe  1  und  5  die  kunstvolle  Bearbeitung  vor,  wahrend  Strophe  2,  3, 
4,  6,  7,  8  choraliter  gesungen  werden  sollen1).  Ein  vortrefflicher  sechs- 
stimmiger Satz  ist  »Gelobt  sei,  der  da  kommt  im  Namen  des  Herra*, 
dessen  Worte  »mein  Gott  ich  will  dir  danken*  von  tiefer,  inniger  Wirkung 
sind,  wahrend  der  im  2/a  Takt  stehende  Mittelsatz  >Dankt  dera  Herrn, 
denn  er  ist  freundlich*  die  dankbar  jubelnde  Stimmung  aufs  beste  trifft. 
Das  thematische  Material  der  SchluBtakte  ergibt  sich  aus  der  folgenden 
Zeile: 


P-T 


E@^ 


and   sei-ne   Gu-tewah-ret    e  -  wig-lich 

Solch  stufenweise  abwartsgehender  BaB  findet  sich  ofter  bei  Altenburg, 
z.  B.  auch  in  dem  vierstimmigen  Satze  »Lob  Ehr  und  Preis  zu  aller  Zeit« 2). 

Das  fiinfstimmig  einfach  gesetzte  Lied  >Der  Heiland  kommt  gezogen* 
tragt  die  Uberschrift  »Einzug  des  Messias«.  Zahn3)  schreibt  den  Text 
Altenburg  zu,  nennt  aber  fiir  die  in  der  Handschrift  von  Kittel  1790 
sich  findende  Melodie  keinen  Verfasser.  Die  bei  Zahn  mitgeteilte  Weise 
ist  nun  besonders  zu  Anfang  eine  notengetreue  Wiedergabe  des  eben 
zitierten  Liedes  Altenburg's.  Diese  Weise  hat  sich  also,  wenn  auch  mit 
Anderungen,  fast  200  Jahre  im  kirchlichen  Gebrauch  gehalten;  in  Gesang- 
biichern  des  19.  Jahrhunderts  findet  sie  sich  aber  nicht  mehr.  Es  folgt 
hier  die  erste  Strophe  des  Liedes,  deren  zweiter  Teil  zugleich  ein  typisches 
Beispiel  fiir  die  bei  Altenburg  so  haufig  vorkommenden  im  3/*2  Takt 
8tehen<Jen  Zwischensatze  ist,  die  sich  besonders  gem  bei  Worten  wie 
Hosiann$,  Halleluja  und  anderen  finden,  und  deren  Hannonie  fast  nur 
aus  Dreiklangen  besteht. 


t^33=f^^=k3=F:rt&i-+J?-t-g 


Der  Heiland  kommt ge-zo  -gen,  will  heut  ziehn  zu  mir  ein,   was   hat  ihn  wohl  bt»- 


"-rj^jr-TFr^^^^^^^m 


wo 


gen,  das  gro  -  Be   E  -  lend  mein  Ho  -  si  -  an  -  na, 


1)  Vergleiche  die  Vorschrift  des  Gesius  auf  S.  26, 

2)  Tesohner,  Nr.  8.. 

3)  Die  Melodien  des  evangelischen  deutschen  Kirchenliedes  V,  8668. 


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32 


Ludwig  Meinecke>  Michael  Altenburg. 


^j^ 


»      * 


$f=-f=\ 


-Oi. 


-1—& 


% 


Ho  -  si   -   an  -  na,    Ho  -  si  -  an  -  na,    der  Herr   ist   nah,  Ho  -  si  -  an  -  na, 


^ 


^SL 


^^1S 


Ho  •  ri   -  an  -  na,  Ho  -  si   -   an  -   na,  Ho  -  si   -  an  -  na,  der  Herr    ist   nah 

Das  sechsstimmige,  liedfprmige  »Zion  du  traute  Ehrenkron*,  das  auch 
in  Neuausgabe  in  der  schon  ofter  erwahnten  Teschner'schen  Sammlung *) 
vorliegt,  bietet  in  keiner  Beziehung  etwas  Bedeutendes,  dagegen  sind  die 
achtstimmigen  Doppelchore  schon  im  allgemeinen  Kapitel2)  als  groBzugig 
schwungvolle  Satze  erwahnt,  von  denen  besonders  »Die  Erde  ist  des  Herrn 
und  was  darinnen  ist<  mit  dem  im  Laufe  des  Satzes  viermal  sich  wieder- 
holenden,  machtig  wirkenden  Orgelpunkt  auf  f  bei  den  Worten  »Machet 
die  Tore  weit«  noch  heute  seiner  Wirkung  sicher  ware.  Das  achtstimmige 
»Ob  mich  viel  Jammer  in  der  Welt«,  dessen  Anfang: 


I 


w^ 


3= 


3 


._^_ 


Ob  mich  viel  Jammer    in  der  Welt. 

groBe  Ahnlichkeit  mit  der  Melodie  von  >Aus  tiefer  Not  schrei  ich  zu 
dir«  aufweist,  ist  ein  stimmungsvoller  Satz  in  &uBerst  kunstvoller  Poly- 
phonie.  Auch  eine  Motette  mit  lateinischem  Text  » Jerusalem  gaude  gaudio 
magno«  liegt  hier  im  funfstimmigen  Satz  vor;  sie  ist  nach  Liliencron3) 
eine  altkirchliche  Antiphone  vom  dritten  Advent,  aber  schon  bei  Bo  den - 
schatz  dem  ersten  Advent  zuerteilt. 

Musikalische  Weynacht-  und  Newjahrs-Zierde.  Das  ist  Christ- 
liche/  Liebliche/  Andachtige  Weynacht-  und  Newjahrs  Gesange/  zu 
4,  5,  6,  8  und  9  Stimmen/  also  gesetzt/  daB  man  den  Textum  fein 
deutlich  vernehmen/  und  ein  jeder  Gottseliger  Christ  mit  singen  kann. 
Componiert  durch  M.  Michaelen  Altenburgium.  Trochterbornens. 
Pastorem.  Gedruckt  bey  Philip  Wittel/  In  Verlegung  Johann 
Birckpers/  Buchhandlers  in  Erffurdt/  Anno  1621. 

(Exemplar  auf  der  Stadt-Bibliothek  zu  Breslau). 

Das  Werk  enthalt  eine  kurze  sich  auf  den  Generaldiskant  oder 
Jungf erngesang  beziehende  Notiz,  die  hier  im  Wortlaut  Platz  finden  soil, 
da  sie  uns  mancherlei  Aufschlilsse  uber  diese  bei  Altenburg  eine  so  groBe 
Rolle  spielende  Diskantstimme  gibt: 


1)  Nr.  5.  2,  Seite  15. 

3)  Liturgisch-musikalische  Gteschichte  der  evangelischen  Gottesdienste  von  1523 
-1700,  Seite  168. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


33 


Diesen  Cantwn  generalem  anlangende/  kan  der  Giinstig  Cantor,  etwa 
mitten  in  die  Kirche  stellen/  und  vor  ein  12  oder  mehr  Knaben/  (darnach 
die  Kirche  grofi  1st;  mit  einaingen  lassen/  damit,  wenn  der  Chorus  Instru- 
mentalis  mit  gegeiget  wird/  die  andern  anwesenden  und  zuhorenden  Christen/ 
einen  Texium  vernehmen  und  denselben  entweder  mitsingen/  oder  doch  bey 
sich  mit  Andacht  nachsprechen  mogen. 

Es  soil  auch  zu  dieser  Stimm  der  giinstige  Cantor  die  allerkleinsten  Kin- 
der/ wenn  sie  auch  gleich  noch  nicht  lesen  konnen/  nur  dafl  sie  feine  liebliche 
Stimmen  haben/darzugebrauchen/denn  solches  konnen  sie  durch  tagliche  Uebung 
auswendig  lernen.  In  den  Kirchen  kan  man  einen  Knaben  der  singen  kan/ 
dazustellen/  welcher  die  Mensur  iibviert/  so  werden  dann  sie  daruber  kiihne/ 
und  lernen/  wenn  artifmo  demonstratio  dazu  kSmpt/  desto  ehe  singen.  Lafl 
auch  die  Knaben  fein  in  einem  runden  Zirkel  stehen/  so  ist  es  desto  zier- 
licher.c 

In  der  Tat  mag  es  bei  einiger  Ausdauer  nicht  allzu  schwer  gewesen 
sein,  auch  kleinen  Kindern  den  Generaldiskant  beizubringen,  zumal  eine 
straffe  rhythmische  Gliederung  und  leicht  faBliche  volkstiimliche  Melodie 
das  Auswendigbehalten  wesentlich  erleichterten,  wie  man  aus  den  folgenden 
Beispielen  ersieht: 


^f-^^^i^J]IjJ^^=^h=f: 


Nr.8. 


Ein    Wun 


der  groB,        Mari 


enschoB,  tragt  Gottea  Sohn  den 


Gna    -----    den-thron 


Nr.  12. 


he,    Sie 


$r<>  r  uik 


fct 


he 

Wir  finden  hier  4  vierstimmige  Satze  (auBer  diesen  4  hat  Altenburg 
nur  noch  einen  vierstimmigen  Satz  geschrieben,  namlich  »Herzlieber  Gott, 
du  treuer  Hirt«  im  dritten  Teil  der  Festgesange),  4  f unfstimmige,  1  sechs- 
stimmigen,  2  achtstimmige  und  2  neunstimmige  Satze;  die  beiden  letzten 
haben  auBer  dem  Generaldiskant  auch  >  einen  Chorum  instrumentalem 
auf  Geigen  gerichtet*,  der  aber  kein  rein  instrumentales  Geprage  zeigt, 
da  er  auch  von  den  Gesangstimmen  mitgesungen  wird.  Von  bekannten 
Melodien  treffen  wir  an:  »Dank  sagen  wir  alle<  in  funfstimmigem,  kunst- 
vollem  Tonsatz  in  Verbindung  mit  dem  Choral  >Gelobet  seist  du  Jesu 
Christ*  mit  der  Melodie  in  der  Oberstimme,  zu  der  die  vier  anderen 
Stimmen  in  kunstvoll  belebter  Polyphonie  hinzutreten.     Die  ganze  Be- 

B.d.11.    V.  3 


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34 


Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


handlungsweise  dieses  Chorals,  besonders  die  bei  aller  Belebtheit  doch 
feste  und  charakteristische  Fiihrung  des  Basses,  erinnert  lebhaft  an  die 
Bach'sche  Behandlung  desselben  Chorals  im  dritten  Teil  des  Weihnachts- 
Oratoriums.  Der  lateinisch  deutsche  Mischgesang  >In  dulci  jubilo,  nun 
singet  und  seid  froh«  tritt  hier  auf  in  Verbindung  mit  dem  sechstimmigen 
Weihnachtslied  >Ein  wundervolles  Kindelein  zu  Bethlehem  im  Krippe- 
lein«. 

Im  achtstimmigen  Satze  finden  wir  »Puer  natus  in  Bethlehem*,  dessen 
ungeraden  Strophen  lateinisch  und  dessen  gerade  deutsch  gesungen  werden. 
Je  drei  Strophen  (z.  B.  1.  7.  13,  2.  8.  14  usw.)  laBt  Altenburg  nach  dem- 
selben  Satz  singen,  sodaB  sich  fur  die  18  Strophen  6  verschiedene  Be- 
handlungsweisen  desselben  Cantus  firmus  ergeben,  die  der  Gestaltungs- 
kraft  ihres  Schopfers  das  beste  Zeugnis  ausstellen.  Die  Melodie  liegt 
zumeist  im  Diskant,  nur  bei  Stellen,  die  vom  zweiten  Chor  allein  gesungen 
werden,  tritt  sie  im  Tenor  auf;  fiir  einen  wirkungsvollen  SchluB  sorgt 
Altenburg  dadurch,  daB  er  die  Strophen  6,  12  und  18  von  beiden  Choren 
zusammensingen  laBt.  Von  den  vierstimmigen  Satzen  liegen  >Wir  danken 
dir  Herr  Jesu  Christ*,  »Lob  Ehr  und  Preis  zu  aller  Zeit«  und  >Herr 
Christ,  laB  leuchten  uns  dein  Stern*1)  bei  Teschner  im  Neudruck  vor, 
von  welchen  besonders  der  zuerst  genannte  Satz  wegen  seines  harmonischen 
Reichtums  Erwahnung  verdient.  Das  mit  einem  Generaldiskant  versehene 
fiinfstimmige  >Wie  schon  geht  auf  der  Morgenstern  heut  voller  Gnad 
und  Freuden«,  dessen  Melodie  eine  Umbildung  derjenigen  Nicolai's  von 
1599  »Wie  schon  leucht  uns  der  Morgenstern*  ist,  bringt  kurz  vor  der 
Wiederholung  des  ersten  Teils  folgende  Oktaven-Fortschreitungen : 


-^ 


=t= 


heut  vol 


^^S 


ler        Gnad      und      Freu 


den 


^^ 


-#a- 


^ 


£ 


-^m 


?- 


Da  Altenburg  fiinf  solcher  Fortschreitungen  bringt,  kann  man  nur  an- 
nehmen,  daB  der  BaB  die  Melodie  des  Generaldiskants  2  Oktaven  tiefer 
verstarken  soil,  obwohl  dadurch  auffallend  schlecht  klingende  Parallelen 
entstehen,  die,  wenn  sie  zwischen  Oberstimme  und  Tenor  stattfanden, 
sich  lange  nicht  so  unangenehm  f  uhlbar  machten,  als  in  den  AuBenstimmen. 
Das  fiir  Doppelchor  gesetzte  »Springt,  klingt  und  singt,  breit  aus  die 
Mar,  sie  ist  eurs  Herzens  Freude«  tragt  die  Uberschrift  »Echo«  und  ist 
eine  recht  harmlose  Spielerei,  die  im  Vergleich  zu  dem  kunstvollen  Echo- 


1)  Jedoch  von  d-moll  nach  e-moll  erhoht,  um  fiir,  den  Alt  eine  bessere  Lage  zu 
gewinnen. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  35 

Lied1)  Ton  Orlandus  Lassus  direkt  simpel  wirkt.  In  der  2.,  3.  und  4.  Strophe 
bringt  Altenburg  diese  Spielerei  nicht  mehr;  vielleicht  sagte  er  sioh,  mit 
die8em  einmaligen  Echo  sei  es  genug,  vielleicht  auch  fielen  ihm  auf  die 
Worte  >gepreist«  und  >aufschleuBt«  keine  passenden  »Echoworte«  ein.  Das 
neunstimmige  »Auf,  du  Chris tenschar  sei  frohlich*  hat  auBer  dem  General- 
diskant  einen  auf  Geigen  gerichteten  Instrumentalchor,  der  die  Anmerkung 
tragt: 

»  dieser  Chor,  wo  man  es  haben  kann/  soil  gegeiget  werden/  wil  man  den 
Text  ja  lassen  mitsingen/  sollen  die  Yocalisten  fein  submisse  singen/  damit 
man  die  Geigen  sowol  als  den  Cantum  generalem  hbren  kan.  Wo  aber  ein 
Orgelwerk  ist/  und  keine  Geigen  vorhanden/  so  sol  dieser  Chor  geschlagen 
werden/  und  dann  neben  dem  Cantu  generali  der  Bafi  nur  mitgesungen  werden. 

Ferner  heiBt  es  in  einer  Anmerkung  der  BaBstimme  des  Instrumental- 
chores: 

dieser  Chor  soil  gegeiget  werden/  kann  man  die  Adjuvanten  haben/  mag  man 
den  Text  mitsingen  lassen/  jedoch  mbmisse.* 

Das  in  G-dur  stehende  Stuck  macht  mit  seiner  rhythmisch  belebten 
Melodik  und  dem  sich  in  Oktavenspriingen  bewegenden  BaBmotiv 


^^ 


Auf    auf  auf     auf 

einen  ungemein  frischen  und  belebten  Eindmck. 

Angst  der  Hellen/  unnd/  Friede  der  Seelen/  das  ist/  der  116.  Psalm 
Davids,  durch  etzliche  vornehme  Musicos  im  Chur  und  Fiirstenthumb 
Sachsen  sehr  kiinstlich  und  ahnmutig  uff  den  Text  gerichtet,  mit  5, 
4,  3  Stimmen  componiert,  von  ihnen  durch  freundlich  schriftliches 
Suchen  und  Bitten  impretiret,  colligirt  und  zuvorderst  zu  Gottes  lob 
Ehr  und  preiss,  denen  Authoribus  aber  selber  zu  groBen  Dank,  un- 
sterblichen  Ruhm  und  erweckung  mehr  derogleichen  niitzlicher  und 
heiliger  Kirchenarbeit  publicirt  und  auss  bestendiger  Ehr  und  Lieb 
zur  Musik  zum  Druck  verlegt  durch  Burkhard  Grossmann  Fiirstlichen 
Sachsischen  Amptschosser  zu  Jehna  und  Burgau/  gedruckt  zu  Jehna 
bei  Johann  Weidner  Anno  1623. 

(Exemplar  auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin). 

Aus  der  sehr  langen  Vorrede  erfahren  wir  unter  anderem,  daB  GroB- 
mann  nach  einer  wunderlichen  Errettung  im  Jahre  1616  recht  nach  dem 
116.  Psalm  das  Geliibde  tat,  diesen  Psalm  von  hervorragenden  Meistern 
komponieren  und  auf  eigene  Kosten  drucken  zu  lassen.  Unter  den  16  Ton- 

1)  Aus  Canxone  Moresche  e  VHlaneUey  Paris  1681. 

3* 


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36 


Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


setzern,  die  GroBmann's  Bitte  nachkamen,  ist  neben  Schein,  Schiitz,  Melchior 
Frank,  Rogier  Michael,  Demantius,  Michael  Praetorius  und  kleinern 
Meistern  auch  unser  Altenburg  vertreten.  Von  alien  diesen  16  Tonsatzen 
liegt  nur  derjenige  von  Heinrich  Schiitz  im  Neudruck  vor1)  und  konnte 
daher  in  erster  Linie  zu  einem  Vergleich  herangezogen  werden.  Beide 
Werke  weisen  viele  gemeinsame  Ziige  auf ,  ja  stimmen  in  der  Behandlung 
von  Einzelheiten  in  iiberraschender  Weise  iiberein;  der  Stil  ist  in  beiden 
dramatisch  bewegt,  bei  Schiitz  allerdings  einfacher  und  klarer  als  bei 
Altenburg,  der  mehr  Figurenwerk  bringt.  Dagegen  verzichtet  Schiitz  durch- 
weg  auf  einen  Wechsel  im  Takt,  seine  Komposition  steht  ganz  im  Vier- 
halbe-Takt,  wahrend  Altenburg  mehrere  Male  den  Dreihalbe-Takt  an- 
wendet,  nicht  zum  Schaden  seiner  Komposition,  die  dadurch  urn  ein 
Ausdrucksmittel  reicher  wird.  Auch  in  bezug  auf  Stimmen-Kombination 
zeigt  Altenburg  mehr  Abwechselung,  er  behandelt  den  1.,  3.,  5.  und  7.  Teil 
des  Psalms  fiinfstimmig,  den  2.  vierstimmig  und  den  4.  und  6.  Teil  drei- 
stimmig,  wahrend  Schiitz  den  ganzen  Psalm  fiinfstimmig  gesetzt  hat. 

In  anderen  Punkten  zeigte  sich  eine  groBe  Ahnlichkeit  zwischen  beiden 
Meistern,  so  in  bezug  auf  Tonmalereien.  Tonmalerische  Achtelbewegung  tritt 
zum  Beispiel  bei  beiden  fast  in  notengetreuer  Weise  ein  bei  den  Stellen: 
»Stricke  des  Todes«,  »Bewahre  meinen  FuB  vom  Gleiten*,  »Du  hast  meine 
Bande  zerrissen«  und  anderen.  Neben  solchen  mehr  auBerlichen  Ahn- 
lichkeiten  finden  wir  auch  tief  erfaBte  Stellen,  die  in  der  Behandlungs- 
weise  iibereinstimmen.  So  das  dramatisch  bewegte  »0  Herr  errette  meine 
Seele«:  beide  Meister  bringen  hier  eine  aufsteigende  BaBfigur,  die  sich 
sequenzartig  auf  verschiedenen  Tonstufen  wiederholt, 

Schiitz. 


^-j-^y 


* 


O    Herr    er-rette  mei 
Altenhurg. 


ne  See  -  le 


j,    |»    f    f'|    r  J-C-J-=: 
5tte  mei    -    ne    See      -    -      le 


er  -  rette  mei    -    ne    See 

wahrend  die  14  andern  Komponisten  diese  S telle  ganz  anders  und  man 
muB  sagen  weniger  treffend  im  Ausdruck  behandelt  haben. 

Gerade  aus  dieser  Komposition  ersieht  man,  wie  innerlich  nahe  Altenburg 
dem  groBten  Meister  seiner  Zeit  Heinrich  Schiitz  gestanden  hat;  wenn 
er  ihn  auch  besonders  in  bezug  auf  Harmonie-Reichtum  nicht  ganz  er- 
reicht,  so  lag  das  wohl  weniger  an  geringerem  musikalischen  Talent  als 
an  der  Ausbildung.  Schiitz,  der  in  dem  Landgrafen  Moritz  von  Hessen 
einen  Beschiitzer  gefunden  hatte,    auf  dessen  Kosten  er  in  Italien  bei 

1)  Band  XII  der  Spitta'schen  Ausgabe. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  37 

Gabrieli  studieren  konnte,  der  seine  ganze  Zeit  der  Kunst  widmete  und 
dem  in  Dresden  eine  kiinstlerisch  hochstehende  Kapelle  zur  Verfugung 
stand,  muBte  es  natiirlich  weiter  bringen,  als  der  einfache  Landpfarrer, 
der  wohl  nie  aus  den  Grenzen  Thiiringens  herausgekommen  war,  der  nicht 
den  Unterricht  eines  groBen  Meisters  genossen  hatte,  und  der  trotzdem 
neben  seinem  Beruf  noch  die  Zeit  fand,  die  Kunst  in  so  ausgedehntem 
MaBe  zu  pflegen,  dessen  Arbeitskraft  aber  durch  die  Schrecken  des 
30jahrigen  Krieges  ganz  gebrochen  wurde. 

Erster  Teil  newer  lieblicber  nnd  zierlicher  Intraden,  mit  6  Stimmen. 
Welche  zuforderst  auf  Geigen,  Lauten  Inatrumenten  und  Orgelwerk 
gerichtet  sind/  darin  auch  zugleich  eine  Choral  Stimm  auss  dem 
Gesangbuch  dess  Herrn  Dr.  Mart.  Luther  gantz  zierlich  deutlich  und 
vernehmlich  von  Jedermann  kan  mitgesungen  werden/  oder  als  daB 
wenn  fiinf  Personen  geigen/  unter  denselben  einer/  bevorrauss  der 

Bassist  die  Choralstimm  mitsingen  kan.    Componiert  durch 

Gedruckt  zu  Erfurdt/  bey  und  in  Verlegung  Johann  Rohbock  im 
Jahr  1620. 

(Exemplar  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin) 

In  der  Vorrede  des  vier  angesehenen  Erfurter  Biirgern  gewidmeten 
Werkes  sagt  Altenburg  unter  anderem: 

>daB  aber  die  liebe  Musik  sehr  hoch  gestiegen  bezeugt  nicht  allein  die  Be- 
trachtung  der  Fiirtrefflichen  und  herrlichen  Compositionum,  sondern  auch  der 
Oerter,  da  die  Musik  in  Schwang  gehet.  Denn  von  Chur  und  Ftirstlichen 
Musiken/  will  ich  jetzunder  nicht   sagen/  denn    dieselben   von   tag  zu  tage/ 

immer  ja  hoher  steigen/  wie  solches  die   herrliche  Opera 

Praetori,  Schutzen/  und  anderer  mehr  genugsam  bezeugen/  daB  einer  wohl 
nochmals  sagen  mochte/  ob  auch  an  solchen  Oertern   die  liebe  Musik  hoher 

kommen  konnte1) ist  doch  bald  kein  Dorflein/  bevorrauB  in  Thu- 

ringen  darinnen  Musiea  beydes  Vocalis  und  Insirwmentalis den  Oertern 

nach/  sollte  floriren  und  wohlbestellet  sein.  Hat  man  ja  kein  Orgelwerk/ 
so  ist  doch  die  Vocalis  Musiea  zum  wenigsten  mit  5  oder  6  Geigen  orniert 
und  geziert,  welches  man  vorzeiten  kaum  in  den  Statten  hat  haben  konnnen. 
Demnach  weil  man  nicht  an  alien  Orten  kan  Orgeln  haben/  sondern  gleich- 

sam  an  statt  derselben  Geigen  gebraucht  werden/  als  ist  von   vielen 

Liebhabern  der  Musik  bey  mir  angehalten  worden/  daB  ich  doch  etzliche 
Kirchen-Intraden  setzen  wollte,  zu  welchen  ein  Chorgesang  des  Herrn  Dr. 
Luth.  gerichtet/  die  man  auf  Geigen/  anstatt  der  Orgel/  zwischen  einem  jeg- 
lichen  Gesang/  bevorrauB  wann  Figural  gesungen  wurde/  brauchen  kondte/ 
damit  unter  deB  der  Schulmeister  oder  Cantor  eine  andere  Cantion  auff  su- 
chen/  und  desto  bequemer   dieselbe   anstimmen   und  anfahen   kondte.     Aber 

1)  Mit  ganz  ahnlichen  "Worten  preiat  Schein  in  der  Vorrede  zu  seinem  Ba?ir 
chetto  MasicaU  1617  die  Musik.  Siehe  Arth.  Prttfer,  J.  H.  Schein  (Habilitations- 
achrift),  Leipzig  1895,  Seite  42. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


gleichwohl  unter  deB/  wie  man  den  Intraden  geigte  nicht  allein  der  sonus 
harmonious  sondern  auch  Texius  gehort  wurde/  welcher  denn  etwa  von  ge- 
meinen  Yolke  und  ganzen  Christenheit  mit  eingesungen  werde. 

Diesem  Begehren  habe  ich  wollen  ein  Geniige  thun  und  etzliche  Kirchen- 

Intraden    (wenn   ich  Gelegenheit  und   Zeit   dazu  gehabt)   componiert 

und  auf  vielfellige  Anhalten  den  ersten  Teil  desselben  publiciert,  wird  die 
Annehmlichkeit  derselben  gespttrt,  sollen  in  Kurze  die  andern  Teile  —  auch 
erfolgen.  *) 

Diese  sechsstimmigen  Satze  schreiten  wie  die  damaligen  Instrumental- 
satze  ziemlich  steif  und  majestatisch  einher,  doch  sieht  man  aus  so  manchen 
Einzelheiten,  daB  man  Instrumentalmusik,  keine  Vokalmusik  vor  sich  hat. 
Hierauf  weist  zum  Beispiel  die  melodische  Folge  von  2  Quarten  in  einer 
Stimme  und  sprungweise  Ftthrung  des  Basses,  der  auch  haufig  Achtel- 
bewegung  bringt,  die  sich  in  Altenburg's  Vokalkompositionen  nur  ganz 
selten  findet.  Von  den  Stellen,  dereh  instrumentales  Geprage  man  auf 
den  ersten  Blick  erkennt,  gebe  ich  hier  einige  Beispiele: 


Nr.7. 


Nr.9. 


Nr.  10. 


Nr.  14. 


^MgZ 


rxrftfm-i-'^t^ 


s* 


r  e  ni  nm 


a 


^B^rrcrrJgaiECa:^ 


^Cj  ptr  rrXti^f-  r  r  r=% 


Von  den  16  Intraden  weisen  15  dreiteilige  Form  auf  (nur  Nr.  14  ist 
zweiteilig),  und  zwar  wird  jeder  der  drei  Teile  wiederholt,  die  Singstimme 
setzt  nach  1  bis  3  Instrumental takten  mit  dem  Choral  ein  und  pausiert 
auch  gelegentlich  in  weiterem  Verlaufe  des  Satzes  einige  Takte.  Gemein- 
sam  ist  alien  Satzen  die  viermalige  (im  dreiteiligen  Takt  die  dreimalige) 
Wiederholung  des  Dreiklangs  bei  jeder  Reprise,  die  kirchlich  feierlich 
wirkt.  Die  zWeite  Intrade,  >Nun  lob  meine  Seele  den  Herrn*  tragt  die 
Uberschrift  >musikalische  Frohlichkeit«,  verdient  diesen  Titel  aber  nur 
in  wenigen  rhythmisch  belebten  Takten.  Die  letzte  Intrade,  deren  Melodie 
eine  Umbildung  (in  den  Dreihalbe  Takt)  der  Intrade  >List  und  Neid«  ist, 
benutzt  Altenburg  dazu,  seinen  Gegnern  einen  kleinen  Hieb  zu  versetzen 
mit  folgendem  kleinen  Gedichte: 


1)  Die  anderen  Teile  sind  nicht  erschienen,  beziehungsweise  verloren  gegangen. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  39 

Zum  VerdruB,  der  BeschluB 
Sei  denjenigen  gsungen, 
Die  mich  oft  unverhofft 
Tragen  auf  den  Zungen 
Und  frohlich  angeben  mich, 
Mein  Gliick  zutreiben  hinter  sich. 
Ich  wills  noch  wohl  erhalten 
Wider  aller  Neider  Stich. 

Betrachten  wir  im  AnschluB  hieran  die  beiden  zehnstimmigen  Intraden 
aus  dem  dritten  Teil  der  Kirchen-  und  Haus-Gesange1).  Der  obere 
fimfstimmige  Chor  ist  auf  »Geigen,  Lauten  und  Instrument*  gerichtet, 
der  untere  vierstimmige  >auf  ein  gedackt  Orgelwerk*  oder  >auf  Zinken 
und  Posaunen*. 

Diese  beiden  Satze  tragen  noch  ausgepragteren  instrumentalen  Charakter 
als  die  vorher  besprochenen  Intraden,  denen  sie  im  Bau  genau  entsprechen. 
GemaB  der  leichten  Beweglichkeit  der  Geigen  weist  der  erste  Teil  viel 
Figuration  auf,  wahrend  der  zweite  ruhiger  einherschreitet,  wie  es  ja  auch 
mehr  dem  Charakter  der  Zinken  und  Posaunen  entspricht.  Die  erste 
Intrade  tragt  die  Uberschrift  » Intrade  10  vocum*  »Gleich  wie  sich  fein 
ein  V6gelein«.  Eine  zehnte  Stimme,  die  den  Generaldiskant  zu  singen 
hatte,  ist  jedoch  nicht  vorhanden.  Der  Choral  »Gleich  wie  sich  fein  ein 
Vogelein*  findet  sich  nun  nach  Zahn2)  zuerst  in  den  geistlichen  Liedern 
Erfurt  1634;  da  seine  Melodie  aber  als  zehnte  Stimme  zur  vorliegenden 
Intrade  paBt,  so  muB  die  Weise  schon  im  Jahre  1620  vorhanden  und 
auch  bekannt  gewesen  sein,  so  daB  Altenburg  es  nicht  fur  notig  hielt, 
sie,  ebenso  wie  das  allgetnein  bekannte  »Ein  feste  Burg*  (Melodie  der 
zweiten  Intrade),  drucken  zu  lassen.  Den  Text*  der  eine  Fortsetzung  von 
Martin  Rutilius'  BuBlied  >Ach  Gott  und  Herr«  aus  dem  Jahre  1604  ist, 
hat  auch  Melchior  Frank3)  fiinfstimmig  gesetzt,  jedoch  ist  seine  Melodie 
steif  (obwohl  er  sonst  ein  Meister  der  Melodik  ist),  wahrend  man  aus  der 
dorischen  Melodie  Altenburg's4),  die  sich  im  Umfang  von  d{  bis  f2  bewegt, 
ein  wirklich  bedeutendes  Talent  fiir  melodische  Linie  erkennt. 

Auch  J.  R.  A  hie,  der  spatere  Kantor  an  St.  Andrea  zu  Erfurt,  bringt 
in  seinen  Dialogen5)  einen  Satz  >Gleichwie  sich  fein  ein  Vogelein*  fiir 
2  Diskante  und  basso  continuo,  dessen  thematisches  Material  aus  den 
einzelnen  Zeilen  der  Altenburg'schen  Weise  entnommen  ist;  wir  werden 
aber  aus  der  Besprechung  des  nachsten  und  letzten  Werkes  sehen,  daB 
Able  unserm  Altenburg  noch  andere  Anregungen  zu  verdanken  hat.   Uber 


1)  Siehe  Seite  27.  2)  Zahn  II,  2056. 

3)  Geistl.  mus.  Luatgarten  I,  1616.  4)  Zahn  II,  2056. 

5)  Erster  Teil  geiatticher  Dialogen  1648. 


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40  Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 

die  zweite  Intrade  »Ein  feste  Burg«,  die  dieselben  Ziige  aufweist  wie  die 
erste,  eriibrigt  sich  eine  genaue  Besprechung. 

Gaudium  Christiannm.    Das  ist  Christliche/  Musikalische  Frewde. 
Begreiffend 

1)  das  Lutherische  Jubelgeschrey/  5  too. 

2)  Die  Prophezeiung  von  Luthero/  Apocalipsis  am  14.  Mit  12  oder 
16  Stimmen. 

3)  Das  Lutherische  SchloB/  oder  Feste  Burgk/  mit  5,  15  oder  18 
Stimmen. 

4)  Die  Engelische  Schlacht/  Apoc.  12  mit  12  oder  16  Stimmen. 
Darein  zugleich  3  Trompeten  und  zwo  Pauken/  die  eine  in  das 
kleine  c,  die  ander  in  das  groBe  g  gestellet  konnen  gebraucht  werden. 

5)  Das  Amen.    Item/  Von  Nun  an  bis  in  Ewigkeit/  mit  12  Stimmen. 

6)  Das  Amen  Gott  Vater  und  Sohne/  etc.    Nach  der  alten  Melodie/ 

mit  12  Stimmen  componieret  und  dem Chur  und  f UrstJichen 

Hause  Sachsen  . .  dedizieret Gedruckt  zu  Jehna  bei  J.  Weidner 

1617. 

(Exemplar  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin). 

Das  Werk  enthalt  drei  lateinische  Lobgesange  und  folgende  den 
vierten  Chor  betreffende  *Nota*: 

»Diesen  Chor,  welcher  nur  auf  Trompeten  und  Paucken  gerichtet,  mag 
oder  kan  ....  der  Cantor  aufilassen.  "Wo  er  ihn  aber  haben  kan  .  . .  soil 
er  besonders  und  alleine  stehen,  und  diesem  Chor,  so  oft  ein  NB.  im  tiefsten 
Bafi  steht,  ein  Zeicben  geben,  damit  sie  sich  desto  besser  danach  zu  richten 
haben  und  den  Ansatz  machen*. 

Die  mehrchorige,  auch  die  Instrumente  berucksichtigende  Kompositions- 
weise,  hatte  sich  in  Italien  unter  Willaert,  Andrea  und  Giovanni 
Gabrieli  ausgebildet  und  war  durch  die  Schiiler  der  zuletzt  genannten 
beiden  Meister,  HaBler  und  Schtitz  auch  nach  Deutschland  gekommen, 
wo  besonders  Michael  Praetorius,  der  von  sich  sagte,  »daB  er  die 
Italos  einigermaBen  nach  seiner  Wenigkeit  imitiere*  ein  Hauptvertreter 
dieser  Bichtung  wurde,  dem  vielleicht  auch  Altenburg  die  Anregung  zu 
der  vorliegenden  Komposition  zu  verdanken  hat.  Altenburg  verbindet 
hier  mit  einem  dreifachen  Chor  von  12  beziehungsweise  15  Stimmen 
3  Trompeten  und  2  Pauken.  Diese  im  Verhaltnis  zu  den  ltalienern 
offenbare  Diirftigkeit  des  Instrumentalchors  erklart  sich  vielleicht 
damit,  daB  Altenburg  in  erster  Linie  fur  den  Gebrauch  der  eigenen 
Gemeinde  schrieb,  und  es  ihm  schwer  genug  gef alien  sein  durfte,  in 
einem  Dorfe  von  400  Einwohnern  die  zur  Ausfiihrung  notigen  Krafte 


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Ludwig  Meineoke,  Michael  Altenburg. 


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zusammenzubringen  (heutzutage  ware  es  uberhaupt  ganz  ausgeschlossen!), 
auch  wenn  nur  jede  Stimme  einfach  besetzt  war1). 

Nr.  1)  »das  lutherische  Jubelgeschrey*  ist  ein  einfacher  fiinf- 
stimmiger  Satz  in  dreiteiliger  Form,  dessen  Text  »Macht  Bahn  zu  Freud 
und  Jubelgeschrey,  nab  dicb  du  Christenschar  herbei*  vielleicht  yon 
Altenburg  selbst  herruhrt. 

Nr.  2)  die  Prophezeiung  von  Luthero  (Apokalypsis  14)  ist  gesetzt 
fiir  drei  vierstimmige  Vokalchore  nebst  einem  vierten  Chor  fiir  Trompeten 
und  Pauken;  die  Yerhaltungs-MaBregeln  dieses  Chores  werden  in  einem 
Gedicbt  dargelegt,  dessen  letzte  Zeilen  »den  Text  fein  lieblich  zart  und 
rein  ein  Knablein  auch  mag  singen  drein*  offenbar  darauf  hinweisen, 
daB  der  Generaldiskant  fiir  die  Schulkinder  auch  hier  Verwendung  finden 
soil.  Der  volkstiimliche,  von  den  iibrigen  Stimmen  abweichende  Text, 
der  wohl  Altenburg  zum  Verfasser  haben  diirfte,  moge  hier  wenigstens 
in-  der  ersten  Strophe  folgen,  ebenso  die  durch  die  Trompeten  verstarkte 
Melodie,  die  einen  klaren  periodischen  Aufbau  aufweist,  und  besonders 
durch  die  Wiederholung  am  SchluB  wie  ein  Volkslied  wirkt: 

G-eBang  and  Trompete. 


m 


iar   a  \   il 


e=e-M-^ 


A A 


W1 


?^m 


Der  Babstder      hat_ 


den    Schlussel   ver    ------  lorn, 


$ 


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21— ^J_A 


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was   will    er  nun. 


-be  -  ginnen, 


das    thut  ihm  auB_ 


der- 


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maCen  Zorn,  daB  ern  nicht  wieder  kann  finden,         das  that  ihm  aa(3_ 


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mafien  Zorn,  daB  ern  nicht  wieder  kann  finden. 

Das  einzige,  in  der  kgl.  Bibliothek  Berlin  sich  befindende  Exemplar 
des  Werkes,  (zugleich  das  einzige,  das  uberhaupt  vorhanden  ist),  tragt 
den  Vermerk  »unvollstandig«,  da  nur  eine  Instrumentaistimme  vorhanden 
ist.  Doch  neige  ich  der  Annahme  zu,  daB  uberhaupt  nur  diese  eine 
Instrumentaistimme  existierte,  denn  fiir  die  fanfarenmaBig  (kanonisch) 
nacheinander  eintretenden  Trompeten  geniigte  eine  Stimme,  wahrend  man 
fiir  die  Pauken,  die  nur  Grundton  und  Dominante  zu  markieren  hatten, 
uberhaupt  keine   Stimme  brauchte.    In  der  Tat  bewegen  sich  die  mit 


1)  Mit  wie  wenig  Kr'aften  man  sich  zu  damaliger  Zeit  begnugte,  zeigt  auch,  daB 
Bach  100  Jahre  sp'ater  fur  die  Aoffahrungen  an  der  Thomaskirche  zu  Leipzig  nur 
16  Sanger  und  20  Instrumentalisten  verlangte. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


Trompeten  begleiteten  Stellen  nur  in  C-dur  und  berohren  nur  gelegentlich 
die  Dominante;  auch  die  Stimme  der  Trompete  laBt  die  obige  Annahme 
eines  kanonischen  Eintretens  der  Instrumente  sehr  wohl  zu.  Interessant 
ist  der  SchluB  der  Komposition,  der  sich  20  Takte  lang  nur  m  C-dur 
bewegt,  dann  einen  Takt  lang  die  Dominant-Harmonie  bringt  und  im 
nachsten  Takt  zur  Tonika  zuriickf  iihrt.  Dieses  lange  Verweilen  bei  einem 
Dreiklang,  das  wohl  mit  durch  die  Trompeten  bedingt  gewesen  sein  mag, 
ist  von  machtvoller  Wirkung,  ja  es  erinnert  direkt  an  die  triumphierenden 
SchluBchore  in  den  Handel'schen  Oratorien,  fur  deren  SchluB  auch  ein 
langes  Verweilen  in  einer  Tonart  charakteristisch  ist. 

Nr.  3)  Das  »Lutherische«  SchloB  mit  15  oder  18  Stimmen  ist 
eine  groB  angelegte  Komposition  fiir  3  fiinf stimmige  Chore  nebst  Trompeten 
und  Pauken,  ebenfalls  in  C-dur  stehend.  Die  2  Chore  setzen  kanonisch 
nacheinander  ein  mit  dem  aus  den  ersten  Noten  des  Chorals  gebildeten 
Motiv 


W 


Ein    feste    Burg, 
zu  dem  sich  gleichzeitig  folgende  Trompetenstimme  gesellt: 

-jQ 


fe 


£ 


mm 


Es  folgt  darauf  die  erste  Zeile  des  Chorals  von  den  drei  Choren  einzeln 
nacheinander  gebracht  (ohne  Trompeten),  wobei  die  Melodie  zwischen  der 
Oberstimme  des  ersten  Chors,  dem  zweiten  Diskant  des  zweiten  Chors 
und  dem  Tenor  des  dritten  Chors  abwechselt.     Der  zweite  Stollen  >Er 

hilft  uns  frei  aus  aller  Not,  die  uns «  weist  depselben  Bau  auf, 

wie  der  erste.  Die  Worte  »groB  Macht  und  viel  List«  werden  von  den 
drei  Choren  zusammen  gesungen,  es  folgen  wieder  Solosteiien  der  einzelnen 
Chore,  bis  dann  bei  >Auf  Erd  ist  nicht  seins  gleichenc  die  Trompeten 
zu  den  drei  Choren  hinzutreten.  An  dieser  Stelle  liegt  die  Melodie  in 
Brevis-Werten  im  zweiten  Diskant  des  zweiten  Chors,  die  andern  Stimmen 
umspielen  sie  in  kunstvoll  belebter  Stimmfuhrung,  dazu  halten  die  Basse 
des  zweiten  und  dritten  Chors  Notenwerte  von  der  GroBe  einer  Longa 
aus.  Die  Worte  »Auf  Erd  ist  nicht  seins  gleichen*  werden  dann  noch 
nach  Art  des  Anfangs  (Ein  feste  Burg)  zu  einem  im  Dreihalbe-Takt 
stehenden  vollstimmigen  Tonsatz  benutzt,  der  mit  der  Trompeten-Fanfare 


*£mzrt=&t 


1 


auf  dem   lang   ausgehaltenen   C-dur  Akkord    den  AbschluB   der  ersten 
Strophe  bildet. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  43 

Die  zweite  Strophe  wird  choraliter  vom  ersten  Chor  gesungen  (Cantus 
firmtis  im  zweiten  Diskant),  die  dritte  allein  vom  zweiten  Chor  (Cantus 
firmus  ebenf  alls  im  zweiten  Diskant)  und  die  yierte  Strophe  vom  dritten  Chor 
allein  (Melodie  im  Alt).  Bei  diesen  drei  fast  Note  gegen  Note  gesetzten 
Strophen  wurde  sicherlich  auf  eine  Mitwirkung  der  Gemeinde  gerechnet. 
Die  fiinfte  Strophe  >Preis,  Lob  und  Ehr  dem  hochsten  Gut*  ist  nach  dem 
Schema  der  ersten  Strophe  gebaut;  die  letzten  18  Takte  bewegen  sich  nur 
im  C-dur  Dreiklang,  wohl  weil  die  kanonische  Piihrung  der  Trompeten 
einer  Modulation  in  andere  Tonarten  im  Wege  stand. 

Nr.  4)  Die  Engelische  Schlacht.  Sie  ist  die  poetisch  musikalische 
Gestaltung  eines  biblischen  Vorganges,  namlich  des  Kampf  es  zwischen 
dem  Erzengel  Michael  und  dem  Teuf el,  wie  er  in  der  Offenbarung  Johannis 
Kap.  12,  Vers  7—12  beschrieben  wird.  Denselben  Text  haben  spater 
Hammerschmidt  und  Johann  Christoph  Bach  vertont,  wie  Spitta 
in  seiner  Bach-Biographie  *)  eingehend  darstellt.  Auf  Seite  49  sagt  Spitta 
bei  Besprechung  der  Komposition  Chr.  Bach's: 

> aber  es  ware  auch  die  ganze  Anlage  des  Werkes  nicht  so  geworden, 

wie  sie  ist,  hatte  nicht  Bach  nach  einem  sehr  bestimmt  und  deutlich  ge- 
zeichneten  Vorbilde  Hammerschmidt's  gearbeitet.  Dieser  hat  in  seinem  »an- 
dern  Teil  geistlicher  Gesprache  iiber  die  Evangelia*  No.  26  (Dresden  1656) 
dieselben  Bibelworte  far  sechsstimmigen  Chor  mit  Trompeten,  Zinken  und 
Orgel  gesetzt,  und  der  Gedanke,  den  Kampf  auf  der  lange  festgehaltenen 
Dreiklangsharmonie  von  C-dur  sich  austoben  zu  lassen,  hat  ihn  zum  eigent- 
lichen  Erfinder.  Auch  in  der  musikalischen  Darstellung  des  Sturzes  aus  dem 
Himmel  nnd  in  dem  langaushaUenden  C-dur  des  Schlusses  ist  die  Originalitat 
bei  dem  alteren  Meisterc. 

Soweit  Spitta  iiber  die  Komposition  Hammerschmidt's.  Der  Gedanke, 
den  Kampf  auf  dem  lange  festgehaltenen  C-dur  Dreiklang  sich  austoben 
zu  lassen,  ebenso  wie  das  lange  Verweilen  auf  dem  C-dur  Akkorde  am 
Schlusse,  findet  sich  aber  schon  in  der  40  Jahre  friiher  erschienenen 
Komposition  Altenburg's,  woraus  man  wohl  schlieBen  darf,  daB  Hammer- 
schmidt (er  war  von  1639  bis  zu  seinem  Tode  1675  Organist  zu  Zittau) 
Altenburg's  Werk  gekannt  haben  muB.  Da  man  es  in  friiherer  Zeit  nicht 
so  genau  mit  dem  geistigenEigentum  nahm2),  so  iibernahm  Hammerschmidt 
Altenburg's  Grund-Ideen,  um  sie  weiter  auszubauen.  Spater  benutzte 
dann  J.  Chr.  Bach  die  Komposition  Hammerschmidt's,  um  daraus  eine 
Tonschopfung  zu  bilden,  deren  Mittel  nicht  nur  fur  die  damalige  Zeit 
auBergewohnliche  sind3). 

1)  I,  Seite  44. 

2)  Unter  anderem  verwendet  Handel  eine  Aria  aus  Reiser's  >Oktavia«,  sogar 
dreimal:  in  >la  forza  della  virtue,  im  >Trionfo  del  Tempo*  und  im  »Messias*. 

3)  Er  verwendet  neben  2  funfstimmigen  Choren  2  Violinen,  4  Bratschen,  Fagott, 
4  Pauken,  BaC  und  Orgel. 


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44 


Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg. 


Aber  den  eigentlichen  Schopfer  der  Idee,  Altenburg,  vergaB  man! 
Es  mogen  hier  als  interessante  Belege  fiir  die  Art  und  Weise,  wie  drei 
bedeutende  Meister  denselben  Text  behandelt  haben,  die  rhythmischen 
BaB-Motive  ihrer  Komposition  Platz  finden: 

Altenburg. 


Es    er  -  hub  sich  ein  Streit, 
Hammerschmidt. 


5^gS 


321 


•JSL g. 


=3£ 


Und    es      er  -  hub    sich   ein  Streit. 
Ghr.  Bach. 


TtX. 


Ht* 


TSL 


es  er  -  hub  sich  ein  Streit,  : ', : 

In  bezug  auf  dramatische  Wirkung  gebiihrt  wohl  Altenburg's  Motiv 
der  Vorzug,  da  es,  allmahlich  von  halben  Noten  zur  Synkope  und  zum 
rhythmischen  Motiv  anschwellend,  eine  ganz  gewaltig  vorwarts  treibende 
Kraft  offenbart.  DaB  Hammerschmidt  Altenburg's  Komposition  ge- 
kannt  haben  mufi,  beweist  aber  eklatant  die  folgende  Stelle: 

Altenburg. 


9*"^    Q^z^ 


s 


2Z=2Z 


221 


221 


Nun  ist    dasHeil, 

Hammerschmidt. 


und  die  Kraft,  und  das  Reich, 


und  die  Macht 


^^T-^-^z 


i 


g     g>— & 


&     & 


Nun  ist  das  Heil 


und  die  Kraft 


und  das  Reich         und  die  Macht. 


Eine  solche  fast  notengetreue  Behandlung  derselben  Worte  kann  kein 
Zufall  sein!  In  bezug  auf  angewandte  Mittel  geht  Hammerschmidt  ubrigens 
nicht  so  weit  wie  Altenburg,  er  verwendet  in  seinem  achtstimmigen  Ton- 
gemalde  neben  dem  funfstimmigen  Vokalchor  Trompeten,  Zinken  und  den 
»basso  continuo*.  Altenburg  dagegen  hat  seine  Komposition  fiir  3  vier- 
stimmige  Chore  gesetzt,  zu  denen  sich  noch  3  Trompeten  und  2  Pauken 
gesellen;  selbstverstandlich  kam  hierzu  noch  die  Orgel,  wenn  auch  ihre 
Anwendung  nicht  ausdriicklich  erwahnt  wird. 

Auch  Joh.  Rud.  Ahle,  der  1645  in  Erfurt  studierte  und  gleichzeitig 
(bis  zu  seiner  Berufung  nach  Miihlhausen  1649)  das  Kantorat  an  der 
Andreas-Kirche  bekleidete,  muB  Altenburg's  Werk  gekannt  haben.  Seiner 
Arie  auf  das  Fest  des  Erzengels  Michael1)  (1662)  mit  dem  Text  »Der 


1)  Denkm'aler  deutscher  Tonkunst,  Band  V,  Seite  101. 


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Ludwig  Meinecke,  Michael  Altenburg.  45 

groBe  Drache  zurnt«  geht  ein  Bitornello  fiir  Geigen  und  Continuo  voraus, 
das  im  BaB  folgende  sehr  an  den  Ehythmus  der  Altenburg'schen  Kom- 
position  erinnernde  Stelle  bringt 


'j?  ^  JT3  J  J4J  n  J  i 


Nr.  5)  Das  Amen  oder  KirchenbeschluB  12  voc.  ist  eine  kurze 
15  Takte  lange  Komposition  fiir  3  vierstimmige  Chore  iiber  die  Worte 
»Amen,  von  nun  an  bis  in  Ewigkeit,  Amen*.  Trotz  der  Kiirze  ist  die 
Modulation  eine  sehr  reiche,  C-,  G-,  C-,  J*7-,  D-(!),  C-,  #-,  JF-,  #-,  G-dur, 
ar-moU,  E-dur. 

Nr.  6)  Die  letzte  Nummer  »das  Amen  Gott  Vater  und  Sohne« 
nach  der  alten  Melodie  ist  ebenfalls  ein  kurzer  12stimmiger  Satz,  dessen 
Text  die  Worte  bilden: 

Amen  Gott  Vater  und  Sohne 
Sei  Lob  ins  Himmelsthrone. 
Sein  Geist  stark  uns  im  Glauben 
Und  mach  uns  selig.    Amen. 


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46    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  eapagnol  du  XVII*  sifecle. 


LaMusique  indigtoie  dans  le  theatre  espagnol  du  XVIIe  siecle 

par 

Felipe  Pedrrit1). 

(Madrid.) 


Comme  la  presente  dtude  doit  frdquemment  faire  apparaitre  le  nom 
espagnol  d'une  certaine  forme  lyrique,  il  sera  bon  avant  d'entrar  en 
matiere,  dq  renseigner  le  lecteur  stranger  sur  l'origine  du  nom  en  question. 
On  appelle,  en  Espagne,  zarzuela2),  une  representation  sce'nique  en  laquelle 
alternent  le  chant  et  la  declamation.  H  faut  la  considerer  comme  une 
derivation  de  Tancienne  eglogue  et  farce  du  theatre  primitif  de  Juan  del 
Encina  (1468? — 1534),  des  *dialogos  para  cantar*,  et  de  tout  un  fonds 
traditionnel  de  conceptions  sccniques,  qui  force  k  reconnaitre  que  le 
merveilleux  theatre  espagnol  existait  k  la  fin  du  XV6  siecle  et  avait 
pris  source  des  ces  annees  fecondes  en  renaissance  dans  lesquelles 
Grenade  fut  reconquise  et  le  Nouveau  Monde  decouvert. 

L'apparition  du  nom  de  «zarzuela»  donno  au  spectacle  theatral  me- 
lange*  de  dialogue  et  de  musique  date  k  ce  qu'il  semble  de  Tanne'e  1628, 
alors  que  les  fetes  et  divertissements  de  cour  du  plus  galant  des  Autrichiens 
(Philippe  IV)  composaient  une  existence  des  plus  d^licieuses  k  celui  qui 
occupait  le  trone  d'Espagne. 

A  proximity  du  sejour  royal  du  Pardo  se  trouvait  une  maison  de 
campagne  pleine  de  xarxuelas  et  appelee  «la  zarzuela»,  propriety  du 
Cardinal  Infant  Don  Fernando  et  centre  des  favorites  et  des  courtisans; 
le  fait  d'avoir  inaugure  sous  ce  toit  une  serie  de  representations  avec  une 
piece  nouvelle  en  deux  journees  intitulee  «Le  JardindeFalerina*,  entraina 
par  la  suite  Thabitude  de  donner,  en  Espagne,  cette  etrange  denomi- 
nation, purement  botanique,  k  des  ceuvres  theatrales  en  lesquelles  le  parl£ 
alternait  avec  le  chant.  Ceci  dit  en  guise  d'introduction,  nous  entrons 
en  matiere. 

*  * 

Dans  une  heureuse  trouvaille  de  compositions  theatrales  du  XVII0 
siecle  se  re*vela  soudainement  k  nous,  il  n'y  a  pas  longtemps,  une  tres 
curieuse  manifestation  de  culture  musicale  jusqu'  alors  inconnue  en  Espagne; 

1)  Traduction  franc.aise  de  M>e  Mar  the  Chassang. 

2)  Diminutif  de  xarxa  (ronce):  la  plante  connue  de  la  famille  des  rosacees  dont 
les  tiges  flexibles  et  epineuses  se  multiplient  d'une  facon  extraordinaire  servant  pour 
faire  des  haies  naturelles  ou  artificielles. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVU>  siecle.    47 

et  cette  circonstance  n'a  rien  de  surprenant,  vu  l'indifference  de  nos 
musiciens  envers  Thistorique  de  leur  profession,  —  sujet  d'etude  heureuse- 
ment  cher  k  bien  des  chercheurs  non  moins  passionnes  des  beautes  de 
Fart  que  les  musiciens  eux-memes. 

On  savait  bien  quelque  chose  de  la  musique  religieuse  espagnole  du 
XVH>  siecle,  mais  rien  de  la  musique  theatrale;  et  nous  ne  pouvions 
gufcre  repondre  quand  on  nous  interrogeait  sur  le  style  et  le  caractere 
manifestos  dans  la  musique  du  « Jar  din  de  Faierina>,  du  «Laurier 
d'Apollon*  [Laurel  de  Apoh\  ces  zarzuelas,  comedies  et  fetes  de 
musique  dont  tout  le  monde  parlait  par  tradition  et  par  oui-dire. 
Nous  n'en  savions  pas  plus  long  de  l'influence  exercee  sur  ladite  musique 
et  sur  nos  compositeurs  par  la  troublante  musique  italienne,  —  cette 
mode,  cette  «nouveaut£  en  Espagne*  dont  nous  parte  Lope  de  Vega 
(1562—1635)  dans  son  Oglogue  pastorale  «La  foret  sans  amour  1)>,  spec- 
tacle qui,  au  dire  de  Calderon  (1600— 1681) *) 

No  es  comedia,  sino  solo 
Una  fabula  pequeiia 
En  que,  a  imitaci6n  de  Italia 
Se  canta  y  ee  representa  .  .  . ,H), 

cette  •machine  du  theatre  improvise  par  l'ingenieur  florentin  Cosme 
Lotti,  que  Sa  Majeste  envoyait  consulter  en  ItaUe  afin  d'utiliser  pour  les 
jardins,   fontaines  et  autres  sujets,  sa  haute  et  rare  competence  .  .  .  .4)» 

Les  documents  en  question  nous  seront  d'une  utilite  toute  particulifcre 
en  permettant  d'etablir  une  histoire  veridique  de  revolution  musicale 
espagnole  pendant  Taccomplissement  de  Tun  de  ses  plus  grands  pas  en 
avant,  celui  de  la  musique  theatrale  au  XVII0  sifccle. 

La  trouvaille  etait  opportune,  puisqu'elle  doit  changer  Topinion 
generate  sur  la  musique  de  cette  epoque  et  qu'elle  demontre  que 
l'influence  italienne  ne  fut  jamais  complete  et  troublante  au  ppint 
d'etouffer  notre  inspiration  naturelle  dans  les  genres  profane  et  religieux. 
De  plus,  on  pourra  avancer  d'ores  et  dej&  que  FEspagne  possedait  en  la 
Zarxuela,  en  la  Comedia  armonica  et  en  la  Fiesta  de  Musica  un  genre 
traditionnel,  remontant  au  temps  de  Juan  del  Encina,   et  ne  pretendait 


1)  ExScutee  au  Palais  royal  de  Madrid  en  1629  et  publiee  par  son  auteur  Lope 
de  Vega  en  1630. 

2)  Loa  pour  la  Fete  deZarzuela  Le  laurier  d'Apollon,  donnge  a  la  naissance 
(iu  Prince  Philippe  Prosper  en  1657. 

3)  N'est  pas  une  comedie,  mais  rien  —  qu'une  petite  fable  —  ou,  comme  en  Italie, 
—  Ton  cbante  et  Ton  joue. 

4)  Dedicace  de  la  < Foret  sans  amour*  a  l'amiral  de  Castille. 


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48    Felipe  PedreU,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVD>  siecle. 

pas  aborder  V opera  in  musica  procedant  de  la  camerata  florentina,  mais 
am&iorer,  amplifier,  et  doter  de  proportions  et  contours  g&iiaux  le 
style,  le  caractfcre  de  ce  genre  scdnique.  Ce  spectacle  avait  &6]h  la 
forme,  traditionnelle  d'un  art  consacr£,  quand,  des  gradins  et  balcons,  des 
fenetres  et  mansardes  de  la  cour  de  com^die,  sortit  ce  cri  unanime 
d'admiration,  d'enthousiasme  et  de  legitime  orgueil  national  « Vitor,  Lope* ])! 
lancd  par  une  foule  transpose  que  le  ph&iix  des  g^nies  savait  dmouvoir 
en  se  faisant  multitude,  en  vivant  les  sentiments  et  les  passions  de  la 
foule,  avec  l'^clat,  le  prestige  et  l'intuition  du  pofcte  populaire. 

Quoique  cela  parfit  une  hypothfcse  hasardeuse,  j'eus  la  trfcs  vive  im- 
pression, lors  d'une  conference  a  TAth^n^e  scientifique,  litteraire  et  artistique 
de  Madrid,  que  le  caract&re  indigene  de  la  musique  descendait  en  ligne 
droite  de  Juan  del  Encina,  le  double  fondateur  de  notre  art  drama- 
tique  et  musical,  jusqu'au  dernier  compositeur  actuel  de  theatre  populaire, 
sans  devier  &  la  venue  de  Lope  de  Vega  et  de  Calderdn,  —  par  Taction 
immediate  et  simultan£e  de  la  podsie  et  de  la  musique  6troitement  unies 
(action  qui  porta  tout  son  fruit  dans  la  chanson  populaire,  cette  » mani- 
festation inconsciente  de  Fesprit  du  peuple  vers  la  creation  artistique*; 
et  qu'il  n'avait  cesse  d'exercer  son  pouvoir  de  «reintdgrer  la  conscience 
des  races*,  en  secondant  et  favorisant  Tinstinct  naturel  jusqu'  k  la  satis- 
faction profonde  et  pratique  du  gofit  national  auquel  ont  ob&  le  pofcte, 
le  musicien,  le  peintre,  tous  dans  une  meme  religion  artistique,  et  plus 
que  tous  le  grand  chanteur  anonyme,  le  peuple,  du  fond  de  son  instinct 
et  de  son  jugement  propres. 

Je  supposai  non  sans  fondement  que  l'influence  de  la  musique  italienne 
ne  fut  jamais,  r6p£tons-le,  opprimante  au  point  de  ddtourner  notre  in- 
spiration naturelle;  et  en  verity  qui  eut  etd  capable  de  croire  que  la 
transformation  du  chant  populaire  en  musique  dramatique  se  f fit  accomplie 
par  nos  musiciens  du  XV±le  siecle,  et  que  ce  fait,  moderne  en  apparence, 
leur  efit  sugg6r£  de  chanter  les  tendresses  d'Amarillis*)  et  plaintes  de 
Daphn£,  les  triomphes  et  victoires  d'Apollon,  les  enchantements  et  seduc- 
tions de  V^nus,  les  chants  et  complaintes  des  galants  amoureux,  sur  la 
musique  d'antiques  jdcaras,  vitos,  tonadas  et  danses  archaiques  espagnoles? 

Le  caractfcre  indigene  de  Inspiration  des  cantarciUos  de  Juan  del 
Encina3),  Sanabria  et  Penalosa  (celui-  ci  maitre  de  chapelle  de  la 
reine  Isabelle  la  catholique)  aux  XVe  et  XVIe  sifccles  est  en  rapport  avec 

1)  Bravo,  Lope! 

2)  Voir  le  No.  I  des  documents  musicaux,  Tonada  a  solo,  de  Jose  Marin,  chanteur  et 
compositeur  qui  mourut  a  80  ans  en  1699.  La  Tonada  est  simplement  un  vito  po- 
pulaire, theme  antique  de  danse  chantee. 

3)  Entre  une  infinite  d'exemples  que  Ton  pourrait  presenter,  voir  le  No.  U.  C'est 
un  oantarciUo  (ou  viUancico^  ce  qui  est  synonyme)  de  Juan  del  Encina. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVIfr  siecle.    49 

les  tonos  et  tonadas*),  euatros  deempexar2),  les  Ballets3)  et  les  jdcaras*) 
de  Romero,  Patifio,  Marfn,  Hidalgo,  Juan  de  Navas  et  Durdn 
au  XVHe  sifccle;  et  avec  les  folios*),  mqjigangas%  tiranas1),  et  seguidillas 
d'Esteve,  Laserna,  Valledor,  Moral,  et  des  tonadilleros8)  du 
XVm>  siecle. 

Que  cette  manifestation  de  lyrisme  national  ne  f ftt  ni  fictive  ni  momen- 
tanee,  je  me  risquais  h  Taffirmer  d'instinct,  alors  meme  que  je  ne  connais- 
sais  pas  les  documents  musicaux  relatifs  au  theatre  de  Calderdn.  Nous 
possedons  aujourd'hui  la  musique  de  certaines  pieces  de  Calderdn,  de 
Velez  de  Guevara,  de  Salazar  et  Torres,  de  Bances  Oandamo,  etc., 


1)  On  appelait  alors  tono  le  chant  inspire*  par  une  suite  de  couplets  destines  a 
la  musique.  De  tono  deriva  tonada,  le  nom  de  tonaditta  se  donnant  par  extension 
a  une  courte  action  scenique  en  un  seul  tableau  ou  acte,  plus  restreinte  qu'en  l'an- 
cienne  Zarxuela,  composee  de  plusieurs  journees  ou  actes. 

2)  L' usage  du  cuatro  de  empexar  (quatuor  pour  commencer)  ou  chant  a  4  voix, 
entonne  avant  le  deHbut  d'une  representation,  est  tres  ancien  dans  le  theatre  espagnol. 
On  pent  considerer  comme  reste  de  cette  ancienne  coutume  de  chanter  guitare  en 
main,  le  prologue  de  salutations  adresse*  au  public.  II  etait  interprets  ordinairement 
par  toutes  les  femmes  et  leharpiste  de  la  troupe  d'acteurs  ou  de  comiques,  avant 
la  comedie,  ten  habits  de  cour  depuis  la  simple  graciosa*,  ce  qu'ils  avaient  l'ha- 
bitude  d'appeler  aussi  tono,  tonada  ou  princesa  (on  ne  sait  pas  la  cause  de  cette  der- 
niere  denomination).  Oe  genre  de  composition  peut  etre  consider^  comme  une  deri- 
vation libre  de  l'ancien  madrigal.  Le  cuatro  (d'auteur  inconnu)  que  Ton  trouvera  au 
No.  Ill  donne  une  idee  du  style  de  ce  genre  de  compositions. 

3)  Bien  typique  est  celui  du  No.  IV,  ballet  d'un  moine,  P.  Manuel  Correa,  ori- 
ginaire  du  Portugal,  maitre  de  chapelle  de  Sigiienza  et  plus  tard  de  la  cathedrale  de 
Saragosse.    II  etait  carme,  et  mourut  a  Saragosse  le  1**  aout  1653. 

4)  La  Jdcara  ou,  selon  Torthographe  antique,  Xdcara,  etait  une  composition  poe- 
tique  provenant  de  la  romance  reguliere;  elle  avait  un  genre  d'attrait  particulier, 
en  general  amoureux.  L'air  ou  tonada  que  Ton  executait  pour  chanter  ou  danser  avait  le 
meme  nom  que  ces  troupes  de  gens  qui  vont  chantant  la  nuit  dans  les  rues,  —  nom 
d'ou  provient  le  verbe  jacarear,  d'ou  jacarero,  celui  qui  chante  des  jdcaras.  Voir 
comme  exemple  celle  du  No.  V,  d'auteur  inconnu. 

5)  Folia,  divertissement  thSatral  compose  de  diflferentes  scenes  de  comedies,  entre- 
coupees  de  musique. 

6)  Fete  publique,  travestissement,  mascarade,  representation  populaire  tres  courte, 
pour  faire  rire,  avec  introduction  de  figures  ridicules.  On  appelle  aussi  mojiganga  la 
danse  comique  par  laquelle  se  terminent  les  danses  caracteristiques  de  certaines 
localites.  La  mojiganga  laisse  entrevoir  des  restes  d'anciennes  representations  popu- 
lates, convertis  en  divertissements  extravagants  pour  le  vulgaire. 

7)  A  Torigine  c'Staient  des  airs  de  danse  et  de  chant.  Le  chant  conserve  le  titre, 
la  danse  etant  tombee  en  desuetude. 

8)  Nous  avons  deja  explique  que  le  nom  de  tonaditta  est  donne*  a  une  piece  the- 
atrale  courte  et  16gere,  espfcce  de  saynete  musicale  que  Ton  chantait  et  representait 
dans  les  intermedes  de  tragedies,  drames  ou  comedies,  ou  a  la  fin  de  la  fete.  La  tona- 
ditta arriva  a  son  apogee  au  point  de  vue  national  en  la  seconde  moitie  du  XVITI0 
siecle.    Le  tonadillero  etait  Tauteur  de  la  tonaditta. 

8.d.l.M.   V.  4 


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50    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVD>  Steele. 

et  cela  nous  permet  d'affirmer,  relativement  au  thd&tre  de  Lope  de 
Vega  et  de  ses  prdddcesseurs  imm&liats,  qu'il  ne  put  y  avoir  1&  Tinfluence 
d'aucun  agent  stranger  ou  exotique. 


J'avoue  ingdnAment  que  si  c'dtait  avant  ces  intdress&nte  documents  de 
notre  nationality  musicale  que  j'eusse  relu,  comme  je  le  fis  immddiatement, 
les  pieces  de  Calderdn  faisant  allusion  k  la  musique  de  son  dpoque, 
aux  comedies  avec  musique,  xarxudas,  fetes  de  bal,  etc.  j'aurais  hdsitd 
un  peu  k  me  risquer,  ainsi  que  je  Fai  dit,  dans  une  hypothfcse  de  si  faible 
consistance.  Une  personne  tr&s  au  courant  en  ces  mati&res  m'objectait 
qu'avec  des  citations  de  Calderdn  lui-meme  mon  argumentation  pourrait 
sembler  plus  intuitive  que  raisonnable.  Mais  le  fait  est  qu'  aprfes  avoir 
relu  Calderdn,  je  sais  k  prdsent  parfaitement  bien  ce  qui  est  dit  et  comment 
cela  est  dit,  k  savoir  que  dans  les  ceuvres  du  glorieux  Don  Pedro 
Calderdn  de  la  Barca,  grand  pretre  des  Madril&nes,  il  n'y  eut  jamais 
d'argument  ddcisif  pour  croire  k  la  despotique  influence  de  la  musique 
italienne.  Tout  au  contraire.  Le  lecteur  en  jugera  et  j'espfcre  qu'il 
trouvera  satisfaction  definitive. 

En  la  Loa  pour  la  Fete  de  Zarzuela  intitulde  «le  Laurier  d'Apollon* 
(El  Laurel  de  Apolo)  *)  Calderdn  place  ces  vers  dans  la  bouche  du  personnage 
appeld  justement  Zarzuela: 

Zarzuela. 

No  es  comedia,  sino  solo 
Una  fabula  pequeiia 
En  que,  a  imitacion  de  Italia, 
Se  canta  y  se  representa, 
Que  alii  babia  de  servir 
Como  acaso,  sin  que  tenga 
Mas  nombre  que  fiesta  acaso3) 


Dans  la  scfcne  VI  un  du  quatuor  dit: 

Oid.  (J  Que  rusticas  canciones 
Turban  las  heroicas  nuestras, 
Y  en  b&rbaro,  rudo  estilo, 
Hijo  de  montes  y  eelvas, 


1)  Les  perso  images  de  la  Loa  ront:  Iris  et  Echo,  nymphes  musiciennes:  Zar- 
u  e  1  a ,  villageoise  musicienne ;  des  dames  et  des  galants  en  4  choeurs  de  musique.   Le 

nom  de  Loa  propre  a  notre  theatre  antique  s'applique  au  prologue,  formant  discours 
ou  dialogue. 

2)  Ce  n'est  pas  une  comeclie  mais  seulement  —  une  petite  fable  —  en  laquelle, 
a  1  imitation  de  Tltalie  —  on  chante  et  Ton  joue,  —  et  qui  se  trouve  utilisee  —  comme 
par  hasard,  sans  recevoir  —  autre  nom  que  fete  peut-etre. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII*  siecle.    51 

Quieren  competir  las  cortes 
Mas  sublimes,  mas  supremas 
Del  orbe?*) 

Aprfcs  ces  vers  entre  en  scfcne  la  Zarzuela,  disant: 

Pues^  quiln  le  quita 

A  la  rdstica  simpleza, 

En  quien,  cuanto  mas  desmtda, 

Va  la  verdad  mas  compuesta, 

Que  como  olvidada  parte 

De  nuestro  to  do2)  pretenda 

En  tan  ventaroso  dia 

Dar  tambien  de  sn  amor  mueatra3)? 

La  Zarzuela  conte  ce  que  nous  pourrions  appeler  son  histoire  et  pour 
que  n'£choue  point  la  fete  paysanne  qu'elle  imagine,  ajoute: 

....  4)  aunque  pese  a  todo  el  mundo, 
Pardiez  que  tengo  de  hacerla. 

Uno  del  coro  tercero. 
Pues  tu,  rustica  villana 
I  Con  nosotros  competencia? 


1)  Ecoutez,  quelles  rustiques  chansons  —  troublent  nos  chants  heroi'ques  —  et 
d'un  barbare  et  rude  style  —  enfant  des  monts  et  des  forets  —  veulent 
envahir  les  cours  —  les  plus  sublimes,  les  plus  hautes  —  du  monde? 

2)  De  nuestro  todo,  c'est-a-dire  de  *vuestro  todo*,  dc  votre  bien,  de  votre  ame  na- 
tionale;  qui  mieux  que  Calderon  a  exprime'   ce  sentiment  de  nationalisme  musical? 

3)  Quoi!  qui  le  cede  — -  A  la  simplicity  rustique  —  en  laquelle,  bien  plus  de- 
nudee  —  la  verity  se  montre  plus  complete,  —  et  qui,  comme  une  part 
oubliSe  —  de  notre  bien,  pretend  —  en  un  jour  si  heureux  —  manifester  aussi 
son  amour? 

4)  Puisque  tout  le  monde  s'impatiente,  —  pardieu,  que  je  m*en  acquitte  — 

Une  voix  du  troisieme  choeur. 
Done  toi,  humble  villageoise  —  tu  rivaliserais  avec  nous? 

La  Zarzuela. 
Et  non  seulement  je  rivalise  —  mais  il  est  juste  que  je  me  promette  —  de 
triompher  de  vous  tous  — 

Tous  (les  chceurs). 
De  quelle  maniere? 

La  Zarzuela. 
En  ayant  la  confiance  de  disqualifier  —  Yos  ceremonies ;  —  Et  si,  en  verite,  la  grande  — 
antiquite  dans  les  lettres  —  humaines  est  venerable  —  entre  les  arts  et  sciences,  — 
Elle  pourra   bien  resplendir   en  une    autre   —   occasion,   mais  pas   en 
celle-ci. 

Quelqu'un  du  choeur. 
Quoiqu'un  sentiment  de  culte  —  pour  le  moment  ne  nous  anime  pas,  —  celui  dc 
la  courtoisie  —  nous    force  tous  —  non  seulement  a  donner  —  a  ta  fete  une  pre- 
miere celebration  —  mais  encore  a  venir  —  a  ton  aide. 


4* 


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52    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  Xviie  siecle 

La  Zarzuela. 

Y  no  competencia  sola 
Es  justo  que  me  prometa, 
Sino  victoria  de  todos 
vosotros. 

Todos  (los  del  Coro). 
<iDe  que  manera? 

La  Zarzuela. 

Haciendo  mi  fe  desprecio 

De  las  ceremonias  vuestras: 

Que  aunque  es  verdad  que  la  anciana 

Antigiiedad  en  las  letras 

Humanas  es  venerable, 

Entre  las  artes  y  ciencias 

Bien  podra  lucir  en  otra 

Ocasi6n,  pero  no  en  esta 

Uno  del  Coro. 

Aunque  la  raz6n  del  culto 
Por  ah  or  a  no  nos  mueva, 
La  de  la  cortesanfa 
A  todos  nos  hace  fuerza, 
Para  que  no  solo  demos 
Primer  lugar  a  tu  fiesta, 
Pero  para  que  seamos 
Quien  te  ayude. 

Calderdn  introduit  encore  la  Zarzuela  corame  personnage  dans  la 
Loa  pour  la  fete  de  zarzuela  intitulee  «la  pourpre  de  la  rose*  (La 
purpura  de  la  rosa)  representation  musicale  donnee  au  theatre  du  Buen 
Retiro  pour  la  publication  de  la  paix  et  les  heureuses  noces  de  Tinfante 
d'Espagne  Marie-Thdrfcse  avec  le  roi  de  France  Louis  XIV,  en  1659. 
La  Zarzuela  se  demandant  quelle  invention  ou  fable  choisir  pour  celdbrer 
la  fete,  El  vulgo,  (Le  vulgaire  ou  le  peuple),  personnage  de  Taction,  lui 
dit  que  ce  sera  «La  pourpre  de  la  rose»,  une 

J)  Fabula  a  Venus  y  Adonis 

Y  no  os  admire  que  sepa 

Yo  el  asunto  ya 

Por  senas  que  ha  de  ser 
Toda  musica2);  que  intenta 

1)  Fable  sur  Venus  et  Adonis Et  ne  vous  etonnez  pas  —  que  je  sache 

deja  ce  sujet  .  .  . .  II  sera  chante*  —  tout  en  musique;  et  pour  tenter  —  d'innover 
ce  style,  —  afin  que  les  autres  nations  voient  —  rivaliser  avec  leurs  primeurs. 

2)  En  depit  de  ce  que  dit  la  Calderon,  pour  rectifier  aprfcs,  la  Ijoa  en  question 
et  Tunique  journee  ou  acte,    ont  tcllemcnt  d'extension  qu'elle  ne  put  etre  toute  en- 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  da  XYIIe  siecle.    53 

Intro ducir  este  estilo, 
Porque  otras  naciones  yean 
Competidos  bus  primores. 

A  cela  le  personnage  Tristeza  (Tristesse)  rdpond,  —  et  il  est  bon 
de  noter  ce  trait  (repute  beaucoup  plus  tard,  comme  nous  le  verrons 
ensuite,  par  Don  Tomas  de  Triarte  en  son  Pofcme  de  la  Musique)  que 
je  me  risquerai  h  qualifier  de  pure  physiologie  nationale: 

*)  ^Ko  mira  cuanto  se  arriesga 
En  que  c6lera  espanola 
Sufra  toda  una  comedia 
Cantada  ? 

El  vulgo. 

No  lo  sera, 
Sino  solo  una  pequena 
Bepresentaci6n :  demas 
De  que  no  dudo  que  tenga, 
En  la  duda  de  que  yerre, 
La  disculpa  de  que  inventa. 


En  dtudiant  sans  parti  pris  les  documents,  quoiqu'il  n'y  en  ait  ici  qu'une 
faible  partie,  le  lecteur  ne  s'etonnera  pas  de  ce  que  j'ai  avance  de  fagon 
si  absolue,  et  je  r^pfcte,  maintenant,  signalant  mon  objectif  principal, 
qu'aucun  auteur  dramatique  ou  musicien  du  XVII0  siecle  ne  pensa 
jamais  ecrire  des  operas,  ce  que  Ton  appelle  opera  in  musica,  ayant  un 
spectacle  lyrico-dramatique  comme  le  leur,  nd  d'une  tradition  spdciale  par 
derivation  des  representations  dramatiques  de  Juan  del  Encina  0C1 
alternaient  le  chant  et  le  parld.  Ni  Lope  de  Vega,  ni  Calderon  n'ont 
jamais  dit  un  mot  relatif  k  ce  genre  de  spectacle,  et  les  musiciens  de 
leur  epoque,  Romero,  Risco,  Patino,  Clavijo,  Martinez  Verdugo, 
qui  auraient  su  et  pu  en  Ecrire,  ne  donnfcrent  le  nom  d'op^ra  k  aucune 
de  leurs  productions  profanes. 

Je  comprends  que  Lope  de  Vega  ait  dit  de  l'Eglogue  pastorale  «la 
Foret  sans  amour*  (Selva  sin  amor)  que  c'etait  « chose  nouvelle  en 
Espagne*,  en  raison  de  la  « machine  >  (ou  true)  du  theatre  construit  par 
Oosme  Lotti,  et  des  autres   transformations,  requ^rant  plus   de  details 

tiere  mise  en  musique.    Le  texte  et  la  metrique  generate  de  Tceuvre,  indiquent  fort 
clairement  ce  qui  fut  chante*  en  style  melodique  ou  en  recitatif. 

1)  N'admires-tu  pas  ce  trait  de  hardiesse  —  par  lequel  la  colere  espagnole  —  en- 
dure toute  une  comedie  chantee?  — 

Le  Peuple. 
Elle  ne  le  sera  pas  —  mais  rien  qu'une  petite  —  scene;  de  plus  —  ne  doute  pas 
qu'il  n'y  ait  --  dans  la  possibilite  qu'elle  y  echoue  —  Texcuse  son  invention. 


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54    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVIIe  siecle. 

que  cette  Eglogue;  car  quoique  l'Eglogue  en  fftt  lame,  la  beautd  de  ce 
corps  etait  telle  «que  la  vue  l'emportait  sur  Fouie*.  H  n'est  pas  question, 
en  la  fameuse  dddicace  de  Lope,  d'une  «  chose  nouvelle>  quant  au  style 
litteraire  et  musical  de  l'ceuvre,  mais  de  « chose  nouvelle*  comme  ext^rieur 
scenique,  trues,  mise  en  scfcne,  un  art  nouveau  imports  d'ltalie  par 
l'ingdnieur  florentin  reconnu  alors  maitre  en  de  tels  effets  thdatraux  que, 
nous  dit  Lope,  «en  ddcouvrant  la  toile,  une  mer  en  perspective*  s'offrit 
aux  yeux,  puis  «le  char  de  Venus  trains  par  deux  cygnes,  et  1' Amour 
son  fils  descendant  de  la  machine* ;  puis  des  transformations  de  theatre 
maritime  en  forSt  «sans  que  ce  mouvement  si  grand  pfit  frapper  la 
vue» ;  enfin  la  vue  du  rivage  du  Manzanares  «avec  le  pont  et  la  per- 
spective, reproduisant  la  maison  de  campagne  (Casa  de  Campo)  et  le 
Palais,  avec  assez  de  cette  partie  pour  faire  illusion*. 

On  pourrait  objecter  que  le  meme  Calderdn  dit  en  une  de  ses  pieces 
precedemment  citee: 

Por  senas  que  ha  de  ser 
Toda  musica  .  .  .  .  *); 

mais  j'ai  &6jk  fait  remarquer  la  contradiction.  II  suffit  de  s'attacher 
k  la  forme  litteraire  de  l'Eglogue  en  question  de  Lope,  et  de  la  piece 
de  Calderdn  contenant  les  deux  vers  cites,  pour  comprendre  qu'il  ne  s'agit 
pas  de  «tout  mis  en  musique*  e'est-k-dire  «tout  chants*. 


Reellement  curieuse  a  dtd  pour  nous  l'occasion  de  rechercher  les 
origines  de  l'opera  dans  notre  nation,  au  temps  oti  il  n'etait  pas  necessaire 
de  realiser  des  spectacles  selon  les  proc^dds  du  «tout  chants*  ou  de  Topera, 
puisqu'il  existait,  de  fait,  des  choses  similaires,  depuis  la  creation  des 
Eglogues  et  Farces  (Juan  del  Encina,  Liicas  Fernandez,  etc.),  des 
viUandcoSj  ballets  et  interm&des  (Lope  de  Kueda,  Cervantes  et  Luis 
Quifiones  de  Benavente  «rintermediste»  favori  de  la  ville  et  de  la 
cour  de  Madrid),  des  zarzuelas,  supplantant  depuis  le  XVII6  sifcele  les  inter- 
ludes chantds,  saynetes,  ballets  et  mascarades,  antdrieurs  k  la  venue  de 
l'opera  italien. 

II  n'est  plus  soutenable  que  la  Foret  sans  amour  soit  un  veri- 
table opdra  comme  on  l'avait  affirmd  arbitrairement,  et  le  premier 
de  TEspagne2).  Je  ne  comprends  pas  non  plus  que  ce  soit  «honneur 
k  revendiquer  pour  l'Espagne*  dans  la  matfere  de  l'opdra  national  —  comme 


1)  Texte  de  «la  pourpre  de  la  rose*  traduit  precedemment. 

2)  Je  pense  consacrer  prochainement  une  etude  speciale  a  cette  question  pour  com- 
pleter la  pr6sente  ^tude. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  da  XVD>  siecle.    55 

on  Fa  dit  —  que  de  lui  assigner  une  place  aprfes  la  tentative  allemande  et 
avant  les  premieres  de  l'Angleterre  et  de  la  France. 

La  manifestation  de  notre  culture  nationale  en  fait  de  theatre  se 
trouve,  je  le  r^pfete,  en  Nglogue  primitive,  le  villancico  profane,  la  Fete 
de  Zarzuela,  le  Cuatro  th^&tral,  Pintermfede  et  le  saynete  chants,  en  le 
ballet  chante,  le  tono,  la  tonada  et  la  tonadilla.  Et  tant  est  qu'en 
Espagne  —  il  faut  qu'on  le  sache  —  il  ne  s'^crivit  pas  d'op^ras,  deli- 
ber&nent  operas,  avant  les  premieres  tentatives  de  ce  genre  r€alis£es  k 
Madrid,  depuis  1703,  en  la  salle  du  Buen  Retire 

Voyons  comment  ces  choses  se  passfcrent 


Les  acteurs  de  com&lie  et  d'opdra  italien  vinrent  k  Tappel  de  Philippe  V. 
lis  firent  un  traits  avec  le  fermier  des  Corrales  de  Contedias1)  Jose  de 
Socueb^s  yAvendano,  pour  pouvoir  donner  des  representations  en 
public,  et  le  roi  leur  accorda  1'usufruit  du  thd&tre  du  Buen  Retiro  avec 
toutes  ses  dSpendances,  pour  un  dflai  de  trois  mois,  depuis  le  huit  Avril 
de  Pann^e  en  cours,  1703.  La  troupe  nuSrita  la  faveur  du  roi  puisqu'il 
lui  permit  de  s'intituler  pompeusement  « Troupe  italienne  de  Sa  Majesty. 

On  n'  a  pas  de  renseignements  sur  la  nature  ou  le  nombre  de  re- 
presentations donn^es  par  les  acteurs  italiens  au  Buen  Retiro  pendant 
les  trois  mois  de  la  concession.  D  est  k  presumer  que  le  delai  fut  proroge, 
puisque,  le  25  aout  de  la  meme  annee,  les  Italiens  donnfcrent  au  Buen 
Retiro  une  grande  fete  dont  Pargument  fut  imprimd  avec  ce  titre  en 
castillan: 

«Compendio  de  la  famosa  comedia  que  se  intitula  El  porno2)  deoro 
para  la  mas  hermosa,  que  se  representa  por  la  Compania  italiana  de 
S.  M.  en  el  Real  Coliseo  del  Buen  Retiro,  en  el  dia  de  la  solemne 
fiesta  de  san  Luis  por  festejo  de  los  nombres  de  Luisa,  Reina  de  Espana, 
nuestra  senora,  y  del  Rey  de  Francia,  Luis  XIV  el  Grande.  Personas 
que  hablan  en  ella3)  etc.t 

Sic  personnages  « pari  ant  en  cette  com£die»,  parce  que  la  pifcee, 
composee  de  trois  journees,  est  un  melange  de  r£cit,  de  chant  et  de  danse. 
En  quelle  langue  parlaient  (ou  plutot  chantaient)  tous  les  personnages 


1)  Corral,  cour  ou  salle  de  spectacle. 

2)  Porno,  erreur  de  traduction,  pour  Poma  ou  Manxana,  nom  espagnol  de  la  pomme. 

3)  Argument  de  la  fameuse  comedie  La  Pomme  d'or  pour  la  plus  belle, 
representee  par  la  troupe  italienne  de  S.  M. ,  en  le  royal  colis£e  du  Buen  Retiro,  le 
jour  de  la  fete  solennelle  de  St.  Louis,  pour  feter  les  noms  de  Louise,  reine  d'Espagne, 
notre  dame,  et  du  roi  de  France  Louis  XIV  le  grand.  Personnages  parlant  en  cette 
comedie  (etc.). 


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56    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVIIe  siecle. 

mythologiques  de  la  pifcce,  Jupiter,  Junon,  etc.?  En  italien.  Le  texte 
castillan  du  livret  est  un  r6sum6  par  scenes  pour  renseigner  les  spectateurs. 
Et  de  qui  etait  la  musique  de  «la  Pomme  d'or»  ?  Hyaun  op£ra  italien 
de  Cesti  ecrit  vers  l'annee  1668,  represents  avec  grand  £clat  k  la  cour 
de  Leopold  Ier,  qui  porte  le  titre  La  pomme  (for  (porno  cToro).  Si  la 
musique  fut  rSellement  de  Cesti,  I'op^ra  italien  ne  debuta  pas  de  fa^on 
mediocre  en  Espagne,  car  Cesti  fut  un  des  plus  distingues  capi  scuola 
venSto-romains  de  la  fin  du  XVIIe  siecle,  illustr^e  k  Venise  par  Cavalli 
et  Legrenzi,  &  Rome  par  Rossi  et  Carissimi. 

Pour  c&ebrer  l'anniversaire  de  la  reine,  on  representa  le  20  septembre 
de  la  meme  annde  1703,  une  alldgorie  comique  pleine  d'allusions:  «La 
guerre  et  la  paix  entre  les  elements*  (la  guerra  y  la  pax  entre  los  Mementos) 
et  k  ce  qu'il  parait  «leurs  majestes  vinrent  voir  ces  deux  oeuvres  de 
leur  lunetax\  le  peuple  assistant  dans  le  parterre,  les  gradins  et  la  caxuela*) 
les  places  du  rez-de-chaussee  etant  rdparties  et  celles  qui  restaient 
abandonnees  au  public.  II  faut  entendre  ici  peuple  et  public  de  courtisans, 
car  le  peuple  proprement  dit  n'etait  pas  admis  k  de  telles  fetes  et  ne 
montra  jamais  de  gout  pour  ce  genre  de  spectacle  durant  le  XVIII6 
sifccle.  II  n'etait  pas  admis,  ai-je  dit:  la  verite  est  que  malgre  l'appat 
de  gourmandises,  rafraichissements  et  chocolats,  qu'offraient  les  valets 
royaux  places  k  la  porte  du  thdatre,  invitant  aimablement  le  peuple  aux 
representations  du  Cdlisee  royal,  le  peuple  tournait  le  dos  et  s'eloignait, 
murmurant  en  dessous. 

Dans  toute  l'annee  1704,  il  n'  y  a  pas  trace,  k  Madrid,  de  la  troupe 
Italienne  de  S.  M.  Au  debut  de  l'annde  suivante  le  roi  decida  qu'il 
serait  permis  k  la  troupe  de  comediens  italiens  de  donner  des  represen- 
tations privees  en  sa  demeure  sans  etre  embarrassee  en  cela  par  les  fermiers 
des  Corrales  de  la  ville.  La  troupe  ne  fit  pas  de  tr&s  bonnes  affaires, 
malgre  cette  permission  de  representations  privees  en  sa  demeure  (on 
se  demande  quelle  demeure  cela  pouvait  etre)  puisque  l'annee  suivante 
vint  une  autre  ordonnance  royale,  pour  continuer  les  representations  «sans 
etre  limite  k  cette  demeure*. 

Les  fermiers  de  theatres3)  trouvaient  prejudice  &  leurs  interets  en  cette 
concurrence  d'un  spectacle  stranger.  La  Municipality  de  Madrid  les 
appuyait  et  la  Ville  dut  se  taire  devant  une  ordonnance  royale  accordant 
licence  aux  comediens  espagnols  et  italiens  pour  que  les  uns  et  les  autres 
sans  distinction  pussent  donner  des  representations  k  la  Cour. 

L'aristocratie  etait  le  principal  soutien  du  spectacle  italien  et  la  troupe 
ne  se  faisait  pas  faute  de  tirer  parti  de  l'heureux  appui  qui  se  presentait. 

1)  Loge. 

2)  Emplacement  du  theatre  ou  seules  pouvaient  entrer  les  femmes. 

3)  Ou  directeurs. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII0  siecle.    57 

La  reine  6tant  sur  le  point  de  donner  le  jour  au  prince  qui  s'appela 
Louis  Ier,  la  troupe  italienne  obtint,  le  20  juin  1707,  une  ordonnance 
royale  lui  concedant  le  Colisde  du  Buen  Retiro,  dans  le  but  de  preparer 
un  festival  pour  la  ddlivrance  de  la  Reine.  La  Municipality  de  Madrid 
ne  put  toldrer  que  les  etrangers  eussent  l'avantage  dans  une  solennite 
de  caractfcre  national  comme  celle  qui  se  pr^parait,  et  rdclama  au  roi  le 
Colisee  pour  y  donner  la  fete  avec  des  Pigments  espagnols,  pour  le  compte 
de  la  Ville,  —  reclamation  Equitable  k  laquelle  le  roi  fit  droit.  Le 
theatre  fut  retird  aux  italiens,  en  consequence,  et  le  Jeudi  17  novembre 
1707  eut  lieu  une  representation  commemorative  par  les  comiques  espagnols 
des  troupes  de  Madrid.  Quel  genre  de  spectacle  fut  choisi?  Une  «fete 
de  zarzuela1)*  (Fiesta  de  Zarzuela)  avec  musique  et  grand  apparat, 
pr6ced£e  d'une  Loa  avec  intermfcdes  et  danses  ad^quates,  sous  le  titre 
(Todo  lo  venee  amor)  cl'amour  triomphe  de  tout*;  l'oeuvre  etait  6crite 
tout  exprfcs  par  don  Antonio  de  Zamora  «gentilhomme  de  la  maison 
de  S.  M.»  Ainsi  se  poursuivirent  les  evfcnements  avec  des  alternatives 
de  fureur  pour  le  thdatre  italien  et  de  reaction  en  faveur  des  comediens 
espagnols,  jusqu'  k  l'arrivee  de  Scotti,  l'ann^e  1719,  —  et  je  ne  sache 
pas  qu'il  y  ait  eu  de  musicien  national  donnant  alors  le  titre  d'op&ra  k 
une  ceuvre  theatrale,  de  meme  que  je  n'ai  pas  trouve  d'auteur  dramatique 
de  cette  epoque  qui  ecrive  en  un  genre  autre  que  celui  consacre  de 
Zarzuela,  de  fete  de  musique  ou  de  Com^die  harmonique,  etc. 

Que  deux  auteurs  seulement  servent  d'exemple:  Canizares  (1676 
— 1750)  et  Zamora  dejh  cite  (f  1740?).  Au  premier  appartiennent:  Acts 
y  Galatea,  zarzuela  (musique  de  Literes);  Angelica  y  Medoro,  zarzuela; 
Apolo  y  Climene,  zarzuela;  «Clytie  et  le  Soleil»,  « Adore  jusqu'  &  Tinvin- 
sible»  (Hasta  lo  i?irencible  adora),  zarzuelas;  «Le  plus  grand  exploit  d'Alcide* 
(La  haxafia  mayor  de  Aleides),  drame  musical,  «l'amante  du  Christ* 
(La  arnada  de  Christo)  et  «Sainte  Gertrude  la  grande*  (Santa  Gertrudis 
la  magna),  comedies  avec  musique;  «Les  montagnes  sont  au-dessus  du 
dedain*  (Montes  aUana  el  desden);  «C'est  miracle  de  trouver  le  vrai» 
(MUagro  es  hollar  verdad),  zarzuelas,  etc.  A  Zamora  appartiennent,  «Tout 
aspic  cache  un  basilic »  (Aspides  hay  basiliscos)  zarzuela;  « Aimer  c'est 
savoir  vaincre*  (Amor  es  saber  veneer)  comedie  avec  musique,  «le  vent  est 
la  chance  de  l'amour»  (Viento  es  la  dicha  de  amor),  zarzuela  (si  je  ne  me 
trompe  la  musique  est  de  Nebra);  «Victoire  pour  l'amour*  (victoria  por 
el  amor),  zarzuela. 

Entre  les  deux  exemples  cites,  j'ai  choisi  delibdrement  Canizares  parce 
que,  d'apr&s  les  documents,   il  est  le  premier  librettiste  de  zarzuelas  qui 

1)  Une  «espece  d'op<§ra»  Tappelle  le  sympathique  maestro  Don  Francisco  Asenjo 
Barbieri,  compositeur  impenitent  de  zarzuelas,  s'entetant  a  chercher  des  operas  la  ou 
il  n'y  avait  que  zarzuelas,  comedies  harmoniques  et  Fetes  de  musique. 


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58    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  da  XVII0  siecle. 

par  son  gout  pour  le  theatre  de  Mdtastase  (traduction,  par  exemple,  du 
«Th£mistocle»)  fut  appel£  k  donner  le  coup  de  grace  au  style  habituel 
du  spectacle  musical,  jusqu'  alors  rSduit  aux  fl&nents  indigenes,  passant 
ainsi  au  camp  ennemi,  sans  doute  k  Tinstigation  de  son  collaborateur 
musical  obligfi  Francisco  Coradini",  un  des  nombreux  maftres  de  la 
chapelle  royale,  —  k  moins  que  ce  ne  soit  par  gofit  personnel  pour  le 
genre  de  Metastase.  «Fiert£  affaiblit  l'amour»,  (Fieras  afemina  Amor) 
[1724],  c Ang&ique  et  Mddor*  (Angelica  y  Medoro)  (meme  annde),  s'intitulent 
&&]k  zarzuelas  k  l'italienne,  et  la  designation  d'op£ra  sc£nique  (sans 
titre)  est  appliqu^e  k  ce  qui  fut  Scrit  pour  cS^brer  l'entr^e  k  Madrid  de 
Louise  Isabelle  d'Orteans,  duchesse  des  Asturies.  Selon  le  livret  imprime 
de  cet  op^ra  sc^nique  k  l'italienne,  il  fut  « represents  au  Colis^e 
du  Buen  Retiro  en  1723».  En  outre,  je  signale  Canizares  comme  Tun 
des  premiers,  sinon  le  premier,  ayant  6crit  des  opdras  sc^niques  et  des 
zarzuelas  k  l'italienne,  qui  certainement  etaient  repr&ent£s  par  des 
acteurs  espagnols. 

Mais,  comme  je  le  disais,  Fan  1719  arriva  k  Madrid,  avec  le  titre  de 
ministre  pl&iipotentiaire  du  due  de  Panne,  le  marquis  Scotti,  «gentil- 
homme  accompli,  de  grande  c616brit3  et  d'un  goAt  artistique  rdput<5».  D 
avait  la  mission  secrete  de  combattre  le  favoritisme  du  Cardinal  Alberoni, 
qui  gouvernait  l'Espagne  k  son  caprice.  Scotti  triompha  en  1720,  Alberoni 
s'en  alia  disgracie  et  le  ministre  plenipotentiaire,  triomphant  du  Cardinal 
et  debarrassS  des  preoccupations  politiques,  put  en  1721  et  1722,  se 
consacrer  au  soin  de  l'opera  italien,  grace  k  la  charge  de  «Protecteur 
et  Directeur»  de  tout  ce  qui  se  chantait  au  the&tre  de  los  Cafios  del 
Peral,  charge  que  lui  avait  conter^e  le  Roi.  Durant  la  gestion  de 
Scotti,  l'opera  italien  prit  une  grande  extension;  il  y  vint  de  nouvelles 
troupes,  et  celles  des  Colis^es  de  la  Cruz  et  del  Principe,  comme  celles  du 
Retiro  et  de  los  Cafios  del  Peral,  s'accordfcrent  pour  repr&enter  des 
operas  fonts  en  langue  castillane  et  composes  en  style  italien,  les  premiers 
qu'ecrivirent  (d'abord  humblement  d6sign&  zarzuelas  k  l'italienne,  puis, 
en  1721  comme  je  l'ai  dit,  d^finitivement  operas  scdniques  (Canizares 
et  son  musicien  oblige  Francisco  Coradini,  ensuite1)  Juan  de  Agra- 
mont  y  Toledo  et  le  musicien  italien  attache  de  meme  k  la  chapelle 
royale  Corselli,  auteurs  de  l'opera  «La  ruse  dans  Pamiti£»  (la  can  tela  en 
la  amistad),  1735;  puis  «un  g&iie  madrilfcne*  et  Coradini,  «Trajan  en 
Dacie»  (Trajano  en  Dacia)\  Vicente  Camacho  et  Juan  Bautista  Mele, 
musicien  de  chambre  cPar  amour  et  par  loyaute*  Por  amor  y  par  lealtad, 


1)  J'enumere  seulement  les  ceuvres  que  leurs  auteurs  appelerent  explicitement 
operas,  operas  Merits  en  castillan,  quoiqu'ils  les  qualifiassent  pompeusement  d'operas 
espagnols. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII*  siecle.    59 

1736;  puis  vinrent:  «Le  fils  dormant  la  vie  k  son  pfcre»  (dar  el  ser  el 
hijo  al  padre),  «Efcre  noble  c'est  bien  agir»  (El  ser  noble  es  obrar  bieti), 
« Amour,  Constance  et  femme»  (Amor,  constancia  y  mujer),  operas  ecrits 
en  castillan,  composes  les  deux  premiers  par  l'inevitable  Coradini  et  le 
troisifcme  par  Mele;  enfin  la  Casandra  (1737)  et  «L' oracle  infaillible>  (El 
ordctdo infaHble),  1738,  que  mirent  en  musique  respectivement  Don  Mateo 
de  la  Roca  et  Don  Juan  Sisi  Maestres,  maitres  espagnols. 

Tout  oeci  prouve  k  mon  avis  que  l'Espagne  ne  se  prfoccupa  de  Topera 
qu'aprfcs  son  apparition  k  la  venue  des  TrufakUns,  appel&  par  Philippe  V. 
Les  seuls  spectacles  musicaux  qui,  jusqu'  alors,  convinrent  k  son  gout, 
furent  ceux  que  connatt  le  lecteur;  et  quand  se  produisit  la  fureur  pour 
Topera  italien,  k  peu  de  temps  de  l^poque  dont  je  m'occupe,  k  ce  de- 
terium  tremens  s'opposa  spontan&nent  en  un  cri  de  protestation  nationale, 
la  tonadiUa,  la  xarxuelilla  de  proportions  r^duites,  genre  qui,  presque 
sans  transformations,  excepts  ce  qui  est  dfl.  aux  progrfcs  musicaux  mo- 
dernes,  se  poursuivit  jusqu'fc  nos  jours  et  brille  it  cot£  de  la  grande  zar- 
zuela.  Tout  ceci  met  en  Evidence  la  grande  culture  qu'atteignit  tou- 
jours  en  notre  pays  la  musique  dramatique,  et  jusqu'ici  la  culture  qui  fut 
atteinte  au  temps  de  Lope  de  Vega  et  de  Oalderon,  se  trouve  attestee 
par  les  precieux  livrets  de  zarzuelas  et  de  Fetes  de  musique,  ecrits  de 
fagon  si  parfaite  et  definitive  que  personne,  du  moins  que  bien  peu  d'au- 
teurs  aujourd'hui,  pourraient  faire  mieux  que  ces  deux  grands  g^nies,  que 
leurs  contemporams  et  leurs  continuateurs  immediats;  enfin  pour  confir- 
mer  et  convaincre  le  plus  incr^dule,  ici  vient  fort  k  propos  le  choix  de 
compositions  dramatiques  du  XVII e  sifccle  dont  nous  illustrons  la  presente 
etude,  —  des  pieces  justificatives  de  premiere  importance. 


Mais  les  auteurs  dramatiques  et  les  musiciens  n'etaient  pas  tous  passes 
au  camp  ennemi  pendant  la  direction  du  marquis  Scotti  et  le  temps  qui 
suivit  immediatement.  Pendant  ce  temps  le  chanteur  favori  du  Roi,  le 
fameux  Farinelli,  nouvellement  nomm6  directeur  des  representations  th6&- 
trales  cdl6br6es  au  palais  de  Ferdinand  VI,  voyait  croitre  son  double  pri- 
vilege musical  et  politique,  «sans  abuser  jamais  de  la  bienveillance  ni  de  la 
gdnerositd  des  souverains>  (selon  la  phrase 1)  sereinement  impartiale  de  Char- 


1)  Phrase  prononcee  quand  Farinelli  demanda  a  se  retirer  en  Italie,  —  en  lui  ac- 
cordant la  jonis8ance  de  see  honoraires  et  de  sa  eolde  entiere.  Farinelli,  soit  dit  en 
son  honneur,  exerca  son  privilege  politique  avec  un  tact  exquis  et  une  grande  gen6- 
rosite\  Si  «les  capitaux  se  consumaient  entre  musiciens  et  danseurs»,  comme  disaient 
les  censeurs,  on  ne  pouvait  accuser  d'administration  d&ordonnee  ni  encore  moins  de 
mauvais  emploi  des  capitaux  cette  gestion  de  Farinelli,  honoree  et  a  Tabri  de  tout 
soupcon,  ainsi  qu'il  est  dit  et  repet6  presque  par  tous  les  ecrivains  qui  etudierent  sa 


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60    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVIIe  siecle. 

les  HI) ;  pendant  ce  temps  on  cdldbrait  k  Aranjuez  le  jour  du  roi  (30  mai 
1758)  en  representant  >La  force  du  g£nie  ou  le  Pasteur  guerrier*  (la  Forxa 
del  genio  ossia  il  Pastor  Gvtrriero),  texte  de  Bonelhy,  musique  de  Conforto, 
dernifcre  oeuvre  dirigde  par  Farinelli;  mais  Don  Ramdn  de  la  Cruz  notre  gonial 
auteur  de  saynfctes  populaires  et  le  compositeur  Catalan  Don  Manuel  Pla 
avaient  fait  representer  l'ann^e  d'avant  le  nouveau  drame  comico-harmoni- 
que  »Ce  qu'il  y  a  de  mieux  k  sacrifier  k  la  Divinity  (quien  complace  a  la 
Deidad acierta  a  sacrificar),  lequel  pr^ceda  deux  zarzuelas,  Pune  h^roique, 
l'autre  festive,  composes  et  donndes  par  le  meme  donRamdn  de  la  Cruz 
et  le  repute  maitre  compositeur  don  Antonio  Rodriguez  de  Hita,  la  premiere 
intitule  la  Briseida,  en  1768,  et  Pannee  suivante  la  seconde,  «Les  labou- 
reuses  deMurcie*  (Las  labradoras  de  Murcia),  un  prdcieux  tableautin  de  genre 
populaire.  Leurs  auteurs  les  intitul&rent  zarzuelas  et  non  pas  operas,  com- 
me  si,  jusqu'en  la  qualification  meme  du  genre,  en  dehors  de  sa  tendance 
populaire  ils  eussent  cherch^  l'occasion  de  protester  s^rieusement  ou  pu&ile- 
ment  (qu'on  en  juge  comme  Pon  voudra)  contre  Pexotisme  envahisseur  de 
PItalie;  et  cette  qualification  par  protestation  trouva  des  imitateurs  en 
les  sympathiques  et  endiables  tonadiUeros  qui,  sauf  des  cas  tr&s  rares,  ne  vou- 
lurent  pas  non  plus  appeler  operette  ce  qui  n'etait  qu'amplification  de 
Pantique  tonada,  c'est-k-dire  une  zarxuela  de  proportions  rSduites. 

Si  PEspagne  ne  suivit  pas  Pimpulsion  du  drame  musical,  qui  se  fit 
sentir  plus  ou  moins  tard  en  toutes  les  principales  cours  d'Europe,  si 
PEspagne  n'eut  pas  et  ne  put  avoir  &  ce  moment  d'op^ra  proprement  dit, 
on  est  force  de  convenir  avec  Calderon  que  «la  rustique  simplesse,  la 
partie  oubliee  de  notre  tout*  se  hasardaient  grandement, 

En  que  colera  espanola 
Sufra  toda  une  comedia 
Cantada  .... 

definition  plus  physiologique  que  generique  commentee  par  [Yriarte  et 

personnalite  privee  et  politique.  De  la  correction  avec  laquelle  Farinelli  rempUssait 
sea  fonctions,  nous  trouvons  Tattestation  en  un  manuscrit  appartenant  a  la  bibliotheque 
de  S.  M.  Dona  Christina,  interessant  en  outre  pour  connaitre  en  tous  ses  details  la 
facon  dont  la  cour  protegeait  Popcra  italien  a  cette  epoque.  Ce  manuscrit  est  intitule : 
•Description  de  l'etat  actuel  du  theatre  royal  du  Buen  Retiro,  des  representations  qui 
y  ont  eu  lieu  de  1747  jusqu'a  present,  de  son  personnel,  des  depenses  et  charges,  le 
tout  exprime  au  livre  premier;  le  livre  second  traite  des  divertissements  tenus  annuel- 
lement  par  les  rois  nos  seigneurs,  au  sejour  royal  de  Aranjuez,  d'apres  les  dispositions 
de  Don  Carlos  Broschi  Far  in  el  lo  (sic),  valet  familier  de  L.  L.  M.  M.  Annee  1768. » 
In-Fol.  Le  texte  en  noir  et  rouge,  248  pages  entre  lesquelles  il  y  en  a  bon  nombre 
en  blanc;  10  planches  a  1'aquareHe,  2  plans  egalement  a  l1  aquarelle,  Tun  <du  palais 
royal  ou  s'embarquent  L.  L.  M.  M.>  l'autre  du  «Tage  a  Aranjuez  depuis  le  pont  de 
bateaux  jusqu'a  celui  de  la  reine>  ;  caracteres  grands  et  desserres  du  XVIII®  siecle. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVU>  siecle.    61 

adressee  k  «Le  censeur  avise*  (d  czierdo  censor)  du  chant  quatre  de  son 
Po&me  de  la  Musique  lorsqu'il  dit: 

Oh!  si  en  Espana  florecido  hubieras! 

Digna  menci6n  pndieras 

Haber  hecho  tambien  de  nuestro  drama 

Que  zarzuela  se  llama 

En  que  el  discurso  hablado 

Ya  con  frecuentas  arias  se  interpola, 

0  ya  con  duo,  coro  y  recitado: 

Cuya  mezcla  si  acaso  se  condena, 

Disculpa  debe  de  hallar  en  la  espanola 

Natural  prontitud,  acostumbrada 

A  una  rapida  acci6n,  de  lances  llena 

En  que  la  recitada  canidnela 

Es  remora,  tal  vez,  que  no  le  agrada1) 

Je  ne  pense  pas  que  notre  satisfaction  nationale  soit  amoindrie  d'un  tel 
etat  de  choses,  ni  de  ce  qu'aujourd'hui  se  precise,  aprfcs  tant  de  divagations, 
que,  si  nous  n'edmes  pas  d'opera,  ce  fut  parce  que  nous  possedions  un  genre 
de  spectacle  en  pleine  splendeur,  qui  ne  n^cessitait  pas  Tadoption  de  celui- 
ci,  son  8imilaire  k  trfcs  peu  prfcs,  du  moins  en  ce  qui  concerne  le  genre 
d'op^ra  cultive  k  cette  epoque.  D'ailleurs,  en  nous  efforgant  de  chercher 
absolument  des  operas  par-ci,  des  operas  par-l&,  tantot  dans  les  drames  li- 
turgiques  du  Moyen  &ge,  tantot  dans  les  planetus  de  certains  r£cits  popu- 
lates, k  l'aide  de  Pimagination  nous  finirions  par  qualifier  d'op^ras  par 
exemple  les  psaumes  de  notre  liturgie  mozarabe,  la  messe  et  les  autres 
c£r£mopies  du  m§me  culte.  Que  Ton  appelle,  k  la  bonne  heure,  espfeces 
d' op  eras,  ou  mieux  parentes  des  operas,  ces  representations  entifcrement 
chantees,  avec  intervention  de  personnages  et  d'une  action  plus  ou  moins 
developp^e,  comme  La  Sibila,  c6r&nonie  ou  representation  trfes  importante 
dont  on  possfcde  un  ample  document  musical  et  litteraire,  —  comme  «Le 
trepas  et  I'assomption  de  la  Vierge»  [d  Trdnsito  y  la  Asuncion  de  la  Virgcn), 
cette  representation  liturgique,  chantee  et  joude  depuis  les  temps  les  plus 
lointains  en  l'dglise  d'Elche  (province  d'Alicante)  les  14  et  15  aofit  de 
chaque  ann£e,  k  laquelle  j'ai  consacre  une  etude  en  les  pages  de  cette 
revue,  —  enfin  comme  Vauto  sacramentel  de  Pascua  de  Resurrection,  institue 
en  1550  par  le  due  de  Grandfa  (san  Francisco  de  Borja)  dans  le  couvent 
de  S*6  Claire  de  G-andfa  (Valence),  patrie  du  due,  et  que  peut-etre  je  me 

1)  Oh!  si  tu  avals  fleuri  en  Espagne  —  tu  aurais  pu  faire  une  digne  mention  — 
aussi  de  noire  drame  —  nomme  xorxuela,  —  dans  lequel  le  discours  parle*  —  alterne 
avec  de  frequents  airs,  —  et  aussi  avec  duos,  chceurs  ou  remits;  —  melange  qui,  si 
par  hasard  on  le  condamne,  —  doit  trouver  excuse  dans  l'espagnole  —  promptitude 
naturelle,  habituee  —  a  une  action  rapide,  pleine  de  saillies,  —  ou  la  cantilene  recite* e 
—  est  abandonne  chaque  fois  qu'il  n'est  plus  a  propoa. 


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62    Fefcpe  Pedrell,  La  Murique  nrifefaw  d»  W  tfcfrtrn  eapagnol  du  XVH«  stecle. 

d&iderai  it  6tudier  &  une  autre  occasion,  comme  le  dernier  deseqAafc  fa 
cette  nombreuse  tradition  de  mysteres,  moralitfe  et  passions,  doat  le 
Moyen  age  fut  de  tous  cotes  si  prodigue. 

La  participation  prise  par  la  musique  aux  plus  anciennes  representa- 
tions espagnoles,  aussi  bien  purement  liturgiques  que  profanes,  £tablit  tres 
clairement  que  la  musique  thdatrale  fut  toujours  cultiv^e  avec  soin  parmi 
nous,  —  que  la  polyphonie  vocale  an  ddbut,  et  ensuite  Fharmonie  vocale, 
trouve  un  eclaircissement  de  grande  importance  dans  P etude  approfondie 
des  formes  litteraires  du  theatre  antique,  —  et  que  cette  intervention 
continue,  on  pourrait  dire  « obligee, »  de  la  musique  marcbant  avec  la  lite- 
rature en  ses  tendances  et  son  caract&re  naturellement  espagnol,  explique 
tout  speeialement  le  caractere  indigene  de  la  musique  tb&trale  ancienne, 
particulierement  cette  musique  du  XVII6  sifeele  qui  nous  a  6i6  r6vdl£e 
re'cemment  et  que  desormais  nous  pouvons  connaitre.  Tout  ceci  ind^pen- 
damment  de  Tinfluence  qu'exerga  dans  la  suite  1' opera  italien,  beaucoup 
plus  tard  que  cbez  les  autres  nations  et  sans  detruire  l'hege'monie  des  sty- 
les theatraux  propres,  —  influence  qui  ne  pouvait  manquer  de  se  produire 
lorsque,  au  d^but  du  XVHP  siecle,  ainsi  que  nous  Pavons  vu,  se  pr&enta 
en  nos  theatres  la  premiere  troupe  d'ope'ra  italien,  appelde  ironiquement 
par  le  vulgaire  compania  de  trufaldines  (troupe  de  bouffons). 


Les  formes  et  le  style  de  notre  documentation  mueicale  accusent  for* 
tement,  —  en  les  approfondissant,  est-il  besoin  de  le  dire?  —  le  propre 
d'une  tendance  et  d'un  gout  national  mis  en  Evidence.  Etudiant  au  del&, 
on  y  trouve  tout  ce  que  Ton  a  l'habitude  d'apercevoir  relativement  k  l'£tat 
de  Tart  au  d^but  du  XVIIe  siecle.  La  polyphonie  vocale  du  Moyen  Age, 
cultivde  presque  £galement  par  toutes  les  nations  d'Europe,  est  une  sorte 
de  manifestation  impersonnelle  tendant  peu  &  peu  et  par  stapes  succes- 
sives  &  s'unipersonnaliser.  Elle  y  parvint  quand  la  polyphonie  elle-meme 
facilita  la  venue  de  la  monodie,  chant  h  une  voix  accompagne'  d'harmonie 
instrumentale.  Mais  la  monodie  primitive,  j'en  atteste  celle  de  la  Cam&rata 
florentma}  ne  put  d'abord  revetir  d'autres  formes  mflodiques  que  les  d^rivees 
des  parties  les  plus  saillantes  et  vibrantes  de  l^difice  du  contrepoint  vocal, 
ni  inventer  d'autres  tours  melodico-harmoniques  que  ceux  que  lui  pretaient 
1' ambitus  sonore  et  le  materiel  technique  de  cet  agent  inspirateur.  Elle 
tendit  ainsi  h  l'expression  du  sentiment  des  paroles,  grace  k  une  Evolution 
qu'amenerent  les  troubadours  proven$aux,  les  minnesinger  allemands,  les 
cantori  a  liuto  italiens,  chanteurs  et  compositeurs  dans  le  sens  moderne  des 
mots  et  dememeles  menestrels  franjais  et  nos  vihudisim,  especes  de  cantori 
a  liuto  qui  au  lieu  du  luth  adopterent  l'instrument  national  la  vihicela, 
mere  de  la  guitare,  —  Evolution  secondee  admirablement  au  XVI6  siecle  par 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  otpagnol  do  iVJUl*  siecle.    63 

la  mode  de  chanter  en  s'accompagnant  d'un  instrument  &  cordes,  savoir 
indispensable  &  toute  personne  bien  nde  et  bien  &ev£e  selon  lea  codes 
sociaux  de  l^poque.  Le  fameux  livre  «#  Cortegiano*  (le  Courtisan)  ex- 
prime  bien  ces  idles  courantes.  II  suffit  de  les  rappeler  pour  ce  qui 
nous  occupe. 

La  monodie  des  courtisans,  cultivant  un  art  aussi  courtisan  qu'eux- 
memes,  brilla  avec  le  peu  de  vari£t£  et  la  sScheresse  tout  archaique  des 
formes  harmoniques  qui  l'inspiraient,  sans  qu'il  Mt  tenu  compte  que  la 
polyphonie  pouvait  seulement  preter  &  la  composition  un  moyen  mais 
non  Fagent,  et  que  r&tne  de  la  composition,  la  m&odie,  se  trouverait  bien 
en  l'expression  du  sentiment  des  paroles,  lorsqu'elle  pourrait  vivre,  e^pa- 
nouir  et  se  d^ployer  sans  obstacles,  dans  le  milieu  ambiant  d'une  tradi- 
tion nationale  favorisfe  par  les  coutumes  et  conditions  mflodiques  et  ryth- 
miques  de  la  langue  de  chaque  peuple.  La  musique  des  XVe  et  XVIe 
sifccle  n'a  pas  de  nationality,  elle  est  sortie  tout  enti&re  d'une  meme  forme 
traditionnelle,  encore  que  librement  choisie,  de  Tart  de  la  polyphonie  cul- 
tiv6  en  toute  l'Europe.  L'&volution  produite  par  Tart  nouveau  et  uniper- 
sonnel  de  la  m&odie,  fait  qu'  h  partir  de  1600  on  peut  parler  de  musi- 
que propre  et  de  tendances  nationales. 

La  polyphonie  se  refugiera  comme  en  un  dernier  asile,  avant  Farm^e 
de  l'orchestre,  dans  le  madrigal,  correspondant  h  notre  theatral  cuatro  de 
empexar,  et  depuis  cette  forme  la  phrase  se  modifiera,  en  acqufoant  la 
souplesse  qui  correspond  au  mouvement  du  vers.  Peu  &  peu  dominera  le 
motif  m&odique,  premifere  explosion  de  melodie  libre,  lorsque  l'idlal 
m&odique,  sa  structure  et  son  ambiance  seront  inspires  par  le  chant  po- 
pulate, et  quand  la  declamation,  subordonnle  k  la  sym£trie  des  plriodes 
selon  les  conditions  purement  musicales  de  Tart,  pourra  produire  ces  fleurs 
simples  de  la  chanson  artistique,  veritables  lieder,  consistant  la  plupart  du 
temps  en  une  seule  pdriode  divisle  en  strophes,  formes  typiques  prlparant 
la  cantilfcne  moderne,  lesquelles,  peu  varices  au  debut  et  un  peu  rigi- 
des  de  structure,  poasldaient  A6]k  des  contours  corrects  et  purs,  gr&ce  & 
la  bonne  observance  de  la  prosodie,  de  l'accent  oratoire  et  des  conve- 
nances musicales,  sans  exag&ation  de  sentimentality  ni  abus  de  vir- 
tuosity. 

De  tons  les  aspects  de  cette  Evolution  de  la  monodie  et  de  la  musi- 
que madrigalesque  du  XVIIe  sifccle,  je  pourrais  offrir  d'importants  exem- 
ples  en  les  sp&afiant  par  groupes  comme  il  suit: 
1°  Formes  polyphonico-madrigalesques. 
2°  Formes  polyphonico-archai'ques  —  d£riv(5es  des  parties  vocales 

saillantes  et  vibrantes  de  la  polyphonie. 
3°  Formes  m£lodiques  de  transition  tendant  h  la  melodie  pure  par 
l'expression  du  sentiment  des  paroles. 


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64    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVEI>  siecle. 

4°  Melodies  de  style  caracteristique  nettement  indigene. 

Selon  ce  groupement,  en  tachant  de  reduire  autant  que  possible  les 
exemples,  au  premier  groupe  de  formes  appartiendrait:  le  fragment  de  la 
Comedia  de  san  Alejos  (No.  VI)  provenant  sans  doute  de  la  comddie  de 
Moreto  intitulee  Vida  de  san  Alejo  (vie  de  St  Alejo),  dont  les  per- 
sonnages  principaux  sont,  avec  le  saint  lui-meme  sous  le  nom  de  Eufe- 
miano,  sa  femme  Sabina  et  Tempereur  Othon.  Le  cuatro  de  empexar 
(No.  HI)  appartient  k  ce  groupe. 

Au  second  groupe  correspondent:  le  chant  de  Polifemo  (No.  VII) 
de  la  zarzuela  « Violences  de  jalousie  et  d'amour*  (Fieras  de  celos  y  amor) 
de  don  Francisco  Bances  Cahdamo,  et  un  autre  fragment  de  la  cco- 
mddie  de  san  Alejo  A6jk  cit£e  (No.  VLH). 

Au  troisifcme  groupe  appartiennent  les  deux  fragments  (Nos.  IX  et  X) 
de  la  comddie  de  Calder6n  «Donner  tout  et  ne  rien  donner*  (Dar  lo  todo 
y  no  dar  nada),  <fete  representee  devant  LL.  MM.  au  salon  du  palais 
royal*,  en  1653.  Au  meme  groupe  correspond  la  belle  tonada  a  solo  de 
JuandeNavas  (No.  XI),  harpiste  de  la  Chapelle  royale  regu  le  17  mai 
1669,  et  le  fragment  de  la  comedie  «Choisir  l'ennemi»  (Elegir  al  enemigo) 
(XII)  musique  d'auteur  inconnu  et  texte  de  don  Agustion  Salazar  y  Tor- 
res, composee  pour  cel^brer  cFaccomplissement  des  trois  ans  de  rfcgne 
(1664)  de  notre  monarque  catholique  Charles  II  (d  Hechixadoy)* . 

Au  dernier  groupe  appartiennent  les  Bailetes  de  comedias  del  Retiro 
portant  les  Nos.  XTTT,  du  docteur  Jos£  Bass  a,  et  XIV  d'auteur  in- 
connu. Et  pour  que  l'on  voie  comme  la  musique  de  cour  pour  vihuela, 
depuis  un  siecle,  a  changd  de  forme  et  de  style,  k  cot6  d'un  fragment 
pour  vihuela  de  Miguel  de  Fuenllana,  auteur  aveugle  du  XVI0  sifccle, 
je  mets  deux  passacailles  k  solo  avec  accompagnement  de  guitare,  de 
Josd  Marfn  (voir  les  Nos.  XV,  XVI  et  XVII),  auteur  de  la  musique 
du  No.  12). 

Apr&s  examen  de  la  musique  de  ce  groupe  on  comprend  son  importance 
au  point  de  vue  indigene,  car  Ton  sent  \k  comment  se  reproduisent  en 
Fame  de  leurs  obscurs  auteurs,  se  combinent,  se  transforment,  s'^purent 
et  se  subliment  les  th&mes  populaires  espagnols,  (telle  la  jota  emanant 
des  polos  et  soleas  qui  lui  pretfcrent  leurs  dessins  originaux  primitifs,  la 
muifieira  et  V  alala  issues  du  nord,  comme  la  seguidiUa  et  les  chants 
mdlancoliques  des  montagnes),  pour  qu'ensuite  convertis  en  nouvelle 
substance,  amalgam^s  avec  l'ame  du  musicien  pofcte,  enfin  fix£s  dans 
la  portde  musicale  et  renforces  de   Torchestre  et  de  la  voix  humaine, 


1)  L'ensorceW. 

2)  Se  rappeler  que  Teffet  reel   des  notes  ecrites,  pour  la  vihuela  comme  pour  la 
guitare,  est  celui  dc  Toctave  inferieure. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVIIe  siecle.    66 

Peffort  de  1' artiste  les  renvoie  au  peuple  purifies  par  Tart  et  grandis  par 
^inspiration. 

Dans  la  musique  profane  espagnole  du  XVHe  siecle  que  j'ai  pu  exar 
miner,  il  n'apparait  pas  un  seul  trait  de  virtuosity  contrairement  k  l'ha- 
bitude  italienne. 

Ce  n'est  pas  k  dire  que  les  chanteurs  du  XVIIe  siecle  ne  jouaient  pas 
du  «gosier»,  autrement  dit  se  passaient  de  fioritures  et  de  traits  vocaux, 
comme  le  recommandaient  les  vihuetistas  du  siecle  anterieur  pour  la  mu- 
sique de  certaines  romances  et  villancicos.  Ce  n'est  qu'en  des  cas  ex- 
ceptionnels  que  j'ai  vu  d'autres  notes  d'ornement  que  Tantique  aleado,  ou 
mordant  comme  Ton  dirait  aujourd'hui,  present  par  un  signe  conven- 
tionnel.     Mais  les  cas  que  je  pourrais  citer  sont  extremement  rares. 

Comme  Tinevitable  reaction  du  XVIP  siecle  consista  en  le  triomphe 
de  la  monodie  sur  la  polyphonie  anterieure,  les  chanteurs  se  livraient  avec 
tant  d'ardeur  aux  douceurs  et  aux  flatteries  de  l'applaudissement  person- 
nel que  leur  virtuosite  triomphante  fournit,  aboutissement  de  toute  mani- 
festation musicale,  la  monodie,  Fair  et  le  solo;  laissant  les  chceurs 
aux  choristes,  apparus  pr^cisement  k  cette  £poque,  on  se  contenta,  pour 
soutenir  la  voix  sans  l'etouffer,  du  basso  continuo,  dont  Interpre- 
tation pratique,  assez  elastique,  se  pretait  k  faire  briller  le  virtuose  et 
permettait  d'employer  ou  non,  au  gofit  du  chanteur,  divers  instruments 
choisis  k  Toccasion  par  les  accompagnateurs  eux-memes,  selon  les  moyens 
dont  ils  disposaient. 

Les  documents  de  musique  profane  manuscrits  ou  imprimis  du  XVII* 
sifecle  ne  sont  abondants  enEspagne  qu'  en  ce  qui  concerne  les  manuscrits: 
les  imprimes  sont  trfcs  rares.  De  ces  derniers  k  peine  pourrait-on 
citer  quelques-uns,  sortis,  anterieurs  au  XVII6  sifcele,  des  presses  de 
Timprimerie  musicale  de  Don  Jose  de  Torres  Bravo,  organiste,  puis 
maitre  de  la  Chapelle  royale.  Ils  comprennent,  sous  la  forme  de  partition 
habituelle  en  pe  siecle,  la  partie  ou  les  parties  vocales  et  un  accompa- 
gnement  de  basse,  chiffre  avec  une  surprenante  parcimonie.  Les  docu- 
ments en  parties  detachees  manuscrites  abondent,  composes  des  memes 
elements  vocaux  et  instrumentaux. 

Les  mouvements *),  les  nuances,  Tart  de  faire  des  variations  ou  de 
varier  la  cantilfcne,  Texpression  en  general  et  la  delimitation  du  person- 
nel soliste  et  choral  dans  les  ensembles,  surtout  la  nature  de  Taccompa- 
gnement  instrumental,  etaient  laisses  au  gr£   du   maitre  ou  simplement 


l;  Lentement  ou  vite,  se  lit  quelquefois,  et,  comme  modification  au  caractere 
du  mouvement,  partiel  ou  general,  saltadtto,  voladito,  picadito  el  compiis  (etc.). 
8.  d.  I.  M.    V.  5 


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66    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  da  XVH>  siecle. 

du  musicien,  comme  Ton  appelait  celui  qui  figurait  k  la  tete  des  troupes 
theatrales. 

La  question  des  accompagnements  et  des  variantes  secundum  artem 
est  encore  plus  obscure  dans  les  parties  chanties  comme  dans  les  par- 
ties d'accompagnement.  Quand  apparaissent  des  accompagnements  de  for- 
me d^veloppee,  comme  par  exemple  dans  les  oeuvres  religieuses  de  Comes 
(1568 — 1643)  maitre  ne  k  Valence,  le  chiffrage  de  la  basse  est  habituel 
quoique  limits,  si  limite  que  les  oeuvres  paraissent  ecrites  pour  des  accom- 
pagnateurs  orecchianti  ou  pour  des  m£nestrels  (ministriles)  habiles  qui 
avaient  le  coutume  de  les  entendre. 

Si  dans  les  oeuvres  religieuses  apparait  un  chiffrage  qui  ne  peche  pas 
par  excfcs,  en  revanche  dans  les  manuscrits  de  musique  profane  le 
chiffrage  de  la  basse  brille  complfetement  par  son  absence,  en  Espagne 
comme  en  Italie  oft,  parait-il,  fut  inaugur^e  la  coutume  de  noter 
les  chiffres.  Tout  6tait  confie  aux  accompagnateurs  habiles,  organistes, 
clavecinistes  *),  ou  harpistes,  qui  k  Toccasion  marchaient  passivement 
avec  le  chanteur,  le  secondant  ou,  selon  les  passages,  developpant  et  or- 
nant  la  basse  continue.  Les  seuls  instruments  qui  formaient  l'orchestre 
the&tral,  comme  on  disait  au  XVIIe  siecle,  ^taient:  la  guitare,  la  harpe 
ou  le  violon  (sans  compter,  evidemment,  ceux  qui  fonctionnaient  k  Tocca- 
sion sur  la  scfcne)  destines  k  accompagner  les  voix,  quand 

Cantaban  a  dos  y  a  tres 
Y  representaban  hembras2) 

selon  le  dire  de  Rojas3)  se  rapportant  k  l'epoque  oh,  Micer  Andres  Key  de 
Artieda  (1564 — 1613)  de  Valence,  donnait  au  th&itre  ses  «Enchantements 
de  Merlin*  [Encantos  de  Merlin)  et  de  meme  quand  s'introduirent4) 

Las  comedias  de  apariencias 
De  santos  y  de  tramoyas5) 

De  sorte  que  selon  les  citations  de  Rojas,  l'orchestre  allait  progres- 
sant  et  introduisant  d'autres  instruments  de  renfort  k  la  basse  continue 
quand 

Cantabase  a  tres  y  a  cuatro. 

Et  un  progr&s  qui  n'etait  pas  de  peu  d'importance,  disons-le,  fut 
rintroduction  des  cuatros  de  em^exar  et  de  l'orchestre  de  guitares  ou  de 
harpes,  soutenu  d'une  basse  k  cordes  appelee  violon,  quand  on  imagine  un 


1}  Le  clavecin  etait  pour  l'Espagne  ce  quest  le  cembalo  pour  l'ltalie. 
21  On  chantait  a  deux  et  a  trois  —  et  faisait  voir  des  instruments. 

3)  Augustin  de  Rojas,  auteur  du  < Voyage  amusant*  d'ou  proviennent  les  vers 
cites  dans  le  texte. 

4)  Les  comedies  ^apparitions  —  de  sujets  sacre*s  et  de  truc9. 

5)  On  donnait  le  titre  de  tramoya  (true  a  la  comedie  a  sujet  fabuleux. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVHe  siecle.     07 

Lope  de  Rue  da1)  en  un  manteau  de  Palencia  assujetti  avec  des  corde- 
lettes,  entonnant,  vihuela  en  main,  le  prologue  de  salutation  k  cette 
farouche  assemblee  de  bergfcres  desambridas  et  de  villageois  mtelleridos 
et  arrives  r^unie  en  une  cour  ou  dans  Fatrium  (Tune  £glise.  Cervantes 
fit  l'61oge  de  Lope  de  Rueda  dans  le  Prologue  de  ses  comedies,  et  comme 
il  est  curieux  et  interessant  pour  cette  etude  de  savoir  ce  que  dit  l'au- 
teur  de  Don  Quichotte  sur  les  representations  d'alors,  il  me  parait  op- 
portun  de  le  transcrire:  «Du  temps  de  ce  fameux  espagnol  tout  Fattirail 
d'un  acteur  de  comedies  tenait  dans  un  sac  et  consistait  en  quatre 
couvertures  blanches  garnies  de  cuir  dore,  quatre  barbes  et  perruques, 
et  quatre  houlettes,  un  peu  plus  ou  un  peu  moins,  tous  les  personnages 
introduits  etant  des  patres;  les  £tof£es  du  vestiaire  etaient  deux  mantes 
qui  se  tendaient  &  volonte  sur  une  corde,  et  il  se  melait  k  PeSglogue 
deux  ou  trois  intermfcdes,  Tun  du  nfegre,  Pautre  du  ruffian,  du  bouffon,  du 
basque,  lesquelles  quatre  figures  et  bien  d'autres,  etaient  rdalis^es  par  ce 
Lope  avec  la  plus  grande  perfection  et  originality  que  Ton  pouvait  ima- 
giner  . . .  Le  theatre  se  composait  de  quatre  bancs  places  en  carr£  et  de 
quatre  ou  six  tables,  en  outre,  sur  lesquelles  on  s'flevait  de  quatre 
pieds  au-dessus  du  sol». 

Les  progrfcs  orchestraux  r£alis£s  dans  la  musique  theatrale  de  l'dpo- 
que  sont  trfcs  visibles  lorsqu'on  consulte  simplement  les  listes  des  troupes. 
Prenons-en  une  comme  exemple.  Celle  de  la  troupe  de  Manuel  Vallejo, 
qui  date  de  Tan  1633,  nous  donne  une  idee  exacte  de  son  personnel  de 
chant,  de  danse  et  d'accompagnement. 

Manuel  Vallejo  chante  et  joue. 

Maria  .de  Riquelme  danse  et  joue. 

Miguel  Jime'nez,  idem,  idem. 

Bernard  a  Teloy,  sa  femme,  chante,  danse  et  joue 

Andres  de  Abadia  chante  avec  harpe  les  contraltos. 

Francisca  de  la  Concepci6n,  sa   femme,    chante    avec    harpe,    danse 

et  joue. 
Pedro  de  Balconer  joue  et  danse 
Maria  de  Balcacer,  sa  femme,  chante,  danse  et  joue. 
Pedro  Garcia  Salinas,  danse  et  joue  les  gracieux.  t 

Francisco  de  Salas,  joue. 
Francisco  Rodriguez,  danse  et  joue. 


1)  On  pent  le  considerer  comme  le  createur  du  moderne  theatre  populaire  espagnol. 
II  naquit  a  Seville  au  commencement  du  XVIe  siecle  et  mourut  en  1667.  Son  premier 
metier  fut  celui  de  batteur  d'or  qu'il  abandonna  pour  se  consacrer  au  theatre.  En 
1568  il  repr&enta  a  Segovie  une  comedie  joyeuse  pour  solenniser  Inauguration 
de  la  nouvelle  cathedrale.  II  s'6tablit  a  Madrid,  d'ou  il  passa  a  Valence  en  contractant 
manage  avec  une  valencienne.  On  connait  de  Lope  de  Rueda  quatre  comedies, 
deux  dialogues  pastoraux  et  dix  erdr&meses  (intermedes)  retrouvSs  et  publies  par 
Juan  de  Tim  one  da,  son  premier  editeur  et  compilateur. 

5* 


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68    Felipe  Pedrell,  La  Af usique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVD>  siecle. 

Marco  Antonio,  chante  lea  basses  et  joue. 
Agustin  Molina  chante  les  contraltos  et  joue. 
Francisco  V aides  chante  les  tenors,  danse  et  joue. 

Musique  k  dix,  poursuit  la  liste,  c'est-&-dire  musique  qu'on  peut 
ex^cuter  avec  cinq  femmes  et  cinq  hommes;  personnel  ad^quat  pour 
chanter,  par  exemple,  la  Jdcara  signage  au  num^ro  V,  les  cinq  fem- 
mes et  les  cinq  contraltos  hommes  pour  les  parties  correspondantes  de 
la  composition.  Valdfcs  qui  chantait  les  tenors,  Marco  Antonio  qui 
chantait  les  basses  et  Vallejo1)  qui  comme  auteur  (impresario)  de  la 
troupe  £tait  accoutum£  k  parler  fort  et  k  cause  de  cela  avait  une  voix  de 
circonstance,  chantaient  le  bas  pour  donner  un  appui  sonore  aux  prodigieux 
accompagnements  que  faisaient  sans  doute  avec  la  harpe  les  harpistes  de 
la  troupe  Abadia  et  Francisca  de  la  Concepcidn,  sa  femme. 

Ceci  indique  l'orchestre  et  le  personnel  du  chant  destines  k  ex£cuter  le 
cuatro  de  empezar  et  ceux  des  intermfcdes,  les  musiques  de  la  Loa,  Yin- 
termfede,  le  ballet,  la  Mascarade  ou  la  Jdcara  intercalee  et  indispensable 
en  toutes  ces  fetes  chantees,  fetes  de  zarzuela,  fetes  royales2)  (etc). 

Les  musiques  de  coulisses  ou  de  scfcne  propres  k  la  comedie,  pour 
ainsi  dire  la  partie  s^rieuse  de  la  representation,  se  composaient  d'instru- 
ments  varies.  L^gendaire  est  le  «suenan  chirimias*  (chalemies)  des  oeu- 
vres  de  Calderdn,  pleines  d'observations  sc&iiques  comme  celles-ci,  «swc- 
nan  dentro  cajas  (tambours)*  clairons  et  voix  (El  Castillo  de  Linda- 
bridis)]  on  joue  des  tambours  et  des  trompettes  «avec  les  instru- 
ments* [ElJardin  de  Falerina):  *tocanla&  chirimias  y  atabalillos*,  (petits 
tambours);  puis  jouent  atabcUillos  etchirimiasj  et  pendant  que  Ton  chante 
la  musique  (c'est-&-dire  les  chceurs)  le  premier  couple  sort  .  .  .  (El  gran 
printipe  de  Fe%)\»  «musiciens  avec  instruments,  tambours  distendus  et 
sourdines*  (La  exaltation  de  la  Crux)]  les  Ciclopes  chantent  au  son  de 
martiUos  (La  fiera  el  rayo  y  la  piedra)'*).  Dans  la  mascarade  finale  de 
cette  dernifcre  comedie,  jouee  pour  la  premiere  fois  en  Mai  1652,  il  y 
a  une  note  qui  nous  renseigne  sur  le  personnel  vocal  dont  disposait 
Calderdn:  «Ici  la  Comedie  £tant  termin^e  la  mascarade  commence,  repartie 
en  deux  choeurs  musicaux  k  sept  voix,  formes  chacun  de  quatre  femmes 


1)  Manuel  Alvarez  de  Vallejo,  celebre  par  sa  facon  parfaite  de  jouer  et  sa  qua- 
lite  d' auteur  (impresario),  pour  avoir  Ste*  Tun  des  cinq  fondateurs  de  la  confrerie 
de  Nuestra  Senora  de  la  Novena  (N.  D.  de  la  Neuvaine)  patronne  des  comediens, 
et  pour  s'etre  marie*  avec  la  belle  et  tres  pieuse  Maria  de  Riquelme.  II  mourut  en 
1644. 

2)  Les  fetes  royales  constituaient  une  espece  de  drame,  quelques-unes  6taient  pure- 
ment  comedies  de  cape  et  d'epee;  les  autres  etaient  des  drames  de  cour  <avec  spec- 
tacle, apparitions  et  musique*. 

3)  La  bete  feroce,  Teclair  et  la  pierre. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII*  siecle.    69 

et  trois  hommes,  et  une  troupe  de  douze  femmes  qui  sont  les  dan- 
seuses.» 

Nous  connaissons  1'accompagnement  de  quelques  partitions  religieuses 
de  Cdmes,  par  exemple  le  Dixit  Dominus  du  premier  ton  k  17  voix  r&- 
parties  en  quatre  choeurs.  Le  premier  choeur  £tait  accompagn^  par  la 
harpe,  le  second  par  Vorganum  primum;  le  troisifcme  choeur,  suivant 
cette  note,  *dicat  solus  alius  cum  instrummtibus>}  £tait  accompagn£  par 
deux  cornets  (kbouquin),  saquebute  et  basson,  et  le  quatrifcme  choeur 
£tait  accompagn£  par  les  vihuelas  et  Vorganum  secundum. 

Nous  savons  aussi  que  les  ouvrages  non  liturgiques  du  meme  auteur 
tonadas,  vittaricicos,  romances,  etc.,  s'accompagnaient  avec  les  simples 
orchestres  de  ministriles  (m&iestrels),  comprenant  un  ou  deux  cornets  k 
bouquin,  un  ou  deux  bajoncittos  (petite  bassons)  et  un  basson,  ou  bien 
une  paire  de  chirimias  (chal£mies),  un  petit  basson  et  un  basson. 

Ges  donnSes  nous  renseignent  sur  les  instruments  qui  f ormaient  les  or- 
chestres sur  le  proscenium  du  theatre  calderonien,  d'autant  plus  indispen- 
sables  qu'au  the&tre  de  cette  Ipoque  on  ne  parle  jamais  d'orgues  ni  de  cla- 
vecins d'accompagnement.  On  y  fait  mention  des  chirimias  que  cite  si 
souvent  Calderdn,  de  quelque  clairon  ou  pour  mieux  dire  trompette,  et  des 
petits  bassons  ou  bassons  correspondents;  et  ce  materiel  sonore  qui  dou- 
blant  les  voix  les  appuyait  pour  sauver  les  dissonances,  servait  k  la  foi& 
pour  donner  le  ton  aux  r£pliques  de  la  musique  k  la  cantonade  ou  sur 
la  scfene  meme,  qui  alternaient  avec  le  dialogue  des  personnages. 

On  ne  parle  de  violes,  violons,  ni  de  fltttes  (rarement  de  pifanos  [fi- 
fres])  dans  les  annotations  des  pieces  de  Calderdn,  et  cependant  on  sait 
que  Marie  de  Hongrie,  soeur  de  Charles  V,  avait  k  sa  solde  k  cette  6po- 
que  des  joueurs  de  viole  et  de  violon,  de  cornemuses  et  de  cornets  k  bou- 
quin, des  didzaineros  (joueurs  de  douzaine)  et  joueurs  de  basson,  des 
joueurs  de  chirimia,  de  salterio,  de  espineta  (dpinette),  de  laud  (luth)  etc1). 

Un  sifccle  plus  tard,  Francisco  de  Valdfcs  institua,  par  ordre  de 
S.M.,  une  veritable  dcole  de  mdnestrels  (1652). .  Le  personnel  de  douze 
m£nestrels  de  service  qui  fonctionnait  k  l'dcole  de  Valdfcs  se  composait 
de  quatre  soprani  de  chirimia  et  corneta,  de  deux  tenors  de  chirimia  qui 
jouaient  aussi  les  petits  bassons,  de  deux  contralti  de  chirimia  et  de 
quatre  saquebutes. 

Avant  la  fondation  de  l'dcole  de  Valdfcs  dans  laquelle,  comme  l'aura 
notd  le  lecteur,  la  famille  d'instruments  k  vent  se  trouvait  au  complet, 
sans  omettre  une  seule  de  ses  parties,  les  mdnestrels  dtaient  utilises  par 


1}  Nous  savons  tout  cela  par  un  inventaire  de  son  tresorier  et  maitre  de  Chapelle 
Roger  Pat  hie,  et  un  dossier  des  comptes  de  la  garderobe  de  la  reine  Marie 
(Archives  de  Simancas,  Contaduria  mayor,  lr*  epoque,  numero  1017). 


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70    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVH>  siecle. 

les  princes  et  magnats  specialement  durant  les  rejouissances  du  camaval: 
«Les  m&iestrels  servaient  dans  la  mascarade,  dit  un  document  du  4  Mars 
1628:  et  il  est  clair  que  les  princes  et  magnats  de  la  cour  les  utilisant7 
avec  plus  de  raison  Philippe  IV  pouvait  apprecier  leurs  services,  les  met- 
tant  aux  ordres  de  Calderdn  et  de  Vingenieria  th£atrale  du  royal  sejoiir 
de  la  zarzuela  je  suppose,  quand  en  1629  on  joua  pour  la  premiere  fois 
le  Jardin  de  Fcderina. 

Bares  £taient  les  «joueurs  de  chirimias  hautes*:  pour  les  sopranos  de 
ce  genre  (de  chirimia  bien  entendu)  «il  y  a  grande  p6nurie»,  dit  un 
document  de  1625,  et  cela  se  comprend,  car,  sans  les  chirimias  hautes 
qui  s'harmonisaient  avec  les  tenors  de  chirimias  et  basson,  la  partie  aigue 
de  l'edifice  sonore  restait  faible,  uniquement  reduite  au  cornet  soprano  ri. 

Dans  un  autre  document  de  date  precise  et  d'emploi  cit£  plus 
haut,  le  maitre  de  la  chambre  de  la  Heine  Marie  de  Hongrie,  Roger  Pa~ 
thie  ddtaille  divers  instruments,  les  uns  qui  se  donnfcrent  et  d'autres  qui 
furent  vendus  aux  enchfcres  publiques,  parmi  lesquels  cinq  violons  d'arco 
de  braxo  con  sus  arquiUos*)  quelques  orlos*)  d'Allemagne,  huit  cor- 
nets noirs,  six  cornets  blancs,  etc.  Ce  que  nous  entendons  aujourdlmi 
par  violon  £tait  au  XVII6  sifccle  un  instrument  moderne  en  Espagne 
(ce  qu'on  appelle  moderne  pour  cette  £poque  comme  tels  autres  qui 
ne  sont  pas  actuellement  en  usage)  et  Pedro  Cerone,  bergamasque  le 
signale  en  son  *Melopeo  y  Maestro*  imprim£  en  1613.  Comme  Cerone 
passa  beaucoup  de  temps  k  Madrid  et  assista  frequemment  aux  soirees 
et  fetes  que  donnait  en  son  palais  le  roi  Philippe  IV,  on  ne  s'&onnera 
pas,  vu  le  caractfere  intemperant  de  l'hote  bergamasque  qu'  il  s'exprime 
en  des  termes  que  je  citerai  k  titre  archeologique:  « Philippe  IV  est 
trfcs  passionn£  de  musique  et  porte  k  octroyer  places  et  prebendes  fort 
riches  en  Espagne  aux  chanteurs  et  musiciens»,  «musiciens  de  vie  joyeuse* 
ajoute-t-il  avec  le  depit  propre  k  celui  qui  desira  sans  l'obtenir  une  de 
ces  places  et  prebendes.  En  une  autre  partie  de  son  livre  il  &ium£re 
les  «musiciens  de  vie  lucrative*  qui  avaient  place  et  appointement  au  pa- 
lais: «joueurs  de  clavecin,  guitare,  luth,  harpe,  cornet,  flftte,  saquebute,  vi- 
huela,  violon  (dans  le  sens  de  basse  de  cordes)  et  meme  violon  et  violaca 
(grande  viole).     H  faut  noter  cette  Enumeration  et  accumulation   d'ins- 


1)  Les  cornets  blancs  ou  noirs,  comme  on  les  appelait  en  Espagne  selon  la  coulcur 
du  cuir  dont  on  les  recouvrait,  droits  ou  tors,  etaient  des  instruments  de  sonorite 
douce  et  avantageuse  pour  doubler  les  voix ;  le  timbre  propre  de  ces  instruments  elait,  le 
lecteur  le  comprendra,  fort  distinct  de  celui  du  clairon  ou  de  la  trompette. 

2)  Archet  de  bras  avec  leurs  petits  archets. 

3)  Orlos,  petits  instruments  a  vent  tournes  en  crosse  eta  double  languette.  lis 
correspondent  a  Tantique  Krummom  allemand  et  figuraient  comme  une  variete 
entre  les  anciens  hautbois  et  basson.  —  On  donnait  aussi  en  Espagne  le  nom  de  orlos 
a  un  registre  d'orgue. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII®  siecle.    71 

truments,  pour  en  d^duire  par  relation  ce  que  pouvaient  etre,  en  des  cas  ex- 
traordinaires,  sans  doute,  les  orchestres  qui  ex£cutaient  les  musiques, 
ainsi  les  appelait-on,  ggnSriquement)  au  theatre  calderonien. 

Le  violon,  cependant,  ne  figure  pas  sur  les  listes  officielles  du  per- 
sonnel de  la  Chapelle  Royale  redig&s  en  1608.  En  1617  il  y  est  fait 
mention  pour  la  premiere  fois  d'un  certain  Felipe  Pichinini  «joueur 
d'instrument  et  chanteur  (executant)  de  th6orbe»,  et  en  1626  d'un  «joueur 
de  vihuela*.  La  Chapelle  Royale  fut  assez  r^fractaire  k  Introduction  de 
ces  elements  sonores  destines  tot  ou  tard  k  donner  le  coup  de  grace  k 
la  polyphonie  liturgique  et  au  culte  technique  de  cette  forme  d'art.  II 
n'en  fut  pas  de  meme  des  magistfcres  de  chapelle  divers  de  la  nation, 
qui  les  introduisirent  vite  et  fatalement. 

Mais  k  partir  de  1633  (du  moins  c'est  le  plus  ancien  document  que  je 
puisse  citer)  entre  par  nu£es  k  la  chapelle  royale,  encore  dirigee  par  le  fa- 
meux  Mateo  Romero  (+  1647),  un  groupe  de  «musiciens  d'instruments* : 
Melchor  de  Camargo  et  Martin  de  Ruego,  bassons;  Francisco 
de  Valdfcs  (le  futur  fondateur  de  l'ecole  de  joueurs  de  chirimia),  petit 
basson;  Lope  Machado,  Juvenardi  et  <autres  joueurs  de  harpe»;  Juan 
de  la  Bastida  et  Enrique  Boteler,  joueurs  de  vihuela;  Felipe  del 
Vado,  Martin  Gomez  et  «autres  joueurs  de  violon  (basse)  et  cornet*.  Su- 
bitement  se  produit  en  1635  une  veritable  irruption  de  sept  violonistes, 
commandes  par  Florian  Rey,  parmi  lesquels  je  mentionnerai  Juan  et 
Felipe  del  Vado  (bons  compositeurs  dont  on  possfcde  des  ceuvres),  Este- 
ban  Limido,  Juan  dePavela,  Eugenio  de  Heredia,  etc.  Quel  mo- 
ment, celui-lk!  et  quel  personnel  de  noms  fameux  pour  Fhistoire  de  la 
musique  en  Espagne  figure  k  la  Chapelle  Royale!  Mateo  Romero  qui 
arrive  k  la  retraite,  le  gonial  Carlos  Patino  entrant  en  pleine  fonction 
de  maitre  de  chapelle,  Francisco  Clavijo  etSebastien  Martinez  Verdugo, 
sans  oublier  Juan  Hidalgo,  joueur  de  harpe  et  compositeur  de  genie 
dont  nous  connaissons  des  ceuvres  importantes. 

Ces  ldgfcres  considerations  suffisent  pour  etablir,  par  analogie,  ce  que 
devaient  etre  les  instrumentistes  du  theatre  calderonien  et  comment  ils  exe- 
cutaient  secundum  artem  ces  lettres  mortes  pour  nous,  les  parties  d'ac- 
compagnement  dcrites  en  leur  temps  sur  des  feuilles  detach^es,  lettres  mor- 
tes k  tel  point  que  meme  la  maigre  notation  de  basse  chiffr^e  leur  don- 
ne  plus  Fapparence  de  mort  que  de  vie,  pour  qui  les  contemple  ou  les 
etudie  et  ne  connait  que  les  secrets  de  la  notation  graphique  moderne. 

«Ce  que  devaient  etre»  les  musiciens  de  ce  theatre,  ai-je  dit,  et  je  Pai 
dit  parce  que  la  qualification  d'orchestre  est  inexacte  pour  parler  de 
telles  musiques,  simples  groupements  d'instruments  parasites  destines  k 
doubler  les  parties  vocales  et  k  renforcer  la  basse  continue.  Le  veritable 
orchestre  arriva  plus  tard.     Leur  role  dans  le  theatre   calderonien,  et,  k 


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72     Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII*  siecle. 

peu  prfcs,  dans  celui  de  toute  cette  epoque,  fut  r^duit  k  se  grouper  pour 
faire  entendre  quelque  ritournelle  selon  les  besoins  sc^niques,  et,  k 
part  cela,  k  donner  un  appui  aux  voix  en  doublant  leurs  parties  res- 
pectives. 

Cette  etude  ne  se  termine  pas  ici,  mais  en  un  prochain  travail,  com- 
plement de  celui-ci,  consacrd  k  l'£glogue  pastorale  La  selva  sin  a?nor  (La 
foret  sans  amour)  de  Lope  de  Vega  et,  en  meme  temps,  k  tout  ce  qui 
reste  k  dire  sur  la  musique  et  les  musiciens  du  theatre  de  Calder<5n. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  da  XVII*  riecle.     73 

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Andantino. 


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Accompagnement.pjj  \>  j[    ^^ 


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(Manquent 


les  paroles  dans  F original.) 


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74     Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  dn  XVII*  siecle. 

II. 


Vivace. 


Soprano. 
Tenore . 


Basso. 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  dn  XVD>  siecle.    75 


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des.di . 


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vien.to     te  lie.va    per  .  di.da,  te  lie. va  per  .  di.da, 


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vien-to     te  lie.va  per  .  di .  da, 


di  .  da,        mi.ra  que  el 


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76    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII*  siecle. 


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mi.ra  que  el 


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^  p  p  I  J'  H I  i    * 1]  pp 


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etc. 


etc. 


etc. 


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ba  .  te  Iob 


remos,  llega  a  por. 


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Felipe  PedreJl,  La  Mnsique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVU>  siecle.     77 


IV. 


Soprani. 


Basso. 
Accomp. 


Vivace.  , 

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Con  las  mozas  da       Va .  lle.cas  al   corro  sa.  Ii6  Pa 


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Con  las  mozas  da 

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78      Felipe  Pedrell,  La  Musiqne  indigene  dans  le  theatre  espagnol  da  XVII*  siecle 

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Felipe  Pedrell>  La  Mnsique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVTI*  siecle.     '  ® 


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Soprani. 


Basso. 
Accomp. 


Moderato  molto. 
Sopr.  I. 


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80   Felipe  Pedrell,  La  Musiqne  indigene  dans  le  theatre  espagnol  dn  XVK*  riecle. 

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Felipe  Pedrell,  La  Mnsique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  da  XVII*  siecle.  gj 
,  l    Sopr.  III. 


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Sopr.  II. 


Sopr.  I. 


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.  yos     con  que  ha  de  abra.sarse  ra  .  yos     con  que  ha  de  abra.sar.se. 


»fcj.i|irrfrrr|ffr|fflrrj|j  nlrrlp 


^^ 


D.C. 


Sopr.  I  e  IL 
Sopr.m. 
Tenore. 

Aocomp. 


VI. 

Lento. 
Ay!  Ay! 

.J.        ■     ■  =dji 


fa  » p  p-p  p  Hf  r  I    * 


Ay!  dul  .  ces  pron    .    das 


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£ 


Ay!  dul  ces 


Ay 


!  dulces 


a^- 


pren    .    das 

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Ay!  Ay! 

>  J>  J>  J^  J 


por  mi  mal  ha  . 


p  j  i  p 


prendas        por  mi     mal  ha     . 

•» — : 


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Ay!  dulces  prendas        por  mi  mal  ha.lla  . 


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dulces  pren , 


das  por  mi  mal 


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lladas, 


ha 


dulces 


pren.  das     Ay! 


11a     .     das        Ay! 


mal  ha. lladas 


5 


*>  i  j  j   I  f  i  p  r   I  r  M   ^m 


8d.I.M.V. 


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82      Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  da  XVH>  steelc. 


das, 


dulces    prendas  por  mi  mal  ha .  11a .  das. 


VII. 


Allegretto 


Polifemo. 


Aoeomp. 


Pe.re  - 


y*Hp    c_p= 


grinoe8tranLge.ro       que  va.gan    .    do     las 


r   rlr  i^t^m^ 


VIII. 


Voix. 


ft 


Lento. 


^^ 


Llo.ran  . 


V 


P  r  p  r|p  p  p  p  r 


do        no      .     dies  j  di 


Accomp.b||  r  p  r  P I P I  Us  F I  gg  m>  t^^ 


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Felipe  Pedrell,  La  Muaique  indigene  dans  Ie  theatre  etpagnol  da  XVJ1«  siecle.     go 


IX. 


Moderate 


A  Ni   .    se  a.do  .  re 


Voix.       ffig 


Accomp. 


p«r  r  p 


y  aunque  la 


*•    |"  lr    p  Ji 


m 


=fe£ 


di.je  mi  fre.ne. 


Moderato. 


Autre 
voix. 


Une  voix. 

Accomp. 


/    ALoaeraio.  voix. 

<ipppp^rppP|rrr[|cfrTrrpf'l'i 


Solo  el  silencio  tee  .  ti. go  hade  ser  de  mi  tor.men  .  to.  Amino 


tli  a  f 


rJ^Lfir  r  "l^ 


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84  Felipe  PedreU,  La  Musiqne  indigene  dans  le  theatre  espagnol  dn  XVD>  siecle. 

XI. 

j       Andantino. 
Voix. 

Accomp. 


4'flp  P^|Hp'p|fJlJi|f  * 

llama,  en  la    per.la,  el     a.ve  y  la    flor, 


»*pP|PPP 


y  te  . 


ni.a.le 


wm 


m 


r  ""P I P  Mlt  p  p-fp  p-ip  I  p  *  j>|  r-  p  * 

luz  yd         las       ti.nie  .  bias  del  sol.  Busicabaela 


sombras  de 


la 


mmMkz 


f  irrr 


«? 


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Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII*  siecle. 
Couplets. 


85 


fMmflir  r-hP'P  P  "P  P P r 


p'TiPiinp 


.   sa  su  .  pe.nor, 


S 


mas   ni  la  hermo.su  .  ra 


gss^f      ^fJ6£ 


de .  bu  llama  pu  .  ra 


•rin  pr 


pr  t    r 


f  vp-p  p  pp'pr 


de  su  excel    .     so  a   .   mor.  Bus  i  caba  el  a 


e .  ra  sombra  oscu  .  ra 

it 


'Htf/p  r  or  l»pr    cjp-Jy  m    \LtI\ 


>> 


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pi 


vppip  PP  \t'M 


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y  te  . 


ni .  a .  le 


den.tro  de 


i*»  r  p 


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mi   co  .  ra  .  z6n. 


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XII. 


Allegretto 


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86     Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espaguol  du  XVII«  siecle. 


i'^t\tf\^h\h  nJ'ppip 


5=5 


ite 


wzm 


des.pier .  ta, 


que  quien  ama  no  es  justo  se  duer  ma,no 


■^r  twty   if-    m  i  rjl»pr  'J-  if1 


es  justo 


se  duerj  ma. 


XIII. 


Andantino. 


y         Anaaniino. 

t^.  te  j  jf  I  j  jrfirr  rirrfPP 


Accomp. 


m 


k 


Si  de  Ama  I  ri.lis  los 


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o.jo8  die  I  pa     .     ran 


Hii 


S=£ 


f  lechas  que 


m 


v1  J  J  if 


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hieren  con 


dul.ce  ri 


P"  *t  f  u 


in 


gor 


4  de  que*  le 
— <s 


sirve  a  Cu 


pi. do    la  al 


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XIV, 


Allegretto. 


Voix. 


Accomp. 


Es  tu  li . 


^S 


aon.ja  el  ser  mi  ho.mi 


^ 


m 


ci.da 


j  inljnm 


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Felipe  Pedrell,  La  Masique  indigeno  dans  le  theatre  espagno]  du  XVH>  siecle.      87 


%  rJ*p^iP'piip^ 


p  p  |  J  JJ'ry^ 


mi.ra,    delafiel 


vista  que  te  mi     . 


Pe.royo  es.pero  elver.te  do. 


»  j  r 


?= 


> 


Fine. 


^JW'  tf 


lida,de  haJber  he 


j^1  t> p I r  p  p  rg 


.  rido,de  haJber  he.rido  a  quiente  ado  . 


'V  r    pffrf    pff  r    Jf 


SP 


r6.Estuli. 


pi 


D.  C. 

al  Segno  %. 


xv. 


Andantino. 


Vihuela. 


I'rW'^VHd 


iffl^Tljrlf1    ffffp 


jjjjj 


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88    Felipe  Pedrell,  La  Musique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  dn  XVII*  aiecle. 

XVI. 


Allegro  Tlrace. 


Voix. 


Guitarre. 


ji»ru  Vy  JlJJJlJrfrfrf 


Dizqueeraco.mou.ua   nieveMa.rica  la        deBer.lin    . 


i^rifjrfifj,ryri;fri^ 


^jij  j  jij  j  i j  jujju  u^mim 


ches,  y    viene  el  de.  monio  y  que  ha  ce  que  su  mal  gus  .to        la  tiz  .   ne, 


jr  f' Pmmmwm^  A',' 


rrr 7r   rrr  f r r V  r     f  fr 


s* 


-/ 


jrrrnr  nnnr  ir  iff 


/7\ 


nnnr  1,-1 


Couplets. 


IfTTJUf  1 1"  if    I  -  n  J  Jiff  irr 


Porque  a    todos        di    .      ce, 


porque  i.    to. do  a     di.ce, 


j/fi/,iiA'<i/>'## 


j  rpr'J  j'  J-J>JUji^if  jjijiJ  iJ" 


que  espara     e  .  11a,  que  espara     e.lla,       el  pe  .  or  ningu  .      .      .no 


U^Utbi^tif^i 


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Felipe  Pedrell,  La  Mnriqne  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVD>  neck.      89 


fj  ittirtfTHj'  n    m  i  ii1 1  |T|f  if  i 


el  pe  .  or  ningu 


.  no,  el  me  .  jor  cualquie .         .  ra. 


xvn. 


Allegretto. 


Voix. 


Guitarre. 


y     Allegretto. 


A.quella   Sierra Ne.  va.  -  da,      quedensa     nu  .  be  pa. 


U  l    i^iVMr     'CJ 


w 


^  Jyr  JiftrTf  rr1"     '«    UJ  J  Jlr  P 


re  .  ce, con  el  ri.gor  deles  .  ti  .  .  o 


en  pardo  es  _co .  Ho 


^J"'i',^,ti,'*U/,iM 


TIT 


Couplets. 
^/A  Pin  vivace. 


I  i  ?  J  J  I J  J  J  l  J.     |,,J     J  I  J.      U  J  J  1  J 


Fa  ti  .  gada  espe  .  ran  .       .  za,       re  .    me 


diojnor  .  tal 


jiP1   if11    I'crn'ih^  14 1  j! ■'!-/: 


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90    Felipe  Pedrell,  La  Murique  indigene  dans  le  theatre  espagnol  du  XVII*  uecle. 


*  j  j  i  j  j  j  i  ,i,  i  j  j  i  j,  i  j  j  j  i  j.  i 


fa.ti  .   gadaespe  .  ran     .      za,      re  .  me 


dio  mor  .  tal 


f    m     l'c;rJrJ,Jr^JJif^    i#i 


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«f  p  rj\rPf  ir  r ' "  \rp^Wi- 


iqai  me  quieres,  qui  me  quie  .        .  res        ya?      D6.ja.me  mo  .  rir, 

J  j     I    II      I    "  ||tt 


If  ,^r  J,Ji||''PgB^ 


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d6.ja.m6  mo. rir,   mo  . 


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i»j  j|jn  Ji    ii  r  rir  r  rir  *a 


sin  es.pe    .    rar  pues  en     nada  hay  fir  .  me  .  za 


i/^wj^i^i   mfi 


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y 


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si         .no     es  eh  mi     mal,  si  no  es       en    mi    mal. 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart.        91 


Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit 
und  Gegenwart 

von 

Walter  Niemann. 

(Leipzig.) 


I.  Knrzer  geschichtlicher  Cberblick  liber  die  schwedische  Musikgeschichte 
des  16.— 18.  Jahrhnnderts1). 

Ein  musikalisch  reicheres  Leben  entfaltete  sich  in  Schweden  erst  unter 
der  Herrschaft  der  musikliebenden  Vasa-Dynastie  (16.  Jahrhundert), 
unter  deren  Vertretern  sich  besonders  der  ungluckliche  Konig  Erik  aus- 
zeichnete.  Die  Laute  war  in  dieser  Zeit,  wie  in  ganz  Europa,  das  bevor- 
zugte  Instrument.  Der  30jahrige  Krieg  hatte  fiir  die  weitere  Ent- 
wicklung  der  schwedischen  Tonkunst  insofern  groBe  Bedeutung,  als  er 
Schweden  zuerst  in  regen  geistigen  Verkehr  mit  den  ubrigen  europaischen 
Kulturlandern  brachte  und  eine  lebhafte  Einwanderung  deutscher  und 
niederlandischer  Musiker  nach  Schweden  veranlaBte.  Mit  dem  Tode 
Karl's  XII.  jedoch,  dessen  Hof  vollig  nach  franzosischen  Vorbildern  ein- 
gerichtet  war,  losten  nun  endgiiltig  franzosische  Einfliisse  die  bisher 
herrschenden  deutsch -niederlandischen  allmahlich  immer  mehr  ab.  Von 
einer  wirklichen  musikalischen  Bedeutung  Schwedens  kann  man  aber  erst 
nach  dem  Auftreten  Anders  Diiben's  (etwa  1590 — 1662;  >Pugna  trium- 
phalis*  auf  Gustav  Adolf's  Tod  und  anderes),  eines  geborenen  Deutschen, 
Hoforganisten  und  Organisten  an  der  »Deutschen  Kirche*  in  Stockholm, 


1)  Literatur  fiir  die  'altereZeit:  Zu  alteren  [schwedischen]  Kompendien  ge- 
horen:  W.  Bauck  (1808—1877),  Handbuch  der  Musikgeschichtc  ;1862,  1867,  1888: 
Abr.  Mankell  (1802—1868),  Musikgeschichte  ;3  Bande,  1864;;  P.  C.  Boman,  Ein 
Blick  auf  die  Tonkunst  in  Schweden  (1857);  A.  Soubies,  La  musique  scandinave 
arant  le  XIX*  Steele  .Revue  Mus.,  18,  1);  Ravn,  Skandinavische  Musik  (Mendel- 
ReiGm ami's  Lexikon,  Erg'anzungsband  1883,  Seite  561  ff. ,  bis  gegen  1880,  deutsch); 
ferner  Marianne  Ehrenstrom,  Notices  sur  la  litterature  et  des  beaux-arts  en  Suedr, 
II.  Theatre  et  musique  (1826,;  Piscator,  Historischer  Uberblick  iiber  die  schwedische 
Musik  unter  Gustaf  III.  I860,;  F.  A.  Dahlgren,  Mitteilungen  liber  Stockholmer 
Theater  (1866);  Ad.  Lindgren,  Schwedische  Hofkapellmeister  1782—1882  (1882). 
Eingehendes  iiber  die  Entwicklung  der  schwedischen  Musik  der  alten  und  alteren 
Zeit  bietet  Tob.  Norlind's  Studie:  Musikgeschichte  Schwedens  1630 — 1730  in  den 
Sammelbanden  der  IMG.  I,  Seite  165 ff.  (deutsch)  und  seine  » Schwedische  Musik- 
geschichte*, Lund  1901,  welches  "Werk  der  vorliegenden  Darstellung  der  alteren  Zeit 
zu  Grunde  gelegt  wurdev  Bibliographic  bis  zur  Neuzeit:  T.  Norlind's 
Kallorna  till  svenska  musikens  historia  in  >Svensk  Musiktidning*  1901    schwedisch;. 


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92        W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Ge  gen  wart. 

reden.  Die  Familie  Dtiben  stellte  nun  in  Schweden  fast  wahrend  des 
ganzen  17.  Jahrhunderts  die  vorzuglichsten  Musiker.  Den  musikalischen 
Gipfelpunkt  erreichte  die  etwa  die  Jahre  1632 — 1718  umfassende  »GroB- 
machtszeit «  (Storhetstid)  Schwedens  unter  seinem  Sohne  Gustaf  Diiben 
dem  Alteren  (f  1690  ,  dem  >Begrlinder  der  schwedischen  Musik< 
(Kompositionen,  meist  geistliche,  aller  Art1),  besonders  ein  » Miserere*  und 
»Surrexit«).  Dieser  deutschen  und  italienischen  Vorbildern  folgende  Meister 
war  als  Komponist  durch  seinen  lebbaften  Verkehr  mit  Chr.  Bernhardin 
Hamburg,  mitTunder  und  Buxtebude  an  St.  Marien  in  Liibeck  der  erste 
groBe  Vermittler  zwischen  deutscher  und  schwedischer  Musik 
Er  ist  wohl  am  meisten  bei  uns  als  Sammler  durcb  seine  in  Upsala  tUni- 
versitats-Bibliothek)  aufgefundene,  248  Kompositionen  enthaltende  hand- 
schriftliche  sogenannte  Notbibliothek  (*Motetti  ed  Concerti*,  fiinf 
Bande)  bekannt  geworden,  der  einst  wichtigsten  Fundgrube  fur  Tunder  s 
und  Buxtehude's  Kompositionen  von  kulturgeschichtlicher  Bedeutung.  Als 
Liederkomponist  muB  ihm  eine  ahnliche  Bedeutung  fur  Schweden  zu- 
gesprochen  werden,  wie  Heinrich  Albert  ftir  unser  Vaterland  (Odae 
sreticae  nach  Sam.  Columbus,  1674,  Anweiser  zur  Tugend,  1687,  und 
andere  Werke). 

Dem  Namen  Diiben  machten  weiter  groBe  Ebre  sein  altester  Sobn 
Gustav  (1659-1726)  und  dessen  Bruder  Anders  (1673—1738),  beide 
wiederum  Kapellmeister  an  der  Hof  kapelle,  letzterer  auch  fleiBiger,  wenn- 
gleich  durchaus  hinter  seinem  Vater  zuruckstehender  Komponist  (Hof- 
ballett  1701,  •Marche  de  Narva*,  Klaviersachen). 

Auch  Pier  Verdier's  (um  1650)  sich  mehr  an  deutsche  als  an  die 
seit  Gustaf  Duben's  Tod  herrschenden  franzosischen  Muster  anlehnendes 
Wirken  Suiten,  Lamento  und  anderes)  fiel  in  die  Zeit  der  Konigin 
Kristina  und  Karl's  XII. 

Ein  bedeutender  Musikgelehrter  dieser  Epoche  lebte  in  Upsala:  01  of 
Ruijbeck  (geboren  1630).  Seine  bedeutendste  Tat  war  die  Herausgabe  der 
Musik  zum  »Alten  Psalmbuch*  (Oamla  Psalmbok),  1695,  mit  Harald 
Vallerius  (1646  — 1716),  dem  scharfsinnigen  Verfasser  vieler  musik- 
theoretischer  Schriften  in  lateinischer  Sprache,  in  denen  sich  manche 
wichtige  Forschungen  iiber  die  alte  schwedische  Volksmusik  befinden.  Der 
letzte  im  Bunde  neben  C.  Wallin  war  Joh.  Arndt  Bellman  (1664 
— 1709),  der  von  deutschen  Eltern  stammende  GroBvater  des  spater  zu 
erwahnenden  > Troubadours*  des  18.  Jahrhunderts,  Mich.  Bellman,  wah- 
rend der  beiden  von  Kristina  an  ihren  Hof  berufenen  Auslander  und 
Bivalen,  des  Tonningers  M.  Meibom  (Antiqitae  musicae  auctores  septem^ 
und  P.  Bourdelot's  Wirken  an  Wichtigkeit  zunicktrat. 


1;  Einige  Proben  in  Norlind's  Studie  >iehe  oben. 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Yergangenheit  und  Gegenwart.        93 

Der  ersten  Halfte  der  mit  dem  Tode  Karl's  XII.  und  der  Regierung 
Friedrich's  I.,  spater  Adolf  Friedrich's  beginnenden  Bliitezeit  der  schwe- 
(l^chen  Stande  und  Ratsherren,  der  Freiheitszeit  (1718—1772),  gab 
das  Alles  dominierende  Wirken  Joh.  Helmich  Roman's  (1694 — 1767). 
eines  Schulers  Handel's  und  Pepusch's,  des  groBten  Komponisten  auf 
alien  musikalischen  Formgebieten,  die  Schweden  iiberhaupt  in  der  alteren 
Zeit  aufzuweisen  hat,  ein  bedeutsames  Relief.  Den  seit  Gustaf  Diiben's 
des  Alteren  Tod  iiberwiegenden  franzosischen  Einwiricungen  gesellte  sich 
das  unaufhaltsame  Eindringen  italienischer  (Neapolitanische  Oper,  Graun, 
italienisches  Konzert  und  anderes)  und  deutsch-italienischer  (Handel)  Ein- 
tiiisse  zu,  die  durch  zahlreiche  Studienreisen  der  meisten  nun  folgenden 
schwedischen  Musiker  in  jene  Lander  und  die,  wie  auch  stets  bisher, 
vom  Hofe  ausgehende,  aber  bedeutend  verfeinerte  Musikpflege  in  Stock- 
holm verstarkt  wurden.  Roman's  Kompositionen  erstrecken  sich  iiber  alle 
Formen  und  Gattungen,  sein  Bestes  gab  der  Meister  in  seiner  Kirchen- 
iuusik  (David's  Psalmen,  Schwedische  Messe  und  anderes).  Seine  Gewohn- 
heit,  als  erster  alien  seinen  Vokalkompositionen  ausschlieBlich  schwedischen 
Text  zugrunde  zu  legen,  alien  fremdsprachigen  stets  eine  schwedische 
Ubersetzung  beizufiigen,  wurde  von  einschneidender  Bedeutung  fiir  die 
Zukunft  und  gibt  uns  das  Recht,  Roman  den  ersten  groBen,  von  natio- 
naien  Motiven  geleiteten  Tonsetzer  Schwedens  zu  nennen. 

Die  Bedeutung  der  drei  ubrigen  tiichtigen  Instrumentalkomponisten, 
Joh.  Agrell's  (*  1707,  f  1765  in  Nurnberg;  Symphonien,  1725,  Klavier- 
musik),  Dav.  Kellner's  (f  1748;  Kirchenmusik,  theoretische  Schrift: 
Treulicher  Unterricht  im  GeneralbaB  1732)  und  Ferd.  Zellbell's  des 
Alteren  (*  1689;  Ohoralbuch  1749;,  trat  hinter  derjenigen  Roman's  weit 
zuriick. 

Unter  Friedrich  I.,  welcher  1753  eine  franzosische  Theatertruppe  im 
Stockholmer  »Bollhuset«  unter  H.  F.  Johnsen  spielen  lieB,  und  unter 
<einem  Nachfolger  Gustaf  III.,  der  im  folgenden  Jahre  eine  italienische 
Truppe  an  den  Hof  berief,  begann  in  dieser  Epoche  die  erste  Bliitezeit 
der  Stockholmer  Oper,  deren  Komponisten  Fr.  Ant.  Uttini1]  (der  be- 
deutendste,  1723 — 1795;  //  re  pastore,  Thetis  et  Pelte  [das  Eroffnungs- 
-tuck  des  1773  von  Gustaf  III.  gegriindeten  Stockholmer  Opernhauses], 
Aline,  Iphigenie  und  viele  andere  Opera)  neben  H.  F.  Johnsen  (1717 — 
1779;  Acts  e  Galatea  und  viele  andere  Opern,  Opernballetts,  auBerdem 
Kammermusik,  24  Oden,  musiktheoretische  Arbeiten,  Choralbuch)  und 
Ferd.  Zellbell  der  Jiingere  (1717—1780;  Opernballett  »Svea'sHoch- 
zeit*  usw.)  jedoch  durchaus  die  Bahnen  der  zeitgenossischen  franzosischen 


1    Biographie  Uttini's    in    A.  LindgreiTs    »Svenska  Hofkapellmastare*    >iehe 
'•ben . 


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94        W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart. 

und  vor  allem  der  italienisch-neapolitanischen  Schule  einschlugen,  so  daB 
von  irgend  einer  nationalen  schwedischen  Oper  vor  Hallstrom's  Auf- 
treten  im  19.  Jahrhundert  noch  keine  Rede  sein  konnte. 

Ein  bedeutender  Musikgelehrter  dieser  Epoche,  Erik  Burma n 
(t  1729;  lateinische  musiktheoretische  Schriften),  lehrte  gleich  Vallerius 
zu  Upsala  als  Leiter  eines  Collegium  musicum. 

Die  reichste  musikalische  Entwicklung  der  alteren  Zeit  erfuhr  Schweden 
in  der  nun  einsetzenden  Gustavianischen  Zeit  (1772 — 1809)  unter  der 
Regierung  Gustaf's  III.,  eine  Entwicklung,  die  besonders  durch  das  Ein- 
greifen  mehrerer  deutscher  Meister  in  die  dramatische  Komposition 
eine  fiir  die  Zukunft  sehr  wichtige  Wendung  nahm.  Der  EinfluB  deutscher 
Kunst,  namentlich  Gluck's  (spater  auch  des  deutschen  Singspieles!, 
dessen  Schule  die  meisten  in  Stockholm  wirkenden  deutschen  Musiker 
wie  der  Komponist  von  Klopstock's  »Vater  Unser«,  J.  G.  Naumann1 
(1741_1801;  1777—1883  mit  Unterbrechungen  in  Stockholm;  Amphion 
1773,  Cora  e  Alonxo  [EinweihungsstUck  des  neuen  Stockholmer  Opern- 
hauses,  1782',  Gustav  Vasa  1786,  ein  dem  Stoffe  —  nicht  der  Musik 
nach  —  schon  zur  schwedischen  Nationaloper  zu  rechnendes,  einst  popu- 
lares  und  seit  1882  wieder  bekannt  gewordenes  Werk),  Jos.  M.  Kraus2 
(1756 — 1792;  Proserpine  1781,  Aneas  in  Karthago  und  andere  Opern, 
G.  J.  Vogler*)  (von  1786—1791  in  Stockholm;  >Gustav  Adolf  och  Ebba 
Brahe*  1788  und  andere  Opern),  Chr.  Fr.  Haeffner  (1759—1833;  seit 
1780  in  Stockholm;  Elektra  1787,  Alcides  1793,  Renaud  1801  und  andere 
Opern)  und  Kr.  Fr.  Miiller  (1752—1827)  angehorten,  nahm  neben  dem 
sehr  starken  der  zeitgenossischen  franzosischen  komischen  Oper  (Duni. 
Gretry,  Monsigny,  Dalayrac,  Philidor  und  andere)  und  italienisch-neapo- 
litanischen Oper  (wichtigster  Vertreter  in  Schweden:  Uttini)  von  nun  an 
standig  zu.  Keiner  dieser  Komponisten  war  jedoch  ein  Meister  ersten 
Ranges,  ja,  die  Musik  Naumann's,  des  damals  angesehensten  unter  ihnen 
in  Schweden,  zeigt  sogar  einen  stark  spieBbiirgerlichen  Anstrich. 

Der  einzige  dramatische  Komponist  schwedischer  Abkunft  in  dieser 
Epoche  war  der  volkstumliche  K.Stenborg4}  (1752 — 1813;  »Gustaf  Adolf  & 
jakt*  1777,  Gustaf  Eriksson  in  Dalekarlien  1784  und  andere  Opern).  Er 
war  zugleich  der  erste  schwedische  Musikdramatiker,  welcher  schwedische 
Volksweisen  in  seinen  Opern  verwandte  und  hiermit  als  erster  den  TVeg 


1  Deutsche  Literatur  iiber  Naumann:  MeiCner,  Bruchstiicke  zur  Biographie 
Naumanns  1803—1804,  2  Bande  ;  Biographien  von  G.  H.  v.  Schubert  ;1844  ;  Emil 
Naumann    Allgemeine  Deutsche  Biographie^  M.  J.  Nestler  .Dresden  1902.. 

2;  Biographie  Kraus'  von  Sam.  Silfverstolpe  (1833,  schwedisch. 

3  Biographien  Vogler's  von  J.  Frohlich  ^1845,,  H.  Kunzel  1867,,  K.  E.  v. 
Schafh'autl  .Augsburg.  1888,  alle  deutsch. 

4  Biographie  Stenborg's  bei  Crusenstolpe  ;9iehe  II,  B,  Anmerkung  1. 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart.        95 

betrat,  den  Du  Puy  und  Ran  del  weiter  beschritten  und  der,  wie  wir 
spater  sehen  werden,  durch  Hallstrom  zur  Schopfung  einer  nationalen 
schwedischen  Oper  fiihren  sollte.  —  Das  von  seinem  Vater  1772  be- 
griindete  » Schwedische  (Volks-)Theater«  fuhrte  Stenborg  weiter,  seit  1788 
unter  dem  Namen  der  » Schwedischen  komischen  Oper*  (Singspiele,  fran- 
zosische,  italienische,  schwedische  komische  Opern  u.  dergl). 

Einen  beachtenswerten  Partner  erhielt  Stenborg  in  J.  D.  Zander 
(f  1796)  mit  seinen  zahlreichen,  durch  die  franzosische  komische  Oper 
beeinfluBten,  heiteren  Werken  (K?%onofogdame  1787  und  viele  andere). 

In  der  nichtdramatischen  Komposition  folgte  man  den  Vorbildern 
Gluck,  Haydn  und  Mozart.  Der  Bach'sche  EinfluB  auf  die  ge- 
samte  schwedische  Musik-Entwicklung  blieb  stets  hinter  dem  Handel- 
schen  zurtick,  nicht  ebenfalls  so  der  Beethoven'sche.  Das  gustavia- 
nische  Zeitalter  schenkte  Schweden  drei  Klassiker  der  Instrumental- 
Musik:  seinen  ersten  bedeutenden  Symphoniker:  J.  M.  Kraus  (siehe 
oben;  fttnf  Symphonien,  auBerdem  unter  anderem  seine  -herrliche 
Trauerkantate  auf  Ghistaf  III.  Tod,  zahlreiche  Kammermusik,  Klavier- 
sachen,  weniger  bedeutende  Lieder),  einen  dem  Ernsten,  Mannlichen 
zuneigenden  Meister.  Dieselbe  geistige  Richtung  verfolgte  Schwedens  be- 
deutendster  Kammermusik  -Komponist  der  klassischen  Zeit  und  hervor- 
ragender  Kontrapunktiker,  der  Schiiler  Johnsen's,  Kraus'  und  VoglerV. 
Joh.  Wikmanson  (1753 — 1800;  drei  Haydn  gewidmete  Streichquartette, 
H-moll-Sonate  und  andere),  und  der  dritte  > Klassiker*,  als  welchen  ihn 
die  Schweden  ansprechen:  Per  Frigel  (1750 — 1842;  Hochzeitskantate 
1795,  Symphonie,  Oratorium  »Der  Erloser  auf  dem  01berg«  1815  und 
andere  Werke),  der  sich  auBer  von  Gluck,  Haydn  und  Mozart  auch 
in  ganz  geringem  MaBe  von  Bach  beeinfluBt  zeigte. 

Das  Lied  des  gustavianischen  Zeitalters  erwies  sich  als  ganzlich  vom 
deutschen  Singspiel  mit  Hiller  und  der  Berliner  Liederschule  mit  ihren 
zahlreichen  Kleinmeistem  wie  Schulz,  Andre,  Reichardt,  Zelter 
und  anderen  beeinfluBt  und  trug,  wie  alle  Liedschopfungen  dieser  Schule, 
einen  durchaus  volkstlimlichen,  einfachen,  jedoch  musikalisch  noch  nicht 
nationalen  Oharakter.  Der  Liedklassiker  dieser  Epoche  und  Vorlaufer 
der  Bliitezeit  des  schwedischen  Liedes  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts 
war  OlofAhlstrom  (1756 — 1835 ;,  zugleich  ein  unennudlicher  Vorkampfer 
fiir  das  zeitgenossische  deutsche  Lied  und  die  deutsche  Musik  in  Schweden 
in  seiner  von  ihm  1789  gegriindeten  und  bis  1834  fortgefiihrten  Zeit- 
8chrift  »Musikalischer  Zeitvertreib*.  Das  von  ihm  bis  1823  fort- 
gesetzte  Sammelwerk  und  wichtigste  Denkmal  dieser  zielbewuBt  verfolgten 
volkstiimlichen  Richtung  im  Liede  hieB  >Skaldenstiicke«  (Skalde- 
stycken  satta  i  Mustek,  18  Bande;  es  enthalt  neben  Ahlstrom'schen  Liedern 
solche  von  Haeffner,  Stenborg,  Palm,  Kraus,  Zander  und  anderen). 


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96        W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart. 

In  alien  diesen  Liedern  wurden  ganz  dieselben  Tendenzen  praktisch  zum 
Ausdruck  gebracht  wie  in   den  Schopfungen  der  Berliner  Liederschule. 

AuBer  zahlreichen,  popular  gewordenen  Liedern  komponierte  Ahlstrom 
einige  Schauspielmusiken,  eine  Kantate  1808  und  gab  eine  Klavierschule 
sowie  ein  Choralbuch  1832  heraus.  Den  groBten  Ruhm  genieBt  er  jedoch 
als  Aufzeicliner  und  Herausgeber  der  Bellman'schen  Gresange. 

Einen  gleichgesinnten  Nachfolger  fand  Ahlstrom  bald  in  Joh.  Fr. 
Palm  (1753 — 1821),  wahrend  der  groBe  schwedische  »  Troubadour*  oder 
>Nationalskalde«  des  18.  Jahrhunderts  und  originelle  Reprasentant  des 
schwedischen  Gesellschaftsliedes  jener  Zeit,  K.  Mich.  Bellman')  (1740 
— 1795),  diese  volkstiimliche  Richtung  in  eigenartiger,  einziger  Weise 
fortfiihrte.  Er  legte  namlich  —  man  denke  an  Sperontes'  >Singende 
Muse  an  der  PleiBe*  (1736 — 45)!  —  eigenen  schwedischen  Dichtungen 
die  verschiedensten  und  damals  beliebtesten  Melodien  der  franzosischen 
Chansons,  aber  auch  solche  der  Deutschen,  Italiener,  Englander,  auch 
schwedische,  danische,  deutsche  und  andere  Volksweisen,  Tanzstiicke  und 
anderes  mit  groBtem  kiinstlerischem  Feingefiihl  in  einer  Weise  unter, 
daB  Text  und  Melodie  eine  wirklich  ideal  zu  nennende  Verbindung  ein- 
gingen.  Bellman's  Lebenswerk  hat  Ahlstrom2)  nach  seinen  Vortragen 
aufgezeichnet  und  als  »Fredmans  Epistlar  och  Sanger*  1790  bis  1795 
(Neuauflage  von  Drake)  der  Nachwelt  aufbewahrt.  Neuerdings  sind 
Bellman's  Weisen  durch  Sven  Scholander's  heitere  Kunst  wieder  iiber- 
aus  warm  aufgenommen  worden. 

II.  Das  19.  Jahrhundert  in  der  schwedischen  Tonkunst. 

A.  Einiges  iiber  das  schwedische  Volkslied. 

Man  kann  die  schwedische  Musikgeschichte  des  19.  Jahrhunderts  in 
zwei  groBe  Epochen  teilen:  in  das  etwa  die  erste  Halfte  des  Jahrhun- 
derts umfassende  »Zeitalter  der  Vokalkomposition  und  der  Fremd- 
herrschaft  in  der  Oper«  und  in  das  >Zeitalter  der  Romantik 
und  nationalen  Oper«.  Das  letztere  laBt  sich,  demGebrauch  unserer 
geschichtlichen  Werke  entsprechend,  wieder  in  eine  Schule  der  Jklassi- 
zistischen)  Romantik,  welche  etwa  die  Jahre  1850—1880  umfaBt, 
und  in  eine  solche  der  Neu romantik  bis  zur  Gegenwart  teilen. 

Das  >Zeitalter  der  Vokalkomposition*  leitet  die  auBerordentlich 
wichtige,  den  Grundstein  zur  nationalen  Schule  bildende  Bewegung 
derSammlung  und  Neuausgabe  des  alten  schwedischen  Volks- 

1)  Zur  wichtigsten  Literatur  liber  Bellman  gehoren:  Joh.  Flodmark,  Der  Ur- 
sprung  der  Melodien  Bellman's,  1882,  in  der  »Svensk  Musik  Tidningc;  AdolfLind- 
gren,  Die  Musik  Bellman's,  Musikalische  Studien,  Stockholm  1896    alles  schwedisch). 

2)  Biographie  von  A.  A.  Afzelius,  Stockholm  1867  (schwedisch). 


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W.  Niemann,  Die  sehwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  and  Gegemwart.        97 

liedorschatze8  ein,  eine  gleichzeitig  in  D&nemark  (Berggreen  und 
andere)  und  Norwegen  (Lindeman  und  andere)  ein6etzende,  durch  Bell- 
man vorbereitete  Bewegung,  die  sich  an  die  Namen  A.  A.  Afzelius 
(1785—1871),  E.  G.  Geijer  (1783—1847)  und  ihre  Mitarbeiter  (»Schwe- 
dische  Volksweisen*,  3-bandige  Ausgabe  von  1814 — 1816,  Neuausgabe 
1880  von  Bergstrom  und  Hoijer),  an  die  Namen  Haeffner  (1759 — 
1833),  Olof  Ahlstrom  (1756—1835),  A.  J.  Arwidson,  endlich  R.  Dy- 
beck,  K.  E.  Sodling  kniipft1).  Die  alten  Volksweisen  wurden  der 
Gegenstand  nicht  nur  der  Neuausgabe  und  geschmackvollen  Bearbeitung, 
sondern  auch  der  eingehenden  wissenschaftlichen  Untersuchung,  Verglei- 
chung  usw.  Als  eine  Art  SchluBstein  dieser  Jahrzehnte  hindurch  sich 
fortsetzenden  Bewegung  kann  man  die  alle  Sammelausgaben  beriicksich- 
tigenden  und  kritisch  beleuchtenden  >Studien  uber  die  schwedischen 
Volksmelodien*  Karl  Valentin's  (Leipzig  1885)  ansehen2). 

An  der  Hand  dieses  kleinen,  wichtigen  Werkes  wird  es  niitzlich  sein, 
wenn  wir  mit  ganz  kurzen  Strichen  das  "Wesen  des  schwedischen 
Voflcsliedes  zeichnen. 

Die  schwedischen  Volksweisen  bevorzugen,  ihrem  tiberwiegend  melan- 
cholischen  Charakter  entsprechend,  die  Molltonarten.  Ihr  Stimmungs- 
kreis  bewegt  sich  zwischen  einer  stillen,  stets-  von  leichter  Melancholic 
gesattigten  Beschaulichkeit  und  kraftigen,  aber  selten  ausgelassenen 
Lebenslust.  Die  Melancholie  uberwiegt,  doch  ist  sie  nicht  so  tiefernst 
und  zur  Schwermut  geneigt,  wie  es  viele  norwegische  Volksweisen  kiinden; 
aber  auch  ihre  Beschaulichkeit  ist  nicht  bis  zur  lieblichen,  beinahe  hei- 
teren  Ruhe  abgedampft,  wie  es  uns  viele  danische  Weisen  lehren.  An- 
mut  und  eine  zarte  Erotik  sind  Ztige,  die  in  fast  alien  schwedischen 
Liedern  wiederkehren.  Die  vielen  guten  oder  bosen  Pabelwesen  der  Edda, 
die  Elf  en,  die  Trolls,  alle  Geister  der  Luft  und  Erde,  die  sich  aus 
heidnischen  Zeiten  iiber  das  Christentum  hiniiber  in  dem  Texte  vieler 
Weisen  gerettet  haben,  verkiinden  ihren  teilweise  uralten  Ursprung. 
Kirchentonarten  als  weitere  Zeugen  dieses  zum  Teil  alten  Ursprungs 
sind  ebenfalls  vertreten,  iiben  aber  auch  nicht  anniihernd  dieselbe  Herr- 
schaft  wie  zum  Beispiel  in  den  norwegischen  Volksweisen  aus.  Die 
Formen  der  Lieder  sind  auBerst  mannigfaltig  und  stets  durch  den  Text 


1)  Die  wichtigsten  Neuausgaben  auGer  der  grofien  Geijer-Afzelius'schen  sind  fol- 
gende:  Vierstimmige  Bearbeitungen  alter  achwedischer  Volkslieder  durch  Haeffner 
(1832 — 1833,  zwei  Hefte);  Ahlstrom -Afzelius:  »Traditioner  af  svenska  folkvisorc 
(1814),  Arwids son's  »Svenska  forns&ngerc  (1834-1842,  drei  Teile),  Dybeck's 
>Schwedische  Weisen*  (1847—1848,  zwei  Teile),  »Schwedische  Volksweisen*  (1863—1856) 
und  andere. 

2)  Als  eine  Art  Anfang  die  'alteste  schwedische  Musikgeschichte,  Hulpher'a 
»Histor.  Af  handling  om  Musik  ooh  instrumenter*,  Westeras  1773.    . 

s.  d.  L  M.   v.  7 


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98       W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart 

bedingt.  Eine  besondere  Eigentiimlichkeit  besitzen  sie  in  haufigen  Er- 
weiterungen  einer  Periode  in  der  Mitte  oder  am  Ende,  welche  durch 
einen  Binnen-  oder  SchluBrefrain  des  Textes  hervorgerufen  werden. 
Sie  beginnen  fast  alle  mit  einem,  das  Quarten-Intervall  bevorzugenden 
Auftakt  und  stehen  meist  im  graden  Takt.  Die  Modulationen  und 
Gliederungen  innerhalb  der  "Weisen  bewegen  sich  in  den  einfachsten 
Grenzen.  Als  Beispiel  ihrer  Melodik  mag  der  Anfang  der  »Varmlands- 
visa«  (»0  "Wermeland,  du  schones,  gesegnetes  Land«),  eines  der  herr- 
lichsten  Volkslieder  der  Welt,  dienen: 


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Eine  besonders  fiir  Schweden  charakteristische  Abart  der  Volksweisen 
bilden  die  fiir  jede  Provinz  an  Rhythmus,  Form  usw.  verschiedenen  Tanz- 
lieder,  »Polska«  genannt,  die,  jiingerer  Herkunft,  durchaus  das  moderne 
Tongeschlecht  Dur  und  Moll,  und  zwar  mit  Vorliebe  das  erstere,  auf- 
weisen  und  in  ihrer  lebhaften,  feinen  Melodik  und  Rhythmik  mit  zum 
Schonsten  der  skandinavischen  Volksmusik  gehoren2).     Sie  stehen  meist 

1)  Vorlage:  »Nordlandsweisen«  (Kleinmichel,  bei  Senff)  Seite  38. 

2)  A.  P.  Berggreen,  der  groCe  danische  Forscher  der  skandinavischen  Volksmusik, 
macht  auf  den  engen  Zusammenhang  zwischen  Sprachaccent  und  Melodiebildung  in 
den  skandinavischen  Volksweisen  aufmerksam  und  stellt  in  treffender  Weise  die  zackige, 
springende,  lebhafte  Melodiefuhrung  der  norwegischen,  die  wellenformige,  ruhigere 
der  schwedischen,  die  ruhige,  gerade  fortschreitende  der  danischen  Weisen  gra- 
phisch  folgendermafien  dar:  /wwv^  '  gsss»s»  |'  — — —  |.  Das  trifft  in  den 
xneisten  Fallen  zu,  die  Tanzlieder  wird  man  freilich  gleich  davon  ausnehmen  mussen. 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart.        99 

im  3/4  Takt.  Gewohnlich  bei  offentlichen  Festlichkeiten,  Hochzeiten  vor- 
getragen,  zeigen  sie  besonders  in  der  schwedischen  Provinz  Dalekarlien 
die  reichste  Ausbildung.  Hier  ein  Beispiel  ihrer  Mazurka  ahnlichen  Rhyth- 
mik  und  Melodik: 

Asp&kero  polska1). 
Munter. 


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Zu  den  im  Ausland  bekanntesten  gehort  wohl  die  »Neckens  Polska*. 

Die  Polska  ist  nicht  einheimischen  Ursprungs,  sondern  wurde  im 
17.  Jahrhundert  aus  Polen,  unter  dem  Namen  Polonessa  (Polonaise)  in 
den  schwedischen  Tabulaturbiichern  zuerst  vorkommend,  nach  Schweden 
eingeftthrt2).  In  der  norwegischen  Musik  findet  sie  ein  ahnliches  Gegen- 
stiick  im  »Springtanz«.  An  den  BaBquinten  sehen  wir  zugleich,  daB 
ebenso  wie  die  alten  Instrumente  der  Hardangerfele,  Langeleg  usw.  auf 
die  norwegischen  Volksweisen,  hier  ebenfalls  die  alten  nationalen  In- 
strumente (Bourdons,  Nyckelharpa  [noch  im  17.  Jahrhundert  gebrauchlich] 
usw.)  auf  die  Gestaltung  dieser  Tanzlieder,  zu  denen  also  wirklich  ge- 
sungen  wird,  einwirkten.  Dasselbe  gilt  von  den  wiederum  fiir  die  ein- 
zelnen  Provinzen  verschiedenen,  und,  wie  die  Volkslieder,  von  Klima  und 
der  in  Schweden  so  unendlich  verschiedenen  Natur  abhangigen  (instru- 
mentalen)  Tanzmelodien. 


1)  Vergleiche   den  Liedercyklus    »Ur  Fridolins  Lustgard<    von   W.  Peterson- 
Berger,  Heft  1,  Seite  19. 

2)  Vergleiche  Lindgren,  »Ur  Svenska  Musikens  Hafder<,  Seite  137. 

7* 


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100     W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart. 

B.  Das  19.  Jahrhundert  bis  zum  Ende  der  Romantik1). 

Am  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  beginnt,  machtig  durch  die  Er- 
gebnisse  dieser  Bewegung  gesteigert,  eine  geradezu  einzige,  iiberquellend 
reiche  Liedproduktion,  eine  Bliitezeit  der  Vokalkomposition,  die 
Schweden,  »das  Land ,  des  Gesanges«,  nie  wieder  erreicht  hat.  Es  ist 
unmoglich,  auf  die  einzelnen  Komponisten  und  ihre  verschiedenen  Indivi- 
dualitaten  einzugehen.  Die  wichtigsten  Namen  miissen  genugen.  Auf  dem 
Gebiete  des  begleiteten  Sololiedes  ragen  besonders  J.  F.  Haeffner 
(*  1759  in  Thiiringen,  f  1833),  B.  Cruse  11  (*  1775  in  Finnland,  f  1838], 
J.  E.  Nordblom  (1788—1848),  E.  G.  Geijer  (1783—1847),  Ad.  Fr. 
Lindblad  (1801—1879),  J.  A.  Josephson  (1818—1880),  G.  Wenrier- 
berg  (1817-1901).  Ivar  Hallstrom  (1826—1901)  und  J.  J.  Dann- 
strom  (1812—1897)  hervor. 

Von  dieser  ganzen  langen  Reihe  sind  in  Deutschland  eigentlich  nur 
Lindblad's2),  des  » schwedischen  Schubert «,  herrliche,  von  tiefer  Naturliebe 
durchzogenen,  weichen  Gesange  hauptsachlich  durch  die  Kunst  Jenny 
Lind's  (1820—1887)  in  weiteren  Kreisen  bekannt  geworden,  aber  die 
reichen  Liedergaben  der  ubrigen  Kleinmeister  verdienten  es  nicht  minder 
zu  werden.  Hallstrom's  geschichtliche  Bedeutung  liegt,  so  schone,  Tom 
schwedischen  Volkston  beeinfluBte  Lieder  er  geschaffen,  doch  auf  dem 
Gebiet  der  Oper,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden.  Haeffner,  Crusell 
und  Nordblom  sind  die  Meister  des  alteren  schwedischen  Liedes  mit 
seinen  kleinen,  gedrangten  Formen  und  der  Behandlung  des  Klaviers 
als  rein  nebensiichliches,  kaum  iiber  das  Anschlagen  von  Akkorden 
herauskommendes  Hiilfs-Instrument.  Haeffner3)  und  Crusell  wahlen  ihre 
Texte  gern  aus  dem  vaterlandischen  Sagenkreise,  Crusell  ist  der  Leib- 
komponist  Tegner's,  des  groBten  schwedischen  Dichters.  Deutsche 
Einflusse  zeigen  die  beiden  ersten  Meister,  aber  Crusell  bleibt  von  diesen 
dreien  der  innerlichste.  Geijer,  der  Klassiker  des  alteren  schwedischen 
Liedes,  ist  einer  der  wenigen  schwedischen  »Dichterkomponisten«.  Jo- 
sephson4)  der   Elegiker    dieser   Tondichtergruppe    und   Komponist    des 


1)  Wichtigste  Literatur:  T.  NorlincTa  »Svensk  Musikhistoria «  (siehe  oben), 
A.  Lindgren's  >Ur  Svenska  Musikens  H'afder*  [in  K.  Valentin^  »Allgemeiner 
Musikgeschichte*  (1900)1,  desselben  » Svenska  hofkapellmastare*  (siehe  oben),  »Mosik. 
Studier<,  Stockholm  1896,  » Svenska  tonkunstn'aret  [Svensk  Musiktidning  1897], 
M.  J.  Crusenstolpe's  »Medaljonger  och  statyettert,  Stockholm  1882,  A.  Blanche's 
»Minnesl)ildert,  Stockholm  1872,  A.  Soubies1  >Histoire  de  la  musique  danoise  et 
su6doise<  (Paris,  Flammarion),  Behrend-Panum's  »Allgemeine  Musikgeschichte* 
(Kopenhagen,  Nordischer  Verlag;  danischer  Text,  1903,1. 

2)  Vergleiche  Geijer's  Ges.  Schrift.,  1874;  R.  Nyblom,  Biogr.,  1882;  in  »Svea« 
1879  (Josephson). 

3)  Vergleiche  C.  F.  Forfiman,  J.  Chr.  Fr.  Haeffner  (1872). 

4)  Vergleiche   N.  P.  Odm an,   Aus   dem  Leben  eines  schwedischen   Tonsetzers 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  and  Qegenwark     101 

schwedischen  Nationalliedes  >V4rt  landc  (1853),  zeigt  den  starksten  Ein- 
fluB  der  oben  erwahnten,  groBen  nationalen  Bewegung,  da  er  den  Volks- 
ton  vielleicht  am  besten  von  alien  zu  treffen  weiB.  Das  Studium  in 
Deutschland  bei  Hauptmann  und  Gade  hat,  wie  so  oft  bei  auslandischen 
Musikern,  keinen  giinstigen  EinfluB  auf  die  weitere  Entwickelung  seiner 
Individuality  gehabt.  Seine  Tonsprache  ist,  wie  die  beinahe  zur  Sen- 
timentalitat  neigende  Hallstrom's,  eine  iiberwiegend  weicbe  und  zarte. 
Mit  Josephson  und  Norman  beginnt  die  Einwirkung  deutscher  Bomantik, 
besonders  Schumann's,  auf  die  schwedische  Musik  in  groBerem  MaBstabe 
sichtbar  zu  werden.  Den  kraftigen  Grundton  vertritt  Wennerberg's  Muse, 
der  sich  in  der  Behandlung  der  Form  und  Klavierbegleitung  wieder  den 
alteren  Traditionen  zuneigt,  aber  in  seiner  wunderbaren  Duettensammlung 
»Gluntarne«,  einer  genialen  Studenten-Schilderung  (1849 — 1851),  unsterb- 
lich  bleibt.    Die  Texte  zu  seinen  Vokalwerken  verfafite  er  selbst. 

Hand  in  Hand  mit  der  Blute  des  schwedischen  Sololiedes  geht  eine 
gleichf alls  reiche  Entf altung  der  Ohorkomposition  und  zwar  besonders 
des  Mannerchores,  dessen  groBte  Bltitezeit  jedoch  ungefahr  mit  dem 
Jahre  1840,  mit  dem  reformatorischen  Auftreten  Lindblad's  in  Stid- 
schweden  an  der  Universitat  Lund,  Wennerberg's  in  Nordschweden 
an  der  Universitat  Upsala,  einsetzt.  In  Upsala  waren  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts  die  ersten  Studentenchore  unter  Direktion  Samuel  Od man's, 
spater  Haeffner's,  in  Lund  unter  Leitung  Sven  Lov^n's,  spater  Otto 
Lindblad's i)  (1809—1864,,  urn  1820  gegriindet  worden.  Diese  Ver- 
einigungen  bilden  noch  jetzt  einen  der  wichtigsten  Faktoren  im  schwe- 
dischen Musikleben,  und  ihre  groBe  Leistungsfahigkeit  ist  auf  ihren 
Kunstreisen  ins  Ausland  langst  erprobt  Auch  Wennerberg2)  (»Hor  oss 
Sveac,  »Sti  stark,  du  ljusets  riddarvakt«  und  andere)  und  Josephson 
(»Bing8  drapa«,  >Stjarnorna  tindra  r'en«  und  andere)  wirkten  kurze 
Zeit  hindurch  als  Leiter  dieser  Manner-Gesangvereine ;  die  Geschichte  der 
schwedischen  Mannerchore  ist  im  wesentlichen  eine  Geschichte  der 
schwedischen  Studenten-Gesangvereine.  Von  Mannern  treten  auBer  den 
bereits  erwahnten  noch  Arrhen  von  Kapfelman  (1790 — 1851),  Tull- 
berg  (1796—1853),  Udd^n  (1799—1868),  Cronhamn  (1803—1875), 
nach  1840  Prinz  Gustav  (1827—1852),  N.  P.  Moller  (1803—1860), 
C.  J.  0.  Laurin  (1813—1853),  Fr.  A.  Frieberg  (*  1822),  ja  selbst 
Studenten  als  Komponisten  hervor.    Lindblad  und  Wennerberg  reprasen- 


[Josephson]  (1885—1886)  und  K.  Valentin,  J.  A.  Josephson  (>Svensk  Musiktidningc, 
20,  Nr.  1);  in  »Svea«  1881,  1884  (P.  Odman). 

1)  O.  Lindblad  ist  der  Komponist  des  schwedischen  Nationalliedes  >Ur  svenska 
hjartans  djup«  (1844).     Biographie  von  Q-.  A.  Fenk,  Lund  1882. 

2}  IJber  Wennerberg:  »Svensk  Mus.  Tidn.«  21,  Nr.  10,  13;  A.  Lindblad  und 
Wennerberg:  21,  Nr.  15. 


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102     W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart. 

tieren  zugleich  den  Siiden  und  Norden  Schwedens  in  ihrer  Tonsprache: 
Die  des  ersten  weich,  zart  und  melancholisch,  die  des  anderen  grofi, 
kraftvoll  und  voll  ungestiimer  Energie. 

Die  Instrumentalmusik  trat  in  der  ganzen  ersten  Halfte  des  19.  Jahr- 
hunderts  auBerordentlich  hinter  dieser  Hochblute  des  Liedes  zuriick.  In 
der  Oper,  deren  Zentrum  das  Stockholmer  Hoftheater  bildete,  herrschte 
zwar  ein  recht  reges  Leben,  aber  sie  besaB  keinerlei  nationale  Bedeu- 
tung.  Waren  schon  in  friiheren  Zeiten  Deutsche  und  Italiener  von 
groBem,  bestimmendem  EinfluB  auf  die  Entwickelung  der  schwedischen 
Instrumentalmusik  und  Oper  gewesen  (ich  erinnere  unter  anderen  an 
die  bereits  naher  charakterisierten  Meister  G.  Dtiben,  Kraus,  Uttini, 
Vogler,  besonders  an  Gr.  Naumann),  so  war  dies  auch  jetzt  wieder 
der  Fall1;.  Von  1812  an  war  Mozart,  zuerst  mit  der  >Zauberflote«, 
in  Schweden  eingezogen.  Den  franzosischen  EinfluB,  besonders  Me- 
hul's,  vertritt  nun  der  bedeutendste  Musikdramatiker  Schwedens  im  ersten 
Viertel  des  19.  Jahrhunderts  Ed.  Du  Puy2)  (1771  —  1822,  »Ungdom 
och  Galskap*  1806  und  andere),  der  bereits  schwache  Versuche  machte, 
den  schwedischen  Volkston  in  die  Oper  zu  verpflanzen.  Seine  Vor- 
ganger  Haeffner,  J.  N.  Eggert  (1780—1813),  J.  H.  Kuster  (f  1842), 
alle  drei  Deutsche  von  Greburt,  haben  als  Opern  -  Komponisten  keine 
tiefereBedeutung.  Dasselbe  gilt  vonDuPuy'sNachfolger:  J.  F.  Berwald3) 
(1787 — 1861).  Im  Jahre  1848  beginnt  der  durch  einjahrigen  Aufent- 
halt  einer  italienischen  Opern-Truppe  in  Stockholm  hervorgerufene 
Italiener  -Kultus  in  Schweden.  Als  Hofkapellmeister  und  bedeuten- 
der,  sudlandische  und  deutschklassische  Elemente  in  seinen  Opern 
verschmelzender  Komponist  wirkt  Jac.  Foroni4)  (1825 — 1858)  in  Stock- 
holm (>Oristina  di  Suecia«,  Operette,  »Advokaten  Pathelinc).  Von 
nun  an  bis  zu  Hallstrom's  Auftreten  streiten  Deutsche  und  Schwe- 
den um  die  Vorherrschaft.  Eine  groBere  Bedeutung  als  Musikdramatiker 
besitzen  von  ihnen  Ed.  Brendler  (1800—1831,  >Spastaras  dod«),  J.  N. 
Ahlstrom   (1805—1856,   »Ringaren  i  Notre-Dame<),  A.  Randel  (1806 


1)  Noch  heute,  wo  die  Schweden,  wie  wir  weiter  nnten  sehen  werden,  eine  natio- 
nale Oper  besitzen,  gehoren,  abgesehen  von  Auffuhrungen  Mozart'scher,  Weber'scher, 
Beethoven'8cher  usw.  Werke,  gcrade  die  Franzosen  und  Italiener  Auber,  Gounod, 
Thomas,  Bizet,  Rossini,  Donizetti,  Verdi,  die  neuitalienischen  Veristen  zu  den  bevor- 
zugtesten  des  Stockholmer  Publikums.  Eine  ahnliche  Erscheinung  also  wie  augen- 
blicklich  in  RuBland.  Vergleiche  A.  Lindgren,  »Ur  Svenska  Musikens  Hafder<, 
Seite  145. 

2)  Biographien  Du  Puy's  von  C.  Palmstedt,  Stockholm  1866;  A.  Buntzen 
in  »Ord  och  Bild«,  1902.  Heft  4. 

3)  Biographie  Berwald's  in  Lindgren's  >Svenska  Hofkapellmastarec  (siehe 
oben). 

4)  Biographie  Foroni's  in  Lindgren 'b  >Svenska  Hofkapellmastare t  (siehe  oben). 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  and  Gtagenwart     103 

bis  1864,  »Vaxmlandingarnet),  eine  geringere  A.  Lindblad  (Rom.  Oper 
»Frondorerna«),  J.  H.  Berens  (1826—1880),  Saloman  (1816—1899, 
»Diamantkorset«}>  Der  schon  in  geringerem  MaBe  von  Du  Puy,  in  aus- 
gedehnterem  MaBe  von  Handel  unternommene  Versuch,  den  schwedischen 
Volkston  auf  die  Biihne  zu  verpflanzen,  wird  von  Ivar  Hallstrom 
(1826—1901)  bewuBt  zum  Prinzip  erhoben.  So  tritt  die  entscheidende 
Wendung  in  der  schwedischen  Operngeschichte  des  19.  Jahrhunderts  ein : 
Hallstrom  wird  der  Begriinder  der  nationalen,  schwedischen 
Oper  (Erstes  Werk  »Herzog  Magnus*  [1867],  wichtigstes  »Der  Berg- 
konig«  i)  [1874],  auch  >  Vikingerfahrt*  [1877],  >Per  Svinaherde*  [1887] 
und  andere),  obwohl  keine  dieser,  ihrem  Stil  nach  gleichwohl 
f  ranzosischen  Opern,  die  sich  unter  andern  P.  A.  Olander  (»Blenda«) 
zum  Muster  nahm,  der  mangelnden  dramatischen  GrroBe  und  Individuali- 
st halber  sich  dauernd  halten  konnte.  —  Die  bedeutendsten  Kirchen- 
komponisten  dieser  alteren  Periode  sind  Grustav  Mankell  (1812 — 1880, 
Orgel)  und  J.  E.  Gille  (1814-1880;  Oratorien). 

Um  1850  beginnt  sich  ein  entscheidender  Umschwung  in  der  Ent- 
wickelung  der  schwedischen  Musik  geltend  zu  machen.  Ungefahr  um 
diese  Zeit  tritt  sie  namlich  in  eine  von  der  vorigen  ganz  verschiedene 
Periode,  in  das  Zeitalter  der  Romantik  ein.  Man  kann  es  fur 
Schweden  von  der  Riickkehr  Ludwig  Norman's  und  Alb.  Rubenson's 
an  aus  Deutschland,  dem  Lande  ihrer  Studien,  datieren.  Als  Vorlaufer 
dieser  beiden  Romantiker  muB  Franz  Berwald2),  der  Neffe  unseres 
oben  erwahnten  Johann  Friedrich  B.,  angesehen  werden  (Oper:  »Estrella 
di  Soria«). 

Wie  ich  am  Eingang  dieses  Abschnittes  schon  erwahnte,  kann  man 
das  Zeitalter  der  schwedischen  Romantik  zugleich  ein  solches  der  Instru- 
mentalmusik  nennen.  Man  warf  sich  in  ihm  mit  verdoppeltem  Eifer  auf 
die  lange  vernachlassigten  groBen  Formen  der  Symphonic,  Ouvertiire, 
der  Kammermusik  usw.  Die  Polyphonie,  die  motivische  Durchfuhrung 
und  kontrapunktische  Arbeit,  alles  Begriffe,  deren  praktische  Bedeutung 
kaum  etwas  gegolten  hatten,  wurden  in  ihre  Rechte  eingesetzt.  Eine  feine 
und  abwechselungsreiche  Harmonik  begann  sich  von  nun  an  der  beinahe 
alleinherrschenden  Melodik  der  friiheren  Jahrzehnte  nebenzuordnen. 
Freilich  waren  diese  beiden  Romantiker  Norman  und  Rubenson  keine 
allzu  starken  Melodiker.  Besonders  fur  Schumann,  Mendelssohn  und 
Grade  hatten  sie  sich  wahrend  ihrer  Leipziger  Studienjahre  begeistert 
und  suchten   diesen  Meistern  Eingang  in  Schweden  zu  verschaffen,  was 


1)  Auch  in  Deutschland  (Miinchen,  Hamburg)  und  Kopenhagen  aufgefuhrt.    Uber 
Hallstrom  vergleiche  >Svensk  Mus.  Tidn.c  21,  Nr.  8. 

2)  *  1796  in  Stockholm,  Schuler  Du  Puy's,  +  1868  daselbst.    Biographie  in  A. 
Lindgren's  > Musik.  Studien «  (siehe  oben). 


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104     W.  Niemann,  Die  schwedisohe  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart. 

ihnen  urn  so  leichter  gelang,  als  sie  selbst  in  ihrer  Musik  den  Einwirkungen 
jener  Romantiker  nicht  batten  entgehen  konnen. 

Ihnen  gegeniiber  fallt  die  Bedeutung  Fr.  Berwald's  als  der  Vor- 
laufer  in  ihren,  auch  theoretisch  in  schwedischen  Fachzeitschriften  offentr 
lich  formulierten  Ideen  nicht  in  demselben  MaBe  ins  Gewicht.  Doch 
genjeBt  sein  Hauptwerk,  die  »G-moll-Symphonie  s6rieusec  (1843)  noch 
gegenwartig  in  Schweden  unbedingte  Creltung.  Auch  sind  sein  unter  Ein- 
wirkung  des  Beethoven'schen  geschaffenes  Septett  (1828),  sein  »Elflek«, 
seine  »Erinnerung  an  die  norwegischen  Alpen«,  das  Chorwerk  »Gustav 
Adolf  bei  Liitzen*  und  einiges  aus  seiner  Kammermusik  ihrer  schonen 
Erfindung  und  ganz  auBergewohnlichen  Formvollendung  halber  noch 
durchaus  nicht  vergessen. 

Den  im  Gegensatz  zu  der  alteren,  franzosischen  und  italienischen 
Mustern  folgenden  Oper  Schwedens  unverkennbaren  deutschen  Gesamt- 
charakter  der  alteren  schwedischen  Instrumentalmusik  weisen  am  aus- 
gepragtesten  die  Werke  der  beiden  ersten  Romantiker  Rubenson  und 
Norman  auf.  Von  diesen  beiden  Komponisten  zeigt  der  erstere  deut- 
lichen  EinfluB  Mendelssohn's  und  besonders  Gade's,  der  letztere  dagegen 
neben  leise  bemerklichen  Mendelssohn'schen  sehr  starke  Schumann'sche 
Einwirkungen. 

Wahrend  Alb.  Rubenson1)  bei  uns  in  Deutschland  so  gut  wie  un- 
bekannt  geblieben  ist,  obwohl  seine  Hauptwerke,  eine  C-dur  Symphonie 
(1859),  die  Musik  zu  »En  Nat  mellem  Fjeldene  (1858),  zu  Bjornson's 
>Halte  Hulda«  (1865),  die  Ouvertiire  zu  » Julius  Caesar*  (1869),  der 
Kreuzfahrersang,  Orchestersuite,  Streichquartett,  Lieder  auch  eine  ein- 
gehende  Beachtung  yerdienten,  ist  uns  Norman  wenigstens  in  seinen 
zahlreichen  Klavierstucken  kein  Fremder  geblieben. 

Ludv.  Norman2)  ist  Idylliker  und  wohl  das  feinste  musikalische,  rein 
lyrische  Talent,  das  Schweden  je  hervorbrachte.  Er  ist  ein  schwedischer 
Dickens  der  Musik.  Seine  Kompositionen  (Verzeichnis  von  J.  Bagge, 
Stockholm  1886)  zeichnen  sich  weniger  durch  iiberwaltigende  Melodie- 
kraft,  als  entziickende  Detailarbeit  und  Kleinmalerei  aus.  Zugleich  sind 
sie  in  ihrer  Anmut,  in  ihrer  stillen,  leicht  melancholischen  Beschaulichkeit 
als  typisch  schwedische  zu  betrachten.  Er  ist  in  seiner  Art  ein  Tondichter, 
das  beweisen  vielleicht  seine  kleinen,  formvollendeten,  voll  reizender  und 


1)  *  1826  in  Stockholm,  Schiiler  Hauptmann's,  Grade's  und  David's  in  Leipzig, 
HofkapellmeiBter  in  Stockholm  und  Musikschriftsteller,  sp'ater  Inspektor  der  Stock- 
holmer  Musik- Akademie,  +  1901  in  Stockholm.   Vergleiche  »Svensk  Mus.  Tidn.«  1901. 

2)  *  1831  in  Stockholm,  Schiiler  von  Hauptmann,  Moscheles,  Bietz  in  Leipzig, 
vorher  von  Lindblad  und  van  Boom,  seit  1858  KompositionBlehrer  an  der  Musik- 
Akademie,  sp'ater  Hofkapellmeister  an  der  Oper,  daneben  Musikschriftsteller,  f  1885, 
Biographie  in  Lindgrens's  »Svenska  Hofkapellmastare«  (siehe  oben). 


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W.  Niemann,  Die  sohwedische  T  onkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart.      105 

sinniger  Feinheiten  in  Rhythmik  und  Kontrapunktik  steckenden  Klavier- 
sachen  (»Reisebilder«  n.  v.  a.)  mit  ihrem  wie  aus  Silberfaden  gesponnenen, 
durchsichtigen  Klaviersatze  am  kldrsten.  AuBer  diesen  seien  yon  groBeren 
Werken  noch  3  Symphonien,  einige  Ouvertiiren  (Torkel  Knutsson, 
AntoniusundKleopatra),Kammermusik?  mehrere  Ghorwerke,  das  »Konzert- 
stiick«  fiir  Klavier  und  Orchester  und  zahlreiche,  schone  Lieder  (»Skogs- 
sanger«,  »Mandestraler«  u.  a),  Sonaten  usw.  hervorgehoben.  Auch  als 
Musikschriftsteller  gelangte  Norman  zu  groBem  Ansehen. 

Ihren  Hdhepunkt  erreicht  die  schwedische  Romantik  mit  dem  Auf- 
treten  Joh.  Aug.  Soderman's1),  des  groBten,  schwedischen  Balladen- 
komponis^en.  In  Deutschland  ist  von  seinen  Kompositioneri  leider  kaum 
mehr  als  der  allerliebste  »Hochzeitsmarsch«  (Broliopsmarsch)  aus  der 
Musik  zu  >die  Hochzeit  in  Ulfasa«  (1865)  bekannt  geworden.  In  diesem 
Stiick  tritt  gleichwohl  die  eine  Seite  seiner  geschichtlichen  Bedeutung, 
die  absolute  Herrschaft  liber  den  meisterlich  getroffenen  schwedischen 
Volkston  in  seinen  "Werken,  zu  Tage.  Die  andre  Seite  ist  noch  wichtiger: 
er  wandte  bewuBt  die  aus  dem  Wirken  der  beiden  vorangehenden  in- 
strumentalen  Romantiker  sich  ergebenden  kiinstlerischen  Resultate  auf 
die  Balladen-  und  iibrige  Vokalkomposition  an  und  wurde  so  zum  groBen 
Reformator  des  schwedischen  Liedes.  Soderman  erfiillte  die  alten 
Gesangsformen  mit  neuem,  reichem  dramatischen  Leben  und  stellte 
die  mit  psychologischer  Feinheit  und  "Wahrheit  behandelte  instrumentale 
Begleitung  der  Vokalpartie  als  gleichberechtigten,  erganzenden Faktor 
zur  Seite,  also  ein  schon  durchaus  moderner  und  hochst  origineller  Kunstler. 
Auch  seine  wertvollen  Schauspielmusiken  zu  >Fiesco«,  >Jungfrau  von 
Orleans*,  »Peer  Gynt«,  »Marsk  Stigs  dottrar*,  » Richard  m«,  eine  Messe, 
dieberuhmte  Chorkomposition  »Bauernhochzeit«,  sein  »Tannhauserc  (1856), 
und  viele  andre  Chore  und  Lieder,  vor  allem  aber  seine  Solo-Balladen  wie 
»Kvarnruinen«  (1857),  »Der  schwarze  Ritter«  (1874),  seine  Ohor-Balladen, 
und  unter  diesen  die  beiden  vollendetsten  »Die  Wallfahrt  nach  Kevlaar* 
und  >Hjartesorg«  (1870),  sind  im  hochsten  Grade  beachtenswert 

Diesen  markantesten  Vertretern  der  schwedischen  Romantik  lassen 
sich  noch  eine  Reihe  weniger  hervortretender  Kiinstler  anreihen,  die,  ob- 
wohl  ihre  Lebenszeit  noch  zum  Teil  in  die  moderne,  neuromantische  Pe- 
riode  hineinreicht,  doch  ihrem  kiinstlerischen  Fiihlen  und  Denken  naoh 
nicht  als  Neuromantiker  angesprochen  werden  konnen. 

Da    ist    zunachst    ein  liebenswiirdiger   Vertreter   der   Klaviermusik: 


1)  *  1832  in  Stockholm,  Schiiler  Richter's  und  Rietz's  in  Leipzig,  1860  Chor- 
direktor,  spater  zweiter  Kapellmeister  am  Koniglichen  Theater  in  Stockholm,  +  1876 
daselbst.  —  Yergleiche  A.  Lindgren,  » Soderman' s  Manascriptsamling«,  Svensk  Mus. 
Tidn.  1888/1889;  Biographie  Sbderman's  von  L..  Norman  (»Svensk  Mus.  Tidn.«  1882, 
Nr.  25),  ferner  in  »Svea«,  1877. 


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106      W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart. 

J.  Ad.  Hagg1).  Seine  dem  Sinnigen,  Zarten  zugewandte  Muse  vereint 
Schumann'sche  und  starke  Mendelssohn'sche  Einflusse  mit  angeborenen 
Formsinn  und  der  Kunst  minutioser  Kleinarbeit.  Die  kleinen,  ja  kleinsten, 
gleich  dem  Finnlander  E.  Mielck  etwas  akademisch  behandelten  Formen 
liegen  ihm  (vergleiche  sein  >Album«)  besonders,  obwohl  er  unter  anderem 
auch  2  Klaviersonaten,  eine  >Nordische  Symphonie*  und  Lieder  schrieb. 
Ebenfalls  durchaus  der  Slteren  Richtung,  besonders  Mendelssohn,  zu- 
getan  zeigt  sich  Aug.  Korling2),  dessen  Lieder,  namentlich  »WeiBe 
Rosen*,  »Abendstimmung«  usw.  neben  Mannerchoren,  gemischten  Choren 
(»Sten  Sture«,  »Hatunaleken«  u.  a.)  in  Schweden  sehr  bekannt  wurden, 
jedoch  nicht  immer  den  notigen  Adel  in  der  Melodik  aufweisen. 

Ala  weitere,  zum  Teil  sehr  tiichtige  und  zur  Neuromantik  iiberleitende  Nach- 
ziigler  der  groGen  Gesangsbliite  der  alteren  Zeit  seien  im  Zeitalter  der  Romantik  noch 
folgende  genannt: 

Aug.  M.  Myrberg(*  1825,  Gesangsdirigent;  »Konig  Hakes  Tod«,  >Skordefesten«, 
Klavier-  und  Kammermusik) ,  Dr.  Vilh.  Svedbom3)  (*  1843,  Sekretar  der  Musik- 
akademie;  spater  Konservatoriumsdirektor;  Chore,  zum  Beispiel  >I  roseng&rden«,  Lie- 
der, Quartetts,  Klaviersachen  usw.),  J-  Hedenblad  (*  1861,  Dirigent  des  Studenten- 
Gesangvereins  zu  Upsala  und  Universitats-Musikdirektor;  Chore,  viele  Manner-chore, 
Lieder,  Kammer-  und  Orchestermusik),  Dr.  Karl  Valentin  (*  1853,  Musikhistoriker 
in  Stockholm;  Kantaten,  Festouverture,  Lieder,  Klavier-  und  ViolinBtucke).  Als  Kir- 
chenkomponisten  wirken  Wilh.  Kendahl  (*  1848),  G.  W.  Heintze  (1849-1895), 
J.  Lindegren  (*  1842),  w'ahrend  der  bedeutende  Tenorsauger  Fr.  Arlberg  (*  1830, 
i  1896;  zahlreiche  Lieder,  »Sten  Sture*,  symphonische  Dichtung  >I  skogen«)  sich 
besonders  als  Gesangspadagoge  auszeichnete.  Yon  Vermittlern  zwischen  der  alteren 
Zeit  (Hallstrom)  und  neuen  Zeit  in  der  Oper  (Hallen)  seien  Henneberg  (*  1853), 
v.  Heland  (*  1843),  Kjellander  (*  1859),  Lewerth  (1818-1888),  Jacobson 
(*  1835).  die  sich  in  der  Mehrzahl  dem  Sing  spiel  zuwandten,  namhaft  gemacht.  — 
Von  Instrumentalkomponisten  dieser  romantischen  Period e  seien  noch  genannt:  A.  An- 
ders son  (*  1845,  Violoncell-Lehrer  am  Stockholmer  Konservatorium),  Jos.  Dente 
(*  1838,  Hofkapellmei8ter,  Kompositionslehrer  am  Konservatorium ;  Musik  zur  Operette 
>In  Marokkoc,  Symphonie,  Ouverture,  Kammermusiksachen,  Lieder  usw.),  Bystrom 
(*  1821)  [Symphoniker]*),  C.  Nordquist  (*  1840,  Hofkapellmeister) ,  R.  Andersson 
(*  1851),  A.  V.  Bergenson  (*  1848),  beides  Klavierkomponisten. 

III.  Die  jungs chwedische  Tonschule  im  19.  Jahrhundert. 

Strindberg,  die  Lagerlof,  Geijerstam,  Hansson,  Heidenstam,  wegen 
seiner  Unerschopflichkeit  vielleicht  auch  Hedenstjerna,  das  sind  Namen 


1)  *  1850  auf  Gotland,  Schiiler  J.  van  Boom's  in  Stockholm,  Gade's  in  Kopen- 
hagen,  den  er  schwarmerisch  verehrte  (vergleiche  G.  Hetsch,  »J.  Ad.  Hagg  und  sein 
Verhaltnis  zu  N.  W.  Gadec ,  Leipzig ,  Fr.  Hofmeister,  1903) ,  spater  Kiel's  in  Berlin, 
viel  auf  Reisen,  lange  Zeit  durch  schwere  Nervenkrankheit  am  Schaffen  verhindert. 

2)  *  1842,  seit  1866  Musiklehrer  und  Organist  in  Ystad. 

3)  Vergleiche  »Svcnsk  Mus.  Tidn.c  21,  Nr.  18. 

4)  Vergleiche  »Svensk  Mus.  Tidn.«  22,  Nr.  1. 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Yergangenheit  und  Gegenwart.      107 

der  modernen  schwedischen  Literatur,  die  auch  bei  uns  einen  guten 
Klang  haben.  Nicht  minder  einschneidende  Bedeutung  haben  Per*  Hall- 
strom,  die  Lyriker  Hedberg,  Karlfeldt,  Troding,  die  Rust  Roest  fiir  ihre 
Heimat.  Schwedens  Literatur  geht  heute  seit  den  Zeiten  Tegnfo's  einer 
zweiten  Blutezeit  entgegen.  Auch  die  Malerei  der  Gegenwart  hat  sich 
die  Devise  »Heimatkunst«  gestellt,  obwohl  hier  die  bedeutendsten  mo- 
dernen Vertreter  Zorn,  Liljefors,  Larsson  bei  uns  recht  wenig  bekannt 
geworden  sind.  Fragen  wir  uns,  welcher  Teil  Schwedens  an  diesem 
geistigen  Aufschwung  vorzugsweise  beteiligt  ist,  so  erhalten  wir  von  einem 
der  bedeutendsten  Vertreter  der  modernen  schwedischen  Tonkunst  die 
schone  Antwort:  »Es  ist  der  nordschwedische  Geist,  mit  seinem  Ideal 
von  Gresundheit,  Kraft,  Heiterkeit,  sonniger  Klarheit,  Farbenfreude, 
Einfachheit  und  Straffheit  der  Formen,  der  jetzt  anfangt,  das  schwedische 
Volksgemut  wieder  einmal  —  nach  halbhundertjahriger  Zwischenzeit  — 
und  in  tieferer  und  geistigerer  "Weise   wie   jemals  zuvor  zu  beleben1).* 

Dieser  geistige  Aufschwung  Schwedens  aber  gilt  nicht  nur  fiir  Litera- 
tur und  Malerei,  sondern  in  nicht  geringerem  Grade  auch  fiir  die  Ton- 
kunst. Die  Hauptbedeutung  der  skandinavischen  Schule  kniipft  sich 
freilich  an  die  Namen:  J.  P.  E.  Hartmann,  Gade  und  Grieg. 
Trotzdem  ist  ihre  Entwicklung  gerade  in  letzter  Zeit  eine  bemerkenswert 
reiche  geworden,  ja,  ein  Zweig  derselben,  die  finnische  Schule,  hat  erst 
in  jiingster  Zeit  unter  Sibelius  und  Jarnef  elt  ihren  Gipfelpunkt  erreicht. 

Die  jungschwedische  Schule  ist  nur  ein  Teil  der  groBen  jung- 
skandinavischen.  Sie  lauft  also  gleich  dieser  mit  der  neudeutschen 
Schule  parallel  und  wird  ebenfalls  von  den  geistigen  Fiihrern 
der  letzteren,  Wagner  und  Liszt,  beeinfluBt2).  Diese  —  ganz 
wie  bei  uns  —  hauptsachlich  nach  der  hannonischen  Seite  hin  bemerk- 
liche  Einwirkung  wird  um  so  starker,  je  weiter  wir  nach  Osten  kommen; 
sie  ist  daher  in  der  finnischen  und  schwedischen  Tonkunst  am  deutlich- 
sten  zu  8piiren.  Wiederum  ganz  wie  bei  uns  pravaliert  der  Wagner'sche 
EinfluB  durchaus  vor  dem  Liszt'schen.  In  Schweden  ist  eigentlich  nur 
Halldn  dem  Liszt'schen  EinfluB  in  groBerem  MaBstabe  unterlegen. 

Die  besonders  nach  der  technischen  Seite,  der  Instrumentation  usw. 
bemerklichen  Einwirkungen  der   franzosischen  Schule  der  Pro- 


1)  Ich  bin  wohl  der  freundlichen  Erlaubnis  Petorson-Berger's  sicher,  seine  eigenen 
Worte  ans  einem  Briefe  vom  14.  April  1903  an  mich  hier  anzufiihren. 

2)  Diese  Einwirkungen  erklaren  sich  schon  anfierlich  ganz  natiirlich,  wenn  man 
bedenkt,  wie  die  schwedischen  Komponisten  seit  den  Tagen  der  Romantik  in  Deutsch- 
land  ihren  Studien  oblagen.  Vergleiche  spater  die  biographischen  Notizen.  —  Welche 
Unkenntnis  schwedischer  Musikentwicklung  aber  in  Deutschland  herrscht,  ist  be- 
schamend!  Noch  heute  kann  man's  erleben,  dafi  deutsche  Herausgeber  skandinavischer 
Musik  kein  schwedisches  Stuck  zu  bringen  wissen,  ein  finnisches  aber  noch  weniger! 


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108      W.  Niemann,  t)ie  schwedische  Tonkunat,  ibre  Vergangenheit  und-Gegenwart. 

gramm-Musik,  insbesondere  die  ihres  Begrliiiders  Berlioz,  auf  die 
Musik;  wird  man,  wie  in  der  jungskandinavischen,  so  auch  in  der  jung- 
schwedischen  Schule  nicht  zu  hoch  veranschlagen  diirfen.  Sie  steht  auch 
darin  wieder  im  Gegensatz  zur  jungrussischen  Schule,  in  welcher  dieiser 
EinfluB  seit  Glinka  sich  stets  mehr  oder  weniger  lebendig  gehalten  hat, 
sodaB  man  bei  einzelnen  ihrer  modernen  Vertreter,  zum  Beispiel  bei  Cui, 
fast  von  halben  Franzosen  reden  konnte. 

In  einem  im  Gegensatze  dazu  teilweise  rechfc  bedeutendem  MaBe 
sind  aber  in  der  ganzen  neuskandinavischen  Tonkunst  neben  dem  domi- 
nierenden  EinfluB  der  neudeutschen  Schule  noch  die  Spuren  deutscher 
Roman tiker  zu  verfolgen;  der  klassizistischen  Nachziigler  sind  gerade 
hier,  und  am  meisten  wieder  in  Danemark  und  Schweden,  noch  genug. 
Es  sind  natiirlich  ihre  geistigen  Fiihrer  Schumann,  Mendelssohn  und 
der  groBte  danische  Roman tiker  Gade,  deren  Einwirkungfcn  sich  selbst 
ein  Teil  der  Jungschweden  noch  nicht  vollig  entziehen  kann,  sodaB  man 
auch  hier  ganz  gut  von  einer  geistigen  Unterstromung  mit  mehr  retro- 
spektiven  Tendenzen  in  den  Tagen  der  Neuromantik  reden  kann,  die 
besonders  bei  einigen  auf  dem  Gebiete  der  Kleinkunst  tatigen  Kompo- 
nisten  hervortritt.  Der  Dritte  im  romantischen  Dreigestirn,  Chopin,  hat 
als  durchaus  slavischer  Komponist  auf  die  ganze  skandinavische  Tonkunst 
hochstens  auf  dem  Gebiete  der  Klavierkomposition  nur  einige,  aber  ganz 
verschwindend  geringe  Spuren  hinterlassen. 

Wie  die  ganze  neuskandinavische,  so  zeigt  auch  die  jungschwedische 
Kunst  eine  entschiedene  Tendenz  zur  Heimatkunst  und  ist  auf 
demselben  Boden,  dem  der  Volksmusik,  des  Volksliedes,  erwachsen. 
Aber  da  ist's  mit  dem  Gemeinsamen  freilich  schon  zu  Ende.  Ursprung 
und  Wesen  des  Volksliedes  ist  bei  den  einzelnen  nordischen  Volksgruppen 
verschieden.  Das  schwedische  Volkslied  bedient  sich,  wie  wir  spater 
sehen  werden,  des  abendlandischen  Tonsy stems,  und  nur  verhaltnis- 
maBig  gering  sind  hier  die  Spuren  des  musikalischen  Mittelalters  und 
seiner  hervorstechendsten  Eigenttimlichkeit,  des  Reiches  der  Kirchentone, 
bemerklich.  Wahrend  dasselbe  von  alien,  den  deutschen  sich  am  meisten 
nahernden  danischen  Volksweisen  gilt,  zeigen  die  norwegischen  und 
finnischen  dagegen  die  Herrschaft  eines  fremden  Tonsystems  und  stehen 
uns  aus  diesem  Grunde  weit  fremder  gegeniiber. 

Die  jungschwedische  Schule  zeigt  ferner,  wie  alle  neuskandinavischen 
Schulen,  durchaus  keinen  Reichtum  an  Musikdramatikern  —  eine 
Erscheinung,  die  in  genau  demselben  MaBe  ja  auch  auf  Deutschland 
zutrifft.  Schwedens  erste  musikdramatische  Blutezeit  unter  Haeffner, 
Du  Puy,  Randel  und  dem  Begrlinder  einer  Nationaloper,  Hallstrom,  ist 
voriiber.  Es  ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  daB  sie  augenblicklich  unter 
Hallen,  Peterson-Berger  und  Stenhammar  einer  zweiten,  rein  na- 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart.      109 

tionalen  entgegengefiihrt  wird,  einer  Erscheinung,  die  parallel  mit  der 
jiingsten  musikdramatischen  Entwicklung  in  Danemark  (Enna,  Niel- 
sen) und  Norwegen  (Schjelderup)  geht.  Auch  die  Symphoniker  sind 
in  Schweden  sehr  sparlich  gesiiet. 

Mit  den  iibrigen  modernen  skandinavischen  Schulen  teilt  die  jung- 
schwedische  *den  gleichen  Stimmungskreis  ihrer  Tonschopfungen,  die 
in  der  iiberwiegenden  Mehrzahl  durchaus  der  Stimmungsmusik  angehoren. 
Auch  die  Starke  der  jungschwedischen  Schule  liegt  weniger  in  der  musik- 
dramatischen oder  programmatischen  Komposition,  als  in  der  gerade 
die  Kleinkunst  mit  Vorliebe  aufsuchenden  Stimmungsmusik.  Ihr 
Stimmungsinhalt  aber  ist  zum  sehr  groBen  Teile  die  alien  skandinavi- 
schen Schulen  gemeinsame  Stimmung  der  Mclancholie.  Eine  Melan- 
cholie  in  alien  und  in  den  f einst  differenzierten  Abstufungen !  Die  schwe- 
dische Tonkunst  steht,  wie  es  uns  schon  die  schwedischen  Volksweisen 
lehren,  etwa  in  der  Mitte  zwischen  der  ernsten,  schwermUtigen  norwegi- 
schen,  der  mehr  lieblichen,  hellen  oder  nur  leise  elegischen  danischen 
und  der  Marchen-Kunst  der  Pinnlander,  und  tragt  so  den:  Oharakter 
einer  mildernsten,  sanften  Wehmut. 

Aber  nicht  nur  mit  dem  Volke  und  den  sein  Leid  und  Freud  ktin- 
denden  Volksweisen,  sondern  auch  mit  der  heimischen  Natur  steht  die 
gesamte  moderne,  skandinavische  Tonkunst  in  enger  Beruhrung.  Die 
Liebe  zur  Natur,  das  Naturgefiihl  ist  daher  auch  ein  ausgepragter 
Zug  aller  jungschwedischen  Musik,  deren  Schopfungen  auf  vokalem, 
aber  auch  iiberwiegend  auf  instrumentalem  Gebiete,  den  der  ganzen 
schwedischen  Tonkunst  von  jeher  eigenen  melodischen  Grundcharak- 
ter  aufweisen.  Wie  dem  Volksliede,  so  driickt  auch  der  nordischen 
Kunstmuaik  das  Wesen  der  Natur  und  des  Volkes  seinen  Stempel  auf. 
So  ist  auch  aus  diesem  Grunde  die  Musik  Danemarks,  des  Landes  einer 
lieblichen  Natur,  eine  helle,  zarte,  in  der  Melancholie  nur  die  Tone  feiner, 
grauer  Dammerungs-Stimmungen  anschlagende.  So  ist  die  Musik  Nor- 
wegens,  des  Landes  einer  diisteren,  erdriickend  groBartigen  Natur,  eine 
ernste,  tiefmelancholische,  auch  iiber  ihre  heiteren  Schopfungen  den 
Schleier  einer  stillen  Traurigkeit  ausbreitende.  Auch  die  so  unendlich 
verschiedene  schwedische  Natur  —  man  denke  an  die  getreidereichen 
Ebenen  Schonens,  die  herrlichen  Gegenden  am  Wenern-  und  Wettern- 
see,  an  die  diistere  Trostlosigkeit  Bohuslans,  Samlands,  die  unge- 
heuren,  stromreichen  Waldprovinzen  des  Nordens  —  weist  der  ihre 
Schonheiten  widerstrahlenden  schwedischen  Musik  die  Mitte  zwischen  der 
Tonkunst  dieser  ebenerwahnten  Lander  an:  sie  ist  also  eine  Kunst  der 
Beschaulichkeit,  Lieblichkeit  und  zarten,  triiumerischen  Melancholie  in 
alien  Schattierungen  bis  zum  Ausdruck  einer  ruhigen,  zufriedenen  Lebens^ 
freude  und  gesunden,  kraftigen  Lebenslust. 


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110     W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Yergangenheit  und  Gegenwart. 

Endlich  konnen  wir  der  jungschwedischen,  wie  der  ganzen  neuskan- 
dinavischen  Tonschule,  einen  Vorzug  zusprechen,  den  sie  mit  den  modernen 
Tonschulen  aller  Lander  teilt:  einen  fein  entwickelten  Klangsinn. 
Wie  unter  den  Danen  Grade  mit  seiner  unnachahmlich  gedampften, 
f einen  Farbenpalette,  ferner  Mailing  und  Enna,  wie  in  Norwegen 
Grieg,  Svendsen,  in  Finnland  Sibelius,  Jarnefelt,  so  wollen  mir 
in  Schweden  Hallen,  Stenhammar,  Alfvdn  und  Peterson-Berger 
als  die  Kunstler  erscheinen,  bei  denen  die  koloristische  Begabung  am 
meisten  ausgepragt  ist.  Kiinstlerisch  herbe  Naturen  ahnlich  unserem 
Brahms  undDraeseke,— Meister,  deren  GroBe  und  geschichtliche  Bedeutung 
nun  einmal  nicht  in  der  Virtuositat  des  Hervorrufens  sinnlich  schoner 
Klangwirkungen  besteht  — ,  findet  man  unter  den  Jungskandinaviern  nur 
ganz  auBerordentlich  selten.  »Nordisch  herbe «,  wie  gedankenlos  und 
f  alsch ! 

Auch  die  jungschwedische  Schule  zeigt  das  Uberwiegen  der  In- 
strumentalkomposition  in  der  skandinavischen  Neuromantik.  Dies 
wird  der  weiter  folgende,  kurze  geschichtliche  Uberblick  noch  deutlicher 
machen.  Sie  tritt  hierin  im  Gegensatz  zur  neudeutschen  Schule,  die  ja 
auBer  dem  Meister  des  modernen  deutschen  Liedes,  Hugo  Wolf, 
eine  ziemliche  Anzahl  spezifischer  Liedtalente  aufweist  und  noch  durch- 
aus  im  Zeichen  der  Liedbliite  steht.  Dagegen  gibt  es  in  der  jungschwe- 
dischen Schule  keine  Komponisten  von  Bedeutung,  die  sich  ausschlieB- 
lich  dem  einstimmigen  Liede  zugewandt  haben.  Dasselbe  ist  seitKaja- 
nus  in  Finnland,  weniger  ausgepragt  in  Danemark  und  Norwegen  der 
Fall,  obwohl  auch  hier  auBer  Grieg  spezifische  Liedtalente,  wie  Heise 
beziehungsweise  Kjerulf,  augenblicklich  fehlen. 

Auch  sind  Tonsetzer,  die  ihre  ganze  Kraft  fast  oder  ganz  ausschlieB- 
lich  der  Chorkomposition  widmen,  in  der  jungschwedischen,  ja  in  der 
ganzen  neuskandinavischen  Schule  recht  selten  anzutreffen.  Nur  He  den- 
blad  und  Widmen  in  Schweden,  Fabricius  und  Barnekow  in  Dane- 
mark,  Genatz  und  Faltin  in  Finnland  machen  hiervon  in  gewissem 
Sinne  eine  Ausnahme.  Das  Zeitalter  schwedischer  Romantik  und  Neu- 
romantik wird  daher  —  halten  wir  dies  zunachst  fest  —  ein  Zeitalter 
der  Instrumental-Komposition  genannt  werden  konnen. 

Wollen  wir  noch  eine  auBere  Eigenschaft  erwahnen,  welche  die 
jungschwedische  Schule  mit  den  iibrigen  modernen  skandinavischen  ver- 
bindet,  so  ware  es  die  Tatsache,  daB  sich  das  musikalische  Leben 
Schwedens  in  der  Hauptstadt  —  Stockholm  —  zentralisiert. 
Das  war  seit  Alters  her  so,  auch  in  den  iibrigen  nordischen  Reichen. 
So  sind  auch  Kopenhagen  fur  Danemark,  Helsingfors  fur  Finnland  fiir 
die  jungskandinavische  Kunst  das,  was  Paris  fiir  die  jungfranzosische 
Schule  bedeutet:  das  beinahe  alles  absorbierende  Zentrum  der  Tonkunst 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  and  Gegenwart.     XI 1 

des  betreffenden  Landes,  in  dem  auch  zum  weitaus  iiberwiegenden  Teile 
die  schaffenden  Kiinstler  sitzen.  Nur  Norwegens  groBter  Komponist, 
Grieg,  zieht  Bergen  und  Deutschland  der  Hauptstadt  Christiania  vor. 
Dieses  gewaltige  musikalische  Ubergewicht  der  Eesidenzen  findet  sich  in 
der  anderen  groBen  Gruppe  nordischer  Musik,  der  jungrussischen  Schule, 
nicht  vor,  ergibt  sich  aber  direkt  aus  der  allgemeinen  geistigen  Bedeutung 
jener  Hauptstadte  in  den  stadtearmen  nordischen  Reichen. 

Im  letzten  Viertel  des  19.  Jahrhunderts  tritt  wieder  eine  wichtige 
Wendung  in  der  schwedischen  Musikentwicklung  ein.  Von  1872  an1) 
erobern  sich  Wagner's  Werke  sicher,  wenngleich  sehr  langsam  und 
durchaus  nicht  ohne  heftigen  Widerspruch ,  die  schwedischen  Btihnen, 
eine  Bewegung,  die  erst  1887  nach  dem  Durchdringen  der  »Meistersinger« 
mit  dem  Siege  Wagner's  endigt  In  den  achtziger  Jahren  ersteht  den 
Schweden  ein  heimischer  Komponist,  der  die  Wagner'schen  Ideen  zuerst 
praktisch  in  seinen  Werken  verwertet.  Es  ist  Andreas  Hallen,  der 
erste  bedeutende  Vertreter  der  schwedischen  Neuromantik. 

A.  Hallen ,  *  1846  in  Gothenburg ,  Schiiler  des  Leipziger  Konservatoriums  (Rei- 
necke),  Rietz's  und  Rheinberger's  bis  1871,  Diligent  des  Gothenburger  Musikvereins 
bis  1878,  Gesanglehrer  und  Musikschriftsteller  in  Berlin  bis  1881,  Kapellmeister  der 
von  ihm  gegriindeten  Stockholmer  Philharmonischen  Gesellschaft  1884—1895,  von  1892 
an  enter  Kapellmeister  der  Stockholmer  Oper,  deren  neues  Geb'aude  1898  eroffnet 
wurde. 

HallSn  ist  der  fruchtbarste  Reprasentant  der  modernen,  schwedischen 
Nationaloper. 

Seine  erste  Oper  war  > Harold  der  Viking*  (1881  Leipzig,  1884  Stockholm),  die 
nicht  ungeteilten  Anklang  fand.  Ihr  folgten  >Hexfallanc  (1896),  >  Valdemarskattcnt  2) 
(1899)  und  bis  heute  noch  >Walborgsmassa«  (1900/1901),  die  zunehmend  den  nationalen 
Ton  scharfer  anschlagen.  Unter  seinen,  von  Liszt  beeinnuGten  symphonischen  Dich- 
tungen  seien  >Aus  der  Waldemarssage« ,  >Aus  der  Gustav-Vasa-Sage<  (1896),  >Die 
Toteninseh  u.  a.,  auCerdem  zwei  schwedische  Ehapsodien  (op.  17,  23),  die  Chorwerke: 
•Styrbjorn  Starket ,  >Vom  Pagen  und  der  Konigstochtert ,  >Traumkonig  und  sein 
Lieb>,  >Das  Schlofi  im  Meer<,  >Das  Ahrenfeld<  u.  a.,  sowie  zahlreiche  schwedische 
und  deutsche  Lieder  genannt. 

Es  lebt  etwas  von  der  diistren,  kraftvollen  Natur  seiner  scharenum- 
giirteten  Heimatprovinz  Bohuslan  in  Hallen's3)  knapper,  gedrungener  al- 
fresco -Tonsprache.  Er  versteht  sich  auf  gewaltige,  schwere  Orchester- 
Effekte,und  ein  groBer,  leidenschaftlicherZug  geht  durch  seine  klangschonen 


1)  Also  eben  so  spat  wie  in  RuCland,  das  gleichfalls  vor  Anfang  der  siebziger 
Jahre  gar  nichts  von  "Wagner  wuCte  oder  kannte.  (Vergleiche  R.  Newmarch,  >Ba- 
lakireff<,  Sammelbande  der  IMG.  IV,  1,  Seite  157.) 

2)  Behandelt  die  Eroberung  Visby's  durch  Waldemar  Atterdag,  seinerzeit  als  Fest- 
spiel  in  einer  Kirchenruine  Visby's  aufgefiihrt. 

3)  Biographie  Hallen's  in  >Svensk  Mus.  Tidn.<,  1897.    ' 


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112     W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart. 

Werke,  der  es  vergessen  macht,  daB  ihm  eine  ausgepragt  individuelle 
Tonsprache  nicht  immer  verliehen  ist.  Wie  stark  die  harmonische  usw. 
Beeinflussung  durch  Wagner  bei  ihm  ist,  moge  ein  Vergleich  der  folgen- 
den  Anfangstakte  des  Vorspiels  zum  >Schatz  des  Waldemar«  mit  dem 
zum  »Rheingold«  beweisen,  die  aber  trotzdem  (vgl.  *)  ins  Skandinavische 
ubersetzt  sind: 

Andante  molto  sostcnuto  J     =  63.     Nach   dem  Klavierauszug  bei  Lundquist, 
(Stockholm).  "  h. 


w^s^mm^slmBm 


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— -    m    *■'*■    ■  ft'  XT 


3»=y: 


BH 


^^^^=^0 


Andrerseits,  welch*  warme,  groBe  und  echt  nationale  Kantilenen- 
Bildung  ist  ihm  wieder  eigen!  Das  mogen  einige  Takte,  die  eine  der 
herrlichsten  Eingebungen  seiner  Muse  bedeuten,  naher  erkliiren: 

Lento.    (Nach  dem  Klavierauszug  bei  Lundquist,  Stockholm). 


>  Waldemarskat  - 
tent  (III.)  (Bitte 
des  Abts  und 
Biirgermeisters  { 
Visbys  an  Konig 
Waldemar  um 
Sclionung  des 
Klosters). 


£=!£ 


=•**■ 


an 


gjfejyiif^pjffftTft 


1)  Diese  drei  Noten,  meist  in  verlangerten  Werten,  bilden  ein  fur  Hallen  unge- 
mein  charakteristisches,  uberall  wiederkehrendes  Motivteilchen. 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart.      113 


a^WNji 


ZZZl 


Jedenfalls  bekundet  jede  Seite  seiner  Opern  einen  geborenen  Drama- 
tiker.  Besonders  »Waldemarskatten«,  seine  schonste,  herrliche  Partien 
aufweisende  Oper,  in  der  er  einen  Ausgleich  zwischen  altem  und  neuem 
Stile  versucbt,  etwa  wie  Goldmark  im  >Heimchen  am  Herd*  *),  bietet  die 
beste  Gelegenheit,  seine  Individuality  nach  alien  Seiten  kennen  zu  lemen. 

Wirklich  originell  bleibt  Hallen  stets  in  den  kurzen,  selbstandigen 
Orchesterstucken  in  Marsch-  und  Tanzform,  die  durchaus  volkstiimlicb 
empfunden  sind.  Dahin  gehoren  als  beste  Beispiele :  der  iiberaus  originelle 
>Waldemarsdans<  aus  >Waldemarskatten«,  der  Einzug  der  Ratsherren 
aus  dem  1.  Akt  der  »Walborgsmassa«.  Seine  spezielle  Begabung  fur  das 
Diistere,  Unbeimliche  bekunden  die  kurzen  Aktvorspiele  gerade  in  diesen 
letzten  Opern  am  besten.  In  der  Polyphonie  ist  Hallen  nicht  sonderlich 
stark,  dagegen  ein  Meister  moderner,  glanzender  Instrumentation.  Im 
Ganzen  genommen,  zeigt  aber  seine  Musik  noch  ein  Schwanken  zwischen 
Wagner'scher  Harmonik,  leitmotivischem  Aufbau  usw.,  und  schwedischem 
Volkston2).  Der  fiir  die  Skandinavier  nach  der  harmonischen  Seite 
kaum  gliickliche  Wagner'sche  EinfluB  hat  bei  Hallen  zwar  den  gewiihlten, 
leider  meist  in  wenig  wertvoller  Art  bearbeiteten,  altnordischen  Stoffen  nach, 
aber  nicht  immer  seiner  Musik  nach  erne  rein  nationale  Oper  gezeitigt. 

Neben  Hallen,  dem  bedeutenden,  yon  Wagner  und  Liszt  am  stilrksten 
beeinfluBten  Begriinder  und  Fiihrer  der  schwedischen  Neuromantiker, 
muB  auf  dem  Gebiete  der  Kammer-,  Klavier-  und  Vokalmusik  Emil 
Sjogren  (spr.  Schogren)  als  gleichbedeutend  gestellt  werden,  Schwedens 
groBter  moderner  Romanzen-Komponist3). 

E.  Sjogren,  *  1853  in  Stockholm,  Schiiler  des  dortigen  Konservatoriums,  Kiel's 
and  Hanpt's  in  Berlin,  seit  1891  Organist  an  St.  Johannis  in  Stockholm. 

Seine  Kunst  ist  wie  die  Hallen's  auf  den  Ton  der  Energie,  Leiden- 
schaft,  Mannlichkeit  und  gesunden  Kraft  gestimmt.    Er  versteht  sich  auf 


1)  Ad.  Lindgren  in  »Musik  in  Stockholm*  (Zeitschrift  der  LNIG.  II,  1,  Seite  11;.. 

2)  Wie  ausgezeichnet  sich  Hallen  auf  den  schwedischen  Volkston  versteht,  dafiir 
fcefern  die  »Hexenerz*ahlung«  Pater  Kunos  in  der  »Walborgsmassa*  (I.  Akt),  die  sich 
zn  direktem  Anklang  an  die  Varmlandsvisa  versteigt,  und  der  herrliche  Gesang  Avas 
•Die  Nacht  entflieht<  (Waldemarskatten,  IV),  vielleicht  die  schonsten  Beispiele. 

3)  Vergleiche  Hel.  Nyblom,  in  »Ord  och  Bild«,  181)4. 

S.  d.  I.  M.    V.  8 


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114     W.  Niemann.  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart 

farbenprachtige,  durch  einen  klanggesattigten  Klaviersatz  gehobene,  warme 
Klangwirkungen,  weniger  dagegen  auf  die  Kunst  der  motivischen  Aus- 
legung.  Seine  Harmonik  ist  reich  und  kiihn,  aber  haufig  durch  Bizarrerie 
und  nervose  Unrast  getriibt.  Grieg'sche  Einfliisse  in  der  Harmonik, 
Schumann'sche  in  der  Rhythmik1),  des  Orgelstiles  in  der  Stimmfiihrung 
sind  unverkennbar.  Einen  eignen  Zug  zeigen  die  sich  durch  machtige 
Steigerungen  gewaltig  in  die  Hohe  aufbauenden  Codas  seiner  Kammer- 
musikwerke.  Zu  seinen  Schwachen  gehort  die  Lust  am  Wiederholen 
einzelner  Perioden  und  die  eigensinnige  Fortfiihrung  widersetzlicher  Akkord- 
folgen,  zu  seinen  groBen  Vorziigen  ein  keckes  Darauflosgehen  und  feines 
Naturgefiihl. 

Die  Krone  seiner  Schopfungen  bilden  seine  herrlichen  Klaviercyklen  >Auf  der 
Wanderschaftt ,  >Erotikon<,  die  »Novelletten«,  >Stimmungen<,  einiges  aus  seinen  drei 
"Violinsonaten,  vor  all  em  aber  neben  Orgelsachen,  dem  >  Bacchanal*,  der  >Johannes- 
kantate<  usw.,  seine  zahlreichen  Lieder,  die,  wie  >Der  Vogt  von  Tenneberg«,  »Sieben 
spanische  Lieder*,  »Tannhau8erlieder<,  zum  wertvollsten  der  schwedischen  Lyrik  iiber- 
haupt  zahlen2}. 

Das  schwedische  Volkslied  hat  auch  ihn  wie  alle  Neuromantiker  dieses 
Landes  beeinfluBt.  So  laBt  er  geradezu  einmal 3)  im  Basse  die  >St.  Valentins 
Kleckor  (Glocken)*  auftreten.  Auch  bei  Sjogren  finden  wir  wie  bei  Aulin 
hier  und  da  leise  Spuren,  die  auf  die  Jungitaliener  und  ihren  >  Blender* 
Mascagni  weisen4). 

Der  dritte  im  Bunde  der  schwedischen  Neuromantik  ist  Wilhelm 
Stenhammar6),  zugleich  der  bedeutendste  schwedische  Klaviervirtuose 
der  Neuzeit. 

W.  Stenhammar,  *  1871  in  Stockholm,  Schiiler  R.  Andersson's,  Sjogren's,  Dente'a 
nnd  Hallen's,  von  1892-1893  Barth's  in  Berlin,  1898— 1899  Dirigent  der  Stockholmer 
Philharmonischen  Gesellschaffc,  1900 — 1901  zweiter  Opernkapellmeister,  Sohn  des  be- 
sonders  durch  sein  Oratorium  »Saul  und  David  c  und  seine  Lieder  bekannten  P.  U. 
Stenhammar  (1829—1875),  Mitglied  des  Aulin-Quartetts. 

Seine  Opern  >Tirfing«  (1898)  und  die  in  Stuttgart  (1899)  zuerst  auf- 
gefiihrte  »Hochzeit  auf  Solhaug*  (nach  Ibsen),  welche  samtlich  auBer- 
ordentlich  stark  von  Wagner  beeinfluBt  sind,  haben  sich  nicht  dauernd 
halten  konnen.  Die  Bedeutung  Stenhammar's  liegt  vielmehr  auf  dem 
Gebiete  der  Klavier-,  Kammermusik,  der  Orchester-Ballade  und  des  Liedes. 
Sein  B-moll  Klavierkonzert,   op.  1  (1894)  gehort  neben  dem  Grieg'schen 


1)  Vergleiche  zum  Bcispiel  Novellette  Nr.  IV  aus  op.  16  mit  Schumann's  »Fa- 
schings8chwankc . 

2)  Einige  seiner  schonsten  Klavierstucke  und  Lieder  wurden  von  Tor  Aulin  (siehe 
unten)  fiir  Orchester  iibertragen. 

3)  In  der  »Abendstimmung«  aus  op.  16. 

4)  "Violinsonate  op.  19,  Hauptthema  des  Andante. 

5)  Biographie  Stenhammar's  in  »Svensk  Mus.  Tidn.«,  1897. 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart.      HB 

zu  den  aUerbedeutendsten  skandinavischen  Beitragen  fiir  dieses  Gebiet. 
Seine  Klayiersonate  op.  12  (As-dur)  und  die  >Drei  Phantasiestuckec  op.  11 
sind  nicht  minder  selbstandige  Emanationen  eines  glanzenden  Talentes. 
Zu  seinen  besten  Werken  gehoren  ferner  die  groBeren  Chorwerke: 
>Prinses8an  och  svennen*  (1892),  >Einweihungskantate  zur  Eroffnung  der 
Stockholmer  Ausstellung*  (1897),  »Snofridc  (Dichtg.  von  Eydberg,  op.  5), 
die  Ballade  mit  Orchester  »Florez  och  Banzeflorc,  op.  3,  sowie  drei  wert- 
volle  Streichquartette  und  mehrere  Liederhefte,  unter  denen  op.  10  und 
op.  16  die  schonsten  Nummern  enthalten.  Was  Stenhammar's  Werke  so 
uberaus  anziehend  macht,  ist  die  Jugendfrische  und  Warme,  die  sie  alle 
durchstromt  und  uns  auch  iiber  weniger  selbstandige,  durch  Schumann'sche 
und  sehr  starke  Wagner'sche  Einfliisse  an  Originalitat  einbiiBende  Partien 
hinwegzutauschen  vermag,  nicht  zum  wenigsten  aber  auch  ihr  harmonischer 
Reichtum  und  ihre  auBerordentliche  Klangschonheit.  In  der  Plastik  der 
Melodiefuhrung  und  Pragnanz  der  Gedanken  wird  Stenhammar  freilich 
weit  von  Hall^n  iibertroffen.  Sein  Bestes  gibt  er  vielleicht  in  rein  lyri- 
schen  Stimmungen,  fur  die  er  oft  Tone  hinreiBender  Schonheit  zu  er- 
finden  weiB.  Er  iibertrifft  dagegen  Hall^n  in  der  Herrschaft  iiber  die 
freie,  Wagner'sche  Orchester-Polyphonie,  einem  reichen ,  feinen  Leben 
der  neben-  und  untergeordneten  Stimmen  des  Orchester-Korpers. 

Geringe  Spuren  Grieg'schen  Einflusses  sind,  wie  bei  fast  alien  neu- 
skandinavischen  Komponisten,  so  auch  bei  Stenhammar  hier  und  dolt 
wahrzunehmen,  daneben  solche  von  Brahms  in  seiner  Kammermusik. 

Der  vierte  markante  Vertreter  der  jungschwedischen  Schule  ist  Wilh. 
Peterson-Berger1).  Er  zahlt  als  einer  der  bedeutendsten  unter  die 
sparlich  gesaeten  Musikdramatiker  Schwedens.  Dem  dramatischen  Fest- 
spiel  >Sveagaldrar«  (Sveas  Zauberspriiche,  1897)  folgte  1902  das  Mar- 
chenspiel  »das  Gliick*  (Dornroschen  Sage),  sowie  das  Musikdrama  >Ran« 
[1903),  Werke,  deren  Dichtungen  er  selbst  verfaBte.  Da  mir  diese 
musikdramatischen  Arbeiten  noch  nicht  vorliegen,  muB  ich  mir  eine 
eingehende  Wiirdigung  des  Tondichters  als  Musikdramatiker  fiir  spater 
versparen.  Aber  er  ist  nicht  minder  auch  im  kleinen  groB  und  eigen, 
in  seinen  Liedern,  Klaviersachen  usw.  Hier  stellt  es  sich  heraus, 
daB  er  den  Einfliissen  zweier  deutschen  Meister,  Mozart  und  Wagner2), 
nicht  ganz  entgangen  ist.  Seine  Eigenart  liegt  in  der  Verschmelzung 
Wagner'scherHarmonik  und  Kompositions-Technik  mit  schwe- 

1)  *  1867  in  Angermanland ,  Schuler  J.  Dente's,  0.  Bolander's  in  Stockholm, 
£.  Kretz8chmer'8  und  H.  Scholz'  in  Dresden,  Komponist  und  temperamentvoller  Musik- 
schrifteteller  in  Stockholm  aeit  1894,  vorher  in  Umea  und  Dresden. 

2)  Sein  zielbewufites  Eintreten  fur  diesen  Meister  in  Schweden  betatigte  er  unter 
anderem  auch  dnrch  eine  Answahl  aus  dessen  Schriften  in  schwedischer  IJbersotzung 
1901). 

8* 


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116     W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart 

dischem  Volkston.  In  der  Kleinkunst  weist  er  die  schonsten  Momente 
als  herzlich  und  warm  redender  Lyriker  auf  und  vertritt  das  weiche, 
manchmal  leicht  melancholische,  aber  iiberwiegend  sonnige  und  ruhige 
Element  in  der  schwedischen  Neuromantik.  G-eich  Mozart  liebt  er  die  Be- 
vorzugung  des  GesangsmaBigen,  der  Kantabilitat  in  der  Themenbildung. 
Der  EinfluB  dieses  Meisters  zeigt  sich  am  deutlichsten  in  einigen  Partien 
seiner  E-moll  Violinsonate  (1887).  Von  seinen  zahlreichen,  wunder- 
schonen  Liedersammlungen  neigen  sich  die  auf  deutsche  Texte  kompo- 
nierten  (Gresange  nach  Nietzsche)  mehr  der  Wagner'schen  Tonsprache, 
die  tiefempfundenen  schwedischen  (»XJr  Fridolins  Lustgardc,  >Svensk 
Lyrik«,  >Ur  en  Karlekssaga*  usw.),  bedeutende  Leistungen,  dem  natio- 
nalen  Volkstone  zu.  Neben  Mannerchoren  und  vielen  anderen  Werken 
mochte  ich  neben  den  »Tonmalereien»,  >Sex  Latar*  besonders  sein  »Lyri- 
sches  Album*  (Auswahl  aus  den  >Pr6soblumen*,  1896 — 1901)  als  eine 
kostliche  Perle  der  schwedischen  Klavierliteratur  bezeichnen1).  Die  in 
Schweden  beriihmte  Anmut  der  G-egend  (Froso  im  Storsjo,  Prov.  Iamt- 
land),  deren  Einwirkungen  sie  wohl  ihre  Schopfung  verdanken,  spiegelt 
sich  in  diesen  entziickendeh  Stiickchen  wieder,  in  denen  die  reiche,  feine 
Harmonik  des  feinsinnigen  Tondichters  besondere  Triumphe  feiert. 

Der  einzige  Symphoniker  der  schwedischen  Neuromantik  ist  Hugo 
Alfven2),  dessen  zwei  Symphonien  (F-moll,  1897;  D-dur,  1899)  groBe 
Hoffnungen  erwecken. 

Von  anderen  Tonschopfungen  seien  eine  Violinsonate  (1896),  eine  Jahrhundert- 
feier-Kantate,  Lieder  nnd  Mannerchore,  »Die  Glockent  (zwei  Sologesange  mit  Or- 
chester),  viele  wertvolle  Lieder,  ein  Trinmphmarsch  (op.  10) ,  »Scharenbilder€  (op.  17), 
>Lyrische  Stimmungen*  (op.  8j  u.  a.  besonders  hervorgehoben. 

Alfven  besitzt  eine  auBergewohnliche  kontrapunktische  Begabung.  Er 
laBt  starke  Einfliisse  Brahms',  Bach's  und  der  Neudeutschen  gewahren 
und  vermag  eine  groBe  Kraft  der  Stimmung  zu  entfalten,  zeigt  aber, 
und  leider  gerade  am  meisten  in  seinen  Symphonien,  stellenweise  einen 
ziemlichen  Mangel  an  plastischer  Empfindungskraft,  in  der  er  sich  eben- 
sowenig  wie  Stenhammar  mit  Hallen  und  den  ubrigen  Jungschweden 
zu  messen  vermag.  Besonders  seine  letzte  Symphonie  ist  in  den  letzten 
Satzen  Verstandesarbeit,  keine  Schopfung  der  Inspiration,  besitzt  aber 
einen  wundervollen  ersten  Satz.  Wenn  sich  das  noch  etwas  ungestiime, 
dem  Harten,  Griiblerischen  zuneigende,  auBerordentliche  Talent  des  jungen, 


1)  N'ahere9  iiber  dieses  Werk  in  der  >Neuskandinavischen  Musikc,  Signale,  1903, 
Nr.  12/13,  Seite  189  ff.  —  Biographie  und  cbronologisch-systematisches  Verzeichnis  der 
Werke  Peterson-Berger's :  >Svensk  Mus.  Tidn.«  23,  Nr.  10. 

2)  *  1872  in  Stockholm,  Schiiler  des  dortigen  Konservatoriums  (Zetterquist,  Linde- 
gren),  Violinist  in  der  Hofkapelle. 


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W.  Niemann,  Die  schwedische  Tonkunst,  ihre  Vergangenheit  und  Gegenwart.     117 

national  denkenden  Tondichters  erst  vollig  geklart  hat,  so  darf  die  jung- 
schwedische  Schule  von  ihm  noch  GroBes  und  Reifes  erwarten! 

Eine  ahnliche  Natur  wie  Peterson-Berger  ist  auf  dem  Gebiete  der 
Violinkomposition  Tor  A ul in1),  von  dessen  zahlreichen  Werken  fiir  sein 
Instrument  unter  anderem  seine  drei  Yiolinkonzerte  und  die  wunder- 
schonen,  stimmungsvollen  »Vier  Idyllen*  namhaft  gemacht  seien.  Auch 
er  ist  ein  durchaus  nationaler,  mit  feinstem  Klangsinn  begabter  Kom- 
ponist  mit  geringer  Beeinflussung  durch  Schumann. 

Der  Schwerpunkt  von  Erik  Akerberg's2)  Schaffen  liegt  in  der  Vokal- 
komposition.  AuBergroBerenChorwerken  »Der  fliegende Hollander*,  »T6rn- 
rosasSaga«  und  anderen,Kammemusik-,Klavier-  undOrchestersachen  ist  er 
besonders  durch  stimmungsvolle  Lieder  (z.  B.  »I  aria  morgontimma»)  be- 
kannt  geworden,  an  denen  Mendelssohn  und  Brahms  nicht  ganz  spurlos 
voriibergegangen  sind,  und  die  besonders  ihres  duf  tigen  Klangreizes  und  f  ein 
durchgearbeitetenKlavierpartswegeninteressieren.  Wagner's  EinfluB  konnte 
er  sich  dabei  noch  viel  weniger  entziehen,  als  es  Gustav  Hagg3)  vermochte, 
der  gleichfalls  als  beachtenswerter,  auf  fast  alien  Formgebieten  tatiger 
Komponist  gelten  muB.  Die  Werke  beider  Tonsetzer  zeigen  samtlich 
die  entschiedene  Tendenz  zur  Heimatkunst.  Hagg  schuf  besonders  Wert- 
voiles  fiir  sein  Instrument. 

Endlich  seien  noch  Bror  Beckman4),  der  Dane  P.  Noderman5), 
Gosta  Geijer6),  als  besonders  erfolgreich  auf  dem  Gebiete  der  Klavier- 
komposition:  Ruben  Liljefors7),  der  feinsinnige  Harmoniker  Patrik 
Vretblad  (»Stimmungen«  u.a.),  J.Eriksson,  L.Lundberg  (auch  Lieder), 
A.Dahl^Back^Sedstrom^Brink11),  als  Symphoniker Andersen12) 
als  Mannerchor-Komponist  endlich  J.  Widden13)  genannt,  alles  tiichtige 
Tonsetzer,  iiber  deren  lediglich  auf  die  Heimat  beschranktes  Schaffen  ich 
mich  kurz  fassen  muB,  die  aber  gleichfalls  die  schone  musikalische  Re- 
naissance Schwedens  in  unsren  Tagen  im  Verein  mit  Komponistinnen  wie 


1)  *  1866,  Schiiler  Sauret's,  Konzertmeister  in  der  Hofkapelle,  Grander  und  Pri- 
marius  des  AulhVschen  Streichquartetts  in  Stockholm  und  der  Schwedischen  Musik- 
vereinigung  von  1900. 

2)  *  1860,  Kantor  an  der  deutschen  Kirche,  spater  Organist  an  der  Synagoge  in 
Stockholm,  Musiklehrer,  Dirigent  der  >Harmonischen  Gesellschaft«  und  einiger  Ge- 
sangvereine  (Bellmans-Chor  u.  a.)  daselbst. 

3)  *  1867,  Organist  an  der  Klarakirche  in  Stockholm. 

4)  *  1866,  "Werke  fur  Violine,  Gesang,  Musik  zu  >En  lyckoriddaret  u.  a.) 

5)  *  1867,  lebt  in  Malmo;  Kinderlieder,  Oper  »Konig  Magnus*. 

6)  *  1857,  lebt  ebendort;  dramatische  Szene  »Eine  Klostersage*,  Lieder,  Klavier- 
sachen  und  Orchesterwerke. 

7)  *  1871,  Konzert,  Violinsonate,  Lieder,  Chore  usw. 

8)  *  1864.  9)  *  1868.  10)  *  1862.  11)  *  1858. 
12)  *  1845.          13)  *  1871. 


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118     W.  Niemann,  Die  schwediscbe  Tonkumt,  ibre  Vergangenheit  und  Gegenwart. 

E.  Andree,  L.  Netzel,  H.  Munktell,  Valb.  Aulin,  Alice  Tegner1) 
und  mit  Musikhistorikem  wie  DD.  Ad.  Lindgren,  K.  Valentin,  T.  Nor- 
lind,  R.  Nor6n  u.  a.  erfolgreich  haben  vorbereiten  und  fordern  helfen. 
Uns  Deutschen  kann  eine  eingehende  und  uns  zur  Pflicht  gewordene  Be- 
schaftigung  mit  der  skandinavischen,  von  rein  germanischem  Geiste  ge- 
tragenen  Tonkunst  zum  groBerem  Segen  werden,  als  alle  Kultivation  der 
Russen  oder  Jungfranzosen 2). 


1)  Yergleiche  A.  Lindgren,  >Svenska  Ton8atterinnor<,  in  «Svensk.  Mus.  Tidn.c, 
1897. 

2)  Den  Herren  DD.  Lindgren  und  Norlind  bin  ich  fur  freundliche  Unter- 
stiitzung  meiner  Studie  zu  verbindlichstem  Danke  verpflichtet. 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  119 


Francis  Hopkinson  (1737—1791). 

The  first  American  Composer 

by 

0.  G.  Sonneck. 

(Washington.) 


The  retrospective  patriotic  wave  that  swept  over  our  country  during 
the  last  twenty  years  touched  its  musical  history  but  slightly.  A  few 
writers  only,  like  Mr.  James  Warrington,  Charles  C.  Perkins,  Daniel 
Spillane,  Frederic  Louis  Bitter,  Henry  Edward  Krehbiel,  Henry  M. 
Brooks,  W.  Q.  Armstrong,  Louis  C.  Madeira,  have  taken  the  trouble  to 
exercise  their  critical  and  historical  talents  in  this  direction.  But  an 
impartial  and  accurate  history  of  'Music  in  America'  remains  to  be 
written  and  will  remain  so  until  many  more  problems  than  these  able 
men  have  solved,  are  approached  without  prejudice  and  with  scientific 
methods. 

For  instance,  who  was  the  first  American  composer? 

If  available  authorities  are  consulted  one  will  invariably  receive  this 
answer:  the  sturdy,  unpolished,  eccentric,  but  gifted  tanner  and  psal- 
modist  William  Billings,  born,  bred,  and  buried  at  Boston  between 
1746  *md  1800. 

But  if  the  reader  expects  to  be  entertained  with  a  biographical  sketch 
of  this  in  his  way  remarkable  man,  he  will,  I  fear,  be  disappointed.  I 
intend  to  say  nothing  about  Billings  except  that  he  was  not  the  first 
American  composer.  Unless  the  supporters  of  the  Billing's  legend  can 
prove  that  he  composed  music  eleven  years  prior  to  the  publication  of 
his  'New  England  Psalm  Singer'  in  1770,  they  will  have  to  relinquish 
their  claims;  for  music  written  both  by  James  Lyon,  of  Newark,  N.  J. 
and  by  Francis  Hopkinson  of  Philadelphia  carries  us  back  to  the 
year  1759. 

These  two  men,  amateur-musicians  like  Billings,  are  the  legitimate 
competitors  for  the  title  of  'the  first  American  composer'  as  far  as  I 
can  see.  Personally  I  am  inclined  —  for  reasons  that  will  appear  later 
on  —  to  confer  the  title  on  Francis  Hopkinson,  and  it  is  with  his  musical 
career  that  this  essay  deals.  It  forms  an  extract  from  an  hitherto  un- 
published book  on  Francis  Hopkinson  and  James  Lyon.  This  book  in 
frequent  instances  disagrees  with  generally  accepted  theories  on  our 
early  musical  life,  and  if  these  extracts  should  contain  unexpected  state- 


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130  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791). 

ments  without  allusion  to  my  sources  of  information  I  hope  the  reader 
will  not  be  too  sceptical  as  to  my  veracity  considering  the  impossibility 
of  drawing  a  microscopic  picture  in  the  narrow  compass  of  an  essay. 

As  far  as  Francis  Hopkinson's  curriculum  vitas  in  general  is  con- 
cerned, my  statements  may  easily  be  controlled,  having  been  taken  from 
Mr.  Cheney's  'History  of  the  University  of  Pennsylvania'. 

Francis  Hopkinson  was  born  in  Philadelphia,  September  21,  1737, 
as  son  of  the  Hon.  Thomas  and  Mary  (Johnson)  Hopkinson.  He  gra- 
duated from  the  College  of  Philadelphia  in  1757,  and  took  the  degree 
of  Master  of  Arts  in  1760,  and  that  of  Doctor  of  Law  in  1790,  also 
receiving  the  Master  of  Arts  degree  from  the  College  of  New  Jersey 
(Princeton)  gratiae  causa  in  1763.  He  was  admitted  to  the  Bar  in  1761. 

His  first  public  service  was  to  act  as  Secretary  to  a  conference 
between  the  Governor  and  the  Indians  of  the  Leheigh  region.  In  1759 
he  became  Secretary  of  the  Library  Company  of  Philadelphia;  as  also  of 
the  Vestry  of  Christ  Church  and  Saint  Peter's.  In  1768  he  married  Ann 
Borden  of  Bordentown,  N.  J. 

From  this  time  on  he  took  an  active  part  in  the  politics  of  his  country. 
In  March  1772  he  was  made  Collector*  of  the  Port  of  Newcastle,  and 
in  1774  he  was  appointed  to  a  seat  in  the  Provincial  Council  of  New 
Jersey.  In  1776  he  resigned  all  offices  which  were  incompatible  with 
his  allegiance  to  the  Colonial  party,  and  became  a  delegate  to  the  Con- 
tinental Congress.  As  a  member  of  this  body  he  signed  the  Declaration 
of  Independence.  In  the  same  year  he  was  appointed  by  Congress  to 
'Execute  the  business  of  the  Navy  under  their  direction'. 

All  through  the  war  he  was  constantly  writing  prose  and  verse, 
mostly  of  a  satirical  character,  in  support  of  his  political  faith.  The 
most  famous  of  these  poems  was  'the  Battle  of  the  Kegs'  written  in 
1778,  and  instantly  achieving  a  widespread  popularity.  In  1779  he  was 
appointed  Judge  of  the  Admiralty  from  Pennsylvania  and  he  presided 
over  this  court  until  Admiralty  became  vested  in  the  United  States.  In 
1778  he  became  a  Trustee  of  the  College  of  Philadelphia  serving  in  that 
capacity  until  his  death.  He  was  an  active  participator  in  the  debates 
of  the  Convention  of  1787  which  formed  the  Constitution  of  the  United 
States,  and  he  produced  at  this  time  a  humorous  work,  entitled  'The 
History  of  a  New  Roof,  which  seems  to  have  had  a  great  influence  upon 
some  of  the  most  distinguished  men  of  the  time.  He  died  of  apoplexy 
May  9,  1791. 

When  Francis  Hopkinson  was  growing  to  manhood  the  Colonies 
possessed  not  the  possibility  of  rivalling  the  Motherland  in  musical  mat- 
ters.    Our  early  musicians  lacked  opportunities  accumulated  abroad  during 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  121 

centuries  of  musical  activity  Their  own  efforts  were  restricted  to  a  feeble 
imitation  of  European  conditions,  and  to  the  development  of  our  musical 
life  out  of  a  most  primitive  towards  a  promising  and  noteworthy  state 
of  affairs.  However  it  would  be  a  fallacy  to  suppose  that  our  musical 
life  in  Colonial  times  was  limited  to  psalmody,  and  that  secular  music 
was  looked  down  upon  with  antipathy.  As  a  matter  of  fact,  though  this 
is  not' generally  known,  sacred  and  secular  music  developed  simultaneously 
throughout  the  Colonies.  Sacred  music  dominated  in  the  North  (Boston), 
secular  in  the  South  (Charleston);  whereas  in  the  Middle  Colonies  (New 
York  and  Philadelphia)  both  were  of  equal  weight.  That  our  musical 
life  was  very  primitive  during  the  first  half  of  the  eighteenth  century 
and  later,  especially  outside  of  the  principal  cities,  is  but  in  keeping 
with  the  logic  of  general  conditions.  If  we  permit  ourselves  to  express 
astonishment,  it  should  be  because  musical  matters  progressed  so  rapidly 
after  1760. 

Prior  to  this  year  Philadelphia,  though  in  many  other  respects  our 
foremost  city,  was  not  the  most  important  of  the  four  musical  centres 
mentioned.  In  fact,  it  ranked  last.  But  within  a  few  years  the  Quaker- 
city  gained  an  equal  footing  with  the  three  others,  and  it  is  found  in  the 
lead  a  generation  later. 

In  order  to  understand  and  appreciate  the  importance  of  Francis 
Hopkinson's  musical  career,  it  becomes  necessary  to  briefly  trace  the  de- 
velopment of  musical  matters  at  Philadelphia  before  he  became  a  factor 
of  further  progress.  The  data  that  throw  light  on  the  ground  out  of 
which  Francis  Hopkinson  the  musician  grew,  are  few,  insignificant,  and 
seemingly  incoherent,  but  nevertheless  an  upwards-tendency  is  noticeable. 

It  is  surprising  that  this  upwards-tendency  should  have  escaped  the 
attention  of  Louis  C.  Madeira  who  claims  in  his  valuable  l Annals  of 
Music  in  Philadelphia '  that: 

"the  only  evidence  of  musical  entertainments  in  Philadelphia  before  the 
middle  of  the  eighteenth  century  is  of  a  negative  kind.  In  1716,  at  the 
yearly  Meeting  of  the  Friends,  members  were  advised  against  going  to  or 
being  in  any  way  concerned  in  plays,  games,  lotteries,  music  and  dancing." 

Obviously  Mr.  Madeira  commits  a  Contradictio  in  adjecto,  for  the 
quotation  implies  that  the  friends  polemised  against  existing  temptations. 
But  not  until  about  a  dozen  years  later  do  we  gain  data  of  a  more 
than  hypothetical  character,  and  these  mostly  from  the  old  newspapers. 

I  have  not  found  any  positive  allusion  to  music  prior  to  the  year 
1728,  when  the  vestry  of  Christ  Church  resolved  to  purchase  an  organ 
imported  by  a  Mr.  Sprogel,  the  instrument  proving  'good  in  its  kind' 
and  costing  £  200.  In  the  same  year  dancing  lessons  seem  to  have  been 
introduced  in  Philadelphia  boarding  schools.     Perhaps  by  Mr.  Samuel 


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122  0.  Gr.  Sonneck,  FranciB  HopkinBon  (1737—1791). 

Perpoint,  who  in  1729  instructed  in  'the  Art  of  Dancing'  and  the  use 
of  'the  small  sword';  having,  as  he  advertised,  'taught  both  Accomplish- 
ment in  Jamaica',  from  where  we  imported  in  those  days  other  factors 
of  civilisation  besides  rum. 

Mr.  Perpoint  is  the  first  dancing  master  on  record  in  Philadelphia, 
but  where  there  is  dancing  there  must  be  music,  secular  music,  be  it 
only  some  popular  tunes  played  on  the  fiddle;  and  it  is  not  at  all  strange 
that  the  dancing  master  preceded  the  music  teacher  at  Philadelphia,  as 
the  same  observation  may  be  made  troughout  the  Colonies.  However, 
the  music  teacher  soon  followed,  in  fact  but  one  year  later,  in  1730. 

I  take  special  pleasure  in  stating  that  this  first  music  teacher  was  a 
woman,  Miss  Ball.  Mr.  Thomas  Ball,  who  taught  "Writing,  Arithmetic, 
with  the  true  Grounds  of  the  French  tongue  at  Twenty  Shillings  per 
Quarter",  added  to  his  advertisement  in  'the  Pennsylvania  Gazette'  (March 
5-13,  1730): 

"His  Wife  teaches  Writing  and  French.  Likewise  Singing,  Playing  on 
the  Spinet,  Dancing  and  all  sorts  of  Needle  Work  are  taught  by  his 
Sister  lately  arrived  from  London." 

After  this  memorable  event  the  newspapers  touch  music  but  slightly 
for  a  number  of  years.  But  we  have  evidence,  if  such  be  needed,  that 
music  was  at  least  deemed  necessary  for  a  satisfactory  celebration  of 
legal  holidays. 

On  March  1,  1732,  St.  David's  Day  and  the  Birthday  of  her  Majesty 
Queen  Carolina, 

uthe  Society  of  Ancient  Britons"  met  at  'the  Indian  King',  inarched  in 
procession  to  church,  waited  on  the  Governor  after  divine  Service  who  then 
partook  with  them  of  a  sumptuous  dinner,  when  "the  Loyal  Healths'  were 
drunk  under  the  discharge  of  cannon  and  the  "Day  concluded  with  Musick 
and  Friendship". 

If  the  year  1730  is  important  for  a  history  of  music-teaching  in  Phi- 
ladelphia, the  year  1742  stands  forth  as  the  birth-year  of  the  American 
pianoforte,  for  then  Gustavus  Hesselius,  of  the  Moravian  congregation 
at  Philadelphia,  began  to  build  his  spinets. 

Interesting  as  this  fact,  lately  discovered  by  Mr.  Jordan  of  the 
Pennsylvania  Historical  Society,  might  be  to  us,  or  as  it  might  have 
been  to  the  music  lovers  of  Philadelphia,  it  certainly  escaped  the  atten- 
tion of  Francis  Hopkinson,  then  in  his  seventh  year.  I  am  not  so  roman- 
tically inclined  as  to  imagine  that  young  Francis  was  taken  to  Hesselius' 
shop  to  run  his  tender  fingers  over  the  key-board,  to  pick  out  some  tune 
with  tears  of  delight  in  his  and  his  mothers  eyes,  and  that  he  thus 
received  the  first  kiss  of  the  Muse.   But  I  am  romantic  enough  to  believe 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  123 

—  and  something  similar  is  recorded  in  Tschaikovsky's  biography  —  that 
his  musical  instincts  received  an  impetus  if  his  mother  took  him  to 
admire 

"the  Solar  or  Camera  Obscura  Microscope"  exhibited  together  with  "the  TJn- 
parallelled  (sic)  Musical  Clock,  made  by  that  great  Master  of  Machinery 
David  Lockwood;  it  excels  all  others  in  the  Beauty  of  its  structure  and 
plays  the  choicest  Airs  from  the  most  celebrated  Operas  with  the  greatest 
Nicety  &  Exactness.  It  performs  with  beautiful  Graces  ingeniously  and 
variously  intermixed,  the  French  Horn  Pieces,  perform'd  upon  the  Organ, 
German  and  Common  Flute,  Flageolet  etc.  Sonata's,  Concerto's,  Marches, 
Minuets,  Jiggs  and  Scots  Airs,  composed  by  Corelli,  Alberoni,  Mr.  Handel 
and  other  great  and  eminent  Masters  of  Musick." 

This  wonderful  'Musical  Clock'  was  exhibited  in  1744  when  still  no 
man-musician  had  appeared  upon  the  plan  to  shape  the  destinies  of  musical 
Philadelphia,  if  we  may  trust  the  newspaper  advertisements.  Indeed, 
not  until  five  years  later,  on  March  21,  1749,  do  we  run  across  an  ad- 
vertisement to  that  effect  in  'the  Pennsylvania  Gazette': 

"John  Beals,  Musick  Master  from  London  at  his  house  in  Fourth  Street 
near  Chestnutstreet,  joining  to  Mr.  Linton's,  collar  maker,  teaches  the  Violin, 
Hautboy,  German  Flute,  Common  Flute  and  Dulcimer  by  note. 

Said  Beals  will  likewise  attend  young  ladies,  or  others,  that  may  desire 
it,  at  their  houses.  He  likewise  provides  musick  for  balls  or  other  enter- 
tainments." 

Mr.  Beals  met  with  sufficient  encouragement  to  take  up  his  residence 
at  Philadelphia,  where  he  is  to  be  traced  for  a  number  of  years.  It  is 
also  an  evident  sign  of  musical  progress  in  the  Quaker  city  that  he  did 
not  remain  long  without  competitors.  In  1753  a  Mr.  Robert  Coe  who 
drew  "Bills,  Bonds,  Indentures,  Leases,  Releases  and  other  Instruments 
of  Writing"  conceived  himself  "capable  of  teaching  to  play  on  that 
agreeable  Instrument  the  German  Flute". 

If  he  was  the  exponent  of  secular  music  Josiah  Davenport  taught 
"psalmody  in  several  necessary  and  useful  parts",  and  in  1757  kept  a 
"Singing  School  (for  the  Summer  Season  Evenings)  .  .  .  where  any  Per- 
son may  be  instructed  in  Psalmody,  that  is  capable  to  learn  this  agree- 
able Art". 

Finally  the  "new  Italian  Method"  of  violin  teaching  was  introduced 
two  years  later  by  "an  Italian  born",  Francis  Alberti. 

In  the  meanwhile  music  had  gained  a  foothold  in  other  directions. 
For  instance,  from  the  diary  of  Daniel  Fisher  we  know  that  Phila- 
delphia possessed  a  band  of  music  in  1755.  It  attended,  says  Daniel 
Fisher,  "the  Greatest  Procession  of  Free  Masons  .  .  .  that  was  ever 
seen  in  America.  No  less  than  160  being  in  the  Procession  in  Gloves, 
Aprons,  etc." 


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124  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791). 

The  members  of  this  band,  presumably,  together  with  some  'Gentle- 
men-Performers' tendered  their  services  when  a  'Concert  of  Music'  was 
given  on  January  25,  1757  'under  the  direction  of  Mr.  John  Palma'. 
Though  I  doubt  whether  this  was  the  first  concert  performed  at  Phila- 
delphia, it  was  the  first  public  concert  advertised,  as  far  as  I  am  aware. 
Unfortunately  we  know  nothing  of  the  program.  It  was  to  take  place 
at  the  Assembly  Room  in  Lodge  Alley  at  six  o'  clock.  Tickets  were  to 
be  had  at  the  London  Coffee  House,  at  one  Dollar  each  "and  no  Person 
to  be  admitted  without  a  Ticket". 

Six  years  previous,  in  1749,  opera,  English  opera,  had  been  intro- 
duced at  Philadelphia.  At  least  it  is  highly  probable  that  a  company 
headed  by  Messrs.  Kean  and  Murray  from  London  performed  at  Wil- 
liam Plumstead's  Warehouse  in  Kingstreet  such  musical  farces  or  after- 
pieces as  Oibber's  'Damon  and  Phillida',  Hill's  'Devil  to  play',  Gib- 
ber's 'Flora  or  Hob  in  the  Well',  Fielding's  'Virgin  Unmasked',  and 
Gay-Pepusch's  famous  'Beggar's  Opera'.  However,  the  authorities  frus- 
trated this  first  attempt  at  opera,  and  not  until  on  the  later  so-called 
Old  Company  of  Comedians  came  to  Philadelphia  in  1754,  managed  by 
Lewis  Hall  am  the  elder,  did  drama  and  opera,  English  opera  of  course, 
gain  a  more  or  less  permanent  stronghold  in  the  city. 

Little  difference  appears  between  the  repertoires  of  the  first  and 
second  companies,  but  as  Hallam's  company  was  of  decided  merit  we 
might  take  it  for  granted  that  the  old  ballad-operas  were  interpreted  to 
the  satisfaction  of  the  public. 

The  third  attempt  at  opera  took  place  in  1759  when,  in  the  spring 
of  the  year,  a  company  headed  by  Mr.  Douglass,  the  successor  of 
Hallam,  appeared  in  Philadelphia,  the  repertoire  being  the  same  as  before 
with  addition  of  Carey's  'A  Wonder,  or  an  Honest  Yorkshireman'. 
The  fore-last  performance  was  given  on  December  27,  1760  "towards  the 
raising  of  a  Fund  for  purchasing  an  Organ  to  the  College  Hall  .  .  .  and 
instructing  the  Charity  Children  in  Psalmody".  And  to  this  performance 
Francis  Hopkinson  contributed  a  'Prologue  in  Praise  of  Music'. 

If  in  addition  to  these  few  musical  items  I  allude  to  the  publication 
of  several  psalm-tune  collections,  to  the  establishment  of  church  choirs, 
to  performances  of  the  masque  of  'Alfred  the  Great'  at  the  College  of 
Philadelphia  in  1757  with  solos  and  choruses  and  additional  music,  to 
the  recorded  foundation  of  a  musical  society  called  'the  Orpheus  Club' 
by  the  students  in  1759,  to  the  advertisements  of  Michael  Hill  eg  as, 
the  'Wanamaker'  of  those  days  comprising  musical  articles  from  con- 
certos down  to  violin  strings  —  a  fair  idea  of  the  musical  or  unmusical 
milieu,  in  which  our  first  poet-composer  grew  to  manhood,  will  have  been 
gained.     Only  if  this  primitive  state  of  affairs  be  kept  in  mind,  will  it 


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O.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  125 

become  possible  to  understand  and  appreciate  his  musical  influence  and 
career. 


Of  Francis  Hopkinson's  childhood  hardly  anything  is  known  and  no 
anecdotes  are  current  among  his  descendants  illustrating  his  early  mu- 
sical inclinations.  Not  until  1754  does  his  n&me  appear  in  connection 
with  music. 

In  1757  'the  American  Magazine',  Philadelphia  published  an  'Ode  to 
Music'  with  this  editorial  remark: 

"Written  at  Philadelphia  by  a  young  Gentleman  of  17,  on  his  beginning 
to  learn  the  Harpsichord." 

The  ode  runs  in  the  following  style: 

"Hark!  Hark!  the  sweet  vibrating  lyre 

Sets  my  attentive  soul  on  fire; 

Thro'  all  my  frame  what  pleasures  thrill, 

"Whilst  the  loud  treble  warbles  shrill, 

And  the  more  slow  and  solemn  bass 

Adds  charms  to  charm  and  grace  to  grace." 

The  author  of  this  poetic  effusion  was  our  Francis  Hopkinson,  for  it 
appears  among  his  'Miscellaneous  Essays  and  Occasional  Writings'  pub- 
lished in  1792  and  among  some  manuscripts  of  his  still  preserved. 

To  begin  the  study  of  a  musical  instrument  at  the  age  of  seventeen 
is  not  conducive  to  a  good  mechanism,  and  certainly  Hopkinson  more 
than  once  despaired  of  ever  mastering  his  favorite  instrument.  Though 
he  probably  never  became  a  virtuoso  on  the  harpsichord  he  gained 
quite  a  reputation  among  Philadelphians  as  performer,  since  many  years 
after  his  death  Longacre  in  his  'National  Portrait  Gallery'  (1836)  re- 
marked: 

ttHe  was  a  musician  of  high  grade  in  his  performances  of  the  harpsichord". 

Whether  or  not  Hopkinson  began  his  musical  studies  as  an  autodidact 
is  a  matter  of  conjecture.  But  we  have  traced  for  the  years  1749  to 
1758  John  Beals,  Musick  Master  from  London.  Perhaps  he  or  Charles 
Love,  the  harpsichordist  in  Hallam's  company  initiated  him  in  the 
mysteries  of  the  harpsichord  and  thorough-bass.  Later  on,  in  1757,  John 
Pal  ma  might  have  given  him  lessons.  This  is  certainly  the  case  with 
a  musician  who  came  to  Philadelphia  a  few  years  later.  His  name  has 
puzzled  European  historians.  I  mean  James  Bremner,  a  relative  it  seems 
of  Robert  Bremner  the  Scottish  music  publisher,  editor  and  composer. 
If  the  career  of  James  in  England  is  involved  in  mystery,  we  can  at 
least  prove  that  he  lived  and  died  in  America,  respected  as  a  man  of 
culture  and  esteemed  as  a  musician.     It  would  appear  from  the  news- 


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126  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737-1791). 

papers  that  he  arrived  at  Philadelphia  in  1763,  when  he  opened,  in  De- 
cember of  the  year,  a  "Musical  §chool  for  instruction  on  the  Harpsi- 
chord, Guitar,  German  Flute''.  But  Bremner's  activity  was  not  limited 
to  teaching,  for  he  arranged  and  conducted  concerts  and  became  organist 
of  Christ  Church,  probably  in  1767.  He  died  "on  the  banks  of  the 
Schuylkill  in  Sept.  1780", "as  we  are  informed  in  a  foot-note  to  Hopkin- 
son's  Ode  'In  Memory  of  Mr.  James  Bremner'.  That  would  mean  in  less 
poetical  language  at  or  near  Philadelphia. 

Undoubtedly  Francis  Hopkinson  owed  much  of  his  musical  education 
to  Bremner,  as  did  Philadelphia  in  general.  The  venerable  grandson  of 
Francis,  Mr.  Oliver  Hopkinson,  himself  an  enthusiastic  lover  of  music 
and  skilful  violinist,  possesses  a  book  of  'Lessons'  in  the  hand-writing  of 
his  ancestor  in  which  appears  a  'Trumpet  Air',  a  'Lesson',  a  'March',  an 
'Overture  by  the  Lord  of  Kelly  adapted  to  the  Harpsichord',  and  'Lady 
Coventry's  Minuet  with  variations',  all  by  James  Bremner. 

This  fact  and  the  title  of  the  collection  combined  render  it  highly 
probable  that  Hopkinson  took  lessons  from  Bremner.  We  may  add  that 
the  book  contains  numerous  pieces  for  the  organ.  Now  we  know  that 
Hopkinson  became  an  accomplished  organist  as  well  as  harpsichordist, 
and  that  he  succeeded  Bremner  as  organist  of  Christ  Church.  We  read 
in  the  vestry  minutes  under  date  of  December  10,  1770: 

"Mr.  Church-warden  Hopkinson  having  been  so  obliging  as  to  perform 
on  the  organ  at  Christ  Church  during  the  absence  of  Mr.  Bremner,  the  late 
organist,  the  vestry  unanimously  requested  of  him  a  continuance  of  this 
kind  office,  until  an  organist  should  be  appointed,  or  as  long  as  it  should 
be  convenient  and  agreeable  to  himself.  Mr.  Hopkinson  cheerfully  granted 
the  request." 

It  is  not  recorded  how  long  he  volunteered  his  services  as  organist. 
Perhaps  until  Bremner  resumed  the  office  in  1774,  if  he  really  did  re- 
sume it.  At  any  rate,  the  vestry  minutes  mention  neither  his  nor  Brein- 
ner's  name  again,  and  in  1782  a  Mr.  Curtz  is  spoken  of  as  having  acted 
in  that  capacity  for  several  years  gratis. 

Hopkinson  may  have  been  proficient  on  the  organ  even  before 
Bremner's  arrival  at  Philadelphia. 

During  the  years  1757—1768  music  played  a  by  far  more  prominent 
part  at  the  College  of  Philadelphia  than  during  the  following.  Though 
not  the  only  graduate  to  imbue  his  alma  mater  with  a  musical  spirit, 
Francis  Hopkinson  was  surely  the  most  conspicuous  figure  in  this  respect, 
in  fact  the  soul  of  this  too  short-lived  musical  movement. 

It  will  be  remembered  that  an  organ  was  erected  in  the  College  in 
1760.  The  instrument  was  used  especially  at  Commencement  to  accom- 
pany the  usual  anthems  and  odes.     If  this  organ,  like  many  others  in 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  127 

Colonial  times,  was  without  pedals,  Hopkinson  had  no  reason  for  hesitat- 
ing to  play  on  it  when  occasion  called  for  his  services.  Now  we  know 
that  at  Commencement  of  1760  a  patriotic  ode  of  his  was  sung  and 
"accompanied  hy  the  organ,  which  made  the  music  a  very  compleat  and 
agreeable  Entertainment  to  all  present". 

From  all  we  know  of  the  character  of  young  composers  we  might 
rest  assured  that  Hopkinson  insisted  on  accompanying  himself  this  ode, 
which  was  said  to  have  "been  written  and  set  to  Music  in  a  very  grand 
and  masterly  Taste". 

To  form  a  correct  idea  of  Hopkinson's  knowledge  of  musical  litera- 
ture is  to-day,  of  course,  impossible.  But  he  certainly  was  conversant 
with  the  English  and  American  psalmodists  of  that  period.  Not  only 
did  his  duties  as  organist  require  a  familiarity  with  psalmody,  but  he 
himself  was  a  composer  of  psalm-tunes  and  anthems,  and  he  at  one  time 
instructed  in  psalmody.  This  fact  appears  from  the  vestry  minutes  of 
St.  Peter's  and  Christ  church  as  published  by  the  Rev.  Door.  We  find 
under  date  of  April  13,  1764  the  following  entry: 

"the  members  of  the  vestry,  who  frequently  attended  while  the  children 
of  the  united  congregations  were  improved  in  the  art  of  psalmody,  reported 
that  they  had  observed  Mr.  William  Young  in  connection  with  the  secretary 
Mr.  Hopkinson  to  take  great  and  constant  pains  in  teaching  and  instruct- 
ing the  children;  it  was  therefore  unanimously  agreed  that  the  thankful 
acknowledgments  of  this  not  board  be  given  Mr.  Hopkinson  and  Mr.  Young, 
for  their  kind  services  which  they  are  requested  still  to  continue.'9 

But  Francis  Hopkinson's  studies  in  the  literature  of  music  were  not 
restricted  to  the  relatively  narrow  field  of  psalmody.  His  descendants 
still  possess  parts  of  his  musical  library,  and  few  as  these  volumes  may 
be,  they  clearly  demonstrate  that  he  was  a  connoisseur  of  music. 

Among  the  remanants  of  this  library,  that  shows  a  strong  inclination 
towards  the  Italians,  a  book  of  'Lessons'  is  of  particular  interest.  It  is 
mainly  in  Hopkinson's  manuscript,  and  abounds  in  Airs,  Dances,  Les- 
sons, Overtures,  Concertos,  Minuets  and  Marches.  The  majority  of  the 
compositions  are  anonymous,  but  the  authors  mentioned  are  quite  form- 
idable: Haendel,  Scarlatti,  Abel,  Stamitz,  Vivaldi,  Galuppi, 
Pugnani,  Stanley,  Smith,  Pasquali,  Giardini,  Corelli,  Gemi- 
niani,  Bremner,  Lord  Kelly. 

Passing  from  arrangements  to  original  compositions,  once  owned  by 
Francis  Hopkinson  and  now  in  possession  of  his  grandson,  we  notice: 

Longman,    Luckey   &    Co.'s    collection    of  'Periodical   Overtures   for   the 

Harpsichord1.    Nob  I — X. 
Six  Divertimenti  for  the  Harpsichord  and  Violin.     Composed   by  Pietro 

Guglielmi. 


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128  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737-1791). 

Six  Sonatas  for  the  Piano-Forte  or  Harpsichord.  Composed  by  Frederick 
Theodor  Schumann.     Opera  5U.     London. 

Handel's  Songs,  selected  from  his  Oratorios.     Printed  by  J.  Walsh. 

XII  Concerti  Grossi.  Op.  6.  By  Arcangelo  Corelli.  Printed  by  J. 
Walsh.     London. 

Vivaldi's  Most  Celebrated  Concertos  in  all  their  parts  for  violins  and 
other  Instruments  with  a  Thorough  Bass  for  the  Harpsichord.  Com- 
posed by  Antonio  Vivaldi.  Opera  Terza.  London.  Printed  for 
J.  Walsh. 

Giuseppe  Matteo  Alberti's  Concerto's  for  three  Violins,  an  Alto  Viola 
and  a  Thorough  Bass  for  the  Harpsichord  or  Bass  Violin.  Opera 
Prima. 

Of  course  Francis  Hopkinson  did  not  collect  his  entire  musical 
library,  of  which  the  volumes  mentioned  made  a  small  part  only,  during 
his  musical  apprenticeship.  Very  likely  he  purchased  a  number  of  works 
from  Robert  Bremner  when  in  England  during  the  years  1766  and  1767. 
His  residence  abroad  certainly  helped  to  refine  his  taste  and  broadened 
his  musical  knowledge.  Unfortunately  the  musical  items  contained  in  his 
letters  written  to  his  mother  are  few.  This  scarcity  of  information  is 
due  to  a  policy  adopted  before  him  and  after  him  by  many  a  sight-seeing 
son  when  writing  home.    Says  Francis  in  one  of  his  letters: 

"It  would  be  too  tedious  to  give  you  a  Description  of  all  these  Places 
&  of  all  the  other  Things  worth  of  notice  which  I  am  like  to  see  before 
I  get  Home,  by  Way  of  Letter;  I  must,  therefore  defer  that  Pleasure,  till 
my  Return ,9. 

However,  this  very  letter  contains  a  passus  that  atones  for  his  'Schreib- 
faulheit'  as  the  Germans  in  their  usual  blunt  way  would  call  his  policy: 
Francis  did  not  consider  it  too  tedious  to  write: 

"I  happened  Yesterday  in  a  Coffee  House  to  meet  with  a  Gentleman 
whom  I  knew  at  Philad.  Glad  was  I  to  see  any  thing  I  had  seen  before. 
His  Name  is  Mr.  Flanagan;  he  used  to  come  sometimes  to  my  concerts."' 

This  passus  is  the  only  positive  clue  to  Francis  Hopkinson's  career 
as  concert  manager  or  performer,  but  by  combining  with  it  other,  quasi 
anonymous,  data  we  are  able  to  trace  these  concerts. 

Hopkinson  might  have  appeared  for  the  first  time  before  a  public 
larger  than  the  circle  of  his  relatives  and  personal  friends  when  in  Jan- 
uary 1757  the  'Masque  of  Alfred  the  Great'  was  performed  at  the  Col- 
lege of  Philadelphia  with  alterations  as  an  'Oratorial  Exercise',  the  in- 
strumental parts  of  Dr.  Arne's  music  being  played  by  some  gentlemen, 
the  vocal  sung  by  several  young  ladies  among  them  Miss  Hopkinson. 
It  is  reasonable  to  suppose  that  her  brother,  still  an  undergraduate,  was 
requested  to  accompany  the  choruses  and  songs,  etc.  on  the  harpsichord. 
The  same  duty   might  have  fallen   to   him   at  the   entertainment   given 


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0.  Gh  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  129 

towards  the   purchase   of  an  organ  for  the   college  at  the   theatre  on 
Socisty  Hil,  December  27,  1759,  as 

"Before  the  Play  and  between  the  Acts  several  celebrated  Pieces  of 
Concert  Music"  were  to  be  "performed  by  some  Gentlemen  of  this  City,  who 
have  kindly  consented  to  promote  the  Design  of  this  Entertainment;  for 
which  Purpose  a  neat  Harpsichord  will  be  provided." 

However,  neither  his  probable  appearance  on  these  occasions,  nor  at 
the  Commencements  during  the  following  years  would  have  been  styled 
by  Hopkinson  as  "my  concerts".  Unless  these  were  'musical  at-homes', 
we  must  depend  on  the  newspapers  to  discover  the  entertainments  to 
which  he  was  alluding. 

After  the  two  concerts  given  in  Philadelphia  in  1757  we  do  not  find 
any  recorded  until  1764.  In  this  year  'the  Pennsylvania  Gazette'  printed 
the  following  advertisement: 

"Philadelphia,  January  12,   1764. 

On  Thursday,  the  19th  instant,  at  the  Assembly  Room  in  Lodge  Alley, 
will  be  performed  a  Concert  of  Musick,  to  be  continued  every  other 
Thursday,  till  the  24th  of  May  following. 

No  more  than  70  Subscribers  will  be  admitted,  and  each,  on  paying 
three  Pounds  for  the  Season,  to  have  one  Lady's  Ticket,  to  be  disposed  of 
every  Concert  Night,  as  he  thinks  proper.  Subscriptions  are  taken  in  at 
Messieurs  Rivington  and  Brown's  Store,  and  by  Mr.  Bremner,  at  Mr.  Glover 
Hunt's,  in  .Marketstreet,  near  the  London  Coffee  House. 

NB.    The  Concert  to  begin  precisely  at  6  o'clock." 

Unless  James  Bremner  arranged  these  fortnightly  subscription  con- 
certs, we  might  argue,  on  the  basis  of  Hopkinson's  letter  to  his  mother, 
that  he  was  the  moving  spirit  of  the  enterprise.  At  any  rate  it  is  safe 
to  conjecture  that  he  was  one  of  the  prominent  active  subscribers.  The 
concerts  were  continued  during  the  next  winter,  but  possibly  not  during 
that  of  1765 — 1766,  as  no  information  to  this  effect  seems  to  be  extant. 

Unfortunately  it  was  customary  to  advertise  the  dates  only  of  the 
regular  subscription  concerts  without  the  programs,  a  custom  easily  to 
be  explained.  The  concerts  were  not  public,  accessible  only  as  a  rule 
to  subscribers;  and  therefore  it  was  hardly  necessary  to  publish  the  pro- 
grams in  the  newspapers.  Programs,  in  the  majority  of  instances,  are  to 
be  traced  for  the  public  concerts  only,  arranged  for  the  benefit  of  in- 
stitutions or  professional  musicians.  For  these  reasons  we  shall  never 
know  exactly  —  unless  the  programs  are  extant  in  some  private  collection 
of  early  play-bills  and  the  like  —  what  works  were  performed  and  who 
performed  them  in  the  subscription  concerts  mentioned.  If  the  programs 
were  arranged  by  Francis  Hopkinson,  then  his  library  would  furnish  a 
clue  as  to  the  character  of  the  compositions  played,  and  then  we  might 

s.  a.  i.  m.  v.  9 


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130  0.  GK  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791). 

largue  that  the  subscribers  had  ample  opportunity  for  becoming  familiar 
with  "a  Variety  of  the  most  celebrated  Pieces  now  in  Taste",  as  Stephen 
Forrage  expressed  himself  when  advertising  'A  Concert  of  Music'  to 
take  place  on  December  31st  1764  "for  the  benefit  of  Mr.  Forrage  and 
other  Assistant  Performers  at  the  Subscription  Concert  in  this  City". 
Naturally  all  these  concerts,  either  public  or  private,  would  resemble 
one  another.  Now  we  know  that  Mr.  Bremner  gave  a  concert  at  the 
College  Hall  in  April  1765  for  the  benefit  of  the  Boys  and  Girls  Charity 
School : 

"The  vocal  Parts  chiefly  by  young  Gentlemen  educated  in  this  Seminary 
.  .  .  upon  the  plan  of  the  musical  performances  in  Cathedrals,  etc.  for  public 
charities  in  England." 

Fortunately  the  printed  program,  under  the  title  of  the  "Plan  of  a 
Performance  of  Solemn  Musick*  has  been  preserved.  The  concert  was 
opened  with  an  Oration,  then  followed  an  Overture  by  Stamitz,  a  now 
unduly  forgotten  composer,  then  a  sacred  air,  the  sixth  concerto  by 
Geminiani,  a  second  Oration,  a  Solo  on  the  Violin,  an  Overture  by 
the  Earl  of  Kelly,  a  sacred  air,  the  Second  Overture  by  Martini, 
another  Oration,  then  the  Overture  in  the  Opera  Artaxerxes  by  Arne, 
a  Sonata  on  the  Harpsichord;  and  the  whole  concluded  with  a  Hallelujah 
Chorus. 

The  "Subscription  Concerts"  of  which  Francis  Hopkinson  seems  to 
have  been  the  manager,  were  probably  not  interspersed  with  choral  music, 
but  otherwise  they  certainly  offered  the  same  high  class  of  music  to  the 
Subscribers  as  the  plan  just  quoted.  They  would  best  be  classified,  to 
use  a  modern  term,  as  soirees  of  chamber-music.  The  works  played 
which  called  for  the  largest  number  of  performers  were  certainly  the 
ConcerU  Grossi,  concertos  for  several  solo  instruments  with  orchestra- 
accompaniment.  To  play  these  not  more  than  a  dozen  musicians  were 
required,  and  this  number  could  easily  have  been  recruited  among  the 
gentlemen-amateurs  and  professional  musicians  of  Philadelphia.  Extract- 
ing the  names  and  their  speciality  from  the  newspaper  advertisements, 
we  might  form  the  following  idea  of  the  orchestra. 

Francis  Hopkinson  -would  preside  at  the  Harpsichord,  the  strings 
would  be  represented  by  James  Bremner,  Stephen  Forrage,  John 
Schneider,  Governor  John  Penn,  and  two  or  three  other  amateurs. 
When  occasion  called  for  it,  John  Schneider  would  play  the  French 
Horn,  Ernest  Barnard,  George  D'Eissenberg,  or,  if  he  still  resided 
at  Philadelphia,  John  Stadler  the  German  Flute;  and  that  Oboists 
were  to  be  had  in  the  Quaker  City  we  know  from  the  first  chapter. 

Amusingly  primitive  as  all  this  may  seem  to  readers  not  historically 
trained,  it  was  a  beginning,  and  the  seventy  subscribers  certainly  enjoyed 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791;.  131 

the  music  as  much  as  if  not  more  than  hundreds  and  thousands  of  those 
who  fill  a  modern  concert  hall,  and  listen  attentively  to  music,  much  of  which, 
though  now  considered  immortal,  will  be  forgotten  as  have  been  forgotten 
the  compositions  of  such  gifted  men  as  Valentini,  Corelli,  Pugnani, 
Stanley,  Geminiani,  etc.,  played  by  Hopkinson,  his  friends  and  the 
"Assistant  Performers". 

After  his  return  from  England  Francis  Hopkinson  seems  again  to 
have  taken  up  the  idea  of  arranging  concerts.  Two  letters  were  ex- 
changed between  him  and  his  friend  Governor  John  Penn,  —  he  too 
an  enthusiastic  amateur  and  a  skilled  violinist  with  whose  'fiddle'  Francis 
Hopkinson's  harpsichord  frequently  joined  in  concert,  —  that  give  evi- 
dence to  this  effect.  But  they  add  nothing  materially  new  to  the  state- 
ment concerning  Hopkinson's  career  as  a  concert  performer. 

In  order  not  to  arouse  an  impression  that  Francis  Hopkinson  was 
a  professional  performer,  a  fewT  general  remarks  might  not  be  out  of 
place.  Orchestral  chamber-music  would  have  been  quite  impossible  in 
those  days  without  the  assistance  of  "Gentlemen-performers",  not  alone 
at  Philadelphia  but  in  many  a  provincial  town  of  Europe.  Even  to-day 
provincial  orchestras  both  in  Europe  and  America  frequently  have  to 
rely  upon  the  assistance  of  amateurs.  To  play  the  German  flute,  Harp- 
sichord or  Violin  in  "Subscription  Concerts"  could  not  have  been  con- 
sidered unbecoming  a  "Gentleman",  as  the  entertainments  were  of  a  more 
or  less  private  nature,  arranged  principally  by  the  amateurs  for  their  own 
amusement  and  improvement,  and  resembling  to  a  certain  extent  the 
concerts  of  the  many  philharmonic  academies  in  Italy  for  instance,  or  of 
many  a  "Cottegicum  Musicum"  in  Germany. 

The  same  applies  to  the  really  public  concerts  given  by  professional 
musicians  for  their  own  benefit.  However  unwilling  the  aristocratic  Co- 
lonials were  to  put  themselves  on  an  equal  footing  with  a  poor  devil  of 
musician,  they  hesitated  not  to  lend  a  helping  hand  for  his  "Benefit"  if 
he  were  an  ^honest  fellow",  as  Governor  Penn  put  it  in  a  letter  to 
Hopkinson. 

The  few  cursory  remarks  on  the  musical  life  at  Philadelphia  about 
1765  I  have  made  certainly  prove  a  surprising  progress  in  matters  musical. 
It  would  be  uncritical  to  attribute  it  entirely  to  Francis  Hopkinson's 
enthusiasm,  but  chronological  coincidences  forbid  to  underestimate  his 
beneficial  influence. 

A  few  years  later  the  War  for  Independence  broke  out.  Everywhere 
fiddle  and  harpsichord  gave  way  to  fife  and  drum.  Our  musical  life  which 
not  alone  at  Philadelphia  but  at  Boston,  Charleston,  New  York  and  in 
cities  of  minor  importance  had  steadily  been  developing,  was  crushed,  and 
remained  crippled  for  years  after  the  war.    Then  indeed  conditions  were 

9* 


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132  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737-1791). 

deplorable  and  we  need  not  wonder,  if  English,  French  and  German 
officers  and  travellers  with  a  few  exceptions  invariably  entered  in  their 
diaries  notes  to  the  effect  that  very  little  of  music  was  to  be  found  in 
the  United  States.  These  gentlemen  were  good  observers,  but  poor 
historians,  and  to  apply  their  observations  to  the  ten  or  fifteen  years 
preceeding  the  Revolution  would  show  absolute  ignorance  of  the  real 
conditions. 

After  peace  had  been  signed,  the  element  of  the  people  which,  pre- 
vious to  the  war.  had  opposed  all  theatrical  or  musical  amusements  for 
the  sake  of  a  narrow,  though  well-meant,  principle,  and  for  the  salvation 
of  their  Philistine  souls,  now  gained  the  upper  hand  for  a  while.  This 
was  but  natural.  A  degenerated,  frivolous  nation  may  sing  and  dance 
merrily  over  the  fresh  graves  of  thousands  of  brave  patriots,  but  not  so 
a  young,  God-fearing  nation.  Gradually  however,  as  the  wounds  in- 
flicted upon  the  population  by  this  glorious  but  fearful  war  began  to 
heal,  arts,  sciences  and  entertainments  returned  —  not  less  essential  for  the 
welfare,  vitality  and  progress  of  a  nation  than  for  politics  or  commerce.  It 
lies  not  within  the  plan  of  this  study  to  describe  the  musical  surround- 
ings in  which  Francis  Hopkinson  lived  after  the  war.  A  simple  reason 
forbids  this.  His  activity  had  been  necessary  previous  to  the  great 
struggle  for  Independence,  to  awaken  and  to  keep  awake  the  musical 
life  at  Philadelphia.  But  now  the  days  of  the  amateur-musicians 
had  passed,  the  professional  took  his  place,  and  the  golden  age 
of  music  in  Philadelphia,  the  period  from  1790  to  1850  was  fast  approach- 
ing. Without  doubt  Francis  Hopkinson's  love  of  music  was  as  deep  after 
as  we  know  it  to  have  been  previous  to  the  war.  For  this  statement  we 
have  more  than  one  argument  in  store,  but  his  position  had  somewhat 
changed.  It  was  less  the  musician  Hopkinson  than  the  music-lover  the 
"Maecenas"  who  now  influenced  matters,  if  we  except  his  activity  as  com- 
poser and  improver  of  the  Harpsichord.  We  may  rest  assured  that 
Reinagle  and  the  others  were  welcome  at  his  house,  received  from  him 
all  due  protection,  respected  him  as  their  most  important  forerunner,  and 
well  knew  that  without  the  foundations  laid  by  him,  Bremner,  Penn, 
Gualdo,  their  own  position  would  have  been  uncertain  and  difficult  to 
hold.  One  of  these  musicians,  at  least,  has  left  an  eloquent  tribute  of 
gratitude:  William  Brown,  in  1787,  composed  and  published  "Three 
Rondos  for  the  Pianoforte''  which  he  "Humbly  dedicated  to  the  Honour- 
bale  Francis  Hopkinson,  Esqr." 


After  James  Bremner  resigned  office  as  organist  Francis  Hopkinson 
consented   to  take  his  place  until  the  appointment  of  a  new  organist. 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  ^1737— 1791:.  133 

During  these  years  he  had  ample  opportunity  to  form  ideas  concerning 
the  proper  conduct  of  organs  in  church.  They  are  embodied  in  the  sec- 
ond volume  (pp.  119 — 126)  of  his  "Miscellaneous  Essays  and  Occasional 
Writings"  in  a  form  of  'Letter  to  the  Rev.  Doctor  "White,  Rector  of 
Christ  Church  and  St.  Peter's  on  the  Conduct  of  a  Church  Organ'.  It 
is  a  pity  that  musical  reviews  did  not  exist  in  the  United  States  of  the 
eighteenth  century.  If  this  had  been  the  case  Hopkinson's  ideas  would 
not  have  been  buried  alive,  but  would  have  attracted  widespread  atten- 
tion and  borne  fruit  among  our  early  organists.  Some  oddities  excepted, 
the  letter  shows  so  much  common  sense  and  artistic  spirit  as  to  be  of 
educational  value  even  to-day.  I  hesitate  not  to  declare  that  little  has 
been  written  on  the  subject  in  so  few  lines  with  superior  lucidity  and 
correctness. 

Our  organists  have  made  wonderful  progress  as  virtuosi  during  the 
last  hundred  years,  but  the  development  of  their  aesthetic  faculties  has 
not  kept  pace  with  that  of  their  technical  skill.  In  this  respect  they  have 
not  advanced  a  single  step  beyond  the  standpoint  of  the  Colonial  amateur 
organist,  on  the  contrary  he  surpasses  many  of  them  with  his  ideas  of  a 
true  organ  style  in  church.  Never  would  Francis  Hopkinson  have  prof- 
aned the  instrument  of  a  Frescobaldi  or  a  Bach  by  turning  it,  as  many 
a  modern  organist  does,  into  a  concert  instrument,  into  a  kind  of  or- 
chestrion for  which  anything  will  do  from  a  fugue  to  an  operatic  pot- 
pourri. I  cannot  quote  here  more  than  a  few  passages  from  Hopkinson's 
letter,  but  they  will  be  sufficient,  I  hope,  to  corroborate  my  statement. 
For  instance: 

"I  am  one  of  those  who  take  great  delight  in  sacred  music  and 
think,  with  royal  David,  that  Harp,  Voice,  and  instruments  should  unite 
in  adoration  of  the  great  Supreme." 

or 

"The  organist  should  always  keep  in  mind,  that  neither  the  time 
or  place  is  suitable  for  exhibiting  all  his  powers  of  execution  and  that 
the  congregation  have  not  assembled  to  be  entertained  with  his  per- 
formance. The  excellence  of  an  organist  consists  in  his  making  the 
instrument  subservient  and  conducive  to  the  purposes  of  devotion.  None 
but  a  master  can  do  this.  An  ordinary  performer  may  play  surprising 
tricks,  and  shew  great  dexterity  in  running  through  difficult  passages, 
which  he  hath  subdued  by  dint  of  previous  labor  and  practice:  But 
he  must  have  judgement  and  taste  who  can  call  forth  the  powers  of 
the  instrument  and  apply  them  with  propriety  and  effect  to  the  serious- 
ness of  the  occasion." 

or  again 

"The  interludes  between  the  verses  of  the  Psalm  were  designed  to 
give   the  singers   a   little   pause,   not  only   to    take  breath,  but  also  an 


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134  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  [1737- 1791). 

opportunity  for  a  short  retrospect  of  the  words  they  have  sung  in  which 
the  organ  ought  to  assist  their  reflections.  For  this  purpose  the  organist 
should  be  previous  informed  by  the  clerk  of  the  verses  to  be  sung, 
that  he  may  modulate  his  interludes  according  to  the  subject/' 

or  finally 

uIn  general,  the  organ  should  ever  preserve  its  dignity;  and  upon 
no  account  issue  light  and  pointed  movements  which  may  draw  the 
attention  of  the  congregation  and  induce  them  to  carry  home  not  the 
serious  sentiments  which  the  service  should  impress,  but  some  very 
pretty  air  with  which  the  organist  hath  been  so  good  as  to  ascertain 
them.  It  is  as  offensive  to  hear  lilts  and  jiggs  from  a  church  organ, 
as  it  would  be  to  see  a  venerable  matron  frisking  through  the  public 
streets  with  all  the  fantastic  airs  of  a  Columbine." 


To  Francis  Hopkinson's  activity  as  a  Gentleman-musician,  harpsi- 
chordist, teacher  of  psalmody,  concert  performer,  organist,  and  critic,  I 
must  add  another  interesting  side  before  touching  his  career  as  a  composer. 

Hopkinson's  favorite  instrument  was  the  harpsichord.  As  is  well  known 
this  instrument  was  not  displaced  in  the  public  favor  by  our  modern  piano- 
forte until  about  the  end  of  the  eighteenth  century.  Built  on  the  plectrum 
principle  the  strings  being  set  in  vibration  by  points  of  quill,  elevated  on 
wooden  uprights,  known  as  jacks,  and  twitching  or  plucking  them  as  the 
depression  of  the  keys  caused  the  point  upwards,  the  harpsichord  was  in- 
capable of  dynamic  modifications  of  tone  by  difference  of  touch.  With  the 
crow-quill  as  plectrum  the  harpsichord  gained  a  position  during  the  sixteenth, 
seventeenth  and  eighteenth  centuries  analogous  to  that  now  accorded  the 
pianoforte.  With  its  uniform  but  penetrating  tone  the  harpsichord  was 
especially  employed  for  concerts  with  orchestral  accompaniments  or  for  ac- 
companying vocal  choruses,  and  during  the  time  of  Handel  and  Bach  was 
the  constant  support  to  theRecitativo  secco  (Hopkinson's  "speaking  musically"), 
its  weak  notes  being  reinforced  by  violoncello  and  double  basses.  Towards 
the  end  of  the  eighteenth  century  the  instrument  was  withdrawn  and  the 
big  fiddles  were  left  by  themselves  to  accompany  the  ordinary  recitative 
in  a  fashion  more  peculiar  than  satisfactory.    (Grove.) 

The  innate  defect  of  the  harpsichord  caused  the  invention  of  the 
Piano-Forte,  as  it  was  called  for  obvious  reasons  by  the  inventor  Barto- 
lomeo  Chris  tofori,  whose  first  instrument,  built  about  1700,  is  preserved 
in  the  Metropolitan  Museum  of  Art  in  New  York  City.  But  most  ama- 
teurs and  professional  musicians  clung  to  the  harpsichord  for  at  least 
seventy  years,  fully  convinced  of  its  superiority  over  the  pianoforte  though 
not  blind  to  its  shortcomings.  These  being  admitted,  innumerable  attempts 
were  made  to  improve  the  harpsichord  as  harpsichord.    Finally  they  re- 


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0.  Gh  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  135 

sorted  to  curiously  artificial  means,  and  instruments  were  constructed  with 
more  than  twenty  modifications  to  imitate  the  tones  of  the  harp,  the  lute, 
the  mandolin,  the  bassoon,  the  flageolet,  oboe,  violins,  and  other  in- 
struments. Among  the  improvers  stand  forth  as  the  most  conspicuous: 
Richard,  William  Barton,  Pascal  Taskin,  Wieglieb  and  a  certain 
Hopkinson,  whose  improvements  have  been  called  by  one  historian  the 
"last  glory  of  the  harpsichord".  Of  this  Hopkinson  the  European  histo- 
rians unanimously  remark  that  he  was  an  Englishman  residing  at  Paris. 
Even  Fetis  was  of  this  opinion  though  the  very  fact  that  he  knew  that 
Hopkinson's  improvements  were  described  by  the  author  in  the  second 
volume  of  the  Transactions  of  the  American  Philosophical  Society  under 
the  title  of:  "An  improved  method  of  quilling  a  harpsichord"  should  have 
aroused  his  suspicions  as  to  the  nationality  of  this  mysterious  Hopkinson. 
To  make  a  long  and  forgotten  story  short,  the  last  glory  of  the  harpsi- 
chord was  not  due  to  an  Englishman  residing  at  Paris,  but  to  our  own 
Francis  Hopkinson.  There  can  be  no  doubt  about  this  for  the  improve- 
ments were  described  not  only  in  the  Transactions  under  his  name,  the 
individual  papers  being  read  in  1783,  1784,  and  1786,  but  also  in  'the 
Columbian  Magazine',  Philadelphia,  May  1787  and  with  some  slight 
alterations  in  the  second  volume  of  Hopkinson's  'Miscellaneous  Essays  . .  .' 
under  the  title  of  a 

"Description  of  an  improved  Method  of  tongueing  a  Harpsichord  or 
Spinnet,  by  F.  H.  Esq." 

I  shall  not  intrude  upon  the  patience  of  the  reader  with  extensive 
quotations  from  this  technical  essay,  or  with  a  history  of  Hopkinson's 
various  and  continued  experiments  or  with  a  criticism  of  the  objections 
raised  against  his  improvements.  It  is  sufficient  to  remark  that  he  en- 
deavoured to  improve  the  harpsichord  without  resorting  to  such  artificial 
means  as  mentioned  above.  He  did  away  with  the  crow-quill  that  had 
come  to  be  considered  indispensible,  and  introduced  instead  first  metal 
tongues,  and  then  leather  quills.  These  contrivances  became  known  in 
Europe  where  similar  devices  had  been  tried  in  order  to  improve  the 
tone  of  the  harpsichord  without  destroying  the  peculiar  character  of  the 
instrument.  But  it  did  not  become  known  abroad  that  Hopkinson  still 
continued  his  experiments  and  that  he  flattered  himself  with  having  finally 
attained  his  object.    He  wrote  in  Hhe  Columbian  Magazine',  1787: 

"The  desideratum  is  a  substance  to  supply  the  place  of  the  crow-quill, 
sufficiently  elastic  for  the  purpose  to  afford  a  brilliant  and  easy  touch,  to 
draw  from  the  strings  a  full  and  agreeable  tone,  and  to  be  permanent  in 
itself,   and  applied  with  as  much  ease  and  simplicity  as  the  quill. 

After  many  fruitless  experiments  I  have  found  the  following  construction 
to  answer  all  purposes  required. 


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136  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791). 

I  took  what  is  called  Velvet  cork  of  the  very  best  kind,  perfectly  free 
from  dolts,  cracks  or  blemishes,  I  cut  this  cork  into  plates  about  one  quarter 
of  an  inch  thick,  and  glued  upon  them  thin  and  well  polished  leather ;  from 
this  I  cut  the  tongues,  and  fixed  them  tight  into  mortices  cut  in  the  palates, 
in  the  same  manner  and  with  the  same  ease  that  the  common  quill  is  fixed 
in  the  little  hole  punched  for  its  reception.  The  tongue  thus  fixed  must  be 
slanted  off  underneath,  from  the  point  where  it  must  be  very  thin  to  the 
root,  where  it  will  be  thickest,  and  then  nibbed  like  a  pen,  to  the  proper 
length,  and  the  touch  may  be  easily  and  nicely  adjusted  by  shaving  away 
more  of  the  cork  from  underneath,  with  a  sharp  pen-knife  or  fine  file." 


Surely  the  musical  activity  of  Francis  Hopkinson,  the  politician,  poet, 
humorist,  inventor,  painter,  lawyer,  Secretary  of  the  Navy  and  so  forth, 
deserves  serious  attention  even  without  allusion  to  his  forgotten  activity 
as  a  composer.  But  the  fact  that  he  seems  to  have  been  the  first  native 
American  composer  adds  immensely  to  the  interest  to  be  taken  by  us 
musicians  in  his  remarkable  and  many-sided  personality,  even  if  his  com- 
positions do  not  stand  the  test  of  criticism  not  historically  inclined  or 
trained. 

Though  Francis  Hopkinson's  earliest  compositions  extant  must  with 
all  probability  be  dated  1759,  there  is  a  possibility  that  he  contributed 
some  original  music  to  the  "Oratorical  Exercise"  called  the  "Redemp- 
tion of  the  Danish  Invasion  by  Alfred  the  Great  originally  written  by 
the  pious  and  philosophic  Mr.  Thompson  in  connection  with  Mr.  Mallet, 
and  in  the  year  1751  altered  and  generally  improved  by  the  latter". 

This  "Oratorical  Exercise"  was  acted  with  alterations  and  additions 
in  January  1757  at  the  College  Hall  in  Philadelphia  by  the  "Young 
Gentlemen  of  the  College  ...  for  their  improvement  in  Oratory".  The 
music  mostly  by  Dr.  Arne  was  played  by  several  gentlemen,  and  the 
vocal  parts  sung  by  a  number  of  young  ladies,  among  them  Francis* 
sister.  This  Masque  of  "Alfred  the  Great",  as  it  is  generally  called, 
was  performed  repeatedly,  and  'the  Pennsylvania  Gazette1  devoted  several 
long  'editorials'  to  its  description.  Among  other  things  we  learn  that  a 
duet  between  two  invisible  spirits  in  the  character  of  Alfred's  Guardian 
Angels  was  altered  from  the  original  and  fitted  to  an  excellentPiece 
of  new  music  by  one  of  the  Performers. 

Circumstantial  evidence  forbids  to  think  of  any  other  performer  but 
Francis  Hopkinson  who  could  have  undertaken  to  fit  the  duet  to  'this 
excellent  piece  of  new  music'.  Unfortunately  'the  Pennsylvania  Gazette' 
does  not  mention  his  name,  otherwise  the  fact  that  he  composed  music 
in  1757  would  remove  all  reasonable  doubt  as  to  his  having  been  the 
first  native  American  composer.  As  historical  investigations  stand  to-day 
James  Lyon  enters  into  some  competition  for  the  title  of  the  father  of 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737-1791). 


137 


American  composers,  for  we  know  that  he  composed  an  Ode  on  Peace 
for  the  Commencement  Exercises  at  Princeton  in  September  1759.  This 
same  year  'Philadelphia  Anno  Domini  1759',  appears  dated  at  the  be- 
ginning of  a  collection  of  'Songs',  in  Francis  Hopkinson's  own  hand  and 
now  in  possession  of  Mrs.  Florence  Scovel  Shinn  of  New  York  City.  The 
collection  contains  on  page  63  a  song  beginning  with  the  words  (by 
Dr.  Parnell  under  the  title  of  'Love  and  Innocence']  'My  days  have 
been  so  wondrous  free'.  This  harmless  but  pretty  little  piece  bears,  like 
several  others  in  the  same  volume,  Francis  Hopkinson's  initials:  F.  H. 
It  is  undated,  but  as  the  collection  was  evidently  begun  in  1759  and  as 
towards  the  end  of  the  book  on  page  180,  appears  an  Anthem  dated 
"F.  H.  1760",  it  is  highly  probable  that  the  song  on  page  63  was  written 
in  1759. 


M 


Sym. 


My  Days  have  been  so  wond'rous  free. 

Song  by  Francis  Hopkinson  [1759]. 


T 


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My  Days  have     been  so  woncT-rous       free    The 


^H^rrl-^T^P'  I T 1 1  T-ntf"^ 


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as     blest     as 


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138 


0.  0.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791). 


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Ask     glid  -  ing     wat    -    erj 


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a        Tear    of       mine    en    -    creas'd  their  stream  and      ask   the 


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break  -  ing    Gales    if         e'er     I  lent     a      sigh  to  them . 


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♦  *^  * 


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lent  a 


sigh  to  them. 


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W^y^^^^ 


sj 


II 


3 


So  far,  of  course,  James  Lyon  seems  to  be  in  the  lead.  But  Hop- 
kinson positively  claimed  in  the  dedication  of  his  "Seven  Songs"  (1788) 
to  George  Washington  to  have  been  our  first  native  composer.    He  says : 

"However  small  the  reputation  I  shall  derive  from  this  work,  I  cannot, 
I  believe,  be  refused  the  Credit  of  being  the  first  Native  of  the  United 
States  who  has  produced  a  Musical  Composition." 


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0.  G.  Sonnecfc,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  139 

The  statement  reads  as  if  Hopkinson  possessed  evidence  for  the  cor- 
rectness of  his  claim.  Now  he  certainly  knew  James  Lyon's  psalm- 
tune  collection  'Urania',  published  by  Lyon  in  1761  or  1762.  In  the  sec- 
ond place  Lyon  resided  in  Philadelphia  in  1760,  and  being  a  college- 
man  and  musical  amateur,  might  have  met  Hopkinson.  Furthermore  if 
Lyon  was  still  in  Philadelphia  when  on  May  23rd  1761  an  Anthem  by 
him  and  an  ode  by  Hopkinson  made  part  of  the  commencement  exercises, 
both  composers  must  have  become  acquainted  with  each  other.  At  any 
rate,  Francis  Hopkinson  must  have  been  aware  of  the  fact  that  James 
Lyon  was  a  dangerous  competitor  for  the  title  of  first  native  of  the 
United  States  who  produced  a  musical  composition.  James  Lyon  was 
still  living  and  he  still  had  admirers  in  Philadelphia,  among  them  prin- 
cipally Andrew  Adgate,  when  Hopkinson  filed  his  claim.  Under  such 
circumstances  it  would  have  been  unwise  to  do  this  without  the  support 
of  indisputable  facts.  From  all  we  know  of  Hopkinson's  character  I 
doubt  not  that  he  himself  investigated  the  correctness  of  his  claim,  and 
found  his  earliest  compositions  to  antedate  those  of  James  Lyon. 

Nevertheless  he  might  have  been  mistaken,  and  may  be  others  will 
succeed  in  proving  that  neither  he  nor  James  Lyon  is  to  be  considered 
as  the  'Father  of  American  composers'.  However  on  the  basis  of  our 
present  knowledge  we  might  declare  with  safety: 

Francis  Hopkinson  was  the  first  native  American  composer 
of  songs,  of  whom  we  know,  and  his  song  'My  days  have  been 
so  free',  is  the  earliest  secular  American  composition  extant, 
dating  back  to  1759. 

Besides  this  venerable,  graceful  little  song  the  collection  of  1759  con- 
tains the  following  compositions,  undoubtedly  written  by  Hopkinson  as 
they  bear  his  initials: 

A  song  entitled  'The  Garland'  (words  by  Prior). 

A  song  beginning  with  the  words  'Oh!  come  to  Mason  boroughs  Grove'. 

A  song  beginning  'With  pleasure  have  I  past  my  days'. 

The  23rd  Psalm. 

An  Anthem  from  the  114th  Psalm  dated  'F.  H.  1760'. 

The  songs  betray  the  period  in  which  they  were  written.  Hundreds 
and  hundreds  of  similar  simple  songs  for  the  voice  with  harpsichord 
accompaniment  were  produced  by  Hopkinson's  contemporaries.  It  would 
therefore  be  erroneous  to  suppose  that  his  settings  for  'Treble  and  bass' 
reveal  uncommonly  primitive  efforts.  This  was  the  style  adopted  for  such 
pastoral  songs  by  high  and  low  in  the  kingdom  of  music  about  1750, 
and  the  American  composer  falls  short  only  in  his  rather  ungrammatical 
harmonisation. 

The  same  remark  applies  to  the  two  sacred  compositions  of  which 


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140  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737— 1791]. 

the  anthem  with  its  figured  bass  is  by  far  the  most  interesting.  A 
figured  bass  is  a  rara  avis  in  early  American  music.  It  seems  as  if 
most  of  our  early  composers  abhorred  it  as  black  art  and  preferred 
ignorance  of  its  mysteries  to  the  vain  attempt  of  mastering  it  occult 
wisdom.  Francis  Hopkinson  however  hesitated  not  to  take  upon  him- 
self the  trouble  some  burden  of  this  Crux  in  musica,  but  it  must  be  ad- 
mitted that  he  fared  badly  at  times  in  doing  so. 

In  the  second  place  the  anthems  prove  that  he  was  fully  convinced 
of  "the  Lawfullness,  Excellency,  and  Advantage  of  Instrumental  Musick 
in  the  Public  Worship  of  God"  years  before  an  anonymous  'Presbyterian', 
perhaps  James  Lyon,  endeavours  to  "urge  and  force"  this  doctrine  "from 
the  Scriptures  and  Examples  of  the  far  greater  Part  of  Christians  in  all 
Ages"  by  publishing  a  pamphlet  under  the  above  title  at  Philadelphia  in 
1763.  Not  only  was  Hopkinson's  l Anthem  from  the  114th  Psalm'  to  be 
accompanied  by  the  organ,  and  possibly  by  the  venerable  bass-viol,  but 
he  introduced  violins,  a  proceeding  that  probably  would  have  called  forth 
the  indignation  of  the  conservative  element  in  the  congregation  had  the 
anthem  been  performed  in  Christ  Church.  But  I  am  inclined  to  believe 
that  it  was  sung  and  played  —  at  least  for  the  first  time  —  on  May  1st 
1760  in  the  College  Hall,  the  day  appointed  for  Commencement. 

In  the  following  year,  on  May  28,  1761,  'the  Pennsylvania  Gazette' 
printed  an  account  of  the  Commencement  exercises  that  fortunately  does 
not  oblige  us  to  take  refuge  to  conjectures: 

".  .  .  the  public  Commencement  was  held  in  the  College  of  this  City,  before 
a  vast  Concourse  of  People  of  all  Ranks.  Besides  the  usual  exercises  .  . . 
there  was  performed  in  the  Forenoon  an  elegant  Anthem,  composed  by 
James  Lyon,  A.  M.  of  the  New  Jersey  College;  and  in  the  Afternoon  an 
Ode,  sacred  to  the  Memory  of  our  late  gracious  Sovereign  George  II, 
written  and  set  to  Music  in  a  very  grand  and  masterly  Taste  by  Francis 
Hopkinson,  Esq.  A.  M.  of  the  College  of  this  City.  A  Set  of  Ladies  and 
Gentlemen,  in  order  to  do  Honour  to  the  Entertainment  of  the  Day  were 
kindly  pleased  to  perform  a  Part  both  of  the  Anthem  and  Ode,  accompanied 
by  the  Organ,  which  made  the  Music  a  very  compleat  and  agreeable  Enter- 
tainment to  all  present." 

This  Ode  as  "written  and  set  to  Music  by  Francis  Hopkinson,  Esq." 
was  printed  together  with  a  Dialogue  under  the  title  of 

"An  Exercise  containing  a  Dialogue  and  Ode  Sacred  to 
the  Memory  of  His  late  gracious  Majesty,  George  IP. 

by  W.  Dunlap  of  Philadelphia.  A  foot-note  in  the  Miscellaneous  Writ- 
ings ...  of  Hopkinson,  where  the  Ode  stands  on  pp.  77—82  of  vol.  Ill, 
informs  us  that  the  Dialogue  was  written  by  the  Rev.  Dr.  Smith.  Hop- 
kinson's music   seems  not  to  be  extant,  but  from  the  libretto7  we  gain 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  141 

an  idea  of  the  form  of  the  ode,  typical  for  the  majority  of  our  early 
Commencement-Odes. 

The  ode  begins  with  a  Recitative: 

Why  looks  the  visionary  Maid  so  sad 
Ah!  why  Britannia  thus  in  Sable  clad? 

Then  Britannia  sings  an  Air: 

Lend,  lend  your  Tears,  ye  Virgin  Train, 
Whilst  Music  swells  her  softest  Strain; 
Oh!  let  the  solemn  Dirge  resound 
And  spread  religious  Sorrow  round, 
With  me  the  deepest  Loss  deplore 
My  Son,  my  Son  is  now  no  more! 

This  dirge  is  followed  by  a  'Symphony7,  or,  to  use  a  more  modern 
term,  by  an  interlude.  This  by  a  Chorus  and  another  symphony.  A 
second  but  longer  Air  to  the  memory  of  the  dead  King  with  interlude 
and  postlude  ends  the  ode. 

The  grief  of  the  future  signer  of  the  Declaration  of  Independence, 
no  doubt,  was  sincere,  but  he  also  believed  in  the  maxim  ule  Roi  est 
mort,  vive  le  Roi",  for  W.  Dunlap 'printed  in  1762 

"in  Exercise,  containing  a  Dialogue  and  Ode  on  the 
Accession  of  His  present  gracious  Majesty,  George  III, 
performed  at  the  public  Commencement  in  the  College 
of  Philadelphia,  May  18*  1762". 

This  ode  too  was  written  and  set  to  music  by  Francis  Hopkinson  as 
appears  from  his  writings.  Neither  the  music  to  this  or  to  a  third  pa- 
triotic Ode,  to  be  dated  probably  1763,  is  extant,  nor  to  a  song  with 
guitar  accompaniment,  or  to  an  Ode  entitled  'Disappointed  Love',  or  to 
another  ode  composed  in  England  in  1766. 

This  is  less  to  be  regretted  with  respect  to  the  three  last  mention- 
ed odes,  they  being  merely  specimens  of  his  style  as  a  songwriter,  than 
with  reference  to  the  more  pretentious  patriotic  odes.  The  loss  of  the 
music  leaves,  for  instance,  the  problem  unsettled  whether  or  not  they 
were  intended  for  orchestral  accompaniment.  We  have  to  content  our- 
selves with  knowing  that  Francis  Hopkinson  set  them  to  music.  This  is 
at  least  more  than  we  can  positively  state  concerning 

"A  collection  of  Psalm  Tunes  with  a  few  Anthems  and 
Hymns.  Some  of  them  entirely  New,  for  the  Use  of  the 
United  Churches  of  Christ  Church  and  St.  Peter's  Church 
in  Philadelphia,  1763". 


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142  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737-1791,. 

This  extremely  rare  collection  is  beautifully  engraved  by  an  unknown 
artist,  and  contains  thirty-six  tunes  etc.  mostly  in  three  parts  with  a 
figured  bass  for  organ  accompaniment  besides  "A  Short  Introduction  to 
the  Art  of  Psalmody'*. 

The  introduction  is  short  and  well  calculated  for  the  needs  of  children, 
but  otherwise  not  remarkable.    It  treats 

"First,  of  the  Notes,  and  their  Lengths  ...  Of  the  Cliffs  ...  Of  the  Cha- 
racters denoting  the  Time  or  Movement  ...  Of  the  Pauses  or  Bests  in 
Music  ...  Of  the  Sharps,  Flats  and  Naturals  ...  Of  other  Characters  used  in 
Music  ...  Of  Bass  ...  Of  keeping  Time  ...  Of  Intonation." 

None  of  the  tunes  bears  an  author's  name,  not  even  the  entirely  new. 
That  these  were  written  by  the  compiler  goes  without  saying,  but  un- 
fortunately the  booklet  is  anonymous.  Consequently  if  authorities  in 
psalmody  like  Mr.  James  Warrington  of  Philadelphia  were  able  to  separate 
the  old  from  the  new  tunes,  the  difficulty  would  remain  of  ascertaining 
the  composer  of  the  latter  and  thereby  the  compiler  of  the  collection  or 
vice  versa. 

However  we  are  aided  in  this  direction  by  the  dedication  that  ends 
in  part: 

"To  the  Reverend  Mr.  Richard  -Peters,  Rector  of  the  United  Churches 
of  Christ  Church  and  St.  Peter's  Church  in  Philadelphia. 
.  .  .  permit  me  to  hope  this  Attempt  to  the  Improvement  on  Psalmody 
or  Church  Music,  will  meet  with  your  favourable  Acceptance  and  En- 
couragement. Something  of  this  kind  was  thought  the  more  necessary, 
as  it  is  highly  probable  there  will  be  Organs  erected  in  both  our  Churches 
before  long;  which  would  be  but  a  needless  Expence  if  the  Congregations 
could  not  join  their t Voices  with  them  in  the  singing  of  Psalms.  For 
this  Purpose  I  have  made  this  Collection  of  Psalms,  Hymns  and  An- 
thems, and  prefixed  a  few  Rules  for  Singing  in  as  clear  and  easy  a 
Manner  as  possible;  so  that  Children  with  very  little  Attention,  may 
understand  them.  .  .  The  Editor." 

Now  we  know  that  in  1764  the  thankful  acknowledgments  were  given 
Mr.  Hopkinson  and  Mr.  Young  for  their  "great  and  constant  pains  in 
teaching  and  instructing  the  children  in  psalmody".  I  have  entered  fully 
into  the  problem  of  the  authorship  of  the  collection  in  my  book  and  I 
have  succeeded,  I  believe,  in  demonstrating  that  James  Bremner  for 
chronological  reasons  cannot  have  been  the  compiler  or  composer,  as 
Mr.  James  Warrington  is  inclined  to  believe.  Instead  I  found  circum- 
stantial evidence  to  corroborate  the  great  bibliographer  Hildeburn's 
idea  that  Francis  Hopkinson  might  have  been  the  author.  Arguing  that 
the  entirely  new  tunes  were  composed  by  the  compiler  and  that,  if  one 
or  more  of  these  could  be  traced  to  their  author  the  problem  would  be 
solved,  I  compared  the  contents  of  the  collection  with  Hopkinson's  musical 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737— 179^.  143 

manuscripts  extant.  With  this  gratifying  result:  the  23  Psalm  con- 
tained in  Hopkinson's  manuscript  collection  of  1759  as  one  of 
his  compositions  is  identical  with  the  23  Psalm  in  the  ano- 
nymous collection  of  1763. 

Dealing  here  with  Hopkinson's  career  as  composer  of  sacred  music 
I  might  add,  out  of  the  chronological  order,  ttthe  Proper  Tune  for  Ps. 
96th"  undoubtedly  composed  by  him  and  discovered  by  Mr.  Warrington 
in  the  'Book  of  Common  Prayer  .  .  .  Philadelphia  .  .  .  1786'. 

Twenty  years  previous  a  book  left  the  press  that  was  of  by  far 
greater  importance  than  this  insignificant  psalm  tune. 

The  New  York  Historical  Society  possesses: 

"The  Psalms  of  David,  with  the  Ten  Commandments, 
Creed,  Lord's  Prayer,  etc.  In  Metre  also  the  Cate- 
chism, Confession  of  Faith,  Liturgy  etc.  Translated 
from  the  Dutch  for  the  Use  of  the  Reformed  Protestant 
Dutch  Church  of  the  City  of  New  York. 
New  York  ..  .  MDCCLXVII." 

The  rare  publication  contains  the  following  advertisement: 

"To  the  Reader. 

The  Consistory  of  the  Reformed  Protestant  Dutch  Church  of  the 
City  of  New  York,  having  by  Reason  of  the  Declension  of  the  Dutch 
Language,  found  it  necessary  to  have  Divine  Service  performed  in  their 
Church  in  English ;  Have  adopted  the  following  Version  of  the  Psalms  of 
David,  which  is  greatly  indebted  to  that  of  Dr.  Brady  and  Mr.  Tate; 
Some  of  the  Psalms  being  transcribed  verbatim  from  their  Version,  and 
others  altered  so  as  to  fit  them  to  the  Music  used  in  the  Dutch  Chur- 
ches. .  ." 

The  consistory  first  engaged  a  Mr.  Byvank  for  this  English  version, 
but  then  discharged  him  from  his  engagement  and  entrusted  the  work 
to  Francis  Hopkinson  in  1764,  as  appears  from  several  sources  of  in- 
formation, agreeing  to  pay  him  148  pistoles. 

Hopkinson's  task  was  peculiar.    To  use  the  words  of  Mr.  Warrington: 

The  metres  of  the  Dutch  Psalters  are  mostly  ten  syllables  a  line,  four 
or  five  or  six  lines  to  a  stanza. 

The  English  Psalters  are  mostly  in  what  is  called  Common  Metre  that 
is  alternately  lines  of  eight  and  six  syllables. 

Hopkinson's  task  was  to  make  just  sufficient  alterations  in  Tate  and 
Brady's  *A  New  Version  of  the  Psalms  of  David  fitted  to  the  Tunes  in 
Churches'  (First  edition  London  1696,  frequently  reprinted  both  in  England 
and  America),  as  to  lengthen  the  lines  from  eight  or  six  syllables  to  ten. 

For  instance  the  first  two  lines  in  Psalm  I  of  Hopkinson  read 

"How  blest  is  he,  who  ne'er  consents  to  walk 
By  ill  Advice,  nor  dares  to  stand  and  talk''. 


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144  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791 . 

In  Tate  and  Brady  the  same  Psalm  begins: 

uHow  blest  is  he,  who  ne'er  consents 
By  ill  advice  to  walk". 

Evidently  Francis  Hopkinson  pleased  the  Consistory  with  his  work,  for 
he  wrote  in  a  letter  to  Benjamin  Franklin,  under  date  of  13.  Dec.  1765: 

ttI  have  finished  the  translation  of  the  Psalms  of  David  to  the  great 
satisfaction  of  the  Dutch  Congregation  of  New  York  &  they  have  paid  me 
£  145  their  currency  which  I  intend  to  keep  as  a  body  reserve  in  case  I 
should  go  to  England." 

For  a  long  while  after  this  event  we  hear  nothing  of  compositions  by 
Francis  Hopkinson,  in  fact  not  until  the  War  of  the  Revolution,  when 
"there  was  a  very  tawdry  march  often  played  by  the  American  bands, 
entitled  'The  Washington  March." 

Unfortunately  Mr.  Louis  C.  Els  on  from  whose  book  on  'The  National 
Music  of  America  and  its  sources'  (Boston,  1900,  p.  157)  the  last  words 
are  quoted,  neither  reproduces  said  tawdry  march,  nor  does  he  refer  to 
his  authorities  for  the  statement.  I  have  devoted  an  entire  chapter  to 
this  'Washington  March'  in  my  monograph  on  Hopkinson,  and  this  for 
a  simple  reason. 

In  the  Baltimore  Clipper  of  1841  appeared  a  communication  on  the 
origin  of  the  music  to  'Hail  Columbia',  signed  J.  C.  —  the  initials  probably 
stand  for  Joseph  Carr,  the  music  dealer  and  publisher  —  and  ending: 

"I  have  also  reason  to  believe  that  the  ;Washington  March'  generally 
known  by  that  title,  I  mean  the  one  in  the  key  of  G-  major,  was  composed 
by  the  Hon.  Francis  Hopkinson,  senior,  having  seen  it  in  a  manuscript  book 
of  his,  in  his  own  handwriting  among  other  of  his  known  compositions. " 

We  have  no  right  to  doubt  Mr.  Carr's  veracity  and  therefore  admit 
that  he  saw  a  'Washington's  March  in  G  major  among  Hopkinson's 
manuscripts.  But  this  is  no  proof,  and  emphasis  should  be  laid  upon  the 
fact  that  J.  C.  himself  did  not  feel  justified  in  attributing  the  march 
positively  to  Hopkinson. 

Perhaps  an  investigation  of  his  source  would  permit  of  being  more 
positive  than  him?  Perhaps,  but  the  volume  mentioned  by  J.  C.  seems 
to  be  lost,  as  none  of  Francis  Hopkinson's  music  books  extant  contain 
a  Washington  March!  Consequently  if  we  accept  Carr's  "reason"  as 
satisfactory,  we  need  but  find  this  'Washington's  March  in  G  major' 
in  other  sources  and  attach  Hopkinson's  name  to  it  A  very  simple 
proceeding,  it  seems;  but  in  reality  fascinatingly  complicated,  if  it  be  con- 
sidered how  superficial  our  knowledge  of  early  American  music  is,  and 
how  discouragingly  scattered  are  the  few  early  American  musical  publi- 
cations extant  that  would  have  to  form  the  basis  of  comparison. 


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O.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson   1737—1791..  145 

It  would  be  folly  to  claim  that  I  have  examined  all  sources,  but 
those  I  have  examined  were  sufficient  to  baffle  my  hopes  of  solving  the 
problem.  I  found  no  less  than  eight  old  marches  written  in  honor  of 
George  Washington  and  of  these,  three  were  known  as  "Washington's 
March,  and  all  three  stand  in  the  key  of  G  major. 

We  ask  in  despair  which  of  these  tliree  did  Joseph  Carr  remember 
to  have  seen  among  Francis  Hopkinson's  manuscripts? 

To  draw  a  facit: 

A  'Washington's  March'  in  the  key  of  G  major  running: 


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boars  this  name  wherever  it  appears  with  one  unimportant  exception. 
I  found  a  copy  of  it  at  the  Library  Company  of  Philadelphia  on  the 
same  sheet  with  a  'Washington's  March  at  the  Battle  of  Trenton'  under 
the  undated  title: 

"Washington's  March,  Philadelphia.    Published   and   Sold  at 
G.  Willig's  Musical  Magazine". 

Another  edition  published  by  Willig  informs  us  that  it  was  "per- 
formed at  the  New  Theatre,  Philadelphia*'.  Now  the  New  Theatre  was 
not  opened  until  February  1793  when  a  few  concerts  were  given  there, 
and  it  remained  closed  until  February  1794.  The  march  might  have 
been  played  at  those  concerts  but  it  appears  not  on  the  programs.  It 
might  also  have  been  known  for  years  previous,  but  its  performance  at 
the  New  Theatre  is  the  earliest  positive  allusion  to  it  I  have  been  able 
to  trace,  for  it  probably  was  not  published  prior  to  1795  by  Willig  from 
all  we  know  about  his  career  as  music  publisher. 

But  Francis  Hopkinson  died  in  1791  and  if  he  really  wrote  it  in  Re- 
volutionary Times  or  even  later,  and  if  the  march  became  popular  then 
or  afterwards,  it  would  seem  very  strange  that  the  piece  appears  in  none 
of  the  musical  publications  extant  and  issued  or  proposed  for  publication 
between  1776  and  1794. 

The  'Washington's  March  at  the  Battle  of  Trenton'  running 


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has  a  revolutionary  flavor  to  its  name,  but  it  too,  as  far  as  I  know, 
did  not  appear  in  print  before  1795.  Furthermore  it  was  known  under 
four  different  names:  this,  and  'Washington's  March',  and  'General 
Washington's  March',  and  'President's  New  March',  the  latter  title  prov- 
s.  d.  i.  m.   v.  10 


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146 


0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791;. 


ing  that  it  might  have  been  composed  in  1789  but  not  earlier.  Con- 
sequently as  far  as  chronology  goes  this  march  indeed  might  have  been 
written  by  Francis  Hopkinson,  though  it  would  seem  strange  that  his 
authorship  should  have  been  witheld  by  Willig. 

As  to  the  third  anonymous  'Washington's  March,  in  Gr  major,  I  have 
found  it  in  the  Complete  Fifer's  Museum  —  probably  a  publication  of  the 
early  nineteenth  century  —  and  nowhere  else.  But  everything  goes  to  show 
that  the  real  Washington's  March  became  popular  whatever  its  date  of 
origin  might  be.  Had  this  third  version  been  the  one  alluded  to  by  J.  C. 
it  certainly  would  appear  as  often  as  the  two  others. 

It  would  be  unscientific  to  positively  attribute  on  the  basis  of  these 
investigations  one  or  the  other  of  the  three  marches  to  the  pen  of 
Francis  Hopkinson.  If  he  did  write  a  'Washington's  March'  and  if  it  was 
played  by  the  Continental  bands  during  the  War  of  Revolution  or  even 
later,  it  probably  was  either  the  one  the  first  bars  of  which  I  have  quoted 
or  'Washington's  March  at  the  Battle  of  Trenton'  alias  'President's  New 
March'  —  or  both.  Of  the  two  the  second  is  by  far  the  best  and  most 
characteristic.  For  this  reason  alone  it  would  be  gratifying  if  later  histori- 
ans succeeded  in  establishing  Francis  Hogkinson's  authorship  beyond  doubt. 


Washington's  March  at  the  Battle  of  Trenton. 


Maestoso. 


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0.  6.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791;. 


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However  one  possibility  remains  that  I  am  not  in  a  position  to  verify 
at  present.  I  faintly  remember  having  heard  this  or  a  very  similar 
march  played  by  one  of  the  German  regimental  bands.  Should  the 
'Washington'  March'  after  all  not  be  of  American  but  of  European 
origin,  and  should  it  have  been  called  'Washington's  March'  in  the 
United  States,  merely  because  it  was  a  favorite  of  the  great  General? 

If  the  'Washington's  March'  forced  us  to  rely  on  conjectures,  not  so 
the  following  dirge: 

ttIn  Memory  of  Mr.  James  Bremner. 

Sing  to  his  shade  a  solemn  strain, 
.Let  music's  notes  complain; 
Let  echo  tell  from  shore  to  shore, 
The  swain  of  Schuylkill  is  no  more. 

Air. 

From  Scotia's  land  he  came 
And  brought  the  pleasing  art 
To  raise  the  sacred  flame 
That  warms  a  feeling  heart. 

The  magic  powr's  of  sound 
Obey  at  his  command, 
And  spread  sweet  influence  round, 
Wak'd  by  his  skilful  hand. 

10* 


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148  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737  -  1791}. 

Oh!  sanctify  the  ground, 
The  ground  where  he  is  laid; 
Plant  roses  all  around, 
Nor  let  those  roses  fade. 

Let  none  his  tomb  pass  by, 
Without  a  gen'rous  tear, 
Or  sigh  —  and  let  that  sigh 
Be  like  himself  sincere." 

These  heartfelt  though  perhaps  not  very  poetical  lines  were  written 
by  Francis  Hopkinson.  They  appear  in  the  third  volume  of  his  writings 
with  a  footnote  to  the  effect  that  Bremner  "died  at  the  banks  of  the 
Schuylkill,  Sept.  1780",  which  would  allow  us  to  approximately  fix  the 
date  of  the  dirge.  It  made  a  deep  impression  upon  contemporaries  of 
our  first  poet-composer.  We  know  this  from  a  poem  "To  the  Memory 
of  Francis  Hopkinson,  Esqr.r,  published  in  the  American  Museum,  Phila- 
delphia in  1791  (App.  p.  39)  and  "ascribed  to  John  Swanwick,  Esq."  who 
thus  recalls  its  impressions  of  the  elegant  dirge  .  .  .  composed  and  set  to 
music  by  Judge  Hopkinson: 

Notes  such  as  once  he  pour'd  at  Bremner's  urn, 
Lays  such  as  those  he  offer' d  at  his  shrine  — 
But  ah,  what  muse  can  make  a  just  return 
For  lays  so  mournful  or  a  note  so  fine.*' 

It  is  certainly  to  be  regretted  that  Hopkinson's  setting  of  this  dirge 
seems  to  be  among  his  lost  compositions. 

About  the  time  of  Bremner's  death  originated  in  the  United  States 
the  short-lived  enthusiasm  for  everything  French,  so  delightfully  described 
by  Watson  in  his  'Annals  of  Philadelphia'.  The  allies  paid  one  another 
all  possible  compliments  in  order  to  fasten  the  ties  between  the  young 
republic  and  the  monarchy  of  His  Most  Christian  Majesty;  ties  that 
withstood  the  test  of  time  and  the  contest  between  Federalists  and  Anti- 
Federalists,  until  the  insolence  of  the  French  Republic  nearly  forced  us 
in  1798  to  declare  war  against  a  nation  to  which  we  owed  so  much. 
But  about  1780  good-will,  friendship,  and  gratitude  only  were  the  key- 
notes in  our  relations  with  France.  Balls,  concerts,  dinners,  receptions 
and  the  like,  in  rapid  succession,  gave  expression  to  these  sentiments. 
One  of  the  most  notable  affairs  of  the  kind  was 

"The  Temple  of  Minerva,  a  Musical  entertainment  performed  in 
Nov.  1781,  by  a  band  of  Gentlemen  and  Ladies,  at  the  hotel  of  the  Minister 
of  France,  in  Philadelphia." 

This  is  the  title  of  a  libretto  as  printed  in  'the  Columbian  Magazine' 
for  April  1787.  The  'Freeman's  Journal'  published  on  December  19, 
1781  gave  the  following  account  of  the  festivity: 


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0.  Gk  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737-1791,.  149 

"Philadelphia,  December  19. 
On  Tuesday  evening  of  the  11th  inst.  his  excellency  the  minister  of 
France,  who  embraces  every  opportunity  to  manifest  his  respect  to  the  worthies 
of  America  and  politeness  to  its  inhabitants,  entertained  his  Excellency  Ge- 
neral Washington,  and  his  lady,  the  lady  of  General  Green  and  a  very  polite 
circle  of  gentlemen  and  ladies  with  an  elegant  Concert,  in  which  the  following 
Oratorio,  composed  and  set  to  music  by  a  gentleman  whose  taste  in  the 
polite  arts  is  well  known,  was  introduced,  and  afforded  the  most  sensible 
pleasure:  The  Temple  of  Minerva.  .  /' 

Neither  this  report  nor  the  'Columbian  Magazine'  mention  the  poet- 
composer.  However  the  reprint  of  the  libretto  is  signed:  H.  This  initial 
could  mean  Hopkinson.  I  therefore  examined  his  published  writings  but 
in  vain.  Already  had  I  abandoned  the  hope  of  proving  his  authorship 
of  which  I  was  convinced  when  luck  came  to  my  assistance.  Mrs.  Flo- 
rence Scovel  Shinn,  a  great  grand  daughter  of  Francis  Hopkinson,  had 
kindly  given  me  access  to  her  family  papers,  and  it  was  one  of  those 
rare  moments  of  pure  joy  and  satisfaction  that  make  a  historian  forget 
months  of  monotonous  research,  when  I  discovered  in  two  volumes  of 
Hopkinson's  original  literary  manuscripts 

"The  Temple  of  Minerva.  An  Oratorial  Entertainment 
performed  in  Nov.  1781  by  a  Company  of  Gentlemen  and 
Ladies  in  the  Hotel  of  the  Minister  of  France  in  Presence 
of  his  Excellency  General  Washington  and  his  Lady". 

Again  we  have  to  regret  that  the  music  seems  not  to  be  extant,  but, 
as  was  the  case  with  the  Commencement  Odes,  the  libretto  allows  us  to 
form  a  correct  idea  of  the  plan  of  the  music. 

The  dramatis  personae  were:  Minerva,  her  High  Priest,  the  Genius 
of  France,  the  Genius  of  America;  and  the  whole  entertainment  con- 
sisted of  two  scenes. 

The  first  plays  4In  the  Temple  of  Minerva.  The  doors  of  the  Sanctu- 
ary shut',  the  second  likewise  but  with  the  doors  of  the  Sanctuary  open. 

After  an  Overture,  the  Genius  of  France,  the  Genius  of  America  and 
the  High  Priest  of  Minerva  raise  their  voices  in  a  trio,  a  solemn  hymn 
of  praise  to  Minerva.    The  Genius  of  America  in  a  solo  asks  the  Goddess: 

"Say,  will  high  Jove  their  labours  crown, 
And  grant  their  arms  success; 
From  his  exalted  throne  look  down 
And  my  orisons  bless?" 

The  Genius  of  France  implores  Minerva  to  "grant  her  pray  V,  where- 
upon both  unite  in  a  duet  to  the  same  effect.  The  High  Priest  then  requests 
them  to  approach  the  throne  and  all  three  in  a  Trio  implore  the  Goddess: 


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150  0.  G.  Sonneck,  Francis  HopkinBon   1737— 1791). 

".  .  .  .  Hear  our  Pray'r 
Make  Columbia's  cause  thy  care; 
Blest  and  patronised  by  thee, 
Great  and  pow'rful  shall  she  be."' 

In  the  second  scene  Minerva  makes  her  appearance  with  the  prophecy : 

"In  a  golden  balance  weigh'd 
Have  I  seen  Columbia's  Fate. 
All  her  griefs  shall  be  repaid 
By  a  future  happy  state. 
She  with  France  in  friendship  join'd, 
Shall  opposing  pow'rs  defy 
Thus  united,  thus  combined 
Heav'n  will  bless  the  sacred  tie/' 
and: 

"If  her  sons  united  stand 

Great  and  prosp'rous  shall  she  be. 

She,  like  the  glorious  sun, 
Her  splendid  course  shall  run, 
And  future  days 
Columbia's  praise 
Shall  spread  from  east  to  west. 

The  Genius  of  America,  of  course,  is  delighted  with  this  prophecy: 

"Let  earth's  inhabitants  Heav'ns  pleasure  know, 
And  fame  her  loud  uplifted  trumpet  blow; 
Let  the  coelestial  nine,  in  tuneful  choirs 
Touch  their  immortal  harps  with  golden  wires.'7 

As  a  tinale  we  notice  a  'Chorus'  of  four  stanzas: 

"Great  Minerva,  pow'r  divine 
Praise,  exalted  praise  be  thine." 

The  last  stanzas,  as  was  usual  and  justly  so  on  all  similar  occasions, 
glorify  George  Washington: 

Now  the  dreadful  conflict's  o'er, 

Now  the  cannons  cease  to  roar, 

Spread  the  joyful  tidings  round, 

He  comes,  he  comes,  with  conquest  crown'd. 

Hail  Columbia's  godlike  son! 

Hail  the  glorious  Washington! 

Fill  the  golden  trump  of  fame 
Through  the  world  his  work  proclaim; 
Let  rocks  and  hills,  and  hills  resound  — 
He  comes,  he  comes,  with  conquest  crown'd. 
Hail  Columbia's  godlike  son! 
Hail  the  glorious  Washington! 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791).  151 

Evidently  the  4Temple  of  Minerva',  called  an  oratorio  or  oratorial 
entertainment,  has  to  be  styled  rather  an  operatic  entertainment  in  two 
scenes.  Though  on  very  much  smaller  lines,  it  clearly  belongs  to  those 
mythologic-allegoric-political  operas,  so  fashionable  at  the  European 
courts  during  the  seventeenth  and  eighteenth  centuries,  and  which 
Hermann  Kretzschmar  happily  christened  'Hof  und  Staats  Opern'. 

If  Andrew  Barton's  'The  Disappointment,  or  the  Force  of  Creduity' 
[Philadelphia,  1767),  and  possibly  James  Ralph's  4The  Fashionable  Lady, 
or  Harlequin's  Opera'  'London,  1730)  was  the  first  comic  ballad  opera 
produced  by  a  native  American,  that  is  to  say,  a  comedy  interspersed 
with  ballads,  Francis  Hopkinson's  Temple  of  Minerva  must  be  considered 
as  our  first  attempt  at  'grand  opera'  —  that  is  operatic  entertainment  in 
which  everything  is  sung  and  nothing  spoken,  for  though  the  lines  given 
to  Minerva,  the  Geniuses  and  the  High  Priest  are  not  entitled  'Airs' 
there  can  be  little  doubt  that  they  were  to  be  sung. 

Small  as  the  plan  of  the  two  scenes  may  be,  with  an  Overture,  two 
trios,  a  duet,  airs  or  recitatives,  chorus,  they  are  laid  out  in  true  operatic 
style.  How  well  or  how  badly  the  first  American  poet-composer  succeeded 
in  setting  his  libretto  to  music,  will  ever  remain  a  matter  of  personal 
conjecture  unless  it  falls  to  the  lot  of  a  historian  more  fortunate  than 
me  to  discover  the  score.  Not  until  then  shall  we  be  able  to  decide 
whether  Francis  Hopkinson  himself  composed  the  Overture,  either  for 
harpsichord  or  orchestra,  and  the  rest  of  the  music,  or  whether  he  se- 
lected some  fashionable  overture,  suitable  for  his  purpose  and  set  his 
words  to  music,  partly  his  own,  partly  by  other  composers  of  the  day. 

It  is  not  generally  known  that  our  early  reviews  helped  to  meet  the 
vivid  demand  for  music  by  frequently  adding  printed  or  engraved  music 
to  the  reading  matter  in  form  of  songs,  choruses,  marches,  dances,  and 
the  like.  This  laudable  custom  enables  me  to  call  attention  to  a  pastoral 
song  by  Francis  Hopkinson.  It  is  to  be  found,  engraved  on  a  fly  leaf,  in 
the  Columbian  Magazine,  Philadelphia  for  August  1789  under  the  title  of 

"The  Words  and  Music  of  a  new  song  by  F.  H.  Esq.v 

The  adjective  "new"  was  probably  inserted  in  contradistinction  to  a 
collection  of  songs,  issued  in  the  previous  year.  Being  the  first  effort 
of  its  kind  in  the  United  States,  this  collection  possesses  unrivalled  im- 
portance for  the  history  of  music  in  America.  If  it  escaped  the  attention 
of  our  historians,  this  fact  is  probably  due  to  the  extreme  rarity  of  the 
publication.  Personally  I  know  but  of  two  copies,  the  one  at  the  Boston 
Public  Library,  the  other  in  possession  of  Mr.  Oliver  Hopkinson,  the 
grandson  of  Francis. 

I  am  alluding  to  the  undated: 


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152  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791). 

Seven  Songs  for  the  Harpsichord  or  Forte  Piano.     The 

words  and  Music  Composed  hy  Francis  Hopkinson. 

"Philadelphia  publish'd  &  sold  by  T.  Dobson.    J.  Aitken. 

Sculpt." 
The  title  and  the  contents  disagree  for  the  collection  consists  of  eight 
songs.  A  CN.  B.'  explains  it:  "  .  .  .  This  eighth  song  was  added  after 
the  Title  page  was  engraved".  The  songs  were  published  in  1788  as 
appears  from  an  advertisement  in  'the  Federal  Gazette',  Philadelphia 
Nov.  29,  1788,  reading: 

"This  day  is  published  ...  A  Set  of  eight  Songs  ...  by  the  Honorable 
Francis  Hopkinson." 

The  object  and  nature  of  the  publication  become  evident  from  the 
highly  interesting  dedication  "To  his  Excellency  George  Washington, 
Esquire". 

After  playing  some  glowing  tributes  to  the  greatness  of  his  friend, 

Hopkinson  writes: 
<. 

"With  respect  to  this  little  Work,  which  I  now  have  the  honor  to  present 
to  your  notice,  I  can  only  say  that  is  such  as  a  Lover  not  a  Master  of  the 
arts  can  furnish.  I  am  neither  a  profess'd  Poet,  nor  a  profess1  d  Musician: 
and  yet  venture  to  appear  in  those  characters  united;  for  which,  I  confess, 
the  censure  of  Temerity  may  justly  be  brought  against  me. 

If  these  songs  should  not  be  so  fortunate  as  to  please  the  young  Per- 
formers for  whom  they  are  intended,  they  will  at  least  not  occasion  much 
trouble  in  learning  to  perform  them;  and  this  will,  I  hope,  be  some  Alle- 
viation of  their  Disappointment.  However  small  the  Reputation  may  be 
that  I  shall  derive  from  this  Work,  I  cannot,  I  believe,  be  refused  the  Credit 
of  being  the  first  Native  of  the  United  States  who  has  produced  a  Musical 
Composition.  It  his  attempt  should  not  be  too  severely  treated,  others  may 
be  encouraged  to  venture  on  a  path,  yet  untrodden  in  America,  and  The 
Arts  in  succession  will  take  root  and  flourish  amongst  us " 

George  Washington  notified  his  friend  of  the  "Favourable  acceptance" 
of  the  dedication  with  that  punctuality  so  eminently  characteristic  of 
him.  As  the  letter,  now  in  possession  of  Mr.  Oliver  Hopkinson,  seems 
to  have  remained  unpublished  hitherto,  and  as  it  shows  the  peculiar 
smiling  wit  of  the  'General'  at  its  best,  I  reproduce  it  here. 

"Mount  Vernon  Feby.  5th  1789. 
Dear  Sir, 
We  are  told  of  the  amazing  powers  of  Musick  in  ancient  times, 
but  the  stories  of  its  effects  are  so  surprising  that  we  are  not  obliged 
to  believe  them,  unless  they  had  been  founded  upon  better  authority 
than  Poetic  assertion  —  for  the  Poets  of  old  (whatever  they  may  do 
in  these  days]  were  strangely  addicted  to  the  marvellous  —  and  if  1 
before  doubted  the  truth  of  their  relations  with  respect  to    the  power 


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0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  (1737—1791;.  153 

of  Musick,  I  am  now  fully  convinced  of  their  falsity — because  I  would  not, 
for  the  honor  of  my  Country,  allow  that  we  are  left  by  the  ancients  at 
an  unmeasureable  distance  in  evrything;  and  if  they  could  sooth  the 
ferocity  of  wild  beasts  —  could  draw  the  trees  &  the  stones  after  them 
—  and  could  even  charm  the  powers  of  Hell  by  their  Musick,  I  am 
sure  that  your  productions  would  have  had  at  least  virtue  enough  in 
them  (without  the  aid  of  voice  or  instrument)  to  soften  the  Ice  of 
the  Delaware  &  Potomack  —  and  in  that  case  you  should  have  had 
an  earlier  acknowledgment  of  your  favor  of  the  lht  December  which  came 
to  hand  but  last  Saturday.  — 

I  readily  admit  the  force  of  your  argument  between  "a  thing  done" 
and  ua  thing  to  be  done"  —  and  as  I  do  not  believe  that  you  would 
do  "a  very  bad  thing  indeed"  I  must  even  make  virtue  of  necessity, 
and  defend  your  performance  to  the  last  effort  of  my  musical  abilities.  — 

But,  my  dear  Sir,  if  you  had  any  doubts  about  the  reception  which 
your  work  would  meet  with  —  or  had  the  smallest  reason  to  think  that 
you  should  need  my  assistance  to  defend  it  —  you  have  not  acted  with 
your  usual  good  judgment  in  the  choice  of  a  Coadjutor;  —  for,  should 
the  tide  of  prejudice  not  flow  in  favor  of  it  (and  so  various  are  the 
tastes,  opinions  and  whims  of  men,  that  even  the  sanction  of  Divinity 
does  not  ensure  universal  concurrence)  what  alas!  can  I  do  to  support 
it?  —  I  can  neither  sing  one  of  the  songs,  nor  raise  a  single  note  on 
any  instrument  to  convince  the  unbelieving. 

But  I  have,  however,  one  argument  which  will  prevail  with  persons 
of  true  taste  (at  least  in  America)  —  I  can  tell  them  that  it  is  the 
production  of  Mr.  Hopkinson. 

With  the  compliments  of  Mrs.  Washington  added  to  mine,  for  you  &  yours 

I  am-Dear  Sir 

Your  most  Obedt.  and 

very  Hble  Servant 

Go.  Washington." 

But  little  remains  to  be  said.  If  it  is  not  absolutely  clear,  from  the 
sceptical  standpoint  of  a  historian,  whether  James  Lyon  or  Francis  Hop- 
kinson deserves  the  title  of  the  first  American  composer,  we  at  least,  on 
the  basis  of  his  'Seven  Songs'  cannot  refuse  him  the  credit  of  having 
been  our  first  poet-composer  in  general  and  of  songs  in  particular. 
"With  regard  to  the  collection  dedicated  to  George  Washington  so  much 
is  apparent:  as  a  composer  Francis  Hopkinson  did  not  improve  greatly 
during  the  thirty  years  that  separate  his  earliest  efforts  from  this  song 
collection.  His  harmony  is  still  faulty  and  "draggy"  at  times  and  he  did 
not  acquire  an  individual  musical  profile.  To  claim  beauty  or  artistic 
value  for  these  songs  or  his  other  compositions  would  mean  to  confuse 
the  standpoint  of  the  critic  with  that  of  the  antiquarian.  But  even  the 
critic  who  cares  not  to  explain  and  pardon  shortcomings  from  a  historical 
point  of  view  will  admit  that  Hopkinson's  simple  songs  are  not  without 
a  certain  gracefullness,  and  that  he  obeyed  the  laws  of  musical  declam- 


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154  0.  G.  Sonneck,  Francis  Hopkinson  ;1737— 1791). 

ation  more  carefully  than  a  host  of  fashionable  masters  of  that  period. 
Stilistically,  of  course,  he  resembles  his  contemporaries.  His  musical  world 
like  theirs  was  an  untrue  Arcadia,  populated  with  over -sentimental  shep- 
herds and  shepherdesses,  or  with  jolly  tars,  veritable  models  of  sobriety, 
even  when  filling  huge  bumpers  for  drinking  bouts.  Then  again  we 
notice  in  Hopkinson's  music  the  studied  simplicity  of  that  age  for  which 
treble  and  bass  had  become  the  pillars  of  the  universe. 

This  and  much  more  is  antiquated  to-day.  But  why  should  we  criticise 
at  all  our  first  musical  compositions  ?  It  behoves  us  rather  to  look  upon 
the  primitive  efforts  as  upon  venerable  documents  of  the  innate  love  of 
the  American  people  for  the  beauties  of  music,  and  as  documents  of  the 
fact  that  among  the  Signers  of  the  Declaration  of  Independence  there 
was  at  least  one,  who  proved  to  be  a  "successful  Patron  of  Arts  and 
Sciences". 


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J.  Ecorcheville,  Note  sur  un  fonds  de  musique  franeaise  de  la  Bibliotheque  de  Cassel.    155 

Note  sur  un  fonds  de  musique  frangaise  de  la  Biblioth&que 

de  Cassel 

par 

J.  Ecorcheville. 

{Paris.) 


Les  monuments  de  Tart  symphonique  du  17e  sifccle  fran^ais  sont  rares; 
particulifcrement  ceux  qui  n'appartiennent  ni  au  theatre  ni  k  l'eglise.  Non 
pas  qu'a,  ce  moment  le  role  de  la  musique  instrumentale  ait  et<5  negligeable. 
Bien  au  contraire,  la  « symphonies  des  instruments  «hauts  et  bas»  se  trou- 
vait  alors  obligatoirement  melee  a  une  infinite  de  manifestations  de  la  vie 
sociale.  Elle  apparaissait  aux  petits  couchers  "du  roi,  donnait  aubade  aux 
presidents  du  Parlement  et  k  la  Basoche;  celebrait  la  St.  Louis  au 
concert  des  Tuileries,  et  resonnait  aux  soupers  de  Versailles.  Elle  imposait 
son  eclat  et  son  bruit  en  toute  occasion  solennelle  et  formait  le  decor 
sonore  des  fetes,  receptions,  festivites  et  r^jouissances,  officielles  ou  privies, 
dont  ce  sifccle  d'apparat  fut  si  prodigue.  Role  brillant,  mais  perilleux. 
L'orchestre  se  trouvait  intimement  et  dangereusement  uni  aux  evfcnements 
et  au  public  qui  r^clamaient  ses  services,  et,  ni  la  nature  de  ces  6vfcne- 
ments,  ni  Tattention  de  ce  public  n'^taient  favorables  au  d^veloppement 
de  la  musique  pure.  D'oii  timidity  extreme  et  generate  k  se  lib^rer  des 
habitudes  de  la  polyphonie  vocale,  et  des  formes  her&Litaires  de  la  danse; 
d'oil  aussi  l'oubli  dans  lequel  tombfcrent  rapidement  les  ceuvres  de  ce 
genre  et  de  ce  temps,  et  avec  elles  le  souvenir  de  1' activity  symphonique 
du  grand  sifccle,  £ph&nfcre  comme  la  gloire  et  le  luxe  qui  avaient  6te  ses 
principales  raisons  d'etre.  Quelques  recueils  manuscripts  ont  seuls1)  et 
k  grand'  peine,  fohappe  k  la  destruction.  La  collection  PhUidor  est 
connue,  le  fonds  de  Cassel  Test  moins;  c'est  pourquoi  nous  nous  somme? 
permis  de  le  signaler.  — 

La  Landes-Bibliothek  de  Cassel  renferme  un  grand  nombre  d'oeuvres 
musicales  dont  le  dernier  class^ment  a  6t6  dress6  et  public  par  le  docteur 
Israel2).     C'est  au  mot  «Suite»  de  ce  catalogue  qu'il  faut  chercher  la 

1)  II  convient  cependant  de  signaler  certaines  impressions  allemandes  qui  pour- 
raient  fournir  de  tres  preeieuses  indications  sur  notre  musique  d'orchestre.  Telle  la 
« Terpsichore »  de  Praetorius  ("Wolfenb.,  1612)  recueil  de  danses  franchises  a  6  par- 
ties, avec  les  noms  de  leurs  auteurs.  Tel  aussi  Touvrage  de  "W.  Brade:  »Neue  Cou- 
ranten  mit  5  Stimmenc  (Berlin,  1621). 

0  2)  Breitkopf  1881,  8<>.  —  Un  exemplaire  annote*  par  le  Dr.  Vogel  de  Leipzig 
se  trouve  a  Cassel.  Mais  une  revision  serieuse  est  encore  desirable:  Par  exemple, 
lors  de  notre  visite,  un  mss.  de  Michel  Corrette  est  demeure  introuvable. 


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156    J-  Ecorcbeville,  Note  sur  un  fonds  de  rausique  francaise  de  la  Bibliotheque  de  Cassel. 

collection  dont  nous  parlons.  Sous  cette  rubrique:  « Suites,  courantes, 
allemandes  etc.  .  .»  se  trouve  r&inie  une  importante  serie  de  parties 
separees,  ecrites  sur  des  feiiilles  volantes.  Une  feuille  double,  k  Tinterieur 
de  laquelle  figure  la  partie  de  soprano,  sert  generalement  d'enveloppe  a 
chacune  des  ceuvres.  Ainsi  constitue  le  dossier  prend  Taspect  d'une  suite 
de  petits  cahiers  (environ  40),  les  uns  in-f olios  cotes:  *mus.  fol.  61*,  les 
autres  in-8°  cotes  *mus.  4°  148*.  Le  classement  de  ces  cahiers  semble 
aussi  ete  un  peu  hatif.  Dans  fol.  61,  les  lettres  a,  b,  c,  d,  e,  f,  g,  h,  m 
et  la  moitie  de  k,  font  partie  d'une  mi'me  collection,  d'ecriture  semblable 
et  de  source  frangaise,  portant  un  ancien  num^rotage,  dont  le  chiffre  le 
plus  eleve  est  85.  Par  contre,  i  contient  des  ceuvres  italiennes  et  viennoises 
d'une  autre  provenance;  1  comprend  des  tablatures  in-4°,  dont  la  Basse 
continue  etait  attribute  k  k.  Si  nous  mettons  de  cote  i,  1,  et  en  partie 
k  de  61}  et  a,  b,  c,  de  148  nous  nous  trouvons  en  presence  de  200 
morceaux  k  4  et  k  5  parties,  group^s  par  tonalites  et  portant  un  certain 
nombre  de  noms  d'auteurs  qui  permettent  d'en  determiner  l'origine. 

Sur  la  couverture  de  plusieurs  cahiers,  figure  le  nom  de  « Christian 
Herwig*  soit  sous  sa  forme  complete,  soit  sous  une  forme  paraphee 
qu' Israel  a  mal  su  lire.  Ce  meme  nom  reparait  encore  en  tete  dune 
Allemande,  d'une  Pavane  et  de  la  Bourree,  «la  Christiana*.  H  semble 
admissible  qu'un  personnage  ainsi  nomm£  fait  participd  k  la  formation 
des  recueils  61  et  148.  Or,  les  archives  de  Hesse1)  mentionneht  un 
Christian  Herbig  « hofmusicus »  qui  mourut  violemment  le  23  7bre 
1663.  Cette  date  s'accorderait  assez  bien  avec  les  noms  fran^ais  indiques 
d'autre  part  sur  le  mss.  Lazzarini  cfcde  k  Lully  sa  charge  de  compositeur 
de  la  musique  de  la  chambre  en  16532);  Michel  Mazuel  est  nomme 
compositeur  de  la  musique  des  24  violons  en  1654  s);  Gr.  Dumanoir  rhgne 
sur  la  corporation  des  instruments  dfcs  1659;  et  Jacques  Brulart  y 
occupe  le  poste  de  »maitre  en  charge  >  lors  du  procfcs  de  1664 4); 
Louis  Brulart  quitte  la  grande  Bande  en  16705);  de  Lavoye  publie  son 
cTrait6  de  musique*  en  1656;  Francois  Pinel  ou  Pinet  ^ordinaire  de  la 
musique  de  la  chambre  pour  le  thdorbe*  prend  un  -survivancier  en  1671  •). 
Parmi  le6  strangers  nous  trouvons  Adam  Dresen  (1620 — 1701)  et  une 
ceuvre  du  Landgraf  de  Hesse  dat^e  de  1650.  D'autre  part  cep^ndant, 
nous  rencontrons  les   dates  de  1664  et  1668  qui  seraient  posterieures  k 

1)  Marburg,  Staatsarchiv ,  Hofhaltung,  0.  W.  L.  117.  Je  dois  ce  document  a 
la  grande  obligeance  de  M.  le  Prof.  Jungbans. 

2,  Arch.  nut.  0*  7. 

3)  Tboinan,  Un  Bisaieul  de  Moliere.    Recherches  sur  les  Mazuels.    Paris  1878. 

4)  Entre  la  corporation  de  St.  Julien  et  les  freres  de  la  doctrine  chr^tienne.    % 

5)  Arch.  nat.  0i  1H. 
6  Arch.  nat.  0l  L~>. 


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J.  Ecorcheville,  Note  sur  un  fonds  de  musique  frangaise  de  la  Bibliotheque  de  Cassel.     157 

Herwig.  Mais,  quelque  puisse  etre  l'auteur  ou  le  possesseur  de  ces  copies, 
elles  appartiennent  sans  contredit  k  Fecole  frangaise  qui  preceda  imme- 
diatement  Lully  et  qui  fut.eclipsee  par  la  gloire  du  Florentin. 

H  y  aurait  toute  une  £tude  h  entreprendre  sur  cette  collection  de  la 
Landes-Bibliothek.  La  morphologie  orchestique  prendrait  interet  &  ces 
Branles  aux  divisions  singulifcres.  Ces  Courantes  complexes  feraient  naltre 
d'interessants  problfcmes  de  polyrythmique  et  l'histoire  des  sciences  musicales 
trouverait  d'utiles  exemples  dans  cette  polyphonie  qui  n'a  dejk  plus  la 
liberie  du  contrepoint  et  pas  encore  Tassurance  de  Tharmonie.  L'ordre 
et  la  conduite  des  voix,  que  nous  avons  la  bonne  fortune  de  posseder 
ici  separees,  et  non  pas  en  partition  reduite,  comme  il  arrive  le  plus 
souvent,  les  dimensions  m§me  de  certaines  pieces,  tel  le  Testament  de 
Belleville  qui  comprend  60  mesures,  Vouverture  de  Dumanoir  qui  en 
compte  40,  pourraient  etre  pour  Perudition  de  precieux  auxiliaires.  Les 
origines  de  la  symphonie  frangaise,  le  role  de  Fitalien  Lully,  —  pour  ne 
citer  que  ces  deux  exemples  —  resteront  toujours  obscurs  et  confus  tant 
que  des  collections  comme  celle  de  Philidor  et  celle  de  Cassel  n'  auront 
pas  ete  serieusement  mises  &  contribution. 

Le  catalogue  thematique  qui  suit  donnera  une  idee  plus  precise  du 
manuscrit,  et  pourra  guider  des  recherches  similaires. 


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158  ^  Ecorcbeville,  Note  but  un  fonds  de  musiqae  franchise  de  la  Bibliotheque  de  Castel. 

Catalogue  th&natique. 
Fol.  61.  a. 

BransleB  a  4  de  MF  Brular.  1664.    Gay. 


j'<Tpiffrfrir'iJif«i'Pfrnin  i  m  i  v 


A  mener. 


Double. 


ifpfirrpif  itf»rtr\nf\irih\ 


Montirande. 


Gavotte. 


fS^if'^if'PfPir  i^'»r'Ptffii  yUn 


Courante  en  suite. 


2.  Courante. 


Foi.ei.b.d.) 

[l'enveloppe  porte  ces  mots  au  crayon:  de  M?  Seneca.] 
Braneles  a  4.  le  20  8*ri«  1668.    Gay. 


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J.  EcortheviHe,  Note  tur  un  fonds  de  musiqne  francaise  de  la Bibliotheque  de  Oasflel.i  erg 

Pol.ei.b.(».) 

Bransles  de  Mr  Du  Manoir.  [a  4]  Gay. 


j!nh  j:jy  jtrftrrir'rfrpif  ifmyHv^Pir 


A  mener. 


Gavotte. 


3.  Courante 


Sarabande. 


Courante  Mademoiselle 


Gout.  La  Dauphine. 


FoL6i.b.(8.) 

Bransles  nouveaux  a  4.  _     Gay. 


A  mener. 


Gavotte. 


|-ri  rrnr  'pi  Kir  ij^frriMirjirpp 


Sarabande 


Cour.  Du  Manoir. 


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160  J.  Eoorcheville,  Note  but  an  fonds  de  musiqae  frangaise  de  la  Bibliotheque  de  Gasael. 

FoL61.  e. 

Bransles  nouveaux  de  G-.  D.  1661.  [a  4]       Gay. 


ft  ffrirrflifcr|ffCff'Ti^  ■opfYr'pirTrri"P 


A  mener. 


Gavotte. 


1.  Courante 


2.  Courante. 


i.  uourame.  _      ».      ^.  i>uut»uto. 


Sarabande. 


PoLei.  d.(i.) 

Allemande  La  Zarin.  [a  4]  2.  Allemande. 

»A  i  #-,iJii,rf».,i^iifriiiJ  g  ■" 


Courantes  nouvelles  de  M?  Mazuel 


2.  Courante. 


j'nPir>rfrfifrrpir  ifl'mjiir^rrwr 


Gijrue. 


Sarabande. 

1= 


Fol.  61.  d.  (*.) 
Courante  de  MF  Werdtjr.  [a  4]  Allemande. 


ft  ii^irrerTirrrrfirri|'ti  ^^  |i 1 1 


Courante. 


2.  Courante. 


Courante. 


2.  Courante. 


^^y=^ftryr^'PH^*^N^J3  j  I  p^ 


Sarabande. 


ftiirr'dr'PMir^F^ 


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J.  Bcorcheville,  Note  sur  un  fonds  de  muaique  franchise  de  la  Bibliotheque  de  Casael.  161 

Fol.6l.d.(8.) 

1.  Oourante. 


Allemande  a  5  de  MT  Manuel. 


2.  Gourante. 


3.  Gourante. 


,j»H,Pirrffirpfrrr|.rij,»,.rClf|iprrrr^ 


Sarabande. 


Bourr6e 

=* 


Allemande  de  la  voys  a  5. 


Gagliarde 


Sarabande  de  la  Hays. 


^■r  ipr'pirrrcfif',«^nrirrcr^^ 


Fol.  81.  d.  (4.) 

Allemande  du  8?  2te  to  Croix,  a  4.     Courantd  en  suite,  i 


$»r'r  iricrrirfji^njtnpirrrrrpirpr/r 


2.  Gourante 


Sarabande. 


ji ..  fpi'f  frf  rT|f  rrrrpi  r  iif  »rpr  ifippgi 


Allemande  b.  Adam  Dresen 


1.  Gourante. 


j^'PfrjjflJiiji,)  rriri^a^irirrr  if  fprr 


La  duchesse.  Gourante  figured. 


Bourse. 


^nFirBfirfBii|..frpij|jnrtbtfate 


Ballet  du  ST  Nau, 


Pol.  61.  d.  (5.) 

2. 


^m+qfefefa^g^^^ 


l^^ar^fitrsr  f4s  ■■  -f  f?  i  fpt^s 


s.  d.  i.  m.  y. 


11 


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162  **'  Ecorcheville,  Note  sur  un  fonds  de  musique  frauciuse  de  la  Bibliotheque  de  Cassel. 


Allemande  a  5. 


Courante. 


2  Courante.     ^m  m  ^  \  3  Courante.        -_  _ 


4  Courante. 


Sarabande. 


Allemande 


Pol.  61.  d.  (6.) 

Allemande.  Christian  Herwig. 


hn  rrifPflJJiJ  ijurcf^i^  J3i,j 


Courante  figured 


Allemande. 


Courante. 


Courante. 


Gagliarde  du  8?  Art  us. 


Les  passe -pieds  d'Artus. 


Fol.ei.d.(7.) 

Sarabande. 


A-*-*  oftrauanue.  ^ 


Bounce. 


Courante. 


Bourree  figured.  La  Christiana. 


Allemande. 


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J.  Ecorcheville,  Note  sur  an  fonds  de  musique  franQaiae  de  la  Bibliothnque  de  Oassoi.ign 

Pol.  61.  d.  (8.) 

Bransles  a  5.  Gay. 


ft»jiJ.iir-[rirflrijV  <^rrffirprrrr 


A  mener. 


Double. 


Gourante  figureV 


Sarabande. 


uourante  liguree.  saraDanae.  *  + 

jnpir]frrrjirrr<riftirr'pft-Prir~ 


Fol,  61.  e. 


Libertas. 

(2 


Sarabande  italienne. 


ri'iMTi"  ijirrrirrrirrr 


E 


1.  Gourante 


2.  Gourante. 


jnpi[»rrrirprrrrpir  ijuPirpffrpp* 


Sarabande 


Gourante  du  ST  Pinel. 


Gourante. 


Fol.  61.  f. 

Sarabande  de  8.  A.  de  Hesse  faite  en  Tan  1650. 


Sarabande  du  Roy. 


Sarabande. 


'nrririrfir-iiipirij'irrrirffRttfff 


Gourante. 


Sarabande. 


Sarabande 


Franzosisch  Liedt. 


baraDanae.  x  * BUBVB1DVU     ^t^^ji^.^ 

ynrjjj|j.prirrjirpri^«rirrrirrrrir'riir 

Fantaisie.  Les  pleura  d'Orphle  ayant  perdu  sa  femme. 


11* 

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Jg4  J«  Ecorcheville,  Note  but  un  fond?  de  musiqne  francaise  de  la  Bihlioth&jue  da  Caswu. 

Fol.  61.  g. 
Le  testament   du  S*  Belleville.  Courante  simple.  D.  Pohle. 


Sarabande.  D.  Pohle. 


La  Bourree. 


^■■rrrirr  irxcPi  r-  ijfnirirrrrrirrrrif 


Fol.  61.  h. 

Ouverture  de  <?.  D.  [Dumanoir?]  Ballet  des  inconstan's 


ir?\ 


jmf  <ttfi.lfJiflnnjniJ>iJ  i  Pir  rrrif 


2.  Ballet.  3. 


Allemande  de  #.  Z>. 


2.  Allemande. 


jinipirjrirp^if^ip  ijnjjjjj]irp,ihff 


Fol.ei.i. 

Balletti  da  Cavallo  composita  (sic)  di  Qeorgio  Christophoro  [Strattner]? 
Une  partie  de  ce  ballet,  a  laquelle  manque  le  soprano  pour  rait  &tre  le  Bal- 
letto  a  Cavallo  de  J.  H.  Schmelzer  (Wien  1667). 

Fol.  61.  k.  (1.) 
Branle  simple 

manque  soprano.  Comprend:  G4  Branle;  Gay;  A  mener;  Double;  Montirande; 
Gavotte;  Prelude  a  4;  Allemande;  Courante;  Sarabande. 

Fol.  61.  k.  (».) 
Petits  Bransles  nouveaux.  2. 


i^Of  tr  pr  r  i  r^+i^**^^ 


La  Princesse.  Bounce. 


Sarabande 
3 


nae. 


Les  doux  dorniors  morceaux  so 
trouvent  deja  en  Pol.  61  d  (7). 


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J.  Ecorchcyille,  Note  sup  tin  fonds  dc  musique  francaite  de  la  Bibliotheque  de  Cassel  165 

Pol.  61.  k.  (8.) 


Courante  nouvelle  pour  l'annee  1658.  [a  4]      2. 


Allemande.  Ferdier. 


Pol.  61.  k.  (4.) 

Allemande. 


Ballet  de  Chantilly. 


Pol.  61.  k.  (5.) 

Allegro. 


|m  jJlfTlf  Jl,JJJl  J  ijuffffrrr  lr  r 


Presto. 


Allegro. 


|Sr  f'tfifrrpi  •  i$'«f  trrrgppip 


l*  1  |  ir  r'r  r r i r  J  »|"  i  ^ 


Grave. 


*  J.JIJJJ-JlfJfpl  ;  l$m  -J^Jif^^ 


Allegro 


Sarabande. 


«rrrpirrfPifr^F4t^Pi^ri'irr^ 


Pol.  61.  k.  (6.  7.  8.) 

Wiensches  Ballet  a  5. 

Schwedisches  Ballet  a  4,  iu  Stockholm  getantzt. 

Sonata  di  A.  Bertali  (Fa  maj.) 
Sonata  del  Sig.  G.  Rub.  (incomplete) 


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166  J.  Ecorcbeville,  Note  sur  un  fouds  de  muaique  frangaiee  de  la  Bibliotheque  de  Cassel. 

Pol.  61. 1. 

Per  la  viola  di  gamba  del  Sig.  Tielsche  -    Tablature  avec  B.  G. 

Pour  le  Baryton,  cahier  de  32  pages  4?  On  y  trouve  les  noms  de  John 
Jen.  -  MT  Young.  Gautier  1653  -  Pin  ell  e  -  Tombeau  de  MT  Me~ 
sangier  -  Carl  Hacquart. 

Lamente   d'Orph^e  en  d^faillance  de  coeur.  G4  Ballet;  Euridice  se  mou- 
rant  (incomplet)  „Rossignols".  „J'aime  la  paix"  -  en  tablature. 


Pol.  61.  m. 

Allemandes  a  4. 

Tres  endommage"  par  Thumiditd,  surtout  le  soprano. 


Allemande. 


Gourante. 


Gourante 


Sarabande. 


$re-p'ir-rref|frrr  i^rrpirVfep 


4?    148. 

a.  Ballet:  Ouverture.  Entrees.  Duo  des  Satyres.   Les  7  Planetes.   Les  4 

Saisons.  Phaeton  seul.  Neptune. 

b.  Sonata  a  5  del  Sign.  H.  Schmelzer. 

c.  Pa  van  a  5    Christian  Her  wig. 

d.  Bransles  a  4  del  Sign.  David  Pohlen.  Sont  divises  comme  ci-dessus: 

Simple;  Gay;  A  mener;  Double;  Afontirande;  Gavotte;  2  Cour.;  Sarab. 

e.  S^rie  de  danses  et  ballets  francais;  Basse  seule. 

f.  Gourantes  a  4  du  SF  Tambeau. 
1 


|'"J'U-r;rpirpcrrrfir  ^'■pirrrpffl^ 


Sarabande. 

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PMrrJ'J- i 


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Le  catalogue  d' Israel  indique  encore  5  vol.4?  cotes  125.  Ce  sont  des  mil,  magni- 
fiquement  relies,  portant  sur  leurs  plats  l'aigle  a  deux  tetes,  et  oontenant  de  la  mu- 
aique instrumental  probablement  d'une  epoque  anterieure  a  celle  qui  nous  occupe. 
Malheureusement  ils  ne  pr4ser4ent  aucun  titre,  ni  indication  de  quelque  genre   que    ee 

soit 


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J.  Ecorchevilk,  Note  sur  un  funds  de  musique  franqaise  de  la  Bibliothfeque  de  Caase)  167 
Allemande  de  Mazuel. 


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168  J-  Ecorcheville,  Note  but  tin  fonds  de  musiquo  fran^aise  de  la  Bibliotheque  de  Cassel 


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J.  Bcorrbeville,  Mote  but  un  fonda  de  musiqoe  fructose  de  la  Bibliothfeque  de  Cassel.  jgg 


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1 70  J.  Ecoroheville,  Note  «ur  un  fonds  de  manque  fran^aise  de  la  Bibliotheqne  de  Canel. 


Allemande  du  8?  De  la  Croix. 


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J.  Ecorcherille,  Note  war  an  fonds  de  monetae  fiftn$aue  de  la  Bibliotheqae  de  Oanel.  iitj 


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172    J.-Gr.  ProcThomme,  Notes  sur  plusieurs  musiciens  frangais  du  XVI«  siecle. 

Notes  sur  plusieurs  musiciens  frangais  du  XVIe  siecle 

par 

J.-G.  ProcThomme. 

(Paris.1 


Voici  trois  chapitres  d'un  gros  volume,  sorte  d'encyclopedie  sans  methode 
comme  la  litterature  francaise  du  XVIe  siecle  en  possede  tant,  et  dans  les- 
quels  leurs  auteurs  entassaient  nai'vement  toutes  leurs  conceptions  artis- 
tiques,  politiques,  sociales,  toute  leur  Erudition  melee  a  toutes  leurs  fan- 
taisies:  Le  Traict6  sur  les  (Euvres  admirables  de  Dieu,  du  chevalier  Adrien 
de  Boufflers,  volume  compact  de  1300  pages,  divise  en  plusieurs  parties, 
renferme,  au  milieu  du  Livre  III,  qui  traite  plus  particulierement  de  la 
physiologic  du  corps  humain,  plusieurs  pages  sur  la  Voix,  et,  incidemment, 
une  longue  digression  sur  plusieurs  musiciens  contemporains  (p.  853-856j. 
Ces  particularity  ont,  sans  doute,  echappe  jusqu'ici,  aux  historiens  de  la 
musique.  Aussi  ne  crois-je  pas  sans  interet  de  les  reproduire,  apres  trois 
siecles,   in  extenso: 

IfAVCVNS  MVSICIEXS 

LESQVELS  ONT  CHANTE' 

deiix  parties  en  mesme  temps. 

D'vn  musicien  de  FLAXDRE. 

GIIAPITRE  XX. 

Ie  seray  pleige  en  cela  par  Maistre  lean  Molinet,  Poete  en  langue  Fran- 
coisc  de  Charles  Due  de  Bourgogne,  lequel  racontant  en  ses  Po'emes  les  merveilles 
aduenues  de  son  temps ,  il  couehe  au  rang  dUicelles  vn  certain  personnage  de 
quality  fort  verse  en  fart  de  Men  chater,  duquel  encore  que  le  nom  soit  passe 
soubs  silence,  si  a-il  voulu  toutefois  (aire  reuiure  sa  louange  en  la  memoire 
d*  la  posterite,  en  le  depeignant  si  excellent  en  Musique,  qu'il  chantoit  (dit-ti) 
en  mesme  temps  deux  parties,  a  scavoir  le  dessus  <&  le  tenor,  auee  vne  con- 
cordance si  agreable  aux  oreilles,  qu'iceluy  Molinet  reproche  a  Obega-n,  losquin, 
<0  autres  rares  Musiciens,  ses  contemporains,  de  rfauoir  peu  donner  atteinte  a 
rrste  perfection.  Et  ne  trouuoit  sans  raison  telle  Industrie  esmerueUlable,  en  taut 
que  les  Philosoplies  &  Mcdecins,  Secretaires  de  la  nature,  veulent  bien  aduoiirr 
que  Vhome  pent  contrefaire  torn  les  chants  des  oiseaux,  <0  le  cry  des  bestes: 
mais  ils  tiennent  que  le  poulmon  duquel  la  voir  prend  sa  naissance,  se  seruant 
de  la  gorge  comme  d'vn  tuyau  pour  la  conduirc  en  la  bouche,  afin  d'estre  former 
par  la  langue,  ne  sont  suffisans  organes  pour  rcprrse titer  en  mesme  temps  deux 
roix  diuerses  <£  separces  fvne  de  V autre,  nstimans  que  cela  fie  se  pent  faire 
sinon  par  la  dextcrite  de  fart  et  de  la  gorge,  laquelle  cest  honneste  homme 
anoit  tant  a  commandement  que  de  faire  des  rencontres  auee  vne  tres  grande 
promptitude,  ores  descendant  en  vne  partie,  &  tantost  montant  en  f autre.  En 
quoy  il  procedait  comme  font  les  ioileurs  de  gobclete,  lesquels  charment  la  veiie 
par  la  subtilite  de  leurs  mains.  Tout  de  mesme  ce  CJiantre  p>oxmoit  deceuoir 
Irs   oreilles   auee  Vagilite  dc  sa  voix,  faisant  paroistrc  ce  chant   redoulAe,   ainsi 


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J.-G.  Prod'homme,  Notes  sur  plusieurs  musiciens  fran^ais  du  XVIe  ei&cle.    173 

que  Von  voit  la  langue  du  serpent  sembler  triple  <£  quadruple,  a  raison  du 
soudain  mouuemsnt  Micelle.  En  pareil  ca  quand  vne  houssine  bien  deliee  est 
branUc  de  la  main  des  Ecuyers,  eeste  agitation  fait  juger  quHl  en  tient  cinq  ou 
six.  Ce  seroit  par  telle  procedure  que  le  sens  de  Vouye  pourroit  estre  abusi,  a 
cause  de  la  soudaineti  du  Musicien  nientumne  par  cestuy  Molinet.  Mais  soit 
que  tel  redoublement  de  voix  se  face  naturellement,  ou  par  artifice,  en  vne  sorts 
ou  en  Vautre  ce  Chantre  ne  meritoit  petite  louange  de  son  Industrie:  car  ton 
dit  que  fart  egale,  voire  surpasse  la  nature. 

D'ANTHOINE  DE  MUBA. 

CHAPITBE  XXL 

Le  Boy  Charles  IX.  prenoit  singulier  plaisir  de  veoir  la  Musique  de  sa 
Cliapelle,  &  celle  de  sa  Chambre,  garnies  de  Chanteurs  t)'es-excellens,  estimant 
que  les  beaux  concert*  de,  voix  estoit  Vim  des  plus  precieux  ornemens  qui  donnent 
lustre  au  Cours  des  grands  Princes.  Et  afin  de  ne  rrtarrester  a  particulariser 
tons  Us  rares  Musiciens  dont  sa  Majeste  estoit  seruie,  ie  representeray  seulement 
Antiwine  de  Mura,  qui  eut  la  plus  belle  voix  de  tous  les  Chanteurs  de  ceste 
saison.  Car  il  faisoii  rouller  tant  de  passages  rcdoublez  de  sa  gorge,  que  la 
gloire  du  degoisetnent  des  rossignols  s*en  trouuoit  du  tout  effacee ;  &-  encore  que 
telle  dexteritd  fust  digne  de  ires  grands  louange,  si  voulut-dl  faire  prendre  rn 
plus  haut  vol  a  sa  sufpsance,  &•  acquerir  des  trophees  sur  les  hommes  aussi 
bien  qvHil  auoit  fait  sur  les  oiseaux.  Car  lors  qu'estant  en  ses  gayes  humeurs, 
il  donnoit  maintefois  carrier e  a  son  bel  es}nnt,  en  chantdt  deux  parties  de  sa 
bouche  en  mesme  temps,  qui  duroient  fcspace  de  vingt-cinq  ou  trente  mesures, 
faisant  entendre  deux  voix  bien  accordecs,  distinctes  d>  continues  iusques  a  la 
fin,  sans  i?itermi#sion ;  Vvnc  proucrwit  de  son  estomac,  d!r  V autre  sembloit  sortir 
des  narines:  viais  tant  y  a  que  ces  deux  airs  rendoient  vne  harmonic  non 
mains  rare  que  admirer  d?vn  chacun. 

DU  SIEUB  DU  CAUBBOY. 

CHAPITBE  XXII. 

Depuis  que  lay  raconte  les  louanges  de  ces  deux  grands  Musiciens,  ie  ne 
me  dois  taire  de  la  suffisance  du  Sieur  du  Caurroy,  qui  fut  Maistre  de  la 
rhapelle  de  Henry  II.  <£-  Henry  III.,  Boys  de  France,  pour  estre  Vvnique  de 
nostre  aage,  qui  auroit  receu  ceste  faueur  des  Cicux,  d'ouurir  les  plus  rares 
secrets  d'Orphee,  par  la  clef  de  son  travail  <£  Industrie  1  <£'  de  ce  lieu  sacre 
recueillir  toute  perfection  de  fart,  dont  il  a  fait  assex,  paroistre  f excellence  par 
toutes  scs  opAtvres  a  la  grande  louange  des  Francois,  <£  admiration  des  estrangers. 
Ireluy  done,  pourueu  de  ces  rares  concessions  ne  voulut  souffrir  que  le  Musicien 
recommande  par  Molinet,  ny  Anthoine  de  Mura.  missent  le  pied  plus  autant 
que m  luy  dans  la  perfection  de  ceste  science,  car  pour  egayer  son  esprit  appe- 
santy  d'autres  plus  serieuses  cstudes,  il  s*est  fort  souuent  delecte  a  cha?iter  deux 
parties  en  mesme  tempts,  portant  sa  voix  si  promptement,  oi-es  en  haut,  tan  tost 
en  has,  qrfil  ne  se  trouuoit  pcrsonne  pourueu  de  si  delicate^  oreilles,  qui  ne 
iugeast  que  ce  fussent  deux-  liommes,  chautans  chacun  leur  partie.  Mais  apres 
auoir  egale,  uoire  devance  ces  rares  Musieiens  en  ce  que  Von  estime  impossible ; 
sa  louable  ambition  voulut  eneore  passer  plus  outre:  car  sestantvn  iour  trans- 
porte  a   Charento  prorhe  de  Paris,  pour  recognoistre  VEcho  de-  ce  lieu,  que  Von 


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174    J.-G-.  Prod'homme,  Notes  sur  plusieurs  musliciens  frangais  du  XVIe  siecle. 

(lit  estre  le  plus  celebre  du  monde,  c£  apres  auoir  iettS  quelques  chats  en  Fair 
pour  VaUirer  au  robot,  esprouuer  ses  forces,  &  scauoir  en  combien  de  syUabes 
il  representoit  les  chats  desquels  Von  Vauroit  salue,  it  accommoda  si  dextrc- 
ment  quelques  fugues  a  la  voix  d'ieeluy  Echo,  qu'ils  furent  pres  tfvne  heure  a 
cJianter  ensemble  des  fantaisies  a  Venuy,  auec  chasses,  &  vne  si  belle  suitte, 
que  deux  voix  humaines  n'eussent  peu  mieux  s'accorder.  Ie  ntesten&mis  da- 
vantage  sur  le  merite  de  ce  coriphee  de  la  Musique,  riestoit  que  ie  recognois 
mon  discours  par  trop  debile,  pour  haut  htier  celuy  en  Vame  duquel  Vharmonie 
(0  la  concordance  faisoient  leur  ordinaire  demeure.  (Test  pourquoy  le  recti  de 
ses  perfections,  estant  du  gibier  des  excellens  escriuains,  its  ne  laisseront  en 
arriere,  comme  ie  croy,  V honorable  mention  quails  doiuent  a  la  suffisance  de 
ce  digne  personnage. 

L'ouvrage  du  chevalier  de  Boufflers,  d'ou  sont  extraits  ces  trois  cha- 
pitres,  parut  en  1621,  a  Beauvais,  sous  ce  titre: 

TRAICTE'  SVR  LES  (EVVRES  ADMIRABLES  DE  DIEV  LE  CRE- 
ATEVR,  PAR  Le  Sieur  de  Boufflers,  Cheualier  de  l'Ordre  du 
Roy,  Gentilhomme  ordinaire  de  sa  Chainbre,  Seigneur  dvdit  liev 
de  Boufflers,  Yicomte  de  Ponches,  Chaftelain  de  Milly  en  partie, 
Et  Bailly  de  Beauuais.  I'ay  consid^re  tous  tes  faits,  &  medite  sur 
toutes  les  ceuvres  de  tes  mains.  Psal.  143.  A  BEAVYAIS,  Par  G.  VAL- 
LET,  deuant  S.  Barthelemy.     M.D.C.XXL     Avec  Priuilege  du  Roy. 

Quant  a  l'ouvrage  de  Jean  Molinet  auquel  Boufflers  se  rSfere,  en  voici 
le  titre  et  un  extrait: 

Recollection  de  merueilleufes  auenues  en  noftre  teps Comencee 
par  tres  elegat  Orateur  infigne  George  Chastelai  cheualier  iu- 
diciaire  et  historiographe  de  tres-illu!  tre  prince  Monseigneur  le 
due  de  bourgoingne  et  continuee  iusques  a  present  Par  messire 
Jehan  Molinet.  Sans  date,  imprime  en  caracteres  gothiques  par  Guil- 
laume  Vorstermann  a  An  vers,  vers  1450. 

Au  fo.  10,  on  lit  le  huitain  suivant: 

lay  veu  come  il  me  sable 
Vng  fort  home  d'honeur 
Lvy  seul  chanter  en  samble 
Et  dessus  et  teneur 
Okeguem  Alixandre 
Gossequim  ne  Bulnois 
Qui  Sevent  chans  espandre 
Ne  font  telz  esbanois. 

On  connait  Okeghem  (que  Boufflers  appelle  Obegan^,  Josquin  Des- 
pres,  Alexandre  [Agricola',  Busnois  (ou  Bulnois),  Eustache  du  Caurroy 
que  citent  nos  auteurs;  quant  a  Anthoine  de  Mura,  les  biographes  musicaux 
n'en  font  pas  mention. 

Les  cas  cites  par  Boufflers  dans  ses  chapitres  XX  et  XXI  sont  des  cas 
de  ventriloquie,  tels  qu'on  en  rencontre  assez  frequemment  de  nos.  jours. 


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Hermann  Miiller,  Zur  Musiklehre  des  Joannes  de  Grocheo.  175 


Zur  Musiklehre  des  Joannes  de  Grocheo 

von 

Hermann  Miiller. 

(Paderborn.) 


Der  in  den  Sammelbanden  der  IMG.,  Jahrgang  1,  Seite  65  ff.  durch 
Wolf  erstmals  veroffentlichte  Musiktraktat  des  Joannes  de  Grocheo  liegt 
bekanntlich  nur  in  einer  Handschrift 1)  vor.  Bei  Gelegenheit  einer  kleinen 
textkritischen  Studie  zu  der  genannten  Musiktheorie  2)  hatte  ich  bereits  notiert, 
dafi  dieser  Kodex  fruher  offenbar  dem  Karthauser-Kloster  zu  Koln  gehort 
habe.  Nun  wurde  ich  jttngst  im  Stadtarchiv  zu  Koln  auf  den  daselbst  auf- 
bewahrten  Katalog  der  alten  Kolner  Karthauser-Bibliothek  aufmerksam3). 
Es  ist  das  ein  handschriftlicher  Katalog  vom  Jahre  1748,  der  einen  sehr 
ansehnlichen  Umfang  hat;  ein  Prachtexemplar  eines  alten  Biicherkataloges. 
In  diesem  Verzeichnisse  findet  sich  auf  Seite  737  notiert: 

>De  Groclieo  Joarmis  Mmka  sive  theoria  ms.* 

Ferner  findet  sich  in  dem  beigefiigten  » index  praenominum*  (der  Schrift- 
steller)  auf  Seite  113  verzeichnet: 

» Joannes  de  Grocheo.* 

Daraus  ergibt  sich,  daB  unser  Traktat  noch  um  die  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts  im  Karthauser-Kloster  zu  Koln  lag.  Ferner  wird  man  daraus,  daB 
der  Autor  in  dem  Schriftsteller-Verzeichnis  ohne  jeden  weiteren  Zusatz  auf- 
gefuhrt  wird,  wahrend  sonst  wohl  derlei  Zusatze  sich  finden,  schlieBen  diirfen, 
dafi  schon  dem  Schreiber  jenes  Kataloges  der  Joannes  de  Grocheo  eine  ganz 
unbekannte  Fersonlichkeit  war.  Sollte  es  nicht  doch  noch  gelingen,  Naheres 
iiber  diesen  verschollenen  Musiktheoretiker  einmal  in  Erfahrung  zu  bringen? 


1)  Cod.  2663  der  GrroCherzoglich  Hessischen  Hofbibliothek  zu  Darmstadt. 

2;  Siehe  Sammelbande  der  IMG.,  Jahrgang  4,  Seite  361  ff. 

3;  Stadtisches  Archiv  zu  Koln,  geistliche  Abteilung  Nr  66,  sub  n.  137. 


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Die  Vierteljahrshefte  der  Sammelbande 

erscheinen  am  1.  November,  1.  Februar,  1.  Mai  und  1.  August.  SchluB 
der  Redaktion  jedes  Heftes:  ein  Monat  vor  seinem  Erscheinen.  Manu- 
skripte  und  andere  Sendungen  beliebe  man  zu  richten  an  einen  der 
Herausgeber:  Prof.  Dr.  Oskar  Fleischer,  Berlin  W.  MotzstxaBe  17  und 
Dr.  Johannes  Wolf,  Berlin  N.  0.  Prenzlauer  Allee  30. 


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MAR  10  1904 

Studien  liber  die  Gesohiohte  der  mehnt"'^1 

im  Mittelalter. 

II.  Die    50   Beispiele   Coussemaker  s  aus  der   Handschrift  von 

Montpellier1). 

von 

Friedrich  Ludwig. 

(Potsdam.) 


Unter  den  Denkmalern  der  mehrstimmigen  Musik  des  Mittelalters 
stand  bisher  fiir  die  musikgeschichtliche  Forschung  die  groBe  Handschrift 
von  Montpellier  {Feu:,  de  mSd.  H.  196)  im  Vordergrund.  In  der  ersten 
Halfte  des  14.  Jahrhunderts  geschrieben  gibt  sie  ein  iiberaus  reiches 
Bild  der  mehrstimmigen,  besonders  der  Motettenkunst  des,  wie  man  an- 
nimmt,  12.  und  13.  Jahrhunderts.  Ihr  widmete  E.  de  Coussemaker  in 
seiner  Vart  harmonique  aux  XII*  et  XIIP  siecles  (Paris  1865)  ein  um- 
fangreiches  Werk,  dessen  Musikbeilagen,  50  Stiicke  aus  dieser  Hand- 
schrift in  Original-Notation  und  Ubertragung,  trotz  ihrer  oft  beklagten 
Mangelhaftigkeit  bisher  keine  wesentliche  Verbesserung  oder  Nachahmung 
gefunden  haben.  1879  und  1880  publizierte  G-.  Jacobsthal  in  der 
»Zeitschrift  fiir  romanische  Philologie*  (IH,  526  ff  und  IV,  35  ff)  samtliche 
Texte  in  diplomatisch  genauem  Abdruck  in  sorgfaltigster  Weise  mit  einer 
wertvollen  Beschreibung  der  Handschrift  als  Einleitung.  Bald  darauf  er- 
schien  G.  Raynaud's  Recueil  de  motets  franpais*),  in  dem  alle  Raynaud 
bekannten  franzosischen  Motettenhandschriften  abgedruckt  sind,  unter 
ihnen  an  erster  Stelle  die  von  Montpellier,  die  den  ganzen  ersten  Band 
fiillt,  mit  einer  langen  Abhandlung  von  H.  Lavoix,  La  musique  au 
si&ele  de  St  Louis  am  SchluB  des  zweiten  Bandes8),  die  die  Handschrift 
Montpellier  geradezu  fiir  eine  Enzyklopadie  der  Musik  des  13.  Jahr- 
hunderts erklart.  SchlieBlich  machte,  um  von  der  haufigen  sonstigen 
gelegentlichen   Benutzung   des    von    Coussemaker    gedruckten   Materials 


1)  I.  Die  mehrstimmige  Musik  des  14.  Jahrhunderts,  Sammelbande  IV,  16  ff. 

2)  2  B'ande  1881  und  1883. 

3)  Siehe  187—464  und  eine  Bibliographie  dieser  Zeit  Seite  467—479. 
s.  d.  I.  M.   v.  12 


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178    &•  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

seitens  der  Musikhistoriker  zu  schweigen,  1888  O.  Roller  dasselbe  in 
der  Vierteljahrsschrift  fiir  Musikwissenschaft  IV,  Iff.  zum  Gegenstand 
einer  umfassenderen  Untersuchung. 

Neuerdings  haben  besonders  zwei  Publikationen  wieder  die  Aufmerk- 
samkeit  auf  den  Inhalt  dieser  Handschrift  und  die  mit  ihm  zusammen- 
hangenden  Fragen  gelenkt,  die  grundlegende  Untersuchung  von  W.  Meyer 
uber  den  »Ursprung  des  Motett's*  in  den  Nachrichten  von  der  Ronig- 
lichen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Gottingen  1898  und  der  erste 
Band  der  »Oxford  History  of  Music*,  in  dem  H.  E.  Wooldridge  sich 
zur  Aufgabe  stellt,  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  von  330  bis 
1330  zu  schreiben  (Oxford  1901),  wofiir  er  sein  Beispiel-Material  haupt- 
sachlich  der  Florentiner  Handschrift,  Lour.  ])l.  29,  1,  deren  Bedeutung 
Meyer  zuerst  erkannte,  und  Coussemaker's  Montpellier -Beispielen,  von 
denen  er  sechs  wieder  abdruckt,  entnimmt. 

Trotzdem  wird  es  nicht  iiberfliissig  sein,  nach  dem  heutigen  Stande 
unserer  Wissenschaft  wieder  einmal  den  Versuch  zu  machen,  die  Stellung 
der  einzelnen  Faszikel  der  Handschrift  in  der  Entwicklung  der  mehr- 
stimmigen Musik  zu  umreiBen  und  innerhalb  eines  jeden  die  einzelnen 
von  Coussemaker  ausgewahlten  Stiicke  zu  charakterisieren  und  zu  wiir- 
digen.  Coussemaker  glaubt  seine  Beispiele  nach  der  historischen  Auf- 
einanderfolge  gruppiert  und  besprochen  zu  haben,  flir  die  er  seine  (irrige) 
Autorenzuweisung  zugrunde  legt,  dabei  Notenschrift  und  derartiges  neben- 
sachlicher  behandelt.  Roller  geht  umgekehrt  von  der  Notenschrift  aus, 
ordnet  nach  ihrer  Entwicklung  die  Folge  der  Faszikel  in  der  Handschrift 
urn  und  beriicksichtigt  das  Historische  fast  gar  nicht,  so  daB  er  zum  Beispiel 
S.  74  den  Vll.  Faszikel  in  das  12.  Jahrhundert  setzt  und  ahnliches.  Beide 
beachten  aber  dabei  nicht,  daB  Codex  Montpellier  nur  das  letzte  Glied 
einer  langeren  Entwicklung  ist,  die  Coussemaker,  der  das  altere  Pariser 
Handschriften-Material  kannte,  in  diesem  hatte  studieren  konnen;  denn  urn 
ein  Verstandnis  der  Werke  zu  gewinnen,  die  auBerlich  so  einheitlich  erschei- 
nend  jetzt  den  Inhalt  des  Codex  Montpellier  bilden,  muB  man  zunachst  ihren 
alteren  Spuren  nachgehen,  was  Coussemaker  und  Roller  nur  ganz  selten 
einmal  tun.  Die  Zitate  einzelner  Werke  in  den  Theoretikern,  auf  die 
Coussemaker  so  viel  Wert  legte,  niitzen  uns  dabei  verhaltnismaBig  wenig, 
aber  die  Geschichte  der  Werke  selbst,  die  sich  in  einer  Iiberwaltigenden 
Fiille  von  Fallen  durch  Handschriften  der  verschiedensten  Zeitepochen 
hindurch  verfolgen  laBt,  spricht  eine  um  so  beredtere  Sprache. 

Und  das  Bild,  das  man  daraus  fiir  die  Geschichte  der  mehrstimmigen 
Musik  bis  zur  Handschrift  von  Montpellier  und  fiir  die  Stellung  der 
letzteren  innerhalb  der  Gesamtentwicklung  dieser  Runstgattung  gewinnt, 
scheint  mir  etwa  folgendes  zu  sein. 

Nach  verstreuten  Anfangen,  in  denen  die  Mehrstimmigkeit  hier   und 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mebrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.     179 

dort  Boden  zu  gewinnen  sucht,  bilden  sich  im  12.  Jahrhundert  drei  groBe 
Kunstgattungen  heraus,  in  denen  die  Mehrstimmigkeit  in  schonst er  und 
entwicklungsfahigster  Bliite  erscheint.  Die  beiden  ersten  sind  die  litur- 
gischen  Kompositionen  und  die  lateinischen  Conductus,  bei  denen  eine 
Entscheidung,  welches  die  altere  Pflege  der  Mehrstimmigkeit  ist,  noch 
nicht  moglich  ist.  Die  Conductus  erscheinen  neben  ihrer  alten  einstim- 
migen  Form  jetzt  zwei-  bis  vierstimmig,  in  den  verschiedensten  musikalischen 
Gestaltungen  vom  einfachsten  syllabischen  Strophenlied  bis  zur  kunst- 
vollsten  melismenreichen  durchkomponierten  Ausfiihrung;  sie  sind  noch 
ganzlich  ununtersucht,  die  wichtigsten  Handschriften  sind  Florenz 
[Law.  pi.  29,  1),  die  zwei  in  Wolfenbiittel  [Hdmst.  628  und  1099), 
Madrid  (Tolet  930),  Egerton  (London  British  Museum  Egerton  274) 
und  aus  dem  13.  Jahrhundert  Paris  St.  Victor  813  (B.  N.  f.  lat.  15139). 
Ln  13.  Jahrhundert  stirbt  mit  dem  weiteren  Aufbluhen  der  Literatur 
in  den  Nationalsprachen  und  der  Entwicklung  der  Motette  diese  Kunst- 
gattung  ganz  ab;  sie  lebt  freilich  in  verkiimmerter  Form  in  Gestalt  von 
Schul-  und  kleinen  kirchlichen  Gesangen  noch  weit  in  die  Neuzeit  hinein 
fort,  die  zentrale  Stellung  aber,  die  sie  im  12.  und  13.  Jahrhundert  als 
freies  kirchliches  oder  religioses  Lied,  als  politisches  Zeitgedicht,  als 
Spott-  und  Rugelied,  als  Gesellschaftslied  und  allgemeines  lyrisches  Ge- 
dicht  in  lateinischer  Sprache  gehabt  hatte,  ist  definitiv  verloren.  Die 
Conductus  sind  nun  in  Montpellier  iiberhaupt  nicht  vertreten.  Von  ihrer 
musikalischen  Form  laBt  sich  in  diesem  Zusammenhang  nur  sagen,  daB 
sie  in  den  syllabischen  Teilen  Note  gegen  Note  und  mit  gleichem  Text 
in  alien  Stimmen,  wie  alle  Werke  der  altesten  Epoche  der  mehrstimmigen 
Musik,  mit  der  Hauptmelodie  in  der  tiefsten  Stimme  und  mit  freierer 
Stimmentwicklung  in  den  melismierten  Partien,  die  in  der  Segel  am  An- 
fang  oder  Ende  der  Verszeilen  sich  finden  oder  einem  VersschluB  textlos 
folgen,  komponiert  sind J).  Die  Entwicklung  ihrer  melismatischen  Partien 
beiiihrt  sich  eng  mit  dem  analogen  Vorgang  in  den  liturgischen  Kompo- 
sitionen, in  denen  diese  Partien  die  Hauptsache  sind. 

Von  den  zwei  G-attungen  dieser  letzteren  Kunst  tritt  die  eine,  mehr- 
stimmige  Tropen  zum  Ordmarium  Missae,  bald  wieder  in  den  Hinter- 
grund;  nur  eine  Handschrift  gibt  von  ihr  Kunde.  Desto  reicher  ent- 
wickelt  sich  die  zweite,  die  im  Froprium  der  Liturgie  der  groBen  Kirchen- 
feste  ihre  Stelle  findet,  im  Gradual  und  Alleluja  der  Messe  und  im 
Matutin-Responsorium  des  Offiziums,  vielfach  auch  mit  Hinzufiigung  von 
Benedicamus  Domino.  Und  von  hier  fuhrt  die  entwicklungsfahigste 
Linie  fiir  die  mehrstimmige  Musik  weiter.   Der  melismenreiche  gregoria- 


1)  Einige  Proben  bei:  Dreves,  Analecia  Hymnica  XX  und  XXI;  Wooldridge, 
The  Oxford  History  of  Music  I,  246  und  P.  Wagner  in  Revue  Musicale  II  (1902;,  301  ff. 

12* 


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180    $•  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

nische  Gesang  dient  als  Tenor ;  iiber  ihm  bauen  sich  die  Oberstimme  oder 
-stimmen  nicht  mehr  Note  gegen  Note J),  sondern  in  neuen  ausgedehnteren 
rhythmischen  Bildungen  auf,  die  Feierlichkeit  und  Pracht  des  Ganzen 
noch  unerhort  kiihn  steigernd,  bis  sie  diese  Form  geradezu  zerbrechen. 
Die  altesten  Handschriften  uberliefern  uns  solche  Gesange  noch  in  Neu- 
men,  so  die  in  der  Oberstimme  iiberaus  melismierten  Benedicamus-Tropen 
im  Codex  Paris  lat.  3719,  die  drei  groBten,  etwas  jiingeren  Handschriften, 
Florenz  Laur.  pi.  29,  1  und  die  zwei  in  Wolfenbiittel,  in  der  altesten 
unausgebildeten  Mensural-Notation,  alle  drei  ein  sehr  ahnliches  Repertoire 
enthaltend,  das  noch  einmal  im  ersten  Faszikel  von  Montpellier  wieder 
erscheint  in  ausgebildete  Mensuralschrift  umgeschrieben ,  und  wiederum 
etwas  jiinger,  aber  auch  noch  in  unausgebildeter  Mensural-Notation,  aber 
mit  singularem  Repertoire  Codex  St.  Vict.  813.  Weihnachten,  St.  Ste- 
phan,  Johannes  Evangelista,  die  Innocentes,  Epiphanias,  Purificatio,  die 
Osterwoche,  Kreuzerfindung,  Himmelfahrt,  Pfingsten,  Johannes  Baptista, 
Peter-Paul ,  Maria  Himmelfahrt  und  Geburt,  Michaelis,  Allerheiligen  und 
Kirch weih,  ferner  viele  Heiligentage ,  unter  ihnen  Dionysius,  Germanus, 
Martinus  und  Andreas,  und  viele  Commune-Sanctorum-Liturgien,  sind  die 
Hauptfeste,  deren  Gottesdienst  durch  die  Mehrstimmigkeit  verschont  er- 
scheint, uberwiegend  in  zweistimmiger,  daneben  nicht  selten  in  drei- 
stimmiger  und  vereinzelt  auch  in  vierstimmiger  Komposition. 

Montpellier  hat  eine  Reihe  dreistimmiger  Kompositionen  aufge- 
nommen,  von  denen  Coussemaker  Nr.  1  und  2  Alleluia  Posui  gedruckt 
hat.  Diese  liturgischen  Kompositionen  verschwanden,  wie  ich  an  anderer 
Stelle  ausfiihrte,  im  14.  Jahrhundert,  um  einer  neuen  Entwicklung  der 
mehrstimmigen  Komposition  des  Ordinarium  Missae  Platz  zu  machen. 
Denn  seitdem  seit  der  Erfindung  der  Mehrstimmigkeit  diese  in  die  Liturgie 
des  Gottesdienstes  Aufnahme  gefunden  hat,  ist  mehrstimmiger  Gesang 
nie  wieder  daraus  ganz  verschwunden;  bald  ist  es  das  Proprium  —  die 
Gradualien,  Allelujas  und  Responsorien  des  12.  und  13.  Jahrhunderts 
die  Motetten  Palestrina's,  die  Kantaten  Bach's  — ,  bald  das  Ordinarium 
Missae  —  die  alten  Tropen  im  12.  Jahrhundert,  die  groBen  Messen  seit 
dem  14.  Jahrhundert  — ,  das  mehrstimmig  zu  komponieren  zu  den  hochsten 
Aufgaben  der  Tonkiinstler  gehort  hat. 

Eine  der  eigentumlichsten  Eigenschaften  dieser  Kompositionen  war 
es,  daB  fiir  die  melismenreichsten  Teile,  eine  kleine  Wortgruppe,  ein 
Wort,  einige  Silben,  mehrfach  auch  nur  eine  einzige  Silbe,  mehrere  Kom- 
positionen zusammengestellt  wurden,  offenbar  zur  Auswahl,  ja  daB  mehrere 
Sammlungen  erhalten  sind,  die  lediglich  solche  zwei-  und  dreistimmigen 

1)  Zweistimmige  Alleluias  des  11.  Jahrhunderts  Note  gegen  Note  in  Buchstaben- 
beziehungsweise  Neumenschrift  liegen  zum  Beispiel  in  Mail  and,  Ambr.  M.  17  sup^ 
und  Chartres,  Stadt-Bibl.  130  vor. 


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F.  Ludwig,  Studien  uber  die  Greschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.     181 

Kompositionen  von  Ausschnitten  enthalten,  so  einerseits  in  Florenz  und 
Wolfenbiittel  628  und  ein  anderes  Repertoire  wiederum  in  St.  Victor;  von 
beiden  f iihren  Wege  zu  einer  neuen  Kunstgattung,  der  Motet te.  Drohte 
das  endlose  Melisma  der  Oberstimme  iiber  dem  Melisma  des  Tenor  die 
Komposition  ins  MaBlose  zu  erweitern,  vielleicht  die  beabsichtigte  Wirkung 
sogar  auf  die  Dauer  abzuschwachen ,  so  verstand  es  eine  gliickliche  Er- 
findung,  diese  Wirkung  mit,  soweit  die  Musik  in  Frage  kommt,  denselben 
Mitteln  statt  zu  schwachen  zu  steigern:  ,man  legte  dem  Melisma  der  Ober- 
stimme Text  unter,  dessen  Metrum  man  dem  musikalischen  Ehythmus 
syllabisch  anpaBte.  So  hatte  die  Mehrstimmigkeit  wieder  einen  entschei- 
denden  Schritt  vorwarts  getan:  erst  nur  die  verschiedene  Tonhohe  der  in 
den  verschiedenen  Stimmen  parallel  verlaufenden  Melodie,  dann  die  ver- 
schiedene Bewegung  der  Melodie  der  einzelnen  Stimmen,  die  vielfach  bis 
zur  obligaten  Gegenbewegung  im  zweistiinmigen  Satz  ftihrt,*  jedenfalls 
iiberall  jeder  Melodie  Selbstandigkeit  gibt,  dann  der  verschiedene  Bhyth- 
inus,  indem  der  mehrstimmige  Satz  sich  vom  Zwang  der  Komposition 
Note  gegen  Note  lost  und  jeder  Stimme  ihre  eigene  ihr  angemessene 
rhythmische  Ausgestaltung  gibt,  nun  zuletzt  die  Befreiung  der  Komposition 
vom  gleichen  Text  in  alien  Stimmen,  die  dieser  Entwicklung  den  SchluB- 
stein  einsetzt:  wie  jede  Stimme  sich  melodisch  und  rhythmisch  individuell 
entwickelt,  kann  sie  jetzt  auch  einen  eigenen  Text,  der  dieser  ihrer  eigenen 
musikalischen  Ausgestaltung  entspricht,  mit  sich  f iihren,  der  langsame 
Tenor  einen  einfachen  kurzen  Text,  die  reich  ausgestaltete  Oberstimme 
einen  lebhaften  poetischen  Text;  und  beides  miteinander  zu  vereinigen  war 
die  mehrstimmige  Kunst  bereits  am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  fahig. 
Wir  sehen  aus  den  Melismen  in  Florenz  und  Wolfenbiittel  die  lateinische 
Motette,  aus  den  in  St.  Victor  die  franzosische  Motette  entstehen,  und  \ 
zwar  die  zweistimmige,  wie  ja  auch  die  zweistimmigen  Kompositionen  der 
liturgischen  Stiicke  bedeutend  an  Zahl  iiberwogen. 

Bei  der  Zweistimmigkeit  miissen  wir  einen  Augenblick  innehalten;  sie 
scheint  so  natiirlich,  es  ist  hier  in  der  Motette  bereits  Melodie  und  Be- 
gleitung,  und  doch  ist  sie  bald  fast  ganz  verloren  gegangen  und  auch 
ihre  alte  Bltite  von  den  Musikhistorikern  noch  nicht  wieder  geniigend 
beachtet.  Es  schien  Forschern  wie  Ooussemaker  so  erstaunlich,  die  kom- 
pliziertesten  drei-  und  vierstimmigen  Kompositionen  bereits  in  dieser  alten 
Zeit  zu  finden,  daB  sie  die  Ausbreitung  der  zweistimmigen  Kompositionen 
daneben  fast  vollstandig  iibersahen.  Allerdings  verschwinden  die  zwei- 
stimmigen Kompositionen  gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts  allmahlich 
aus  den  Werken  der  groBen  Meister;  das  Ohr  hatte  sich  an  die  vollere 
und  befriedigendere  Klangwirkung  des  dreistimmigen  Satzes  gewohnt  und 
bevorzugte  diesen;  die  technische  Fertigkeit  machte  ungeheure  Fortschritte, 
die  den  zweistimmigen  Satz  als  etwas  zu  Primitives  verachten  lieBen:  so 


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182    F-  Ludwig,  Studien  ttber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

finden  wir  fiir  viele  Gattungen  scbon  im  14.,  aUgemein  dann  im  15.  und 
16.  Jahrhundert  auch  die  unbedeutendsten  und  harmlosesten  Komposi- 
tionen  in  der  schweren  Riistung  des  dreistimmigen  Satzes,  iiber  den  dann 
bald  der  vierstimmige  wieder  uberwiegt.  Es  ist  bekannt,  wie  die  Viel- 
stimmigkeit  sich  im  16.  Jahrhundert  immer  mehr  steigert,  bis  am  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  der  einfache  und  natiirliche  zweistimmige  Satz  ganz 
frisch  wieder  erfunden  werden  muB,  um  die  Musikentwicklung  in  Bahnen 
einzulenken,  yon  denen  aus  weitere  Fortschritte  moglich  sind. 

Das  12.  und  13.  Jahrhundert  nun  kennt  und  verwendet  den  zwei- 
stimmigen Satz  auf  das  Beste,  nicht  nur  im  Conductus  und  in  den  litur- 
gischen  Werken,  sondern  auch  im  Anfang  in  der  Motette.  AuBerordent- 
licli  groB  ist  die  Zahl  der  erhaltenen  zweistimmigen  lateinischen  und 
franzosischen  Motetten;  von  groBeren  Sammlungen,  die  auch  die  Musik 
enthalten,  nenne  ich  Flore nz  mit  lateinischen,  Wolfe nbiitt el  1099  mit 
lateinischen  und  franzosischen,  Roi  (Paris,  /rp.  844),  Noailles  (ib.  12615) 
und  Montpellier  mit  franzosischen,  von  erhaltenen  Eragmenten  einstiger 
Sammlungen  London  add.  30091  mit  lateinischen  und  franzosischen  und 
Miinch en  mit  franzosischen  Motetten,  indem  ich  hier  wie  iiberall  in 
dieser  Studie  vom  Heranziehen  der  groBen  Bamberger  Motettenhand- 
schrift  noch  absehe.  Es  ist  eine  verhaltnismaBig  anspruchslose  Kunst, 
die  aus  diesen  Werken  spricht.  Ihre  Gegenbilder  sind  die  zweistimmigen 
lateinischen  Conductus  und  die  ebenso  zahlreichen  einstimmigen  franzo- 
sischen Chansons.  Gegenuber  diesen  strophisch  gebauten  Texten,  bei 
denen  dieselbe  Musik  zu  den  yerschiedenen  Strophen  in  der  Kegel  gleich- 
inaBig  wiederkehrt,  fiir  die  dieser  Strophenbau  also  den  kiinstlerischen 
Kernpunkt  bildet,  zeigen  die  Motetten  freie  Metren,  um  die  ein  einheit- 
liches  kunstlerisches  Band  der  Tenor  schlingt,  der  bei  allem  Wechsel 
der  Periodenlangen  der  Oberstimme  seinen  einmal  eingeschlagenen  Rhyth- 
mus  starr  festhalt.  Zwang  ist  hier  wie  dort;  dort  miissen  es  sich  alle 
Strophen  gef alien  lassen,  in  derselben  Komposition  zu  erscheinen;  hier 
ordnen  sich  alle  Verse,  lange  und  kurze,  mannliche  und  weibliche,  Reini- 
paare  und  Reimkreuzungen,  mit  Hebung  oder  Senkung  beginnende,  dem 
die  musikalische  Grundlage  bildenden  Tenor  unter.  Beide  lassen  sich 
durch  neue  Oberstimmen  noch  in  der  Wirkung  steigern,  es  sind  drei-  und 
vierstimmige  Conductus  wie  drei-  und  vierstimmige  Motetten  erhalten; 
doch  auch  hier  wieder  zeigt  sich  nur  die  Motette  lebensfahig.  Wahrend 
die  drei-  und  vierstimmigen  Conductus  im  Wesen  dasselbe  sind  wie  die 
zweistimmigen,  nur  dem  Klang  nach  verstarkt,  sieht  sich  in  der  drei- 
und  vierstimmigen  Motette  die  mehrstimmige  Musik  plotzlich  zur  Losung 
ganz  neuer  Probleme  fahig. 

Neben  der  zweistimmigen  lateinischen  Motette  erscheint  von  Anfang 
an  die  dreistimmige,  wie  das  dreistimmige  Gradual  neben  dem  zweistim- 


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F.  Ludwig,  Studien  uber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    183 

migen,  und  zwar  sowohl  aus  dem  dreistimmigen  Melisma  entstanden  wie 
aus  dem  zweistimmigen  mit  Hinzufiigung  einer  neuen  dritten  Stimme  oben. 
In  beiden  Fallen  hat  die  neue  Oberstimme,  das  Triplum^  aber  die  Eigen- 
schaft,  lediglich  ein  hoheres  Spiegelbild  des  Motetus  Note  gegen  Note 
mit  gleichem  Text  wie  dieser  zu  sein,  ebenso  wie  es  auch  die  hoheren 
Stimmen  des  mehrstimmigen  Oonductus  sind.  Plorenz  und  Wolfen- 
biittel  haben  ganze  Sammlungen  solcher  Motetten,  und  wie  die  drei- 
stimmigen Gradualien  dienten  diese  dreistimmigen  Motetten  zum  kiinst- 
lerischen  Schmuck  der  hochsten  Feste  —  aus  der  Osterliturgie  allein 
z.  B.  sind  sechs  solcher  Motetten  in  Florenz  —  und  die  zweistimmigen 
fur  die  gewohnlichen  Feste.  Aber  schon  hier  zeigt  die  Erweiterung  der 
Motetten-Stimmenzahl  neue  Bahnen  der  Mehrstimmigkeit  ausgebaut.  Wie 
iiber  dem  liturgischen  Text  im  Tenor  sich  der  Motettentext  in  der  zwei- 
stimmigen Komposition  erhob,  so  stellt  sich  schon  in  Florenz  einige 
Male  mit  einer  dritten  Stimme  auch  ein  dritter  Text  ein,  zunachst  noch 
beide  Texte  koordiniert;  bald  aber  ufrerflugelt  der  obere  den  mittleren, 
wie  dieser  es  mit  dem  Tenor  getan  hatte.  Und  im  Laufe  des  13.  Jahr- 
hunderts  verschwinden  sowohl  die  zweistimmigen  als  auch  die  dreistimmigen 
lateinischen  Motetten  mit  nur  einem  Text  fiir  beide  Oberstimmen  so  voll- 
standig  aus  dem  Grebrauch,  daB  in  Montpellier  nur  noch  vereinzelt 
einmal  eine  zweistimmige  und  gar  keine  dreistimmige  dieses  alten  Stils 
mehr  aufgenommen  ist. 

Langer  hielten  sich  die  einf achen  zweistimmigen  f ranzosischen  Motetten, 
die  an  die  Melismen  in  St.  Victor  813  ankniipfen.  Von  ihnen  enthalt 
Faszikel  VI  in  Montpellier  75  Beispiele,  mit  denen  aber-  Coussemaker 
so  wenig  anfangen  konnte,  daB  er  sich  auf  zwei  Beispiele  daraus  be- 
schrankte1),  Nr.  31  und  32,  Lone  tens  ai  mm  cuer  assis  iiber  dem  Tenor 
In  saeculum  und  Li  doz  termines  m' agree  iiber  Balaam ,  von  denen  32 
auf  eine  interessante  Geschichte  zuriickblickt,  die  aus  den  Versionen  Roi- 
Noailles  einer-  und  Montpellier  andererseits  abzulesen  ist,  und  31  seinen 
musikalischen  Ursprung  in  einem  Melisma  in  Florenz  hat  Beide  gehoren 
zu  den  altesten  Vertretern  der  Motettengattung  iiberhaupt  ebenso  wie  die 
iiberwiegende  Anzahl  der  nicht  gedruckten,  die  besonders  in  Roi,  No- 
ailles und  Wolfenbiittel  1099  in  alterer  Form  erhalten  sind.  Aber 
auch  bei  den  franzosischen  Motetten  Iiberwogen  bald  die  dreistimmigen, 
die  beiden  Oberstimmen  verschiedene  Texte  geben,  deren  erste  Vertreter 
wiederum  schon  in  den  altesten  Handschriften  (Roi,  Noailles,  Wolfen- 
biittel) erscheinen,  wenn  auch  nur  vereinzelt.  Dreistimmige  franzosische 
Motetten  nach  Art  der  altesten  dreistimmigen  lateinischen  mit  gleichem 


1)  Die  Drucke  von  zwei  Motetten  dieses  Faszikels  von  Lavoix  in  Raynaud's 
Recueil  de  motets  U  sind  leider  ganz  unbrauchbar. 


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184    F.  Ludwig,  Studien  uber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Text  in  beiden  Oberstimmen  sind  nur  ganz  sparlich  erhalten,  so  in  Wol- 
fenbiittel  1099. 

Damit  daB  die  dritte  Stimme  einen  besonderen,  den  dritten  Text, 
wenn  man  die  Tenorbezeichnung  als  Text  mitrechnet,  erhalt  und  diesen 
in  seinem  Bau  wiederum  zu  verselbstandigen  beginnt,  tritt  die  Entwick- 
lung  der  Mehrstimmigkeit  in  einen  entscheidenden  Wendepunkt.  Bisher 
war  die  Notenschrift  auch  der  mehrstimmigen  Musik  in  fast  alien  ihren 
Formen  direkt  aus  der  Neumenschrift  in  Quadratnotenschrift  umgebildet, 
die  virga  war  longa,  podatus  nnd  clivis  ligatura  binaria  cum  proprieiate 
et  perfectione,  um  mich  dieser  spateren  Ausdriicke  zu  bedienen,  torculus 
und  porrectus  ligatura  temaria  cum  proprietate  et  perfectione,  der  dimaciis 
conjunctura  temaria,  die  liquescentes  plicae  usw.  usw.  geworden.  Ob  es 
sich  um  lange  oder  kurze  Tone  handelte,  zeigte  nicht  die  Form  der  Noten, 
sondern  fur  die  syllabischen  Partien  das  Metrum  des  Textes  und  fiir  die 
melismierten  die  Art  der  Zusammenstellung  der  einfachen  Noten,  Liga- 
turen  und  Konjunkturen.  Das  istein  Kapitel  der  Notenschrift,  das  noch 
vollkommen  unerforscht  ist;  Coussemaker  erklarte  Handschriften  wie'Boi 
lind  Noaflles  zum  BeispieT  schlankweg  fur  unlesbar  und  entnahm  daraus 
die  Berechtigung,  sie  fiir  seine  Studien  nicht  zu  beriicksichtigen.  Wool- 
d ridge  erklart  bei  seinen  Ubertragungen  zahlreicher  Stiicke  aus  Florenz 
ganz  off  en  (I,  245),  daB  da,  wo  ihn  die  elementarsten  Regeln  der  Dar- 
stellung  der  verschiedenen  rhythmischen  Grundf ormen  (Modi)  in  bestimmten 
Ligaturenfolgen  im  Stiche  lieBen,  er  nach  Gutdiinken  die  verschiedenen 
Stimmen  einander  anpaBt.  In  vielen  Fallen  ist  das  Resultat  auch  so 
richtig,  das  methodische  Fundament  fiir  die  Ubertragungen  der  ganzen 
Werke  dieser  Periode  —  in  der  Hauptsache  also  Florenz,  der  beiden 
Handschriften  in  Wolfenbiittel,  Madrid,  Paris  St.  Victor,  Boi  und  No- 
failles  —  ist  aber  noch  nicht  gelegt;  Material  dazu  ist,  wie  man  sieht, 
reichlich  vorhanden. 

Ganz  bewundernswiirdig  ist  nun  die  Geschicklichkeit ,  mit  der  diese 
primitive  Notenschrift  fahig  gemacht  ist,  auch  solche  komplizierten  "Werke, 
wie  sie  unter  denjbisher  besprochenen  sich  finden,  aufzuzeichnen  und  zwar 
r  weit  uber  die  Fahigkeit  der  Neumenschrift  hinaus,  auch  rhythmisch  im 
wesentlichen  eindeutig  lesbar  aufzuzeichnen.  Der  Schliissel  dazu  liegt  in 
der  engen  Verbindung  der  Rhythmik  und  Metrik,  im  engsten  Zusammen- 
arbeiten  von  Musiker  und  Dichter.  Auch  fiir  die  alteste  Motetten-Epoche 
reichte  diese  Notenschrift  vollkommen  aus,  auch  der  oder  die  syllabisch 
komponierten  Motettentexte  alterer  Art  verlassen  nur  in  ganz  seltenen 
Fallen  den  Rhythmus,  den  das  Metrum  ihres  Textes  ihnen  vorschrieb. 
Jetzt  aber  tritt  eine  neue  Oberstimme  mit  neuen  Metren  und  mit  neuen 
Bhythmen  hinzu;  musikalischer  Rhythmus  und  poetisches  Metrum  fallen 
oft  auseinander.   Da  beginnt  die  alte  Notenschrift  zu  versagen;  eine  prin- 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    185 

zipielle  Anderung  wird  notwendig;  die  Dauer  der  einzelnen  Noten  kann 
nicht  mehr  aus  dem  Metrum  des  Textes  ersehen  werden,  noch  weniger, 
da  diese  Oberstimme  ja  auch  vollig  syllabisch  ist,  aus  dem  musikalischen 
Zusammenhang.  Jede  Note  mufi  also  selbst  ihre  Dauer  (Mensur)  an- 
zeigen;  der  Unterschied  zwischen  langen  und  kurzen  Noten  pragt  sich 
jetzt  auch  in  der  Gestalt  aus,  man  unterscheidet  longa  und  brevis;  und 
analog  muB  man  bei  den  Ligaturen  zur  Ausbildung  verschiedener  Formen 
schreiten,  deren  Bedeutung  dann  fest  bleibt  und  nicht  mehr  von  der  Art 
des  Zusammenhanges  mit  anderen  umstehenden  Ligaturen  abhangt;  die 
Konjunkturen,  mit  denen  man  weniger  anfangen  konnte,  verschwinden 
allmahlich  ganzlich. 

Damit  greift  eine  neue  Klasse  Musiker  folgenschwer  in  die  bisher  so 
ungehindert  schon  verlaufene  Entwicklung  der  mehrstimmigen  Musik  ein, 
die  Biicher  schreibenden  Theoretiker,  jeder  mit  besonderen  eigenen  Vor- 
schlagen  zur  Verbesserung  der  Notenschrift,  jeder  vom  Feuereifer  beseelt, 
nur  seine  eigene  Absicht  durchzukampfen,  und  nur  die  wenigsten  von 
Verstandnis  fur  die  anderen  oder  fiir  das  alte  erftillt.  Fur  die  alteste 
Zeit  gilt  durchaus :  tot  capita  tot  sensus:  D^scantus  positio  vulgaris, 
Garlandia,  Anonymus  VII,  Pseudo-Aristoteles,  Franco  und 
Anonymus  IV,  um  nur  die  Hauptschriften  des  13.  Jahrhunderts  zu 
nennen,  sie  arbeiten  alle  besonders  an  der  Vervollkommnung  der  Noten- 
schrift; erst  Franco  von  Koln  gelang  es  als  dem  riicksichtslosesten 
und  zielbewuBtesten,  Normen  festzustellen,  die  giiltig  gebheben  sind.  In 
der  Hauptsache  sprechen  alle  nur  von  den  Motetten,  mehrere  geben  zwar 
Klassifikationen  und  Beschreibungen  aller  Gattungen,  auch  zum  Beispiel 
der  Oonductus;  aber  wenn  sie  ihre  Notenschrift  oder  Moduslehre  exem- 
plifizieren  wollen,  greif en  sie  fast  immer  zu  den  Motetten,  nur  ganz  ver- 
einzelt  einmal  zu  einem  Alleluja,  wie  dem  mehrfach  zitierten  Alleluia 
Posui. 

Und  eine  groBe  Anzahl  der  von  ihnen  zitierten  Motetten  sind  nun 
gerade  in  Montpellier  erhalten.  Ooussemaker  hat  das  Verdienst, 
sowohl  diese  Theoretiker  als  auch  50  Stucke  aus  Montpellier  zuerst  be- 
kannt  gemacht  zu  haben;  ihm  schien  dabei  die  theoretische  und  praktische 
Entwicklung  der  mehrstimmigen  Musik  vollkommen  Hand  in  Hand 
zu  gehen;  man  kann  sich  nicht  wundern,  wenn  er  in  der  Freude  iiber 
diese  Entdeckung  alle  alteren  Quellen  ubersah,  den  Kodex  Montpellier 
als  das  klassische  Motettenwerk  ansah  und  die  Geschichte  der  Motette, 
ja  der  kiinstlerisch  hoher  stehenden  mehrstimmigen  Musik  uberhaupt  erst 
da  anfing,  wo  die  >Discantus  positio  vulgaris «  in  die  Entwicklung  ein- 
greift.  Wir  sahen  aber,  welche  ungeheure  Produktion  an  mehrstimmiger 
Musik,  Conductus,  liturgischen  Werken  und  Motetten,  der  »Discantus 
positio  vulgaris*  voraufgegangen  ist;  wir  sahen  auch  schon  einen  Teil  der 


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186    JP-  Ludwig,  Studien  tiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Faden,  durch  die  Kodex  Montpellier  mit  der  alteren  Kunst  des  12.  und 
beginnenden  13.  Jahrhunderts  verkniipft  ist;  wir  konnen  also  den  EinfluB 
dieser  Theoretiker  auf  die  Kunstentwicklung  nicht  iiberschatzen  wie 
Coussemaker,  der  die  Lehrer  auch  kurzerhand  zu  Komponisten  ihrer 
Beispiele  macht. 

Der  Wendepunkt  der  Entwicklung,  an  den  das  Eingreifen  der  Theo- 
retiker ankniipft,  ist  also  prazis  gefaBt  die  freie  Ausgestaltung  des  Mo- 
tetten-Tripluins  mit  eigenem  ausgedehntem  Text.  Die  Freude  an  der 
neuen  Wirkung  dieser  so  gebildeten  dreistimmigen  Motetten  muB  eine 
ungeheure  gewesen  sein;  denn  fiir  die  weitere  Entwicklung  riickt  diese 
dreistimmige  Motette  mit  zwei  verschiedenen  Texten  in  den  Oberstimmen 
immer  mehr  in  den  Vordergrund.  Dagegen  verschwinden  die  dreistim- 
migen Motetten  mit  nur  einem  Text  oben  vollstandig,  bald  auch  die  Con- 
ductus  ganz  und  die  zweistimmigen  Motetten  allmahlich,  bis  im  zweiten 
Drittel  des  14.  Jahrhunderts  die  Alleinherrschaft  der  dreistimmigen  Mo- 
tette, bald  auch  zur  vierstimmigen  erweitert,  mit  zwei  Texten  in  den 
Oberstimmen,  lateinischen  oder  franzosischen,  vollig  entschieden  ist,  der 
gegeniiber  keine  andere  Art  Motette  und  keine  andere  kiinstlerisch  hoher- 
stehende  mehrstimmige  Komposition  lateinischer  Texte  uberhaupt  auf 
langere  Zeit  mehr  existiert.  Die^jireijm^hythmus  voneinander  grund- 
verschiedenen  Stimmen  eindeutig  lesbar  wiederzugeben,  reichte  die  alte 
Notenschrif t  in  der  Tat  nicht  mehr  aus ;  so  sind  uns  auch  derartige  drei- 
stimmige Motetten  in  guten  Handschriften  gar  nicht  mehr  in  der  alten 
Notation  uberliefert.  Im  ubrigen  gingen  aber  beide  Notationen  noch  ruhig 
nebeneinander  her;  wo  mensurale  Schreibung  nicht  notwendig  war,  brauchte 
man  sie  auch  nicht  anzuwenden.  Im  Kodex  St  Victor  zum  Beispiel,  der 
!  Conductus  auf  Ereignisse  der  Regierung  Ludwigs  des  Heiligen  von  Frank- 
reich  enthalt,  wahrscheinlich  zum  Beispiel  auf  1244  *)  beztiglich,  ist  alles, 
liturgische  Stiicke,  Melismen,  Conductus  und  Motetten,  vollkommen  in 
der  alten  Notation  geschrieben,  und  fiir  einstimmige  franzosische  Texte 
ist  der  >B,oman  de  Fauvel«  meines  Wissens  die  erste  Handschrift,  die 
sie  mensuraliter  schreibt,  obwohl  nicht  zu  bezweifeln  ist,  daB  auch 
sie  im  12.  und  13.  Jahrhundert  mensuriert  gesungen  sind.  Und  so  stehen 
auch  fiir  dieselben  Kompositionen  vielfach  beide  Schreibungen  in  Hand- 
schriften verschiedener  Epochen  friedlich  einander  gegeniiber,  Faszikel  I 
von  Montpellier  und  die  altere  Schreibung  in  Florenz  und  beiden  Wolf en- 
biitteler  Handschriften,  Faszikel  VI  von  Montpellier  und  die  altere 
Schreibung  in  Wolfenbiittel  1099,  Roi  und  Noailles. 

So  finden  wir  weiter  auch  zu  den  anderen  Faszikeln  von  Montpellier 
altere  Fassungen   der  Kompositionen    in    alteren  Handschriften   in   der 


1;  Vergleiche  Meyer,  a.  a.  0.,  140. 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    187 

iilteren  Notation,  zunachst  aus  dem  Faszikel  III  und  IV,  die  vielfach, 
weil  hier  die  von  der  »Discantus  positio  vulgaris*  zitierten  Beispiele 
sich  finden,  irrig  iiberhaupt  flir  die  altesten  gehalten  worden  sind.  Fas- 
zikel IV  enthalt  dreistimmige  Kompositionen  mit  zwei  lateinischen  Texten 
in  den  Oberstimmen,  Faszikel  III  solche  mit  einem  lateinischen  Text  im 
Motetus  und  einem  franzosischen  im  Triplum.  Wann  diese  letztere  Gattung 
entstanden  ist,  bleibt  uns  dunkel ;  der  Inhalt  dieses  Faszikels  von  Mont- 
pellier  ist,  von  ganz  vereinzelten  Ausnahmen  sonst  abgesehen,  das  einzige 
Repertoire  dieser  merkwiirdigen  Kunstgattung,  das  iiberliefert  ist.  Die 
Erklarung  dieser  Gattung,  die  leider  von  jeher  viel  zu  sehr  im  Mittel- 
punkt  des  Bfctrachtens  und  Erstaunens  gestanden  hat,  ist  in  der  Tat 
nicht  leicht,  ein  geistlicher  Gesang  in  Motetus,  den  viele  Theoretiker  als 
Musterbeispiel  zitieren,  und  ein  oft  sehr  leichter  franzosischer  Text  im 
Triplum,  das  reimt  sich  offenbar  sehr  wenig.  An  einen  Vortrag  in  der 
Kirche  ist  nicht  zu  denken;  und  auch  beim  Vortrag  dieser  Kompositionen 
im  weltlichen  Kreise  hat  die  Verbindung  zweier  solcher.  Texte  zweifellos 
etwas  Lasterliches  *),  und  doch  ist  sie  nicht  zu  bezweifeln.  Diese  Werke 
sind  aber  nicht  typisch  fiir  die  Motettenkunst,  sondern  im  Gegenteil  nur 
ein  Durchgangsstadium. 

Wie  bei  der  Entstehung  der  Motette  zuerst  ein  innerer  Zusammen* 
hang  zwischen  Motettentext  und  Tenorwort  bestand,  der  sich  allmahlich 
vielfach  vollig  aufloste,  in  den  franzosischen  Motetten  zum  Beispiel  nie 
inehr  vorhanden  war,  so  rankt  sich  hier  ein  franzosisches  Triplum  statt 
eines  lateinischen  um  eine  aus  Tenor  und  Motetus  bestehende  Kompo- 
sition,  oder  ein  neues  Triplum  mit  neuem  franzosischem  Text  ersetzt  ein 
dem  Motetus  gleichgebautes  altes  Triplum.  Die  Motettenkunst  ist  damit 
auf  die  Spitze  getrieben,  drei  vollig  disparate  Elemente  eint  nur  die  i 
musikalische  Harmonic  Es  ist  dabei  weniger  die  Sprachverschiedenheit 
der  einzelnen  Stimmen,  die  frappieren  kann,  sondern  die  Verbindung 
zweier  dem  Inhalt  nach  so  heterogener  Texte;  und  diese  ist  in  der  Tat 
dann  auch  bald  verlassen.  Die  Motette  gab  zwar  den  Zusammenhang 
der  Texte  oben  mit  dem  Tenorwort  zunachst  auf,  bildete  aber  daftir  die 
inneren  textlichen  Beziehungen  der  Oberstimmen  in  den  Bahnen,  die  die 
altesten  Motetten  dieser  Art  bereits  andeuteten,  weiter  aus  und  stoBt 
dabei  auf  einen  hochst  fruchtbaren  Boden,  dessen  Ertrag  im  15.  Jahr- 


1)  So  ist  zum  BeiBpiel  auch  in  der  Tat  in  einem  Cartular  des  13.  Jahrhunderts 
des  Erzbistums  Besanc,on  [Nr.  716)  eine  Sammlung  von  67  Motetten,  in  der  diese 
Gattung  besonders  stark  vertreten  war,  entfernt  worden.  Ist  dieser  Verlust  auch  sehr 
bedauerlich,  so  ist  immerhin  die  Erhaltung  wenigstens  des  Anfangsverzeichnisses  am 
Ende  der  Handschrift  hochst  wertvoll,  da  unsere  Kenntnis  von  der  Verbreitung  dieser 
Motetten  dadurch  sehr  willkommen  gefordert  wird.  [Btdletin  de  la  Soe.  des  ane.  textes 
fran?.  XXIV,  1898,  95  ff.) 


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188    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalte  r 

hundert  auch  leider  wieder  verloren  ging,  wie  manches  andere  schon  oben 
erwahnte.  Erst  die  musikalische  Neuzeit  hat,  ohne  von  den  alten  Ver- 
suchen  zu  wissen,  Probleme,  die  schon  hier  aufgeworfen  sind,  aufgenommen 
und  zur  musikalischen  Losung  gefiihrt. 

Die  mehrstimmige  Musik  ist  in  der  Tat  fahig,  zwei  verschiedenen  In- 
dividualitaten gleichzeitigen  wirksamen  musikalischen  Ausdruck  ihrer 
Empfindungen  zu  ermoglichen;  die  Mehrstimmigkeit  ist  in  diesen  Fallen 
nicht  mehr  bios  inusikalischer  Schmuck  fur  einen  musikalischen  Gedanken, 
der  sich  auch  einstimmig  wiedergeben  laBt,  sondern  ist  hier  direkt  die 
Existenzbedingung.  Und  daB  nach  so  kurzer  Entwicklung  die  Mehr- 
stimmigkeit bereits  dies  Problem  erkannte,  diirfen  wir  billig  als  etwas 
ganz  Erstaunenswertes  bezeichnen ;  daB  sie  technisch  die  richtigen  Mittel 
sah,  um  solche  gleichzeitige  Aussprache  zweier  Individualitaten  wirksam 
darzustellen,  ist  etwas  Wunderbares.  Sie  hatte  kaum  gelernt,  mehrere 
Stimmen  in  einer  fiir  das  Ohr  der  damaligen  Zeit  harmonisch  unanstoBigen 
Weise  zu  fuhren,-  weiter  kaum  gelernt,  den  musikalischen  Trager  im  Tenor 
und  die  weiterschweifende  Ausfuhrung  in  Oberstimmen  zu  differenzieren 
und  harmonisch  miteinander  zu  vereinigen:  da  geht]  sie  wieder  einen 
Schritt  weiter  und  laBt  auf  dem  gemeinsamen  Boden  des  musikalischen 
Tragers  sich  in  den  Oberstimmen  mehrere  Individualitaten  gleichzeitig 
aussprechen,  und  jede  in  der  Art,  die  ihrer  musikalischen  Stellung  zu- 
kommt:  wuchtig,  bedachtig,  gleichmaBig  im  Motetus,  lebhaft,  feurig,  aus- 
gedehnt  im  Triplum. 

>  0  Maria  maris  stdla  plena  gratiae*  singt  zum  Beispiel  in  wunder- 
voller  Melodie  und  ruhigem  Vortrag  der  Motetus,  >  0  Marid  virgo  ddri- 
ticd,  virginum  flos,  vitae  spfe  unicd*  sprudelt  wahrend  dessen  das  helle 
Triplum  mit  je  zwei  Senkungen  zwischen  den  Hebungen  heraus;  in  ganz 
gemessenen  Noten  schreitet  unter  beiden  der  Tenor,  dessen  Melodie 
Veritatem  dem  Gradual  von  Maria  Himmelfahrt  entnommen  ist  (Cousse- 
maker  Nr.  8  aus  dem  Faszikel  IV  von  Montpellier).  Kein  Wunder,  daB 
eine  solche  Komposition  von  der  »Discantus  positio  vulgaris*  an  immer 
wieder  als  Muster  zitiert  wird;  sie  ist  uns  in  alter  dreistimmiger  Fassung 
mit  gleichem  Text  fiir  beide  Oberstimmen  in  Florenz  und  Wolfenbiittel, 
in  neuer  mit  neuem  Triplum  mit  eigenem  Text  in  Montpellier  erhalten. 
Derartige  Werke,  die  auch  unter  den  franzosischen  Motetten  viele  treff- 
liche  Gegenstucke  haben,  bilden  die  Hohepunkte  dieser  Entwicklung. 
Die  ihnen  eigene  Vollendung  zeichnet  auch  die  Motette  des  14.  Jahr- 
hunderts,  wie  ich  an  anderer  Stelle  ausfiihrte,  aus;  dann  verschwinden 
leider  diese  Werke;  wir  diirfen  in  Gedanken  aber  eine  Briicke  schlagen 
hintiber  zu  einer  Kunst  wie  Bach's  Kantaten,  in  der  gerade  diese  Seite 
der  mehrstimmigen  Kunst  ihre  Vollendung  gefunden  hat. 

Auch  eine  zweite  Art  der  dreistimmigen  Motetten  weist  iiber  das  15. 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.     189 

und  16.  Jahrhundert,  das  an  ihr  vorbeiging,  in  die  neue  Zeit:  das  sind 
diejenigen,  in  denen  Motetus  und  Triplum  gleichwertig  nebeneinander 
stehen  und  wie  ein  Duett  mit  Begleitung  erscheinen.  Treten  sie  an  Zahl 
den  anderen  gegeniiber  auch  zuriick,  so  bieten  sich  doch  gerade  in  den  aus 
Faszikel  JV  von  Coussemaker  gedruckten  Stiicken  zwei  prachtvolle  Bei- 
spiele:  Nr.  18  ein  Doppelgebet  an  den  heiligen  Nikolaus,  PsaUat  chorus 
in  novo  carmine  und  Eximie  pater  et  regie  *)  beginnend  iiber  dem  Tenor 
Aptatur,  in  beiden  Stimmen  rhythmisch  und  metrisch  gleich,  in  den  Reimen 
iihnlich,  beide  den  Heiligennamen  aucb  gleichzeitig  aussprechend,  beide 
reimlos  in  das  Tenorwort  Aptatur  auslaufend,  von  regelmaBigem  schonem 
Bau,  und  Nr.  14  eine  Pfingstmotette,  deren  Motetus  den  heiligen  Geist 
und  Triplum  die  virgo  beatissima  anruf t  ( Veni  virgo  beatissima  und  Veni 
sancte  spiritus  iiber  dem  Tenor  Neiona),  hier  umgekehrt  beide  Stimmen 
unausgesetzt  in  reizvollem  Wechselspiel  tatig,  nicht  ein  einziges  Mai  zu- 
sammen  pausierend.  Ganz  ungesucht  ergeben  sich  dabei  durch  die  auf- 
einander  folgenden  Einsatze  beider  Stimmen  im  gleichen  Modus  und  in 
gleicher  Tonhohe  auchMelodie-Wiederholungen,  die  man  alsNachahmungen 
angesprochen  hat,  die  aber  hier  ganz  von  selbst  aus  der  Situation  fol- 
gen.  Beides  sind  also  Duette,  die  sich  zwischen  zwei  gleichstehenden 
Personen  abspielen,  in  einem  die  Stimmen  gleichmaBig,  im  andern  alter- 
nierend  gefiihrt.  Die  Vorstellung  von  zwei  Personen,  die  sich  in  dieser 
Weise  aussprechen,  hat  etwas  Dramatisches  an  sich;  und  gerade  die  fran- 
zosische  Motettenkunst  bildete  die  hier  liegenden  Keime  weiter  aus;  wir 
werden  ihnen  spater  im  II.  und  VII.  Faszikel  wieder  begegnen.  Hier 
geniige  die  Bemerkung,  daB  wir  es  hier  mit  regelrechter  Ensemble-Musik 
zu  tun  haben,  die  in  der  Anlage  durchaus  an  moderne  Ensemble-Musik, 
wie  die  Oper  im  17.  Jahrhundert  sie  ausbildete  oder  wie  sie  in  den 
Kammerduetten  eines  Steffani  gepflegt  ist,  erinnert.  Auch  sie  ging  in 
der  groBen  rein  vokalen  Bewegung,  die  das  15.  Jahrhundert  mit  sich 
brachte,  zunachst  wieder  zugrunde. 

Aus  dem  ubrigen  Inhalt  des  IV.  Faszikels,  dessen  Kompositionen 
sonst  in  alterer  Form  in  Florenz  und  Wolfenbiittel,  gelegentlich  auch  in 
dem  Londoner  Fragment,  Egerton,  Madrid  und  anderen  nachweisbar 
sind,  gibt  Coussemaker  das  erste  Stuck,  Nr.  5:  0  natio  nephandi  und 
Conditio  naturae  defuit,  zwei  Texte,  die  vollkommen  analog  gebaut,  all- 
gemeine  Kontemplationen  iiber  die  Erlosungsbediirftigkeit  der  Menschen 
im  Motetus  und  ihren  Erloser  im  Triplum  enthalten,  als  solche  im  » Roman 
de  Fauvelc  spater  eine  gute  Stelle  fanden;  eine  sehr  eigenartige  Kom- 
position,  in  drei  groBere  Abschnitte  gegliedert,  in  denen  das  Triplum 
stets  dem  Motetus  im  Abstand  von  zwei  longae,  der  durch  textlosen  Ein- 


1'  So  wird  zu  lesen  sein. 


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190    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Greschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

schub  einer  longa  mit  Pause  im  Triplum  gewonnen  wird,  unmittelbar 
folgt,  bis  sich  beide  Stimmen  an  den  drei  Strophen-Enden  in  gemeinsamer 
Kadenz  vereinigen. 

Weiter  Nr.  17,  eine  ausgedehnte  Marienmotette  im  Stil  der  zuerst 
besprochenen,  deren  Motetustext  Ave  gloriosa  mit  seiner  Musik  eine  in- 
teressante  Geschichte  aufzuweisen  hat,  die  in  Wolfenbuttel  beginnt 
und  zur  Handschrift  London  Harl.  978  fiihrt,  die  den  Text  zweisprachig, 
lateinisch  und  franzosisch  Dtice  creature,  enthalt.  Der  ausgedehnte  Tenor 
Domino,  anscheinend  aus  einem  Benedieamus,  ist  auf  das  zweckmaBigste 
gegliedert  und  hfeschleunigt  im  zweiten  Teil,  wie  so  oft,  seine  Bewegung.' 
In  prachtigem  Ebenmafi  baut  sich  uber  ihm  der  Motetus  auf,  erst  in 
vier  schwungvollen  Strophen  aus  vier  Sechssilbern  mit  Reimwechsel  zum 
ersten  Tenorteil,  dann  in  lauter  kurzen  Funfsilbern  im  zweiten  Teil,  der 
virgo  Maria  schlieBt,  mit  weiblichem  Ausgang  des  sonst  mannlich  rei- 
menden  Fiinfsilbers,  herbeigefiihrt  durch  die  musikalische  Dehnung  der 
penultima,  ein  gerade  in  der  altesten  Motette  sehr  beliebtes  Wechselspiel 
zwischen  dem  gleichlautenden  mannlichen  und  weiblichen  Reim,  deren 
Versohnung  die  Musik  bewirkt,  wie  hier  recondlia  und  virgo  Maria.  Und 
dariiber  liegt  ein  jubelndes  Triplum  Ave  virgo  regia,  das  nur  im  ersten 
Teil  seinen  strengen  Strophenbau  bewahrt  und  im  zweiten  Teil  sich  dithy- 
rambisch  frei  iiber  dem  hier  gleichmaBig  gefiihrten  zweistimmigen  Tenor- 
und  Motetusfundament  ergeht,  das  alteste  Beispiel  eines  solchen  Triplum- 
baues,  der  spater  fiir  viele  Kompositionen  typisch  wird  und  sich  in  einer 
Art  Reimprosa  auflost. 

SchlieBlich  Nr.  6,  eine  Marienmotette  mit  dem  Tenor  Alleluia,  Virgo 
decus  castitatis  und  Res  nova  mirabilis,  eine  lebhafte  Komposition,  merk- 
wiirdigerweise  alle  drei  Stimmen  im  gleichen  Modus,  der  «u  wenig  Spiel- 
raum  gestattet,  urn  eine  befriedigende  Vereinigung  der  drei  Stimmen  zu 
ermoglichen,  da  diese  trotz  der  Gleichheit  des  Modus  alle  ihre  Sonder- 
Periodenbildungen  haben,  die  am  SchluB  nicht  ineinander  aufgehen: 
wahrend  das  Triplum  gut  gelungen  ist  (durch  rechtzeitige  Verkiirzung  der 
dritten  der  vier  Strophen),  laBt  der  Komponist  im  Motetus  textlose  musi- 
kalische Anhange  der  zwei  letzten  Zeilen  stehen,  wie  sie  sonst  nicht  vor- 
kommen  und  offenbar  nur  technischer  Ungeschicklichkeit  auf  die  Rechnung 
zu  setzen  sind. 

Aus  dem  Faszikel  HI  gibt  Coussemaker  vier  Kompositionen,  Nr.  77 
9,  37  und  4,  die  uns  durch  ihre  franzosischen  Tripla,  wie  erwahnt,  einen 
groBen  Schritt  weiter  fuhren.  Auch  von  mehreren  Kompositionen  dieses 
Paszikels  ist  in  alteren  Handschriften  die  altere  rein  lateinische  Fassung 
erhalten,  die  hier  in  eine  dreistimmige  lateinisch-franzosische  Motette  um- 
gewandelt  ist. 

So  zunachst  fiir  Nr.  37  Flos  de  spina  rumpitur  mit  dem  franzosischen 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    191 

Triplum  Quant  repaire  la  verdor,  eine  Motette,  die  wir  bis  auf  ihre  Ur- 
quelle,  das  zweistimmige  Melisma  zur  Silbe  Reg  im  Wort  Regnat  im 
Alleluia  von  Maria  Himmelfahrt  Hodie  Maria  virgo  cehs  ascendit,  wie 
es  zum  Beispiel  Kodex  Florenz  in  einer  seiner  zweistimmigen  Bearbeitungen 
dieses  Alleluia  enthalt,  zuriickverfolgen  konnen.  So  war  es  in  der  Fassung 
als  dreistimmige  Motette  mit  einem  Text  in  den  Oberstimmen,  die  wiederum 
Florenz  und  Wolfenbuttel,  vielleicht  auch  Madrid  iiberliefern,  mit  seinem 
in  rhythmischer  Beziehung  hochinteressanten  ausgedehnten  Marientext  im 
Motetus  ein  Gegenstuck  zu  der  besprochenen  Marienmotette  des  IV.  Fas- 
zikels  0  Maria  maris  steUay  dessen  Tenor  dem  Graduate  des  gleichen 
Festes  entstammt;  und  alle  Feinheiten  und  Eigenheiten  <jer  Melodiebildung 
und  Bhythmik,  die  im  Motetus,  wie  er  schlieBlich  in  Montpellier  vorliegt, 
zum  Teil  frappieren,  erklaren  sich  aus  der  Geschichte  dieses  Werkes. 
Das  alte  Triplum  dieser  bervorragenden  Motette  wird  nun  durch  ein 
neues  ersetzt  mit  einem  sehr  langen  franzosischen  Text,  dor  ^rzahlt,  wie 
sicb  der  Dichter  von  einer  Schaferin  einen  Korb  holt,  da  sie  ihrem  ami 
treu  bleiben  will,  und  die  Melodie  dieses  Triplums  ist  von  einer  Natur- 
lichkeit,  die  mehrere  Forscher,  die  in  jeder  natiirlichen  und  einfach  an- 
mutigen  Tonfolge  gleich  ein  Volkslied  zu  spiiren  wahnen,  verleitete,  auch 
hier  an  Benutzung  von  Volkslied  -artigem  zu  denken.  In  Wirklichkeit 
beherrschte  aber  der  Komponist  dieses  Triplums  die  mehrstimmige  Tech- 
nik  so  souverain,  daB  es  ihm  gelang,  auf  dem  alten  zweistimmigen  Unter- 
bau  eine  so  muhelos  leicht  verlaufende  durchkomponierte  Melodie  eines 
so  ausgedehnten  und  frei  gebauten  Textes  zu  schaffen,  deren  groBartiges 
Gelingen  wir  nur  bewundern  konnen.  Und  fassen  wir  diese  Art  Motetten 
als  ein  Durchgangs-Stadium  auf,  in  dem  die  Komponisten  die  freieste  Be- 
handlung  auch  sehr  ausgedehnter  Oberstimmen  mit  franzosischen  Texten 
lernten,  so  fallt  fur  uns  Historiker  alles  AnstoBige,  was  diese  G-attung 
an  sich  zweifellos  mit  sich  bringt,  fort;  denn  die  schonen  Friichte,  die 
die  Folge  waren,  werden  wir  bald  sehen  und  die  reine  altere  Gestalt 
dieser  Kompositionen  ist  zum  Teil  erhalten,  sonst  konnen  wir  sie  in  Ana- 
logic zu  den  uberlieferten  Fallen  erschlieBen. 

Ganz  ahnlich  steht  es  mit  Nr.  7  In  omni  fratre  tuo  iiber  dem  Tenor 
In  sectdum  und  dem  franzosischen  Triplum  Mout  me  fu  gries  li  departir 
de  rriamiete.  Der  ausgedehnte  Motetus,  der  flinfmalige  Wiederholung  des 
Tenors  erfordert,  ist  eins  der  Riigelieder  von  Philipp  de  Grfcve;  die 
alteren  Fassungen  in  zwei  englischen  Handschriften  sind  mir  leider  nicht 
bekannt.  Noch  lebhafter  erhebt  sich  dariiber  das  franzosische  Abschieds- 
lied,  das  besonders  beriihmt  dadurch  geworden  ist,  daB  einige  Abschnitte 
aus  ihm  als  Triplum  dem  Tenor  Portare  in  einer  dreistimmigen  Motette 
des  VJLL  Faszikels  angepaBt  erscheinen,  die  als  Motetus  ein  ebenfalls 
vom  Tenor  Portare  unabhangig  komponiertes  Lied  Adam  de  la  Hale's 


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192    F.  Ludwig,  Studien  uber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Robin  maime  hat.  Doch  einerseits  ist  dies  Verfahren  etwas  ganz  singu- 
lars und  die  Portare-Motette  mehr  eine  geistreiche  Spielerei  als  ein  fiir 
die  damalige  Kunst  typisches  Werk,  andererseits  ist  gerade  im  Triplum 
die  Ubereinstimmung  nicht  so  iiberwaltigend  groB,  da  zwischen  den  etwa 
16  aus  Nr.  7  iibernommenen  Takten  immer  wieder  mehrere  Takte  neuer 
Komposition,  im  ganzen  18,  notig  sind,  um  wieder  die  wortliche  TJber- 
nahme  eines  kleinen  Stiickchens  aus  Nr.  7  zu  ermoglichen. 

Nr.  9  hat  iiber  dem  Tenor  Angelus  einen  schonen  in  Simeon's  Nunc 
dimittis  usw.  ausgehenden  Erlosertext  Oaude  chorus,  der  haufig  zitiert 
erscheint  und  ein  gutes  Beispiel  fiir  den  in  diesen  Motetten  weniger 
haufigen  zweiten  modus  gibt,  brevis  hnga,  wobei  die  longa  sich  uner- 
miidlich  in  reichere  Melismenbildungen  auflost;  dariiber  erklingt  ein  sehr 
belebtes  franzosisches  Liebeslied  Povre  secors  at  encore  recovre,  in  dem 
mehrere  als  Rede  gut  motivierten  Hoquetus-Stellen  besonders  auffallen. 

SchlieBlich  Nr.  4,  das  im  Tenor  die  ganze  Marien-Communio  Beata 
viscera,  indes  bios  mit  dem  Anfang  bezeichnet,  nicht  streng  modal  gebaut, 
im  Motetus  einen  Tropus  dazu,  ebenso  beginnend,  sehr  geschickt  den 
ganzen  liturgischen  Text  in  seine  freie  Dichtung  verwebend,  und  im 
Triplum  eine  alte  franzosische  Verspottung  der  Heuchler  enthalt,  Uestat 
du  monde,  die  an  die  lateinischen  Riigelieder  erinnert;  als  Ganzes  eine 
singulare  Erscheinung  und  sehr  gelungen.  Die  Aufnahme  in  Oousse- 
maker's  Werk  verdankt  diese  Motette  dem  Umstand,  daB  Ooussemaker 
sie  irrig  fiir  den  vom  Anonymus  4  zitierten  Beata  viscera  beginnenden 
Conductus  Perotin's  hielt;  indes  ist  sie  weder  ein  Conductus,  noch  stimmt 
auch  die  Textfortsetzung  des  vom  Anonymus  4  gemeinten  Stiickes,  das 
in  Florenz  und  mehreren  anderen  Handschriften  erhalten  ist,  mit  der 
Fortsetzung  des  Textes  im  Motetus  hier  uberein. 

Dem  Paszikel  III  folgt  in  der  Handschrift  ein  kurzer  Einschub  von 
vier  zweistimmigen  Motetten,  zwei  lateinischen  und  zwei  franzosischen,  die 
zum  Teil  auch  sonst  bekannt  in  Coussemaker's  Ausgabe  aber  nicht  ver- 
treten  sind.  Wir  wenden  uns  also  zu  einer  neuen  Kunstgattung,  den 
rein  franzosischen  Motetten  mit  mehreren  Texten  in  den  Oberstimmen, 
drei-  und  vierstimmigen,  denen  Kodex  Montpellier  zwei  Faszikel  widmet, 
Faszikel  V  mit  103  dreistimmigen  franzosischen  und  Faszikel  II  mit  16 
vierstimmigen  franzosischen  und  emer  vierstimmigen  lateinischen  Motette. 

Faszikel  V  wird  durch  eine  eigentumliche  dreistimmige  Komposition 
eroffnet,  einen  dreistimmigen  Hoquetus  In  seculum,  ein  vielfach  zitiertes 
Werk,  das  nach  dem  Anonymus  4  quidam  Hispanus  fecerat  Er  kehrt 
in  Montpellier  selbst  noch  dreimal  wieder.  Hier  am  Anfang  des  V.  Fas- 
zikels  ist  er  einfach  dreistimmig,  Tenor  und  zwei  Hoquetus-Stimmen;  der 
I.  Faszikel  enthalt  an  zweiter  und  dritter  Stelle  zwei  vierstimmige  Ver- 
sionen,  die  dem  dreistimmigen  Hoquetus  eine  vierte  Oberstimme  mit  fran- 


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F.  Ludwig,  Studien  tiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.     193 

zosischem  Text  Ja  n'amerai  zufiigen,  die  ebenfalls  an  mehreren  Stellen 
hoquetiert,  einmal  in  longae  und  breves  geschrieben,  das  zweite  Mai  in 
klirzeren  Noten  in  breves  und  semibreves,  die  erstere  Fassung  gibt  Cousse- 
maker  als  Nr.  45  wieder;  schlieBlicli  ein  viertes  Mai  wiederum  im  V.  Fas- 
zikel, wo  er  wieder  dreistimmig  erfccheint,  Tenor  wie  immer  In  seeidum, 
als  Triplum  jene  neue  Oberstimme  des  I.  Faszikels  Ja  rCamerai  und 
als  Mittelstimme  eine  der  Hoquetusstimmen  mit  dem  Text  Sire  Diex,  li 
dox  maus.  Wahrend  sonst  der  Hoquetus,  das  heiBt  die  Auflosung  der 
Melodien  in  einzelne  durch  Pausen  unterbrochene  Tone,  die  in  den  ver- 
schiedenen  Stimmen  alternieren,  nur  als  Kunstmittel  an  geeigneten  Stellen 
innerhalb  einer  Komposition  angewandt  ist  und  hier  oft  durchaus  kUnst- 
lerisch  bereehtigt  und  wirksam  erscheint,  ist  hier  eine  ganze  Kompoeition 
darauf  aufgebaut,  liber  einen  in  regelmaBigem  Modus  verlaufenden  Tenor 
zwei  tiberwiegend  hoquetierende  Stimmen  zu  setzen,  also  mehr  ein  satz- 
technisches  Problem,  das  dies  Prinzip  auch  einmal  bis  in  seine  auBersten 
Konsequenzen  verfolgen  will,  als  ein  spontanes  Kunstwerk;  und  eine  ge- 
wisse  klinstlerische  Versohnung  gibt  dem  Ganzen  erst  jene  mit  fortlau- 
fendem  Text  ausgestattete  Oberstimme,  die  m  der  vierstimmigen  Fassung 
znerst  auftaucht.  DaB  der  Hoquetus  gerade  den  V.  Faszikel  erSffnet,  mag 
daher  kommen,daB  er  weder  in  den  III.  noch  in  denlY.eigentlich  hineinpaBte 
und  so  dem  letzten  dreistimmigen  Faszikel,  in  dem  auch  eine  dreistimmige 
Fassung  von  ihm  mit  franzosischen  Texten  Platz  f and,  aufgehoben  blieb. 
Die  franzosischen  Motetten  des  T.  Faszikels  werden  sehr  zahlteich 
auch  hi  anderen  Quellen  iiberliefert,  mehrete  lassen  rich  bis  anf  die 
Meliamen  in  Eodex  St.  Victor  zuruckfiihren,  so  unter  den  von  Ctrttese- 
maker  gedruekten  Nr.  29  Je  me  quidai  und  Be  jolif  cuer  mit  dem  bOchst 
interessant  gebildeten  Tencfr  Et  ffaudebit;  sehr  viete  sifid  in  alterer  Fas- 
stmg  in  Wolfenbtittel  1099,  eine  grflBere  Anzahl  aaeh  in  Noailles  und 
Roi  erhalten,  so  Nr.  33  Bk/n  me  mi  tlnd  Se  valours]  und  die  beideffi 
franzosischen  Motetten  des  rffsmkalieohen  Enschabs  in  der  Parish  Pseudo- 
Ariateteles-Hftfidschrift  (lat.  11286),  die  m  Montpellier  dreistimmig  er- 
schemes,  enthalt  dieser  Faszikel,  so  von  Ootwsemakcfr  gedrockt  Nr.  15 
Demenmt  grant  joie  und  L'dutrier.  Mehrfach  ersehemen  *tieh  If otetten 
dieses  Faszikels  noch  ein  zweites  Mai,  zum  Teil  im  selben  Faszilerl,  hi 
Montpellier  selbst,  ja  eitie,  Coussemaker  Nr.  26  He  mere  Dhi  und  La 
rirge  Marie,  eine  der  wenigen  religiosen  Motettefe  in  franzdaieeher  Spr ache, 
daneben  in  einer  weltlichen  Form  zur  gleichefl  Komposition  He  Marotele 
und  En  la  praerie  Robins,  die  zweimal  in  diesdm  Faszikel  stefbt,  wafoeftd 
der  geidtHche  Motetus  auch  in  der  viele  derartige  geistliche  Umdiehtungen 
enthaltenden  Metzer  Handschrift  (535)  wiederkehrt.  Auf  das  vielfache 
gelegentliche  anderweitige  Yorkommen  vereinzelter  Stticke  in  anderen 
Handschriften  gehe  ich  nicht  weiter  ein. 

8.  d.  I.  M.    V.  13 


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194    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Gtaschichte  der  mehrstimmigen  Mosik  im  Mittelalter. 

Den  Motetten  dieses  Faszikels  ist  nun  zunachst  gemeinsam,  daB  die 
weitaus  groBte  Zahl  noch,  wie  alle  bisher  besprochenen,  auf  einem  litur- 
gischen  Tenor  sich  aufbaut.  Mehrere  Tenores  sind  hier  in  Montpellier 
ailerdings  unbezeichnet;  wo  sie  aber  in  anderen  Handschriften  bezeichnet 
vorkommen,  sind  sie  ausnahmslos  litnrgisch.  Und  nur  eine  einzige  der 
letzten  Motetten  hat  bereits  einen  franzosischen  Tenor  Douce  dame  que 
faint  tant;  doch  ist  mir  weder  die  Komposition  in  Montpellier  noch  ein 
anderweitiges  Vorkommen  dieses  Werkes  bekannt. 

Pur  Nr.  29  Je  me  qttidai  Men  tenir  und  De  jolif  cum9  doit  venir  mit 
dem  Tenor  Et  gaudebit  ist,  wie  erwahnt,  ihre  Quelle,  ein  zweistimmiges 
Melisma  in  St.  Victor,  erhalten.  Schon  in  ihm  frappiert  der  seltene 
Tenorbau,  da  der  Tenor  2  ifamsl  sich  wiederholt,  die  erste  Durchfiihrung 
langsamer,  die  zweite  desto  lebhafter  mit  regelmaBiger  Zuhilfenahme  von 
plicae,  um  in  dem  beabsichtigten  Bahmen  alle  Tone  der  Tenormelodie 
unterbringen  zu  konnen.  Aus  der  einen  Oberstimme  des  Melismas  sind 
dann  in  Montpellier  zwei  geworden,  die  in  dem  in  der  franzosischen 
Kunst  ganz  seltenen  Verhaltnis  zu  einander  stehen,  daB  sie  streng  paral- 
lel verlauf  en  und  miteinander  genau  reimen.  Der  Motetus  ist  ein  Liebes- 
lied,  das  Triplum  bezeichnet  sich  selbst  als  ein  von  Gilon  Ferrant  dazu 
gemachtes  treble  pteisant,  und  beide  laufen  dann  auch  am  SchluB  in  den 
gleichen  Refrain  aus. 

Nr.  33  hat  zwei  Liebeslieder  iiber  dem  nur  in  Noailles  Hie  foetus  est 
bezeichneten  Tenor,  der  Motetus  schildert  die  Sehnsucht  nach  der  Dame, 
im  Triplum  spricht  derDichter,  Thomas  Herri er,  wie  Coussemaker  an- 
nimmt,  seinen  Vorsatz  aus:  a  mes  premieres  amours  me  tendrai.  Beide 
verlauf  en  melismenreich  im  zweiten  Modus,  der  wie  sonst  so  auch  hier 
virtuose  Ausschmiickung  der  Melodien  begunstigt,  die  sich  auch  in  iiber- 
aus  zahlreichen  Varianten  zwischen  Noailles  und  Montpellier  auBert. 
Erwahnenswert  ist  vielleicht  auch  die  uberaus  tiefe  Lage  beider  Stimmen 
und  des  Tenor,  der  bis  zum  Gamma  hinabsteigt. 

Von  den  beiden  Motetten  des  Aristoteles-Kodex  gibt  Coussemaker 
nur  die  eine,  Nr.  15  Demenant  grant  joie  Fautrier  m'esbatoie  oder  irCen 
aloie  und  L'autrier  m'esbatoie  et  toux  sens  pensoie.  Wie  in  der  besprochenen 
Gilon-Ferrant-Motette  reimen  auch  hier  beide  Stimmen  miteinander  und 
laufen  in  den  gleichen  Endrefrain  aus :  GHrai  toute  la  valee  avec  Marot) 
nur  ist  hier  das  Verhaltnis  ein  bedeutend  komplizierteres.  Wahrend  dort 
beide  Stimmen  ganz  parallel  gehen,  schildern  hier  die  beiden  Texte  zwei 
landliche  Szenen,  deren  Zeuge  der  Dichter  ist,  die  parallel  beginnen, 
darauf  aber,  sobald  die  erste  Person  singend  eingefiihrt  wird,  sich  trennen, 
die  gleichen  Reime  also  nacheinander  f  olgen  lassen  und  zur  zweiten  Durch- 
fuhrung des  Tenor  dann  wieder  parallel  verlaufen.  Kompliziert  ist  auch 
der  Modus  beider  Oberstimmen,   der  zu  den  freieren  Nebenformen  des 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Mnsik  im  Mittelalter.     195 

dritten  Modus  gehort,  die  gerade  diese  Aristoteles-Kodex-Motetten  be- 
sonders  lieben,  und  im  Refrain  plotzlich  in  den  ersten  Modus  umschlagt. 

Die  andere  von  Ooussemaker  nicht  gedruckte  Motette,  von  der  Roi 
und  Noailles  eine  altere  zweistimmige  Form  haben,  ist  ein  Liebeslied  im 
zweiten  Modus  von  sehr  regelma&igem  Bau  mit  nur  zwei  Reimen,  das  im 
Triplum  dann  ein  genaues  Spiegelbild  erhalt,  von  gleichem  metrischen 
Bau,  nur  mit  eigenen  Reimen,  aber  gelegentlicher  Entlehnung  einiger 
Worte  aus  dem  Motetus,  so  gleich  am  Anfang,  der  im  Motetus  Trap 
longuemmt  rrCa  faiOi  und  im  Triplum  Se  fed  \servi  longuement  lautet. 
So  ist  gerade  hier  die  Art,  wie  ein  Triplum  neu  dazu  tritt,  besonders 
gut  zu  erkennen. 

Ahnlich  der  Ferrant-Motette  schildert  das  Triplum  von  Nr.  30,  daB 
es  im  Winter  in  Tournai  den  zuerst  komponierten  zwei  anderen  Stimmen 
zugefugt  wurde.  Coussemaker's  Annahme  von  Jehan  de  la  Fon- 
taine als  Komponisten  stiitzt  sich  lediglich  auf  die  Ansicht,  daB  dieser 
der  einzige  Trouvfcre  aus  Tournai  sei,  der  als  Autor  in  Betracht  kame. 
In  der  Tat  stimmt  die  Uberlieferung  und  die  Struktur  der  Komposition, 
die  in  keiner  alteren  Fassung  bisher  nachweisbar  ist,  wohl  mit  der  An- 
gabe,  daB  das  ganze  Werk  dem  Meister  von  Tournai  entstammt,  beson- 
ders daB  das  Triplum  seine  angezweifelte  Fertigkeit  in  der  Schopfung 
von  Triplen  beweisen  solle.  Und  vielleicht  bat  hier  auch  der  gewahlte 
Tenor  Docebit,  das  heiBt:  das  Werk  soil  meine  Neider  belehren,  schon 
diese  ironische  Nebenbedeutung,  die  spater  die  Tenorworte  regelmaBig 
haben ;  an  sich  ist  es  der  ofter  benutzte  liturgische  Tenor  aus  dem  Heilige- 
Geist-Alleluia  Paraclitus,  der  wie  sonst  auch  hier  die  Eigentiimlichkeit 
hat,  daB  die  zweite  Durchfiihrung,  die  hier  in  beschleunigtem  Rhythmus 
verlauft,  am  Anfang  kiirzt  und  dadurch  den  Bau  etwas  undurchsichtig 
macht.  Die  Oberstimmen  scheinen  mir  nicht  hervorragend  zu  sein,  auch 
das  lebhaft  verlaufende  Triplum  nicht;  in  beiden  ist  eine  deutliche  An- 
lehnung  an  die  altere  Art  festzustellen,  regelmaBige  Perioden  von  vier 
longae  zur  ersten  Tenor-Durchfuhrung,  freiere  zur  zweiten,  Dehnung  der 
SchluBkadenz ;  doch  scheint  mir  die  wohl  gelungene  Geschlossenheit  vieler 
anderer  Kompositionen  hier  zu  fehlen. 

Das  letzte  von  Coussemaker  gedruckte,  Nr.  26,  ist  das  bereits  erwahnte 
religiose  Stuck,  iiber  dem  Tenor  Aptatur  ein  sehr  lebhaft  gebautes  Reu- 
gedicht  La  vtrge  Marie,  in  dem  der  Jungfrau  Erbarmen  angerufen  wird, 
im  Motetus  und  ein  einfacher  verlauf endes  Gebet  He,  mere  Diu  im  Trip- 
lum, das  merkwiirdigerweise  kiirzer  ist  als  der  Motetus-Text.  So  schlecht 
die  Verse  sind,  die  im  Triplum  iibrigens  alle  gleich  reimen,  so  befriedigend 
und  wohlgeordnet  ist  der  musikalische  Bau.  Am  Anfang  gibt  das  Trip- 
lum wie  bei  Conditio  dem  Motetus  einen  Takt  Vorsprung,  so  daB  sein 
MelodiefluB  die  Einschnitte  im  Motetus  immer  iiberbriickt  und  umgekehrt. 

13* 


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196    F.  Ludwig,  Studien  ilber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Audi  hier  verlaufen  die  Oberstimmen  im  dritten  Modus,  das  Triplum  im 
regularen,  der  Motetus  in  der  Nebenform,  die  auch  die  erste  Lange  auf- 
lost  and  aus  den  Aristoteles-Kodex-Kompositionen  bekannt  ist.  Die  er- 
wahnte  weltliche  Form  der  Motette  ist  mir  nicht  bekannt. 

Nah  verwandt  mit  den  eben  besprochenen  Werken  sind  die  Stticke 
des  II.  Faszikels,  in  denen  noch  eine  vierte  Stimme  oben  hinzutritt.  Mit 
Ausnahme  der  letzten  Komposition,  einer  vierstimmigen  Jfcfors-Motette.  die 
nicht  gedruckt  ist  und  auf  das  alte  vierstimmige  Melisma  Mors  aus  dem 
Alleluia  Christus  resurgents  in  Florenz  und  beiden  Wolfenbiitteler  Hand- 
schriften  und  die  dreistimmige  Mors- Motette  mit  zwei  verschiedenen 
Texten  in  den  Oberstimmen  in  Florenz  und  Wolfenbiittel  1099  zuriick- 
geht,  und  einer  anderen  gleich  zu  erwahnenden  sind  es  lauter  dreitextige 
franzosische  Motetten  iiber  lateinischem  Tenor,  die  zu  einem  groBen  Teil 
auch  in  anderen  alteren  Quellen,  Wolfenbiittel,  Boi  und  Noailles  und 
anderen  iiberliefert  werden,  meist  nur  in  dreistimmiger  Form,  wie  eine 
dreistimmig  auch  in  Montpellier  selbst  im  V.  Faszikel  steht  und  eine 
andere  dreistimmig  den  SchluB  der  ganzen  Handschrift  Montpellier  im 
VIII.  Faszikel  bildet.  Zwei  von  ihnen  gehen  auf  Melismen  in  St.  Victor 
zuriick,  darunter  eine  von  Coussemaker  gedruckte  auf  das  erste  drei- 
stimmige Melisma  der  Sammlung  St.  Victor,  das  in  Coussemaker's  Histoire 
bereits  gedruckt  ist  (pi.  27). 

Coussemaker  druckte,  weil  ihm  diese  vierstimmigen  Motetten  besonders 
erstaunlich  erschienen,  neun  Kompositionen  von  diesen  17  ab,  die  so  eine 
Ubersicht  iiber  diese  Gattung  nach  alien  Bichtungen  hin  ermoglichen. 
Eine  so  bedeutende  Bolle,  wie  man  aus  Coussemaker's  Darstellung 
schlieBen  mochte,  spielten  sie  indes  in  der  Kunst  nicht;  sie  blieben  Aus- 
nahme-Erscheinungen  und  wurden  im  14.  Jahrhundert  nicht  mehr  weiter 
gepflegt.  Viele  Kompositionen  sind  nur  kurz  und  zeigen,  daB  ihnen  das 
vierstimmige  Gewand  nicht  sehr  bequem  sitzt;  zwei  von  ihnen  sind  nur 
als  Scherze  aufzufassen,  Erzeugnisse  froher  parodistischer  Laune,  bei 
denen  die  vierstimmige  Einkleidung  dann  doppelt  komisch  wirkt.  Das 
sind  Nr.  49  und  42. 

Nr.  49  hat  im  Tenor,  der  das  liturgische  Veritatem  ist  und  in  lauter 
Maximae  mit  Pause  nach  jeder  vierten  gravitatisch  einherschreitet,  ein 
franzosisches  Weinlied,  mit  Beziehung  auf  die  urspriingliche  Bedeutung 
des  Tenors  Par  verite  vueil  esprover  anfangend  und  mehrere  franzosische 
Weinsorten  miteinander  vergleichend,  also  von  off  en  parodistischer  Ten- 
denz.  Das  dazu  gehorige  EB-  und  Trinklied  liegt  im  Motetus,  der  auf- 
fallenderweise  die  lebhaf teste  Stimme  von  alien  ist;  Triplum  und  Quadrup- 
lum  haben  Liebeslieder,  die  sich  schlecht  und  recht  mit  den  beiden 
anderen  Stimmen  vereinigen:  so  erinnert  das  Ganze  an  spatere  Quodhbets, 


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F.  Ludwig,  Studien  Uber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.     197 

und  die  Zahl  der  hier  ihre  verschiedenen  Texte  durcheinander  singenden 
Stimmen,  vier,  ist  reichlich  groB. 

Wie  hier  der  Tenor  Veritatem  den  AnlaB  zur  Parodie  gibt,  so  ist  es 
in  Nr.  42  mit  dem  Tenor  Viderunt,  der  hier  auch  ohne  modalen  Rhyth- 
mus  in  lauter  einfachen  longae  erscheint,  liber  dem  drei  Stimmen  drei 
kurze  Abschiedsliedchen  singen,  alle  mit  por  peu  beginnend  und  mit 
congie  schlieBend,  die  alle  drei  diesem  franzosischen  Text  ein  breites 
Viderunt  vorausgehen  lassen.  Ebenfalls  ein  etwas  frivoler  Scherz;  denn 
das  vierstimmige  Graduate  Viderunt,  das  sie  zu  intonieren  scheinen,  wenn 
die  Noten  auch  abweichen,  urn  dann  so  ganz  anders  weltlich  fortzufahren, 
war  eine  hochberiihmte  Komposition  von  Perotin,  die  in  Florenz  und 
Wolfenbiittel  erhalten  und  neuerdings  von  Wooldridge  gedruckt  ist,  der 
Anfang  in  Faksimile,  das  Ganze  allerdings  nur  in  seiner  freien  Uber- 
tragung  (p.  222).  Ooussemaker  halt  diese  Parodie,  die  in  anderer  Form 
auch  in  anderen  Handschriften  wiederkehrt  und  schon  alt  ist,  mit  TJn- 
recht  fur  Perotin's  Werk  selbst. 

Von  den  iibrigen  ist  wohl  Nr.  48  das  alteste  Werk,  dessen  Quelle 
das  erste  St.  Victor-Melisma  ist,  ein  Stuck  im  ersten  Modus  zu  dem 
seltenen  Tenor  Et  vide  et  incUna  aurem  tuam  aus  dem  Gradual  von 
Maria  Hinunelfahrt,  der  in  Montpellier  irrig  nur  mit  Et  videbit  bezeichnet 
ist.  Die  von  St.  Victor  am  Bande  angedeutete  dreistimmige  Motette  liegt 
in  Wolfenbiittel  vor;  in  Montpellier  erscheint  es  eine  Quint  tiefer  trans- 
poniert  und  mit  einer  vierten  Stimme  oben  ausgestattet.  Die  franzosischen 
Teste,  die  alle  mit  Dkx  anfangen,  alle  gleich  gebaut  sind,  gleich  reimen, 
parallel  gehen  und  stets  auch  mit  dem  Tenor  zusammen  pausieren,  sind 
lauter  Liebeslieder  und  Ton  maBigem  Umfang.  Interessante  technische 
Beobachtungen,  die  sich  an  diese  Motette  anknupfen  lassen,  unterdrucke 
ich  hier. 

Auch  in  alterer  Form  iiberliefert  ist  weiter  Nr.  51,  das  dreistimmig 
in  Wolfenbiittel,  Roi  und  Noailles  erhalten  ist  und  moglicherweise  noch 
eine  weitere  Geschichte  hat,  da  ein  Zitat  Franco's,  Virgo  viget  mditts 
und  Tenor  Flos,  den  Noten  nach  mit  dem  Tenor  und  Motetus  Vautrier 
joer  hier  Ubereinstimmt.  Der  Motetus  schildert  kurz  eins  der  beliebten 
Liebeserlebnisse  des  Dichters  auf  einem  Sommerspaziergang;  ahnlichen 
Inhalt  hat  auch  das  Triplum;  beider  Zusammenklingen  ist  sehr  reizvoll 
und  von  hochst  kunstvollem  Bau.  Dazu  kommt  ein  ganz  regular  gebautes 
LiebeeKed  im  Quadruplum,  dessen  regelmaBige  Durchfuhrung  eine  wenig 
schone  Umanderung  des  Schlusses  in  Montpellier  verursacht,  so  daB  als 
Ganzes  die  alte  Fassung  die  gelungenere  ist. 

Vierstimmig  bereits  in  Wolfenbiittel  und  Noailles  ist  Nr.  47,  wohl  die 
alteste  erhaltene  yierstunmige  franzosische  Motette  iiberhaupt,  die  nicht 
aus  Umarbeitung  oder  Erweiterung  zwei-  oder  dreistimmiger  Eompositionen 


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198    F.  Ludwig,  Studien  liber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

entstand,  sondern  originaliter  vierstimmig  ist.  Alle  drei  Texte  wenden 
sich  an  eine  Schone  mit  der  Bitte  um  Erhorung,  der  Motetus  in  sehr 
gewahlten  Versen,  das  Triplum  mit  einer  der  in  den  Motetten  besonders 
beliebten  Rahmendichtungen,  in  der  der  Dichter  sie  im  Mai  auf  dem 
Spaziergang  trifft  und  sie  anredet,  das  Quadruplum,  das  sich  selbst  als 
solches  bezeichnet  und  den  1.  Mai  als  Entstehungstag  angibt,  mit  Aus- 
malung  des  Schmerzes,  den  die  Nicht-Erhorung  im  Gefoige  hatfe.  Alle 
drei  stehen  also  innerlich  in  Beziehungen  zueinander  und  sind  musikalisch 
auf  das  f einsinnigste  durchgefiihrt,  der  Motetus  in  ruhigem  Rhythmus  im 
zweiten  Modus  mit  den  hier  iiblichen  kunstvollen  melismatiscben  Auf- 
losungen  der  longae,  das  Triplum  in  lebbafter  Breves-Erzahlung  mit  sehr 
beachtenswerter  guter  Melodiebildung,  das  Quadruplum  bald  der  einen 
bald  der  anderen  Stimme  sich  enger  anschlieBend,  prachtvoll  das  Ganze 
abrundend,  das  leider  in  Ooussemaker's  Ubertragung  besonders  stark 
^  miBlungen  ist.  Es  ist  in  der  Tat  erstaunlich ,  wie  geistvoll  und  sicher 
gleich  dies  erste  so  konzipierte  Werk  seinen  Weg  geht,  auch  im  ein- 
zelnen  in  den  musikalischen  Beziehungen  der  Stimmen  zueinander  hochst 
vollendet. 

Aus  einer  dreistimmigen  Komposition  im  Aristoteles-Kodex  zur  vier- 
stimmigen  erweitert  ist  Nr.  44,  eine  ausgedehnte  Komposition  liber  dem 
Tenor  Aptatur.  Der  Motetus  ist  die  Klage  eines  jungen  Madchens,  das 
wider  seinen  Willen  zur  Nonne  gemacht  ist;  das  Triplum  beginnt  mit 
Frtihlingsblumen  und  Lerchen  und  stimmt  dann  ein  Liebeslied  an,  dessen 
wie  Refrain  zitierter  Anfang  auch  musikalisch  sehr  gut  herausgearbeitet 
ist;  das  Quadruplum  fiigt  ein  derberes  Liebeslied  zu,  in  dem  das  musi- 
kalisch auch  reizvoll  behandelte  lateinische  Zitat  Nostra  sunt  sottempnia 
auffallt.  Die  ganze  Komposition  einschlieQlich  des  rhythmisch  ungewohn- 
lich  intrikat  behandelten  Tenors,  verlauft  im  dritten  Modus  und  seinen 
komplizierten  Nebenformen,  die,  wie  schon  oben  erwahnt,  gerade  diese 
Kompositionen  im  Aristoteles-Kodex,  auch  die  spateren,  die  uns  im  VIE. 
Paszikel  begegnen  werden,  so  lieben,  die  auch  der  Pseudo-Aiistoteles- 
Traktat  genauer  beschreibt,  die  aber  sonst  nicht  so  vorkommen.  Der 
im  Grund  daktylische  Rhythmus,  die  Bildung  moglichst  vieler  Reime, 
daher  sehr  zahlreicher  kleiner  Verse,  da  womoglich  jede  Gruppe  von  vier 
oder  drei  Noten  wie  musikalisch  so  auch  textlich  selbstandig  sein  soil, 
und  die  verschiedenen  haufigen  Auflosungen  der  ersten  longa  geben  dem 
Ganzen  einen  hochst  lebhaften,  aber  unruhigen  Charakter,  bei  dem  sich 
in  keiner  der  drei  Stimmen,  da  alle  drei  im  gleichen  komplizierten  Modus 
durcheinander  klingen,  die  starke  Eigenwirkung  herausheben  kann,  die 
sonst  so  oft  zutage  tritt. 

Die  iibrig  bleibenden  drei  Motetten  sind  nur  aus  Montpellier  bekannt. 
Zunachst  Nr.  43,  das  iiber  dem  Tenor  Manere  im  Motetus  und  Triplum 


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F.  Ludwig,  Studien  tiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    199 

zwei  ungewohnlich  regelmaBig  gebaute  Gesellschaftslieder  hat,  die  die 
Freundschaft  und  die  frohe  Geselligkeit  preisen,  wie  sie  im  VIE.  Faszikel 
uns  spater  vielfach  entgegentreten  werden;  der  Motetus  klingt  direkt  in 
den  Ruf,  Wein  zu  bringen,  aus.  Beide  Stimmen  gehen  vielfach  parallel, 
treffen  sich  auch  oft  im  gleichen  Reim,  zum  Beispiel  am  Anfang  und  am 
SchluB,  and  bilden  ein  anziehendes  Ensemble,  das  durch  ein  Liebeslied 
im  Quadruplum  mehrfach  gestort  wird,  da  weder  der  Text  noch  die  mu- 
sikalische  Behandlung  des  Quadruplums  als  gelungen  zu  bezeichnen  sind. 

Nr.  46  enthalt  iiber  dem  Tenor  Fiat  im  Motetus  die  deutlich  ausge- 
sprochene  Bitte  des  Liebenden  und  im  Triplum  die  ebenso  deutlich  er- 
folgende  Ablehnung;  dazu  scheint  im  Quadruplum,  das  sich  selbst  als 
solches  bezeichnet,  der  Dichter  mehr  Wert  auf  die  Liebe  als  auf  die 
Musik  zu  legen,  und  die  musikalische  Behandlung  ist  auch  in  der  Tat 
sehr  ungleich.  Ubrigens  ist  auch  hier  die  Ubertragung  Coussemaker's 
mehrfach  miBlungen  und  bei  dem  ungewOhnlich  schlechten  Zustand  des 
Faksimiles  bei  Coussemaker  auch  schwierig. 

Konnte  ich  den  eben  besprochenen  Werken  keinen  allzu  hohen  Bang 
in  der  Schatzung  ihrer  musikalischen  Bedeutung  zuweisen,  so  ist  dem 
letzten  noch  iibrigen,  No.  50,  wieder  eine  iiberaus  reizvolle  Idee  zu  grunde 
gelegt,  wenn  auch  die  Ausfuhrung  leider  hier  ebenfalls  hinter  der  In- 
tention zuruckbleibt.  Trots  serors  sor  rive  mer  chantent  der  beginnen 
3  Stimmen  im  2.  Modus  iiber  einem  unbezeichneten  Tenor,  der  auffalliger- 
weise  dazu  nicht  streng  modal  gebildet  ist,  sondern  die  Perioden-Disposition 
der  Oberstimmen  mitmacht.  Dann  fahrt  jede  iiber  der  jetzt  streng 
modalen  Tenorfortsetzung,  Vaisnee,  la  moiene,  la  jonete,  mit  kurzem  Lob 
ihres  Geliebten  fort,  —  es  ist  Robin  bei  der  moiene  und  ein  bran  ami 
bei  der  jonete  brunete  —  in  ungewohnlich  schlechten  Versen,  denen  viel- 
fach sogar  strengerer  metrischer  Bau  und  Reim  fehlen,  und  besonders 
bei  der  aisnee  ungeschickter  musikalischer  Behandlung.  Ubrigens  liegt 
das  ganze  Stuck  sehr  tief;  die  zwar  als  Quadruplum  geschriebene,  aber 
am  tief sten  liegende  Stimme  der  aisnee  steigt  bis  zum  C  unter  dem  Linien- 
system  im  Tenorschliissel  hinab.  Und  doch  erscheint  gerade  diese  Idee 
des  Schwesternterzettes  mit  als  die  lebhafteste  und  anmutendste  unter 
den  verschiedenen  Versuchen,  einer  4stimmigen  Motette  auch  die  innere 
Berechtigung  zur  Vierstimmigkeit  zu  geben. 

Damit  haben  wir  den  Kreis  der  von  Coussemaker  aus  den  ersten  6  Fas- 
zikeln  gedruckten  liturgischen  Stiicke  und  Motetten  umschlossen*^  es 
bleibt  nur  noch  ein  Blick  auf  das  dreistimmige  Eroffnungsstiick  Deus  in 
adjutorium  Iibrig,  No.  3,  3stimmig  Note  gegen  Note,  aber  alle  Stimmen 
durch  melismatische  Auf  losungen  der  Modus-  longa  oder  der  die  Eadenz 
vorbereitenden  penultima  gleichmaBig  belebt,  mit  4  Strophen  nach  der- 
selben  Eomposition,  ein  kurzes  ErofEnungsgebet,  das  musikalisch  die  Form 


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900    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Gtaachichte  der  mehrstimmigeo  Musik  im  MitteJalter. 

eines  alten  einfacheren  J£ouduktus  bat  und  mit  einer  gewissen  Feierlich- 
keit  das  umfangreicbe  alt*  Korpus  der  Haudscbrift  eroffnet.  3  Stropheu 
des  glaicheu  Textes,  aber  mit  anderer  Musik,  stehen  in  gleicher  Tendenz 
am  Anfang  des  VTLL  Faszikels. 

Uberblicken  wir  den  Inhalt  der  ersten  6  Faszikel  nocb  einmal,  so 
sehen  wir,  daB  ihnen  alien  gemeinsam  ist,  daB  ein  iiberaus  groBer,  wenn 
nicht  der  gro&te  Tejl  ihres  Inhalts,  der  bier  durchweg  in  vorgeschrittener 
Mensuralnotation  erscbeint,  aua  alterer  Zeit,  die  nocb  obne  longa-  and 
brevis-Unterscheidung  schrieb,  also  aus  der  Vor-Theoretikerzeit  stammt. 
Bei  vielen  begegneten  uns  die  Werke  genau  90  in  alteren  Handschriften,* 
wie  sie  auch  in  Montpellier,  wenn  auch  in  spatere  Notation  umgeschrieben, 
vorliegen,  die  liturgischen  Stticke  des  Faszikels  I  in  Florenz  und  den  beiden 
Wolfenbxitteler  Handschriften,  die  zwei-  bis  vierstimmigen  franzosischen 
Motetten  der  Faszikel  VI,  V  und  II  besonders  in  Wolfenbiittel,  Roi  und 
Noailles,  wabei  wir  viele  auf  die  drei-  und  zweistimmigen  Melismen  des 
Codex  St.  Victor  zuruckfiihren  konnten.  Bei  anderen  ist  wiederum  nur  der 
zweistimmige  Unterhau,  Tenor  und  der  lateinische  Motetus,  der  alte,  der 
besonders  in  Florenz,  Wolfenbiittel  und  vielleicht  auch  Madrid  uberliefert 
ist,  dabei  seinerseits  auf  die  Melismen  in  Florenz  und  den  diesem  Codex 
nahestehenden  Handschriften  zurlickgeht  und  ntin  hier  in  Montpellier  mit 
einem  neuw  Triplum  mit  eigenepi  Text  versehen  ist,  lateinischem  im  IV. , 
franzosischem  im  IDE.  Faszikel.  Wir  ubersehen  jetzt  die  Anordnung,  die 
der  Sammler  des  Kodex  Montpellier  vornahm  und  die  auch  in  den  andern 
grofien  Sammelhandschriften,  besonders  im  Kodex  Florenz,  eine  vollig 
analoge  ist:  erst  kommen  die  liturgischen  Kompositionen ,  Faszikel  I, 
dann  die  Motetten,  Faszikel  II  bis  VI,  und  zwar  zuerst  die  vierstimmigen 
Faszikel  II,  danp  die  dreistimmigen  Faszikel  m  bis  V  und  zuletzt  die 
zweistimmigen  Faszikel  VI,  unter  ibnen  die  dreistimmigen  wieder  nach  der 
Zahl  und  dem  Rang  der  Textspraohen  geordnet,  die  zweispracbigen  Fas- 
zikel 1(1,  die  lateinischen  Faszikel  IV,  die  franzosischen  Faszikel  V,  alio 
aufier  dem  kurzen  Einschub  am  Ende  des  III.  Faszikels  mit  2  ver- 
schiedefleu  Texten  in  den  Oberstimmen. 

Zeigt  sich  darin,  daB  die  Sammlung  von  Faszikel  I  bis  VI  trotz  der 
yerschiedenen  Alters-Epochen  der  yerscbiedenen  Gattungen  als  etwas  ESn- 
heitliches  aufzufassen  ist,  so  stimmt  doeh  im  Einzelnen  die  Notenscbrift 
durcbaus  nicht  in  alien  Faszikeln  mfteinander  tiberein,  und  Roller  hat 
gcharfsinuig  darzulegen  versucht,  welche  Schlusse  sich  fiir  das  Alter  der 
einzelnen  Faszikel  ziehen  lassen,  wenn  man  die  Notenschrift  jedes  einzelnen 
mit  den  Theoretiker-Lehren  vergleicht.  JSr  kam  zu  dem  Resultat,  daB 
Faszikel  IH,  IV  und  VI  die  altesten  Teile  sind,  V  und  II  in  ariato- 
telischer  Notation  stehen  und  I  und  VII  meist  frankonisch  sind,  aber 
in  altere  Zeit   hinaufreichen   und  nur  spater  umgeschrieben  sind.     80 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Mueik  im  Mittelalter.    201 

richtig  im  wesentlichen  diese  Beobachtungen  in  Roller's  4.  Kapitel 
sind,  bo  falsch  sind  leider  die  Schliisse  dee  5.  Kapitels,  in  dem  Roller 
diese  Ansicht  iiber  die  Altersfolge  auch  bei  Betrachtung  des  Inhalts  der 
Rompositionen  bestatigt  findet.  Vielmehr  stellt  sich  in  Wirklichkeit 
Faszikel  I  als  der  alteste  dar,  dann  folgen,  da  die  rein  lateinischen 
Motetten  mit  nur  einem  Text  oben  fast  gar  nicht  mehr  vertreten  sind, 
die  franzosischen  Motetten  in  VI,  V  und  II,  und  zuletzt  aus  dem  Beginn 
der  Theoretiker-Epoche  die  lateinisch-lateinischen  und  lateinisch-franzo- 
sischen  Motetten  in  IV  und  ILL  Und  von  ihnen  haben  nur  HI  und  IV 
ihre  alte  Original-Notation,  in  der  sie  entstanden,  bewahrt;  alle  andern 
sind  umge8chrieben.  Die  einfachen  zweistimmigen  Motetten  in  VI  haben 
sich  dabei  nur  moglichst  wenig  verandert,  die  stimmreicheren  in  II  und 
V  schon  mehr  und  der  dem  Vortrag  noch  schwierigste  Faszikel  I  am 
allermeisten,  so  daB  dieser,  wenigstens  nach  den  Proben  bei  Coussemaker, 
direkt  frankonisch  geschrieben  erscheint.  Wie  es  so  haufig  bei  musika- 
lischen  Handschriften  ist,  braucht  diese  Umschrift,  die  viel  Vorkennt- 
nisse  erfordert,  nicht  erst  vom  Schreiber  der  Sammelhandschrift  selbst 
herzuriihren,  sondern  sie  lag  ihm  in  den  einzelnen  Heften,  aus  denen  er 
seine  groBe  Sammlung  zusammenstellte,  vielfach  bereits  vor. 

Nachdem  einmal  die  Theoretiker  angefangen  hatten,  sich  mit  der 
Notenschrift  zu  befassen,  gab  es  kein  Aufhoren  mehr;  und  wenn  auch 
die  Frage  nach  der  Schreibung  von  longa  und  brevis  in  einfachen  Noten 
bereits  im  Anfang  und  die  Schreibung  yon  longa,  brevis  und  semibrevis 
in  Ligaturen  seit  Franco  von  Koln  endgliltig  erledigt  war,  so  setzen  sich 
die  Streitigkeiten  auf  andern  Gebieten  der  Notenschrift  immer  weiter 
fort,  zunachst  iiber  die  semibrevis  und  ihre  bald  notig  werdenden  Unter- 
teile,  seit  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  dann  auch  iiber  die  ver- 
sohiedene  Schreibung  von  geradem  und  ungeradem  Takt  usf.,  und  kommen 
erst  im  15.  Jahrhundert  nach  Einfiihrung  der  weiBen  Notation  vorl&ufig 
fiir  eine  gewisse  Zeit  zur  Ruhe.  Die  Rompositionen  des  Aristoteles- 
Rodex  und  Rodex  Montpellier  sind  die  ersten  bald  immer  haufiger 
werdenden  Handschriften,  die  die  ersten  Phasen  der  Umschrift  alter 
Rompositionen  nach  den  Vorschriften  neuerer  Theoretiker  ttberliefern. 
Giueklioherweise  ist  uns  aber,  wie  wir  sahen,  ein  so  reiches  altes  Material 
erhalten  geblieben,  das  uns  so  oft  gestattet,  zwischen  dem  Alter  der 
Niederschrift  und  dem  Alter  der  Entstehung  sicher  zu  unterscheiden. 

Es  sei  hier  ein  kurzes  Wort  iiber  die  7  Rompositionen  im  Aristoteles- 
Rodex  eingefiigt,  alle  iiber  lateinischem  Tenor,  drei  dreistimmige  fran- 
zosische  Motetten,  die  in  Montpellier  in  Faszikel  V  und  II  in  drei- 
bezw.  vierstimmiger  Gestalt  aufgenommen  sind,  und  vier  dreistimmige 
lateinische  Motetten,  von  denen  nur  2  im  VTL  Faszikel  von  Montpellier 
wiederkehren,  dieselben  beiden,  die,  wie  ich  an  anderer  Stelle  ausfiihrte, 


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202    F.  Ludwig,  Studien  uber  die  G-eschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mitielalter. 

noch  zum  Repertoire  der  Laudi-Sanger  des  14.  Jahrhunderts  von  Florenz 
gehorten 1).  Dem  Stil  nach  unterscheiden  sich  die  drei  franzosischen,  die 
beiden  eben  erwahnten  lateinischen  und  die  zwei  von  Montpellier  nicht 
aufgenommenen  lateinischen  bedeutend.  Die  franzosischen  sind  oben 
charakterisiert,  sie  wirken  stellenweis  wie  Studienbeispiele  schwieriger 
Modus-Behandlung  im  2.  und  3.  Modus  mit  den  Nebenformen  des  letzteren. 
Die  beiden  in  Montpellier  nicht  vorkommenden,  eine  Unschuldige-Kind- 
lein-  und  eine  Marien-Motette,  haben  wie  die  Motetten  des  IV.  Faszikels 
in  Montpellier  uber  ruhigem  Motetus,  der  bei  der  In  IfetfAfeem-Motette 
uralt  ist,  ein  sehr  bewegtes,  aber  liturgisch  angemessenes  Triplum,  gehen 
aber  im  Einzelnen  bereits  weit  liber  die  Technik  des  Triplum's  im  IV. 
Faszikel  von  Montpellier  hinaus,  sowohl  in  der  schon  ganz  spat  an- 
mutenden  Marien-Motette,  die  den  Tenor  in  Perioden  von  7  longae  baut 
und  im  Triplum  die  longa  regelmaBig  in  vier  oder  ftinf  Teile,  zwei  oder 
drei  semibreves  und  zwei  breves,  teilt,  als  auch  in  der  zweifellos  alteren 
In  Beihleem-TAotette,  deren  Neubearbeitung  eine  wenig  schone  Umge- 
staltung  der  ganzen  alten  Motette  (in  Florenz,  Wolfenbiittel  und  vielleicht 
Madrid  erhalten;  aus  Florenz  von  Wooldridge  Seite  360  gedruckt)  mit  sich 
brachte,  die  in  den  von  Ooussemaker  aus  Faszikel  IV  gedruckten 
Stucken  kein  Analogon  findet. 

Die  beiden  andern  lateinischen  Motetten  leiten  uns  zum  VII.  Faszikel 
von  Montpellier  uber,  in  dem  ebenso  wie  im  VTH.  Faszikel  eine  ganz 
neue  Kunst  zu  uns  spricht.  Jegliche  Beriihrung  mit  den  alteren  Hand* 
8chriften  hort  jetzt  auf ;  die  einzigen  Ausnahmen  bilden  folgende  Werke : 
drei  TJmarbeitungen  von  Stucken  aus  alteren  Faszikeln  von  Montpellier 
selbst,  eine  zweistimmige  Motette  des  VI.  Faszikels,  die  schon  in  Wolfen- 
biittel steht,  Ne  sais  que  je  di,  und  die  im  VII.  Faszikel  dreistimmig 
erscheint,  eine  schon  erwahnte  vierstimmige  Motette  des  II.  Faszikels, 
deren  zweistimmige  Urgestalt  ebenfalls  schon  Wolfenbiittel  uberliefert  und 
die  dreistimmig  den  Schlufi  des  VIII.  Faszikels  bildet,  und  eine  drei- 
stimmige  Motette  des  Vll.  Faszikels,  die  Tenor  und  Motetus  mit  einer 
gleichen  des  V.  Faszikels  gemeinsam  hat,  aber  hier  ein  anderes  Triplum 
als  3.  Stimme  zufiigt,  weiter  die  lateinische  Laqueus-Komposition  gegen 
Ende  des  VII.  Faszikels,  die  vielleicht  auf  das  Werk  Philipp  de  Greve's 
in  der  Handschrift  Egerton  zuriickgeht,  und  eine  dreistimmige  franzosische 
Motette  im  V1H.  Faszikel,  deren  Motetus  Tai  trouve  qui  rrtamera  uber 
dem  Tenor  Fiat  einem  St.  Victor-Melisma  entstammt,  das  in  Noailles 
als  zweistimmige  Motette  auftritt. 

Aber  sonst  sind  es  fast  lauter  Unica,  die  uns  hier  gegeniibertreten; 


1)  Auch  in  Besangon  atanden  sie,  ebenso  wie  viele  andere  Motetten  des  VII. 
Faszikels. 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Masik  im  Mittelalter.    203 

nur  die  Motetten  von  Adam  de  la  Hale  im  VII.  Faszikel  iiberliefert 
auch  die  groBe  Sammelhandschrift  seiner  gesamten  Werke  in  Paris  La 
VaMere  Nr,  25566;  von  seinen  in  Montpellier  nicht  vertretenen  mehr- 
stimmigen Rondeaux  finden  sich  einige  auch  in  Handschriften-Fragmenten 
zu  Cambrai  wieder,  zu  denen  wiederum  aus  Montpellier  zwei  andere 
Motetten  des  VII.  Faszikels,  Coussemaker  Nr.  34  and  35,  Beziehungen 
haben1).  Von  anderweitiger  Uberlieferung  einstimmiger  Melodien  oder 
Refrains  sehe  ich  dabei  naturlich  ab;  sie  fehlt  gerade  in  dieser  Periode 
nicht,  aus  der  die  schon  erwahnte  Zusammenstellung  einer  ganzen  Mo- 
tette  (Nr.  28)  aus  Kompositionen,  die  vorher  fur  einen  andern  Zusammen- 
hang  bestimmt  gewesen  waren,  und  eine  andere  Motette  wie  Nr.  36 
sfammt,  deren  ganzer  franzosischer  Tenor  nur  aus  bekannten  Refrains 
besteht.  Schon  Coussemaker  hat  auf  eine  Reihe  von  Melodien  oder 
Melodieteilen  aufmerksam  gemacht,  die  in  der  einen  der  zwei  mit  Musik 
versehenen  Handschriften  des  >Renart  li  nouvel«  von  Jacquemars  Gi616 
ubereinstimmend  mit  Montpellier  vorkommen,  und  diese  Zahl  lieBe  sich 
aus  andern  Handschriften  leicht  vermehren. 

Das  Neue,  das  der  VH.  Faszikel  nun  zuerst  in  die  Augen  springen 
laBt,  ist  der  Umstand,  dafi  iiber  ein  Drittel  der  in  ihm  enthaltenen  drei- 
stimmigen  franzosischen  Motetten  iiber  einen  franzosischen  Tenor  gebaut 
ist.  Waren  die  Oberstimmen  der  alten  franzosischen  Motetten  bereits 
gleich  im  Anfang  dem  liturgischen  Rahmen,  in  dem  die  Motette  ent- 
standen  war,  entwachsen,  da  die  franzosische  Kunst  die  Motettenform 
bald  nach  deren  Verbreitung  neben  dem  geistlichen  Gebrauch  auch  fiir 
ihre  rein  weltlichen  Werke  benutzte,  so  fallt  jetzt  auch  der  letzte  Zu- 
sammenhang  mit  der  liturgischen  Musik  fort.  Auch  der  Tenor  hort 
jetzt  auf,  dem  liturgischen  Gesang  zu  entstammen;  die  franzosischen 
Oberstimmen  ziehen  jetzt  auch  die  Benutzung  eines  franzosischen  Liedes 
als  Tenor  nach  sich,  freilich  noch  zogernd;  die  Anzahl  der  liturgischen 
Tenores  bleibt  immer  noch  recht  erheblich,  in  den  Motetten  Adam  de 
la  Hale's  z.  B.,  die  sicher  der  2.  Halfte  des  13.  Jahrhunderts  angehoren, 
ist  kein  einziger  franzosischer  Tenor  benutzt;  im  VIII.  Faszikel  ist  aber 
dieser  ProzeB  bereits  so  weit  vorgeschritten,  daB  die  franzosischen  Mo- 
tetten mit  franzosischen  Tenores  den  mit  lateinischen  an  Zahl  fast 
gleich  sind. 

Wichtiger  noch  als  dies  ist  bei  genauerem  Zusehen  dann  der  Um- 
stand,  daB  jetzt  auch  die  lateinischen  Tenores  vielfach  andern  Quellen 
entstammen  als  die  alten  lateinischen  Tenores.  Waren  die  letzteren  ganz 
iiberwiegend,  wie  wir  sahen,  den  Gradual-,  Alleluia-,  Responsorium-  und 
Benedicamus-Melismen  entnommen,  so  treten  nun  unter  den  lateinischen 


1)  Diese  beiden  und  zwei  Motetten  von  Hale  standen  auch  in  Besan$on. 


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204    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Tenores  des  Vll.  Faszikels  neben  den  alten  bereits  auch  ganz  neue  Ge- 
bilde  entgegen,  z.  B.  fiinf  Tenores,  die  Kyrie's  entstammen,  ein  lie  missa 
est  und  mehrere  spater  zu  besprechen&e,  und  im  VIII.  Faszikel  setzt 
sich  diese  Bewegung  durchaus  fort;  besonders  vermehrt  sich  die  Zahl 
der  unbezeichnet  gebliebenen  oder  bloB  Tenor  bezeichneten  Tenores  immer 
mehr,   was  in  der  alteren  Zeit  nur  ganz  ausnahmsweise  einmal  vorkam. 

Woher  diese  letzterwahnten  Tenores  stammen,  ist  noch  nicht  bekannt : 
an  sie  schlieBt  sich  aber  die  Tenorentwicklung  des  14.  Jahrhunderts  un- 
mittelbar  an,  die  den  musikalisch-liturgischen  Boden  immer  mehr  verlaBt, 
wenn  sie  auch  die  lateinische  Bezeichnung  der  Tenores  wieder  regel- 
maBiger  aufnimmt,  als  es  hier  im  letzten  Faszikel  von  Montpellier  der 
Fall  ist.  Nur  scheint  diese  Bezeichnung,  die  im  14.  Jahrhundert  immer  eine 
auf  den  Inhalt  der  Oberstimmen  beztigliche  Pointe  enthalt,  nicht  immer  ein 
ursprunglicher  Text  der  Tenormelodie  gewesen  zu  sein,  sondern  vielfach 
nur  ein  Begleitwort  zu  sein,  das  dieser  Melodie  als  Tenor  einer  be- 
stimmten  Motette  zuerteilt  wird.  So  auBerlich  ahnlich  daher  die  lateinischen 
Motetten  des  14.  Jahrhunderts  in  dieser  Beziehung  den  Motetten  des 
Anfangs  der  Motettenkunst  sehen,  so  innerlich  verschieden  sind  diese 
Textbeziehungen.  Im  Anfang  wurden  einem  originalen  und  bedeutungs- 
vollen  Tenormelisma  den  Sinn  des  Tenorworts  frei  tropisch  ausflihrende 
Oberstimmen-Texte  hinzugefiigt;  jetzt  setzt  man  einem  Tenor  ohne  selbst- 
standige  musikalische  Bedeutung,  der  rein  begleitet,  ein  Kennwort  zu, 
das  den  Sinn  der  Oberstimmen  wie  in  einem  Brennpunkt  zusammenfaBt, 
oft  ironischer  Art,  so  daB  nur  rein  auBerlich  hier  eine  Ubereinstimmung 
zwischen  Oberstimmen-  und  Tenortext  vorhanden  ist,  die  in  der  groBen 
mittleren  Teriode  der  Geschichte  der  Motette,  besonders  in  den  Fas- 
zikeln  VI,  V  und  II  von  Montpellier  vollig  fehlt. 

In  gewisser  Beziehung  kehrt  so  die  Entwicklung  mehr  nach  dem  Aus- 
gangspunkt  zuruck,  indem  die  Zeit  die  Diskrepanz  zwischen  lateinisch* 
liturgischem  Tenor  und  franzosischen  Oberstimmen,  an  der  mehrere 
Generationen  keinen  AnstoB  genommen  hatten,  als  storend  empfindet 
und  sie  nun  auf  ihre  Weise  zu  losen  sucht.  Die  Entwicklung  der  fran- 
zosischen Oberstimmen  hatte  dem  Komponisten  eine  herrliche  Entfaltung 
seiner  Technik  gebracht,  die  durch  das  zweckmaBige  Fundament  des  alten 
Tenors  wesentlich  gefordert  worden  war.  Jetzt  war  die  Zeit  allm&hlich 
reif  genug  geworden,  den  alten  liturgischen  Tenor  entbehren  zu  konnen 
und  an  seine  Stelle  neue  Gebilde  zu  setzen,  die  die  weitere  Entwicklung 
neuer  Seiten  der  Oberstimmen  begiinstigten,  und  das  waren  zunachst  die 
neuen  lateinischen  und  die  franzosischen  Tenores. 

Die  14  Stiicke  des  VII.  Faszikels  bei  Coussemaker,  zu  denen  die  drei 
franzosischen  Motetten  Hale's  kommen,  die  Coussemaker  aus  der  groBen 
Hale-Handschrift  in  der  Gesamtausgabe  von  Hale's  Werken  gedruckt  hat, 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  ira  Mittelalter.    205 

gruppieren  sich  folgendermaBen:  franzosische  Motetten  mit  lateinischem 
Tenor  sind  alle  Motetten  von  Hale,  ferner  Nr.  10  und  11,  die  als  Werke 
des  Petrus  de  Cruce  durch  Zitate  gesichert  sind,  34  und  35,  die  zu 
Cambrai  Beziehungen  haben,  16,  die  erste  Motette  in  geradem  Takt,  24 
mit  interessanten  hoquetierenden  Abschnitten  und  28,  die  aus  Mout  me 
fit  und  Robin  maime  kombinierte  Motette;  franzosische  Motetten  mit 
franzosischem  Tenor  sind  39  und  40,  zwei  Gesellschaftslieder,  27,  das 
ein  Rondeau  von  Hale  im  Motetus  benutzt,  und  36,  die  Motette  mit  dem 
aus  Refrains  zusammengesetzten  Tenor ;  dreistimmige  lateinische  Motetten 
sind  schlieBlich  12  und  13,  die  beiden  auch  im  Aristoteles-Kodex  ent- 
haltenen  bereits  erwahnten  Motetten,  und  25,  das  dem  Ende  dieses  Fas- 
zikels  entstammt  und  auch  in  der  Handschrift  jiingeren  Datums  ist,  ein 
Vertreter  einer  neuer  Gattung  lateinischer  Motetten,  die  auch  zur  Ein- 
textigkeit  der  Oberstimmen  wieder  zuriickkehrt. 

Am  bequemsten  verbindet  sich  damit  gleich  auch  die  Ubersicht  iiber 
die  sechs  Stiicke  aus  dem  VHI.  Faszikel,  die  sich  alle  in  Bahnen,  die 
schon  im  VII.  Faszikel  eingeschlagen  sind,  weiter  bewegen,  sowohl  das 
ganz  franzosische  19,  die  Motettenbearbeitung  einer  urspriinglich  nicht  fiir 
eine  Motette  komponierten  Melodie,  38  und  41,  dreistimmige  Gesellschafts- 
lieder, jenes  mit  franzosischem,  dieses  mit  lateinischem  Tenor,  als  auch 
die  ganz  lateinischen  21,  22  und  23,  die  wie  25  nur  einen  lateinischen 
Text  in  den  Oberstimmen  verarbeiten,  freilich  nicht  Note  gegen  Note, 
wie  die  dreistimmige  lateinische  Motette  des  Anfangs  der  Motettenkunst, 
sondern  jetzt  den  Text  in  beiden  Stimmen  alternieren  lassend  mit  Hilfe 
von  technischen  Kunstgriffen,  die,  seit  sie  bekannt  sind  und  Coussemaker 
sie  fiir  doppelten  Kontrapunkt  erklarte,  die  lebhaf teste  Aufmerksamkeit 
und  wissenschaftliche  Kontroversen  erregten. 

Uber  den  sonstigen  Inhalt  des  VII.  und  VIH.  Faszikels  ist  zu  er- 
wahnen,  daB  beide  fast  ausschlieBlich  aus  dreistimmigen  Motetten  bestehen 
mit  2  Texten,  einige  Male  nur  einem  lateinischen  Text  in  den  Ober- 
stimmen, wobei  aber  die  Sprachen  lateinisch  und  franzosisch  in  der 
buatesten  Miscbung  vorkommen,  vorwiegend  in  den  Zusammensetzungen, 
die  auch  in  Ooussemaker's  Beispielen  vertreten  sind,  zwei  franzosische 
Texte  iiber  lateinischem  und  iiber  franzosischem  Tenor  und  zwei  lateinische 
iiber  lateinischem,  daneben  aber  auch  lateinischer  Motetus  und  franzosisches 
Triplum  iiber  lateinischem  und  auch  iiber  franzosischem  Tenor,  und  sogar 
auch  franzosischer  Motetus  und  lateinisches  Triplum  iiber  beiden  Arten 
von  Tenores. 

Wir  beginnen  mit  den  beiden  Kompositionen,  die  den  VII.  Faszikel 
eroffnen,  den  Werken  von  Petrus  de  Cruce. 

Nr.  10,  Sf  amours  eust  point  im  Triplum  und  Au  renouveler  im  Motetus 
iiber  dem  Tenor  Ecce  zeigt  fiir  den  ersten  Blick  zum  ersten  Mai  die 


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206    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Verwendung  von  Semibreves  in  groBerem  MaBstabe.  Uber  dem  Tenor, 
der  zweimal  durchsingt,  erst  im  5.,  dann  im  1.  Modus,  stimmen  die 
Oberstimmen  2  Friihlingsliebeslieder  an,  der  Motetus  in  einem  altertiim- 
lich  irregularem  Versbau,  16  Verse,  die  alle  nur  auf  2  Reime  ausgehen, 
und  in  ganz  streng  innegehaltenem  1.  Modus,  der  sich  aber  dadurch  vom 
alten  1.  Modus  unterscheidet,  daB  er  viel  langsamer  zu  nehmen  ist,  so- 
wohl  weil  sich,  wie  gleich  zu  besprechen,  ein  so  tiberaus  lebhaftes  Triplum 
iiber  ihm  abspielt,  als  auch  weil  er  selbst  zahlreiche  melismatische  Auf- 
losungen,  besonders  der  breves  in  2  und  3  semibreves,  hat,  die  in  diesem 
Umfang  dem  alten  1.  Modus  vollig  fremd  sind.  Und  wahrend  sich  die 
alten  Melodien  gerade  des  1.  Modus  durch  besondere  Sangbarkeit  aus- 
zeichneten,  uberrascht  uns  hier  eine  Iiberaus  eckige  Melodiefuhrung  voll 
der  haBlichsten  Spiiinge.  Bei  dem  langsamen  Yortrag,  den  die  Textfiille 
des  Triplum  fiir  den  so  viel  textarmeren  Motetus  mit  sich  bringt,  kommt 
allerdings  die  Motetusmelodie  nicht  mehr  so  zur  Geltung  wie  friiher: 
das  kiinstlerische  Schwergewicht  liegt  jetzt  im  Triplum,  auch  der  Motetus 
ist  nur  eine  Art  Begleitung  geworden. 

Und  dieses  Triplum  erscheint  in  ganz  neuer  poetischer  und  musika- 
lischer  Gestalt.  Pausen  gliedern  es  in  14  Abschnitte,  die  alle  am  Schlufi 
auf  ent  ausgehen,  die  im  iibrigen  aber  ganz  frei  und  verschieden  gebaut 
sind  und  musikalische  Perioden  von  3  bis  7  longae,  ganz  wechselnd,  bilden. 
Viele  bilden  im  Innern  Verse,  die  reimen,  die  dann  aber  nicht  mehr  wie 
friiher  auch  musikalisch  entsprechend  behandelt  zu  werden  brauchen; 
viele  andere  lassen  sich  dagegen  von  rhythmischer  Prosa  garnicht  unter- 
scheiden.  Und  das  Verhaltnis  des  Metrums,  wo  eins  vorhanden  ist,  zum 
musikalischen  Rhythmus,  das  friiher  so  fest  geregelt  war,  daB  man  in 
den  alten  Motetten  auch  ohne  Mensurschreibung  aus  dem  Text  und  der 
einfachen  Notenfolge  den  musikalischen  Rhythmus  sicher  herstellen 
konnte,  —  ahnlich  wie  es  z.  B.  auch  bei  den  alten  G-riechen  der  Pall 
gewesen  war  und  wie  es  in  gesunder  einfacher  syllabischer  Musik  immer 
wieder  mehr  oder  weniger  durchdringen  wird  —  dies  alte  feste  Verhaltnis 
des  Textmetrums  zum  musikalischen  Rhythmus  ist  absolut  aufgelost.  Ob 
schnell  oder  langsam  deklamiert  wird,  ob  auf  den  Takt  2  oder  9  Text- 
silben  kommen,  hangt  jetzt  nicht  mehr  von  inneren  Strukturgriinden  ab, 
sondern  wird  vom  Komponisten  von  Pall  zu  Fall  entschieden,  wobei 
zweifellos  oft  die  groBte  Willkiir  herrscht.  Es  beginnt  damit  ein  Zer- 
setzungsprozeB  zunachst  der  poetischen  Form  der  Motette,  der  am  An- 
fang  des  14.  Jahrhunderts  bereits  so  weit  vorgeschritten  ist,  daB  es  da 
den  Motetten-Komponisten  schon  erlaubt  ist,  sowohl  die  poetische  als 
auch  die  gewohnliche  Wortbetonung  besonders  im  Motettentriplum  vollig 
auBer  Acht  zu  lassen,  eine  hochst  seltsam  beriihrende  Erscheinung,  die 
in  dieser  Montpellier-Motette  aber  bereits  ihren  Anfang  nimmt.    Die  Auf- 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    207 

losung  der  brevis  in  ldeinere  Teile,  die  hier,  1ne  bemerkt,  iiberhaupt  zum 
erstenmal  in  groBerem  Umfang  eintritt,  begnugt  sich  schon  hier  nicht 
mit  2  und  3  semibreves,  sondern  geht  gleich  bis  4  und  5  semibreves 
weiter,  was  die  Eolge  hat,  daB  die  verschiedenen  semibreves- Auflosungen 
der  breves  durch  Punkte,  die  den  Umfang  der  aufgelosten  brevis  ab- 
grenzen,  voneinander  getrennt  werden  mussen ;  hier  liegt  der  Keim  einer 
Notations-Erscheinung,  die  im  14.  Jahrhundert  von  hoher  Bedeutung  wird. 

Ganz  ahnlich  ist  die  etwas  kiirzere  Motette  Nr.  11,  die  auch  in  der 
Handschrift  unmittelbar  folgt.  Auch  hier  singt  der  Tenor  Annun  zwei- 
mal  durch,  erst  im  5.  Modus,  dann  in  einer  einfachen  pausenlosen  Longa- 
Kette,  ohne  daB,  wie  die  altere  Motette  das  im  ahnlichem  Falle  getan 
hatte,  die  2.  Durchfiihrung  auch  in  den  Oberstimmen  einen  veranderten 
Charakter  triige.  Auch  hier  geht  der  Motetus,  der  aus  11  wechselnd 
gebauten  Versen  besteht,  die  auf  zwei  Reime  ausgehen,  in  langsamem 
1.  Modus  seinen  Gang,  nur  mehrfach  von  gedehnten  Partien  unterbrochen, 
die  vielfach  den  Kadenzen  dienen.  Auch  hier  verlauft  das  Triplum  in 
13  samtlich  auf  on  reimenden  Abschnitten  von  verschiedenem  Bau  und 
musikalischer  Periodenausdehnung  von  3  bis  6  longae.  Die  Benutzung 
kleinster  Werte  geht  hier  so  weit,  daB,  wenigstens  im  Facsimile  bei 
Ooussemaker,  einmal  sogar  7  semibreves  als  Auflosung  einer  brevis  vor- 
kommen,  eine  Stelle,  die  zwar  in  Coussemaker's  tJbertragung  geandert 
erscheint,  ohne  daB  diese  Emendation  aber  in  anderer  Hinsicht  befriedigen 
konnte;  iibrigens  sind  auch  die  7  semibreves  nach  der  Regula  VlLL  des 
Petrus  de  Cruce l)  fiir  dieses  Triplum  besonders  verbiirgt;  auch  6  semibreves 
kommen  einmal,  5  dagegen  sehi*  haufig  vor.  Im  Motetustext  Lone  tans 
me  sui  term  de  chanter  nimmt  der  Dichter  nach  langerem  Schweigen 
das  Dichten  wieder  auf,  da  neue  Liebe  ihn  bewegt;  der  Triplumtext 
fiihrt  diesen  Gedanken  dann  noch  weiter  aus.  Beide  Tenores  kommen 
nur  in  diesen  Motetten  vor  und  sind  mir  liturgisch  nicht  nachweisbar, 
vielleicht  gehoren  sie  also  schon  zu  der  oben  ausftihrlicher  besprochenen 
Grattung  der  neuen  lateinischen  Tenores. 

In  der  Handschrift  folgt  auf  diese  eine  ahnliche  dreistimmige  Motette, 
die  Coussemaker  wegen  ihrer  Uberlieferung  in  Cambrai  ebenfalls  abdruckt, 
No.  34.  Der  Tenor  Puerorum,  der  wie  die  beiden  erwahnten  weder 
anderswo  als  Motettentenor  noch  liturgisch  mir  nachweisbar  ist,  singt  in 
lauter  gleichmaBigen  longae  zweimal  einfach  durch,  so  daB  die  Kom- 
position  aus  zweimal  29  Takten  besteht.  Er  ist  ein  neuer  Schritt  weiter 
auf  der  Bahn,  die  die  Motetten-Entwicklung  einschlug,  den  Tenor  immer 
mehr  von  den  alten  Modusfesseln  zu  emanzipieren  und  damit  auch  die 
durchsichtige  Gliederung  der  ganzen  Komposition  in  kleinere  Perioden 


1)  Coussemaker,  Script.  I,  389. 


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208    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Gescbichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

von  z.  B.  3  oder  4  Takten;  ebenso  auch  den  groBziigigen  6/2-Takt,  der 
im  Gefolge  des  5.  Modus  im  Tenor  oder  des  3.  Modus  in  der  ganzen 
Komposition  aufzutreten  pflegte,  aufzugeben.  Bevor  sich,  wie  es  im  14. 
Jahrhundert  dann  der  Fall  ist,  neue  Normen  fur  die  Periodenbildung 
de9  Tenor  ausbilden,  ohne  die  man  in  den  Motetten  auf  die  Dauer  doch 
nicht  auskam,  die  aber  mit  den  alten  Modusnormen  wenig  mehr  zu  tun 
haben,  begegnen  uns  solche  rbythmiscb  ganz  indifferenten  Tenorbildungen, 
wie  die  2.  DurchfUhrung  des  Tenor  Annun  oder  beide  des  Tenor  Pue- 
rorum,  hier  mehrfach.  Dieser  rhythmische  Mangel  des  Tenor  wird  aber 
durch  einen  um  so  straffer  gebauten  Motetus  aufgewogen,  der  aus  lauter 
Zehnsilbern  im  1.  Modus  besteht,  in  regelm&Bigen  Perioden  von  5  Takten 
verlauft,  durch  geschickte  Einfiigung  eines  Diex  und  den  AbschluB  mit 
einer  Kurzzeile  seine  Ausdehnung  den  58  Takten  des  Tenor  anpa&t. 
Der  Inhalt  ist  ein  elegisches  Liebeslied,  das  im  Triplum  ebenfalls  ein 
noch  weiter  ausgefuhrtes  Gegensttick  findet.  Wahrend  der  einheitlichere 
Bau  des  Motetus  vom  Bau  der  beiden  vorausgehenden  Motetustexte  ab- 
weicht,  aber  doch  z.  B.  die  Benutzung  von  nur  2  Reimen  wieder  sehr 
an  sie  erinnert,  so  ist  der  Bau  des  Triplum  ganz  analog,  zwolf  auf  *r 
reimende  Abschnitte,  poetisch  frei  gebaut,  musikalisch  in  Perioden  von 
4  bis  6  longae  verlaufend.  Entsprechend  der  einfacheren  Anlage  des  Ganzen 
geht  die  Auflosung  der  brevis  nicht  iiber  3  semibreves  hinaus, 

Noch  mehr  in  die  Folgezeit  deutet  die  Motette  Nr.  16,  die  zwar  einen 
alten  liturgischen  Tenor  Aptatur  fcugrunde  legt,  aber  alle  Stimmen  nach 
ganz  neuen  Anschauungen  baut.  Coussemaker  glaubt  allerdings,  dafl, 
da  Anonymus  5  seiner  Histoire  de  Vharmorde  Seite  273  und  Anonymus 
2  der  Seriptores  I,  307  En  grant  dolour  zitieren,  dessen  Text  und  erste 
Noten  allerdings  mit  dem  Motetus  dieser  Motette  iiberemstimmen,  sie 
diesem  alteren  Theoretiker  zuzuweisen  ware;  doch  kann  davon  keine  Rede 
sein.  Beide  Melodien  weichen  auch  bereits  von  der  5.  beziehungsweise 
6.  Note  vollig  voneinander  ab;  der  Motetus,  der  auch  in  einen  reunlos 
angefiigten  bekannten  Refrain  ausgeht,  benutzt  als  Anfang  ebon  swich 
einen  bekannten  Liedbeginn,  cfossen  erste  Noten  er  auch  musikalisch  zitiert. 

Der  aus  24  Tonen  bestehende,  frtther  oft  in  so  ebenmafligera  Grnppen- 
bau  behandelte  Tenor  singt  dreimal  durch,  disponiert  aber  jede  Dtirch- 
fiihrung  in  6  Abschnitte  von  4  breves,  3  Noten  und  erne  Pause,  und  am 
SchluB  einen  von  7  breves,  6  Noten  und  cine  Pause,  so  daB  sidi  als 
Takt  fiir  die  ganze  Komposition  47  2  Takt  mit  mehrfacher  Unterbrechiing 
durch  einen  7/2-Takt  ergibt.  DaB  man  nicht,  vne  Coussemaker,  bei  der 
Takteinteilung  mit  einer  brevis  als  Takteinheit  stehen  bleiben  darf,  re- 
sultiert  vor  allem  auch  aus  der  naheren  Betrachtung  der  Oberstimlnen, 
auf  die  ich  hier  nicht  eingehe.  Die  merkwiirdigen  irrationalen  Takt- 
perioden  der  Motetten  des  14.  Jahrhunderts  fangen  hier  deutlich  an. 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    209 

Aus  dem  Gesagten  ist*  nun  leicht  zu  verstehen,  daB  iiber  einem  der- 
artigen  Tenor  auch  der  Motetus  keinen  modalen  Rhythmus  mehr  bilden 
kann.  Wahrend  der  Text  auBerlich  ziemlich  regelmaBig  gebaut  sehr 
wohl  mit  dem  alten  Motettentextbau  viele  Ahnlichkeiten  hat,  ist  er 
musikalisch  vollig  frei,  nach  Art  der  eben  besprochenen  Tripla  behandelt, 
sich  in  breves  und  2  semibreves  mit  2  Textsilben  oder  vereinzelt  3  semi- 
breves  als  melismatischer  Auflosung  der  brevis  bewegend ;  nur  im  Refrain 
haben  in  Coussemaker's  Faksimile  3  semibreves  als  Auflosung  einer  brevis 
3  Silben,  doch  lautet  diese  Stelle  in  der  Ubertragung  wieder  abweichend. 
Charakteristisch  fiir  diese  neue  Anschauung  ist  gleich  der  Anfang,  bei 
dem  die  ersten  6  gleichgebauten  und  gleichreimenden  Viersilber  in  fiinf- 
mal  verschiedener  rhythmischer  Behandlung  erscheinen. 

Eine  Steigerung  der  Lebhaftigkeit  im  Triplum  iiber  diese  Motetus- 
behandlung  hinaus  ist  nicht  moglich;  so  verlauft  das  Triplum  dem  Mote- 
tus sehr  ahnlich,  sowohl  im  Versbau  und  dem  Ausgang  in  einen  Refrain, 
als  in  der  musikalischen  Behandlung.  Und  wie  wir  bei  alien  diesen 
neueren  Motetten  sahen,  sind  auch  hier  die  Beziehungen  des  Inhalts 
beider  Stimmen  ganz  eng:  zwei  Liebesklagen,  die  beide  darin  auslaufen, 
daB  nur  ein  Mittel  heilen  kann. 

Was  diesem  Werk  aber  unter  alien  von  Coussemaker  gedruckten 
eine  ganz  singuliire  Bedeutung  verschafft,  ist  der  Umstand,  daB  es  das 
einzige  ist,  dem  als  Takteinheit  nicht  mehr  die  longa  perfecta  oder 
mehrere  derartige  longae  zugrunde  liegen,  sondern  lediglich  breves,  die 
sich  in  Gruppen  von  vier  oder  sieben  zusammenschlieBen.  Damit  ist  die 
ausschlieBliche  Herrschaft  des  ungeraden  Takts,  3/2>  62  usw.,  gebrochen 
und  neben  dem  ungeraden  fangt  der  gerade  Takt  an  eine  Rolle  zu 
spielen,  eine  Bewegung,  die  im  14.  Jahrhundert  zu  einer  volligen  Um- 
walzung  in  der  mehrstimmigen  Kunst  fiihrt.  In  dieser  Komposition  tre- 
ten  nur  erst  Keime  davon  zu  Tage:  aber  es  ist  doch  auch  sehr  be- 
achtenswert,  wie  hiiufig  die  breves  sich  in  nur  zwei  semibreves  auflosen, 
einmal  im  Motetus  sieben  breves  hintereinander,  eine  Stelle,  bei  der  es 
doch  sehr  schwer  fallt  zu  glauben,  es  handle  sich  hier  um  siebenmalige 
Folge  von  semibrevis  minor  und  der  alterierten  semibrevis  maior.  Der 
Gedanke,  daB,  wie  im  Tenor  sich  die  gleichmaBigen  breves  folgen,  so 
hier  gleichmaBige  semibreves  erklingen,  liiBt  sich  doch  nicht  abweisen,  so 
sehr  die  Theoretiker  mit  starrer  Konsequenz  die  Dreiteiligkeit  auch  bis 
in  die  kleinste  Notengattung  hinab  durchfiihren.  Doch  sei  diese  wich- 
tige  Prage,  die  zu  weiterem  Eingehen  mehr  Material  auch  des  13.  Jahr- 
hunderts  verlangt,  als  bisher  bekannt  ist,  hier  nur  so  weit  gestreift. 

Wir  setzen  jetzt  die  oben  begonnene  Geschichte  der  neuen  Tripla- 
bildung  an  zwei  franzosischen  Motetten  iiber  franzosischem  Tenor  fort, 
die   die  Pflege  einer  neuen  sehr  reizvollen  Motettengattung  uns  zeigen, 

s.  d.  i,  m.  v.  14 


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210    -F-  Ludwig,  Studien  fiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Nr.  39  und  40,  die  in  der  Handschrift  getreniit,  aber  innerlich  sehr  ahn- 
lich  sind.  Nr.  39  ist  das  vierte  Stiick  des  Faszikels.  Sein  Triplum 
Entre  Copin  et  Bourgois  etc.  schildert  das  lustige  Treiben  einer  Musiker- 
gesellschaft  in  Paris,  in  der  die  Bde  Ysabelos,  deren  Namenserwahnung 
gegen  Ende  mit  pomposer  Wichtigkeit  durch  einen  feierlichen  zwei- 
stimmigen  Hoquetus  musikaliscb  eingeleitet  wird,  eine  groBe  Rolle  spielt. 
Textlich  zerfallt  es  in  neun  auf  on  reimende  freie  Perioden,  die  eine 
musikalische  Ausdehnung  von  3  bis  6,  beim  Hoquetus  8  longae  baben 
und  melodisch  sebr  gescbickt  und  fliissig,  wenn  auch  einfacb  bebandelt 
sind.  Bde  Ysabelos1)  bildet  auch  das  Kennwort  des  in  der  Form  ganz 
singularen  Tenors,  der  im  ersten  Modus  in  Abschnitten  von  sieben,  acht, 
fiinf  und  drei  Takten  verlauft  in  anscbeinend  freier  Zusammensetzung 
aus  zwei  Melodiegliedern.  Zwischen  beiden  singt  der  Motetus  im  neuen 
melismenreichen  ersten  Modus,  aber  sehr  anmutiger  Melodie  ein  Liebeslied. 

Nr.  40,  das  in  der  Handschrift  gegen  Ende  des  Faszikels  steht,  schil- 
dert im  Triplum  Entre  Jehan  et  Philippet  ebenfalls  eine  Szene  aus  dem 
Musiker-Boheme-Leben,  wie  Estievenet  den  Narr  so  tauschend  spielt, 
daB,  wer  ihn  nicht  kennt,  ihn  fiir  einen  echten  halten  muB;  textlich  sieben 
auf  ent  reimende  freie  Abschnitte,  deren  erster  in  drei  zerlegt  ist,  so  daB 
die  vier  Namen  des  Anfangs  Entre  Jehan  et  Philippet  und  Bertaut  et 
Estievenet  besonders  herausgehoben  sind.  Darunter  singt  der  Motetus  im 
ersten  Modus,  den  er  nur  an  den  Kadenzen  mehrfach  verlaBt,  ein  Liebes- 
lied, und  das  Ganze  baut  sich  auf  einem  freien  Tenor,  Chose  Tassin 
bezeichnet,  auf,  der  rhythmisch  sehr  frei  behandelt  zweimal  seine  ganze 
Bildung  aus  vier,  drei  und  neun  Takten,  die  am  SchluB  eine  Dehnung 
erfahren,  wiederholt.  Die  Leichtigkeit  und  Eleganz  in  der  Durchfiihrung 
des  Ganzen  ist  vielleicht  nicht  ganz  so  groB  wie  in  Nr.  39,  im  iibrigen 
ist  aber  auch  dieses  Stiick  gleich  anziehend  als  musikalisch  wohlge- 
lungene  Verkorperung  einer  heiteren  Szene  aus  dem  Leben,  wie  sie,  aller- 
dings  in  ungleich  edlerer  Form,  in  der  italienischen  Kunst  des  14.  Jahr- 
hunderts  in  den  Cacce  wiederkehren. 

Auch  aus  dem  VHI.  Faszikel  druckt  Coussemaker  zwei  solcher  Ge- 
sellschaftsmotetten,  Nr.  38  und  41;  doch  gehoren  sie  textlich  wie  musi- 
kalisch bereits  einer  andern  Epoche  an  und  kommen  daher  erst  spater 
zur  Besprechung.  Dagegen  leitet  uns  eine  hierher  gehorige  Motette  von 
Hale  [Entre  Adam  et  Haniket)  zu  einem  kurzen  Wort  uber  Hale's 
Werke  uber. 

Die  musikalische  Haupttatigkeit  Adam's  de  la  Hale,  die  zeitlich  etwa 


1;  Andere  altere   Ysabelos-Texte  sind  zum  Beispiel  die  Motetten  Noaille's  f.  194, 
Montpellier,  Faszikel  V,  f.  226  und  die  verlorene  Komposition  Besancone  Mr.  30. 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    211 

1260  bis  1285  anzusetzen  ist1),  liegt  freilich  auf  dem  Gebiet  der  ein- 
stimmigen  Musik,  wo  einerseits  seine  Chansons  und  Jeux-Partis,  anderer- 
seits  die  musikalischen  Einschiibe  in  seinen  Dramen,  besonders  in  dem 
weitbekannten  Gius  de  Robin  et  Marion,  Zeugnis  seiner  Bedeutung  ab- 
legen,  denen  gegeniiber  seine  mehrstimmigen  Werke,  16  Rondeaux  und 
funf  Motetten,  von  denen  drei,  wie  erwahnt,  auch  in  Montpellier  vor- 
kommen,  zuriicktreten.  Besonders  die,  wie  man  sieht,  nicht  sehr  zahl- 
reichen  Motetten  lassen  viel  zu  wiinschen  iibrig  und  zeigen,  daB  Hale 
in  der  Motettenkomposition  zu  keiner  technischen  Sicherheit  durchge- 
drungen  ist,  daB  es  ihm  an  Stilgefiihl  fiir  diese  Kunstgattung  offenbar 
mangelt. 

Die  kleine  zweistimmige  Motette,  J'ai  ades  (Tumours  chante,  iiber  dem 
Tenor  Omties,  ein  anspruchsloses  Werkchen,  in  dem  sich  die  Melodie 
im  ersten  Modus,  der  Tenor  nur  in  Maximae  und  Longae  bewegt,  steht 
ganz  isoliert  fiir  diese  Zeit  da  und  ist  sowohl  musikalisch  als  besonders 
metrisch  wenig  befriedigend. 

Dasselbe  gilt  von  der  kleinsten  der  dreistimmigen  Motetten  mit  zwei 
leichten  Liebesliedern,  die  inhaltlich,  metrisch  und  musikalisch  in  engem 
Zusammenhang  mit  einander  stehen,  in  den  Oberstimmen:  J'os  bien 
m'amie  a  parler  und  Je  rtos  a  m'amie  cder,  iiber  einem  in  lauter  ein- 
fachen  Longae  sich  bewegenden  Tenor  Saeculum,  wie  solche  Tenores 
oben  bereits  aus  dieser  Epoche  besprochen  sind.  Auch  hier  ist  im  Gegen- 
satz  zum  Tenor  der  Rhythmus  der  Oberstimmen,  die  rhythmisch  ganz 
parallel  gehen,  bis  auf  die  lang  ausgesponnene  und  schlecht  disponierte 
SchluBperiode,  desto  straffer,  erster  Modus,  der  nur  in  der  SchluBperiode 
je  einmal  verlassen  ist. 

Ein  anderer  oft  benutzter  Tenor  Aptatur  im  dritten  Modus]  bildet  das 
Fundament  der  erwahnten  Gesellschaftsmotette,  deren  Triplum  Entre 
Adam  et  Haniket,  Hancart  et  Gautdot,  deren  Motetus  Chief  bien  seantz 
beginnt,  die  ebenso  wie  die  beiden  folgenden  sowohl  in  La  Vallifcre  als 
in  Montpellier  erhalten  ist.  Es  ist  das  gelungenste  dieser  Werke  Hale's. 
Der  Motetus  bewegt  sich,  wie  in  alten  Motetten  des  gleichen  Modus, 
fast  ganz  regular  in  der  lebhaften  Nebenform  des  dritten  Modus,  in  lauter 
kurzen  Zeilen,  die  alle  gleich  reimen  und  sich  bald  zu  je  zweien  zu 
viertaktigen  Perioden  zusammenschlieBen,  und  schildert,  fast  unerschopf- 
lich,  die  Reize  der  Dame,  tant  d'enchant,  que  pris  est  Adans}  wie  es  am 
SchluB  heiBt.  Das  Triplum  erinnert  zuerst  stark  an  den  Anfang  des 
oben  zuletzt  besprochenen  Gesellschaftsliedes ;  wie  dort  hebt  es  die  zwei 
Genossenpare  durch  Pausen  heraus  und  scheint  dann  in  auf  el  reimenden 
Abschnitten  verlaufen    zu  wollen,    die   erzahlen,   wie    sich    die    lockeren 


1)  Grober,  GrundriB  II,  1,  960.    Ausgabe  seiner  Werke  von  Coussemaker  1872. 

14* 


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212    F.  Ludwig,  Studien  liber  die  Greschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Sanger  amiisieren:  die  auch  musikalisch  iiberraschende  Darstellung,  wie 
Gautelot  den  Trunkenen  spielt,  laBt  aber  diese  Periode  mit  einem  neuen 
Reim  schlieBen;  und  nun  wird  der  SchluB  analog  dem  Inhalt  auch  in 
der  Form  immer  abwechslungsreicher,  schlieBlich  geht  auch  das  Triplum 
in  den  Motetusreim  aus,  und  der  lebhafte  hier  sehr  angemessene  Modus 
bringt  eine  hochst  anziehende  musikalische  Einkleidung  dieser  Szene 
mit  sich. 

Zeigten  sich  in  den  bisher  besprochenen  Motetten  die  neuen  tech- 
nischen  Erwerbungen  der  Motettenkunst  nur  sparlich  wirksam,  so  stehen 
die  beiden  folgenden  ganz  auf  dem  neuen  Boden.  Die  erste  ist  ein  aus- 
gedehntes  Werk  iiber  dem  schon  einmal  von  Hale  benutzten  kurzen  Tenor 
Omnes,  der  in  dreimal  verschiedener  Rhythmisierung  im  ersten  Modus 
je  viermal  wiederholt  ein  harmonisch  sehr  eintoniges  Fundament  der  bei- 
den Liebeslieder  Diex  comment  porroie  und  De  ma  dame  went  li  gries 
maus  oder  li  doits  maus  bildet.  Beide  Oberstimmen  entwickeln  sich  in 
groBter  Freiheit,  um  beide  in  Refrains  zu  enden,  die  beide  nicht  unge- 
schickt  eingefiihrt  das  Ganze  im  ersten  und  sechsten  Modus  fliissig  zum 
AbschluB  bringen  und  die  auffallenden  Erscheinungen,  die  in  dieser 
Motette  sonst  sehr  zahlreich  sind,  vergessen  lassen.  Da  sich  aber  kein 
fruchtbarer  Keim  in  ihnen  befindet  und  besonders  eine  Motetusbehandlung 
wie  die  des  Diex  conment  porroie  hier  ganz  isoliert  dasteht,  so  ubergehe 
ich  weitere  Einzelheiten. 

Die  letzte  Motette  fiihrt  uns  wieder  auf  ebnere  Bahn  zuriick.  Der 
Motetus  A  Dieu  quemant  amouretes  erzahlt  vom  Fernsein  des  Dichters 
von  seiner  Heimat  Arras;  er  beginnt  und  schlieBt  mit  den  beiden  Teilen 
eines  Rondeau-Refrains  von  Hale,  dessen  Mittelstimmen-Melodie  hier  wort- 
lich  aufgenommen  ist;  der  SchluB  souspirant  en  terre  estrange  erinnert 
uns,  daB  Hale  auf  fremder  Erde  auch  einst  sterben  sollte,  in  Italien,  wo- 
hin  er  im  Gefolge  Roberts  II.  von  Artois  1283  gezogen  war.  Metrisch 
und  musikalisch  ist  zwar  auch  diese  Stimme  ungewohnlich  frei  behandelt, 
doch  passen  sich  die  einzelnen  melodischen  Phrasen  im  ersten  und  sechs- 
ten Modus  dem  Pathos  und  Schwung  des  Textes  gut  an.  Das  Triplum 
Auarn  se  sont  loe,  eine  Klage  iiber  Liebesleiden,  ist  in  dem  eigentiim- 
lichen  Triplumstil  gehalten,  der  oben  bei  mehreren  Werken  des  VII.  Faszi- 
kels  von  Montpellier  besprochen  ist;  es  besteht  aus  zwolf  gleichreimenden 
Abschnitten  von  drei  bis  fiinf  Takten  Ausdehnung  und  lebhafter  Aus- 
gestaltung  der  einzelnen  musikalischen  Perioden,  wobei  die  Auflosung  des 
ersten  Modus  in  zwei  semibreves  und  zwei  breves  mit  vier  Textsilben  die 
groBte  Rolle  spielt.  Der  Tenor  Super  te,  der  regular  im  ersten  Modus 
verlauft  im  Wechsel  von  Perioden  von  zwei  und  vier  Takten,  das  Ganze 
zweimal  wiederholt,  erweckt  zwar  den  Anschein  eines  alten  liturgischen 
Tenors,  noch  mehr  in  Montpellier,  wo  er  auch  die  haufige  Tenorbezeich- 


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F.  Ludwig,  Studien  uber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    213 

nung  Et  super  tragt.  Die  Melodie  hat  aber  nichts  mit  dem  liturgischen 
Et  super  aus  dem  Alleluia  Domine  zu  tun,  mit  dem  es  Montpellier,  wie 
es  scheint,  irrig  verwechselt  hat;  ebensowenig  ist  es  die  Stelle  Super  te 
aus  dem  Epiphanias-  Gradual  Omnes;  der  Tenor  ist  vielmehr,  wie  die 
Tenores  der  Motetten  von  Petrus  de  Cruce,  ein  sonst  nicht  nachweis- 
bares  Gebilde,  dem  die  Bezeichnung  Super  te,  die  sich  auch  leicht  in 
Beziehung  zum  Inhalt  beider  Oberstimmen  setzen  laBt,  auBere  Ahnlich- 
keit  mit  den  alten  Tenores  verleiht. 

So  hat  fast  jede  Motette  Hale's  ihren  besonderen  Stil,  einige  sind  im 
wesentlichen  den  alten  nachgeahmt,  eine  andere  iibertrifft  wieder  umge- 
kehrt  in  den  Oberstimmen  alle  sonst  bekannten  an  Freiheit  uhd  Willkiir ; 
am  meisten  nahert  sich  die  letztbesprochene,  Hale's  personlichste  Motette^ 
den  besten  Werken  seiner  Zeitgenossen,  sowohl  in  der  Wahl  des  Tenors 
als  in  der  Bildung  des  metrisch  freien  Triplums. 

Wir  kehren  nunmehr  zu  den  andern  Werken  des  VIE.  Faszikels  zu- 
rtick  und  kommen  zum  letzten  Beispiel  einer  Komposition  mit  derartig 
frei  gebautem  Triplum,  das  auBerhalb  dieses  Faszikels  nirgends  vorkommt, 
Nr.  36,  der  Motette  iiber  dem  Refraintenor,  der  mit  Cis  a  cut  je  sui  amie 
beginnend,  ganz  mit  Text  versehen,  sich  aus  einer  Reihe  von  Refrains 
aus  Liebesliedern  zusammensetzt,  unter  ihnen  z.  B.  Vous  le  me  defendes, 
auf  dessen  Vorkommen  im  »Renart«  schon  Coussemaker  aufmerksam 
machte.  Die  ersten  sind  samtlich  im  ersten  Modus,  die  letzten  vier  Zeilen 
sind  im  sechsten  Modus  und  bilden  zwei  Paare,  die  vert-  und  clos-artig, 
melodisch  gleich  mit  SchluBdifferenzierung  gebaut  sind  und  auch  darin 
ihre  Herkunft  aus  der  einstimmigen  Chansonmusik  verraten,  ebenso  wie 
in  dieser  Weise  auch  der  Anfang  und  in  der  Mitte  das  Ele  vrCa  navre 
beginnende  Zeilenpaar  gebaut  ist.  So  entsteht  eine  hochst  umfangreiche 
Komposition,  deren  Triplum  nicht  weniger  als  neunzehn  er  reimende  freie 
metrische  Perioden  hat,  musikalisch  von  zwei  bis  fiinf  longae  Ausdehnung, 
die  Ratschlage  fiir  den  Liebenden  enthalten,  und  deren  Motetus  ebenfalls 
in  ausgedehnter  und  lebhafter  Weise  im  sechsten  Modus  das  Preislied 
einer  Dame,  die  um  Erhorung  angefleht  wird,  singt. 

Damit  verschwindet  der  freie  Triplumbau  nun  aus  der  Geschichte  der 
Motette.  Was  in  diesen  so  gebauten  Werken  des  VII.  Faszikels  fiir  die 
mehrstimmige  Kunst  gewonnen  war,  die  freie  lebhafte  Ausgestaltung  einer 
textreichen  Oberstimme,  losgelost  von  den  alten  Modusfesseln,  mit  reich- 
licher  Verwendung  der  semibreves,  musikalisch  hier  oft  stark  iibertrieben 
und  auch  in  dem  undichterisch  fessellosen  texthchen  Bau  iibertrieben, 
das  hatte  den  Grund  gelegt  zu  einer  neuen  Behandlung  des  Triplums, 
die  uns  im  achten  Faszikel  und  spater  im  14.  Jahrhundert  entgegentritt, 
die  alle  Freiheiten  anzuwenden  vermag,  aber  einen  maBvolleren  Gebrauch 
davon  macht,  insofern  sie  zu  dichterisch  strengerem  Bau  der  Oberstimme 


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214    F.  Ludwig,  Studien  tiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

zuriickkehrt,  der  sie,  wie  es  z.  B.  schon  in  Nr.  16  der  Fall  war,  in  der 
freien  musikalischen  Ausgestaltung  aber  nicht  mehr  behindert  und,  wie 
die  alte  Moduslehre  ihr  Hauptaugenmerk  auf  das  Verhaltnis  von  Longa 
zu  Brevis  gerichtet  hatte,  jetzt  die  Rhythniik  der  semibrevis  eingehender 
und  strenger  ausbildet.  Nicht  lange,  so  zeigen  sich  uns  auf  diesem  Ge- 
biet  in  den  alteren  italienischen  Werken  des  14.  Jahrhunderts  die  kost- 
lichsten  Friichte. 

Bestand  der  Tenor  in  Nr.  36  aus  lauter  bekannten  Melodien  franzo- 
siscber  Lieder,  so  zeigt  sich  ihm  der  Tenor  von  Nr.  27  darin  verwandt, 
daB  er  durch  ein  vollstandiges  franzosisches  Rondeau  gebildet  wird,  und 
der  Motetus*  dieser  Komposition,  der  wieder  auch  im  »Renart«  zitiert  ist, 
darin,  daB  er  ein  Rondeau  von  Hale:  Ft  mart  benutzt,  das  in  drei- 
stimmiger  Komposition  von  Hale  in  La  Vallifere  erhalten  ist.  Und  zwar 
ist  diese  Melodie  des  Motetus  hier  auch  die  alte  Mittelstimme  des  drei- 
stimmigen  Rondeaus,  ebenso  wie  Triplura  und  Tenor  mehrere  Takte  lang 
mit  der  Unter-  und  Oberstimme  der  dreistimmigen  Rondeau-Komposition 
identisch  sind,  dann  freilich  ihre  eigenen  Wege  gehen,  die  von  dem  Ver- 
lauf  des  originalen  Rondeaus  bald  in  alien  drei  Stimmen  erheblich  ab- 
weichen.  Die  Rondeauform  ist  hier  im  Tenor,  dem  Montpellier  nur  den 
Anfang  Nus  n'iert  ja  jolts  beisetzt,  wahrend  dieser  Rondeau-Text  ganz 
aber  anderweitig  vorkommt  (Cod.  Par.  franc.  12786),  streng  bewahrt;  ob 
die  Ubereinstimmung  des  Anfangs  dieser  Melodie  mit  dem  der  Unter- 
stimme  des  Hale'schen  Rondeaus  Zufall  ist  oder  das  letztere  diese  an- 
geregt  hat,  vermag  ich  nicht  sicher  zu  sagen;  wahrscheinlicher  ist  aber  die 
zweite  Moglichkeit,  wie  die  melodische  Beeinflussung  des  Triplum-Anfangs 
durch  das  Rondeau-Triplum  wohl  zweifellos  ist,  Der  Anfang  der  Motette 
klingt  also  wie  der  Rondeau-Anfang,  nur  mit  drei  verschiedenen  Texten 
in  den  drei  Stimmen;  bald  zeigt  sich  aber  auch  in  der  Mittelstimme,  daB 
aus  dem  Rondeau  ein  richtiger  Motetus  geworden  ist,  in  dem  zwar  einmal 
der  gleiche  Vers  mit  gleichem  Reim  auch  dieselbe  Melodie  hat,  der  aber 
im  iibrigen  ganz  neu  gedichtet  und  durchkomponiert  ist,  wie  es  die 
Motetusform  verlangt.  Da  der  Text  bei  modaler  Durchfiihrung,  in  der  er 
im  ersten  Modus  beginnt,  zu  umfangreich  fur  den  in  seiner  Form  fest- 
gelegten  Tenor  ware,  sind  mehrere  Verse  einfach  lebhafter  behandelt,  be- 
sonders  schnell  der  vorletzte  Takt,  in  dem  statt  zwei  Silben,  wie  es  der 
Modus  verlangen  wttrde,  sechs  Silben  ausgesprochen  werden  miissen.  Man 
sieht  deutlich,  daB  das  neue  Gewand  nicht  paBt,  wie  es  der  Fall  sein 
muB,  wenn  wie  hier  ein  Werk,  das  der  Motettengattung  ursprunglich 
vollig  fern  steht,  dazu  benutzt  ist,  als  Teil  einer  Motette  zu  dienen, 
worunter,  da  die  neue  Verwendung  natiirlich  nicht  ein  glattes  Aufgehen 
in  der  andern  Form  gestattet,  dann  beide,  sowohl  die  Motette  als  die 
urspriingliche  Form,   sei  es  nun  Chanson  oder  wie  hier  Rondeau,  leiden 


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F.  Ludwig,  Studieu  iiber  die  Geschichte  der  mehrBtimmigen  Musik  im  Mittelalter.     215 

miissen.  Einfacher  und  besser  ist  das  Triplum  behandelt,  das  den  ersten 
Modus  nur  einmal  verlaBt.  Auch  die  textliche  Diskrepanz  beider  Stim- 
men  ist  erheblich:  der  Motetus  ist  frivol,  das  Triplum  Dame  bde  et 
avenant  umgekehrt  ein  stimmungsvolles  kleines  Liebesgedicht. 

Noch  weiter  geht  die  Hineinzwangung  urspriinglich  einander  fremder 
G-lieder  in  eine  Motette  in  der  schon  mehrfach  erwahnten  Komposition 
Nr.  28,  die  das  rondeauartige  Robin  m'aime  Hale's  zur  Mittelstimme 
einer  Motette  macht,  im  Tenor  die  liturgische  Melodie  Portare,  eigentlich 
Sustinere,  anpafit  und  fiir  das  Triplum  einige  passende  Fartien  aus  dem 
Abschiedslied  im  Triplum  von  Nr.  7  Mout  me  fu  gries,  im  Original  iiber 
dem  Tenor  In  seculum,  entnimmt  und  durch  Hmzufiigung  groSerer 
Zwischenpartien,  die  keine  sehr  geschickte  Hand  verraten,  daraus  eine 
Oberstimme  zu  dieser  Komposition  herstellt.  Die  Robin-Melodie  erscheint 
gegeniiber  der  Fassung,  in  der  sie  in  Hale's  » Robin  et  Marion «  iiber- 
liefert  ist,  nur  unwesentlich  verandert;  der  Bau,  ein  langerer  Refrain,  der 
den  Anfang  und  den  SchluB  bildet,  a  b,  und  ein  musikalisch  a  a  b  ge- 
bauter  mittlerer  Teil,  ist  genau  iibernommen.  Nach  ihm  richtet  sich  der 
Tenor  in  seinem  Bau,  der  ebenfalls  also  a  b  a  a  b  a  b  disponiert  ist,  bei 
einem  liturgischen  Tenor  eine  ganz  singulare  Erscheinung,  die  aucb  durch 
nichts  zu  rechtf  ertigen  ist.  Damit  die  eigentlich  zu  Sustinere  im  Alleluia 
Dulce  lignum  erklingende  Melodie,  die  hier  das  Kennwort  Portare  tragt *), 
offenbar  mit  pointierter  Nebenbedeutung,  zu  der  Refrainmelodie  paBt,  ist 
sie  rhythmisch  in  eine  fiir  derartige  liturgische  Melodien  beispiellose  Form 
gekleidet,  ebenso  wie  der  Motetus  im  zweiten  Modus ;  und  wie  die  Fort- 
setzung  des  Motetus  dann  immer  Teile  oder  die  ganze  Refrainmelodie 
wiederholt,  tut  es  dann  auch  der  Tenor.  DaB  es  iiberhaupt  moglich  war, 
die  Melodie  von  » Robin «  mit  einem  liturgischen  Tenor  wie  dies  Portare 
zu  vereinigen,  ist  als  ein  witziger  Einfall  dieses  Motettenkomponisten  an- 
zusehen,  aber  nicht  als  mehr.  Etwas  allgemeiner  Wertvolles  oder  auch 
nur  Brauchbares  fiir  die  Entwicklung  der  Motette  kann  sich  aus  solchen 
Kapricen  nicht  ergeben,  sie  wollen  nur  als  Erzeugnis  froher  Laune  und 
spitzfindiger  Geschicklichkeit  betrachtet  sein,  die  die  Mittel  heraustiiftelt, 
das  Disparateste  harmonisch  zu  vereinigen.  Uberdies  sieht  man  bei 
naherem  Studium  die  Gebrechen  solcher  Werke,  die  darum  nie  als 
mu8tergultig  erscheinen  konnen,  sehr  wohl. 

Die  Spitzfindigkeit  ist  hier  freilich  auf  die  Spitze  getrieben,  denn  dem 
Komponisten  gelingt  es,  nicht  bloB  Robin  und  Portare  miteinander  zu 
vereinigen,  sondern  auch  die  Kosten  des  Triplums  zum  groBen  Teil  aus 
fremdem  Eigentum  zu  bestreiten.    Freilich  war  bei  ihm  ein  inneres  Ver- 


1)  Wie  auch  sonst  in  verschiedenen  Handschriften  beide  Bezeichnungen  fur  den 
gleichen  Tenor  vorkommen. 


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216    F.  Ludwig,  Studien  ttber  die  Gteschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

standnis  jener  alten  Triplum-Melodie  des  III.  Faszikels  nicht  mehr  vor- 
handen,  das  zeigen  die  neuen  Einschube,  die  aus  dem  Ton  der  entlehnten 
Partien  vollkommen  herausfallen,  mit  voller  Evidenz.  Aus  derartigen  Zu- 
8ammenflickungen  von  Werken  so  verschiedener  Kunstepochen  ist  eben 
kein  organisches  Kunstwerk  zu  schaffen. 

DaB  die  beiden  letztbesprochenen  Kompositionen,  weil  sie  Hale'sche 
Werke  benutzen,  nun  auch  Adam  de  la  Hale  selbst  angehoren,  ist  keines- 
wegs  vorauszusetzen.  Da  sie  in  der  Sammlung  von  Hale's  Werken  fehlen 
und  im  Stil  auch  Hale's  Motetten  yollkommen  fern  stehen,  kann  man 
wohl  direkt  annehmen,  daB  Hale  nicht  sein  eigener  Parodist  gewesen  ist, 
sondern  diese  Rolle  von  einem  andern  Komponisten  gespielt  wurde,  dem, 
wie  es  nun  einmal  in  der  damaligen  Zeit  lag,  die  groBe  technische  Fertig- 
keit,  die  errungen  war,  so  zu  Kopf  stieg,  daB  er  sich  an  Aufgaben,  wie 
die  beiden  eben  besprochenen  Motetten  es  waren,  machte.  Sie  beweisen 
aber  deutlich,  wie  weit  Hale's  Werke  damals  verbreitet  waren. 

In  diesen  Zusammenhang  gehort  weiterhin  eine  franzosische  Motette 
iiber  einem  nur  mit  L  bezeichneten  Tenor,  die  Coussemaker  als  Beispiel 
eines  Hoquetus  druckt,  Nr.  24.  War  uns  eben  als  Tenor  ein  originates 
Rondeau  und  eine  rondeauartig  wiederholte,  in  modernem  Rhythmus  ge- 
baute  liturgische  Melodie  begegnet,  so  tritt  als  Tenor  dieses  Werks  eine 
Tonfolge  von  acht  Tonen  auf,  drei  longae  wahrend,  denen  immer  eine 
pausa  longa  folgt,  in  unermudlicher  Eintonigkeit  nicht  weniger  als  vier- 
zehnmal  wiederkehrend,  nur  in  der  hoquetierenden  Mittelpartie  von  einer 
kiirzeren  sechsmal  wiederkehrenden  Bildung  unterbrochen,  die  bloB  aus 
den  beiden  Anfangsnoten  dieses  Tenors  a  c  mit  folgender  pausa  longa 
besteht  und  als  Hoquetus  die  Pausen  im  Motetus  beantwortet.  Das 
ganze  Stiick  dreht  sich  so  immer  nur  urn  die  beiden  Konsonanzen  ab- 
wechselnd  zu  c  und  a  und  in  der  Hoquetuspartie  immer  dreimal  e  und 
einmal  a.;  um  so  iiberraschender  ist  dann  der  SchluB,  da  sich  das  letzte 
Mai  der  Tenor  plotzlich  bis  nach  F  unten  fortsetzt. 

Der  Motetus  preist  die  Liebe  und  besingt  die  Eigenschaften,  die  der 
Liebende  haben  muB,  ohne  damit  einen  inneren  AnlaB  zum  Hoquetus  zu 
bieten,  der  plotzlich  im  mittleren  Teil  zwischen  Motetus  und  Tenor  strong 
durchgefuhrt  erscheint.  In  engem  Zusammenhang,  aber  viel  geschickter 
als  der  Motetus,  erhebt  sich  das  Triplum  oben.  Es  hat  einen  Reim  mit 
dem  Motetus  gemeinsam  und  wiederholt  auch  zu  ahnlichem  Text  mit 
diesem  Reim  die  dazu  gehorige  Melodie  des  Motetus,  was  der  sich  stets 
gleichbleibende  Tenor  ja  sehr  leicht  macht;  es  nimmt  am  Hoquetus  dann 
in  freierer  Weise  teil  und  rundet  ihn,  unterstiitzt  durch  seinen  geschick- 
ten  Versbau,  der  alle  Verse  wahrend  des  Hoquetus  auf  ai  reimen  laBt, 
so  gut  als  moglich  ab.  Freilich  konnen  auch  dadurch  die  Schwachen  des 
Motetus  und  die  Eintonigkeit  des  Tenors  nicht  aufgehoben  werden,  und 


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F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    217 

so  kann  diese  Komposition  nicht  als  Muster  eines  Hoquetus  gelten,  von 
dem  aus  Montpellier  Coassemaker  selbst  bessere  Beispiele  aus  dem 
VIII.  Faszikel  druckt,  ebenso  wie  sie  im  14.  Jahrhundert  besonders  in 
der  Motette  mehrfach  entgegentreten,  an  Stellen  angewandt,  an  denen 
dies  Alternieren  von  zwei  Stimmen  auch  innerlich  berechtigt  erscheint. 

Als  letztes  von  Coussemaker  aus  Montpellier  gedrucktes  franzosisches 
Werk  des  Faszikel  VII  bleibt  jetzt  Nr.  35,  eine  dreistimmige  Motette, 
die  zweistimmig  auch  in  den  Fragmenten  von  Cambrai  erhalten  ist,  und 
wie  mehrere  der  oben  besprochenen  Motetten  von  Hale,  iiber  einem  zwei- 
mal  in  diesen  benutzten  modalen  liturgischen  Tenor  gebaut,  auch  in  den 
Oberstimmen  in  den  Bahnen  der  alten  Kunst  sich  bewegt,  die  im  VTI.  Fas- 
zikel immer  noch  neben  der  neuen  hergeht.  Der  kurze  Tenor  Omnes  aus 
dem  Weihnachtsgraduale  Viderurti,  erklingt  hier  zehnmal  und  beginnt 
noch  ein  elftes  Mai,  wie  das  in  alten  Motetten  nicht  selten  ist.  Er  be- 
pteht  immer  aus  einer  Periode  im  zweiten  und  einer  im  fiinften  Modus 
und  zieht  auch  fur  die  beiden  Oberstimmen,  deren  Texte  auch  Kodex 
Vat  Reg.  1490  iiberliefert,  den  zweiten  Modus  ganz  im  alten  Stil  nach 
sich.  Der  Motetus  Che  sont  amouretes,  der  die  Qualen  der  Liebe  und 
die  Schonheit  der  Geliebten  sehr  lebendig  schildert,  ist  von  ungewohnlich 
groBem  Stimmumfang  D  bis  g  und  durch  manche  feine  Ziige  ausgezeich- 
net,  so  die  packende  Deklamation  des  Schlu  Br ef rains  an  diex  an,  an  diex 
an,  haro  qui  rrien  garira.  Das  Triplum  Diex  ou  porrai  je  trouver  schlieBt 
sich  mit  ahnlichem  Bau  und  ahnlichem  Inhalt,  aber  ganz  selbstandiger 
Bildung  der  musikalischen  Perioden,  so  daB  beide  Stimmen  nur  ein  ein- 
ziges  Mai  gleichzeitig  pausieren,  eng  an  den  Motetus  an,  erinnert  darin 
also  durchaus  an  den  Kompositionsstii  des  V.  Faszikels. 

Dasselbe  tun  weiter  auch  die  zwei  lateinischen  Kompositionen,  die  der 
VII.  Faszikel  kurz  vor  der  eben  besprochenen  Motette  hat  und  die  in 
einer  etwas  alteren  ein  wenig  abweichenden  Fassung  im  Pseudo-Aristo- 
teles-Kodex  vorliegen.  Die  erste,  Nr.  12,  ist  eine  Marienmotette  iiber  dem 
Tenor  Aptatur,  der  dreimal  ganz  zugrunde  liegt  und  ein  viertes  Mai  be- 
ginnt, das  Ganze  im  zweiten  Modus.  Der  Motetus  Marias  praeconio 
devotio  ist  von  sehr  regelmaBigem  Bau ;  auf  eine  Anfangsperiode  von  drei 
Takten  (als  Takteinheit  6/2  genommen)  foigen  lauter  Glieder  von  zwei 
Takten,  die  zur  Folge  haben,  daB  alle  Pausen  auf  die  ungeraden  Takte 
riicken,  mithin  alle  SchluBtakte  der  acht  Takte  langen  Tenordurchfuh- 
rungen  vom  Motetus  iiberbriickt  werden,  so  daB  die  ganze  Komposition 
in  stetigem  FluB  bleibt,  wobei  der  Effekt  dadurch  noch  verstarkt  wird, 
daB  zu  alien  vorletzten  Takten,  wenigstens  in  der  alteren  Fassung,  der 
Motetus  seine  Kadenz  nicht  mit  einer  Pause  abschlieBt,  sondern  mit  einer 
melismatischen  Dehnung  in  die  neue  Verszeile  ubergeht.  Reimlos  schlieBt 
der  Motetus  mit  dem  pragnanten  Wort  Amor,  das  den  Text  des  Triplums, 


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218    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

ein  Gebet,  ebenfalls  zu  Maria,  eroffnet,  Amor  vincens  omnia.  Auch  in 
diesem  ist  derBauein  auffallend  regelmafiiger;  jeder  Tenordurchfiihrung 
entsprechen  hier  Periodenbildungen  von  drei,  zwei  und  drei  Takten,  an 
denen  musikalisch  stets  f estgehalten  ist,  wenn  auch  der  Text  dazu  bald 
kiirzer  bald  langer  ist,  so  daB  mehrfach  der  sechste  Modus  anstatt  des 
zweiten  eintreten  muB. 

Sowohl  diese  vollig  gleiche  Periodenbildung  in  alien  drei  Tenordurch- 
fiihrungen  im  Motetus  wie  im  Triplum  als  auch  das  Uberbriicken  der 
Pause  zwischen  SchluB  und  Anfang  von  zwei  derselben  erinnern  stark  an 
ein  Stilprinzip,  das  in  der  Motette  des  14.  Jahrhunderts  absolut  herrscht, 
auch,  wie  wir  sehen  werden,  im  VIII.  Faszikel  einmal  deutlich  durch- 
schimmert,  bei  diesem  Werk  aber  besonders  beachtenswert  ist,  da  es  hier 
fast  ganz  isoliert  dasteht.  Auch  Nr.  5  0  natto  nephandi  kann  man  kaum 
als  Parallele  heranziehen,  wenn  in  den  Oberstimmen  auch  ahnliche  Vor- 
gange  sich  abspielen,  vor  allem  wegen  des  ganz  anders  gebauten  Tenors; 
und  als  Stilprinzip  widerspricht  es  ja  der  alten  Motette,  in  der  gerade 
die  Unabhangigkeit  der  Periodenbildung  in  den  Oberstimmen  gegeniiber 
dem  nach  sehr  festen  Normen  geregelten  Tenor-Bhythmus  ein  Haupt>- 
charakteristikum  bildet,  vollkommen. 

Die  andere  in  der  Florentiner  Laudi-Handschrift  als  Cantus  de 
nativitate  Domini  bezeichnete  Motette,  Nr.  13,  baut  sich  auf  iiber  einem 
dreimal  sich  wiederholenden  Tenor  im  fiinften  Modus,  den  die  altere 
Handschrift  Veritatem  und  Montpellier  Verbum  nennt,  der  aber  nicht 
mit  dem  bekannten  Tenor  Veritatem  identisch  ist.  Der  Motetus  ist  der 
einfache  liturgische  Text  Verbum  caro  factum  est,  der  sehr  geschickt  in 
lauter  Perioden  von  vier  Takten  zerlegt,  im  dritten  Modus  durchgefiihrt 
ist;  seinem  SchluB  plenum  gratia  et  veritate,  an  den  vielleicht  die  erste 
Tenorbezeichnung  erinnert,  wie  die  zweite  an  seinen  Anfang,  fiigt  er 
einige  kurze  Reimzeilen  hinzu:  ergo  nostra  concio  supremo  benedicat  do- 
mino, die  in  ein  langes  domino-Melismsi  ausgehen,  in  der  Motettenkom- 
position  eine  groBe  Seltenheit.  (Der  Text  in  Montpellier  am  SchluB  ist 
anscheinend  verderbt.)  Das  Triplum  fiigt  eine  wenig  hervorragende  Me- 
lodie  ebenfalls  im  dritten  Modus  zu,  deren  Text  im  Stil  der  alten  Motetten- 
texte,  speziell  der  des  dritten  Modus,  aus  einer  Fiille  meist  sehr  kurzer 
Zeilen  besteht,  unter  ihnen  einmal  das  Wort  Maria,  das  allem  zu  einer 
musikalischen  Periode  von  zwei  Takten  gedehnt  ist  Betrachtet  man  den 
groBen  Umfang  des  Motetus  (D  bis  g)  und  die  Unsanglichkeit  des  Trip- 
lum, so  erscheint  es  doppelt  verwunderlich,  daB  gerade  dies  Werk  in  die 
Laudi-Handschrift  Florenz  II,  I,  212,  noch  dazu  in  die  Notation  des 
14.  Jahrhunderts  umgeschrieben,  Aufnahme  gefunden  hat. 

Zum  SchluB  bleibt  aus  dem  VII.  Faszikel  Nr.  25,  eine  Marienmotette 
mit  nur  einem  Text  in  beiden  Oberstimmen  iiber  dem  Tenor  Omnes,  das 


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F.  Ludwig,  Studien  uber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    219 

drittletzte  Stiick  des  Faszikels,  das  auch  in  der  Niederschrift  des  Kodex 
jungeren  Datums  ist  als  fast  alle  der  eben  besprochenen,  und  als  das 
erste  Werk  einer  ganz  neuen  Gattung  lateinischer  Motetten  erscheint,  die 
eine  Frucht  der  hochentwickelten  Technik  auf  dem  Gebiet  der  ernsten 
Kunst  ist,  wie  die  oben  besprochenen  parodistischen  oder  heiteren  fran- 
zosischen  Werke  auf  dem  der  leichteren  Muse.  Das  Werk  baut  sich 
auf  dem  oben  mehrfacb  vorgekommenen  Tenor  Omnes  auf,  der  ganz 
langsam  erklingend  viermal  durchgefiihrt  wird,  leider  aber  nicht  als  sehr 
geeignet  bezeichnet  werden  kann,  weil  unter  den  zehn  Noten,  die  ihn 
bilden,  nicbt  weniger  als  sechsmal  derselbe  Ton  F  vorkommt.  Die  not- 
wendige  Folge  ist  eine  groBe  Beschranktheit  in  der  Melodiebildung  in 
den  Oberstimmen,  da  die  meisten  Abschnitte  mit  f  oder  c  anfangen.  DaB 
sich  dabei  von  selbst  gewisse  Ahnlichkeiten  der  Einsatze  und  gewisse 
Wiederholungen  einzelner  melodischer  Partien  an  verschiedenen  Stellen 
ergeben,  ist  nicht  zu  verwundern;  doch  finde  ich  im  Gegensatz  zu  Roller 
keine  einzige  Stelle,  an  der  eine  kiinstlerische  Absicht  diesen  kleinen 
Ubereinstimmungen  zugrunde  liegt. 

Die  Grunddisposition  ihres  Baues  entnimmt  diese  Motette  nun  augen- 
scheinlich  dem  Stil  der  Conductus-Komposition.  Ein  ausgedehntes  An- 
fangsmelisma  auf  der  ersten  Silbe  beginnt,  das  sich  uber  die  ganze  erste 
Durchfiihrung  des  Tenors  erstreckt;  die  musikalische  Ausfuhrung  der 
sechs  Textzeilen,  bei  der  es  auffallig  ist,  daB  die  Mittelstimme  die  erste 
auslaBt,  nimmt  die  zweite  und  dritte  und  im  Triplum  auch  den  Anfang 
der  vierten  Tenorwiederholung  in  Anspruch;  den  SchluB  bildet  wieder 
ein  langeres  Melisma  zum  Textwort  Amen.  Vollig  durchgefiihrt  ist  das 
Prinzip,  daB  auBer  dem  ersten  und  vorletzten  Takt,  wo  beide  Oberstimmen 
gleichzeitig  melismatisch  singen,  die  Melodie  zwischen  beiden  immer  ab- 
wechselt,  und  daB,  wahrend  die  eine  die  Melodie  hat,  die  andere  nur  die 
Taktanfange  mit  einer  longa  begleitet  und  sonst  pausiert.  So  entsteht 
eine  durch  das  ganze  Stiick  alternierende  Melodie,  wobei  jede  Stimme 
erst  je  zwei  Takte  hat,  bis  sich  im  SchluBmelisma  eine  wohl  motivierte 
rhythmische  Steigerung  einstellt,  in  der  sich  die  Stimmen  Takt  fiir  Takt 
schlagfertig  ablosen.  Der  Textteil  ist  im  ersten  Modus  gehalten  mit 
Dehnung  der  drei  weiblichen  Reime;  der  Text  Salve  virgo  virgmum  er- 
klingt  immer  erst  in  der  Mittelstimme,  dann  im  Triplum,  und  den  be- 
gleitenden  longae  ist  nach  alter  Conductus-Sitte  die  erste  Verssilbe 
untergelegt,  die  aber  bei  der  Deklamierung  des  ganzen  Verses  wieder- 
holt  wird. 

Es  ist  so  in  den  Oberstimmen  ein  ganz  modernes  Werk,  das  aber 
noch  iiber  einem  regular  modal  behandelten  liturgischen  Tenor  aufgebaut 
erscheint.  DaB  die  Stimmen  nacheinander  zum  gleichen  Text  nicht  auch 
die  gleiche  Melodie  ertonen  lassen  konnen,  liegt  vor  allem  am  Tenor,  der 


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220    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

sich  in  seinen  Wiederholungen  nicht  den  Oberstimmen  anpaBt,  wie  es  im 
VII.  Faszikel  zum  Beispiel  schon  der  Tenor  Portare  getan  hatte,  sondern 
nach  dem  sich  umgekehrt  hier  die  Oberstimmen  richten,  so  daB  die  Takte, 
in  denen  der  gleiche  Text  erst  in  der  Mittel-,  dann  in  der  Oberstimme 
erscheint,  ganz  verschiedene  Tone  im  Tenor  vorfinden.  Der  weitere 
Schritt,  auch  fiir  lateinische  geistliche  Kompositionen  den  modalen  Tenor- 
bau  aufzugeben,  findet  sich  nun  im  VIII.  Faszikel,  zu  dem  wir  jetzt  iiber- 
gehen,  tatsachlich  getan,  zunachst  in  einem  Alleluia,  Nr.  21. 
Der  Text  besteht  aus  drei  sich  immer  steigernden  Zeilen: 

Alle  psallite  cum  luya, 

alle  concrepando         psallite  cum  luija, 

alle  corde  voto  deo  toto         psallite  cum  luya, 

die  die  beiden  Stimmen  iiber  einem  AUduya  bezeichneten  Tenor  abwech- 
selnd  singen,  und  denen  ein  kurzes  gemeinsames  AUduya  foigt.  Hand 
in  Hand  mit  der  Textdehnung,  die  zwischen  das  durch  den  Ruf  Psallite 
gesprengte  Atter-luya  erst  vier,  dann  acht,  zuletzt  zwolf  Silben  fiigt,  geht 
die  Steigerung  der  Melodie  im  ersten  Modus  von  vier  zu  fiinf  und  sechs 
Takten  und  die  Dehnung  des  Tenors,  der  seine  einf ache  Melodie  D  F  E  D, 
wie  sie  zum  SchluB-AUeluya  erscheint,  ebenfalls  durch  immer  reichere 
Ausgestaltung  erweitert  und,  um  gleichlautend  beiden  Stimmen,  die  sich 
unmittelbar  folgen,  den  SchluB  der  einen  mit  dem  Anfang  der  anderen 
verkniipfend,  als  Fundament  zu  dienen,  immer  wiederholt,  2x3,  2x4, 
2X&  Takte.  Zur  Melodie,  wie  die  Oberstimme  sie  anstimmt,  fiigt  die 
Mittelstimme  eine  schlichte  textlose  Begleitung,  die  von  der  Oberstimme 
ubernommen  wird,  wahrend  die  Mittelstimme  die  Melodie  erklingen  laBt; 
und  so  folgen  sich  alle  drei  Abschnitte  in  genauem  Stimmtausch,  bis  das 
gemeinsame  kurze  AUduya  das  Ganze  abschlieBt.  Und  wie  es  mit  dem 
alle  psallite  cum  luya  anfing,  so  geht  es  mit  psallite  cum  luya  AUduya 
aus,  mit  der  gleichen  Melodie  zum  psaUite  cum  luya  am  Anfang  und 
SchluB,  melodisch  das  Werk  abrundend,  wie  die  in  alien  drei  Zeilen 
gleichbleibenden  Kadenzen  auch  tonal  eine  starke  Einheit  schaffen.  So 
mutet  das  Ganze  gleichsam  alttestamentarisch  an,  ein  Psallieren  und 
Alleluya- Singen  im  Wechselchor  mit  hinreiBendem  Crescendo  bis  zum 
SchluB. 

Technisch  ahnlich  und  ebenso  interessant  sind  die  beiden  in  der  Hand- 
schrift  folgenden  Epiphanias-Kompositionen  Nr.  22  und  23.  Die  erste 
hat  zum  Text  die  bekannte  Prophezeiung  des  Bileam  vom  Stern,  der 
aus  Jakob  aufgehen  wird  (4.  Mos.  24,  17),  iiber  dem  liturgischen  Tenor 
Balaam,  der  uns  auch  in  Montpellier  schon  friiher  begegnete,  dessen 
originaler  Bau  a  a  b  viermal  wiederholt  den  Aufbau  der  Komposition 
mit   Stimmtausch  flir    die  ersten  beiden   Perioden  der  vier   Abschnitte 


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E.  Ludwig,  Studien  uber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    221 

und  gemeinsamen  AbschluB  in  den  dritten  Perioden  ohne  weiteres  ge- 
stattet.  So  beginnt  das  Ganze  mit  einem  Anfangsmelisma  zur  ersten 
Tenordurchfiihrung,  wie  erwahnt  dreigeteilt,  zwei  Teile  mit  Stimmtausch 
und  ein  kurzerer  musikalisch  in  beiden  Stimnien  neuer  AbschluB.  Es 
folgt  zur  zweiten  Tenorwiederholung  der  Textteil,  wobei  die  Oberstimme 
beginnt,  Ton  der  Mittelstimme  auBerst  geschickt  begleitet,  dann  die  Mittel- 
stimme  den  Text  wiederholt,  wahrend  die  Oberstimme  dieselbe  Beglei- 
tung  iibernimmt,  und  beide  Stimmen  gemeinsam  den  Text  abschlieBen. 
Das  Schlufimelisma  bildet  dann  hier  ein  ausgedehnter  Hoquetus,  der  sich 
iiber  zwei  Tenordurchfuhrungen  spannt,  beide  musikalisch  gleich,  indem 
die  Oberstimme  der  dritten  die  Mittelstimme  der  vierten  und  umgekehrt 
wird,  auBerdem  aber  der  Bau  der  beiden  ersten  Perioden  durch  Stimm- 
tausch zwischen  beiden  Oberstimmen  audi  gewahrt  bleibt,  so  daB  die 
Musik  dieser  Teile  viermal  und  die  des  SchluBteils  zweimal  wiederkehrt, 
gewiB  hier  nach  der  Anschauung  der  Zeit  sehr  am  Platz,  da  es  sich 
um  das  musikalische  Ausklingen  dieser  mystischen  Prophezeiung  von 
einem  Stern  handelt,  dessen  flimmernder  Glanz  die  Magier  an  die  Krippe 
von  Bethlehem  fiihren  sollte. 

Diese  Verehrung  der  Magier  besingt  die  folgende  ebenso  geistvolle 
Komposition  Nr.  23,  Huic  ut  placuit  tres  magi.  Ein  unbezeichneter  Tenor 
erklingt  ebenfalls  viermal,  jedesmal  aus  drei  Abschnitten  sich  zusammen- 
setzend,  die  hier  aber  eine  durchlaufende  Melodie  bilden,  so  daB  hier 
immer  zu  je  zwei  ganzen  Tenorwiederholungen  die  Oberstimmen  im  Ver- 
haltnis  des  Stimmtauschs  stehen.  Und  zwar  beginnt  das  Werk  gleich 
mit  dem  ganzen  Text  in  der  Oberstimme,  wozu  die  Mittelstimme  eine 
einfache,  aber  wiederum  sehr  geschickte  Begleitung  ausf lihrt ;  zur  zweiten 
Tenordurchfiihrung  wiederholt  die  Mittelstimme  die  Textmelodie,  wah- 
rend die  Oberstimme  die  alte  Begleitung  hat.  Dann  folgt  ein  groBer 
SchluBhoquetus  in  sehr  lebhafter  Bewegung,  der  stellenweis  direkt  wie 
eine  freie  hoquetierende  Bearbeitung  der  alien  Melodien  aussieht  und 
ganz  wie  im  vorigen  Stuck  gebaut  ist,  auch  darin  mit  jenem  uberein- 
stimmt,  daB  fiir  die  Kadenz  der  wortliche  Stimmtausch  aufhort,  vielmehr 
jede  der  beiden  Stimmen  beidemal  in  ihrer  eigentlichen  Tonlage  kaden- 
ziert,  die  Oberstimme  beidemal  am  hochsten,  die  Mittelstimme  in  der 
Mitte  liegend,  wahrend  sie  sich  sonst  natiirlich  fortwahrend  kreuzen. 

Das  sind  die  Werke,  in  denen  Coussemaker  die  Anwendung  doppel- 
ten  Kontrapunkts  zu  erkennen  glaubte;  doch  ist  davon  offenbar  bei  die- 
sem  antiphonischen  Stimmtausch  keine  Rede.  Als  Motetten  nehmen 
sie  eine  singulare  Stellung  ein;  ihre  Form  ist  nicht  als  eine  allgemeiner 
giiltige  und  verwendbare  gewonnen,  sondern  aus  ganz  speziellen  Anlassen 
entstanden,  dort  aus  dem  Alleluya-Psallieren,  hier  aus  der  Liturgie  des 
Epiphaniasfestes;  kein  Wunder,  wenn   sie  vereinzelt  bleiben.     Wie  ein 


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222    F.  Ludwig,  Studien  tiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Anklopfen  einer  neuen  Form  aber,  das  wollen  wir  nicht  unterlassen  zu 
bemerken,  wirkt  in  ihnen  das  Ertonen  einer  Melodie  in  der  Oberstimme 
zu  zweistimmiger  Begleitung  in  den  Unterstimmen,  nicht  mehr  nur  ein- 
stimmiger  Begleitung  des  Tenors.  In  alien  drei  Stiicken  erklingt  die 
Melodie  zuerst  in  der  Oberstimme,  wahrend  sich  die  Mittelstimme  als 
Begleitung  unterordnet;  es  ist  nicht  mehr  das  alte  Stimmverhaltnis  Ton 
Motetus  und  Triplum,  sondern  das  melodische  Schwergewicht  hat  sich 
hier  gleichmaBig  auf  beide  oberen  Stimmen  verteilt;  ja  die  oberste  er- 
scheint  als  die  bevorzugte:  in  ihr  erklingen  alle  Melodien  zum  ersten 
Male  und  ihren  Charakter  als  oberste  Stimme  wahrt  sie  in  den  Kadenzen. 
Entsteht  hier  ein  zweistimmiges  Begleitungsfundament  aus  der  Anlage 
des  Ganzen,  so  tritt  uns  bald  im  14.  Jahrhundert,  zunachst  in  der  welt- 
lichen  franzosischen  Kunst,  eine  ganze  Kunstgattung  entgegen,  die  den 
Text  mit  Melodie  nur  der  obersten  Stimme  zuerteilt  und  diese  mit  der 
stattlichen  Begleitung  von  zwei  Unterstimmen  versieht,  eine  Klangwirkung, 
die  in  den  Textabschnitten  der  besprochenen  drei  Werke  des  VHL  Fas- 
zikels  vorgebiidet  erscheint,  wahrend  in  alien  melismatischen  und  Ho- 
quetus-Stellen  in  ihnen  die  alte  Art  der  Dreistimmigkeit,  zwei  Meiodie- 
stimmen  iiber  einer  begleitenden  Stimme,  weiterlebt. 

Ein  geistreiches  Unikum  des  VIII.  Faszikels,  in  dem  sich  der  Stimm- 
tausch  der  Nachahmung  sehr  viel  mehr  nahert,  ist  das  oft  besprochene 
dreistimmige  Nr.  19.  Uber  dem  Tenor  He  mi  enfant,  der  aus  zwei  acht- 
taktigen  Abschnitten  besteht,  die  leicht  modifiziert  ganz  am  Anfang  und 
SchluB  erklingen,  wahrend  in  der  Mitte  der  erste,  ebenfalls  etwas  modi- 
fiziert, zweimal  wiederholt  ist,  klingt  im  Motetus  eine  Bearbeitung  des 
Liebesliedes  Prenms  i  garde,  dessen  Anfang  im  wesentlichen  uberein- 
stimmend  auch  im  »Renart«  zitiert  ist,  und  daruber  ein  Triplum,  das 
sich  zum  groBten  Teil  aus  Bestandteilen  des  Motetus  zusammensetzt,  so- 
wohl  textlich  als  melodisch.  Am  Anfang  bilden  sich  beide  Stimmen 
durch  Stimmtausch,  dem  eine  jeder  Stimme  eigentiimliche  Kadenz  und 
im  Motetus  ein  Einschub  (pour  Dieu  vous  proi)  folgt,  dessen  Gegen- 
stimme  im  Triplum  [l/ien  Vaperchoi)  dem  spateren  Verlauf  des  Motetus 
entnommen  ist.  Dann  folgt  im  Motetus  eine  Periode:  car  tes  rriesgarde 
usw.,  die  das  Triplum  sechs  Takte  spater  genau  so  bringt,  weiter  nach 
dem  erwahnten  bien  Vaperchoi  ein  Abschnitt:  et  td  chi  voi  usw.,  den 
das  Triplum  nach  acht  Takten  wiederholt,  schlieBlich  am  Anfang  der 
letzten  Tenorwiederholung  die  Verse:  pour  nimt  m'esgarde  usw.,  die  das 
Triplum  zehn  Takte  spater  ertonen  laBt,  wobei  durchweg  auBerhalb  dieser 
korrespondierenden  Partien  die  Stimmen  textlich  und  melodisch  frei  ge- 
bildet  sind.  Der  dem  Komponisten  aufgelegte  formale  Zwang  ist  also 
sehr  groB;  unter  den  ganzen  48  Takten  sind  nur  zwei,  die  in  beiden 
Stimmen   Tonfolgen   haben,   die  nicht  ein  zweites  Mai  von  der  anderen 


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E.  Ludwig,  Studien  liber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter.    223 

Stimme  aufgenommen  wiederkehren;  im  Triplum  ist  es  der  Einschub: 
car  par  ma  foi  am  Beginn  der  letzten  acht  Takte.  Und  man  muB  sagen, 
daB  trotz  der  wesentlich  erhohten  Schwierigkeiten  die  Zusammenschmel- 
zung  gegebener  und  neu  eingefiigter  Teile  bedeutend  besser  gelungen  ist, 
als  etwa  in  Mout  me  fu  gries  in  Nr.  28. 

DaB  das  Triplum  acht  Takte  nach  dem  Motetus  dessen  Melodie  auf- 
nehmen  kann,  ist,  da  dabei  der  Tenor  der  gleiche  ist,  nicht  verwunder- 
lich.  Der  Komponist  sieht  aber  auch  die  Moglichkeit,  eine  iiber  einer 
Partie  des  zweiten  Tenorabschnittes  einsetzende  Melodie  iiber  den  ganz 
abweichenden  Tonen  des  wiederholten  ersten  Abschnittes  wieder  erklingen 
zu  lassen,  hier  im  Abstand  von  sechs  Takten,  und  umgekehrt  die  iiber 
dem  Anfang  des  ersten  einsetzende  iiber  dem  Schlufi  des  zweiten  in  der 
andern  Stimme  zu  wiederholen,  so  am  SchluB  im  Abstand  yon  zehn 
Takten.  Und  noch  buntschillernder  wird  das  ganze  Bild  dadurch,  daB 
innerhalb  der  groBeren  Perioden  eine  Anzahl  kleinerer  Partikel  zu  Ver- 
sen  mit  gleichem  Reim  hier  und  da  verstreut  durch  die  ganze  Kompo- 
sition  wiederkehren,  so  namentlich  der  im  »Renartf  zitierte  Anfang  des 
Motetus,  der  in  alien  vier  erwahnten  beiden  Stimmen  gemeinsamen  Ab- 
schnitten  vorkommt,  also  im  ganzen  achtmal.  Es  ist  also  in  der  Tat 
ein  kleines  Kabinettstiick,  ebensowohl  beziiglich  technischer  Finessen  als 
wirksamer  Vertonung  der  munteren  immer  wieder  durchklingenden  War- 
nung  Prennes  i  garde. 

Zum  SchluB  bleiben  uns  noch  zwei  Pariser  Gesellschafts-Motetten, 
Nr.  38  und  41,  die  oben  bei  den  auf  den  ersten  Blick  ahnlich  ausschau- 
enden  Nr.  39  und  40  schon  erwahnt,  doch  bei  genauerem  Zusehen  zu 
den  spatesten  der  von  Coussemaker  gedruckten  Motetten  gehoren.  Nr.  38 
baut  sich  auf  iiber  einem  Tenor,  dessen  ganze  sich  viermal  wiederholende 
Tonfolge  (acht  Takte)  syllabisch  mit  Text  versehen  ist:  Frese  noiwele, 
muere  France,  muere  muere  France.  Der  auch  metrisch  niedlich  gebaute 
Motetus  A  Paris  soir  et  matin  schildert  wieder  das  ausgelassene  Pariser 
Leben,  ebenso  wie  das  metrisch  freiere  mit  den  Anfangsworten  des  Mo- 
tetus A  Paris  schlieBende  Triplum.  Beide  Stimmen  haben  sich  vom 
alten  Modus  vollig  gelost,  ebenso  wie  der  Tenor;  statt  dessen  fiihrt  der 
Motetus  wenigstens  fur  die  fiinf  ersten  Takte  der  Perioden  trotz  der 
ganz  verschiedenen  Metren,  die  in  sie  fallen,  einen  rhythmisch  exakt 
gleichen  (isorhythmischen)  Bau  durch,  der,  wie  ich  schon  einmal  andeu- 
tete,  in  den  Motetten  des  14.  Jahrhunderts  die  Regel  ist.  Auch  das 
Triplum  beteiligt  sich  an  der  isorhythmischen  Behandlung  der  einzelnen 
Perioden  mit  einigen  beachtenswerten  Ansatzen;  eine  konsequente  Durch- 
fiihrung  fur  die  ganze  Motette  liegt  aber  auch  im  Motetus  hier  noch 
nicht  vor. 

Gait  es  bisher  besonders  fiir  den  Motetus  immer  noch  als  Regel,  das 


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224    F.  Ludwig,  Studien  iiber  die  Geschichte  der  mehrstimmigen  Musik  im  Mittelalter. 

Ver8metrum  auch  in  der  melodischen  Deklamation  zu  bewahren  und  hoch- 
stens  aus  speziellen  Grunden  es  an  einzelnen  Stellen  aufzugeben,  so  hat 
in  dieser  Motette  ein  rein  rhythmisches  Prinzip  Uber  Versmetrum  und 
Wortbetonung  den  Sieg  davongetragen,  und  bald  setzt  es  sicb  ebenso 
despotisch  durch,  wie  am  Anfang  der  Geschichte  der  Motette  umgekehrt 
das  Textmetrum  den  musikalischen  Rhythmus  vollig  beherrschte..  1st 
das  letztere  Prinzip  etwas  innerlich  durchaus  Berechtigtes ,  wenn  auch 
seine  ausschlieBliche  Durchfiihrung  zur  Eintonigkeit  fiihren  kann  und  die 
Melodie  auf  Kosten  des  Bhythmus  verkurzt,  so  fiihrt  das  neue,  die 
Durchfiihrung  der  Isorhythmik  auch  in  den  Oberstimmen,  nur  weil  der 
Tenor  so  'baut  und  die  Kompliziertheit  des  sich  mehrere  Male  wieder- 
holenden  Tenorrhythmus  bald  die  rhythmisch  einheitliche  Anordnung 
auch  der  Oberstimmen  als  Gegengewicht  verlangt,  notwendig  zu  Gewalt- 
tatigkeiten,  die  auch  in  dieser  ersten  Komposition  leichteren  Genres,  die 
diesen  Standpunkt  aufzeigt,  nicht  fehlen. 

Noch  weit  entfernt  von  diesem  Stil,  aber  im  Inhalt  des  Triplum- 
textes  den  Kompositionen  aus  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  sehr  nahe 
stehend,  ist  Nr.  41.  Uber  dem  Tenor  AUeluya,  der  in  einfachen  longae 
zweimal  durchsingt,  erklingt  im  Motetus  ein  besonders  musikalisch  nicht 
sonderlich  hervorragendes  Liebeslied  Pour  la  plus  jolie,  meist  im  ersten 
Modus,  das  aber  ganz  ohne  Beziehungen  zum  Triplumtext  scheint,  und 
im  Triplum  ein  GruB,  den  die  Justice  einer  groBen  Anzahl  in  Paris 
vereinigter  mit  rum  und  seurnon  genannter  Musiker  und  an  terns  les 
autres  compaignons  bans,  die  sie  nicht  aufzahlt,  sendet,  A  maistre  Jdian 
Lardier  beginnend.  Hire  Namen  sind  sonst  nicht  bekannt,  Cop  in  kann 
sehr  wohl  mit  Copin  in  Nr.  39  des  VII.  Faszikels  identisch  sein;  jeden- 
falls  sind  es  wohl  meist  Sanger,  deren  Ruhm  auf  diese  Weise  der  Nach- 
welt  erhalten  geblieben  ist.  Ihr  Beispiel  fand  im  14.  Jahrhundert  und 
weiter  eifrige  Nachahmung;  die  Motettenform  war  geduldig  genug,  diese 
allmahlich  endlos  werdenden  Namenreihen  als  Triplumtexte  immer  wieder 
aufzunehmen.  Welch  ein  Gegensatz  zur  Anfangszeit  der  Motetten-Kom- 
position,  in  der  Komponist  und  Sanger  so  vollkommen  in  ihrem  zuerst 
heiligem  Dienst  geweihten  Werke  aufgingen,  daB  keine  Spur  in  ihm  uns 
ihre  Namen  oder  den  Ort  ihrer  Tatigkeit  andeutet  und  wir  dariiber 
vollig  im  Dunkeln  tappen  wiirden,  wenn  nicht  wenigstens  der  eine  eng- 
lische  Anonymus,  der  seiner  Bewunderung  flir  diese  groBartige  Kunst- 
pflege  in  choro  Beate  Virginia  Majoris  ecclesiae  Parisiis  und  die  hier 
tatigen  Meister  lebhaften  Ausdruck  gab,  uns  erhalten  ware.  Von  nun 
an  fehlt  auch  in  der  mehrstimmigen  Musik  der  Name  des  Meisters 
immer  seltener. 


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Hermann  Miiller,  Aus  schlesischen  Visitationsberichten.  225 


Aus  schlesischen  Visitationsberichten 


Hermann  MOIIer. 

(Paderborn.) 


Der  tatkraftige  und  umsichtige  Breslauer  Fiirstbischof  Sebastian 
von  Rostock  (1664 — 1671)  ordnete  eine  Visitation  der  Kirchen  seines  Bis- 
tums  an.  Im  Breslauer  Archidiakonate  nahm  diese  Visitation  im  ^uf- 
trage  des  Bischofs  vor  der  Archidiakonus  Weihbischof  Neander;  sie 
fand  statt  in  den  Jahren  1666  und  1667.  Die  Akten  iiber  diese  Visi- 
tation liegen  veroffentlicht  vor  bei  Jungnitz,  >Visitationsberichte  der 
Diozese  Breslau,  Archidiakonat  Breslau,  erster  Teil*,1)  Seite  298 — 735. 
In  diesen  Berichten  finden  sich,  wie  A.  Franz  bereits  in  den  >Histo- 
risch-politischen  Blattern*2)  hervorhob,  einige  Mitteilungen,  die  fiir  die 
Geschichte  der  Kirchenmusik  nicht  uninteressant  sind.  Es  sind  das  be- 
sonders  die  Protokolle  iiber  die  am  12.  November  1666  vorgenommene 
Visitation  der  Kirche  zu  Neustadt  (Oberschlesien)  und  iiber  die  am 
21.  November  1666  vorgenommene  Visitation  der  Kirche  in  der  Bischofs- 
stadt  Grottkau. 

Im  Neustadter  Visitationsbericht  liest  man  unter  anderem:3) 

>In  choro  habentur:  organum  et  duo  positiva  antiqua,  4  fides  discan- 
tistes,  altistes,  tenoristes  et  bassistes,  ein  Quart  Posaun,  ein  paar  Paucken 
Undt  ein  Fagot.  In  libris,  qui  ad  ecclesiam  spectant,  hi  numerantur:  missal e 
magnum  Matthaei  Ludecii,  antiphonarium  Romanum,  psalterium  Latinum 
pro  matutino  et  vesperis,  scriptum  cantionale  litaniarum  aliarumque  can- 
tionum,  enchiridion  hymnorum  etc.,  Gross  Catholisch  Gesangbuch,  Orlandi 
Las  si  opus  6  et  plurium  vocum,  Abrahami  Schadaei  opus  collectaneum  cum 
basso  generali,  Melchioris  Vulpii  opus,  item  Abrahami  Gimpetzhameri, 
Zangii  opera  et  Hieronymi  Pretorii  tomus  primus,  opus  Joannis 
Donfrid  2,  3,  4  vocum  prout  motetten,  concertus,  psalmi  Jacobi  Finetti 
cum  basso  continuo,  corolla  musica,  missarum  37  pro  vivis  et  defunctis, 
juncto  mortuali  testo  cum  basso  ad  organum  applicato  e  diversis  authoribus 
collecta  studio  Donfredi  cum  viridario  musico  Mariano,  symphoniae  sacrae 
diversorum  authorum  Caspari  Hasleri,  bey  welchen  florilegium  selectissi- 
manim  cantionum,  item  introitus  dominicorum  dierum  ac  praecipuorum  festo- 
rum  Bogerii,  Orlandi  Lassi  liber  missarum,  item  liber  missarum  5  et 
6  vocum  Lehneri,  sacrae  lectiones  9  ex  propheta  Job  4  vocum  authore 
Orlando,  ecclesiodiae  4,  5  et  6  vocum  Thomae  Walleseri,  item  erster 
theil  Sontaglicher  Evangelien  Vom  Advent  biss  auf  Cantate  5  vocum  Thomae 

1)  Breslau,  Aderholz  1902.  2)  Band  131,  Heft  3,  Seite  211. 

3)  Jungnitz,  a.  a.  0.,  Seite  606 f. 
s.  d.  I.  M.    v.  15 


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226  Hermann  Muller,  Aus  schlesischen  Visitationsberichten. 

Elsbethi,  liber  primus  melodiarum  biblicarum  Pauli  Schafferi,  item 
Melchioris  Vulpii  evangeliorum  dominicalium  pars  prima,  moduli  sympho- 
niaci  in  celebritatibus  nativitatis  domini  et  aliis  Stadelmayeri,  concentus 
ecclesiasticodomesticus  Besleri,  liber  missarum,  qui  est  tomus  tertius 
operum  musicorum  Praetorii,  item  Magnificat  super  8  tonos  consuetos 
cum  mottetis  8  et  12  vocum  eiusdem  authoris,  Begrabnus  cantiones  Germa- 
nicae  plurimum  4  vocum  totaliter  laceratae,  Passion  albuch  secundum  Jo  ami  em, 
6  virides  partes  scriptae,  quinque  rubrae  partes  impressae,  4  partes  donatae 
aliae  musicales,  recessit1)  4  voc.  et  litan.  Lauret.  5  voc.  sacrum  scrip  turn,  can- 
tiones sacrae  6  voc.  authore  Joanne  Nycis  Gerlicensi  Lusatio  ordinis  Cister- 
ciensis,  tres  autem  desunt  voces.* 

Ini  Grottkauer  Protokolle  findet  sich  folgender  Passus:2) 

»In  choro  ecclesiae  vero  sequentes  [zu  erganzen  ist  aus  dem  Vorher- 
gehenden:  UbriJ  servantur:  antiphonaria  Yratislaviensia  duo,  unum  pro  hyeme, 
alteram  pro  a  estate,  et  graduale.  Yratislaviense,  item  antipbonarium  Romanum 
et  graduale  simile,  psalteria  4,  duo  in  quarto  et  2  parva,  Germanicum  psal- 
terium,  liber  scriptus  in  quarto,  in  quo  cboraliter  Kyrieeleison  et  Gloria 
habentur,  thesaurus  musicus  Petri  Joanne  Hi  6  libri,  tomus  primus  et  secundus 
Jacobi  Handeli  16  libri,  cantiones  Orlandi  di  Lass  4  libri,  continuatio 
cantionum   Friderici    Lindneri   6   libri,   missae  sacrae   Jacobi  Regnardi 

6  libri,  motetae  Aspilii  Pag  ell i  3  libri,  liber  missarum  tomus  3,  modula- 
tions Wert  6  libri,  Nucii  6  libri,  Leonardi  Pamigeri  10  libri,  Thomae 
Ludovici  de  Victoria  8  libri,  promptuarium  harmoniacum  Gregorii 
Zuchinii  7  libri,  Reineri  6  libri,  Petri  Bonsonii  8  libri,  opus  musicum 
Thomae  Frit  8  libri,  sacra  scripta  in  alba  compactura  6  libri,  Introitus 
Blasii  Amon  5  libri,  Philippi  de  Monte  4  libri,  p.3)  Christiani  Keifferer 
flosculus  4  libri,  Scherzii  5  libri,  harmoniae  sacrae  Staden  5  libri,  Praetorii 

7  libri,  quercus  Dodonaea  Alchinger  4  libri,  passiones  German icae  im- 
pressae chorales  in  folio,  Latine  scriptae  etiam  chorales  cum  lamentationibus 
in  folio,  missa  scripta  Stephani  Felis  5  libri,  missa  alia  scripta  6  vocum, 
missae  scriptae  variorum  authorum  in  6  libris,  vesperae  scriptae  5  vocum, 
motetae  variae  scriptae  de  adventu,  nativitate,  resurrectione,  ascensione  et 
ss.  trinitate,  con  cert  us  scripti  de  Sanctis  4  libri,  item  de  tempore  adventus, 
nativitatis  etc.  6  libri  scripti,  Magnificat  omnium  tonorum,  sertulum  musical e 
ValentiniDretzel  6  libri,  iubilus  Bethlehemiticus  5  vocum,  Requiem  5  vocum, 
litaniae  de  B.  V.  et  nomine  Jesu  etiam  scriptae  habentur,  et  haec  de  libris.* 

Bei  einer  Anzahl  der  in  diesen  Verzeichnissen  genannten  Komposi- 
tionen  und  Saminelwerke  —  ganz  abgesehen  von  den  eigentlichen  >Choral- 
biichern«,  welche  den  gregorianischen  Gesang  fiir  Messe  und  Offizium 
enthalten  —  ist  leider  der  Name  des  Autors  nicht  angegeben  und  auch 
nicht  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  zu  ermitteln.  Fiir  die  meisten  Biicher 
ist  der  Verfasser  ausdriicklich  genannt;  bei  einigen  anderen  Werken  (siehe 
unten)   laBt  er  sich  mit  groBerer  oder  geringerer  Wahrscheinlichkeit  auf 

1)  Mit  *rrrp,ssit*  ist  wohl  der  Text  *Reces$it  pastor  noster*  aus  dem  Offizium  des 
Karsamstags  [Itopotusorium  IV  ad  Mattttinum)  gemeint. 
2   Jungnitz,  a.  a.  0.,  Seite  661.  3    =  Patris. 


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Hermann  Muller,  Aus  schlesischen  Visitationsberichten.  227 

Grand  der  sonstigen  bibliographischen  Hilfsmittel  ausfindig  machen.  Es 

ist  vielleicht  nicht  unniitz,   ein  alphabetisch  geordnetes  Verzeichnis  der 

Autoren  beizufiigen;  das  Neustiidter  Protokoll  bezeichne  ich  mit  N,  das 
Grottkauer  mit  G.  Jj 

Aichinger  (in  G  irrigerweise :  Alchinger);  quercus  dodonaea,  4  libri. 
Am  on  (=  Amnion),  Blasius  (G.);  introitus,  5  libri. 

Gemeint   sind   wahrscheinlich   die   Introitus   des  Ammon    im   >  Liber 

selectissimarum  cantionum*   (Wien,  1582),   nicht  die   > Introitus  domini- 

cales«    (Wien,  1601). 
B osier   (N);    concentus   ecclesiastico-domesticus.     Es   ist   daher   Samuel   B. 

bier  gemeint;  vgl.  iiber  ihn  Starke  in  den  Monatsh.  f.  Musikg.  Jg.  33,  N.  9. 
Bonhomius  (=  Bonomi),    Petrus   (anders  weifi  ich  den  in  G  verzeichneten 

Namen  Petrus  Bonsonius  nicht  zu  identifizieren) ;  8  libri. 
Es  werden  die   >Melodiae  sacrae*  gemeint  sein. 
Corner;  das  in  N.  genannte  »  Gross  catholisch  Gesangbuch«  ist  offenbar  das 

Corner'sche;   vgl.    dazu   G.  1,  1189;    Cacilien-Kalender    (von    Haberl), 

Jahrgang  7,  Seite  31  f.    und   Jahrgang  10,  Seite  40;    Baumker,   Das 

katholische  deutsche  Kirchenlied,  Band  1  (Freiburg  i/B.,  1886)  Seite  86, 

n.  261  und  besonders  Seite  178  ff. 
Donfredus  (=  Donfried),  Joannes  (N.) 

Mit   der  Bezeichnung:    »opus  J.  D.  2,  3,  4  vocum  prout  motetten, 

concertus  (sic!)«   ist  das  dreibandige  >Promptuarium  musicum*  gemeint. 

Als  vierter  Teil  des  Donfrid'schen  grofien  Sammelwerkes  hat  das,  eben- 

falls   hier  verzeichnete,    >viridarium  musico  Marianum«  zu  gelten.     Als 

funfter  Teil  kommt    das    mit   ausfuhrlichem   Titel   hier   genannte  Werk 

» Corolla  musica,  missarum  37  .  .  .«  in  Betracht.2) 

Wenn   dann   in  G.    ein    >jubilus  Bethlehemiticus  5  vocum «  genannf 

wird,    und   zwar   als  D  ruck  werk,    so    darf  diese  Notiz  wohl  als  mehr 

oder    weniger   sichere    Beglaubigung   des   in   MeBkatalogen    mit  diesem 

Titel  aufgefiihrten  sechsten  Teiles  des  Donfrid'schen  Sammelwerkes  gelten ; 

vergleiche  G.  2,  384;  G  5,  Seite  331,  n.  137. 
Dretzel,  Yalentinus  (G.);  sertulum  musicale,  6  libri.    Valentin  Dretzel  und 

Diezel  sind  nach  G.  5,  341  (gegen  E)  identisch;  vergleiche  auch  G.  2, 

360,  361. 
Elsbeth,    Thomas   (N.);    erster   theil   Sontaglicher   Evangelien  Vom  Advent 

biss  auf  Cantate,  5  vocum. 
Eelis,  Stephanas  (G.);  missa  scripta,  5  libri. 

Von  Pelis  scheint  nur  eine  5st.  Messe  bekannt  zu  sein  (>Paratum 

cor  meum  Deus«  in  Hieron.  Praetorius,  Lib.  Missarum,  1616,  No.  1; 

vergleiche  E.);   moglicherweise  ist  diese  gemeint. 

1,  Ich  bezeichne  ferner  mit  E  das  Quellen-Lexikon  Eitner's  (bis  jetzt  liegen 
8  Bande  vor);  mit  G  1,  2  (nach  dem  Vorgange  des  Verfassers)  die  betreffenden  Ab- 
schnitte  von  Go  hier  >  Verzeichnis  der  in  den  Frankfurter  und  Leipziger  MeBkata- 
logen der  Jahre  1564  bis  1759  angezeigten  Musikalien*  (Leipzig,  1902)  und  mit  Gt  5 
die  Dissertation  desselben  Verfassers  >Die  Mefikataloge  im  Dienste  der  musikalischen 
Geschichtsforschungc  in  den  Sammelbanden  der  IMG.  ITT,  Seite  294  ff. 

2;  Das  »les8o«  bei  Gohler  2,  383  ist  wohl  Druckfehler;  unser  Protokoll  hat  dafur 
das  im  lateinischen  Titel  ebenso  auffallige  italienische  »testo«. 

15* 


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228  Hermann  Muller,  Aus  schlesischen  Visitationsberichten. 

Die   in  G.    folgende    »  miss  a   alia  scripta  6  vocum*   diirfte  nach  dem 
Zusammenhange  wohl  auch  zu  Felis  gehoren. 
Finettus  (=  Finetti),  Jacobus  (N.);  psalmi  cum  basso  continuo. 

E.  verzeichnet  bei  Finetti  zu   1618   >  Salmi  a  3  voc.  con  il  B.  per 
l'org.« 
Fritsch,  Thomas  (»Frit«  in  G.);   opus  musicum,  8  libri.     Der  Titel  lautet 

nach  £.:   >  Novum  et  in  sign  e  opus  musicum «. 
Gumpeltzhaimer,    Adam,    ist   nattirlich    in   N.    zu   lesen   statt:    Abraham 

Gimpetzhamer. 
Handl,  Jacobus  (G.);  tomus  primus  et  secundus,   16  librL    Gehort  zu  Handl's 

>  Musicum  opus*. 
HaBler,  Casparus  (N.),  symphoniae  sacrae  diversorum  authorum,   »bey  wel- 

chen  florilegium  selectissimarum  cantionum*. 
Joannellus  (=  Giovanelli),   Petrus   (G);   thesaurus  musicus,   6  libri;  ver- 
gleiche  aufier  £  auch  G.   1,  410;  kirchenmusikalisches  Jahrbuch,  1894, 
Seite  64. 
Keif  former,  Christianus  (G.);  flosculus,  4  libri. 

Damit   ist   das   bis  jetzt   nur   aus  MeBkatalogen   bekannte   und   bei 
G.  2,  774  notierte  "Werk  »Parvulus  flosculus  «  beglaubigt. 
Las sus,  Orlandus  (N.  und  G.); 

opus  6  et  plurium  vocum; 
liber  missarum; 

sacrae  lectiones  9  ex  propheta  Job  4  vocum; 
cantiones,  4  libri. 

Mit  dem  an  erster  Stelle  genannten  Werk  sind  vermutlich  die  »selec- 
tissimae  cantiones «  gemeint;  die  Titel  der  iibrigen  Werke  sind  aus  der 
Lassus-Bibliographie  hinlanglich  bekannt. 
Lechner   (so  ist  in  N.  zu  lesen  statt  Lehner),  Leonhard;   liber  missarum  5 
et  6  vocum. 

Offenbar  der  Messenband  von  1584. 
Lindner,  Fridericus  (G.);  continuatio  cantionum,  6  libri.     Das  »canticum« 
im  Titel  dieses  Werkes  bei  £.  ist  Druckfehler;  vergleiche  kirchenmusi- 
kalisches Jahrbuch,    1896,   S.  44,   Nr.  32  a.      Handschriftliche   Sammel- 
werke  von  Lindner  siehe  Sammelbande  der  IMG.,  Jahrgang  1,  Seite  327  ff. 
Ludecus  (nicht  >Ludecius«,  wie  in  N.J,  Matthaeus;    missale  magnum.     Be- 

kanntes  Gesangbuch  des  Ludecus. 
Michael,   Bogierus   (dieser  ist   in   N.    gemeint   mit  Bogerius,   nicht  Roger); 
introitus  dominicorum  dierum  ac  praecipuorum  festorum. 

Freilich  ist  es  vielleicht  nicht  ganz  ausgeschlossen,  daB  Bogier  Michael 
und  Michel  Boger  doch  ein  und  dieselbe  Person  sind;  £.  unterscheidet 
sie.     Vergleiche  auch  G.  2,   946. 
Monte,  Philippus  de  (G.):  4  libri1). 

Wahrscheinlich  handelt    es   sich  hier  um  die  vierstimmigen   » Sacrae 
cantiones «   (Venedig,   1596). 
Nucius,  Joannes  (N.  und  G.;  am  ersten  Orte  die  voile  Bezeichnung:  Joannes 
Nycis  Gerlicensis  Lusatius,   ordinis  Cisterciensis) ; 


1)  Zum  Streite  iiber  seinen  Greburtsort  vergleiche  jetzt  auch  Lyon,  Le  cetibre 
maitre  decliapelle  Philippe  de  Monte  etait-il  Malinois  ou  Montois,  Flamand  ou  Walton? 
(Enghien,  Spinet,  1900.) 


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Hermann  Miiller,  Aus  schlesischen  Visitationsberichten.  229 

cantiones  sacrae,  6  vocum; 
(modulationes?),  6  libri. 
Pacelli,  Asprilio  (in  G:  Aspilius  Pagellus); 

motetae,  3  libri. 
Paminger  (in  G:  Pamiger),  Leonardus;  10  libri. 
Praetorius,  Hieronymus  (N.  und  G.). 

tomus  primus  (der  Gesamtausgabe) ; 

liber  missarum,  qui  est  tomus  tertius  operum  musicorum; 
Magnificat  super  8  tonos  consuetos  cum  mottetis  8  et  12  vocum. 
In    G   werden   von    ihm    aufgefuhrt:    7  libri;    der  ebenda   (zwischen 
Pacelli  und  Wert)  ohne  Namen  notierte   » liber  missarum  tomus  3«  diirfte 
identisch   sein  mit  dem  oben  an  zweiter  Stelle  genannten  Messenbande. 
Regnardus  (=  Regnart),  Jacobus  (G.); 

missae  sacrae,  6  libri.     Hessenband  von  1602. 
Reiner  (G.);    sicherlicb   ist   Jacob   R.    gemeint;    von   R.    werden    >6  libri* 

aufgefuhrt. 
Schadaeus  (=  Schade),  Abraham  (N.j; 

opus  collectaneum  cum  basso  generali. 

Es  handelt  sich  offenbar  um  das  wertvolle  Sammelwerk  »Promptua- 
rium  musicum*. 
Schaeffer,  Paul  (N.); 

liber  primus  melodiarum  biblicarum. 
Scherzius  (G.);  5  libri. 
Stade  (=  S  tad  en),  Joannes  (G.); 
harmoniae  sacrae,  5  libri. 
Stadelmayer  (=  Stadlmayer),  Joannes  (N.); 

moduli  symphoniaci  in  celebritatibus  nativitatis  domini  et  aliis.     Der 
Titel  ist  gektirzt;  siehe  G.  2,  1493. 
Victoria  (=  Vittoria),  Thomas  Ludovicus  de  (G.); 

8  libri. 
Vulpius,  Melchior  (N.); 
opus  (welches?); 
evangeliorum    dominicalium   pars    prima    (die   evangelischen   Spruche; 
G.  2,  1625). 
Walliser  (in  N:  Walleser),  Thomas; 
ecclesiodiae  4,  5  et  6  vocum. 
Wert,  Jacobus  de  (N.); 

modnlationes,  6  libri.    Wahrscheinlich  die   » modnlationes  sacrae «  bei 
GBhler  1,  1006. 
JZ  an  gins  (=  Zange),  Nicolaus  (N.); 

opus  (oder  opera?).     Wahrscheinlich  die  » cantiones  sacrae «. 
Zu  chin  us  (in  G. :  Zuchinius),  Gregorius; 

promptuarium  harmoniacum,  7  libri. 


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230  Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse. 

Johann  Adolph  Hasse. 

Eine  biographische  Skizze 

von 

Carl  Mennicke. 

(Leipzig.) 

»IZ  Sassone*  starb  zu  Venedig  im  Jahre  1783.  Ein  warmer  Verebrer 
seiner  Kunst,  Franz  Kandler,  fand  nach  vielen  Miihen  in  der  Kirche 
zu  San  Marcuola  in  Venedig  Hasse's  Grabstatte.  Aus  eigenen  Mitteln 
errichtete  er  1820  dem  groBen  Meister  ein  Grabdenkmal  aus  Marmor, 
mit  der  Inschrift 

Joanni  Adulfo  Hasse 

Praeclarae  harmoniae  magistro 

nato  1699 

defuncto  1783 

Nomine  gratae  posteritatis 

DDD 

Franciscus  Sal.  Kandler 

1820. 

Die  dankbare  Nachwelt,  das  heiBt  die  Akademie  von  Bologna,  machte 
Kandler  zu  ibrem  Mitgliede.  Kandler  tat  noch  ein  iibriges,  inctem  er 
1820  eine  kurze  Biographie  Hasse's  schrieb 1).  Dieses  Schriftchen  ist  bis 
heute  die  einzige  selbstandige  biographische  Arbeit  iiber  Hasse  geblieben, 
liber  einen  Meister,  der  vier  bis  fiinf  Dezennien  hindurch  als  Opern- 
komponist  dominierte.  Gluck  und  das  Wiener  Dreigestirn  haben  auch 
ihn  vergessen  lassen. 

Johann  Adolph2)  Hasse  wurde  1699  in  Bergedorf  bei  Hamburg  geboren. 
Das  Kirchenbuch  bezeichnet  den  25.  Marz  als  den  Tag  der  Taufe3). 
Gerber  (Neues  Lexikon)  nennt  die  Paten,  Der  Vater  war  Organist  und 
Lehrer. 

Die  Jugendjahre  verlebte  Hasse  in  Hamburg.  Johann  Ulrich  Konig, 
der  nachmalige  Hofpoet  des  Kurfiirsten  von  Sachsen,  empfahl  Hasse  als 


1)  Cenni  stortco-critici  intorno  alia  vita  et  aUe  opere  del  celebrc  compositore  di 
musica  Qio.  Adolfo  Hasse,  Venezia  1820.  8.  und  Neapel  1821.  12. 

2)  Fetis  bringt  einen  dritten  Vornamen  Peter,  welcher  jedoch  im  Kirchenbuche 
fehlt. 

3]  Riemann,  Lexikon. 


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Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse.  231 

Tenoristen  an  die  Hamburger  Oper.  Uber  Hasse's  Tatigkeit  an  diesem 
Institute  sind  wir  nicht  unterrichtet 1 .  Rob.  Eitner  weist  in  der  All- 
gemeinen  Deutschen  Biographie  darauf  hin,  daB  Keiser,  das  Haupt  der 
Hamburger  Oper,  von  1718 — 21  groBtenteils  in  Kopenhagen  lebte,  und 
daB  keine  seiner  Opera  wahrend  dieser  Zeit  in  Hamburg  aufgefuhrt  wurde. 
DaB  Hasse  trotzdem  Kenntnis  von  Keiser's  Kunst  und  somit  Anregung 
zu  eigenem  Schaffen  erhielt,  be  weist  uns  Burney2),  dem  gegenuber  sioh 
Hasse  sehr  loblich  uber  Keiser  aussprach. 

Was  die  Jahre  1721—24  in  Hasse's  Leben  betrifft,  so  enthalten  die 
Mehrzahl  der  biographischen  Notizen  in  Lexicis  und  Zeitungen  Irrtumer. 
Chrysander  schuf  zuerst  Klarheit 3).  Hasse  wurde  durch  seinen  Protektor 
Konig  1721  dem  Herzog  von  Braunschweig  als  Hof-  und  Theatersanger 
empfohlen.  Unter  den  Sangern  der  Schiirmann'schen  Oper  >Heinrich 
der  Voglert  (H.  Teil),  in  der  Wintermesse  1721 4),  wird  >Mons.  Hasse* 
genannt.  Er  befand  sich  also  schon  1721  im  Anfang  des  Jahres  in 
Braunschweig5).  Grerber  (Altes  Lexikon  I,  591)  und  seine  Nachfolger 
setzen  Hasse's  erstes  Auftreten  in  Braunschweig  ins  Jahr  1722.  Irrtiimer 
haften  auch  an  den  Notizen  uber  Hasse's  erste  Oper.  Gerber  nennt  sie 
>Antigonus«  und  setzt  sie  1723  an.  AuBerdem  behauptet  er  falschlich, 
Hasse  habe  dieses  Werk  in  seinem  18.  Jahre  geschrieben6).  Das  Text- 
buch  sagt  uns  dagegen  (Chrysander):  *A?itioco.  Drama  per  musica*  — 
Antiochus,  in  einer  Opera  vorgestellt  auf  dem  groBen  Braunschweigigen 
Theatro  in  der  Sommermesse  anno  1721  (Wolfenbiittel,  Bartsch)* ;  3  Akte; 
italienisch  nebst  Ubersetzung.  Uber  den  Komponisten  heiBt  es  in  dem 
itaJienisch-deutschen  Textbuche: 

»La  Musica  e  fatta  dal.  Sign.  A.  F.  (sic!)  Hasse,  Virtuoso  di  S.  A.  S. 
il  Duca  regnante  di  Braunswiga-Luneburgo.  Die  Music  dieser  Opera  ist 
componieret  von  A.  F.  Hassen,  Cammer-Musico  bei  des  reg.  Herrn  Herzogs 
zu  Braunschweig -Wolfenbiittel  Durchl.« 

Zu  Gerber's  falscher  Benennung  >Antigonus«  sei  noch  hinzugefiigtr 


1)  Die  Allgemeine  musikalische  Zeitung  (VI,  495)  erw'ahnt  eine  Hamburger  Opern- 
auffuhrang,  in  welcher  Hasse  als  Chinese  auftrat. 

2)  Tagebuch  einer  musikalischen  Reise,  Hamburg  1772. 

3)  G-eschichte  der  Braunschweig-Wolfenbiittelschen  Kapelle  und  Oper.  Jahrbiicher 
I,  Seite  271.  1863. 

4)  Die  Wintermesse  begann  zu  Maria  LichtmeC  (2.  Februar). 

5)  Hasse  singt  auch  in  der  Laurentii-Messe  1721  in  der  Oper  »Don  Quichotte  in 
dem  Mohren-Gebirge*.     (Laurentiustag,  der  10.  August.) 

6)  Burney  (a.  a.  O.,  Seite  256)  berichtet  uber  seinen  Besuch  bei  Hasse  in  Wien: 
»Er  sagte  mir,  seine  erste  Oper  sei  Antigonus  gewesen,  die  er  komponiert,  als  er 
18  Jahr  alt  und  noch  nicht  in  Italien  gewesen.*  Somit  ware  Hasse's  "Werk  schon 
1719  entstanden,  eine  Annahme,  die  sich  ander warts  nicht  best'atigen  l'aBt. 


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232  Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse. 

daB  eine  Oper  dieses  Namens  in  Braunschweig  nie  zur  Auf fiihrung  gelangte. 
Hasse's  Antigono  ging  1743  in  Dresden  erstmalig  iiber  die  Bretter. 

Hasse's  Antiochus  ist  die  einzige  Oper  auf  deutschen  Text *).  In  dem 
Personen-Verzeichnis  findet  man: 

Seleucus,  Konig  von  Syrien:  der  Capellmeister  Schiirmann. 
Antiochus,  eein  Sohn,  verliebt  in  Stratonica:  Monsieur  Hasse. 

Das  Werk  wurde  mit  grofiem  Erfolge  aufgefiihrt;  von  der  Musik  ist 
nichts  erhalten. 

Falschliche  Angaben  finden  sich  gleicherweise  iiber  den  Zeitpunkt  der 
Abreise  Hasse's  nach  Italien.  Gerber  gibt  1724  an.  Das  ist  zweifellos 
falsch.  Chrysander  (a.  a.  0.)  nimmt  an,  daB  Hasse  bereits  1722  nach 
Italien  gegangen  ist,  da  sein  Name  im  Personen-Verzeichnis  des  Pasticcio 
Orlando  furiosi),  das  1722  in  der  Wintermesse  aufgefiihrt  wurde,  fehlt 
und  auch  in  denjenigen  spater  aufgefiihrter  Werke  nicht  anzutreffen  ist. 
Chrysander's  Annahme  ist  richtig.  Florimo2)  zitiert  fur  den  4.  Novem- 
ber 1723  eine  Oper  von  Hasse  II  Tigrane,  aufgefiihrt  auf  dem  R.  Teatro 
S.  Bartolomeo  in  Neapel.     Er  bemerkt  dazu: 

*In  quesf  opera  vi  sono  gf  intermezzi  *La  Serva  sceltra  owero  La  Moglie 
e  forza,  musicati  del  medesimo  Hasse  .  .  .«. 

Immerhin  ist  dies  mit  Vorsicht  aufzunehmen,  da  Florimo  an  anderer 
Stelle  die  Oper  Tigrane  ins  Jahr  1729  setzt.  Als  bessere  Beweise  fur 
das  Jahr  1722  als  Datum  der  Abreise  Hasse's  nach  Italien  sei  noch  zitiert : 

Dall'Olio,  La  Muszca  Poemetto,  Modena  1794,  Seite71: 

>  Giov.  Adolfo  Hasse  detto  il  Sassone  per  molti  anni  e  stato  al  servizio 
delta  corte  di  Sassonia.  E  debitore  alV  Italia  del  suo  merito}  poiche  si  trans- 
fori  da  giovinetto  in  Napoli  net  1722 .  .  .« 

Giamb.  Mancini,  Riflessione  pratiche  std  canto  figurato,  Milano  1775,: 

>  Giovanni  Hasse,  si  trasferi  in  Napoli  7iel  1722.* 

Hiller,  »Lebensbeschreibungen«  1784,  unter  Graun,  C.  H.: 

»Hasse,  welcher  ohngefahr  zwey  Jahr  als  Tenorist  am  Braunschweigigen 
Hofe  in  Dienst  gestanden  .  .  .« 

Hasse  ging  somit  1722  nach  Italien.  In  Neapel,  dem  damaligen 
italienischen  Musikzentrum,  wurde  er  Schiiler  von  Niccol^i  Porpora, 
welcher  ihm  spater  in  Dresden  manchen  Kummer  bereiten  sollte.  Hasse 
konnte    sich    nicht    mit   ihm   befreunden  unci   ging   daher   in  die  Lehre 

1)  Selbst  durchaus  deutsche  Stoffe  erhielten  italienischen  Text.  So  zitiert  Hasche 
(Diplomatische  Geschichte  Dresdens,  Dresden  1819,  4.  Teil)  ein  FastnachtsstUck  vom 
Jahre  1748,  »Der  Dresdner  Schlendrian*.  Der  Text  stammte  von  Metastasio, 
die  Musik  von  Hasse.    Das  Werk  ist  verloren  gegangen. 

2,  La  scuola  mimcalc  di  Napoli  c  i  suoi  Conservatorii  1880 — 1884,  IV,  Seite  20. 


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Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse.  233 

Alessandro  Scarlatti's  iiber,  des  idealen  Reprasentanten  der  neapolitani- 
schen  Schule.  Porpora  hat  diesen  Schritt  Hasse  nie  verzeihen  konnen1). 
Die  oben  erwahnte  Oper  II  Tigrane,  aufgefiihrt  am  4.  November  1723, 
wird  nur  von  Florimo  zitiert.  Alle  sonstigen  biographischen  Darstellungen 
nennen  als  erste  Oper  in  Italien  Sesostrate,  aufgefiihrt  am  26.  August  1726 
in  Neapel.  Quanz  traf  Hasse  1725  in  Neapel.  Er  erzahlt  dariiber  in 
seiner  Autobiographic  Folgendes2): 

>Herr  Hasse  _notigte  mich,  bey  ihm  zu  wohnen.  Wir  wurden  gute 
Freunde.  Er  hatte  bis  dahin  noch  keine  offentliche  Musik  in  Walschland 
aufgefiihrt.  Ein  vornehmer  italienischer  Bankier  aber  liefl  von  ihm  eine 
Serenate  fur  zwo  Personen  in  Musik  bringen,  welches  er  nach  Zeit  meiner 
Anwesenheit  bewerkstelligte.  Farinelli  und  die  Tesi  sungen  darin.  Durch 
diese  Serenata  erwarb  sich  Herr  Hasse  so  vielen  Beyfall,  dafi  ihm  gleich 
darauf  die  Musik,  der  im  May  dieses  Jahres,  auf  dem  Konigl.  Theater  vor- 
zustellenden  Oper,  zu  verfertigen  anvertrauet  wurde.  Und  diese  Oper  hat 
ihm  den  Weg  zu  seinem  kiinftigen  Grliick  gebahnt.  Ioh  ersuchte  den  Herrn 
Hasse,  mich  mit  seinem  Meister,  dem  alten  Scarlatti  bekannt  zu  machen, 
wozu  er  auch  gleich  bereit  war.  ADein  er  bekam  zur  Antwort:  »Meijn 
Sohn  (so  pflegete  ihn  Scarlatti  zu  nennen)  ihr  wisset,  daC  ich  die  blasenden 
Instrumente  nicht  leiden  kann,  denn  sie  blasen  alle  falsch.* 

Nach  Quanz'  Darstellung  ware  somit  die  Oper  Sesostrate  vom  Jahre 
1726  das  erste  Opernwerk  Hasse's  in  Italien  gewesen.  Von  der  von 
Florimo  zitierten  Oper  II  Tigrane  sind  weder  Textbuch  noch  Musik  er- 
halten. 

Die  Oper  Sesostrate,  unter  Scarlatti's  Auspizien  aufgefiihrt,  brachte 
dem  27jahrigen  Maestro  groBe  Ehren.  Er  genoB  nicht  nur  Anerkennung 
als  Komponist,  sondern  entziickte  auch  alle  Horer  durch  Gesang  und 
Klavierspiel.  Das  Gliick  war  ihm  besonders  giinstig;  er  siedelte  1727 
nach  Venedig  liber  und  wurde  daselbst  Kapellmeister  am  Conservatorio 
degli' Incurabili.  Doch  auch  in  Deutschland  hatte  er  Karriere  machen 
konnen.  Der  Hof  in  Braunschweig  wollte  Konrad  Friedr.  Hurlebusch 
1725  in  Dienste  nehmen;  die  Verhandlungen  zerschlugen  sich  aber,  weil 
zu  einem  anderen  Grunde  noch  der  hinzukam,  »daB  eine  sich  ere  groBe 
Dame  bey  Hofe  den  beriihmten  Hasse  als  Vicecapellmeister  wieder  ins 
Land  ziehen  wollte*3). 

In  Venedig  als  Kapellmeister  komponierte  Hasse  1728  >per  le  donxeUe 
degV  IncurabilU 4)   ein  Miserere,  *a  quattro  rod:  due  soprani  e  due  contra- 

1)  Burney  (a.  a.  0.;  berichtet,  Hasse  hahe  geleugnet,  daB  ihn  Porpora  bei  Scar- 
latti eingefuhrt  habe.  »Br  sagte,  Scarlatti  habe,  als  er  ibn  das  erstemal  gesehen; 
gliicldicherweise  eine  solche  Gewogenheit  zu  ihm  gefafit,  daC  er  ihn  nachher  best'andig 
als  ein  z'artlicher  Vater  begegnet  habe.« 

2}  Marpurg,  Beitrage  I,  3.  Stuck,  Seite  227. 

3}  Matt  he  son,  Ehrenpforte,  Seite  122. 

4)  FranBC.  Caffi,  Storia  delta  musiea  sacra,  Venezia  1864. 


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234  Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse. 

alti  —  istrunienti  ad  arco  ed  organo*  *).  Hasse  wurde  bald  eine  populare 
Personlichkeit.  Uberall  sprach  man  mit  Begeisterung  von  dem  *Sassone*. 
Die  Bezeichnung  *il  caro  Sassarie*  bezeichnet  Kretzschmar2)  treffend 
als  eine  >  obligate  Anekdote*.  Diese  Redewendung  war  nie  im  Umlauf; 
sie  stand  hochstens  in  Briefen.  Leider  hat  sich  diese  falschliche  Be- 
nennung  —  zuweilen  gar  *il  divino,  caro  Sassone*  —  bis  in  die  neueste 
Zeit  fortgeerbt3)  nnd  nicht  nur  in  Schriften  vom  Geiste  Heribert  Ban's4]. 
Fur  Neapel  schrieb  Hasse  die  Drammi  con  intermexzi:  Qerone, 
tiranno  di  Siracusa,  19.  November  1727;  im  Friihjahr  1728  Attalo,  Be 
di  Bitinia  mit  dem  Intermezzo  La  Finta  tedesca  nnd  fiir  den  Karneval 
1729  Ulderica  mit  dem  Intermezzo  La  Fantesca.  Auf  dem  Textbuche 
zu  Attalo  findet  sich: 

>La  musica  e  del  Signor  Giovanni  Adolf o  Hasse}  detto  il  Sassone  maestro 
di  Capella  di  S.  A.  S.  il  duca  di  Brunswick*).* 

Hasse's  Bekanntschaft  mit  Faustina  Bordoni  scheint  bereits  1727 
erfolgt  zu  sein.  Faustina's  Lehrer  Michelangelo  Gasparini  und  ihr 
Freund  Benedetto  Marcello  scheinen  Hasse  die  Erlangung  des  Kapell- 
meisterpostens  erleichtert  zu  haben6).  Die  Ehe  mit  dieser  auBerordentlichen 
Sangerin  wurde  1730  in  Venedig  geschlossen.  Hasse  komponierte  1730 
fiir  Venedig  Metastases  Artaserse  und  Nice.  Minato's  Dalisa'1).  In 
beiden  Opera  sang  Faustina  als  Hasse's  Gattin  mit  groBtem  Erfolg.  Auf 
dem  Textbuche  der  neuen  Oper  Ezio,  die  gleichfalls  1730  mit  dem 
Intermezzo  II  Tutore  e  la  Pupitta  in  Neapel  in  Szene  ging  (Florimo), 
lesen  wir: 

>  Musica  del  signor  Giovanne  (sic)  Hasse,  detto  il  Sassone,  prww  maestro 
di  capella  di  S.  M.  il  re  di  Polonia.* 

Dieser  etwas  voreilig  hinzugefiigte  Titel  fiihrt  uns  zu  der  bedeutsam- 
sten  Epoche  im  Wirken  dieses  Kiinstlerpaares,  zu  seiner  Tatigkeit  an  der 
Dresdner  Oper. 

Der  Kronprinz  von  Sachsen,  der  nachmalige  Friedrich  August  HI., 
bemiihte  sich,  im  Verein  mit  seiner  beriihmten  Gemahlin  Maria  Antonia, 
der  Dresdner  Oper  wieder  neues  Leben  zu  geben.     Diese  letztere  hatte 

1)  Das  Original  dieses  Miserere  liegt  in  der  > Capella  Marciana«  in  Venedig, 
wie  mir  freundlichst  mitgeteilt  wurde. 

2;  Vierteljahrsschrift  I,  Seite  231. 

3]  Vergleiche  Niggli,  Faustina  Bordoni-Hasse ,  Leipzig  1880;  auch  Brockhaus' 
Lexikon. 

4)  Sowinski,  Alb.,  Les  musiciens  polonais  et  slaves  ancietis  et  modenies  .  .  . 
(1857)  bringt  die  Bezeichnung  il  gran  Sassone. 

5)  Burney,  A  general  history  of  music,  vol.  IV,  Seite  549. 
6]  Vergleiche  auch  Gerber,  Neues  Lexikon  II,  516. 

7)  Taddeo  Wiel,  I  Tcatri  Mitsicali  Vrnexiani,  Venezia  1897. 


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Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse.  235 

schwere  Verluste  erlitten.  Am  16.  Juli  1729  war  der  verdienstvolle 
Kapellmeister  Johann  David  Heinichen  gestorben,  der  auch  nur  fiir 
kurze  Zeit  die  Dresdner  Oper  leiten  durfte,  urn  fortan  nur  der  Kirchenmusik 
vorzustehen.  Dim  folgte  im  Tode  am  7.  Oktober  der  Konzertmeister  Jean 
Baptiste  Volumnier,  der  nach  Quanz' *)  Urteil  das  konigliche  Hof- 
orchester  Disziplin  in  der  Technik  des  Vortrags  gelehrt  hatte.  An  seine 
Stelle  trat  1728  Johann  Georg  Pis  en  del.  Der  Posten  des  Kapellmeisters 
war  noch  frei  —  da  gedachte  man  Hasse's  und  lud  ihn  mit  seiner  Ge- 
mahlin  1731  nach  Dresden  ein.  Aus  Brief  en  vom  1.  und  8.  Juni,  die 
zwischen  dem  sachsischen  Gesandten  Graf  Villio  in  Venedig  und  dem 
Kabinetsminister  Marquis  de  Fleury  gewechselt  wurden,  ersieht  man,  daB 
Hasse  krankheitshalber  nicht  sogleich  abkommen  konnte  2).  Er  war  schon 
damals  >mal  de  sa  goutte*. 

Uber  Hasse's  Wirksamkeit  in  Dresden  unterrichtet  uns  Moritz 
Piirstenau  ziemlich  zuverlassig3). 

Das  Ehepaar  traf  am  7.  Juli  1731  in  Dresden  ein ;  schon  am  folgenden 
Tage  debutierte  Faustina  privatim  vor  denj.  Konig.  Am  13.  September 
wurde  die  Oper  Cleofide  (=  Alessandro  netle  Indie)  mit  ganz  auBerordent- 
lichem  Erfolge  aufgefiihrt.  Die  »CuriosaSaxonica«  bringen  ein  begeistertes 
Referat.  Einem  Schreiben  des  Kabinetsministers  vom  15.  September 
konnen  wir  entnehmen,  daB  Hasse,  wie  seine  Gemahlin,  alle  Erwartungen 
des  Hofes  uberboten  hatte.  Joh.  Seb.  Bach  wohnte  der  Auff uhrung  mit 
seinem  Sohne  Friedemann  bei;  als  er  am  nachsten  Tage  durch  sein 
Orgelspiel  in  der  Sophienkirche  Hasse  begeistert  hatte,  begannen  zwischen 
diesen  beiden  Antipoden  dauerhafte  Beziehungen,  die  auf  gegenseitiger 
Anerkennung  beruhten  (Spitta).  Hasse's  Cleofide  wurde  noch  einige  Male 
aufgefiihrt.  Nach  Furstenau  sollen  die  letzten  Auffiihrungen  dieses 
Werkes  im  Karneval  1732  stattgefunden  haben.  Wenn  dies  den  Tat- 
sachen  entspricht,  so  leitete  Hasse  diese  Auffiihrungen  nicht;  denn  wir 
finden  ihn  schon  im  gleichen  Jahr  1731  in  B-om,  zur  ersten  Auffiihrung 
seiner  Oper  Cajo  Fabricio  (mit  dem  Intermezzo  La  Contadina),  in  der 
Felice  Salimbeni  zum  ersten  Male  sang4);  auch  fand  schon  1731  die 
Erstauffiihrung  seiner  Oper  Arminio  in  Mailand  statt.  DaB  Faustina  am 
7.  Oktober  1731  Dresden  schon  wieder  verlieB,  geht  aus  einem  weiteren 
Schreiben  des  Marquis  von  Fleury  hervor6).    Faustina  erhielt  vom  Konig 


1)  Marpurg,  Beitrage  I,  3.  Stiick,  Seite  206. 

2)  K6nigliche8  Geheimes  Staatsarchiv  Dresden. 

3)  Beitrage  zur  Geschichte  der  Koniglich  sachsischen  musikalischen  Kapelle,  1849. 
Zur  Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters  am  Hofe  zu  Dresden,  1861—1862.  Sach- 
sengriin,  Kulturgeschichtliche  Zeitschrift,  Dresden  1861,  I,  115. 

4)  Hiller,  WGchentliche  Nachrichten,  1766,  27.  Stuck. 
5}  Konigliches  Geheimes  Staatsarchiv  Dresden. 


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236  Carl  Mennicke,  Johanu  Adolph  Hasse. 

6000  Taler  »pour  la  dddommager  de  ce  que  luy  a  couU  la  visite  qu'elle 
hit  a  faite  et  <kmt  tout  le  monde  a  profits*.  Auf  das  vielumstrittene 
Liebesverhaltnis  Faustina's  zu  Friedrich  August  II.  einzugehen,  ist  fiir 
die  Musikwissenschaft  wertlos. 

Hasse  verlieB  Dresden  1731  mit  dem  Titel  eines  »K6nigl.  polnischen 
und  Kurfiir8tl.  sachs.  Kapellmeisters*.  Fur  Venedig  komponierte  er  1732 
Metastases  II  Demetrio  und  Lalli's  Euristeo.  II  Demetrio,  identisch 
mit  Cleonice,  wurde  auch  1733  in  Wien  aufgefuhrt  *),  wo  auch  im  gleichen 
Jahr  Siroe,  Re  di  Persia  in  Szene  ging,  das  kurze  Zeit  vorher  auf  dem 
Theater  Malvezzi  in  Bologna  die  Erstauffiihrung  erlebte2).  In  Bologna 
wurde  Siroe  26mal  aufgefuhrt.  Hasse  erhielt  fiir  die  Partitur  und  seine 
Mitwirkung  an  19  Auffuhrungen  1260  Lire.  Reisende  Opern-Gesellschaften 
nahmen  Hasse'sche  Werke  in  ihr  Repertoir  auf.  In  Brussel  wurde  1730 
von  der  italienischen  Truppe  >Peruzzi  e  Brillandi*  Hasse's  Attab  auf- 
gefuhrt3). Pietro  Mingotti  begann  im  Herbst  1736  in  Graz  sein 
wanderndes  Theater  aufzuschlagen4).  Er  fiihrte  daselbst,  wie  auch  spater 
in  Liibeck5),  neben  Galuppi  und  Giacomelli  auch  Hasse  auf6).  Hasse's 
Ansehen  in  der  musikalischen  Welt  war  bereits  so  gewachsen,  daB  die 
unter  dem  Protektorate  des  Prinzen  von  Wales  stehende  neue  Londoner 
Opera -Gesellschaft  es  riskierte,  Hasse  einzuladen,  um  dem  anderen 
»Sassone*y  Handel,  einen  Rivalen  gegeniiber  zu  stellen  (Chrysander, 
Handel,  II).  Hasse  scheint  mit  Widerstreben  nach  London  gegangen  zu 
sein ;  er  schrieb  fiir  London  eine  Umarbeitung  seines  Artaserse  von  1730. 
Die  Auffiihrung  fand  1733  statt;  er  beteiligte  sich  noch  an  einigen 
Pasticci,  verlieB  dann  aber  bald  England,  um  dem  weit  uberlegenen 
Handel  aus  dem  Wege  zu  gehen,  und  kehrte  nach  Italien  zuruck. 

Die  definitive  Anstellung  in  Dresden  erfolgte  1734.  Wie  ein  vom 
10.  Juni  1734  datiertes  Aktenstiick  besagt,  bezog  Hasse  mit  seiner  Ge- 
mahlin  ein  Gehalt  von  6000  Talern  nebst  1500  (?)  Talern  Reisegeld.  Am 
Karfreitag  1734  wurde  Hasse's  Oratorium  II  cantico  di  tre  Fanciulli,  am 
8.  Juli  die  Oper  Cajo  Fabricio  aufgefuhrt 7).  Der  sachsische  Hof  reiste 
am  3.  November  nach  Warschau  ab,  und  somit  fand  Hasse  wiederum 
Gelegenheit,  nach  Italien  zu  gehen.    In  Venedig  fiihrte  er  1735  wiederum 


1)  Alex,  von  "Weil en,  Zur  Wiener  Theatergeschichte,  Wien  1901. 

2)  Corrado  Ricci,  J  Teatri  di  Bologna,  Bologna  1888. 

3)  Alf.  Wotquenne,  Catalogue  de  la  Bibliotheque  du  Conservatoire  de  Musiqtie 
de  Bruxelks.  1898,  vol.  I. 

4}  Die  osterreichi8ch-ungarische  Monarchie  in  Wort  und  Bild,  83.  Lieferung. 
5)  C.  S  tie  hi,  Geschichte  des  Theaters  in  Liibeck,  Liibeck  1902. 
6;  Nicolo  Peretti  begann  in  Liibeck  am  8.  Juli  1755  mit  seinem  Kapellmeister 
Antonio  Duni  unter  anderm  die  Auffiihrung  von  Werken  Hasse' s. 

7;  Yergleiche  den  Bericht  in  den  >Curiosa  Saxonica*  vom  » Julius  1734*. 


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Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse.  237 

Cajo  Falnicio  auf  und  auch  die  neue  Oper  Alessandro  neUe  Indiex).  Im 
Januar  1737  kehrte  das  Ehepaar  nach  Dresden  zuriick.  Schon  am 
8.  Februar,  nach  den  >Curiosa  Saxonica*,  zum  Geburtstag  der  Kaiserin 
Anna  von  Russland,  erlebte  Pallavicini's  Senocrita  mit  Hasse's  Musik 
die  Urauffiihrung.     Faustina  war  die  Heldin  des  Tages. 

Wir  unterlassen  es  im  Folgenden,  alle  Werke  aufzufuhren,  die  Hasse 
fiir  irgendwelche  Hoffestlichkeiten  komponierte2).  Wir  erwahnen  jetzt 
nur  noch  einzelne  hervorstechende  Punkte  in  dem  bewegten  Leben  dieses 
denkwiirdigen  Kiinstlerpaares. 

Im  September  1738  reiste  das  Ehepaar  wieder  nach  Italien.  Zum 
Karneval  1739  wurde  in  Venedig  die  neue  Oper  Vitiate  aufgeftihrt, 
welche  dem  Kurprinzen  Friedrich  Christian  von  Sachsen  gewidmet  war; 
dieser  Furst  scheint  1763  diese  Dedikation  vergessen  zu  haben.  In  einem 
Schreiben  vom  4.  Mai  1739  bat  die  Konigin  von  Spanien  ihren  koniglichen 
»Vetter«  in  Dresden  um  die  Erlaubnis,  das  Ehepaar  Hasse  nach  ihrer 
Residenz  einladen  zu  diirfen.    Das  Gesuch  wurde  abschlagig  beschieden: 

>  Hasse  souvmt  incwnmodS  par  la  goutte  et  la  Faustine  commencant  a 
baisser  beaucoup  aussi  en  forces,  de  sorte  quelle  Stoit  fort  rarement  en  itat  ou 
tfhumeur  de  chattier  et  que  par  les  memes  raisons  ils  quitteroient  dans  peu  Venise 
dans  le  dessein,  de  fmir  tranquillement  leurs  jours  en  Saxe  sans  plus  faire  des 
excursions  au  dehors.  € 

Am  8.  Februar  1740  wurde  in  Dresden  zum  erstenmale  Hasse's  II 
Demetrio,  eine  neue  Fassung,  mit  Pergolese's  La  serva  Padrona  als 
Intermezzo  aufgefuhrt.  Zum  erstenmale  dirigierte  Hasse  ein  Werk,  das 
er  nicht  komponiert  hatte.  Die  Jahre  1740—1743  verbrachte  Hasse  in 
Dresden ;  1744  finden  wir  ihn  in  Venedig.  In  einem  Briefe  vom  25.  Sep- 
tember bittet  er  um  Zusendung  des  Textbuches  der  neuen  Oper  zum 
nachsten  Carneval.  (Das  Original  des  Briefes  im  Sachsischen  Staats- 
archiv  Dresden.)  Das  Jahr  1742  bringt  Hasse  die  wertvolle  Bekanntschaft 
Friedrichs  des  GroBen. 

Am  19.  Januar  zog  Friedrich  II.  in  Dresden  ein.  Zur  Feier  des 
Tages  wurde  Arminio  erstmalig  aufgefuhrt.  Friedrich  II.  war  ent- 
ziickt,  wie  aus  dem  Brief  wechsel  mit^  dem  Graf  en  Algarotti  hervorgeht. 
Er  lieB  sich  Arien  aus  dieser  Oper  nach  seinem  Hauptquartier  kommen 3). 


1)  Das  Textbuch  zu  Cleofide,  Dresden  1731,  wurde  von  einem  Chevalier  Boc- 
cardi  nach  Metastasio's  Alessandro  nelle  Indie  bearbeitet.  Da  Hasse  ein  und  das- 
selbe  Libretto  gern  mehrmals  komponierte  und  weil  die  Partituren,  um  Vergleiche 
anzustellen,  schwer  zu  beschaffen  sind,  laCt  es  sich  nicht  entscheiden,  ob  die  Oper 
Alc8scmdroy  Venedig  1736,  mit  der  Cleofide  von  1731  identisch  ist. 

2)  Der  Verfasser  dieser  Zeilen  bereitet  einen  bibliographisch-thematischen  Katalog 
aller  Opern  vor. 

3)  Georg  Thouret,  Friedrich  der  GroCe  als  Musikfreund  und  Musiker,  Leip- 
zig 1898. 


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238  Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse. 

Am  11.  Januar  1743  lieB  er  in  Berlin  Hasse's  Clemenxa  di  Tito  auf- 
fiihren;  sein  Kapellmeister,  Karl  Heinrich  Graun,  saB  am  Fliigel  und 
bewies,  »daB  er  nicht  nur  in  seine  eigene  Arbeit  verliebt  war*1).  Sein 
Interesse  fiir  Hasse  blieb  wach:  durch  den  Comte  von  Bessenvoie  lieB 
er  sich  am  5.  Mai  1744  aus  Dresden  die  Partitur  von  Basse's  Antigono 
schicken2).  Als  Friedrich  II.  im  Dezember  1745  nach  der  Schlacht  von 
Ke8sel8dorf  in  Dresden  einzog,  befahl  er  fiir  den  19.  Dezember  eine 
Wiederholung  von  Arminio.  Aus  Potsdam  schreibt  Friedrich  H.  unter 
dem  18.  Juli  1746  an  seine  Schwester  Wilhelmine:  »Je  n'ai  point  entendu 
chanter  Hasse,  mais  je  connais  son  gout  qui  est  admirable**).  Am 
13.  Januar  1747  lieB  er  in  Berlin  Hasse's  Arminio  auffuhren.  In  einera 
von  C.  F.  Christian  Fasch  geschriebenen  Verzeichnis  aller  92  Opern,  die 
unter  Friedrich  dem  GroBen  zur  Auffiihrung  gelangten,  findet  sich  ein 
einziges  Mai  bei  der  Oper  Arminio  von  Hasse  der  Zusatz,  daB  diese 
eine  vortreffliche  Oper  sei4,.  Als  Hasse  mit  dem  Sanger  Monticelli 
einer  Einladung  Friedrich's  1753  gefolgt  war  und  sich  in  einem  Kammer- 
konzert  hatte  horen  lassen,  erhielt  er  (wie  sein  Reisegenosse)  die  ubliche 
Tabatifcre  und  einen  Brillantring5).  Hasse  hatte  bei  dieser  Gtelegenheit 
Friedrich's  Cembalisten,  Phil.  Emmanuel  Bach,  wie  auch  Fasch  sehr 
gelobt.  Friedrich  H.  furchtete  deshalb,  Hasse  wolle  beide  Kiinstler 
nach  Dresden  ziehen,  da  er  glaubte,  sein  vorzuglieher  Sanger  Salimbeni 
sei  auch  nur  auf  Hasse's  Zutun  an  die  Dresdner  Oper  iibergegangen6). 
Hasse's  Beziehungen  zu  Friedrich  n.  scheinen  aber  durch  solche  Zwischen- 
falle  nicht  getriibt  worden  zu  sein,  denn  Friedrich  schreibt  noch  am 
5.  Januar  1777  an  die  Kurfurstin  Anna  Amalie  sehr  liebevoll  liber 
Hasse's  Oper  Cleofide,  welche  um  diese  Zeit  in  Berlin  auf gef iihrt  wurde 7). 
Friedrich  H.  schatzte  seinen  Kapellmeister  Karl  Heinrich  Graun  sehr, 
aber  seine  Vorliebe  fiir  Hasse  ist   unverkennbar.     Das  Exemplar    des 


1)  Brachvogel,  Geschichte  des  Koniglichen  Theaters  in  Berlin,  Berlin  1877. 
Briefe  zur  Erinnerung  an  merkwiirdige  Zeiten,  1778. 

2)  Konigliches  Geheimes  Staatsarchiv  Berlin.  Am  18.  Februar  1744  war  Antigono 
zum  14.  Male  aufgefuhrt  worden  (Sachsischer  Hof-  und  Staatskalender  auf  1745). 

3)  Ebenda. 

4)  C.  F.  Zelter,  Carl  Fr.  Christ.  Fasch,  Berlin  1801. 

6)  Haude-  und  Spener'sche  Zeitung  vom  7.  und  10.  April  1763. 

6}  Der  Graf  von  Wackerbarth  schreibt  aus  Dresden  am  10.  Juli  1751  an  Ma- 
dame la  Dauphine,  die  Auffiihrung  von  Hasse's  Leucippo  betreffend,  Folgendes: 
»Mf  Salimbeni  a  emporte  les  applaudissemenls  de  (out  le  monde.  Ce  virtuoso  a  paru 
renaitre  comme  le  Phcnix  de  ses  cendres,  je  veux  dire  qu'il  a  repris  une  nouveUe  force 
et  un  nouvel  agrement  depuis  la  longue  maladie  qifil  avail  essuye  a  Berlin  qui  Pa 
oblige  de  quitter  le  service  de  S.  M.  Pnt&sienne,* 

7 1  Moritz  Furstenau,  Maria  Antonia  Walpurgis,  Kurfurstin  von  Sachsen.  Eine 
biographische  Skizzc.     Monatshefte  fur  Musikgeschichte  IX,  Seite  178. 


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Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse.  239 

Hasse'schen  Oratoriums  La  conversions  di  S.  Agostino  in  der  Bibliothek 
des  Joachimsthalschen  Gymnasiums  (Cliarlottenburg)  tragt  die  Bemerkung: 

»Le  roi  a  fait  executer  cet  oratoire  a  trois  differmtes  reprises  par  sa  Cha- 
pdle  d  son  nouveau  chateau  a  Potsdam,  le  18,  le  20  ct  h  24  de  juittet  1768. « 

Friedrich  verband  sich  auch  kompositorisch  mit  Hasse.  Das  Exem- 
plar des  Schaferspiels  II  Trionfo  delta  Fedelta  1753  auf  der  Joachimsthal- 
schen Bibliothek  —  Hasse  war,  wie  schon  erwahnt,  1753  in  Berlin  — 
nmfaBt  eine  Sinfonia  (34  Takte,  mit  Uberleitung)  und  die  erste  Szene  von 
Hasse,  die  zweite  Szene  >di  Friderico«,  ein  Andante,  dessen  Autor 
nicht  angegeben  ist,  ein  Allegro  von  Hasse,  ein  Allegro  ma  rum  troppo 
von  Georg  Benda,  zwei  weitere  Satze  ohne  Autorenangabe  und  einen 
SchluBchor  von  Graun,  wozu  noch  bemerkt  sei,  daB  diese  Stiicke  Vokal- 
nummern  mit  Instrumentalbegleitung  sind. 

Die  denkwiirdige  Auffiihrung  von  Arminio  auf  Befehl  Friedrich's  H. 
blieb  vorlaufig  die  letzte  Opern-Auf  f  iihrung  in  Dresden.  Nach  AbschluB  der 
Friedens-Verhandlungen  blieb  das  Opernhaus  geschlossen.  Nur  der  schon 
erwahnte  Pietro  Mingotti  durfte  in  einem  provisorischen  Holzbau  mit 
seiner  Truppe  Opera  auffuhren.  Im  Juli  1746  finden  wir  Hasse  mit 
seiner  Gemahlin  in  Miinchen.  Der  musikalische  Hof  zeigte  seine  eigene 
Kunstfertigkeit  und  beschenkte  beide  reichlich.  Nachdem  hierauf  Hasse 
den  Herbst  in  Venedig  verbracht,  beriihrte  er  auf  der  Riickreise  nach 
Dresden  wiederum  Miinchen.  Ein  Brief  aus  dieser  Stadt  vom  28.  De- 
zember  1746  teilt  uns  mit,  daB  Hasse  wiederum  *la  goutte*  plagt,  und 
daB  er  infolgedessen  die  in  Miinchen  fertiggestellte  Partitur  der  Oper 
Semiramide  nach  Dresden  per  Estafette  schicken  muB.  Die  folgenden 
Jahre  lieBen  das  Gliicksschiff  Hasse's  arg  schwanken.  Im  Juni  1747 
erhielt  Faustina  in  Caterina  Regina  Mingotti  eine  ernste  Rivalin,  die  vom 
Hofe  hoch  geschatzt  wurde.  Ihr  Lehrer  und  Protektor,  Niccolk  Porpora, 
<ler  einstige  Lehrer  Hasse's,  der  1747  als  Gesanglehrer  Maria  Antonia's  nach 
Dresden  verschrieben  worden  war,  wurde  Hasse  1748  als  Kapellmeister 
beigegeben1).  In  den  Verzeichnissen  der  *  Koniglichen  Kapell-  und 
Kammermusik«  in  den  Koniglich  Polnischen  und  Churfiirstlich  Sach- 
sischen  Hofkalendern  wird  zwar  Porpora  nie  als  Kapellmeister,  sondern 
neben  Bach  undZelenka  (!)  als  Kirchen-Kompositeur  aufgefiihrt,  aber 
aus  Aktenstucken  ergibt  sich,  daB  er  nominell  Kapellmeister  war.  DaB 
Hasse  seinen  Rivalen  nicht  aufkommen  liefi  und  schlieBlich  zu  diesem 
Zweck  wenig  saubere  Mittel  anwandte,  kann  man  erklarlich  finden.  Aber 
das  Ehepaar  hatte  doch  einige  Jahre  mit  der  Konkurrenz  zu  kampfen. 
Porpora  wurde  erst  am  31.  Juli  1752  mit  400  Talern  pensioniert,  Regina 


lj  Der  Kronprinz  Friedrich  Christian  hatte  in  Neapel  1739  Porpora  als  Sanger 
und  Komponist  kennen  gelernt  >et  enroya  en  echange  une  ?nantre  d'or*. 


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240  Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse. 

Mingotti  verlieB  die  Dresdener  Biihne  im  Januar  1752  ohne  Pension. 
Das  Jahr  1750  sah  das  vom  Gliick  begunstigte  Ehepaar  am  franzosischen 
Hofe.  Das  musikalische  Paris  iiberbot  sich  in  Huldigungen.  Im  August 
desselben  Jahres  kehrte  Hasse  wieder  nach  Dresden  zuriick.  Der  Graf 
Wackerbarth  entdeckte  sogleich  eine  Wandlung  in  Hasse's  musikali- 
schen  Ausdrucksformen: 

*R  y  a  eu  beaucoup  de  tnonde  qui  ont  dit  que  Mons.  Hasse  s*6tait  forme 
un  nouveau  gout  pour  la  musique  d&puis  son  retour  de  Paris  et  qv!il  avail 
su  faire  id  une  tres  bonne  application  de  quantite  de  belles  et  bonnes  chose  $ 
quHl  avail  entendues  en  France .  . . « 

Ein  Dekret  vom  7.  Januar  1750  batte  Hasse  »in  Ansebung  seiner 
besitzenden,  besonderen  Meriten,  Erfahrung  und  Geschicklichkeit*  zum 
Ober-Kapellmeister befordert.  Vize-Kapellmeister  wurde  Giovanni  Ristori. 
Die  kluge  Faustina  zog  sicb  1751  nacb  der  letzten  Auffiihrung  der  Oper 
Ciro  riconoseiuto  von  der  Buhne  zuriick.  Die  Oper  Otimpiade,  am 
16.  Februar  1756  aufgefiihrt,  sollte  vorlaufig  die  letzte  sein,  denn  im 
August  1756  bracb  der  siebenjahrige  Krieg  aus.  Friedricb  II.  bezog  in 
Dresden  Quartiere  und  macbte  der  grenzenlosen  Yerscbwendung  des 
sachsischen  Hofes  ein  jahes  Ende.  Opern-Auffuhrangen  unterblieben. 
Hasse  wurde  eifrig  zu  den  Kammer-Musikabenden  des  Konigs  heran- 
gezogen  und  muBte  sicb  aucb  eifrig  der  Kirchenmusik  zuwenden,  der 
Friedricb  regebnaBig  beiwohnte. 

Ln  Jahre  1757  finden  wir  Hasse  schon  wieder  in  Venedig.  Ein  Brief 
vom  3.  September  1757,  an  Algarotti  gerichtet,  spricbt  die  Absicht  aus, 
Padre  Martini  in  Bologna  zu  besucben1).  Auch  nach  Paris  kam  Hasse 
nocb  einmal.  Er  wohnte  daselbst  einer  Auffiihrung  von  Lully's  Aleeste 
bei.  Grimm  in  seiner  >  Correspondance  UttSraire*2)  schreibt  hieriiber  am 
15.  Januar  1758: 

»Mr.  Hasse  qui  avail  entendu  parler  de  la  legerete  et  de  la  petuleme 
franoaiseSy  ne  se  lassait  point  lorsqu'  il  fut  en  ce  pays-ci  d* admirer  la 
patience,  avec  laquelle  on  ecoutait  a  Coperaf  une  musique  lourde  et  monotone.* 

In  Neapel  brachte  Hasse  1758  die  Opern  Demofonte,  Achitte  in  Sciro. 
in  Venedig  La  Nitetti  und  in  Neapel  1759  auf  dem  Teatro  8.  Carlo  La 
Clemenxa  di  Tito  zur  Auffiihrung.  Die  erste  Auffiihrung  der  Oper  Demo- 
foonte  in  Dresden  fand  am  7.  Oktober  1759  statt.  Im  Juli  1760  muBte 
Hasse  erleben,  daB  bei  dem  Bombardement  Dresdens  durch  Friedrich  n. 
auch  sein  Wohnhaus  in  Flammen  aufging  und  mit  ihm  die  zum  Stich 
vorbereitete  Gesamtausgabe  seiner  Werke.     Schon  am  31.  Juli  1756  hatte 

1)  La  Mara,  Musikerbriefe  aus  5  Jahrhunderten,  Leipzig  1866. 

2)  Correspondance  litterairc,  philosophique  et  critique.  Premiere  Partie.  Tome  second, 
p.  213.    Paris  1813. 


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Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse.  241 

Hasse  fur  seinen  Verleger  Breitkopf  das  Privilegium  »cum  iure  prohibendi 
et  facultate  cedendi*  erhalten. 

Hasse  ging  bald  nach  Venedig  zuriick,  folgte  einer  Einladung  des 
Wiener  Hofes  und  schrieb  fiir  den  Wiener  Hof  einige  Jahre  hindurch 
verschiedene  Werke  fiir  Hoffestlichkeiten,  Drammi,  Azioni  teatrali,  Compli- 
menti  und  dergleichen.  Von  1758—62  hatte  der  KoniglicheHof  in  Warschau 
verschiedene  Werke  seines  Ober-Kapellmeisters  zur  Auff  uhrung  gebracht. 
Als  der  Friede  von  Hubertusburg  abgeschlossen  war,  war  Hasse  wieder 
eifrig  in  Dresden  tatig  und  erlebte  am  3.  August  1763  die  letzte  Auf- 
f uhrung  einer  seiner  Opern  in  Dresden,  des  neuen  Werkes  Svroe.  Am 
5.  Oktober  starb  der  Kurf first.  Sein  Nachfolger  Friedrich  Christian  loste 
Oper  wie  Komodie  auf.  Schon  nach  zwei  Tagen  wurde  das  Ehepaar 
mit  schmahlichem  Undank  ohne  Pension  entlassen.  Hasse  soil  mit  seiner 
Frau  30000  Taler  zu  fordern  gehabt  haben;  gegen  eine  Aversalsumme 
von  12000  Talern  (?)  verzichteten  sie  am  30.  April  1764  auf  samtliche 
Anspriiche.  Am  23.  Januar  1764  wurde  Hasse  ein  Dekret  ubersandt, 
datiert  vom  19.  Januar:  Decretum  de  dignitate  Suprenn  Musices  Rectoris 
Ioanni  Adolpho  Hasse  dmuo  concessa.  Wir  zitieren  noch  aus  diesem 
Dekret: 

> Declaramus  itaque  et  nominamus  supradictum]  Joannem  Adolphinum 
Hasse,  Domini  EUctoris  Saxonias  Supremum  Musices  Eeetorem}  volentes,  ut 
ab  omnibus  et  singulis  pro  tali  habeatur  et  reputetur,  honoribusque^  muneri. 
Mo  in  aula  Electorali  Saxonia  fribui  solitis,  omni  data  gaudeat  occasione.* 

In  Wien  wurde  das  Ehepaar  freudig  aufgenommen.  Im  Etat  der 
Kiuserlich-Koniglichen  Hof-  und  Kammermusik  zu  Wien  1766  stent 
zu  lesen: 

»3)  finden  sich,  neben  dem  hochberuhmten  K.  P.  dermahlen  Chursachs. 
Herrn  Hofcapellmeistern  J.  A.  Hasse,  dessen  Anwesenheit  in  Person  allhier 
wir  zu  wissen  das  Gliick  haben  .  .  . «  i). 

In  Wien  verkehrte  Hasse  unter  anderen  mit  Metastasio,  mit  dem  Herrn- 
huter  Graf  en  Zinzendorf  und  dem  Grafen  Sporck,  welcher  den  Text  zum 
Oratorium  Sanf  Elena  ai  Calvario  dichtete. 

Aus  einem  Brief e  vom  30.  September  1769,  den  Hasse  an  Giovanni 
Maria  Ortes  nach  Venedig  schrieb,  erfahren  wir,  daB  er  einen  >Mr.  Mo- 
zard«  kennen  gelernt  hat2).  Metastasio  und  er  unterstiitzten  auf  Bitten 
Leopold  Mozart's  den  jungen  Maestro  (Jahn,  Mozart).  In  der  Widmung 
einer  Sonate  von  1764,  in  London,  am  18.  Januar  1765  geschrieben  und 
an  die  Konigin  Charlotte  von  GroBbritannien  gerichtet,  sagt  Mozart: 

1)  Hiller,  Wochentliche  Nachrichten  1766,  13.  Stiick  (vom  23.  September). 
2}  Kretzschmar,  Aus   Deutschlands    italienischer  Zeit,  Jahrbuch   der   Musik- 
bibliothek  Peters,  Leipzig  1901. 

s.  a.  I.  M.  v.  16 


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242  Carl  Mennicke,  Johann  Adolph  Hasse. 

»  . .  .  3Iais  que  je  vive,  et  un  jour  je  lui  offrirai  un  don  digne  a*  Elk  et  d<* 
toi\  car  avec  ton  secours,  fegalerai  la  gloire  dc  tons  les  grands  hommes  de  ina 
patrie,  je  deviendrai  immortel  comvie  Handel  et  Hasse,  et  mon  nom  sera  aussi 
relebre  que  celui  de  Bach* 1). 

Am  31.  August  1771  besuchte  Mozart  in  Mailand  den  soeben  an- 
gelangten  Hasse2).  Als  am  2.  November  1771  in  Mailand  Hasse's  Fest- 
oper  Ruggiero  gegen  Mozart's  Ascanio  in  Alba  durchfiel,  soil  Hasse  aus- 
gerufen  haben:  *Questo  ragaxxo  far  a  dimmticar  tuttif* 

Gegen  junge  Talente  war  Hasse  neidlos  gesinnt.  Einen  Schiiler  Tar- 
tini's,  den  nachmaligen  sachsischen  Ober-Kapellmeister  Johann  Grottlieb 
Naumann  hat  er  groBes  Interesse  entgegengebracht;  er  sagte  seinem 
jungen  Landsmann:  er  solle  ja  nicht  saumen,  der  Dritte  zu  werden,  den 
Italien  unter  dem  Beinamen  des  Sachsen  kennen  lerne.  Auch  Faustina 
war  Naumann  giinstig  gesinnt3). 

Jomelli  und  der  junge  Haydn  beugten  sich  gern  vor  Hasse's 
KiinstlergroBe.  Jomelli  und  Cardani  hatte  er  den  Weg  geebnet,  und 
1768  schlug  er  auf  Befragen  Trajetta  zum  Direktor  des  Konservatoriums 
degl' Incurabili  vor4). 

Er  hatte  Schiiler  hoher  Herkunft:  in  Dresden  die  Kurfurstin  Anna 
Am  alia,  der  er  bei  der  Komposition  ihrer  Oper  II  Trimifo  delta  Fedelta 
behiilflich  war5).  Ferner  unterrichtete  er  die  Kaiserin  Maria  Theresia, 
die  von  ihrem  Lehrer  sagte:  »//  a  tte  le  'premier  qui  a  rendu  lamusiqitc 
plus  agrtable,  plus  Ugere* 6).  In  Wien  unterrichtete  er  ferner  die  Schiilerin 
Haydn's,  Marianne  di  Martinez,  die  1782  mit  dem  Oratorium  Isacco, 
figura  del  Bedentore  als  Komponistin  groBen  Erfolg  hatte.  75  Jahr  alt, 
nahm  sich  Hasse  in  Venedig  Abt  Yogler's  mit  der  Liebe  eines  Vaters 
an7).  Vogler  komponierte  unter  Hasse's  Aufsicht  italienische  Arien.  Im 
Oktober  1775.  schied  Hasse  von  Vogler  mit  den  Worten:  »che  la  musica 
sia  chiara,  semplice  ma  sublime*',  Faustina  beschwor  Vogler,  nie  erne 
opera  buffa  zu  schreiben,  weil  sie  besorgte,  der  erhabene  Gesang  mochte 
darunter  leiden.  Als  Vogler  1774  bei  dem  ehemaligen  kursachsischen 
Kontra-Altisten  Domenico  Annibali  konzertierte,  lieh  ihm  Hasse  den 
besten  Fliigel  seiner  Zeit.  In  Venedig  unterrichtete  Hasse  auch  einen 
Musiker  namens  L.  Kornacher*). 


1)  Kochel,  Seite  32 ff. 

2)  Nohl,  Mozartbriefe,  Salzburg  1865,  Seite  26. 

3)  A.  Gr.  MeiCner,    Bruchstucke  zur  Biographie  J.  G.  Naumann's.    Zwey  Teile. 
Vien  1814. 

4)  Kretzschmar,  a.  a.  0. 

5)  Rudhart,  Geschichte  der  Oper  am  Hofe  zu  Munchen,  Freising  1865. 
6,  Arneth,  Briefe  Maria  Theresia's,  3  Bande. 

7;  E.  v.  Schafhautl,  Abt  G.  Joseph  Vogler,  Augsburg  1888. 

8   Vogler,  Betrachtungen  der  Mannheimer  Tonschule  I,  Seite  193,  Mannheim  1778. 


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Carl  Mennicke.  Johann  Adolph  Hasse.  243 

Streitigkeiten  hatte  Hasse  nur  mit  seinem  ehemaligen  Lehrer  Porpora 
imd  mit  Gal  up  pi.  Im  Verkehr  mit  clem  letzteren  scheint  Hasse,  der 
so  beliebte  » Padre  della  Musim*1),  kunstlerisches  Anstandsgefiihl  nicht 
immer  bewiesen  zu  baben.  Hasse  nahm  1780  G-aluppi  (Buranello)  die 
Komposition  eines  Te  Deum  mit  der  Begriindung,  Galuppi  sei  zu  alt;  Ga- 
luppi  war  jedoch  sieben  Jahr  jiinger  als  Hasse  (Florimo). 

Von  1773  an  lebte  Hasse  in  Venedig;  von  der  Gicht  war  er  heftig  ge- 
plagt.  Kurz  vor  seinem  Tode  scheint  er  durch  den  Bankerott  eines 
Bankhauses,  dem  er  sein  Vermogen  anvertraut  hatte,  groBe  Verluste  er- 
litten  zu  haben2).   Er  starb  am  16.  Dezember  1783.   Florimo  berichtet: 

»  . .  .  in  etd  di  85  (es  muB  heifien  84),  dopo  giorni  di  male  obbligato  a 
letto  con  podagra,  fine  di  vivere  oggi  alle  ore  20  a  motivo  d?  infla/m/niaxiwie  di 
petto:  U  di  lui  cadavere  dovrd  esser  sepolto  in  domani  a  le  ore  22,  e  do  per 
attestato  del  medico  Oirolamo  Salzer.* 

Uber  den  Todestag  seiner  Gattin  sind  wir  nicht  unterrichtet  *). 

Er  genoB  in  Italien  wie  in  Deutschland  den  Ruf  des  bedeutendsten 
Komponisten.  Seine  Werke  besaBen  eine  ungeheure  Verbreitung.  Seine 
Opern  wurden  aufgefiihrt  in  Dresden,  Berlin,  London,  Leipzig,  Miinchen, 
Bayreuth,  Wien  und  in  vielen  Stadten  Italiens.  Urteile  seiner  Zeit- 
genossen  gedenken  wir  in  einer  zukiinftigen  Studie  zu  veroffentlichen. 

Eine  novellistische  Darstellung  des  Lebens  seiner  Gattin  schrieb  Elise 
Polko4);  il  caro  Sassone  wird  in  einer  siiBlichen  Novelle  von  William 
Fritz-Berth  verherrlicht5).  Amadeus  Hoffmann  hinterliefi  ein  Frag- 
ment eines  Singspiels  ^Faustina* 6.) 

Von  Person  war  Hasse  lang  »und  fast  ein  wenig  dick  von  Korper«. 
Die  Zeit  scheint  gegen  ihn  nicht  so  schonend  gewesen  zu  seyn7),  als  gegen 
Faustina,  ob  er  gleich  zehn  Jahr  jiinger  war  als  sie8).  Er  verglich 
sich  bescheidentlich  mit  den  fruchtbarsten  Tieren,  deren  Junge  entweder 


1,  Mancini,  Riflessiont  pratiehe  .  .  .  Milano  1776. 

2)  Musikalischer  Almanach  fur  Deutschland  auf  das  Jahr  1784,  Leipzig.  Vergleiche 
auch  die  Briefe  an  Ortes  {Venedig,  Museo  civico,  Correr'sche  Sammlung). 

3)  B.  M.  Oettinger's  Moniteur  des  Dates  (Dresden  1866  I,  110)  behauptet,  daB 
Faustina  am  11.  Januar  1786  in  Dresden  gestorben  sei. 

4)  Faustina  Hasse,  1860,  2  Bande.  Eine  in  Venedig  1890  erschienene  Broschure 
I xi  nuova  Sirena  e  il  caro  Sassone  von  Urbani  di  Gheltof   ist  leider  vergriflfen. 

6)  Allgemeine  Wiener  Musik-Zeitung ,  Wien  1842,  2.  Jahrgang,  Nr.  1—11.  Ver- 
gleiche auch  A.  E.  BrachvogeTs  Roman  »Friedemann  Bach«. 

6)  »Die  Musik<  III,  1. 

7)  Ln  Jahre  1755  verlor  Hasse  seine  schone  Tenorstimme. 

8j  Burney.  Tagebuch  H,  Seite  203  ff.  Burney  widerspricht  sich  hier.  In  seiner 
History  (Band  IV,  Seite  309)  erzahlt  er,  Faustina  sei  1783  in  ihrer  Vaterstadt 
90  Jahre  alt  gestorben.  Nach  der  Darstellung  im  » Tagebuch <  miiBte  Faustina  1689 
geboren  sein. 

16* 


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244  Carl  Menu i eke,  Johann  Adolph  Hasse. 

gleich  in  der  Kindheit  wieder  umkommen  oder  dem  Zufall  uberlassen 
wurden;  und  er  fiigte  hinzu,  daB  er,  gleich  anderen  schlechten  Vatern, 
mehr  Vergniigen  in  der  Zeugung  als  in  der  Erzielmng  seiner  Abkomm- 
linge  fande.  Er  schatzte  Emanuel  Bach,  lobte  auBerordentlich  den 
alten  Scarlatti  und  Reiser.  Von  Handel  sprach  er  bestandig  mit 
Ehrerbietung.  Seb.  Bach  schatzte  er  sehr  hoch  und  besuchte  ihn  stets. 
fSpitta).  In  Leipzig  scheint  er  sehr  beliebt  gewesen  zu  sein1).  »Er  war 
der  Meinung,  daB  Durante  den  Platz  als  Kontrapunktiker  nicht  ver- 
diente,  den  ihm  Mr.  Rousseau  in  seinem  Lexikon  eingeraumt  hatte,  sondern 
sagte,  es  ware  der  alte  Scarlatti,  den  er  h  plus  grand  harmoniste  dCItaUe, 
e'est-chdirr  du  monde  hatte  nennen  sollen  und  nicht  Durante,  welcher 
nicht  allein  trocken,  sondern  auch  baroque  gewesen.  t  (Burney;. 

Er  meinte,  zur  Komposition  einer  guten  Oper  brauche  man  sechs 
Monate2).  Sein  erstes  Werk  entstand  1721,  das  letzte  1771.  Somit 
hatte  er  100  Opern  schreiben  konnen.  Da  Hasse  dasselbe  Libretto  gern 
mehrmals  komponierte,  hat  er  diese  Zahl  noch  uberschritten.  Er  schuf 
neben  vielen  anderen  Vokal-  und  Instrumentalwerken  noch  zwolf  Orafcorien. 

Er  hinterlieB  zwei  Tochter  und  einen  Sohn.  Man  weiB  nicht,  ob  auch 
sie  sich  der  Kunst  ihrer  Eltern  beruflich  widmeten8). 

Am  29.  Dezember  1883  fiihrte  das  Konigliche  Hoftheater  in  Dresden 
zwei  Intermezzi  Hasse's  Rimario  e  Grttantea  und  >Die  Wahl  des  Herakles* 
(=  Alcide  ai  Bivio)  auf.  Trotz  der  trefflichen  Wiedergabe,  mannigfacher 
Kiirzungen  und  Anderungen  hat  wohl  einzelnes  gefallen,  doch  als  Ganzes 
haben  sich  beide  Werke  nicht  als  lebensfahig  erwiesen*). 

1)  G.  Wustmann,  Zur  Mosikgeschichte  Leipzigs  im  18.  Jahrhundert.  Chroni- 
kalische  Nachrichten  (Musikalisches  Centralblatt  von  Robert  Seitz,  4.  Jahrgang,  1884, 
Nr.  1— 5;:  Den  21.  November  1754  hat  das  hiesige  groCe  Concert  in  den  drei  Schwanen 
die  Ehre  gehabt,  den  Koniglich  Polnischen  und  Churftirstlich  Sachsischen  Oapell- 
meister  nebst  dessen  Gemahlin  Hassin  und  beiden  Kindern  in  demselben  zu  sehen, 
woriiber  sie  s'amtlich  ein  groB  Vergniigen  bezeiget  haben. 

2)  Manfredini,  Begole  Armoniche,  Seite  134. 

3)  Das  Koniglich  Sachsische  Geheimarchiv  Dresden  besitzt  einen  Brief  des  Prinzen 
Anton  von  Sachsen  an  eine  Mademoiselle  Faiistvne  Hasse  a  Podhragg  en  Hongrie  chex 
Madame  la  Gomtesse  Appony.  Aus  dem  Inhalt  des  Schreibens  ist  nicht  zu  erkennen, 
ob  diese  Faustine  H.  eine  Tochter  Hasse's  war. 

4)  Monatshefte  fur  Musikgeschichte,  1884,  Nr.  4  (Mitteilungen  . 


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0.  Fischer,  Zum  musikalischen  Standpunkte  des  Nordischen  Dichterkreises.    245 


Zum  musikalischen  Standpunkte  des  Nordischen  Dichter- 
kreises 

von 

0.  Fischer. 

(Prag.) 


Um  die  Mitte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  war  Kopenhagen  einer 
der  Mittelpunkte  deutschen  Geisteslebens.  Die  dort  angesiedelten  deutschen 
Schriftsteller  bildeten  eine  Gemeinde,  die  durch  engere  Bande  verknupft 
war  als  durch  die  bloBe  Zufalligkeit  eines  gemeinsamen  Wohnortes. 
Denn  so  ungleich  die  Stellungen  waren,  die  Klopstock,  Gerstenberg, 
Cramer,  Sturz,  Johann  Heinrich  Schlegel,  Fleischer,  Funk 
und  andere  inne  hatten,  so  sehr  die  einzelnen  in  Fahigkeiten  und  An- 
schauungen  auseinandergingen,  bewirkte  doch  ein  Bindeglied,  daB  sie  sich 
fest  aneinanderschlossen  und  als  Teile  eines  Ganzen  ansahen:  Sie  alle 
durchzieht  ein  Zug  tiefen  sittlichen  Ernstes,  ihnen  alien  ist  die  christliche 
Religion  Herzensbedlirfnis,  der  Ewigkeitsglaube  ein  Quell  reinster  Be- 
geisterung.  Diese  schwarmerische  Hingebung  lieB  sie  nach  Mitteln  und 
Wegen  lauternder  Erbauung  suchen,  und  diese  ward  ihnen  am  ehesten 
zuteil,  wenn  sie  die  Seele  unter  den  Klangen  einer  Kantate  oder  eines 
Chorals  dahinschmelzen  lieBen.  So  waren  sie  alle,  wenn  auch  mehr  oder 
weniger  Dilettanten,  fiir  musikalischen  GenuB  empfanglich  und  dankbar. 
Man  ergotzte  sich  auch  an  leichten,  heiteren  Kompositionen,  worauf  ich 
aber  nicht  allzugroBes  Gewicht  legen  mochte;  denn  ohne  jenen  sittlich 
religiosen  Hintergrund  hatten  die  Dichter  nicht  eine  so  unmittelbar  herz- 
liche  Fiihlung  mit  der  Musik  bewahren  konnen  und  hatten  nicht  eine  so 
geradezu  angstliche  Liebe  zu  ihr  gehegt. 

So  wie  Klopstock  als  Dichter  der  weitaus  hervorragendste  war,  so 
stand  in  dem  Interesse  fiir  musikalische  Fragen  ein  Mann  im  Vorder- 
grunde,  dessen  bedeutende  kritische  Leistungen  gerade  in  letzter  Zeit 
gebiihrende  Wiirdigung  erfahren:  Heinrich  Wilhelm  von  Gerstenberg. 
Bei  ihm  kamen  die  Freunde  zusammen,  um  sich  an  seinem  Klavierspiele 
und  der  Stimme  seiner  Frau  Sophie  zu  erfreuen  und  um  anregende  Ge- 
sprache  zu  fuhren.  H.  P.  Sturz  hat  die  gemiitlichen  Zusammenkunfte 
recht  anschaulich  geschildert.  —  »Die  Gerstenberg*,  lautet  einer  der 
vielen  Lobspriiche,  »soll  die  Lieder  nach  dem  Anakreon  vortrefflich 
singen.  0!  geben  Sie  dafiir  dem  siiBen  Madchen  einen  recht  zartliclien 
KuB!«  (Gleim  an  Klopstock  am  16.  Juni  1770). 


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246    0.  Fischer,  Zum  muaikalischen  Standpunkte  des  Nordischen  Diehterkreises. 

Gerstenberg's  theoretische  Ansichten  iiber  Musik  sind  in  Aufsatzen 
niedergelegt,  deren  letzter  wenn  auch  nicht  offen  ausgesprochener  Gedanke 
sich  zusammenfassen  laBt  als  Versuch,  zwischen  den  beiden  Arten  des 
musikalischen  Ausdrucks,  der  Vokal-  und  Instrumentalmusik  zu  vermitteln. 
Ich  bin  im  stande,  diese  Anscbauungen  gerade  nach  dieser  Bichtung 
bin  naher  zu  beleuchten,  und  zwar  durch  ein  bisher  unveroffentlichtes 
Schriftstiick,  welches  auch  die  eigentliche,  eingangs  hervorgehobene  Trieb- 
f  eder  des  Musik-Enthusiasmus  deutlich  verrat.  —  In  der  Koniglichen  Hof- 
bibliothek  zu  Miinchen  befindet  sich  das  Konzept  zu  einem  Briefe 
Gerstenberg's  an  Carl  Philipp  Emanuel  Bach,  den  Sohn  Johann  Sebastian's, 
den  groBen  Klavierspieler,  den  Berliner  und  nachmals  Hamburger  Kapell- 
meister; mit  freundlicher  Erlaubnis  des  Herrn  Geheimrates  von  Laubmann 
gebe  ich  im  Nachstehenden  den  Wortlaut  des  Konzeptes  wieder,  das, 
stellenweise  fast  unlesbar  geschrieben,  zwei  Quartblatter  fullt. 

»Als  Herr  Schorring1)  vorm  Jahre  [von  seiner  musikalischen  Reise2)] 
zuriickkam,  war  ich  von  all  em  dem,  was  er  mir  zu  horen  und  sehen  mit- 
brachte,  so  sehr  durch drungen,  daB  ich  gleich  einen  langen  Brief  an  meinen 
grofien  Bach  schreiben  wollte.  Allein  Herr  Schorring  veranlaBte  mich  da- 
mit  anzustehen,  bis  ich  von  der  Auffiihrung  [Ihrer  vortrefflichenl  der  Pas- 
sions-Musik:J)   zugleich  Nachricht   geben  konnte4).      Von    dieser   Auffiihrung 


1)  Niels  Schiorring,  Koniglicher  Kammermusiker  zu  Kopenhagen,  Em.  Bach's 
Schiiler,  wirkte  nach  Gerber's  Lexicon  der  Tonkiinstler  (Leipzig  1792,  II,  S.  430; 
urns  Jahr  1784.    Die  richtigen  Daten  in  Dansk  Biografisk  Ijexikon  (15,162):  1743 — 1798. 

2)  Das  Eingeklammerte  gestrichen. 

3)  Gremeint  ist  entweder  die  Ostermusik  von  1756  oder  eher  eine  der  zahlreichen 
PassionsmuBiken,  welche  Bach  von  1768  ab  Jahr  fur  Jahr  zu  setzen  pflegte. 

4)  Folgende  Stelle  ist  hier  gestrichen:  »Da  ich  hierauf  dieser  Auffiihrung  bey- 
gewohnt  hatte,  so  war  ich  in  einiger  Verlegenheit,  was  ich  eigentlich  davon  schreiben 
sollte;  und  nun  muB  ich  mich  schamen,  weder  das  eine  noch  das  andere  gethan  zu 
haben.  Ich  will  damit  nicht  sagen,  daB  die  hiesige  musikalische  Gesellschaffc  nicht 
das  ihrige  geleistet;  vielmehr  muB  ich  ihr  das  ZeugniB  geben,  daB  sie  meine  Er- 
wartung  weit  tibertroffen,  daB  sie  das  Kopenhagner  Publicum  sehr  geriihrt  habe  und 
daB  das  Zudrangen  desselben  bey  siebenmaliger  Wiederholung  immer  starker  geworden : 

aber,  [die  Musik  war  von  Bach]  aber wenn  man  sich  in  Berlin  30  mal  hat  vor- 

bereiten  miissen,  um  dem  auBerst  feinen  Ausdruck  des  Werks  einigermaBen  Gniige 
zu  thun;  was  durfte  ich  wohl  mit  gutem  Gewissen  von  dem  wahren  Werte  unserer 
hiesigen  Ausfuhrung  sagen,  da  Herr  Schorring  Miihe  gehabt  hat,  nur  6  oder  6 
ordentliche  Proben  zu  Stande  zu  bringen,  und  [unser]  Kopenhagen  wahrlich  noch 
lange  kein  Berlin  ist.  Verzeihen  Sie  mir,  mein  theuerster  Herr  Kapellmeister,  mein 
Stillschweigen:  ich  konnte  mich  nicht  entschlieBen,  dem  guten  Schorring,  der  es  ge- 
wiB  seinerseits  an  nichts  fehlen  lassen,  durch  eine  gar  zu  umstandliche  Erzahlung  wehe 
zu  thun:  und  auf  der  andern  Seite  war  es  eben  so  gut,  gar  nichts  davon  zu  erwahnen^ 
als  das  Wesentliche  zu  iibergehen.  Ich  h'atte  also  auf  [meine  erste  Absicht  zuriick- 
kommen  miissen;  Ihnen  fiir  Ihre  edle  Bemiihungen  meinen  Dank  fiir  Herrn  Schorring 
usw.  zuriickkommen  miissen:  und  dainit  war  es  wenigstens  um  ein  halbes  Jahr  zu 
spat.     So  bin  ich  in  dieses  h'aBliche  Stillschweigen  verwickelt  worden*. 


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0.  Fischer,  Zum  musikalischeu  Standpunkte  des  Nordischen  Dichterkreises.    247 

hatte  ich  Ihnen  nachher  viel  Schones  zu  sagen  gehabt,  wenn  ich  nicht  ge- 
hbrt  hatte,  dafi  d.  H.  Cfapellj  M(eister)  Scheibe1)  mir  damit  zuvorgekommen 
ware.  Ich  mufite  voraussetzen,  dafl  sein  "Wort  bey  Ihnen  mehr  gelten  wiirde, 
als  meines.  So  viel  muB  ich  jedoch  noch  dariiber  hinzufugen :  wenn  er  wider 
den  Fleifi,  den  sich  mein  Freund  Schorring  bey  dieser  Auffuhrung  gegeben, 
uud  tiber  die  Wirkung,  die  sie  siebenmal  hinter  einander  mit  immer  grbflerm 
Erfolg  hervorgebracht,  etwas  zu  erinnern  gehabt:  so  thut  er  Kopenhagen 
Unrecht.  Ich  weis  wohl,  dafi  von  der  Execution  eines  Werkes  von  Bach 
viel  gefordert  werden  kann:  aber  was  in  Kopenhagen  davon  zu  fordern  war, 
das  ist  geleistet  worden,  und  ich  glaube,  daC  Sie  in  so  fern  selbst  mit  unsern 
Sangern  und  Spielern  zufrieden  gewesen  seyn  wlirden. 

Erlauben  Sie  mir  nun  noch  etwas  von  der  Veranlassung  dieses  Briefes 
zu  sagen. 

Ich  befand  mich  vor  einigen  Abenden  in  einer  Gesellschaft,  wo  unter 
andern  auch  gewisse  Concerte  von  dem  alten  .  .  .  . 2)  gespielt  und  beur- 
theilt  wurden,  die  er  auf  biblische  Spriiche  gesetzt,  und  wozu  er,  wie  er  auf 
dem  Titel-Blatt  erzahlt,  den  ersten  Entwurf  in  einer  schmerzhaften  Krank- 
heit  gemacht  hatte.  Man  lachte  sehr  liber  den  alten  .  .  .  .,  uber  seine 
biblischen  Compositionen,  und  iiber  die  Entwiirfe  seines  kranken  Gehirnes. 
Ich  glaubte  jedoch,  da£  noch  wohl  etwas  zu  seiner  Vertheidigung  zu  sagen 
ware.  Dafl  er  das,  was  er  sich  auszufiihren  vorgesetzt,  ohne  sonderliches 
Genie  ausgefiihrt  habe,  gestand  ich.  Dagegen  aber  schien  mir  ein  jeder 
Versuch,  dem  Clavier  Ausdruck  und  Bedeutung  zu  geben,  auch  wenn  er 
mislange,  aller  Ehren  werth  zu  seyn.  Und  was  die  biblischen  Spriiche  be- 
trifft,  so  wollte  es  mir  nicht  einleuchten,  daB  ein  Clavier-Solo  (denn  als 
solches  sind  diese  Concerte  abgefaBt)  dadurch  etwas  verliehren  konnte,  daB 
es  sich  mit  Empfindungen  eines  zu  Gott  aufgehobnen  Herzens  beschaftigte : 
vielmehr  bediinkte  mich,  daB  Empfindungen  dieser  Art  gerade  die  waren, 
welche  die  Musik  sich  vor  alien  andern  zueignete. 

Nun  kann  ich  mich  zwar  nicht  ruhmen,  daB  ich  so  glucklich  gewesen, 
irgend  Jemanden  in  der  Gesellschaft  von  meiner  Meynung  zu  iiberfuhren: 
aber  ich  weis  auch,  daB  dergleichen  Argumente  nur  dann  etwas  gelten,  wenn 
man  sie  durch  Beyspiele  des  Genies  unterstiitzen  kann.  Jemehr  ich  in- 
zwischen  dariiber  nachdenke,  desto  groBer  kommen  mir  die  Vortheile  vor, 
welche  der  Ausdruck  des  Claviers  durch  eine  Sammlung  von  Sonaten,  bey 
denen  zum  Ex.  einige  der  riihrendsten  Psalme  zum  Grunde  gelegt  waren, 
gewinnen  wiirde.  Welch  ein  schones  Adagio  mesto  wiirde  nicht  die  Stelle 
im  sechsten  Ps.  geben :  Ich  schwemme  mein  Bett  die  ganze  Nacht,  und  netze 
mit  meinen  Thranen   mein  Lager.     Meine  Gestalt   ist  verfallen  fiir  Trauern 


1)  JohannAdolph  Scheibe,  1708 — 1776,  seit  1744  Kapellmeister  in  Kopenhagen, 
muBte  1749  aus  seiner  Stellung  zuriicktreten  und  widmete  sich  bedeutenden  theore- 
tischen  Arbeiten.    (Siehe  Sammelbande  II,  665.j 

2)  Der  Name  war  nicht  zu  entziffern.  Dem  Sinne  nach  ware  am  ehesten  Kuhnau 
einzusetzen,  dessen  >Musicalische  Vorstellung  einiger  biblischer  Historien,  in  6  Sonaten 
auff  dem  Claviere  zu  spielen,  Leipzig  1700«  in  der  Neuausgabe  Pasler's  allgemein 
zuganglich  ist.  (Denkmaler  deutscher  Tonkunat  Band  IVJ  Neben  den  allgemeinen 
Anschauungen  weist  auch  das  von  Gerstenberg  gewahlte  Beispiel  vom  betenden  David 
und  von  David  mit  der  Harfe,  auf  Kuhnau  (bei  P'asler  Seite  128 .  [Freundliche  Mit- 
teilung  Herrn  Dr.  Johannes  Wolfs.] 


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248    0.  Fischer,  Zum  musikalischen  Standpunkte  des  Nordischen  Dichterkreises. 

und  ist  alt  worden:  denn  ich  allenthalben  geangstigt  werde.  —  Welch  ein 
ausdrnck  voiles  Andante  patetico  wiirde  nicht  darauf  folgen:  Weicht  von  mir, 
all  TTbelthater,  denn  der  Herr  hort  mein  Weinen  u.  s.  w.  Und  wie  gut 
wiirde  sich  die  Sonate  nicht  mit  diesem  Allegro  schliefien:  Es  miissen  alle 
meine  Feinde  zu  Schanden  werden,  und  sehr  erschrecken,  sich  zuriickkebren, 
und  zu  Schanden  werden  plotzlich.  —  Der  neunte  Ps.  Ich  danke  dem  Herrn 
von  ganzem  Herzen,  und  erzahle  all  deine  Wunder.  Ich  freue  mich  und 
bin  frohlich  in  dir,  und  lobe  deinen  Namen,  du  Allerhochster.  —  Der 
zehnte:  Herr,  warum  trittst  du  so  feme?  verbirgst  dich  zur  Zeit  der  Noth? 
—  Der  eilfte:  Ich  traue  auf  den  Herrn.  Wie  sagt  ihr  denn  zu  meiner 
Seele,  sie  soil  fliegen,  wie  ein  Vogel  auf  eure  Berge?  etc.  soUte  das  nicht 
ein  wiirdiger  Inhalt  fur  ein  Allegro,  ein  Largo,  ein  Allegretto  etc.  seyn  ?  Mein 
ganzes  Gefuhl  miifite  mich  betrtigen,  wenn  das  dem  Charakter  einer  Sonate 
nachtheilig  seyn  konnte,  was  mit  so  riihrenden  und  erhabenen  Ztigen  ans 
Herz  dringt. 

!)  Mein  ganzes  Gefuhl  miifite  mich  betriigen,  wenn  Sonaten  von  der  Art 
nicht  eine  Farbe  anzunehmen  fahig  war  en,  die  sehr  von   dem  Gewohnlichen 


1)  Vor  diesem  Absatz  ist  folgende  Stelle  gestrichen:  >Es  bliebe  also  nur  noch  zu 
fragen  iibrig:  Ob  das  Clavier  wohl  im  Stande  sey,  solche  marquirte  Empfindung  aus- 
zudriicken?  Ob  man  den  Inhalt  wiirde  errathen  konnen,  wenn  der  Text  nicht  dariiber 
stande?  [und  ob  die  Liebhaber  zu  unserer  Zeit  etwas  wiirden  spielen  wollen,  was  eine 
ernsthafte  Fassung  des  Geistes  voraussetzt?} 

Eben  dieser  Fragen  wegen  habe  ich  rair  itzt  die  Freyheit  genommen,  an  Sie, 
mein  geliebter  Herr  Capellmeister,  zu  schreiben:  Sie  allein  konnen  darauf  antworten. 

So  viel  ich,  als  ein  Laye,  der  bios  Facta  sammelt  und  darnach  auf  Faeienda 
schlieBt,  von  der  Sache  begreife,  muB  es  nicht  unmoglich  seyn,  diese  marquirten 
Empfindungen  in  Clavier- Compositionen  auszudrucken,  weil  das  was  ich  in  den  Com- 
positionen  eines  gewissen  treflf  lichen  Mamies,  den  ich  nicht  nennen  will,  ausgedriickt 
finde,  wirklich  schon  eben  so  sehr  marquirte  Empfindungen  in  mir  hervorbringt.  Und 
dann,  warum  sollte  es  wohl  unerlaubt  seyn,  durch  ein  beygefiigtes  Motto  die  Emp- 
findung, die  der  Spieler  nachahmen  soil,  von  alien  ahnlichen  Empfindungen  zu  unter- 
scheiden?  Liebe,  Freude,  Kummer  usw.  sind  der  allgemeine  Stoff  fiir  die  Musik.  Der 
Mann  von  Genie  aber  ist  mit  diesen  weitschweifigen  Begriffen  nicht  zufrieden;  er  be- 
stiramt;  Liebe,  fur  was?  Freude,  Kummer,  woriiber?  Bey  diesen  Bestimmungen  geratli 
er  auf  untergeordnete  Affecte,  die  in  ihren  Bewegungen  sehr  zusammenfliefien:  pe- 
trarchische  Liebe,  Liebe  zur  Ruhe,  und  christliche  Liebe,  sind  dreyerley  verschiedene 
Richtungen  der  Liebe,  die  aber  alle  drey  aus  einerley  Tone  und  Charakter  des  Herzens 
entspringen,  und  daher  fiir  den,  der  die  Richtung  nicht  weis,  schwer  zu  unterscheiden 
sind.  Gut,  der  Musikus  setzt  das  Motto  driiber.  Was  sagt  das  Motto?  Sagt  es:  dieser 
Mann  mit  der  Harfe  ist  David?  Nichts  weniger;  es  sagt:  das,  was  dieser  David  singt, 
lautet  auf  deutsch  so,  und  wird  empfunden,  wie  folgt.  Ich  denke,  der  Maler  selbst 
wiirde  es  nicht  anders  machen  konnen,  wenn  er  es  notig  fande,  den  Inhalt  seines 
Gemaldes  eben  so  deutlich  anzugeben,  als  der  Musikus.  [Und  wo  ist  der  Geek,  der 
dariiber  lachen  diirfte?  Eine  etwas  umstandliche  Vorrede,  die  von  diesen  Absichten 
Rechenschaft  gabe,  wiirde  alien  Misdeutungen  vorbeugen.]  Warum  sollte  man  also 
dem  Musikus  nicht  dafur  danken,  daC  er  unser  Vergniigen  vermehrt,  indem  er  unsre 
Ideen  fixirt?  Das  Publicum  ist  auch  wirklich  so  einfaltig  nicht,  als  man  oft  glaubt. 
Man  braucht  nur  gute  Griinde  anzufuhren;  und  gleich  ist  alien  Einwiirfen  auf  immer 
vorgebaut*. 


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0.  Fischer,  Zum  musikalischen  Standpunkte  des  Nordisehen  Dichterkreises.    249 

abstache.  Ich  stelle  mir  ein  Pastorale  iiber  Stellen  des  Hohen  Liedes  vor 
—  ein  Maestoso  iiber  den  Jesaias  —  ein  Oratorio  iiber  die  Leidens-Geschichte 
aus  bibl.  Stellen  bios  furs  Clavier  zusammengesetzt,  wie  Handl  seinen  Me- 
Bias  fur  Sing-Stimmen  zusammensetzte.  Welche  Musik  im  bloBen  Ideal 
schon!  Und  welch  eine  Precision  des  Ausdrucks,  der  sonst  so  schwer  zu 
erreichen  ist!  Freylich  ist  es  eben  diese  Precision,  diese  vollig  bestimmte 
Bedeutung  eines  musik.  Satzes,  an  deren  Moglichkeit  immer  am  meisten  ge- 
zweifelt  wird.  Aber  warum  unmoglich?  So  viel  ich,  als  ein  Laye,  der  bios 
Facta  sammelt,  und  darnach  auf  Facienda  schlieBt,  von  diesen  Schwierigkeiten 
begreife,  muB  es  ganz  und  gar  moglich  seyn,  die  marquirten  Empfindungen, 
die  der  Text  enthalt,  eben  so  marquirt  in  die  Composition  iiberzutragen : 
und  zwar  darum,  weil  die  Empfindungen,  die  ein  gewisser  trefflicher  Mann 
durch  seine  Clavier-Sonaten  so  oft  in  mir  hervorbringt,  wirklich  schon  solche 
marquirte  Empfindungen  sogar  ohne  die  Hiilfe  des  Texts,  sind.  Was  end- 
lich  den  schalen  Spott  betrifft,  den  Dieser  oder  Jener  iiber  das  Dariibersetzen 
der  Mottos  hervorbringen  mochte,  das  verdient  kaum  Aufmerksamkeit. 
Wer  lieber  fixirte,  als  schwankende  Ideen  haben  will,  der  dankt  dem  Mu- 
sikus  fur  jedes  Hiilfsmittel,  dessen  Anwendung  eine  Erweiterung  der  Lust 
selbst  wird.  Fiir  mich  mochte  sogar  der  Mahler  unter  einen  betenden  David 
einen  Spruch  setzen,  wenn  er  sich  wirklich  zutraute,  den  Inhalt  dieses 
Spruchs  durch  sein  Gemalde  gut  auszudriicken.  Es  wiirde  mir  immer  lieber 
seyn,  dem  Gemalde  anzusehen,  was  David  betet,  als  daB  er  betet.  Wohl 
der  Musik,  wenn  sie  vor  ihrer  Schwester  Malerey  einen  so  hohen  Vorzug 
voraus  hat. 

0  mochte  die  Yorempfindung,  die  ich  von  dieser  hohen  himmlisehen 
Clavier-Musik  habe,  auch  schon  realisirt  seyn!  Mochte  Eman.  Bach,  der 
einzige  in  Europa,  der  es  konnte,  sie  realisiren  wollen!  Mochte  er  es  doch 
wollen ! 

Und  nun  will  ich  Ihnen  gestehen,  daB  ich  mit  Ihrem  Herrn  Bruder  in 
Biickeburg *)  schon  vorigen  Winter,  jedoch  auf  eine  ganz  andere  Veranlassung, 
iiber  die  namliche  Materie,  iiber  den  Ausdruck  des  Claviers,  correspondirt 
habe.     Aber  davon  kein  Wort  mehr,  bis  ich  Ihre  Antwort  habe. 

Die  Herren  Scheibe  und  Schorring  empfehlen  sich  Ihrer  Freundschaft 
und  Gewogenheit.  Herr  Schorring  geht  damit  um,  Sie  in  Kupfer  stechen 
zu  lassen.  Ich  habe  ihm  die  Inschrift  dazu  auf  danisch  gemacht;  sie  lautet 
(mit  ErlaubniB):  Ein  Raffael  durch  Tone,  neu,  mannigfaltig,  iiber  sein  Zeit- 
alter.  Herr  Schorring,  dessen  Beyfall  diese  Inschrift  hat,  spielt  mir  zur 
Dankbarkeit  dafiir  oft  etwas  aus  dem  Schatze  von  den  Sonatinen  vor,  die 
er  mitgebracht  hat.  Ich  hoflfe,  daB  Preisler2)  es  stechen  wird,  wenn  er 
Zeit  hat. 

Die  Frauenzimmer-Sonaten 3),  die  im  vorigen  MeB-Catalogus  angekiindigt 
wurden,  sind  die  ein  zweyter  Theil,  oder  eine  neue  Auflage?< 


1)  Johann  Christoph  Friedrich  Bach,  1732—1796,  seit  1760  in  Diensten 
des  Grafen  Wilhelm  von  Schaumburg  Lippe,  komponierte  unter  anderem  Gersten- 
b erg's  Amerikanerin. 

2)  Wahrscheinlich  Johann  Martin  Preisler,  1715—1794,  1744  zum  Hof  kupferBtecher 
in  Kopenhagen  ernannt.  Franz  Friedrich  Leitschuh  (Die  Familie  Preisler  etc.)  ftthrt 
kein  Bildnis  Bach's  an. 

3)  Bitter  verzeichnet  in  seiner  Monographic  iiber  C.  Ph.  E.  Bach   nnd  dessen 


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250    0.  Fischer,  Zum  niusikalischen  Standpunkte  des  Nordischen  Dichterkreises. 

Eine  genaue  Deutung  dieser  leidenschaftlich  aber  knapp  vorgetragenen 
Gedanken  kann  sich  erst  dann  auf  sicherer  Grundlage  erheben,  wenn  die 
Yoraussetzungen  und  Beziehungen  des  undatierten  Briefes  klar  werden. 
Als  auBerste  Grenzpunkte  der  Zeit  seiner  Abfassimg  stehen  die  Jahre 
1763  und  1776  fest  (Gerstenberg's  Ubersiedlung  nach  Kopenhagen 
und  Scheibe's  Tod.)  Doch  wurde  der  Brief  nicht  nach  1774  geschrieben, 
sonst  hatte  wohl  Bach's  Komposition  von  Cramer'schen  Psalmen  Erwah- 
nung  gefunden.  Die  anderen  Angaben  sind  ziemlich  vag;  es  ist  nicht 
ersichtlich,  wohin  das  Schreiben  adressiert  ist.  (Bach  kam  im  Jahre  1767 
von  Berlin  nach  Hamburg.)  Einige  Stellen  verweisen  bestimmter  in  die 
zweite  Halfte  der  sechziger  Jahre,  jedenfalls  in  die  Zeit  der  allergroBten 
Schwungkraft  von  Gerstenberg's  Geiste.  Am  glaubwiirdigsten  scheint 
mir  das  Jahr  1767. 

Diese  Fragen  sind  nichts  weniger  als  uberfliissig.  Friedrich  Chry- 
sander  hat  im  siebenten  Bande  der  Vierteljahrsschrift  fur  Musikwissen- 
schaft  auf  Seite  1 — 25  den  interessanten,  angeblich  aus  dem  Jahre  1783 
stammenden  Versuch  Gerstenberg's  mitgeteilt  und  besprochen,  unter  eine 
schon  fertige  Phantasie  Emanuel  Bach's  nachtraglich  zwei  Texte  zu  setzen. 
die  beide  mit  dem  Stiicke  gleiche  Empfindungen  ausdriicken  sollten.  Tiber 
den  Zweck  des  Gerstenbergischen  Versuches  belehren  die  Worte  Cramer's 
—  nach  Chrysander's  Meinung  des  einzigen  Gew&hrsmannes :  >Es  war  ge- 
stritten  worden,  ob  auch  bloBe  Instrumentalmusik,  bei  der  ein  Kiinstler 
nur  dunkle  leidenschaftliche  Begriffe  in  seiner  Seele  liegen  gehabt,  einer 
Analyse  in  hellere  bestimmtere  fahig  seyn  sollte?«  Es  ist  kein  Zweifel, 
daB  in  jener  Form,  wie  er  von  Cramer  und  nach  ihm  von  Chrysander 
mitgeteilt  worden,  der  Versuch  ganzlich  miBgluckte  und  daB  Gerstenberg 
sich  selber  ad  absurdum  fiihrte.  Denn  wenn  die  bei  den  Texte  zu  dem- 
selben  Stiicke  passen,  dann  lassen  sich  eben  die  durch  die  Musik  aus- 
gedruckten  Gefiihle  nicht  genau  analysieren.  Nur  ist  hier  ein  wichtiger 
Umstand  auBer  Acht  gelassen  worden.  Cramer  ist  nicht,  wie  Chrysander 
vermutete,  der  einzige  Gewahrsmann,  und  der  Versuch  ist  von  ihm  nicht 
in  der  urspriinglichen  Gestalt  vorgelegt  worden.  Vielmehr  hatte  Gersten- 
berg selber  sein  eigenartiges  Experiment  ein  em  Brief  e  an  Nicolai  beige- 
schlossen  *),  doch  waren  damals  nicht  zwei  Texte,  sondern  bloB  der  Monolog 
aus  Hamlet  der  Phantasie  Ph.  E.  Bach's  unterlegt  gewesen:  und  zwar 
geschah  dies  am  27.  April  1768. 

Nun  ergab  sich  uns  kurz  zuvor,  daB  auch  der  hier  mitgeteilte  Brief 


Briider  (Berlin  1868;:  1765,  2.  3.  und  5.  der  Sonaten  fur  Damen;  1766  desgleicben 
Nr.  1.  2.  und  4.  In  Gerber's  Tonkiinstler-Lexicon  finde  ich  I,  79:  Set  Sonate  cU  usn 
delle  Dorme,  1770  zu  Amsterdam  gestochen  und  zu  Riga  gedruckt  herausgegeben. 

1)  Siehe  » Gerstenberg's  Briefe  an  Nicolai  nebst  einer  Antwort  Nicolai's*,  mitge- 
teilt von  li.  M.  Werner  in  »Zeitschrift  fur  deutsche  Philologie*  23,  62. 


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0.  Fischer,  Zum  musikalischen  Standpunkte  des  Nordischen  Bichterkreises.    251 

der  zweiten  Halfte  der  sechziger  Jahre  entstamme,  so  daB  also  beide 
Enunziationen  Gerstenberg's  ungefahr  als  gleichzeitig  anzusehen  sind. 
Und  es  besteht  zwischen  ihnen  eine  innere  Verwandtschaft,  die  ohne  den 
zeitlichen  Zusammenhang  nicht  leicht  begreiflich  ware:  Der  Brief  an 
Ph.  E.  Bach  enthalt  die  Voraussetzungen  zu  dem  Versuche  der  Text- 
unterlegung,  greift  jedoch  in  manchen  Punkten  iiber  denselben  hinaus.  Denn 
wollte  Gerstenberg  durch  den  eigenartigen  Versuch  zeigen,  wie  man  ein 
Kunstwerk  auf  seine  Quell  en  zuriickfuhren,  wie  man  die  verworrenen 
Empfindungen  schlichten  kann,  so  verlangt  er  durch  das  Schreiben  an 
Bach  vom  Kunstler  selbst,  gleich  von  vornherein  bestimmte  Gefiihle  an 
einen  bestimmten  Gegenstand  zu  knupfen.  In  beiden  Fallen  mag  ihm 
der  Charakter  der  Bach'schen  Musik  zu  Statten  gekommen  sein,  die, 
wie  es  scheint,  ihre  erste  und  tiefste  Anregung  aus  Leistungen  vokaler 
Musik  geschopft  hatte.  Auch  der  Brief  wendet  namlich  Regeln  fiir 
Gesang  auf  Instrumentalmusik  an:  als  ob  das  Klavier  sprechen  konnte, 
als  ob  die  »Darmsaiten  singen  lernen  sollten<,  wie  es  im  Aufsatz  iiber 
das  Italienische  Singgedicht  heifit1). 

Hier  liegt  der  entscheidende  Punkt.  Zu  Gerstenberg's  Zeit  war  man 
noch  im  allgemeinen  ganz  einseitig  fiir  den  Gesang  eingenommen.  Klop- 
stock  z.  B.  fand  den  musikalischen  Ausdruck  hochst  unvollkommen, 
wenn  die  Begleitung  von  Worten  f  ehlte,  und  begriff  nicht,  welche  Schon- 
heiten  reine  Instrumentalmusik  in  sich  berge  und  vor  allem  wie  reiche 
Empfindungen  sie  zu  wecken  imstande  sei2).  Ganz  anders  Gerstenberg. 
Er  erkannte  richtig,  daB  der  Instrumentalmusik  eine  groBe  Zukunft  be- 
vorstehe,  verteidigte  den  Ausdruck  der  Instrumente  gegen  Vorwiirfe  der 
"Cndeutlichkeit  und  war  bestrebt,  den  durch  solche  Musik  vGrschafften 
GenuB  zu  veredeln.  Wie  auf  manch  anderem  Gebiete  nahm  er  auch  hier 
die  Erkenntnisse  der  folgenden  Generationen  vorweg.  Man  hat  anlaBlich 
seiner  Ansichten  auf  Richard  Wagner's  Ideen  hingewiesen,  man  hat  seine 
Ausspriiche  iiber  Musik  als  »frappantzeitgema8«  bezeichnet:  der  mitgeteilte 
Brief  vermag  wohl  diese  Benennung  wieder  zu  bekraftigen,  denn  wenn 
manz.  B.  vom  »Dariibersetzen  der  Mottos«  liest,  fiihlt  man  sich  da  nicht 
an  ein  Schlagwort  unserer  Tage  gemahnt,  an  das  Schlagwort  Programm- 
musik?  Und  sind  nicht  seine  phantasiereichen  Vorstellungen  von  der 
musikalischen  Inspiration,  vom  Verhaltnis  der  Tone  zur  Empfindung  und 
zur  Poesie  wesensverwandt  mit  Lehren  und  mit  Traumen  des  neunzehnten 
Jahrhunderts? 


1)  In  Gerstenberg's  Briefen  iiber  Merkwiirdigkeiten  der  Literatur  (Seite  339),  neu 
herausgegeben  von  Alexander  vonWeilen,als  Band  29—30  der  Deutschen  Literatur- 
denkmale. 

2)  Siehe  Oswald  Koller,  Klopstock  als  musikalischer  Asthetiker,  Seite  18.  (Im 
Programm  der  Landes-Ober-Realschule  in  Kremeier,  1889.) 


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252    0.  Fischer,  Zum  musikalischen  Standpunkte  des  Nordischen  Dichterkreises. 

Es  ware  wahrlich  zu  wiinschen,  daB  eine  Darstellung  der  interessanten 
Musikanschauungen  so  interessanter  Menschen  als  die  Kopenhagener 
Dichter  waren,  nicht  mehr  bloB  vorbereitet,  sondern  auch  zur  Tat  werde 1  \ 


1)  Auszugehen  h'atte  eine  derartige  Arbeit  wohl  von  Muncker's  Klopstock-Bio- 
graphie.  Unter  den  letzten  hierhergehorigen  Publikationen  fuhre  ich  meine  Neuausgabe 
von  Gerstenberg's  Rezensionen  an  (Deutsche  Literaturdenkmale  128,  Berlin  B.  Behr  s 
Verlag  1904),  worin  folgende  Nummern  zu  beriicksichtigen  waren:  6  (uber  Weiss  e's 
Kinderlieder),  13  (iiber  Ramler'B  Lieder  der  Deutschen  mit  Melodien  von  Krause, 
28  (Uber  Schiebeler's  Romanzen  mit  Melodien),  32  (Pygmalion,  eine  Kantate  von  Rani  - 
ler),  49  (iiber  Ernesti's  Archaeologia  Literaria),  65  (iiber  Weisse's  Kinderlieder 
mit  neuen  Melodien),  56  (iiber  Munter's  Geistliche  Kantaten),  58  (Brown's  Be- 
trachtungen  iiber  Poesie  und  Musik),  76  (uber  Cramer's  Nachahmungen  der  Psalmen . 
77  (iiber  Schiebeler's  Musikalische  Gedichte),  79  (iiber  Noverre's  Briefe  iiber  die 
Tanzkunst),  85  (iiber  Klopstock's  Geistliche  Lieder). 


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Ernst  Rycknovskj^,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  253 

Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Ihre  Beziehungen  nach  ungedruckten  Briefen 

von 

Ernst  Rychnovsky. 

(Prag.) 


Die  hier  zum  ersten  Male  gedruckten  Briefe  stammen  aus  der  Auto- 
graphen-Sammlung  des  Herrn  Fritz  Donebauer  in  Prag,  der  mir  in 
der  liebenswiirdigsten  und  zuvorkommendsten  Weise  deren  Veroffent- 
lichung  gestattet  hat.  Dafttr  danke  ich  ihm  im  eigenen  Namen  aufs 
warmste,  aber  ich  darf  ihm  sicher  auch  im  Namen  aller  derjenigen  dan- 
ken,  die  vielleicht  einmal  aus  dem  interessanten  Inhalt  dieser  Briefe 
Einzelheiten  fiir  Arbeiten  iiber  Spohr  oder  iiber  Rochlitz  oder  iiber  das 
Oratorium  finden,  Details,  denen  bisher  in  der  in  Frage  kommenden 
Literatur  keine  Beachtung  geschenkt  werden  konnte.  Von  Spohr  kann 
ich  leider  nur  5  Briefe  an  Rochlitz  mitteilen,  dagegen  32  Briefe 
Rochlitz'  an  Spohr.  Von  den  fiinf  Spohr'schen  sind  drei  eigenhandig 
geschrieben  und  unterschrieben  (L  a.  s.),  zwei  von  fremder  Hand  geschrie- 
ben,  von  Spohr  unterschrieben  (Z.  s.).  Die  Rochlitz'schen  Briefe  sind  alle 
oigenhandig  geschrieben  und  unterschrieben  bis  auf  einen,  den  Brief  vom 
1.  Mai  1835.  Diesen  schrieb  nach  Rochlitz'  Diktat  offenbar  Franziska 
Kubler,  >vormals  die  Gesellschafterin  seiner  seligen  Frau  und  nun  seine 
Pflegerin,  ein  hochst  achtbares  junges  Frauenzimmer«.  Bis  auf  das 
teilweise  beschadigte  Schreiben  Rochlitz'  vom  9.  April  1827  sind  samt- 
liche  Briefe  tadellos  erhalten.  Aus  alien  diesen  Briefen  (uberdies  nicht 
nur  aus  den  Rochlitz'schen,  sondern  auch  aus  den  andern  260  an  Spohr 
gerichteten  Briefen  der  Donebauer'schen  Sammlung)  weht  uns  eine  schier 
unbegrenzte  Liebe  und  Verehrung,  Anerkennung  und  Hochachtung  fiir 
den  Kiinstler  und  Menschen  Spohr  entgegen,  spricht  eine  so  groBe  Sym- 
pathie  fiir  den  Komponisten  von  »Faust«,  »Jessonda«,  »Zemire  und  Azor«, 
daB  wir,  die  jiingere  Generation,  die  w  nur  gewohnt  sind,  in  etwas 
despektierlicher  Weise  von  Spohr's  siiBlicher,  weicher  Chromatik  zu  reden, 
kaum  mehr  die  richtige  Vorstellung  davon  haben. 

Von  den  beiden  Brief schreibern  ist  Ludwig  Spohr,  herzoglich  braun- 
schweigscher  Hofkapellmeister  in  Cassel,  so  bekannt,  daB  es  wohl  nicht 
notwendig  ist,  iiber  seine  Person  einige  biographische  Daten  mitzuteilen, 
zumal  ja  uberdies  die  in  der  Reclam'schen  Universalbibliothek  aus  der 
Feder  Ludwig  No hl's  erschienene  Biographie  hinlanglich  und  fiir  unsere 


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254  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Zwecke  ausreichend  informiert.  Nicht  so  einfach  steht,  schon  wegen  des 
Fehlens  einer  leicht  zuganglichen  Lebensbeschreibung,  die  Sache  mit 
Rochlitz,  so  daB  ich  wohl  fiir  das  bessere  Verstandnis  des  Polgenden  die 
notwendigsten  Angaben  iiber  dessen  Leben  machen  darf 1). 

Friedrich  Rochlitz  wurde  im  Februar  1769  (nach  Schilling  1770) 
in  Leipzig  als  der  zweite  Sohn  biederer,  frommer,  aber  armer  Biirgers- 
leute  geboren.  Friihzeitig  zeigte  sich  bei  dem  Knaben  Begabung  fiir 
Musik,  schon  rnit  9  Jahren  suchte  er  sich  auf  dem  Klavier  die  zu  Hause 
gehorten  und  mit  der  Mutter  oft  und  oft  gesungenen  Kirchenmelodien 
zusammen.  Dreizehn  Jahre  alt  kam  er  als  Alumnus  an  die  beriihmte 
Thomas-Schule  und  beteiligte  sich  hier,  da  er  eine  schone  Sopranstimme 
besaB,  fleiBig  an  der  Auffuhrung  von  Kirchenmusiken.  Unter  Doles, 
dem  damaligen  Thomas-Kantor,  lernte  er  das  Klavier-  und  Orgelspiel  so- 
wie  die  Lehre  vom  GeneralbaB.  Ohne  sich  dem  Musikerberuf  widmen 
zu  wollen,  komponierte  er  heimlich  Lieder,  Chorarien,  Klaviersonaten 
unter  einem  Hehlnamen,  Schilling  nennt  Leopold  Kozeluch,  Marx 
Kotzebue.  Die  Kirchenkantate,  »die  Vollendung  des  Erlosers«  fiihrte 
Doles  gelegentlich  auf.  Auf  der  Universitat  —  die  Eltern  hatten  den 
Sohn  fur  die  Theologie  bestimmt  —  befaBte  er  sich  beinah  gar  nicht  mit 
praktischer  Musik.  Wahrend  der  Anwesenheit  Mozart's  in  Leipzig 
verlebte  Rochlitz  eine  Reihe  der  schonsten  Tage.  Wie  mit  Zaubergewalt 
fiihlte  er  sich  zu  dem  Licht-  und  Liebesgenius  hingezogen  und  auch 
Mozart  hatte  den  tiichtigen  und  allgemein  gebildeten  jungen  Sanger  gern 
in  seiner  Nahe.  Einen  unmittelbaren  EinfluB  aber,  die  Theologie  an 
den  Nagel  zu  hangen  und  sich  ausschlieBlich  der  Musik  zu  widmen,  hatte 
diese  Bekanntschaft  nicht.  Rochlitz  befaBte  sich  fleiBig  mit  der  Kant'schen 
Philo8ophie,  und  eine  Frucht  dieser  Studi'en  war  die  Herder  gewidmete, 
gegen  Kant's  Ansichten  iiber  die  Musik  polemisierende  Schrift  »Blicke 
in  das  Gebiet  der  Kiinstec.  1798  erschien  im  >Deutschen  Merkur«  seine 
Abhandlung  >Gedanken  iiber  die  zweckmaBige  Benutzung  der  Materie 
der  Musikc.  Hartel2),  der  Teilhaber  der  Firma  Breitkopf  und  Hartel, 
las  diese  Aufsatze  und  nahm  sich  vor,  eine  den  Zwecken  der  Musik  aus- 


1)  Zur  Biographie  Rochlitz'  vergleiche  Schilling,  Encyklop'adie  der  gesamten 
musikalischen  Wissenschaften  oder  Universal-Lexikon  der  Tonkunst  VI.  Band,  Seite  20 
(Stuttgart  1838,' ;  A.  B.  Marx  in  den  Jahrbuchern  des  deutschen  National- Vereins  fiir 
Musik  und  ihre  Wissenschaft  2.  Jahrgang,  Seite  370  (18401;  Mendel-ReiCmann, 
Musikalisches  Konversations-Lexikon  Band  VIII,  Seite  373;  Rochlitz  >Selbstbio- 
graphie.  Zur  Geschichte  meines  Lebene  in  Hinsicht  auf  die  Musik «.  Allgemeine 
Musikalische  Zeitung,  45.  Jahrgang,  1843,  Nr.  7 — 12.  Die  von  Dorffel  besorgte  Neu- 
Ausgabe  von  Rochlitz'  >Fiir  Freunde  der  Tonkunst*  mit  angehangter  Biographie 
Rochlitz'  habe  ich  leider  nicht  auftreiben  konnen. 

2)  Siehe  weiter  unten. 


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Ernst  Kychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  255 

schlieBlich  dienende  Zeitschrift  ins  Leben  zu  rufen,  ahnlich  wie  es  einige 
Jahre  vorher  J.  P.  Reichardt  in  Berlin  getan  hatte.  Hiller  lehnte 
die  Redaktion  der  zu  begriindenden  Zeitschrift  ab  und  empfahl  Rochlitz. 
Von "  da  an  nun  steht  dieser  flir  lange  Jahre  mitten  im  offentlichen  Leben 
als  Redakteur  der  »Allgemeinen  musikalischen  Zeitung*.  Es  war  dies 
gerade  die  Zeit,  da  Haydn  und  Mozart  der  Tonkunst  die  hohere  Weihe 
gespendet  hatten  und  Beethoven  seine  Symphonien  in  die  weite  Welt 
sandte;  und  wenn  diese  letzteren  im  Norden  verhaltnismaBig  bald  ge- 
wiirdigt  wurden,  so  ist  dies  ein  unbestreitbares  Verdienst  Rochlitz',  der 
sowohl  als  Redakteur  mit  seinem  einfluBreichen  Wort  als  in  seiner  Eigen- 
schaft  eines  Mitgliedes  des  Direktoriums  der  Gewandhauskonzerte  mit 
der  Tat  fur  dieselben  feuereifrig  eintrat.  1818  legte  er  die  Redaktion 
nieder,  blieb  aber  bis  1835  Mitarbeiter  an  der  Zeitschrift.  In  den  Jahren 
1824—1832  erschien  sein  vierbandiges  Werk  »Fiir  Preunde  der  Tonkunst*, 
1838—1840  bei  Schott  in  Mainz  die  »Sammlung  vorziiglicher  Gesangs- 
stiicke*  in  drei  Abteilungen,  die  in  chronologischer  Ordnung  Werke  von 
Dufay  bis  Haydn  enthalt.     1842  starb  der  wiirdige  Greis. 

Der  Spatherbst  des  Jahres  1804  fiihrte  beide  Manner  das  erste  Mai 
zusammen.  Spohr  war  nach  Leipzig  gekommen,  um  dort  ein  Konzert  zu 
veranstalten.  Schon  bei  der  Probe  fanden  sich,  vielleicht  ebenso  aus 
Sensationssucht  und  Neugier  wie  aus  Liebe  zur  Kunst,  eine  Menge 
Musikfreunde  ein.  Spohr  hatte  namlich  einige  Tage  zuvor  in  einer  Ge- 
sellschaft  wegen  der  Unaufmerksamkeit  der  Gaste  sein  Spiel  abgebrochen, 
und  dieses  bis  dahin  unerhorte  Vorgehen  machte  begreiflicherweise  viel 
von  sich  reden. 

>Hier  (in  der  Probe)  wuflte  ich  sie«,  erzahlt  Spohr  in  seiner  Selbst- 
biographie1),  »durch  den  Vortrag  meines  D-rnoll  Concertos  so  fur  mich 
zu  gewinnen,  daB  sich  durch  sie  noch  vor  Anbruch  des  Concertabends  ein 
gunstiger  Ruf  iiber  meine  Leistungen  in  der  Stadt  verbreitete  und  dadurch 
eine  groBere  Zuhorerzahl  herbeigelockt  wurde,  als  ich  hatte  hoffen  dtirfen. 
Es  war  die  Elite  der  Leipziger  Musikfreunde  und  ein  sehr  empfangliches 
Publikum.  Es  gelang  mir  nun  auch,  mein  Auditorium  so  zu  enthusiasmieren, 
daB  ich  nach  Beendigung  deB  Concerts  stiirmisch  aufgefordert  wurde,  ein 
zweites  zu  geben.  Dieses  fand  acht  Tage  spater  statt  und  war  eins  der  be- 
suchtesten,  die  je  ein  fremder  Kilnstler  in  Leipzig  gegeben  hat.  In  der 
Zwischenzeit  wurde  ich  haufig  zu  Quartettpartien  eingeladen,  bei  welchen  ich 
dann  meine  Lieblinge,  die  sechs  ersten  Beethovenschen  Quartetten,  nachdem  ich 


1)  »Louis  Spohr's  Selbstbiographie*,  2  B'ande,  Kassel  und  Gottingen  Georg  H. 
Wigand  1860.  Vergleiche  Band  I,  Seite  80  ff.  Diese  in  Tagebuchform  gehaltene  Lebens- 
beschreibung  stammt  aus  den  letzten  Lebensjahren  Spohr's,  sie  diirfte  in  den  Jahren 
1847__1858  niedergeschrieben  sein.  Bis  zum  Jahre  1822  erzahlt  Spohr  selbst.  Nach 
seinem  Tode  wurde  die  Biographie  aus  seinen  nachgelassenen  Papieren  erganzt. 


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256  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

sie  vorher  mit  den  Begleitern  eingeiibt  hatte,  vorzugsweise  zu  Gehor  brachte. 
Ich  war  der  erste,  der  sie  in  Leipzig  spielte,  und  es  gelang  mir,  sie  durch 
meine  Vortragsweise  zu  voller  Anerkennung  zu  bringen.  Bei  diesen  Quar- 
tettpartien  lernte  ich  auch  zuerst  den  Redakteur  der  musikalischen  Zeitung. 
Hofrat  Rochlitz,  kennen  und  blieb  seitdem  mit  ihm  in  der  freundschaft- 
lichsten  Yerbindung  bis  zu  seinem  Tode.  Rochlitz  berichtete  in  seiner  Zeitung 
uber  meine  Conzerte.« 

Spohr  entschuldigt  sich  nun  gewissermaBen,  daB  er  den  Bericht  uber 
diese  Konzerte  im  Tagebuch  wortlich  wiedergibt,  glaubt  es  aber  tun  zu 
diirfen,  da  durch  ihn  sein  Ruf  in  Deutschland  zuerst  begriindet  wurde 
und  er  bestimmend  auf  sein  Lebensgeschick  einwirkte.  Aber  in  der  Be- 
scheidenheit,  die  ihn  Zeit  seines  Lebens  auszeichnete,  laBt  er  alle  Stellen 
weg,  die  dem  Menschen  Spohr  manches  Angenehme  sagten,  und  zitiert  *) : 

»Herr  Spohr  gab  am  10.  December  1804  zu  Leipzig  ein  Conzert  und 
auf  Aufforderung  Vieler  am  17.  ein  zweites;  in  beiden  aber  gewahrte  er  uns 
einen  so  begeisterten  Genufl,  als  auGer  Bode2}  kein  Yiolinist  uns  gewahrt 
hatte,  so  weit  wir  zuruckdenken  konnen.  Herr  Spohr  gehort  ohne  alien 
Zweifel  unter  die  vorzUglichsten  jetzt  lebenden  Yiolinspieler,  und  man  wiirde 
uber  das,  was  er,  besonders  noch  in  so  jungen  Jahren,  leistet,  erstaunen, 
wenn  man  vor  Entziicken  zum  kalten  Erstaunen  kommen  konnte.  Er  gab 
uns  ein  grofies  Conzert  von  seiner  Composition  (D-moll),  und  dies  auf  Be- 
gehren  zweimal,  und  ein  anderes  eben  so  yon  ihm  selbst  geschrieben  (E-moll). 
Seine  Concerte  gehoren  zu  den  schonsten,  die  nur  vorhanden  sind,  und  be- 
sonders wissen  wir  dem  aus  D~7noll  durchaus  kein  Violinconcert  vorzuziehen, 
sowohl  in  Hinsicht  auf  Erfindung,  Seele  und  Reiz,  als  auch  in  Hinsicht  auf 
Strenge  und  Grundlichkeit.  Seine  Individuality  neigt  ihn  am  meisten  zum 
GroBen  und  in  sanfter  "Wehmuth  Schwarmenden.  So  ist  nun  auch  sein  herr- 
liches  Spiel.  Herr  Spohr  kann  Alles;  aber  durch  jenes  reiBt  er  am  meisten 
hin.  Was  vorerst  Richtigkeit  des  Spiels  in  weitester  Bedeutung  heiBt,  ist 
hier,  gleichsam  als  sicheres  Fundament,  nur  yorausgesetzt;  vollkommene  Rein- 
heit,  Sicherheit,  Pracision,  die  ausgezeichnetste  Fertigkeit,  alle  Arten  des 
Bogenstrichs ,  alle  Yerschiedenheiten  des  Geigentons,  die  ungezwungenfite 
Leichtigkeit  in  der  Handhabung  von  diesem  Allen,  selbst  bei  den  groBten 
Schwierigkeiten  —  das  macht  ihn  zu  einem  der  geschicktesten  Yirtuosen. 
Aber  die  Seele,  die  er  seinem  Spiele  einhaucht,  der  Flug  der  Phantasie,  das 
Feuer,  die  Zartheit,  die  Innigkeit  des  Gefiihles,  der  feine  Geschmack,  und 
nun  seine  Einsicht  in  den  Geist  der  verschiedensten  Compositionen  und  seine 
Kunst,  jede  in  diesem  ihrem  Geiste  darzustellen,  das  macht  ihn  zum  wahren 


1,  Die  vollstandige  Rezension  siehe  Allgemeine  musikalische  Zeitung,  VII.  Jahr- 
gung,  Seite  202. 

2}  Rode,  Jacques  Pierre,  1774 — 1830,  Schiiler  von  Fauvel  und  Viotti,  Primgeiger 
der  Pariser  GroBen  Oper,  bekleidete  nebstbei  die  Professur  furs  Violinspiel  am  Pariser 
Konservatorium.  Rode  unternahm  groBe  Konzertreisen,  die  ihn  auch  durch  Deutsch- 
land und  Osterreich  fuhrten.  Als  Komponist  erfreut  er  sich  noch  heute  bei  Violin- 
spielern  einer  betr'achtliclien  Beliebtheit.   Vergleiche  A.  Pougin,  Xoiire  stir  Rode  1874. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Bochlitz.  257 

Kiinstler.  Diesen  letzteren  Vorzug  haben  wir  noch  an  keinem  Violinisten 
in  dem  MaBe  zu  bewundern  Gelegenheit  gehabt,  als  an  Herrn  Spohr,  und 
zwar  vornehmlich  bei  seinem  Quartettenspiel.  Kein  Wunder  daher,  wenn  er 
ilberall  wohlgefallt  und  fast  gar  keinen  Wunsch  zurucklafit,  als  daB  man  ihn 
behalten  und  immer  horen  mochte.« 

Trotz  dieser  begeisterten  Kritik,  trotz  der  vorhergegangenen  person- 
lichen  Bekanntschaft  kam  es  noch  auf  Jahre  hinaus  nicht  zu  einem 
innigeren  Verkehr.  Ab  und  zu  mag  ja  wohl  ein  Briefchen  hinuber-  und 
heriibergeflogen  sein,  wie  wir  aus  dem  ersten  Brief  Rochlitz'  zu  schlieBen 
berechtigt  sind,  aber  nachhaltend  hat  diese  vermutliche  Korrespondenz 
in  keinem  Falle  gewirkt.  Erst  Spohr' s  Reise  nach  Italien  und  die  dort 
gesammelten  Eindrucke,  namentlich  eine  Auffiihrung  des  * Miserere*  in 
der  Sixtinischen  Kapelle  in  Rom  am  3.  April,  waren  die  nachste  Ver- 
anlassung  dazu,  daB  sich  beide  Manner  naher  traten.  Nach  der  Rttck- 
kehr  aus  Italien  sandte  Spohr  von  Aachen  aus  —  man  schrieb  das  Jahr 
1817  —  einen  Artikel  iiber  die  erlebte  AuffUhrung1).  Auch  im  Tage- 
buch2)  verbreitet  er  sich  mit  der  Weitschweifigkeit  des  gern  plaudernden 
alten  Herrn  iiber  dieses  Ereignis.  Recht  anschaulich  schildert  er  die 
Schwierigkeiten,  die  es  machte,  bevor  man  Eintrittskarten  erhalten 
konnte,  und  ist  nicht  wenig  stolz  darauf,  daB  sein  biBchen  »Schwizer- 
diitsch«  bei  dieser  Gelegenheit  mehr  Wert  hatte  als  alles  Englisch  und 
Franzosisch. 

»Vor  dem  Anfang  des  Gesanges  wurden  neunzehn  Psalmen  abwechselnd 
von  hohen  und  tiefen  Stimmen  auf  dieselbe  Art  im  unisono  abgebetet,  die 
uns  Bchon  um  Weihnachten  so  viel  Langeweile  gemacht  hatte,  und  acht  oder 
neun  davon  hatten  wir  noch  zu  uberstehen!  Nach  einem  jeden,  der  etwa 
funf  lange  Minuten  dauert,  wird  eins  von  den  Lichtern  ausgeloscht,  die  auf 
einem  kolossalen,  pyramidenformigen  Armleuchter  vor  dem  Hochaltare  brennen. 
Wie  sehr  wiinscht  man,  daB  auch  das  letzte  erloschen  moge!  Endlich  kommt 
der  ersehnte  Augenblick  und  es  tritt  nach  und  nach  eine  Stille  ein,  welche 
die  Erwartung  auf  das,  was  nun  folgt,  nicht  wenig  steigert.  Dieser  Spannung, 
der  feierlichen  Dammerung  in  der  nur  noch  vom  letzten  Schein  der  Abend- 
rothe  matt  erleuchteten  Kirche  und  der  Ruhe,  die  das  Ohr  nach  dem  rohen 
Abbrullen  der  Psalmen  nun  endlich  empfindet,  war  es  wohl  zuzuschreiben, 
daB  der  erste  langgetragene  Accord  von  C-moU  solch  einen  wohlthuenden 
Eindruck  auf  mich  machte,  daB  es  mir  Musik  aus  einer  anderen  Welt  zu 
sein  schien.  Doch  nur  zu  bald  wurde  man  erinnert,  daB  man  eine  irdische, 
und  zwar  eine  von  Italienern  gesungene,  hore;  denn  gleich  im  zweiten  Takte 
wurde  das  Ohr  von  fiirchterlichen  Quintenfolgen  zerrissen!  Der  Satz  heiBt 
ohne  Zweifel  so: 


1)  Vergleiche  Allgemeine  musikalische  Zeitung  19.  Jahrgang,  Seite  674  £f.     »Uber 
die  diesjahrige  Auffiihrung  des  Miserere  in  der  sixtinischen  Kapelle  zu  Rom.« 

2)  Selbstbiographie,  Band  II,  Seite  37  ff. 

S.  d.  I.  M.    V.  17 


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258 


Ernst  Hychnovaky,  Ludwig  Spobr  und  Friedrich  Bochlitz. 


I 


m^t 


Mi  -   se    -    re 


-jr^t 


P^FT-TF^ 


^ 


wurde  von   den  Sangern   aber   auf  folgende   barbarische  Art  verziert  vorge- 
tragen: 


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m 


J    L  I  4  1 


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m 


m 


Mi  -  se    -    re        -        -        re 


IS 


ifrf~r'~ji^F=i=f!z 


Ich  wiirde  es  keinem  Andern,  ja  meinen  eigenen  Ohren  nicht  geglaubt 
haben,  dafi  man  so  in  der  Sixtini'schen  Kapelle  singen  konne,  wenn  ich 
dieselbe  Stelle  spater  nicht  noch  einmal  wiederholt  gehort  hatte.  1st  das 
vielleicht  die  geheimnisvolle  Art,  diese  alten  Compositionen  vorzutragen,  von 
der  man  erzahlt,  daC  sie  nur  immer  diesem  Sangerchor  bekannt  gewesen  sei 
und  sich  durch  Tradition  fortgeerbt  habe?  Doch  nein!  so  barbarisch  konnen 
nur  neuere  Italiener  singen,  die  wohl  Sinn  fur  Melodie  haben,  in  allem 
aber,  was  Harmonie  heiBt,  im  hochsten  Grade  unwissend  sind.« 

Spohr's  kritischer  Sinn,  besonders  seine  Objektivitat  lieBen  ihn  indes 
auch  die  guten  Seiten  des  Ohorgesangs  in  der  Sixtinischen  Kapelle  wahr- 
nehmen.  So  wie  er  schonungslos  die  eingerissenen  gesanglichen  Unarten 
aufdeckt,  so  findet  er  auch  Worte  hoher  Anerkennung  fur  die  ausgezeich- 
nete  Wirkung  dieser  a  cappeUa  Musik  und  er  kann  es  wohl  begreifen, 
>daB  dieselbe  in  friiheren  Zeiten,  als  der  Sanger-Chor  noch  besser  war, 
auf  Fremde,  die  noch  nie  eine  reine  Vokal-Musik  und  Kastraten-Stimmen 
gehort  hatten,  einen  ungeheuern  Eindruck  machen  muBte.c 

Auf  die  Einsendung  des  Miserere-Aufsatzes  erhielt  Spohr  folgenden 
Brief: 

Leipzig,  d.  22sten  August  1817. 
Wohlgeborner,  Hochgeehrter  Herr  Kapellmeister! 

Sie  haben  mich  durch  Ihr  Briefchen  (Achen,  d.  10 ten  Aug.)  und  dessen 
Einlage  (iiber  d.  Miserere  in  Bom)  auf  mehr  als  eine  Weise  erfreut,  und  ich 


1)  Im  Tagebuch  stehen  in  beiden  Beispielen  statt  der  halben  Noten  im  dritten 
und  letzten  Yiertel  des  zweiten  Taktes  Viertelnoten  und  Pause. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  259 

danke  Ihnen  von  Herzen  dafiir.  Jener  interessante  Aufsatz  wird  in  diesen 
Tagen  gedruckt,  nnd  gewifi  jedem  Leser,  wie  mir,  willkommen  seyn;  und 
dies,  wie  Ihre  fruheren  Berichte  umsomehr,  da  Sie  Ihren  geehrten  Namen 
unterzeichnen,  und  sonach  keinem  irgend  ein  Zweifel  oder  Bedenken  ein- 
kommen  kann.  Auch  fur  jene  fruhern,  wahrlich  hochst  anziehenden  Berichte 
sage  ich  Ihnen  Dank.  Sie  sind  uberall  mit  groBer  Teilnahme,  nicht  nur  an 
den  Gegenstanden,  sondern  auch  an  Ihrer  Person,  gelesen  worden.  Eben 
darum  bitte  ich  gar  sehr,  die  mir  nun  gemachte  Hoffnung  zu  erfullen ;  die 
namlich,  von  vorziiglichen,  wahrhaft  merkwlirdigen  musikal.  Angelegenheiten 
von  Zeit  zu  Zeit  Ihren  Freunden  durch  die  musikal.  Zeitung  etwas  zu- 
kommen  zu  lassen.  Ich  darf  mir  diese  Bitte  umso  eher  erlauben,  da  hier- 
mit  nicht  nur  der  eine  Theil,  der  Leser,  sondern  auch  der  andere,  der  Ver- 
fasser  Gewinn  hat;  und  zwar  ein  en  Gewinn  der  Art,  wie  Manner  edlern 
Sinnes  ihn  nicht  nur  suchen  diirfen,  sondern  suchen  miissen,  um  dann  desto 
mehr  und  desto  erfreulicher  wirken  zu  konnen.  —  Mit  Vergntigen  mache 
ich  Sie,  dem  es  vor  diesem  die  lieben  Landsleute  nicht  eben  uberall  leicht 
gemacht,  darauf  aufmerksam,  daB  und  wie  in  der  musikal.  Zeitung,  seit  Sie 
Wien  zu  verlassen  im  Sinn  hatten,  von  dort,  Zurich,  Mayland,  Rom  etc., 
dann  wieder  von  Zurich,  Carlsruhe  etc.,  ferner  auch  bey  Anzeigen  und  Be- 
urtheilungen  Ihrer  Werke,  gesprochen  worden.  Ich  kann  nicht  zweifeln, 
eben  das  muB  einen  Kiinstler,  wie  ich  Sie  steta  verehrt,  und  einen  Mann, 
wie  ich  Sie  seit  einiger  Zeit  erst  naher  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  ge- 
funden,  werth  und  erfreulich  sein.  TJnd  eben  dies  bringt  mich  auch  ganz 
natiirlich  auf  einen  andern  Punkt,  um  welcheswillen  mir  Ihr  Briefchen  so 
willkommen  gewesen.  Es  hat  mir  namlich  seit  mehreren  Jahren  geschienen, 
als  ob  Sie  mir  mit  einer  Art  MiBtrauen,  oder  wenigstens  nicht  mit  dem 
Zutrauen,  im  Verhaltnis  zu  Ihnen,  Ihren  "Werken  und  Verdiensten,  betrach- 
teten,  das  ich  doch  zu  verdienen  glaubte.  Das  hat  mir  leid  gethan;  und 
wiewol  ich  dieser  Empfindung,  wie  ich  redlich  versichern  kann,  menials  so- 
viel  Raum  gegeben  habe,  daB  sie  mich  gegen  Sie  und  Ihre  herrlichen  Lei- 
stungen  erkaltete  —  wie  viel  weniger  laBig  oder  gar  ungerecht  machte:  so 
hatte  ich  doch  aufgegeben,  Ihnen  naher  zu  treten,  wozu  sich  iibrigens  auch 
die  Gelegenheit  nicht  recht  bieten  wollte.  Jetzt  schenken  Sie  mir  Zutraun, 
und  daB  ich  Ihnen  jenes  so  offen  darlege,  beweise  Ihnen  meine  Neigung 
und  meinen  Vorsatz,  Ihnen  ein  Gleiches  darzubringen.  Die  Folge  soil  noch 
besser  darthun,  was  ich  hier  versichere;  und  ich  fordere  Sie  selbst  auf,  mir 
dazu  Gelegenheiten  zu  geben:  denn  personlich,  und  es  ist  Ihnen  dann  urn's 
Herz  wie  mir;  so  wollen  wir  uns  gegenseitig  recht  ausreden  und  vollkommen 
verstandigen ;  und  gewiB,  daraus  wird  sich  zwischen  uns  ein  Verhaltnis  bilden, 
wie  es  uns  beyden  zukommt,  und  eigentlich  immer  unter  uns  hatte  statfc- 
finden  sollen.  Glauben  Sie  ja  nicht,  daB  in  diesen  AuBerungen  der  Heraus- 
geber  der  musikal.  Zeitung,  journalistenmaBig,  mit  hineinspricht :  ich  habe 
von  alle  dem,  was  Sie  fur  dies  Institut  thun  konnen  und  mogen,  schlechter- 
dings  nichts,  als  was  jeder  Leser  davon  hat,  der  aber  so  viel  warmen  Antheil 
an  der  Tonkunst  und  an  Ihnen  nimmt,  wie  ich  —  wie  ich  denn  iiberhaupt 
von  dieser  Zeitung  keinen  Gewinn  habe,  keinen  suche  und  nur  mein  Geschick 
preise,  das  mich  so  gestellt  hat,  fur  das,  was  meine  Lieblingsneigung  von 
jeher  gewesen,  ohne  jene  Rucksichten  thatig  und  wirksam  seyn  zu  konnen. 
—  Was  Sie  mir  fur  die  musikal.  Zeitung  senden,  belieben  Sie  nicht  unter 
m einer  Adresse,  sondern:    >An  die  Redaction  der  Leipziger  musikal.  Z.,   ab- 

17* 


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260.  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  and  Friedrich  Rochlitz. 

zageben  bey  Hrm  Breitkopf  und  H'artel  in  Leipzig*  zu  senden,  and  nicht 
postfrey  zu  machen.  Ich  erhalte  es  eben  so  sicher,  and  es  bleibt  nicht,  wie 
wol  andere  Brief e,  langer  liegen,  wenn,  wie  das  zuweilen  geschieht,  Ge- 
sch&fte  etc.  mich  von  der  Stadt  entfernt  balten.  —  Mit  wahrer  Hochachtung 
und  Ergebenheit  mich  Ihnen  empfehlend, 

Rochlitz. 

In  Beantwortung  dieses  Briefes  wandte  sich  Spohr  mit  zwei  Anfragen 
an  Rochlitz,  semen  Vertrauensmann.  Die  eine  betrifft  die  Besprechung 
der  Prager  Auffiihrung  seines  »  Faust* 1).  Damals  war  Carl  Maria 
von  Weber2)  noch  in  Prag,  der  (freilich  spielten  da  auch  private 
Verhaltnisse  mit  hinein,  Liebesgeschichten,  die  ihm  vielleicht  den 
sonst  so'  offenen  Blick  triibten),  mit  den  Prager  Verhaltnissen  nicht  so 
recht  zufrieden,  durch  eine  Briefstelle  Rochlitz  ein  Recht  gab,  von  dem 
»jetzt  so  verdumpften  Sinn  der  Prager*  zu  reden.  Unmutig  schrieb  er 
einmal  an  den  Redakteur  der  »AUgemeinen  musikalischen  Zeitnng* 
unterm  16.  Mai  18143): 

>Der  Geist  des  Publikums,  den  Sie  so  treffend  wahr,  einen  matten,  nn- 
ruhig  in' s  Blaue  hinaus  wiinschenden  nennen,  ist  so  niederschlagend 
fiir  den  schopfenden  Kiinstler,  daB  er  ganz  dem  entsagt,  auf  selbes  zn  wirken, 
und  sich  wieder  von  ihm  begeistern  zu  lassen.  Nichts  erregt  eigentlichen 
Enthusiasmus,  alles  kommt  und  geht  mit  Todeskalte.  Der  Haufe  fuhlt  nicht 
als  Haufe,  weil  er  ttberhaupt  keinen  Gemein-Geist  besitzt,  keine  Geselligkeit 
existirt,  und  jeder  Stand,  und  in  diesem  wieder  jede  Familie  isolirt  fiir  sich 
dasteht  und  vegetirt.« 

Trotzdem  unterlieB  es  Weber  nicht,  dasselbe  Publikum  durch  Referate 
liber  die  neuen  aufgefiihrten  Opern  zu  belehren,  wie  er  es  auch  mit  dem 
»Faust«  tat.  Freilich  stand  das  Referat  nicht  in  der  Leipziger  >Allge- 
meinen*4),  und  nur  insofern  hatte  die  Inkrimination  Rochlitz'  einen  tat- 


1)  >Faustc.  Romantische  Oper  in  zwei  Aufziigen  von  J.  C.  Bernard,  1813  in 
Wien  komponiert;  die  Oper  wurde  in  der  Zeit  von  Ende  Mai  bis  Mitte  September 
beendet  und  am  1.  September  1816  znm  erstenmal  in  Prag  gegeben. 

2)  Weber  war  von  1813 — 1816  in  Prag  Operndirektor  und  Reorganisator  der  durch 
die  Unfahigkeit  Wenzel  Miiller's.  zugrundegegangenen  Oper.  Vergleiche  Max  Maria 
von  Weber,  Carl  Maria  von  Weber.     Ein  Lebensbild.    Drei  Bande.    Leipzig  1864. 

3)  Weber,  Band  I,  Seite  437. 

4)  Weber  fuhrt  als  Fundort  dieses  Artikels  an  »das  Prager  Lokalblatt*Sammler  «. 
[Band  I,  Seite  568.)  Allein  in  Prag,  also  an  der  Quelle,  konnte  ich  die  Existenz 
eines  Blattes  mit  diesem  Namen  nicht  nachweisen.  Dagegen  kam  in  Wien  bei 
Strauft  von  1808  angefangen  ein  >Sammler«  genanntes  Konversationsblatt  heraue,  das 
Berichte  tiber  Prager  Theater-Auffiihrungen  brachte.  Da  ich  aber  bier  in  Prag  von 
dieser  Zeitschrift  nur  den  Jahrgang  1814  auftreiben  konnte  und  gerade  aus  diesem 
Jahre  literarische  Arbeiten  C.  M.  v.  Weber's  nicht  vorhanden  sind,  so  vermag  ich 
nicht  mit  Bestimmtheit  anzugeben,  ob  Weber's  Rezension  im  Wiener  >Sammler« 
erschienen  ist. 


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Ernst  Rychnovsky,  Lndwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  261 

sachlichen  Hintergrund.  Weber  vindiziert  in  seinem  Bericht  dem  Prager 
Theater  >die  Ehre,  dieses  schone  Erzeugnis  deutscher  Kunstweise  zuerst 
auf  die  Buhne*  gebracht  zu  haben.  Nach  der  Besprechung  des  Textes 
yon  Bernard  fahrt  er  fort: 

»In  musikalischer  Beziehung  hat  Herr  Bernard  ein  schones  Feld  er- 
offnet,  und  es  dunkt  Ref.  auch,  daJJ  dieses  nicht  leicht  in  bessere  Hande 
hatte  kommen  konnen,  als  eben  dieses  Komponisten. 

Herr  Spohr  hat  sich  durch  seine  trefflichen  Leistungen  in  Instrumental- 
kompositionen  aller  Art  einen  so  achtenswerten  Platz  in  der  Kunstwelt  er- 
worben,  daB  gewili  jeder  Kunstler  mit  freudiger  Verehrung  seinen  Namen 
nennt. 

Als  Opernkomponist  kennt  ihn  zwar  die  Menge  nicht  in  eben  diesem 
Grade,  doch  hat  er  sich  auch  in  diesem  Fache  mehrfaltig  versucht,  und  daher 
schon  die  Erfahrungen  voraus,  die  man  nur  als  Parteiloser  beobachten,  durch 
eigne  Versuche  sammeln  kann.  Das  »Duell«  mit  der  »Geliebten«  fur  das 
Hamburger  Theater  (und  andere)  sind  Ref.  am  erinnerlichsten  davon.  Der 
Charakter  des  vorliegenden  Stoffes  liegt  offenbar  dem  Geiste,  der  sich  meistens 
in  den  Arbeiten  Herrn  Spohr's  ausspricht,  sehr  nahe;  und  diese  romantische, 
diistere  Geisterwelt  entspricht  recht  der  innern  Tonwelt  dieses  Componisten. 
Hieraus  entwickelt  sich  also  leicht  das  Resultat  einer  schonen  Farbengebung 
des  ganzen  "Werkes,  groBer  theatralischer  und  musikalischer  Effekte  von  vor- 
ziiglicher  Lieblichkeit  und  Ahmuth  in  den  einzelnen  Theilen,  und  erschiittern- 
der  KraftauBerungen  in  den  Ensembles  und  Choren. 

Die  Ausfuhrung  der  einzelnen  Gegenstande  musikalischer  Bearbeitung, 
als:  Instrumentation  und  Harmonieenfulle,  ist  mit  der  ausgezeichneten  Sorg- 
falt  und  Strenge  gearbeitet,  die  man  an  diesem  Meister  gewohnt  ist. 

Gliicklich  und  richtig  berechnet,  gehen  einige  Melodien  wie  leise  Faden 
durch  das  Ganze,  und  halten  es  geistig  zusammen.  In  dieser  Beziehung 
wird  die  effektvolle  Ouvertiire  erst  nach  dem  Anhoren  der  Oper  ganz  ver- 
standlich,  von  der  der  Componist  selbst  als  Yorwort  in  dem  gedruckten  Buche 
folgendes  zu  aufiern  nothig  fand: 

»Der  Tonsetzer  hat  in  der  Ouverture  Fausts  innere  Lebenszustande  der 
Phantasie   des  Zuhorers    durch   Tonbilder   anschaulich   zu  machen    versucht.* 

»Im  Allegro  vivace  ist  das  sinnliche  Leben  Fausts  und  der  Taumel  der 
Schwelgerei  in  diesem  bezeichnet,  denn  der  UberdruB  daran  weckt  das  Bessere 
in  ihm,  und  erzeugt  Gewissensvorwiirfe,  ^lie  von  der  m'achtigen  Sinhlichkeit 
betaubt  werden.« 

»Im  Largo  grave  ist  sein  endlicheB  Ermannen,  das  Bestreben  dem  Bosen 
zu  entsagen,  und  im  Fugato  das  allmalige  Aufkeimen  guter  Vorsatze  an- 
gedeutet.  Doch  bald  unterliegt  er  neuen  und  starkern  Lockungen  der  Sinn- 
lichkeit  —  tempo  primo  —  und  iiberlaBt  sich,  von  der  betriigerischen  Macht 
des  Bosen  verblendet,  mehr  als  je  den  ungezugelten  Llisten*. 

Die  grofien  Schwierigkeiten,  die  sich  ubrigens  in  dieser,  sowie  in  alien 
Arbeiten  Herrn  Spohrs,  der  Ausfuhrung  in  musikalischer  Hinsicht  entgegen- 
stellen,  mogen  freilich  die  Auffuhrung  dieses  schonen  Werkes  mancher  Biihne 
erschweren;  Ref.  geniefit  aber  die  Freude,  das  kunstliebende  Publikum  auf- 
merksam  machen  zu  durfen,  wie  der  Wille  und  Eifer  des  gesammten  Opern- 
Personals,  Chora  und  Orchestera  keine  Anstrengung  fiir  zu  groB  halt,  urn 
.neue  und  oft  schon  deshalb  schwierige  Kunstwerke   demselben  vorzufuhren.* 


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262  Ernst  Rychiiovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

So  lautete  Weber's  Urteil,  das,  in  der  »AUgemeinen«  veroffentlicht, 
allerdings  groBeres  Aufsehen  erregt  und  fur  Spohr  natiirlich  auch  wert- 
voller  gewesen  ware. 

Die  zweite  Anfrage  bezog  sich  auf  die  Besetzung  des  Berliner  Kapell- 
meister-Postens  mit  Spontini1).  Das  Schreiben  hatte  nachstehenden 
Wortlaut: 

Leipzig,  d.   lsten  Octbr.  1817. 
Ew.   Wohlgeb. 

haben  mein  voriges  Schreiben  vollkommen  so  aufgenommen ,  wie  ich  er- 
wartet  hatte;  und  so  bedarf  es  kiinftig  weder  von  mir,  noch  von  Ihnen,  der 
Zusicherungen  von  Theilnahme  u.  dgl.  Vielmehr  komme  ich  jetzt,  zumal  da 
ich,  wie  leider  uberhaupt,  von  nothigen,  wie  von  eigentlich  unnothigen,  darum 
aber  doch  unabwendbaren  Beschaftigungen  fast  erdruckt  werde  —  auf  die 
beyden  Angelegenheiten,  woruber  Sie  meinen  Rath  verlangen.  —  In  Prag, 
wo  so  Wenige  schreiben  konnen,  und  von  den  Wenigen  kaum  Einige  schreiben 
mogen,  besitzt,  wie  Sie  mit  Recht  vermuthen,  die  musikal.  Zeitg.  seit  mehreren 
Jahren  keinen  Correspondenten,  und  kann  jetzt  auch  keinen  erreichen.  All© 
vielfaltige  Bemuhung  ist  vergebens  gewesen.  Zwar  gibt's  Herren,  die  zu- 
weilen  sich  selbst  und  einen  Gevatter  ausposaunen  mochten:  aber  das  kann' 
nicht  angenommen  werden.  Als  Maria  v.  Weber  noch  dort  war,  und  ich 
erfuhr,  Ihr  FauBt  sey  eben  auf  die  Buhne  gebracht,  schrieb  ich  diesem  uni 
Nachricht  dariiber  fur  jene  Zeitg.:  er  versprach  sie,  gab  sie  aber  nicht.  Als 
er  weg  und  vorerst  nach  Berlin  gieng,  besuchte  er  mich,  versprach,  auf  mein 
Erin n em  von  Neueni,  hat  aber  noch  heute  nichts  gethan.  Auch  hat  Ihr 
Eaust  zwar  einen  gunstigen,  doch  nicht  eben  ausgezeichneten  Erfolg  gehabt; 
was  aber  durchaus  nicht  gegen  ihn  sprechen  soil,  denn  ich  kenne  den  jetzt 
so  verdumpften  Sinn  der  Prager  —  doch  aber  ihm  (dem  Eaust)  in  der  all- 
gemeinen  Meynung,  wie  sie  bey  der  groBen  Masse  vor  Kenntnis  des  Werkes 
aus  den  offentlichen ,  eleganten  und  nicht  eleganten  Klatschbuden  sich  zu 
bilden  pflegt,  nachtheilig  geworden  ist.  Schriebe  Weber  wirklich  dariiber,  so 
wurde  das  von  guter  Wirkung  seyn;  sonst  aber  (oder  auch,  bey  jenem)  ware 
mein  Rath,  Sie  schrieben  dem  Grafen  Briihl2)  nach  Berlin,  und  bewirkten 
dort  eine  moglichst  gute  Auffuhrung.  Machte  da,  eben  da,  das  Werk  be- 
deutendes  GlUck,  wie  ich  nicht  z^eifle:    so    wurde    es    dann    gewiC   auf  den 


1)  Uber  Spontini  in  Berlin  vergleiche  Spitta,  »Spontini  in  Berlin*  in  >ZurMusik 
—  Sechzehn  Aufsatze«  Berlin  1892  sowie  Altmann  »Spontini  an  der  Berliner  Oper. 
Eine  archivalische  Studie*  in  Band  IV,  Seite  244  ff.  der  Sammelbande  der  IMG. 

2)  Briihl,  Karl  Friedrich  Moritz  Paul  Graf  von,  1772—1837  wurde  nach  Iffland's 
Tode  General-Intendant  der  Koniglichen  Schauspiele.  Seine  allmachtige  Stellung  er- 
litt  einen  harten  StoB  durch  die  Berufung  Spontini's.  Die  ewigen  Kompetenz-Kon- 
flikte  mit  letzterem  untergruben  Briihl's  Gesundheit.  Im  Jahre  1828  wurde  ihm, 
nachdem  er  von  einer  schweren  Krankheit  genesen  war,  die  wiederholt  erbetene  Ent- 
lassung  bewilligt.  Forster's  ungiinstiges  Urteil  uber  Briihl  (in  der  Allgemeinen 
deutschen  Biographie)  erfahrt  jedoch  eine  Modifikation  zu  Gunsten  dee  Yerkannten 
durch  Altmann's  urkundliche  Nachweise  in  dem  (Anmerkung  1  angefuhrten  Aufsatz. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  263 

meisten  Theatern  gewiinscht  werden.  Der  Faust  Klingemanns1),  der,  wie  er 
nun  auch  seyn  mag,  iiberall  eingefiihrt  ist  und  eine  gewisse  Art  des  Effects 
allerdings  hervorbringt,  erschwert  dem  Ihrigen  ebenfalls  den  Eingang.  Er* 
lauben  Sie  mir  dabey  eine  Frage!  Sie  erklaren  ihn  fur  Ihre  beste  Arbeit: 
gebet  es  Ihnen  auch  nicht,  wie  mehrern  andern  Kunstlern,  da£  sie  sich  in 
so  fern  selbst  verkennen,  als  sie  von  einer  Seite  durcb  ihre  innerste  Natur, 
von  der  andern  durch  ihren  Vorsatz  geleitet  werden,  und  nun,  was  sie  dort 
leichter  err  in  gen,  dem  ungerecht  nachstellen,  was  sie  hier  schwerer  zu  Stande 
bringen?  Ich  —  nach  alle  dem,  was  ich  von  Ihren  Werken  kenne  —  ich 
glaube,  Ihre  eigentliche  Heimath  ist,  wie  J.  Haydns  u.  Beethovens,  in  der 
Instrumentalmusik.  Da  vermogen  Sie  aber  auch  alles,  wenn  Sie  nur  wollen. 
Einen  schonen  und  neuen  Beweis  dafur  habe  ich  erst  in  diesen  Tagen  mir 
wieder  verschafft,  indem  ich  mir  Ihr  Concert  aus  Emoll  (bey  Peters)  in 
Partitur  setzen  lassen,  damit  ich  etwas  Ordentliches  und  Ausftihrliches  — 
wie  weit  dies  bey  Werken  dieser  Gattung  uberhaupt  in  meinen  Kraften  ist 
—  daruber  sagen  konne.  Sie  werden  meine  Anzeige  sobald  zu  lesen  be* 
kommen,  als  sich  Platz  finden  will;  wenigstens  noch  in  diesem  Jahr:  u.  ich 
wiinsche,  dafi  Sie  damit  zufrieden  seyn  mogen.  —  TJber  die  zweyte  Ihrer 
Angelegenheiten  kann  ich  kurz  seyn.  Der  Konig  von  Preufien  hat,  wie 
Sie  nun  aus  offentl.  Blattern  wissen  werden,  in  Paris  Spontini'n  zum  Kapell- 
meister angenommen.  Jene  offentliche  Aufforderung,  Webers  wegen,  war 
wol  nur  eine  Manipulation  seiner  Berliner  Freunde.  Auch  glaube  ich  nicht, 
daB  W.  von  Dresden2)  weggienge;  wenigstens  wurde  ichs  ihm  sehr  ver- 
denken:  denn,  wie  er  sich  in  Achtung,  und  sonst  auch,  zu  setzen  gewuBt 
hat,  kann  sich  ein  wahrer,  und  nicht  mehr  in  eitlem  Zujauchzen  u.  dgl. 
lebender  Kiinstler  billiger  Weise  kaum  eine  bessere  S telle  wlinschen.  Ihnen 
wiirde  es  aber  dort  schwerer  geworden  seyn,  Polledros8)  wegen.  —  Da  ich 
aber  nun  Ihre  Gedanken  und  Wiinsche  uber  diesen  Punkt  kenne,  werde  ich, 
im  Fall  ich  kunftig  etwas  Ahnliches  erfuhre,  Ihnen  Nachrichten  geben,  und 
Mittel  und  Wege,  weifi  ich  sie  selbst,  gleichfalls.  Unser  alter,  wackerer 
Schicht4)  wird  stumpf,  u.  ein  SchlagfluB  scheint  ihm  nachzuschleichen,  der 
ihn  einmal  schn ell  anpacken  kann ;  Schneider5)  erhalt  dann  wahrscheinl.  seine 
Stelle  an  der  Schule:    mochten   Sie    dann    Direktor  unserer  neuen,   schonen 


1)  Klingemann,  Ernst  August  Friedrich,  1777 — 1831,  Direktor  des  Braunschweig- 
schen  Nationaltheaters,  1830  General-Direktor  des  Hoftheaters.  Von  seinen  drama- 
tischen  Werken  hatte  lediglich  > Faust*  (1815)  groBereB  GHUck,  indem  er  sich  bis 
in  die  Sechziger  Jahre  auf  den  Biihnen  erhielt  und  nicht  selten  Goethe's  Faust  als 
ebenburtig  an  die  Seite  gestellt  wurde. 

2)  Weber  trat  1817  seine  Dresdener  Stellung  an,  wiederum  Organisator,  diesmal 
der  neu  zu  errichtenden  deutschen  Oper.  die  sich  durc^  seine  Verdienste  sehr  bald 
mit  der  unter  Morlacchi's  Regime  stehenden  ltalienischen  messen  konnte. 

3)  Polledro,  Giovanni  Battista,  1781—1853,  Paganini*s  Schuler,  kam  1814  als 
Konzertmeister  nach  Dresden. 

4)  Schicht,  Johann  Gottfried,  1753—1823,  wurde  1785  nach  Hiller  Dirigent 
der  Gewandhauskonzerte,  1810  Thomaskantor. 

5)  Schneider,  Johann  Christian  Friedrich,  1786—1863,  wurde  1813  Organist 
der  Thomaskirche,  1821  ging  er  nach  Dessau  als  Hofkapellmeister.  Sehr  geschatzt 
war  unter  seinen  Kompositionen  das  Oratorium  »Das  Weltgericht*  (1819  komponiert), 
von  dem  auch  spater  in  den  Briefen  die  Rede  ist. 


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264  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  and  Friedrich  Kochlitz. 

Oper  werden?  Schneider  ist  auBerdem  auch  noch  Organist  an  der  Thomas- 
kirche,  was  er  ale  Cantor  nicht  bleiben  konnte.  —  Und  nun  noch  ein  Wort, 
das  Sie  mir  ja  nicht  miBdeuten  diirfen!  Muthen  Sie  mir  nicht  zu,  oft  und 
viel  zn  schreiben:  ich  arbeite,  oder  sitze  doch  mich  ohnehin  in  ein  steifes 
Alter,  und  muB  mich  zuriickhalten. 

Mit  Hochachtung  und  Freundschaft  Sie  begruBend 

Bochlitz. 

Tatsachlich  wurde  in  der  nachsten  Zeit  nicht  »oft«  und  nicht  »viel« 
geschrieben.  Es  muBte  ein  Zeitraum  von  beinah  acht  Jahren  vergehen, 
ehe  Rochlitz  wieder  zur  Feder  griff  und  Spohr  die  Dichtung  zu  einem 
Oratorium  anbot.  Es  hieB:  »Die  letzten  Dinge«  und  war  —  vorlaufig 
—  nach  Worten  der  Offenbarung  Johannis  verfaBt.  Rochlitz  machte 
sofort,  noch  bevor  er  den  Text  auch  wirklich  iibersandte,  die  notwendigen 
Andeutungen  iiber  seine  Absichten,  die  ihn  bei  der  »Zusammenstellung« 
des  Textes  geleitet  und  wuBte  die  Sache  so  interessant  darzustellen,  daB 
Spohr  wirklich  anbiB.  In  selbstloser  Weise  verzichtet  Rochlitz  iibrigens 
auf  jeden  materiellen  Vorteil,  der  ihm  als  dem  Dichter  etwa  zuf alien 
konnte.     Der  Brief  hat  folgenden  Wortlaut: 

Leipzig,  d.  2  ten  Julii  1825. 
Ew.  Wohlgeb. 
erinnern  sich  hoffentlich  meiner,  und  dann  erinnern  Sie  Bich  auch  meiner 
groGen  Hochachtung  gegen  Sie,  die  durch  Ihre  neuesten  Werke  nur  hat  ver- 
mehrt  werden  konnen.  Da  bedarf  es  zu  dem,  was  ich  sagen  will,  auch  keiner 
Einleitung.  Ich  habe  ein  Oratorium  —  nicht  gedichtet,  denn,  meiner  Uber- 
zeugung  nach,  kann  und  soil  ein  Oratorium,  im  reinsten  unci  hochsten  Sinne 
des  Wortes,  iiberhaupt  nicht  gedichtet,  sondern,  wie  ich  hier  gethan,  bios 
aus  den  erhabensten  und  (auch  fur  Musik)  passendsten  Stellen  der  heil.  Schrift 
zusammengestellt  werden;  und  frage  an,  ob  Sie  geneigt  sind,  es  in  Musik 
zu  setzen.  Die  Aufgabe  ist  groB  und  sehr  schwierig;  letztes  um  so  mehr, 
da  das  Werk  nothwendig  im  hochsten  Kirchenstyl  geschrieben  werden  miifite, 
d.  h.  im  Wesentlichen  in  dem,  der  Vorfahren,  bis  auf  und  mit  Handel,  doch 
allerdings  mit  Benutzung  der  seitdem  so  sehr  vermehrten  und  vervollkomm- 
neten  Kunst-  und  Ausdrucksmittel.  Es  heiGt:  Die  letzten  Dinge;  nach  den 
Worten  der  Offenbarung  Johannis.  Die  Wahl  und  Anordnung  der  Stellen 
ist,  wie  im  Ganzen,  so  in  jedem  Einzelnen,  mit  ganz  bestimmter  Haupt- 
rucksicht  auf  Musik  und  deren  Effekt  getroffen.  G-elingt  die  Ausfuhrung 
durch  den  Componisten  und  dann  durch  die  Musiker:  so  muB  dieser  erhaben 
und  groB  sein.  Die  letztj  wird  leicht  zu  erlangen  seyn,  da  eigentliche  Arien 
und  sonst  schwierige  Soli  gar  nicht  vorkommen,  sondern  bloB  begleitete  Reci- 
tative, kurze  mehrstimmige  Soli  und  vor  allem  Chore,  doch  keine  doppelten 
oder  sonst  sehr  kiinstlichen,  wie  sie  jetzt  nun  einmal  nicht  mehr  wirken 
wiirde n.  Es  handelt  sich  hier  allein  um  Ideen,  Charakter  und  feste  Haltung 
des  Styls.  Das  Werk  ist  nicht  lang,  hat  eigentlich  nur  Eine  Abtheilung; 
doch  wiirde  es,  wie  ich  mir's  in  Musik  gesetzt  denke,  ziemlich  die  Zeit  eines 
Concertabends  (etwa  l1/^  Stunde)  ausfullen,  auch  nichts  vor-  oder  nachher 
dulden,  und,  muBte  es  seyn,  eher  zulassen,  daB  es  in  zwey  Theilen  gegeben 
wiirde.     Das   sey  vorlaufig  genug   von   ihm.  —  Ich   weiB,   dafi  mit   solchen 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  265 

Arbeiten  jetzt  schwerlich  Geld  verdient  wird:  so  will  ich  denn  flir  meinen 
Antheil  daran  gar  nichts  haben.  Ich  will  nur,  daC  Bolch  ein  Werk  zustande 
komme.  Ubernahmen  Sie  es,  und  machte  es  dann  Gliick  in  der  Welt:  bo 
wiirden  Sie  selbst  mir  auch  einigen  Vortheil  gonnen  wollen;  und  so  bliebe 
das  ganz  Ihnen  fiberlassen.  Sie  sind  durchaus  und  zuverl&ssig  der  Erste, 
dem  ich  von  der  ganzen  Sache  sage:  Sie  werden  wohl  auch,  selbst  wenn  Sie 
es  nicht  libera  ehmen,  der  Letzte  seyn;  denn,  wiewohl  ich  Mehrere  kenne, 
die  schnell  zur  Hand  seyn  und  alle  erreichbaren  Kehlen  und  Instrumente  in 
Bewegung  setzen  wiirden,  so  kenne  ich,  aufier  Ihnen,  doch  Keinen,  der 
wirklich  in  die  Id«e  eingehen  konnte,  oder  konnte  er's,  dazu  geneigt  seyn 
und  ihrer  Ausfiihrung  alles  das  darbringen  mdchte,  was  dazu  nothig  ist. 
Und  so  bitte  ich  denn  um  Ihre  Antwort.  Ich  drange  nicht  um  diese,  denn 
ich  weiB,  dafl  dies  zuvor  wohl  erwogen  seyn  will;  aber  sie  bestimmt  zu  er- 
halten  —  das  wiinsche  ich.  Ich  werde  alt  und  sonach  wird  meine  Zeit  mir 
kurz:  ich  mochte  sie  zu  Rathe  halten  und  in  unnothige  TJnterhandlungen 
u.  dgl.  mich  nicht  gem  einlassen. 

Mit  ausgezeichneter  Hochachtung  mich 

Ew.  Wohlgeb. 

empfehlend, 

Rochlitz. 

Die  Preude,  die  Rochlitz  iiber  die  Annahme  seiner  Dichtung  empfand, 
driickt  der  folgende  Brief  aus.  Er  iibersendet  den  Text  und  fiigt  in 
bescheidenem  Tone  einige  praktische  Ratschlage  bei,  die  Spohr  bei  der 
kiinftigen  Komposition  sehr  wertvoll  waren,  wie  er  selbst  ganz  offen  im 
Tagebuch1)  eingesteht.  »Ich  begann  mit  neuen  Studien  des  Kontra- 
punkts*  tragt  er  ein,  »und  des  Kirchenstils  und  machte  mich  mit  groBem 
Eifer  an  die  Komposition,  wobei  ich  den  Vorschlagen  des  Dichters  folgte, 
welche  er  mir  bei  Ubersendung  des  Textes  iiber  die  Auffassung  desselben 
gemacht  hatte  und  die  ich  sehr  bewahrt  und  fordernd  fand.«  "Wie  sach- 
kundig  und  von  welcher  Liebe  fiir  den  Gegenstand  erfiillt  seine'  Vor- 
schlage  waren,  ersehen  wir  am  besten  aus  dem  Briefe  selbst: 

Leipzig,  d.   18 ten  Jul.   25. 
Ew.  Wohlgeb. 

haben  mich  durch  Ihr  Schreiben  von  mehr  als  Einer  Seite 
sehr  erfreut.  Zuerst  und  im  Allgemeinen  schon  dadurch,  daB  Sie  mich  in 
Ihnen  iiber  die  ganze  Gattung  von  Musik,  wovon  zwischen  uns  die  Rede 
geworden,  einen  vollkommen  Gleichgesinnten  finden  lassen;  denn,  eine  einzige 
Bemerkung  abgerechnet,  (wovon  hernachl  sprechen  Sie  mir  ganz  aus  der  Seele : 
und  es  kann  kaum  etwas  erwunschter  seyn,  als,  was  unser  Einer  durch 
Nachdenken  und  Untersuchen  gefunden  hat,  von  einem  genialen  und  er- 
fahrenen  Kiinstler  auf  s  ein  em  Wege  gleichfalls  gefunden  zu  erblicken  und 
damit  die  sicherste  Bestatigung  seiner  Uberzeugung  zu  empfangen.  Jene 
Bemerkung  betrifft  die  "Wiederholung  der  Worte.  Diese  wichtige  Sache 
scheint  mir  auf  folgende  Grundsatze  zuruckzufuhren :  Alles,  was  historisch 
ist,   —  aber  dies  "Wort  im  weitesten  Sinne  genommen,  so,   dafi  es  nicht  bios 

1)  Selbstbiographie,  Band  II,  Seite  170. 


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266  Ernat  Rychnovsky,  Ludwig  Spobr  und  Friedrich  Rochlitz. 

das  Erzahlende  oder  aufierlich  Geschehende,  sondern  auch  die  nach  und  nach 
sich  entwickelnden  Geftihle  anzeigt  —  das  sollte  nicht  oder  doch  nor  selten 
wiederholet  werden:  was  aber  em  allgemeiner  Satz  ist  —  nach  alter  Rede: 
ein  Spruch  —  das  bedarf  der  oftern  Wiederholung.  Und  dies  Letztere  ist 
es  auch,  was  sich  zur  contrapunktischen  Behandlung  eignet;  wo  dann  die 
Forderungen  der  Rede-  &  der  Tonkunst  von  selbst  gar  schon  in  Eins  zu- 
sammenfallen :  jeder  feststehende  Gedanke  solch  eines  Spruches  seine  fest- 
stehende  Melodie;  beyde  mit  einander  immer  wiederkehrend,  zu  einem  Ganzen, 
und  immer  enger  verb un den,  immer  eindringlicher  ans  Herz  gelegt  und  auch 
dem  Verstande  scharfer  vorgehalten!  Wenn  demnach  z.  B.  Handel  im 
Messias  aus  den  Worten:  doch  lieBest  Du  ihn  im  Grabe  nicht  etc.  eine 
Arie  mit  oftern  Wiederholungen  machte,  so  that  er  TJnrecht,  wenn  er  aber: 
Halleluja!  Gott  der  Herr  regiert  allmachtig!  oft  wiederholete,  so  that  er 
Recht.  — 

Im  Besondern  aber  mufite  mich  ihre  Annahme  meines  Erbietens  erfreuen. 
Wahrlich,  es  wird  da  ein  Werk  zu  Stande  kommen,  wie  wir,  fur  unsere 
Zeit  und  den  jetzigen  Stand  der  Musik,  noch  keines  haben;  ein  Werk, 
das  dafur  dasselbe  wird,  was  Handel's  Oratorien  fur  seine  Zeit  und  den 
damaligen  Stand  der  Musik  waren ;  eben  damit  ein  Werk,  das,  wie  jene  auch, 
selbst  in  der  Folgezeit  von  entschiedenem  Werthe  bleibt  und  stets  von  neuem 
edlere  Freude  und  wahre  Erbauung  gewahrt.  Von  dem  Texte  selbst,  den 
ich  beylege,  will  ich  nur  erwahnen,  wozu  Sie  mir  Gelegenheit  geben  und 
was  sich  zunachst  daran  schlieOt.  Verlangern  konnte  ich  ihn  nicht,  so  gem 
ich  alien  Ihren  Wiinschen  mich  fiigte;  denn  das  gottliche  Werk  des  Johannes 
giebt  nichts  weiter  fur  unsere  Zwecke  her,  aufier  Stellen,  die,  dem  Sinne 
nach,  dasselbe  enthalten,  und  Fremdes  durfte  nicht  eingeschaltet  werden, 
weil  ja  Nichts  diesen,  den  allererhabensten  Schwung  hat.  Auch  hat  mich, 
wie  wahrscheinlich  Sie  auch,  die  Erfahrung  gelehrt,  daB  man  unsre  jetzigen, 
so  leicht  zerstreueten  und  von  der  Hohe  gesteigerter  Gefiihle  so  leicht  herab- 
sinkenden  Zuhorer  sehr  schwer  und  hochst  selten,  nach  der  Schwatz-Pause, 
wieder  genugsam  erheben  und  in  der  Erhebung  festhalten  kann.  —  Die  Zeit 
der  Dauer  des  Ganzen  zu  verlangern,  haben  Sie  selbst  in  der  Hand.  So 
kann  z.  B.  die  zweyte  groBe  Scene,  lich  habe  die  Scenen  durch  *  unter- 
schieden/i  wenn  Sie  es  wollen,  eine  Viertelstunde  dauern,  ohne  ausgedehnt 
zu  erscheinen;  die  Overtura  kann  lang  ausgefuhrt  werden;  die  zweyte  Ein- 
leitungsmusik,  (womit  die  zweyte  Hauptabtheilung  beginnt,)  nach  Verhaltnis, 
auch  nicht  kurz  etc.  TJbrigens  werden  Sie  leicht  bemerken,  daB  ich  dem, 
was  doch  eigentlich  den  Gipfel  unsrer  Musik  ausmacht  —  der  vollendetsten 
Orchestermusik  —  Raum  und  Gelegenheit  gegeben  habe,  so  (auch  fur  Aus- 
malung  der  innigsten,  den  Worten  nicht  mehr  zuganglichen  Gefuhle)  selbst- 
standig  aufzutreten,  wie  das  in  Gesangswerken  noch  nirgends  geschehen  ist; 
und  Sie,  mit  Beethoven,  doch  ganz  gewiB  der  grofite  Meister  dieser  Gattung, 
werden  damit  zuverlafiig  die  herrlichsten  Wirkungen  hervorbringen.  Die 
Momente,  die  ich  dafur  gewahlt,  sind  gut  —  ich  darf  das  behaupten;  sie 
lassen  auch  zu,  wahrhaft  Neues  zu  sagen,  selbst  durch  besondere  Wahl  und 
Anordnung  der  Instrumente.  —  DaB  ich  mir  erlaubt  habe,  bei  gewissen 
Hauptstiicken  hinzuzusetzen,  wie,  durch  wen,  etc.  ich  mir  sie  musikalisch 
ausgefuhrt  denke;  das  werden  sie  nicht  mifideuten,  indem  ich  ausdnicklich 
versichere,  daB  mit  alien  diesen  Zusatzen  gar  nichts  gesagt  seyn  soil,  aufier 
eben:  So   denke  ich   mirs!    was  nicht  im  Geringsten    ausschliefien  soil,  daB 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  and  Friedrich  Rochlitz.  267 

Sie  sich  das  and  jenes  nicht  anders  und  besser  denken  kftnnten.  Es  sind 
Vorschlftge,  und  weiter  nichts:  Sie  werden  sie  priifen,  und  dann,  nach 
Befinden,  annehmen  oder  verbessern  oder  ganz  verwerfen.  Es  ist  nicht 
moglich,  dafi  irgend  Jemand  mehr  und  williger  die  Rechte  des  Componisten 
anerkenne,  als  ich;  und  da  ich  hier  mit  einem  Meister  in  Yerbindung  trete, 
den  ich  zugleich  als  denkenden  und  edlen  Mann  ehre:  so  kann  mir  die 
alberne  Anmafiung,  ihm  Vorschriften  bieten  zu  wollen,  gar  nicht  einf alien. 
Dafl  ich  mich  ungemein  darauf  freue,  Sie  im  September  vielleicht  hier 
zu  sen  en,  brauche  ich  nicht  erst  zu  versichern.  M5ge  Ihnen  nur  mein  Text 
so  gefallen,  oder,  was  ich  vielmehr  sagen  wollte,  Ihr  innerstes  Wesen  mensch- 
lich  und  kunstlerisch  so  ansprechen,  daB  Sie  dann  gern  sich  dariiber  mit 
mir  unterhalten. 

Mit  aufrichtigster  Hochachtung  mich 

Ew.  Wohlgeb. 

empfehlend, 
Rochlitz. 

Wie  gesagt,  Spohr  ging  mit  groBem  Eifer  ans  Werk.  Die  Kompo- 
sition  schritt  riistig  weiter,  aber  der  hinkende  Bote  kam  nach.  Die  Dich- 
tung  war  zu  kurz,  in  Musik  gesetzt  vermochte  sie  kaum  die  normale 
Dauer  eines  Konzertabends  einzuhalten.  Jetzt  handelte  sichs  darum,  Spohr's 
Wiinschen,  die  Verlangerung  des  Textes  betreffend,  auch  wirklich  zu  ent- 
sprechen.  Rochlitz  tat  alles  Mogliche,  aber  die  Ausbeute  war  doch  nur 
gering.  Es  gelang  ihm  nur,  die  erste  Abteilung  zu  erstrecken,  keinesfalls 
aber  konnte  er,  wie  es  Spohr  gern  gesehen  hatte,  die  Dichtung  in  drei 
Akte  umgieBen.  Da  aber  die  Einschaltungen  nicht  dem  Evangelium 
Johannis  entnommen  waren,  sondern  denPropheten  Jeremias  und  Hesekiel, 
so  muBte  jetzt  auch  der  Titel  geandert  werden.  Nach  Rochlitz'  Vorschlag 
hieB  er  nun:  »Die  letzten  Dinge.  Oratorium.  Worte  der  heiligen 
Schrift,  zusammengestellt  etc.c  Lesen  wir  den  Brief,  ein  schones  Bei- 
spiel  fur  warme  Anteilnahme: 

Leipzig,  d.   lsten  Nov.   25. 
"Wohlgeb  orener, 
Hochgeehrter  Herr  Kapellmeister; 
Mit  wahrer  Hochachtung  und  lebhafter   Freude  habe   ich    die  Nachricht 
von  Ihrer  Begeisterung   und  Ihrem   Eifer    fur    unsere  gemeinschaftliche   und 
gewiB  w&rdige  Unternehmung  gelesen.     Auch  ich  habe  es  weder   an   gutem 
Willen,  noch  an  FleiB    fehlen   lassen,    um   Ihre,    mir    mitgetheilten  Wunsche 
zu  erfiillen;  und  es  ist  ganz  wortlich  zu  nehmen,   wenn    ich  sage:    ich   habe 
mich  von  der  Stunde  der  Ankunft  Ihres  Briefes  bis  heute  taglich    von  friih 
bis  in  die  Nacht  damit  beschaftigt,  die  prophetischen  Biicher   des   alten  und 
neuen  Testaments  durchzulesen,  um  noch  aufzufinden,  womit  das  "Werk  ver- 
langert   und    der    gewohnlichern    Dauer    jetziger    Oratorien     naher    gebracht 
werden  konnte.     Die  Ausbeute  fin  den  Sie  auf  beyliegendem  Blatte1).     Drey 

1)  Das  >beiliegende  Blatte  sowie  die  im  Folgenden  bezogene  Notierung  des 
Chorals  »Weine  nicht*  fehlen. 


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268  Ernst  Ryehnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Acte  zu  liefern,  ist  unmoglich:  Die  Gegenstande  selbst  lassen  es  nicht  zu. 
So  blieb  mir  nichts,  als  den  ersten  zu  verlangern,  was  ohnehin  vortheilhafter 
ist,  als  wenn  bey  zweyactigen  Werken  aller  Art  der  zweyte  Theil  so  lange, 
als  der  erste  dauert.  Ist  nun  dies  neu  Hinzukommende  doch  nicht  so  viel, 
als  Sie  wunschen:  so  liegt  das  einzig  daran,  daB  nirgends  iiber  jene  Gegen- 
stande mehr  zu  finden  ist;  wenn  man  n'amlich  nicht  dasselbe,  nur  mit  andern 
Worten  oder  Bildern,  und  —  eine  Hauptsache  —  nichts  ohne  jenen  bohen 
prophetischen  Schwung  sagen  will.  Letztes  muB  aber  um  so  mehr  beobachtet 
werden,  da  es  eben  unser  "Werk  besonders  charakterisiren  und  von  den 
andern,  neuerlich  gelieferten  Oratorien  unterscheiden  soil.  Doch  behaupte 
ich,  so  lacherlich  das  scheint,  sogar  jetzt  noch,  und  gegen  Sie,  den  Meister, 
selbst:  Das  Ganze  wird  langer  dauern,  als  Sie  angeben,  und  nun,  mit  dem 
Einzuschaltenden,  gewiB  wenigstens  anderthalb  Stunden,  und  sonach,  bey 
etwas  langer  Pause,  ziemlich  die  gewohnliche  Zeit  ausflillen. 

Von  diesem  Einzuschaltenden  verspreche  ich  mir  iiir  die  Wirkung  viel, 
theils  um  sein  selbst  will  en,  theils,  weil  es  zum  Theil  zu  ganz  besonderer, 
vor  dem  Andern  abstehender  Behandlungsart  Gelegenheit  giebt.  Da  Sie 
meine  Ansichten  und  Gedanken  davon  verlangen,  so  erlaube  ich  mir,  sie 
mitzutheilen  —  allerdings,  hier  wie  fruher,  bios  als  Vorschlage,  die  ich  Ihrer 
Prtifung  unterwerfe  und  nur  dann  so  ausgefuhrt  wiinsche,  wenn  Sie  ganz 
mit  mir  ubereinstimmen  konnen. 

Die  Einschaltung  Nr.  1  folgt  auf  den  ersten  Chor:  nach  dem  dritten 
>PreiB  und  Ehre  Ihm«  etc.  Ich  denke  mir  die  Worte  des  Recit.,  bis  >ge- 
heimstes  Innere«,  pathetisch,  aber  einfach,  mit  nur  kurzen  Zwischen-Satzen 
begleitet :  von  da  an  aber  vom  Orchester  ins  GroBe  ausgemalt.  —  Das  zweyte 
Stiick:  >Sey  mir  nicht  schrecklich«  etc.  wird  ein  ziemlich  ausgefiihrtes  Duett. 
Der  Text  eignet  sich,  seinem  Sinne  nach,  am  besten  fur  zwey  Soprane: 
wunschen  Sie  aber  durchaus  den  Tenor  mehr  zu  beschaftigen,  so  kann  es 
auch  ihm  und  dem  Sopran  gegeben  werden.  Der  Ausdruck  ist  flehendliche, 
demuthige  Bitte.  Je  mehr  er  das,  und  die  Instrumentation  gemafiigt  ist, 
desto  mehr  wird  das  Stiick,  eben  an  dieser  Stelle,  an's  Herz  dringen.  — 
Den  Satz:  »So  ihr  mich«  etc.  denke  ich  mir  im  altromischen  Kirchenstyl 
geschrieben  *.  Alle  Singstimmen  in  ganzen  u.  halben  Noten  unisono,  (vielleicht 
bios  mannliche  Stimmen/i  und  die  Instrumente  —  die  Saiten  -  Instr.  in 
gleichmafiig  gehenden  Staccato-Achteln,  gleichfalls  unisono  und  bios  die 
Schluflfalle  in  harmonischen  Accorden  —  mithin  fast,  wie  Sie  den  Cantus 
firmus  der  Klarinetten  etc.  im  ersten  Tempo  der  Ouverture  zur  Jessonda 
so  auBerst  wirksam  behandelt  haben;  oder  zu  jenem  Gesange  und  seiner 
TJnterstutzung  von  den  Blas-Instr.,  eine  contrapunktisch  verkniipfte  Begleitung 
der  Saiten-Instr. ,  ohngefahr  wie  Mozarts  Gesang  der  Geharnischten  vor  der 
Feuer-  und  Wasserprobe  in  der  Zauberflote.  Ich  ziehe,  eben  hier  und 
in  diesem  Zusammenhange,  das  feste,  wenn  auch  weniger  kunstvolle  vor. 
Dieser  Text  bekommt  gar  keine  AViederholung  der  Worte. 

Die  Einschaltung  Nr.  2  folgt  unmittelbar  auf  die  abgebrochenen  Worte 
des  Soprans:  >Und  siehe,  ein  Lamm,  das  war  verwundet*  .  .  .,  und  zwar  so, 
daB  nach  diesen,  auch  in  der  Musik  abgebrochenen  Worten  ein  Takt,  oder 
zwey,  General-Pause  hingeschrieben  wird;  worauf  nun  dieser  treffliche,  uralte 
Kirchenchoral  folgt.  Dann  erst  nehmen  die  Instrumente  allein  die  Aus- 
fuhrung  dieser  Gefuhle  iiber  sich;  dann:  »Weine  nicht*  etc.  und  alles,  was 
folgt.     Da  dieser  Choral  in  alien    mir  bekannten    Choralbuchern   verkunstelt 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  269' 

oder  sonat  modernisirt  ist:  so  setze  ich  ihn  Ihnen  beyliegend  nach  dem  alten 
Original  auf.  Ich  wurde  ihn  —  die  ersten  6  Takte  von  4  Solostimmen 
piano,  die  Wiederholung  vom  Chor  piano,  die  zweyte  Wiederholung  Tom 
Chor  forte,  und  dann  das  Amen  wieder  von  jenen  Solostimmen  piano  — 
Alles  aber  ganz  ohne  Instrumente  singen  lassen;  wo  hernach  das  leise  Spiel 
der  Saiten-Instr.  allein,  eine  um  so  grdfiere  Wirkung  machen  wurde.  Da 
indessen  dieser  Choral  im  Texte  immer  etwas  fremdartiges  bleibt,  so  iiber- 
lasse  ich  es  Ihnen,  ob  sie  ihn  aufnehmen  oder  weglassen  wollen. 

M8ge  ich  nun  mit  alle  dem,  Ihren  Wiinschen  Genuge  leisten;  oder  mogen 
Sie  wenigstens  darans  abnehmen,  dafi  ich  mich  dessen  befleiCige.  —  Sollte 
es  nicht  rathsam  sein,  dafi  Sie  das  Werk,  wenn  es  nun  fertig,  in  Abschrift 
einigen  der  Fursten,  fur  die  so  etwas  iiberhaupt  ist,  aber  (das  wurden  Sie 
selbst  nicht  anders  wollen,  und  es  thate  auch  Ihnen  keinen  Eintrag)  zugleich 
in  meinem  Namen  ubersendeten  ?  Ihren  Kurfursten  diirffcen  Sie  freylich  nicht 
iibergehen;  gem,  denk'  ich,  wurden  es  aber  sonst  aufnehmen:  Der  Konig 
von  Pre u Ben;  der  jetzige  Konig  von  Bayern;  konnten  Sie  an  ihn  gelangen, 
der  Kaiser  Franz,  und  wohl  auch  der  Konig  von  Sachsen.  Vielleicht  auch 
noch  einige  Fursten.  Es  ist  ein  Yorschlag,  den  Sie  ttberlegen  mogen.  — 
Ich  aber  freue  mich  auf  Ihr  Werk  je  langer,  je  mehr. 

In  wahrer  Hochachtung  und  freundschaftlicher  Ergebenheit 

Ihr 

Rochlitz. 

Da  die  neuen  Stellen  nicht  aus  der  Offenbarung  J.,  sondern  aus  den 
Propheten  Jeremias  u.  Hesekiel  sind,  so  muC  nun  der  Titel  werden:  Die- 
letzt.  D.  Oratorium.  Worte  der  heiligen  Schrift,  zusammengestellt  etc. 

Bereits  Ende  November  war  das  "Werk  soweit  gediehen,  daB  der 
erste  Teil  in  einem  Konzert  zugunsten  der  in  Seesen  Abgebrannten, 
allerdings  nur  mit  Klavierbegleitung  aufgefiihrt  werden  konnte.  »Mit 
Freuden  bemerkte  ich  dabei,  daB  er  einen  tiefen  Eindruck  sowohl  auf 
die  Mitwirkenden,  als  auf  alle  Zuhorer  machte,  und  diese  Wahrnehmung 
war  fiir  mich  um  so  mehr  von  "Wichtigkeit,  als  sie  mir  die  Uberzeugung 
gab,  den  rechten  Stil  fiir  dieses  "Werk  gefunden  zu  haben.  Insbesondere 
hatte  ich  mich  bemuht,  recht  einfach,  fromm  und  wahr  im  Ausdrucke  zu 
sein  und  alle  Kiinsteleien,  alles  Schwulstige  und  Schwierige  sorgfaltig  zu 
vermeiden1).*  Auf  die  Benachrichtigung  von  der  Auffuhrung  des  ersten 
Teils  des  Oratoriums  schrieb  Rochlitz  nachstehenden,  in  Verehrung 
Uber8tr6menden  Brief: 

Leipzig,  d.  5  ten  Dec.  2b. 
"Wohlgeborner, 
Hoehgeehrter  Herr  Kapellmeister! 
Mit  grofiem  Vergniigen   iiber   die    Sache,    und    mit    einer  Art    geriihrter 
Freude  fiber  Sie  selbst,  habe  ich  in  Ihrem,  vor  wenigen  Stunden  erhaltenen 
Schreiben  vom  lsten  d.  die  Beweise  von    inniger,    beharrlicher   Begeiste- 
rung  fiir  Ihr  Werk,  so  wie  die  mit  dem  ersten  Theile  desselben   gemachten 

1)  Selbstbiographie,  Band  II,  Seite  171. 

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270  Ernst  Rychnoveky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Erfahrungen,  gelesen.  Diese  werden  dereinst  sich  gewifi  uberall  bestatigen; 
und  jene  ist  das  schonste  Kenntzeichen  dee  achten  Kiinstlers,  wie  der  schonste 
Schmuck  des  edlern  Mannes.  —  Da  Ihre  Wiinsche,  hinsichtlich  der  bewuBten 
Einschaltungen,  sich,  ohne  betrachtlichen  Eintrag  dem  Ganzen  des  Textes 
zu  thun,  erfullen  lassen:  so  frige  ich  mich  ihnen  sehr  gern.  Wie  der  Fort- 
gang  nun  wird,  nnden  sie  auf  dem  zweyten  dieser  meiner  Blattchen  J;  wo- 
bey  ich,  um  nicht  zu  wiederholen,  was.  schon  im  friihern  Mcpt.  steht,  mich 
genau  auf  seine  Worte  beziehe.  DaB  Ihre  Composition  fur  die  Sanger 
leichter  und  im  Ganzen  einfacher  geworden  ist,  als  Ihre  fruhern  Werke,  ist 
nicht  nur  ein  Yorzug  fur  dies  neue  Werk  und  seinen  Eingang  beym  Publi- 
cum, sondern,  nach  den  Gestandnissen  fast  aller  wahrhaft  groflen  MeiBter  in 
der  Poesie  und  in  alien  Kunsten,  ist  dies  gerade  der  rechte  Gang  der  Dinge 
und  fur  sie  selbst  der  Beweis,  daft  sie  ihrem  schonsten  Ziele  immer  naher 
kommen.  Auch  das  muti  Ihre  Uberzeugung  hiervon  noch  mehr  befestigen, 
daB  es  sich,  da  Sie  nur  erst  mit  ganzer  Seele  von  den  Gegenstanden  erfullt 
waren,  fast  wie  von  selbst  so  machte,  und  nur  hernach  erst  auch  vor  der 
Beobachtung  und  Reflexion  rechtfertigte.  Wahrlich,  durch  alles  dies  bewahrt 
sich  mir  immer  mehr:  Sie  sind  ein  Ktinstler,  wie  ich  mir  sie  stets  dachte, 
aber  unter  den  Zeitgenossen  nicht  unbedingt  nachweisen  konnte.  Wie  muB 
es  mich  darum  freuen,  mit  Ihnen  in  ein  naheres,  vertraulicheres  VerhaltniB 
gekommen  zu  seyn!  Moge  dies  sich  immer  erhalten!  dazu  werde  ich  stets 
thun,  was  ich  vermag.    Mit  diesen  Gesinnungen  begriiBe  ich  freundschaftlich 

Ew.  "Wohlgeb. 

Rochlitz. 

Wieder  wurden  einige  Verbesserungen  in  der  Gruppierung  notwendig. 
Diesmal  traf  Spohr  den  Nagel  auf  den  Kopf  und  Rochlitz,  dies  erfassend, 
stimmte  sofort  bei.     Postwendend  schrieb  er: 

Leipzig,  d.   12 ten  Dec.  25. 

Um  meine  Antwort  auf  Ihr  Schreiben  vom  8  ten  d.  liebster  Freund, 
(lassen  Sie  uns  doch  kiinftig  also  einander  schreiben:  wir  sind  Beyde  eiu- 
ander  nun  so  nahe  geruckt,  daB  wir  es  mit  Grund  konnen)  —  um  diese 
Antwort,  sag'  ich,  gleich  mit  umkehrender  Post  fortzubringen,  beschranke 
ich  sie  auf  das  Nothwendigste. 

Die  Folge  der  Entwickelung  der  Gegenstande,  dem  Inhalte  der  Textes- 
worte  nach,  ware  zwar,  meines  Erachtens,  besser,  wie  ich  sie  neulich  an- 
gegeben  habe,  aber  die  jetzt  von  Ihnen  vorgeschlagene,  ist,  der  Gruppierung 
und  Wirkung  der  Musik  nach,  um  so  vieles  vorziiglicher,  als  jene,  dafi  ich 
nicht  anders  kann,  als  Ihnen  beypflichten.  Bleiben  Sie  mithin  dabey,  und 
erhalte  Ihr  Genius  Sie  in  dem  Feuer,  das  jetzt  Sie  begeistert,  bis  zur  Vollen- 
dung  des  Werkes,  zur  Vermehrung  Ihres  Ruhms  und  unser  Aller  Freude! 

Auch  das  muB  ich  sehr  billigen,  daB  Sie  den  Alt,  und  eben  mit  jenen 
Stellen,  beschaftigt  haben.  Ich  hatte  dies  gleichfalls  vorgeschlagen,  hatte  ich 
nicht  die  Seltenheit  guter  Altstimmen  besorgt.  Doch  dariiber  sind  Sie  besser, 
als  ich,  unterrichtet,  und  wissen,  was  rathsam  ist,  zu  thun,  besser  als  ich. 

Alles,  was  Sie  mir  sonst  iiber  Ihre  Behandlung  des  Werks  andeuten, 
kann  nur  meine  Erwartung  und  Freude  hoher  steigern;   und   ich  blicke   mit 

1}  Nicht  mehr  erhalten. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Bochlitz.  271 

immer  mehr  Zufriedenheit  auf  meinen  Antheil,  dieses  Ihr  "Werk  zuerst  ver- 
anlaBt  zu  haben,  zuriick.  Erfahre  ich  doch  da  von  neuem,  dafl  es  stets  am 
besten  ist,  einen  an  sich  guten  Gedauken  sogleicb  mit  Yertrauen  und  ohne 
Nebenrticksichten  dem  rechten  Manne  vorzulegen,  und  ruhig  abzuwarten, 
wie  er  ihn  aufnebmen    werde;    eine   schone   und   starkende   Lebenserfabrung ! 

Von  Herzen 

Ibr 

Rochlitz. 

Endlich  war  das  ganze  Werk  fertig  und  erlebte  seine  vollstandige 
Urauffiihrung  am  25.  Marz,  dem  Charfreitag  des  Jahres  1826,  in  der 
protestantischen  Kirche.  In  einem  Brief,  der  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  an  Hochlitz  gerichtet  ist1),  heifit  es  daruber: 

»Eine  so  solenne  Musik-AufFuhrung,  wie  die  meines  Oratoriums,  hat  in 
Cassel  nocb  nicbt  stattgehabt.  Sie  war  abends  bei  beleuchteter  Kirche.  Mein 
Schwiegersohn  Wolff,  der  lange  in  Rom  war,  machte  den  Vorschlag,  die 
Kirche  wie  in  Bom  am  Charfreitag  durch  Kreuzbeleuchtung  zu  erhellen  und 
fuhrte  auch  diese  Idee  aus.  Ein  vierzehn  Fufl  langes,  mit  Silberfolie  iiber- 
klebtes  und  mit  600  Glaslampen  behangtes  Kreuz,  schwebte  in  der  Mitte  der 
Kirche  und  verbreitete  ein  so  helles  Licht,  da£  man  allenthalben  die  Text- 
bucher  lesen  konnte.  Das  Orchester-  und  Sangerpersonal,  beinahe  200  Per- 
sonen  stark,  war  auf  der  obern  Emporkirche  terrassenformig  aufgestellt  und 
fur  die  Zuhorer  groBtenteils  unsichtbar.  Das  aus  etwa  2000  Personen  be- 
stehende  Auditorium  beobachtete  eine  feierliche  Stille.  Meine  beiden  Tochter, 
die  Sanger  Wild,  Albert  undFoppel  und  noch  ein  Dilettant,  sangen  die 
Soli,  und  die  Auffuhrung  war  fehlerlos.  Die  Wirkung  war,  wie  ich  mir 
selbst  sagen  mufite,  auBerordentlich.  Nie  hatte  ich  fruher  bei  Auffuhrung 
eines  meiner  grofiten  Werke  diese  Genugtuung  gehabt!  Immer  mufite  ich 
nachher  entweder  Mangelhaftes  der  Ausfuhrung,  oder  verfehlten  Effekt,  oder 
etwas  Anderes  beklagen.  Diesmal  war  das  ganz  anders.  Das  Werk  ist  auch 
einfach  und  leicht  und  doch  nicht  weniger  reichhaltig,  als  die  an  der  en. « 

Spohr  meint,  der  tiefe  Eindruck,  den  das  Oratorium  sichtlich  auf  das 
Publikum  hervorbrachte,  mochte  durch  die  feierliche  Kreuzbeleuch- 
tung, die  mit  der  Oharfreitagsstimmung  sehr  harmonierte,  noch  erhoht 
worden  sein. 

>Nur  der  Churfiirst  war  mit  der  Wahl  der  lutherischen  Kirche  und  ihrer 
»katholischen  Beleuchtung « ,  wie  er  das  Kreuz  nannte,  nicht  zufrieden  und 
befahl  der  Kapelle,  ihre  kiinftigen  Charfreitags-Konzerte  in  der  Hof-  und 
Garnisonskirche  mit  Beleuchtung  von  Kronleuchtern,  welche  uns  aus  der  kur- 
furstlichen  Lichtkammerei  geliehen  werden  sollten,  zu  geben.« 

Uber  diese  Auffuhrung  wiinschte  Rochlitz  ftir  die  Allgemeine  musi- 
kalische  Zeitung  einen  direkten  Bericht  aus  Kassel,  erbot  sich  jedoch, 
falls  sich  niemand  finden  lasse,  nach  Spohr's  letztem  Brief  und  nach  dem 


1)  Beigefugt  per  parenthesin,  augenscheinlich  von  den  spateren  Fortsetzern,  auf 
Seite  171/172  in  Band  II  der  Selbstbiographie. 


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272  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Aufbau  des  Werkes  eine  allgemein  gehaltene  Vornotiz  einrucken  zu 
lassen,  jedoch  anonym,  um  nicht  Veranlassung  zu  boswilligem  Klatsch 
zu  geben.     Der  inhaltsreiche  Brief  lautet:     , 

Leipzig,  d.  3 ten  April  26. 

Sie  haben  mir,  theurer  Freund,  durch  Ihren  Brief  vom  29sten  Marz  eine 
grofie  Freude  gemacht.  Wie  hatte  es  anders  seyn  konnen?  Sie  haben  den 
schonsten  Beweis  empfangen,  daft  Ihnen  ein  groUes  und  zugleich  ein  solches 
Werk,  das  auf  die  Bessern  von  denen,  die  es  gehort  haben  und  horen  wer- 
den,  auch  noch  ganz  anders,  als  bios  zum  Vergnugen  wirken  wird,  trefflich, 
ja  tiber  Ihre  eigene  Erwartung  gelungen  ist:  sollte  mich  das  nicht  freuen? 
und  dann  nicht  auch  das,  daB  ich  dazu  Sie  aufgefordert  und  Ihnen  Gelegen- 
heit  gegeben  habe?  Nehmen  Sie  meinen  Gluckwunsch  zur  Vollendung  dieser 
Ihrer  schonen,  in  jeder  Hinsicht  riihmlichen,  und  gewiB  sehr  anstrengenden 
Arbeit;  und  mogen  Sie  auch  kiinftig,  bey  noch  mancher  Auffuhrung,  die- 
selbe  Wirkung,  als  bei  weitem  den  schonsten  Lohn  des  wahren  Kuns tiers, 
an  sich  und  andern  erfahren !  Wer  weLB,  ob  nicht  auch  wir  Leipziger,  wenn 
auch  spat,  einmal  die  Freude  haben  werden,  es  yon  Ihnen  aufgefuhrt  zu 
horen?  Bis  dahin  richte  ich  mein  Augenmerk  auf  Nordhausen. 

Die  Veranstaltung  in  der  Kirche  war  vortrefFlich.  Die  Dauer  ist  fur 
ein  Werk,  das  so  sehr  ernst  und  wo  jedes  Stuck  hochgestellt  ist,  gerade  die 
rechte.  Eine  langere  wiirde  ihm,  wenigstens  bey  der  gemischten  Menge, 
schaden;  und  verlangert  man  die  Pausen,  und  nicht  in's  Ungebiihrliche,  so 
kommen  zwey  Stunden  heraus.  —  Eine  Kleinigkeit!  Im  Texte,  Seite  5  unten, 
u.  S.  6  oben  bey  der  Wiederholung,  stent:  »und  Ehre,  und  PreiB  und  Ehre«. 
So  selten  es  mir  begegnet,  muti  ich  mich  doch  verschrieben  haben.  Es  soil 
heiflen:  »und  Hoheit,  und  PreiB  und  Ehre*.  Beydemale.  Wenn  es  zu  viele 
Miihe  macht,  dies  in  den  Stimmen  abzuandern,  so  andern  Sie  es,  bitte  ich, 
wenigstens  in  Ihrem  gedruckten  Texte,  flir  den  Fall,  dafi  er  spater  von  neuem 
abgedruckt  wiirde. 

Sollte  denn  wirklich  unter  den,  an  Ihnen  und  diesem  Werk  Theilnehmen- 
den  Kiemand  in  Cassel  seyn,  der  einen  verstandigen  und  gutgeschriebenen 
Bericht  fiir  die  hiesige,  und  vielleicht  auch  fur  die  Berliner  musikal. 
Zeitung  lieferte?  Wie  wiirde  ich  mir  dies  zur  Pilicht  machen,  wenn  ich  auch 
weder  Dichter  noch  Componisten  kennete,  ja  wenn  sie  meine  Gregner  waren ! 
Ich  traue  daher  es  auch  Andern  zu.  Sollte  indessen  es  nach  einigen  Wochen 
(was  die  hiesige  Z.  betrifft:  mit  der  Berl.  habe  ich  gar  keine  Verbindung. 
dennoch  nicht  geschehen  seyn :  so  will  ich,  nach  Ihrem  letzten  Briefe  und 
nach  der  Structur  des  Werks  im  Allgemeinen,  so  weit  ich  sie  bestimmt  mir 
denken  kann,  wenigstens  einen  kurzen,  gleichsam  vorlaufigen  Bericht  davon 
aufsetzen,  aber  freylich,  um  MiBdeutungen  IJbelwollender  vorzubeugen,  ohne 
TJnterzeichnung  meines  Namens;  und  hoffentlich  wird  Hr.  Hartel1)  kein  Be- 


ll Hartel,  Gottfried  Christoph,  1763—1827,  studierte  seit  1780  an  der  Leipriger 
Universitat  Jura,  Kunst-  und  Altertumswissenschaften  und  wollte  sich  schlieBlich  der 
Diplomatic  widraen,  als  ihm  (xottlob  Breitkopf  sich  und  » seiner  Vater  Werk  ver- 
trauensvoll  ubergab*.  Das  Geschaft  zeichnete  von  nun  an  » Breitkopf  und  Hartel*. 
Hartel'8  autorisierte  und  sorgfaltig  veranstaltete  «GEuvres  completes*  Mozart's,  Haydn's, 
Clementi's,  Dussek's  kann  man  vielleicht  als  die  Vorl'aufer  der  modernen  kritischen 
Gesamtausgaben  und  der  Volksausgaben  ansehen.    Im  Jahre  1798  begriindete  Hartel 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  273 

denken  haben,  ihn  aufzunehmen.  Besser  ware  es  aber  all er dings,  es  kame 
mir  Jemand  aus  Cassel  zuvor. 

Nach  Wien  hatte  ich  gleicb,  als  ich  Ibnen  meldete,  ich  wolle  es  thun, 
geschrieben,  und  habe  aucb  schon  Antwort,  doch  allerdings  nur  vorlanfige. 
Sie  lantet  nicht  giinstig.  Der  Kaiser  wendet  alle  Dedicationen  und  Zu- 
sendungen  moglichst  ab  —  im  Grunde  aus  Okonomie,  weil  man  glaubt,  sie 
auch  wahrhaft  kaiserlich  belohnen  zu  mussen,  wozu  es  in  den  Kassen  fehlt; 
und  weil  man  die  Inlander  durch  Aufnahme  fremder  Werke  nicht  anreizen 
und,  wiirden  die  ihrigen  abgelehnt,  nicht  kranken  will.  Der  Erzherzog  und 
Cardinal  Rudolph1)  aber  ist  durch  Rtlckkehr  seines  alten  tlbels  seit  letzten 
Herbst  ganz  zuriickgezogen,  untheilnehmend  und  unzuganglich.  Sollte  sich 
indessen,  wider  Vermuthen,  etwas  thun  lassen,  so  werde  ich  es  sogleich  er- 
fahren  und  Ibnen  melden.  Rechnen  Sie  aber  und  hoffen  Sie  lieber  auch  nicht 
darauf;  ich  thue  es  auch  nicht.  Was  den  Konig  von  Preuflen  betrafe,  so 
miifite  ich  alles  Ihnen  alle  in  uberlassen;  weil  ich  in  Berlin  gar  keine  Ver- 
bindungen  habe.  Ihrem  Kurfursten  konnen  Sie  fur  so  etwas  wohl  auch 
nicht  beykommen?  Ich  mochte  nur  gern  Sie,  auch  in  solcher  Hinsicht,  zu- 
frieden  wissen;  zufrieden  und  belohnt!  Ich  —  das  wissen  Sie  ein  flir  allemal 
—  mache  gar  keine  Ansprliche  jener  Art.  Kame  etwas:  wohl  gut!  kommt 
nichts  —  auch  gut.  Es  ist  ein  schones  Kunstwerk  zu  Stande  gekommen; 
es  wird  Viele  erfreuen;  in  manchen  auch  gute  Gedanken  und  Gefiihle  er- 
wecken:  meine  Wiinsche  sind  damit  erfullt.  Fast  schame  ich  mich  so  oft 
davon  zu  schreiben. 

Seit  Anfang  Marz  hat  der  HR.  KfLstner2)  ihre  Zemire  und  Azor3)  wieder 

die  >Allgemeine  musikalische  Zeitungt,  die  mehr  als  funfzig  Jahre  der  Musik  ge- 
dient  hat,  und  bis  1818  unter  Rochlitz'  Leitung  stand.  Nicht  aber,  wie  in  der 
Breitkopfschen  Chronik  zu  lesen,  bis  1827,  denn  auf  Seite  907  deB  zwanzigsten 
Jahrgangs,  also  1818,  nimmt  Rochlitz  >Abschied  vom  Leser* ;  er  verspricht  allerdings 
seine  fernere  Mitarbeiterschafl,  ein  Versprechen,  das  er  bis  1836  redlich  gehalten  hat. 
Vergleiche  >Breitkopf  und  HarteU,  Buch-  und  Notendrucker  usw.<  zusammengestellt  von 
Oskar  v.  Hase  1894,  erganzter  Sonderabdruck  aus  der  Allgemeinen  deutschen  Biographie. 

1)  Erzherzog  Rudolf,  1788—1831,  Kardinal  und  Erzbischof  von  Olmiitz,  als 
Kunsftnacen  bekannt,  war  Schiller  Beethoven's,  dem  er  ein  1820  in  Wien  erschienenes 
Variationenwerk  dedizierte,  »Aufgabe,  von  Ludwig  van  Beethoven  gedichtet.  vierzig- 
mal  verandert  und  ihrem  Verfasser  gewidmet*  von  R.  E.  H. 

2)  Kustner,  Karl  Theodor,  1784—1864,  erhielt  seine  Ausbildung  auf  der  Thomas- 
schule  zu  Leipzig,  besuchte  dann  die  Universitaten  Leipzig  und  Gottingen,  urn  die 
Rechte  zu  studieren.  In  der  Zeit  von  1816—1817  griindete  er  ein  stehendes  Theater 
in  Leipzig,  an  dessen  Spitze  er  bis  1828  stand.  Dann  ging  er  nach  Darmstadt  zur 
Ubernahme  und  Neu-Organisation  des  dortigen  Hoftheaters,  1833  zur  Leitung  der 
Hofbuhne  nach  Miinchen,  wo  er  sowohl  im  Schauspiel  als  in  der  Musik  eine  rege 
verwaltende  und  kiinstlerische  Tatigkeit  entwickelte.  1842  wurde  er  nach  Berlin  be- 
rufen.  An  der  Spitze  von  funf  Biihnen  fand  er  hinreichend  Gelegenheit,  alle  Seiten 
des  Spielplans  zu  pnegen.  Tatsachlich  fehlte  es  diesem  nicht  an  Abwechslung,  da 
j'ahrlich  durchschnittlich  36  Neuheiten  herauskamen.  Kustner  begriindete  das  Institut 
der  Autorenanteile  und  forderte  in  jeder  Weise  das  Zustandekommen  des  Biihnen- 
Kartell-Verein8.  1851  wurde  er  iiber  eigenes  Ersuchen  pensioniert,  1860  ubersiedelte 
er  nach  Leipzig,  wo  er  bis  an  sein  Lebensende  blieb.  Vergleiche  Allgemeine  deutsche 
Biographie,  Band  17,  Seite  441. 

3)  >Zemire  und  Azor«,  Text  von  Ihl^e  nach  der  Gretry'schen  Oper  >La  belle 
s.  I.  a.  ML   V.  18 


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274  Ernst  Bychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

auf  unsre  Biihne  gebracht.  Jetzt  konnte  sie  sehr  gut  besetzt  werden:  Ze- 
mire,  Canzi1);  die  Schwestern,  Devrient2)  und  Erhardt8);  Azor,  Vetter4); 
Vater,  Genast5)  etc.  Sie  wurde  mit  eben  so  viel  Lust  und  Liebe  ausgefuhrt, 
als  aufgenommen.  Ich  habe  sie  in  diesen  Wochen  dreymal,  und  mit  grofitem 
Yergniigen  gehort.  In  Hinsicht  auf  ausdrucksvoll-melodische  Erfindungen 
und  auf  feste,  gleiche,  fast  elegische  Haltung  des  Ganzen,  ist  diese  Oper  unter 
den  Ihrigen,  ja  unter  den  neuen  iiberhaupt,  sogar  mein  Liebling  geworden; 
und  wie  oft  sie  aucb  wiederholt  werden  moge  —  es  mufi  mir  geradezu  un- 
moglich  seyn,  sonst  werde  ich  sie  jederzeit  horen.  Auch  der  Berggetst6),  je 
naher  ich  nun  mit  ihm  vertraut  geworden  bin  und  je  weniger  ich  durchs 
Auge  abgezogen  werde,  desto  trefflicher  nnde  ich  ihn;  und  zwar  nicht  bios 
—  wie  gleich  Anfangs  —  in  den  Hauptstucken,  sondern  nun  durchgehends, 
ohngeachtet,  wie  Ihnen  bekannt,  die  Ausfuhrung  im  Gesang  und  Spiel  hier 
sehr  unvollkommen  ist.  "Wenn  ich  so  uberschlage,  was  Sie,  und  in  den 
verschiedensten  Gattungen,  der  Tonkunst  und  ihren  Freunden  dargebracht 
haben,  so  steigt  meine  Hochachtung  und  Dankbarkeit  immer  hoher,  und  es 
thut  mir  recht  eigentlich  wohl,  da£  dieser  wurdige,  hochverdiente  Kiinstler 
nun  auch  als  Mensch  mir  naher  gertickt  und  mein  Freund  geworden  ist. 
Nun:  bey  jenem  erhalte  Sie  der  Himmel  zur  Freude  der  Welt,  und  bey 
diesem,  zu  meiner  Freude!  Ihr 

Rochlitz. 

AUein  Herr  Hart  el  war  in  bezug  auf  die  Voranzeige  anderer  An- 
sicht;  wenn  auch  hoflich,  er  lehnte  ab.  Rochlitz  muBte  zusehn,  wie  ihm 
eine  Arbeit,    die  er  in  lauterster  Absicht  leisten  wollte,  zuriickgewiesen 


et  la  bete*  wurde  im  September  1818  begonnen  und  in  Frankfurt,  wo  Spohr  Kapell- 
meister war,  zum  erstenmal  aufgeftthrt.  Der  Grund,  dafi  sie  im  Rossini-Stil  gehalten 
ist,  liegt  darin,  daB  gerade  damals  die  Frankfurter  Oper  in  den  Schwestern  Campag- 
noli,  Demoiselle  Friedel  und  dem  Tenoristen  Schelble  Mitglieder  besaC,  die  fiber 
eine  ausgezeichnete  Koloraturtechnik  verfugten. 

1)  Canzi,  Katharina  1805  von  deutschen  Eltern  geboren,  war  1819  Schulerin  von 
Salieri,  bis  1825  an  verschiedenen  italienischen  Biihnen  t'atig,  wo  sie  als  Rossini- 
S'angerin  von  Geschmack  Triumphe  feierte.  Ende  1825  oder  Anfang  1826  wurde  sie 
in  Leipzig  engagiert. 

2)  Devrient,  Dorothea,  1805—1882,  die  Gattin  Emil  Devrient's  war  bis  1828  in 
Leipzig  engagiert. 

3)  Biographische  Daten  konnte  ich  nicht  finden. 

4)  Vetter,  Franz  Xaver,  geboren  1800,  war  in  Augsburg,  Leipzig,  Frankfurt 
Berlin,  Wien,  engagiert  und  genoC  nicht  nur  als  Biihnen-  sondern  auch  als  Oratorien- 
s'anger  einen  wohlbegrundeten  Ruf.  Wegen  miClicher  h'auslicher  Verhaltnisse  machte 
er  seinem  Leben  ein  gewaltsames  Ende.  Eisenberg  gibt  in  seinem  groBen  bio- 
graphischen  Lexikon  der  deutschen  Biihne  im  19.  Jahrhundert  (Leipzig,  Paul  List  1903' 
kein  Todesjahr  an. 

5)  Genast,  Franz  Eduard,  1797 — 1866,  war  Schauspieler  und  Sanger  (Baryton), 
von  1818—1828  in  Leipzig  engagiert,  in  welchem  Jahre  er  die  Leitung  des  Magde- 
burger  Theaters  ubernahm.     G.  bet'atigte  sich  auch  als  Komponist. 

6)  »Der  Berggeist>,  Text  von  Georg  Doring,  wurde  1824  zur  Vermahlung  der 
Prinzessin  Marie  mit  dem  Herzog  von  Sachsen-Meiningen  komponiert  und  am  23.  Marz 
1825  in  Kassel  w'ahrend  der  Hochzeitsfeierlichkeiten  aufgefuhrt. 


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Ernst  Byobnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  275 

wurde.    Axis  Furcht,  er  konnte  durch  Stillschweigen  das  Vertrauen  des 
Freundes  verlieren,  schrieb  er  in  stiller  Ergebung: 

Leipzig,  d.  8  ten  May  26. 

Ihr  Briefchen  vom  1  sten  d.  veranlafit  mich,  Ihnen,  theurer  Freund,  iiber 
einen  VorfaU  zu  schreiben,  den  ich  lieber  mit  Stillschweigen  iibergangen 
ware.  Sie  wiirden  dann  aber  den  Zusammenhang  der  Sache  nicht  kennen  und 
vielleicht  eogar  ungleich  von  mir  denken.  Da  namlich  von  Kassel  vor  etwa 
drey  Wochen  nocb  kein  Bericht  tiber  Ihr  Oratorium  fur  die  musikal.  Zeitung 
eingesandt  war,  ging  ich  zu  Hrn.  Hartel,  legte  ihm  die  Sache  ganz  der  Wahrheit 
gemafi  vor,  und  erbot  mich  zu  einer,  bios  vorlaufigen  Nachricht  iiber  den  Inhalt 
und  die  Gattung  dee  Werks,  iiber  die  Auffuhrung,  und  tiber  die  Wirkung 
im  Allgemeinen ,  welche  Nachricht,  wenn  spater  von  Andern  daruber  ge- 
schrieben  werden  sollte,  der  Aufnahme  dieses  Spatern  nicht  hinderlich  seyn 
sollte.  Ich  bekam,  der  Sache  nach,  zur  Antwort:  Der  gewohnliche  Kasseler 
Correspondent  (ich  kenne  ihn  nicht)  sey  sehr  accurat,  unparteyisch,  ein 
wahrer  Kenner;  er  werde  ganz  gewifi  Bericht  erstatten,  und  dtirfte  es  tibel 
aufhehmen,  als  einen  Beweis  des  Mifitrauens  der  Redaction  gegen  ihn,  wenn 
sie  fruher  etwas  Fremdes  aufnahme  etc.  kurz,  ich  erfuhr  zum  erstenmale 
in  me  in  em  Leben,  dafi  etwas,  das  ich  iiber  Musik  schreiben  wollte,  wenn 
auch  aufs  HoflichBte,  abgelehnt  wurde.  Ich  enthalte  mich  jeder  Anmerkung 
daruber  so  wie  jeder  Bezeichnung  meiner  Empfindungen  dabei.  Ich  wiirde,  wie 
ich  schon  gesagt,  es  Ihnen  verschwiegen  haben,  miifite  ich  nicht  besorgen,  Sie 
rechneten  mir  zu,  was  nicht  im  G-eringsten  auf  meine  Rechnung  kommt,  und 
ich  konnte  so  wohl  gar  auch  noch  um  das  Einzige  kommen,  was  mir  jene 
Arbeit  an  Freude  gebracht  hat:  Ihr  Vertrauen.  Jetzt  habe  ich  den  Ein- 
druck  jener  Erfahrung  langst  iiberwunden,  und  bitte  Sie,  gleichfalls  den 
Eindruck,  den  meine  Erzahlung  auf  Sie  machen  konnte,  zu  iiberwinden; 
auch  davon  gegen  Niemand,  wer  es  auch  sey,  wie  viel  weniger  ofifentlich, 
Gebrauch  zu  machen;  denn  in  solchen  Fallen  (die  gemeine  Welt  ist  nun 
einmal  so)  wird,  aus  Mifigunst,  Schadenfreude  etc.  immer  vorausgesetzt,  der 
habe  doch  wohl  Grund  und  Recht,  der  Unrecht  thut.  Ihr  Werk  selbst  wird 
schon  durchdringen  und  siegen. 

In  voriger  Woche  hatte  ich  Gelegenheit,  auf  Yeranlassung  zweyer  Ihrer 
Werke,  mich  einmal  zu  argern,  und  einmal  hochlich  zu  erfreuen.  Jessonda 
war  etwa  zwey  Mo n ate  nicht  gegeben  worden  und  kam  nun  wieder  zur 
Vorstellung;  wo  Ehrn  (?)  Prager  alle,  mehr  oder  weniger  lebhafte  Tempos 
so  greulich  ubertrieb,  dafi  in  den  (so  schonen)  Details  die  Ausarbeitung 
geradezu  unmoglich  war,  nur  deutlich,  wie  viel  weniger  gut,  zu  singen  und 
zu  begleiten.  Dennoch  wurden  alle  Hauptstiicke  lebhaft  applaudirt;  ein 
sicheres  Zeichen,  wie  lieb  man  das  Werk  selbst  habe.  —  Hr.  Matthai1)  gab 
und  zwar  zum  erstenmale^  in  seiner  Quartettgesellschaft  Ihr  Doppelquartett. 
Er  hatte  alien  FleiB  angewendet,  die  Ausfiihrung  war  durchgangig  sehr  gut; 
der  Beyfall  bey  jedem  Satze  sehr  lebhaft  und  einmuthig;  ich  hatte  eine  wahr- 
haft  gliickliche  halbe  Stunde.  Wir  sprechen  wohl  einmal  iiber  dies  treffliche 
Werk;  jetzt  will  ich  nur  sagen,  dafi  ich  mich  beim  Andante,  das  leider  so 
kurz  ist,  kaum  enthalten  konnte,  gegen  alle  Schicklichkeit  Da  Capo  zu  rufen. 

1)  Mathai,  Heinrich  August,  1781 — 1835,  war  als  Nachfolger  Campagnoli's, 
Konzertmeister  des  Gewandhausorchesters. 


18* 

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276  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Zemire  und  Azor  ist,  mit  Abgang  der  Canzi,  zur  Buhe  verwiesen,  aber  bis 
dahin  oft  und  stets  mit  neuem,  ja  sich  mehrendem  Beyfall  gegeben  worden ; 
und  das  mit  Becht.  Fiir  mich  hat  diese  Oper,  in  ihrem  milden,  aus  Elegi- 
schem  und  sanfb-Heiterm  gemischten  Geiste  einen  ganz  besondern  Reiz.  Ich 
■versaume  sie  nie.  Ihr 

Rochlitz. 

Zur  Auffuhrung  des  Oratoriums  in  Nordhausen  kam  es  nicht  und 
auf  Spohr's  Wunsch,  »Die  letzten  Dinge*  in  Leipzig  aufzufiihren,  erstattet 
Rochlitz  nachstehende  Vorschlage: 

Leipzig,  d.  21sten  Jul.  26. 
Mit  Aufhebung  des  Concertes  in  Nordhausen,  mein  theurer  Freund,  geht 
mir  eine  grofie  Freude  verloren,  auf  die  ich  mit  aller  Zuversicht  gehofft 
hatte.  Es  mufi  mir  dies  um  so  mehr  leid  thun,  da  ich  nun  gar  nicht  ab- 
sehen  kann,  wann  ich  einmal  Ihr  Werk  zu  Gehor  bekommen  werde.  Denn 
Hire  uberaus  giitige  Anerbietung  fur  Leipzig  wird  sich  dies  Jahr  schwerlich 
in  Erfullung  setzen  lass  en.  Ich  gebe  Ihnen  namlich  vollkommen  recht,  wenn 
Sie  es  hier  nicht  anders,  als  unter  Mitwirkung  der  Singakademie  und  des 
Musikvereins  zu  Gehor  bringen  wollen.  Diese  Gesellschaften  vereinigen  sich  aber 
nur  einmal  im  Jahre  zu  einer  kleinen  Auffiihrung,  meistens  zum  Besten 
irgend  einer  wohlthatigen  Stiffcung.  Diese  Gelegenheit  hat  aber  fiir  den 
nachsten  Winter  schon  Friedr.  Schneider  friiher  in  Beschlag  genommen, 
der  sein  Oratorium,  »Das  verlorene  Paradies*,  womit  es  ihm  in  Magdeburg 
und  Berlin  nicht  nach  Wunsch  gegangen,  auf  jene  Weise  und  gleichfalls 
ohne  Entschadigung  zu  wohlthatigem  Zweck  auffuhren  will.  Er  hat  es  dazu 
dem  Musikdir.  Schulz1)  schon  vor  einigen  Monaten  gesandt,  dieser  lafit 
schon  einzelne  Stucke  daraus  zuweilen  singen  etc.  Dies  lafit  sich  nun  nicht 
andern  und  das  gegebene  Wort  nicht  zurucknehmen.  Sonach  bliebe  nichts 
librig,  wenn  namlich  Ihr  Werk  bevorstehendes  H  alb  jahr  hier  gehort  werden 
soil,  als  dafi  Sie  es  im  Concertsaale  auf  Ihre  Rechnung  und  zu  Ihrem  Vor- 
theile  als  ein  gewohnliches  Concert  auffuhrten;  wo  darum  doch,  sollte  ich 
meynen,  bey  der  wahrhaft  ausgezeichneten  Hochachtung  und  Liebe,  die  Sie 
hier  genielien,  mehrere  Liebhaber  und  Liebhaberinnen,  so  wie,  wenn  Sie  den 
UK.  Kustner  darum  begrufiten,  die  Sanger  und  Sangerinnen  des  Theaters, 
wenigstens  die  Chore  verstarken  konnten;  und  fiir  den  ersten  Sopran  werden 
wir  kiinftigen  Winter  eine,  in  jeder  Hinsicht  treffliche  Concertsangerin 
hier  besitzen,  desgleichen  einen  wenigstens  guten  Tenor  und  einen  ziemlich 
guten  Bafi.  Aber  rathen  kann  ich  Ihnen  dazu  nicht  unbedingt,  viel  weniger, 
es  Ihnen  zumuthen.  Denn  obgleich  es  nicht  fehlen  kann,  Sie  wtirden  kein 
geringes  Publikum  versammeln:  so  durfte  es  doch  nicht  grofi  genug  seyii, 
um  Ihnen  bey  den  betrachtlichen  Kosten,  einen  Vortheil  zu  bringen,  der 
Ihren  Verdiensten  einigermafien  angemessen  ware;  da  man  namlich  Sie  nicht 
als  Violinspieler  horen  wird,  und  die  Begier  nach  Virtuosenkunst  hier,  wie 
uberall,  von  Jahr  zu  Jahr  zunimmt,  zum  nicht  geringen  Nachtheil  anderer 
Gattungen    der   Tonkunst.      Sollten    Sie   gleichwohl    sich   hierzu    (ich    meyne: 

1)  Schulz,  Johann  Philipp  Christian,  1773—1827,  Schiiler  von  Engler  und 
Schicht,  ubernahm  1810  die  Leitung  der  Gewandhaus-Konzerte,  die  er  bis  zu  seinem 
Tode  innehatte. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  277 

zu  solch  einer  Auffuhrung)  entschlieBen,  so  wiirde  es  nothig  seyn,  daB  Sie 
schon  jetzt  dem  Baumeister  Limburger  um  den  passendsten  und  vortheil- 
haftesten  Tag  schrieben  —  bey  dem  tlberfluB  an  musikal.  TJnterhaltungen 
keine  Kleinigkeit;  und  dann  Schulz'n  pravenirten,  damit  er  die  Sache  bey 
seinen  Dilettanten  im  voraus  wenigstens  zur  Sprache  brachte;  den  HR. 
Kiistner,  aus  jener  Ursache,  gleichfalls  nicht  zu  vergessen.  Zu  alle  dem 
mich  als  Vermittler  anzubieten,  ware  ich  zwar  geneigt:  aber  meine  Verhalt- 
nisse  lassen  das,  zumal  da  ich  Antheil  an  dem  "Werke  habe,  nicht  zu.  So- 
nach  stelle  ich  es  einzig  in  Ihre  Hand,  und  bitte  nur  noch,  um  meinetwillen 
durchaus  kein  Opfer  zu  bringen. 

In  diesen  Tagen  kam  mir  nun  auch  das  erste  offentlich  ausgesprochene 
Wort  liber  Ihr  Werk  zu  Gesicht,  in  der  hiesigen  mus.  Zeitung,  Nr.  27, 
S.  440  folg.  *).'  Das  Urtheil  ist  kurz,  aber  sehr  giinstig.  Es  scheint  von 
einem  gebildeten  Dilettanten  in  Diisseldorf  abgefafit,  der  mit  Aufmerksamkeit 
gehort  und  mit  Liebe  zur  Sache  geschrieben  hat.  Aber,  damit  der  gute 
Eindruck,  den  diese  paar  Worte  machen  konnten,  ja  sogleich  wieder  gestort 
und  vermin  dert  werde,  hat  Hr.  Hart  el  nicht  unterlassen  konnen,  schnell 
ein  anderes  Urtheil  eines  zweyten  Correspondenten  in  einer  Note  anzuhangen; 
und  dieses  Urtheil  —  das  glaube  ich  behaupten  zu  konnen,  ehe  ich  Einen 
Ton  Ihrer  Musik  gehort  habe  —  ist  nicht  nur  grundfalsch,  sondern  auch 
malitios;  was  jedoch  nicht  hindern  wird,  daB  es  um  so  mehr  Eingang  bey 
der  Masse  finde  —  au  contraire]  So  ist  die  Welt!  Wir  miissen  erst  ge- 
storben  seyn,  wenn  sie  sich  einmiithig  zu  unseren  Gunsten  vereinigen  soil! 
So  lange  wir  leben,  gonnt  sie  uns  nicht  die  Freude,  ihr  —  Freude  gemacht 
zu  haben!  Unter  diesen  Umstanden  gehort  schon  etwas  Tuchtiges  dazu,  nicht 
abzulassen,  und  unverriickt  der  Welt  zu  leisten,  was  man  irgend  vermag. 
So  ist  es  mir  mein  ganzes  Leben  hindurch  gegangen:  jetzt  aber,  ich  gestehe 
es,  fange  ich  fast  an,  miide  zu  werden  und  mich  von  allem  Offentlichen 
zuriickzuziehen.  Ihr 

Rochlitz. 

Allein  im  Herbst  desselben  Jahres  wandte  sich  Eochlitz  im  Auftrage 
der  Direktion  der  G-ewandhauskonzerte  an  Spohr  mit  der  Anfrage,  ob 
dieser  nicht  Partitur  und  Stimmen   des  Oratoriums  zu   einem  Konzert, 


1)  Die  uns  interessierende  Stelle  lautet:  »Am  ersten  Tag*  (es  handelt  sich  um 
das  Niederrheinische  Musikfest  zu  Diisseldorf  am  14.  und  15.  Mai  1826)  »wurde  ein 
neues  Oratorium  von  Spohr,  die  letzten  Dinge,  nach  Worten  der  heiligen  Schrift, 
von  Rochlitz  zusammengestellt,  gegeben,  welches  durch  Ideenreichtum,  Tiefe,  Aus- 
druck  und  kunstvolle  Instrumentalbegleitung  uugemein  erfreute.  Hr.  Spohr  hat  im 
Vergleich  mit  seinen  friiheren  Kompositionen  noch  mehr  Zartheit  und  Innigkeit  der 
Empfindung  entwickelt;  es  atmet  eine  Demut,  Andacht  und  Frommigkeit  in  dieser 
Musik,  die  "auCerst  wohlthuend  ist,  so  daB  mit  demselben  kein  anderes  Werk  der 
neueren  Zeit  verglichen  werden  kann«.  • 

Der  andere  Referent  aber  berichtete:  >Dieses  Werk  ist  durchgangig  in  dem 
elegisch  sentimentalen  Stile  dieses  Meisters  geschrieben,  und  gleicht  darin  andern 
Gesangswerken  desselben.  Ob  dieser  Stil  fur  das  Oratorium  geeignet  sei,  und  ob  nicht 
namentlich  der  Text  dieses  Wcrkes  vielmehr  eine  einfache  groCe  und  kraftige  Musik 
gefordert  hatte,  1'aOt  Referent  dahingestellt  sein.  In  manchen  Stellen  wollte  man  den 
Ausdruck  der  MuBik  mit  dem  des  Textes  nicht  ubereinstimmend  finden.« 


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278  Ernst  Rychnov8ky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Bocblitz. 

dessen  Reinertrag  der  allgemeinen  Armenanstalt  zufalle,    unentgeltlich 
leihen  wollte.     Er  schrieb: 

Leipzig,  d.  27sten  Octbr.  26. 

Dire  beyden,  mir  anvertrauten  Briefe,  geehrter  Freund,  habe  ich  sogleich 
mit  Adressen  versehen  —  den  einen  an  Hrn.  Rath  B  rummer  in  Alten- 
burg,  den  andern  an  Hrn.  Prof.  Wendt1)  hier  in  Leipzig,  als  an  die  beyden 
MSnner,  welchen  sie  zukamen  —  und  langst  sind  sie  in  ihren  Handen. 
DaB  sie  unter  jenen  Umstanden  den  Entschlufl  fasseten,  Ihr  Werk  im 
KlavierauBzuge  auf  eigene  Kosten  herauszugeben  und  sich  deshalb  an  die 
Vorsteher  von  Singinstituten  zu  wenden:  das  macht  Ihnen  Ehre  und  er- 
reicht  zuverlftssig,  daB  das  Werk  so  weit  mehr  verbreitet  und  benutzt  wird; 
zumal  da  Sie  den  Subscribenten  auch  fUr  so  billige  Entschadigung  die  Par- 
titur  zukommen  lassen  wollen.  Moge  dieses  ganze,  offene,  gerade,  wurdige 
Verfahren  nur  auch  Ihnen  einigen  Vortheil  gewahren;  woran  ich  aber  nicht 
zweifle.  Uber  das,  was  Sie  Ihre  Verpflichtung  gegen  mich  nennen,  machen 
Sie  sich  keine  Sorge.  Ich  verbleibe  bey  dem,  was  ich  Ihnen  gleich  anfangs 
geschrieben:  Meine  Absicht  war,  durch  Sie,  als  den  hiezu  Fahigsten  unter 
den  Zeitgenossen,  ein  groBes,  edles  Werk  dieser  Gattung,  zur  Freude  der 
Kunstsinnigen  und  zur  Erbauung  religioser  Gemiither,  hervor  zu  bringen. 
Diese  Absicht  ist  durch  Sie  aufs  Schonste  erfullt  worden ;  und  ich  werde  nie 
ein  Wort  dagegen  sagen,  wenn  es,  was  mich  betrifft,  einzig  und  aUein  hier- 
bey  verbleibt. 

So  weit  schreibe  ich  Ihnen  als  Freund  aus  meinem  Herzen.  Nun  habe 
ioh  aber  auch  noch  Etwas  als  Beauftragter  von  der  hiesigen  Concertdirection 
zu  melden,  woran  ich  nur  einen  gewissermaBen  amtlichen  Antheil,  als  einer 
der  Vorsteher  jenes  Instituts,  nehme;  und  was  ich  demnach  in  dieser  Hin- 
sicht  von  jenem  zu  unterscheiden  bitte. 

Sie  wissen,  wie  man  hier  Sie  ehrt  und  liebt.  Mit  aller  Achtung  und 
Zuneigung  gegen  Friedrich  Schneider,  bedauern  doch  alle,  durch  ein  friiheres 
Wort  (wie  ich  neulich  schon  gemeldeti  fur  den  einzigen  Tag  des  Winters,  wo 
alle  Singende  zusammentreten,  dies  Jahr  gebunden  zu  seyn,  und  so  noch  ein 
Jahr  warten  zu  sollen,  bis  sie  Ihr  Werk  vollstandig  zu  horen  bekommen 
konnten.  Jenes  Concert  ist,  wie  Sie  wissen,  zur  Unterstiitzung  hiesiger 
verarmter  Musiker  oder  ihrer  Wittwen  und  Waisen.  Nun  wird  aber  jahrlich 
den  Sonntag  vor  Ostern  (Palmarum)  auch  ein  Concert  zur  Unterstutzung  der 
hiesigen  allgemeinen  Armenanstalt  gegeben ;  wo  contractmaBig  alle  Mitwirkende 
auf  Entschadigung  verzichten.  Dies  Concert  wird  gleichfalls  moglichst  feyer- 
lich  angeordnet  und  die  Versammlung  ist  stets  sehr  zahlreich  und  die  ansebn- 
lichste.  Zwar  nehmen  die  Sanger  der  Akademie  und  des  Musikvereins  nicht 
Theil  am  Vortrag  des  Gesanges:  aber  fur  die  Chore  kann  man,  auBer  den 
Concertsangern,  dabey  die  ganze  Thomasschule  benutzen;  manche  Liebhaber 
treten,  wird  etwas  Beliebtes  gegeben,  wohl  auch  freywillig  dazu;  und  die 
Solisten  des  Concerts  iibernehmen  die  Solopartien:  diese  sind  aber  dies  Jahr, 
was  Sopran,  Alt  und  Tenor  betrifft,  wahrhaft  ausgezeichnet  in  jeder  Hin- 
sicht,  und  der  BaB  wenigstens  sicher  und  nicht  iibel.  Nun  braucbe  ich 
kaum  erst  zu  erwahnen,  daB  die  hiesigen  Institute   auf  Ihren  Klavierauszug 


1}  Wendt,  Johann  Gottlieb,  1783 — 1836,  Professor  der  Philosophie  in  Gbttingen, 
ein  eifriger  Mitarbeiter  der  Allgemeinen  Musikzeitung. 


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Ernst  RychnovBky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  279 

subscribiren  werden;  und  sie  melden  sich  jetzt  nur  darum  noch  nicht,  weil 
sie  hoffen,  zuvor  noch  Mehrere  zu  werben,  damit  sie  nicht  mit  einem  Paar 
Exemplaren  angezogen  kommen.  Unter  diesen  Umstanden  soil  ich  nun  die 
Frage  an  Sie  bringen:  Wollen  Sie  die  Gtite  haben,  zu  jener  Auffiihrung  zum 
Besten  der  Ar  men,  die  Partitur  und  Stimmen  Ihres  Werks  zu  leihen? 
(Auch  einen  gedruckten  Text  wiirden  Sie,  zur  Erleichterung  des  hiesigen 
Drucks,  gefallig  beylegen,  da  mir  der  meinige  verloren  gegangen.)  Man 
kann  sie  hierzu  nicht  wohl  kaufen,  weil  man  den  Armen  alle  Kosten  er- 
sparen  soD:  es  versteht  sich  aber,  daB,  wenn  das  Werk  Bey  fall  findet,  was 
gar  nicht  zu  bezweifeln,  die  Concertdirection  dann  fur  sich  Sie  um  eine. 
Abschrift  der  Partitur  gegen  die  Gebiihr  ersuchen  wird,  um  es  dann  zu 
einer  andern  Zeit  benutzen  zu  konnen.  Auch  wiirde  man  zuverlaBig  nicht 
verfehlen,  alles  Mogliche  zu  thun,  daB  das  "Werk  zu  einer  wurdigen  Dar- 
stellung  komme.  Um  dieses  zu  erleichtern,  wiirde  es  noting  seyn,  daB  Sie 
mir  jetzt  bald  Ihre  Entscheidung  fur  Ja  oder  Nein;  und  dann,  im  ersten 
Falle,  das  Erbetene  ohngefahr  vier  Wochen  vor  Palmarum  unter  Adresse 
an  den  Herrn  Baumeister  Limburger  (allerdings,  nicht  postfrey)  hieher 
sendeten. 

So  weit  mein  Auftrag!  Ich  bitte  Sie,  die  Entscheidung  ohne  Riicksicht 
auf  mich  personlich,  zu  geben;  denn,  so  sehr  ich  auch  wiinsche,  Ihr  Werk 
zu  horen,  so  thut  es  mir  doch  leid,  daB  es  hier  zur  ersten  Auffiihrung 
kommen  soil,  ohne  daB  Sie  da  von  irgend  einigen  Vortheil  haben  wiirden. 

Von  Herzen  Ihr 

Rochlitz. 

Geschafte  aller  Art  hielten  Rochlitz  fiir  die  folgenden  Monate  vom 
Briefschreiben  ab.  Erst  Ende  Februar  des  folgenden  Jahres  bedankt 
er  sich  fiir  die  Ubersendung  des  Klavierauszugs  zum  Oratorium,  das  am 
Sonntag  Palmarum  aufgefuhrt  werden  soil.  Es  ist  fast  nihrend  zu 
lesen,  wie  Rochlitz  alle  guten  Seiten  der  Musik  ruhmredig  hervorhebt, 
seinen  eignen  Anteil  am  Werk  aber  verkleinert.  Ja  er  identifiziert  die 
Musik  so  mit  dem  Werk,  daB  er  in  gleichmiitigstem  Ton,  als  handle  es 
sich  um  eine  fremde,  ihn  gar  nicht  betreffende  Sache,  von  einer  Rezension 
spricht,  die  er  gelesen  und  in  der  die  Absichten,  von  denen  er  sich  bei 
der  Abfassung  des  Textes  leiten  lieB,  vollig  verkannt  werden.  Es 
heiBt  hier: 

Leipzig,  d.  26sten  Febr.  27. 

Ich  hatte  Ihnen,  theurer  Freund,  langst  schreiben  soil  en.  Lassen  Sie 
mich  die  gewiB  gegriindeten  Entschuldigungen  iibergehen  und  glauben  Sie 
mir  aufs  Wort:  ich  konnte  nicht. 

Zuvorderst  sage  ich  Ihnen  herzlichsten  Dank  fiir  das  mir  durch  Hrn. 
WeiBe  zugesandte  Exemplar  des  Klavierauszugs  des  Oratoriums.  Mit  Ernst 
und  FleiB  bin  ich  es  mehrmals  durchgegangen.  Sie  wissen,  daB  ich  viel 
davon  erwartete:  aber  wahrlich,  in  dem,  was  aus  einem  Auszuge  sich  beur- 
theilen  laBt,  iibertriflpt  es  alle  meine  Erwartungen:  so  wird  dies  ja  auch  der 
Fall  seyn  mit  dem,  was  sich  daraus  nicht  beurtheilen  laBt.  Ich  zweifle 
durchaus  nicht:  Sie  haben  sich  damit  ein  Denkmal  gesetzt,  das  nach  und 
nach  sich  iiberall  einfuhren    wird   und   Sie  weit   iiberleben,   wie   viele  Jahre 


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280  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spobr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Ihnen  auch  Gott  schenken  moge.  Um  so  lieber  ist  es  mir,  daB  ich  zum 
Texte  keine  Cant  ate,  woriiber  der  Geschmack,  and  selbst  keine  historischen 
Schilderungen  aus  der  heil.  Schrift,  woriiber  die  Zeitvorstellungen  sich  andern, 
gewahlt  habe,  sondern  eben  das,  was  gewahlt  worden  ist  nnd  worauf  die 
Zeit  keinen  EinfluB  hat.  Darum  ertrage  ich  auch  gern,  daB  bisher  der 
Einzige,  der  (in  der  Cacilia)  mit  einiger  Einsicht  fiber  das  Werk  geschrieben, 
nicht  nur  meine  wohlbedachte  Absicht  nicht  im  Geringsten  anerkennt,  son- 
dern sogar  mich  wie  einen  Schulbuben  gehofmeistert  hat;  ich  werde  es  auch 
ruhig  ertragen,  wenn  es  Andere  auch  so  machen  soil  ten,  gewiB,  daB  eine 
spatere  Zeit  anders  denken  wird,  wenn  ich  sie  auch  nicht  erlebe.  Die  Folge 
und  Gruppierung  der  Gesangstiicke,  sowie  den  Gedanken,  der  Instrumental- 
musik  jenen,  vorher  noch  nie  ihr  zugestandenen  Anthel  zu  iiberlassen ,  wie 
nun  Beydes  durch  Ihre  Ausfiihrung  erst  recht  zur  Anschauung  kommt,  muB 
ich  riihmen,  und  wenn  ich  das  auch  sonst  von  nichts  konnte,  das  jemals  Ton 
mir  ausgegangen:  jede  gute  Auffiihrung,  und  besonders  jede,  vor  Andach- 
tigen,  nicht  zu  einem  Freudenfeste  versammelten  Zuhorern,  wird  dies  be- 
wahren. 

Eine  solche  Auffiihrung  wird  nun  ganz  gewiB  die,  den  Palmsonntag  hier 
in  Leipzig,  seyn;  und  man  sehnt  sich  schon  daraach.  Die  Institute  der 
Singakademie  und  des  Musikvereins  haben,  aus  Antheil  am  Werke,  an  Ihnen 
und  an  mir,  beschlossen,  von  ihrem  Gesetz  eine  Ausnahme  zu  machen;  und 
so  werden,  wo  nicht  alle,  doch  die  meisten  und  besten  Mitglieder  an  der 
Ausfiihrung  theilnehmen,  ohne  darum  den  Armen  das  Eintrittsgeld  zu  ent- 
ziehen.  An  Proben  soil  es  nicht  fehlen.  Darum  lassen  Sie  mich  aber  auch 
die  Bitte  wiederholen,  daB  Sie  Partitur  und  Stimmen  Hrn.  Baumeister  Lim- 
burger  oder  Hrn.  Hofrath  und  Professor  Wendt  nicht  spater,  als  vier  Wochen 
vor  dem  Tage  zu  kommen  lassen.  Konnten  wir  Sie  doch  zur  Auffiihrung 
hier  sehen!  Doch  das  ist  ein  unbilliger  Wunsch,  den  ich  mir  nicht  verstatten 
will.  Machen  Sie  doch  uns  und  unsern  Aj-men  ohnehin  schon  ein  so  be- 
trachtliches  Geschenk!  — 

DaB  unser  Musikd.  Schulz,  uns  alien  hochstunerwartet,  nach  kurzem 
Krankenlager  gestorben,  und  daB  Ihr  Yerleger,  Peters1),  in  einem  Zustand 
solcher  Narrheit  verfallen  ist,  daB  die  Obrigkeit  hat  einschreiten  und  ihn 
nach  Dresden,  in  ein  Institut  fur  solche  Kranke,  bringen  miissen:  das  wird 
Ihnen  schon  bekannt  seyn.  Pohlenz2),  Director  des  Musikvereins  und  Organist 
zu  St.  Thomas,  ist  nun  auch  Musikdirector  des  Concerts.  Wir  versprechen 
uns  viel  Gutes  von  seiner  Regsamkeit,  Geschicklichkeit  und  seinem  Enthusias- 
mus  fur  gute  Musik  aller  Art.  —  Mir  wird  dieser  harte  Winter  schwer;  doch 
habe  ich  mich  bisher  wenigstens  noch  auf  den  FiiBen  und  in  meiner  Thatig- 
keit  erhalten  konnen.  — 

Leben  Sie  wohl,  theurer  Freund,  und  behalten  Sie  in  treuem  Andenken 

Ihren 

B,ochlitz. 

Schon  der  nachste  Brief  berichtet   iiber  die  Auffiihrung  am  Palm- 


1)  Peter 8,  Karl  Friedrich  iibernahm  1814  das  zu  Beginn  des  Jahrhunderts  von 
F.  A.  Hoffmeister  und  Ambros  Kiihnel  gegriindete  >Bureau  de  musique*.  Er  starb  1828. 

2)  Pohlenz,  Christian  August,  1790—1843,  Organist  an  der  ThomaBkirche,  Diri- 
gent  der  Gewandhauskonzerte  bis  1836,  in  welchem  Jahre  Mendelssohn  die  Leitung 
abernahm,  und  Diligent  der  Singakademie. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  281 

sonntag.  Sie  iibertraf  Rochlitz'  gespannteste  Erwartungen.  Mit  dich- 
terischem  Schwunge  schildert  er  die  Wirkung,  die  das  Werk  auf  ihn  und 
alle  Zuhorer  machte: 

Leipzig,  d.  9  ten  Apr.  27. 
Mein  theurer,  geehrter  Freund! 

Mit  einem  wunderbaren  Gemisch  von  Empfindungen  nehme  ich  die  Feder, 
Ihnen  iiber  die  gestrige  Auffuhrung  des  Oratoriums  Einiges  zu  sagen.  Wollte 
ich  nur  einigermafien  aus  einander  setzen,  was  dabey  und  auf  dessen  Veran- 
lassung  in  mir  umgegangen,  und  nun  noch  nachklingt:  so  wiirde  ich  sehr 
weitlaufig  werden  miissen;  das  kann  ich  aber  nicht  seyn,  da  das  Blatt  heute 
abgehen  soil,  und  mein  Haus  uberdies,  aufier  mir,  jetzt  lauter  Kranke  ent- 
halt,  wodurch  ich  immerfort  gestort  werde.  Ich  sage  daher,  kurz,  nur  das 
Allereinfachste,  ja  Einfaltigste ;  was  auch  der  geringste  Zuhorer  sagen  konnte. 

Das  Werk  war  mit  Liebe  und  groBem  FleiB  studirt;  die  Besetzung  im 
Gesange  stark;  (26  weibliche  Soprane  etc.)  im  Solo,  besonders  in  den  kost- 
lichen  4stimmigen  Solo-Satzen,  wahrhaft  vortrefflich;  ja,  die  Sopranpartie 
ist  wohl  gar  nicht  moglich,  schSner,  und  dem  ganzen  Sinne  und  Zwecke  des 
Werks  entsprechender  auszufuhren,  als  von  unsrer,  lieben,  jungfraulichen 
Grabau,  die  durch  Natur  und  Bildung  ganz  eben  fur  solche  Musik  ge- 
macht  ist,  geschahe.  Die  Saiteninstrumente  in  den  Choren  waren,  gegen  den 
Gesang  und  die  vielbeschaftigten  Posaunen,  etwas  zu  schwach;  was  sich  aber 
nicht  andern  lieB.  Die  Blasinstrumente  bewieBen  die  moglichste  Delicatesse, 
und  thaten  daher,  wie  Sie  sie  benutzt  haben,  herrliche  Wirkung.  Die  Ver- 
sammlung  war,  ohngeachtet  des  lockenden  Fruhlingswetters ,  zahlreich.  Mit 
Einem  Worte:  Es  geschahe  Alles,  was  wir  vermogen. 

Die  Wirkung  des  Ganzen  auf  das  gesammte  Auditorium  war  (ich  schreibe 
Ihnen  durchgehends  die  treueste  Wahrheit)  nicht  ganz  so,  wie  ich  mir's  vor- 
her  gedacht  hatte:  aber  vielleicht  besser.  Es  imponirte  im  hohen  Grade; 
es  erhielt  bis  zur  letzten  Note  in  feyerlicher  Stimmung  und  innerster  Be- 
wegung  —  daher  eine  Todtenstille  durch  das  ganze  Werk ;  aber  es  schien, 
die  Menge  wuflte  nicht,  wie  ihr  geschehe ;  sie  fuhlte  sich  in  fremder,  ganz  un- 
gewohnter  Welt;  daher  durchaus  kein  Zeichen  lauten  Beyfalls  gegen  Ein- 
zelnes:  man  ging  ernst  und  still  auseinander.  Diesen  Morgen  erst  kamen 
einige  unsrer  geistvollsten  Manner  zu  mir,  voll  Ihres  Lobes.  Noch  einmal: 
Vielleicht  war  eben  diese  Wirkung  die  rechte,  und  besser,  weit  besser  als 
die  ich  mir  vorher  gedacht  hatte. 

Was  soil  ich  nun  von  der  Wirkung  auf  mich  sagen?  Auch  ich  lebte  in 
fremder  Welt;  in  einer  bessern,  als  die  uns  umgiebt:  aber  ich  wuBte,  wie 
mir  geschah.  Um  Ihnen  iiber  das,  was  mir  am  allergelungensten  erschien, 
Etwas  schreiben  zu  konnen,  hatte  ich  die  Bleyfeder  zur  Hand,  mir  dies  im 
Textbuch  anzustreichen :  ich  kann  aber  nicht  dafiir,  dafi  fast  alle  Stiicke  ohne 
Ausnahme  angestrichen  sind.  Soil  ich  dennoch  das  anfuhren,  was  am  allermeisten 
mir  in  das  Innerste  drang:  so  nenne  ich  folgendes:  Erster  TeiJ:  Heilig  etc. 
(Soli  und  dann  Chor;)  Siehe,  ein  Lamm  etc.  Weine  nicht  etc.  Das  Lamm, 
das  erwiirget  ist  etc.  SchluB  des  ersten  Theils.  Zweyter:  BaB-Recitativ,  be- 
sonders von  vorn,  bis:  geheimstes  Inn're.  So  ihr  mich  von  ganzen  Herzen  etc. 
(Ich  wurde  aber  hier  die  Posaunen  weglassen,  um  die  Macht  des  Gesangs 
allein  wirken  zu  lassen).  Es  ist  geschehn.  —  Seelig  sind  die  Todten  etc. 
und  Alles,  was  folgt.     Einzuwenden  habe  ich   ein  Einziges:   Das der 


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282  Ernst  Ryohnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

ersten  Ouverture  halt scheint,  nicht Hiermit  ....  Freund;  und 

nochmals  meinen  herzlichen  Gliickwunsch ,  daB  Ihnen  Gott  Kraft  und  Be- 
harrlichkeit  gegeben,  dies  "Werk  und  ebenso  zu  vollenden.  Belohnt  wird  es 
ihnen  nicht;  auBer  in  wiefern  erhohte  Hochachtung  eine  Belohnung  ist;  aber 
ich  kenne  Sie  genug,  um  iiberzeugt  zu  seyn,  dafi  jenes  Sie  nicht  stort,  viel 
weniger  Sie  bereuen  laBt,  so  viele  Zeit,  Anstrengung,  und  hernach  selbst 
unangenehme  Bemiihung,  aufgewendet  zu  haben. 

Offentlich  werde  ich  daruber  nicht  schreiben,  weil  die  Gemeinheit  sonst 
gleich  dahinter  her  seyn  und  es  mir  als  Mitgevatterschaft  auslegen,  mithin 
Ihnen  schaden  wurde.  Hr.  HR.  "Wendt  hat  jenes  fur  einige  geschatzte 
Zeitschriften  tibernommen;  und  wiewohl  er  (unter  uns!)  fur  aUes  Geistliche 
nicht  sonderlich  geeignet  ist,  so  wird  er  Ihnen  doch  gewiB  Gerechtigkeit,  so 
weit  er  kann,  wiederfahren  lassen.  Dasselbe  wird  ohne  Zweifel  auch  in  der 
hiesigen   musikal.  Zeitung  geschehen,   wem   auch  Herr  Hartel    dies  Geschaft 

auftragen  mag Ihr 

Rochlitz. 

Nach  der  Auffiihrung  trat  wieder  eine  langere  Pause  in  der  Korre- 
spondenz  ein.  Erst  die  Mitteilung  eines  Freundes,  Spohr's  Befinden 
wahrend  des  Musikfestes  an  der  Elbe  (gefeiert  in  der  Zeit  vom  3.  bis 
5.  Juni  1828  zu  Halberstadt)  sei  nicht  das  beste  gewesen,  druckt  ihm 
wieder  die  Feder  in  die  Hand  zu  einem  von  freundschaftlichen  Gefiihlen 
erfiillten  Brief: 

Leipzig,  d.  23sten  Jul.  1828. 
Mein  geehrter,  theurer  Freund! 
Ich  hatte  lange  nichts  yon  Ihnen  und  iiber  Sie  erfahren;  denn  was  ich 
etwa  in  den  wenigen  offentlichen  Blattern,  die  ich  lese,  fand,  das  war  im 
Grunde  so  viel  als  nichts.  Nun  kommt  ein  Bekannter,  ein  verstandiger  und 
wohlgesinnter  Mann,  der  dem  Musikfeste  an  der  Elbe  beygewohnt,  zu  mir, 
erzahlt  mir  von  demselben  Mancherley,  was  mich  freut,  und  Einiges,  was 
mir  Leid  thut;  unter  Letzterem  besonders,  daC  es  ihm  geschienen,  es  mufiten 
Verhaltnisse,  welcherley  Art  sie  seyn  mochten,  schwer  auf  Ihnen  liegen  und 
Sie  um  die  Heiterkeit  und  Lebenslust  bringen,  die  Alle,  welche  Sie  in  Ihren 
Werken  zu  erkennen,  zu  ehren,  zu  lieben  vermochten,  Binen  wiinschen  jniiBten 
und  die  auch  dem  Klinstler,  besonders  dem  dichtenden,  so  nothwendig  sey. 
Das  betrubte  mich,  und  ich  kann  seitdem  .den  Gedanken  hieran  nicht  los 
werden;  denn  wahrlich,  ich  gehore  nicht  nur  zu  jenen  Ihren  Freunden,  son- 
dern  auch  zu  denen,  welche  Ihnen  zugleich  personlich,  Mann  zu  Mann,  von 
Herzen  ergeben  sind.  Da  erlaube  ich  mir  nun,  was  sonst  zudringlich  und 
unstatthaft  seyn  wiirde,  mich  daruber  geradezu  an  Sie  zu  wenden,  ftir  den 
Fall,  daB  Sie  sich  vielleicht  gern  einem  Freunde  eroffnen  mochten,  einen 
solchen  (etwa  um  ortlicher  Umstande  willen)  nicht  um  sich  batten,  .und  mich 
fur  fahig  hielten,  Ihnen  auf  irgend  eine  Weise,  womit  es  sey,  zur  Hand  zu 
seyn,  oder  wenigstens  Ihnen  Gelegenheit  zu  geben,  sich  schon  durch  die  Er- 
offnung  gegen  einen  Theilnehmenden  selbst  das  Herz  einigermafien  zu  er- 
leichtern.  Ich  selbst  bin  ehedem  eine  Reihe  von  Jahren  in  solchem  Falle 
gewesen,  habe  damals  keinen  solchen  Freund  besessen,  eben  darum  mir  desto 
mehr  am  Herzen  genagt  und  den  EinfluB  auch  auf  meine  Arbeiten  sehr 
schwer  empfunden:  da  ist  nun  nichts  natiirlicher,  als  daB  ich  Jeden,  den  ich 


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Ernst  Rychnovaky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  283 

Jiochachte  und  liebe,  davon  befreyet,  ja  zu  seiner  Befreyung  —  vermag  ichs 
namlich  —  beyzutragen,  wiinschen  muB.  Deshalb,  einzig  deshalb,  schreibe 
ich,  denn  sonst  habe  ich  durchaus  kein  Anliegen  und  nicht  einmal  eine 
Neuigkeit  u.  dgl.  Vielleicht  hat  aber  mein  Mann  sich  geirrt?  Desto  besser! 
6ie  aber  werden  mein  Blatt  darum  nicht  miflfallig  aufnehmen  — 
»Der  Wille,  nicht  die  Gab e,  macht  den  Geber.« 


Eben  fallt  mir  doch  noch  Etwas  ein!  In  einer  gutgeschriebenen  Nach- 
richt  von  jenem  Teste  in  der  hiesigen  niusikal.  Zeitung  wird  gesagt:  Sie 
werden  kiinftiges  Jahr  mit  einer  neuen  Symphonie  auftreten.  Das  ist  schon! 
Das  ist  sehr  schon!  und,  irre  ich  nicht,  auch  jetzt  ganz  an  der  Zeit.  Wer 
soil  sonst  Symphonien  jetzt  schreiben?  Gleichwohl  fangt  man  fast  uberall 
an,  sich  fur  diese  Gattung  wieder  mehr  zu  interessiren,  und  nun  nicht  mehr 
bios  zur  Unterhaltung,  sondern  auf  eine  edlere,  wiirdigere  Weise.  "Wollen 
Sie,  fur  den  Fall,  daB  Ihr  "Werk  nicht  schon  fertig  oder  doch  bestimmt  ent- 
worfen  ist,  dem  alten  Freunde  und  Zunftgenossen  einige  zutrauliche  Worte 
dariiber  erlauben?  Es  liegt  ja  in  Ihrer  Hand,  sie  auch  als  nicht  gesagt, 
anzunehmen !  Schwingen  Sie  sich  eben  hier  zu  dem  GroBart^gen  und  Heroi- 
schen  im  Charakter  auf,  wie  z.  B.  in  der  Introduction  Ihrer  »Jessonda«, 
und  suchen  Sie  bey  allem  Ernst  und  aller  Energie  doch  moglichst  heiter  zu 
erscheinen!  lassen  Sie  es  eben  hier  nicht  an  einfachen,  schlagenden  Massen 
(ich  meyne:  wie  Beethoven  im  Finale  seiner  C-wioM-Symphonie  u.  dgl.)  und 
an  starken  Contrasten  zwischen  diesen  und  dem  Zartesten,  Innigsten  fehlen! 
rechnen  Sie  eben  hier  nicht  zu  viel  auf,  wenn  auch  noch  so  vortreffliche 
Details  der  Ausarbeitung,  und  machen  Sie,  wenn  auch  nur  der  Deutlichkeit 
und  der  weiten  Verbreitung  wegen,  die  Ausfuhrung  nicht  allzuschwer!  Das 
sind  einfache,  wohl  auch  eintaltige  Worte:  aber  darum  doch  nicht  zu  ver- 
achten.  Wie  Sie  auch  die  Symphonie  schreiben  mogen :  sie  wird  uberall  mit 
Freude  und  Dank  aufgenommen  werden ;  aber  unter  jenen  Bedingungen  ganz 
gewifi  mit  doppelt  so  viel  Freude  und  Dank.  Es  lieBen  sich  sogar,  dunkt 
mich,  ganz  neue  oder  doch  nur  selten  und  sehr  unvollkommen  benutzte 
Formen  fur  Symphonieen  uberhaupt  ersinnen;  was  das  doppelte  Gute  hatte, 
daB  es  dem  Componisten  leichter  wurde,  auch  in  der  Ausfuhrung  neu  zu 
bleiben,  und  daB  dem  leidigen  Yergleichen  vorgebeugt  wurde,  wovon  die 
Halbkenner  und  Dilettanten  nicht  lassen,  wie  oft  man  ihnen  auch  sage,  daB 
sie  damit  fast  immer  einem  von  beyden  Theilen  Unrecht  thun,  und  sich  selbst 
in  ihrem  Genusse  storen!  —  Doch  genug  hiervon!  Sie  wissen  ohnehin,  was 
ich  gesagt  habe  und  hier  noch  sagen  konnte,  und  wissen  es  besser  als  ich: 
da  mogen  Sie  es  nur  als  Beweis  meines  herzlichen  Antheils  an  Ihnen  und 
Ihren,  mir  so  uberaus  theuren  Werken  aufnehmen.  Lebten  wir  an  Einem 
Orte  und  konnten  uns  nach  Neigung  iiber  dergleichen  Gegenstande  besprechen : 
dann  ware  es  ein  Anderes  und  Besseres. 

In  wahrer  Kochachtung  und  treuer  Ergebenheit 

Ihr 

Rochlitz. 

Zwischen  diesem  Brief  und  dem  folgenden  klafft  wieder  eine  Liicke, 
die  mehrere  Jahre  umspannt.  Es  ist  allerdings  fraglich,  ob  bis  zum 
Jahre  1834  korrespondiert  wurde,  sicher  aber  ist,   daB  jener  Brief  fehlt, 


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284  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz* 

welchen  Rochlitz  mit  einem  Band  seiner  Schriften  an  Spohr  absandte, 
in  dem  ein  neuer  Oratorientext  »Das  Ende  des  Gerechten*  stand.  Allein 
gliicklicherweise  wird  die  an  sich  bedauerliche  Liicke  durch  gerade  in 
dieser  Angelegenheit  ausfiihrliche  Aufzeichnungen  Spohr's  ausgefiillt. 
Horen  wir  also  zunachst,  woriiber  uns  Spohr  aufklart1): 

»  Schon  im  vorigen  Jahre  (1833)  hatte  mir  Hofrat  Rochlitz  bei  unserer 
Durchreise  in  Leipzig  ein  von  ihm  verfaBtes  Passions-Oratorium :  >Des 
Heilands  letzte  Stunden*  zur  Komposition  angetragen.  Obgleich  dasselbe 
schon  einmal  unter  dem  Titel:  >Das  Ende  des  Gerechtenc  von  Schicht 
komponiert  worden  war,  so  nahm  ich  es  doch  mit  Freuden  an,  da  er  mir 
versicherte,  die  fruhere  Komposition  sei  zwar  mit  Beifall,  aber  ohne  genugende 
Wirkung  zu  machen,  aufgefiihrt;  er  habe  deshalb  den  Text  noch  einmal  um- 
gearbeitet  und  halte  ihn  nun  dem  Zwecke  entsprechender.  Nachdem  ich  in- 
dessen  erfahren,  daB  er  diesen  neuen  Text  auch  Mendelssohn  zur  Komposi- 
tion vorgeschlagen  habe,  so  fragte  ich,  bevor  ich  die  Arbeit  begann,  bei 
diesem  schriftlich  an,  ob  er  das  Oratorium  zu  komponieren  gedenke.  Da  die 
Antwort  verneinend  ausfiel,  und  Mendelssohn  mir  schrieb,  daB  er  sich  selbst 
einen  Text  aus*Bibelstellen  zusammensetzen  werde  (»Paulus«),  so  begann  ich 
im  Friibjahre  1834  meine  Arbeit,  die  spater  durch  die  Badereise  unterbrochen 
wurde.  Als  ich  indessen  bemerkte,  daB  meine  Frau,  trotz  ihres  leidenden 
Zustandes,  sich  doch  eben  so  lebhaft  fur  meine  jetzige  Arbeit  interessierte, 
als  fur  die  fruheren,  so  vergaB  ich  bald  alles  liber  die  Begeisterung ,  mit 
welcher  ich  mich  derselben  hingab.  Empfieng  mich  auch  Dorette  beim  Nach- 
hausekommen  aus  den  Theaterproben  stets  mit  kummervoller  Miene  und  angst- 
lichen  Andeutungen  wegen  ihrer  Gesundheit,  so  zeigte  sie  doch  auch  wieder 
so  groBe  Teilnahme  an  dem  Fortschreiten  meiner  Arbeit  und  horte  mit  so 
lebhaftem  Interesse  zu,  wenn  ich  das,  was  fertig  war,  im  Cacilienvereine 
probieren  lieB,  daB  ich  immer  mit  neuem  Muth  an  die  Fortsetzung  des 
Werkes  gieng.  ...  So  kam  ich  mit  meinem  Oratorium  bis  zum  Schlusse  des 
ersten  Teiles,  und  meine  Frau  erlebte  noch  die  Freude  zu  sehen,  mit  welcher 
Teilnahme  und  Begeisterung  es  vom  Cacilienverein  gesungen  wurde;  dann 
nahmen  aber  ihre  Krafte  rasch  ab  und  sie  wurde  bettlagerig.  .  .  .  Da  sich 
meine  Tochter  Emilie  und  Therese  der  Pflege  der  Mutter  mit  groBer  Sorg- 
falt  unterzogen,  so  konnte  ich  auf  Dorette ns  Wunsch,  da  sie  sich  fur  die  Voll- 
endung  des  Oratoriums  lebhaft  interessierte,  wahrend  des  Tages  fortarbeiten. 
muBte  des  Nachts  aber  abwechselnd  mit  Emilie  bei  ihr  wachen.  Doch  war 
ich  kaum  bis  zur  dritten  Nummer  des  zweiten  Theils  gekommen,  so  gieng  es, 
da  sich  ihre  Krankheit  zu  einem  Nervenfieber  gestaltet  hatte,  mit  ihr  zu  Ende 
nnd  heute  noch  gedenke  ich  mit  tiefer  AVehmut  des  Momentes,  wo  ich  ihrer 
Stirn  den  letzten  KuB  aufdriickte !  « 2) 

Spohr  war  also  schon  beinahe  ganz  fertig,  als  ihm  durch  Mendelssohn 
die  textliche  Umarbeitung  des  zweiten  Teiles  des  Oratoriums  zuging.  Alle 
Veranderungen  jetzt  noch  aufzunehmen,  war  ein  Ding  der  Unmoglichkeit. 
Daneben  tauchte  aber   auch    ein    anderer  Streitpunkt  auf,    ob    namlich 


1)  Selhstbiographie,  Band  II,  Seitel99ff. 

2   Dorette  Scheidler,  Harfenvirtuosin,  1788—1834,  war  seit  1806  mit  Spohr 
verheiratet. 


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Ernst  Kychnovaky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  285 

Jesus  singend  eingefiihrt  werden  solle.  Spohr  war  unbedingt  dafiir,  Jesus 
singen  zu  lassen,  Rochlitz  eben  so  dagegen,  vielmehr  wunschte  er,  Jesu 
Worte  einem  Mannerchor  in  den  Mund  zu  legen.    Spohr's  Brief  lautete : 

Cassel  am  10  ten  Januar  1835. 
Innigst  verehrter  Freund! 

Schon  im  vorigen  Fruhjahr,  als  ich  die  Composition  Ihres  Oratoriums: 
»Das  Ende  des  Gerechten«  begann,  hatte  ich  die  Absicht  Ihnen  dies  anzu- 
zeigen ;  doch  da  sich  iiber  eine  Arbeit,  die  erst  im  Entstehen  ist,  nur  wenig 
sagen  l&Bt,  hielt  ich  es  fur  besser,  bis  zum  SchluB  derselben  zu  warten,  um 
Ihnen  dann  ausfiihrlicher  dariiber  zu  berichten  oder  besser  noch,  das  ganze 
Werk  in  Partitur  gleich  zur  Beurtheilung  vorlegen  zu  k5nnen.  Eine  Colli- 
sion, wie  ich  sie  jetzt  durch  ein,  vorgestern  eingelaufenes  Schreiben  von 
Herrn  Felix  Mendelssohn,  erfahre,  furchtete  ich  bei  dieser  Zogerung  nicht, 
da  ich  mich  erinnerte,  Ihnen  bei  Zurucksendung  des  mir  gtitigst  geliehenen 
Bandes  Ihrer  Schriften  geschrieben  zu  haben,  daB  ich  von  dem  Oratorium 
eine  Abschrift  genommen  habe,  und  die  Composition  desselben  beginnen 
wiirde,  sobald  ich  mich  zu  einer  so  bedeutenden  Arbeit  aufgelegt  fuhlen 
wiirde.  Jetzt  nun,  da  mir  Herr  Mendelssohn  Ihr  letztes  Schreiben  an  ihn 
vom  19  ten  Dezember  nebst  der  TJmarbeitung  des  zweiten  Theils  des  Orato- 
riums iiberschickt,  habe  ich  bereits  das  ganze  Werk  vollendet,  und  bis  auf 
die  letzte  Halfte  des  SchluBchors  sogar  vollstandig  in  Partitur  gesetzt.  Es 
ist  daher  ganz  unmoglich,  daB  ich  alle  Yer&nderungen  der  neuen  Bearbeitung 
noch  aufnehmen  kann.  Ich  wiirde  die  Mtihe  dabei  wahrlich  nicht  scheuen; 
aber  die  Form  mehrerer  Musikstiicke  miiBte  ganz  zerstort  werden,  was  ich 
bei  diesem  Werke,  welches,  ich  darf  es  sagen,  mehr  wie  alle  fruhern  aus 
einem  GuB  ist,  nicht  iiber  mich  gewinnen  konnte.  Alle  solche  Veranderungen 
aber,  die  bios  Yerbesserungen  der  Diction  sind,  ohne  das  SylbenmaaB  und 
den  Sinn  wesentlich  zu  verandern.  lassen  sich,  wenn  Sie  es  wiinschen,  noch 
hereinbringen.  —  "Was  nun  Ihren  zweiten  Wunsch  betrifft,  daB  der  Compo- 
nist  bei  Auffassung  des  Werkes  Ihre,  in  den  Anmerkungen  ausgesprochenen 
Ansichten  beriicksichtigen  moge,  so  glaube  ich  ihm,  ohne  diese  gekannt  zu 
haben,  in  meiner  Arbeit  geniigt  zu  haben,  und  es  hat  mir  wahrlich  eine 
groBe  Freude  und  Beruhigung  gewahrt,  meine  Bearbeitung  Ihren  Ansichten 
fast  ganz  gleich  zu  linden.  Nur  die  Ansicht,  daB  man  Jesum  nicht  singend 
einfuhren  diirfe,  kann  ich  nicht  theilen.  Haben  unsere  frommen  Yoreltern 
dabei  keine  Bedenken  gefunden,  so  weiB  ich  nicht,  warum  wir  jetzt  scrupu- 
loser  seyn  wollen.  Sollen  die  am  Kreuz  gesprochenen  "Worte  beibehalten 
werden,  so  scheint  mir  ein  edler,  ausgebil deter  Tenor  ein  viel  wiirdigerer 
Keprasentant  als  ein  Mannerchor,  der  iiber  die  B  alle  dramatische  Tauschung 
bei  dem,  auBerdem  ganz  dramatisch  gehaltenen  "Werke  nothwendig  aufheben 
muBte.  DaB  der  Componist  dabei  die  Aufgabe  zu  losen  hat,  das,  was  Jesus 
singt,  vor  allem  Anderen  als  heilig,  erhaben  und  wohllautend  hervortreten 
zu  lassen,  versteht  sich  von  selbst.  In  wiefern  mir  dies  gegluckt  ist,  wird 
die  Wirkung  bei  der  Auffiihrung  erproben. 

SchlieBlich  bitte  ich  um  Erlaubnis,  was  ich  schon  beim  Beginn  der  Arbeit 
mir  vorgenommen  hatte,  Ihnen  die  Partitur  (die  hochstens  in  acht  Tagen 
ganz  fertig  geschrieben  seyn  wird)  zur  Ansicht  und  Beurtheilung  vorlegen 
zu  durfen.  Sollte  sich  das  "Werk  Ihres  Beifalls  zu  erfreuen  haben,  so  fiige 
ich  noch  die  Bitte   hinzu,   Ihnen,    der    mich    durch    die    herrliche    Dichtung 


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286  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

dazu  begeisterte,  dasselbe  als  ein  Zeichen  meiner  unbegrenzten  Hochachtung 
dediciren  zu  diirfen.  Seit  lange  babe  icb  eine  Gelegenheit  gewiinscht,  dem 
Manne,  der  durcb  seine  belehrenden  und  begeisternden  Schriften  iiber  Muaik 
mich  von  Jugend  auf  zum  Fleifl  und  Fortscbreiten  auf  der  Ktinstlerbahn 
anspornte,  einen  offentlichen  Beweifi  meiner  Yerebrung  und  Dankbarkeit  zu 
geben;  icb  halte  das  Werk  dazu  nicht  ganz  unwlirdig. 

Da  icb  bereits  einen  Clavierauszug  gemacht  habe,  der  mir  beim  Ein- 
studieren  mit  den  bey  den  hiesigen  Gesangvereinen  dient,  so  kann  icb  die 
Partitur  drei  bis  vier  Wocben  missen.  Dann  bitte  ich  um  gefallige  Riick- 
sendung  derselben,  um  sie  ausschreiben  zu  lassen.  Am  Cbarfreitag  in  be- 
leucbteter  Kircbe  wird  die  erste  Auffuhrung  zum  Besten  unseres  Unter- 
stiitzungsfonds  fur  Wittwen  und  Waisen  verstorbener  Musiker  Statt  fin  den. 
So  wie  ich  das  Oratorium  gehort  babe,  werde  ich  fur  dessen  Verbreitung 
tbatig  seyn.  Hochstwabrscheinlicb  werde  ich  es,  wie  »die  letzten  Dinge* 
selbst  verlegen  mtissen,  da  kein  Verleger  ein  der  Arbeit  angemessenes  Honorar 
bieten  wird. 

Was  mich  fur  ein  unersetzlicber  Verlust  betroffen  hat,  werden  Sie  bereits 
gehort  haben.  Die  Schreckenszeit,  die  ihm  voranging  und  das  Gefiihl  des 
'Yerlassenseyns  nachher  liefien  mich  in  langer  Zeit  nicht  zur  Arbeit  kommen; 
doch  fand  ich  in  dieser  zuerst  wieder  Trost  und  Beruhigung.  Da  Sie  die 
Seelige  in  Ibrer  schonsten  Kunstlerperiode  gekannt  haben,  wird  Sie  vielleicht 
der  beiliegende  Necrolog  von  einem  Freunde  unseres  Hauses  interessiren. 
Vielleicht  wiirde  ihn  auch  Herr  Finck1)  zu  einem  Necrolog  in  der  musika- 
liscben  Zeitung  benutzen  wollen,  da,  so  viel  ich  weifi,  dort  ihres  Hirischeidens 
noch  nicht  einmal  erwahnt  ist.  Darf  ich  um  gefallige  Mittheilung  an  die- 
selbe  bitten? 

Einer  recht  baldigen  Antwort  nach  Ankunft  der  Partitur  entgegensehend, 
unterzeichne  ich  mit  den  Gefuhlen  innigster  Hochachtang  und  Freundschaft  ganz 

der  Ihrige 

Louis  Spohr. 

Rochlitz  beharrte  auf  das  Entschiedenste  dabei,  daB  sein  neuer,  ab- 
geanderter  Text  verwendet  werde.  Wolle  aber  Spohr  seine  Komposition 
unverandert  lassen,  dann  miisse  auch  der  Text  unverandert  bleiben,  er, 
Rochlitz,  werde  aber  in  alien  geeigneten  offentlichen  Blattern  gegen  seinen 
eigenen  Text  protestieren  und  zugleich  den  neuen  abdrucken  lassen. 

Hrn.  Kapellmeister  Leipzig,  d.  15  ten  Januar,  1835. 

Spohr. 

Geehrter  Herr  und  Freund! 
Gestern  Abends  spat  erhielt  ich  Ihren  Brief  vom  lOten  d.  Ich  kann 
ihn  schon  jetzt  beantworten,  und  ganz  entschieden  beantworten;  jetzt,  nach- 
dem  ich  im  Denken  iiber  die  gesammte  Angelegenheit  zwiBchen  uns  diese 
ganze  Nacbt  durchwacbt  und  Alles  in  mir  beseitigt  habe,  was  sich  in  mir 
aufwallend  regen  muBte  iiber  einen  Gegenstand,  der  (und  wabrlich  nicht  mir 
allein)  ein  heiliger  ist,  und  iiber  ein  redliches,  rein-wohlwollendes,  treu-fleiBiges 
Bemiihn,  woriiber  icb  nun  von  alien  Seiten  verwundet  werde!  —  Jetzt  stebt 

1)  Fink,  Gottfried  Wilhelm,  1783—1846,  Rochlitz'  Nachfolger  als  Redakteur  der 
Allgemeinen  musikaliscben  Zeitung. 


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Emit  Rychnovaky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  287 

die  ganze  Sache  deutlich  vor  mir,  ich  vermag  sie  ruhig  anzuschauen,  meine 
Pflicht  dabei  zu  erkennen,  ihr  —  einzig  ihr  —  gemaB  mich  zu  entscheiden, 
und  diese  Entscheidung  ohne  irgend  ein  Wort,  das  Sie  verletzen  konnte, 
auszusprechen.  Ich  werde  mich  bios  an  die  Hauptpunkte  halten,  und  auch 
iiber  diese  moglichst  kurz  seyn.  Zuvor  aber  muB  ich  Ihnen  mein  herzliches 
Beyleid  iiber  das  grofie  Opfer  bezeugen,  das  eine  hohere  Macht  Ihnen  abge- 
fordert  hat.  Ob  dies  Beyleid  wirklich  ein  herzliches  seyn  konne,  werden  Sie 
selbst  abnehmen,  wenn  ich  Ihnen  sage:  Es  wurde  im  Marz  1834  auch  mir 
eine  geliebte,  in  jeder  Hinsicht  ausgezeichnete  Grattin  durch  den  Tod  ent- 
rissen;  eine  innig  geliebte  Gattin,  mit  welcher  ich  fiinf  und  zwanzig  Jahre 
lang  Freud'  und  Leid  treulich  getheilt  hatte  l).  Und  sonderbar  genug:  Eben 
jenes  Oratorium  war  die  erste  bedeutende  Arbeit,  zu  welcher  auch  ich  mit 
meinem  Schmerze  fliichtete,  um  mich  iiber  jedes  Irdische  zu  erheben  und  mich 
wieder  fahig  zu  machen,  mein  Leben  in  dem  Berufe,  zu  welchem  ich  von 
innen  heraus  bestimmt  bin,  niitzlich  weiter  zu  fuhren.  Bey  diesem  Werke 
lassen  Sie  uns  nun  ernst  und  besonnen,  nicht  eigensinnig  oder  sonst  klein- 
lich,  als  redliche,  klar  denkende,  nicht  unwiirdig  empfindende  Manner  stehen 
bleiben ! 

Sie,  wie  von  mir,  so  von  der  gesammten  musikalischen  "Welt,  als  einer 
der  ausgezeichnetsten  und  grundlichsten  Tonkiinstler  anerkannt,  betrachten 
meinen  neuen  Text  einzig  und  allein  als  ein  solcher;  namlich,  als  Stoff, 
Veranlassung  und  Aufforderung ,  eine  reiche,  vorzuglich  wirksame,  uberall 
eingangliche  Composition  zu  liefern,  und  mithin  hierdurch  das  Ganze  des 
Works  (Musik  und  Gedicht)  erst  zu  vervollstandigen  und  heilsam  an  den 
Gemuthern  der  Zuhorer  geltend  zu  machen.  Wohl;  es  sey  so!  Aber  denken 
Sie  denn  nicht  daran,  daft  ich,  der  Dichter,  ganz  dieselben  Anforderungen 
an  Sie,  den  Musiker,  machen  darf,  machen  muC,  (wenigstens  dieselben,) 
wie  Sie  an  mich;  oder  vielmehr  wir  Beyde  an  das  Ganze  des  Werks?  Es 
giebt  da  gar  keine  achtenswerthe  Ein-  oder  Aus-Rede.  Und  so  muB  ich 
diese  Anforderungen  machen,  und  mache  sie  auf  das  Bestimmteste  und  Un- 
wandelbarste.  Mithin,  ganz  deutlich  ausgedriickt :  Ich  mu£  darauf  bestehen,  daft 
von  diesem  Texte  auch  kein  Wort  weggelassen  oder  abgeandert  werde;  denn 
(ich  bin  in  dieser  Nacht  meine  Abschrift  aufs  Strengste  durchgegangen,  um 
Ihnen  nachzugeben,  wo  es  ohne  Nachtheil  geschehen  konnte)  ich  weiB  nichts 
wegzulassen  und  finde  durchaus  nichts  zu  verandern,  das  die  Sache  besser 
machte  oder  auch  nur  ihr  nicht  einigermaBen  schadete.  So  muB  ich  darauf 
bestehen,  und  zwar  aus  Pflicht  gegen  das  Hohere.  DaB  Sie  damit  zu  schwe- 
ren,  muhevollen  Arbeit(en)  genothigt  werden,  weiB  ich  sehr  wohl:  aber  Sie 
dtirfen  dabey  doch  wahrlich  auch  nicht  vergessen,  daB  Sie  allein  durch  Saum- 
seligkeit  im  8chreiben  an  mich  das  Ubel  herbeigefuhrt  haben.  Auf  Ihre  Ver- 
anlassung habe  ich  das  Blattchen,  das  Sie  dem  zuriickgesandten  Buche  wirk- 
lich beigelegt  hatten,  mit  vieler  Miihe  unter  mehr  als  hundert  Papieren 
hervorgesucht.  Ich  hatte  es  ganzlich  vergessen,  und  konnte  das  leicht,  indem 
es  buchstablich  nichts  weiter  iiber  den  Gegenstand  selbst  enthalt,  auBer :  »Ich 
will  nun,  wenn  ich  zur  Kuhe  komme,  weiter  dariiber  nach denken,  ob  ich  das 
Gedicht  in  Musik  setzen  kann.«  —  Im  Einzelnen  muB  ich  noch  erwahnen, 
daB  Jesus    durchaus    nicht    personlich    sprechend,    (singend    gar!)    eingefuhrt 


1)  Rochlitz  heiratete  1810  die  Witwe  des  Bankiers  Daniel  Winkler,  die  Tochter 
des  Leipziger  Ratsbaumeiiters  Hansen. 


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288  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

werden  darf;  durchaus  nicht!  Eb  scheint  mir  ganz  unmbglich,  dafl  Sie,  was 
ich  dariiber  in  der  Anmerkung  gesagt,  ungestort  gelesen  und  reiflich  iiber- 
dacht  baben  sollten;  es  scbeint  mir  um  so  mebr  unmoglich,  da  Sie  sonst 
zuverlafiig  eben  das,  was  Sie  dagegen  gesagt,  im  Ernste,  oder  vielmehr  iiber- 
haupt,  gar  nicbt  hatten  sagen  konnen.  Icb  achte  Sie  als  Mensch  und 
Kiinstler  viel  zu  hoch,  als  daB  icb  mir  hieriiber  aucb  nur  einen  Augenblick 
Zweifel  beykommen  liefie. 

Es  bleibt  fur  Sie  aber  nocb  ein  zweyter  Fall  moglich:  Sie  lassen  Ibre  bis- 
berige  Composition  ganz  wie  sie  ist;  aber  dann  mufl  aucb  mein  Text  ganz 
derselbe  bleiben,  wie  Sie  ihn  aus  dem  gedruckten  Bucbe  sicb  copirt  baben; 
ganz  und  gar  so!  Hiergegen  kann  icb  nicbts  einwenden  und  wende  nicbts 
ein;  denn  jener  Text,  wie  er  vor  so  vielen  Jahren  en  ts  tan  den  und  vor  nicht 
wenigen  gedruckt  worden  ist,  liegt  nun  einmal  zu  beliebigem  G-ebraucb  vor 
aller  Welt,  leider  da.  Doch  eben  so  wenig  konnen  Sie  Etwas  einwenden, 
wenn  icb  dann  sogleicb  vollfuhre,  was  dann  meine  Pflicht  und  darum  von 
mir  zuverlaBig  vollfubrt  wird;  namlicb:  icb  protestiere  in  alien  offentlichen 
Blattern,  wohin  bo  Etwas  geboren  kann,  gegen  jenen  meinen  Text,  (nicbt 
gegen  Ibre  Musik!)  lasse  den  neuen  zugleicb  abdrucken,  und  appelire  an  das 
Urtbeil  aller  Denkenden,  wissenscbaftlicb  Gebildeten,  wabrbaft  Sinn-  und 
Geschmackvollen  im  Publikum,  die  gesammte  Correspondenz  binzufugend,  die 
iiber  diese  ganze  Angelegenbeit  zwiscben  mir,  Mendelssohn  und  Ihnen  gefuhrt 
worden  ist. 

Sollten  Sie  im  ersten  Augenblick  durcb  irgend  Etwas,  das  icb  bier  ge- 
schrieben,  sicb  verletzt  fuhlen:  (Kiinstler  sind  leicbt  erregbar,  und  miissen  es 
seyn)  so  legen  Sie  mein  Blatt  weg  und  lesen  es  in  rubiger  Stunde  nocb 
einmal;  dann  werden  Sie  sicherlicb  anders  empfinden.  Sollten  Ihnen  Stellen 
meines  Blatts  wohl  als  selbst  in  der  Erregung  geschrieben  vorkommen:  so 
irreten  Sie  sich  und  thaten  mir  Unrecht. 

DaB  ich  unter  diesen  Umstanden  jetzt  Ihre  Partitur  nicht  zu  sehen 
wunschen  kann,  brauche  ich  wohl  kaum  hinzu  zu  setzen. 

Mit  wahrer  Hochachtung  und  freundschaftlicher  Ergebenheit 

Rochlitz. 

Neuerdings  versuchte  Spohr  durch  asthetische  Griinde  Rochlitz'  Be- 
denken  zu  zerstreuen.  Wie  diirfe  in  einem  dramatischen  Gedicht,  darin 
die  ganze  Umgebung  Jesu  redend  eingefiihrt  sei,  das  allein,  was  Jesus 
zu  sagen  habe,  auf  andere  Weise  ausgedriickt  werden,  ohne  die  Einheit- 
lichkeit  des  Kunstwerkes  zu  gefahrden?  Bei  der  vom  Dichter  gestellten 
Alternative  bleibe  ihm  nichts  anderes  zu  tun  iibrig,  als  bei  der  alten  Be- 
arbeitung  zu  bleiben. 

Cassel,  am  24.  Januar  1835. 
Geehrtester  Herr  und  Freund! 
Ihr  Brief  vom  15  ten  dieses  hat  mich  nicht  verletzt,  aber  tief  betrubt, 
weil  ich  daraus  ersehe,  daB  Sie  unsere  Angelegenheiten  weit  schwerer  nehmen, 
als  ich  mir  denken  konnte.  Wie  hatte  ich  vermuthen  konnen,  daB  Sie  gegen 
einen  Text,  den  Sie  mir  vor  anderthalb  Jahren  zur  Composition  selber  em- 
pfohlen,  nun,  nach  einigen  (wie  mir  scheint)  unwesentlichen  Abanderungen 
formlich  protestiren  wiirden?    Wie  schmerzlich  wird  es  mir  daher  jetzt  seyn, 


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Ernst  Hychnovsky,  Ludwig  Spohr  and  Friedrich  Eochlitz.  289 

einem  Manne,  den  ich  so  verehre,  und  dem  ich  mich  fiir  eben  diesen  Text 
von  neuem  dankbar  verpflichtet  fiihle,  VerdruB  verursachen  zu  miissen,  den 
ich  nicht  abznwenden  weiB!  Denn  es  ist,  wie  schon  gesagt,  ganz  unmoglich, 
da£  ich  den  neuen  Text,  obgleich  ich  die  Arbeit  nicht  scheuen  wtirde,  meiner 
Composition  anpasse,  ohne  diese  ganz  zu  verderben.  Ein  Blick  in  die  Par- 
ti tur  wird  Sie  selbst  davon  tiberzeugen.  Wollte  ich  aber  auch  einige  Num- 
mern  ganz  neu  componiren,  was  mir  fruhern  Erfahrungen  gemafi,  gewifi  nicht 
so  gut  gelange  wie  das  erstemal,  so  wiirden  wir  doch  in  der  Hauptsache 
verschiedener  Ansicht  bleiben.  Ich  will  nicht  anfuhren,  daB,  wenn  Jesus 
nicht  personlich  redend  oder  singend  eingefiihrt  werden  darf,  er  eben  so  we  nig 
gemalt  oder  durch  Meisel  dargestellt  werden  durfte,  da  es  nach  Ihrer  An- 
merkung  scheint,  ah  wenn  Sie  dieB  ebenfalls  miflbilligten.  Aber  wie  konnte 
in  einem  Gedicht  wie  das  Ihrige,  dessen  Inhalt  ganz  dramatisch  gehalten  ist, 
und  wo  alle  Personen  der  Umgebung  Jesu  redend  eingefiihrt  sind,  das,  was 
dieser  selbst  zu  sagen  hat,  auf  andere  Weise  gegeben  werden,  ohne  die  Ein- 
heit  und  Wahrheit  des  Kunstwerks  und  dadurch  auch  die  Wirkung  zu  zer- 
s  tor  en?  Die  von  Ihnen  vorgeschlagene  Behandlungsweise  der  "Worte  Jesu 
wiirde  sich  wohl  fiir  ein  erzahlendes  Gedicht,  (wie  z.  B.  die  Passion  von 
Bach)  obgleich  auch  dieser  kein  Bedenken  getragen  hat,  Jesus  singend  ein- 
zufuhren,  eignen,  aber  nicht  fur  ein  dramatisch  durchgefuhrtes  wie  das  Ihrige. 
Kann  man  iiberhaupt  diese  Worte,  wenn  sie  von  einer  Einzelperson  singend 
vorgetragen  werden,  mehr  profanirt  finden,  als  wenn  dies  redend  (z.  B.  vom 
Prediger)  geschieht?  Ist  denn  G-esang  nicht  etwas  Edleres  als  Rede,  und 
die  Musik  nicht  die  geistigste  und  erhabenste  aller  Kiinste?  Ich  kann  mich 
daher  durchaus  nicht  tiberzeugen,  daB  meine  Absicht  eine  irrige  sey,  und 
muBte  bis  jetzt  glauben,  daB  die  Ihrige  damit  iibereinstimme ,  da  Sie  bei 
unserer  Unterredung  vor  anderthalb  Jahren,  wo  Sie  sich  iiber  die  Auffassung 
des  Werkes  verbreiteten ,  dieses  wichtigsten  Punktes  gar  nicht  erwahnten. 
Bei  ihrer  bestimmten  Erklarung,  daB  ich  entweder  den  neuen  Text  vollstandig 
anzunehmen  oder  ganz  bei  der  alten  Bearbeitung  zu  bleiben  habe,  bleibt 
mir  leider!  nun  nichts  iibrig  als  das  letztere  zu  wahlen.  Einige  Verande- 
rungen  wie  z.  B.  die  des  Rezitativs  der  Maria  »er  denkt  an  mich*  h&tte  ich 
gar  gerne  gehabt,  da  sie  auch  mir  als  wirkliche  Verbesserungen  erscheinen; 
andere  aber  wiirde  ich  (wenn  auch  die  Composition  nicht  schon  beendigt 
ware),  nur  ungern  aufgenommen  haben,  weil  mir  entweder  das  Alte  besser 
gefallt,  wie  z.  B.  in  dem  Chor:  »Arzt,  der  alien  half*  die  Zeile  »Steig'  nun 
herab  vom  Kreuz,«  die  ein  angenehmeres  Bild  giebt  als  die  neue:  » Br  ich1 
durch  ein  Wort  den  Pfahl«,  oder  weil  das  neue  einer  guten,  effectvollen  und 
rnusikalischen  Form  widerstreben  wiirde,  wie  z.  B.  die  Zusatze  fur  Solostimmen, 
in  dem  Erdbeben-Chor,  die  gerade  da  eintreten,  wo  die  Steigerung  den  hoch- 
sten  Grad  erreicht  hat,  und  wo  daher  Sologesang  nicht  an  seinem  Platze 
sein  wiirde.  Vermag  nun  eine  Bitte  von  mir  etwas  iiber  Sie,  so  sey  es  die, 
dafi  Sie  sich,  in  das  nun  einmal  nicht  mehr  zu  Andernde  finden  wollen, 
und  mir,  wie  ich  bereits  bat,  giitigst  gestatten,  Ihnen  das  Werk  mit 
dem  alten  Text,  gegen  den  Sie  wahrlich  nicht  protestiren  diirfen,  ohne 
gegen  sich  und  ihn  ungerecht  zu  seyn,  dediciren  zu  diirfen.  Die  Ge- 
-vvahrung  dieser  Bitte  wiirde  mir  in  mehr  als  einer  Eftnsicht  grofie  Freude 
^ewahren. 

DaB  Sie  gleich  mir  einen  unersetzlichen  Yerlust  zu  beklagen  haben,  hat 
meine  innigste  Theilnahme  erregt;  ich  weiB  am  besten,  wie    einsam  und  ver- 

s.  d.  I.  m.   v.  19 


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290  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

lassen  man  sich  in  solcber  Lage  fiihlt!    Einer  freandlichen  Antwort  entgegen- 
sehend,  mit  wahrer  Hochacbtung  und  Freundschaft  ganz 

der  Ihrige 

Louis  Spohr. 

Trotz  diesem  herzlichen  Schreiben  blieb  Rochlitz,  einige  kleine  Ver- 
anderungen  abgerechnet,  die  seinen  Ansichten  keinen  Eintrag  taten,  hals- 
starrig,  darum  antwortete  er: 

Leipzig,  d.   29sten  Jan.  1835. 
Geehrter  HeiT  und  Freund! 

Sie  verlangen  eine  freundliche  Ant-wort;  und  wahrlicb,  ich  gebe  Ihnen 
die  freundlichste,  die  ich  geben  kann  und  darf.  Ich  gebe  sie  gern,  sehr  gem ; 
ich  gebe  sie  von  Herzen.  Ich  sehe  ja,  es  ist  Ihnen  um  unser  Vorhaben  ebeu 
so  ernstlich  zu  thun,  als  mir  selbst! 

Aber  Sie  sehen  dies  bios  als  Musiker  an:  als  ttichtiger,  erfahrner  Musi- 
ker;  was  ich  gewifl  zu  achten  weifl,  und  dem  ich  mich  bei  jedem  anderen 
Gtegenstande  des  Gedichts  gern  ftigen  wiirde:  aber  hier  darf  ich  nicht.  Hier 
ist  es  Gewissenssache.  Ich  habe  ja  auch  in  Allem,  was  ich  vorher  Mendels- 
sohn, (Sie  kennen  dies  nun,)  hernach  Ihnen  geschrieben  habe,  nicht  bios, 
ja  nicht  zunachst,  als  dieser:  ich  habe  als  religioser  Mann,  als  christlich- 
religioser  Mann  geschrieben1).  Bei  solchen  ganz  verschiedenen  Ausgangs- 
punkten,  sehe  ich  wohl,  konnen  wir  Beyde  in  Allem,  was  sich  hieraus  er- 
giebt,  nie  einig  werden.  Ich  habe  in  meinem  letzten  Briefe  mich  so  deut- 
lich  gemacht,  als  mir  nur  irgend  moglich :  Ihr  jetzt  mir  gesandter  Brief  giebt 
vollkommenen  Beweis,  Sie  haben  in  den  eigentlichen  Sinn,  auch  nur  denkend, 
nicht  einzugehen  vermocht.  Yerstehen  Sie  mich  nicht  falsch:  Was  Sie  jetzt 
geschrieben,  ist  recht  und  wahr  und  gut,  aber  allein  von  Ihr  em  Standpunkt 
aus,  und  sonach  dem  meinigen  durchgangig  zuwider.  Darum  versuche  ich  auch 
kein  Wort  der  Widerlegung.  Aber  eben  darum  mufl  es  auch  schlechterdings 
bey  Allem  bleiben,  was  ich  neulich  geschrieben  habe;  bey  Allem  —  bis 
auf  eine  einzige,  von  Ihnen  angefiihrte  Stelle,  die,  wenn  sie  nach  Ihrem 
Wunsche  wegbleibt,  auf  meine  Ansicht  des  Ganzen  nicht  einwirkt.  Ich  meyne 
die  Solo-Stelle  in  dem  groBten  Chor  des  Volks.  Diese  kann  ich  aufgeben, 
und  so  will  ichs  auch.  —  Das  Schwierige  und  Bedenkliche  einer  zweyten 
Composition  einzelner  Stucke,  oder  doch  ihrer  Abanderung,  erkenne  ich  gar 
wohl:  aber  was  treibt  denn  zu  einer  baldigen  Bekanntmachung ?  Ich  konnte 
treiben,  weil  ich  hochstwahrscheinlich  nicht  mehr  lange  zu  leben  habe:  aber 
ich  thue  es  nicht.  Und  —  lieber  Freund  —  eben  dies  Werk  ist  fur  Sie, 
wie  far  mich,   das  wichtigste,  und  gelingt  es,  das  dauerndste,  vielleicht  auch 


1)  Uber  tief  religiose  Anschauungen  Rochlitz'  dtirfen  wir  uns  bei  der  Er- 
ziehung,  die  er  genossen,  nicht  wnndern.  Denken  wir  nur  daran,  da6  die  Mutter, 
wenn  sie  in  Kummer  war,  zur  Erleichterung  des  Gemiits  zu  siugen  begann  >Befiehl 
du  deine  Weget  oder  »Auf  Gott  und  nicht  auf  meinen  Rathe,  oder  sonst  ein  er- 
hebendes  Trostlied,  dem  sich  nicht  selten  »Wie  groB  ist  des  AUmacht'gen  Giitec  an- 
schloB;  vergleiche  Naheres  bei  Marx  und  Rochlitz  in  der  Anmerkung  1  Seite  254 
angegebenen  Literatur. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Kochlitz.  291 

—  wie  seit  so  langer  Zeit  der  Tod  Jesu  von  Ramler1)  und  G-raun2)  — 
bey  der  ganzen  Nation  eingreifend;  and  so  wirklich  das  wichtigste,  was 
Sie  jemals  liefern  konnen!  Verdiente  es  da  nicht  —  Geduld,  Abwarten  der 
reohten  Stunde  zum  Andern,  und  selbst  (was  dann  aber  nicht  einmal  nothig 
wurde)  manches  kleine  Opfer  des  Musikers,  als  eines  solchen? 

Ich  bitte  nochmals,  was  heute  und  was  neulich  von  mir  geschrieben 
worden,  ganz  genau,  als  nicht  weiter  abanderlich,  zu  nehmen  und  mir  nur 
mit  wenigen  Zeilen,  ohne  besondere  Angabe  der  Beweggriinde,  Ihre  Ent- 
scheidung  fur  oder  wider,  sobald  Sie  sie  ge£afit  haben,  zu  meld  en.  Alles 
weitere  Erklaren  uber  diese  Angelegenheit,  von  welcher  ich  so  schone  Freude 
mir  versprochen  hatte  —  alles  weitere  Erklaren,  sag'  ich,  wenn  es  nicht  zu- 
sagend  ist,  muB  mich  betruben:  und  ich  bin  ohnehin  betriibt  genug! 
Hochachtungsvoll 

Sie 

begriiBend 

Rochlitz. 

Noch  eine  Zeile  uber  das,  was  Sie  von  einer  Dedication  iiuBern!  Herz- 
lich  dankbar  erkenne  ich  Ihre  Zuneigung:  aber  sollte  Ihnen  Hr.  Mendels- 
sohn —  wie  Anderes,  was  ich  friiher  ihm  geschrieben,  nicht  auch  die  Stelle 
copiert  haben,  worin  ich  ihm  meine  wohliiberdachte ,  fur  die  Sache  selbst, 
wenn  auch  nicht  flir  die  Person,  wichtige  Absicht  mitgetheilt  habe?  Ist  es 
nicht  geschehen,  so  belieben  Sie  es  in  meinem  Namen  von  ihm  zu  verlangen. 
Er  wird  sich  keinen  Augenblick  weigern. 

Die  Unterhandlungen  beztiglich  des  Oratorientextes  erfahren  zunachst 
eine  kurze  Unterbrechung.  Spohr's  vierte  Symphonie  wurde  in  Leipzig 
auf  Rochlitz'  Veranlassung  aufgefuhrt,  und  das  Werk  hat  ihn  so  begeistert, 
daB  er,  obwohl  er  an  heftiger  Podagra  leidet,  noch  in  der  Nacht  nach 
der  zweiten  Auffiihrung  einen  ausfiihrlichen  Bericht  an  den  Freund  ab- 
sendet,  aus  dem  wir  das  Weitere  erfahren: 

Leipzig,  den  6 ten  Febr.  1835. 

(Freytags !) 

Geehrter  Herr  und  Freund! 

Sie  allein  sind  Schuld   —  Sie  einzig  und  allein  —  daB  ich,    seit   sieben 

Wochen  von  FuBgicht  geplagter,  wenn  auch  ubrigens  gesunder  und  heiterer 

Mann,  seit  gestern  Abends  11  Uhr  bis  jetzt,  gegen  2  Uhr,  mich  auf  meinem 

Lager  vergebens   nach   einer  Stunde  Schlaf  umgesehen,    und   nun,    erstanden 

und  gegen  Erkaltung  gekleidet,  den  Rest  der  Nacht  schreibend  hinzubringen 

mir  vorgenommen   habe.     Und  zwar  zunachst  schreibend    an  Sie;    denn  wie 

gesagt,    Sie   allein   sind  Schuld    an    alle  dem.     Sie   haben   namlich  durch  die 

zweyte,   ganz   von    mir  im   wochentlichen    Conzert  veranstaltete   Ausflihrung 

Ihrer  vierten  Symphonie  mich  dermaBen  begeistert  und   entzuckt,    daB   noch 

in  diesem  Augenblicke  —  in  welchem  ich    doch,    urn   schreiben   zu  konnen, 

meine  Aufmerksamkeit  theilen  muB  —  alle  die  Scenen  und  Lebensereignisse, 

die  heitern  und  die  traurigen,  die  scherzhaft  neckenden  und  die  feyerlich  er- 

1)  Ramler,  Karl  Wilhelm,  1725—1798,  der  bekannte  Odendichter. 

2)  Graun,  Karl  Heinrich,  1701 — 1759.  Sein  bedeutsamstes  und  noch  heute  jahr- 
lich  aufgefiihrtes  Werk  ist  >der  Tod  Jesu«. 

19* 


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292  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

hebenden  etc.,  da  (J  alle  diese  vor  meinen  Augen,  wechselnd,  wie  bey  Ihnen 
und  im  Leben,  vorubergehen,  dafi  jede  die  sie  bezeichnenden  Tone  —  ein- 
zelne  oder  ganze  lange  Perioden  mit  ihren  Melodien,  Harmonien,  den  eigen- 
tliiimlich  benutzten  Instrumenten  u.  dgl.  —  mit  sich  bringt,  und  so  alles  und 
Jedes  wieder  und  immer  wieder  denselben  Eindruck  macht  und  zurucklaflt, 
wie  vor  drey  "Wochen  bey  der,  nach  mehrmaligen,  mit  Achtung,  Liebe  und 
Fleifi  durchgefiihrten  Proben,  schon  trefflichen  Ausfiihrung.  Denselben 
Eindruck,  sag1  icb?  Nun  ja:  denselben;  aber  diesmal  noch  weit  deutlicher, 
lebendiger,  vertiefter.  Icb  kam  n  ami  ich  scbon  damals  —  wie  ich  das  tiber- 
haupt  bey  groBen  Werken  zu  halten  pflege,  und  immer  gehalten  habe:  ich 
kam  scbon  damals  keineswegs  unvorbereitet.  Seitdem  ich  nur  das  erste  Wort 
davon  vernommen,  Sie  batten  eine  grofie  malerische  Symphonie  geschrieben; 
Sie  —  wie  Ihnen  langst  bekannt  —  als  Componist  und  Virtuos  mir  einer 
der  hochsten  und  liebsten  Meister  unter  Allen,  die  mir  als  Mitgenossen  der 
Zeit  meines  langen  Leben  vorgekommen:  Sie  hatten  eben  eine  solche 
Symphonie  geschrieben  und  gaben  sie  bey  Haslinger1)  heraus:  seitdem  hatte 
dieser  von  mir  den  Auftrag,  mir  fur  mein  gutes  Geld  direct  fiber  Post  eines 
der  ersten  Exemplare  zuzusenden.  Ich  schwieg  davon  gegen  8ie;  denn  — 
ich  will  es  ehrlich  gestehen:  ich  hegte  Besorgnisse,  mein  trefflicher  Meister 
mochte  doch  wohl  auf  diesem,  selten  fund  mit  Recht  selten)  betretenen, 
schlupfrigen,  auch  sonst  gefahrlichen  Pfade,  hin  und  wieder  Fehltritte  gethan 
haben,  und  wollte  mir  durch  jenes  friiherere  Schweigen  das  Recht  vorbehalten, 
auch  in  solchem  Falle  schweigen  zu  diirfen.  —  Haslinger  erfullte  meinen 
Auftrag  piinktlich:  ich  erhielt  in  Leipzig  das  allererste  Exemplar.  Noch  in 
derselben  Stunde,  wo  es  angekommen,  machte  ich  mich  an  die  elegant  ge- 
stochene  Partitur;  las,  erst  neugierig,  von  Anfang  bis  zu  Ende;  dann,  wi£- 
begierig  und  freudig  erregt;  nun,  nach  Beruhigung  durch  mehrere  Stunden, 
langsam,  sehr  langsam,  in  jedes  Einzelne  nun  eingehend  und  es  mir  ver- 
deutlichend  auch  nach  seinen  historischen  Beziehungen,  (so  zu  sagen!)  oder, 
wollen  Sie  es  so  nennen:  ich  studierte  das  "Werk,  und  war  davon  in  drey 
Tagen  so  weit  gebracht,  dafi  ich  mich  sattelfest  in  ihm  fiihlte,  und  von  ihm 
so  eingenommen  war,  mein  schones  Exemplar  (ein  anderes  war  noch  nicht 
in  Leipzig  vorhanden)  den  nicht  immer  sauberen  Handen  der  Notencopisten 
hinzugeben,  damit  es  nur  sobald  als  irgend  moglich  zu  Gehor  kame.  Da£ 
dies  geschahe ;  dafi  es  mit  bestem  Bemuhen,  Gliick  und  Erfolg  zu  meiner 
grofien  Freude  geschahe:  Das  habe  ich  schon  gemeldet. 

Hier  hore  ich  Sie  mich  —  und  mit  Grund  —  durch  die  Frage  unter- 
brechen:  warum  ich  damals  Ihnen  nicht  schrieb?  Ich  habe  aber  auch  Grund, 
mit  aller  Aufrichtigkeit  zu  antworten :  Es  fiel  dies  eben  in  die  Tage,  wo  ich. 
und  wahrlich  nicht  ohne  TJrsache,  mit  Ihnen  tiber  die  bewufiten  Verhaltnisse 
zu  meinem  Oratorium  unzufrieden  war.  Ich  dachte:  Wer  meinem  Urtheil 
diiber  as  Wichtigere  nicht  trauet,  der  wird  —  und  der  soil  es  auch  nicht 
tiber  das,  wenn  auch  noch  so  Vorziigliche,  doch  immer  und  ewig  Minder- 
wichtige.  Und  wer  dich  nach  Deinem  gesammten  Innern  so  wenig  kennt. 
dafi  er  sogar  in  dem  Fache,  das  euch  Beyden  so  nahe  liegt,  Deine  Ansiehten 
und  Urtheile  gering  achtet:  was  soil  der  iiberhaupt  mit  Deinen  Ansiehten 
und  Frtheilen?   etc. 


1)  Haslinger,    Tobias,    1787—1842.    Wiener    Musikalienhandler    und    Verlegrr 
Spohr'scher  Werke. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  293 

Ich  muBte  hier  eine  FauBe  machen:  ich  fiihlte  mich  geistig  und  korper- 
lich  sehr  angegrifFen,  und  in  meinen  FiiBen  fing  die  Gicht  an,  allzuschmerz- 
haft  zu  toben.  Jetzt  (es  ist  friih  vier  Uhr)  fahre  ich  ruhiger  fort,  aber,  um 
die  Pein  nicht  wieder  zu  reizen.  bios  in  meinem  Geschichtchen  von  dem,  wie 
es  mir  mit  Ihrer  Symphonie  ergangen. 

Ich  wollte  eine  Wiederholung  der  Auffuhrung  sogleich  fur  den  n'achsten 
Concert-Abend  veranstalten :  Das  war  aber  der  Neujahrs- Abend,  wo  das  auf 
den  Tag  Beziigliche  zu  viel  Zeit  hinnahra,  zu  jener  Musik  nicht  paBte,  und 
die  Achtsamkeit  der  Mehrzahl  Zuhorender  von  dieser  abgelenkt  hatte.  Fur 
die  zwey  folgenden  Abende  traten  Storungen  ein;  besonders  eine  bedeutende 
UnpaBlichkeit  des  Hrn.  Mttthai,  ohne  den  dergleichen  Werke  bey  uns 
jetzt  nicht  befriedigend  ausgefuhrt  werden  konnen.  Endlich  war  Alles  be- 
seitigt:  ich  konnte  die  Wiederholung,  und  zuvor  wieder  eine  hochstgenaue 
Probe,  veranstalten ;  aber  ich  sollte  sie  auf  dringendes  Yerlangen  des  Arztes 
durchaus  nicht  horen;  zumal  da  die  Witterung  hochstungtinstig  und  mit 
Sicherheit  zu  erwarten  war,  der  Saal  werde  sehr  voll  und  bey  der  lauen  Tem- 
peratur  von  auBen  sehr  heiB  werden.  Da  saJJ  ich  nun  gestern,  zwar  gedul- 
dig  —  denn  Geduld  hat  das  Leben  mich  endlich  wohl  gelehrt:  aber,  als  die 
Stunde  nahte,  ziemlich  betrubt.  Nun  —  sagte  ich  mir:  wenn  nur  Andere 
die  Freude  haben!  Das  hielt  auch  wirklich  wider,  bis  gegen  sechs  Uhr,  wo, 
wie  Sie  wissen,  unser  Concert  anfangt.  Da  iiberlief  michs  hochstfatal  und 
ich  beschloB,  die  Symphonie  zu  horen,  mochte  es  kosten,  was  es  wolle.  Sie 
sollte  namlich  im  zweyten  Theile  gegeben  werden  und  ihn  ganz  ausfullen. 
So  packte  ich  mich  in  Wolle  von  oben  bis  unten;  lies  mir  eine  Senfte  holen, 
die  Treppen  hier  hinunter,  dort  hinauf,  mich  mehr  tragen  als  ftihren;  ge- 
langte  so,  zwar  unter  argem  Schmerz,  doch  sonst  gliicklich  und  zum  Erstaunen 
der  Mit-Vorsteher  in  unsre  Loge,  auf  meinen  gewohnten  Sitz  in  den  Gluth- 
ofen ;  vergaB,  als  nur  erst  das  IJbrige  vollends  vorbey  und  Ihr  "Work  im  Be- 
ginn  war,  Alles  iiber  ihm;  horte  nun,  genoB,  wie  ich  oben  schon  angedeutet 
habe ;  kam  in  derselben  Weise  wie  ich  hingekommen,  auch  zuruck :  aber 
innerlich  sehr  froh  —  und  sitze  nun  da  und  schreibe. 

Geehrter  Herr  und  Freund!  Sie  sind  wohl  ohne  alle  Zusicherung  von 
meiner  Seite  uberzeugt,  daQ  ich  vieles  hinzuzusetzen  hatte.  Ich  mochte  auch 
Vieles  hinzusetzen,  und  wiirde  es,  ohne  zu  fragen,  wie  es  mir  bekommen 
mdchte :  aber  indem  ich  die  Sache  ruhig  uberdenke,  zeigt  sichs :  Sie  werden 
es  schon  selber  in  Ihrem  Innern  finden ;  oder  geschahe  das  nicht,  so  wiirde 
vergebens  seyn,  was  ich  hinzusetzte.  Ich  schlieBe  daher  einfach,  aufrichtig, 
von  Herzensgrunde  theilnehmend :  ich  wunsche  Ihneu  Gliick  zu  jener  Ihrer 
Arbeit,  aus  Ihr  vollkommen  deutlich  abnehmend,  daB  Sie  eben  jetzt  auf  dem 
Hohepunkte  lhres  gesammten  Kunstlebens  stehen;  ich  danke  Ihnen  fur  die 
Freude,  die  Sie  mir  auch  durch  dies  Werk  bereitet  haben  und  (hoffentlich) 
noch  ofters  bereiten  werden;  denn  so  lange  ich  noch  lebe  und  fur  unser  Con- 
cert gehort  werde,  soil  kein  Jahr  vergehen,  wo  ich  es  nicht  zu  Gehor  brachte ; 
und  bitte  Sie,  um  Ihrer  selbst,  lhres  Nachruhms  und  der  Wiirde  Ihrer  Kunst 
will  en,  Ihre  jetzige  Zeit  bestens  zu  Rath  und  That  zu  halten,  indem  sie, 
einmal  dahin,  sich  eben  so  wenig  ersetzen,  als  zuiiickfiihren  laBt;  und  begi-iiBe 
Sie,  scheidend,  mit  einem  ehrlichen  Handschlag. 

Rochlitz. 
In  dem  Antwortschreiben  auf  beide  Brief e  (offensichtlich  vom  11.  Februar). 

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294  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Eochlitz. 

das  in  der  Sammlung  Donebauer  nur  im  Entwurf  vorhanden  ist,  beruft 
sich  Spohr  in  betreff  der  Behandhmgsweise  der  Worte  Jesu  auf  eine 
AuBerung  Mendelssohn's,  daB  das,  was  ein  rechter  Musiker  mit  An- 
dacht  und  von  Herzen  hinschreibe,  wohl  keine  Profanation  sei,  ob  es 
nun  Solo  oder  Chor  oder  was  sonst  sein  mag.  Diese  Ansicht,  die  sich 
freilich  nur  vom  Standpunkt  des  absoluten  Musikers  begreif en  laBt,  teilt 
selbstverstandlich  auch  Spohr  und  bittet  Eochlitz,  doch  gemeinsam  mit 
ihm  fur  die  Verbreitung  des  Werkes  tatig  zu  sein.     Es  heiBt  da: 

Geehrtester  Herr  und  Freund! 
Bevor  ich  Ihr  geehrtes  Schreiben  vom  29sten  Jan.  beantworten  konnte, 
muBte  ich  mir  eine  Abschrift  Hires  Briefes  an  Herrn  Mendelssohn,  die  Dedi- 
kation  betreffend,  erbitten,  da  die  Nachschrift  Ihres  Schreibens  an  mich  ohne 
diese  mir  unverstandlich  ist.  Dieser  Aufschub  der  Beantwortung  Ihres  letzteu 
Schreibens  war  mir  sehr  willkommen,  weil  ich  hoffte,  langeres  Nachdenken 
wiirde  mir  einen  Ausweg  zeigen,  wie  diese  Angelegenheit  zu  Ihrer  Zufrieden- 
heit  beendigt  werden  konnte.  Denn  es  betriibt  mich,  wie  schon  gesagt,  aufs 
hochste,  daB  ich  dieses  Mai  meine  Ansicht,  wie  ich  es  so  gern  thate  und  bis- 
her  zu  thun  gewohnt  war,  nicht  der  Ihrigen  unterordnen  kann.  Urn  auch 
die  Ansicht  eines  andern,  zwar  noch  jungen,  aber  gewiB  denkenden  Kunstlers 
kennen  zu  lernen,  machte  ich  Herrn  M.  (en  dels  soli  n)  mit  dem  Streitpunkt 
bekannt  und  bat  ihn  um  seine  Ansicht  uber  die  Behandlungsweise  der  "Worte 
Jesu.  Seine  Antwort  zeigt  mir,  daB  diese  ganz  mit  der  meinigen  zusammen- 
trifft  und  daB  er  bey  der  dramatischen  Form  des  Gedichts  eine  andere  als 
die  von  mir  gewahlte  eben falls  nicht  fur  moglich  halt.  Seine  Bemerkungen 
schlieBen  mit  den  "Worten  »ich  denke,  was  ein  rechter  Musiker  mit  Andacht 
und  von  Herzen  hinschreibt,  das  wird  wohl  keine  Profanation  seyn,  ob  es 
nun  Solo  oder  Chor  oder  was  sonst  seyn  mag. «  Mit  dem  Briefe  des  Herrn  M. 
erhielt  ich  zugleich  den  Ihrigen  vom  6  ten  Febr.,  der  mir  abgesehen  von 
seinem  erfreulichen  Inhalt,  schon  deshalb  groBe  Freude  machen  muBte,  weil 
er  meine  friihere  Vermuthung  bestatigt,  daB  Ihre  vorhergehenden  Briefe  an 
mich  trotz  Ihrer  Gegenversicherung  doch  nicht  ohne  gereizte  Stimmung  ge- 
schrieben  waren.  Manches,  was  darin  mich  freute  und  betriibte,  erscheint 
mir  nun  in  einem  andern  Lichte.  Und  so  darf  ich  nach  der  letzten  giitigen 
Zuschrift  nun  wohl  hoffen,  daB  Sie  an  dem  Werke,  wie  es  jetzt  vorliegt, 
freundlichen  Antheil  nehmen  und  die  Art  der  musikalischen  Auffassung  ganz 
der  Yerantwortung  des  Komponisten  uberlassen  werden.  Hatten  Sie  (woran 
ich  zweifeln  muB)  die  Partitur  durchgesehen,  so  diirfte  ich  hoffen,  daB  Sie 
schon  jetzt  mit  jener  ausgesohnt  seyn  wiirden,  denn  ich  glaube  (wie  Mendels- 
sohn sagt)  mit  Andacht  und  von  Herzen  geschrieben  zu  haben.  Wenigstens 
wird  diese  Komposition  von  alien  meinen  hiesigen  musikalischen  Freunden 
(obgleich  sie  sie  nur  erst  am  Clavier  gehort  haben)  fur  meine  beste  ge- 
halten. 

Habe  ich  mich  nun  in  meiner  obigen  Voraussetzung  nicht  getauscht,  so 
wiirde  es  mich  sehr  freuen,  wenn  wir  auf  die,  von  Ihnen  Herrn  M.  vor- 
geschlagene  AVeise,  gemeinschaftlich  fur  die  Verbreitung  des  AVerkes  thatig 
seyn  konnten.  Ich  bin  sehr  gern  bereit,  bey  den  hiesigen  Gesandten  (in  so 
fern  es  durch  diese  zu  erlangen  ist),  die  nothigen  Schritte  zu  thun,  um  die 
Erlaubnis    zu    unserer   gemeinschaftlichen    Zusendung   des    Gedichts    und    der 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochhtz.  295 

Partitur  an  die  genannten  hohen  Haupter  zu  erlangen.  Uber  das  Nahere 
wiirde  ich  dann  noch  Ihren  gefalligen  Vorschlagen  entgegen  sehen.  Dock 
wiinschte  ich,  dad  solche  Zusendungen  bald  gescbeben  konnten,  weil  ich 
den  Klavierauszug  spatestens  im  naehsten  Herbst  herausgeben  mogte. 

Nun  noch  achriftlich  meinen  herzlichen  Dank  ftir  die  woblwollende  Be- 
urtheilung  meiner  Simphonie.  Ich  batte  bereits  ahnlicbe  Zuachrtften  nacb  den 
Auffuhrungen  derselben  in  Brealau,  Berlin  und  Wien  erhalten,  docb  keine 
bat  micb  begreiflicber  Weise  so  erfreut  als  die  Ihrige,  so  wie  Ibr  Beyfall 
stets  der  scbonste  Lobn  meines  Strebens  war. 

Endlich  gab  Rochlitz,  der  altere  Freund,  nacb  und  brachte  im  In- 
teresse  des  Werkes  ein  Opfer  seiner  Uberzeugung.  Noehmals  prazisierte 
er  seine  Stellung  zu  dem  jiingsten  Oratorium  trotz  der  bewilligten  An- 
derungen  und  versprach,  nacb  Kassel  zur  Auffiihrung  zu  kommen,  falls 
es  seine  Gesundheit  zulasse.     Lesen  wir: 

Leipzig,  d.   14 ten  Febr.   1835. 
Geebrter  Herr  u.  Freund! 

Endlicb  muB  die  Angelegenheit  zwischen  una  zum  AbschluB.  Bey  wahrer 
Acbtung  und  Zuneigung  des  Einen  gegen  den  Andern,  von  der  aucb  Jeder 
von  dem  Andern  tiberzeugt  ist,  qualen  wir  einander  —  und  urn  was?  ura 
Etwas,  das  Jeder  fur  sein  Bestes  halt,  woran  er  sein  Bestes  gesetzt,  das  er 
nur  darum  unternommen  und  durchgefuhrt  bat,  damit  die  Summe  des  Guten, 
Schonen,  Wiirdigen  auf  Erden  um  eine  Nummer  vermehrt  werde,  biermit 
empfanglichen  Briidern  und  Schwestern  —  wenn  aucb  ohne  ihren  Dank  — 
*Freude  bereitet  sey,  und,  wenn  sie  wollen,  fromm-erbebende  Freude,  hier- 
mit  ibnen  gentitzt  werde,  und,  wenn  sie  wollen,  aufs  Heilsamste  genutzt: 
darum  qualen  wir  einander!  Das  soil  und  muB  zu  Ende.  Wie  das  aber? 
Ibr  gestern  Abends  empfangener  Brief  (vom  11  ten  Febr.)  iiberzeugt  micb 
durcb  seine  gelassene  Fassung,  ruhige  Beharrlicbkeit  und  unverkennbare  Zu- 
neigung, wie  zu  dem  ernsten  Gegenstande,  so  aucb  zu  mir  —  er  iiberzeugt 
micb,  Sie  mtissen  und  werden  bey  Ihren  Ansichten  und  Urtheilen  bleiben. 
Ich  babe  den  groBten  Tbeil  der  Nacbt  mit  nochmaliger  stronger  Priifung  der 
meinigen  zugebracht  und  bin  nun  —  ich  schreibe  friih  gegen  funf  Uhr  — 
von  neuem  in  den  meinigen  bestatiget.  "Was  nun?  Ich  sehe  nur  ein  ein- 
ziges  Entweder-Oder.  Entweder:  es  muB  jede  offentlicbe  Bekanntmachung 
des  "Werkes  unterbleiben.  Wie?  unter  den  oben  angefuhrten  Umstanden? 
Das  sey  feme!  Oder:  Einer  von  una  Bey  den  muB  ein  Opfer  bringen. 
Wobl !  Der  will  ich  seyn !  Ich  bin  —  was  und  wie  aucb  sonst  —  doch 
der  altere  Freund;  der  durcb  schwierige  Sohulen  gefnhrte;  ich  habe  auob  ge~ 
wohnter  werden  miissen,  aufzugeben  —  nicht  etwa  nur,  was  ich  am  meisten 
gewiinscht  und  geliebt,  sondern  aucb,  was  ich,  ohne  alle  Rucbsicbt  auf  micb 
selbst,  fur  gut  uberbaupt  und  fur  das  beste  Resultat  redlicber  Bemuhungen 
gebalten  babe.  So  will  ich  denn  mein  Opfer  bringen;  und  damit  es  voll- 
standig  geschebe,  aucb  (hoffentlicb)  Ibnen  Freude  macbe,  schweigend. 

Darum  setze  ich  auch  nichts  weiter  hinzu,  sondern  erwahne  nur  rubig 
und  kurz,  was  aus  Voratehendem  zwar  von  selbst  sicb  ergiebt,  docb  zu  weitern 
Discussionen  Ibnen  Yeranlassung  geben  konnte. 

1.  Sie  werden  ohne  Zweifel  zur  Verbesserung  dea  alten  Textes  durch  den 
neuen  Alles  benutzen,    waa    ;besonders  auch  in  Hinsicht  auf  Sprache,  Wohl- 


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296  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Bocfalitz. 

klang  der  Verse  u.  dgl.)  sich  benutzen  laGt,  ohne  daB  Wesentliches  in  Ihrer 
Musik  geandert  werden  miiBte.  Wie  leicht  kann  dies  geBchehen,  z.  B.  in  den 
Recitativen!  Und  wer  wiirde  nicht  das  Geringere  von  sich  weisen,  wenn  er 
das  Bessere  haben  kann,  selbst  mit  wenig  Mtihe  und  ohne  Eintrag  seiner 
Sache? 

2.  Da  der  fruhere,  im  Wesentlichen  nun  beybehaltene  Text  langst  dein 
Publikum  hingegeben  war,  mithin  von  mix  nicht  mehr  schicklich  als  ein 
gewiBermaBen  Neues  dargeboten  werden  kann:  so  entsage  ich  alle  dem,  was 
ich  fruher  Herrn  Mendelssohn,  nun  durch  diesen  Ihnen  mitgetheilt  fiber 
gemeinschaftliche  Zusendung  an  GroBe  der  Erde  u.  dgl.  Verfahren  Sie  in 
dieser  Hinsicht  ganzlich  nach  Ihrer  Einsicht,  Wohlmeynung  und  Gelegenheit. 

3.  Ich  wiinsche  uber  das  ganze  Unternehmen,  bis  es  offentlich  hervor- 
getreten,  nichts  weiter  zu  erfahren,  auBer,  daB  Sie  zufrieden  seyen  mit  dem, 
was  ich  heute  geschrieben. 

4.  Gern  mochte  ich  das  Werk,  wie  es  nun  ist  und  wird,  zuerst  in  voll- 
standiger  Ausfuhrung  kennen  lernen  und  zu  dieser  nach  Cassel  kommen. 
Diese  wird  aber  wohl  schon  vor  Ostern  statthaben?  Da  durfen  wir  schwer- 
lich  auf  andauernd-warme  Fruhlings-Witterung,  und  ohne  diese  darf  ich 
schwerlich  auf  Befreyung  von  meiner  FuBgicht  hoffen.  Sollte  es  wider  Ver- 
muthen  anders  werden,  so  komme  ich.  Sonst  aber  werden  Sie  die  Gefallig- 
keit  haben,  mir  eins  der  ersten  gedruckten  Exemplare  des  Klavierauszuges 
zuzusenden. 

5.  Gott  gebe  am  Werke  Ihnen  viele  Freude:  Andern,  auBer  dieser,  auch 
vielen  Nutzen!     Ich  hoffe  auf  Beydes  auch  fur  mich. 

Hochachtungsvoll  und  freundschaftlich  ergeben. 

Rochlitz.     - 

Spohr  ging  nun  sofort  daran,  die  neuen  Rezitative  seiner  Musik  unter- 
zulegen  und  bat  nochmals,  da  von  einer  Dedikation  des  Werkes  an  ge- 
kronte  Haupter  nicht  mehr  die  Rede  sein  solle,  dem  treuen  Freund 
Bochlitz  die  Musik  widmen  zu  durfen.  Auch  die  Titelfrage  war  noch 
zu  beantworten,  da  infolge  der  Textanderungen  die  Uberschrift  »Das  Ende 
des  Grerechten*  fiir  beide  Teile  nicht  mehr  recht  paBte.     Spohr  schrieb: 

Cassel,  den  18  ten  Febr.  1835. 
Geehrtester  Herr  u.  Freund! 
Den  herzlichsten  Dank  fur  Ihren  freundlichen  Brief;  wohl  hat  er  mir 
groBe  Freude  gewahrt.  Ich  habe  mich  auch  sogleich  dartiber  gemacht,  um  den 
neuen  Text  meiner  Musik  einzuverleiben.  In  den  Bezitativen  wird  dieB 
durchgangig  der  Fall  seyn  und  ich  werde  einige  deshalb  neu  komponieren; 
auch  in  die  Musikstucke  werde  ich  die  meisten  und  wichtigsten  Veranderungen 
hineinbringen  konnen.  So,  meyne  ich,  fiele  nun  der  Grund  weg,  weshalb 
Sie  die  gemeinschaftliche  Zusendung  an  die  Furs  ten  ablehnen  und  ich  frage 
deshalb  noch  einmal  an,  ob  Sie  hier  Ihre  Ansicht  nicht  andern  wollen? 
Sollten  Sie  aber  darauf  beharren,  so  denke  auch  ich  auf  diese  Zusendung  zu 
verzichten  und  bitte  dann  von  neu  em,  mir  freundlich  zu  gewahren,  daB  ich 
Ihnen  das  Werk  dediciren  darf.  —  Da  Sie  mir  nun  giitigst  gestattet  haben, 
die  neue  Bearbeitung  zu  benutzen,  so  frage  ich  an,  ob  sich  diese  Erlaubnis 
auch  auf  den  Titel  derselben  erstrecke?  Zwar  scheint  er  mir  fur  beyde 
Theile    nicht   so  passend,    wie  fur  den  2  ten  all  ein;    doch  wunschte  ich  sehr 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  297 

Ihre  Ansicht  daruber  zu  horen.  Oder  schlagen  Sie  vielleicht  noch  einen 
3  ten  Titel  vor?  was  mir  sehr  lieb  ware,  da  durch  diesen  jede  mogliche  Ver- 
wechslung  mit  der  fruhern  Komposition  verhindert  werden  wiirde.  Erne 
grofie  und  unverhoffte  Freude  hat  es  mir  gewahrt,  Sie  am  Charfreytage 
bey  der  ersten  Auffuhrung  des  Werks  hier  zu  sehen,  da  dieser  dieses  Jahr 
erst  in  die  2te  Halfte  des  Aprils  fallt,  wo  wir  hier  fast  immer  das  schonste 
Fruhlingswetter  haben,  so  ist  wohl  zu  hoffen,  daB  Sie  alsdann  von  Ihrem 
Fufl-tlbel  befreyt  seyn  werden  und  daB  eine  solche  Reise  Ihrer  Gesundheit 
nicht  nachtheilig  seyn  werde.  Ich  bitte  daher  instandigst,  diese  ja  auszufuhren 
und  meinem  Hause  die  Ehre  zu  gonnen,  Sie  darin  bewirthen  zu  diirfen.  Ich 
hoffe,  Ihnen  alle  die  gewohnten  Bequemlichkeiten  verschaffen  zu  konnen. 
Eine  besondere  Freude  wiirde  es  mir  auch  seyn,  Sie  mit  unsern  reizenden 
TXmgebungen,  besonders  mit  dem  paradiesischen  Wilhelmshohe  bekannt  machen 
zu  konnen.  Auch  einige  musikalische  Geniisse  (Opern  und  ein  gutes  Quartett) 
glaube  ich  Ihnen  versprechen  zu  konnen.  Erfreuen  Sie  mich  daher  ja  recht 
bald  mit  einer  bestimmten  Zusage  Ihres  Besuchs.  —  In  Erwartung  dieser 
mit  innigster  Hochachtung  und  Freundschaft  stets  ganz  der  Ihrige 

L.  Spohr. 

Als  Titel  schlug  nun  Rochlitz  vor  »Jesu  letzte  Leidensstunden*,  ein 
Vorschlag,  der  auch  von  Spohr  angenommen  wurde;  aber  die  Widmung 
des  Werkes  lehnte  der  Dichter  bescheiden  ab,  indem  er  sich  schon  durch 
die  Absicht  allein  genug  geehrt  fiihlte. 

Leipzig  d.  24sten  Febr.  1835. 
Geehrter  HeiT  und  theurer  Freund ! 

Diesmal  muB  ich  ganz  so  anfangen,  wie  Sie  neulich:  Sie  haben  mir  durch 
Ihren  Brief  groAe  Freude  gemacht.  Was  kann  denn  Angenehmeres  begegnen, 
als,  den  man  ehrt  und  liebt,  zufrieden  gestellt  zu  sehen  u.  sich  als  TJrsache 
davon  zu  erkennen?  Aber  ich  mufl  hinzusetzen:  fast  durch  jeden  einzelnen* 
Satz  Ihres  Briefs  haben  Sie  mir  Freude  gemacht;  und  was  weit  mehr  noch 
sagen  will:  durch  die  Gesinnung,  die  unverkennbar  in  alien  diesen  Satzen 
herrscht!  Ich  meyne  nicht  bios,  ja  nicht  zunachst,  die  Gesinnung  gegen  mich, 
sondern  die  Gesinnung  uberhaupt.  Wer,  wie  ich,  von  friihen  Jahren  an  mit 
vielen  und  vielerley  Men  sehen  zu  thun  gehabt  hat,  und  unter  ihnen  noch 
besonders  mit  vielerley  Musikern;  wer,  was  die  Letztern  betrifft,  ihre  Ge- 
dankenlosigkeit,  Oberflachlichkeit,  (aufier  etwa  ihrer  Kunst,)  ihr  leichtsinniges, 
wetterwendisches,  sinnlich-phantastisches,  oft  genug  wahrhaft  abgeschmacktes 
"Wesen  —  um  nichts  noch  Schlimmeres  anzufuhren:  wer,  sag'  ich,  dies  in 
der  Nahe  kennen  gelernt  hat,  den  mufi  ja  innig  erfreuen,  erblickt  er  nun 
in  einem  Tonkiinstler,  den  er  von  jeher  aus  seinen  Werken  geehrt  und  ge- 
liebt,  jetzt  im  Sinn,  Charakter  und  Leben  den  trefflichen,  hochachtungswiir- 
digen  Menschen.     Es  mufi  ihn  innig  freuen:   er  kann  nicht  anders. 

Doch  genug  hiervon.  Ich  glaube,  wir  kennen  einander  gegenseitig  jetzt 
hinlanglich,  um  gewiB  zu  seyn,  wie  es  zwischen  uns  steht,  und  daB  es  also 
bleiben  konne,  bleiben  werde,  fur  immer.  An  mir  soil's  wirklich  nicht 
fehlen. 

Was  den  Titel  des  Oratoriums  betrifft,  so  habe  ich  allerdings  gemeynt, 
Sie   nahmen    den    neuen    auf.     Wunderlich   genug    ist   es    aber,    daB    ich   ihn 


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298  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spokr  und  Friedrich  Rochlitz. 

nicht  mehr  weiB  und  meinen  Text  nicht  befragen  kann,  da  ich  ihn  im  Tn- 
muih  iiber  das,  was  nun  vortiber  ist,  vor  mir  selbst  unter  meine  vielfaltigen 
Papiere  versteckt  habe  und  nun  nicht  zu  linden  vermag.  Angemessen  wird 
er  aber  Beyn,  dieser  Titel;  und  Sie  selbst  finden  ihn  so.  Doch  wunschen 
8ie  einer  moglichen  Yerwechselung  zu  begegnen.  Dann  konnten  Sie  das 
Werk  iiberschreiben :  Jesu  letzte  Leiden  sstunden.  Wahlen  Sie  zwischen 
bey  den  nach  eigener  Einsicht. 

DaB  es  bey  meiner  Weygerung  bleibe,  das  Werk  auch  von  meiner  Seite 
einigen  Fursten  zuzusenden:  das  werden  Sie  mir  nicht  miBdeuten.  Aber 
warum  woilen  Sie  sich  dies  versagen  und  den  rechtlichen,  nicht  im  Geringsten 
herabsetzenden  Vortheil,  den  es  Ihnen  verschaffen  konnte?  Ich  dachte,  Sie 
thaten  das.  Es  halt  Sie  doch  nicht  ab,  daft  Sie  das  Werk  einem  Andern 
widmen  woilen;  was  sich  wirklich  damit  nicht  gut  vertruge?  Ich  soil  dieser 
Andere  seyn.  Wahrlich,  ich  weiB  diesen  Vorsatz,  der  auch  vor  der  Welt 
inich  ehren  wiirde,  zu  schatzen  und  zu  verdanken.  Aber,  theurer  Freund, 
indein  Sie  mir  ihn  ausgesprochen,  haben  Sie  ihn  auch  schon  erfullt;  und  die 
Welt  —  was  man  nun  so  nennt  —  ist  mir  mit  all'  der  Ehre,  die  sie  giebt 
oder  nimmt,  gleichgiiltig  geworden.  Ich  leiste  ihr,  was  ich  vermag,  weil  ich 
meyne,  es  konne  ihr  ntitzen  oder  sie  erfreuen  oder  beydes  zugleich.  In  Jahr 
und  Tag  werden  Sie,  erhalt  mir  Gott  das  Leben,  den  besten  Beweis  kennen 
lernen,  den  ich  jemals  habe  lief  em  konnen.  Ob  sie,  was  ich  ihr  geboten 
oder  noch  biete,  annehmeu,  oder  wie  sie  damit  und  mit  mir  selbst  verfahren 
wolle:  das  kummert  mich  nicht  und  wu'd  mich  niemals  kiimmern  —  —  Ich 
fdhre  dies  alles  nur  an,  damit  Sie  sich  durch  jenen  Gedanken  in  gar  nicht> 
storen  lassen;  da  Sie  ihn  einmal  ausgesprochen,  nicht  etwa  eine  MiBdeutuu^ 
oder  gar  MiBbilligung  fur  moglich  halten  u.  dgl.,  sondern  in  dieser  ganzen 
Angelegenheit  so  verfahren,   wie  es  Ihnen  gefallt  oder  rathsam  scheint. 

Von  meinem  Besuche  zum  Charfreytage  kann  ich  nur  wiederholen :  er  ist 
inein  ernster  Vorsatz  und  meine  frohe  Hoffnung,  die  durch  alles  das,  was  Sie 
'  mir  jetzt  freundschaftlich  versprechen,  noch  viel  mehr  an  Reiz  gewinnt.  Aber 
meine  FuCgicht,  die  nun  in  die  zehnte  Woche,  obschon  jetzt  nicht  mehr  so 
arg,  als  fruher,  rumort  und  sticht  und  brennt,  diese,  und  die  Witterung  haben 
wichtige  Worte  drein  zu  reden.  Parum  wird  es  am  besten  seyn,  wir  uber- 
lassen  die  Sache  bis  auf  Wei  teres  dem  Geschick,  halten  aber  den  Vorsatz 
und  die  Hoffnung  fest.  DaB  ich  eine  Nacht  unter  Weges  bleiben  mufi,  ist. 
wie  ich  auch  mein  Fortkommen  anordne,  in  mehr  als  einer  Hinsicht  von 
einiger  Bedenklichkeit.  Doch  dies  allein  soil  zuverlaBig  mich  nicht  abhalten. 
Hochachtungsvoll  und  freundschaftlich  ergeben, 

Rochlitz. 

Aus  der  Beise  nach  Kassel  zur  Auffiihrung  des  Oratoriums  wurde 
es  nichts.  Das  erlaubte  Rochlitzens  Gesundheit  nicht ;  er  versprach  aber 
nach  Beendigung  seiner  Kur  Spohr  zu  besuchen  und  sich  einzubringen, 
was  er  jetzt  versaumen  miisse. 

Leipzig,  d.   14 ten  Marz  1835. 
Geehrter  Hen*  u.  theurer  Freund! 
Schon  heute,    nach  langer  Conferenz  mit  meinem  Arzte,    kann  ich  Ihnen 
die  Nachricht  geben,   daB  ich,  leider,  auf  die  groBe  Freude,  Ihr  Werk,   durch 
Sie  selbst  einstudirt  und  geleitet,    zum   erstenmale   zu   horen  und  bey  dieser 


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Ernst  Kychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  299 

Gelegenheit  auch  in  Ihrer  Gesellschaft  das  viele  MerkwUrdige  und  Schone, 
was  Cassel  mit  seinen  ITmgebungen  bietet,  gleichfalls  zum  erstenmale  zu 
sehen  —  ganzlich  Verzicht  leisten  muB.  Selbst  im  eignen  Lohnwagen,  bey 
dreytagiger  Hin-  und  dreytagiger  Herreise,  kann  der  Arzt  seine  Einwilligung 
nicht  geben  und  ich  mufi  seinen  Besorgnissen  beypflichten ;  denn ,  Anderes 
uuerwahnt,  meine  gichtgeschwollenen  FiiBe,  die  noch  heute  sind,  wie  seit 
dreizehn  Wochen,  nur  nicht  mehr  mit  so  heftigen  Schmerzen,  und  das  Un- 
bestandige  jedes  fruhen  Fruhlings,  besonders  des  jetzigen,  wo  die  Geneigt- 
heit  zu  Gewittern  so  offenbar  und  dann  jederzeit,  lange,  bis  zum  Sommer, 
fortdauernd  ist:  schon  dies  Bey  des  miifite  micb  zuriickhalten.  Genie  Ben  8ie 
daher  jenen  Tag  recht  vollgultig,  und  geniefien  ibn  doppelt,  n  anil  ich  zugleich 
fur  mich:  Meiner  dabey  gedenken;  das  werden  Sie  mtissen;  aber  mir  dann 
eine  moglichst  aufrichtige  und  bestimmte,  auch  in  Einzelnes  eingehende  Nach- 
richt  dariiber  zu  geben:   das,  hoff*  ich,  werden  Sie  wollen  und  thun. 

Wie  ich  eben  gewohnt  bin,  an  jedes  Aufgeben  einer  werthen,  langgehegteu 
Hoffnung  —  will  sichs  irgend  thun  lassen  —  eine  neue,  wenn  auch  nicht 
so  gewichtige  anzukniipfen :  so  mache  ich  es  auch  hier.  Ich  mufl  den  Monat 
Julius  in  einem  Bade  verleben.  Bin  ich  dann  einmal  iin  Wagen  und  sind 
Sie  dann  in  Cassel:  so  komnie  ich  (Gesundheit  vorausgesetzt)  zuverlafiig  da- 
hin,  wenn  auch  auf  ITmwegen;  und  dann  geniefle  ich  mit  Din  en,  freylich 
nicht,  was  ich  zunachst  suchte,  doch  aber  Alles,  was  es  dort  fur  mich  zu  ge- 
nieBen  giebt.  .Ta,  es  fliegt  so  eben  mir  noch  ein  Zweytes  durch  den  Kopf. 
Sie  haben  durch  Hire  neueste  Symphonie  das  alte,  wohlbegriindete  Verhalt- 
11  is  ausgezeichneter  Hochachtung  und  dankbarer  Anerkennung  aller  Leipziger 
Musikfreunde  gegen  Sie,  von  neuem  angefrischt.  Wie  ware  es,  wenn  Sie 
<rleich  nach  der  Michael ismesse  Ihr  Oratorium    hier  im  Concerte  auffuhrten? 

Ich  werfe  diesen  Gedanken  jetzt  nur  hin:  spater  wird  sich  mehr  dariiber 
sagen  lassen,  und,  wie  ich  mit  Zuversicht  hoffe,  miindlich. 

Hochachtungsvoll  u.   freundschaftlich  ergeben, 

Bochlitz. 

Die  endgiltige  Absage  des  Osterbesuchs  uberbringt  der  folgende  Brief ; 
das  darin  beriihrte  >ungltickliche  Ereignis*  war  nicht  in  Erfahnmg  zu 
bringen. 

Leipzig,  d.  8  ten  April  1835. 

Lassen  Sie  mich  kurz  seyn,  geehrter  Herr  und  theurer  Freund!  Lassen 
Sie  mich  kurz  seyn,  denn  ich  bin  traurig  und  mfichte  Sie  nur  frohlich  machen, 
immer,  und  jetzt  allermeist. 

Seit  der  Friihling  so  ungewohnlich  zeitig  und  zuletzt  auch  so  ungewohn- 
lich  freundlich  um  mich  her  zu  griinen  angefangen  hatte,  (ich  wohne  mit 
schoner  Aussicht  weit  in's  Feld)  kehrte  der  Wunsch,  den  Charfreytag  bey 
Ihnen,  mit  Ihnen,  durch  Sie  schon  zu  verleben,  doppelt  lebhaft  wieder  bey 
inir  ein,  und  ich  machte  Anstalt  zur  Vorbereitung.  Mein  gichterischer  Zu- 
<*tand  war  nicht  besser,  doch  auch  nicht  schlimmer  geworden ;  die  Beschwerden, 
von  so  sehr  langem  Zimmersitzen  (eben  heute  vollende  ich  dessen  16  te  Wochej 
batten  freylich  sehr  zugenommen,  und  wie  gem  ich  auch  alles  gelassen  er- 
tragen :  die,  weniger  wohl  noch  hierdurch  unmittelbar,  als  mittelbar,  von  Seiten 
eines  hochstgereizten  Nervensy stems  herbeygefuhrten,  ofters  schlaflosen  Nachte 
—  wollten  sich  kaum  noch  also  ertragen  lassen Da  trat  schon  Wetter 


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300  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochliiz. 

ein;  ich  fuhr  in  den  Mittagsstunden,  und  ging  in  ihnen  aus  —  jenes  schon 
vier-,  dies  schon  fiinfmal;  ich  fiihlte  mich  gestarkt  und  innig  erfreut,  obgleich 
Geschwulst  und  Schmerz  der  Fiifle  sich  sehr  mehrten;  ich  betrachtete  meine 
Wanderungen  als  Voriibungen  zur  Reise  nach  Cassel;  der  Arzt  liefi  das  mit 
ehrlichem  Gesicht  mir  gelten:  da  trifft  mich  am  letzten  Sonntage,  so  uner- 
wartet  und  so  unverdient,  auch  so  plotzlich,  ein  ungltickliches  Ereignis,  das 
ohne  Schrecken  und  grofie  Alteration  uberhaupt  zu  erfahren  gar  nicht  mog- 
lich  war:  und  seit  dem  Sonntag  bin  ich  geistig  und  korperlich  kranker,  als 
diesen  ganzen  Winter  jemals.  80  kann  mir  der,  in  diesen  doppeltstillen  und 
einsamen  Tagen  wahrhaft  ersehnte  Charfreytag  keine  Freude  bieten,  aufier 
im  Andenken  an  seinen  Gegenstand,  dessen  wiirdige  Feyer,  wozu  ich  bey- 
trage,  und  in  angenehmer  Hoffnung,  bald  von  Ihnen  zu  erfahren,  wie  Alles 
sich  bey  Ihnen  u.  durch  Sie  gestaltet,  wie  das  Publikum  das  Werk  aufge- 
nommen,  u.  ob  Production  und  Aufnahme  Sie  recht  gliicklich  gemacht  haben.  — 

Treulich  ergeben, 

Rochlitz. 

Die  nachsten  ftinf  Brief e  behandeln  denselben  Gegenstand:  die  Reise 
nach  Kassel  zu  Pfingsten  oder  im  August.  Das  Ja  und  Nein,  das  Hin 
und  Wider  erfahren  wir  am  besten  aus  den  Briefen  selbst,  die  zu  weitern 
Bemerkungen  kaum  AnlaB  bieten.  Sie  mogen  daher  hintereinander  an- 
gefiihrt  sein: 

Leipzig,  d.  1.  May  1835. 
Geehrter  Herr,  mein  theurer  Freund! 

Sie  werden  unzufrieden  seyn,  da£  ich  Ihnen  auf  Ihren  trefFlichen,  wahr- 
haft freundschaftlichen  Brief  vom  20sten  April  noch  nicht  geantwortet  habe. 
und  ich  milGte  Ihnen  Recht  geben,  wenn  irgend  etwas  Anderes  mich  abge- 
halten  hatte,  als  was  in  der  That  mich  abgehalten  hat.  Das  war  aber  nicht 
bios  mein  jetziger  Gesundheitszustand  und  was  dieser  herbeyfuhrt;  denn  als- 
dann  brauchte  ich  ja  nur,  wie  ich  jetzt  time,  mich  einer  fremden  Hand  zu 
bedienen;  es  war  einzig  und  allein,  daB  ich  Ihnen  gern  die  bestimmteste  und 
zuverlafiigste  Antwort  geben  wollte:  und  das  hing  nicht  frtiher  von  mir  ab, 
sondern  vom  Himmel,  der  zuvor  seine  Sturme  bandigen  mufite  und  vom 
Arzte,  der  gleichfalls  ein  wichtiges  Wort  zuvor  dreinzusprechen  hatte.  Jetzt 
kann  ich  diese  Antwort  geben:  und  jetzt  gebe  ich  sie. 

Zuerst  empfangen  Sie  meinen  aufrichtigsten  Dank  fur  Alles  und  Jedes. 
was  Sie  mir,  wie  wiirdig  und  doch  auch  wie  bescheiden  —  tiber  die  Auf- 
fuhrung  des  Oratoriums1)  und  tiber  die  Wirkung  derselben  gemeldet  haben. 
Die  letztere  war  ja  sonach  gerade  die,  welche  wir  Beyde  vereinigt  uns  nur 
irgend  wiinschen  konnten.  So  thue  doch  nur  ein  Jeder  redlich  und  treulich 
das  Beste,    was   irgend  in    seinen  Kraften   ist,    und    die  gute  Wirkung  wird 

1)  Die  Auffuhrung  fand  am  Charfreitag  statt.  >Der  Gedanke,  daC  meine  Frau 
die  Vollendung  und  Auffuhrung  des  Oratoriums  nicht  mehr  erlebt  hatte,  lieG  mich 
keine  rechte  Freude  iiber  diese  gelungenste  meiner  Arbeiten  empfinden,  und  ich  bin 
erst  bei  spatern  Auffuhrungen  zum  vollen  BewuBtsein  ihrer  Wirkung  gelangt.  Eine 
Wiederholung  des  Oratoriums  konnte  schon  in  demselben  Sommer  am  ersten  Pfingst- 
tage  stattfinden,  den  uns  der  Kurprinz  ungewohnlicherweise  fur  ein  Konzert  in  der 
Kirche  bewilligt  hatte. «     (Selbstbiographie,  II.  Band,  Seite  202.: 


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Ernst  Kychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  301 

nicht  fehlen.  Meine  Freude  als  ich  davon  las  war  grofl  und  auch  darum 
desto  erwiinschter,  weil  ich  eben  in  jenen  Tagen  viele  und  heftige  Schmerzen 
zu  ertragen  hatte. 

Jetzt  zu  Ihrer  freundschaftlichen  Einladung !  Kurz  und  gut :  ich  komme, 
ich  komme  ganz  gewifl,  wenn  nicht  TJmstande  eintreffen,  die  kein  Mensch 
vorauswissen  kann;  was  wir  aber  nicht  ftirchten  wollen.  Ich  komme  aber 
nicht  allein ;  denn  ich  kann  besonders  unter  meinen  jetzigen  Umstanden  nicht 
ohne  Jemand  reisen,  der  im  Nothfall  mir  zur  Hand  geht.  Darum  bringe 
ich  ein  hochst  achtbares,  junges  Frauenzimmer  mit,  das  Sie  vielleicht  schon 
selbst  in  meinem  Hause  gesehen  haben,  als  ehedem  die  Gesellschafterin  meiner 
seeligen  Frau.  Jetzt  ist  sie  meine  treue  Gefahrdtin  und  Versorgerin  meines 
Hauswesens.  Ich  melde  die£  zuvor  um  Ihrer  giitigen  Einladung  willen,  in 
Ihrem  Hause  zu  wohnen;  denn,  wenn  ich  auch  Anderes  nicht  erwahnen  will, 
so  kommt  es  darauf  an,  ob  Sie  in  Ihrer  Wohnung  Raum  genug  fur  uns  Zwey 
besitzen,  ohne  sich  und  den  Ihrigen  Zwang  aufzulegen.  Das  Letztere  darf 
wahrhaftig  nicht  geschehen:  es  wurde  sogar  mich  selbst  verlegen  machen. 
Daruber  erbitte  ich  mir  deshalb  ganz  aufrichtige  Antwort.  —  Dies  also  soil 
auf  keinen  Fall  eine  And  era  ng  meiner  Z usage  veranlassen:  nur  die  Zeit, 
wann  wir  kommen,  hangt  davon  ab,  ob  wirklich  die  Auffuhrung  des  Ora- 
toriums  an  einem  der  Pfingsttage  noch  Statt  fin  den  wird.  Findet  sie  Statt, 
so  komme  ich  eben  den  Abend  vor  derselben  in  Cassel  an;  denn  ich  will 
den  ersten  Eindruck  ganz  rein  empfangen  und  ganz  unzerstreut  geniefien. 
Sie  werden  das  selber  billigen;  und  da  ich  einige  Tage  zu  verweilen  wiinsche, 
so  wird  es  uns  Bey  den  auch  nicht  an  Zeit  mangeln,  uns  mit  andern  an- 
genehmen  Gegenstanden  zu  beschaftigen.  Sie  selbst  gedenken  der  Oper.  Da 
wiirde  es  mir  grofie  Freude  seyn,  Zemire  und  Azor  oder  Jessonda  zu  sehen: 
voraus  gesetzt,  daB  sie  eben  jetzt  zu  Ihrer  Zufriedenheit  besetzt  werden 
konnen.     Diese  beyden  Werke  gehdren  nun  einmal  zu  meinen  Lieblingen. 

Wenn  nun  aber  diese  Auffuhrung  an  einem  der  Pfingsttage  nicht  Statt 
hat:  dann  komme  ich  mit  meiner  Freundin  nach  vollendeter  Badekur,  hoffent- 
lich  desto  erfrischter  und  ausgeheiterter.  Diefi  wiirde  geschehen  an  einem 
der  ersten  Tage  des  August.  Auch  iiber  dieses  muB  ich  mir  bestimmte  Ant- 
wort ausbitten  und  sobald  sie  sich  geben  laflt,  denn  ein  Mann  meiner  Jahre, 
meiner  jetzigen  Gesundheits-Umstande  fliegt  nicht  schnell  auf,  wie  die  Lerche, 
sondern  summt  und  schnirpt  erst  wie  der  Kafer  auf  dem  Boden  herum,  wo 
er  sitzt. 

Hochachtungsvoll  und  in  froher  Erwartung  des  Zukiinftigen,  das  mich 
erwartet,  Der  Ihrige 

Eochlitz. 

Leipzig,  d.  8  ten  May  1835. 

Ist  es  doch  als  ob  sich  zuweilen  gegen  ein  nicht  unlobliches  Vorhaben 
alle  Machte  des  Erebus  stemmten!  und  kann  uns  in  solchem  Fall  nur  die 
Erfahrung  aushelfen,  daft,  hat  man  endlich  alle  Hemmungen  iiberwunden,  der 
Erfolg  gemeiniglich  noch  schoner  wird,  als  man  sich  vorher  ihn  gedacht  hatte. 

Gewisse  Vorfalle,  die  vorher  zu  sehen  eben  so  unmoglich  war,  als  nun, 
sie  abzuwenden,  machen  es  mir  —  ohngeachtet  indessen  der  Fruhling  mit  all' 
seiner  Herri ichke it  eingezogen  und  auch  nicht  ohne  wohlthatigen  Einflufi  auf 
meine  Gesundheit  geblieben  ist  —  durchaus  unthunlich,  zum  Pfingstfeste  bey 
Ihnen,  geehrter  Herr  und  theurer  Freund,  an  die  Thur  zu  klopfen;    mag  es 


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302  Ernst  Rychnovsky,  Lodwig  Spofar  und  Friedrich  Rochlitz. 

nun  bey  jener  Musikauffiihrung  bleiben  oder  nicht.  Miindlich  mehr  dariiber ; 
jetzt  aber  nur  noch  das  Wort;  diese  AuffUhrung  —  eben  diese  —  im  hellen, 
hohen  Fruhling  a.  am  freudigen  Pfingstfeste  wiirde  nicht  wohl  angemessen 
und  zuveriassig  auch  nicht  von  der  besten  Wirkung  gewesen  seyn.  Dagegen 
wiederbole  ich  hier  mein  Versprechen,  und  zwar  mit  voller  Zuversicht:  Nach 
vollbrachter  Badecur  —  und  das  heifit:  einen  der  letzten  Tage  des  Julias 
oder  einen  der  ersten  des  August  —  trete  ich  bey  Ihnen  ein ;  und  zwar  dann 
von  Weimar  aus,  wo  ich  den  Monat  Julius  verleben  werde  und  wohin  ich 
mir  wahrend  dieses  Monats  zu  schreiben  bitte,  wenn  Sie  namlich  dann  mir 
uberhaupt  schreiben  wollen.  —  Uber  gewisse  Nebenumstande  meines  Aufent- 
halts  in  Cassel  beziehe  ich  mich  auf  mein  letztes  Schreiben.  Bis  Ende  der 
Pfingstwoche  mufi  ich  hier  in  Leipzig  bleiben.  —  Ich  kann  Ihnen  nicht  sagen, 
wie  sehr  ich  mich  auf  Sie,  die  Ihrigen  und  Cassel  uberhaupt  spitze  und  freue. 
Gott  gebe  uns  gesunde  Tage:  fur  das  Ubrige  wird  dann  Bath;  wohl  auch 
zur  Bekanntschaft  mit  Ihrem  Werke,  obschon  nur  beym  Pianoforte. 
Von  Herzen  der  Ihrige 

Rochlitz. 

Leipzig,  d.  20 8 ten  May  35. 

Diesmal  nur  im  Fluge,  mein  theurer  Freund ;  denn  es  ist  Zahltag,  das 
Blatt  will  die  TJberbringerin 1)  heute  haben  und  ich  erfahre  so  eben  erst,  daB 
dies  so  seyn  muB. 

Alles  und  Jedes,  was  Sie  mir  uber  meinen  Besuch  in  Cassel  in  Ihrem 
schonen,  zutraulichen  Briefe  vom  15  ten  schreiben,  ist  schon  und  gut  und 
wahrhaft  freundschaftlich.  Fiat!  Den  Tag  meiner  Ankunft  werde  ich  vou 
Weimar  aus  melden.  GewiB:  wir  werden  frohe  Stunden  geniefien;  wir  Beyde 
und  alle  Betheiligte ! 

Die  TJberbringerin  —  kurz  und  gut:  ist  unsere  in  jeder  Hinsicht  vor- 
ziiglichste  Klavierspielerin.  Nicht  bios,  daB  sie,  wie  Clara  Wieck,  Alles 
bezwingt,  was  auf  ihrem  Instrument  zu  bezwingen  ist:  sondern,  und  noch 
vielmehr,  darum:  weil  sie  die  verschiedenen  Autoren  so  verschieden  vorzu- 
tragen,  Jedem  sein  Becht  zu  geben,  und  uberhaupt  so  viel  Seele  in  ihr 
Spiel  zu  legen  weifi.  Versuchen  Sie  nur  und  lassen  Sie  neben  einander  — 
z.  B.  Mendelsohnsche  Compositionen,  Beethovensche  und  Etwas  von  Ihrem 
Schuler  (wie  heLBt  er  doch  gleich?J  spielen;  von  dem,  der  in  letzter  Zeit 
sich  Ihnen  so  wacker  nachzubilden  vermocht  hat!  IJbrigens  ist  sie  auch  auBer- 
dem  eine  Frau  von  ausgezeichneten  Kenntnissen,  feinen  Sitten,  ohne  die  ge- 
ringste  Pr'atension,  (sie  spielt,  trotz  alien  Auf forderungen,  nie  offentlich)  von 
trefflichem  Charakter  uberhaupt,  und  verdiente  Ihren  und  der  Ihrigen  Antheil, 
wenn  sie  auch  das  grofie  C.  nicht  zu  finden  wiiBte.  Sie  spitzt  sich  darauf, 
mit  Ihnen  zu  spielen:  kann  aber  nur  einige  Tage  bleiben. 

Genug  fur  heute,  und  recht  Yieles  miindlich !  Sie  und  die  werthen  Ihrigen 
bestens  begruBend,  und  meine  kunftige  Reisegefahrtin  diesen  empfehlend, 

Bochlitz. 

Weimar,  d.  14  ten  Julius,   1835. 
Geehrter  Herr  und  theurer  Freund ! 
Jetzt,   wo    ich    die   treffliche  Wirkung   der   Bader    auf  meine   Gesundheit 
freudig  empfinde,    kann    ich    auch   die  Zeit  meines  hiesigen  AufenthaHs    und 


1)  Die  im  folgenden  Brief  erw'ahnte  Madame  Voigt. 

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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  303 

folglich  meiner  Reise  nach  Cassel  genan  bestimmen.  Ich  reise  den  1  sten  August 
ab,  und  es  wird  von  der  Witterung  abhangen,  ob  ich  in  Eisenach  auf  der 
Wartburg  eine  Pause  halte  oder  nicht,  und  mi  thin  im  ersten  Falle  den  3  ten, 
im  zweyten  den  2  ten  ankomme.  Sobald  ich  nur  die  vier  Pfahle  besehen 
habe,  erfahren  Sie  meine  Anwesenheit;  wobey  ich  nur  noch  die  Bitte  urn 
moglichst-baldige  Antwort,  wenn  Sie  diese  und  die  drey  folgenden  Tage  nicht 
gegenwartig  oder  diese  Ihnen  nicht  bequem  waren,  anbringen  will. 

Madame  Voigt  kam  in  Leipzig  den  Tag  vor  meiner  Abreise  zu  mir,  ihr 
Entziicken  auszusprechen  tiber  Sie,  (ohngeachtet  Sie  unwohl  gewesen,)  die 
werthen  Ihrigen,  Ihre  neuesten  Compositionen,  (besonders  ein  Doppel-Quartett) 
Ihr  Spiel,  Ihre,  der  Ihrigen,  Ihrer  Freunde  hochstfreundliches  und  hochstgefalliges 
Bezeigen  etc.  und  bestatigte  damit,  ja  iibertraf,  AUes,  was  ich  fur  meine  An- 
wesenheit gehofft  hatte.  Doch  auch  hier  eiue  Bitte!  Vergessen  Sie  nicht, 
daB  sie  (ohngefahr)  25,  meine  Wenigkeit  65  Jahre  ist!  Vergessen  Sie  be- 
sonders es  nicht  in  Hinsicht  auf  die  Anzahl  neuer  Bekannten,  die  Sie  viel- 
leicht  mir  zuwenden  mochten!  Eben  diese  Anzahl,  die  ich  nicht  abweisen 
kann,  da  sie  von  Achtung  und  Zuneigung  herbeygefiihrt  wird,  treibt  mich 
hier  tag-taglich  von  frtih  bis  Abend  ab  und  wird  dadurch  mir  fast  zu  einer 
Noth,  hier,  wo  sonst  mir  Alles  vollkommen  nach  Wunsche  geht  und  selbst 
die  Herrschaften  mit  ihrem  gesammten  Hofe  mir  nicht  den  geringsten  Zwang 
anlegen,  sondern  nur  durch  ihren  Umgang  mich  erfreuen. 

Hab'  ich  Ihnen  denn  schon  gemeldet,  da£  ich  diesmal  aus  Besorgnis  des 
Arztes  um  meine  Gesundheit  Franziska  Kilbler,  vormals  die  Gesellschafterin 
meiner  seeligen  Frau  und  nun  meine  Pflegerin,  mit  mir  genommen  habe? 
Sie  ist  ein  so  vorziiglich  gebildetes  Frauenzimmer,  da£  hier  sogar  die  ersten 
Damen  sie  in  ihre  Cirkel  laden.  Musik  versteht  sie  wenig,  weiB  aber  »gut, 
mittelmafiig  und  schlecht*   sehr  wohl  zu  unterscheiden. 

Und  so  gebe  der  Himmel,  dafi  wir  einander  gesund  treffen  und  heiter 
geniefien ! 

Gruflen  Sie  im  voraus  alle,  denen,  Ihrem  Urtheil  nach,  an  meinem  GruCe 
gelegen  seyn  mag. 

Hochachtungsvoll  und  freundschaftlich  ergeben, 

Rochlitz. 

(Cassel)  d.  3 ten  August  (1835). 
P.  P. 
Von  Herzen  begriifte  ich  Sie  und  die  werthen  Ihrigen  in  dem  schonen 
Cassel  aus  dem  furchtbar  vornehmen  romischen  Kaiser.  Ich  wiirde  meinen 
Grufi  sogleich  selber  bringen,  wenn  nicht,  nach  dem  ununterbrochenen  hochst- 
glucklichen  Julius  gestern  mich  im  hochsten  Grade  unbesorgt  und  unverschul- 
det  ein  Ungluck  uberfallen  hatte,  das  mein  und  Franziska's  Leben  in  die 
hochste  Gefahr  brachte  und  dessen  Nachwehen  nur  bey  moglichster  geistiger 
und  korperlicher  Ruhe  —  dann  aber  hoffentlich  baldigst  voriibergehen  werden. 
Uber  dies,  und  was  noch  Alles,  mundlich,  wenn  Sie  mir  heute  Ihre  Gegen- 
wart  schenken  konnen.  Jetzt  aber  bitte  ich,  dem  Uberbringer,  meinem  Lohn- 
kutscher  aus  Weimar,  den  ich  hier  behalte,  einen  nicht-vornehmen  Gasthof 
in  Ihrer  Nahe  zu  nennen,  wohin  er  sich  dann  morgen  mit  den  Pferden  be- 
geben  und  uns  zur  Hand  seyn  kann. 

Hochachtungsvoll  und  in  freundschaftlicher  Erwai-tung 

Ihr 

Rochlitz. 


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304  Ernst  Kychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Die  schonen  Tage  von  Kassel  waren  nun  vorbei;  kaum  daB  er  sichs 
in  seinem  Nest  wieder  bequem  gemacht  hatte,  bot  Rochlitz,  der  nimmer 
miide,  seinem  Spohr  versprochenermaBen  den  Text  zu  einer  neuen  Oper 
an,  der  Stoff  historisch,  romantisch,  aber  ohne  alles  Geisterwesen.  Es 
war  das  orientalische  Marchen  von  »Parisade  und  Brahman*  mit  einein 
dazu  gehorigen  Prolog,   dem  Schauspiel  >Khosru,   Schach   von  Persien*. 

Leipzig,  d.   9  ten  Septbr.   1835. 
Geehrter  Herr  und  theurer  Freund! 

Wenn  die  Wiederholung  meines  aufrichtigsten  Danks  fur  die  mir.  durch  Sie, 
die  Ihrigen,  und  wer  sich  sonst  nahe  an  Sie  angeschlossen,  so  sehr  bereicher- 
ten  und  so  hochstangenehm  gemachten  Tage  in  Cassel  —  so  spat  kommt:  so 
rechnen  Sie  es  bloB  dem  zu,  daB  —  nach  etwas  iiber  sechswochentlicher  Ab- 
wesenheit  —  sich  so  Yieles  aufgehauffc  hatte,  was  abzuthun  oder  durchzu- 
arbeiten  war,  daB  Zeit  und  Krafte  kaum  ausreichen  wollten;  dies  aber  urn 
so  vielmehr,  weil  ich,  vom  Arzt  vor  allzuscharfem  Contrast  mit  dem  Nachst- 
vorhergegangenen  gewarnt,  mich  einigermaBen  zuriickhalten  und  was  nicht  all- 
zudringend,  verschieben  muBte.  Darunter  glaubte  ich  nun  auch  das  Schreiben 
an  Sie  rechnen  zu  diirfen,  und  dies  um  so  mehr,  weil  ich  hoffte,  Ihnen  dann 
auch  etwas  iiber  die  versprochene  Oper  melden  zu  konnen. 

TJnd  das  kann  ich  nun  wirklich.  Der  Gedanke  daran  hat  mich  in  alien 
freyen  Stunden  begleitet;  und  ohngeachtet  ich,  wie  ich  Ihnen  schon  miind- 
lich  gesagt,  an  das  Ausarbeiten  nicht  friiher  kommen  kann,  als  gegen  Ende 
Octobers:  so  habe  ich  doch  die  Freude,  melden  zu  konnen,  daB  ich  auf  Spazier- 
giingen  mir  einen  Plan  ersonnen  und  nach  allem  Wesentlichen  nun  im  Kopfe 
fertig  habe  —  einen  Plan,  mit  dem  ich,  der  nicht  im  Geringsten  gewohnt 
ist,  sich  iiber  seine  Arbeiten  selbst  zu  schmeicheln,  zufrieden  seyn  darf.  Ich 
kiindige  davon  nur  folgendes  im  voraus  an.  Auf  alle  jetzige  Theater-  und 
Opern-Verhaltnisse,  in  wie  weit  sie  verniinftig  sind,  ist  Riicksicht  genommen : 
und  darum  kann  auch  das  Stuck  iiberall  gegeben  werden.  Der  historische 
Inhalt  ist,  was  die  Hauptgegenstande  betrifft,  noch  gar  nicht  dagewesen; 
iibrigens  romantisch,  aber  ohne  alles  Geisterwesen  —  indem  ichs  lieber  mit 
Geist  als  mit  Geistern  halte.  Der  durch  das  Ganze  herrschenden  Stimmung 
nach  —  mithin  fiir  die  musikalische  Behandlung  im  Allgemeinen  —  weiB  ich 
keinen  bessern  Vergleich,  als  Ihre  Zemire  undAzor.  Dies  moge  vorlaufig 
genug  seyn :  aber  ich  habe  nebenbey  auch  noch  einen  andern  Yorschlag,  den 
ich  zu  bedenken,  und  dann  (kann  es  geschehen:  nicht  zu  spat)  mir  Ihre 
Meynung  iiber  ihn  mitzutheilen  bitte. 

Die  Sammlung  (»Auswahl<  etc.)  meiner  friihern  Schriften  in  sechs  Banden 
—  dieselbe,  worin  das  Oratorium  stand  —  ist  Ihnen  nicht  unbekannt,  und 
wenn  Sie  sie  auch  nicht  besitzen,  so  werden  Sie  doch  wohl  leicht  den  lsten 
Band  derselben  geliehen  bekommen  konnen.  Dieser  fangt  an  mit  einem 
dramatisirten,  orientalischen  Marchen:  »Parisade  und  Brahmanc  —  dem 
ein  dazu  gehorender  Prolog:  »Khosru,  Schach  von  Persien*  —  vorgeht, 
welcher  gewissermaGen  ein  kleines  Schauspiel  fur  sich  ausmacht.  Dies  Beydes 
zusammen  konnte  (allerdings  das  zweyte  mit  groBer  Umformung  und  Ab- 
kiirzung)  ein  gewiB  nicht  uninteressantes,  in  seiner  Art  ganz  neues  Stuck 
abgeben.  Der  Prolog,  wenig  abgeandert,  wiirde  vom  und  zwar  ganz  als 
Schauspiel,  (mit  nur  weniger  Instrumentalmusik  an  einigen  Orten,)  mithin 
auch  von  Schauspielern  gegeben:  dann  begonne  erst  die  Oper:  Parisade  etc. 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Kochlitz.  305 

doch  eine  eigentliche  Oper  wiirde  es  auch  nicht,  sondern  nur  ohngefahr 
in  dem  Maafie  eine,  wie  Maria  v.  Webers  Pretiosa  alien  falls  eine  genannt 
werden  konnte  —  nur  mit  betrachtlich  mehr  Musik  und  besonders  mit  weit 
groBern  Musikstiicken,  auch  tiichtigen  Finalen.  —  Belieben  Sie  von  diesen 
Gesichtspunkten  aus  das  Ganze  ernstlich  anzuschaun,  und  dann  die  Besultate 
Ihres  Nachdenkens,  nicht  nur  iiber  das  Ganze,  sondern  auch  tiber  die  m u si- 
kalis  ch  wichtigsten  Scenen  und  Situationen,  zu  melden.  An  Effect  wiirde 
es,  wie  mich  diinkt,  keineswegs  fehlen;  und  an  solcben,  wie  ihn,  mit  Recht 
oder  Unrecht,  die  Mehrzahl  jetzt  vorztiglich  liebt,  am  wenigsten.  Sollten  Sie 
vielleicht  von  diesem  zweyten  Stuck  sich  jetzt  mehr  angezogen  fuhlen,  als  von 
dem  ersten  —  der  eigentlichen  Oper:  so  hatte  ich  nichts  dagegen,  und  diese 
verblieb  uns  ja  auch  fur  eine  spatere  Zeit.  — 

Mendelssohn  ist  nun  bey  uns.  Er  trat  in  der  Gesellschaft  mit  eben  so 
viel  Klugheit,  als  ernster  und  doch  freundlicher  Haltung  auf.  Wie  billig, 
kommen  wir  ihm  moglichst  entgegen  und  erleichtern  ihm,  was  sich  erleich- 
tern  lafit.  Schon  habe  ich  mit  ihm  den  Flan  zu  alien  20  Concerten  ent- 
worfen:  nicht  nur  durch  die  Ausfuhrung,  sondern  auch  durch  die  Wahl  des 
Auszufuhrenden  soil  und  wird  das  Institut  hoher  gehoben  werden  als  es  ja- 
mais gewesen  ist.  Ich  sehe  der  Eroffnung  mit  vieler  Freude  entgegen;  wie 
ich  auch  schon  um  meiner  uber  Erwarten  gestarkten  Gesundheit  willen  frohe 
Tage  verlebe. 

GriiBen  Sie  die  lieben  Ihrigen  aufs  Beste,  und  wem  sonst  an  meinem 
GruBe  gelegen  seyn  kann,  gleichfalls.  Ich  wiinsche,  daB  unter  den  letztern 
Ihr  geistig-  und  korperlich-runder  Violoncellist  sey.  Ihr 

Kochlitz. 

Spohr  sympathisierte  nicht  sonderlich  mit  der  Mischgattung  Schau- 
spiel  und  Oper  und  schlug  seinerseits  einige  ihm  zweckentsprechend 
scheinende  Veranderungen  vor. 

Cassel,  den  20sten  September  1835. 
Hochgeehrter  Herr  und  Freund! 

Ich  habe  weder  in  unsern  Leihbibliotheken  noch  in  der  offentlichen  Biblio- 
thek  die  Auswahl  Ihrer  Schriften  gefunden  und  deshalb  nun  an  einen  Be- 
kannten  geschrieben,  der  sie  mir  hoffentlich  verschaffen  wird.  Meyne  Meynung 
iiber  Ihren  Yorschlag  wegen  »Farisade  und  Brahman  c  kann  ich  daher  im 
speciellen  noch  nicht  aufiern,  doch  verhehle  ich  nicht,  daB  die  Gattung  (:Schau- 
spiel  mit  Gesang,)  mir  mififallt,  weil  sie  nichts  ganzes  und  dabey  selbst  un- 
praktisch  ist,  da  die  Schauspieler  nicht  singen  und  die  Sanger  in  der  Kegel 
nicht  reden  und  spielen  konnen.  Am  liebsten  hatte  ich  ein  Opernbuch,  das 
sich,  unbeschadet  der  Yerstandlichkeit  ganz  durchkomponiren  liefie.  Da  sich 
aber  solche  Stoffe,  die  einfach  und  doch  anziehend  und  ganz  frei  von  un- 
musikalischen  Situationen  sind,  nur  hochst  selten  aufnnden  lassen,  so  wiinsche 
ich  wenigstens  eins,  in  welchem  nur  so  viel  Dialog  als  zum  YerstandniB  un- 
entbehrlich  ist,  vorkiime. 

LieBe  sich  aber  der,  von  Ihnen  vorgeschlagene  Stofif  so  bearbeiten,  daB 
das  Yorspiel  »Khosru«  (vielleicht  zu  besserer  Yerstandlichkeit  der  darauf 
folgenden  Oper,  etwas  erweitert,)  bios  als  Schauspiel,  von  Schauspielern 
gegeben  und  nur  durch  eine  Ouverture  eingeleitet,  die  folgende  Oper  >Fari- 
sade  und  Brahman*  dann  aber  ganz  in  Rezitativen  (ohne  alle  Dialoge)  hin- 
gestellt  wiirde,  so  ware  das  eine  neue  und  wie  mir  scheint  hochst  interessante 

a.  d.  I.  M.   v.  20 


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306  Ernst  Bychnoraky,  Ludwig  Spohr  and  Friedrich  Rochlitz. 

Gattung.  Es  wiirde  dann  gewissermafien  das  Unmusikalische  und  das,  zum 
Yerstandnis  des  Sujets  unentbehrliche  vorausgeschickt  und  das  Komantische 
oder  Phantastische ,  zur  K composition  Geeignete  als  Oper  hinterhergegeben. 
Konnte  nun  voUends  das  Ganze  so  geordnet  warden,  dafi  das  Yorspiel  i/j  oder 
3/4  Stunden,  die  Oper  7/4,  hochstens  2  Stunden  dauerte,  so  ware  an  der  Form, 
glaube  ich,  gar  nichts  auszusetzen.  Doch  ware  wohl  auch  noch  erforderlich. 
dafi  von  den  Personen  des  Yorspiels  in  der  Oper  keine  wieder  vorzukommen 
brauchte,  (oder  allenfalls  stumm,)  weil  jenes  nur  von  Schauspielern  gegeben 
werden  soD.  Ob  dies  bey  Ibrem  Stoff  moglich,  kann  ich  freilich  nicht  be- 
urtheilen,  da  er  mir  noch  unbekannt  ist. 

Diefi  ist  es,  was  ich  Ihnen  zur  weitern  Prufung  vorlegen  wollte.  Die 
freudige  Nachricht  am  Schlufi  Ihres  Brief  es,  dafi  Sie  sich  nach  der  Reise  sehr 
gestarkt  fiihlen.  hat  mich  dazu  ermuthigt. 

Yor  14  Tagen  habe  ich  nun  endlich  auch  wieder  zu  arbeiten  angefangen 
und  bereits  von  einem  neuen  Quartett  die  beyden  ersten  Satze  beendigt. 

Herrn  Mendelssohn  bitte  ich  herzlichst  zu  grufien.  Durch  sein  Wirken 
werden  Hire  Concerte  gewifi  neu  belebt  werden.  Kann  es  seyn,  so  bitte  ich 
meine  3te  Sinfonie  [o^noll  unter  Mendelssohns  Direction  auf  Ihr  Repertoir 
zu  bringen;  ich  halte  sie  fur  meine  gelungenste  Arbeit  in  der  eigentlichen 
Sinfonie-Form. 

Meine  Tochter  und  Schwiegersbhne  lassen  sich  Ihnen  und  Fraulein  Fran- 
ziska  angelegentlichst  empfehlen.     Mit  inniger  Freundschaft  stets  ganz 

der  Ihrige 

Louis  Spohr. 

Rochlitz  replizierte,  indem  er  selbst  —  neben  dem  Dank  fiir  die  tlber- 
sendung  des  Oratoriums  —  einige  weitere  Aufklarungen  iiber  den  Opern- 
stoff  gab. 

Leipzig,  den  12  ten  Octbr.  1835. 
Geehrter  Herr  und  theurer  Freund! 

Etwas  iiber  zwey  AYochen  ist  es,  dafi  Ihr  Brief,  und  drey  AVochen,  dai> 
Ihr  Oratorium  in  meinen  Handen  ist.  Bechnen  Sie  es  nicht  bios  meinen  eben 
jetzt  drangenden  Arbeiten  und  den  Unruhen  der  Messe  zu,  dafi  ich  Ihnen 
meinen  Dank  fur  jenes  theure,  ja  noch  besonders  mich  ehrende  Geschenk 
so  lange  schuldig  geblieben  bin ;  denn  zu  einem  Worte  des  Dankes  wird  dem. 
der  ihn  wirklich  fuhlt,  immerdar  Zeit:  rechnen  Sie  es  zunachst  dem  zu,  dafi 
ich  zu  hoffen  mir  erlaubte,  das  feine  Cassel  werde  Ihnen  indessen  ein  Exemplar 
ineiner  »Auswahl<  etc.  geliefert  haben,  wo  dann  ich  gewifi  bald  Weitere- 
iiber  jenen  zwischen  uns  in  Frage  gestellten  Gegenstand  erhalten  wiirde. 
Langer  kann  ich  jedoch  meinen  Dank  nicht  auf  dem  Herzen  behalten ;  und 
so  nehmen  Sie  ihn  denn  hin,  einfach,  ohne  alle  Phrasen  der  Hoflichkeit,  doch 
mit  der  Yersicherung :  Ich  zahle  es  zu  den  Glucksfallen  meiner  letzten  Jahre. 
dieses  Ihr  TVerk  veranlafit  zu  haben;  ich  werde  oft  zu  ihm  zuriickkehren. 
stets  in  der  rechten  Stimmung,  stets  mit  erneuter  Hochachtung  gegen  den 
Meister,  stets  mit  Erinnerung  an  den  hen%lichen  Nachmittag  in  Cassel,  wo 
zuerst  es  mir  bekannt  gemacht  wurde,  stets  mit  Wunsch  und  Hoffhung,  friiher 
oder  spater  es  auch  einmal  —  wo  moglich,  zu  angemessener  Jahreszeit  und 
in  einer  Kirche  —  zu  horen  und  seines  Eindrucks  ganz  vollstandig  theilhaft 
zu  werden. 

Nach  Hirer  Ansicht  und  Meynung   iiber   »Kho  s]ru«   und   >Parisadec    ver- 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  307 

langet   mich   nicht  wenig.      Bis    dahin   setze    ich    noch    einige    Anmerkungen 
dariiber  her. 

Ihrem  TJrtheile  tiber  ganzliche  Trennung  beyder  Stticke,  so  daB  das  erste 

ganz  Schauspiel  bleibt,    mithin  von  Schauspielern  (nicht  von    den  Operisten, 

die  nur  im  zweyten  auftreten)  ausgefuhrt  wird  etc.  stimme  ich  nicht  nur  voll- 

kommen  bey,  sondern  es  ist  auch  ganzlich  meyne  Meynung  gewesen,  die  ich 

im  fruhern  Briefe  erklart,  wahrscheinlich  aber  nicht  deutlich  genug  ausgedriickt 

habe.     Khoru   nnd   Yanta,   die  Einzigen,    die   in   der   Oper   wiederkommen, 

miissen  hier  urn  fast  20  Jahre  alter  erscheinen.    —  In   der  Oper  aber   alien 

Dialog  in  Recitativ  zn   bringen,    und    nicht  des  Recitativs  zu  viel,   zugleich 

die  Oper  zu  lang  zu  machen,  als  daB  sie  mit  dem  Vorspiel  an  Einem  Abend 

gegeben  warden   konnte:    das   scheint  mir  unmdglich.     Wenn  aber  irgendwo 

der  Wechsel   von  Dialog   und   Gesang  zulaBig   ist,    so   ist   er   es   in    solchen 

marchenhaften  Opern ;  und  in  Wirkung  auf  ein  gemischtes  Publikum  gewinnen 

sie  dadurch  noch  ganz  offenbar.    (So  wtirde  z.  B.  Ihr  »Rubezahl«   in  solcher 

Wirkung  gewiB  gewonnen  haben,   wenn  er  also  bearbeitet  worden  ware;   da 

es   hingegen   bey   der  Jessonda    eine   andere    Sache   ist).    —   Die    gr  6  fit  en 

Anderungen,  die  ich  bey  der  TJmgestaltung  des  zweyten  Stiicks  nothig  finde, 

sind  folgende.    Amir  a  muB  ganz  wegbleiben  und  das  Wesentlichste  dessen, 

was  sie  zu  sagen  hat,  auf  andere  "Weise  vermittelt  werden.   —  Die  Wieder- 

holung  jenes  gef&hrlichen  Abenteuers  an  Bruder  und  Schwester  (im  2  ten  Act) 

darf  nicht   statthaben.     Des  Bruders  Schicksal  muB  schon   entschieden  seyn 

und  bios   kurzlich  in   der  Folge   erw&hnt   werden.      Der  Act   muB   mit   der 

Scene  Parisadens,    Seite  84  folg.,   eroffhet  werden,   und   mit  Yanta's  Todte 

schlieBen,  so  daB  nur  drey  Acte  werden.  —  Die  nicht  kurze  Scene  zwischen 

Minora  und  Zade,  S.  59  folg.,    bietet   die  meisten  Schwierigkeiten.     Wird 

sie  weggelassen,   so  geht  der  magische  Zusammenhang  mit  alle  dem,    was  in 

der  Folge  den  Genius  betrifft,  verloren,  und  dessen  ganze,  sonst  sehr  giinstige 

Rolle,   selbst  fur  die  junge  Darstellerin,   bleibt  Flick-   und  Stiickwerk.     Da- 

gegen   die   lange  Erzahlung!     Hier   kann,    meines   Erachtens,    nur  zweyerlei 

helfen:  erstens  die  Poesie  selber,  zweytens,  daB  man  die  Zade:  da  sie  (wenn 

das   nothig)   gar   nichts   zu   singen   bekommt,    einer  vorztlglich   gut  und  mit 

lebendigem  Ausdruck  recitirenden  Schauspielerin  giebt.    Eben  dies  iiber- 

nimmt  gewiB  eine  jede  gern.   —  Doch   bleibt   es  allerdings  bey  der  Abrede, 

was  das  ganze  Stuck  betrifft:   Wenn  es  Sie  nicht  dazu  treibt,   so  lassen  wir 

es  liegen,  denn  auch  der  trefflichste  Kiinstler  wird  nie  etwas  wahrhaft  Aus- 

gezeichnetes  ohne  wahren,  inner  en  Antrieb  liefern.   — 

Mendelssohn  ist  hier  vollkommen  so  ruhmenswiirdig,  als  wir  Beyde  er- 
wartet  hatten,  aufgetreten,  und  zwar  als  Componist,  Virtuos,  Director,  und 
Mann.  So  hatte  er  auch  bald  Alles  fur  sich  eingenommen;  und  er  kann 
mit  dem  Orchester  zu  Stande  bringen,  was  wir  hier  noch  nie  von  diesem  ge- 
hort  haben.  Es  wird  aber  auch  in  reich'stem  MaaBe  anerkannt  und  er  fuhlt 
sich   sehr  gliicklich. 

Ich  begriiBe  Sie  und  alle  die  werthen  Ihrigen  aufs  beste.  Das  thut  auch 
Franziska. 

Hochachtungsvoll  und  von  Herzen  ergeben, 

Rochlitz. 

Indessen  trat  Spohr  zum  zweiten  Mai  in  den  Brautigamstand.  Seine 
Wahl  fiel  auf  Marianne  Pfeiffer,   die  Tochter  seines  Freundes,   des 

20* 


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308  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

Ober- Appellations-Rates  Karl  Pfeiffer,  deren  musikalische  Begabung,  und 
deren  solides  Klavierspiel  ihm  schon  aufgefallen  waren,  da  Marianne  bereits 
friiher  des  oftern  ini  Cacilien-Vereine  ausgeholfen  hatte.  Auf  die  bevor- 
stehende  Vermahlung  (die  am  3.  Januar  1836  stattfand)  einerseits,  auf 
den  schwerwiegenden  EntschluB  Spohr's,  der  Opernkomposition  zu  ent- 
sagen  und  sich  nurmehr  dem  Oratorium  zu  widmen,  andrerseits  bezieht  sich 
der  folgende  Brief  Rochlitz': 

Leipzig,  d.  20sten  Nov.  1835. 

"Wie  sehr  und  wie  erfreulich  haben  Sie,  geehrter,  theurer  Freund,  mich 
(lurch  die  Nachricht  von  Ihrer  bevorstehenden  Verbindung  iiberrascht!  so 
sehr,  dafi  ich  nicht  uuterlassen  kann,  Ihnen  und  Ihrer  kiinftigen  Gemalin 
meinen  herzlichen  Gliickwunsch  so  bald  zuzurufen,  als  es  mir  nur  moglich 
ist.  Lassen  Sie  mich  nun  ganz  aufrichtig  gestehen.  Seit  ich  in  Cassel 
Gelegenheit  gehabt,  Sie  in  Ihrem  doppelten  Beruf  —  dem  innern  als  dich- 
tender  und  unmittelbar-praktischer  Kiinstler,  und  dem  aufiern,  als  mittelbar- 
praktischer  Meister,  Director,  Lehrer  etc.  mit  Allem,  was  dieser  mit  sich 
fiihrt  —  zu  beobachten,  seitdem  hat  es  deutlich  und  uberzeugend  vor  mir 
gestanden:  Der  zweyte  wird,  leider,  fur  den  ersten  aufreiben,  abzehren,  und 
bey  der  Liicke,  die  dann  im  Innern  des  lieben  Freundes  entstehen  und  ihm 
selbst  fuhlbar  seyn  und  bleiben  mufi,  wird  er,  wenn  auch  hochachtbar  und 
loblich  wirksam,  doch  nicht  innerlich  befriedigt  und  gliicklich  seyn  —  wenn 
nicht  irgend  Etwas  in  sein  Leben  tritt,  das  ausdauernd  und  in  alien  Stun- 
den  des  Geftthls  hohern  Geistesbedurfnisses  zur  Hand  ist,  bald  zu  berahigen, 
bald  anzuregen,  bald  angenehm  auszufullen,  auBzugleichen.  zu  erheitern  und 
zu  erquicken.  Und  was  hatte  dies  seyn,  was  hatte  dies  leisten  konnen, 
aufier  ein  neues  Eheband,  und  eben  ein  solches,  wie  das  ist,  das  Sie  ge- 
troffen?  —  Urtheilen  Sie  nun  selbst  aus  diesem,  was  ich  viel  weiter  fort- 
setzen  und  auch  auf  manches  Andere  anwenden  konnte,  —  ob  jene  Nachricht 
mir  nicht  erfreulich  und  mein  Gliickwunsch  nicht  herzlich  seyn  mufi.  — 
Was  nun  Ihre  liebe  Braut  im  besondern  betrifft,  so  bedauere  ich,  dafi  ich 
nicht  Gelegenheit  gehabt,  sie  naher  kennen  zu  lernen,  als  an  jenem  Abende, 
wo  Sie  mich  Ihr  Oratorium  horen  liefien  und  ich  ganz  1  ich  mit  diesem  be- 
schaftigt  war.  Aber  wie  ausgezeichnet  sie  jene  Satze  desselben,  die  doch 
nichts  weniger,  als  sonstige  Frauenzimmer-Musik  enthalten.  auf  dem  Piano- 
forte vortrug,  und  mit  welch  ernster  Theilnahme  sie  beym  Gesange  war: 
Das  ist  mir  keineswegs  entgangen.  Und  nun  hat  Franziska  (die  sich  Ihnen 
Beyden  freudig  theilnehmend  empfiehlt)  mir  Vieles,  und  nichts  als  Gutes. 
Schones  und  Angenehmes  aus  ihren  Gesprachen  mit  ihr,  der  Braut,  erzahlt, 
was  ich  nur  mit  wahrer  Achtung  und  wahrem  Vergniigen  habe  horen  konnen. 
ITnd  da  ich  hoffe,  nicht  zum  letztenmal  in  Cassel  gewesen  zu  seyn:  so  wird 
sich  leicht  nachholen  lassen,  was  damals  nicht  geschehen  konnen.  Indessen 
bitte  ich  ihr,  mit  den  besten  Begriifiungen  von  meiner  Seite,  aus  Vorstehen- 
dem  zu  sagen,  wo  von  Sie  glauben,  da6  es  ihr  mitangehort.  — 

IJber  Anderes,  was  Ihr  Brief  enthalt,  diesmal  nur  wenige  Zeilen. 

Ihren  EntschluB,  sich,  was  die  Gesangsmusik  betrifft,  lieber  dem  Ora- 
torium als  der  Oper  (wie  Handel)  zu  widmen,  mufi  ich  nur  rtihmen  und 
preisen.  Ich  wiirde  das  schon  personlich  gethan  haben,  hatten  Sie  damals 
ihn   schon   gefaBt  gehabt   und  mir  mitgetheilt;   und  hatte  ich  nicht  geglaubt, 


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Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  flochlitz.  309 

Sie  muBten  diese  Hire  Arbeiten  nicht  bios  dem  Publicum  schenken,  son- 
dern  —  wie  es  mir  mit  dem  Bedeutendsten  und  Besten ,  was  je  von  mir 
ausgegangen,  mit  den  >Heiligen  Schriflen«  etc.  gehen  wird  —  selbst  von 
Ihrer  baaren  Habe  dabey  zusetzen.  Nun:  desto  besser,  daB  ich  mich  darin 
geirrt  habe  Aber  zweyerley  mochte  ich  doch  dabey  erinnern:  Erstens:  Ehe 
Sie  an  solch  ein  groBes  Werk  gehen,  genieBen  Sie  zuvor  alle  Annehmlich- 
keiten  Ihres  jetzigen  und  nachstfolgenden  Verhaltnisses,  so  daB  jedem,  was 
Ihnen  verliehn,  sein  Recht  wiederfahre  und  dariiber  der  Drang,  ein  Ora- 
torium  zu  schreiben,  recht  warm  und  stark  werde;  Zweytens:  Wenn  dieser 
Drang  nun  so  geworden,  dann  lassen  Sie  mich's  wissen  —  vorausgesetzt, 
Sie  besitzen  Niemand  in  der  Nahe,  der  Ihnen  einen  guten,  auch  musikalisch- 
guten  Text  liefert  und  dabey  Ihrer  Kunst-Individualitat  in  die  Hande  ar- 
beitet  —  und  ich  hoffe,  Zeit  zu  gewinnen,  Ihnen  solch  einen  Text  zu  liefern, 
wenigstens  soil  es  mir  nicht  an  gutem  Willen  und  treuem  Bemlihen  fehlen. 
Dramatisch  muB  jetzt  solch  ein  Text  seyn,  und  —  ist  es  moglich  —  bey 
aller  Wiirde  doch  im  Ganzen  heiter. 

GriiBen  Sie  Alle,  denen  an  einem  GruBe  von  mir  gelegen  seyn  kann. 

Wie  immer,  Ihr 

Rchz. 

Fur  8eine  nachste  Komposition  wiinschte  sich  Spohr  den  Text  zu  einer 
grofien  Kantate,  wofiir  Rochlitz  nach  langerer  Uberlegung  das  A.  G-.  M ei fi- 
ne r'sche  Gedicht  >Lob  der  Musik<  empfahl. 

Leipzig,  d.  29sten  Jan.  1836. 
So  ist  es  und  so  geht  es  dem  wahrhaft  wackern ,  tiichtigen ,  innerlich 
geordneten,  auBerlich  thatigen  Manne:  hat  er  wieder  eine  Stufe  .zu  seiner 
wahren  Zufriedenheit  erreicht  und  fuhlt  sich  gliicklich  auf  ihr,  so  will  er 
nun  auch  schaffen,  arbeiten,  auf  und  fur  Andere  wirken.  Was  in  Ihrer 
Kunst  Sie  zun&chst  arbeiten  mochten,  das  habe  ich  schon  in  meinem  letzten 
Briefe  ruhmen  miissen:  jetzt  muB  ich  nun  auch  die  specielle  Bestimmung 
desselben  ruhmen.  Eine  Art  groBer  Cantate,  nicht  biblisch,  aber  bedeutend, 
nicht  flach  hin ,  aber  heiter,  mehr  oder  weniger  dramatisch  etc.  Das  alles 
muB  ich  ruhmen.  Es  ist  an  sich  wiirdig  und  gut;  bietet  Ihnen  Gelegenheit, 
Ihre  herrlichen  Krafte  nach  einer  Richtung  zu  verwenden,  wo  Sie  in  letzter 
Zeit  sich  nicht  haben  hervorthun  konnen :  es  ist  auch  der  jetzt  herrschenden 
Neigung  und  Stimmung  des  Publicums  vorzuglich  angemessen.  Woher  aber 
einen  StofF  fur  die  Dichtung  nehmen,  der  alles  das  erfullete  und  nicht  schon 
abgebraucht  ware?  Mythologie  laBt  kalt,  Allegoric  ist  trocken,  Geschichte 
—  von  der  alten  nimmt  ein  musikalisches  Publicum  wenig  Notiz,  die  neue 
steht  uns  zu  nahe,  um  der  Phantasie  Spielraum  zu  schaffen,  andere  Incon- 
venienzen  nicht  zu  erwahnen ;  gewohnliches  Menschenleben,  dramatisirt,  wird 
(wie  in  den  Jahreszeiten)  fast  nothwendig  gemein  etc.  Ich  habe  seit 
Ihrem  letzten  Briefe  oft  stundenlang  hin  und  her  gesonnen;  Gegenst&nde 
aus  alien  jenen  Fachern  sind  mir  ubergenug  beygekommen:  aber  wenn  ich 
das  Einzelne  ihrer  Ausfuhrung  erwog,  so  fehlte  es  immer  an  dem  Einen 
oder  dem  Andern  von  dem,  was  Sie  mit  Recht  verlangen.  Ich  weiB  wirk- 
lich  keinen  Bath.  Hierzu  kommt  bey  mir  noch  Folgendes:  Bey  jenem 
Oratoriums-Zwist  habe  ich  dem  Mendelssohn  versprochen,  wenn  ich  wieder 
einmal  ein  Oratorium  schreiben  sollte,  so  wollte  ich  es  ihm  zuerst  vor- 
legen.     Nun  wiinschen  Sie  sich  zwar  kein    eigentliches  Oratorium:    aber  wie 


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310  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz. 

unbestimmt  ist  dies  Wort  in  neuerer  Zeit  geworden!  und  granzt  die  grofie 
und  dramatische  Cantate"  nicht  auch  wirklich  nur  allzunahe  an  das  Ora- 
torium  —  wie  namlich  beyde  jetzt  in  Dichtung  und  Musik  zu  behandeln 
waren?  Rath  habe  ich  also  nicht:  doch  einen  Vorschlag,  der  alles  Ver- 
langte,  bis  auf  Eins,  (das  eigentlich  Dramatische,}  erfullt,  dies  aber  in  der 
"Wirkung  auf  das  Publicum  durch  den,  jeden  Einzelnen  ansprechenden 
Gegenstand  ziemlich  ersetzt.  "Wie,  wenn  sie  jenen  Meifiner'schen  Text, 
Lob  der  Musik,  nahmen?  Gut  ist  er  an  sich,  interessant  von  Anfang 
bis  zu  Ende,  manchfaltig,  und  fur  den  Componisten  reich,  bequem,  fugsarn. 
Schuster's1]  Musik,  fur  ihre  Zeit  ausreichend,  ist  dies  fur  die  unsrige  gar 
nicht  mehr  und  darum  auch  langst  bey  Seite  gelegt  und  nun  verge ssen. 
tlbrigens  hat  Schuster,  zwar  von  Talent,  aber  stets  leichtsinnig  und  arbeits- 
scheu,  das  Ganze  gar  zu  flach  und  verschiedenes  Einzelne  geradezu  verkehrt 
behandelt,  und  beyde  Freunde  sind  langst  im  Grabe.  —  Sollten  Sie  sich 
fur  dies  Gedicht  entscheiden,  und  wiinschten  meine  Ansicht  iiber  Manches, 
was  von  Grund  aus  anders  in  der  Musik  anzulegen,  zu  wissen:  so  wurde 
ich  sie  Ihnen  mittheilen.  Das  Gedicht  selbst  umzuandern,  aufier  hin  und 
wieder  in  der  Sprache  und  dgl.  —  wozu  ich  mich  gern  erbiete  —  daB  mochte 
ich  nicht,  aus  Gerechtigkeitsliebe  gegen  den  Autor:  aber  es  wurde  auch 
keiner  grofien  Veranderungen  bediirfen,  um  z.  B.  einige  der  vielen  Arien  fur 
neuere  Formen  zu  benutzen  und  dgl. 

Nehmen  Sie  fur  jetzt  hiermit  fiirlieb.  Sollte  mir  ein  anderer  Gedanke 
kommen,  so  werde  ich  ihn  sogleich  mittheilen.  Griiflen  Sie  alle  die  lieben 
Ihrigen  in  meinera  Namen  und  behalten  Sie  lieb 

Ihren 
Franziska  empfiehlt  Rchz. 

sich  bescheidentlich. 

Es  trat  wieder  eine  langere  Unterbrechung  des  Briefwechsels  ein.  Erst 
im  September  1842  stellt  Rochlitz  Spohr  wiederum  einen  Oratorientext 
zur  Verfugung,  der  aber  anders  sein  solle  als  der  zu  den  letzten  Dingen 
oder  zu  des  Heilands  letzten  Leidensstunden. 

Leipzig,  d.  8  ten  Septbr.  1842. 
Ich  weifi  nicht,  ob  Sie,  geehrter  Herr  und  Freuud,  mich  noch  unter  den 
Lebenden  vermuthen.  Allerdings  habe  ich  seit  geraumer  Zeit  Ihnen  direct 
kein  Lebenszeichen  gegeben  —  wie  nun  Siebenziger  iiberhaupt  schwer  an's 
Briefeschreiben  gehen;  und  die  musikal.  »Jahrbucher«2]  scheinen  langst  mich 
nicht  nur  fur  einen  verstorbenen ,  verschollenen ,  sondern  auch  fur  einen 
Mann  anzunehmen,  der  fur  die  Musik  nie  etwas  gewesen,  noch  gethan. 
Letztes  lasse  ich  geruhig  mir  gefallen;  zahle  jahrlich  den  Betrag  fur  mein 
Exemplar  an  Hrn.  Grofi  J;,  und  damit  gut.  Destomehr  hingegen  wird  mir 
Gelegenheit,  Ihr  wiirdiges,  ruhmliches  Leben,  nicht  bios  aus  leidigen  Zei- 
tungsartikeln ,    sondern    aus    Ihren    Werken    zu    erfahren,    und    zugleich,    zu 

lj  Schuster,  Josef,  1748 — 1812,  Kapellmeister  in  Dresden,  schrieb  zahlreiche 
italienische  und  deutsche  Opern.  Von  seinen  Kantaten  stand  die  oben  angeflihrte 
>Das  Lob  der  Musik <  in  hochstem  Ansehen. 

2)  Siehe  Anmerkung  1  S.  254. 

3;  Groos,  Christian  Theodor,  der  Drucker  und  Yerleger  der  »Jahrbucher«. 


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Ernst  Ryohnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  ftochlitz.  311 

meiner  groften  Freude,  die  unverkennbar  -  durchgreifenden  Wirkungen 
dieser  Ihrer  Werke,  vomehmlich  Hirer  Symphonieen,  jeden  Winter,  nicht 
nur  auf  mich  und  Andere,  welche  die  Kunst  zu  fassen  und  zu  verstehen  ver- 
mogen,  sondern  auch  auf  die  gemischte  Menge  unsers  Concert-Publicums. 
So  ist  es  init  Ihren  Symphonieen,  nicht  aber  mit  Ihren  Oratorien;  und  dies 
thut  mir  sehr  Leid.  Letztes  um  so  mehr,  da  unter  den  mancherley  Hinder- 
nissen  ihrer  offentlichen  Auffuhrung  ich  selbst,  wenn  auch  nur  an  einem, 
nicht  frey  von  aller  Schuld  bin.  Ich  bin  das  durch  die  von  mir  herriihren- 
<len  Texte.  Zwar  hat  Niemand  Etwas  gegen  diese  einzuwenden;  aber  die 
feinen  und  vergnugungssiichtigen  "Weltleute  beyder  Geschlechter,  aus  denen 
doch,  hier  wie  jetzt  uberall,  die  bey  weitem  iiberwiegende  Mehrzahl  der 
Concert- Auditorien  besteht,  wollen  an  die  »letzten  Dinge*  sich  nicht  er- 
innern  lassen,  und  an  Jesus  Christus,  besonders  an  sein  Leiden  und  Ster- 
ben,  wenigstens  in  Concerten,  auch  nicht.  Und  fur  die  jetzt  so  zahlreichen 
Musik-Fest-Vereine ,  durch  welche  doch  Oratorien  am  meisten  bekannt  und 
verbreitet  werden,  finde  ich  selbst  eben  jene  beyden  Gegenstande  nicht  an- 
tremessen.  —  — 

Mit  solchen  Betrachtungen  habe  ich  schon  seit  Jahren  von  Zeit  zu  Zeit 
mich  getragen  und  dabey  bey  mir  selbst  gedacht:  Wenn  dein  Freund,  der 
treffliche  Spohr,  noch  ein  Oratorium  schreiben  wollte,  so  solltest  du  ihm 
mit  Aufbieten  aller  deiner  Krafte  ein  Gedicht  liefern,  dessen  Inhalt  nicht 
nur  in  Jedermann,  wie  es  um  seine  Ansichten,  Gesinnungen,  Bildung  auch 
stehe,  wahren,  aufrichtigen  Antheil  erregen;  woran  Jedermann  auch  gern 
sich  erinnern  lassen  wiirde,  und  das,  ganz  musikalisch  gedacht  und  durch- 
gehalten,  dem  Ktinstler  auch  voile  Gelegenheit  bote,  sich  nach  den  ver- 
schiedenartigsten  Richtungen  seines  Geistes,  seines  Gefuhls  und  seiner  prak- 
tischen  Geiibtheit  auszubreiten ;  durch  welches  vereint  es  sich  nun  auch 
zuverlafiig  zu  Auffuhrungen  in  grofien  Musik -Vereinen  bestens  eignen 
wiirde.  Ein  solcher  Gegenstand  ist  nun  aber  nicht  leicht  gefunden;  und 
hatte  man  ihn  gefunden,  so  ist  es  auch  nicht  leicht,  ihn  in  den  engen 
Granzen  eines  Oratorium -Textes  deutlich,  hervortretend  und  befriedigend 
auszufuhren.  Es  kommt  dazu,  daB  das  Werk,  um  jetzt  uberall  zur  Dar- 
4stellung  kommen  zu  konnen,  neben  den  Choren  nur  drey  Haupt-Solostimmen^ 
einen  Sopran,  einen  Tenor  und  einen  BaB,  mit  allenfalls  einigen  kleinen 
Nebenpartien,  verlangen  milGte.  —  Erst  gegen  Ende  vorigen  Jahres  bin  ich 
auf  solch  einen  Gegenstand  gekommen;  und  jetzt  liegt  das  Ganze,  durch- 
gehends  in  jener  Weise  durchgefuhrt,  vollkommen  fertig  vor  mir.  Da  frage 
ich  nun  bey  Ihnen  an:  Wollen  Sie  uberhaupt  noch  ein  Oratorium,  und  eben 
«in  solches,  componiren?  Wenn  Sie  das  wollen,  so  sende  ich  Ihnen  meine 
Dichtung  sogleich  zu.  Ich  brauche  wohl  aber  kaum  hinzuzusetzen ,  daB, 
wenn  ich  sie  Ihnen  gesandt  habe  und  sie  gefallt  Ihnen  nicht,  ich  sie  ohne 
alles  Weitere  wieder  zurucknehme  und  in  Ihrer  Zurticksendung  (die  jedoch 
nicht  ohne  Nothdurft  zu  verspatigen  ware)  nicht  im  Geringsten  eine  Art 
von  Krankung  und  dgl.  linden  wiirde.  Das  Freundschaftliche  in  der  Ge- 
sinnung,  das  gute  Einverstandnis,  das  zwischen  una  zu  meiner  Freude  schon 
so  lange  (seit  Ihrer  ersten  Rtickkunft  nach  Deutschland  aus  Paris)  statthat, 
wiirde,  so  viel  an  mir  liegt,  auch  in  jenem  Falle  ganz  unverandert  bleiben. 
Das  Gedicht,  sollen  Sie  es  zur  Composition  ubernehmen,  muB  Ihnen  wahr- 
haft  gef alien,  sowohl  als  Gedicht  uberhaupt,  als  auch  als  musikalisches  Ge- 
dicht; es  muB  Sie  ferner  nach  Ihrer  kunstlerischen  Individualitat  ansprechen, 


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312  Ernst  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Priedrich  Rochlitz. 

Sie  zum  Arbeiten   einladen   und,   wenigstens   in  seinen  Hauptpartieen,    daza 
drangen.     Dann  ist  Arbeit  Freude,  un4  Beharrlichkeit  davon  Folge. 
In  ausgezeichneter  Hochachtung  und  aufrichtiger  Ergebenheit  der 

Ihrige, 

Friedr.  Rochlitz. 

Spohr  wollte  sich  nach  Beendigung  seines  neuesten  Oratoriums  *Der 
Fall  Babylons*  (Text  von  Taylor),  das  er  gerade  unter  der  Feder  hatte, 
fiir  Werke  dieser  Gattung  Ruhe  gonnen,  erbat  sich  aber  doch  die  Zu- 
sendung  der  Rochlitz'schen  Dichtung,  die  er  gern  kennen  lernen  wollte. 
Rochlitz  erfullte  diese  Bitte  und  schrieb: 

Leipzig,  d.  24sten  Septbr.  1842. 

Was  Sie,  geehrter  Herr  und  Freund,  von  dem  Schicksal  jener  beyden 
Oratorien  mir  gemeldet  haben,  und  was  mir  wirklich  ganz  unbekannt  war, 
konnte  fur  mich  nicht  anders  als  sehr  erfreulich  seyn.  Es  waren  also  grand- 
iose und  vergebliche  Grillen,  die  ich  —  nicht  um  meinet-  sondern  urn  Ihret- 
willen  —  mir  gemacht  hatte.  Gleichwohl  bereue  ich  nicht,  sie  mir  gemacht 
zu  haben;  und  die  Arbeit,  die  ich  ihrerwegen  mir  auferlegt,  bereue  ich 
auch  nicht.  Sie  haben  in  Beydem  Beweise  erhalten,  wie  ich  gegen  Sie  und 
gegen  Ihre  Kunstwerke  gesinnet  bin:  das  kann  mir  geniigen,  mag  ubrigens 
der  Erfolg  meiner  letzten  Arbeit  seyn,  welcher  er  wolle,  oder  auch  gar 
keiner. 

DaB  Sie  nach  der  VoUendung  ihres  neuesten  Oratoriums,  auf  das  ich 
begierig  bin,  sich,  besonders  fur  Werke  derselben  Gattung,  Ruhe  gonnen 
und  die  Quellen  Ihrer  Erfindungskraft  sich  erst  wieder  ansammeln  lassen 
wollen,  kann  ich  nur  vollkommen  in  der  Ordnung  nnden  und  mochte  in 
keiner  Weise  es  storen.  Da  Sie  aber  doch  meine  Dichtung  .  wenigstens 
kennen  zu  lernen  wiinschen,  so  sende  ich  sie  Ihnen  hier.  Gefallt  sie  Ihnen 
nicht,  oder  doch  nicht  in  der  Art,  wie  ich  neulich  geschrieben:  so  senden 
Sie  mir  sie  kurz  und  gut  zuriick.  Gefallt  sie  Ihnen,  und  in  jener  Art,  so 
dafi  Sie  zu  dem  Entschlufi  kommen,  sie  spater,  aber  gewifi,  in  Musik  zu 
setzen:  so  behalten  Sie  dieses,  mein  einziges  Manuscript,  von  dem  ich  auch 
nicht  eine  Zeile  in  Abschrift  behalte.  Trifft  zu,  was  sehr  wahrschein- 
lich  —  dafi  ich  friiher  sterbe,  als  Ihre  Arbeit  vollendet  wird,  so  ist  Ihnen 
die  meinige  hiermit  vermacht  als  ein  Andenken  an  Ihren  alten  Freund. 

Sie  verlangen  ausdrucklich,  wenn  ich  Ihnen  das  Gedicht  zusendete,  mochte 
ich  zugleich  die  Bedingungen  angeben ,  unter  welchen  ich  es  Ihnen  uber- 
lassen  wiirde.  "Wahrscheinlich  haben  Sie  Erfahrungen  gemacht,  die  Sie  zu 
diesem  Verlangen  bewogen  haben.  Diese  Erfahrungen  sind  aber  auf  mich 
nicht  anwendbar.  Ich  habe  und  mache  keine  Bedingungen,  ganz  und  gar 
keine.     Auch  in  dieser  Hinsicht  steht  Alles  bey  Ihnen  und  ist  mir  recht. 

Wie  es  Ihnen  mit  der  Auffuhrung  zu  Norwich1)  ergangen,  konnte  mich 
aufbringen,  soil  mich  aber  nur  betriiben.  Nun,  lieber  Freund;  Sie  wohnen 
in  —  Cassel,  leben  aber  in  der  ganzen  kunstgebildeten  Welt! 

In  ausgezeichneter  Hochachtung  und  beharrlicher  Zuneigung  der 

Ihrige, 

Rochlitz. 

1)  1839. 


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Ern8t  Rychnovsky,  Ludwig  Spohr  und  Friedrich  Rochlitz.  313 

>Trifft  zu,  was  sehr  wahrscheinlich  ist  —  daB  ich  friiher  sterbe  als 
lhre  Arbeit  vollendet  wird,  so  ist  Ihnen  die  meinige  hiermit  vermacht 
als  ein  Andenken  an  Ihren  alten  Freund.«  Ofter  schon  hatte  Rochlitz 
auf  ein  nahe  bevorstehendes  Ende  angespielt,  diesmal  aber  machte  der 
Mann  mit  Hippe  und  Stundenglas  ernst.  Es  sollte  der  letzte  Brief  sein, 
der  zwischen  den  Freunden  gewechselt  wurde.  Sechs  Wochen  spater,  am 
16.  Dezember,  starb  der  wurdige  Greis.  Die  »AUgemeine  musikalische 
Zeitung*  und  die  Direktion  der  Gewandhauskonzerte  hielten  ihm  ehrende 
Nachrufe,  in  denen  seine  Verdienste  inn  die  Musik  laut  gepriesen  wur- 
den.  Und  wir,  wenn  wir  seine  Briefe  an  Spohr  mit  einiger  Aufmerksam- 
keit  gelesen  haben,  werden  sicher  die  Worte  A.  B.  Marx'  auch  best&tigt 
finden: 

»Er  hat  seinen  Lebensberuf  nicht  in  tonktinstlerischen  Schdpfungen  — 
wie  die  Neigung  ihm  lockend  und  keineswegs  erfolglos  vorhielt  —  gefunden, 
auch  nicht  in  einem  selbstandig  erfafiten  und  ausgebildeten  Systeme  der 
Musik wissenschaft;  demungeachtet  ist  ihm  eine  reiche,  in  vielfacher  Beziehuog 
wohltatige  Wirksamkeit  fiir  die  Kunst  gelungen,  und  er  hat  lange,  wie  ein 
feBtge8ctmrztes,  wohltatig  zusammenhaltendes  Band,  den  Mittelpunkt  fur 
zahlreiche,  weitverbreitete  Tatigkeiten  an  der  Musikbildung  abgegeben.  Was 
ihm  dieses  eigene  Lebenswerk  bereitete  und  gelingen  liefi,  ist  n&chst  den 
unerlafilichen  Anlagen  und  Vorbildungen  ein  ununterbrochener  Eifer  fur  das 
Studium  der  Kunst  und  eine  ebenso  unerl&filiche  Hebe  voile  Teilnahme  an 
ihren  Werken  und  jeder  ihr  gewidmeten  treuen  Tatigkeit. « 


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314  Charles  Maclean,  Berlioz  and  England. 

Berlioz  and  England 

by 

Charles  Maclean. 

(London.) 


The  gross  pity  of  the  melancholy  despair,  of  the  devastating  reaction, 
which  succeeded  to  the  reign  of  so  many  bristling  Furies,  in  Berlioz7  life, 
was  that  after  all,  the  works,  perfect  and  indestructible,  were  there. 
It  is  impossible  that  Berlioz  can  have  lost  faith  in  these,  in  himself. 
Therefore  the  despair  of  those  later  days  was  unnecessary.  To  a  man 
of  his  intellect  it  was  even  perverted  thought.  But  it  is  just  to  restore 
judgment  on  such  occasions,  to  help  the  fainting  spirit  over  the  glacier- 
cracks  of  depression,  to  hint  at  self-respect,  that  sympathy  comes  in. 
And  in  those  terrible  last  5  years,  lit  up  only  by  one  warm  ebullition 
of  his  unquenchable  heart  and  one  Russian  artistic  triumph,  the  lonely 
Berlioz  had  little  enough  of  intelligent  sympathy,  Heaven  knows! 

Could  he  have  courted  England,  instead  of  coquetting  with  her,  his 
life  might  have  been  different,  his  fame  (who  knows)  might  have  been 
accelerated  by  something  like  half  a  century.  To  England  it  is  not  court- 
ing, to  be  asked  only  two  or  three  times.  Nothing  is  more  certain  than 
that  a  reputation  is  only  made  here  by  constantly  iterated  effort,  by 
knocking  at  the  door  again  and  again;  but  once  made  the  reputation  is 
indestructible.  Nothing  exceeds  the  Shakespeare -worship  of  England, 
though  they  have  fastened  upon  the  wrong  man! 

Even  as  it  is,  next  to  Germany,  England  has  done  more  for  Berlioz' 
fame  than  any  country  outside  of  France. 

The  first  public  notice  taken  of  Berlioz  in  Germany  was  in  1835, 
when  he  was  32  years  old,  and  Robert  Schumann  the  unequalled  com- 
poser-journalist in  "Neue  Zeitschrift  fur  Musik"  reviewed  and  realized  the 
beauties  of  his  Symphonie  Fantastique,  in  Liszt's  pianoforte  arrangement. 
But,  Schumann,  where  was  thy  geography?  "Einstweilen  sinnt  in 
einem  dunkeln  Winkel  an  der  Nordkuste  Frankreichs  ein  junger 
Student  der  Medizin  iiber  Neues".  And  where  was  thy  history,  in  saying 
that  this  young  man  wrote  the  symphony  in  1830  at  18  years  of  age? 
At  18,  and  there  is  the  marvel  of  it,  Berlioz  knew  nothing  about  music. 
At  any  rate  here  Fetis's  warped  judgment  was  annihilated.  A  year 
later  (1836)  Schumann  reviewed  the  pianoforte  arrangement  of  "Francs 
Jiiges"  overture,    again  with  some  approval;    but  comparing  the  art  of 


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Charles  Maclean.  Berlioz  and  England.  315 

Auber  and  Berlioz  thus,  "so  federleicht  jene,  so  scribisch  ungeschlacht 
polyphemisch  diese",  which  might  have  comforted  poor  Harriet,  could  she 
have  read  it.  In  1839  reviewing  the  full  score  of  Waverley  overture  he 
warms  still  more  to  Berlioz,  and  says  "das  Ganze  aber  iibt  einen  un- 
widerstehlichen  Reiz  auf  mich  aus".  In  this  notice,  discussing  Berlioz' 
programme  tendencies,  comes  the  memorable  rebuke  to  analytical -pro- 
graphists:  "Kritiker  wollen  immer  gern  wissen,  was  ihnen  die  Komponisten 
selbst  nicht  sagen  konnen,  und  Kritiker  verstehen  oft  kaum  den  zehnten 
Teil  von  dem,  was  sie  besprechen."  In  1839 — 40  the  overtures  began  to 
be  played  in  Berlin,  Frankfort,  &c. 

German  was  wholly  un-read  then  in  England,  but  the  corresponding 
locus  classicus  of  a  first  notice  of  Berlioz  in  the  English  Press  is  the 
reproduction  in  "Musical  World"  of  15  December  1837  of  certain  MS. 
travel-notes  by  John  Ella  (1802 — 1888),  the  violinist  and  chamber-music 
concert  organizer,  to  whom  all  honour  is  on  that  account  due.  Ella  was 
often  in  Paris.  A  not  over-wise  gossip,  but  a  useful  man  in  his  gene- 
ration. He  quotes  Berlioz  as  "one  of  the  most  rising,  best  informed, 
and  skilful  musicians  in  Paris",  and  grants  his  "imaginativeness",  but 
thinks  "his  melodies  are  neither  very  beautiful  nor  original".  Then  follows 
biography  more  anecdotal  than  accurate.  To  end,  regarding  Benvenuto 
Cellini:  —  "Should  success  attend  the  forthcoming  opera,  his  happiness 
will  be  crowned  with  glory  and  affluence,  and  will  enable  the  once  humble 
chorister  and  English  actress,  to  glide  smoothly  down  the  vale  of  years 
in  prosperity  and  social  harmony,  —  a  singular  example  of  the  in- 
scrutable destinies  of  human  life."  This  is  terrible  "slop",  but  it  was  well- 
intentioned. 

On  20  September  1838  the  "Musical  World"  printed  a  translation  of 
a  notice  in  "Galignani's  Messenger"  on  the  production  of  Cellini  at  the 
Academie  Royale,  merely  condemning  the  plot  and  libretto.  The  "Musical 
World"  preluded  by  saying:  —  "Berlioz  is  a  profound  musician,  and 
utterly  incapable  of  writing  bad  music.  His  orchestral  knowledge  is  very 
great,  and  if  his  emanations  have  been  as  caviare  to  the  multitude,  ac- 
cording to  the  language  of  a  contemporary,  it  augurs  little  for  the  taste 
of  the  French  dilettanti.  Berlioz  is  an  admirable  critic,  and  his  musical 
essays  are  replete  with  learning  and  intelligence.  He  is  in  some  degree 
entitled,  by  marriage,  to  English  sympathies,  being  united  to  Miss 
Smiths  on,  the  actress."    Evidently  from  the  pen  of  Ella. 

On  15  November  1838,  another  eulogistic  paragraph  on  Berlioz  in 
"Musical  World",  also  plainly  from  the  same. 

On  28  November  1839  "Musical  World"  gave  without  comment  a 
translation  of  the  analysis  of  Romeo  et  Juliette  found  in  "Neue  Zeit- 
schrift  fiir  Musik". 


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316  Charles  Maclean,  Berlioz  and  England. 

So  far  no  note  of  Berlioz  had  been  heard  in  England,  but  about  this 
time  began  a  movement  for  making  the  English  a  dancing  nation  and  a 
musical-promenade-going  nation,  as  a  reflex-action  from  Paris.  The  events 
of  the  3  first  years  of  Queen  Victoria's  reign,  her  affian cement  and 
marriage  to  Prince  Albert  of  Saxe-Coburg-Gotha,  and  then  the  affairs 
of  Egypt  followed  by  Guizot's  "entente  cordiale",  all  conspired  to  bring 
about  an  approximation  to  the  Continent,  and  especially  to  France  as 
the  nearest  neighbour. 

On  30  January  1838  one  Pilati,  with  Becquire  de  Peyreville  as 
first  violin,  had  begun  musical  Promenades  &  la  Musard  at  the  Colosseum 
in  Regent's  Park.  On  12  December  1838  B.  Negri,  with  John  Thomas 
Willy  (1812—1885)  as  first  violin,  opened  the  same  at  the  English  Opera 
House,  Lyceum,  in  the  Strand.  In  March  1839  some  amateurs  attempted 
promenade -concerts  &  la  Valentino  with  symphonies  etc.  at  the  Crown 
and  Anchor  in  the  Strand,  but  neither  public  nor  Press  took  much  notice 
of  them.  By  1840  this  fever  was  at  its  height.  On  8  June  1840  the 
violinist  Eliason,  with  Louis  Antoine  Jullien  for  assistant,  started 
Promenades  or  "Concerts  dw,  at  Drury  Lane  Theatre,  with  the  pit 
boarded  over.  In  autumn  and  winter  J.  T.  Willy  did  the  same  at 
Princess's  Theatre,  Oxford  Street.  Negri  continued  at  the  Lyceum. 
Finally  the  Drury  Lane  venture  passed  as  Concerts  d'Hiver  to  Musard 
himself,  and  then  to  Jullien. 

Meanwhile  a  society  called  "Society  Armonica"  (running  1827  to  1850; 
was  giving  orchestral  and  choral  concerts  at  the  concert-room  attached 
to  Her  Majesty's  Opera  House  in  the  Haymarket.  Indeed  it  was  the 
concert- opening  for  the  Italian  opera-singers,  whence  the  Italian  title. 
The  conductor  was  a  somewhat  incompetent  person  called  Henry  Forbes 
(1804—1859),  organist  of  St.  Luke's,  Chelsea,  and  aspiring  to  honours  as 
a  pianist.  But  the  direction  was  very  spirited,  in  opposition  to  the  Phil- 
harmonic. To  this  society  belongs  the  honour  of  the  first  traceable  per- 
formance of  a  Berlioz  work  in  England,  viz.  Francs  Juges  overture  on 
30  March  1840;  that  was  12  years  after  Jts  first  production  at  Paris  on 
26  May  1828.  Also  on  1  June  1840  they  performed  the  Waverleij 
overture,  first  produced  in  Paris  likewise  on  26  May  1828. 

Hereon  the  Promenades  followed  suit.  In  November  1840  Philippe 
Musard,  with  a  band  mostly  French,  repeated  Francs  Juges  at  Drury 
Lane.  In  December  1840  J.  T.  Willy  did  at  the  Princess's  the  King 
Lear  overture,  which  had  just  appeared  in  Paris  though  composed  9  years 
before. 

Thus  3  works  were  introduced  here  in  one  year,  1840.  The  Francs 
Juges  remained  in  the  repertory.  This  was  the  year  of  the  domestic 
separation. 


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Charles  Maclean,  Berlioz  and  England.  317 

On  15  March  1841  the  Philharmonic,  though  struggling  in  its  finances, 
took  heart  to  perform  at  the  end  of  its  second  "Act"  or  Part,  the  Ben- 
renuto  Cellini  overture,  produced  first  at  Paris  on  10  September  1838. 
The  conductor  was  the  violoncellist  Charles  Lucas,  his  first  conducting 
at  a  Philharmonic  concert.  Unfortunately  it  was  badly  hissed  by  the 
conservative  part  of  the  audience. 

Between  1836  and  1842  the  "Musical  World",  weekly,  was  the  only 
English  musical  newspaper;  for  its  time  vigorous  and  influential  enough. 
The  publishers  after  5  January  1838,  and  at  this  time,  were  Henry 
Hooper  and  R.  Groombridge.  At  the  1840  performances  Ella  was 
evidently  dispossessed  as  Berlioz-critic,  and  the  newspaper  went  straight 
round.  No  notice  taken  of  Francs  Juges  on  30  March  1840,  as  tickets 
had  not  reached  editor.  In  June  it  wholly  condemned  Waverley.  The 
introduction  "is  full  of  strange  solitary  outcries  from  individual  instru- 
ments, short  phrases,  impressive  silences,  and  portentous  pauses,  which 
together  with  a  mysteriously-grumbling  style  of  instrumentation,  whose 
effect  we  could  only  liken  to  the  groans  of  persons  suffering  from  ab- 
dominal disarrangement,  prepares  the  hearer  for  a  startling  and  uncommon 
Allegro".  Later  on,  the  whole  is  described  as  containing  "some  of  the 
most  nonsensical  combinations  ever  put  on  paper".  In  November  it 
berated  the  Francs  Juges  done  at  Drury  Lane.  The  introduction  is 
"without  subject,  without  plan,  without  interest,  and  without  effect".  It 
proceeds,  "and  this  is  Hector  Berlioz!  this  is  the  glorified  through  all 
Europe!"  &c.  &c.  In  December  King  Lear  was  attacked.  On  18  March 
1841  at  the  Benvenuto  Cellini  overture  the  snarl  became  a  howl.  The 
music  was  "unmitigated  veritable  rubbish,  beyond  the  redemption  of  any 
second  hearing,  or  hundredth  hearing".  This  newspaper  began  respectably 
with  the  Novellos  in  1836,  afterwards  changed  hands  often,  rose  and  fell, 
was  at  times  noticeable  for  a  pert  facetiousness  and  a  raving  Philistinism, 
guided  musical  opinion  for  some  quarter-century,  died  finally  in  1891. 
Apparently  the  editor  in  1840 — 1841  was  George  Macfarren,  the 
father  of  G.  A.  Macfarren  the  composer. 

The  "Athenaeum",  also  a  weekly,  (1828  to  date),  is  a  different  matter; 
England's  chief  tower  of  learning  in  all  branches,  with  a  musical  niche  and 
one  in  charge.  Its  musical  critic  1833  to  1868  was  Henry  Fothergill 
Chorley  (1808—1872).  If  the  highest  test  of  musicianship  is  to  know 
at  the  first  shock  what  is  good  and  what  is  bad,  Chorley  was  no  musi- 
cian at  all;  rather  one  of  those  misfits  whom  an  accident  has  placed  on 
the  seat  of  judgment  like  Abou  Hassan.  He  was  consistent  however  in 
his  opinionative  ignorance,  and  having  prostrated  himself  before  Mendels- 
sohn determined  for  the  remaining  40  years  of  his  life  that  there  was  no 
other  contemporaneous  or  subsequent  composer.    In  short,  the  complacent 


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318  Charles  Maclean,  Berlioz  and  England. 

friend  of  assured  success,  he  was  the  incarnation  of  prejudice  and  the 
deadly  foe  of  struggling  genius.  And  he  was  albeit  a  strong  writer. 
He  took  no  notice  of  the  Berlioz  pieces  till  Francs  Juges  was  played  by 
Musard;  then  on  28  November  1840  he  made  a  heavy  attack  denying 
any  genius  to  the  composer.  Of  Benvenuto  Cellini  at  the  Philharmonic, 
he  said  "the  principal  subjects  are  petty  and  trite,  and  their  mutual 
connection  darkly  mysterious".  One  would  have  thought  those  clear  power- 
ful themes  could  have  pierced  the  ear  even  of  a  Catadupe  of  the  Nile. 

Daily  papers  now  predominant,  were  then  subordinate,  in  musical 
criticism.  However  the  "Times"  of  16  March  1841  turned  some  phrases 
after  the  Philharmonic  concert.  It  was  "obvious  that  Berlioz  though  a 
clever  and  sometimes  highly  imaginative  composer,  has  not  genius  enough 
to  sustain  that  extravagance  and  wildness  which  form  the  leading  character 
of  all  his  pieces". 

After  1841  came  a  lull.  Then  Berlioz,  with  6  overtures  and  3  sym- 
phonies in  his  portfolio,  —  indeed  he  had  almost  closed  his  career  as  a 
concert-orchestral  writer  —  sought  a  second  hearing  from  the  Philharmonic. 
The  changeable  "Musical  World"  on  9  March,  6  April,  &c.  had  para- 
graphs to  that  object  for  the  "highly  prized  French  composer".  But  the 
Viellards  mtetes  of  the  Philharmonic  (Correspondance  Inedite,  1819—1868, 
page  168)  would  not  be  tempted. 

In  1844  the  Voyage  Musical  appeared.  Here  at  length  was  the  best 
opportunity  for  Chorley.  The  "Athenaeum"  of  14  December  1844  has 
5  long  columns  overflowing  with  an  inexhaustible  rancour,  noting  how  a 
composer  whose  "new  orchestral  effects  were  baroque  rather  than  beau- 
tiful" had  issued  an  "outrageous  manifesto  of  vanity".  And  so  on. 
Chorley  belonged  to  that  class  of  writers  common  enough  during  a  great 
part  of  the  Victorian  era,  who  not  having  a  scintilla  of  genius  in  their 
own  composition  were  totally  unable  to  realise  its  presence  in  another, 
whose  enthusiasms  were  of  the  head,  and  whose  hostilities  were  mere 
stiff-neckedness.  He  could  not  see  into  Berlioz'  musical  genius,  so  could 
not  understand  the  resulting  childlike  ingenuousness  mixed  with  brilliant 
skill  and  wit  of  the  literary  work. 

Still  practically  Berlioz  was  dead  to  England  from  1841  till  1847, 
after  the  Russian  and  German  tour.  How  he  then  missed  an  appoint- 
ment at  the  Paris  Grand  Opera,  and  took  one  in  England  from  Jullien 
(become  Jullien  and  Co.,  210  Regent  Street),  is  a  well-known  story.  The 
understanding  between  the  English  and  French  nations  was  threatened 
by  the  Spanish  marriages,  and  on  24  February  1848  a  republic  replaced 
Louis  Philippe.  With  these  troubles  in  the  air  Berlioz  even  thought  to 
settle  in  England. 

On  19  August  1847  at  41  Rue  de  Provence,  Paris,  he  draws  up  in 


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Charles  Maclean,  Berlioz  and  England.  319 

his  own  hand  3  agreements  with  Jullien,  who  was  apparently  there,  for 
Berlioz  writes  to  the  Grand  Opera  direction  on  same  day  on  Drury  Lane 
official  stationery.  One  agreement  was  for  6  years  (terminable  yearly  by 
Jullien  only)  to  conduct  Opera  in  English  at  Drury  Lane  Theatre,  at 
£  400  a  quarter.  A  second  for  a  month  of  concerts,  salary  £  400  and 
expenses.  A  third  for  an  opera  to  libretto  by  Royer  and  Vaes,  £  800 
in  8  instalments  according  to  number  of  performances. 

Berlioz  visited  la  Cote.  Then  to  London  on  6  November  1847,  in- 
stalled by  Jullien  in  76  Harley  Street. 

On  10  November  1847  he  writes  to  the  instrumentalist  Tajan-Roge 
in  St.  Petersburg  (Oorrespondance,  148),  Jullien  "a  d6]k  fait  sa  fortune 

et  il  s'est  mis  en  t§te  de  construire  la  mienne Mais  la  foi  me 

manque".  On  16  November  Jullien  played  his  Weber  Invitation  arrange- 
ment at  Drury  Lane  Promenades.  On  30  th  he  writes  hopeful  to  com- 
poser-critic Auguste  Morel  (Oorrespondance,  153). 

On  6  December  1847  Jullien  opened  Drury  Lane  Opera  in  English 
with  Donizetti's  Lucia  di  Lammermoor,  and  a  Ballet  Le  Gtinie  du  Globe; 
conductor  Berlioz,  chorus-master  Maretzek;  "Lucy  Ashton"  Madame 
Dorus-Gras.  Press  very  civil  to  Berlioz  as  conductor.  On  8th  another 
letter  to  Morel.  On  20  December  Balfe's  new  Maid  of  Honour.  On 
10  January  1848,  Donizetti's  Linda  di  Ckamounix.  On  20  February, 
Mozart's  Figaro.    That  was  the  whole. 

On  the  14  January  1848,  third  letter  to  Morel,  with  disillusion- 
ment. Of  Jullien,  uCe  n'est  pas  Ventreprise  de  Drury-Lane  qui  a  renverst 
sa  fortune;  elh  6tait  d6ja  dtfruite  avant  Vouverture" .  But  the  Drury 
Lane  receipts  were  less  than  £  100  a  night.  Jenny  Lind  had  absorbed 
attention  at  "Her  Majesty's".  In  fact  only  the  chorus  and  orchestra  were 
paid.  On  29tb  a  letter  to  General  Alexis  von  Lvoff  at  St.  Petersburg, 
showing  that  he  had  one  eye  too  on  settlement  in  Russia. 

And  now  came  the  fateful  day.  Berlioz  for  the  first  time  conducting 
his  own  works  in  London,  on  Monday  7  February  1848;  an  instrumental 
and  vocal  concert  at  Drury  Lane  Theatre.  There  were  performed  Carna- 
val9  Harold,  extracts  from  Faust,  Cellini  overture,  Requiem,  and  Triumphal 
Symphony.  Four  hours.  The  house  was  largely  "papered",  but  enthusias- 
tic. He  gives  his  own  account  in  letter  to  Morel  dated  12  February 
1848  (Oorrespondance,  164),  "Ma  musique  a  pris  sur  le  public  anglais 
comme  le  feu  sur  une  trainee  de  poudre".  The  press  bears  this  out. 
The  chief  London  musical  critics  then  were:  —  for  "Atheneum",  H.  F. 
Chorley  aforesaid;  "Musical  World",  Michael  Desmond  Ryan  (1816  to 
1868);  "Times",  James  William  Davison  (1813—1885);  "Daily  News", 
the  father-in-law  of  Dickens,  George  Hogarth  (1783-1870);  "Atlas", 
Edward  Holmes  (1797—1859);  "Illustrated  London  News",  Charles  Lewis 


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320  Charles  Maclean,  Berlioz  and  England. 

Gruneisen  (1806—1879);  Davison  and  Gruneisen  honourably  took  the 
lead  in  Berlioz'  favour.  The  "Illustrated  London  News"  criticism  on 
12  February  1848  (with  portrait  in  another  column)  is  really  admirable. 
The  rest  followed.  Even  Chorley,  cowed  by  superior  force,  covered  up 
a  partial  surrender  in  the  intolerably  pompous  and  lengthy  sentences 
which  in  those  days  veiled  thought. 

On  the  22  February  1848  he  was  toasted  at  the  dinner  of  the  Royal 
Society  of  Musicians  at  Freemasons'  Hall  in  Great  Queen  Street, 
Bloomsbury. 

An  effort  was  made  to  rouse  the  Philharmonic.  But  they  remembered 
only  Charles  Lucas  and  the  Cellini  overture  in  1841,  and  were  obstinate. 
Costa  was  conductor.  See  the  letter  of  15  March  1848  to  Joseph 
D'Ortigue  of  the  "Ddbats"  (Correspondance,  166),  and  "Musical  World" 
of  22  April  1848. 

Jullien  was  declared  bankrupt  on  21  April  1848.  The  second  Berlioz 
concert  was  on  29  June  1848  at  Hanover  Square  Rooms,  with  almost  the 
same  programme  as  before.     Most  enthusiastic  audience  and  Press. 

Then  the  musical  season  came  to  an  end.  On  July  1  1848  Charles 
G.  Rosenberg  writes  a  letter  to  "Musical  Worldr  deploring  the  Phil- 
harmonic behaviour.  On  10  July  Berlioz  himself  sends  a  letter,  in  French, 
to  such  papers  as  will  print  it  On  16  July  he  returns  to  France.  Alas, 
Berlioz'  father  died  at  la  Cote  on  the  26  th;  and  missing  the  news  of  his 
illness  Berlioz  could  not  go  to  embrace  him. 

The  "Musical  Times"  of  1  August  1848,  now  enlarging  itself  and 
taking  first  steps  as  a  news-organ,  inserts  a  happily-worded  valediction. 
"A  great  original  mind  has  gone  from  amongst  us,  with  but  scant  greet- 
ing and  recognition  of  his  genius  from  our  countrymen",  Ac.  Then  it 
compares  the  case  of  the  Philharmonic  orchestra  having  laughed  at  the 
opening  bars  of  Beethoven's  C  minor  Symphony  on  first  playing.  But 
really  within  artistic  circles,  and  always  excepting  the  Philharmonic  coterie, 
Berlioz  had  had  excellent  reception.  It  was  here  in  the  loitering  life  of 
London,  after  Jullien  had  done  with  him,  that  he  began  the  re-construction 
of  his  press-contributions  into  the  "Memoirs". 

As  to  fresh  autobiographical  writing,  Berlioz  mostly  gave  it  up  after 
1848.  And  there  is  also  very  little  about  him  in  the  English  Press. 
On  12  November  1850  he  teased  his  acquaintance  with  that  harmless 
mystification  or  Chattertonism  at  the  Salle  Sainte-C^cile.  The  story  is 
told  at  length  in  a  letter  to  Ella  (Grotesques  de  la  musique^  1859,  page 
167).  In  1851  he  was  made  a  musical  juror  representing  France  at  the 
Hyde  Park  Great  Exhibition,  opened  l8t  May  to  celebrate  a  half-century 
of  peace.  His  duties  to  help  to  adjudicate  prizes  in  Class  X  for  musical 
instruments.     For  attending  jury-meetings  he  often  came  over.    His  lodg- 


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Charles  Maclean,  Berlioz  and  England.  321 

ing,  27  Queen  Anne  Street,  Cavendish  Square.  From  London  he  sent 
to  the  "Journal  des  Debate"  brilliant  letters  on  all  sorts  of  English  musical 
things,  side  by  side  with  letters  from  Michel  Chevalier  and  John 
Lemoinne.  On  5  June,  1851,  he  heard  6,500  Charity  Children  sing 
"Old  Hundredth"  &c.  at  St.  Paul's,  and  was  impressed  as  Haydn  had 
been  59  years  before  (letter  to  Joseph  d'Ortigue,  21  June  1851).  Among 
the  jurors  of  Class  X  were  Bishop  (chairman),  Sterndale  Bennett, 
Neukomm,  Potter,  Smart,  Thalberg,  Wylde.  The  last-named, 
Henry  Wylde  (1822 — 1890),  was  a  pianist,  organist,  and  composer,  pro- 
fessor at  the  Royal  Academy  of  Music,  and,  without  any  particular 
musical  qualifications,  ambitious.  Attached  to  the  jury  was  also  a  barrister- 
musician  Thomas  Willert  Beale  (1828 — 1863),  member  of  Cramer  and  Co. 
Wylde  and  Beale  projected  a  "New  Philharmonic"  for  more  modern 
purposes  than  the  Old,  and  took  Berlioz  into  counsel.  With  Wylde, 
3  other  guarantors  appeared,  —  Sir  Charles  Fox,  Mr.  Thomas  Brassey, 
Mr.  Morton  Peto. 

The  "New  Philharmonic''  was  launched  by  Cramers,  January  1852. 
Conductor  Berlioz,  first  violin  Sivori,  principal  violoncello  Piatti. 
Object  orchestral  and  vocal  work.  Locale  Exeter  Hall.  Though  Liszt 
mounted  Bmvmuto  Cellini  at  Weimar  on  20  March  1852  (first  time  at 
Paris  on  3  September  1838),  yet  Berlioz  could  not  be  there,  as  opening 
London  concert  was  24  th  March.  Hereat,  the  first  4  movements  of  Bomdo, 
with  translation  by  George  Linley  (1798 — 1865).  Again  by  desire  at 
the  3rd  Concert  on  28th  April.  On  this  occasion  Madame  Pleyel  (the 
"Ariel"  of  1832)  played  Weber's  Concertstiickf  and  complained  to  the 
Committee  that  Berlioz  bungled  the  accompaniments.  Strangest  meeting ! 
The  2nd  part  was  selections  from  Vestale,  and  the  widow  Spontini 
(daughter  of  J.  B.  Erard)  attended  from  Paris,  and  presented  her  hus- 
band's baton  to  Berlioz.  At  the  4  th  Concert  on  12  th  May  was  a  pheno- 
menally good  performance  of  Beethoven's  9th  Symphony;  principals,  Clara 
Novello,  Martha  Williams,  Sims  Reeves,  Staudigl;  there  had  been 
7  full  band  rehearsals,  besides  sectional  rehearsals.  At  the  5  th  Concert 
Francs  Juges.  At  the  6  th  and  last  Concert  on  9tu  June,  the  9  th  Sym- 
phony again  and  extracts  from  Faust.  In  all  these  cases  Berlioz  was 
received  with  enthusiasm.  The  "Athenaeum"  as  usual  carked  in  lengthy 
periods.  It  must  be  admitted  that  the  critic  seemed  to  think  it  part  of 
his  business  to  make  himself  disagreeable  all  round.  George  Linley 
had  a  revenge  later  in  1862  in  his  metrical  satire  "Musical  Cynics  of 
London '  (Bubb),  directed  against  the  cant  of  musical  criticism,  and  chiefly 
against  Chorley,  and  "the  malignant  ravings  of  this  worthy  for  twenty 
years  past".  It  was  in  the  same  year  that  Chorley  brought  out  his  own 
Memoirs,  now  only  used  by  journalists  in  search  of  references. 

S.  d.I.M.    v.  21 


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322  Charles  Maclean,  Berlioz  and  England. 

The  four  guarantors  had  to  pay  a  heavy  call  for  deficit,  and  Berlioz' 
rehearsals  were  doubtless  expensive.  But  still  it  looks  also  as  if  Wylde 
was  edging  towards  getting  the  Society  to  himself  and  his  own  worthless 
compositions.  Berlioz  was  not  invited  for  1853.  On  the  other  hand  two 
other  doors  opened  to  him,  and  to  conduct  in  these  two  cases  he  came 
over.  The  real  Philharmonic  at  Hanover  Square  Rooms  on  30  May  1853 
played  Harold  (Sainton  viola),  the  Carnaval  overture  or  orchestral  trans- 
cription of  "  Venez,  venex,  peuple  de  Rome"  in  Act  II  of  Cellini,  and  the 
Repos  de  la  Sainte  FamiUe  (Gardini  tenor,  without  chorus),  from  Act  II 
of  Enfance  du  Christ.  The  "Royal  Italian  Opera,  Covent  Garden", 
successful  and  supersessive  rival  to  "Her  Majesty's  Theatre,  Haymarket", 
since  1846,  was  encouraged  by  the  1852  success  at  Weimar  to  mount 
Benvenuto  Cellini,  on  25  June  1853;  Tamberlik  as  Cellini,  Julienne- 
Dejean  as  Teresa,  Tagliafico  as  Fieramosca,  Nantier-Didi^e  as 
Ascanio  The  cult  of  operarsingers  in  London  was  then  just  like  the 
cult  of  race-horses,  a  thing  which  it  was  fashionable  to  be  knowing  about; 
there  was  scarcely  a  pretence  of  any  discriminating  love  of  opera-music 
for  its  own  sake.  The  Italian- opera  frequenters,  distinct  from  the  concert- 
goers,  would  not  listen  to  strains  so  wholly  alien  to  what  they  were  used  to. 
In  all  probability  also  there  was  an  active  cabal,  as  in  Paris  in  1838. 
This  noble  music,  which  opened  a  new  world  of  operatic  thought,  was 
hooted  off  the  stage  in  the  presence  of  the  Queen  and  Court.  The  Press 
tried  to  condone  a  failure.  It  was  a  mistake  that  they  were  not  admitted, 
as  usual,  to  rehearsal. 

A  Testimonial  Concert  at  Exeter  Hall,  in  reparation,  was  projected 
but  not  carried  out.  Berlioz  declined  both  that  and  the  proceeds  of  the 
subscription-list  in  cash.  For  these  matters  see  "Memoires",  Calmann 
L£vy,  1878,  vol.  H,  343.  Berlioz  wrote  letters  dated  8  July  1853,  and 
next  day  left  England  en  route  for  Baden. 

The  death  of  the  unhappy  Harriet  Constance  on  3  March  1854 
after  7  years  of  marriage  and  14  years  of  separation,  the  admirable  tri- 
bute given  by  Janin  in  the  "Journal  des  Debats"  (Memoires,  II,  338), 
do  not  perhaps  concern  this  narrative.  But  it  is  very  important  to  note 
Berlioz'  distractions  which  succeeded.  There  were  Hanover  and  Dresden 
in  April  and  May  1854;  then  the  pre-occupations  of  winding  up  his 
private  affairs;  then  his  application  for  seat  in  the  Institut  August  1854; 
then  the  re -marriage  in  October  1854;  then  the  arrangement  and  public- 
ation of  the  Tristia  choruses;  then  the  completion  of  the  oratorio-syllogy, 
Enfance  du  Christ,  and  its  production  on  10  December  1854;  then  concerts 
at  Gotha  and  Weimar  in  February  1855;  then  the  publication  of  L&io\ 
then  Brussels  in  March  1855;  then  the  production  of  the  Corsaire  in 
Paris  1  April  1855 ;  then  the  completion  of  Te  Deum  and  its  production 


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Charles  Maclean.  Berlioz  and  England.  323 

at  St.  Eustache  30  April  1855  (the  score  dedicated  to  Prince  Albert); 
then  Jury  duties  at  the  Paris  Exposition;  then  publication  of  Enfance 
du  Christ  (Part  H  dedicated  to  Ella) ;  lastly  composition  of  L'lmp&riale 
cantata,  brought  out  at  Exposition  on  15  November  1855.  Meanwhile 
he  was  engaged  for  the  New  Philharmonic  concerts  March  to  July  1855, 
and  actually  conducted  two  concerts  13  June  and  4  July. 

In  the  middle  of  this  prodigious  tale  of  activity,  in  December  1854, 
Costa  retired  from  the  Philharmonic.  The  conductorship  was,  through 
Sainton,  offered  to  Berlioz,  before  it  was  offered  to  Wagner.  But  BerKoz 
declined  owing  to  his  engagements. 

After  the  two  New  Philharmonic  concerts  of  1855  (Correspondance, 
230),  Berlioz  never  visited  England  again;  though  he  said  he  would  return 
that  winter,  and  the  next  year  he  wrote  liArt  du  Chef  tfOrchestre,  for 
incorporation  with  Novello's  English  translation  of  the  Traits  de  l'lnstru- 
mentation  (Mary  Cowden  Clarke).  Had  he  realized  the  paramount  im- 
portance of  stepping  into  the  Costa  vacancy,  had  he  joined  the  Phil- 
harmonic with  the  sobriety  and  graver  enlightenment  of  his  52  years, 
England  might  have  been  the  haven  of  his  afternoon  and  the  protector 
of  his  fame. 

He  had  been  over  now  5  times:  —  1847—1848  (Jullien),  1851  (Ex- 
hibition), 1852  (New  Philharmonic),  1853  (Philharmonic  and  Covent  Garden), 
1855  (New  Philharmonic).  He  had  made  himself  more  at  home  here  than 
most  foreigners,  certainly  more  than  Liszt  or  Wagner.  The  hurry  and 
distances  of  London  had  perplexed  him,  the  formality  of  an  English  club 
had  been  tiresome  to  him  (Correspondance,  154).  But  he  talked  a  little 
English,  perhaps  acquired  from  his  first  wife.  He  had  know  Osborne, 
Macready,  Ella,  in  Paris.  Sainton  was  his  friend.  He  was  fairly 
happy  in  contact  with  the  music-critics.  He  was  a  welcome  guest  at 
12  Savile  Row  with  Mrs.  (Harriet)  Grote,  daughter  of  a  Madras  Civil 
Servant,  wife  of  the  historian,  friend  of  Mendelssohn  and  Jenny  Lind, 
hostess  of  many  Frenchmen,  &c.  The  English  concert-going  public  was 
well  disposed  to  him.  And  Mendelssohn  had  been  dead  8  years.  Never- 
theless in  the  great  crush  of  his  work  this  opportunity  was  neglected  or 
laid  aside  in  a  napkin.  In  estimating  motives  too  one  must  recognise 
that  Berlioz  had  a  latent  deep  patriotism,  just  as  he  had  a  latent  deep 
sense  of  domestic  duty.  He  became  a  name  only  to  England  for  a 
quarter-century,  namely  15  years  of  his  remaining  life  and  10  years  after. 
There  is  a  couplet  on  Hercules  leaning  on  his  club,  "His  labours  done, 
Stands  like  a  sleeping  storm  Alcmena's  son".  That  is  how  one  would 
have  liked  to  figure  Berlioz  at  his  end,  and  not  as  a  man  given  over  to 
the  bitterness  of  exhaustion. 

And  here  let  it  be  interpolated  that  these  questions  of  domiciliary 

21* 


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324  Charles  Maclean,  Berlioz  and  England. 

support  have  nothing  whatever  to  do  with  musical  style.  Hueffer, 
otherwise  shrewd  enough,  devotes  many  pages  to  developing  the  following 
thesis:  —  "If  Berlioz  had  not  known  Shakespeare;  if  he  had  not  married 
an  English,  or  at  least  an  Irish  wife;  if  he  had  not  spent  much  of  his 
time  in  this  country,  he  would  certainly  not  have  been  Berlioz.  Perhaps 
he  would  have  been  Auber,  or  Meyerbeer,  or  a  mixture  of  both".  (Half 
a  century  of  Music,  1837 — 1887).  Such  remarks  stamp  Hueffer  as  a  very 
indifferent  musician,  if  a  good  writer.  Berlioz  read  Shakespeare  in  the 
translations  of  Ducis  and  Letourneur.  The  Shakespeare-cult^  the  Scott- 
cult,  the  self-destructive  Byronism,  in  the  Continent  of  those  jdays,  were 
merely  so  many  pegs  on  which  to  hang  a  general  romanticism,  for  each 
man  in  his  own  way.  That  they  made  a  foreign  art  in  any  sense  English, 
is  the  absurdest  of  contentions,  mere  essaydom.  Berlioz  formed  his  style 
in  his  first  two  or  three  works  and  never  departed  from  it.  And  so  far 
as  it  had  any  genesis  except  in  the  teeming  brain  of  its  author,  it  was 
patently  what  it  professed  to  be,  a  blend  of  the  French  classical  school 
and  Beethoven.  Musical  styles  are  formed  by  organic  laws  of  the  art, 
and  not  by  poetic  analogues,  however  interesting  those  may  be  to  musical 
critics. 

England  did  not  wake  again  to  any  further  notice  of  Berlioz  till  after 
the  impulse  given  first  by  Pasdeloup  and  secondly  by  Colonne  in  Paris. 
To  fill  in  the  gap,  it  need  only  be  mentioned  that  Chorley  continued 
to  attack  even  Berlioz'  literary  abilities  on  the  smallest  excuse.  On 
1  November  1856,  he  attacked  the  "Traite  de  V Instrumentation"  ;  en 
18  June  1859  "Grotesques  de  la  Musique";  on  7  February  1863  the 
"A  Travers  Chants".  On  9  April  1864,  he  recorded  Berlioz'  resignation 
of  the  "Ddbats",  dismissing  him  from  journalism  as  with  a  contemptuous 
kick.  By  the  time  of  Berlioz'  death  in  1869,  the  "Athenaeum"  was  rid 
of  this  insufferable  person,  who  must  have  done  it  much  harm.  Since 
about  1875  English  conductors  have  given  numerous  detached  perfor- 
mances (though  none  dramatic),  received  by  public  with  moderate  interest, 
followed  by  a  Press  more  educated  than  the  old.  The  protagonist  in  the 
English  revival  has  been  August  Manns  at  the  Crystal  Palace,  who  has 
done  4  symphonies,  8  overtures,  6  choral  works,  besides  small  pieces. 
The  following  is  a  list  of  "first  performances  in  England"  at  Crystal 
Palace  Saturday  Concerts:  —  10  Feb.  1877,  Beatrice  overture;  29  Oct. 
1881,  Ltlio;  3  June  1882,  Symphonic  Funebre;  26  May  1883,  Requiem; 
18  April  1885,  Te  Deum;  20  Nov.  1886,  Enfance;  2  March  1889,  Hamlet 
march;  7  March  1891,  Mort  d'OpMie  for  choir;  24  Febr.  1900,  Rob  Roy. 
Other  institutions  which  have  participated  are  Philharmonic,  Hal  Id  Band 
at  Manchester  [Symphonie  Fantastique  first  time  in  England  9  January 
1879),   Richter  Concerts,    Bach  Choir,    Henry  Wood's    Queen's  Hall 


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Charles  Maclean,  Berlioz  and  England.  325 

Orchestra,  Dan  Godfrey's  Bournemouth  Symphony  Concerts.  Carl  Rosa 
announced  Benvenuto  Cellini  in  1882  (following  Billow  at  Hanover  in 
February  1879),  and  Wm.  Grist  had  prepared  the  English  translation, 
but  performance  did  not  take  place. 

The  following  may  be  taken  as  an  approximately  complete  English 
bibliography  of  Berlioz.  Contributions  to  daily  and  weekly  press  are  not 
included  unless  special. 

1852.  "The  Great  Exhibition  in  1861."  Longmans.  Crown  8vo. 
pp.  630.  Reprint  of  Essays  from  the  "Times",  mostly  by  Lardner.  Con- 
tains also  translation  of  3  Letters  of  Berlioz  to  the  "Journal  des  DSbats", 
about  English  musical  institutions. 

1875.  Biographical  article  on  "Berlioz",  then  6  years  dead,  in  Ency- 
clopaedia Britannica,  by  Francis  Hueffer  (1843 — 1889),  musical  critic  to 
"Times"  from  1878  to  1889.  In  well  -  restrained  style  and  judicious 
matter. 

1878.  Lecture  by  G.  A.  Osborne,  the  pianist,  on  Berlioz,  before  Mu- 
sical Association  on  3  Feb.  1879.  In  the  Proceedings  for  1878 — 1879. 
Light  gossip. 

1880.  Article  on  "Berlioz",  in  Grove's  Dictionary  of  Music,  by  Edward 
Dannreuther.  "Written  from  the  best  musician's  point  of  view,  but  far 
from  full. 

1882.  "The  Life  and  Letters  of  Berlioz.  Translated  from  the  French." 
By  H.  Mainwaring  Dunstan.  Remington.  2  vols.  12 mo.  pp.  719.  No 
publisher's  or  translator's  preface,  to  show  what  is  meant  by  "from  the 
French".  Analysis  shows  it  to  consist  of  translations:  —  (a)  Of  Daniel 
Bernard's  "Notice  sur  Berlioz"  and  " Correspondance  In6dite  de  Hector 
Berlioz,  1829—1868",  Calmann  Levy,  1879.  (b)  Of  13  letters  to  different 
people  offered  now  apparently  for  translation  direct  from  Madame  Erard  and 
Messrs.  Colongeon,  Laurent,  de  Fourcaud,  &c.  (c)  Of  "Hector  Berlioz, 
Lettres  intimes"  (a  Humbert  Ferrand),  Calmann  Levy  1882,  without  the  Gou- 
nod preface. 

1883.  "Hector  Berlioz."  By  Joseph  Bennett.  Novello,  Ewer  and  Co. 
Demy  8vo.  pp.  127.  One  of  Novello's  Primers  of  Musical  Biography,  the 
others  being  Cherubini,  Chopin,  Meyerbeer,  Rossini,  by  same  author.  Jo- 
seph Bennett  is  musical  critic  of  "Daily  Telegraph".  Book  is  written  with 
singular  good  sense,  but  has  little  about  the  London  visits. 

1883.  Account  of  the  "Requiem",  in  the  "Musical  Review"  of  26th  May, 
by  C.  A.  Barry.  The  same  being  performed  that  day  by  Manns  at  Cry- 
stal Palace,  the  first  time  in  England. 

1883.  Article  on  Berlioz  by  "L.  E."  in  October  number  of  "Temple 
Bar".     Poor;  but  written  by  one  who  knew  him. 

1884.  "Autobiography  of  Hector  Berlioz,  Member  of  the  Institute  of 
France.  From  1803  to  1865.  Comprising  his  Travels  in  Italy,  Germany, 
Russia,  and  England.  Translated  by  Rachael  (Scott  Russell)  Holmes,  and 
Eleanor  Holmes."     2  vols.    Macmillan.    Demy  8vo.     pp.  747.    Here   again 


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326  Charles  Maclean,  Berlioz  and  England. 

no  Translator's  Preface,  and  reader  left  to  discover  that  it  is  a  translation 
of  the  "MSmoires  de  Hector  Berlioz,  &c",  Galmann  Levy,  1878.  These  publi- 
cation^ reticences  or  obfuscations  are  to  be  regretted. 

1886.  Translation  of  Rich.  PohTs  account  of  the  Benvenuto  Cel- 
lini revival  at  Mannheim  and  Carlsruhe,  in  issues  of  22  and  29  May  of 
"Musical  World". 

1889.  "Half  a  century  of  music  in  England,  1837—1887.  Essays  to- 
wards a  history."  By  Francis  Hueffer.  Chapman  and  Hall.  Royal  8vo. 
pp.  240.  Three  essays  on  Wagner,  Liszt  and  Berlioz  in  England,  of  which 
pp.  90  for  Berlioz.     Noticed  above.     It  is  a  clever  work. 

1890.  Account  of  Les  Troy  ens  at  Carlsruhe,  in  13th  and  20th  De- 
cember issues  of  "Musical  World". 

1893.  "Studies  in  Modern  Music.  Berlioz,  Schumann,  Wagner.  By 
W.  H.  Hadow,  M.  A.,  Fellow  of  Worcester  College,  Oxford."  London. 
Seeley  and  Co.  Demy  8vo.  The  essay  on  Berlioz  is  in  the  best  literary 
style.  It  contains  an  especially  good  Smithson  likeness,  photograph-engrav- 
ing from  Dubufe's  oil  portrait. 

1901.  The  "Contemporary  Review"  for  February  has  a  good  critical 
notice  on  Berlioz  by  Ernest  Newman. 

1901.  Article  in  "Musical  Standard",  of  26th  October,  by  C.  F.  Kenyon, 
in  spirited  defence  of  the  "Memoires"  as  an  "indisputably  immortal 
work." 

1901.  "Master  Singers."  Appreciations  of  Music  and  Musicians.  With 
an  essay  on  Hector  Berlioz.  By  Filson  Young.  Reeves.  Demy  8vo. 
pp.  202.  Of  this,  62  pp.  are  given  to  Berlioz.  Though  by  a  clever  and 
successful  young  musician -journalist,  must  be  pronounced  a  very  weak  im- 
pressionism; and,  as  illustrating  an  irresponsible  school  of  criticism  probably 
more  harmful  than  abuse,  deserves  special  notice.  For  history  take  this:  — 
"After  having  spent  a  few  years  in  London  as  conductor  of  the  Co  vent 
Garden  Opera  and  Director  of  the  Philharmonic  Concerts,  be  returned  to 
France  and  died  there."  For  critical  judgment  take  these:  —  "He  was  but 
accidentally  a  musician."  "A  moderate  talent  for  inventing  tunes."  "I  know 
of  nothing  more  abominable"  (than  the  Nubian  dance  in  Troyensj  "in  written 
music".  "The  Grand  Traite*  de  Instrumentation  was  by  far  the  greatest 
achievement  of  its  author."  .!)  The  beautiful  revelation  of  Berlioz'  heart  at 
the  close  of  his  life  is  commended  in  a  qualified  way,  but  called  "half 
senile". 

1902.  Translation  of  new  Berlioz  correspondence  of  1828  in  "Musical 
News"  of  9th  August. 

1902.  Translation  of  Weingartner's  "Post- Beethoven  Symphonists"  in 
"Musical  Standard."  The  portion  regarding  Berlioz  in  issues  of  6th  and 
20th  September. 

1902.  Translation  of  Liszt's  Correspondence  with  the  Princess  Sayn- 
Wittgenstein  in  "Musical  News".  In  issue  of  8th  November  Liszt's  pathetic 
description  of  Berlioz  in  his  concluding  days.     "He  is  in  fact  without  friend 


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Charles  Maclean,  Berlioz  and  England.  327 

or  partizan,  and  knows   neither   the  sunlight  of  public  favour  nor  the  sweet 
shade  of  intimacy.'1 

1903.  ^French  Music  in  the  Nineteenth  Century. "  By  Robert  Hervey. 
Grant  Richards.  Crown  8vo.  pp.  319.  Berlioz  is  ably  treated  by  one  well 
acquainted  with  France,  musical  critic  of  "Morning  Post". 

1903.  "Berlioz  in  Russia"  in  "Monthly  Musical  Record"  of  1st  July, 
by  Rosa  Newmarch.  Contains  new  correspondence,  new  side-lights,  &c. 
Authoress  thinks  it  a  fallacy  about  genius  understanding  genius,  but  Berlioz 
and  Glinka  "understood  each  other  as  only  fellow-sufferers  can". 

1903.  "Berlioz  in  England.  A  Centenary  Retrospect."  By  F.  G.  Ed- 
wards. In  July,  August,  October  and  November  numbers  of  "Musical 
Times".     Very  graphic. 

It  will  be  seen  that  the  chief  original  English  monographs  so  far  are 
Bennett  (1883),  Hueffer  (1889),  Hadow  (1893),  Edwards  (1903);  each 
with  special  merits. 

Programme  analyses,  foreshadowed  by  Ella,  developed  with  great 
brilliancy  by  Grove  at  Crystal  Palace,  are  an  important  feature  of  Eng- 
lish musical  publication.  Following  are  dates  in  Crystal  Palace  Saturday 
Concert  programmes  where  are  found  the  best  notices  on  Berlioz'  works; 
all  by  C.  A.  Barry.  The  same  writer  made  the  first  vocal  score  of  the 
Te  Deum  (Stanley  Lucas),  and  arranged  the  Beatrice  and  Benedict  over- 
ture for  4  hands  (Bote  and  Bock):  —  10  Feb.  1877,  Beatrice  overture; 
20  Nov.  1880,  Pas  des  Lutteurs  et  Marche,  Troyens;  3  June  1882,  Sym- 
phonic Funebre;  13  Oct.  1883,  King  Lear;  1  Dec.  1883,  Requiem;  1  Nov. 
1884,  Corsaire;  12  April  1885,  Te  Deum;  27  Feb.  1886,  Ballet,  Troyens; 
20  Nov.  1886,  Enfance;  12  Nov.  1887,  Ltlio;  22  Feb.  1890,  Carnaval; 
6  Dec.  1890,  Waverley;  7  March  1891,  Hamlet  Funeral  March,  and 
Death  of  Ophelia;  7  Nov.  1891  Fantastic  Symphony;  25  April  1891 
Cellini  overture;  15  April  1893  Faust;  18  Nov.  1893  Harold;  15  Dec. 
1894  Borneo;  23  March  1895  Francs  Juges;  24  Feb.  1900  Rob  Roy. 

The  following  works  of  Berlioz  have  never  been  translated  in  Eng- 
lish: —  Soirees  d'orchestre  (Michel  L6vy),  Grotesques  de  la  Musique  (ditto), 
A  travers  chants  (ditto). 

The  best  argument  for  the  greatness  of  Berlioz  is  that  it  is  35  years 
since  his  death,  50  years  since  his  zenith,  75  years  since  he  formed  his 
style;  and  that  his  works  are  now  played  as  some  new  thing  to  be  gra- 
dually got  accustomed  to.  His  case  is  only  exceeded  by  that  of  J.  S.  Bach, 
whose  fame  lay  dormant  a  century.  The  world  is  not  interested  in  ob- 
serving the  fact,  and  so  does  not  observe  it;  but  it  is  nevertheless  as  true 
as  the  sun  and  moon,  that  originality  alone  produces  these  long  survivals. 
So  that  it  is  either  playing  with  words,  or  irrelevance,  to  describe  Berlioz 
as  "by  accident  a  musician".    As  to  his  having  no  melody,  each  school 


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328  Charles  Maclean,  Berlioz  and  England. 

makes  its  own  definition  of  what  that  is.  Berlioz'  melody  is  certainly 
not  in  the  chopped-hay  style  of  2-bar  rhythms;  but  what  for  instance  is 
uLes  P&erins  dtant  venus"  (Repos)  but  a  melody,  and  a  beautiful  one, 
45  bars  long?  His  method  of  work  compelled  him  to  think  in  melodies, 
and  the  world  will  sooner  or  later  find  out  what  the  instinct  of  Schumann 
and  Liszt  assimilated  at  the  first  glance.  The  days  of  mole-blinds  such 
as  Scudo  and  Chorley  are  gone.  Nothing  is  wanted  but  an  organized 
movement  to  put  in  his  proper  place,  in  a  world  more  and  more  ready 
to  receive  him,  this  real  genius  of  the  first  order,  this  incomparable 
master. 


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0.  G.  Sonneck,  Nordamerikanische  Musikbibliotheken.  329 

Nordamerikanische  Musikbibliotheken. 

Einige  Winke  fttr  Studienreisende 


0.  G.  Sonneck. 

(Washington.) 


Man  mufi  Herrn  Dr.  Botstiber  Dank  wissen  fur  seinen  Aufsatz  »Musi- 
calia  in  der  New  York  Public  Library «  (Sammelband  IV,  4).  Es  ist  ein 
wertvoller  Beitrag  zur  Bichtigstellung  landlaufiger  europaischer  Ansichteu 
iiber  das  amerikanische  Musikleben.  Nur  zweierlei  stort  in  seinen  Be- 
merkungen:  erstens  der  einseitige  alt-historische  Standpunkt  und  zweitens 
die  TJbergehung  der  amerikanischen  Musikliteratur. 

Letztere,  namentlich  die  des  achtzehnten  Jahrhunderts,  bietet  zwar  keine 
kiinstlerischen  Reize,  aber  sie  ist  wichtig  fur  die  Entstehungsgeschichte  des 
amerikanischen  Musiklebens.  Mithin  darf  ein  Schriftsteller,  der  sich  die 
Aufgabe  stellt,  etwas  Licht  auf  die  Bibliographie  zu  werfen,  nicht  achtlos 
an  ihr  vorbeigehen.  Zum  Beispiel  hatte  Dr.  Botstiber  wenigstens  ein 
amerikanisches  Druckwerk  erwahnen  miissen,  namlich  James  Lyon's  psalm- 
tune  collection  Urania  (Philadelphia,  1761).  Hatte  er  gewuflt,  dafi  das 
Exemplar  in  der  New  York  Public  Library  aus  gewissen  Griinden  den  Aus- 
gangspunkt  bilden  mufi  fiir  die  bibliographische  GeBchichte  dieser  merkwiir- 
digen  Sammlung,  so  hatte  er  zweifellos  » Urania «  in  seinem  Aufsatze  er- 
wahnt.  Kurz,  wer  amerikanische  Musiksammlungen  studiert,  darf  sein 
Augenmerk  nicht  allein  auf  europaische  Musikalien  usw.,  die  ihren  "Weg 
hierher  gefunden  haben,  rich  ten,  sondern  mufi  auch  die  amerikanische  Lite- 
ratur,  die  ja  gerade  in  Europa  so  gut  wie  unbekannt  ist,  beriicksichtigen. 

Ferner  liegt  der  Schwerpunkt  unserer  bffentlichen  Sammlungen  durchaus 
nicht  in  alter  Musik.  Das  Gegenteil  trifft  nur  bei  der  New  York  Public 
Library  zu,  deren  Bestand  aber  kaum  wachst  und  die  fur  moderne  Partituren 
und  theoretische  Werke  unverantwortlich  wenig  ausgibt.  Alle  Achtung  vor 
ihren  Schatzen,  wie  sie  in  dem  Aufsatze  beschrieben  wurden,  aber  davon 
allein  kann  der  studienbeflissene  Musiker  nicht  leben. 

Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dafi  wir  hier  in  der  Erwerbung  alter 
europaischer  Druckwerke  (15.  bis  J8.  Jahrhundert)  sehr  behindert  sind. 
Kommen  sie  auf  den  Markt,  so  sind  uns  die  europaischen  Sammler  stets 
einige  Wochen  in  ihrem  Angebote  voraus.  Sie  benotigen  solche  Werke,  um 
Lucken  auszufullen,  wir,  um  iiberhaupt  erst  einen  Grund  zu  legen,  und  darin 
liegt  der  wesentliche  TJnterschied.  Selbst  wenn  es  uns  gelange  aufzukaufen, 
was  auf  den  Markt  kommt,  wir  waren  doch  nicht  imstande,  uns  mit  dem 
British  Museum  oder  dem  Liceo  Musicale  in  Bologna  zu  messen,  was  alte 
Musik  anbetrifft.  Im  Laufe  der  Jahrzehnte  mag  es  uns  gelingen,  auch  in 
der  Beziehung  bedeutende  Sammlungen  aufzubauen,  wie  sie  die  New  York 
Public    Library    zum    Teil    schon    besitzt,    aber    das    hat   noch   gute  Weile. 


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330  0.  Gr.  Sonneck,  Nordamerikanische  Musikbibliotheken. 

Schliefilich  darf  man  nicht  vergessen,  dafi  der  inlandische  Kaufbewerb 
der  schnellen  Vereinigung  der  Kostbarkeiten  in  einer  Hand  im  Wege 
stent. 

Anders  liegen  die  Dinge,  wenn  man  das  neunzehnte  Jahrhundert  ins 
Auge  fafit.  Es  kann  ja  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafi  dies  in  der  Musik- 
geschichte  einen  Hohenzug  bedeutet.  Da  nun  der  Historiker  ohne  den 
Bibliothekar  auf  dem  Trockenen  sitzt,  ist  es  klar,  dafi  letzterer  die  Ver- 
pflichtung  hat  dem  Forscher  vorzuarbeiten.  Wehe  der  Bibliothek,  die  nicht 
beizeiten  die  aus  irgend  einem  Grunde  bemerkenswerten  Werke  des  ver- 
flossenen  Jahrhunderts  erwirbt.  Ihr  Ruf  hatte  nur  fur  Alt-Historiker  etwas 
Verlockendes,  der  Neu-Historiker  hingegen  wiirde  —  und  zwar  mit  vollem 
Rechte  —  die  Achsel  zucken. 

Das  klingt  selbstverstandlich,  aber  der  Laie  hat  geringe  Ahnung  von  den 
Schwierigkeiten,  die  sich  da  aufturmen.  Es  ist  leider  immer  der  Mammon, 
der  die  besten  Absichten  lahm  legtv  Ich  will  hier  nicht  bekannte  Dinge 
wiederholen,  aber  wie  kann  zum  Beispiel  die  Konigliche  Bibliothek  in  Berlin 
mit  einem  Etat  von  nur  2000  Mark  die  Musiksammlung  auf  einer  wurdigen 
Hohe  erhalten?  Es  ist  unmoglich,  und  man  soil  sich  daher  nicht  wundern, 
wenn  einige  der  jungen  amerikanischen  Sammlungen  bereits  anfangen,  soldi 
beriihmten  Anstalten  bedenklich  nahe  zu  kommen,  soweit  das  neunzehnte 
Jahrhundert  in  betracht  kommt. 

Indessen  ist  es  nicht  nur  der  resignierte  Blick  in  die  Vergangenheit  oder 
der  zielbewufite  Blick  in  die  Zukunft,  der  den  amerikanischen  Musikbiblio- 
thekar  dazu  treibt,  vorwiegend  das  neunzehnte  Jahrhundert  zu  pflegen,  viel- 
mehr  liegen  die  Dinge  tiefer.  Bei  uns  wird  Musikgeschichte  nur  popular, 
im  besten  Falle  popular-wissenschaftlich,  betrieben;  das  Hauptinteresse  des 
Kritikers,  Musikers,  Dilettanten  bewegt  sich  um  die  Gegenwart.  Nun  bringt 
es  die  eigentiimliche  Einrichtung  der  amerikanischen  Bibliotheken  und  die 
demokratische  Auffassung  von  ihrem  Wesen  und  Zweck  mit  sich,  dafi  zwischen 
Bibliothekar  und  Leser  ein  engerer  Austausch  von  Angebot  und  Nachfrage 
stattfindet  als  druben.  Wenn  ich  mich  etwas  iibertrieben  ausdriicken  soil, 
der  Beamte  mufi  hier  mehr  die  Interessen  des  Laien  als  die  des  Fachmannes 
wahren.  Sein  Herz  mag  am  wissenschaftlichen  Spezialisten  hangen,  aber  er 
hat  in  erster  Linie  das  Interessengebiet  des  allgemeinen  Leserkreises  zu  be- 
riicksichtigen,  und  den  Durchschnitts-Amerikaner  fesselt  die  Gegenwart  mehr 
als  alles  andere.  Ohne  diesen  Wechsel-EinfluB  ware  aber  der  ungeheuere 
Aufschwung  des  amerikanischen  Bibliothekswesens  garnicht  denkbar. 

Aufier  diesen  allgemeinen  Gesichtspunkten  werden  diejenigen,  die  wie 
Dr.  Botstiber  den  Mut  besitzen,  eine  mehrwochentliche  Studienreise  nach 
den  Vereinigten  Staaten  zu  unternehmen,  gut  tun,  ihr  Arbeitsfeld  planmaBig 
zu  besichtigen. 

Wie  iiberall  haben  auch  wir  staatliche,  stadtische,  private  und  Universi- 
tats-  und  Leihbibliotheken  so  wie  solche  historischer  und  musikalischer  Ge- 
sellschaften.  Die  groBte  Leihbibliothek  hierzulande  ist  meines  Wissens  die 
Tamm'sche  in  New  York.  Die  Firma  versorgt  alle  moglichen  Orchester 
und  Vereine  mit  Partituren  und  Stimmen,  aber  der  Inhaber  verrat  mehr 
Sinn  fur  Beldame  als  fur  Tatsachen,  wenn  er  behauptet  die  ilberhaupt  reich- 
haltigste  Musiksammlung  in  den  Vereinigten  Staaten  zu  besitzen. 

Was  an  seltenen  Drucken  im  Besitze  solch  alter  Familien  wie  die 
Hopkinson'sche  in  Philadelphia  ist,  entzieht  sich  vorlaufig  unserer  genauen 


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0.  Gk  Sonneck,  Nordamerikanische  Musikbibliotbeken.  331 

Kenntnis,  aber  sicher  wiirde  eine  Untersuchung  manch  ehrwiirdigen  Druck 
zu  Tage  fdrdern.  DaB  Musikschriftateller  wie  Henry  Edward  Krehbiel  in 
New  York  vorziigliche  Handbibliotheken  ihr  eigen  nennen,  versteht  sich, 
ebenso,  dafi  bei  ihnen  manche  Raritat  zu  fin  den  ist.  Dann  gibt  es  wicbtige 
Privatsammlungen,  die  ein  besonderes  Gebiet  umfassen,  so  zum  Beispiel  die 
des  Mr.  James  Warrington  in  Philadelphia.  Yor  vierzig  Jahren,  als  das 
Interesse  fair  derartige  Dinge  noch  sehr  gering  war,  fing  dieser  Herr  an,  alles 
zu  sammeln  was  auf  die  Entwicklung  der  psalmody  in  den  Vereinigten 
Staaten  vor  1820  Licht  wirft.  Heute  darf  seine  Sammlung  fur  einzig  gelten. 
Sie  umfaGt,  wenn  ich  mich  recht  erinnere,  7000  Nummern,  und  nur  der  ge- 
wiegte  Kenner  wird  nennenswerte  Liicken  bemerken.  Es  faCt  einen  beinahe 
der  Neid  an,  wenn  man  Mr.  Warrington's  Regale  voller  psalm-tune  collections 
aua  dem  18.  Jahrhundert,  englische  sowie  amerikanische,  besichtigt,  die  heute 
manchmal  bis  zu  100  Dollar  oder  mehr  bringen.  In  anderer  Weise  fast 
ebenso  bemerkenswert  ist  die  Partitur-Bibliothek  des  beruhmten  Kapellmeisters 
Theodor  Thomas.  Wenn  ich  nicht  irre,  hat  er  sie  der  TJniversitat  in 
Chicago  vermacht. 

In  eine  ahnliche  Gruppe  wie  die  letztgenannte  gehoren  die  Sammlungen 
der  Musikvereine.  Bedenkt  man,  dafi  die  Handel  and  Haydn  Society 
in  Boston  bereits  181 B  gegriindet  wurde  und  heute  noch  blunt,  so  kann 
man  sich  eine  ungetahre  Vorstellung  von  dem  Charakter  ihrer  Bibliothek 
machen.  Ahnliches  gilt  zum  Beispiel  von  der  New  York  Philharmonic 
Society  (1842),  von  der  Harvard  Musical  Association  (1837)  und  in 
engerem  Sinne  von  Anstalten  wie  dem  New  England  Conservatory  of 
Music.  Die  historischen  Gesellschaften  befassen  sich  natiirlich  nur  mit 
Americana,  und  zwar  nicht  mit  musikalischen.  Trotzdem  geraten  durch 
Schenkung  mehr  oder  minder  beachtenswerte  Sammlungen  alter  amerikanischer 
Drucke  in  ihren  Besitz.  So  erbte  die  Massachusetts  Historical 
Society  in  Boston  von  einem  Mr.  Latham  eine  wichtige  Bibliothek 
amerikanischer  psalm-tune  collections  aus  der  Feder  Josiah  Flagg's,  William 
Billing's,  James  Lyon's  und  vieler  anderer. 

Etwas  bedenklich  stent  es  um  die  Musiksammlungen  in  unseren  Colleges 
und  Universitaten.  Das  ist  um  so  bedauerlicher,  -als  die  angesehensten 
eigene  musikalische  Fakultaten  besitzen,  etwa  im  Sinne  europaischer  Konser- 
vatorien.  Ich  verzichte  auf  eine  Kritik,  um  mit  Nachdruck  wenigstens  auf 
zwei  bedeutende  TJniversitats-Musiksammlungen  hinzuweisen.  niimlich  die 
in  unseren  beiden  altesten  Hochschulen:  Harvard  (1666)  und  Yale 
'  (1701). 

Beide  legen  weniger  Gewicht  auf  alte  Musik,  Neudrucke  ausgenommen, 
als  auf  moderne,  und  beide  verfugen  iiber  ausgedehnte  Sammlungen  moderner 
symphonischer  Partituren.  Yale  ragt  aber  auf  gewissen  Slteren  Gebieten 
entschieden  hervor.  So  erbte  diese  TJniversitat  die  prachtvolle  Sammlung 
Lowell  Mason's,  der  die  einstmals  beriihmte  Bibliothek  des  Darmstadter 
Organisten  Rinck  mit  seiner  eigenen,  namentlich  auf  dem  Gebiete  der 
psalmody  reichen  Sammlung  vereinigte.  Ferner  hat  der  jiingst  verstorbene 
Bibliothekar  James  Sumner  Smith  mit  BienenfieiB  eine  ungemein  reich- 
haltige  Sammlung  von  Werken  iiber  das  Volkslied  aller  Volker  ausgebaut. 
Um  aber  Harvard  nicht  gar  zu  kurz  kommen  zu  lassen,  bemerke  ich,  dafi 
diese  Hochschule  auf  dem  Umwege  iiber  Malta  in  den  Besitz  von  etwa 
1400  handschriftlichen  italienischen  Librettos  von  Opera,  Oratorien,  Cantaten 


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332  0.  G.  Sonneck,  Nordamerikanische  Musikbibliotheken. 

usw.  aus  dem  18.  Jahrhundert  geriet,  die  wegen  ihrer  vielen  zeitgenossischen 
Randbemerkungen  von  besonderer  geschichtlicher  Wichtigkeit  sind. 

TJnter  den  offentlichen  Bibliotheken  steben  die  von  Herrn  Dr.  Botstiber 
bereits  bescbriebene  New  York  Public  Library,  die  Boston  Public 
Library,  die  Newberry  Library  in  Chicago,  sowie  die  Library  of  Con- 
gress in  Washington  an  erster  Stelle. 

Die  Newberry  Library  tr&gt  den  Namen  des  Millionars  Walter  Loomis 
Newberry.  Obwohl  dieser  1868  starb,  trat  wegen  allerlei  gesetzlicher 
Scbwierigkeiten  seine  Stiftung  erst  1887  ins  Leben.  Der  bekannte  Musik- 
scbriftsteller  George  P.  Upton  wurde  damit  beauftragt,  eine  musikalische 
Desideratenliste  zusammenzustellen.  Er  entledigte  sicb  seiner  Aufgabe  so 
geschickt,  dafi  die  Bibliothek  bereits  1889  fiber  1349  Bande  Musikalien 
verfligte.  Der  Oberbibliothekar  bemerkte  in  seinem  Berichte:  >Wenn  alle 
die  bestellten  Biicber  eingelaufen  sind,  wird  die  Musikabteilung  unsere  Starke 
sein  und  keine  andere  Bibliothek  unseres  Landes  wird  uns  in  der  Beziehung 
gewachsen,  geschweige  denn  fiber  sein*.  Er  hatte  alien  Grund  zu  dieser 
kfihnen  Behauptung;  denn  die  Newberry  Library  hatte  die  Sammlung  des 
Conte  Pio  Resse  aus  Florenz  erworben,  die  unter  vielen  anderen  Selten- 
heiten  enthielt:  Aiguino's  U  tesoro  illwminato  .  .  .,  1581;  Ho  bb  ett¥  b  LibeUus 
de  rudimmtis  musices]  Brunelli's  Scherxi,  arte  .  .  .,  1614;  und  die  auflerst 
seltene  Partitur  von  Peri's  Euridice,  1600.  Im  Jahre  1891  kam  durch 
Ankauf  Hubert  Maine's  Sammlung  von  amerikanischen  psalm-tune  collections 
usw.  hinzu,  die  fiber  3000  Nummern  umfafite  und  nur  von  der  des  er- 
wahnten  Mr.  Warrington  fibertroffen  wird.  Gleichzeitig.  wurden  nach  Kraften 
alle  Lficken  ausgefiillt  und  allerlei  Seltenheiten  aufgelesen,  zum  Beispiel 
Frezza  dalle  Grotte's  11  cantore  ecclesiastico  .  .  . ,  1698.  Im  folgenden 
Jahre  beliefen  sich  die  Neuanschaffungen  auf  nicht  weniger  als  7776  Nummern, 
deren  Mehrzahl  aus  der  Bibliothek  Otto  Lob's  stammte.  Durch  ihre  Er- 
werbung  kam  die  Newberry  Library  in  den  Besitz  einer  beneidenswerten 
Sammlung  von  modernen  Partituren.  Sie  verfligte  im  Jahre  1894  —  also 
sieben  Jahre  nach  ihrer  Grtindung  —  fiber  eine  Musikaliensammlung  von 
14675  Banden  und  Heften.  Seitdem  freilich  ist  sie  nicht  betrachtlich  ge- 
wachsen, doch  muB  es  ihren  Leitern  zur  Ehre  angerechnet  werden,  dafi 
sie  seinerzeit  das  einzige  Exemplar  des  Jenaer  L  iederh  an  dschrift -Facsimile 
erwarb,  das  nach  den  Vereinigten  Staaten  wanderte,  wie  der  Verleger 
versichert. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafi  die  Sammlung  der  Newberry 
Library,  alles  in  allem  genommen,  gleichmafiiger,  umfassender  und  viel  fort- 
schrittlicher  ist  als  die  in  der  New  York  Public  Library.  Soweit  die  Musik 
des  19.  Jahrhunderts  in  betracht  kommt,  gilt  das  vielleicht  in  noch  hoherem 
Grade  von  der  Boston  Public  Library. 

Diese  vortreffliche  Anstalt  verfugte  bereits  fiber  ansehnliche  Musikalien 
als  ihr  im  Jahre  1894  der  Musikenthusiast  Allen  A.  Brown  seine  reiche 
Sammlung  schenkte,  wobei  er  nur  zweierlei  zur  Bedingung  machte:  erstens, 
dafi  niemand  aufier  ihm  Musikalien  nach  Hause  nehmen  dfirfe,  und  zweitens, 
dafi  er  fortfahren  dfirfe,  Programme,  Kritiken  usw.  den  Banden  einzukleben. 
Die  Sammlung  zahlte  damals  6382  Bande  und  ihre  Starke  lag  auf  dem  Ge- 
biete  des  Mannerchors  und  der  modernen  Oper.  Auch  ist  erwahnenswert, 
dafi  Mr.  Brown  seit  seiner  Jugend  an  der  guten  aiten  Sitte  hangt,  eigeci- 
handig  Werke,  die  nur  in  Stimmen  erhaltlich  sind,  in  Partitur  zu  setzen. 


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0.  G.  Sonneck,  Nordamerikanische  Musikbibliotheken.  333 

Was  aber  die  Schenkung  fUr  das  Musikleben  Bostons  be  Bonders  wicbtig 
macht,  ist,  daB  der  Stifter  weder  Kosten  noch  Miihen  scheut,  urn  die  Allen 
A.  Brown  Collection  weiter  auszubauen.  Er  fugt  alljahrlich  durchschnitt- 
licb  300  Bande  hinzu,  entweder  urn  Liicken  auszufullen  oder  um  ganz  auf 
der  Hohe  der  Zeit  zu  bleiben.  Zum  Beispiel  erwarb  er  1899  vierzig  Haydn'sche 
Symphonien,  die  Deldevez  aus  den  Stimmen  in  Partitur  gebracht  hatte, 
so  daB  seine  Sammlung  nunmehr  liber  87  Symphonien  des  Meisters  in  Parti- 
tur verftigt.  Aufterdem  wurden  in  demselben  Jahre  zum  Beispiel  die  kost- 
spieligen  Partituren  von  » Carmen*,  >  Samson  et  Dalila«,  »Guntram«  und 
andere  erworben.  Besonderes  Gliick  hatte  Mr.  Brown  in  diesem  Jahre  (1903). 
Er  kaufte  eine  Sammlung  von  175  handschriftlichen  Opern-  und  Orchester- 
partituren,  die  seine  Bibliothek  derart  ausflillten,  daB  sie  jetzt  s&mtliche  Werke 
Bellini's,  Rossini's,  Meyerbeer's  und  anderer,  namentlich  italienischer  Meister 
in  Partitur  besitzt.  Die  Musikabteilung  der  Boston  Public  Library  verfiigt 
heute,  dank  der  Opferfreudigkeit  Mr.  Brown's  und  dem  Interesse,  das  die 
Oberleitung  der  Musik  entgegenbringt,  uber  22143  Bande  und  Hefte,  wovon 
auf  Opern,  Oratorien  und  sonstige  Orchesterpartituren  etwa  700  entf alien. 
Von  alteren  amerikanischen  Drucken  erwahne  ich  nur  einen,  dessen  Wichtig- 
keit  und  Seltenheit  —  mir  sind  nur  zwei  Exemplare  bekannt  —  nicht  ein- 
mal  in  Boston  nach  Gebuhr  geschatzt  wird,  namlich  Francis  Hopkinson's 
Seven  Songs  .  .  .,  Philadelphia,  1788. 

Numerisch,  allerdings  nur  numerisch,  nehmen  sich  die  erwahnten  Samm- 
lungen,  wie  wohl  auch  fast  alle  europaischen,  zwerghaft  aus  neben  der  unserer 
Nationalbibliothek ,  der  Library  of  Congress  in  Washington;  denn  sie 
verfiigt,  5000  Schriften  uber  Musik  inbegriffen,  uber  mehr  als  360000  Bande 
und  Hefte.  Dies  klingt  unglaublich,  ist  aber  wahr,  wie  man  mir,  dem  Hiiter 
dieses  bibliothekarischen  Eafner,  hoffentlich  glauben  wird.  Der  Beweis  ist 
Uberdies  sehr  einfach. 

Die  inlandischen  und  internationalen  copyrigkt-QtesetzQ  bestimmen,  daB 
zwei  Pflichtexemplare  jedes  zu  schiitzenden  Werkes  der  copyright-office,  die 
ein  Zweig  der  Library  of  Congress  ist,  eingeliefert  werden.  Eins  der  Exem- 
plare wird  sodann  der  » Music  Division*  zur  Verfugung  iiberwiesen.  Da  nun 
die  Vereinigten  Staaten  seit  1891  mit  den  wichtigsten  Musiklandern  Europas, 
Ru Bland  und  Osterreich  hauptsachlich  ausgenommen,  copi/r^^-Vereinbarungen 
getroffen  haben,  und  da  die  Verleger  klugerweise  die  Mehrzahl  ihrer  Ver- 
offentlichungen  schutzen,  kommt  die  Musikabteilung  der  Library  of  Congress 
eo  ipso  in  den  Besitz  der  Mehrzahl  aller  neuen  europaischen  Musikalien. 
Selbstverstandlich  flieBen  ihr  aus  dem  gleichen  Grunde  alle  Musikalien  und 
Schriften  uber  Musik  zu,  die  in  den  Vereinigten  Staaten  gedruckt  wurden  oder 
werden1),  und  ihre  Anzahl  ist  weit  groBer  als  man  driiben  allgemein  weiB. 
Es  folgt  daraus,  daB  in  keiner  Bibliothek  der  Welt  die  internationale  Musik- 
produktion  eine  so  reichhaltige  Lagerstatt  findet  wie  hier,  wofur  allein  die 
Tatsache  spricht,  daB  zum  Beispiel  im  Fiskaljahre  1902  uber  21000  Bande 
und  Hefte  geschutzt  wurden.  Wenn  nicht  die  Vertrftge  eine  wesentliche  Ab- 
anderung  erfahren  und  wenn    die    europaischen    Verleger    nicht    die    Torheit 


1)  Diese  Behauptung  unterliegt  —  aus  geschichtlichen  Griinden  —  einer  Ein- 
schrankung  nur  fur  die  Jahre  vor  1819  und  fur  die  Veroffentlichungen  in  den  Se- 
zessionsstaaten,  1860—1865. 


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334  0.  G.  Sonneck,  Nordamerikanische  Musikbibliotheken. 

begehen,  ihre  VerofFentlichungen  ungeschiitzt  zu  lassen  *),  wird  die  Library  of 
Congress  der  Ort  sein,  wo  Bibliographen,  Historiker  und  Musiker  die  Musik 
des  20.  Jahrhunderts  und  des  letzten  Dezenniums  des  19.  studieren  konnen 
wie  nirgends  anderswo. 

Diese  Tatsachen  vereinfachen  die  Tatigkeit  des  Librarian  of  Congress2) 
und  seines  Abteilungschefs  in  einer  Beziehung  wesentlich.  Es  handelt  sich 
fur  ihn  lediglich  darum,  wichtige  Musikalien  anzuschaffen,  wie  sie  vor  1891 
in  Europa  und  vor  1819  in  den  Vereinigten  Staaten  gedruckt  wurden;  ferner 
solche,  die  von  europaischen  Verlegern  nicht  gescbiitzt  werden,  und  scbliefi- 
lich  europaische  Schriften  uber  Musik,  die  bekanntlich  nicht  innerhalb  der 
Vertrage  fallen. 

Da  nun  die  »  Music  Division «  erst  1897  —  d.  h.  seit  Uberfuhrung 
der  Library  of  Congress  vom  Kapitol  in  den  riesigen,  prachtvollen  Neubau 
—  eine  besondere  Abteilung  bildet,  da  es  Jahre  erforderte,  um  dies  Mon- 
strum  einer  Musiksammlung  einigermafien  zu  sichten,  und  da  vor  1900  aufier 
einigen  Seltenheiten  so  gut  wie  nichts  angekauft  wurde,  so  konnte  der 
planmafiige  Ausbau  erst  vor  anderthalb  Jahren  beginnen.  Dies  so  lite  ein 
Studienreisender  nicht  vergessen,  wenn  ihn  sein  Weg  nach  Washington 
verschlagt. 

Seitdem  ist  aber  zunachst  das  19.  Jahrhundert  mit  Entschiedenheit  in 
Angriff  genommen  worden,  und  mit  einem  Etat  von  etwa  20000  Mark  jahr- 
lich  fur  Musikalien  und  Schriften  uber  Musik  ausschlieBlich  der  Buchbinder- 
unkosten  usw.  mufi  es  dem  Librarian  of  Congress  in  absehbarer  Zeit  ge- 
lingen,  die  » Music  Division «  auf  eine  Stufe  mit  den  besseren  Sammlungen 
Europas  zu  stellen. 

Augenblicklich  bietet  sie  folgenden  Anblick:  Dank  der  doppelschneidigen 
copyright-Gesetze  steht  sie  an  Musik,  fur  die  sich  jede  andere  Bibliothek  be- 
danken  wlirde  —  also  kurz  gesagt  an  internationalem  Schund  —  unerreicht 
da.  Sie  hat  ebenfalls  keine  Nebenbuhlerin  auf  dem  Gebiete  des  amerika- 
nischen  Musikdruckes.  Dagegen  ist  sie  verh'altnismaBig  arm  an  alten  euro- 
paischen Drucken,  woriiber  der  Besitz  von  Lasso's  Opus  magnum  musicum, 
1604,  einiger  Original dru eke  Lulli'scher,  Rameau'scher  und  anderer  Opern, 
und  einer  Anzahl  seltener  thooretischer  Schriften  usw.  nicht  hinwegtauschen 
kann.  Andererseits  erlaubt  ihr  das  copyright  und  die  Subskription  auf  etwa 
sechzig  europaische  Musikzeitschriften,  die  Lernbefiissenen  stets  auf  dem 
Laufenden  zu  erhalten.  Ferner  ist  die  Sammlung  monumentaler  kritischer 
und  geschichtlicher  Neuausgaben  nunmehr  fast  vollst'andig,  und  die  Symphonie, 
Kammermusik,  usw.  seit  Beethoven  ist  hier  wohl  so  gut  vertreten  wie  in 
der  Boston  Public  Library,  was  immerhin  ein  Lob  ist.  Das  gleiche  gilt 
von  Klavierausziigen  von  Opern.  Ihr  Stolz  ist  aber  die  Sammlung  von 
modernen  Opernpartituren  (etwa  200).  Wer  solche  kostspielige  Werke  wie 
Verdi's  Falstaff,  Thuille's  Lobctanz,  Saint-Saens'  Henri  VIII,  Wolf's 
Corregidor,  StrauB'  Fewrsnot,  Guiraud's  Piccolino,  Bizet's  Carmen, 
Tschaikovsky's  Pique-Dame,  Vincent  D'Indy's   Fervaal,   Franck's  Hulda, 


1)  Die  miGliche  Parsifal- Angelegenheit  sollte  ihnen  eine  Lehre  sein!  Wenn  dem 
Xachdrucke  gesetzlich  nichts  im  Wege  steht,  wird  der  amerikanische  Verleger  sich 
nicht  davor  scheuen.     (Der  europaische  ubrigens  auch  nicht!) 

2)  Zurzeit  Mr.  Herbert  Putnam,  ein  Mann  von  weitem  Blicke  und  kiihnen 
Pl'anen,  unter  dessen  Leitung  die  Library  of  Congress  imponierende  Fortschritte  macht. 


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0.  G.  Sonneck,  Nordamerikanische  Musikbibliotheken.  335 

Cornelius'  Cid,  Glinka's  Euslan  und  Ludmila,  Rimsky-Korsakoff's 
Sadko,  Blockx'  La  Fiancee  de  la  mery  von  Wagner,  Meyerbeer, 
Lortzing,  Goldmark,  Kretschmer,  Offenbach,  Rossini,  usw.  ganz 
zu  schweigen,  in  Partitur  studieren  will,  hat  hier  vollauf  Gelegenheit  dazu. 
Es  liefle  sich  liber  die  Klassinkation  in  unseren  Bibliotheken  und  tiber 
sonstige  Dinge,  die  den  Fachmann  anregen,  manches  hinzufugen,  aber  es 
kam  mir  hier  nur  darauf  an,  auf  die  Sammlungen  selber  etwas  Licht  zu 
werfen.  Eins  diirfte  wohl  aber  feststehen:  die  europaischen  Bibliographen 
vom  Schlage  eines  Eitner  werden  gut  tun,  den  amerikanischen  Bibliotheken 
mehr  Aufmerksamkeit  zu  schenken  als  bisher. 


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Die  Vierteljahrsheffce  der  Sammelbande 

erscheinen  am  1.  November,  1.  Februar,  1.  Mai  und  1.  August  SchluB 
der  Redaktion  jedes  Heftes:  ein  Monat  vor  seinem  Erscheinen.  Manu- 
skripte  und  andere  Sendungen  beliebe  man  zu  richten  an  einen  der 
Herausgeber:  Prof.  Dr.  Oskar  Fleischer,  Berlin  W.  MotzstraBe  17  und 
Dr.  Johannes  Wolf,  Berlin  N.  0.  Prenzlauer  Allee  30. 


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General  Culture  and  Musicians 

by 

Frederick  Niecks. 

(Edinburgh.) 


In  the  following  remarks  I  design  placing  before  the  reader  my  ideal 
of  a  musician ;  which  however  is  not  a  visionary,  impracticable,  unattain- 
able ideal,  but  one  within  the  reach  of  every  man  and  woman  of 
average  talents  and  opportunities. 

A.n  indispensable  qualification  of  a  good  musician  is  of  course  that 
of  being  a  good  craftsman.  Linguistic,  philosophical,  and  scientific  know- 
ledge, be  it  ever  so  great,  physical  and  social  accomplishments,  be  they 
ever  so  brilliant,  cannot  make  up  for  deficiencies  in  the  professional 
equipment.  But  what  have  we  to  understand  by  "a  good  musician"? 
Does  it  mean  for  instance  a  skilful  singer  or  player?  Yes  and  no:  the 
expression  implies  this,  but  at  the  same  time  implies  a  great  deal  besides. 
A  merely  muscular  grasp  of  the  mechanism  of  an  instrument  does  not 
make  a  good  musician.  Without  loss  of  truth,  we  may  give  a  more 
general  form  to  this  statement,  and  say  that  the  muscular  grasp  of  the 
mechanism  of  an  art  does  not  make  an  artist.  Not  even  an  emotional 
as  well  as  a  muscular  grasp  will  do  that.  In  addition  to  the  muscular 
and  emotional,  there  is  required  an  intellectual  grasp.  Now  that  is  not 
understood  by  the  young  people  in  the  pupillary  stage,  nor  is  it  generally 
understood  by  those  who  have  passed  thence  into  full-fledged  professional- 
ism. And  yet  the  matter  is  so  clear,  so  obvious,  so  palpably  demon- 
strable. No  sensible  person  would  suppose  that  anyone  could  be  a  good 
linguist  and  a  good  teacher  of  a  language  without  a  knowledge  of  grammar. 
But  there  are  thousands,  nay  millions  of  sensible  people,  who  imagine 
that  a  musician  can  do  very  well  without  the  grammar  of  his  art;  and 
I  believe  there  are  even  some  people  who  think  that  a  musician  is  the 
better  for  this  want  of  knowledge  —  perhaps  on  the  principle  "where 
ignorance  is  bliss,  'tis  folly  to  be  wise".  Look  about  among  those  who 
study  music  privately.  "What  do  they  study?  With  rare  exceptions 
nothing  but  (singing  and  playing  on  an  instrument.  Or  go  to  music 
schools,  and  pursue  the  inquiry  there.    Again  the  same  state  of  matters. 

s.  a.  i.  m.   v.  22 


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338  Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians. 

The  students  are  immersed  in  the  mechanism  of  the  executive  part  of 
their  art  or  in  a  purely  sensuous  and  emotional  melo-maniac  en- 
thusiasm destitute  of  intelligence  and  intellectuality.  The  study  of 
harmony  and  some  other  things  is  of  course  enjoined  on  them  at  the 
better  class  of  music  schools,  but  they  neglect  or  spurn  them  as  super- 
fluous things  that  interfere  with  what  alone  seems  to  them  worthy  of 
their  attention.  The  students  of  composition  are  in  their  own  way  just 
as  foolish  as  their  fellows  on  the  executive  side.  They  too  neglect 
grammar,  trust  to  their  noble  instincts,  their  inborn  genius,  a  trust  never 
quite  justifiable,  and  oftenest,  alas!  wholly  unjustifiable.  Both  executants 
and  composers  have  too  narrow  a  conception  of  musicianship.  But 
the  worst  of  it  is  —  for  themselves  and  for  the  world  —  that  owing 
to  this  narrow  conception  they  cannot  even  succeed  in  the  low  ideal 
they  have  set  before  themselves;  they  not  only  fail  to  become  good 
musicians,  but  even  fail  to  become  good  singers,  pianists,  violinists,  and 
so  on. 

The  minimum  of  knowledge  a  musical  executant  and  teacher  of  music 
requires  is  a  thorough  knowledge  of  notation,  harmony,  and  form.  Without 
this  he  can  have  no  insight  into  his  art,  and  cannot  intelligently  interpret 
and  expound  it.  Harmony  and  form  are  the  musician's  grammar,  his 
etymology  and  syntax.  Of  course  there  are  other  very  valuable  and 
very  desirable  things  —  for  instance,  counterpoint  and  history.  But  I 
will  insist  only  on  the  irreducible  and  indispensable  minimum.  A  few 
years  ago  I  read  a  paper  to  the  Musical  Association  of  London,  and  in 
the  course  of  it  recommended  the  study  of  Musical  History  and  deplored 
its  neglect  at  music  schools.  In  the  discussion  that  followed  Sir  Frederick 
Bridge  remarked  as  follows:  — 

"It  is  very  hard  to  make  students  read  anything  —  even  novels  and 
daily  papers.  Efforts  have  been  made  to  get  them  to  buy  a  weekly  musical 
newspaper;  they  won't  do  it.  I  agree  with  what  the  lecturer  says  to  the 
effect  that  the  heads  of  the  music  schools  ought  to  force  the  pupils  to  learn 
things  that  are  good  for  them.  I  do  not  see  why  it  should  not  be ;  they 
must  sometimes  be  forced  to  do  things  they  do  not  like.  Many  who  come 
to  learn  the  pianoforte  would  like  to  do  nothing  but  sit  down  and  practise 
at  it  for  eight  hours  a  day.  They  won't  go  and  hear  a  symphony  played; 
they  won't  read  a  book;  but  they  will  thrash  the  pianoforte  because  they 
regard  that  as  the  business  of  their  lives.  That  is  a  dreadful  state  of  af- 
fairs. It  cramps  students.  They  are  not  musicians;  they  are  pianoforte 
thumpers  .  .  .  You  ought  to  take  steps  to  induce  these  students  to  do  some- 
thing more  than  merely  stick  to  the  technique  of  instruments  they  have 
unfortunately  adopted.  Nothing  could  be  more  cramping  than  that  dreadful 
slavery  and  devotion  to  one  thing  only." 

What  did  Rubinstein  think  of  the  same  subject? 

"A   pupil   at   a   music   school",   he  said,    "generally   receives    during  the 


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Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians.  339 

time  he  spends  there  such  a  technical  drilling  by  his  master  as  to  enable 
him  to  pass  his  final  examination  well,  and  to  obtain  a  leaving  certificate; 
but  he  is  very  rarely  ripe  for  independent  work". 

Mark  this:  "the  pupil  is  rarely  ripe  for  independent  work".  Here  is 
the  weak  spot.  In  fact,  once  set  adrift,  the  pupil  finds  himself  helplessly 
floundering  in  a  sea  of  troubles,  unable  to  think  and  judge  for  himself, 
unable  even  to  read  without  assistance.  Now,  what  is,  according  to 
Rubinstein,  the  cause  of  this  lamentable  result?  He  ascribes  it  to  a 
too-exclusively  technical  curriculum;  and  strikingly  illustrates  this  system 
of  drilling,  instead  of  training;  by  a  finished  music-school  product,  a 
young  man  who  played  to  him  well  the  soli  of  a  concerto  of  Hummel's, 
but  was  unable  to  play  the  tutti.  However,  what  else  can  we  expect  as 
long  as  music  teaching  is  so  like  the  teaching  which  produces  performing 
dogs,  as  long  as  our  institutions  and  private  teachers  go  on  turning  out 
machines,  for  the  most  part  of  the  nature  of  badly  made  musical  boxes, 
rather  than  musicians  and  real  masters  of  the  art? 

In  the  older  time  people  seem  to  have  been  wiser  than  we  who  pride 
ourselves  on  the  progress  made  in  recent  times.  Of  the  Roman  school  \ 
of  singing  of  the  17th  century  it  is  reported  that  besides  their  com-  \ 
prehensive  vocal  studies  and  their  playing  on  the  harpsichord,  the  pupils 
devoted  a  large  proportion  of  their  time  to  theory,  writing  of  counter- 
point, hearing  of  good  music,  and  giving  a  critical  account  of  what  they 
had  heard.  At  the  Neapolitan  music  schools  of  the  18th  century,  by- 
no  means  model  institutions,  where  indeed  rough  and  ready  methods 
prevailed  and  practice  was  the  main  and  supreme,  nay  the  sold  con- 
sideration, there  were  classes  in  the  elements  of  music,  harmony,  and 
history  and  aesthetics  as  well  as  individual  teaching  in  composition,  and 
individual  and  class  teaching  in  singing  and  playing. 

The  spurners  of  all  but  executive  studies  excuse  themselves  often  by 
saying  that  in  our  time  it  is  necessary  to  specialise;  and  that  if  they 
are  to  become  masters  of  the  now  so  highly  developed  instrumental 
technique,  no  time  can  be  spared  for  anything  else.  They  overlook  that 
technique  by  itself  is  a  useless  thing,  or  at  least  a  thing  of  very  slight 
value.  They  fail  to  see  that  technique  is  not  an  end,  but  merely  a 
means  to  an  end;  the  only  worthy  end  being,  not  to  astonish  by  mechanical 
dexterity,  but  to  delight,  move,  elevate,  and  enrapture  by  appealing  to 
the  intellectual  and  emotional  faculties  of  the  hearers.  The  most  perfect 
technique  will  not  make  the  possessor  a  musician,  an  artist;  nor  can  it 
raise  him  above  the  acrobat,  juggler,  and  prestidigitateur.  In  short 
specialisation  is  valuable  only  when  it  rises  from  a  broad  foundation  of 
general  acquirements.  The  exclusive  cultivators  of  technique  overlook 
yet    another    thing  —  namely    this ,     that    by    their    exclusiveness    they 

22* 


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340  Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians. 

defeat  their  own  object.  Too  much  technical  drilling,  besides  deleteriously 
affecting  the  body,  stupefies  and  brutalises  the  mind.  If  there  were 
statistics  on  this  point,  we  should  have  blood-curdling  accounts  of  large 
numbers  of  pianists  fallen  into  idiocy.  We  do  not  read  of  these  cases 
in  lunacy  reports,  because  of  the  harmlessness  of  those  afflicted  by  this 
kind  of  mental  decay.  Eight  hours'  practising  a  day  exceeds  greatly 
the  amount  that  can  be  profitable.  Less  would  be  more.  And  if  the 
time  thus  saved  were  devoted  to  other  studies,  not  only  other  necessary 
acquirements  could  be  added  to  the  technical,  but  even  the  acquirement 
of  the  technical  means  would  be  facilitated.  What  was  the  English 
painter's  reply  to  the  dilettante  who  asked:  "Pray,  Mr.  Opie,  what  do 
you  mix  your  colours  with?"  It  is  to  be  wished  that  all  musicians  should 
know  and  remember  it.  "With  brains,  Sir".  Unfortunately,  many  of 
our  young  and  some  of  our  older  friends  won't  learn  the  lesson  that 
nothing  worth  doing  can  be  done  well  without  brains. 

This  brings  me  to  the  second  part  of  my  subject ....  the  importance 
to  the  musician  of  general  culture.  I  said  specialisation  must  rise  from 
a  broad  foundation  of  general  acquirements.  Then  I  was  thinking  of 
specialisation  within  a  profession  and  of  general  professional  acquirements. 
But  we  cannot  stop  there.  For  the  professional  acquirements  are  but  a 
specialisation  on  a  somewhat  larger  scale,  which  itself  stands  in  need  of 
a  broad  foundation  of  still  more  general  acquirements.  In  other  words, 
the  musician  should  be  not  only  a  complete  professional,  but  also  a 
complete  man.  Indeed,  as  art  is  part  of  humanity,  the  incompleteness 
of  the  man  unfailingly  affects  the  completeness  of  the  musician.  If  we 
ask  the  great  masters  how  they  compose,  sing,  and  play,  they  are  sure 
to  answer:  "With  brains,  Sir."  Life,  the  arts,  the  sciences,  and  litera- 
ture are  not  the  least  of  the  musician's  teachers.  Moreover,  general 
culture  not  only  helps  the  musician  in  his  art,  it  also  improves  his 
worldly  prospects  and  gives  him  a  position  in  society.  The  individual 
that  is  nothing  but  a  lawyer,  chemist,  engineer,  merchant,  or  artist,  that 
has  no  interests  outside  his  department,  cannot  be  regarded  as  a  full 
member  of  society  and  the  body  politic;  being  a  mere  drudge,  not  a  free 
citizen.  He  cannot  even  attain  a  high  rank  in  his  own  department.  For 
his  skill,  enlightenment,  and  success  in  the  exploitation  and  development 
of  his  speciality  will  to  a  large  extent  depend  on  general  knowledge. 

Of  course,  we  have  again  and  again  heard  from  musicians  that  their 
art  takes  up  the  whole  of  their  time.  We  hear  this  from  young  people 
in  their  apprenticeship,  and  from  older  people  in  the  later  stages  of  their 
career.  Now,  if  this  assertion  of  "no  time  for  anything  else"  were  truer 
than  it  is,  there  could  still  be  only  one  reply  to  it  —  namely:  "You 
must  find  time.v    It  is  not  a  question  about  something  that  can  be  either 


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Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians.  341 

taken  or  left  without  much  consequence  one  way  or  another.  It  is  a 
question  of  life  or  death.  There  are  other  parts  of  ourselves  than  our 
bodies  that  can  be  starved,  stunted,  crippled,  and  paralysed.  But  I  deny 
the  truth  of  the  excuse.  It  is  not  want  of  time;  it  is  disinclination,  in- 
difference, and  love  of  ease,  play,  and  conviviality.  What  makes  it  all 
the  more  pitiable  is  that  the  disinclination  rests  on  a  misconception. 
Schumann's  words  about  theory,  thoroughbass,  and  counterpoint  apply 
also  to  the  subjects  of  general  culture:  — 

"You  have  only  to  approach  them  in  a  friendly  way,  and  they  will  meet 
you  in  the  same  spirit." 

The  narrow-minded  professionals  however  think  they  have  not  only 
an  excuse,  but  also  a  justification.  They  say:  "many  of  the  great  masters 
have  done  very  well  without  culture,  why  should  not  we?"  Well,  there 
is  more  than  one  fallacy  in  this  reasoning.  First,  geniuses  that  are 
indifferent  to  culture  are  very  rare;  secondly,  the  geniuses  without  culture 
would  have  been  the  better  for  it;  and  thirdly,  what  geniuses,  high-fliers, 
can  do,  may  be  beyond  the  power  of  those  destined  to  crawl,  to  walk, 
or  at  best  to  climb. 

Before  looking  in  the  sayings  and  doings  of  famous  musicians  for 
the  confirmation  of  my  assertions,  it  is  necessary  that  I  should  define 
what  I  mean  by  culture.  Culture  is  on  the  one  hand  an  accumulation 
of  valuable  facts  and*  means  of  information,  and  on  the  other  hand  the 
capacity  of  thinking,  judging,  and  imagining,  in  short,  of  a  clear  and 
wide  outlook.  The  results  may  therefore  be  described  as  a  well-stored, 
open,  eager,  and  sympathetic  mind,  with  faculties  sharpened  and  strength- 
ened by  experience,  observation,  and  literary  and  scientific  discipline. 
There  must  be  different  kinds  and  degrees  of  culture  according  to  the 
variety  of  natural  dispositions  and  methods  of  training.  It  is  prejudice 
to  think  that  there  is  only  one  way  to  reach  it.  A  classical  education 
of  the  right  sort  is  an  excellent  thing,  but  not  the  only  excellent  thing. 
That  most  men  who  distinguished  themselves  in  literature,  science,  and 
other  vocations  had  a  classical  education,  will  be  seen  to  prove  less  than 
is  generally  thought,  if  we  consider  that  in  the  past  it  was  the  only 
recognised  and  readily  obtainable  education.  But  if  classical  education 
made  these  men  great,  is  it  not  strange  that  it  turns  out  so  few  great 
men  and  so  many  duffers?  The  truth  seems  to  me  to  be  that  as  there 
are  many  ways  that  lead  to  Rome,  so  there  are  many  that  lead  to  culture. 
You  need  not  necessarily  travel  through  Greek  and  Latin,  and  through 
a  university  or  any  other  kind  of  scholastic  channel.  Culture  is  not  a 
dead  formula.  Nor  is  it  a  formula,  dead  or  alive,  that  any  man  or  set 
of  men  has  the  right  to  impose  on  us.  After  this  explanation  my  further 
remarks  about  culture  are  not  likely  to  be  misunderstood. 


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342  Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians. 

If  I  had  the  boldness  to  attempt  a  history  of  Musicians  and  Culture, 
I  should  not  have  the  space  to  deal  here  with  so  complicated  and  to  a 
large  extent  so  obscure  a  subject.  The  culture  of  one  age  is  not  the 
culture  of  another  age,  and  hence  much  of  the  complication.  As  to  the 
obscurity,  it  arises  chiefly  from  the  fact  that  of  the  lives  of  the  early 
musicians  we  know  nothing  or  nearly  nothing,  and  even  of  the  more 
modern  musicians  the  intimate  life  is  a  closed  book.  The  hints  I  shall 
give  are  intended  to  illustrate  the  view  that  many  of  the  famous  and 
more  or  less  distinguished  musicians  receive  from  the  first  an  excellent 
general  education  at  secondary  schools  and  universities,  or  at  least  at 
the  former;  and  that  most  of  the  others. try  to  make  up  for  the  want 
of  this  by  private  study  and  by  taking  advantage  of  later  opportunities; 
in  short,  that  distinguished  musicians  without  culture  and  indifferent 
to  it  are  quite  exceptional.  Before  the  17th  century,  clerics  largely 
predominated  among  the  art-musicians,  and  even  in  the  17th  century, 
when  music  had  become  so  much  more  secularised,  they  formed  still  a 
considerable  proportion.  These  clerical  or  clerically  connected  musicians 
had  of  course  the  usual  clerical  education  of  the  time.  Coming  to  the 
18  th  century  it  is  really  astonishing  how  many  of  the  well-known  musi- 
cians were  university  men,  and  if  not  that,  had  been  educated  at  first 
rate  public  schools.  There  are  however  differences  in  the  different 
countries,  Germany  standing  first  in  this  respect.  "  With  regard  to  Italy 
it  is  however  notable  that  at  the  Neapolitan  Music  Schools,  where  a 
general  as  well  as  a  musical  education  was  given,  the  literary  part  of 
the  curriculum  comprehended  not  only  calligraphy,  Italian  grammar, 
arithmetic,  and  geography,  but  also  Latin,  French,  mathematics,  acoustics, 
literature,  history,  and  musical  aesthetics. 

Now  let  us  pass  in  review  some  of  the  great  men  whose  names  have 
become  household  words.  Mattheson,  himself  a  man  of  learning  and 
a  famous  author,  speaks  in  one  of  his  books  in  high  terms  of  Handel's 
studies  of  sciences  other  than  that  of  music;  and  in  another  book  writes: 

"He  learned  the  art  of  composition  and  of  organ  playing  from  the  cele- 
brated F.  W.  Zachau,  and  other  sciences  at  the  Halle  University;  he  also 
thoroughly  learned  the  living  languages,  such  as  Italian,  French,  and  English 
on  his  travels." 

It  is  superfluous  to  point  out  that  Handel's  long  residence  in  different 
countries  was  a  powerful  means  of  culture  to  an  open-eyed  and  assimilative 
nature  like  his.  J.  S.  Bach  did  not  enjoy  his  great  contemporary's 
privilege  of  being  a  university  student,  but  he  was  successively  at  two 
secondary  schools,  the  curriculum  of  which  included  logic,  rhetoric,  New 
Testament  Greek,  and  Latin.  The  reading  in  the  latter  language  com- 
prised Horace,    Virgil,    Cicero,    Terence,    and    Curtius.     Whatever  his 


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Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians.  343 

proficiency  in  Latin  may  have  been,  it  was  considered  sufficient  for  his 
teaching  the  language  in  tertia  and  quarta  of  the  St.  Thomas  School 
at  Leipzig,  when  he  became  cantor.  We  should  not  overlook  that  he 
took  an  interest  in  the  musical  discussions  of  his  time,  and  had  in  his 
library  a  very  considerable  number  of  books  on  musical  as  well  as  religious 
subjects.  In  passing  let  us  note  that  J.  S.  Bach's  predecessor  at  Leipzig, 
the  famous  Johann  Kuhnau,  was  educated  at  the  widely-known  Dresden 
Kreuzschule,  where  also  the  younger  contemporary  0.  H.  Graun  received 
his  schooling.  Keiser,  Telemann,  Graupner,  and  Stoltzel,  the 
most  distinguished  of  Bach's  and  Handel's  German  contempories ,  were 
all  university  men.  Rameau,  the  greatest  French  contemporary,  a  man 
of  indisputable  mental  power,  acquired  his  learning  rather  by  self-tuition 
than  by  training,  at  the  Jesuit  College  of  which  he  was  for  some  years 
a  pupil.  Next  in  order  of  time  comes  J.  S.  Bach's  son,  C.  Ph.  E.  Bach, 
who  studied  at  the  universities  of  Leipzig  and  Frankfurt  on  the  Oder.  He 
who  knows  anything  of  the  aims  and  achievements  of  Gluck  need  not 
be  told  that  he  was  a  man  of  culture.  This  culture  is,  of  course,  not 
wholly  accounted  for  by  his  training  at  the  Jesuit  College  of  Kommotau. 
Travels  in  Italy,  France,  and  England,  observation,  reading,  and  speculation, 
have  likewise  to  be  taken  into  account.  His  prefaces  and  public  letters 
throw  much  light  on  his  mental  capacity  and  character.  Of  Joseph 
Haydn  it  can  hardly  be  said  that  he  was  a  man  of  culture.  He  got 
his  general  education  at  the  choristers'  school  of  the  Vienna  cathedral, 
where  they  taught  the  boys  only  the  usual  elementary  subjects  and  a 
little  Latin.  His  genius  helped  him  through  wonderfully,  but  he  would 
undoubtedly  have  been  the  better  for  a  more  liberal  education.  However, 
he  may  not  have  been  altogether  remiss  in  improving  himself.  At  any 
rate,  he  had  a  very  respectable  collection  of  books  on  music,  and  not 
merely  on  the  practical  subjects  of  harmony  and  counterpoint  Mozart's 
case  is  somewhat  difficult.  His  bright  and  lively  letters  contain  nothing 
that  indicates  interest  in  the  other  arts,  in  literature,  in  sciences,  or  even 
in  nature.  But  it  would  be  rash  to  conclude  from  this  that  he  was 
indifferent  to  all  these  things.  His  upbringing  must  have  imbued  him 
with  intellectual  interests.  Mozart,  who  was  sent  to  no  school  at  all, 
must  have  received  from  his  capable  and  conscientious  father  a  good 
general  education.  Nor  was  his  eagerness  to  learn  confined  to  musical 
matters.  When  beginning  arithmetic,  he  covered  tables,  chairs,  walls, 
and  floors  with  figures.  At  the  age  of  eleven  he  wrote  music  to  a  Latin 
play,  and  two  years  later  he  was  making  progress  in  that  language,  being 
able  for  instance  to  write  part  of  a  letter  in  it.  Of  course  he  learned 
French  and  Italian,  and  probably  knew  some  English.  His  father  in- 
troduced him  also  to  the  art-treasures  of  Italy.     So  that  we  may  safely 


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344  Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians. 

assume  that  there  was  more  than  mere  instinct  involved  in  the  marvellous 
insight  into  human  character  and  the  subtleties  of  feeling  to  which  his 
works  testify.  Beethoven,  having  a  father  lacking  both  capacity  and 
conscientiousness,  fared  accordingly  worse  than  Mozart.  In  fact,  he  got 
no  more  than  an  elementary  school  education  with  a  little  Latin  thrown 
in.  Nor  did  he  in  later  life  greatly  increase  this  slender  scholastic  outfit. 
He  learned  however  to  use  Italian  and  French  in  cyclopean  fashion. 
Cyclopean  also  was  the  style  of  his  German.  On  the  other  hand,  he 
was  a  reader  of  good  books  to  good  purpose,  a  student  of  politics,  an 
admirer  of  great  men  and  noble  deeds,  a  worshipper  of  nature,  and  a 
meditator  on  the  problems  of  art,  life,  and  religion.  In  one  of  his  letters 
he  says:  "Goethe  and  Schiller  are  my  favourite  poets,  and  so  are  Ossian 
and  Homer."  But  Shakespeare  too  was  a  favourite,  indeed  a  life-long 
companion  and  inspirer.  For  Plutarch  he  had  a  great  affection,  and  the 
ancients  generally  seem  to  have  been  very  congenial  to  him.  The  passages 
copied  by  him  from  books  he  had  read,  and  those  marked  by  him,  reveal 
to  us  something  of  his  soul-life  and  his  high  ideals.  Much  in  his  letters 
too  is  very  informing.     Take  for  instance  the  following  extracts: 

"True  art  is  imperishable,  and  the  true  artist  derives   profound  pleasure 

from  the  great  products  of  mind." "It  is  only  art  and  science  that 

point   to,    and  let   us  hope  for,  a  higher  life." "The  best  and  noblest 

men  are  united  by  art  and  science." "Art!  who  understands  it?    With 

whom  can  one  converse  about  this  great  goddess?" 

Schubert  was  less  strenuous,  but  not  indifferent.  He  lived  and  had 
his  being  in  poetry  and  nature,  whose  language  he  translated  into  music, 
his  own  idiom.  Music  soon  made  him  neglect  other  studies.  But  he 
had  opportunities  to  learn,  and  no  doubt  did  learn.  He  cannot  but  have 
learned  from  his  father,  a  schoolmaster;  and  he  cannot  but  have  learned 
at  the  school  to  which  he  subsequently  went,  where  mathematics,  history, 
geography,  poetry,  French,  Italian,  and  drawing  were  taught  —  and  at 
the  Normal  School,  where  he  was  prepared  for  the  teaching  profession. 
Out  of  the  following  diary — entry  there  speaks  no  narrow  professionalism: 

"From  the  bottom  of  my  heart  I  hate  that  one-sidedness  with  makes  so 
many  miserable  creatures  believe  that  only  just  that  which  they  are  doing 
is  the  best,  but  everything  else  nothing.  One  beauty  shall  accompany  a  man 
through  all  his  life  —  this  is  true  —  but  the  lustre  of  his  enthusiasm  shall 
illuminate  everything  else." 

The  culture  of  the  musicians  nearer  our  own  time  and  of  our  own 
time  is  more  easily  discoverable  than  that  of  the  older  ones,  as  they  so 
often  exercise  their  literary  as  well  as  their  musical  faculty.  In  this,  as 
in  other  matters,  Weber  was  their  predecessor.  If  one  thinks  of  the 
quantity  and  quality  of  the  literary  productions  of  Schumann,  Berlioz 


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Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians.  345 

Wagner  and  Liszt,  one  will  have  a  pretty  adequate  idea  of  their 
culture.  The  first  three  moreover  were  university  men,  and  Liszt,  if  not 
that,  was  a  man  with  an  unquenchable  thirst  for  knowledge,  and  with 
unlimited  interests.  Mendelssohn,  another  university  man,  had  the 
most  complete,  refined,  and  harmonious  culture  of  them  all.  The  collection 
of  his  letters  go  far  to  prove  this.  Among  the  innumerable  other 
distinguished  musicians  who  have  made  themselves  known  as  writers  are 
Raff,  Hiller,  Gounod,  Reyer,  Gevaert,  Saint-Saens,  Rubin- 
stein, Hans  von  Biilow,  Boito  and  Hubert  Parry.  Brahms  was 
not  a  writer,  not  even  a  letter  writer,  but  he  was  from  his  youth  upward 
a  great  reader.  Joachim  once  said  to  me:  "Not  a  book  of  outstanding 
importance  is  published  which  Brahms  does  not  read."  Speaking  of 
Joachim,  I  must  not  omit  mentioning  his  manifold  literary  and  scientific 
interests  outside  his  own  art,  and  his  early  zeal  for  self-improvement, 
which  prompted  him  to  give  attendance  at  the  Gottingen  University. 
Stephen  Heller  confessed  to  me  that  literature  and  philosophy  interested 
him  more  than  music. 

Now  I  would  indicate  what  two  eminent  masters  thought  of  the  im- 
portance of  culture  for  the  musician,  —  namely,  Schumann  and  Liszt. 
Here  are  first  some  sayings  of  Schumann:  — 

"Look  well    about   you    in  life,  and  also  in  other  arts  and  in  sciences." 
"A    musician  can  learn  as  much   from  a  Raphael  Madonna  as  a  painter 
from  the  study  of  a  Mozart  symphony." 

"Taking  two  musicians  of  equal  talents,  he  who  understands  Shakespeare 
and  Jean  Paul  Richter  will  compose  very  differently  from  him  who  draws 
his  wisdom  solely  from  Marpurg  and  other  writers  on  counterpoint." 

Liszt  truly  said  of  Schumann  that  in  consequence  of  his  literary 
culture,  which  gave  him  as  much  critical  insight  into  poetry  and  prose 
as  into  harmony  and  counterpoint,  he  exercised  a  double  influence  on 
the  musical  art.  But  what  was  Liszt's  opinion  on  this  same  question? 
He  held  that  an  individual  could  not  confine  himself  to  a  speciality 
without  injuring  his  intelligence;  and  the  continuance  in  the  [pent-in 
speciality  seemed  to  him  more  harmful  to  the  mind  of  the  artist  than 
to  the  intelligence  of  the  labourer. 

"The  more  cultured,  the  more  thinking,  the  more  informed  a  man  is, 
the  finer  will  be  the  feelings  and  ideas  which  he  as  an  artist  incorporates 
in  the  form.  While  it  is  inevitable  that  the  artist  should  devote  a  con- 
siderable part  of  his  time  to  the  acquirement  of  a  sound  craftsmanship  and 
mastery  of  the  forms,  he  must,  on  the  other  hand,  not  allow  his  intelligence 
to  rust  and  decay  —  he  must  not  shut  himself  off  from  the  other  spheres 
of  human  activity,  the  sympathetic  contemplation  of  which  nourishes  his 
imagination,  stirs  his  fancy,  and  calls  forth  his  inspiration. " 

*To    cultivate   form    for  its   own   sake  is  the  concern  of  industry  not  of 


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346  Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians. 

art.    He  who  does  it  may  call  himself  an  artist,  but  in  reality  he  only  plies 
a  trade." 

These  words  of  Schumann  and  Liszt  have  in  them  the  ring  of  wisdom 
and  authority;  and  ought  to  carry  with  them  conviction.  But  if  the 
composer,  who  conceives  and  shapes  ideas,  and  the  executant,  who  inter- 
prets them,  have  to  cultivate  their  intellect  and  imagination,  has  the 
teacher  of  music  to  do  the  same?  Yes,  and  a  thousand  times  yes.  Not 
only  does  he,  like  the  executant,  need  intellect  and  imagination  for  the 
right  understanding  of  the  works  of  the  great  masters,  but  he  has  further 
need  of  them  in  two  directions  that  either  do  not  concern  the  composer 
and  the  executant  at  all  or  concern  them  only  in  a  less  degree.  For 
the  teacher  requires,  on  the  one  hand,  a  profound  and  intimate  knowledge 
of  the  nature  and  structure  of  his  art,  and,  on  the  other  hand,  a  thorough 
and  extensive  knowledge  of  the  working  of  the  human  mind.  In  short, 
he  must  be  both  a  musician  and  a  psychologist.  I  fear  it  is  only  too- 
common  that  teachers  have  but  one  method  for  all,  whereas  they  ought 
to  have  a  different  method  for  each  pupil.  To  diagnose  every  case  and 
prescribe  the  most  appropriate  treatment  calls  for  a  great  deal  more  than 
some  skill  in  singing  or  playing.  Indeed,  it  calls  for  all  the  faculties, 
it  calls  for  them  at  the  highest  degree  of  efficiency.  But  culture  is 
required  for  other  purposes  than  the  perfecting  of  the  mental  faculties. 
It  is  required  also  for  keeping  the  faculties  fresh  and  alert.  Without 
intellectual  interests  the  teacher  falls  into  lifeless  routine.  And  then 
woe  to  him  and  his  pupils.  But  there  is  yet  another  important  use  of 
culture  for  the  teacher  —  namely,  its  power  in  forming  character.  The 
character  of  the  man,  the  personality,  tells  more  strongly  in  teaching 
than  the  technical  accomplishments.  Many  famous  systems  of  teaching 
have  passed  away  with  their  originators.  Why?  Because  the  success 
was  secured  by  the  adroit  and  enthusiastic  application  rather  than  by 
the  excellence  of  the  systems.  Inquiry  into  the  methods  of  the  really 
great  teachers  yield  very  little  in  the  way  of  ready-made  formulas.  It 
is  always  the  personality  that  makes  the  teacher  what  he  is. 

Now,  it  may  be  thought  that  I  seem  to  have  a  poor  opinion  of  the 
amount  of  culture  to  be  found  in  the  musical  profession  as  compared 
with  that  in  other  professions.  That  is  not  quite  so.  Narrow  professionalism 
that  neglects  general  culture  is  not  confined  to  the  cultivators  of  the  fine 
arts.  It  luxuriates  also  in  other  professions,  even  in  the  so-called  learned 
professions,  where  indeed  among  the  rank  and  file  learning  is  conspicuous 
by  its  absence.  Nevertheless  they  have  an  advantage  over  us.  The 
musical  profession  rises  as  it  were  from  the  bottomless;  the  learned 
professions  rise  at  least  from  a  certain,  perhaps  rather  thin,  substratum 
of  culture.    This  personal  advantage  is  accompanied  by  a  social  advantage, 


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Frederick  Niecks,  General  Culture  and  Musicians.  347 

for  the  obligatory  minimum  of  general  education  affords  a  guarantee  — 
gives  the  members  of  those  professions  a  recognised  standing.  It  must 
also  be  admitted  that  musicians  are  more  apt  than  lawyers,  physicians, 
and  clergymen  to  shut  out  everything  that  does  not  form  part  of  their 
speciality.  In  acknowledging  these  defects  and  weaknesses,  we  do  not 
bring  shame  on  our  profession,  but  rather  the  reverse.  For  we  acknow- 
ledge them  with  regret,  and  with  the  determination  to  remove  them  as 
far  as  possible.  Is  not  self-knowledge  the  first  step  to  self-improvement? 
And  can  there  be  anything  more  honourable  than  that  course?  Moreover, 
much  progress  has  already  been  made  in  the  spread  of  culture  among 
our  profession  generally;  and  if  we  compare  the  leaders  and  higher  ranks 
of  it  with  those  of  other  professions,  whether  in  this  or  any  other  country, 
we  have  good  reason  not  only  to  be  satisfied,  but  even  to  be  proud. 


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348  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 


Phonographierte  indische  Melodien 

von 

Otto  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel. 

(Aus  dem  psychologischen  Institut  der  Universitat  Berlin.) 


I.  Plan,  Material  nnd  Methode  der  Arbeit. 

Im  Gegensatz  zur  Musikgeschichte  befindet  sich  die  vergleichende 
Musikwissenschaft  heute  noch  in  einem  Stadium  der  Vorarbeit.  Es  gilt 
zunachst,  ein  umfangreiches  Material  aus  Gebieten  nichteuropaischer 
Kultur  zu  sammeln  und  in  Fonn  von  Monograpbien  zu  bearbeiten.  Der 
Gesichtspunkt  der  Zusammenfassung  muB  vorderhand  ein  geographischer 
oder  ethnologischer  sein.  Musikalische  oder  psychologische  Einteilungs- 
prinzipien  wiirden  eine  Kenntnis  aller  auf  dem  Erdball  vorkommenden 
musikalischen  AuBerungen  voraussetzen.  Denn  wenn  man  z.  B.  die 
auBereuropaische  Musik  mit  nichtharmonischer  Musik  identifizieren  wollte, 
wiirde  man  gewartigen,  dies  Einteilungssystem  auf  Grand  neugefundener 
Ausnahmen  umzustoBen  und  durch  ein  umfassenderes  ersetzen  zu  miissen. 
Die  Einteilung  nacb  dem  Tonsystem  und  dem  Bhythmus  wlirde  ahnlichen 
Schwierigkeiten  begegnen.  Auch  kann  es  leicht  vorkommen,  daB  wir 
durch  irgend  welche  Abweichungen  von  unsern  musikalischen  Gewohn- 
heiten  auf  neue  wesentliche,  aber  bisher  unbeachtete  Faktoren  aufmerksam 
werden.  Die  geographisch-ethnologische  Einteilung  wird  von  groBeren 
Gruppen  zu  kleineren  fortschreiten  miissen,  je  mehr  die  Einzelerfahrungen 
eine  Differenzierung  nach  auBergeographischen  Gesichtspunkten  fordern. 

Dieser  Gedankengang  bestimmte  auch  die  Wahl  des  Titels  der  vor- 
liegenden  Arbeit.  Unser  gleich  naher  zu  besprechendes  Material  stammt 
aus  verschiedenen  Gegenden  des  indischen  Reichs,  von  Musikern  ver- 
schiedener  Rasse,  Kaste  und  musikalischer  Vorbildung.  Man  wird  sich 
also  hliten  miissen,  die  in  den  vorliegenden  Musikproben  hervortretenden 
Eigentiimlichkeiten  zu  verallgemeinern;  denn  sie  konnten  bei  andem 
indischen  Stammen  fehlen,  andre  Besonderheiten  konnten  gefunden  werden. 
Die  Liickenhaftigkeit  unsres  Materials  zwang  uns,  von  einer  umfassenderen 
Darstellung  der  indischen  Musik  abzusehen,  umsomehr,  als  auch  die  ein- 
schlagige  Literatur  den  Mangel  eigner  Erfahrung  nicht  ersetzen  konnte. 

Als  uraltes  Kulturland  besitzt  Indien  eine  groBe  Zahl  von  Original- 
werken  alteren  und  neueren  Datums  iiber  Musik.  Manches  davon  ist 
durch  die  kritische  Bearbeitung  von  Seiten  der  Orientalisten  auch  dem 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indigene  Melodien.  349 

sanskritunlnmdigen  Musikwissenschaftler  zuganglich  geworden1].  So  viel 
des  Interessanten  diese  Literatur  dem  Historiker  und  Theoretiker  bieten 
mag,  so  wenig  leistet  sie,  wenigstens  gegenwartig  noch,  ftir  unsre  Zwecke. 
Die  altere  Musiktheorie,  in  den  seltensten  Fallen  auf  streng  empirischer 
Grundlage  aufgebaut,  ist  im  hohen  Grade  unabh&ngig  von  der  musikalischen 
Praxis,  am  so  enger  mit  mathematischen  und  philosophischen  Spekulationen 
verkniipft.  Sie  wird  daher  nicht  herangezogen  werden  diirfen,  urn  empirisch 
erworbene  Kenntnisse  zu  erganzen,  sondern  hochstens,  um  sie  zu  be- 
statigen  oder  um  einen  historischen  AnschluB  zu  gewinnen.  Dies  ist 
aber  erst  bei  umfassender  Kenntnis  der  praktiscben  Musik  moglich.  Der 
gebildete  Inder  halt  zwar  als  echter  Orientale  mit  der  groBten  Pietat  an 
der  durch  die  alte  klassische  Literatur  geschaffenen  Tradition  fest;  wie- 
weit  dieselbe  aber  mit  der  gegenwartigen  Praxis  kongruiert,  kann  un- 
moglich  a  priori  entschieden  werden. 

Wertvoll  waren  uns  einige  von  den  zablreicben  Publikationen  des 
Radjah  S.  M.  Tag  ore2),  der  als  europaisch  gebildeter  und  in  der  musi- 
kalischen Theorie  und  Praxis  seines  Landes  bewanderter  Musiker  Be- 
achtung  verdient. 

Unsern  Bediirfnissen  kam  auch  das  Werk  von  B.  A.  Pingle  (Indian 
Music)8)  entgegen,  das  zwar  in  erster  Linie  didaktische  Zwecke  verfolgt, 
aber  gerade  deshalb  als  Kompendium  der  praktischen  indischen  Musik 
gelten  darf.  Aus  dem  Umstand,  daB  hier  ein  Inder  zu  Indern  spricht, 
erwachst  allerdings  fiir  den  europaischen  Leser  ein  Nachteil,  der  das 
Verstandnis  hie  und  da  wesentlich  erschwert.     Denn  der  Autor  konnte 


1)  Hierher  gehoren  namentlich: 

Jones,  On  the  Musical  Modes  of  the  Hindus,  Asiat.  Reas.  III.  1799  (ubers.  von 
F.  H.  Dal  berg,  Die  Lieder  der  Indier,  Erfurt  1802); 

die  Einleitungen  von  A.  0.  Burn  ell's  Ausgaben  des 
Arsheyabrahmana,  (Mangalore  1876), 
Sainhitopanishadbrahmana  (M.  1877), 
Jaiminiya  Text  of  the  Arsheyabrahmana  (M.  1878)  und 
5,iktantravyakarana  (M.  1879); 

J.  Grosset,  Contribution  a  TStude  de  la  musique  Hindoue  (Bibl.  de  la  fac. 
des  lettres,  Lyon,  1888),  eine  kritische,  mit  Einleitung,  tlbersetzung  und  sehr 
wertvollen  Anmerkungen  versehene  Ausgabe  des  28.  adhyaya  des  Bharatiyana- 
tya^astra. 

Endlich  die  von  S.  M.  T  ago  re  aus  versohiedenen  Zeitschriften  gesammelten 
und  unter  dem  Titel  »Hindu  Music*  vereinigten  Abhandlungen  mehrerer 
Autoren  (N.  A.  Willard,  "W.  Jones,  W.  Ouseley,  J.  D.  Paterson, 
F.  Fowke  usw.) 

2)  Namentlich:  »Musical  Scales  of  the  Hindus*  Calcutta  1884  und  *  Specimens  of 
Ind.  Songs*  1879;  ferner  auch  »Hindu  Music*,  reprinted  from  the  >Hindoo  Patriot*; 
Sept.  7, 1874  Fifty  Tunes,  1878;  Eight  Tunes  1880. 

3)  Bombay,  1898. 


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350  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

bei  seinem  Publikum  Begriffe  und  Anschauungen  voraussetzen,  die  ftir 
uns  erst  einer  eingehenden  Erlauterung  bedurft  hatten. 

Am  erschopfendsten  von  alien  bisherigen  Publikationen  iiber  indische 
Musik  ist  das  Werk  von  C.  B.  Day,  The  Music  and  Musical  Instruments 
of  Southern  India  and  the  Deccan  (London,  1891),  das  die  langjahrigen 
Erfahrungen,  die  der  Verfasser  im  Lande  selbst  gesammelt,  mit  einer 
kritischen  Verwertung  der  indischen  und  europaischen  Literatur  vereint. 
Die  luxuriose  Ausstattung  (zahlreiche  Notenbeispiele,  Tabellen  und  vorziig- 
liche  farbige  Abbildungen  von  Instrumenten),  einerseits  ein  besondrer  Vor- 
zug,  macht  das  kostbare  Buch  leider  sehr  schwer  zuganglich  *).  Obwohl 
Day  sich  ex  officio  nur  mit  der  stidindischen  Musik  (Karnatik)*)  be- 
schaftigt,  beriicksichtigt  er  doch  auch  das  nordindische  System  (Hin- 
dustani) in  geniigend  ausfiihrlicher  Weise. 

Einige  weitere  von  uns  benutzte  Arbeiten  werden  an  den  ent- 
sprechenden  Textstellen  Erwahnung  finden. 

Un8er  Material  entstammt  drei  Quellen: 

A)  Wir  benutzten  zuerst  im  Sommer  1902  die  durch  das  Grastspiel 
der  Hagenbeckschen  »Malabaren«-Truppe  gebotene  Gelegenheit,  unsre 
Sammlung  phonographischer  Aufnahmen  zu  bereichern.  Die  Musiker  der 
Truppe  waren  zwei  Gujaratis,  die  auf  oboenartigen  Instrumenten  von 
schreiender  Klangf arbe  (Nagasara  und  Hothi)  3J  im  Duett  bliesen;  Schlan- 
genbeschworer,  Mohamedaner  aus  Haiderabad,  handhabten  das  bekannte, 
aus  einem  doppelbauchigen  Kiirbis  verfertigte  Blasinstrument  (Tumri 
oder  Modig) 4).  Kleine  Becken  (Talam)5)  und  mehrere  Trommeln  vervolK 
standigten  die  instrumentale  Ausriistung.  Die  phonographierten  Gesange 
(Duette  und  Ensembles)  und  Volkslieder  stammen  von  Gujaratis, 
Tamilfrauen  aus  Tanjore  und  Malabarenkindern  aus  Madras. 
Samtliche  Vorfiihrungen  (Aufziige,  Akrobatenstiicke,  Tanze  usw.)  wurden 
von  zwei  Trommeln,  manche  auch  von  den  Blasinstrumenten  begleitet 
Zu  den  Bajaderentanzen  wurde  im  Chor  gesungen;  zuweilen  ging  der 
Gesang  in  einen  Sprechgesang  iiber.     Die  Tanzbewegungen  beschaftigten, 

1)  Wir  hatten  auf  die  Benutzung  dieses  Werkes,  das  sich  in  keiner  offentlichen 
deutschen  Bibliothek  fand,  verzichten  mtissen,  wenn  uns  nicht  Herr  D.  F.  Scheurleer 
(Haag)  mit  seinem  Exemplar  in  freundlichster  Weise  zu  Hilfe  gekommen  ware. 

2)  Wir  geben  die  von  Day  gebrauchten  Fachausdriicke  und  Eigennamen  in  seiner 
Schreibweise  wieder.  Die  Orthographie  der  Sanskritworte  verdanken  wir  Herrn  Prof. 
Fischel,  der  die  Liebenswiirdigkeit  hatte,  unseren  Text  in  dieser  Hinsicht  zu  korrigieren. 

3}  Dies  die  von  den  Musikern  selbst  angegebenen  Namen.  Wahrscheinlich  sind 
die  Instrumente  identisch,  zum  mindesten  sehr  ahnlich  mit  dem  Sanai  (Mahillon, 
Catalogue  du  musee  instr.  du  conservatoire  r.  de  musique  de  Bruxelles  I.  (2.  ed.)  1893, 
S.  115).  Eine  Abbildung  des  Nagasara  bei  Day  (Plate  XV).  Das  Hothi  unterschied 
sich  nur  dadurch  von  dem  N.,  dafi  alle  Locher  verstopft  waren. 

4)  Bei  Mahillon:  tubri  (beng.)  oder  tiktiri  (sanskr.).  Abgebildet  bei  Day  PI. 
XIV.  (Pungi). 

5;  Bei  Mahillon:  kara-tala.    Abbildung  bei  Day  PI.  XIII. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  351 

ivie  auch  sonst  bei  Orientalen,  in  vorziiglicher  Weise  Arme  und  Hande 
der  Tanzerinnen,  die  sich  selbst  kaum  von  der  Stelle  bewegten. 

B)  Eine  zweite  Gruppe  von  Phonogrammen  verdanken  wir  einem  in 
Berlin  studierenden  Parsen,  Herrn  Dr.  M.  Davar  aus  Bombay,  der  so 
freundlich  war,  uns  mehrere  Ragas  auf  dem  Dilruba  vorzuspielen.  Dieser 
ist  eine  Art  Kniegeige  mit  4  Stahlsaiten,  die  auf  G,  g0,  c0,  und  f0  ge- 
stimmt  waren;  unter  den  Hauptsaiten  befindet  sich  eine  Serie  von 
15  Resonanzsaiten  (ahnlich  wie  bei  den  alten  Gamben),  die,  in  unsrer 
(temperirten)  Durleiter  gestimmt,  einen  Umfang  von  zwei  Oktaven  (c0 — Cj) 
umfaBten.     Eine   Reihe   von  20  Biinden  erleichtert   das  Auffinden  der 


Leitertone *).  Als  Spielsaite,  auf  der  die  Melodie  vorgetragen  wird,  dient 
meistens  bloB  die  erste  (hochste)  Saite  (f0),  selten  auch  die  zweite  (c0); 
die  andern  werden  gelegentlich  mit  angestrichen  zur  UnterstUtzung  der 
Haupttone  der  Melodie  (vgl.  S.  387). 

1;  Auf  der  (leeren)  Saite  f  °  ist  durch  die  Biinde  folgende  Leiter  gegeben :  fis°,  g, 
gig,  a,  bt  h,  c»;  d*,  dis*,  eS  f»,  fisi,  gi;  b»,  b»,  hi,  c2;  d2;  e2,  f«  Die  Tone  cisi,  gis», 
cis2,  dis2  werden  auch  gespielt,  geiibte  Spieler  erweitern  den  Umfang  sogar  iiber  f2 
hinaus. 


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352  0.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

Der  Spieler  bediente  sich  ausschlieBlich  kurzer  Striche  an  der  Spitze 
des  Bogens,  den  er  nach  Art  unsrer  Kontrabassisten  hielt,  nnd  benutzte 
zum  Niederdriicken  der  Spielsaite  meist  .den  Zeigefinger,  oft  auch  den 
Mittelfinger  der  linken  Hand;  bei  Verzierungen  (Trillern,  Mordenten) 
ist  auch  der  Ringfinger  in  Tatigkeit;  der  kleine  Finger  wird  selten 
verwendet.  Aus  dieser  Spielweise  resultiert  ein  fortwahrendes  Glissando, 
wie  es  auf  unsrer  Geige  beim  Wechsel  der  »Lage«  zu  horen  ist.  Zu 
dieser  Eigentiimlichkeit  der  Tongebung  gesellt  sich  infolge  des  Mit- 
klingens  der  Resonanzsaiten  (die  fur  jedes  Stuck  wieder  neu  gestimmt 
werden)  eine  merkwiirdig  hallende  Klangfarbe,  die  an  ein  mit  aufge- 
hobenem  Pedal  gespieltes  Klavier,  mehr  noch  an  das  Cymbal  der  Zigeuner 
erinnert.  Der  Dilruba  (»Herzenrauber«)  ist  ein  in  Nordindien,  namentlich 
von  Amateuren  vielgespieltes  Instrument,  das  auch  im  Zusammenspiel  mit 
derSarangi  (Saiteninstrument,  altere,  urspriingliche  Form  des  Dilruba)1) 
und,  wohl  erst  in  neuerer  Zeit,  mit  dem  Harmonium  verwendet  wird. 

C)  Endlich  stand  uns  eine  Reihe  von  Platten  zur  Verftigung,  t  die  die 
deutsche  Grammophon-Gesellschaft  in  Calcutta  von  Musikern  des 
Corinthian  Theatre  und  des  Classic  Theatre  und  einem  bengalischen 
Orchester  aufgenommen  hat.  Die  Gesange,  Soli  und  Chore  habein  einen 
verschiedensprachigen  Text  (Bengali,  Hindustani,  Gujarati,  Panjabi, 
Pushto)  und  sind  samtlich  instrumental  begleitet.  Bei  der  Wiedergabe 
auf  dem  Grammophon  tritt  indes  die  Instrumentalbegleitung  (Trommeln, 
Saiten-  oder  Blasinstrumente)  so  sehr  in  den  Hintergrund,  daB  es  nur 
gelegentlich  moglich  war,  dieselbe  in  Noten  zu  fixieren. 

Bei  der  Verarbeitung  unsres  phonographischen  Materials  waren  wir 
gezwungen,  auf  Messungen  der  Tonhohen,  wie  sie  von  B.  I.  Gilman  an 
phonographierten  chinesischen2),  von  uns  an  japanischen3)  und  turkischen4) 
Melodien  ausgefiihrt  worden  sind,  zu  verzichten.  Es  ist  dies  um  so  be- 
dauerlicher,  als  exakte  akustische  Experimentalmethoden  der  einzige  Weg 
sind,  die  alte,  viel  umstrittene  Frage  nach  der  Existenz  von  »Viertel- 
tonen«  in  der  indischen  Musik  einer  Losung  zuzufiihren6).  Bei  der 
Gruppe  der  »Malabaren€-Phonogramme  verbot  sich  die  Messunjg  durch 
die  in  der  Unsauberkeit  des  Unisonos  deutlich  zutagetretende  auBerst 
schwankende  Intonation  der  Sanger;  wir  hatten  es  eben  mit  musikalisch 


1)  Die  Sarangi  hat  keine  Blinde,  ist  im  ubrigen  aber  dem  Dilruba  sehr  ahnlich; 
verwandte  Saiteninstrumente  mit  Bunden  sind  Esrar  und  Taus  (»Pfau«)  letzteres 
persischen  Ursprungs  (vgl.  Ma  hill  on,  1.  c.  S.  130  ff.). 

2)  On  some  Psychological  Aspects  of  the  Chinese  Musical  System.  Philos.  Review 
Boston  1892. 

3)  Studien  iiber  das  Tonsystem  u.  d.  Musik  der  Japaner.  Sammelbande  d.  IMG. 
IV.  2.  1903. 

4)  Zeitschr.  f.  Ethnologie  Bd.  36.  Heft  2,  1904. 

5)  Vgl.  die  Anm.  2,  S.  382. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Fhonographierte  indiache  Melodien.  353 

(und  wohl  auch  sonst)  wenig  gebildeten  Leuten  mit  ungeschulten  Ohren 
and  Kehlen  zu  tun,  you  denen  man  keine  technisch  und  kiinstlerisch 
vollendeten  Leistungen  erwarten  durfte.  Eher  hatte  das  Dilrubaspiel 
unsres  Parsen  groBeren  Anspruchen  geniigen  konnen.  Herr  Davar,  der 
auch  in  der  europ&ischen  Musik  nicht  unbewandert  ist,  muB  in  Ansicht 
seines  Bildungsgrades  und  seiner  Intelligenz  ale  zuverlassiger  Gewahrs- 
mann  gelten,  dem  wir  auch  liber  die  theoretische  und  praktische  Musik 
seiner  Heimat  manche  wertvolle  Aufklarung  verdanken.  Aliens  bos- 
hafte  Schicksalstucke  wollte  es,  daB  er  von  den  festen  Bttnden  seinee 
Instrumentes  jeden  beliebigen  zum  Grrundton  derselben  Melodie  maehen 
konnte;  er  konnte  in  unserm  europaischen  Sinne  »transponieren«,  d.  h. 
mit  andern  Worten,  er  musizierte  in  temperierter  Stimmung.  Ob  die 
gleichschwebende  Temperatur  eine  Eigentiimlichkeit  des  Dilruba  ist,  oder 
ob  sie  (etwa  durch  europaischen  EinfluB)  im  heutigen  Indien  eine  groBere 
Verbreitung  genieBt,  miissen  wir  dahingestellt  sein  lassen. 

Der  dritte  Teil  unsres  Materials  versagte  sich  unsern  Wtinschen  in 
erster  Linie  aus  technischen  Griinden;  es  ist  bei  Grammophonplatten 
schwer  moglich,  einzelne  T'dqp  zu  langerem  Erklingen  zu  bringen  (durch 
Repetierenlassen)1),  ohne  daB  die  Schallkurve  dauernden  Schaden  nimmt 
Abgesehen  davon  handelte  es  sich  auch  hier  um  G-esangsstucke,  die, 
wenn  auch  von  Beruf smusikern  herruhrend,  flir  akustische  Untersuchungen 
nur  dann  eine  einwandfreie  Basis  abgeben,  wenn  mehrere  Stiicke  von 
demselben  Sanger  dessen  Zuverlassigkeit  garantieren  oder  die  Intonations- 
fehler  durch  Berechnung  von  Mittelwerten  zu  eliminieren  gestatten. 

Wir  sahen  uns  also  genfitigt,  unsere  Untersuchung  auf  diejenigen 
Probleme  zu  beschranken,  die  uns  die  indische  Melodik  aufgibt,  wenn 
man  von  den  feinsten  Details  des  Tonsystems  abeieht;  sie  sind  immer 
noch  interessant  und  zahlreich  genug. 

Um  das  Materiel  fur  kritische  Studien  verwendbar  und  gleichzeitig  der 
Publikation  zuganglich  zu  maehen,  musste  es  zunachst  in  europ&ische 
Notenschrift  ubertragen  werden. 

Die  Inder  besitzen  selbst  ein  Notationssystem,  welches  die  Eigen- 
tiimlichkeit der  indischen  Melodik  und  Vortragsweise  einfach  und  genau 
genug  —  wenigstens  fur  die  praktischen  Bediirfnisse  der  Einheimischen 
—  wiederzugeben  gestattet.  Es  besteht  im  wesentlichen  in  der  Bezeich- 
nung  der  Melodietone  durch  die  indischen  Solmisationssilben  (sa,  ri,  ga, 
ma,  pa,  dha,  ni)  in  Notenschrift;  Versetzungszeichen,  die  unserm  $  und  7 
entsprechen,  scheinen,  obwohl  sie  existieren,  weniger  gebr&uchlich,  sind 
auch  wohl  iiberfliissig,  da  die  >Vorzeichnung«  und  meist  auch  die  Takt- 
art  fiir  jede  Melodie  schon  gewissermaesen  durch  den  Titel  bestimmt  sind 
(vgl.  S.  389).   Auch  ftir  die  in   der  indischen  Musik  besonders  mannig- 

1)  Vgl.  0.  A.  u.  v.  H.  Phonograph,  turk.  Malodiea  US.  204. 
s.  d.  I.  M.    v.  23 


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354  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

faltigen  Vortragsarten  und  Verzierungsformen  gibt  es  Symbole1),  doch 
ist  auch  deren  Verwendung  beschrankt,  da  die  Einzelheiten  der  musika- 
lichen  Ausfiihnmg  meist  dem  Vortragenden  iiberlassen  bleiben.  Wenn 
diese  Ausschmiickungen  auch  ebenso  reizvoll  wie  charakteristisch  sein 
mogen,  so  kommen  sie  doch  fiir  theoretische  Erorterungen  nicht  so  sehr 
in  Betracht,  daB  ihre  vollig  adaquate  Wiedergabe  unerlaBlich  ware.  Da 
sich  tiberdies  in  unsern  Phonogrammen  Abweichungen  von  der  temperierten 
Stimmung  nur  ganz  vereinzelt  bemerkbar  machen  (in  welchem  Palle  wir 
dieselben  durch  ein  +  resp.  —  tiber  der  urn  ein  Weniges  erhohten  resp. 
vertieften  Note  gekennzeichnet  haben),  so  wird  die  Ubertragung  der  Me- 
lodien in  unsere  Notenschrift  kaum  einer  weiteren  Rechtfertigung  be- 
diirfen. 

Es  darf  indessen  nicht  unerwahnt  bleiben,  auf  welche  Weise  wir  der 
oft  sehr  schwierigen  Aufgabe  der  rhythmischen  Gliederung  gerecht  zu 
werden  suchten.  Bei  manchen  Stiicken  waxen  uns  durch  die  Trommel- 
rhythmen  oder  durch  Accente  (Handeklatschen,  Becken)  erwiinschte  An- 
haltspunkte  gegeben,  die  auf  die  rhythmische  Auffassung  der  Inder  selbst 
einen  RiickschluB  gestatten.  Meist  aber  bestimmte  einzig  unser  subjektiver 
Eindruck  die  Wahl  der  Taktart  und  die  Stellung  der  Taktstriche.  Hier- 
bei  muBten  naturgemaB  alle  die  psychologischen  Momente  in  Wirksamkeit 
treten,  die  fiir  den  musikalischen  Europaer  gewohnheitsmaBig  als  Kriterien 
ryhthmischer  Gliederung  dienen;  sie  alle  aufzufiihren  und  zu  analysieren 
ist  hier  nicht  der  Ort.  Es  sollte  nur  betont  werden,  daB  das  Notenbild 
im  allgemeinen  nur  den  Ehythmus  wiedergeben  kann,  den  wir  aus  den 
Melodien  heraus-,  oder  eigentlich  in  die  Melodien  hineinhoren,  die 
rhythmische  Auffassung  des  Spielers  oder  Sangers  aber  gewiB  nur  in  sehr 
unvollkommener  Weise  wiederzuspiegeln  vermag. 

Fiir  den  Gang  unserer  Darstellung  schien  es  uns  zweckmaBig,  zunachst 
das  NotenmateriaJ,  mit  kritischen  Analysen  versehen,  vorzulegen  und  danii 
erst  eine  theoretische  Zusammenfassung  zu  versuchen;  diese  Reihenfolge 
entspricht  auch  unserer  Arbeitsmethode. 

II.  Notenbeispiele  und  Analysen. 
A.  Malabaren. 
1.  Tamil.    Liebeslied. 
A    '  =  142  bis  184. 


1)  B.  Simon  (Die  Notationen  des  Somanatha,  Sitz.-Ber.  d.  k.  bayr.  Ak.  d.  Wiss. 
1903,  m.)  fuhrt  deren  23  verschiedene  allein  fiir  die  Vina,  ein  sehr  verbreitetes  Saiten- 
instrument,  an.  Auch  die  alte  religiose  Musik  besaft  derartige  Notationen  (vgL  Bur- 
nell,  Arsheyabrahmana,  Introd.  §  4). 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornhortel,  Fhonographierte  indische  Melodien.  355 
B  C 


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=>-         *~   D.C. 

Ein  in  flottem,  bis  zum  SchluB  bestandig  gesteigerten  Tempo  von 
zwei  Tamil-Frauen  gesungenes  Liebeslied.  Die  Manner  gaben  den 
Rhythmus  an,  indem  sie  jedes  erste  und  vierte  Achtel  durch  Hande- 
klatschen  betonten.  Ohne  diese  Betonung  ware  der  uns  ganz  ungewohnte 
7/g-Takt  schwer  zu  erkennen  gewesen  (vgl.  S.  399).  Auch  die  Tonalitat  der 
Melodie  bereitet  unserer  Auffassung  Schwierigkeiten.  Nach  den  Ge- 
wohnheiten  unserer  harmonischen  Musik  sind  wir  zunachst  geneigt,  6?-dur 
als  Tonart  anzunehmen,  schon  wegen  des  Quartensprungs  am  Anfang; 
doch  wirkt  h  als  Finalton  im  zweiten  Teil  (in  dem  g  uberhaupt  fehlt), 
noch  mehr  fis  als  Finalton  im  ersten  und  dritten  Teil  dieser  Auffassung 
entgegen.  DaB  wir  es  mit  einem  /Si-Modus  zu  tun  hatten,  ist  kaum  glaub- 
lich  (derselbe  fehlt  auch  bei  Tagore,  Mus.  Scales).  Bemerkenswert  ist 
die,  auch  in  den  anderen  indischen  Melodien  haufige  Verschiebung  nach 
der  Oberquarte  (Unterquinte)  vom  1.  zum  2.  Teil  und  die  hierdurch  er- 
reichte  hohere  Lage  des  letzteren.  Alle  Teile  werden  nach  Art  unseres 
Bond os  mehrfach  wiederholt  und  zwar  in  folgender  Anordnung:  A  4  mal 
hintereinander,  dann  B  4  mal,  C;  A  6  mal,  B  4  mal,  C;  A  5  mal, 
B  4  mal,  0;  A. 


Beide. 


2.  Tamil.    Liebeslied.    (2  Frauen.)  —  Schlage  auf  dem  2.  Viertel. 

A     J 


A     j  =  144. 


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usw. 


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366  Q.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbottel,  Phonographierie  indische  Melodien. 


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Ein  anderes,  ebenfalls  von  zwei  Tamilfrauen  gesungenes  Liebeslied. 
Nach  unserer  Auffassung  JEs-dur  mit  einer  Ausweichung  nach  ^b-dur. 
Da  aber  es  nur  voriibergehend  gebraucht  wird,  b  (in  Teil  A,  B  und  B1,) 
bzw.  f  (in  D)  ein  st&rkeres  melodisches  Ubergewicht  haben,  so  ist  wohl 
ein  /So£-Modus  auf  fc,  bzw.  ein  ifc-Modus  auf  f  anzunehmen.  Interessant 
ist  wieder  der  Khythmus.  Obne  Zweifel  liegt  Itfer  ein  einfacher  4/4  Takt 
vor,  doch  wird  jedesmal  das  zweite  und  vierte  Viertel  durch  Hande- 
klatschen  betont,  nach  unserer  Nomenklatur  also  die  schlechten  Taktteile 
(ygl.  8.  396).  Einmal  wird  das  TJnisono  durch  eine  Solostelle  unterbrochen ; 
bemerkenswert  ist  hier  der  Ansatz  zu  einem  Contrapunkt:  wahrend  die 
eine  S&ngerin  noch  den  SchluBton  ihres  Solos  aushalt,  beginnt  die  zweite 
ein  frtiheres  Thema  auf  der  tieferen  Quinte  (sic!  vgl.  Nr.  12, 13,  26  u.  S.  383). 


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0.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostei,  Phonographierte  indische  Melodien.  357 


A  (Chor)  j  =  88. 


3.  G-ujarati.    Tanzlied. 


(4mal)  B  (Solo.) 


^=^^f=f4rf^r:i;^^^^B 


Bx  (Chor), 


usw.    Da  capo. 


Ein  G-ujarati-Tanzlied.  (Hindustanisch ?)  Fur  unser  Gefiihl  wechselt 
die  Tonalitat  zwischen  D-dur  und  6r-dur,  je  nachdem  cis  oder  c  (letzteres 
stets  als  Durchgangsnote  zu  h)  erscheint.  O  kommt  nur  einmal  als  Durch- 
gangsnote  vor.  Melodischer  Schwerpunkt  ist  durchwegs  d;  wir  konnen 
also  einen  Wechsel  von  Sol-  und  Do-Modus  auf  d  annehmen.  —  Der 
Takt  wechselt  nach  unserer  Auffassung  zwischen  3/8  und  */8,  und  zwar 
regelmaBig  so,  daB  auf  je  vier  3/g-Takte  ein  %-Takt  folgt;  vielleicht  haben 
wir  einen  16/8-Takt  vor  uns  (vgl.  S.  399).  Der  Aufbau  zeigt  die  ubliche 
Bondof  orm  mit  unzahligen  "Wiederholungen  der  einzelnen  Teile  (A  4  mal, 
B,  B*,  B*;  A  5  mal,  B,  B*,  B*;  A  3  mal  usw.).  Der  zweite  Tefl  (B)  be- 
wegt  sich  wieder  in  hoherer  absoluter  Lage,  als  der  Hauptteil,  und  wird 
mit  einer  Variation  wiederholt.  Der  Chor  wird  antiphonisch  von  Solo* 
stellen  abgelost;  der  Solistin  fallt  gewissermaBen  die  Rolle  eines  Vor* 
gangers  zu. 


—  140. 


4.  Gujarati.    Frauengesang. 
At 


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358  0.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indisohe  Melodien. 

A,  ^ 


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I    2.  z.        Ci 


|Jd:i^-^^^^uSTT^fp^±J| 


Gujarati-Frauengesang.  (Solostimme.)  Besonders  interessant  da- 
durch,  daB  dieselben  Themen  auf  verschiedenen  Stufen  wiederkehren,  also 
ganz  analoge  Modulationen,  oder  besser  Transpositionen  vorkommen,  wie 
in  unserer  Musik.  Die  Tonica  des  ersten  Teiles,  A,  verschiebt  sich  successive 
nach  fis  (in  Teil  C),  h  (in  D  und  C1)  und  e  (in  E,  D1  und  C*),  mit  an- 
deren  Worten  einmal  nm  eine  Quinte  hinauf,  einmal  urn  eine  Quinte 
hinunter;  eine  Oktaventransposition  (in  C1)  erhalt  die  Melodie  in  dem 
durch  die  Singstimme  gegebenen  Umfang.  "Wir  haben  fast  durchwegs 
ginen  Mi-Modus  anzunehmen;  nach  europaischer  Auffassung  moduliert 
das  Stiick  von  G-dur  nach  D-dur,  hierauf  nach  6F-dur  zuriick,  schliefilich 
nach  C-dur.  Der  Takt,  dessen  Analyse  uns  infolge  der  haufigen  Syn- 
kopen  und  rhythmischen  Verschiebungen  groBe  Schwierigkeit  machte,  kann 
als  4/4-Takt  bezeichnet  werden;  ein  eingestreuter  %-Takt  stort  diese  Auf- 
fassung nicht,  denn  er  scheint  aus  dem  4/4-Takt  entstanden  zu  sein,  indem 
eine  lange  Note  nicht  gentigend   ausgehalten  wurde.    Der  Aufbau   des 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  359 

Stiickes  weicht  von  dem  der  vorhergehenden  etwas  ab,  indem  nicht  der 
erste  (A),  sondern  der  zweite  Teil  (0),  von  neuen  Nebenteilen  unter- 
brochen,  wiederholt  wird. 


A  j  =  170. 


5.  Gujarat i.    Tanzgesang. 


^^j-r-r&T-. upus 


B  J«192. 


A*  j«170. 


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parlando. 


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D  J.«170. 


A    D 


r  *    m  *  * 
parlamdo. 

G-ujarati-Tanzgesang.  Man  konnte  schwanken,  ob  wir  die  Tonart 
als  einen  Sol-modus  auf  der  Tonika  f  oder  als  einen  Jfi-modus  auf  d 
auffassen  sollen;  das  d  kommt  aber  uberaus  haufig  vor  (ganze  Teile  B 
und  D  bestehen  nur  aus  einem  rhythmisch  gegliederten  d),  so  daB  wir  wohl 
nicht  f  ehlgehen,  wenn  wir  d  als  Tonika  und  f  als  Dominante  betrachten. 
DaB  wir  unsere  europaische  Tonartenvorstellung  nicht  fiir  die  indische 
Melodik  verwerten  konnen,  geht  aus  diesem  Liede  besonders  klar  hervor; 
denn  2?-dur,  das  wir  nach  der  Vorzeichnung  b  und  es  und  auch  bei  et- 
waigen  Harmonisierungsversuchen  als  die  Tonart  der  Melodie  ansprechen 
wtirden,  ist  schon  deshalb  auszuschliefien,  weil  der  Ton  b  nur  ganz  ver- 
einzelt  als  Durchgangsnote  vorkommt.  Interessant  ist  in  diesem  Stuck 
der  "Wechsel  des  Gesanges  mit  dem  Sprechgesang.  Dieser  Sprechgesang 
ersetzt  Trommelrhythmen  und  zeigt  auch  eine  Kompliziertheit  wie  diese. 
Das  Lied  wurde  von  zwei  Frauen,  bei  den  Auffiihrungen  der  Truppe  aber 
von  Mannern  zur  Begleitung  des  Bajaderentanzes  gesungen. 


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360  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

6.  Rag  a  Bhairava. 
'=100. 


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Dieser  Melodie  soil  Raga  Bhairava  zu  Grande  liegen.  Bei  dem  ge- 
ringen  Ton-Umfang  ist  ein  Erkennen  des  Ragatypus,  den  wir  von  anderen 
eigenen  (vgl.  Nr.  17)  und  Literaturaufzeichmingen  kennen,  schwierig.  Tonika 
ist  e,  die  Tonart  erscheint  uns  als  ein  d-moll  mit  der  Tonika  auf  der 
2.  Stufe;  wir  haben  also  eine  Art  jRe-modus.  DaB  e  als  Tonika  anzu- 
sprechen  ist,  geht  nicht  nur  aus  der  Frequenz  und  Dauer  dieses  Tones, 
sondern  auch  aus  seiner  melodischen  Bevorzugung  hervor:  es  ist  von  be- 
sonders  vielen  Verzierungen  umrankt;  nachst  ihm  ist  g  der  wichtigste, 
auch  durch  Verzierungen  ausgezeichnete  Ton.  Eigenartig  ist  der  Takt. 
"Wir  finden  regelmaBig  3  aufeinanderfolgende  4/4*Takte,  denen  sich  ein 
2/4-Takt  anschlieBt.  Vielleicht  fassen  die  Inder  diese  14  Viertel  als  eine 
Einheit  (14/14-Takt)  zusammen. 


J  =  126 


7.  Malabaren.    Kinderlied. 


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Da  Capo. 

Ein  Malabaren-Kinderlied  in  einfachstem  2/4-Takt  und  von  ver- 
haltnismafiig  geringem  Tonumfang.  Wenngleich  wir  nach  Kriterien  der 
harmonischen  Musik  die  Tonart  als  -F-dur  ansprechen  wiirden,  kann  f 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Horabostei,  Phonographierte  indische  Melodien.  361 


keineswegs  Tonika  sein,  da  es  nur  an  einer  einzigen  Stelle  als  Durch- 
gangsnote  vorkommt.  Wir  halten  im  1.  Teil  den  /Sot-modus  auf  c,  im 
2.  Teil  den  ife-modus  auf  g  fiir  die  zugrundeliegende  Oktavengattung. 
Danach  miiBten  wir  in  beiden  Teilen  einen  SchluB  auf  der  Dominante 
g  reap,  d  annehmen,  wofern  wir  fiir  die  SchluBtakte  der  Teile  nicht 
einen  Re-  resp.  La-modus  auf  der  SchluBnote  als  Tonika  annehmen  wollen. 


=  138. 


8.  Mala b  are n.    Einderlied.    (Gebet.) 


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8a.  Rektah.    (Balberg.) 
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Dies  Stiick  ist  ein  Beweis  dafiir,  daB  auch  in  der  allereinfachsten 
indischen  Musik,  einem  Kinderliede,  von  minimalem  Tonumfang  (Quarte) 
eine  fiir  uns  ganz  komplizierte  Taktart  vorkommt.  Das  regelmaBige  Ab- 
wechseln  des  4/4-  und  8/4-Taktes  macht  es  uns  wahrscheinlich,  daB  die 
7  Einheiten  als  eine  Gruppe  (7/4-Takt)  aufgefaBt  werden.  Eine  Pikan- 
terie,  wie  sie  in  unsrer  modemen  europaischen  Musik  oft  mit  solchen 
komplizierten  Bhythmen  erstrebt  wird,  ist  bei  diesem  indischen  Volks- 
liede  wohl  vollig  ausgeschlossen.  Diese  und  die  folgende  Melodie  sind 
Gebetlieder. 

"Wir  fligen  eine  Melodie  aus  der  Sammlung  von  Dalberg  (1.  c.)  zum 
Vergleiche  bei,  die  offenbar  mit  unserm  Einderlied  verwandt,  wenn  nicht 
identisch  ist. 


J.  =  112. 


9.  Malabaren.    G-ebet. 


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362  0.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

10.  Mala  bare  n.    Kinderlied. 
'  =  144. 


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f^tff  fffl  g  r.  ^=£=gfeS 


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allmahlich  znm  parlando  ubergehend. 


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Zwei  einfache  Kinderlieder  mit  ganz  geringem  Tonumfang,  die  ganze 
Melodie  besteht  nur  aus  3  Noten.  In  No.  10  ist  der  tjbergang  zu  einem 
Sprechton  bemerkenswert,  in  welchem  die  Tonhohe  nur  mit  Miihe  zu 
analysieren  ist  (wahrend  das  Parlando  im  Stiick  5  noch  deutlich  den 
tonalen  Charakter  behalt;  wir  haben  zum  TJnterschied  in  5  das  Parlando 
in  richtigen  Noten  geschrieben,  wahrend  wir  hier  mit  den  kopflosen 
Noten  nur  die  rhythmische  Gliederung  andeuten  wollten). 


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>176. 


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11.  Malabaren.    Kinderlied. 


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J¥*  tercfo.  j«138. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornboetel,  Fhonographierte  indische  Melodien.  363 


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Noch  ein  einfaches  Kinderlied.  Die  Tonart  ist  fiir  uns  ein  melodisches 
o-moll,  das  als  Leitton  wirkende  gis  und  die  Schliisse  auf  der  Tonika  a 
machen  uns  das  Stuck  sehr  verstandlich,  wir  konnten  es  mit  Leichtigkeit 
harmonisieren. 

12.  Muhammedani8che  Sackpfeife. 


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Proben  aus  zwei  auf  der  Schlangenbeschworungspfeife  (Modig)  ge- 
blasenen  Stiicken.  Die  Blaser  waren  Muhammedaner  aus  Haiderabad. 
Die  Melodie,  die  sich  in  geringem  Tonumfang  (Quarte)  bewegt  und  viele 
Verzierungen  aufweist,  wird  von  einem  Orgelpunkt,  nach.  unsrer  Auf- 
fassung  auf  der  Untersexte  begleitet.  Da  das  e  in  der  Melodie  sehr 
hervorgehoben  ist,  mtissen  wir  es  als  Tonika  betrachten  (iZe-modus  auf 
e)j  obwohl  das  Sextenverhaltnis  der  Begleitung  auffallend  erscheint1). 

13.  Gujarat  is.    Oboenduett. 


Probe  aus  einem  Oboenduett2).  Die  Spieler  sind  Gujaratis.  Die  erste 
Oboe  (Nagasara)  blast  die  Melodie,  welche  einen  groBeren  Tonumfang 
hat,  als  die  vorige  Probe  (eine  Oktave)  und  yielfach  koloriert  ist.  Die 
Tonleiter  entspricht  unserm  a-moll,  der  melodische  Schwerpunkt  liegt 
auf  der  Quinte  e  (Solr-mo&us  in  Moll).  Diese  Tonika  e  wird  sehr  ein- 
dringlicb  von  der  2.  Oboe  (Hothi)  als  Orgelpunkt  festgehalten,  der  BaB 
setzt  2  Takte  vor  der  Melodie  ein  und  zieht  dadurch  ganz  besonders  die 
Aufmerksamkeit  auf  sich  (vgl.  Nr.  26  u.  S.  383). 


:112. 


B.  Delrubastlicke. 
14.  Raga  Kalyana. 


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1)  Eine  ganz  ahnliche  Melodie  hat  L.  Riemann  (Uber  eigentiimliohe  bei  Natur- 
und  orientalischen  Kulturvolkern  vorkommende  Tonreihen,  Essen  1899,  p.  39,  Nr.  6) 
nach  dem  Gehor  aufgezeichnet. 

2)  Vgl.  anch  L.  Riemann,  1.  c.  S.  37.  Nr.  1. 


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364  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornboatel,  Phonographierte  indische  Melodien. 


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Raga  Kalyana  (?).  Das  Stuck,  das  uns  Herr  Davar  nicht  nur  auf 
der  Dilruba  vorspielte,  sondern  gelegentlich  auch  vorsang,  ist  nach  seiner 
eigenen  Angabe  Kalyana;  in  der  mitgeteilten  Form  wird  es  mit  modernem 
Text  als  Loblied  auf  Indra  in  der  Oper  Hariscandra  vom  Chor  (unison) 
mit  Orchesterbegleitung  gesungen.  Ob  wir  eine  korrumpierte  moderne 
Form  oder  eine  Mischung  von  Kalyana  mit  einem  andern  Raga1)  oder 
uberhaupt  nicht  Kalyana  vor  uns  haben,  vermogen  wir  nicht  zu  ent- 
scheiden.  Die  Beispiele,  die  T  ago  re  fiir  Kalyana  gibt  (vgl.  u.  a.  Musical 
Scales  p.  65)  stehen  alio  im  ifa-Modus.  Unser  Stuck  befolgt  in  der 
aufsteigenden  Melodie  ein  anderes  Leiterngesetz,  als  in  der  absteigenden2): 
wir  finden  aufsteigend  fis  (einmal  als  Durchgangsnote  von  ezu;,  sonst 
stets  zwischen  g  und  g  eingeschlossen)  und  absteigend  f  (stets  zwischen 
e  und  e).  Unserm  Gefiihl  nach  sind  fis  und  f  Leittone  und  daher  C-dur 
die  Haupttonart,  von  der  (in  Teil  0  und  D)  nach  der  »Dominanttonart< 
G-dur  ausgewichen  und  wieder  in  die  Haupttonart  zuriickgekehrt  wird. 
Melodische  Schwerpunkte  sind  im  ersten  Teil  (A  und  B)  e,  daneben  c 
und  g  (daher  > -Mi-Modus*);  im  zweiten  Teil  (0  und  D)  g,  daneben  e  und 
c.  Die  Melodie  ist  also  durchwegs  auf  dem  C-dur-Dreiklang  aufgebaut. 
Bemerkenswert  ist  auch  der  Wechsel  in  Umf ang  und  Lage  der  Melodie : 
der  erste  Teil  (A)  bewegt  sich  zwischen  a0  und  a1,  also  vom  melodischen 
Schwerpunkt  (e1)  aus,  um  eine  Quinte  nach  unten  und  eine  Quarte  nach 
oben,  wahrend  der  zweite  Teil  (B  und  ff)  bis  zur  hoheren  Oktave  des 


1)  Vgl.  S.  391. 
2^  Vgl.  S.  389. 


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O.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hombostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  365 

melodischen  Schwerpunktes  (e2)  ausgreift;  es  erinnert  'dieses  Verhaltnis 
der  Melodieteile  —  das  iibrigens  in  den  meisten  Ragas  wiederzukehren 
scheint  —  an  das  des  »plagalen«  Kirchentons  2ttm  »authentischen«, 
welche  beide  sich  auch  namentlich  durch  den  » ambitus «  unterscheiden. 
Der  Rhythmus  ist,  auch  fur  unser  Gefiihl,  fast  durchwegs  ein  vier- 
teiliger.  Wir  wtirden  wohl  4/i  vorzeichnen  und  mit  dem '  akzentuierten 
»guten«  Taktteil  »Eins«  beginnen.  Allein  nach  Herrn  Davars  ausdriick- 
licher  Versicherung  hebt  das  Stiick  mit  »Zwei«  an  und  der  erste  Teil 
schlieBt  mit  »Eins« ;  auch  faBte  Davar  doppelt  so  groBe  Gruppen  zusammen, 
als  wir,  so  daB  ein  4/2~Takt  herauskam.  Im  ersten  Teil  begegnet  diese 
Art  der  Gliederung  auch  keiner  Schwierigkeit.  Um  den  zweiten  Teil 
aber,  analog  dem  ersten,  auf  der  wiederholten  Viertelnote  mit  »Eins« 
abzuschlieBen ,  muBten  wir  ihn  auch  mit  »Eins<  beginnen  lassen.  Es 
folgen  also  beim  Ubergang  von  A  zu  B  zwei  gute  Taktteile  aufeinander. 
Der  Aufbau  von  C  entspricht  wieder  dem  von  A;  jedoch  tritt  im  3.  und 
4  Takt  je  eine  Gruppe  von  3  Viertelnoten  an  die  Stelle  von  2  Vierteln, 
gemssermaBen  Triolen,  aber  ohne  Verkiirzung  der  einzelnen  Viertel ;  der- 
artige  Erweiterungen  (hier  */4  statt  */A)  sind  in  der  indischen  Melodik 
haufig;  sie  entstehen  durch  Einschiebsel  (hier  offenbar  das  /&),  die  den 
rhythmischen  Verlauf  fur  indisches  Gefiihl  nicht  storen.  Vielleicht  hat 
man  auch  den  merkwiirdigen  Ubergang  von  A  zu  B  als  eine  derartige 
Ausdehnung  (10/4  statt  8/4)  aufzufassen.  —  Auch  dieses  Stiick  zeigt  die 
beliebte  Rondoform. 


l*Art.     J  =  104. 
A 


15.  Ragigl  MandL 


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366  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 


Yon  Davar  als  Ragini  Mand  bezeichnet.  Als  melodische  Schwer- 
punkte  erscheinen  b7  daneben  f  und  d\  a  kommt  in  der  ersten,  c  in  der 
zweiten  Spielart  nor  ganz  gelegentlich  vor.  Beide  Stiicke  bauen  sich 
also  wieder  auf  dem  Dreiklang  auf  und  stehen  nach  unserm  Gefiihl  in 
jB-dur  (Do-modus  auf  b).  Sie  unterscheiden  sich  hauptsachlich  rhyth- 
misch:  das  erste  Stiick  zeigt  eine  3teilige  (3/4)  das  zweite  eine  2teilige 
(6/s)  Gruppierung;  es  ist  uns  nicht  moglich,  beide  unter  eine  Taktart  zu 
bringen.  Der  erste  Takt  der  1.  Variante  erscheint  bei  den  "Wieder- 
holungen  einmal  zu  5/4>  einmal  zu.  4/4  erweitert.  —  Die  einzelnen  Teile 
wiederholen  sich  mit  Variationen  (Rondo)1). 

16.  Ragini  Bhairavi. 
.  144. 


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1)  Day  (1.  c.  S.  90)  jfibt  ein  Beispiel  fur  Raga  Mand,  das  mit  tmserer  >1.  Art* 
eine  gewisse  melodische  Ahnlichkeit  hat. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Horabostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  367 

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Ein  Beispiel  der  haufig  verwendeten  Ragini  Bhairavi.  Nach  unserm 
Gefiihl  Es-dux  mit  dem  Schwerpunkt  auf  der  3.  Stufe,  also  Jffi-Modus 
auf  g7  das  auch  als  Hnalton  (ahnlich  wie  bei  Nr.  14  doppelt  wiederholt) 
erscheint.  Dieser  Befund  stimmt  mit  dem  Beispiel  iiberein,  das  Tagore 
(Mus.  Scales  p.  80)  von  Bhairavi  gibt:  auch  zeigen  die  beiden  letzten 
Takte  des  Hauptteils,  namentlich  bei  den  Wiederholungen,  eine  auffallende 
melodische  Ahnlichkeit  mit  Tagore's  Teilschliissen.  Am  Beginn  des 
2.  Teils  (und  noch  zweimal  an  den  entsprechenden  spateren  Stellen) 
erscheint,  zwischen  zwei  b  eingeschlossen,  a  (als  eine  Art  Leitton)  anstatt 
as\  hierdurch  wird  b  neben  der  Tonika  g  besonders  ausgezeichnet  (bei 
Tagore  tritt  ebenfalls  die  Oberterz  der  Tonika  hervor);  auch  d  (Quinte 
der  Tonika)  hat  ein  gewisses  melodisches  fjbergewichk  Zweimal  kommt 
des  absteigend  als  Durchgangsnote  vor,  (an  den  mit  *  bezeichneten 
Stellen);  es  ist,  wie  uns  der  Spieler  selbst  zugestand,  einem  andern  Raga 
entlehnt:  ein  Gleiches  diirfte  von  dem  a  gelten.  Fast  durchwegs  4/4,  der 
Anfangstakt  jedes  Teiles  erweitert  (zu  %  °der  6/4)-  Ein  Takt  einmal 
zu  */A  verkiirzt,  bei  der  Wiederholung  voile  */4  Rondoform. 

17a.  Raga  Bhairava.    Gewohnliche  Form. 


A  J«136. B 


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368  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornboetel,  Phonographierte  indische  Melodien. 


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17b.    Raga  Bhairava.    Jo  da. 
Freies  Tempo  (Largo). 


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Raga  Bhairava.  Die  Leiter  enthalt  zwei  ubermaBige  Sekundschritte 
(des-e,  as- A),  doch  kommt  nur  der  eine  tatsachlich  vor,  da  h  nur  in  der 
tieferen  Oktave  (stets  zwischen  c  und  e),  as  nur  in  der  hoheren  erscheint 
Wir  wiirden  f-mo\l  annehmen.  Der  Frequenz  und  Dauer  nach  ist  c 
besonders  ausgezeichnet,  h  und  des  wirken  uberdies  als  Leittone;  auch 
der  absteigende  ubermaBige  Sekundschritt  an  den  Teilschliissen  der  ersten 
Form  drangt  fiir  unser  Gef  tihl  stark  gegen  c.  (Uber  die  SchluBformel  des 
Joda  (17  b)  vgl.  S.  392.)  Nach  Davar  ist  f  Hauptton,  dann  —  mit  ab- 
nehmender  Gewichtigkeit  —  c,  as,  und  g.  As  erscheint  difrch  Mordente 
hervorgehoben  (im  Joda  allerdings  auch  e,  doch  hat  es,  wohl  als  Tefl 
des  iibermaBigen  Sekundschrittes,  nur  den  Charakter  einer  Durchgangs- 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  369 

note,  vgl.  S.  386)  *).  Die  »gewohnliche  Form*  bewegt  sich  in  einfachem, 
scharf  akzentuierten  4/4-Takt,  der  sich  an  den  Teilschliissen  durch  eine 
Uberleitungsphrase  zu  6/4  erweitert;  das  Stiick  baut  sich  (wieder  im  Rondo) 
aus  zwei  Teilen  auf,  von  denen  der  zweite  (B)  eine  melodische  Erweiterung 
des  ersten  (A)  darstellt,  mit  gleichzeitiger  VergroBerung  des  Umfangs 
nach  der  Hohe  zu.  —  Die  Joda-Form  ist  ohne  erkennbaren  Bhythmus* 
die  Taktstriche  sollen  nur  die  melodischen  Phrasen  begrenzen,  die  im 
Wesentlichen  dieselben  sind,  wie  in  der  gewohnlichen  Form,  jedoch 
haufig  durch  Einschiebungen  und  Wiederholungen  erweitert;  gleich  das 
erste,  langausgehaltene  c  erscheint  zu  einem  Motiv  (a)  ausgesponnen,  das 
dem  Hauptteil  (A)  auch  bei  alien  Wiederholungen  gewissermaBen  als 
Anklindigung  vorausgeht  und  vielleicht  auch  dazu  dient,  den  Horer  gleich 
anfangs  mit  der  Tonalitat  des  Raga  vertraut  zu  machen.  —  Das  Tempo 
des  Joda  ist  bedeutend  langsamer,  als  das  der  strengrhythmisierten 
Variante. 


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1.  Art. 
A 


:116. 


18.   Raga  Behag. 


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fe^fe^^zbht^g 


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1)  In  dem  Beispiel,  das  Tag  ore  (Specimina  S.  68  f.)  vonBhairava  gibt,  kommt  b 
vor  anstatt  h,  und  zwar  in  der  hoheren  Oktave.  F  tritt  mehr  hervor,  o  mehr  zuriick, 
als  bei  uns.  Day  (1.  c.  S.  72)  meint,  der  beliebige  Wechsel  yon  grofier  und  kleiner 
"Septime,  sowie  ein  nie  fehlender  Mordent  auf  der  vierten  Stufe  waren  fur  Bhairava 
charakteristisch. 

s.  d.  I.  M.    v.  24 


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370  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  induche  Melodien. 


OT= 


SHF^^^^^  K    J    ^-^A^Fine. 


2.  Art     j  — 116. 

A  * 


B  A 


tj^Ttf  g  s  ^177;  j  r  I  i-a^a^vrj  1 1 .  11 


3.  Art.  (Ghazal;.     j=  130.    Durchwegs  glisaando. 
A. 


usw. 


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B 


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P^  1  usw.  (B  2  mal  wiederholt . 


Bag  a  Behag  in  drei  verschiedenen  Spiel weisen,  denen  folgende 
Eigentiimlichkeiten  gemeinsani  sind :  von  den  Tonen  der  Odurleiter,  die 
alle  vorkommen,  erscheint  e  (namentlich  in  der  1.  Art)  melodisch  und 
rhythmiseh  besonders  ausgezeichnet;  wir  haben  also,  trotzdem  c  Anfangs- 
•und  Finalton  ist,  einen  Jf*-Modus  anzunehmen  (auch  von  Davar  bestatigt,; 
als  Nebentoniken  (Dominanten)  erscheinen  c  und  g\  im  zweiten  TeiL 
dessen  Umfang,  abgesehen  von  der  zum  Hauptteil  zurtickleitenden  Phrase. 
zwischen  g  und  d  eingeschrankt  ist,  erscheint  g  als  Tonika,  h  und  c  als 
Dominanten  ($rf-Modus).  Die  Sekunden  der  dominierenden  Tonstufen 
(/,  d  und  a)  treten  dagegen  als  Durchgangsnoten  zuriick.  Das  absteigende 
Motiv  chg e  (in  der  3.  Art  in  seiner  einf achsten  Gestalt)  scheint  fur  den 
Baga  charakteristisch.  —  Unterscheidend  wirkt  in  den  drei  Spielweisen 
vornehmlich  der  Ehythmus.  Wir  begegnen  zunacht  einem  4/4-Takt,  der  sich 
bei  der  3.  Wiederholung  des  Hauptteils  (A*)  und  im  Nebensatz  (B)  klar 
zu  erkennen  gibt,  haufig  aber  durch  Einschiebsel  (durch  punktierte  Takt- 
striche  gekennzeichnet)  und  Uberleitungstone  zu  5/4,  6/4  oder  %  erweitert 


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O.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indiscke  Melodien.  371 

wird.  (Bemerkenswert  ist,  daB  die  erweiterten  Perioden,  als  Ganze  be- 
trachtet,  Multipla  von  5/s  darstellen:  A  mid  A1  =  8  +  10  +  9  +  8  =  35 ; 
a  =  12  +  8  =  20;  A^  =  8  +  9  +  8  =  25  vgl.  S.  399). 

In  der  zweiten  Art  wechseln  4/4  un^  5/4»  jeder  Teil  als  Ganzes  bildet 
eine  Gruppe  von  13/i ;  der  3/4-T?akt  des  dritten  Stiickes  erscheint  zweimal 
zu  2/4  verkiirzt,  einmal  zu  4/4  erweitert.  Dieses  letzte  Stuck  nnterschied 
sich  iiberdies  durch  die  Vortragsweise  (durchaus  glissando)  von  den  beiden 
andern  und  wurde  von  Davar  als  »Ghazal«  bezeichnet1). 


■■  176  (al  Fine  constant). 


19.  Tanzlied. 


ijji  g  j^l;iJJ"ji  hk&i 


yrrn 


i 


Z*±3tZ 


£=*= 


e— \ t 
Ufc=fc3fcZ* 


B2  B3 


^ 


Bi 


3fe 


Das  von  Davar  als  »Tanzlied«  (»Kahrva«)  bezeichnete,  streng 
rhythmisch  und  in  flottem  Tempo  vorgetragene  Stuck  steht  nach  unserem 
Gefuhl  in  C-dur,  (zumal  h  in  der  tieferen  Oktave  wie  ein  Leitton  ge- 
braucht  wird)  mit  Bevofzugung  von  e.  Im  zweiten  Teil  erlangt  jedoch  g 
ein  gewisses  Ubergewicht,  gleichzeitig  erscheint  (als  absteigender  Leitton)  fc. 
Nach  Davar  ist  es  nicht  moglich,  in  diesem  Stiick  die  Haupttone  zu  ei> 
kerraen,  auch  der  Raga  ist  schwer  bestimmbar  (Jinjoti??).  —  Der  vor- 
herrschende  4/4-Takt  erscheint  einmal  durch  Wiederholung  der  Tonika 
(Fermate  vgl.  8.  399)  zu  5/i  erweitert.  Interessant  ist  der  akzentuierte 
Auftakt  am  Anfang  des  Hauptteils,  der  auch  bei  den  Wiederholungen 
als  Einschiebsel  erhalten  bleibt,  so  wie  die  3  dem  Hauptteil  angehangten 
Achtel.    Die  Sechzehntel-Figuren  erinnern  an  Stiick  14  und  16. 

1)  Bei  J>ay  (L  c.  S.  88)  finden  wir  ein  »Thvngric  notiert,  das  mit  unsrer  >1.  Arte 
aaffattende  Ahnlichkeit  hat,  dem  jedoch  die  Ragas  Pilu  und  Desh  zugrunde  liegen  sollen. 

24"* 


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372  0.  Abraham  mid  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

C.  Grrammophonaufnahmen. 
-   20.  Hindustani  Song  from  Aladin. 


J  =166. 


Instr.     ^"7^7 


Einl.      m 


JLK  I  I  -fW 


-&■■ 


=£ 


^ 


0  f  0 


^±s 


&E 


TrommeL 


rcl.~  *  r 


Gesang. 


I 


<£ 


P=t 


—4- P h 

if        If i- 


A>  JUni '  J*gi 


Th- 


-£— *- 


— M- 


:fcfc 


?1PP* 


■*-H  r if  *~^ 


±=p 


^  '4  ffrfP  Uiijj'^jv^ 


-4+r- 


r  •  r  f  i  r 


4-t 


+r+ 


rr 


i 


Bj.  jlOT 


jg;  |  ^-[^i^i  j^-^'-V-  u^ 


TT 


■rr-rfT^ 


^-brj,l^m77TTjjfTTT^ 


jjjpmjgifeg^ 


3=t 


-« J5»- 


T^3^ 


fe 


=rt 


i^ 


^ 


w^j^j 


li^jryt  jjpf^Sj  3vt : g  fj35;  1 1 J  /J  U 


D.  0.  dal.  S£ 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  373 

Hindustanischer  Gesang.  (Aus  der  Oper  »Aladin«;  gesungen  von 
Mr.  Pestonji1)  vom  Corinthian  Theatre,  Calcutta  D.  Gr.  G.  Nr.  12342.) 

Die  Leitern,  die  dieser  Melodie  zu  Grande  liegen,  sind  im  ersten  Teil 
g ash  c  d  es  fg,  im  zweiten  Teil  g  as  he  des  fis  g\  d.  h.  harmonisch  und 
und  doppelt  harmonische  MolUeitern,  in  denen  das  Charakteristische  ein 
resp.  zwei  Iibermafiige  Sekundschritte  sind  (vgl.  S.  385) 2).  Die  Melodie 
vermeidet  in  aufsteigender  Skala  das  es.  Tonika  ist  nach  unsrer  Auf- 
fassung  im  ersten  Teile  c,  im  zweiten  g\  doch  sind  auch  die  Tone  d,  h,  as 
und  g  im  ersten,  es  im  zweiten  Teile  melodisch  ausgezeichnet.  Bemerkens- 
wert  ist  die  tiefe  Intonation  des  c  vor  dem  ftinftletzten  Takt  unsrer 
Notation  (erhohter  Leitton?).  Uber  den  hochst  merkwlirdigen  Ehythmus 
vgL  S.  398  und  399. 

21.  Hindustani  Chorus. 


tr 


tt~t 


frtrfr  tfmf  fJ*^ 


f  r  I  r  m  I 


^m 


(3.  Wiederholung  accell.  bis  J  =  162. 
D.  C/dal  <£ 


££ 


jB^ffirflggil 


Hindustanischer  Chor  (aus  der  Oper  »Khoodabad«,  gesungen  von 
Mitgliedern  des  Corinthian  Theatre  D.  Gr.  G.  14535)  melodisch  und 
rhythmisch  yiel  leichter  verstandlich  als  der  vorige.  Im  ersten  Teil  ist 
fis  als  Tonika  aufzufassen,  mithin  die  Tonart  ein  fa-Modus  auf  fis  (ent- 
sprechend  unserer  absteigenden  Jfe-moll-Leiter).  Im  zweiten  Teil  ist  cis 
der  melodische  Schwerpunkt,  die  Tonart  entspricht  also  unserem  A-Axa 

1)  Ein  Parse;  der  Titel  des  Stiickes  ist  auch  in  persischer  Schrift  auf  der  Platte 
verzeichnet. 

2)  Nach  Davar  liegt  diesem  Gesang  ein  gemischter  Raga  zu  Grande. 


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374  0.  Abraham  tmd  Erich  M.  v.  Hornbortel,  Phonographierte  indische  MeLodien. 


mit  einer  Betommg  der  dritten  Stufe  (Jft-Modus  auf  a).  Interessant 
ist  der  regebn&fiige  Wechsel  zwischen  Chor  und  Solisten;  die  Melodie  des 
Solos  Kegt  hoher  und  ist  starker  verziert  als  der  Chorsatz,  wahrscheinlich 
spielen  auch  hier  gesaagstechnische  Griinde  mit  wie  bei  uns,  oder  der 
Solist  hat  seinen  Part  willkttriich  ausgeschmftckt  Zum  SchluB  wird  das 
Tempo  lebhaft  gesteigert 


22.  Hindustani  (comic)  Song. 


Gesang. 


inn 


^^U^j^^M^S^^ 


|T7j  t^W^Hs: $  rjiJS-j  l  j^Liii 


B 


ll 


(gttw.) 


•gliw.) 


-E-+- 


_t____Z_t 


Tf^rnTft 


-rv-r 


*9     0 


T 


%  nrrsf 


jglisB.) 


DC. 


«= 


HnQ-j-W 


f  _ 


Hindustanischer  (komischer)  Gesang.  (D.  Gr.  Ges.  12136.)  Die 
Melodie  pendelt  im  ersten  Teil  zrwischen  e  und  a;  im  zweiten  zwischen 
a1  und  cP,  im  dritten  zwischen  a1  und  d1  hin  und  her,  urn  endlich  auf  e 
zurtickzukehren;  die  Tonalitat  ist  nach  unserm  Gefiihl  o-moll  (Jft-Modus 
auf  e?).  Mehrfach  finden  wir  ein  fis  trillerartig  alternierend  mitg;  da  es 
aber  auBer  an  diesen  Stellen  nirgends  vorkommt,  konnen  wir  es  wohl  als 
einen  leiterfremden,  zum  Zwecke  der  Verzierung  eingeffigten  Ton  be- 
zeichnen.  —  Die  Auffassung  des  Rhythmus  als  4/4"T?akt  macht  keinerlei 
Schwierigkeit. 

Die  Komik  dieses  Gesanges,  die  natUrhch  hauptsachlich  im  Text  liegen 
wird,  ist  auch  rein  musikalisch  zu  erkennen.  Das  Tempo  ist  ftott,  jede 
kurze  Note  entspricht  anscheinend  einer  besonderen  Textsilbe,  auch  wirkt 
das  heulende  Glissando  an  den  Teilschliissen  mit  seiner  sonderbaren  Klang- 
farbe  wie  ein  musikalischer  Witz.  Ganz  ahnliche  musikalische  Auadrucks- 
mittel  gebrauchen  auch  wir  fiir  das  Komische. 


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0.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  375 


23.  Bengalieches  Orchcsterstiick. 


aoo.. 


B 


.  J  §  J1;  j  I  /■JTJ'^tf  I  r  fr-OUHfrfr**3 


bJ^B-J  iJ'i^-ff— il-J  JjJ7 


3=5= 


-*— *L- 


Ci 


Bi 


f--7t^£&  p  ii  J'  as-s-n  r  p-jra 


C* 


*FJf* 


S^K-^-jfr^ 


3=3= 


B*. 


tt-U-k 


iXjU-iJ-^'^J^1  B  1 1  ^ 


si# 


L^l.  v.'  2.v.B 


fsgig-^^^^l^'BriH^^-crg 


I 


^=^fc 


33£ 


^p=a 


U8W. 


Bengalisches  Orchesterstiick.  (D.  Gr.  Ges.  10000,  erste  Halfte  der 
Platte.)  Die  Tonalitat  dieser  Melodie  ist  auBerordentlich  schwer  fest- 
zulegen.  Zwar  bewegt  sich  die  Melodie  immer  zwischen  a  und  dl}  (bzw.  cP), 
doch  ist  es  kaum  moglich  zu  entscheiden,  welchem  dieser  Tone  der  Vor- 
rang  gebiihrt.  In  Teil  A,  B  und  0  ist  a,  in  D  dagegen  d  Finalton  und 
hat  auch  sonst  das  melodische  tjbergewicht.  Wie  ein  auf steigender  Leitr 
ton  erscheint  eis,  daneben  in  der  absteigenden  Melodik  c\  einmal  (in  B) 
tritt  fis  an  die  Stelle  von  /*.  Bemerkenswert  ist  auch  die  erhohte  Into- 
nation des  f2  in  D. 

Nach  europaischer  Auffassung  ware  D-moll  die  Haupttonart,  mit  ge- 
legentlicher  Ausweichung  nach  Z}-dur  und  besonderer  Hervorhebung  der 
»Dominante«  a.  —  Die  rhythmische  Auffassung  wird  sehr  erschwert  durch 
Synkopen,  dynamische  Akzente  auf  »schlechten«  Taktteilen,  sowie  durch 
die  Tronunelrhythmen,  die  allerdings  in  der  Wiedergabe  auf  dem  Grammo- 
phon  stark  zuriicktreten.  Es  war  uns  daher  auch  nicht  moglich,  dieselben 
zu  fixieren.  Vielleicht  ware  das  Stuck  im  6/8-Takt  zu  schreiben  gewesen 
(vgl.  S.  398),  wofiir  manche  Stellen  (z.  B.  der  3.  Takt  von  B)  sprechen 
wurden;  doch  ftigt  sich  das  ganze  besser  einer  dreiteiligen,  als  einer  vier- 
teiligen  Gliederung.  —  Bondoform. 


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376  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierfce  indische  Melodien 


AJ-1 


24.  Bengalisches  Orchesterstuck. 

B 

+ 


<>~>  ^  <>o 


&'r'  ill  fli  '"iJ^-4i  £  o  ^iicfTFXtrTin 


jj>  1  j  b  .tjtj  s  j#=ti^i 


Bengalis ches  Orchesterstuck.  (D.  Gr.  Ges.  10000,  zweite  Halfte 
der  Platte.)  Das  Stuck,  dessen  Melodik  eine  auffallende  Ahnlichkeit  mit 
Nr.  18  {Raga  Behag)  zeigt,  baut  sich  auf  der  Odurleiter  auf ;  bemerkens- 
wert  ist  das  b  im  dritten  Teil,  sowie  die  erhohte  Intonation  der  Wechsel- 
note  f  zwischen  g  und  g  (aufsteigender  Leitton?)  im  ersten  und  die  ver- 
tiefte  Intonation  des  /"am  Schlufi  des  dritten  Teils  (absteigender  Leitton?  . 
In  diesem  ist  e  der  melodische  Schwerpunkt  (Si-modus?  ?).  In  der  Sprache 
der  harmonischen  Musik  wlirden  wir  von  einer  Modulation  von  C-dur  (A) 
nach  6?-  (B)  und  jP-dur  (C)  reden.  Synkopen,  dynamische  Akzente,  die 
bei  der  Wiederholung  variieren,  und  Trommelrhythmen  wie  beim  vorigen 
Stiick.    (tJber  die  12teiligen  Gruppen  vgl.  S.  399.)  —  Eondofonn. 


j  =  88. 


25.  Bengali  Chorus. 
A 


ffi-l-H-f=F.  J3  ?  I  /  4JJ  J  6  1  I  Jl  J^fg^p 


h  ft  §  (hh^cljj  ?\?  g  jyyr  :n-&± 


^W^rrt-ffi^XT  u-Ol$^ 


j}A  gjgjlg^  ^tt^hh-p  §j  dfpg 


f#te 


2.  v.  E 


fffl^^ 


^^^^^  I  \  1/3  J 


^nzp 


^    '  * 


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0.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.    377 
Ci  B        A        B       Di       ^  >_ 


OIL-  ryfiFvB 


$t±'j  i  crr%HhEk^^ 


Bengalischer  »Chor«  (eigentl.  Duett  aus  »BeUik  Bazar, «  ges.  v. 
Hira  Lai  u.  Uripendra,  Classic  Theatre,  Calcutta  D.  Gr.  Ges.  14559). 
Die  Tonart  diirfte  als  Mi-Modus  auf  g  zu  bezeichnen  sein;  wie  ein  Leit- 
ton  wirkt  das  a,  das  stets  zwischen  zwei  b  eingeschlossen  an  Stelle  des 
as  ofters  auftritt.  Es  bewirkt,  daB  uns  die  Melodie  streckenweise  (nament- 
lich  in  Teil  C)  als  reines  jB-dur  (Do-modus  auf  c)  erscheint  Leittonartig 
auch  das  des  (in  D),  stets  zwischen  zwei  c  eingeschlossen1).  Der  Bhyth- 
mu8  schwankt  fur  unser  Gefuhl,  ahnlich  wie  in  Nr.  23,  zwischen  6/s  un^  Va* 
(Naheres  dariiber  vgl.  S.  398).  Als  Hauptteil  des  Kondos  fungiert,  wie  in 
Nr.  4,  nicht  die  erste,  sondern  die  zweite  Periode  der  Melodie. 

26.  Bengali  Song. 
Freies  Tempo.    Durchwegs  legato. 
A 


1)  Nach  Davar  Mischung  yon  Bhairavi  mit  einem  anderen  Baga. 


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378  O.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 


l.v. 


tt  2.  v.  |  C. 


^i^K^S-^m^ 


j  n 


***-©< — "    «y*  gJ    *  « 


B 


Bengali  scher  Gesang1)  (ges.  v.  N.  C.  Chakrabarty,  Calcutta  D.  Gr. 
Ges.  12135).  Als  Tonika  der  ganzen  Melodie  ist  d  anzusprechen,  so  daB 
wir  im  Hauptteil  (A)  einen  ife-modus  auf  d  vor  uns  haben,  in  den  Neben- 
teilen  (Cj  in  aufsteigender  Melodik  einen  &>/-modus  auf  d,  in  absteigender 
Melodik  (B)  einen  La-modus  auf  d.  Wahrend  des  Gesangs  ertont  in  der 
(Harmonium- [?])Begleitung  kontinuierlich  ein  g0  als  Orgelpunkt.  An 
mancben  Stellen,  besonders  wenn  in  der  Melodie  ein  fis  (bei  C)  oder  ein 
a  (bei  B)  gesungen  wird,  wirkt  das  disharmonische  Zusammenklingen  sehr 
befremdend.  Trotzdem  ist  gerade  das  g  (und  zwar  das  g  der  tieferen 
Oktave)  derjenige  Ton,  welcher  die  groBte  Klangverwandtschaft  zu  den 
Tonen  der  Melodie,  die  wenigsten  Dissonanzen  aufweist.  Auch  in  unserer 
Melodik  wird  ja  oft  die  Unterquinte  als  Orgelpunkt  benutzt  (vgl.  Nr.  13 
und  S.  383).  —  Die  Feststellung  des  Bhythmus  machte  uns  viel  Schwierig- 
keit.  Wir  haben  das  Stuck  im  4/4-Takt  notiert,  und  uns  durch  einen 
eingeschobenen  2/4-Takt  und  Fermaten  geholfen,  finden  aber  trotzdem 
noch  deutliche  Taktverscbiebungen  (vgl.  z.  B.  die  verschiedenen  Teile  B)? 
die  vielleicht  intendiert,  wahrscheinlich  aber  durch  unsere  unzureichende 
taktliche  GUederung  zu  erklaren  sind. 

Der  Hauptteil  wird,  von  kleinen  Nebenteilen  abgelost,  ofters  wieder- 
holt,  aber  jedesmal  mit  kleinen  Variationen  des  Rhythmus  und  der 
Koloraturen. 


1)  Nach  Davar  ein  >Ghazal«. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hoinbostel,  Fhonographierte  indische  Melodien.  379 

27.   Gujarati  Gesang. 
j\  —  cc  220. 


Instr.       jj)  L    ft: 
Einl.       ffi^  H- 


Einl. 

Trommel. 

(go) 


2 


-J-f-l- 


^ 


4-HF-4- 


*=*= 


s 


±at 


trit 


S£ 


CJ    f  Cf 


rr 


Ge«*g.      ^k_|_nj_^ 


tr-*nr 


S 


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IT     7:£ 


*=4 


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-cr-^r^ 


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3E 


E 


3^e*e 


S 


=*=*= 


=*£*3 


tj — H-tHhc — 'hH~Jh 


u    ?:g 


I 


^^ 


S3Eg£ 


cr    *;g 


-*-+■ 


:*=? 


I 


tr 


tr 


Gujarati  Gesang  (aus  der  Oper  »Hooluk  Jamver*,  ges.  v.  Master 
Shioo,  Cor.  Theat;  D.  Gr.  G.  12189).  Der  Melodie  liegt  die  harmonische 
MolUeiter  gasbcdesefg  zugrunde;  als  melodischer  Schwerpunkt  er- 
schien  uns  zuerst  g.  Da  aber  dieser  Modus  (eine  Art  .Re-Modus)  weder 
bei  Tagore,  noch  bei  Day  vorkommt,  miissen  wir  wohl  fo&er  b  als  Tonika 
annehmen  (vgl.  S.  385).  Auffallend  ist  das  Fehlen  der  Oberquinte  der 
Tonica  und  der  iibermafiige  Sekundschritt.  Tiber  die  interessante,  durch 
den  Trommelrhythmus  nochkomplizierte  Ehythmik  dieser  Melodie  vgl.  S.399. 


I 


J. -60- 


28.  Panjabi  Song. 


7=& 


T~aft 


S 


3E 


n — "r — ■— 


^-tf-'  *    r     ^ 


$ 


D.  C.    ! 


^^"3  i  t*  r*    a  i.|  j'j^ 


P  an  jabi -Gesang  (aus  der  Oper  >Kodha  Dost«,  geeungen  yon  Mr. 
Bholaji  vom  Corinthian  Theatre,  D.  Gr.  Ges.  12168).    AuBerst  einfache, 


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380  O.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Horabostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

auf  dem  C-dur-Dreiklang  aufgebaute  Melodie;  im  ersten  Teil  tritt  nament- 
lich  e  melodisch  hervor  (jfcK-Modus?).  Der  %-Takt  im  ersten  Teil  infolge 
der  Synkopen  schwerer  zu  erkennen. 


28.    Pushto  (comic)  Song. 


i 


a. 
A 


76. 


B 


S 


m- 


gjfF^B 


£= 


Pushto-Gesang  (»Comic  Song«,  aus  »Khoda  Dost«,  ges.  v.  Mr.  Booi, 
D.  Gr.  Ges.  12166).  Jfi-Modus  auf  g\  in  Teil  B  vielleicht  Za-Modus 
auf  c.  Ohne  den  ersten  Teil  hatten  wir  das  Stiick  im  2/4-Takt  notiert; 
den  Anfang  forderte  aber  eine  dreiteilige  Gliederung,  die  sich  auch  in 
den  folgenden  Teilen  beibehalten  laBt.  Dieses,  wie  das  vorhergehende 
Stiick,  werden  im  Original,  nach  Art  unserer  Couplets,  unzahlige  Male 
wiederbolt1). 

III.  Kritische  Zusammenfassung. 

1.  Tonleitern. 
Nach  der  ausgebreiteten  musiktheoretischen  Literatur  der  Inder  stellt 
sich  ihr  Ton  system  als  eine  aufierst  komplizierte,  durch  Saitenteilung 
gewonnene  Folge  von  21  Intervallen  innerhalb  einer  Oktave  dar.  Ln 
wesentlichen  stimmen  die  Autoren  darin  uberein,  daB  nicht  diese  21-stufige, 
sondern  eine  7-stufige,  unserer  diatonischen  Durleiter  entsprechende  Skala 
(Gamut,  Grama  oder  Saptaka)  die  Grundlage  des  Systems  bildet.  Aus 
dieser  leiten  sich  durch  Erhohung  (Tivra)  oder  Erniedrigung  (Komala) 
einzelner  oder  mehrerer  Tone  eine  Reihe  von  32  verschiedenen  7-stufigen 
Leitern  (Samparna-That)  ab.  Eine  weitere  Komplikation  tritt  durch 
Ausfall  eines  oder  zweier  T5ne  ein.  Tagore2)  fiihrt  112  verschiedene 
6-stufige  (Shadava  That)  und  160  5-stufige  Leitern  (Odava  That)  an. 
Ob  diese  unheimlich  groBe  Anzahl  von  Skalen  tatsachlich  in  indischen 
Melodien  als  Gebrauchsleitern  zu  finden  sind,  oder  ob  sie  nur  der  Per- 
mutationsrechnung  ihre  Entstehung  verdanken,  vermogen  wir  nicht  zu 
entscheiden.  Day  verzeichnet  fiir  das  siidindische  (Karnatik)  System  72, 
fiir  das  nordindische  (Hindustani)  System  12  7-stufige  Leitern  als  gebrauch- 
lich3).    Die  Theorie  verlangt  auBer  den  einfachen  Erhohungen  bzw.  Ver- 


1)  Ein  sehr  ahnlichea  Stiick  bei  Day  (1.  c.  S.  87,  »Lavani<). 

2)  Musical  Scales  of  the  Hindus. 

B)  Die  12  Hinduleitern  finden  sich  alle  auch  im  Karnatik. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Fhonographierte  indische  Melodies.  381 

tiefungen,  die  unsre  chromatische  Skala  ergeben  wiirden,  noch  eine  Anzahl 
doppelter,  durch  die  in  die  Intervalle  der  diatonischen  Leiter  zwei  (bei  Halb- 
tonschritten),  drei  (bei  kleinen  Ganztonen)  oder  vier  (bei  grofien  Ganztonen) 
kleinere  Stufen  (Srutis)  ungefahr  von  der  GroBe  eines  1/3-  bis  1/4-Tons 
eingescboben  werden.  Vorlaufig  ist  nicht  mit  Sicherheit  auszumachen,  ob 
diese  Zwischentone,  die  die  erwahnte  21-stufige  Leiter  ermoglichen,  wesent- 
liche  Bestandteile  der  indischen  Musik  sind.  Die  Srutifrage  ist  schon  seit 
langer  Zeit  bei  indischen  und  europaischen  Forschern  Gegenstand  leb- 
haftester  Diskussion  gewesen.  Namentlich  hat  man  sich  iiber  die  Intervall- 
groBe  der  Gratis  nicht  einigen  konnen.  Yon  indischer  Seite  wird  immer 
hervorgehoben,  daB  die  Srutis  in  der  praktischen  Musik  nicht  nur  haufig 
gebraucht  werden,  sondern  ihr  geradezu  den  charakteristischen  Stempel 
aufdriicken,  und  daB  die  europaische  Notation  zur  Wiedergabe  der  in- 
dischen Musik  unzureichend  ware.  Die  europaischen  Porscher  wurden  da- 
durch  zu  der  Ansicht  gebracht,  daB  die  Srutis  einen  wichtigen  Teil  des 
indischen  Tonsystema  bildeten,  als  dessen  Grundlage  die  21-stufige  Leiter . 
zu  betrachten  sei.  Ware  das  wirklich  der  Pall,  dann  ware  es  kaum  zu 
verstehen,  daB  Tagore  (in  der  erw&hnten  ausfiihrlichen  Aufzeichnung 
indischer  Leitern)  Leitern  mit  Zwischentonen  nicht  angibt.  Nach  der 
Meinung  von  Ellis1)  hat  Tagore  bei  der  Aufzeichnung  der  Leitern  ver- 
absaumt,  anzugeben,  welche  Tone  »doppelt  erhoht»  resp.  »doppelt  ver- 
tieft*  aufzufassen  sind.  Doch  ist  es,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  sehr 
zweifelhaft,  ob  Tagore's  Notierungssystem  fur  die  tatsachlichen  Verhalt- 
nisse  nicht  doch  ausreichend  ist. 

Der  Widerspruch  der  verschiedenen  Meinungen  lost  sich  namlich 
leicht,  wenn  man  die  Art  und  Weise  beriicksichtigt,  in  der  nach  em- 
stimmigem  Zeugnis  aller  Gewahrsmanner,  auch  nach  den  personlichen 
Beobachtungen  von  Ellis,  die  Srutis  in  der  praktischen  Musik  verwendet 
werden.  Wir  stehen  angesichts  der  indischen  Melodik  vor  der  merk- 
wiirdigen  Tatsache,  daB  etwas,  was  bei  uns  ornamentales  Beiwerk 
ist,  dort  als  konstituierender  Bestandteil  auftritt.  Eine  Anderung 
oder  Weglassung  der  » Verzierungen*  in  unserer  Musik,  wiirde,  wie  schon 
das  Wort  andeutet,  das  Wesen  der  Melodie  nicht  beeintrachtigen.  Ganz 
anders  in  Indien.  Man  miiBte  statt  von  Verzierungen  etwa  von  Aus- 
drucksformen  sprechen,  um  die  ungeheuer  mannigfaltigen  Arten  der 
Glissandos,  Legatos,  Portamentos,  Triller,  Mordente  zu  charakterisieren. 
In  diesen  Ausdrucksformen  liegt  fiir  indisches  Gefiihl  etwas  ebenso 
Wesentliches  wie  in  den  festen  Tonstufen  der  eigentlichen  Melodie. 
R.  Simon  fiihrt  in  seinen  Vorbemerkungen  zu  der  kritischen  Herausgabe 


1)  A.  L  Ellis,  On  the  Musical  Scales  of  Various  Nations.  Joorn.  of  the  Soc.  of 
Arts  XXXTTT.  1886.  S.  600ff. 


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382  0.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Horabostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

der  Notationen  des  Soman  at  ha1)  eine  groBere  Zahl  von  Schriftzeichen 
an,  welche  derartige  Ausdrucksformen  fiir  den  Spieler  yorschreiben.  Aaf 
ihre  nahere  Beschreibung  wollen  wir  an  anderer.  Stelle  zurfickkommen. 
Nur  so  viel  sei  bemerkt,  daB  fiir  fast  alle  Yerzierungen  nicht  nnr  die 
Tone  gebraucht  werden,  die  durch  Biinde  oder  Stege  auf  den  Saiten- 
instrumental  fiiiert  sind;  rielmehr  werden  diese  Haupttone  durch  ver- 
Bchiedene  G-lissandotechnik  alteriert.  Nur  in  den  Verzierungsf  ormen  sind 
Zwischentone  zu  finden;  die  gauze  Srutitheorie  scheint  eine  Theorie 
der  Ausdrucksf ormen  zu  sein  und  die  Wichtigkeit,  die  man  ihr  zu- 
gemesaen  hat,  durch  die  Bedeutung  der  Ausdrucksformen  bedingt.  Da 
die  Yerzierungen  in  den  alt-klassischen  musikalischen  Formen  noch  zahl- 
reicher  sind  als  in  den  neueren  einfachen  Volksmelodien,  so  ist  es  nicht 
unwahrscheinlich,  daB  auch  den  Zwischentonen  (Srutis)  in  alten  Zeiten 
eine  mchtige  Rolle  zukain,  und  daB  wir  in  den  Yerzierungsformen  einem 
Residuum  derselben  begegnen.  Wenn  diese  Yermutung  richtig  ist,  dann 
ware  es  miifiig,  nach  der  heutigen  IntervallgroBe  der  Srutis  zu  fragen, 
da  dieselbe  bei  Yemerungsformen  in  der  eigenartigen,  noch  zu  besprechen- 
den  Technik  stets  mehr  oder  weniger  der  Willktir  des  Spielers  oder  dem 
Zufall  untertiegt2). 

Wir  gelangen  also  zu  dem  SchluB,  daB  das  Material  des  indischen 
Tonsystems,  soweit  es  fiir  uns  in  Betracht  kommt,  nicht  eine  22-stufige, 
sondem  identisch  mit  unserer  (temperierten)   12-stufigen  chromatischen 


1)  Die  Notationen  des  Somanatha,  Sitzungsber.  d.  k.  bayr.  Akad.  1903.  HL. 

2)  Tag  ore  (Hindu  Music  p.  17)  versichert  zwar,  daB  sogar  geiibte  Sanger  auch  die 
Vr  nnd  y8-Tone  genau  intonieren  konnen;  one  will  aber  scheinen,  daB  hier  nur  das 
Experiment  entscheiden  kann;  unmoglich  ist  die  Einschaltung  kleinerer  Stufen  in  unser 
Halbtonintervall  jedenfalls  nicht  (vgl.  Stump  f ,  Tonpsychologie  1, 163).  Aber  auch  nach 
indischer  Anschanung  liegen  diese  kleinen  Intervalle  an  der  Grenze  der  Unterschieds- 
empfmdlichkeit  (wohl  des  Kehlkopfs?  —  vgl.  Gr  osset ,  I.  c.  S.  84).  Um  die  europaischen 
Forecher  mit  der  genanen  IntervallgroBe  der  Srutis  bekannt  zu  machen,  sandte  Tagore 
1886  an  Ellis  eine  Vina,  auf  der  die  ▼ollstandige  22-stufige  Leiter  durch  feste  Biinde 
fixiert  war.  Die  Teilung  der  Oktave  war  in  der  Weise  vorgenommen,  daB  die  Saiten- 
l'ange  in  zwei  Halften,  die  so  entstehende  untere  Quarte  in  9,  die  obere  Quinte  in  IB 
gleiche  Teile  zerlegt  wurde.  Ellis  bestimmte  die  den  Bunden  der  »gruti-Vina«  ent- 
sprechenden  Tonhohen  und  berechnete,  vom  Grundton  aus  folgende  Werte  in  Cents 
(Hundertstel  des  temperierten  Halbtons): 


0 

45  111 

169 

222 

267 

316 

389  436  506  534  588  640  712 

temp.  0 

100 

200 

300 

400     600     600      700 

c 

cis 

d 

dis 

e       f      fis       g 

749 

807 

800 
gis 

855 

917 

900 

a 

954 

1013  1077  1136  1220 

1000  1100      1200 

b    h        c. 

Ellis  Termutet,  daB  eine  22-stufige  temperierte  Leiter  intendiert  war  (s.  Day,  1. 
Appendix). 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  383 

Leiter  ist.  Auch  Ellis1),  der  sich  von  einem  indischen  Musiker  mehrere 
Stucke  auf  der  Viiia  vorspielen  lieB  und  die  fhrierten  Tonhohen  sofort 
bestimmte,  fand  nur  Stufen,  die  denen  der  chromatischen  temperierten 
Leiter  sehr  nahe  kamen,  mit  der  einzigen  Ausnahme  einer  doppelt  ver- 
tieften  Terz,  die  vermutlich  garnicht  intendiert  war.  Day3)  spielte 
wohlgeubten  indischen  Fachmusikern  (KarnStik  und  Hindustani)  ihre 
Leitern  auf  dem  temperierten  Ellavier  vor  und  erhielt  die  Versicherung, 
daB  sie  den  Vuift-Skalen  vollig  gleich  waren.  Es  ist  zu  vermuten,  daB 
die  Inder,  unabhangig  von  Europa,  zu  einer  sehr  ahnlichen  Temperatur 
ihrer  Leitern  gelangt  sin<L 

Die  G-ebrauchsleitern,  worunter  wir  die  der  Tonhohe  nach  geordne- 
ten  Tone  eines  Musikstuckes  verstehen,  entsprechen  in  unseren  Melodien  fast 
ausschlieBlicb  der  diatonischen  Skala.  Doch  diirfen  wir  sie  weder  mit 
unserer  Dur-  noch  den  gewohnlichen  Mollleitern  identifizieren,  da  diese 
Begriffe  nur  innerhalb  unserer  harmonischen  Musik  anwendbar  sind. 

Die  indische  Musik  aber  ist  im  groBen  und  ganzen  homophon.  Mehr- 
stimmige  G-esange,  sowie  Gesang  und  Instrumentalbegleitung  sind  unisono 
oder  bewegen  sich  in  Oktaven.  Daneben  finden  sich  vereinzelt  schwache 
Ansatze  zur  Polyphonic,  indem  die  tiefere  Oktave  oder  Quinte  des  Grund- 
tons  ausgehalten  wird,  wahrend  die  Melodie  fortschreitet  (vgl.  Noten- 
beispiel  2,  12,  13,  26).  Harmonische  Musik  ist  dies  aber  noch  keines- 
wegs.  Scharfe  unaufgeloste  Dissonanzen  beweisen,  daB  die  simultanen 
Konsonanzen  nicht  um  ihrer  selbst  willen  verwendet  werden;  der  Gang 
der  Melodie  wird  durch  den  mitausgehaltenen  GrundbaB  nicht  beein- 
fluBt.  Wir  wollen  nur  nebenbei  daran  erinnern,  daB  wir  ganz  analogen 
Musikformen  auch  in  Europa  begegnen  (Frofanum  organum,  Bourdon, 
Dudelsack,  alte  Volkslieder).  Allerdings  ist  es  auffallend,  daB  der  Grund- 
baB zum  Hauptton  der  Melodie  stets  im  Verhaltnis  der  beiden  konso- 
nantesten  Interralle,  Oktave  und  Quinte)  steht.  Man  pflegt  daher  in 
dieser  Begleitungsform  die  ersten  Ansfttze  unserer  harmonischen  Musik 
zu  sehen.  Wir  werden  gleich  noch  andere  Eigentiimlichkeiten  der  in- 
dischen Melodik  zu  besprechen  haben,  die  eine  ahnliche  Tendenz  verraten. 

Die  den  europaischen  Musikern  gelaufigen  Begriffe  >Dur  und  Moll«, 
»Tonika«,  »Dominante«  sind  in  ihrer  psychologischen  Bedeutung  noch  so 
umstrittene  Probleme,  daB  ihre  "Obertragung  auf  die  Musik  fremder 
Volker  nur  mit  groBter  Vorsicht  rersucht  werden  darf .  Wir  wollen  desk 
halb  als  Tonika  ganz  allgemein  den  melodischen  Schwerpunkt,  d.  h.  den- 
jenigen  Ton  einer  Melodie  verstehen,  der  durch  Frequenz,  Dauer,  Akzent 


1)  1.  c.  S.  601. 

2)  1.  c.  S.  31  Anm. 


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384  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

und  Position1)  ausgezeichnet  ist.  Mit  »Dominanten«  bezeichnen  wir  ent- 
sprechend  diejenigen  Tone,  denen  neb  en  der  Tonika  ein  besonderes 
melodisches  Ubergewicht  zukommt.  Wir  befinden  uns  mit  diesen  Defini- 
tionen  iiberdies  im  Einklang  mit  den  Begriffen  der  indischen  Musiktheorie. 
Unsere  Tonika  wird  namlich  als  Vadi  (Tone  hervorbringend),  unsere  Domi- 
nanten  als  Samvadi  (iibereinstimmend,  gleichartig),  die  iibrigen  Tone  der 
Melodie  als  Anuvadi  (wiederholend)  bezeichnet.  Der  Vadi  wird  bildlich 
als  Raja  (Konig)  oder  Jan2)  (Leben,  Seele),  der  Samvadi  ak  Minister, 
der  Anuvadi  als  Untergebener  angesehen.  Wenn  auch  iiber  die  Bezeich- 
nungen  der  Haupttone  bei  den  indischen  Autoren  Meinungsverschieden- 
heiten  herrschen3),  so  sind  sie  sich  doch  in  ihrer  Charakterisierong  als 
melodische  Schwerpunkte  einig.  Tonika  und  Dominanten  brauchen  nicht, 
wie  in  der  europaischen  Musik,  im  Quinten-  oder  Quartenverhaltnis  zu 
stehen;  wir  finden  dieses  Verhaltnis  zwar  auch  in  indischen  Melodien,  in 
einer  groBen  Anzahl  (etwa  in  einem  Drittel  unserer  Falle)  [aber  Terzen 
(Ober-  und  TJnterterzen).  Wenn  zwei  Dominanten  besonders  deutlich 
hervortreten,  so  bilden  sie  oft  mit  der  Tonika  zusammen  einen  Dreiklang. 
Ein  ausgebildetes  Gefiihl  fiir  die  Terz  als  konsonantes  Intervall  (latentes 
Harmoniegefiihl)  darf  hieraus  aber  noch  nicht  gefolgert  werden. 

Wenn  man  die  Tonika  als  G-rundton  der  Skala  annimmt,  dann  diffe- 
renziert  sich  die  Gebrauchsleiter,  die  sonst  nur  das  allgemeine  Gesetz  der 
Intervallenfolge  angibt,  in  eine  Reihe  von  (durch  das  Oktavenintervall 
begrenzte)  Tonfolgen,  die  den  altgriechischen  und  mittelalterlichen  Oktaven- 
gattungen  (Kirchentonen)  entsprechen.  So  wird  aus  unsrer  diatonischen 
Durleiter  (Do-modus),  wenn  der  Schwerpunkt  der  Melodie  auf  der  dritten 
Stufe  liegt,  der  ifi-modus,  aus  der  jonischen  Tonleiter  eine  phrygische 
(nach  der  Glarean'schen  Bezeichnung).  Es  handelt  sich  hierbei  nicht  nur 
um  eine  theoretische  Spekulation,  denn  Stiicke,  denen  diese  Leitern  zu- 
grunde  liegen,  sind  auch  musikalisch-psychologisch  durch  verschiedene 
»Tonalitat<   ausgezeichnet;    weshalb   man  sie  auch,    nicht   mit  Unrecht, 


1)  Man  darf  auf  den  Faktor  der  Position  eines  Tones  am  Anfang  oder  Ende  eines 
Melodieteiles  oder  einer  melodischen  Phrase  allein  nicht  allzuviel  Gewicht  legen.  Wenn 
ein  Ton  durch  Frequenz  und  Dauer  sich  zweifellos  als  Schwerpunkt  erweist,  so  ware 
es  ungerechtfertigt,  um  eines  anderen  SchluBtons  willen  die  Auffassung  des  ersteren 
als  Tonika  aufzugeben  (vgl.  Musikbeispiel  7,  14,  17,  18).  Fiir  indische  Ohren  kommt 
noch  ein  anderes  Moment  in  Betracht,  das  gewisse  Tone  melodisch  auszeichnet:  nam- 
lich Veirschleifung  mit  Nachbartonen  und  ahnliche  Ausdrucksformen  (vgl.  S.  390  f.]. 

2)  Im  Hindustani. 

3)  Soweit  wir  die  Interpretation  der  Sanskritliteratur  verstehen,  fallt  dem  durch 
Frequenz,  Dauer  und  Fiille  ausgezeichneten  Hauptton,  >am£a«,  eine  doppelte  Funktion 
zu:  erstens  regelt  er  als  >grahac  (Anfangsnote?)  die  zeitliche  Folge  der  anderen  Tone 
(>nya8a«,  [SchluGton],  »apanyasa«,  [Mittelton]  usw.)  in  der  melodischen  Phrase;  zwei- 
tens  bestimmt  er  als  >vadl<  die  Tonalit'at  und  den  Charakter  der  iibrigen  Tone 
»8amvadi«  usw.  s.  oben)  vgl.  Grosset  I.e.  S. 67 f.,  89;  Simon:  Magha,  ^iSupalavadha 
II  90,  Zeitschr.  der  deutsch.  morgenl.  Gesellsch.  67.  1903.  S.  520  ff. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  385 


verschiedenen  »Tonarten«  untergeordnet  hat.  TTnsere  harmonische  Musik 
hat  allerdings  das  Gefiihl  fiir  diese  Art  Tonalitat  zerstort  (wir  kennen 
nur  den  Do-  und  La-modus);  es  tritt  aber  deutlich  zutage  in  alten  (z.  B. 
lithauischen)  Volksliedern  und  Kirchengesangen  und  in  der  japanischen 
Musik  i). 

Die  von  uns  gefundenen  indischen  Tonleitern  sind  alle  auch  yon 
Tagore2)  und  Day3)  angefuhrt.  Am  weitaus  haufigsten  findet  sich  der 
ifi-modus,  seltener  Sol-,  R&-  und  La-modus,  garnicht  der  -Fa-modus  und 
der  Si-modus  (letzterer  auch  weder  bei  Day  noch  bei  Tagore).  Ob  wir 
in  den  Stiicken  15,  24,  25,  wirklich  den  Do-modus  nach  Art  unsrer 
C-dur  vor  uns  haben,  ist  wegen  der  Stellung  der  Dominanten  sehr  fraglich. 

AuBer  dem  Gesetz  der  Intervallenfolge,  das  unserm  diatonischen  Dur 
entspricht,  fanden  wir  noch  drei  andre;  eins  ist  mit  dem  unsrer  auf- 
steigenden  melodischen  Mollleiter  identisch  (c  d  es  f  g  a  h  c)  [s.  Noten- 
beispiel  11].  Yon  diesem  findet  sich  auch  der  entsprechende  .Re-modus 
(cdes  esfg  ab  c)  [s.  Notenbeispiel  6],  Ein  zweites  entspricht  dem  Ge- 
setz unsrer  harmonischen  Mollleiter,  welches  wir  in  dem  SoU  (c  des  e  f  g 
as  b  c)  [s.  Notenbeispiel  20  I]  und  dem  Do-  (oder  Fa-?)  modus  (cdesf 
g  as  he  resp.  c  des  fis  g  ab  c)  [s.  Notenbeispiel  27]  vertreten  finden.  Die 
dritte  Intervallenfolge  enthalt  zwei  ubermaBige  Sekundenschritte  in 
der  Oktave;  man  konnte  sie  als  doppelt  harmonisches  Moll  bezeichnen, 
s.  1.  v.  v.  Wir  finden  hiervon  den  Do-modus  (c  des  e  fg  as  hc)[s.  Noten- 
beispiel 20  II]  und  den  jPo-modus  (c  d  es  fis  g  as  h  c)  [s.  Notenbeispiel  17]. 
(Beide  auch  bei  Tagore.)4) 

Sehr  auffallend  ist  es,  daB  die  doppelt  harmonische  Mollleiter  (M4ja- 
malavagaula)  bei  den  Indern  als  einfachste  und  elementarste  Form  gilt, 
die  auch  alien  Anfangerstiicken  (Saralas)  zugrunde  liegt6). 

1)  vgl.  A.  und  v.  H.,  1.  c.  S.  327. 

2)  Musical  Scales. 

3)  1.  c.  S.  91  (Hindustani-Leitern)  und  S.  32—36  (Karnatik-Leitern)  usw. 
Mi-modus:  Hindustani    7.  >Bhairavic,  Karnatik    8.  »Hanumatodi« ; 


Sol-modus:         »             9.  »Janjuti«, 

» 

28.  »Harikambogi< ; 

Re-modus:         »             4.  »Kafi«, 

> 

22.  Karaharaprtya« ; 

La-modus:          »             8.  >Sinda-Bhairavi«. 

» 

20.  >Nata-Bhairavi« ; 

(Fa-modus:         »            11.  »Iman-Kalyanic, 

> 

65.  Mat8ya-Kaliani« ; ) 

Do-modus;         >             3.  >Bilaval>, 

» 

29.  >Dehras,ankarabharna«. 

4)  Diesen  Mollleitern  entsprechen 

bei  Day: 

cdesfgahc  —  Hindustani : 

fehlt 

— 

Karnatik:  23.  Gaurimanuhari ; 

c  des  es    f    g    a    b  c  —           » 

» 

— 

»          10.  Natakapriya; 

c  des  efgasbc —           > 

> 

— 

»          14.  Vakhulabharaa; 

cdesfgashc  —           » 

6.  Pilu 

— 

»          21.  Kjn^rani; 

cdesfisgabc —           > 

fehlt 

— 

>          68.  Hamo-vasantha; 

c  des  efgashc  —           > 

1.  Ealindra 

— 

«          16.  Majamalavagaula; 

cdesfisgaahc  —           > 

fehlt 

— 

»          67.  S'rimhandra. 

6)  cf.  Day,  1.  c.  S.  74. 

s.  a.  I.  M.  v. 

26 

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386  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  HornboBtel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

Die  G-esetze  der  Intervallenfolgen  unterscheiden  sich  1.  durch 
die  GroBe  der  vorkommenden  Intervalle  (Halbton-,  Ganzton-,  uberma&ige 
Sekundenschritte),  2.  durch  die  relative  Stellung  der  Intervalle  zu  ein- 
ander  —  wahrend  sich  die  Moden  durch  die  relative  Stellung  der 
einzelnen  Intervalle  zur  Tonika  unterscheiden,  bei  gleichbleibendem  Ge- 
setz  der  Intervallenfolge.  (Tagore  fuhrt  aufier  den  von  uns  gefundenen 
vier  Intervallfolgegesetzen  noch  Leitern  an,  die  12  andre  Gesetze  be- 
folgen.)  In  diesen  Yerhaltnissen  (den  verschiedenen  Stellungen  der  In- 
tervalle zueinander  und  zur  Tonika)  ist  die  Ursache  der  verschiedenen 
Tonalitat  zu  suchen.  Unsre  ersten  beiden  Typen  enthalten  nur  Halb- 
und  Ganztonschritte,  sind  also  diatonische  Leitern  und  unterscheiden  sich 
nur  durch  die  relative  Stellung  der  Halbtonschritte  zueinander;  die  beiden 
letzten  Typen  enthalten  iibermafiige  Sekundenschritte,  und  zwar  Typus  HI 
einen  UbermaBigen  Sekundschritt,  drei  Halbtonschritte,  Typus  IV  zwei 
iibermafiige  Sekundschritte  und  vier  Halbtone. 

Sowohl  aus  den  von  uns  gefundenen  wie  den  von  Tagore  aufgezahlten 
Leitern  geht  hervor,  daB  trotz  der  vielen  Kombinationen  niemals  die 
Tonika  Ausgangspunkt  eines  UbermaBigen  Ganztonschrittes  ist1).  Die 
Tonika  muB  also  durch  diatonische  Intervalle  (Ganz-  oder  Halbtone)  ein- 
geschlossen  sein.  In  unsrer  Musik  charakterisiert  die  Art  des  Ein- 
schlusses  (also  die  melodische  Stellung)  die  Tonika  ebenso  sehr,  wie  die 
oben  angegebenen  Momente  der  Frequenz  und  Dauer  usw. ;  wir  empfinden 
als  Tonika  denjenigen  Ton,  von  dem  nach  unten  ein  Halbton-,  nach 
oben  ein  Ganztonschritt  ausgeht,  (fe-c-d),  oder  vielmehr,  um  uns  psycho- 
logisch  genauer  auszudriicken:  zu  dem  von  unten  (resp.  oben)  ein  Halb- 
tonschritt  (resp.  Ganztonschritt)  leitet,  die  deshalb  auch  als  »Leittone« 
bezeichnet  werden.  Es  ist  klar,  daB  in  Melodien,  denen  Moden  nach 
Art  der  Kirchentone  zugrunde  liegen,  also  auch  in  den  indischen,  die 
psychologische  Wirksamkeit  der  melodischen  Stellung  hinter  den  andern 
tonalitatbestimmenden  Momenten  zurucktritt,  da  es  sich  ja  bei  den  Oktaven- 
gattungen  gerade  darum  handelt,  die  Stellung  der  Tonika  bei  gleich- 
bleibendem Intervallfolgegesetz  zu  variieren*).  Trotzdem  wird  man  auch 
hier  von  Leittonen  sprechen  konnen,  nur  miissen  noch  andre  Faktoren 
hinzutreten,  durch  welche  die  Zugehorigkeit  des  Leittons  zur  Tonika 
deutlich  wird  (vgl.  S.  392). 

Aus  dem  Tonalitatsgefiihl  fur  verschiedene  Moden  bei  gleicher  Inter- 
vallenfolge kann  man  von  vornherein  vermuten,  daB  einem  Wechsel   des 


1)  Auch  in  den  Hindustani-Leitern,  die  Day  anfUhrt,  kommen  solche  Formen  nicht 
vor,  dagegen  aber  in  12  Karnatik-Leitern. 

2)  Max  Meyer  hat  versucht,  ein  allgemein  geltendes  psychologisches  Tonikageaets 
zu  formulieren.  Wir  konnen  auf  seine  Theorien  in  diesem  Zuaammenhange  nicht  ein- 
gehen,  und  behalten  uns  vor,  sie  bei  andrer  Gelegenheit  genauer  zu  erortern. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  387 

melodi8chen  Schwerpunktes  bei  unverandertem  Tonmaterial  ein  Wechsel 
der  G-esamttonalitat  derMelodie  entspricht,  also  eine  Modulation,  me 
wir  sie,  auBer  der  Modulation  von  einer  Durtonart  in  die  dazugehorige  Moll- 
tonart  (C-dur  nach  .A-moll,  Wechsel  von  Do-  und  La-modus)  nicht  kennen. 
Eine  solche  finden  wir  z.  B.  im  Stiick  21,  in  welchem  sich  ein  La-modus 
auf  fis  verschiebt  in  einen  Jfi-modus  auf  cis.  Sehr  charakteristisch  ist 
auch  im  Stiick  7  die  Verschiebung  des  /Sot-modus  auf  c  in  den  ite-modus 
auf  g,  sowie  die  analoge  Modulation  in  Nr.  2  (&>£-modus  auf  b  —  Re- 
modus  auf  f).  Bei  all  diesen  Modulationen  verschiebt  sich  der  melodische 
Schwerpunkt  um  eine  Quarte  nach  abwarts. 

Unsre  gewohnliche  Modulation  ist  dagegen  eine  Transposition,  die 
sich  so  auffassen  laBt,  daB  bei  Beibehaltung  des  Modus  eine  Verschie- 
bung des  Tonmaterials  um  ein  gegebenes  Intervall  eintritt.  Das  Intervall, 
um  welches  sich  das  Tonmaterial  verschiebt,  pflegt  bei  uns  die  Quinte 
zu  sein.  Auch  diese  Art  der  Transposition  ist  bei  den  Indern  ge- 
brauchlich;  so  verschiebt  sich  im  Stiick  4  dieselbe  Melodie  zweimal  um 
eine  Quinte  nach  unten1). 

Da  die  Quintenverschiebung  bei  uns  deutlich  mit  dem  Harmonie- 
gefiihl  zusammenhangt,  mochten  wir  auch  hier  eine  derartige  Beziehung 
annehmen,  ohne  uns  allerdings  zu  entscheiden,  ob  das  Harmoniegefiihl 
die  Ursache  der  Quintenverschiebung  ist  oder  ob  letztere  aus  irgend 
welchen  andern,  vorlaufig  unbekannten  Ursachen  entstanden,  erst  zur 
Entwicklung  eines  Harmoniegefiihls  gefiihrt  hat.  Auch  in  der  japanischen 
Musik  kommen  ahnliche  Transpositionen  vor*). 

Die  schon  erwahnte  auffallende  Bevorzugung  des  Jfi-modus  in  unsren 
Melodien,  von  denen  sich  eine  groBe  Anzahl  auf  dem  Dur-Dreiklang 
aufbauen,  wiirde  allerdings,  wenn  nicht  etwa  europaischer  EinfluB  hier 
mitgespielt  hat,  auf  ein  Konsonanzgefiihl  in  unserem  Sinne  hindeuten. 

Auch  die  Spielweise  des  Dilruba  ist  in  dieser  Hinsicht  interessant. 
Das  c0  der  zweiten  leeren  Saite  wird  —  in  absteigender  Haufigkeit  — 
zusammen  mit  c,  gy  f  oder  e\  (selten)  d  oder  a  angestrichen,  nie  aber 
zusammen  mit  es  (!),/&,  as  (!),  b  oder  h.  Hiernach  hatten  die  Inder 
wohl  ein  Gefiihl  fiir  die  Konsonanz  der  Oktave,  Quinte,  Quarte,  groBen 


1)  Derartige  Verschiebungen  setzen  ein  Tonmaterial  von  relativ  groCem  Umfang 
und  daher  bei  Instrumentalisten  eine  gewandtere  Beherrschung  des  Instruments  voraus. 
Man  darf  vielleicht  vermuten,  daB  der  Gebrauch  von  Saiteninstrumenten  mit  beweg- 
lichenStegen  oderBunden,  vereint  mit  einem  geringen  Umfang  des  Tonmaterials,  im 
Zusammenhang  steht  mit  dem  Vorkommen  der  Oktavengattungen.  Wenn  man,  ohne 
den  Umfang  zu  vergroOern,  die  Melodie  durch  Yariationen  und  Modulationen  bereichern 
will,  so  ist  man  auf  eine  intensive  Erweiterung  des  Melodiematerials  angewiesen  und 
gelangt  zu  kleineren  Tonschritten  oder  neuen  Intervallfolgegesetzen,  deren  praktische 
Anwendung  durch  die  Beweglichkeit  der  Stege  erleichtert  wird.    (Vgl.  Japan.  Musik.) 

2)  Vgl.  A.  und  v.  H.  1.  c.  S.  327. 

25* 


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388  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Fhonographierte  indigene  Melodien. 

Terz  (letztere  beiden  Intervalle  stehen  angeblich  auf  einer  Bangstufe) 
und  etwa  noch  der  groBen  Sexte;  kleine  Terz  und  Sexte  wtirden  aber 
mit  dem  Triton  und  den  beiden  Septimen1)  zu  den  Dissonanzen  ge- 
rechnet  Man  wird  daran  erinnert,  daB  auch  in  Europa  die  kleine  Terz 
sich  erst  spat  einen  Platz  unter  den  »Konsonanzen«  erkampft  hat.  (Die 
simultane  Sekunde  freilich  gehort  auch  heute  noch  fiir  unser  Ohr  zu  den 
unangenehmsten  Dissonanzen.)  Jedenfalls  ist  der  Begriff  »Moll«  auf 
indische  Musik  (trotz  der  »harmonischen  Molltonleiternc)  ebensowenig 
anwendbar  wie  etwa  auf  japanische. 

2.  Begriff  des  Baga. 
Die  indische  Melodik  ist  noch  durch  andere  Gesetzmafiigkeiten  ge- 
bunden  als  durch  die  oben  erorterten  Eigentiimlichkeiten  des  Tonsystems. 
Wir  haben  uns  nunmehr  mit  einem  Begriff  zu  beschaftigen,  dessen  Verstand- 
♦nis  dem  Europaer  die  allergroBtenSchwierigkeiten  bereitet,  namlich  dem  Be- 
griff des  Baga.   Die  wortliche  Bedeutung  laBt  sich  etwa  als  »das  Stimmung- 
erzeugende*  wiedergeben.    Jones2)  identifiziert  Baga  mit  Tonart,  Modus. 
P ingle3)  stellt  den  Baga  als  vornehm  klassische  Stilart  auf  eine  Linie 
mit  andern  Stilarten.   Tagore4)  sagt,  es  gabe  kein  englisches  Wort,  das 
dem  Bagabegriff  adaequat  ware,  ja,  dieser  Begriff  fehle  der  europaischen 
Musik   uberhaupt.      An     andrer    Stelle6)    ubersetzt    Tagore    Baga    mit 
» Melody-Type «,welcher Interpretation  sich  auchDay  anschlieBt.  Willard6) 
betont,  daB  auch  unser  Begriff  »Melodie«  oder  »Weisec   dem  des  Baga 
nicht  voll  gerecht  wiirde.     In  den  von  Tagore  mitgeteilten  Musikbeispielen 
finden  wir  unter  andern  zwei  Bagas  —  die  sich  allerdings  sehr  ahnlich 
sein  sollen  —  nebeneinander  gestellt  mit  der  Bemerkung:   >It  will   be 
seen  from   the  above,   how  the  two  Bagas    differ  from  each    other   in 
essential   particulars «.      Wir  konnten   selbst  bei   sorgfaltigster  Analyse 
diese  » essential  particulars  *   nicht  entdecken.     Unser  Parse   spielte   uns 
Baga  Behag  vor;  gleich  darauf  denselben  Baga  noch  »auf  zwei  andere 
Arten«.    Zunachst  schien  es  uns,  als  hatten  wir  drei  vollig  verschiedene 
Melodien  gehort.  Herr  Dr.  Simon  teilt  uns  brieflich  mit,  daB  vom  Baga 
in  der  handschriftlichen  Literatur  »zwar  nirgends  explicite,  aber  oft  genug 
implicite  die  Bede  ist«. 

Man  wird  zugeben  miissen,  daB  ohne  die  Kenntnis  dieser  Literatur 
einiger  Mut  dazu  gehort,  an  die  Entwirrung  dieses  Knotens  von  Wider- 
spruchen  sich  heranzuwagen.     Das  letzte  Wort  in  dieser  Angelegenheit 

1)  Vgl.  auch  die  Vermeidung  des  Si-Modus  (>Si  contra  Fa<). 

2)  1.  c. 

3)  1.  c. 

4}  Hindu  Music. 

5)  Specimina. 

6}  In  Tagore' 8  Sammlung. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indigene  Melodien.  389 

gebiihrt  sicherlich  dem  Orientalisten;  sie  mit  Stillschweigen  zu  iibergehen, 
schien  aber  bei  der  bedeutenden  Rolle,  die  der  Ragabegriff  offenbar  nicht 
nur  in  der  theoretischen,  sondem  auch  in  der  praktischen  indischen  Musik 
spielt,  nicht  ang&ngig. 

Wir  wollen  zunachst  die  Unmoglichkeit  nachweisen,  den  Ragabegriff 
mit  einem  unsrer  europaischen  musikalischen  Begriffe  zu  identifizieren. 
Raga  deckt  sich  nicht  mit  dem  Begriff  Tonleiter:  denn  es  gibt  verschie- 
dene  Ragas,  denen  dieselbe  Letter  zugrunde  liegt.  Ebensowenig  ist  Raga 
mit  Modus  zu  verwechseln,  denn  derselbe  Modus  kann  sich  bei  verschie- 
denen  Ragas  finden.  Als  bestimmte  Melodie  in  unsrem  Sinne  kann  man 
Raga  nicht  bezeichnen,  weil  die  innerhalb  eines  und  desselben  Ragas  zu- 
lassigen  Variationen  einen  ganz  verschiedenen  melodischen  Eindruck  auf 
uns  machen.  Allerdings  konnten  Verwechslungen  des  Raga  mit  diesen 
Begriffen  nur  vorkommen,  weil  jeder  dieser  Begriffe  mit  zu  den  Bestim- 
mungsstiicken  des  Raga  gehort.  Ein  und  derselbe  Raga  kann  stets  nur 
aus  demselben  Tonmaterial  bestehen;  d.  h.  das  Intervallfolgegesetz 
der  Letter  muB  gewahrt  bleiben.  Leiterfremde  Tone  sind  als  ragafremde 
Tone  (Vivadi)  verpont1).  Es  gibt  Ragas,  die  in  der  aufsteigenden  Me- 
lodik  ein  anderes  Leitergesetz  (Arohapa)  befolgen,  als  in  der  absteigenden 
l  Avarohana),  analog  unsrem  melodischen  Moll.  Auch  der  Modus  ist  fiir 
jeden  Raga  bestimmt.  Denn  die  melodischen  Schwerpunkte,  die  den 
Modus  charakterisieren  (Tonika  und  Dominanten  in  unsrem  Sinne)  kenn- 
zeichnen  auch  den  Raga  in  seiner  Tonalitat.  Dies  ist  offenbar  ein  sehr 
wichtiges  Kriterium,  auf  das  wir  noch  zuriickkommen  werden. 

Urspriinglich  war  der  Raga  vermutlich  eine  Melodie  in  unsrem  Sinne, 
von  einem  bestimmten  Komponisten  herriihrend.  Von  diesen  teilweise 
sehr  alten  Melodien  hat  sich  durch  mundliche  und  schriftliche  Tradition 
dasjenige  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten,  was  nach  indischen  Begrif- 
fen das  wesentliche  an  ihnen  ist,  eine  Art  Melodieskelett,  das  fiir  die 
heutigen  Kompositionen  nicht  nur  vorbildlich,  sondern  normativ  geworden 
ist2).  Neuere  Kompositionen,  die  die  alten  Vorbilder  nicht  beriicksich- 
tigen,  gelten  als  stilverletzend  und  unklassisch.  Es  gibt  daher  keine 
Komponisten  in  unserm  Sinne,  da  die  Kompositionen  eigentlich  Varia- 
tionen eines  alten  Themas  sind.  Andrerseits  ist  jeder  reproduzierende 
gleichzeitig  produzierender  Kiinstler,  da  dem  Spieler  nie  eine  voll  aus- 
gefiihrte  Komposition  ubermittelt  wird. 

Die  Variationen,  welche  den  Gesetzmafiigkeiten  keinen  Abbruch  tun, 


1)  Allerdings  ist  es,  vermutlich  aber  erst  in  jiingerer  Zeit,  bei  gewissen  Ragas 
iiblich,  einzelne  Ragatone  mit  ragafremden  Tonen  wechseln  zu  lassen  (vgl.  Bay,  1.  c. 
S.  44). 

2)  Der  Ausdruck  raga  ist  jungeren  Datums;  der  Begriff  deckt  sich  mit  dem  alteren 
der  jati  (vgl.  Grosset,  1.  c.  S.  88;  Day,  1.  c.  S.  38). 


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390  0.  Abraham  und  Erich  M.  y.  Hornbostel,  Phouographierte  indische  Melodien. 


bestehen,  soweit  wir  beobachten  konnten,  in  folgendem:  Tone,  die  nicht 
als  melodische  Schwerpunkte  zur  Charakteristik  des  Raga  gehoren,  konnen 
ausfallen.  Wiederholungen  einzelner  Tone  und  melodischer  Phrasen  sind 
dem  Belieben  des  Spielers  anheim  gestellt.  Ehythmische  Anderungen 
sind  ebenfalls  in  weitem  MaBe  gestattet.  Aus  unsren  Beispielen l)  mtifite 
man  sogar  schlieBen,  daB  auch  die  taktliche  Einteilung  nicht  durch  den 
Baga  normiert  ist.  Yon  andrer  kompetenter  Seite  wird  dagegen  ver- 
sichert,  daB  zu  jedem  Raga  ein  bestimmter  Takt  (Tala)  gehore. 

Das  ganzlich  Unveranderliche  des  Raga  sind  seine  mehrfach  erwahn- 
ten  charakteristischenHaupttone:  Diese  sind  nicht  nur  durch  Prequenz 
und  Dauer  ausgezeichnet,  sondern  auch  durch  gewisse  melodische  Formeln 
(Verzierungen)  z.  B. 

v  ■ 2^i „ 

f^u"  II    —  II      (Aus  Nr.  15  unarer  Noten- 

D  I         N      f\     I     II      I       n^    4f  beispiele.) 


i 


-^^."j.ipF 


Hierher  gehort  auch  die  SchluBformel  des  Joda  (vgl.  S.  392). 

Zu  den  Charakteristiken  des  Raga  gehort  auch  die  Murchana;  auch 
tiber  diesen  Begriff  herrscht  weder  in  der  indischen  Originalliteratur  noch 
in  den  europaischen  Interpretationen  Einigkeit.  Wahrscheinlich  bedeutet 
Murchana2)  ein  Legato,  das  einen  Hauptton  des  Raga  mit  anderen  Tonen 
verbindet;  ob  nur  eine  oder  mehrere,  benachbarte  oder  entferntere  Ton- 
stufen  mit  dem  Hauptton  verbunden  werden,  ist  schwer  zu  entscheiden; 
vielleicht  handelt  es  sich  um  eine  Art  Pralltriller  (Hauptton  mit  neben- 
liegender  Sruti?  [P ingle]),  vielleicht  um  eine  im  Glissando  ausgefuhrte 
Leiter8),  vielleicht  auch  bloB  um  die  Legato-Technik  im  allgemeinen,  durch 
die  melodische  Phrasen,  zu  einer  Einheit  verbunden,  andern  gegeniiber- 
gestellt  werden.  DaB  diese  Art  der  Phrasierung  eine  wesentliche  Rolle 
in  der  indischen  Musik  spielt,  konnten  wir  z.  B.  daraus  entnehmen,  daB 
in  Nr.  19,  wenn  statt: 


I 


Vjij?JIL& 


folgende  Strichart  verwendet  wird: 


P  sp  ^.JTTT/j  P.  -gi ' 


1)  Vgl.  Nr.  16a  und  15b;  18a,  18b  und  18c. 

2)  Day  erklart  Murchana  als  die  Summe  aller  Charakteristiken  (also  die  Charakte- 
ristik) eines  Ragas,  gibt  aber  fur  diese  Interpretation  keine  Quellen  an. 

3)  Vgl.  Grosset,  1.  c.  S.  86. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien.  391 

das  Stiick  nach  Davar's  Aussage  einen  ganz  anderen  Charakter  erhalt1). 
Nicht  nor  die  Legato-,  auch  die  Glissando-Technik  haben  die  Inder  zu 
groBer  Vollkommenheit  ausgebildet. 

Im  allgemeinen  werden  zwei  Arten  des  Glissandos  unterschieden:  Die 
eine  entspricht  unserm  Geigenglissando ,  besteht  also  aus  einem  Gleiten 
des  Fingers  iiber  die  Saite  (Gamaka,  Ghrshtaka,  oder  Ghasita2),  bei 
der  andern  wird  der  Hauptton,  wahrend  er  erklingt,  durch  eine  Ver- 
starkung  des  Saitendrucks  erhoht.  (Minda3).  Mit  dieser  Glissandotechnik 
werden  nicht  nur  unmittelbar  benachbarte  Tone,  sondern  auch  groBere 
Intervalle  verbunden,  auch  wird  der  Mordent  durch  Verdoppelung  zum 
Triller  ausgebildet.  AuBer  dem  einfachen  Triller  ohne  Nachschlag  (Jan- 
jama)  wird  oft  aus  drei  nebeneinanderliegenden  Tonen  eine  Art  Triller 
(Murki)  gebildet. 

Wie  wichtig  die  Morchanas  und  andere  Yerzierungsformen  sind,  ist 
daraus  ersichtlich,  dafi  ihr  Fehlen  die  ganze  Stilform  verandert;  aus  dem 
Raga  wird  ein  Jilha,  eine  leichtere  musikalische  Form,  welche  sich  minder 
streng  an  die  Ragagesetze  halt. 

Neue  Formen  werden  auch  durch  die  Vermischung  zweier  Ragas  ge- 
bildet (vgl.  Notenbeispiel  Nr.  14,  25).  In  derartigen  Mischragas,  die 
hauptsachlich  in  Nordindien  haufig  sind,  findet  man  also  verschiedene 
Leitern,  Moden  usw.  vereinigt.  Das  Erkennen  des  Raga  in  einer  Me- 
lodic setzt  schon  bei  den  Indern  einen  hohen  Grad  musikalischer  Bildung 
voraus,  ist  also  fiir  den  Europaer  urn  so  schwieriger. 

Die  Angaben  der  Autoren  iiber  die  Zahl  der  existierenden  Ragas  ist 
auBerordentlich  schwankend.  Zur  Zeit  Krishna's  soil  es  16000  gegeben 
haben,  Soma  (um  1600)  kennt  960,  Kalinatha  90  usw." 

Nach  orientalischer  Weise  entspricht  dem  Ragabegriff  eine  symbolisch- 
mythologische  Personifikation,  die  in  bildlichen  Darstellungen  Ausdruck 
findet.  Die  mannlichen  Ragas  haben  eine  Anzahl  weiblicher  Raginls  im 
Gefolge.  Ein  musikalischer  Unterschied  zwischen  Ragas  und  Raginis  be- 
steht nach  den  Angaben  der  Autoren  nicht.  Dagegen  besteht  zwischen 
den  einzelnen  Ragas  oder  Raginis  offenbar  ein  Unterschied  des  Stimmungs- 
gehaltes,  der  fiir  den  Inder  so  stark  ist,  daB  jeder  Raga  nur  zu  bestimmten 
Tages-  und  Jahreszeiten  vorgetragen  werden  darf.  Der  Unkundige 
wiirde  daher  bei  einem  indischen  Musiker  unbedingt  eine  Fehlbitte  tun, 
wenn  er  ihn  am  Vormittag  auffordern  wiirde,  einen  Raga  zu  spielen,  der 
fiir   den  Abend  bestimmt  ist.     Wahrscheinlich  ist  es  nicht  sowohl  der 


1)  Auch  in  der  japanischen  Vokal-  und  Instrumentalmusik  unterscheidet  die  Le- 
gatotechnik  den  vornehmen  Musikstil  yon  dem  gewohnlichen. 

2)  Offenbar  identisch  mit  dem  von  R.  S  i  m  o  n ,  1.  c. ,  sub  Nr.10  erwahnten  >  Gharshana« . 

3)  Bei  Simon  eub  Nr.  6  >Dolana«.    Dieselbe  Saitendrucktechnik  spielt  eine  groBe 
Rolle  in  der  Spielweise  der  japanischen  Koto  (vgl.  A.  und  v.  H.  1.  c.  S.  324). 


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392  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hombostel,  Fhonographierte  indiache  Melodien. 

musikalische  Stimmungsgehalt  als  der  des  alten  Original  textes,  der 
diesem  strengen  Reglement  zugrunde  liegt.  Uberhaupt  scheint  Text  und 
Melodie  in  inniger  Beziehung  zu  einander  zu  stehen;  die  29  verachiedenen 
musikalischen  Stilformen,  die  Tagore1)  anfiihrt,  unterscheiden  sich 
hauptsachlich  durch  den  Text,  meist  auch  durch  den  Aufbau  der  Gesange. 
AuBer  wirklichen  Textworten  werden  haufig  die  indischen  Solmisations- 
silben  und  Trommelsilben  (vergl.  S.  398  Anm.  1)  verwendet.  Befremdend 
wirkt  es,  daS  auch  der  Name  der  Stilart  im  Text  vorkommen  muB.  Wir 
greifen  yon  den  Stilformen  zur  naheren  Besprechung  diejenigen  heraus, 
die  sich  in  unsren  Notenbeispielen  vertreten  finden. 

Die  bemerken8werte8te  ist  Alapa  oder  Joda,  die  nach  P ingle  eine 
spatere  Form  des  Dhrupada2)  darstellt.  Sie  laBt  den  Ragacharakter  deut- 
lich  erkennen  und  soil  an  dessen  GesetzmaBigkeiten  am  strengsten  fest- 
halten;  Tonfolgen  und  Haupttone  (Vadi)  diirfen  nicht  verandert  werden, 
ragafremde  Tone  (Vivadi)  sind  verpont,  und  die  Noten  miissen  von  rich- 
tiger  Dauer  sein.  Das  ganze  Stiick  wird  vorwiegend  glissando  vorgetragen, 
mit  viel  Verzierungen  (Murchanas)  und  in  langsamem  Tempo,  besitzt 
keine  strenge  rhythmische  Gliederung,  keine  bestimmte  Taktart.  Die 
Melodie  wird  ohne  Text  mit  Brummstimme  oder  auf  sinnlosen  Silben  oder 
Solmisationssilben  gesungen;  den  AbschluB  des  Liedes  bildet  eine  stereo- 
type Kadenz  (Mukh  [Anthtz]).    Z.  B.: 

oder: 


%-itt^nrrm^ 


(vgl.  Stiick  17b). 


Die  mit  x  bezeichneten  Tone  (h  und  des),  die  man  wohl  als  Leittone 
bezeichnen  kann,  variieren  je  nach  dem  Kaga  zu  b  oder  a  resp.  d  oder  es. 
Diese  Kadenz  soil  dem  Horer  den  SchluB  des  Stiickes3)  anzeigen  und 
dient  wohl  gleichzeitig  mit  zur  Charakterisierung  der  Tonika.  Wir  werden 
einerseits  an  die  bekannte  SchluBformel  der  Zigeunermelodien,  andererseits 
an  die  »Tropen«  erinnert,  die  ebenfalls  fur  die  Unterscheidung  der  plar 
galen  und  authentischen  Kirchentone  Bedeutung  hatten. 

Die  bisher  genannten  Formen  gehoren  der  vornehmen  klassischen 
Musik  an,  die  Musikbeispiele  der  Gruppe  A  und  C  stimmen  dagegen  mit 
der  Beschreibung  uberein,  die  in  der  Literatur  von  der  Stilform  Thumri4) 

1)  Specimina  of  Indian  songs. 

2}  Dhrupada  ist  seinerseits  wieder  eine  spatere  Form  der  alten  originalen  Padas 
and  Bhajamas  (Gebete,  Fsalmen,  Liebeslieder  an  Krishna);  anf  den  Dhrupada  greifen 
sanskritunkundige  indische  Musiker  bei  Streitfragen  iiber  Form  oder  Skelett  eines  Rags 
zuriick,  da  er  sich  von  der  alten  Tradition  wenig  entfernt.  —  Vgl.  auch  Day,  1.  c.  S.  86. 

3)  Nach  Day  bildet  der  Alapa  gewissermaCen  den  ersten  Satz  des  Raga,  dem  regel- 
maCig  ein  zweiter,  streng  rhythmischer  Satz,  Madhyamakala,  folgt.  Vielleicht  ent- 
spricht  diesem  das,  was  Day  ar  als  >gewohnliche  Form*  bezeichnet  (vgl.  Nr.  17a  und  b  . 

4}  Day  schreibt  >Thungri«. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Fhonographierte  indische  Melodien.  393 

entworf en  wird.  Danach  *waren  Thumri  Tanz-  und  Liebeslieder,  in  welchen 
leichte  Ragas  und  einfache  Talas  verwendet  werden;  der  Umfang  dieser 
Gesange  beschrankt  sich  auf  eine  Oktave;  Minda  und  Ghasita  sind 
selten. 

Dem  Thumri  ahnlich,  aber  durch  besonders  viel  Koloraturen  (Tana) 
und  rhythmische  Preiheiten  ausgezeichnet,  ist  das  urspriinglich  persische 
Ghazal.     Die  Musikbeispiele  18  c  und  26  reprasentieren  diese  Form. 

3.  Rhythmus. 

Die  Einteilung  einer  Melodie  in  Takte  ist  lediglich  ein  Hilfsmittel  fiir 
die  Auffassung  des  Rhythmus.  Die  Taktstriche  sind  dazu  da,  bestimmte 
gleichgroBe  rhythmische  Gruppen  den  Hauptakzenten  (Ictus)  entsprechend 
zu  begrenzen.  Der  psychische  Vorgang  der  rhythmischen  Auffassung 
-wird  hierdurch  nur  unvollkommen  dargestellt.  Uber  das  Tempo  sagt  die 
Takteinteilung  nichts  aus;  die  Elemente  unseres  Notierungssystems  (Achtel, 
"Viertel)  besitzen  keinen  absoluten  Dauerwert;  ob  ein  Komponist  ein  Stiick 
als  Andante  im  3/s-  0(ler  als  Allegretto  im  3/4-Takt  schreibt,  ist  voll- 
kommen  seiner  Willkiir  Iiberlassen.  Die  feinere  rhythmische  Gliederung 
innerhaJb  des  Taktes,  der  Wechsel  langerer  oder  kurzerer  Noten  hat  mit 
der  Takteinteilung  nur  insofern  zu  tun,  als  Langen  neben  Kiirzen  ein 
psychisches  TJbergewicht  haben  und  gleichsam  akzentuiert  erscheinen;  da 
dem  TJbereinkommen  nach  der  Taktstrich  regelmaBig  vor  den  Hauptakzent 
gesetzt  wird,  finden  wir,  wenn  wir  den  Takt  als  losgeloste  Einheit  be- 
trachten,  gewohnlich  die  langere  Note  am  Beginn  des  Taktes,  also  einen 
fallenden  Rhythmus.  Wollte  man  mit  den  Taktstrichen  die  psychologisch 
zusammengehorenden  Gruppen  begrenzen,  dann  miiBte  man  umgekehrt 
die  Taktstriche  vor  den  weniger  betonten  (kiirzeren  oder  rhythmisch  mehr 
gegliederten)  Teil  der  Gruppe  und  hinter  den  Hauptakzent  (den  langeren, 
rhythmisch  ungegliederten  Teil)  setzen.  Es  wlirde  dann  der  sogenannte 
Auftakt,  welcher  zum  Akzent  hindrangt,  mit  diesem  auch  graphisch  ver- 
eint  sein1).  Die  Erwartungsspannung,  die  in  diesem  hindrangenden 
Moment  liegt,  verleiht  auch  dem  Auftakt  selbst  eine  gewisse  Betonung, 

In  H 

die  sich  besonders  deutlich  im  3/4-Takte  ||#  ^  p  zeigt2).    Durch  den  be- 

|»i         » | 
\  f  f  f  I    von  ^em 


1)  Wir  haben  hier  selbstyerstandlich  nor  die  einfachsten  Yerh'altnisse  im  Auge  und 
aehen  von  alien  rhythmischen  Pikanterien  ab. 

2)  Die  Betonung  des  Auftaktes  konnte  auch  experimentell  nachgewiesen  werden, 
vgl.  Meumann,  Untersuchungen  zur  Psychologic  und  Asthetik  des  Rhythmus,  Philos. 
Studien  DL  und  Ebhardt,  Beitr.  z.  Psychol,  des  Rhythmus  und  des  Tempo,  Ztschr. 
f.  Psychol,  u.  Physiol,  d.  Sinnesorgane,  Bd.  18. 


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394  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Horobostel,  Phonographierte  indiache  Melodien. 

aus  zwei  2/4-Takten  bestehenden  2/2-Takt  If  f  f  f  J  In  letzterem  sind 
das  erste  und  das  dritte  Viertel  als  gate  Taktteile  der  beiden  2/4-Takte 
betont;  doch  ist  der  Ton  auf  3  schwacher,  weil  es  der  schlechte  Takt- 
teil  des  2/2-Taktes  ist.  Solche  Zusammenfassungen  kleinerer  Takte  in 
groBere  sind  auch  in  unsrer  Musik  haufig.  Der  bekannteste  Takt  dieser 
Art  ist  der  6/s-Takt,    der   eine  Zusammenfassung   von   zwei  3/8-Takten 

darstellt  fff  fff .  Bei  dem  in  Achtel  gegliederten  8/4~Takt  dagegen 
fiele  der  zweite  Hauptton  auf  das  5.  Achtel  entsprechend  dem  obigen  Schema 

ff   ft   ff      Entgegen    der    graphischen  Ausdrucksweise    fassen    wir 

haufig  groBere  melodische  Perioden  zu  einer  psychologischen  Einheit  zu- 
sammen  (z.  B.  in  der  4-taktigen  Passacagha).  Diesem  Gefiihl  fur  die 
Zusammengehorigkeit  groBerer  Perioden  arbeiten  die  Taktstriche  in  ge- 
wisser  Weise  entgegen,  indem  iiber  den  Taktstrich  hinweg  manchmal  ein 
innigerer  Zusammenhang  der  Melodie  besteht  als  zwischen  den  Takt- 
strichen.  Es  ist  wohl  moglich,  daB  wir  durch  das  optische  Taktbild  uns 
verfiihren  lassen,  eigentlich  unselbstandige  kleinere  Gruppen  als  selb- 
standige  Einheit  aufzufassen,  und  dadurch  das  Gefiihl  fur  die  Einheit- 
lichkeit  groBer  Gruppen  geschwacht  wird.  Die  GUederung  in  kleine 
Takte,  die  Anwendung  zahlreicher  Icten  ist  ein  Erfordernis  der  poly- 
phonen  Musik,  und  die  einzelnen  Stimmen  rhythmisch  zusammenzuhalten; 
so  nahm  auch,  je  mehr  sich  die  Aufmerksamkeit  dem  Zusammenklang 
zuwendete,  das  Gefiihl  fur  die  melodische  Zusammengehorigkeit  allmalig 
ab.     Die  Vertikale  in  der  Partitur  ist  der  Feind  der  Horizontalen. 

In  der  homophonen  Musik  dagegen  ist  die  Melodie  durch  keine  der- 
artigen  Hindernisse  eingeschrankt.  Es  ist  anzunehmen,  daB,  wo  die  Auf- 
merksamkeit nicht  vom  Melodischen  abgelenkt  wird,  sich  leichter  ein 
starkes  Gefiihl  fiir  groBere  melodische  und  rhythmische  Zusammenhange 
ausbilden  kann. 

Hieraus  ergibt  sich  unmittelbar,  daB  ungeradzahlige  Taktarten,  5/4, 
V4  usw.,  die  wir  unwillkiirlich  durch  Icten  in  zwei  oder  mehr  Teile  zer- 
legen,  homophon  musizierenden  Volkern  viel  natiirlicher  erscheinen  und 
daher  bei  ihnen  haufiger  sind  als  bei  uns.  Auch  ist  in  einer  langeren 
hicht  durch  Icten  unterbrochenen  Periode  eine  abwechslungsreichere 
rhythmische  Gliederung  moglich;  offenbar  ist  die  Variationsmoglichkeit 
nach  Anzahl,  relativer  Dauer  und  Verteilung  der  Langen  und  Kiirzen 
um  so  groBer,  je  langer  die  ictenfreie  Periode.  Erweiterungen  und  Ver- 
kiirzungen  eines  Taktes  bei  seinen  Wiederholungen  bedeuten  eine  um  so 
geringfiigigere  Veranderung,  je  kleiner  sie  sind  im  Verhaltnis  zur  absoluten 
Lange   des   Taktes.     Ein    5/4-Takt   zwischen   4/4"Takten   wird   natiirlich 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte^indische  Melodien.  395 

starker  als  UnregelmaBigkeit  empfunden  als  ein  13/4-Takt  zwischen  12/4- 
Takten. 

Wir  haben  bisher  versucht,  in  aller  Klirze  die  rhythmischen  Verhalt- 
nisse  zu  deduzieren,  die  sich  in  homophoner  Musik  im  Gegensatz  zur 
polyphonen  und  hannonischen  Musik  ergeben  konnen;  bevor  wir  aber  an 
ihre  induktive  Bestatigung  durch  unsere  indischen  Melodien  gehen,  wollen 
wir  noch  die  Kriterien  erortern,  nach  welchen  wir,  wie  Musik  iiberhaupt, 
so  auch  die  fremder  Volker  rhythmisch  auffassen:  Neben  den  bereits 
erwahnten  Kriterien  der  dynamischen  Akzentuierung  (Intensitats- 
unterschiede)  und  der  relativen  Tondauer  (Temporale  Unterschiede) 
wird  unsere  rhythmische  Auffassung  (Gruppierung  durch  Verteilung  sub- 
jektiver  Akzente)  noch  durch  eine  Reihe  qualitativer  Faktoren  geleitet. 
Ein  Ton  mag  sich  ceteris  paribus  durch  Tonhohe  und  Klangfarbe  oder  was 
immer  von  einer  Reihe  andrer  Tone  linterscheiden,  immer  wird  die  Auf- 
merksamkeit  durch  die  Abweichung  in  Anspruch  genommen  und  der  be- 
treffende  Ton  erhalt  so  ein  psychisches  Ubergewicht  (Psychologischer 
Akzent).  In  der  Melodie,  wo  wir  es  immer  mit  einer  Reihe  verschiedener 
Tonhohen  zu  tun  haben,  kommen  auBer  dem  rein  tonalen  Element  (rela- 
tive und  absolute  Tonhohe)1)  gewisse  melodische  Momente  in  Betracht. 
Das  haufige  Wiederkehren  einzelner  Tone  und  ganzer  Phrasen  stattet 
dieselben  mit  einer  gewissen  Bekanntheitsqualitat  aus  und  hebt  sie  so 
vor  anderen  hervor.  Gewisse  stereotype  Wendungen,  die  zu  einer  Wieder- 
holung  iiberleiten  oder  zu  einem  AbschluB  fiihren,  lassen  den  Eintritt 
der  bekannten  oder  abschlieBenden  Tone  auf  dem  guten  Taktteil  erwarten. 
In  der  harmonischen  Musik  kommen  noch  eine  Anzahl  von  Momenten 
hinzu,  die  sich  aus  den  psychologischen  Eigentiimlichkeiten  simultan  er- 
klingender  Tone  (Konsonanz,  Distanz  usw.)  ergeben,  von  denen  wir  aber 
hier  fiighch  absehen  konnen. 

Wir  diirfen  wohl  annehmen,  daB  mit  dieser  Aufzahlung  die  psycho- 
logischen Momente,  die  fiir  die  Rhythmisierung  in  Betracht  kommen, 
auch  fiir  exotische  Musik  erschopft  sind,  ob  aber  und  in  welchem  Sinne 
eine  Abstuf  ung  der  Wertigkeit  unter  ihnen  statthat,  ist  schon  in unsrer 
Musik  nicht  leicht  zu  entscheiden,  umso  schwieriger  in  fremdlandischer. 
Ahalogieschliisse  nach  unserer  Musik  sind  jedenfalls  zu  verwerfen. 

A  lift  erwahnten  Momente  konnen  vikariierend  fiireinander  eintreten, 
konnen  vereint  sich  unterstiitzen  oder,  miteinander  konkurrierend,  sich 
gegenseitig  abschwachen.  Unsere  Melodik  ist  derart,  daB  die  einzelnen 
Momente  sich  meist  wechselseitig  unterstiitzen,  wahrend  ihr  Gegeneinander- 
arbeiten  nur  gelegentlich  als  rhythmische  Pikanterie  vorkommt. 


1)  Hohere  Tone  sind  bekanntlich  durch  groCere  Empfindungsstarke,  tiefere  Tone 
durch  ein  groBeres  Volumen  ausgezeichnet. 


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396   0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

Es  ist  sehr  wohl  moglich,  daB  in  homophoner  Musik  gerade  in  dem 
Gegeneinanderarbeiten  der  einzelnen  Faktoren  ein  Ausdrucksmittel  von 
besonderem  Reiz  liegt,  das,  ahnlich  wie  bei  uns  der  harmonische  Zu- 
sammenklang,  im  Laufe  der  Jahrhunderte  zu  einer  Stileigentumlichkeit 
geworden  ist,  deren  Beherrschung  durch  phylogenetische  Einiibung  All- 
gemeingut  des  Volkes  geworden  ist.  Eine  andere  Moglichkeit  ware  die, 
daB  einem  oder  dem  anderen  der  rhythmusbestimmenden  Faktoren  ein 
derartiges  Ubergewicht  zukommt,  daB  das  Gegenspiel  der  anderen  im 
Hintergrunde  des  BewuBtseins  bleibt  und  die  durch  den  einen  Faktor 
bedingte  Auffassung  nicht  stort. 

Un8ere  indischen  Melodien  zeigen  uns  eine  treffliche  Illustration  der 
erorterten  Verhaltnisse.  Zunachst  moge  ein  Beispiel  zeigen,  wie  wir  zu 
einer  Art  der  Rhythmisierung  gelangen,  die  der  indischen,  wenigstens 
dem  dynamischen  Akzent  nach,  entgegenlauft  Den  Anfang  der  Melodie 
Nr.  2 


V  1        2        3 


3U  J  I  TS=T 


4        5        6        7        8        0  10 

in  der  wir  durch  die  dynamischen  Akzente  (Handschlag)  einen' zweiteiligen 
Bhythmus  erkennen,  fassen  wir  f olgendermaBen :  Die  Achtelfiguren1)  (1, 
2,  3  und  7,  8)  scheinen  uns  infolge  ihrer  reicheren  Gliederung  als  Auf- 
takte  zu  den  schwereren  ungegliederten  Vierteln  hinzuleiten;  letztere  (4 
und  9)  sind  daher  ftir  uns  die  guten  Taktteile;  diese  psychologischen 
Motive  sind  so  stark  fur  uns,  daB  wir  die  synkopierte  Wirkung  von  10 
mit  in  Kauf  nehmen;  isoliert  hatten  wir  9  als  Auftakt  zu  einem  guten 
Taktteil  10  gefaBt.  Unsere  Taktauffassung  wird  durch  den  weiteren 
Verlauf  der  Melodie  (s.  S.  355}  noch  gefestigt  und  durch  den  kontraren 
dynamischen  Akzent  nicht  gestort.  Diesen  Sinn  hat  es,  wenn  wir  sagen, 
die  Inder  betonen  die  »schlechten«  Taktteile.  Es  liegen  also  zwei  Mog- 
lichkeiten  vor:  Entweder  unsere  sch  lech  ten  Taktteile  entsprechen  den 
guten  Taktteilen  der  Inder  (nach  nicht-dynamischen  Kriterien)  —  dann 
entspricht  der  aufgesetzte  dynamische  Akzent  zwar  unserer  Art  der 
dynamischen  Akzentuierung  auf  dem  guten  Taktteil,  die  melodische  Rhyth- 
misierung miiBte  aber  anderen  Kriterien  folgen  als  bei  uns.  Oder  unsere 
schlechten  Taktteile  sind  auch  ftir  die  Inder  schlechte  Taktteile,  dann 
stimmen  wir  in  der  melodischen  Rhythmisierung  mit  ihnen  iiberein,  aber 
der  aufgesetzte  dynamische  Akzent  ist  unserem  entgegengesetzt.  Diese 
uns  ungewohnte  Art  der  Rhythmisierung  tritt  in  den  indischen  Melodien 
auch  sonst  vielfach  zutage  (Synkopen,  rhythmische  Verschiebungen).    Sie 

1  Die  Sechszehntel  bei  4  und  6  wirken  nur  als  Mordente  und  geben  als  solche 
den  verzierten  Tonen  einen  melodischen  Akzent.  Die  Wirkung  wird  durch  die  hier 
gewahlte  vereinfachte  Schreibweise  nicht  ge'andert. 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indisehe  Melodien.  397 

ist  auch  bei  den  Siamesen1),  Javanen2),  Japanern3)  und  verschiedenen 
nordamerikanischen  Indianerstammen4)  beobachtet  worden.  Schon  hieraus 
geht  hervor,  daB  es  sich  im  vorliegenden  Fall  nicht  urn  eine  vereinzelte 
Pikanterie  handeln  kann,  ganz  abgesehen  von  der  Volksttimlichkeit  des 
Liedes  und  dem  Bildungsmangel  der  Sangerinnen.  Nach  dem  oben  Ge- 
sagten  laBt  sich  die  Gegenrhythmisierung  vielleicht  so  interpretieren,  daB 
die  subjektive  Eindringlichkeit  der  melodischen  Ehythmisierung,  die  in 
unserem  Sinne  guten  Taktteile  derartig  stark  hervorhebt,  daB  eine  Ad- 
dition dynamischer  Akzente  zu  den  melodischen  unnotig  ist,  vielmehr 
iiber  den  Melodierhythmus  ein  zweiter,  entgegengesetzter,  gelegt  werden 
kann5);  wir  hatten  hier  eine  Art  rhythmischen  Kontrapunkts. 

Vielleicht  hat  auch  die  Akzentuierung  der  schlechten  Taktteile  eine 


1)  Vgl.  Stump f,  Tonsystem  and  Musik  der  Siamesen,  Beitr.  z.  Akustik  u.  Musik- 
wisa.  Heft  m  (1901). 

2)  VgL  Land,  Die  Tonkunst  der  Javanen,  Vierteljahrsschr.  f.  Musikwiss.  V.  (1889). 

3)  Ygl.  Abraham  und  v.  Hornbostel  1.  c. 

4)  Ygl.  Stumpf,  Lieder  der  BeUakula-Indianer,  Vierteljahrsschr.  f.  Musikwiss.  II. 
(1886)  und  Phonographierte  Indianermelodien,  ebenda  VUL  (1892;. 

5)  Fur  diese  Interpretation  spricht  vielleicht  auch  das  Verhaltnis  von  Text  und 
Melodie  in  altindischen  Gesangen,  fiber  das  wir  allerdings  nicht  nach  eigener  Erfah- 
rung  urteilen  konnen.  Nach  Burnell  (Arsheyabrahmana,  Mangalore  1876,  Einleitung) 
wird  in  der  friihesten  Literatur  zwar  schon  zwischen  Gesang  (samanj  und  Text  (ric) 
unterschieden,  ersterer  aber  fur  wichtiger  gehalten.  Textakzent  und  Melodietone  werden 
in  friiher  Zeit  identifiziert  (Samhitopanishadbrahmana,  1877  S.  VIII;  und  bei  der  Re- 
zitation  des  Samaveda  mit  den  Fingern  markiert  (Jaiminiyatext  S.  XTVff.,  woselbst 
eine  Art  Guidonischer  Hand,  die  sich  werkwiirdigerweise  auch  in  China  findet,  ygl. 
Gilman,  Chinese  musical  system;  Philos.  Rev.  Boston  1892).    Der  Sinn  der  vedischen 
Texte  war  schon  in  einer  Zeit  unverstandlich  geworden  lange  bevor  sie  schriftlich 
fixiert  wurden  (Riktantravyakarana,  1879).    Zweifellos  ist  der  vedische  Akzent  ein  rein 
tonaler:  man  unterscheidet  einen  Tiefton  (anudatta),  Hochton  (udatta)  uud  Hochstton 
(svarita).    Der  eigentliche  dynamische  Sprechakzent  ist  von  dem   tonalen  unabhangig 
(ahnlich  im  Chinesischen,  den  indochinesischen  Sprachen,  den  Bantu-Sprachen,  dem  Eve 
(Togo)  und    wahrscheinlich  auch  in  der  altgriechischen  Rezitation;   vgl.  M.  Haug, 
Uber  die  vedischen  Akzente,  Ztschr.  d.  deutsch.  morgenl.  Ges.  17,  1863  und  Uber  das 
Wesen  und  den  Wert  des  vedischen  Akzents,  Munchner  Akad.  Ber.  13, 1872 ;  J.  Wac  ker- 
nagel,  Altindische  Grammatik,  Gottingen,  1896, 1.  §§  244  ff.;  0.  Fleischer,  Neumen- 
studien,  I.  Leipzig  1895).    Aus  all  diesem  darf  man  wohl  schlieCen,  da6  der  Melodie- 
rhythmus auch  flir  die  indisehe  Metrik  von  hoherer  Bedeutung  ist  als  der  dynamische 
Akzent.    Dasselbe  meint  offenbar  H.  Jacobi  (On  Indian  metrics,  Wiener  Zeitschr.  f.  d. 
Kunde  der  Morgenl.  V.  1891),  wenn  er  die  (dynamischen)  Trommelrhythmen  fur  sekun- 
dar  halt  und  aus  der  paradox  klingenden  Behauptung:  » Indian  music  is  not  rhythmical  t, 
folgert,  der  Ictus  konne  zur  Erklarung  der  indischen  Metrik  nicht  herangezogen  werden. 
—  Ubrigens  braucht,  was  der  Liturgie  des  Somaopfers  eigentiimlich  war  (vgl.  auch 
Chry sander,  Uber  altindische  Opfermusik,  Vierteljahrsschrift  f.  Musikw.  L  1885), 
nicht  auch  fur  profane  moderne  Musik  zu  gelten.    Wir  wollen  uns  daher  mit  diesem 
kurzen  Hinweis  begnilgen,  ohne  uns  auf  weittragende  theoretische  Verallgemeinerungen 
einzulassen. 


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398  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Fhonographierie  indische  Melodien. 

ahnliche  psychologische  Ursache,  wie  bei  uns  die  Betonung  des  Auftaktes 
(s.  oben).  Auch  in  den  anderen  Melodien,  in  denen  wir  die  Trommel- 
begleitung  festlegen  konnten,  fanden  wir  rhythmische  Kontrapunkte.  In 
Nr.  27  ist  nach  unserer  Auffassung  der  Trommelrhythmus  dem  Melodie- 
rhythmus  total  entgegengesetzt.  "Wahrend  in  diesem  6/4-Takt  (nach  unserer 
Schreibweise)  1  und  3  und  allenfalls  5  betont  ist,  fallen  die  Trommel- 
schlage  auf  das  1.,  2.  und  4.  Achtel.  Ahnlich  in  Nr.  19,  20,  23,  24*}. 
Auch  wir  kennen  in  unserer  Musik  ein  Gegeneinanderarbeiten  der 
rhythmusbestimmenden  Elemente,  wenn  auch  nur  selten  und  gelegentlich 
wahrend  weniger  Takte  oder  kurzer  Teile.  Schon  nach  wenigen  Takten 
einer  Melodie  sind  wir  in  eine  bestimmte  rhythmische  Auffassung  hinein- 
gezwungen,  die  wir  auch  im  BewuBtsein  festhalten,  wenn  durch  die  rhyth- 
mische oder  melodische  Betonung  eine  Taktverschiebung  oder  Taktande- 
rung  dem  BewuBtsein  mitaufgedrangt  wird.  Die  hierbei  notige  Teilung 
der  Aufmerk8amkeit  fallt  uns  schwer.  Der  Anfanger  pflegt  sich  dadurch 
zu  helfen,  daB  er  das  innerliche  Festhalten  des  alten  Rhythmus  auch 
auBerlich  durch  Betonung  markiert.  Wendet  man  die  Aufmerksamkeit 
zu  sehr  der  neuen  rhythmischen  Gruppierung  zu,  so  kann  man  die  alte 
Rhythmisierung  ganz  aus  dem  BewuBtsein  verlieren;  dann  hort  allerdings 
auch  der  Reiz  der  Gegenrhythmisierung  auf  und  das  Einsetzen  und  Auf- 
horen  des  neuen  Rhythmus  erscheint,  da  die  logische  Verbindung  fehlt, 
sprunghaft.  Bei  den  Indern  finden  wir  so  haufig  Synkopen  und  rhyth- 
mische Verschiebungen,  daB  wir  oft  gar  keinen  durchgehenden  Haupt- 
rhythmus  bestimmen,  sondern  gezwungen  sind,  fortwahrende  Taktverschie- 
bungen  anzunehmen.  In  Nr.  23  z.  B.  sind  wir  bei  A  gezwungen  einen 
8/4-Takt  anzunehmen,  wiirden  B  aber  isoliert  als  6/8~Takt  auffassen. 
Ahnlich  hatten  wir  Nr.  25  zuerst  als  3/4*Takt  bezeichnet,  doch  wurde 
unsere  Auffassung  durch  einzelne  Takte,  namentlich  die  Stelle  bei  E  und 
E1  umgestimmt;  allerdings  ist  es  auch  moglich,  den  Anfang  als  6/s-Takt 
zu  fassen2). 

In  Nr.  19  tauschen  die  dynamischen  Akzente  uns  einen  2/4-Takt  vor, 
dem  sich  indes  der  erste  Teil  in  keiner  Weise  fiigen  will;  nach  3/i  (oder 


1)  Die  Inder  besitzen  fur  ihre  Trommelschlage  eine  Art  Solmisation,  mit  der  LSngen 
und  Kurzen  und  technische  Arten  des  Anschlags  bezeichnet  werden.  Nach  P  ingle's 
Darstellung  werden  die  Ragae  >in  einen  Tala«  (Rhythmus)  gesetzt.  Die  Rhythmisierung 
ware  danach  etwas  Sekund'ares  und  dem  Spieler  uberlassen.  Angeblich  soil  in  neuerer 
Zeit  die  Trommelbegleitung  durch  komplizierte  Rhythmik  der  Melodik  Eintrag  tun. 

2)  Wir  wissen  nicht,  wie  die  Inder  selbst  diese  Lieder  rhythmisieren,  immerhin 
mag  die  auffallendeTatsache,  daB  weder  bei  Ping  le  noch  bei  T  ago  re  ein  3/4.Rhythmus 
erwahnt  wird,  einen  Fingerzeig  geben.  Dagegen  bringt  letzterer  Beispiele  fur  drei 
verschiedene  6/8;?) -Takte:  >Khemta<  =  viermal  die  Gruppe  h  fe;  >Ekatala  =  zwei 
3/g-Gruppen  (beide  in  >Specimina  of  Ind.  songs t)  und  Chautala  «  2/s  +  2/s  H-  Vg  •+-  l  s 
(?,  in  »Vedic  Hymn«,  1878). 


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0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Fhonographierte  indische  Melodien.  399 


%?)  dagegen  laBt  sich  das  ganze  Stlick  einheitlich  gliedern.  Ehyth- 
mische  Verschiebungen,  welche  in  regelmaBiger  Folge  miteinander  wechseln, 
lassen  sich  wohl  besser  als  komplizierte  GUiederung  einer  groBen  Periode 
darstellen.  So  zeigt  der  Trommelrhythmus  in  Nr.  20  eine  3-gliedrige 
steigende,  in  regelmaBigem  Wechsel  mit  einer  2-gliedrigen  fallenden 
Periode,  und  statt  einen  8/2-Takt  mit  einem  6/4-Takt  alternieren  zu  lassen, 
wird  man  wohl  besser  eine  12-gliedrige  Grnppe  annehmen.  ||  ~  -  ^~  ^  - 1 
^.^w±^v>||  in  analoger  Weise  ordnen  sich  in  Nr.  24  drei  4/4"Takte 
zwtoglos  zu  einer  12-teiligen  Gruppe,  denn  wir  konnen  die  Melodie 
ebensogut  in  vier  3-teilige  Gruppen  zerlegen.  Weiter  finden  wir  einen 
5/8-Takt  (Melodierhythmus  2  +  3,  Trommelrhythmus  3  +  2)  in  Nr.  27, 
7-teilige  Takte  in  Nr.  1  (3  +  4)  und  Nr.  8  (4  +  3),  einen  13-teiligen  Takt 
(4  +  4  +  5)  in  Nr.  18b,  einen  14-teiligen  (3x4  +  2  in  Nr.  5),  einen 
16-teiligen  (4  +  3  x  4)  in  Nr.  3.  i) 

Die  Annahme  groBerer  Perioden2)  erklart  in  einfacher  Weise  die 
haufigen  Erweiterungen  und  Verkurzungen  einzelner  Takte  resp.  Taktteile 
(vgl.  namentlich  Nr.  14  bis  19  und  Analysen).  Hyperkatalektische  Schliisse, 
wie  wir  sie  in  Nr.  14,  16  und  19  finden,  entsprechen  vollkommen  unseren 
SchluBfermaten.  Auch  die  Erweiterungen  im  Innern  eines  Taktes  konnen 
Fermaten  verglichen  werden,  weil  sie  meistens  durch  Wiederholung  oder 
leichte  Umspielung  einzelner  Tone  entstehen  (vgl.  die  5/4~  Takte  in 
Nr.  14,  den  6/4-Takt  in  Nr.  16  bei  C  usw.).    Ein  weiterer  Beweis  fiir  die 


1)  Bei  T  ago  re  (Specimina)  auch  Beispiele  fur  10-  und  16-teilige  Bhythmen.  AuGer 
dem  gewohnlichen  5/8-Takt  (>Surphakta«)  findet  sich  daselbst  auch  ein  aus  zwei  Gruppen 
von    h    h    fc  bestehender  (>Kaharba<) 

2)  Wir  fanden  nachtraglich  bei  Day  unsere  Vermutung,  da6  die  Inder  groOere 
Perioden  zu  einer  Einheit  zusammenfassen,  bestatigt.  Im  Karnatik  wird  als  Tala 
ein  Schema  bezeichnet,  nach  dem  die  einzelnen  grbBeren  Melodieteile  (Perioden)  sich 
auf  bauen.  Die  einzelnen  Teile  der  Periode  sind  am  besten  als  Taktgruppen  zu  be- 
zeichnen,  in  denen  die  Zahl  der  Icten  (Takte)  variieren  kann.  Es  entstehen  dadurch 
zu  den  7  Talas  je  5  Varianten  (Jatis),  so  daft  im  (Janzen  35  verschiedene  Perioden 
moglich  sind.  Wir  geben  hier  die  von  Day  mitgeteilte  Tabelle  in  vereinfachter  Form 
wiedeiy  indem  wir  die  Taktgruppen  als  a  (mit  variabler  Taktzahl),  b  (stets  2  Takte) 
und  c  (ein  Takt)  bezeichnen- 

Je  nach  der  Taktzahl  von  b  unterscheidet 
man  folgende  Varietaten: 


Tala 

Periode 

Dhruva 

a,  b,  a,  a 

Matsya 

a,  b,  a 

Rupaka 

a,b 

Jhampa 

a,  c,  b 

Triputa 

a,  b,  b 

Atatala 

a,  a,  b,  b 

Ekatala 

a 

Jati 

b  = 

Chaturu8hra 

4 

Tishra 

8 

Mishra 

7 

Cundha 

5 

Sankirna 

9 

Besonders  haufig  ist  Ohaturushra  jati  von  Triputa  tala:  4,  2,  2  unter   dem  speziellen 
Namen  Aditala. 


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400  0.  Abraham  und  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indische  Melodien. 

Moglichkeit,  groBere  Gruppen  rein  nach  dem  melodischen  Bhythmus  auf- 
zufassen  und  im  Gedachtnis  zu  behalten,  scheint  una  darin  zu  liegen, 
daB  man  eine  Melodie  sehr  wohl  auswendig  singen  resp.  spielen  kann, 
ohne  sie  (zahlend)  oder  taktierend  rhythmisch  gliedern  zu  konnen.  Es 
ging  uns  so  bei  mehreren  Stucken  mit  ungewohnten  Bhythmen  (z.  B. 
Nr.  1,  19),  daB  wir  die  Melodie  (auch  rhythmisch)  richtig  singen  konnten, 
ohne  noch  zu  wissen,  um  welche  Taktart  es  sich  handelte.  Herr  Davar 
spielte  seine  Stucke,  wie  man  aus  den  untereinander  iibereinstimmenden 
Wiederholungen  sehen  kann,  genau  rhythmisch,  konnte  aber  weder  seine 
eigenen,  noch  andere  indische  Melodien  taktieren  (mit  Ausnahme  des 
1.  Teils  von  Nr.  14). 

4.  SchluBbemerkungen. 
Der  Auf  bau  unserer  indischen  Melodien  ist  sehr  einfach;  fast  iiberall 
finden  wir  eine  Rondoform,  bei  welcher  ein  Hauptteil  von  einem  oder 
mehreren  Nebenteilen  abgelost  wird,  um  meistens  in  etwas  veranderter 
Form,  wiederzukehren l).  In  Nr.  2,  3  und  21  werden  die  Nebenteile  von 
einer  Solostimme,  der  Hauptteil  vom  Chor  antiphonisch  gesungen2).  Ge- 
sangstticken  geht  oft  eine  kurze  instrumentale  Einleitung,  die  das  Haupt- 
thema  schon  andeutet,  voraus  (vgl.  Nr.  20,  21,  22,  27);  auch  pflegen  sie 
mit  einer  kurzen  (von  uns  nicht  notierten)  instrumentalen  Coda  abzu- 
schlieBen.  Da  die  meisten  unserer  indischen  Melodien  auf  dem  Dreiklang 
aufgebaut  sind,  mit  haufigen  Quartenspriingen  und  Quintenverschiebungen, 
ferner  einem  groBen  Teil  unzweifelhaft  unsere  temperierte  Stimmung  zu- 
grunde  liegt,  so  stehen  wir  ihnen  weniger  fremd  gegeniiber  als  vielen 
anderen  asiatischen  Weisen.  Auch  die  Klangfarbe  der  Vokalmusik  ent- 
spricht  unserem  Gefiihl  mehr,  als  beispielsweise  die  gequetschte  Stimm- 
gebung  der  Siamesen,  Japaner  oder  Chinesen.  Ob  die  durch  den  Text 
gegebene  Stimmung  in  den  Melodien  nach  unserem  Gefiihl  getroffen  ist, 
konnen  wir  deshalb  nicht  entscheiden,  weil  uns  die  Texte  unbekannt  sind. 
Wir  erwahnten  bereits,  daB  in  Nr.  22  die  musikalischen  Mittel,  das 
Komische  auszudriicken,  ahnliche  sind,  wie  auch  wir  sie  anwenden  wiirden. 
Die  fortwahrenden  Verschleifungen,  die  in  der  indischen  Musik  so  beliebt 
sind,  wiirden  bei  unseren  Spielern  eher  geriigt  werden;  auch  die  vielen 
Verzierungen,  eine  Stileigentiimlichkeit,  die,  nebenbei  bemerkt,  Instru- 
menten  mit  kurz  dauerndem  Klange  fast  immer  anhaftet,  sind  nicht  ganz 
nach  unserem  Geschmack;  allerdings  zeigen  das  Tremolo  des  Clavichords, 


1)  Nach  Day  besteht  der  typische  Aufbau  indischer  Melodien  aus  zwei  strengen 
rhythmischen  Teilen:  1.  Pallevi  (Kamatik)  oder  Asthayi  (Hindu8tani)  und  2.  Anupallevi 
(K.J  oder  Antara  H.),  denen  als  dritter  Teil  eine  Reihe  freierer  Yariationen:  Gharanam 
(K.)  oder  Abhog  (H.)  folgt. 

2)  Auch  die  alten  vedischen  Liturgien  hatten  eine  ahnliche  Form,  vgl.  Burn  ell, 
Arsheyabrahinana  und  Chry Bander,  1.  c.  pp.  31  f. 


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0.  Abraham  and  Erich  M.  v.  Hornbostel,  Phonographierte  indiBche  Melodien.  401 

der  stark  verzierte  Klavierstil  zu  Handels  Zeiten,  die  italienischen 
Koloratur-Arien,  daB  auch  in  Europa  der  Geschmack  in  dieser  Beziehung 
nicht  immer  dem  heutigen  gleich  war. 

SchlieBlich  wollen  wir  noch  eine  im  Orient  ebenso  verbreitete  wie  uns 
schwer  verstandliche  soziologische  Merkwiirdigkeit  erwahnen.  Der  Musik- 
unterricht  ist  durch  die  Eifersucht  arg  beschrankt,  mit  der  die  Meister 
den  Schatz  der  ihnen  iiberlieferten  Traditionen  hiiten.  Dem  Schiiler  wird 
das  Studium  sehr  erschwert  durch  das  Verbot,  einen  vorgespielten  B&ga 
schriftlich  zu  fixieren.  Ja,  das  Geheimnis  der  Ragas  wird  in  einzelnen; 
zumal  mohammedanischen  Familien  so  streng  gehiitet,  daB  der  Klinstler 
im  Spiel  vor  Fremden  leichte  Veranderungen  und  Fehler  macht,  um  die 
wahre  Gestalt  des  Melodieskeletts  zu  verschleiern. 

Mit  dem  Uberhandnehmen  europaischer  Kultur  wird  trotz  heilig- 
gehaltener  Tradition  auch  die  indische  Musik  immer  mehr  von  fremden 
Elementen  durchsetzt.  So  erfreut  sich  namentlich  unser  Harmonium 
groBer  Beliebtheit  als  Begleitungsinstrument  fiir  Gesang  und  im  Zu- 
sammenspiel  mit  einheimischen  Instrumenten.  Wenn  die  musikwissen- 
schaftliche  Forschung  aus  der  musikalischen  Praxis  der  Inder  noch 
Belehrung  empfangen  und  sich  nicht  auf  die  philologische  Analyse  der 
musiktheoretischen  Literatur  beschrankt  sehen  will,  dann  darf  sie  mit  der 
Sammlung  umfangreichen,  womoglich  phonographisch  fixierten  Materials 
nicht  zogern. 

Zum  Schlusse  erfiillen  wir  die  angenehme  Pflicht,  alien  denen,  die 
unsere  Arbeit  durch  Rat  und  Tat  gefordert  haben,  insbesondere  den 
Herren  Geheimrat  Stumpf  (Berlin),  Prof.  Pischel  (Berlin),  Prof.  Jolly 
(Wiirzburg),  Dr.  Simon  (Munchen),  Dr.  Davar  (Bombay),  D.  F.  Scheur- 
leer  (Haag)  unsern  herzlichsten  Dank  auszusprechen. 


S.d.LM.    Y. 


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402  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 


Roland  Lassus*  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur1) 

von 

Adolf  Sandberger. 

(Miinchen). 


Das  Verhaltnis  eines  Tonsetzers  zu  den  jeweils  von  ihm  zur  Kompo- 
sition  gewahlten  Dichtungen  und  deren  Verfassern  birgt  wesentliche  An- 
haltspunkte  in  sich,  aus  denen  unerkannte  Merkmale  der  Gesaniterschei- 
nung  des  Kiinstlers  erforscht  werden  konnen.  Schon  deshalb  ergibt  sich 
fur  jeden  Musikerbiographen  die  Pflicht,  bei  alien  jenen  Schopfungen 
seines  Meisters,  welche  Poesie  und  Musik  verbinden,  dem  dichterischen 
Teil  des  Kunstwerks  genau  dieselbe  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  wie 
dem  musikalischen.  Diese  Forderung  ersteht  offenbar  rein  aus  der  Natur 
der  in  Frage  stehenden  Sache  heraus;  und  doch,  blicken  wir  in  die  Ge- 
schichte  des  Oratoriums,  des  Liedes,  der  Oper  usw.,  erst  unseren  Tagen 
war  es  in  vereinzelten  Arbeiten  vorhehalten,  mit  der  klaren  Formulierung 
des  Postulats  sowohl,  als  dessen  entsprechender  Erfiillung  den  Anfang 
zu  machen.  Aber  auch  der  Literarhistoriker  sollte  sich  mehr  als  bisher 
den  musikalischen  Denkmalern  zuwenden.  Denn  wenn  auch  zu  beriick- 
sichtigen  ist,  daB  die  Komponisten  aller  Zeiten  sich  willkurliche  Ande- 
rungen  an  ihren  dichterischen  Vorlagen  erlaubt  haben,  so  werden  doch 
durch  die  Gresangstexte  die  Quellen  in  einem  Reichtum  vermehrt,  welcher 
zunachst  schon  fiir  textkritische  Studien  usw.  nicht  langer  auBer  Acht 
gelassen  werden  sollte.  Weit  iiber  alles  Detail  hinaus  werden  sich  aber 
aus  einer  gemeinsamen  Beriicksichtigung  beider  Faktoren  neue  und  be- 
deutende  Gesichtspunkte  fiir  die  kiinstlerische  Produktion  einer  Periode 
ergeben.  Die  Geschichte  der  Poesie  bedarf,  wie  dies  R.  v.  Liliencron 
sehr  prazis  ausgesprochen  hat2),  der  Musikgeschichte  als  Hilfswissenschaft; 


1)  Die  Redaktion  ist  dem  gesch'atzten  Herrn  Verfasser  zu  besonderem  Danke  ver- 
pflichtet  fur  die  freundliche  Erlaubnis,  die  wertvollen  Ergebnisse  seines  Aufsatzes,  der 
bereits  1899  in  der  >Altbayerischen  Monatsschrift*  (Jahrg.  1  Heft  3)  erschienen  istt 
hier  dem  weiteren  Kreise  von  Freunden  musikgeschichtlicher  Forschung  vermitteln 
zu  diirfen. 

2)  Aus  dem  Grenzgebiet  der  Literatur  u.  Musik.  Ztschr.  f.  vergl.  Lit.-Gesch. 
N.  F.  1,  129  ff.  In  Italien  haben  in  den  letzten  Jahren  vor  allem  Rodolfo  Renier  und 
Angelo  Solerti  auf  die  Wichtigkeit  der  musikalischen  Denkmaler  fur  den  Literar- 
historiker in  Wort  und  Tat  verdienstlich  hingewiesen.  Vgl.  z.  B.  Giornale  storico 
della  lett.  ital.  Torino,  Loescher.  1893  S.  380 ff.  mit  Renier's  wichtiger  Aufzahlung 
musikalischer  Codices  in  italienischen  Bibliotheken  usw. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  403 

ebenso,  formulieren  wir,  bedarf  die  Geschichte  der  Musik  als  Hilfswissen- 
schaft  der  Literaturgeschichte. 

Die  Beziehungen,  welche  Roland  Lassus  oder  (wie  sich  der  Meister 
in  den  uns  erhaltenen  Briefen  zumeist  unterschreibt)  Orlando  di  Lasso 
zur  lebenden  und  iiberlieferten  Poesie  seiner  Tage  pflegte,  sind  nicht  ganz 
leicht  zu  erkennen;  denn  entsprechend  dem  Zeitgebrauch  nennt  nur  in 
den  seltensten  Fallen  der  Komponist  neben  dem  eigenen  Namen  den 
seines  Dichters.  Erst  dem  17.  Jahrhundert  war  es  vorbehalten,  haufiger 
auch  dem  anderen  Kunstler  sein  Recht  werden  zu  lassen.  Diese  litera- 
rischen  Beziehungen  Lasso's  sind  aber  ungemein  vielgestaltig.  Der 
Kunstler  ist  Dichtungen  dreier  Nationen  nahegetreten,  er  hat  italienische, 
franzosische  und  deutsche  Verse  komponiert,  auBerdem  noch  reichlich 
international,  lateinische  Poesie  italienischer,  franzosischer  und  deutscher 
Humanisten.  In  dieser  Fiille  von  Vorwiirfen  stehen  kraft  ihrer  tiber- 
wiegenden  kiinstlerischen  Bedeutung  die  Gebilde  italienischer  Dichter  im 
Vordergrunde  unseres  Interesses  *}. 

Die  Untersuchung  der  musikalischen,  politischen  und  religiosen  Ver- 
haltnisse  in  den  Orten,  in  denen  Orlando  seine  Jugend  verbrachte,  lieB 
eine  Anzahl  jener  erziehlichen  Momente  ersehen,  die  aus  dem  jungen 
Niederlander  ein  Kind  der  italienischen  Renaissancekultur  geschaffen 
haben;  aber  erst  die  Erkenntnis  der  Einwirkung  italienischer  Poesie  auf 
den  heranwachsenden  Kunstler  laBt  sein  jugendliches  Portrat  in  bliihenden 
Farben  erstehen.  Lasso's  ausgereiftes  Kunstlertum  geht  keineswegs  ohne 
Rest  im  Milieu  der  italienischen  Hochrenaissance  auf.  Den  knorrigen 
germanischen  Stamm  vermdgen  die  farbenprachtigen,  von  siidlicher  Sonne 
erschlossenen  Blutenzweige  nicht  zu  uberwuchern.  In  seinen  menschlichen 
AuBerungen  aber  offenbart  uns  der  Meister  das  Denken  und  Empfinden 
einer  Natur,  die  in  den  zwei  ersten  Dritteln  ihres  Lebensweges  weit  mehr 
auf  den  italienischen  Grundton  eingestimmt  ist,  als  auf  irgend  einen 
anderen.  Neben  diesem  italienischen  Zug,  clessen  AuBerungen  sich  zu- 
weilen  auch  auf  dem  Gebiete  des  makkaronischen  Gedichts,  der  erotischen 
Novelle  oder  der  Komodie  der  Renaissancezeit  bewegen,  ist  dann  noch 
eine  starke  gallische  Unterstromung  in  Lasso's  Wesen  zu  verzeichnen, 
mit  kiinstlerischen  und  menschlichen  AuBerungen.  Als  spezifischer  Mu- 
siker  aber,  wie  gesagt,  .  hat  sich  Orlando  nie  vollig  in  italienischen 
Fesseln  gefangen  gegeben.     Die  Verbindung  germanischer  Art  und  Tiefe 


1)  Der  Verfasser  hat  in  den  einzelnen  Banden  der  Lassoausgabe  bei  Ver- 
<"iffentlichung  der  Madrigale  des  Meisters  da  und  dort  bereits  von  diesen  italienischen 
Dichtungen  gesprochen.  Indes  kann  kein  Zweifel  bestehen,  daC  unser  Gegenstand  eine 
etwas  weiter  ausholende  und  zusammenh'angende  Darstellung  verdient.  Die  vor- 
liegende  Arbeit  versucht  mit  Benutzung  der  bereits  gemachten  Mitteilungen  eine  solche 
zu  geben. 

26* 


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404  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus1  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

wie  Kunsttradition  vielmehr  mit  der  weltlichen,  realen  Gefiihlswelt  des 
italienischen  Renaissancemenschen  hatte  seinen  Stil  hervorgeruf en;  neben- 
her  kommt  gallischer  Witz  da  und  dort  noch  in  Pointen  und  Schlag- 
lichtern  zum  Durchbruch.  Als  dann  in  spateren  Jahren  Lasso  auch  bei 
seinen  italienischen  Yorlagen  solche  Dichtungen  wahlt,  in  denen  mit 
Uberwindung  der  Renaissance  der  Geist  der  Gegenreformation  zxun  Aus- 
druck  gelangte,  hatte  der  Meister  bereits  in  zahlreichen  geistlichen  Kom- 
positionen  seine  Kraft  eben  diesem  Geiste  dienstbar  gemacht;  das  Madri- 
gale  spirituale  bekommt  nun  hiervon  sein  Teil  ab.  Es  ist  gerade  dies 
einer  jener  Zlige,  die  immer  wieder  die  Beschaftigung  mit  Orlando  so 
reizvoll  machen,  daB  wir  in  ihm  die  verschiedensten  Krafte  bei  einer  im 
ganzen  vollig  ausgeglichenen  und  einheitlichen  Natur  am  Werk  sehen. 
Die  eigentumliche  Vereinigung  verschiedener  Psychen  gewahren  wir  auch 
an  dem  Belgier  von  heute;  sie  ist  bei  Lasso  durch  Einwirkung  von  tief- 
greifenden  Zeit-  und  Lebensverhaltnissen  zur  kompliziertesten  Zusammen- 
setzung  erweitert.  Doch  haben  wir  in  diesem  Gewebe  heute  nur  den 
italienischen  Faden  weiter  nachzuspiiren. 

Als  letzte  dieser  einleitenden  Bemerkungen  moge  noch  erwahnt  werden, 
daB  Lasso's  Beziehungen  zur  italienischen  Poesie  gerade  fiir  die  Frage 
der  Pflege  dieser  Literatur  am  bayerischen  Hofe,  wie  sie  Reinhard- 
stoettner  vor  allem  an  der  Hand  der  Operndichtungen  des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts  aufgeworfen  hat1),  neue  Gesichtspunkte  eroffnen;  und  nicht  nur 
Lasso's  Madrigale  bieten  hierbei  Material,  sondern  auch  die  italienischen 
Kompositionen  seiner  Miinchener  Kunstgenossen,  der  Madrigalisten 
Morari,  Mosto,  Guami  usw.,  welche  uns  in  zahlreichen  selbstandigen 
Drucken  wie  vor  allem  den  Sammlungen  von  Trojano,  Bottegari, 
Gigli  usw.  erhalten  sind.  In  seinem  »Libro  di  Canto  e  Liuto«2)  z.  B.  hat 
Oosimo  Bottigari  Dichtungen  von  Petrarca,  Alamanni,  Alciato, 
Bojardo,  della  Casa  usw.  aufgenommen.  Des  weiteren  muBte  dann  an 
der  Hand  der  Gesangstexte  folgerecht  dieselbe  Frage  auch  fiir  die  fran- 
zosische  Literatur  und  die  deutsche  Lyrik  des  16.  Jahrhunderts  gestellt 
werden. 

Die  Anlasse,  durch  welche  unser  Meister  mit  italienischer  Poesie  in 
Verbindung  kam,  sind  zwiefacher  Natur,  allgemeiner  und  lokaler.  Pe- 
trarca's  Canzoniere  und  Ariost's  rasender  Roland  gehorten  in  Italien 
ums  Jahr  1545,  als  Lasso  dort  heranwuchs,  ebenso  zum  eisernen  Be- 
stand  der  allgemeinen  Bildung  wie  heute  bei  uns  Goethe  und  Schiller 
wenigstens  gehoren  sollten ;  mit  leichter  Miihe  konnte  sich  das  angehende 
Renaissancemenschenkind  eine  intime  Kenntnis  der  beiden  Werke  aneignen. 


1)  Jahrbuch  fur  Miinchener  Geschichte.    Miinohen  1887,  I,  93  flf. 

2)  Manuskript  der  Bibliothek   Modena.     Vgl.  Valdrighi's  TextauBgabe  davoc 
Firenze  1891)  und  Giornale  storico  della  letteratura  ital.  1892.  S.  430  ff. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  LasBus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  405 

und  Lasso  hat  die  gebotene  Gelegenheit  trefflich  genutzt.  MitPetrarca 
und  Ariost  war  der  Grand  seines  literarischen  Interesses  gelegt,  nun 
machte  es  sich  yon  selbst,  daB  der  Musiker  auch  die  zeitgenossischen 
dichterischen  Schopfungen  mit  Teilnahme  verfolgte.  Und  tatsachlich 
spiegelt  Lasso's  musikalisches  Schaffen  deutlich  die  italienische  Literatur- 
geschichte  des  16.  Jahrhunderts  wieder,  in  Dokumenten  der  engeren 
Renaissance-,  der  »klassischen«  und  der  beginnenden  Verfallsperiode, 
somit  in  der  Lyrik  den  Weg  uber  die  Petrarchisten  hinaus  zu  Tasso, 
zur  Schaferdichtung,  zu  den  Lyrikern  der  Gegenreformation.  Am  nach- 
haltigsten  aber  wirken,  wie  im  Gang  der  literarischen  Bewegung,  bei 
unserem  Tonmeister  die  Schopfungen  Petrarca's  und  Ariost' s  weiter. 
Ich  vermute,  daB  der  junge  Orlando  in  Giuliano  Goselini,  Ferrante 
Gonzaga's  Sekretar,  der  sich  in  reiferen  Jahren  als  Lyriker  ehrenvoll 
hervortat,  einen  sein  literarisches  Interesse  f ordernden  Mentor  f and ;  auch 
darf  man  schlieBlich  rein  musikalische  Einflusse,  namlich  die  ErschlieBung 
neuer  Gesangstexte,  wie  sie  den  Tonkunstlern  aus  fremden  Kompositionen 
jedesmal  wieder  zu  teil  wurde,  nicht  ubersehen. 

Neben  diesen  allgemeinen  Bedingungen  waren  es  lokale,  welche 
Lasso's  Textwahl  da  und  dort  gewichtig  beeinfluBten:  die  bevorzugte 
Pflege  einer  gewissen  poetischen  Gattung  am  Ort  seines  jeweiligen  Aufent- 
halts,  dann  wohl  auch  der  Umstand,  daB  dieser  oder  jener  Dichter  in 
derselben  Stadt  wohnte  wie  der  Komponist,  oder  dort  besonders  geschatzt 
wurde. 

Wir  beginnen  mit  jenen  Dichtungen,  welche  sich  als  zu  dieser  zweiten 
Kategorie  gehorig  erweisen.  Orlando's  Aufenthalt  in  Sizilien  und  Mai- 
land  zeigt  sich  leider  im  einzelnen  noch  allzu  dicht  verschleiert,  wenn- 
gleich  wir  vermuten  diirfen,  daB  der  junge  Komponist  in  Palermo  mit 
den  Kunsten  des  Teofilo  Eolengo  und  seiner  Nachahmer,  welche  in  den 
vierziger  Jahren  dortselbst  erbliiht  waren1),  bekannt  wurde.  Dagegen 
zeigt  sich  Neapel  nunmehr  des  weiteren  ziemlich  ergiebig.  Dort  stand 
Lasso  bekanntlich  im  Dienst  der  Marchese  Giov.  Battista  d'Azzia2). 
Dieser  war  Mitglied  der  Academia  de'  Sereni  und  selbst  als  Dichter 
tatig.  Heute  laBt  sich  nachweisen,  daB  Orlando  eines  seiner  Sonette 
komponiert  hat 

»Euro  gentil,  se  d'amoroso  ardorec^ 


1)  d'Ancona,  Origini  del  teatro  italiano,  Sec.  Edit.  Torino,  Loescher  1891,  II,  199. 

2)  Die  Familie  ist  heute  noch  in  Neapel  ansassig.  Uber  die  Beziehungen  der 
d'Azzia's  zu  Orlando  hat  Verf.  1896  an  Ort  und  Stelle  Nachforschungen  gepflogen, 
welche  indes  resultatlos  blieben. 

3)  II  primo  volume  delle  rime  scelte  da  diversi  autori.  In  Vinegia.  Gabr.  Giol. 
de'  Ferrari  (Herausgeber  ist  Lod.  Dolce).  Enthalten  in  den  Ausgaben  von  1656 
u.  1664  (S.  489). 


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406  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italieniacben  Literatur. 

ein  petrarcesk  iiberschwangliches  Liebesliedchen,  das  hier  in  wohlklingen- 
dem,  funfstimmigen  Satze  erscheint1).  Ehedem  war  das  bedeutendste 
Mitglied  der  alten  Accademia  Pontaniana  Jacopo  Sannazaro  geweseni 
der  Dichter  der  Arcadia.  Aus  diesem,  von  den  Zeitgenossen  so  unendlich 
geschatzten  Hirtengedicht  komponiert  Lasso  vierstimmig  die  kurze 
Strophe  des  Schafers  Montano,  welche  dessen  und  Uranios  gemeinsanie 
Liebesklage  einleitet 

»Per  pianto  la  mia  carne  si  distilla*2), 

eine  gliickliche  Wahl,  da  gerade  diese  Verse  mit  ihrem  »Ne  so  che  far 
mi  debbia*  inmitten  der  antikisierenden  Unnaivetat  und  des  petrarehi- 
sierenden  Raffinements  natiirlich  anmuten. 

Von  der  auf  Lasso's  Aufenthalt  in  "Neapel  zuriickzufiihrenden  Pflege 
der  Villanelle  im  allgemeinen  habe  ich  schon  an  anderer  Stelle  gehandelt3 . 
Doch  ist  hier  mancherlei  nachzutragen.  D'Ancona,  welcher  in  seineni 
Buche  iiber  das  italienische  Volkslied  auch  von  der  Heimat  der  Villa- 
nelle spricht,  schwankt,  ob  diese  Gebilde  in  ihren  ersten  Erscheinungen 
nach  Sizilien  oder  nach  Neapel  zu  verlegen  seien;  sicher  sei  nur,  »che  veni- 
vano  del  mezzod\«4).  Gesange  mit  der  Bezeichnung  »Napolitana«  finden 
sich  schon  im  14.  Jahrhundert5),  und  angesichts  der  im  16.  Jahrhundert 
gedruckten  musikalischen  Literatur  diirfen  wir  wohl  unbedenklich  Neapel 
als  Hauptpflegestatte  der  kunstmaBigen  Villanelle  ansehen,  nach  welcher 
der  Begriff  »alla  napolitana*  gemiinzt  wurde.  Der  Rohstoff  derselben 
ist  aber  keinesfalls  an  die  Stadt  Neapel  und  deren  Umgebung  gebunden. 
Er  umfaBt  das  siiditalienische  Volkslied  uberhaupt  und  schlagt,  wie 
Chrysander  nachgewiesen  hat,  eine  Briicke  zur  griechischen  Musik. 
In  Siiditalien  hatte  das  Griechentum  am  langsten  gewirkt,  dort  war  auf 
seinem  Grunde  ein  neues  Volksleben  erbluht.  Die  kunstmaBige  drei- 
stimmige  Villanelle  mit  ihren  falschen  Fortschreitungen  ist  nun  nichts 
anderes  als  die  Persiflage  der  Musiker  des  16.  Jahrhunderts  auf  die  Ge- 
sange jenes  Volkslebens,  auf  die  in  Dreiklangen  in  paralleler  Bewegung, 
also  in  Terzen  und  Quinten   begleitete  Melodie.     Wir  erkennen   in    der 


1)  Kritisch  herausgegeben  von  A.  Sandberger.  Orlando  di  Lasso,  Samtliche 
Werke,  Verlag  von  Breitkopf  &  H'artel  in  Leipzig  II,  121.  Ich  zitiere  in  der  Folse 
abgekiirzt  >S.  W.t  meine  einschlagigen  Publikationen  der  Stiicke. 

2)  Egloga  seconda.  Ausgabe  Londra  1781  S.  17.  Grasp ari,  G.,  Geschichte  der 
ital.  Literatur,  StraBburg  1888,  II,  324.  Auf  dies  schone  Buch  habe  ich  mich  in; 
folgenden  haufig  gestiitzt.    S.  W.  VIII,  11. 

3)  Beitr'age  zur  Geschichte  der  bayer.  Hofkapelle,  Leipzig  1894,  I,  89  u.  114  ff. 

4)  La  poesia  popolare  italiana,  Livorno  1878,  S.  309  ff. 

5)  Gasp  ari  a.  a.  0.  II,  238. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  407 

Mehrstimmigkeit  dieser  Stiicke  Reste  des  griechischen  Musikempfindens  *) ; 
den  Mu8ikem  des  16.  Jahrhunderts  waren  sie  naturgemaB  nur  »der  er- 
gotzliche  Singsang  des  rohen  Volkes«.  Dieser  wurde  SpaBes  halber 
imitiert  und  in  Verspottung  der  geheiligten  Zunftgesetze  schreiben  hoch- 
achtbare  Tonsetzer  die  greulichsten  Quintenfolgen  in  ihren  »Bauern- 
liedlein  nach  napoletanischer  Art«.  Erst  einmal  in  die  Kunstmusik  ein- 
gefiihrt,  erlebt  die  Villanelle  dann  mancherlei  Weiterungen;  die  vier- 
stimmige  Villanelle  vermeidet  die  Quinten,  die  strophische  Form  wird 
grundleglich  fur  erweiterte  musikalische  Organismen,  das  ganze  Gebilde 
greift  liber  Neapel  hinaus  und  verbreitet  sich  iiber  Italien.  So  wurden 
auch  von  Komponisten,  welche  Neapel  nie  gesehen  hatten,  zahlreiche 
Villanellen  alia  napolitana  komponiert,  andererseits  boten  die  neuergriffe- 
nen  Gregenden  neuen  Bohstoff  zu  Villanelle  alia  Padovana  (1557,  1559, 
1569),  atta  Mantovano  (1583),  alia  Bergamasca  (1569),  ToscaneUe  (1587, 
1591)  usw.  Diese  neuen  Gebilde  sind  teils  lokalisierte  Napolitanen,  teils 
wiederum  von  dritten  Gregenden  Italiens  iiberkommen.  Lovarini  sagt 
von  den  canxonette  Padovane*):  »Questi  canti  erano,  o  nati  sul  luogo, 
o  la  maggior  parte  trasmigrati  dal  di  fuori,  dalla  Toscana,  da  Venezia, 
da  Bergamo  e  da  altre  regioni:  qui  giunti  ricevevano  Timpronte  della 
lingua  locale*.  Im  letzten  Grunde  lassen  sich  vielleicht  alle  Villanellen 
auf  die  drei  Stammherde  des  italienischen  Volksliedes,  Sizilien,  Tos- 
kana,  Friaul  zuriickleiten. 

Die  Musiker  steckten  die  volksmaBigen  Quinten  in  ihren  kunstmaBigen 
Satz;  in  gleicher  Weise  muB  der  dichterische  Bohstoff  von  den  Poeten 
angefaBt  worden  sein.  Den  Eindruck  des  reinen  Volkshedes  machen 
die  Texte  der  Villanellen  nur  selten ;  dagegen  fallt  uns  bei  vielen  unschwer 
ein  ironisierend  iibertreibendes  Element  auf,  das  auch  den  Dichter  als 
heimlichen  Spotter  iiber  den  selbstgewahlten  Vorwurf  erscheinen  laBt. 
Ganz  richtig  nennt  Menghinir  die  Villanellendichtungen  »una  forma  della 
poesia  semipopolare  .  .  .  dove  l'elemento  popolare  univasi  .  .  .  con  quello 
aulico*8).  Doch  kommt  es  nirgends  zu  einem  Uberwiegen  des  kunst- 
maBigen Elements,  mit  Absicht  lassen  die  Dichter  den  Anklang  an  das 
Volkslied  bestehen,   der  bei  den  napolitanischen  Villanellen  haufig  eine 


1)  Vgl.  Chry  sander,  Vierteljahrsschr.  f.  Musikwissenschaft  1893,  308  ff.  > Dieses 
l'andliche  Singen  war  nur  unbewufit  harmonisch,  beharrte  starr  auf  der  Grundstufe  der 
Harmonie,  konnte  daher  in  dieser  Hinsicht  keiner  Entwicklung  fahig  sein:  der  Kern 
desselben  und  der  alleinige  Leiter  fur  die  singen de  Schar  war  und  blieb  die  Melodie. 
Das  ist  aber  noch  ganz  der  antike  Standpunkt*. 

2)  Canzoni  popolari  in  Ruzzante  e  in  altri  scrittori  alia  pavana  del  sec.  XYI. 
Propugnatore  1888  (Fasc.  2—3  u.)  4,  S.  387. 

3)  Villanelle  alia  Napolitana.  Zeitschr.  f.  roman.  Philologie  1892,  S.  477.  —  Die 
Arbeit  von  S.  Ferrari,  Villanelle  alia  napolitana.  Palermo  1869,  war  mir  nicht  zu- 
g'anglich. 


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408  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

hochst  drastische  Gestaltung  bedingt.  AuBerhalb  Neapels  waltet,  soviel 
ich  sehe,  durchweg  etwas  feinere  Formung.  Vielfach  ist  das  Italienisch 
unsrer  G-ebilde  reichlich  mit  Dialekt  versetzt  oder  die  Sprache  wohl  gar 
vollig  mundartlich;  doch  stehen  diesen  Stiicken  bei  manchen  Komponisten 
zahlreiche  andre  gegeniiber,  welche  sich  ausschlieBlich  des  Italienischen 
bedienen.  Was  die  Wahl  der  Vorwiirfe  betrifft,  uberwiegen,  soweit  ich 
sehe,  die  Liebeslieder.  Diese  lassen  sich  einteilen  in  Stiicke  groberer, 
drastischerer  und  solche  zarterer  Fassung;  neben  utrierten,  oft  komischen, 
manchmal  aber  auch  realistisch  riiden  Texten  begegnen  uns  pl5tzlich 
iiberraschend  innig  empfundene  Tone.  Als  sonstige  Vorwiirfe  erscheinen 
die  Verrichtungen  des  taglichen  Lebens,  Arbeit  und  Spiel,  oder  es  werden 
Gegenstande  des  heimischen  Hansrats  besungen  usw.  Gewisse  Bilder  und 
Ausdriicke  kehren  vielfach  wieder  (S'  io  fosse  ciaul  e  tu  lo  campanile; 
Kosenamen  usw.).  Die  metrischen  Bildungen  sind  hochst  vielgestaltig  und 
abwechselnd,  doch  scheint,  wie  es  auch  Menghini  beobachtete,  schlieClich 
eine  Strophe  von  drei  Elfsilblern  (ABB)  vorzuherrschen.  Ln  iibrigen 
eroffinet  zweifellos  die  Untersuchung  der  Villanelle  dem  Literarhistoriker 
noch  ein  reiches  und  besonders  durch  die  Riicksicht  auf  das  Volkslied 
schwieriges  Arbeitsfeld,  fur  dessen  Bebauung  der  Musikhistoriker  dank- 
bar  sein  wiirde. 

Dieser  Villanelle  also  mufite  Orlando  in  Neapel  auf  Schritt  und 
Tritt  begegnen;  daB  er  sich  ihrer  dort  auch  bemachtigte,  dafiir  liegen 
nunmehr  im  Zusammenhalt  mit  der  Entstehungszeit  der  fraglichen  Stiicke 
weitere  Beweisgriinde  vor.  Sogleich  unter  den  sechs  ersten,  1555  von 
ihm  veroffentlichten  Villanellen  verraten  sich  die  burlesken  Liebes- 
auBerungen  >Tu  traditora  puost'  a  sto  core  ...  e  mo  canazza«  und 
»No  giorno  t'aggio  avere« x)  durch  die  mundartliche  Fassung  als  neapo- 
litanischer  Abkunft.  1581  veroffentlichte  Lasso  dann  nebst  »altre  can- 
zoni«,  auf  welche  wir  noch  zu  sprechen  kommen,  eine  weitere  Folge 
Villanellen;  unter  diesen  lassen  sich  wiederum  an  zehn  Texten  Neapo- 
litanismen  nachweisen2).  Den  Vorwiirfen  nach  finden  wir  auch  hier 
mehr  oder  minder  drastische  Liebeslieder  naturlichen  oder  ubertreibenden 
Tones,  dazwischen  vereinzelt  ein  zarteres  Gebilde  (IV,  14),  endlich  eine 
Besingung  des  Trik-Trak-Spieles  (3)  und  der  Haspel  (5),  welche  als  Folic 
fur  das  Liebesliedchen  dienen. 

Bei  der  musikalischen  Ausarbeitung  der  Stiicke  aber  geht  Lasso 
seinen  eignen  Weg.  An  dieser  Stelle  hieriiber  nur  kurz  folgendes: 
Orlando  laBt  sich  nur  ein  einziges  Mai  herbei,   der  Quintenfaktur  des 


1)  S.  W.  X,  Nr.  HI,  3  u.  Ill,  5.  Vordem  hatte  bereits  Maldeghem  Tresor 
profane,  Bruxelles  1874  die  Villanellen  von  15&6  neugedruckt,  leider  in  volliger  Ent- 
etellung. 

2)  S.  W.  X,  Xr.  IV,  1,  3,  4,  5,  6,  7,  10,  11,  14,  15  (und  21  =  4). 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.   409 

dreistimmigen  Satzes  seinen  Tribut  zu  zollen.  Als  genialer  Kunstler  aber 
ersieht  er,  was  an  dieser  Villanelle  das  Beste  war.  Dies  war  die  Ober* 
stimme,  die  Melodie  in  unserm  Sinne,  welche  fraglos  in  vielen  Fallen 
wirkliches  Volkslied  oder  wenigstens  volksliedmaBig  gehalten  ist.  Dem- 
entsprechend  bildet  er  nun  seine  Melodien  und  zwar  mit  vorziiglichem 
Gelingen;  an  intimen  melodischen  Wendungen  sind  diese  Villanellen  reich 
(vgl.  z.  B.  Bd.  X,  IV,  7  Io  ti  voria  contar);  oder  aber  er  ubernimmt 
bereits  in  der  dreistimmigen  Villanelle  quintenmaBig  traktierte  Melodien 
und  hebt  sie  in  die  B^gion  einfacher  aber  reiner  Kunst.  Dies  ist  der 
Fall  bei  den  Villanellen  » Madonna  miapiet&«,  >Tu  sai,  madonna  miac,  >No 
giomo  t'aggio  und  »La  cortesia*  (Bd.  X,  III,  1 — 4).  Hier  sind  Melodien, 
welche  1545  von  Vincenzo  Fontana  quintenmaBig  begleitet  erschienen 
waren,  nach  niederlandischer  Weise  in  den  Tenor  gelegt  und  damit 
bewuBtermafien  zu  hoherer  Bedeutung  erhoben.  In  andern  Stiicken 
klingen  die  Weisen  der  Quintenvillanelle  nur  an.  Wie  viel  hoher  steht 
dieser  Standpunkt  des  jungen  Meisters  gegeniiber  den  Zunftparodien  der 
Zeitgenossen !  Der  Bau  der  Villanelle  aber  wird  mit  erstaunlichem  Form- 
instinkt  von  Lasso  erweitert,  bis  zur  Form  des  abwechslungsreichen 
Rondos  »Matonna  mia  cara«  (Bd.  X,  IV,  12).  Die  reiche  Literatur  der 
Villanellen  ist  neben  der  uberreichen  Produktion  von  Madrigalen  ein 
wertvoller  Faktor  in  der  italienischen  Gesangsliteratur  des  16.  Jahr- 
hunderts  und  der  f  olgenden  Jahrzehnte.  Denn  sie  bietet  gegeniiber  dem 
relativ  begrenzten  Ausdrucksgebiet  des  Madrigals  eine  wohltatige  Ab- 
wechslung  mit  ihren  einfacheren  und  charakteristischeren  Elementen  in 
Dichtung  und  Musik.  Seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts  stellen  sich  dann 
noch  weitere  Gegensatze  ein,  welchen  dieselbe  Aufgabe  der  Schattierung 
und  Differenzierung  zufallt,  die  Spezialitaten  der  Dialoge,  Echos  usw. 
Innerhalb  der  Richtung  der  Villanellen  lag  es  nahe,  die  einmal  durch 
Beiziehung  des  ethnographischen  Elements  in  den  Napolitanen  gewonnene 
Wirkung  anderweitig  zu  erproben.  So  griff  man  auch  auf  unserm  Gebiet 
zu  mancherlei  Vermischungen  des  Italienischen  mit  den  fremden  Idiomen, 
welche  das  damalige  Italien  darbot:  zu  dem  bunten  Gemengsel  der 
Macaroneae,  in  denen  Folengo  das  Lateinische  durch  massenhafte  Ver- 
mischung  mit  wunderlich  latinisiertem  Italienisch  und  Mantuanisch  ver- 
setzt  hatte1);  zur  drastischen  Entstellung  des  Italienischen  durch  Idiome 
jener  Nationen,  mit  denen  die  Italiener  in  und  auBer  Landes  die  meiste 
Beriihrung  hatten,  mit  den  Juden,  den  Griechen,  den  Deutschen,  den 
Arabern,  nicht  zu  vergessen  der  Bewohner  der  neuen  Welt,  mit  welchen 
die  Seestadte,  vor  allem  Venedig  und  Neapel,  Fiihlung  gewannen.  So 
finden  wir  Macharonee  (1557),  Ebraica  (1569)  2;,  Oregesche  1564  und 
1571  j,  Todesche  (1559  und  1566  ,  Moresche. 

1}  Graspari  II,  522.  2)  Also  lange  vor  Vecchi  und  Banchieri. 


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410   Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

Mit  Recht  verweist  Chrysander  darauf,  daB  wir  uns  die  urspriingliche 
Villanelle  Siiditaliens  nicht  als  einfache  Gesangsbetatigung  zu  denken 
haben,  sondern  daB  ihr  Vortrag  in  der  Wirklichkeit  ein  tolles  Durch- 
einander  von  Gesang,  Tanz,  Rede  und  Gesten  war1).  Ebenso  haben  wir 
einen  Teil  der  genannten  Gesange  im  16.  Jahrhundert,  so  die  Berga- 
masken,  Ebraica;  Todesche  und  besonders  dieMoresche  im  Zusammen- 
halt  mit  dramatischen  Darbietungen  der  Zeit  zu  begreifen,  mit  der 
literarischen  Komodie,  lokalen  Spezialitaten  volksmaBiger  Komodien  und 
der  Komodie  dell'  Arte;  vielleicht  waren  es  sogar  grade  die  Komodien, 
welche  unsre  Gesangsstiicke  in  erster  Linie  benotigten  und  hervorriefen; 
di«  literarische,  bei  welcher  es  gebrauchlich  war,  Personen  in  Mundarten 
sprechen  zu  lassen,  die  improvisierte ,  in  welcher  sich  die  feststehenden 
Personen  der  Sprache  ihrer  Gegend  bedienen,  so  die  Zanni  des  Berga- 
maskischen,  Pantalon  des  Venetianischen  usw. 

Wir  besitzen  nun  von  Lasso  eine  Anzahl  Moreschen,  sodann  andre 
Stucke,  welche  sich  durch  Vergleich  als  Paduana  und  Todescha  erkennen 
lassen.  Die  Ohronologie  weist  bei  ihnen  nicht  nur  unserm  Meister  die 
Prioritat  innerhalb  der  hoheren  Kunstsphare  zu  und  zeigt  ihn  damit  als 
den  Pionier  neuer  Ausdrucksgebiete.  Unsre  nachfolgende  Untersuchung 
soil  auch  hier  beweisen,  dort  wahrscheinlich  machen,  daB  Lasso's 
Stucke  szenischen  Zwecken  dienten;  und  hieraus  ergeben  sich  im  Zu- 
sammenhalt  mit  Orlando's  bereits  bekannter  Stellung  zur  Komodie  dell' 
Arte  weitere  Folgerungen. 

In  Neapel  sehen  wir  zunachst  Orlando  Stellung  zu  einer  Art  der 
dortigen  theatralischen  Auffiihrungen  nehmen,  den  farse  cavaiole.  Dies 
waren  halbimprovisierte  Darstellungen  von  Sittenbildern,  welche  ihren 
Namen  vom  benachbarten  Orte  La  Cava  (zwischen  Neapel  und  Salerno; 
erhielten,  da  dessen  Bewohner  den  Neapolitanern  als  Muster  von  Ein- 
falt  und  Torheit  und  als  Zielscheibe  des  Spottes  galten2).  Als  1568 
bei  der  Hochzeit  Herzog  Wilhelms  unser  Meister  in  Gemeinschaft  mit 
Massimo  Trojano  die  allbekannte  Comedia  dell' Arte  ersann  und  unter 
Mitwirkung  der  Hofmusiker  Giov.  Batt.  Scolari,  Carlo  Livizzano, 
Ercole  Terzo  und  Anderer  auffuhrte,  vereinigten  die  Verfasser  mit  der 
genannten  Stegreif komodie  noch  die  neapolitanische  Farce,  wie  Trojano 
selbst  berichtet3):  »Messere  Orlando  .  .  .  invento  il  dilettevole  suggetto 

1)  A.  a.  0.  S.  310. 

2)  Croce,  I  Teatri  di  Napoli  S.  28  ff.  Torraca,  Studi  di  Storia  letteraria  napole- 
tana,  Livorao  1884,  S.  86  ff.    D'Ancona,  Origini  II.  94. 

3j  Discorsi  delle  trionfi  .  .  .  fatte  nelle  sontuose  Nozze  delP  .  . .  Signor  Duca 
Guglielmo  1558  a  22.  di  Febraro.  Monaco,  A  Montano  1568  S.  184.  Bekanntlich 
erschien  das  Bach  auch  in  einer  ital.-spanischen  Ausgabe:  Dialoghi  . . .  ne  fquali  si 
narrano  le  cose  notabili  usw.  Venetia,  Zaltieri  1569.  Der  italienische  Text  ist  hier 
vielfach  verkiirzt,  verlangert,  im  sprachlichen  Ausdruck  verbessert  usw.,   es  sind  also 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'Beziehungen  znr  italienischeuLiieratur.      411 

e  tra  Puno  e  Paltro  composero  le  parole.  Nel  primo  atto  un  villano 
alia  cavaiola  .  .  .«  Dieser  Bauer  sprach  den  Prolog,  die  farsa  alia 
cavaiola  diente  der  comedia  deW  arte  zur  Vorbereitung.  Zwischen  Prolog 
und  Komodie  aber  liefi  Lasso  eines  seiner  schonsten  fiinfstimmigen 
Madrigale  singen1)  —  ein  greif  bares  Beispiel  der  Verwendung  des  Madri- 
gals in  szenischen  Diensten  innerhalb  unsres  Kreises2). 

Das  ungemeine  Gefallen3),  das  die  fiirstliche  Hochzeitsgesellschaft  an 
diesen  Darbietungen  fand,  erklart  sich,  wie  fiir  die  andern,  so  fiir  die 
bayrischen  Teilnehmer,  aus  den  Beziehungen  der  Hofe  zu  Italien. 
Wilhelms  Bruder,  Herzog  Ferdinand,  hatte  im  Jahre  1565  zu  Florenz 
nicht  nur  der  Auffiihrung  von  d'Ambra's  literarischer  Komodie  La 
Cofanaria*),  zu  welcher  Giov.  Batt.  Cini  die  in  der  Vorgeschichte  der 
Oper  beriihmten  Intennedien  entworfen  hatte,  sondern  auch  der  einer 
Commedia  delF  Arte5)  beigewohnt;  und  auch  am  Hofe  des  mit  dem 
bayrischen  Fiirstenhause  verwandten  Herzogs  von  Mantua  wurde  die 
letztere,  wie  d'Ancona  berichtet6),  und  besonders  eifrig  im  vorher- 
gehenden  Jahre  1667  geptiegt. 


stet8  beide  Ausgaben  einzusehen.  "Wiirthmann  hat  sich  in  seinem  deutschen  Aus- 
zug   Miinchen  1842}  an  die  Dialoghi  gehalten. 

1)  Dasselbe  ist  nicht  genannt.  DaB  es  ein  Madrigal  von  Lasso  ist,  sagt  Tro- 
jano  erst  in  den  Dialoghi  Bl.  148. 

2  Im  weiteren  Verlauf  erklingt  in  dieser  Komodie  gesungene  Musik  bei  den 
Aktschliissen;  zuerst  als  Pantalon  das  Haus  der  Courtisane  Camilla  betritt,  ein  funf- 
stimmiger  Gesang  von  Violen  da  Gamba  begleitet;  am  Schlusse  des  zweiten  Aktes  ein 
vierstimmiges  Stiick,  auf  welches  wir  zuriickkommen.  Xach  dem  dritten  Akt  wurde 
unter  entsprechender  Musik  ein  ballo  italiano  getanzt.  AuGerdem  fiihrte  Lasso  einen 
kleinen  Einzelgesang  mit  Lautenbegleitung  auf  die  Worte  »chi  passa  per  questa  strada 
e  non  sospira  beato  se«  aus,  welcher  iiber  den  Scherz  hinaus  als  von  dem  groCen 
Polyphonisten  ausgefiihrte  Monodie  Beachtung  verdient.  Vermutlich  benutzte  Lasso 
die  Komposition  Azzaiolo's  il  primo  libro  di  Villotte  alia  Padovana,  Ven.  1567 
Nr.  1 . 

3)  Ein  weiteres,  auch  fur  die  Geschichte  der  bildenden  Kunst  hochst  hedeutsames 
Denkmal  der  Vorliebe  Herzog  Wilhelms  V.  fiir  die  Commedia  dell'  arte  ist  in  den 
Wandgemalden  erhalten,  mit  denen  der  Fiirst  eine  Treppe  des  von  ihm  geschaffenen 
Anbaues  in  SchloB  Trausnitz  bei  Landshut  —  die  sogenannte  Narrentreppe  — 
ausschmiicken  lieG.  Die  Bilder,  welche  in  lebensgroCen  Figuren  die  bekannten  Typen 
der  italienischen  Stegreif komodie  vorfuhren,  wurden  im  Auftrage  Konig  Ludwigs  I. 
durch  den  Maler  Max  Hailer  im  Jahre  1841  kopiert  und  Aquarelle  hiervon  der 
graphischen  Sammlung  des  Bayerischen  Nationalmuseums  einverleibt.  Eine  ausfdhrliche 
Besprechung  der  dargestellten  Szenen  hat  Karl  Trautmann  im  1.  Band  des  Jahr- 
bnches  fur  Miinchener  Geschichte  S.  301  A.  206  gegeben.  Reproduziert  findet  man 
sie  im  angefiihrten  Heft  der  >  Alt  bayerischen  Monatsschrift*. 

4)  Vgl.  meine  »Beitrage«  HE,  352  ff. 

5)  Freyberg,  Sammlung  histor.  Schriften  und  Urkunden,  Stuttgart  1834,  IV,  336. 

6)  II,  445. 


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412  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  fieziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

Des  weiteren  sehen  wir  Orlando  in  Verbindung  mit  Neapels  dra- 
matischer  Kunst  durch  die  Komposition  von  »Dicesi  che  la  morte*  aus 
dem  Dramma  pastorale  Ceccaria  (urn  1525)  des  Antonio  Marsi,  genannt 
Antonio  Epicuro  oder  auch  Epicuro  Napolitano1).  Die  Stelle  ist  den 
Meditationen  iiber  den  Tod  entnommen,  welche  Vecchio,  Geloso  und 
Terzo,  die  drei  Opfer  des  grausamen  Liebesgottes  anstellen,  und  liegt  im 
Munde  des  Terzo2). 

Seinen  Villanellen  von  1581  hat  Orlando  mit  einer  einzigen  Aus- 
nahme,  dem  bereits  1560  erschienenen  »0  Lucia,  miau,  miau*3)  seine 
Moresche  beigesellt.  "Wir  wissen  aus  des  Meisters  eigenen  Worten,  daB 
er  die  scherzhaften  Stiicke  der  Sammlung  von  1581  »in  seiner  Jugend* 
schrieb,  und  haben  nur  wenige  Nummern  als  spater  komponiert  anzusehen4 . 
Eine  Untersuchung  der  Texte  oftenbart  nun  zunachst  auch  bei  den 
Moresche  teilweise  neapolitanischen  Dialekt,  der  mit  dem  drolligen  Kauder- 
welsch  der  mori,  der  Schwarzen,  gemischt  ist.  Dies  mag  vorlaufig  ge- 
niigen,  die  Stiicke  nach  Neapel  zu  verweisen. 

Die  » Moresca*  ist  urspriinglich  ein  Tanz,  zweifelsohne  historischen 
Charakters  und  zwar  hervorgegangen  aus  den  Kampfen  der  christlichen 
Bevolkerung  in  den  siidlichen  Landern  mit  den  Sarazenen5).  Ihre  Musik 
ging  aus  raschem  3/2-Takt  und  bestand  in  ihrer  einfachsten  Gestalt  aus 
zwei  Teilen  zu  je  acht  Takten6). 

Aber  mit  dem  Begriff  eines  einfachen  mimischen  Tanzes  kommen  wir 
nicht  lange  aus.  Allmahlich  erweitert  sich  derselbe  zur  ausgedehnten 
Pantomime,  zum  Ballett,  und  zwar  war  die  Moresca  so  beliebt,  daB  man 
ganze  Stiicke,  welche  einen  »Mohrentanz«  enthielten,  ausschliefilich  nach 

lj  Crescimbeni,  Gk  M.,  Istoria  della  volgar  poesia  Ven.  1730,  HE,  34.  Qua- 
drio,  della  storia  e  della  ragione  d'ogni  poesia  II,  234.  D'Ancona,  Origini  II,  101, 
woselbst  auch  die  neuere  Literatur  angegeben  ist.  Uber  die  szenische  Auffiihrung  be- 
richtet  B.  Croce,  Teatri  di  Napoli,  Napoli  1891,  S.  36  ff. 

2)  Ceccaria.  Tragicomedia  ...  In  Vinegia  appr.  G.  Giolito  de  Ferrari  1553. 
S.  W.  IV,  22. 

3  II  terzo  libro  delle  Villotte  alia  Napol.  de  diversi  c.  due  Moresche.  Vogel, 
Bibliothek  der  weltl.  Vokalmusik  Italiens  II,  1560* 

4  Vgl.  S.  W.  X,  Vorwort. 

o  Bobme,  F.  M.,  Geschichte  des  Tanzes,  Leipzig  1886,  L  132*  D'Ancona, 
Origini  II,  265;  Tigri,  Canti  popol.  toscani,  Firenze  1869,  S.  LXII  balli  storici  der 
Montagna [.  In  Landern,  welche  best'andig  viel  Verkehr  mit  den  Muselmannern  hatten, 
ist  die  Moresca  bis  hoch  ins  18.  Jahrhundert  als  Tanz  nachweislich ;  (d^Ancona  II. 
201  Anm.  b,  in  Dalmatien  und  Corsica  bis  heute  .Bonnie  a.  a.  0...  Die  Moresca 
war  auch  Shakespeare  wohl  bekannt,  wie  ihm  nichts  Musikalisches  fremd  war.  Vgl. 
Nay  lor,  Shakespeare  and  music  S.  132,  151,  205. 

6)  Bohme  a.  a.  0.  S.  133.  Eine  Moresca  in  geradem  Takt  teilt  nach  Susato's 
1551  Sammlung  von  T'anzen  Weitzmann  mit,  Geschichte  des  Klavierspiels,  Stutt- 
gart 1879,  S.  75. 


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Adolf  Sandberger,  .Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  Italienischen  Literatur.   413 

ihr  benannte1).  Im  16.  Jahrhundert  begegnen  wir  also  beiden  Formen, 
dem  einfachen  Tanz  zunachst  meist  als  Iibertragenem  Tanzlied  in  den 
Lautentabulaturen,  der  Erweiterung  als  selbstandiger  Darbietung  oder 
besonders  als  Intermedium,  als  Zwischenspiel  in  den  cene  earnevaleache 
und  in  der  Komodie,  sei  es  nun  mit  oder  ohne  dramatischen  Zusammen- 
hang  mit  der  Haupthandlung.  Innerhalb  der  Moresca  als  Ganzem  bleibt 
die  Bezeichnung  Moresca  fiir  den  einzelnen  Tanz  weiter  bestehen,  es 
wird  in  der  Moresca  a  tempo  di  Moresca   gesungen,  gespielt,  getanzt2). 

Gehen  wir  der  erweiterten  Form  etwas  nach,  so  erfahren  wir  beispiels- 
weise  von  Auffiihrungen  von  Moreschen  in  Rom  1473,  1502  und  15213). 
Die  letztere  fand  im  Hofe  der  Engelsburg  statt,  der  Papst  samt  dem 
Gefolge  besahen  sich  das  Schauspiel  von  den  Gemachern  aus.  Zuerst 
erschien  eine  Frau,  die  die  Gottin  der  Liebe  anflehte,  ibr  einen  wiirdigen 
Liebhaber  zu  geben;  dann  entpuppte  sich  ein  scheinbar  aus  abgetragenen 
Priesterkappchen  zusammengestelltes  Zelt  als  eine  Schar  von  Eremiten, 
acht  an  der  Zahl,  welche  unter  dem  Klang  der  Trommeln  die  Moresca 
tanzten  und  sich  uber  einen  kleinen,  kocherlosen  Amor  hermachten,  um 
ihn  als  Feind  der  Menschheit  zu  zlichtigen.  Der  kleine  Liebesgott  aber 
ruft  Frau  Venus  hilfesuchend  herbei,  welche  ihm  Kocher  und  Pfeile 
bringt,  den  Eremiten  aber  einen  zauberischen  Trank  kredenzt.  Nun  be- 
schieBt  Amor  die  Feinde  mit  seinen  Pfeilen,  bis  sie  verwundejb  wehklagen, 
Amor  tanzend  umringen  und  sich  schlieBlich  mit  Liebesbeteuerungen  an 
das  zuerst  erschienene  Weib  wenden.  Dieses  fordert  die  Eremiten  auf, 
Proben  ihrer  Yorziige  zu  geben;  mit  einem  Male  fallt  das  geistliche  Ge- 
wand  und  acht  reichgekleidete  Jiinglinge  stehen  vor  der  Frau,  beginnen 
um  ihren  Besitz  zu  kampfen  und  fallen  alle  bis  auf  einen,  der  um  die 
Schone  freit  —  Hier  haben  wir  also  eine  selbstandige  ausgefuhrte 
Pantomime;  sowohl  das  Ganze  als  ein  einzelner  Teil  derselben  fuhren 
den  Namen  Moresca. 

Aus  Urbino  besitzen  wir  einen  Bericht  vom  Jahre  15134).  Hier 
bildet  eine  Moresca  das  erste  Intermedium  in  Bibbiena's  Komodie 
Oalandra.  Von  der  einen  Seite  der  Blihne  tritt  Jason  tanzend  auf,  in 
antiker  Biistung,  mit  Schwert  und  Schild;  auf  der  entgegengesetzten 
Seite  stehen  zwei  feuerspeiende  Stiere.  Jason  nahert  sich  ihnen,  zwingt 
sie,  seinen  Pflug  zu  ziehen,  und   saet   nun   die  Drachenzahne.     Aus  der 

1)  Vgl.  die  Komodie  in  Moresca  bei  Mazzi,  La  congrega  dei  rozzi  di  Siena  nel 
secolo  XVI,  Firenze  1882,  S.  53. 

2}  Anders  bei  der  Gtegliarde.  Vgl.  D'Ancona,  Origini  II,  421.  Bern.  B  el  Un- 
ci on  i  singt  (Rime  II,  11  ed.  Fanfani,  Bologna  1878),  hier  in  witziger  Weise  politisch 
anziiglich  auf  Lodorico  Moro  gemiinzt):  >Da  poi  ch'  i  veggio  che  tu  se\  moresco 
Vo  'che  tu  canti  in  chiesa  a  la  moresca*. 

3)  D'Ancona,  Origini  II,  67,  75,  92 ff. 

4   D'Ancona  II,  103. 


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414   Adolf  Sandberger,  Roland  LaSsus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

Saat  erwachsen  bewaffnete  Manner,  tanzen  eine  kriegerische  Moresca  und 
machen  Miene,  Jason  zu  toten  und  das  goldene  Vlies  zu  rauben.  Sie 
reiben  sich  schlieBlich  unter  einander  auf  und  Jason  tragt  seinen  Raub 
davon.  —  Auch  als  zweites  Intermedium  der  genannten  Komodie  diente 
eine  Moresca.  Venus  erscheint  mit  Amoretten  auf  einem  von  Tauben 
gezogenen  Wagen;  die  Liebesgotter  tanzen  die  Moresca  mit  brennenden 
Fackeln,  aus  entziindetem  Tor  kommen  andere  Amoretten  und  wieder 
beginnt  die  Moresca  usw.  Zahlreiche  Berichte  besitzen  wir  dann  aus 
Mantua;  so  einen  bereits  aus  dem  Jahre  I4861);  1499  ist  es  ein  Fackel- 
tanz,  1500  sind  es  ein  Drachenkampf,  kriegerische  und  Narrentanze, 
welche  als  Gegenstand  der  Moresca  erscheinen,  sowie  auch  eine  Musik, 
welche  so  miserabel  war,  daB  der  Chronist  nichts  von  ihr  erzahlen  wollte. 
1542  berichtet  nun  von  Mantua  der  Dichter  und  Diplomat  Capilupi 
an  Don  Ferrante  G-onzaga,  Orlando's  nachmaligen  Gonner,  iiber  die 
Auffiihrung  einer  Moresca  in  Ausdriicken  hochsten  Entziickens2);  die 
Zeichnungen  zu  den  Kostiimen  hatte  kein  Geringerer  als  Giulio  Romano 
gemacht  Unter  den  Klangen  von  Singstimmen,  Harfe,  Violine,  Flote 
und  Lauten  wird  hier  von  Pan  und  Hirten  die  Moresca  getanzt,  so  daB 
Capilupi  bekennt  >di  non  haver  veduto  n&  udito  cosa  simili  a  quella 
che  mi  dilettasse«.  Auch  eine  junge  Schauspielerin  sehen  wir  1562  in 
der  Moresca  in  Mantua  beschaftigt8). 

Und  wie  in  Rom,  Urbino  und  Mantua  erscheint  die  Moresca  in  der 
einen  oder  anderen  Gestalt  da  und  dort.  Sie  ist  beispielsweise  verwertet 
in  Ariost's  »Cassaria«4)  (1508);  Pietro  Aretino  erwahnt  ihrer  in  seinem 
ersten  Diolog  1535/36;  in  Ferrara  legt  man  sie  im  >Miles  gloriosus<  des 
Plautus  und  anderen  neuausgegrabenen  Stiicken  ein.  Jaches  "Wert 
komponiert  im  Auftrag  des  Dichters  Manfred i  1591  Moreschen  zu 
dessen  »Semiramide«,  welche  zu  Mantua  aufgefiihrt  wird5).  Aus  dem  Inter- 
medium aber  gelangt  die  Moresca  naturgemaB  in  die  junge  Oper,  die 
geistliche  wie  die  weltliche.  In  Emilio  del  Cavaliere's  »Rappre- 
sentatione  di  anima  e  di  corpo«  erscheint  sie  als  Intermedium6),  Monte- 
verdi's »Orfeo«  (1609)  klingt  in  einer  Moresca  aus7). 

Lasso's  Moreschen  bilden  sieben,  teils  als  Moreschen  bezeichnete, 
teils  unzweifelhaft  kenntliche  Stiicke: 


1  DAncona  II,  351?  377,  384/85. 

2  A.  a.  0.  n,  438. 

3  A.  a.  0.  H,  448. 

4}  A.  a.  0.  II,  136;  Gaspari  II,  416. 

5;  A.  a.  0.  H,  425. 

6   Vgl.  E.  Vogel,  Bibliothek  der  gedr.  weltl.  Vokalmusik  Italiens  I.  152. 

7;  Neugedruckt  bei  Kiesewetter,  Schicksale  und  Beschaffenheit  des  weltl.  Ge- 
sanges  a.  a.  0.  S.  104  und  in  den  Publikationen  der  Gesellschaft  fixr  Musikforschung 
Bd.  X,  228. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus1  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  415 

'  (1560)  0  Lucia  miau,  miau,  dreistimmig, 

(1581)  No.  7  Hai  Lucia,  bona  cosa,  vierstimmig, 

>  13  Lucia  celu  > 

>  16  Allala,  la  pia  calia  > 

>  18  Cathalina,  apra  finestra  sechsstimmig 

>  19  Chilichilichi  » 

>  20  (Canta,  Giorgiai)  » 

Massino  Trojano2)  berichtet,  daB  bei  den  Nachfesten  der  Hochzeit 
Wilhelms,  am  6.  Marz  1568,  die  Herrschaften  durch  Vorfiihrung  der 
sechsstimmigen  Moreschen  von  Lasso  unterhalten  wurden;  und  zwar 
wurden  die  Stiicke  von  sechs  auserlesenen,  klangvollen  Stimmen  (scelti  e 
sonori  voci)  gesungen  und  von  sechs  namentlich  aufgefuhrten  aus- 
gezeichneten  Instrumentalisten  auf  Querfloten  (fiffari)3)  gespielt. 

Fassen  wir  ausschlieBlich  diesen  Bericht  ins  Auge,  so  werden  wir 
glauben,  es  mit  einfachen  Tanzliedern  zu  tun  zu  haben,  welche  in  zeit- 
gemaBer  Weise  zugleich  vokal  und  instrumental  zur  Auffiihrung  gelangten. 
Allein  hiermit  ist  die  Bedeutung  der  Stiicke  nicht  vollig  erschlossen. 

Am  Strand  vor  den  Kastellen  zu  Neapel  trieben  die  Komodianten 
der  Strasse  ihr  Wesen,  die  bagattettisti,  giocolari,  ciarlatani  und  fiihrten 
ihre  Komodien  auf.  Die  Trommel  (tamburo)  voraus,  zogen  sie  auf,  arm- 
lich  verkleidet,  mit  Kohle  schrieben  sie  an,  was  ihr  Schauplatz  bedeuten 
solle4).     Noch  1588  beschreibt  Giambattista  del  Tufo  ihr  Treiben: 

.  Ed  al  suon  del  pignato  e  del  tagliero 
Cantar  Mastro  Ruggiero, 
E  simili  persone 

Col  tamburello  e  con  lo  calascione, 
Sentendo  in  giro  chi  da  la  e  da  qua: 
Lu-cia  mia  Bernaguala! 
Veder  talvolta  comparir  in  scena 
Con  dolci88ima  vena 

Presto  e  destro,  qual  suol,  Covar  Navettola, 
Coviel,  Qiancola  e  Pascariello  Pettola. 
Cosi  veder  quel  ballo  alia  maltese, 
Ma  in  Napoli  da  noi  detto  Sfessania. 
Donne  mie,  senza  spese 
Vi  guarireste  allor  febbre  o  micrania. 

Dieser  von  Croce  mitgeteilten  Beschreibung  kann  ich  eine  Apostro- 


1)  Bezeichnet  sind  0  Lucia  im  Original  und  die  Texte  von  (siehe  oben)  Nr.  7  und 
18 — 20  in  den  Sammlungen  Vogel  a.  a.  0.  II,  1560 3  u.  ff.,  indenen  sie  wiederkehren. 
Allen  gemeinsam  ist  das  Kauderwelsch,  welches  die  Sprache  der  gente  nigra  imitieren 
soil,    (Ghia  gua,  Schincina  bacu  uswv  —  Partituren  S.  W.  X. 

2)  A.  a.  0.  S.  182. 

3)  Praetorius,  M.,  Syntagma  mus.  Tom.  II,  40. 

4)  Croce  a.  a.  0.  S.  53. 


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416  Adolf  Sandberger,  Roland  Lasaus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literaiur. 

phierung  der  Bagetellistenfiguren  von  Felippo  Sgruttendio  de  Scafato 
beifiigen  (Tiorba  a  taccone,  corda  nona)1, 

O  Lucia,  a  Lucia 

Lucia,  Lucia  mia, 

Stiennete,  accost  ate,  nzeccate  cca; 

Vide  sto  core  ca  vide,  e  ca  sguazza; 

Adzo  8so  pede,  ca  zompo  canazza; 

Cuchuruccu, 

Zompo  mo  su  uew. 

Die  Kavaliere  von  Neapel  aber  gingen  abends  hinaus  (» quasi  tutti,  o 
la  maggior  parte*)  und  ergotzten  sich  an  dem  Possenspiel. 

Die  Texte  von  Lasso's  Moreschen  haben  nun  nicht  nur  die  inund- 
artlicb,  nicht  nur  durchweg  eine  szenisch-lebendige  Fassung,  sie  sind 
sogar  alle  bis  auf  einen  ausgesprochene  dramatische  Dialoge  (S.  W.  X, 
HI,  7;  IV,  8;  IV,  13;  IV,  18;  IV,  19;  IV,  20);  drei  der  Tonsatze  sind 
durch  gesprochene  Worte,  dabei  wiederum  komisches  Kauderwelsch,  das 
die  Sprache  der  Schwarzen  persifliert,  unterbrochen.  Dann  aber  be- 
gegnen  wir  in  alien  Stucken  (auBer  der  Anrufung  Allahs,  »Allala,  pia 
calia«)  den  Namen  dieser  napolitanischen  Figuren,  den  Negerinnen  Lucia 
und  Giorgia,  dem  Cuccuruccu2).  In  Nr.  HI,  7  will  Griorgia  der  Lucia 
ein  Standchen  bringen,  wird  aber  mit  Schimpfworten  (cula  mia,  cula 
caccata  usw.)  abgewiesen;  in  Nr.  V,  8  erhalt  Lucia  von  Giorgia  die  Bot- 
schaft,  daB  ihr  die  Herrin  ihre  Freiheit  schenken  und  sie  verheiraten  will; 
alle  Schwarzen  sollen  eingeladen  werden,  Giorgia  will  singen  >Acqua, 
madonna  al  foco«;  Lucia  aber  hort  nicht,  so  sehr  sich  Giorgia  auch 
heiser  schreit;  in  Nr.  IV,  13  bietet  Giorgia  der  Lucia  Kleider  und 
Schiirzen,  Halskragen  und  SchlieBen,  aber  wieder  wird  sie  mit  rauhen 
Ausdriicken  zuriickgewiesen  (Raudige  Hiindin,  stinkender  Thunfisch),  der 
Chorus  aber  bekraftigt 

>Che  della  bernaguola  siamoc. 

In  Nr.  IV,  18  ist  Cathalina  die  Auserwahlte  Giorgias;  letztere  stimmt 
das  Lied  »Andar  a  Valenza*  an,  aber  Cathalina  will  nichts  horen,  auch 
alle  Schmeichelei  verfangt  nicht  (»occhi  tua  come  lanterna*)  und  die 
»cana  musata*  (hasenschartige  Hiindin)  muB  abziehen.  Ungemein  im- 
pertinent ist  die  Anspielung  auf  die  »mala  francisca*3).  Nr.  IV,  19  ist  eine 


1)  Collezione  di  tutti  i  poemi  in  lingua  Napoletana  (Nap.  Porcelli  1789)  I,  248. 
Die  erste  Ausgabe  erschien  1646  'vgl.  Galiani,  Del  dialetto  napoletano,  Tom.  28 
S.  161). 

2:  Uber  dieselben  vgl.  auch  Scherillo,  La  comedia  dell1  arte  in  Italia.  Torino 
1884,  S.  3.  Im  Mittelalter  sind  unter  den  Schwarzen  die  Araber,  schlankweg  die 
Mohammedaner  verstanden ;  zu  Lasso's  Zeit  sind  die  >gente  negrac  wirkliche  »Schwarze<. 

3,  Vgl.  Lasso's  Briefe  in  meinen  Beitragen  II,  265  und  a.  a.  0. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  417 

Szene  zwischen  Lucia  und  Cuccuruccu2),  von  recht  unreinlicher  Anlage; 
schlieBlich  stimmt  Lucia  das  Lied  an 

>La  mogliere  del  peooraro«. 
In  Nr.  IV,  20  soil  Giorgia  den  WeiBen  (gente  ianca)  singen  und  be- 
quemt  sich   auch  dazu;   wieder  schwarmt  sie  Lucia  von  Befreiung  und 
Hochzeit  vor  und  schlieBt  mit  der  Vision: 

Messer  dorma 

Farino  sotto  lieto, 

Madonna  gamb'  in  collo, 

Messere  grida, 

Madonna  fuia 

Farui  sona  zampogna 

Armare  Re  co,  gua,  gua. 

DerZusammenhangunserer  Stiicke  mit  diesernapoletanerBagatellisten- 
komodie,  ihr  Ursprung  wie  ihre  Bedeutung  ist  damit  evident.  Des 
Weiteren  beweiskraftig  sind  auch  stilistische  Details,  die  vokale  Nach- 
ahmung  der  Instrumente,  mit  denen  Giorgia  auftritt,  der  Laute,  des 
Tambourins  und  des  phantastischen  Geklimpers  der  Schwarzen  (tanbilili  usw. ). 
Wir  haben  also  in  unseren  Moreschen  musikalische  Episoden  der 
Bagatellistenkomodie  zu  erblicken.  Wurden  unsere  Stiicke  deshalb  aber 
auch  wahrend  der  Aufftihrungen  der  Bagatellisten,  am  Strande  bei 
den  Kastellen  vorgetragen?  Waren  sie  gegeniiber  der  Armlichkeit  der 
Bagatellistentruppen  nicht  schon  zu  anspruchsvoll  allein  in  bezug  auf  die 
Besetzung  der  Stimmen?  Zur  Beantwortung  dieser  Frage  miissen  wir 
nochmals  etwas  ausholen. 

Wie  oben  erwahnt,  finden  sich  die  Texte  von  >Hai  Lucia*,  >Ca- 
thalina  apra  finestra*,  »Chilichilichi«  und  >Canta  Giorgia «  bereits  in 
Sammlungen  gedruckt  vor,  welche  seit  dem  Jahre  1560  in  Venedig  er- 
schienen.  Es  sind  dies  vier  Biicher  »Villotte  alia  Napolitana«;  aus  dem 
Jahre  1560  kennen  wir  heute  nur  mehr  das  erste  und  dritte  Buch,  doch 
wird  das  dritte  wohl  nicht  vor  dem  zweiten  erschienen  sein,  sondern  ist 
uns  letzteres  eben  nicht  mehr  erhalten.  Das  vierte  Buch  ist  erst  1565 
bekannt,  die  Ausgabe  dieses  Jahres  tragt  bereits  den  Vermerk  des  Neu- 
drucks.  Da  sich  unsere  Texte  auf  Buch  2 — 4  verteilen,  werden  wir  also 
ihre  Drucklegung  zwischen  1560  und  spatestens  1564  anzusehen  haben. 
Es  liegen  mir  nun  die  Partituren  der  zugehorigen  (dreistimmigen)  Ton- 
satze  vor;  der  Vergleich  mit  Lasso's  Kompositionen  ergibt,  dafi  sie 
Orlando  durchweg  als  Vorlage,  als  Ausgangspunkt  gedient 
haben.  Die  Nachbildung  im  Bau,  im  Wechsel  der  Abschnitte  ent^ 
sprechend  der  Dichtung,  im  Zug  der  Modulation  ist  eine  vollstandige, 

2)  Der  Anfang  ist  urdrollig,  der  Sopran  ruft  solo  >Chi  chi-li-chi?<  der  tiefe  BaC 
antwortet  solo  »Cucurucu!«  Charakteristisch  fur  den  jungen  Lasso  ist  auch  die  feier- 
liche  Wendung  bei  >che  papa  la  segnac. 

s.  d.  I.  M.    v.  27 


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418  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

vielfach  sind  auch  dieselben  Motive  and  Melodien  benutzt.  Lasso  aber 
bat  die  dreistimmigen  Satze  durch  vier-  und  sechsstimmige  ersetzt,  seine 
Stiicke  in  kunstmaBigere  Sphare  geriickt;  dasselbe  tat  er  gegeniiber 
Fontana's  und  Nola's  VillaneDen.  Waren  nur  die  fraglichen  Villotten 
aueb  etwa  erst  um  jene  Zeit,  in  der  sie  im  Druck  erschienen,  komponiert, 
so  ware  ihr  Yerbaltnis  zu  Lasso  geeignet,  uns  neue  Ratsel  aufzugeben. 
Allein  wir  finden  unter  ihnen  auch  den  Text  von  S.  W.  X,  Nr.  m, 
6  »Sto  core  mio«,  und  der  Vergleich  der  Partituren  erweist  wieder,  daB 
Lasso  den  Oantus  dieser  Villotte  in  seinem  Tenor,  und  ihren  Tenor  in 
seinem  Cantus  beniitzt  hat.  Lasso's  Stiick  erschien  aber  flinf  Jahre 
friiher  als  die  Villotte,  1555. 

Hieraus  ergibt  sich,  daB  die  von  Lasso  aufgegriffenen  Villotten  in 
der  Praxis  und  handschriftlich  lange  vor  ihrer  Drucklegung  bekannt 
waren;  die  Moresehen  aber  miissen,  da  ihr  Text  mit  dem  von  Lasso's 
Moreschen  identisch  ist,  gleichfalls  in  bezug  auf  die  Napolitaner  Poli- 
zinellkomodie  und  vor  Lasso's  zugehorigen  Stiicken  geschrieben  sein. 
Wie  bei  Font  ana  stand  bei  ihnen  selbst  das  Volkslied  Gevatter.  Letztere 
Annahme  wird  durch  den  Umstand  bestarkt,  daB  wir  Chichilichi  im 
17.  Jahrhundert  als  Laudenmelodie  wieder  begegnen1);  die  Lauden  aber 
entlehnten  bekanntlich  zu  ihren  geistlichen  Texten  weltliche,  allgemein 
bekannte  Melodien.  Demnach  haben  wir  in  den  dreistimmigen  Vil- 
lotten einschlieBlich  dem  von  Lasso  herriihrenden  >  Lucia,  miau,  miau< 
entweder  die  wahrend  der  Komodie  selbst  vorgetragenen  Stiicke,  oder 
die  villanellenmaBige  Bearbeitung  von  einstimmigen,  in  der  Komodie  mit 
oder  ohne  (Lauten-)  Begleitung  gesungenen  Volksweisen  zu  erkennen. 
In  Lasso's  vier-  und  mehrstimmigen  Moreschen  aber  eine  Nobili- 
sierung  dieser  Gresange  f iir  Auf fiihrungen  in  den  Palasten  der  Vornehmen, 
fiir  die  Feste  des.  Marchese  della  Terza  usw.,  bei  welchen  sich  die 
Kavaliere  freuten,  den  von  der  Auffiihrung  der  Bagatellisten  her  wohl- 
bekannten  Weisen  ia  kunstvollerem  Gewande  wieder  zu  begegnen.  Lasso 
schuf  in  seinen  Moreschen,  angeregt  durch  die  Komodie  Neapels,  eine 
neue  Gattung  von  Villanellen  und  andere  Meister  folgten  ihm  nach2). 
Es  sind  musikalische  Szenen;  die  urspriingliche  Moresca,  die  Tanzweise, 
aber  ist  in  denselben,  wie  wir  noch  genauer  sehen  werden,  aufgesogen 
und  eingefiigt. 

Es  ist  nicht  das  erste  Mai,  daB  wir  Beziehungen  Lasso's  zur  dramatischen 
Kunst  der  Italiener  mit  diesen  Moreschen  begegnen.  Schon  friiher  konnte 
ich  an  der  Hand  von  T*rojano's  Bericht  und   des  von  Lasso  kompo- 

1)  Vgl.  z.  B.  Coferati,  Mat.,  Corona  di  sacre  canzoni  o  Lande  spirituali  di  di- 
versi  aut.   Firenze  1689.   Ebenda  erscheinen  ah  Melodien  die  T'anze  Follia,  Menuet  usw. 

2)  Auch  Azzaiola  (1657),  Mass.  Trojano  (1567),  Pinello  (1571),  Primavera 
(1574),  Romano  (1579),  Moro  (1581),  Bianchi  (1588),  Metallo  (1692),  Biffi  (1606, 
Fasolo  (1628)  haben  Lucia  und  Cucuruccu  besungen. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  419 

nierten  Dialogs  zwischen  Zanni  und  Pan  talon1)  unseren  Meister  als  Kom- 
ponist  einer  Commedia  dell'  Arte-Episode  und  somit  schon  damals 
als  bei  der  Vorgeschichte  der  Oper  beteiligt  nachweisen2).  Das  Stuck, 
um  das  es  sich  handelt  (S.  W.  X,  Nr.  IV,  22),  ist  auch  musikalisch 
eine  kostliche  Nummer,  trefflich  deklamiert,  charakteristisch  in  Ausnutzung 
der  Tonlagen,  fein  in  den  Klangfarben,  mit  ungewohnlichen  Akkord- 
bildungen;  Pantalon  und  Zanni  sprechen  darin  venetianisch  bzw.  berga- 
maskisch.  Zur  Komodie  dell'  Arte  gehort  auch  S.  W.  X,  Nr.  IV,  6, 
das  vierstimmige  >Parch'  hai  lasciato*'.  Hier  erscheint  Don  Diego, 
die  der  Komodie  angehorige  Figur  des  stets  geprellten  Spaniers.  In 
Miinchen  hieB  er  1568  Don  Diego  de  Mendoza  und  wurde  als  dritte 
Rolle  von  Massimo  Trojano  gespielt3).  Unser  Stiickchen  paBt  nun 
nach  der  Anzahl  der  Stimmen,  dem  homophon  akkordlichen  Cha- 
rakter  der  Musik  und  nach  dem  Text'  in  die  Situation,  wie  sie  der 
zweite  Akt  der  Miinchener  Komodie  ergab.  Camilla  nimmt  von  Don  Diego 
mit  schmeichlerischen  "Worten  eine  goldene  Kette  entgegen  und  verspricht, 
die  nachste  Nacht  in  seinen  Armen  zu  ruhen,  worauf  der  Spanier  zu- 
frieden  abgeht.  Am  Schlusse  des  Akts  aber  ertont  >vna  musica  di  quattro 
voci  con  dui  liuti,  un  stromento  da  penna,  un  fiffaro  ed  un  basso  di  Viola 
da  gamba*4).  Auch  auf  diese  Instrumentalbesetzung  paBt  das  Liedchen 
seiner  Struktur  nach  sehr  wqhl;  eine  Laute  ist  als  Melodie-,  die  andere 
als  Akkordinstrument  verwendet  zu  denken.  Der  Text  aber  spricht  von 
Don  Diego,  und  enthalt  einen  Dialog  zwischen  einem  Geprellten  und  einer 
Frauensperson,  »che  st&  inchiusa*  und  sich  schamen  sollte  >tutto  lo  giorno 
farsi  Jacoviella*;  in  seiner  vierten  Strophe  bringt  er  die  Sentenz: 

> Donna  che  face  quello  che  non  suole 
0  t'ha  gabbato,  o  gabbare  ti  vuole.« 

Soviel  zur  Bagatellistenkomodie  Neapels  und  zur  Commedia  dell'  arte. 
S.  W.  X,  Nr.  IV,  17  >Mi  mi  chiamere  mistre  righe«  ist  der  mit  ver- 
schiedenen  Eindeutigkeiten  durchsetzte  Monolog  eines  reichen  Getreide- 
handlers  und  Backers.  Der  Text  huldigt  Wein,  Weib  und  Gesang, 
welchen  der  mistre  righe  nach  Weise  und  Ausdruck  des  Magnifico  zu- 


1)  S.  W.  X,  IV,  22. 

2)  Historische  Anmerkungen  verfaOt  fiir  das  Programmbucb  des  Festkonzerts  zu 
Eliren  Orl.  di  Lasso's.  Miinchen  1894.  Die  Nachahmung,  welche  Lasso's  Schiiler 
Eccard  1689  von  Orlando's  Zanniszene  gab,  liegt  heute  in  den  Publikationen  der 
Gesellschaft  fiir  Musikforschung,  Bd.  XXI,  1897,  im  Neudruck  vor,  doch  ist  ihre  Zu- 
gehorigkeit  zur  commedia  dell'  arte  dort  noch  ebenso,  wie  friiher  von  Winterfeld, 
verkannt. 

3)  Trojano  a.  a.  0.  S.  184. 

4)  Ebenda  S.  187;  in  den  Dialoghi  Bl.  160  sagt  Trojano  Viola  d'arco  und  statt 
des  stromento  da  penna  das  gebrauchlichere  clavicembalo, 

27* 


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420  Adolf  Sandberger,  Eoland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

getan  ist;  er  ist  im  paduanischen  Dialekt  geschrieben1),  die  Nummer  also 
im  engeren  Sinne  eine  P  ado  van  a  (s.  oben),  wie  deren  Azzaiolo  seit  1557 
(mit  Villanellen  alia  Napolitana  usw.)  in  drei  Biichern  publizierte. 

Auch  das  bereits  bekannte2)  Landsknechtstundchen  (S.  W.  X,  IV,  12) 
mit  8einem  reizenden  Lauteninterludium  Don  don  don,  Diri  diri  don  diirfte 
szenischen  Zwecken  gedient  haben.  Es  ist  sowobl  fiir  die  Stegreif-  als 
die  literarische  Komodie  geeignet3),  ebenso  fiir  einen  Karnevalsaufzug  mit 
Landsknechtsgruppe.  Das  kostliche  Stlick  erweist  sicb  durch  Vergleich 
mit  so  bezeichneten  Stiicken  als  eine  Todescha,  eine  Nachahmung  des 
durch  die  Mischung  deutscher  und  italienischer  Brocken  entstehenden 
linguaggtO)  wie  er  wohl  besonders  haufig  yon  deutschen  Soldnern  in  Italien 
gehort  wurde.  DaB  auch  der  Todescho  in  der  Commedia  dell1  arte  zu- 
weilen  erscheint,    beweist  eine  Handschrift  der  Miinchener  Bibliothek4!. 

Die  altitalienischen  Karnevalszuge  verwerteten  bekanntlich  reichlich 
Musik  und  der  Musikhistoriker  wird  gut  tun,  auch  ihnen  sein  Augen- 
merk  zuzuwenden6).     Sie  sind  urspriinglich  florentinischer  Abstammung6 . 

1)  Die  Wendung  >mi  me  piase  magnar  .  .  .«  scheint  eine  stereotype;  cf.  Lova- 
rini,  Canzoni  populari  in  ruzzante  (Propugnatore  1888  Bd.  2  S.  368  Anm.  1)  >mi  me 
piase  magnar  pan*.  —  Der  erwahnte  Wein  Trebiano  wird  in  den  Gegenden  von  Reggio. 
Modena,  Parma  gebaut.    (Freundliche  Mitteilung  von  Herrn  Dr.  Torchi  in  Bologna . 

2)  Ambros,  Gesch.  d.  Musik,  Leipzig  1893  ;3.  Aufl.)  HI,  367.  Sandberger. 
Beitrage  I,  118.  Schade,  dafi  der  Originaltext  schon  in  seinen  drei  ersten  Worten 
nnmoglich  ist.  Madonna  pflegten  sich  die  Courtisanen  anreden  zu  lassen.  Ygl.  z.  B. 
Ipp.  Salvianis  Komodie  Ruffiana;  Gaspari  II,  509. 

3)  So  wiirde  es  z.  B.  trefflich  in  A.  Giancarli's  Zingara  (1545)  passen.  In  der- 
selben  wird  verschiedentlicb  gesungen  und  neben  der  Ruffiana  fehlt  auch  der  Berga- 
masker  nicht. 

4)  Cod.  it.  347.  Vgl.  Archivio  stor.  it.  XTV,  269.  — Auch  Azzaiolo  bringt  eine 
Todescha  im  ersten  Band  seiner  Padovanen,  eine  andere  findet  sich  in  der  Yillotten- 
sammlung  Vogel  1666 7  (>Trinc  e  got  Malvasie«),  eine  dritte,  wichtig  fur  den  Geschmack 
Albrechts  V.  an  diesen  Sachen,  in  Bottegari's  obenerwahntem  Lautenbuch  ;Yal- 
drighi's  Ausgabe  S.  63  >Mi  stare  pone  totesche*)  usw.    Bei  Azzaiolo  heifit  der  Text 

Patrone,  belle  patrone 

scolt'  un  poco  bel  companon 

delle  dancere 

de  le  Bpringhere  del  canzon, 

che  far  in  terre  todesche  per  amor, 

Springhere,  dancere,  spilere, 

prindese,  minere,  basere,  corere, 

tutte  le  companon 

on  on. 

5)  Mit  Recht  raumt  ihnen  G.  Giannini  in  seinem  trefflichen  Aufsatz  »Origini 
del  dramma  musicale«  ihren  gebuhrenden  Platz  in  der  Yorgeschichte  der  Oper  ein 
(Propugnatore  1893,  I,  231  ff.). 

6)  Ygl.  z.  B.  Lasca,  Canti  Carnascialeschi,  in  dessen  Rime  burlesche,  herausgre- 
geben  von  C.  Verzone,  Florenz  1882,  207 ff.;  Batt.  del  Ottonaio's  (detto  Araldo 
mascherate  carnevialesche  usw.  Gaspari  II,  248. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  421 

Maskenzuge,  welche  gewisse  Klassen  und  Stande  darstellten,  durchzogen 
die  StraBen,  indem  sie  in  Gesangen,  den  canti  earnascialescki^  dem 
Publikum  kiindeten,  wer  sie  seien  und  was  sie  wollten.  (»Zingari  siamo«, 
>lavandaje  siamo«,  >Ninfe  siamo«.)  In  den  Musikdrucken  erscheinen 
diese  Gesange  zumeist  unter  dem  Namen  Mascherate.  Schon  Heinrich 
Ysaak  hatte  deren  fur  Lorenzo  Magnifico  komponiert,  andere  Nola 
(1541),  Willaert  (1545),  Trojano  (1567),  Azzaiolo  (1569),  Oandido 
(1571,  ein  ganzes  Heft),  Riccio  (1577),  Gastoldi  (1591),  Ghizzolo 
(1609).  Wir  werden  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  S.  W.  X,  Up.  IV,  2 
»Ecco  la  nimf  ebraica*  (auch  von  Nola  komponiert)  und  Nr.  IV,  9  >0 
bella  fusa<  als  Karnevalslieder  bezeichnen;  vielleicht  wurden  auch 
A  la  la  und  Canta  Giorgia  gleichfaUs  zu  solchen  Zwecken  berangezogen. 

Ferrante  Gonzaga  mag  es  gewesen  sein,  der  Orlando  bereits  auf 
die  Moresca  als  Gattung  hinwies;  bei  aller  Hauptneigung  des  kaiser- 
lichen  Generals  auf  kriegerische  Dinge  durfte  ja  Capilupi  (s.  o.)  nicht 
ohne  Grand  so  ausfiihrlich  iiber  diese  Allotria  berichtet  haben,  so  daB 
die  Kunstliebe  Gonzaga' s  uns  heute  in  anderem  Lichte  erscheinen  muB. 

Wenn  nun  auch  Orlando's  Tone  bei  all  diesen  Gebilden  nicht  zu 
mythologisch-allegorischen  Darstellungen  erklangen,  wenn  sie  nicht  Venus 
und  Jason  verherrlichten,  sondern  Lucia  und  Cuccuruccu,  Zanni  und  Pan- 
talon,  den  Magnifico  und  Don  Diego,  sie  waren  mindestens  ebenso  wirk- 
sam  in  ihrer  Interpretierung  grotesken  Unsinns  und  lassen  Orlando's 
Verdienst  in  nicht  geringerem  Lichte  erscheinen.  Der  Meister  ist  nicht 
nur  gemeinsam  mit  Palestrina  der  AbschluB  einer  groBartigen  Ent- 
wicklung,  er  ist  auch  in  seiner  realistischen  Vertiefung  des  musikalischen 
Ausdrucks  und  seiner  Stellung  zur  Vorgeschichte  der  Oper  eine  starke 
Wurzel  der  neuen  Zeit;  unvergleichlich  mehr  als  von  Palestrina  gehen 
von  ihm  Faden  aus,  die  zur  »musica  nuova»  hiniiberleiten.  Das  macht 
ihn,  im  Zusammenhalt  mit  seiner  groBeren  Vielseitigkeit,  fiir  uns  moderne 
Menschen  interessanter,  anziehender  als  den  grofien  Pranestiner. 

Nachdem  wir  Lasso's  Moreschen  und  einzelne  der  Villanellen  als 
unzweifelhaft  neapolitanischer  Abkunft  erkannt  haben,  liegt  es  nahe, 
unter  den  zahlreichen,  damals  am  Posilipp  ansassigen  Poeten  Umschau 
zu  halten,  ob  sich  vielleicht  gerade  fiir  diese  Gebilde  der  oder  die  Dichter 
ermittekj  lieBen.  Leider  zeigen  sich  die  hiezu  angestellten  Untersuchungen 
unergiebig;  weder  Serafino  dall'  Aquila  noch  sein  Schiiler  A.  Eicco, 
weder  Carracciolo  noch  Angelo  di  Constanzo  und  Cariteo  scheinen 
in  Frage  zu  kommen,  ebenso  wenig  enthalt  die  umfangreiche  Sammlung 
Rime  di  diversi  illustr.  sign.  Napolitani,  Ven.  Giolito  1552  (k.  k.  Hofbibl. 
Wien)  einen  von  Orlando  komponierten  Text,  ist  aber  als  weiteres 
Dokument  aus  der  literarischen  Umgebung  Lasso's  zu  Neapel  eine  wert- 
volle    Quelle.     Am    meisten    ahneln   einzelne    der   kleineren   erotischen 


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422  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zor  italienisohen  Literatnr. 

Vfllanellen  ihren  Vorgangern  in  der  Beliebtheit  der  Gebildeten,  den 
Strambottis  und  Dialogen  Serafino  dall'  Aquila's,  des  >pid  grande 
strambottojo* ,  wie  ihn  d'Ancona  nennt1);  Serafino1)  verfeinerte  be- 
kanntlich  den  Strambotto  zum  zierlichen  hofischen  Madrigal  Andere 
Nummern  gleichen  dem  Stil,  wenn  auch  nicht  dem  VersmaB  nach,  den 
lustigen  Sonetten  des  Toskaners  Pistoia. 

Zwei  Dichter  haben  wir  aber  doch  noch  in  Neapel  namhaft  zu  machen, 
die  mit  Orlando  mehrere  Jahre  gleichzeitig  dort  wohnten.  Der  eine  ist 
Luigi  Tansillo3,,  der  Dichter  der  >  Lagrime  di  S.  Pietro«,  welche  Or- 
lando bekanntlich  im  Alter  komponierte.  Yerfolgen  -wir  den  Lebensweg 
Tansillo's,  so  fallt  eine  gewisse  Ahnlichkeit  mit  Lasso's  Entwicklung 
in  die  Augen.  Auch  Tansillo  genieBt  eine  Jugend  voll  Lebensfreude 
und  sonniger  Renaissance  und  endet  in  Melancholie  und  als  Kunstler  in 
der  Empfindungssphare  der  Gegenreformation.  Beide,  Tansillo  und 
Lasso,  haben  wohl  in  ihrer  Jugend  nicht  gedacht,  der  Eine,  dafi  er 
einmal  die  >Lagrime  di  San  Pietro*  schreiben,  der  Andere,  daB  er  sie 
komponieren  werde.  Doch  soil  dieser  Vergleich  nicht  weiter  durchgeftihrt 
werden,  da  Orlando  der  unvergleichlich  genialere,  tiefere  und  fleiBigere 
Kunstler  ist,  an  dessen  psychischer  Umwandlung  wir  nicht  zweifeln 
durfen,  indes  Tansillo's  Biograph  nach  Renier  zur  Entstehung  der 
Lagrime  bemerkt:  >teut6  propiziarsi  le  anime  timorate  e  assopire  quel 
cerbero  trifauce  che  era  la  Congregazione  dell'  Indice.*  Fur  ihn  war 
wohl  spater  der  auBere  AnlaB  zur  Komposition,  wenn  nicht,  wie  so  oft4), 
der  bestunmte  Auftrag  Wilhelms  V.,  so  das  Erscheinen  der  Lagrime  im 
Druck,  welches  lange  nach  des  Dichters  Tod  (1568)  erfolgte;  von  Tan- 
sillo's erotischen  Dichtungen  aber  hat  er  doch  schon  vorher  ein  halbes 
Sonett  komponiert,  namlich  >Scorgo  tant'  alto  il  lume«,  die  beiden  Ter- 
zette  von  Sonetto  XXVII  >D'un  si  bel  foco*  5). 

Der  zweite  ist  Antonio  Minturno,  seit  1559  Bischof  von  Ugento, 


1)  La  poesia  popol.  S.  134.    Gas  pari  II,  333. 

2)  Die  Munchener  Hof-  und  Staatabibliothek  besitzt  einen  Werken  Dall1  A  qui  la's 
beigebundenen  Druck:  Operetta  piacevole  e  delectevole  da  intendere  aus  dem  An  fang 
des  16.  Jahrhunderts  (s.  1.  e.  a.),  der  in  seiner  » Canzone  de  la  cascia*  und  >Lassa  far 
a  me<  wiederum  ahnelnde  Gebilde  aufweist. 

3]  Grescimbeni  II,  436 ff.  Oroce  a.  a.  0.  38 ff.  Torraca,  Studi  di  Storia 
Lett.  Napol.  Livorno  1884,  S.  207  ff.  Gaspari  II,  489.  Die  neueste  und'heute  aus- 
schlaggebende  Arbeit  iiber  Tansillo  »Sulle  poesie  di  genere  varioc  von  Francesco 
Flamini  (Pisa  1888)  kenne  ich  leider  nur  aus  dem  Bericht  Renier's  im  Giorn.  stor. 
1888,  S.  450  ff. 

4)  Ygl.  Trojano,  Discorsi  S.  75.  Die  Angabe  wird  durch  Orlando's  Brief- 
wechsel  mit  dem  Herzog  bestatigt. 

5)  Poesie  di  Luigi  Tansillo.  Londra  1782  S.  27.  (Die  Ausgabe  enthalt  auch 
ein  Portrat  des  Dichters.)  S.  "W.  IV,  67.  Tansillo's  due  Pellegrini  waren  mir  leider 
nicht  zuganglich. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatnr.  423 

vorher  in  Neapel  ansassig 1).  Minturno  veroffentlichte  1563  zu  Venedig 
ein  Buch,  das  Aufsehen  bei  jedermann  erregen  muBte,  der  sich  mit 
italienischer  Literatnr  befaBte:  die  >Arte  poetica«,  enthaltend  u.  a.  eine 
>dottrina  de'  Sonetti,  canzoni  e  ogni  sorte  di  Rime  Toscane*.  Wohl  im 
Anschlufi  an  dies  Werk  forderte  Massimo  Trojano  seine  Kollegen  in 
der  bayerischen  Hofkapelle  auf,  Beitrage  zu  einer  Sammlung  von  Kom- 
poaitionen  iiber  ausschlieBlich  Minturno'sche  Texte  zu  lief  era,  und  es 
gelang  ihm,  sich  audi  Lasso'scher  Stucke  zu  versichern.  So  kam  das 
erste  Buch  der  bekannten  Sammlung  >Mvsica  de  Virtuosi  della  florida 
capella  dell  .  .  .  Dvca  di  Baviera*  (Vinegia  1569)  zustande,  jener  glan- 
zenden  Zeugnisse  des  hohen  kiinstlerischen  Niveaus,  auf  dem  sich  die 
Kapelle  befand.  Vielleicht  spielen  alte  Beziehungen  Orlando's  zu  Min- 
turno aus  der  neapolitaner  Zeit  mit;  jedenfalls  muBte  der  Meister 
in  dieser  Sammlung  mit  der  groBten  Anzahl  von  Tonsatzen  unter  den 
Teilnehmern  vertreten  sein.  Indes  zeigt  auch  hier  Lasso  seinen  feinen 
Geschmack.  Wahrend  alle  anderen  Beitragenden,  auch  Trojano,  in 
der  Tat  ausschlieBlich  Verse  von  Minturno  komponieren,  kann  dies 
Orlando  nicht  iiber  sich  gewinnen.  Von  fiinf  Numjnern  (mit  sieben 
Tonsatzen)  sind  nur  zwei  dem  Plan  des  Herausgebers  entsprechend  auf 
Texte  Minturno's  gesetzt:  >Spent'e  d'amor  la  gloria*,  eine  Canzone 
auf  den  Tod  einer  Dame,  und  das  Lied  eines  miiden  Mannes  >A1  dolce 
suon  dell  marmorar  dell'  onde«2)  beide  fiinf stimmig.  Das  Erscheinen 
des  Werkes  selbst  hatte  Trojano  schon  in  der  Vorrede  der  >Discorsi« 
angekiindigt3). 

Es  sind  also  die  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur,  die  Orlando 
in  Neapel  gewinnen  konnte  und  nachweislich  gewann,  sehr  vielgestaltig. 
Angesichts  der  dlirftigen  literarischen  Denkmale,  welche  una  bislang  aus 
dem  Neapel  des  16.  Jahrhunderts  bekannt  sind,  wird  auch  der  Literar- 
historiker  die  einschlagigen  Texte  mit  Nutzen  kennen  lernen.  Lasso 
muB  die  Stucke  von  Sannazaro  und  d'Azzia  nicht  unbedingt  schon 
an  Ort  und  Stelle  komponiert  haben ;  aber  Fiihlung  mit  dem  dichterischen 
Schaffen  der  beiden  wie  mit  der  Poesie  Tansillo's  hat  er  zweifellos 
gewonnen.     Dann  lernt  er  in  Neapel   ausgiebig  die  Villanelle  kennen,. 


1)  Vgl.  iiber  ihn  OreBcimbeni  II,  425. 

2j  Minturno  ist  ausnahmsweise  im  alten  Musikdnick  als  Dichter  genannt;  in 
den  Rime  des  Mintnrno  (k.  k.  Hofbibl.  in  Wien)  feblen  die  Stucke.  Leider  ist  die 
Tenorstimme  des  ersten  Buches  der  Sammlung  ganzlich  verloren  und  mufite  von  einer 
Aufhahme  der  beiden  Nummern  in  die  S.  W.  vorerst  abgesehen  werden. 

3)  Auch  ein  zweites  Buch  der  Musica  hatte  Trojano  bereits  vorbereitet;  die 
Herausgabe  verhinderte  der  bekannte  Morduberfall,  welcher  den  verbrecherischen 
Kiinstler  zwang,  aus  Bayern  zu  fliichten.  Tafuri,  welcher  in  seiner  Istoria  degli 
scrittori  nati  nel  regno  di  Napoli  (Nap.  1762,  Tom.  HI,  p.  II,  294  ff.)  Trojano's  Leben 
beschreibt,  hat  von  dem  Verbrechen  keine  Kenntnis. 


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424  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

endlich  aber  das  Pastoraldrama,  die  farsa  Cavaiola  und  die  ortslibliche 
Bagatellistenkomddie. 

Fur  lokale  Einwirkung  des  romischen  literarischen  Lebens  auf 
unseren  Meister  besitzen  wir  gleichfalls  einige  Anzeichen.  1555  erschienen 
bei  A.  Barrfc  in  Rom  in  erster  Auflage  die  »Bime  di  diversi  eccellentissimi 
autori  in  vita  e  in  morte  dell'  ill.  SignoraLivia  Colonna*.  Aus  dieser 
Sammlung  komponierte  Lasso  Francesco  Ronconi's  Sonett  »S'io  talhor 
muovo«  und  publizierte  es  in  dem  namlichen  Jahre  in  seinem  Primo 
libro  dei  madrigali  a  5  voci1).  Die  Druckerlaubnis  der  Rime  ist  erst 
vom  22.  Juli  datiert;  dies  weist  auf  eine  personliche  Verbindung  mit 
dem  Dichter  oder  auf  handschriftliche  Mitteilung  des  Sonetts  durch  den 
Lasso  nachweislich  personlich  bekannten  Verleger.  Moglicherweise 
machte  unser  Meister  auch  damals  bereits  die  Bekanntschaft  des  Cano- 
nikus  am  Lateran  und  Dichters  Gabriel  Fiamma,  auf  welchen  wir  unten 
zuruckkommen.  Auf  die  Stadt  Rom  spielt  eine  Stelle  des  Madrigals 
>  Alma  cortese,  in  pit  bel  lembo  involta* *)  an,  eine  andere  in  >L'altr'ier  sul 
mezzo  giorno«s)  spricht  von  den  papstlichen  Schliisseln. 

In  Miinchen  blieb  Lasso  vor  allem  durch  seine  italienischen  Reisen 
mit  der  neu  erscheinenden  italienischen  Literatur  auf  dem  Laufenden; 
aber  auch  durch  die  zahlreichen  Italiener  in  der  Kapelle  mussen  stets  neue 
"Werke  importiert  worden  sein,  geschweige  der  Dichter,  welche  mit  ihren 
auswarts  oder  in  Bayern  entstandenen  Produkten  das  herzogliche  Haus  liber 
schlitteten.  Trojano  schuf  sich  zu  seinen  vier  Biichern  Canzone  alia  napoli- 
tana  (1567 — 69)  die  Rime  selbst4)  und  unterhielt  Beziehungen  mit  zahlreichen 
italienischen  Reimschmieden:  Cesare  Carafa,  Marcio  Marci,  Gios.  Be- 
tussi,  Salomon  Usque,  Marc.  Ant.  Sacchi,  Giul.  Salaroli,  Jac.  Bo- 
netti,  Ag. Rocchetta,  GiuLBallino,  derenProduktenebstzweiSonetten 
Trojano's  in  den  Dialoghi  abgedruckt  sind.  Lasso  scheint  sich  mit  keinem 
der  Genannten  abgegeben  zu  haben,  auch  mit  Betussi  nicht,  dem  Dichter 
des  Dialogo  amoroso5),  welcher  hier  mit  zwei  Sonetten  an  Herzogin 
Renata  und  einem  an  Wilhelm  V.  vertreten  ist.  Dagegen  verdankt 
der  (leider  gleichfalls  unvollstandig  erhaltene)  Gesang  »Ben  convenne 
madonna*  —  nach  Angabe  des  Musikdruckes6)  von  Don  Giovanni  Man- 
rique  —  seine  Entstehung  Orlando's  Beziehungen  zum  kaiserlichen 
Hofe  in  Wien.     Der  Dichter  war  Kammerer  Maximilians  II.,  wie  aus 


1)  S.  W.  n,  58. 

2)  S.  W.  II,  79ff. 

3)  S.  W.  II,  9ff.     »a  pie  di  sette  colli.* 

4)  Vogel  a.  a.  0.  II,  254 ff. 

5)  Venedig  1543,  Pozzo. 

6)  Mvsica  de  Virtuosi  usw.  I,  1569. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  425 

den  Dedikationen  ib™  gewidmeter  Werke  hervorgeht 1).  Im  iibrigen 
sorgten  Lasso's  haufige  Reisen  jenseits  der  Alpen  weiter  dafiir,  daB 
die  Beziehungen  auch  zur  alteren  italienischen  Literatur  nicht  erkalteten. 
Auch  ihnen  erscheint  unser  Meister  als  Gebender  und  Empfangender :  er 
bringt  den  italienischen  Nobiles  neue  Kompositionen  als  Angebinde  mit, 
so  1567  dem  Herzog  Alphons  EL  von  Ferrara  das  vierte,  1585  Mario 
Bevilaqua  in  Verona  das  fiinfte  Buch  flinfstimmiger  Madrigale;  anderer- 
seits  aber  kehrt  der  Kiinstler  mit  neuen  Anregungen  zum  Norden  zuriick. 
Yon  seinen  friihesten  Werken  an  hat  Lasso  Dichtungen  komponiert, 
welche  sich  als  italienische  Lokalpoesien  im  engeren  Begriff  verraten; 
dies  hatte  keinen  Sinn,  wenn  wir  nicht  auch  den  Tonktinstler  gleich  dem 
Dichter  an  Ort  und  Landschaft  Interesse  nehmen  lassen.  In  >Alma 
real,  dignissima  d'impero*')  geschieht  des  Berges  Calpe  in  Andalusien 
Erwahnung;  dies  weist  die  Dichtung  ins  spanische  Milieu,  also  Lasso's 
mailandische  oder  neapolitanische  Zeit3).  >Vatene  lieta  omai,  coppia 
d'amici* 4)  wiinscht  zwei  Freunden  gluckliche  Seefahrt,  ein  Vorwurf ,  der 
auf  eine  der  italienischen  Stadte  oder  Antwerpen  paBt.  Scharfer  tritt 
der  ortliche  Hintergrund  hervor  in  der  Sestina  »Del  freddo  Reno  alia 
sinistra  rivac»).  Ort  der  Handlung  sind  hier  die  Ufer  des  Reno,  des 
kleinen  FluBchens,  das,  aus  den  Apeninnen  kommend,  die  Gebiete  von 
Bologna  und  Ferrara  durcheilt.  >Qual  nemica  fortuna«  6)  gehort  zu  den 
Alphons  II.  gewidmeten  Madrigalen;  in  ihm  diirften  wir  eine  An- 
spielung  auf  Ferrara  und  hinter  dem  »BJb  degli  altri,  superbo  altero 
fiume*  und  >de  l'ltalia  il  maggior  fiume«  den  Po  zu  suchen  haben.  Auf 
Mantua,  wo  sich  Lasso  ja  auch  wiederholt  aufhielt,  deutet  das  reizende 
Stuck  »Chi  non  sa,  come  spira« 7)  mit  seinem  Preis  des  Mincio.  Aller 
Wahrscheinhchkeit  nach  haben  wir  es  speziell  in  den  zwei  letzten  Fallen 
mit  doppelten  Gelegenheitsschopfungen  zu  tun,  indem  Orlando  durch 
seine  Beziehungen  zu  den  Hof  en  von  Ferrara  und  Mantua  sich  veranlafit 
sah,  die  fraglichen  Gelegenheitsgedichte  zu  komponieren.  Hier  soil  dann 
schlieBlich  auch  von  zwei  weiteren  Gelegenheitskompositionen  die  Rede 
sein.  Im  November  1565  verheiratete  die  Statthalterin  der  Niederlande, 
Margaretha  von  Parma,  zu  Briissel  ihren  Sohn  Alessandro  Farnese 


1)  1569  widmete  ihm  Mass.  Trojano,  1672  Qiov.  Pietro  Cottone  musikalische 
Werke.    (VgL  Vogel  a.  a.  0.) 

2)  8.  W.  YHI,  Nr.  I,  17. 

3)  Im  hentigen  Italienisch  bedeutet  Calpe  bildlich  eine  weitab  gelegene  Gegend. 

4)  s.  w.  vm  S.  19  ff. 

5)  s.  w.  vm  S.  1  ff. 

6)  S.  W.  IV,  128  ff. 
7;  S.  W.  VI,  113  ff. 


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426  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassue'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

mit  Maria  von  Portugal1).  Wir  besitzen  nun  von  Orlando  ein 
Hochzeitslied  »Vieni  dole'  Imeneno*  zum  Preis  eines  brautlichen  Paares 
»Alessandr'  e  Maria*1)  und  ein  Liebesliedchen  an  » Maria*,  das  von 
Wiedersehen  nach  langer  Trennung  singt:  »Quando  fia  mai  quel  giorno*8]. 
Beide  Stiicke  erschienen  in  derselben  Sammlung  1570  im  Druck.  Die 
Umstande  legen  es  nahe,  in  ihnen  Huldigungen  Lasso's  an  das  Braut- 
paar  Farnese-Portugal  zu  erblicken.  Denn  zu  Margarethe's  Minister 
Granvella  wie  zu  Margarethe  selbst  hegte  Lasso  bekanntlich  nahere 
Beziehungen ;  die  Gepflogenheiten  der  Zeit  machten  es  ihm  zur  Pflicht, 
sich  unter  den  Gratulanten  (und  als  Kiinstler  nicht  mit  leeren  Handen) 
einzufinden,  und  schlieBlich  stehen  die  Daten  der  Dedikation  und  Druck- 
legung  in  einem  Verhaltnis,  wie  es  sich  in  ahnlichen  Fallen  bei  Lasso 
ofter  findet. 

n. 

"Wir  wenden  uns  nunmehr  zur  zweiten  Seite  unserer  Aufgabe,  der 
Untersuchung  jener  Beziehungen  Lasso's  zur  italienischen  Literatur, 
welche  sich  unserem  Meister  aus  der  allgemeinen  zeitgenossischen  Bil- 
dungssphare  heraus  ergaben. 

Der  Abgott  des  Renaissancemenschen  war  auf  dem  Gebiet  der  Lyrik 
im  16.  Jahrhundert  Petrarca.  Die  Dichter  der  Zeit  verehrten  ihn  als 
hochstes  Muster,  betrachteten  es  als  ihre  schonste  Aufgabe,  seiner  Art 
nachzutun.  Petrarca  lag  in  der  Luft.  Dies  beweisen  auch  die  Paro- 
dien,  die  Berni  auf  ihn  machte,  und  Petro  Aretino's  Spott.  Auch 
wer  der  Dichtung  sonst  ferner  stand,  muBte  den  Canzoniere  eifrig  stu- 
dieren,  wollte  er  nicht  fur  einen  Barbaren  gelten,  wollte  er  nicht  Gefahr 
laufen,  am  Ende  einmal  eines  der  eifrig  angewandten  Zitate  aus  Petrarca 
nicht  zu  verstehen.  Weitschichtige  Kommentare  leisteten  dem  Verstandnis 
der  Studierenden  Vorschub;  wie  stark  aber  muBte  bei  dieser  Sachlage 
der  Dichter  auf  besonders  empfangliche  Gemiiter  wirken,  zumal,  wenn 
sie  auch  ihr  Beruf  mit  der  Lyrik  Fiihlung  suchen  lieB.  Den  Tonkiinstlern 
muBte  Petrarca  aber  noch  besonders  lieb  und  wert  sein,  nicht  nur 
durch  das  latent  Musikalische ,  das  EbenmaB  und  die  melodische  Fiille 
zusammentreffender  Vokale  in  seinen  Poesieen,  sondern  auch  durch  seine 


1)  Vgl.  hierzu  Cast  an,  A.,  Les  Noces  d' Alexandre  Farn^se  et  de  Marie  de  Portu- 
gal. Narration  faite  au  Cardinal  de  Granvelle  usw.  In  Memoires  .  .  .  publiees  par 
Tacademie  royale  de  Belgique.    Bruxelles  1888,  Tome  XLI. 

2)  S.  W.  VJULl.  Nr.  I,  24.  —  Hochzeitsliedern  begegnen  wir  in  der  ital.  Vokal- 
literatur  des  16.  Jahrhunderts  wiederholt.  Auch  diese  Spezialitat  wurde  in  die  Oper 
aufgenommen,  besonders  von  den  Franzosen  gepflegt  und  hat  sich  bis  heute  darin 
erhalten  (vgl.  Chabrier,  Gwendoline).  —  Uber  das  altitalienische  Epithalam  siehe 
Crescimbeni  I,  256. 

3)  S.  W.  VHI,  Nr.  I,  22. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.   427 

Person,  als  der  Mann,  der  sich  wiederholt  als  begeisterter  Freund  der 
Musik  bekannt  hatte,  ja  selbst  ein  fiir  seine  Zeit  vortrefQicher  Lau ten- 
spieler  gewesen  sein  soil. 

Bei  Lasso  steht  denn  auch  Petrarca  im  Mittelpunkt  der  dichte- 
rischen  Interessen.  Immer  wieder  kommt  unser  Meister  auf  ihn  zurtick, 
seine  Verse  begleiten  ihn  von  Anfang  bis  Ende  seiner  Laufbahn.  1555 
veroffentlicht  Orlando  die  ersten,  1590  das  letzte  der  durch  Petrarca 
angeregten  Stiicke.  Selbst  im  funften  Bach  der  fiinf  stimmigen  Madrigale 
und  der  >Sammlung  Mermann*,  in  denen  der  geistliche  Dichter  Gabriel 
Fiamma  (s.  u.)  dominiert,  behauptet  sich  Petrarca  mit  Ehren.  Als 
Zusammenfassung  zweier  literarischer  Bichtungen  ist  das  erwahnte  fiinfte 
Buch,  das  nur  Dichtungen  von  Petrarca  und  Fiamma  zugrunde  legt, 
gerade  besonders  interessant.  Im  ganzen  haben  64  Nummern  von  Lasso's 
italienischen  Kompositionen  petrarchische  Texte;  und  da  viele  dieser 
Nummern  zwei,  manche  bis  zu  sechs  Teilen  aufweisen,  haben  wir  im 
ganzen  94  hierher  gehorige  Tonsatze  zu  verzeichnen.  Mit  welchem  Ge- 
schmack  aber  hat  Orlando  in  des  grofien  Aretiners  Canzoniere  aus- 
gewahlt!  Doch  hier  muB  ich  den  Leser  bitten,  selbst  Petrarca  zur 
Hand  zu  nehmen,  und  Orlando  bei  seiner  Auswahl  zu  folgen.  Kompo- 
niert  sind: 

In  vita  di  Madonna  Laura: 

Sonette:       1  (S.  W.     IV)1)  Voi  ch'  ascoltate, 

22  (  »      »        II)  Solo  e  pensoso, 

52  (  >      >       VI)  Io  son  si  stanco  sotto  '1  fascio  antico, 

55  (  »      »    VJLLL)  Occhi,  piangete, 

82  Terzette  (S.  W.  II)  Or  qui  son,  lasso, 

85  2  Quartette  und  Terzette  (S.  W.  IV)  Amor  mi  strugge  '1  cor, 

86  Quartette  (S.  W  II)  Poi  che  '1  cammin, 


97 

(S. 

W. 

II)  Quando  '1  voler, 

•99 

> 

» 

X)  Che  fai,  alma? 

108 

» 

> 

II)  In  qual  parte  del  Ciel, 

112 

» 

> 

IV)  Amor,  che  vedi  ogni  pensiero  aperto, 

114 

defekt) 

Come  '1  candito   pie, 

117 

S. 

w. 

II)  Pien  d'un  vago  pensier, 

120 

» 

II)  0  invidia,  nemica  di  virtute, 

122 

> 

II)  Fera  stella, 

161 

> 

IV)  Tutto  '1  di  piango, 

169 

> 

X)  S'una  fede  amorosa, 

174 

» 

II)  Cantai;  or  piango, 

183 

> 

IV)  L'alto  signor, 

194 

Viil)  In  dubbio  di  mio  stato  (zweimal  komponiert), 

206 

Terzette  (S.  "W.   Viil)  Vivo  sol  di  speranza. 

1)  Die  Seitenzahlen  ergeben  sich  aus  den  Begistern  der  einzelnen  Bande. 

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428  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

Sestina:     I,  3,  6  (S.  W.  II)  Quando  la  sera;  Con  lei  foss'io, 

IV,  1,  4,  6  (S.  W.  VI;   defekt  X)   Chi   e   fermato;    Come  lume    di 
notte;  S'io  esca  vivo, 

VI,  6  (S.  W.  H)  Guarda  '1  mio  stato, 
VII,  6  (  »      >  Vm)  Deh  or  foss'  io, 

VTH,  (8.  W.  IV)  La  ver  l'aurora, 

Canzone:  III,  2  (S.  W.  IV)  II  tempo  passa, 

VII,  5  (  »      »VIII)  Perchio  veggio, 
Xm,  1  (  »      >      X)  Di  pensier  in  pensier, 

XVI,  1,  5  (S.  W.  H;  Vm)  Ben  mi  credea;  Chi  nol  sa  di  ch'io  vivo. 

In  morte  di  Madonna  Laura: 

Sonette:    4  (8.  W.     IV)  La  vita  fugge, 

IV)  Che  fai?  che  pensi? 
IV)  Come  va  '1  mondo, 
VJLLlj  Soleasi  nel  mio  cor, 
IV)  Quanta  invidia  io  ti  porto, 
II)  Mentre  che  '1  cor, 
IV)  Quel  rossignuol, 
VIH)  0  tempo,  o  ciel  volubil, 

IV)  I'vo  piangendo  i  miei  passati  tempi, 
W.     H)  Mia  benigna  fortuna, 

II)  Crudele,  acerba,  inesorabil  Morte, 
Sestina:  {     4  (  »      >     IV)  Gria  mi  fu  col  desir, 

►  VULL)  Nessun  visse  giamai, 

►  IV)  Se  si  alto  pon  gir, 
Canzone:  I,  7  (S.  "W.  II)  Pon  freno  al  gron  dolor, 

HI,  (S.  W.  II)  Standomi  un  giorno. 
Trionfi:  d'Amore  Cap.  IV,  61—66  (S.  W.  IV)  0  fugace  dolcezza, 
della  Morte  Cap.  I,  85—90  (S.  W.  IV)  Miser  chi  speme, 
dell  Morte  Cap.  II,   1  ff.   (S.  W.  VITL)  La  notte  che  segui, 
deUa  Morte  Cap.  II,  178—183  (S.  W.  VI)  Vedi  l'Aurora, 
della  Fama  Cap.  m,  1  — 6  (S.  W.  VI)  Jo  non  sapea, 
del  Tempo  55—60  (S.  W.  VIII)  Seguii  gia, 
del   Tempo   70 — 78    (zweimal  komponiert,    S.   W.  VI  u.  X)    Or  vi 

riconfortate, 
del  Tempo  109—115  (S.  W.  VI)  Un  dubbio  verno, 
del  Tempo  112  —  115  (S.  W.  X)  Passan  vostri  trionfi, 
della  Divinita  1  ff.  (defekt)  Da  poi  che  sotto  '1  ciel. 

Nur  aus  den  Sonetten  nnd  Canzonen  verschiedenen  Inhalts  ist  keine 
Komposition  Lasso's  nachweisbar ;  im  iibrigen  wird  der  Vergleich  lehren, 
dafi  kaum  eine  der  Dichtungen  f  ehlt,  welche  durch  die  Jahrhunderte  von 
den  Kennern  gepriesen  wurden.  Jeder  der  feinen  Stimmungsniiancen, 
die  Petrarca's  Gebilde  mannigfaltig  machen,  ist  Rechnung  getragen. 
Der  dem  Dichter  eigentiimliche  ruhige  Schmerz,  in  welchem  das  Bittere 
sich  mit  einer  geheimen  SiiBigkeit  mischt,  die  siiUe  Melancholie,  das  trau- 
mende  Schwanken  von  der  Hoffnung  zum  Schmerze,  vom  Schmerze  znr 
Hoffnnng,  diese  Stimmungen  hat  Lasso  nicht  nur  in  ihren  beiden  schon- 


4 

(S.  "W 

5 

(»     » 

22 

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26 

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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus1  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  429 

sten  AuBerungen  »Oantai;  or  piango*  und  »Di  pensier  in  pensier*1), 
sondern  zahlreichen  im  Grundton  ahnlichen,  in  der  Ausfiihrung  verschie- 
denen  Gebilden  musikalisch  verkorpert.  Mit  besonderem  Gltick  aber  wahlt 
Orlando  aus  jenen  Gedichten,  in  denen  sich  Petrarca's  Vorziige  mit 
seinen  Fehlern,  mit  Affektation  und  Rhetorik  verbinden.  Dann  aber  folgt 
er  dem  Dichter  wohl  auch  einmal  in  die  dunstige  Region  seiner  gesuch- 
testen  und  geschraubtesten  Phantasien,  wo  dieser  Augen  und  Herz  streiten 
laBt,  wer  von  beiden  die  grausame  Liebespein  zumeist  verschulde,  wo 
er  versichert,  Laura  zu  lieben,  wenn  sie  ihm  auch  sein  Liebesgliick  be- 
neidet,  wo  er  die  G-eliebte  erst  grausam  nennt,  weil  sie  ihn  zur  Tugend 
fiihrte,  und  dann  bereut  und  ihr  dankt. 

Zur  Psychologie  Lasso's  bieten  seine  Beziehungen  zu  Petrarca 
wichtige  Erkenntnisquellen.  Wie  kontrastiert  der  dem  Meister  offenbar 
innig  sympathische  Ton  der  erotischen  Elegie  mit  den  burlesken  AuBe- 
rungen so  vieler  seiner  Brief e!  Von  Tonkiinstlern  gilt:  sage  mir,  was 
du  komponierst,  und  ich  sage  dir,  wer  du  bist.  In  Orlando's  Auswahl 
nun  schlagt  jene  Stimmung  vor,  in  welcher  der  Dichter  seine  innere  "Welt 
in  Freude  am  Schmerz  beobachtet,  analysiert  und  darstellt:  > Wenn  Pe- 
trarca stirbt,  ist  dies  seine  BuBe  fiir  Lauras  Schuld;  Staub  und  Tod 
beneidet  er,  weil  sie  die  Geliebte  umf angen ;  er  trostet  sich,  weil  man  ihn 
dereinst  um  seine  Liebe  beneiden  wird;  das  Mitleid  um  Laura,  die  Er- 
krankte,  steigert  seine  Glut ;  die  UngewiBheit  des  Wiedersehens  erschreckt 
ihn  so,  daB  er  sich  selbst  nicht  mehr  kennt;  er  gewahrt,  daB  bei  seiner 
Liebe  auch  Eitelkeit  im  Spiele  war«  usw.,  usw.  —  alle  diese  Visionen  hat 
unser  Meister  zu  den  seinen  gemacht.  Auch  das  warme  Naturgefuhl, 
welches  in  der  Brust  Lasso's  lebte,  ihn  Erquickung  im  lieblichen  Amper- 
tal  suchen  lieB,  kommt  bei  Petrarca  zu  seinem  Recht,  wie  in  >Qual 
rosigniuol«  oder  dem  bekanntlich  von  Burger  nachgeahmten  Sonett  >Solo 
e  pensoso2). 

Eine  Berlicksichtigung  der  mehr  religios-ernsten  Gebilde  des  Aretiners 
neben  seiner  spirituell-sinnlichen  Weise  tritt  freilich  erst  in  Orlando's 
spateren  Tagen  durchgreifender  ein,  im  Zusammenhang  mit  des  Meisters 
veranderter  Geistesrichtung.  Hier  kommen  besonders  in  Frage  Sestina  IV 
in  vitam  di  M.  Laura  1,  4,  6;  Sonetti  in  mortem  di  M.  L.  26,  85; 
Trionfo  del  Tempo3)  70—78,  109 — 114  usw.  Aber  gerade  an  Lasso's 
Beziehungen  zu  Petrarca  ist  es  besonders  interessant  zu  beobachten,  wie 
in  seiner  Psyche  die  Gefiihlswelt  der  Gegenreformation  allmahlich  auch 
auf  diesem  musikalischen  Gebiet  neben  jener  der  Renaissance  ihre  Forde- 


1)  Gaspari  I,  460 ff. 

2)  Auch  Segni  gia  (Trionfo  del  tempo  65-60)  mag  personliche  Bedeutung  haben, 
wenn  der  Meister  1684  singt  >Ich  bin  ein  Greis,  heut  fruh  war  ich  ein  Knabe«. 

3)  Man  beachte  die  zweimal  komponierten  Stellen. 


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430  Adolf  Sandberger,  Eoland  Laasua'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

rungen  erhebt;  auch  macht  erst  dieser  Vorgang  Orlando's  Verhaltnis 
zu  Petrarca  zu  einem  allseitigen,  erschopfenden. 

Nicht  minder  aktuell  als  die  Pflege  Petrarca's  betrieb  die  Gesell- 
schaft  der  Renaissance  die  Lektiire  des  groBten  zeitgenossischen  Dicht- 
werks,  das  Machiavelli  »tutto  bello  e  in  molti  luoghi  mirabile*  genannt 
hatte,  des  > Orlando  furioso*.  Den  Komponisten  freilich  kam  hier  Ariost 
weit  weniger  entgegen;  als  episches  Heldengedicht  bot  der  rasende  Roland 
der  Musik  a  priori  keineswegs  zahlreiche  Angriffspunkte. 

Es  ist  nun  wiederum  hochst  interessant  zu  sehen,  wie  fein  Lasso  mit 
Ariost's  Poem  verfuhr.  Den  erzahlenden  Partien  bleibt  er  fast  aus- 
schlieBlich  feme;  dagegen  halt  er  sich  an  die  Sentenzen,  die  bei  Ariost 
so  anmutig  aus  dem  Erzahlten  flieBen  und  zu  neuen  Dingen  hinfiber 
leiten,  und  an  jene  Stellen,  wo  nach  ausfiihrlicher  Schilderung  der  Situa- 
tion der  Dichter  schlieBlich  seinen  Personen  selbst  das  Wort  erteilt.  Aus 
der  bunten  "Welt  der  berichteten  Abenteuer  hebt  Lasso  hier  gewisse 
Kernpunkte  her  aus;  er  verdichtet  sich  den  Hauptgehalt  des  Poems  in  den 
wenigen  von  ihm  auserlesenen  Texten. 

So  begegnen  wir  in  »Non  vi  vieto  per  questo«  *)  dem  Rat,  den  Ariost 
angesichts  Biren's  Untreue  gegen  Olympia  den  Frauen  erteilt;  in  >Spesso 
in  poveri  alberghi* 2)  der  Eroffnungssentenz  des  vierundvierzigsten  Gosanges: 

>Oft  wird  in  Mangel  und  in  Kiimmernissen, 
In  armen  Hiitten  unter  niederm  Dach, 
Das  Herz  zur  Freundschaft  starker  hingerissen, 
Als  im  Palast,  im  glanzenden  Gemach*     usw. 

deren  Wahl  noch  weitere  Bedeutung  gewinnt,  da  sich  dies  Stuck  in  der 
den  Augsburger  Fuggern  gewidmeten  Sammlung  befindet.  Unserem 
heutigen  Musikempfinden  aber  erscheinen  zweifelsohne  gerade  diese  beiden 
Oktaven  durch  das  Kunstmittel  der  vokalen  Polyphonie  besonders  gliick- 
lich  interpretiert,  wahrend  wir  der  Komposition  der  nachfolgenden  Stellen 
nur  mit  Zuhilfenahme  des  historischen  Sinnes  vollig  gerecht  zu  werden 
vermogen. 

Zweimal  befaBt  sich  Orlando  Lasso  mit  der  Greschichte  Bradamantes. 
Das  vierstimmige  Madrigal  >Di  qua,  di  la  va  le  noiose  piume*  schildert 
uns  die  ruhelose  Sehnsucht  der  Jungfrau  nach  Ruggiero,  der  in  Mar- 
fisa's  Liebesfesseln  liegt,  das  funfstimmige  >Come  la  notte  ogni  fiammella 
e  yiva«  ihre  Klagen  um  den  in  Theodoren's  Eisenfesseln  schmachtenden 
Geliebten.  Mit  sichtlichem  Bedacht  sind  diese  beiden  Stellen  in  Parallele 
gebracht3).     Den  Abenteuern  Angelicas  aber  zollt  der  Meister  nicht  nur 


I)  Vierstimmig.    Ariost  X,  9.    S.  W.  VIII,  S.  27. 

2/  Vierstimmig.    S.  W.  Vm,  Nr.  I,  30.     Ariost  XLIV,  1.     Ubersetzung  von 
Q-ries,  Leipzig,  Reklam  II,  483. 

3)  Ariost  XXXH,  13  und  XLV,  37. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italieniachen  Literatur.  431 

1569  Tribut,  indem  er  Sacripants  Liebesklagen  »Pensier,  dicea,  che  '1 
cor  m'agghiacci  ed  ardi«  in  Musik  setzte  *),  bereits  1555  und  1559  hatte  er 
die  Oktaven  126  u.  127  dee  23.  Gesanges  komponiert3).  Mit  ihnen  aber  griff 
der  Meister  zu  einem  Kulminationspunkt  des  ganzen  Orlando  furioso, 
jenen  Vorgangen,  die  Orlando's  Raserei  herbeifiihren.  Der  Held  bat 
den  Ort  an  der  Quelle  entdeckt,  wo  Angelica  und  Medoro  gliicklich 
waren,  er  findet  die  Namen  der  Liebenden  im  Grestein  eingegraben,  der 
Hirte  muB  ibn  vollig  aufklaren,  Orlando  hat  auf  dem  Brautlager  der 
beiden,  dem  Grab  seiner  eigenen  HofEnungen,  geruht;  nun  stiirzt  er  bei 
Nacht  aus  dem  Haus  und  gerat  wieder  an  die  Quelle.    Dort 

.  .  .  spesso  dice  a  se  cosi  nel  pianto: 
»Queste  non  son  piu  lacrime,  che  foore 
Still6  da  gli  occhi  con  si  larga  vena  . . .« 
>  Quest  i,  ch'inditio  fan  del  mio  tormento 
Sospir  non  sono,  ne  i  sospir  son  tali  .  .  .< 

Und  zu  einem  anderen  Hohepunkt  der  Dichtung  leiht  Lasso  seine  Tone, 
als  er  Zerbino's  letzte  Worte  in  Musik  setzt  Zerbino  stirbt  an  der  von 
Mandricardo  empfangenen  Wunde;  » seine  letzten  Momente  sind  der  Liebe 
geweiht,  der  Sorge  urn  sie,  die  allein  zu  lassen  ihn  mehr  scbmerzt  als 
der  Tod,  und  die  ungliickliche  Isabella  neigt  sich  uber  ihn  und  empfangt 
von  seinen  Lippen  den  letzten  Hauch*3): 

>Cosi  cor  mio  voglia  te  (le  diceva) 

Da  poi  ch'io  sard  morte  amarmi  ancora  .  .  ,«4) 

Ich  sagte  vorhin,  nur  mit  Zuhilfenahme  des  historischen  Sinnes  ver- 
mochten  wir  diesen  Kompositionen  voll  gerecht  zu  werden;  ihre  Wtirdi- 
gung  gelingt  uns  nicht  allein,  wenn  wir,  wie  die  Kunst  des  16.  Jahr- 
hunderts  gebietet,  damit  vertraut  sind,  Ergusse  von  hochster  Subjektivi- 
tat  im  musikalischen  Ausdruck  vokaler  Polyphonie  auf  uns  wirken  zu 
lassen.  "Wir  haben  bei  diesen  Stiicken  auch  zu  bedenken,  daB  dem  Horer 
des  16.  Jahrhunderts  die  Worte  der  dichterischen  Personen  zugleich  die 
Kulminationspunkte  der  Szenen  waren,  daB  er  im  Fluge  seiner  Phantasie 
den  ganzen  Vorgang  wiederum  Iiberschaute,  wenn  ihm  in  den  ersten 
Tonen  des  Musikers  die  Worte  der  endlich  sprechenden  Personen  gleich- 
sam  als  Stichworte  des  dichterischen  Hohepunktes  erklangen.  Erst  diese 
Erkenntnis  entbindet  in  den  musikalischen  Kunstwerken  die  voile,  ihnen 
in  jener  Zeit  innewohnende  Ausdrucksgewalt  und  zwingt  auch  uns  in 
ihren  Bann.     Erst  jetzt  aber  verstehen  wir  auch  Lasso's  Verhaltnis  zu 


1)  Funfstimmig.     Ariost  I,  S.  41.    S.  W.  VI,  S.  123  ff. 

2;  126  vierstimmig.    S.  W.  VIH,  13;  127  funfstimmig  S.  W.  n,  132. 

3)  Gaspari  II,  434. 

4;  Ariost  XXIV,  78.    S.  W.  VI,  80. 


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432  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Liierator. 

Ariost  vollig,  dem  es  gelingt,  in  den  wenigen  Oktaven  des  Dichters 
Kernpunkte  des  ganzen  Orlando  furioso  musikalisch  einzufangen. 

In  richtiger  asthetischer  Erkenntnis  ist  Lasso  den  ironisierenden 
Partien  im  Orlando  ferngeblieben.  Einmal  aber  lasst  er  sich  verleiten, 
eine  der  Schilderungen  Ariost's  in  Musik  zu  setzen.  Canto  VII,  11 
beschreibt  der  Dichter  die  triigerischen  Reize  der  Alcina  mit  der  angst- 
lichen  G-enauigkeit  Bocaccio's  in  derlei  Dingen,  ihre  Gestalt,  ihre  Locken- 
haare,  die  Wangen,  Stirn,  Augen,  Nase,  Mund,  Zahne,  Hals,  Bnsen  usw. ; 
durch  fttnf  Oktaven  zieht  sich  die  Kleinmalerei  hin.  Lasso  hat  sie  alle 
fiinf  komponiert  *) ;  dies  ist  eines  der  sprechendsten  Zeugnisse  fur  seine 
enge  Zugehorigkeit  zur  italienischen  Renaissance.  >Das  Kunstideal  dieser 
Zeit  ist  Darstellung  der  irdischen  Realitat  in  der  ganzen  Pracht  und 
Ftille  ihrerFormen;  ihr  vollendetster  kiinstlerischer  Typus,  wie  sie  es  im 
Altertum  gewesen,  die  menschliche  Gestalt  in  ihrer  Unverhiilltheit1).* 
Treffend  bemerkt  Gaspari,  daB  die  Aufgabe,  welche  sich  Ariost  hier 
gestellt  hatte,  eine  solche  der  bildenden  Klinste  war,  mit  denen  die  Poesie 
in  ihrer  Losung  nicht  wetteifern  konnte.  Noch  weniger  werden  wir  der 
Musik  die  Fahigkeit  zugestehen,  sich  hier  mit  Plastik  und  Malerei  in 
einen  erfolgreichen  Wettstreit  einzulassen.  Aber  wie  Ariost  das  Pro- 
blem lockte,  so  zog  es  auch  Lasso  an;  der  Mensch  der  Renaissance  in 
ihm  siegt  iiber  den  Musiker  in  specie3).  Das  Werk  Orlando's  »Sex 
Cantiones  latinae«  etc.  (Monachij  1573,  Adamus  Berg),  in  welchem  die 
Komposition  dieser  S telle  enthalten  ist,  enthalt  auch  »Spesso  in  poverf 
alberghi*  und  war,  wie  erwahnt,  den  Dominis  Marco,  Joanni,  Hieronymo 
et  Joanni  Jacobo  etc.  Fuggeris  zugeeignet4).  In  diesem  Opus  sind  Ge- 
sange  in  vier  Sprachen  vereinigt,  eine  hiibsche  Anspielung  auf  die  ge- 
lehrte  Bildung  und  internationale  Stellung  der  Fugger.  Die  Beziehungen 
der  Augsburger  Patrizier  zu  Italien  wurden  hiebei  nicht  iibel  beriick- 
sichtigt,  wenn  unser  Meister  mit  sechs  Oktaven  Ariost's  und  einem 
Sonett  Petrarca's  den  italienischen  Teil  der  Sammlung  bestritt.  Unter 
sich  aber  stehen  die  flinf,  Alcinen  gewidmeten  Stiicke  mit  ihrem  sinn- 
lichen  dichterischen  Milieu  dann  wieder  im  schonsten  Gegensatz  zu  dem 
ejnsten  Ton  des  >Spesso  in  poveri  alberghi.«  Im  besondern  sind  diese 
Tonsatze  natiirlich  auch  fur  die  Kultur  der  Renaissance  in  Miinchen 
bedeutungsvoll.    Die  bayerischen  Herzoge  erwarben  nicht  nur  antike  Bild- 


1)  S.  W.  VIH.  Nr.  I,  26  ff. 

2;  Gaapari  II,  436. 

3)  Dasselbe  gilt  von  der  Komposition  des  Kap.  HI,  1 — 6  von  Pet r area's  Trionfo 
della  Fama  (. .  .  Volsimi  da  man  manca,  e  vidi  Plato  .  .  .). 

4;  Lasso  nennt  dieselben  im  Yorwort  >G-ebriider€.  Es  sind  die  Brtider  Marcus  JX 
(+  1597;,  Hieronymus  (gestorben  im  Jahre  der  Dedikation,  1573\  J  oh  an  n  III. 
(f  1598),  Herren  von  Kirchheim  und  Norndorf,  und  ihr  Vetter  Hans  Jakob. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  433 

werke  und  Mlinzen,  fiillten  ihre  Bildersale  mit  kostbaren  Gemalden,  be- 
reicherten  ihre  Kunstkammer  mit  Kleinodien  und  Schmiedewerken, 
schmiickten  ihre  Gemacher  mit  den  prachtvollen  Tapeten  und  Stoffen  der 
Renaissancezeit 1),  in  diesen  Raumen  erklangen  auch  die  Verse  Petrar- 
ca's  und  Ariost's,  getragen  von  den  wundersamen  Harmonien  Lasso's 
des  in  seiner  Vielseitigkeit  grofiten  Meisters  des  Sinascimento. 

Es  erscheint  zweckmaBig,  urn  das  MaB  des  kiinstlerischen  Scharf- 
sinnes,  den  Lasso  gegeniiber  dem  Orlando  furioso  bewahrt  hat,  richtig 
wiirdigen  zu  konnen,  auch  einmal  das  Verhaltnis  eines  anderen  zeit- 
genossischen  Komponisten  zu  Ariost  ins  Auge  zu  fassen. 

Im  Jahre  1561  edierte  Jacques  Berchem  sein  >Primo,  secondo  et 
terzo  libro  del  Capriccio  .  .  .  con  la  Musica  da  lui  composta  sopra  le 
Stanze  del  Furioso*  (Venetia,  Ant.  Gardano)2).  Eine  reiche  musika- 
lische  Auslese  wird  uns  da  geboten,  nicht  weniger  als  93  Oktaven  unseres 
Dichters.  Auch  Berchem  bringt  darunter  die  Erzahlung  von  Rolands 
beginnender  Raserei,  den  Tod  Zerbino's,  Bradamante's  Klagen  urn  den 
an  Marfisa  gef  esselten  Ruggiero ;  aber  der  Tonsetzer  beschrankt  sich  nicht 
auf  die  Worte  der  handelnden  Personen,  auf  die  Stellen  subjektiven  Aus- 
drucks  und  damit  sowohl  auf  die  Kernpunkte  der  Episode  als  die  einzig 
richtigen  AngrifEspunkte  fur  die  Musik,  sondern  er  komponiert  vorzugs- 
weise  die  erzahlenden  Stanzen.  Berchem  stellt  sich  seine  Episoden 
selbst  zusammen,  oft  mit  starken  Auslassungen,  aber  der  Schwerpunkt 
liegt  bei  ihm  auf  der  Schilderung.  So  wird  von  Rolands  Wahnsinn  be- 
richtet,  indem  uns  Berchem  in  extenso  die  Oktaven  125 — 133  des  drei- 
undzwanzigsten  Gesanges  vorfiihrt;  nur  eine  Oktave  bleibt  weg,  Rolands 
Worte  in  Oktave  127 ;  dafiir  aber  ist  ein  weiteres  Stlick  Erzahlung  (XXIV, 
4 — 7)  in  dem  Bericht  von  Rolands  ersten  Wahnsinnstaten  beigefiigt. 
Ebenso  gibt  Berchem  den  Tod  Zerbin's  mit  XXIV,  77—81.  83,  85,  86, 
indem  er  die  Worte  Isabellen's  und  Zerbin's  kiirzt,  die  Schilderung  aber 
vollig  ausfiihrt.  Eine  Ausnahme  machen  nur  Bradamante's  Klagen  im 
zweiunddreiBigsten  Gesang  (18 — 23,  37,  38,  40,  43,  44);  dagegen  erhalten 
wir  die  Erscheinung  Argalia's  (I,  27  und  29),  die  Klagen  Sacripant's  urn 
Angelica  und  deren  Betrug  (I,  41  (3—8),  44,  48,  54)  ebenso  erzahlend 
vorgefiihrt  wie  das,  was  Angelica  mit  dem  liisternen  Eremiten  erlebt, 
vne  sie  von  den  Madchenraubern  ergriffen  und  dem  Kraken  vorgeworfen 
wird  (VH,  38—42,  44,  48,  62—66).  Haben  wir  in  diesen  Schopfungen 
bemerkenswerte  Anfange   musikalischer  weltlich-epischer  Gestaltung  zu 


1)  Vgl.  Stockbauer,  die  Kunstbestrebungen  am  bayer.  Hofe  unter  Herzog 
Albrecht  V.  und  seinem  Nachfolger  Wilhelm  V.  In  Eitelberger's  Quellen- 
schriften  far  Kunstgeschichte  Bd.  8,  Wien  1874  S.  1  ff. 

2)  Andere  Kompositionen  laseen  sich  unschwer  an  Hand  von  Vogel's  Biblio- 
graphic  ermitteln,  z.  B.  B.  S.  di  Nardo  (Vogel  II,  6). 

S.  d.  I.  M.   v.  28 


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434  Adolf  Sandberger,  Boland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatar. 

erkennen,  so  ist  doch  Lasso's  Yerfahren  gegenliber  dem  Gedicht 
Ariost's  als  Ganzem  das  unendlich  mehr  kiinstlerische.  Berchem  aber 
verfolgt  seine  Weise  so  hartnackig,  daB  er  schlieBlich  auch  vor  den  zur 
Komposition  ganzlich  ungeeigneten  ironischen  Stellen  bei  Ariost  nicht 
Halt  macht;  so  begegnen  wir  der  (zur  Strafe  fur  ihre  Kalte  auf  Erden 
in  der  Unterwelt  in  den  Rauch  gehangten  Lydia,  also  jener  Parodie 
Ariost's  auf  Dante's  Francesca  von  Rimini1);  wir  begleiten  Astolfo 
ins  irdiscbe  Paradies  und  auf  den  Mond,  entdecken  den  auf  Flaschen 
gezogenen  Yerstand  Rolands,  horen  die  Satiren  auf  die  Gnadenangeln 
und  geplatzten  Schmeichel-Heimchen,  ja  erleben  schlieBlich  auch  musi- 
kalisch  mit,  wie  Boland  der  destillierte  Yerstand  wieder  durch  die  Nase 
zugefuhrt  wird  (XXXIV,  4-6,  9,  11,  44,  48,  52,  54,  62,  65,  67,  76, 
77,  80,  82,  83,  87;  XXXTX,  36,  46,  47,  57).  Diesen  MiBgriff  vennag 
auch  der  Titel  >Capriccio<  nicht  zu  rechtfertigen. 

Nachdem  Orlando  den  beiden  groBen  Meistern  seinenTribut  gezollt 
hatte,  lag  es  nach  dem  damaligen  Stand  der  italienischen  Literatur  mit 
ihrer  quantitativ  unenneBlichen  Produktion  von  lyrischen  Gedichten  fur 
ihn  nahe,  unter  den  »£ime«  seiner  unmittelbaren  Zeitgenossen  Umschau 
zu  halten.  Hierzu  standen  ihm  zahlreiche  gemischte  Sammlungen  und 
noch  zahlreichere  geschlossene  Canzonieri  der  einzelnen  Dichter  zur  Ver- 
fiigung.  Indes  hat  sich  auch  hier  der  Meister  zweifellos  nicht  auf  die 
Lyrik  allein  beschrankt;  dies  geht  klar  aus  der  Fassung  so  mancher 
Texte,  welche  auf  die  Szene  verweisen,  hervor2).  Yon  den  iiber  hundert 
.Tragodien  und  Komodien,  welche  ich  zu  prtifen  Gelegenheit  hatte,  ent- 
halten  wohl  manche  die  bekanntermaBen  eingelegten  Madrigale  odor  den 
Text  der  Chore  (z.  B.  Giraldi's  Orbecche,  Altile,  Arrenopia,  Eufimia, 
Epitia,  Selene;  Varchi's  Suocera;  Alamanni's  Flora;  Macchia- 
yelli's  Mandragola;  Gelli's  Errore;  die  Comedia  del  furto,  zu  welcher 
Musik  yon  Corteccia  bekannt  ist;  Pino's  Ingiusti  sdegni,  in  deren 
Prolog  die  Komodie  als  Yereinigung  von  Musica,  Pittura  und  Historia 
gepriesen  wird);  ein  von  Lasso  komponierter  Text  aber  ist  aus  all  diesen 
Stiicken  nicht  nachweislich. 

Ergiebiger  zeigt  sich  die  Untersuchung  von  Sammlungen  »Bime«. 

Finden  wir  in  solch  einer  Anthologie  oder  ihren  Nachdrucken  mehrere 
von  Lasso  komponierte  Gedichte  vereinigt,  welche  vereinzelt  auch  in 
anderen  Kollektionen  erscheinen,  so  liegt  der  SchluB  nahe,  daB  der 
Meister  eine  jener  Quellen  benutzt  habe,  besonders  wenn  sich  aus  einem 
Yergleich  des  dichterischen  und  musikalischen  Drucks  chronologische  An- 


1    Gaspari  II,  441. 

2)  Z.  £.  Arse  la  fiamm'  e  consumd  Pardore;  Ecco  che  pur  vi  lasso;  Ornando  come 
suole;  DelP  auro  crin  Tasainia  bella.  S.  W.  VI,  83;  92;  154;  VIII,  Nr.  II,  6.  Das 
erste  Stiick  ist  vier-,  das  dritte  sechs-,  die  beiden  anderen  sind  funfstimmig. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lauras'  Beriehungen  sur  italienisohen  Literatur.  435 

stande  nicht  ergeben.  GewiB  hat  Lasso,  wie  die  Komponisten  unserer 
Tage,  unter  seinem  h&uslichem  Biicherschatz  eine  Anzahl  Gedichtsamm- 
lungen  besessen. 

Das  >Libro  terzo  delle  rime  di  diversi  nobilissimi  et  eccellentissimi 
autori,  novamente  raccolte,  in  Vinegia  1550,  B.  Cesano*  enthalt  drei 
Poesien,  welche  sich  einzeln  aucfa  in  anderen  Sammlungen  (1556  und 
1564),  vereinigt  aber  nur  in  ihm  vorfinden.  Es  sind  die  (xedichte  »Io 
son  si  stanco  sotto  il  grave  peso*,  eine  Klage  wider  Gott  Amor  yon  Giov. 
Guidiccioni,  das  nicht  ganz  reinliche  »Quanta  invidia  vi  porto,  aure 
beate«  von  Camillo  Besalio1)  und  »Tra  bei  rubini  et  perle«  von  Giov. 
Batt.  Amaltheo2),  deren  zwei  erste  Orlando  1557  und  1563  publi- 
zierte1).  Das  dritte  ist  uns  nur  handschrrftlich  und  fragmentarisch  tiber- 
kommen. 

Ein  ahnliches  Verhaltnis  waltet  bei  den  »Biroe  di  Diversi  et  eccellenti 
autori,  raccolti  dai  Libri  da  noi  aJtre  volte  impressi,  Vinegia  1566 «  (heraus- 
gegeben  von  L.  Dolce).  Hier  steht  das  schon  bekannte  >Euro  gentil* 
von  Giov.  Battista  d'Azzia  und  das  resigniert  ironische  »Volgi  cor  mio« 
von  Fortuno  Spira4),  von  welchen  das  erste  1557,  das  zweit^5)  1570 
yerof  entlicht  wurde.  Aus  diesen  Jahrzahlen  erhellt,  daB  Orlando  z.  B. 
die  zweite  Auflage,  erschienen  1564,  dieser  engeren  Auswahl  nicht 
benutzt  haben  kann,  obwohl  auch  sie  die  zwei  genannten  Nummern 
enthalt. 

Yon  den  uns  durch  diese  beiden  Sammlungen  iiberlieferten  Dichtern 
gehort  nur  Giovanni  Guidiccioni  zu  den  hervorragenderen  Erschei- 
nungen  des  damaligen  literarischen  Italien;  die  Komposition  von  >Euro 
gentil<  erklart  sich  aus  Lasso's  personlichen  Beziehungen  zum  Marchese 
d'Azzia.  Es  bleiben  also  von  Werken  unbedeutender  Petrarchisten, 
soweit  unsere  Kenntnis  reicht,  nur  drei  Nummern;  und  dabei  kann 
man  nicht  einmal  behaupten,  dafi  gerade  diese  Gedichte  besonders 
schwach  seien. 

Das  hervorragendste  lyrische  Talent  billigten  seine  Zeitgenossen  dem 
Pietro  Bembo  zu;  niemand  kam  nach  ihrer  Ansicht  Petrarca  naher, 
denn  er.  So  greift  auch  Orlando  zu  dieses  Dichters  Canzoniere  und 
komponiert  fiinfstimmig  das  demtltige  >  Bella  guerriera  mia«8)  und  zu 
gleicher  Stimmenzahl  »Che  giova  posseder  cittadi  e  regni.e  Letztere 
•Dichtung  ist  eine  (Nr.  42)  jener  Stanzen,  welche  von  Bembo  selbst  und 


1)  Crescimbeni  a.  a.  0.  IV,  226. 

2)  Ebenda  III,  87. 

3)  S.  W.  II,  139  und  IV,  32.    Beide  aind  funfstiminig. 
4}  Crescimbeni  IV  95. 

6)  S.  W.  II,  127.    Funfstimmig. 

6)  Eime  Ven.  1547  Bl.  9a;  S.  W.  IV,  3a 

28* 


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436  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassos1  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

Ottaviano  Fregoso  in  der  Yerkleidung  zweier  Gesandten  der  Liebes- 
gottin  am  Hofe  von  Urbino  rezitiert  wurden1);  ihre  Wahl  macht  auch 
Lasso's  Freimut  Ehre,  da  er  in  Tonen  verkundet,  wie  der  Tod  auch 
die  GroBen  der  Erde  in  Elend  und  Yerlassenheit  hinwegraffen  konne. 

Wer  sich  je  mit  dem  musikalischen  Madrigal  beschaftigt  hat,  dem 
muBte  auffallen,  wie  selten  sich  der  Begriff  der  musikalischen  Form  mit 
der  dichterischen  deckt.  Die  tiberwiegende  poetische  Grundlage  des  musi- 
kalischen Madrigals  sind  das  Sonett  und  die  Canzone,  oder  Canzonen- 
teile.  Das  Verhaltnis  erklart  sich  schon  aus  der  Fiille  des  Angebots 
von  Sonetten  gegenuber  der  dichterischen  Madrigalproduktion.  Umsomehr 
mufite  der  denkende  Musiker  dem  poetischen  Madrigal  Aufmerksamkeit 
schenken;  dies  hat  Orlando  nicht  unterlassen  und  entnahm  den  Madri- 
galblichern  des  vornehmen  Piacentiners  Luigi  C  as  sola,  eines  der  besten 
Vertreter  der  Gattung2),  die  Liebesklage  >0  dolci  parolette*  (1564),  denen 
des  Dichtermusikers  Girolamo  Parabosco8)  >Voi  volete  ch'io  rnuia* 
(1577). 

Ranke  sagt,  dafi  wir  jenes  Moment,  welches  (seit  den  vierziger  Jahren 
des  16,  Jahrhunderts)  alien  Bestrebungen  in  der  Kunst  und  der  allge- 
meinen  Literatur  neues  Leben  gab,  die  Restauration  der  kirchlichen  Ideen, 
in  ihrer  Wirkung  auf  die  Poesie  zuerst  an  Tasso  wahrnehmen4).  Dies 
gilt  vor  allem  von  der  >Gerusalemme  liberata*  mit  ihrem  Stoff,  dem  ersten 
Kreuzzug,  und  mancherlei  kirchlich-reaktionaren  Ziigen  der  Ausfiihrung. 
Wenn  wir  Orlando's  Beziehungen  zu  Tasso  hier  vor  Betrachtung  seines 
Verhaltnisses  zur  Literatur  der  Gegenreformations-Epoche  erwahnen,  so 
liegt  dies  daran,  dafi,  soweit  nachweislich,  Lasso  nur  ein  einziges  und 
zwar  erotisches  Poem  Torquato's  komponiert  hat:  »Ardo  si,  ma  non 
tamo*5),  dies  aber  zweimal  in  grundverschiedenen  Kompositionen.  Die 
Stucke  wurden  1585  veroffentlicht6)  und  wir  ersehen  mit  Interesse,  mit 
welcher  Sorgfalt  Lasso  die  Dichtungen  seines  grofiten  kunstverwandten 
Zeitgenossen  behandelt  hat;  dafi  er  aus  der  »Gerusalemme  liberata«,  ent- 
gegen  d'India,  Mazocchi,  Massaini  u.  A.,  nichts  komponierte 7),  ist 
nur  ein  weiterer  Beweis  seines  feineren  asthetischen  Empfindens. 

1)  Glassici  italiani  Vol.  65  (Rime  di  Pietro  Bembo)  S.  111.  Milano  1808.  S.  W. 
VI,  110. 

2)  Crescimbeni  I,  185  u.  IV,  93.  Vgl.  Cassola,  Madrigali,  Vinegia  1555, S.  60. 
Lasso's  Text  zeigt  verschiedene  Abweichungen  von  diesem  Dmck.  S.  W.  Nr.  II,  4. 
Funfstimmig. 

3)  Uber  ihn  als  Dichter  Crescimbeni  IV,  75;  Parobosco,  il  primo  libro  di 
Madrigali,  Ven.  1551.  Leider  ist  Lasso's  Musik  nur  fragmentarisch  erhalten.  Funf- 
stimmig. 

4)  Zur  Geschichte  der  italienischen  Poesie.    Berlin  1837,  S.  84. 

5)  Rime,  ed.  Rossini,  Pisa  1882,  II,  251.    Lasso's  Text  zeigt  Abweichungen. 

6)  S.  W.  Vm,  Nr.  II,  12a  u.  12b. 

7 J  Ein  Verzeichnis  der  durch  die  Rime  Tasso's  wie  durch  die  Teile  der  Gerusa- 


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Adolf  Sandberger,  Eoland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.  437 

Des  weiteren  sehen  vrir  unseren  Meister  auch  dem  im  15.  Jahrhundert 
verbreiteten,  im  Laufe  des  sechszehnten  immer  starker  hervortretenden 
schaf  erlichen  Zug  in  der  Literatur  Beachtung  schenken.  Hierher  ge- 
horen  die  Madrigale  »Ecco  che  pur  ver«  *),  >Oh  d'amarissime  onde«, 
»Silen  di  rose  ha  '1  volto«  und  »Or  che  la  nova  e  vaga  primavera* s) 
mit  ihrem  pastoralen  Charakter.  »Silen  di  rose*  gehort  einer  trotz  ihres 
auffallenden  Titels  »il  bon  bacio,  madrigali  pastorali  descritti  da  di- 
versi«,  Ven.  1594  (absonderliche  und  verdrehte  Titel  nehmen  in  der  Folge 
noch  immer  mehr  zu)  auch  textlich  reizvollen  Sammlung  an.  Die  Siiingen, 
Filli's,  Egeria'8?  Silvia's  usw.  befragen  ihre  Narcisse,  Adone's,  Meliseo's, 
Montano's  iiber  die  Heimat  des  Kusses.  Der  Schafer  beantwortet  die 
Frage  theoretisch,  die  Nymphe  aber  kiiBt  den  Schwerfilligen,  entflieht 
und  laBt  ihn  in  Liebesglut  zuriick.  Der  Textdichter  ist  diesmal  aus- 
nahmsweise  liber  Lasso's  Stiick  genannt,  Oamillo  Camilli.  Im  iibrigen 
weist  diese  Sammlung  bereits  auf  den  UberdruB  der  Zeit  am  entarteten 
Petrarcismus,  wie  auf  jene  Stromung  hin,  in  der  man  die  beginnende 
Ubersattigung  mit  musikalischen  Madrigalen  allmahlich  durch  allerlei  Reiz- 
mittel  zu  bekampfen  suchte. 

Es  wurde  oben  bereits  erwahnt,  wie  sich  schon  bald  aus  Bediirfnis 
nach  Differenzierung  im  Madrigal  mancherlei  Speziahtaten  bildeten.  Zu* 
erst  stellen  sich,  nach  uralten  dichterischen  und  musikalischen  Vorbildern, 
»Dialoge«3)  ein,  dann  »Echo's«,  endhch  Enigmi,  Capricci,  Scherzi  usw. 
Der  Klassiker  auch  dieser  ganzen  Bichtung  scheint  Lasso's  Nachfolger 
in  der  commedia  dell'  arte  zu  sein,  Orazio  Vecchi.  Hand  in  Hand  mit 
Sonderformen  geht  die  allgemeine  Tendenz,  die  Anzahl  der  Stimmen  zu 
vermehren.  Lasso,  dem  keine  Regung  im  musikalischen  Pulsschlag  der 
Zeit  entging,  hat  auch  diese  Unterstromung  beriicksichtigt,  wenn  nicht 
zum  Teil  hervorgerufen,  und  uns  sowohl  Dialoge  als  Echos  geschenkt. 
Von  ersteren  kommt  hier  nur  >Ditemi,  via  mia«,  »Ohe  fai,  alma*  (Pe- 
trarca)  und  >S'una  fede  amorosa*4)  (Petrarca)  in  Prage;  die  Echos 
sind  >Valle  profunda*  und  >011a,  o  che  bon  echo5).*  Letzteres  Stiick 
eroffnet,  soweit  ich  in  der  gedruckten  Literatur  sehe,  die  ganze  Ghittung 


lemme  liberata  hervorgerofenen  Kompositionen  gibt  der  urn  Tasso  hochverdiente  S  olerti 
in  seinen  Ausgaben  dieser  Werke  (Bologna  1898,  Firenze  18%).  Leider  ist  ihm  fur 
die  Rime  gerade  unsere  Sammlung  entgangen.  welche  28  Kompositionen  zu  Tasso's 
Text  en  thai  t  (Sdegnosi  ardori,  . .  raccolti  die  Gk  Qigli  ...  Monach.  A.  Berg). 

1)  S.  W.  VI  Sammlung  Mermann  Nr.  8. 

2)  S.  W.  Vm,  Nr.  II,  2  fiinfstimmig;  die  beiden  letzteren  in  Bd.  X,  Nr.  1,  4  u. 
II,  4  sechsatimmig  und  zehnstimmig. 

3)  Crescimbeni  Vol.  I,  Lib.  IV,  Cap.  V  >De  Dialoghic  (S.  264  ff.).    Den  Beigen 
auf  unserem  Gtebiet  eroffnet  Giov.  Nasco  1548. 

4)  S.  W.  X,  H,  1—3. 

5)  S.  W.  X,  II,  5  und  IV,  23. 


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438  Adolf  8ftndberger,  Roland  Lassos'  Beziehungen  zur  italieniachen  Literatur. 

und  laBt,  was  Eeiz  mid  Kunst  der  Ausffihrung  betrifft,  zugleich  alles 
hinter  rich,  was  ich  in  diesem  kleinen  Iiteraturzweig  habe  kennen  lernen 
konnen.  Der  spafiige  Text  ist  zweifelsohne  von  Lasso  selbst  yerfaBt, 
und  zitiert  in  den  Worten  >Yoria  che  tu  cantassi  una  canzona*  den 
Anfang  einer  von  Azzaiolo,  Nasco  undFerretti  komponierten  Villa- 
nelle,  was  natiirlich  fur  die  Zeitgenossen  die  Wirkung  erhohen  mofite. 
Specialist  in  der  Echokomposition  war  Lud.  Agostini.  Auch  yon  diesen 
Gebilden  fiihren  besondere  feine  Faden  zur  Qeschichte  der  Oper.  In  den 
polyphonen  Dialogen,  als  chorischen  Duetten,  ist  das  spatere  Soloduett 
vorgebildet,  die  Echos  aber  spielen  bekanntlich  in  der  Oper  von  Anfang 
bis  auf  den  heutigen  Tag  ihre  Rolle  in  unverminderter  Wirksamkeit. 

Unsere  bisberige  Betrachtung  ist  mit  Einbeziehung  des  Tasso'schen 
Stiickes  den  Erscheinungen  der  italienischen  Literatur  gefolgt,  welcbe 
ibren  geistigen  Nahrboden  im  Milieu  der  Renaissance  hatten.  Zwischen 
ihnen  ist  bei  Orlando  die  Stunmung  der  neuen  literariscben  Bewegung, 
welcbe  von  der  kirchlichen  Restauration  ausging,  so  wenig  unvorbereitet, 
als  in  der  Literatur  selbst;  aber  der  Gegensatz  bei  unserem  Tonkiinstler 
ist  doch  ein  scharferer.  In  der  Lyrik  hatten  sich  die  geistlichen  Oan- 
zonieri  stark  vermehrt  (»senza  che  tuttavia  possiamo  dire  che  questa  pro- 
duzione  si  faccio  migliore<  sagt  Oanello) t),  in  der  gesamten  italienischen 
Poesie  war  der  religiose  Zug  langst  machtig  erstarkt,  als  Orlando  im 
Madrigal  immer  nur  noch  gleichsam  ausnahmsweise  von  der  yeranderten 
Stimmung  Notiz  nimmt.  Nach  1576  tritt  dann  in  seiner  Beschaftignng 
mit  dem  Madrigal  eine  Pause  ein.  1585  ist  der  Umschwung  yollzogen. 
Nun'  begegnet  uns  auch  hier  an  Stelle  der  Liebesklagen  und  asthetischen 
Phantasien  ein  tiefer,  sittlicher  Ernst;  nun  gilt  auch  hier  die  Religion 
als  der  wichtigste  Faktor  des  Lebens.  Im  allgemeinen  kann  man  wohl 
sagen:  unter  Albrecht  Y.  entnimmt  Lasso  seine  italienischen  Texte 
mehr  der  Sphare  der  Renaissance,  unter  Wilhelm  V.  der  der  Bestau- 
ration. 

Den  Umschwung  der  Zeiten  nehmen  wir  auch  an  Erscheinungen  wahr, 
welche  nicht  auf  Lasso  selbst  zurilckzufiihren  sind.  Im  Jahre  1576 
kam  der  hugenottische  »Tr6sor  de  Mvsique  d'Orlande  de  Lassvs*  her- 
aus ,  welcher  —  und  dies  Beispiel  ist  weder  das  erste,  noch  das  letzte  — 
altere  Chansons  mit  abgeanderten  Texten  reproduzierte;  statt  z.  B.  »Ce 
faux  amour*  usw.,  heiBt  es  nun  >ce  faux  Satan*  usw.  >J'ai  rendu  ces 
chansons  honnestes  et  Chrestiennes  pour  la  plupart«,  sagt  der  Heraus- 
geber2).  Die  Universitatsbibliothek  zu  Genua  besitzt  eine  Lautentabulatur 
mit  arrangierten  Madrigalen  von  Lasso  und  anderen  Komponisten;  hier 
beginnt  eine  Nummer  >Ohi  non  arde  d'amor   come  facc*io«,   die  Fort- 

1)  Storia  della  lett.  ital.  nel  sec.  XVI.    Mil.  1880,  S.  199. 

2)  Naheres  uber  diese  Frage  vgl.  S.  W.  XII,  S.  XXIIIff. 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus*  Beriehungen  zur  italienischen  Literatur.   43fc 

setzung  aber  lautet  >di  Gesii  mio  Signor  dolce  desio«.  Der  Codex  ge- 
horte  zur  alten  Bibliothek  der  Jesuiten  and  ist  vor  1595  geschrieben1). 
Ahnlich  dichtete  der  Venetianer  Minorit  Malipieri  den  ganzen  Canzo- 
niere  Petrarca's  urn  zu  einem  »Petrarca  spirituale*  (Venetia  1581)  *);  er 
begixmt  mit  einer  Zeile  des  Originals  und  dichtet  dann  im  geistlichen 
Ton  weiter.  Das  war  der  neue  Zng  der  Zeit,  and  er  offenbarte  sich 
also  an  den  verschiedensten  Beispielen. 

Im  Jahre  1568  s)  waren  in  erster  Auflage  die  Kime  spirituali  des 
Venetianers  Gabriel  Eiamma'),  Kanonikus  am  Lateran  (spater  Bischof 
von  Chioggia),  erschienen.  In  der  Vorrede  (Bl.  6)  sagt  der  Verfasser, 
einer  der  beriihmtesten  Kanzelredner  seiner  Zeit:  »Sono  faori  quasi  infinite 
poesie  nella  lingua  nostra,  e  quasi  tutte  amorose,  il  che  mi  par  gran  fallo, 
e  quasi  insopportabile.  Ho  adunque  ritomata,  quanto  piti  alta- 
mente  ho  potuto,  la  Poesia  Toscana  alia  uirtH  et  a  Dio  .  .  .« 
—  ein  ausge8prochenes  Programm:  Entweltlichung  der  Lyrik. 

Von  diesem  Poeten  findet  sich  nun  merkwiirdigerweise  schon  1567 
ein  vereinzelter  Text  aus  den  Bime  spirituali  von  Lasso  komponiert, 
also  ein  Jahr  vor  dem  Erscheinen  der  Sammlung,  namlich  » Signor,  se 
la  tua  gratia*  5).  Diese  Erscheinung  deutet  auf  personliche  Bekanntschaft 
Orlando's  mit  dem  Dichter  (s.  S.  427);  doch  kann  natiirlich  auch  eine 
andere  Verbindung  unserem  Meister  den  Text  iibermittelt  haben.  Nach 
langen  Jahren  aber  kommt  Lasso  auf  Fiamma  und  seine  Bimi  spirituali 
zuruck;  und  nun  legt  er  1585  sieben,  1587  neun  Kompositionen  vor,  mit 
im  ganzen  35  Tonsatzen: 

»Come  la  cera  al  foco«  (Stanza  7  der  Oda  alia  Carita  »0  sacro  eletto 
coro«);  >De  Teterne*  (Son.  1);  »Io  che  l'eta«  (Son.  23);  »Le  voglie  e  Topre 
mie«  (Son.  30);  »Quando  il  giorno«  (Sestina);  »Quando  io  pensoc  (Son.  77); 
>Uson  glingegnic  (Son.  36);  »Ben  son  i  premi  tuoi«  (Son.  60);  »Deh  lascia 
anima  homai*  (Stanza  11  der  Oda  alia  Speranza  >Poi  che  sol  la  speranza*); 
»Hor  ch'a  Talbergo*  (Stanza  1  der  Oda  alia  Fortezza);  >H  grave  de  Teta* 
(Son.  78);  >Per  aspro  mar  di  notte*  (Sestina);  >Piil  volte  un  bel  desio* 
(Son.  2);  »Prendi  laurata  lira*  (Stanza  1  der  Oda  alia  Prudentia);  »Tanto 
e  quel  ben*   (Son.  4);   »Veggio  se  al  vero<   (Son.  9)6). 

Es  sind  durchweg  Stlicke  von  tiefernster,  zerknirschter,  weltensagender 
Stimmung.  Die  frliher  so  Iiberwiegend  im  weltlichen  Sinn  gehandhabte 
Form  ist  umgemiinzt,  das  Erotikon  zum  BuBpsalm  gestaltet.    Vergang- 

1)  Vgl.  A.  Neri,  un  codice  musicale  del  secolo  XVI  im  Giorn.  stor.  1886  S.  218  ff. 

2)  Ein  Exemplar  dieses  Kuriosums  besitzt  die  Hof-  und  Staatsbibliothek  in  Miinchen. 

3)  Diese  Jahrzahl  stellt  Joan  Olessius  gegenuber  Quadrio's  Angabe  (a.  a.  0. 
II,  258)  fest  in  einer  handsohriftlichen  Notiz  des  Munchener  Exemplars. 

4)  Crescimbeni  HI,  83.    Qnadrio  II,  1,  258.    Canello  a.  a.  0.  S.  200. 

5)  S.  W.  IV,  106.  Punfstimmig. 

6}  Insgesamt  S.  W.  VI;  funftes  Buch  der  funfstimmigen  Madrigale  Nr.  1,  2,  4,  7, 
9,  11,  12;  Sammlung  Hermann  Nr.  1,  6,  16,  16,  17,  18,  19,  21,  23. 


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440  Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur. 

lich  ist  alle  irdische  Pracht  und  Macht,  verganglich  selbst  sind  alle 
Preuden  und  Vergniigungen  dieser  Welt,  toricht  aDe  Lustbarkeit  der 
Jugend,  hinfallig  unser  Leib,  so  wird  Orlando  nicht  miide,  uns  zu 
kiinden ;  Zerknirschung  iiber  die  eigenen  Fehltritte,  Zorn  wider  die  Sunder, 
Verdanmiung  aJler  weltlichen  Regungen  klingt  seine  Leier  wider;  wir  sind 
Staub  und  Spreu,  an  unsere  Fersen  ist  der  Tod  geheftet,  ein  willkommener 
Tod,  der  uns  mit  Gtott  vereint,  in  dem  allein  das  Heil  ruht,  dessen 
Gnade  zu  erwerben  das  einzig  zu  preisende  Streben  unseres  Lebens  bildet 
Nur  schiichtern  tont  es  in  diese  Stimmung  bei  Lasso's  letzten  Madri- 
galen  noch  herein  von  Liebe,  von  Natur  und  Antike.  Sogar  die  Musik 
wird  mit  ins  Spiel  gezogen 

»Ella  non  ama  il  canto 

Se  non  scorge  il  cor  santoci). 

G-eistliche  Madrigale  sind  es  in  der  Mehrzahl,  die  uns  Lasso  nun  gibt, 
madrigali  spirituali,  wenn  auch  die  auBerliche  Bezeichnung  fehli  Und 
so  lauft  schlieBlich  aus  Lasso's  universeller  Personlichkeit  ein  weiterer 
f einer  Faden  aus,.  den  wir  jenseits  miinden  sehen  in  der  Geschichte  des 
Oratoriums. 

Nun  greift  der  Schopfer  der  Bufipsalmen  auch  in  der  italienischen 
Literatur  nach  Psalmentexten.  Eine  Ubersetzung  der  Davidischen  Ge- 
sange  hatte  unter  anderen  Francesco  Beccuti,  genannt  Copetta*)  ge- 
liefert;  ihnen  entnimmt  Orlando  die  Ubertragung  des  6.  Psalms  (Domine 
ne  in  furore  tua  arguas  me)  »Signor  le  colpe  mie«  und  fiihrt  sie  in  einer 
groBartigen  fiinfteiligen  Komposition  (1584)  aus.3) 

Zu  den  unmittelbar  von  der  Neubelebung  des  kirchlichen  Geistes 
hervorgetriebenen  lyrischen  Bliiten  gehorten  zu  Ende  des  16.  Jahrhunderts 
die  >Lagrime«  benannten  Dichtungen.  Anknupfend  an  ein  Bild  von 
Albrecht  Durer,  auf  welchem  dem  Auge  der  betenden  Madonna  leib- 
haftige  Tranen  zu  entquellen  schienen,  ;hat  auch  Torquato  Tasso  »Le 
Lagrime  di  Maria  Vergini*  gedichtet4);  ahnlich  glorifizierten  auch  Angelo 
Grillo  die  »Lagrime  delPenitente«.  Erasmoda  Valvasone  die  » Lagrime 
della  Maddalena«.  Bidolfo  Campeggi  wiederum  die  » Lagrime  di  Maria 
■Vergine*5);  der  Begriinder  der  ganzen  Gattung  aber  war  Luigi  Tansillo 
gewesen,  der  bei  seinem  Tode  (1568)  »Le  Lagrime  di  San  Pietro«  un- 
vollendet  hinterlieB.     1585  erschien  das  Fragment  im  Druck  und  machte 


1)  S.  W.  VI?  86. 

2)  Crescimbeni  II,  403. 

3)  Diese  Feststellung  des  Textes  stiitzt  sich  auf  God.  it.  243  (Bl.  76)  der  Munchener 
Hof-  und  Staatsbibliothek,  woselbst  Beccuti  als  Dichter  genannt  ist.  S.  W.  VI,  94. 
Funfstimmig. 

4)  Solerti,  Vita  di  Tasso,  Torino  1895,  I,  752  ff. 

5)  Crescimbeni  V,  345.  Vogel  Iv  7  verzeichnet  u.  a.  auch  ein  miifiikalisches 
Lagrime-Werk  von  L.  Agostini  (Ven.  1586). 


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Adolf  Sandberger,  Roland  Lassus'  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur.    441 

groBes  Aufsehen1),  wie  die  Nachahmungen  beweisen.  Die  Komposition 
der  21  Tonsatze,  deren  Texte  Orlando  Tansillo's  Dichtung  entnahm2), 
war  Lasso's  letztes  Werk.  Es  ist  die  groBtc  Folge  zusammenhangender 
Texte,  die  der  Meister  komponiert  hat,  eine  Sammlung  Madrigali  spiri- 
tual —  so  darf  man  die  Stiicke  ihrer  musikalischen  Physiognomie  nach 
nennen  —  auf  epischer  Grundlage.  Zugeeignet  ist  sie  dem  Papste 
Clemens  VJJJL,  »al  piii  degno  e  piti  eccelso  personaggio  che  viva  in 
terra «.  So  hoch  aber  dieser  Schwanengesang  —  Orlando  schrieb  am 
24.  Mai  1594  noch  die  Vorrede,  am  14.  Juni  schloB  er  die  Augen  — 
musikalisctt  steht,  in  der  Textwahl  hatte  er  sich  diesmal  vergriffen;  mit 
Eecht  bezeichnet  Tansillo's  Biograph  Flamini  die  Lagrime  als  »mono- 
tona  e  poca  poetica  rappresentatione  del  vario  stato  dell'  animo  d'un 
penitente  in  diversi  luoghi  e  in  momenti  diversi«3). 

Wir  sind  am  Schlusse  angelangt.  An  den  verschiedensten  Gattungen 
italienischer  Poesie  haben  wir  den  groBen  Meister  sich  begeistern  sehen. 
Sonett,  Canzone  und  Madrigal,  Hirtengedicht  und  Heldengedicht  haben 
seine  Tone  geschmtickt,  zu  frommen  G-esangen  wie  zu  pathetischer  Dar- 
stellung,  wie  zum  ausgelassenen  Mummenschanz  der  Komodien  hat  er 
in  die  Leier  gegriffen.  Aufzuzeigen,  wie  der  Kunstler  bei  diesen  seinen 
hochst  vielgestaltigen  Beziehungen  zur  italienischen  Literatur  zu  den  so 
griindlich  verschiedenen  Dichtwerken  griindlich  verschiedene  Weisen  schuf , 
war  hier  nicht  beabsichtigt.  Ein  Hauptpunkt  aber  soil  kurz  angedeutet 
werden.  Es  gibt  noch  viele  Nichtmusiker  und  noch  mehr  Musiker,  welche 
zwischen  geistlichen  und  weltlichen  Kompositionen  des  16.  Jahrhunderts 
keinen  Unterschied  zu  machen  erlauben.  Ware  Lasso,  das  Kind  der 
Zeit  >des  wiederentdeckten  Individuums«,  iiberhaupt  noch  ein  Kunstler 
zu  nennen,  wenn  er  nicht  imstande  gewesen  ware,  zu  > Madonna  mia  cara« 
und  >Signor  le  colpe  mie«  in  grundverschiedenen  Tonen  zu  singen?  Eine 
eingehende  Priifung  der  Texte  leistet  auch  in  dieser  Frage  der  musika- 
lischen Erkenntnis  den  besten  Vorschub. 


1)  Indes  klagt  der  Herausgeber  iiber  schlechten  Absatz.    Ygl.  noch  Crescimbeni 
HI,  124;  I,  346. 

2)  Canto  I,  38—50;  52—64;  66—59.    Der  21.  TonBatz  ist  ein  lateinisches  Vide  homo. 

3)  Giorn.  stor.  1888,  S.  463. 


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442  Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Miinchener  Oper. 


Die  Anfange  der  Miincfaener  Oper 

von 

Ludwig  Schiedermair. 

(Miinchen.) 

In  Italien  war  die  Oper  entstanden.  Hier  entfaltete  fide  sich  mid  er> 
wies  ihre  Existenzberechtigung.  Aber  nicht  allein  in  Italien  sollte  die 
neue  Kunstgattung,  die  vornehmlich  in  Florenz,  Rom  und  Venedig  er- 
bliiht  war,  Pflege  und  liebeyolle  Aufnahme  finden.  Auch  in  den  be- 
nachbarten  Kulturlandern,  in  Frankreich  und  Deutschland  erwarb  sich 
das  jtinge  Musikdrama  Freunde  and  Forderer,  die  dem  dentschen  Sing- 
spiel  gefahrliche  Gegner  wurden.  In  keiner  deutschen  Stadt  konnte  sich 
der  italienischen  Oper  ein  giinstigerer  Boden  zur  Ansbreitung  bieten,  als 
gerade  in  Miinchen,  wo  der  bayrische  Kurfurst  Ferdinand  Maria  mit  einer 
kunstsinnigen  Italienerm,  Adelaide  von  Savoy  en,  vermahlt  war.  Diese 
war  noch  nicht  lange  in  Miinchen,  als  bereits  das  erste  italienische  Stuck 
dieses  nenen  Stils  aufgefiihrt  wurde.  Und  von  da  ab  blieb  die  Miinchener 
G-esellschaft  anf  lange  Zeit  hinaus  der  italienischen  Oper  treu1). 

Wie  in  der  Baukunst,  so  laBt  sich  auch  im  Drama2)  von  einem 
»Jesuitenstil«  sprechen,  dessen  Zweck,  auf  die  Massen  zu  wirken  und 
durch  Pracht  zu  blenden,  man  deutlich  zu  erkejinen  vermag.  Fiir  diese 
Jesuitendramen  war  die  Musik  eine  willkommene  •  JBeigabe.  Man  kannte 
ja  aus  der  Kirche  die  Wirkung,  welche  die  Gleichberechtigung  von  Ton, 


1)  In  neuerer  Zeit  hat  Fr.  M.  Rudhartin  seiner  »Geschickte  der  Oper  am  fiofe 
zu  Munchenc  (Freising  1865)  aus  Bibliotheken  und  Archiven  Material  zusammenge- 
tragen,  um  uns  einen  Einblick  in  die  damaligen  Musikverhaltnisse  zu  geben.  Auch 
uber  das  Einsetzen  der  italienischen  Oper  in  Bayerns  Hauptstadt  hat  er  uns  zahlreiche 
Einzelheiten,  wenn  auch  nicht  zuverlassig  und  einwandfrei,  mitgeteilt.  Immerhin 
blieb  ea  aber  erst  der  modernen  Forschung  vorbehalten,  hier  das  "Wichtige  vom  Neben- 
8'achlichen  zu  trennen,  den  Spuren  nachzugehen  und  vollwertige  Tateachen  an  Stelle 
von  bedenklichen  Annahmen  zu  setzen.  Erst  Adolf  Sandberger  hat  in  den  »Denk- 
malern  deutscher  Tonkunst,  Zweite  Folge€,  in  seinem  Kerll  gewidmeten  Bande  das 
bisher  uber  die  Anfange  der  Miinchner  Oper  schwebende  Dunkel  erhellt.  Auch 
der  Verfa8ser  dieser  Zeilen  war  in  seiner  Schrift  »Kunstlerische  Bestrebungen  am 
Hofe  des  Kurfursten  Ferdinand  Maria  von  Bayernc  bemiiht,  ein  Kulturbild  jener 
Tage  zu  entwerfen.  Dagegen  hat  meines  Wissens  eine  zusammenfassende  Darstellung, 
die  speziell  nur  die  Anfange  der  Oper  in  Miinchen  beriicksichtigt,  bis  jetzt  gefehlt. 
Eine  solche  versucht  der  Verfasser  mit  obigen  Ausfuhrungen. 

2)  Ygl.  v.  Reinhardstottner  »Zur  Gteschichte  des  Jesuitendramas  in  Munchenc 
im  Jahrbuch  fiir  Miinchner  Geschichte  1889. 


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Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Mnnehaner  Oper.  443 

Wort  und  Handlung  ausiibt1).  In  diesen  Jesuitenspielen,  denen  ver- 
schiedene  Male  in  Miinchen  der  Hof  beiwohnte2),  diirfen  wir  wohl  die 
ersten  Vorboten  jener  Allegorien  und  Prunkstlicke  erblicken,  wie  wir  sie 
unter  der  Regierung  Ferdinand  Maria's  so  zahlreich  in  Mode  kommen 
sehen.  Da  war  es  der  italienische  Geistliche  und  Harfenvirtuos  Giovanni 
Battista  Maccioni,  der  in  seiner  >Farpa  festante*,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  ein  Stiick  bot,  das  nicht  allein  mehr  zur  Erhohung  der  Wirkung 
Musikeinlagen  enthielt,  sondern  bereits  wirkliche  Sologesange,  Duette  und 
auch  einen  Chor  aufzuweisen  hatte. 

Bevor  auf  dieses  im  August  1653  in  Miinchen  aufgefiihrte  erste  Stiick 
musikdramatischen  Stils  und  die  ihm  folgenden  Opern  eingegangen  wird, 
ist  es  yorerst  notig,  einen  XJberblick  iiber  die  musikalischen  Zustande  am 
Miinchner  Hof  bis  zum  Auftreten  Maccioni's  zu  gewinnen. 

Die  Miinchener  Hofkapelle  umfaBte  damals  39  Personen,  von  denen 
19  Sanger,  2  Organisten,  1  Organistenschiiler  und  17  InstrumentaKsten 
waren.  An  der  Spitze  stand  Jacopo  Porro  als  Hofkapellmeister.  Man 
sucht  vergebens  seinen  Namen  in  Musikgeschichten  und  findet  ihn  nur 
sparlich  in  Nachschlagewerken3).  Und  doch  war  er  keineswegs  so  un- 
bedeutend,  daB  sein  Name  der  Vergessenheit  anheimfallen  diirfte.  Urn 
das  Jahr  1635  beginnt  seine  Tatigkeit  in  Miinchen.  Vorher  war  er  Or* 
ganist  am  savoy'schen  Hofe*)  und  bei  St.  Peter  in  Rom5).  Unter  Kur- 
f  iirst  Maximilian,  unter  Maria  Anna  und  auch  noch  unter  Ferdinand  Maria 
leitete  er  die  Hofkapelle  und  zwar,  wie  sich  schlieBen  laBt,  zur  Zufrieden- 
heit  des  Hofs.  Denn  im  andern  FaDe  w&re  er  wohl  kaum  so  lange  Zeit 
in  seiner  Stelle  verblieben.  Im  September  1653  wird  ihm  vom  Kurfiirsten 
eine  Unterstiitzung  zu  einer  Reise  nach  Italien  gewahrt7),  die  er  auch 
antritt,  vielleicht  um  seine  Gesundheit  zu  starken  und  neue  Krafte  fiir 
die  Hofkapelle  zu  engagieren.  Mit  Vermittlung  des  bayerischen  Residenten 
in  Rom,  Crivelli,  konnte  er  den  beiiihmten  Bassisten  Giovanni  Carlo 
Ferrucci  fiir  die  Hofkapelle  gewinnen.  Ln  Herbst  1655  weilte  Porro 
bereits  wieder  in  Miinchen.    Doch  begann  er  hier  zu  krankeln  und  die 


1)  Vgl.  P.  Wagner  »Binfuhrung  in  die  gregorianischen  Melodien*,  Freiburg  1896. 

2)  Wolfgang  Bauer  »Aus  dem  Diarium  gymnasii  S.  J.  Monacemis*,  Miinchen 
1875,  p.  22/23. 

3)  Rudhart  erwahnt  ihn  a.  a.  0.,  aber  auch  nur  kurz  und  mit  einer  gewissen 
Geringsch&tsung;  vgl.  auch  Eitner  »Quellenlexikon€  8.  Bd. 

4)  Dies  geht  aus  einer  in  Rom  1622  gedruckten  Sammlung  von  Madrigalen, 
Ottaven,  Dialogen,  Alien  und  Yillanellen  hervor,  in  der  ein  einstimmiges  Stiick  Porro's 
*Non  si  ptw  toffrir*  mit  der  Bezeichnung  »Organista  deU'Altexxa  Set*4*  <ti  Savota< 
enthalten  ist.  Vgl.  hiezu  Emil  Vogel  >Bibliothek  der  gedruckten  wehlichen  Vokal- 
musik  Italiens  in  den  Jahren  1500 — 1700 «,  Berlin  1892.  Zwei  geistliche  Ghesange 
Porro's  finden  sich  in  Vine.  Scapitta's  •Vaghi  fiori*  1628  (vgl.  Eitner,  a.  a.  O.). 

5)  Kgl.  bayr.  Staatsarchiv:    K.  schw.  313/17. 


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444  Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Miinchener  Oper. 

Ausubung  seines  Amtes  auszusetzen.  In  einem  rfihrenden  Brief e1)  be- 
nch tet  er  von  seinem  Leiden,  daB  »der  Kartarrh  vom  Kopf  zur  Brust 
heruntersteigt«,  und  weist  auch  zugleich  darauf  hin,  daB  yon  einem  Noten- 
schreiber  die  »vielen  Kompositionen«,  die  er  >in  dem  Zeitraum  von  fast 
21  Jahren  geschrieben«,  besonders  aber  diejenigen,  welche  »i.  Dt.  hau- 
figer  singen  zu  lassen  geruhen«,  abgeschrieben  werden  sollten.  Gredruckt 
waren  seine  Kompositionen  in  der  Mehrzahl  also  nicht;  sonst  hatte  man 
sie  nicht  durch  einen  Kopisten  vervielf  altigen  lassen  mtissen.  Am  27.  Pe- 
bruar  1656  wurde  Kerll  als  provisoriscber  Vizekapellmeister,  wahrschein- 
lich  zu  des  kranken  Porro  Unterstiitzung  angestellt1).  Allein  Porro  er- 
holte  sich  von  seinem  Leiden  nicht  mehr,  sondern  siechte  dahin  und  starb 
im  Sommer  1656.  Die  Patres  Karmeliter  bestatteten  ihn  in  Munchen 
zur  Ruhe3). 

Porro  wird  wohl  fast  ausschlieBlich  Kirchenkomponist  gewesen  sein. 
Kompositionen  schrieb  er,  wie  er  in  dem  oben  genannten  Briefe  selbst 
zugibt,  in  groBer  Anzahl.  Doch  scheinen  dieselben  fast  alle  verloren- 
gegangen  zu  sein.  Aus  einer  >Designatio  conipositionum  a  suo  CapeUae 
Magistro,  ante  discessum  hie  relictarum**)  geht  hervor,  daB  sie  vorzugs- 
weise  Messen,  Litaneien  und  Offertorien  waren.  Ob  wohl  der  begleitete 
Sologesang  in  sie  Eingang  gefunden  hat?  Aber  auch  »battetiper  il  seruitio 
di  tavola*  finden  wir  in  der  > Designation  aufgefiihrt.  Wohl  wird  man 
unter  ihnen  einfache  Suitenmusik,  Lieder  oder  Tahze,  wie  sie  die  Pfeifer 
und  blasenden  Stadtmusikanten  (auch  in  Porro's  Kapelle  waren  durchweg 
nur  Blaser)  seit  langerer  Zeit  pflegten5),  zu  verstehen  haben,  Stucke,  die 
vielleicht  zu  einem  Pestspiel  gehorten  und  so  die  Yolksmusik  in  die  Sale 
der  Hofgesellschaft  brachten6). 

Porro  war,  wie  aus  einem  andern  Briefe7),  der  sich  mit  der  Un- 
zufriedenheit  der  Italiener  mit  dem  fruheren  Vizekapellmeister  Girolami 

1)  Dereelbe  findet  sich  im  Personalakt  Porro's  im  Miinohner  Kreiearchiv:  BL  R. 
463/202. 

2)  S.  den  Personalakt  Kerll's  im  Miinchner  Kreisarchiv. 

3)  In  den  Batsprotokollen  des  Miinchner  Stadtarchivs  aus  dem  Jahre  1657  findet 
sich  eine  darauf  beziigliche  Notiz.  Dem  Sonne  Porro's  werden  unterm  16.  Februar 
1667  in  »Ansehung  der  Verdienste  seines  Yaters<  300  fl.  bewilligt  (Miinohner  Reichs- 
archiv,  Fiirstensachen).  Ein  Schwiegersohn  Porro's  war  Carlo  Pesenti,  wie  aus  K. 
schw.  227/25  des  Miinchner  Staatsarchivs  hervorgeht. 

4)  Adolf  Sandberger  hat  in  der  Beilage  seines  Kerll -Bandes  den  genauen 
Wortlaut  aus  dem  Miinchner  Kreisarchiv  mitgeteilt.  VgL  auch  meine  Schrift,  a.  a. 
0.  p.  100. 

5)  Ygl.  Hugo  Riemann  >Die  Variantenform  in  der  alten,  deutschen  Tanzsuite« 
im  >Musik.  Wochenblattc  1885. 

6)  Ygl.  Herm.  Kretzschmar  >Musikal.  Werke  der  Kaiser  Ferdinand  HL, 
Leopold  I.«  im  »Musikal.  Wochenblattec  1895. 

7)  Miinchner  Kreisarchiv  H.  R.  463/202. 


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Ludwig  Schiedermair,  Die  Anf  ange  der  Miinchener  Oper.  445 

Maggi  beschaftigt  und  den  Ausspruch  bringt:  »In  der  Musik  kann  nichts 
Happen,  wenn  die  Eintracht  fehlt«,  hervorgeht,  ein  Musiker  von  >altem 
Schrot  und  Korn«.  Mit  der  neuen  Kunstrichtung,  der  Oper,  wird  er  sich 
daher  nicht  abgegeben  haben.  Diese  iiberlieB  er  dem  bereits  seit  dem 
12.  Mai  1651 ]}  in  Miinchen  weilenden  Giovanni  Battista  Maccioni, 
der  sich  der  besonderen  Gunst  Adelaide's  von  Savoyen  erfreute2). 

Wie  ein  echter  Renaissancekiinstler  vereinigte  Maccioni  mit  einer  nicht 
gewohnlichen  Begabung  eine  bemerkenswerte  Vielseitigkeit.  Er  war 
Geistlicher,  Dichter8),  Harfenist,  Komponist4),  Kunstkenner  und  Kunst- 
richter,  zuletzt  auch  Diplomat6).  Er  erwies  sich  in  alien  seinen  Unter*- 
nehmungen  und  Leistungen  als  eine  Personlichkeit,  die  weit  mehr  war 
als  das  Sprachrohr  der  Kurfiirstin  Adelaide,  selbstandig  genug,  eigne 
Wege  zu  gehen,  ohne  dabei  die  Wunsche  des  bayrischen  Hofes  auBer 
Acht  lassen  zu  miissen.  Im  August  1653  wurde  gelegentlich  eines  Be. 
suches  des  Kaisers  Ferdinand  III.,  dessen  Vorliebe  fiir  Musik  sich  auch  in 
seiner  Fiirsorge  fiir  junge  Kiinstler  zeigte6),  Maccioni's  »Varpa  festante* 
zur  Auffiihrung  gebracht7).  Text  und  Musik  dieses  nach  Sandberger 
>ersten  Gebildes  des  neuen  dramatischen  Stils*  in  Miinchen  finden  sich 
im  cod.  16889  der  k.  k.  Hofbibliothek  zu  Wien,  die  mir  auch  freundlich 
Einsichtnahme  gewahrte8). 

Als  Vorwurf  dienen  Maccioni  die  Vorziige  und  Tugenden  des  Kaisers 
Ferdinand,  also  des  der  Auffiihrung  beiwohnenden  Gastes.  Diese  werden 
in  iiberschwanglicher  Weise  gefeiert  und  gepriesen.  In  der  Form  des 
Textes  wird  die  Reihenfolge  eingehalten,    daB  sich  von  den  Verszeilen 

1  und  2  oder  1  und  3,  2  und  4,  aber  auch  1  und  4,  2  und  3  reimen. 
Die  Sprache  ist  sehr  reich  an  Bildern  und  Vergleichen,  die  dem  damaligen 
Geschmack  entsprachen.  Fiir  die  Komposition  ist  nun  der  Text  in  ver- 
schiedene  Abschnitte  zerlegt,  die  den  einzelnen  Singstimmen  (BaB,  Tenor, 

2  Soprane,  Alt)  zum  Vortrag  iiberlassen  werden.  Der  BaB  beginnt  (G-moll, 


1)  Kgl.  bayr.  Staatsarchiv  K.  schw.  313/15. 

2)  So  wurde  er  von  ihr  zum  >Hofkaplan  und  Harphenistc  ernannt. 

3)  Als  solchen  schildert  ihn  v.  Reinhardstottner  in  seiner  Abhandlung  »Uber 
die  Beziehungen  der  italienischen  Literatur  zum  bayrischen  Hofe€  im  >Jahrbuch  fur 
Miinchner  aeschichtec  1887  p.  125  ff.    Vgl.  auch  meine  Schrift,  a.  a.  0.  p.  89  ff. 

4)  Dies  konnte  zuerst  A.  Sandberger,  a.  a.  0.  p.  14/15  feststellen. 

5)  S.  meine  Schrift,  a.  a.  0.  p.  92. 

6)  S.  Ghrido  Adler  ^Ferdinand  DX,  Leopold  I.  und  Karl  VL  als  Forderer  der 
Musik«  in  der  Vierteljahrsschr.  f.  Musikw.  8.  Bd.,  p.  255. 

7)  Ad.  Sandberger  (a.  a.  0.  p.  15)  und  Eitner  >Quellenlexikonc  (6.  Bd.  p.  263) 
haben  auf  dieses  Stuck  hingewiesen. 

8)  Die  Partitur  besteht  aus  einem  mit  Goldleisten  geschmiickten  Quartband  von 
22  Blattern.  Die  Handschrift  (von  wem?)  ist  sauber  und  deutlich  und  enthalt  2  ver- 
zierte  Initialen,  die  Anfangsbuchstaben  derVorrede:  S  und  des  Textes:  0.  Auch  ein 
eigenes,  geschriebenes  Textbuch  ist  vorhanden,  das  im  Oktavformat  8  Blatter  aufweist. 


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446  Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Munchener  Oper. 

4/4-Takt)  mit  einem  Eezitativ:  »0  Regnator  del  mondo,  o  Ferdinando 
augusto*.  Bei  den  Worten  >devota«  und  *di  carUar*  stoBt  man  auf 
Koloraturen,  die  im  ersten  Falle  sich  abwarts,  im  letzten  Falle  aufwarts 
bewegen.  Dem  BaB  folgt  der  Tenor,  der  mit  den  Worten:  *0  fortuna- 
te soglio<  (G-moll,  C-Takt)  einsetzt  und  an  sein  Eezitativ  bei  der  lyrisch 
angehauchten  S telle:  » 0  Muse  venite*  eine  kleine  2  teilige,  melodisch  etwas 
abgebrauchte  Arie  (C-moll,  3-Takt)  anfiigt.  Der  erste  Teil  dieser  Arie 
besteht  aus  8  Takten,  der  zweite  Teil,  der  die  Anfangsworte  der  Arie 
gleichsam  als  Refrain  wiederholt,  aus  4.  Bei  dem  Wort:  *canto*  ist 
wiederum  eine  Koloratur  angebracht.  Der  Tenorarie  ist  ein  geschlosaenes 
Satzchen  von  16  Takten  im  ariosen  Stil  fiir  2  Soprane:  >Bd  desio*  (C-moll, 
3-Takt)  angereiht.  (S.  Anhang  1).  Der  2.  Sopran  folgt  dem  ersten  teils 
in  Terzengangen,  teils  aber  auch  in  gar  nicht  libel  geratener  Imitation. 
Von  den  zwei  Sopranen  setzt  nun  der  zweite  aus,  wahrend  der  erste  ein 
langeres  Eezitativ  ausf iihrt,  in  dem  sich  gegen  den  SchluB  zu  ein  2  maliger 
Taktwechsel  von  */4  in  3  und  umgekehrt  vollzieht.  Nach  iiber  70  Takten 
Tereinigt  sich  der  erste  Sopran  wieder  mit  dem  zweiten  zu  einer  Arie  von 
12  Takten  (D-moll,  74-Takt),  in  der  die  Terzenbehandlung  des  zwei- 
stimmigen  Vokalsatzes  zum  Yorteil  der  Imitation  vollstandig  aufgegeben 
ist.  Wiederum  schweigt  die  zweite  Stimme  und  bei  den  Worten:  *Tintt 
Vherbe*  hebt  eine  Arie  (D-moll,  C-Takt)  des  ersten  Soprans  an,  die,  wenn 
sie  auch  auf  den  Inhalt  des  Textes  weniger  Eiicksicht  nimmt,  wohl  als  die 
beste  Nummer  des  ganzen  Stiickes  gelten  kann  (Anbang  2).  Der  zweite 
Sopran  antwortet  wieder  mit  einem  langeren  Eezitativ  und  erst  nach 
diesem  tritt  der  Alt  auf,  zuerst  ebenf alls  mit  einem  Eezitativ  (Anhang  3], 
in  dem  ein  dreimaliger  Taktwechsel  vor  sich  geht,  dann  mit  einer  be- 
wegten  Arie.  Unmittelbar  an  diese  schlieBt  sich  ein  fiinfstimmiger  Chor 
von  groBerer  Ausdehnung  an,  der  ebenfalls  durch  die  Imitationen  zu 
interessieren  vermag.  Der  InstrumentalbaB,  der  nur  dem  Chor  und  auf 
einige  SchluBakte  in  der  Arie  *  0  Muse  venite*  fehlt,  ist  noch  durchweg 
continuo  und  nicht  an  der  thematischen  Arbeit,  wenn  sich  iiberhaupt  bei 
Maccioni  von  einer  solchen  reden  lieBe,  beteihgt. 

FaBt  man  das  ganze  Stiick1)  ins  Auge,  so  erkennt  man,  daB  Maccioni 
keineswegs  zu  den  besonders  talentierten  Komponisten  seiner  Zeit  am 
Munchener  Hofe  gehorte.  Seine  Eezitative  sind  nicht  farblos,  seme  Arien 
namentlich  an  den  Anfangen  nicht  ohne  melodischen  Eeiz.  Die  Be- 
handlung  der  Singstimmen  ist  zumeist  eine  gliickliche,  und  in  den  Duetten 
die  technische  Ausfiihning  eine  bemerkenswerte.  Aber  einen  Haupt- 
fehler  beging  Maccioni  wohl  darin,  daB  er  sich  selbst  der  Musik  gerade 

1)  Im  1.  Duett,  im  Altrezitativ  und  im  Chor  treffen  wir  verschiedentlich  ge- 
schwarzte  Noten :  #.  Wir  haben  dieselben,  die  2  Minimeu  gelten,  wohl  ate  Uberreste 
der  Hemiole  der  Meneuralnotation  zu  verstehen. 


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Ludwig  Sduedermair,  Die  Anfange  der  Mftnchener  Oper. 


447 


nicht  entgegenkommende  Verse  schuf  und  in  seiner  Tonsprache  auf  den 
Inhalt  dee  Textes  nur  recht  auBerlich  Bezug  nahm.  "Wohl  vermeinen 
wir  Ansatze  zu  einer  Vertiefung  der  Sologesangsstellen  ofters  zu  horen, 
aber  es  bleibt  nor  bei  diesen;  bald  steuern  sie  einer  Durcbschnittsmusik 
wieder  zu.  Das  Stuck  zeigt  den  gebildeten  Mann  seiner  Zeit,  dem  auch 
die  muaikalische  Technik  und  die  zeitgenossische  Produktion  nicht  ver- 
schlossen  geblieben  war.  So  begegnet  una  in  dem  Altrezitativ  eine  kleine 
Barkarolenmelodie,  wie  sie  uns  in  Oesti's  Opern  auffallt: 


i 


a 


^£E 


ZBL 


S=^ 


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t4*r 


£ 


* 


^M 


1ST    & 


tez 


it 


EH 


jas^-^r: 


An  die  Art  der  Venetianer  erinnert  die  harmonisch  harte  Stelle  der 
Sopranarie:  *Tinte  Vherbe*: 


di     do      -      lori    uaw. 


\m 


s 


Einflti88e  des  berfihmten  Lamento  di  Arianna  von  Monteverdi  zeigt  fol- 
gende  Stelle,  die  ebenfalls  aus  der  Sopranarie:  Tinte  Fherbe*  genommen  ist: 


1 


s^p= 


^^m 


di    do  -  lo 


3E£EE±2 


ZltZ 


Mangelt  es  Maccioni's  Kompositionen  auch  an  tieferer  Empfindung  und 
Phantasie,  so  verdienen  einige  seiner  Stticke  doch  Beachtung. 

Aufier  der  *Varpa  festante*  kennen  wir  von  Maccioni  noch  die  im 
Jahre  1657  aufgefuhrte  introduttione  per  il  BaUeto  *Li  quatro  Elemmti*, 
die  1658  gegebene  Barriera:  >  Applaud  festivU  und  das  1660  zur  Dar- 
stellung  gebrachte  drama  musiccUe  *Ardetia*.  "Wahrend  von  den  Text>- 
toiichern  noch  gedruckte  Exemplare  vorhanden  sind *),  ist  die  Musik  dieser 
Stiicke  wohl  verschollea.  Mag  sein,  daB  sie  von  Maccioni  selbst  her- 
riihrte,  mag  sein,  daB  sie,  wie  Sandberger2)  in  Betracht  zieht,  von  Porro's 
Nachfolger  Kerll  stammte.  In  den  >Elementen«  treten  die  Erde,  die 
Luft,  der  Ozean  und  das  Feuer  personifiziert  als  Gotter  mit  ihrer  Gefolg- 


1}  In  der  Munchner  Hof-  und  Staatsbfbliothek. 
2}  A.  a.  0.  p.  2829. 


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448  Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Munchener  Oper. 

schaft  auf,  Tanze  vorfiihrend.  Den  AbschluB  des  Stucks  bildet  die  Ver- 
herrlichung  des  Feuergottes,  der  von  vier  Halbgottinnen,  von  denen  eine 
von  der  Kurfurstin  Adelaide  selbst  dargestellt  wurde,  umgeben  war,  und 
ein  von  den  vier  Elementen  gemeinsam  gesungenes  Madrigal:  >Qodi, 
godi  felice*. 

Die  *Applausi  festivi*  wurden  zu  Ehren  des  im  August  in  Miinchen 
weilenden  Kaisers  und  des  Erzherzogs  Leopold  gegeben.  Soli  und  Chore 
verschonerten  hier  das  Turnier,  bei  dessen  Umzug  Prunkwagen  verwendet 
wurden,  welche  Sonne,  Mond,  Sterne,  den  Regenbogen,  ja  sogar  einen 
feuerspeienden  Berg  darstellten  und  von  Mitgliedern  der  kurfiirstliclien 
Pamilie  selbst  angefuhrt  wurden1).  Blasinstrumente  fanden  eine  aus- 
giebige  Verwendung.  So  horen  wir  von  zwei  Trompeterchoren  zu  je 
6  Stimmen,  die  >kontinuierlich  allerlei  schone  Aufztige  blieBen«2).  Auf 
die  diesem  Textbuch  beigegebenen  Abbildungen  wird  spater  noch  zurtick- 
zukommen  sein. 

Nach  Griechenland  versetzt  uns  Maccioni's  *Ardelia*.  Im  Prolog  wird 
die  Kurfurstin  durch  »to  Bdta  femimle<  verherrlicht.  Solche  den  Fiirstr 
lichkeiten  zugedachte  Huldigungen  am  Eingang  der  Oper  waren  damals 
Iiblich.  Ein  Beispiel  hierfiir  haben  wir  schon  in  der  1647  in  Paris  auf- 
gefiihrten  Oper  *Le  manage  dHOrpM  et  (TEurydice*  Luigi  Rossi's,  in  der 
im  Prolog  Ludwig's  XIV.  besonders  ehrend  gedacht  wurde.  —  Um 
Ardelia,  die  einem  jungen  Edelmann  Eliodor  zugetan  ist,  wirbt  der  Konig 
Idrante.  Doch  verzichtet  dieser  schlieBlich  auf  die  schone  Hof  dame,  die  sich 
nun  ihrem  Geliebten  zu  eigen  geben  kann.  Wiederum  beendet  ein  Madrigal 
der  Hauptpersonen  das  drama  musiccde.  Abgesehen  von  der  zuletzt  ge- 
nannten  Ensemblestelle  findet  der  Ohor  in  dieser  Oper  keine  Verwendung. 

In  den  ersten  drei  Stiicken  Maccioni's  spielt  die  Allegoric  eine  Rolle. 
Da  Maccioni  Geistlicher  war,  ist  es  begreiflich,  daB  er  sich  gerne  dieser 
Form  bediente.  Denn  ihrer  hatte  sich  ja  der  Klerus  in  Rom  schon  seit 
geraumer  Zeit  fur  seine  erbaulichen,  didaktischen  Zwecke  bemachtigt. 
Immerhin  ist  es  aber  bemerkenswert,  daB  Maccioni  auch  das  >galante< 
Motiv  in  seiner  *Ardelia*  benutzte.  Vielleicht  kann  man  die  Stiicke 
Maccioni's  als  Gelegenheitsdichtungen  bezeichnen,  die  manche  Fliichtig- 
keiten  und  MiBgriffe  verzeihlicher  erscheinen  lassen.  Dazu  kam  noch, 
daB  Maccioni,  wie  er  selbst  in  den  Vorreden  seiner  Textblicher  erwahnt, 
den  Anregungen  und  Ideen  der  Kurfurstin  Adelaide  Rechnung  tragen 
muBte.  Doch  war  Maccioni  auch  als  Textdichter  kein  origineller  Er- 
finder,  vielmehr  stark  von  der  zeitgenossischen  Produktion  abhangig. 
Schon  der  Priester  Giacinto  Oornachioli  d'Ascoli  hatte  ein  Stiick  *  Diana 


1)  S.  meine  Schrift  a.  a.  0.  p.  90,  wo  hieruber  ausfuhrlicher  beriohtet  wird. 

2)  Handschriftliche  Randglosse  des  Philipp  Jakob  von  BeiCheim  zu  Schwindach 
im  Textbuch. 


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Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Munchener  Oper.  449 

schemata,  Favola  boscareccia*  (1624),  das  auf  eine  Verherrlichung  der 
Familie  des  Papstes  Urban  V1LL.  hinausging,  komponiert  und  Francesca 
Caccini  zu  einem  »Balleto«  zu  FuB  und  zu  Pferd  (1625)  Musikstiicke  ge- 
schrieben1).  Und  in  der  *Ardelia<  begegnen  uns  Motive,  welche  die 
venetianische  Dichterschule  zu  ihren  Requisiten  zahlte.  Nach  der  Auf- 
fuhrung  der  ^ArdeUa*  nahm  Maccioni  Abschied  von  Miinchen.  Im  Jahre 
1662  war  er  bereits  in  Rom2).  Wichtige  Dienste  leistete  er  von  da  aus 
in  religiosen  Fallen  und  weltlichen  Dingen  dem  bayrischen  Hofe.  Aber 
auch  das  Engagement  der  Kiinstler  lag,  wie  wir  noch  sehen  werden, 
groBenteils  in  seinen  Handen.  Thro  kam  wesentlich  das  Yerdienst  zu, 
daB  der  italienische  Kapellmeister  Ercole  Bernabei  einer  Berufung  nach 
Miinchen  Folge  leistete. 

Schon  ein  Jahr  nach  der  Auffiihrung  von  Maccioni's  »Farpa  festante* 
wurden  in  Miinchen  verschiedene  neue  musikdramatische  Stiicke  zur  Dar- 
stellung  gebracht,  die  zugleich  dafiir  den  Beweis  liefern,  daB  der  Hof 
der  Pflege  der  Oper  nicht  abgeneigt  war.  So  sind  >La  ninfa  ritrosa*, 
*Mercurio  e  Matte  discordU,  eine  dramatische  Kantate  fiir  Soli  und  Chore, 
sowie  »Le  Pompe  di  Cipro*  zu  erwahnen.  Fiir  die  ersten  drei  Stiicke 
hat  Sandberger3)  als  Komponisten  Pietro  Zambonini  aufgesucht,  als 
Dichter  des  zuletztgenannten  Ballettvorspiels  hat  man  an  dem  seit  1652 
iim  Miinchen  tatigen  Hofmusiker  und  Altisten  Carlo  Macchiati4)  fest- 
zuhalten.  "Wie  in  Graf  0.  Malvezzi's  *La  Rosaura*  (Wien  1689)  das 
Schicksal  einer  Mannerfeindin  zum  Vorwurf  genommen  ist5),  so  wird 
uns  in  *La  ninfa  ritrosa*  ebenfalls  eine  Hasserin  der  Liebe  vorgefiihrt. 
Im  » Pompe  di  Cipro  €  wird  ein  Streit  inszeniert,  indem  auf  der  Insel  Cypern 
>!Fama<  und  »Fortunac,  begleitet  von  persischen  und  agyptischen  Mad- 
cken,  auftreten  und  mit  »Amor«,  der  sich  mit  cyprischen  Damen  hinzu- 
gesellt,  in  Meinungsverschiedenheiten  urn  die  gegenseitigen  Vorziige  ge- 
r»ten.  Den  Sieg  tragt  natiirlich  Amor  davon,  da  sich  unter  seinen 
GJefahrtinnen  die  Kurfiirstin  Adelaide  selbst  befand.  Auch  Macchiati 
h-atte  sich  in  diesem  Stiicke  mit  der  Allegorie  begniigt,  hatte  den  Liebes- 
gott,  der  schon  in  den  Werken  der  Florentiner  Schule,  etwa  in  Andrea 
Salvadori's  >La  Flora*,  in  die  Handlung  eingreift,  in  sein  Textbuch 
heriibergenommen.  Von  den  Partituren  ist  meines  Wissens  nichts  auf 
uns  gekommen. 

1)  Vgl.    H.   G-oldschmidt     »Studien    zur   Gesch.    der    italienischen    Oper   im 
17.  JahrhunderU  1901  p.  30,  37. 

2)  S.  Kgl.  bayr.  Staatsarchiv  K.  schw.  337/30  und  489/4;   vgl.  meine  Schrift,  a. 
a.  0.  p.  91/92. 

3)  A.  a.  0.  p.  15. 

4)  S.  meine  Schrift  a.  a.  0.  p   93. 

5)  H.  Kretzschmar    »Die   venetianische   Oper]  und   die    Werke  Cavalli's  und 
Cesti's*  in  der  Vierteljahrschr.  f.  Musikw.  8.  Bd.  p.  9.  ' 

s.  a.  i.  m.  v.  29 


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450  Lttdwig  Schiedermair,  Die  Anf  ange  der  Mfinchener  Oper. 

Nun  aber  rollzog  rich  am  Mu&chetter  Hofe  allmahlich  ein  tTmschwung, 
der  nicht  znletzt  der  Oper  zu  statten  kam.  Ein  Opernhaus  wurde  ge- 
baut,  Porro,  der  Vertreter  der  alten  Bichtung,  trat  imm^-  mehr  in  den 
Hintergrund,  ein  junger,  hochbegabter,  der  fceuen  Kunstrichtung  zugetaner 
Musiker  wurde  an  die  Spitze  der  Hofkapelle  gestellt,  das  Sangermaterial 
durcb  Zuziebung  neuer,  angesehener  Krafte  aus  Italien  gehoben,  die 
allegorische  Oper  durch  Werke  im  Stile  der  venetianischen  Oper  ver- 
drangt. 

Bs  steht  wohl  aufier  Zweifel,  daB  die  junge  Kurf&rstin  Adelaide  es  war, 
die  fttr  ihre  heimatliche  Kunst  eintrat  und,  wenngleich  sie  von  Turin  her 
noch  nicht  alkuviele  Opera  kannte  *),  doch  immerhin  musikalisch-szenische 
Darbietungen  und  sei  es  auch  nur  urn  des  Prunkes  *illen  unter  ihr  Pro- 
tektorat  stellte2).  Adelaide,  die  einst  fur  Lndwig  XTV*.  in  Aussicht  ge- 
nommene  Braut,  war  zudem  eine  romantisch  veranlagte  Natur,  die  ihre 
Gedanken  in  die  Form  des  Sonetts  zu  bringen  vermochte,  sich  gliicklich 
im  Malen  versuchte,  die  Harf e  spieHe  und  auch  eifrig  den  Gresang  pftegte 3). 
Nicht  lange  nach  ihrem  Einzug  in  die  bayrische  Hauptstadt  (am  22.  Juli  1652) 
setzte  auch,  wie  wir  gesehen  haben,  die  italienische  Oper,  vorerst  freilich 
noch  in  Gestalt  von  Vor-  und  Zwischenspielen,  van  Litermedien,  in  Miinchen 
ein.  Ware  keine  italienische  Prinzessin  die  Gremahlin  Ferdinand  Maria's 
geworden,  so  ist  es  wohl  zweifelhaft,  ob  die  italienische  Oper  sofort  in 
Miinchen  eine  Pflanzstatte  gefundeh,  nicht  vielmehr  deutsche  Musiker  rich 
gegen  die  Fremdherrschaft  aufgelehnt  hatten.  Doch  Adelaide  trug  keines- 
wegs  zum  AusschluB  der  deutschen  Ktinstler  bei4).  Wie  hatten  sonst 
deutsche  Musiker  in  der  Hofkapelle,  wie  z.  B.  der  Komponist  Wendler9) 
sich  Geltung  rerschaffen  koraien,  wie  ware  sonst  das  Engagement  Job. 
Kasp.  Kerll's  zustaxtde  gekommen! 

Kef  11  hatte  zuerat  in  Wien  bei  Giov.  Valentini,  hiera»f  in  Bom  bei 
Carissimi  und  Frescobaldi  seine  musikalischen  Studien  gemacht.  Damn 
war  er  in  die  Diensfoe  des  Erzherzogs  Leopold  Wilhelm  getreteo,  on  nach 
Aufkteung  von  dessen  Hofhaltung  in  Br&sselnach  Miinchen  tiberzusiedeln6). 
fiier  luufi  er  bereits  1655  gewesen  sein;  am  27.  Februar  1656  erfolgte 
seine  Ernemrang  zum  Vkekapellmeister,  unterm  20.  September  (bzw. 
18.  Oktober)  desselben  Jahres  die  zum  wirklichen  Kapellmeister.  Seinem 
Wirken  wurde  vom  Hofe  lebhafte  Anerkennung  gezollt,  die  sich  in  Geld- 
spenden,  der  Verleihung  des  Ratstitels,  eines  Lehensbriefes  usw.  auBerte. 


1)  S.  Sandberger,  a.  a.  O. 

2)  S.  meine  Schrift  a.  a.  0.  p.  88. 

3)  Maccioni  und  Kerll  waren  eine  Zeit  lang  ihre  Lehrer. 

4)  S.  meine  Schrift  a.  a.  0.  p.  86. 

6;  S.  Sandberger,  a.  a.  0.  p.  28£L 
6)  S.  Sandberger,  a.  a.  0.  p.  10. 


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Ludwig  Schiedermair,  Die  Anf  ange  der  Munohener  Oper.  451 

Er  war  ein  gebildeter  Mann,  kannte  sich  im  Latein  aus,  vermochte  seine 
Vorreden  selbst  zu  verfa&sen,  vereinigte  ein  edles  Gemut  mit  einar,  wean 
es  notig  war,  zielbewuBten  Energie1).  Ala  Kapellmeister,  als  Lekrer, 
als  Instrumentalvktuos  wie  als  Komponist  setzte  er  in  Munchen  seine 
Krafte  ein.  Yon  seiner  grofien  kunstlerisehen  Begabung  legen  die  uns 
noch  erhaltenen  Messen  Zeugais  ab2);  aber  auch  auf  dem  G-ebiete  d6r 
Oper  erzielte  er  beachtenswerte  Leistungen.  Leader  beaitaen  wir  von 
letzteren  nur  mehr  die  Textbiicher3). 

Wie  aber  hatte  Kerll  Opem  sohaffen  und  but  Auffubrung  bringeo 
konnen,  wean  am  Miinchner  Hofe  nicht  bereiis  Maccioni  unter  der 
Agide  Adelaide's  das  Feld  hiefiir  geebnet.  Besondera  gunstig  war  fur 
Kerll  wobl  auch  der  Umstand,  daB  noch  vor  seiner  Ernennung  znm 
wirklichen  Kapellmeister  ein  Opemhaus  vollendet  und  eine  groBere  Ari- 
zahl  von  Gresangskraften,  auch  Kastraten,  gewonnen  worden  war. 

Kein  neues  Gebaude  sollte  fiir  die  Opernvoratelhmgen  aufgefiihrt 
werden,  das  Komhaus  viebnehr  einen  Umbau  erfahren.  Schotn  unter 
Maximilian  I.  begannen  die  Vosrarbeiten,  die  aber  dann  eine  Yerzogerung 
erlitten.  Erst  1654  nahm  man  die  Arbeiten  wieder  anf.  Die  Bauleiter 
waren  Max  Schinagl,4)  der  von  der  Pike  auf  gedient  hatte,  und  Michael 
Heichel').  Diese  loste  dann  der  »walsche  Baumeister*  Francesco  Santurini 
ab.  Doch  fanden  Auffiihrungen  nicht  allein  im  Opemhaus,  sondern  auch 
in  der  Residenz  wie  auf  in  der  Nahe  yon  Munchen  gelegenen  Lust* 
schlossern  statt  Da  jetzt  der  Rahmen  fur  die  musikalischen  Darbietungen 
in  Munchen  ein  groBerer  ge worden,  bedurfte  es  natiirlich  auch  einer 
Yerstarkung  des  Musiker-  und  Sangerpersonals.  So  dauerte  jetzt  zwischen 
dem  bayrischen  Hofe  und  seinem  Residenten  in  Rom  der  rege  Brief- 
wechsel6)  fort,  um  geeignete  und  passende  Kiinstler  fiir  Munchen  zu 
gewinnen.  Der  Sanger,  den  Adelaide  und  Ferdinand  Maria  wiinschten, 
muBte  ahnlich  wie  bei  den  Venetianern  nicht  nur  eine  schone,  ausge-? 
glichene  Stimme,  sondern  auch  eine  Fertigkeit  in  Koloraturen  und  Trillern 
beaitzen.  So  erwahnt,  um  nur  ein  Beispiel  anzufuhren,  Maccioni  in 
einem  Schreiben  von  Rom  aus  (datiert  6.  Januar  1662)  eigens7):  ».  .  .  .  Der 
Sanger  Ferrucci  besitzt  ein  kraftiges  und  angenehmes  Organ, .  eine  sichere 
Tongebung,  einen  ausgezeichneten  Ubergang  und  einen  wunderschBnen 

1}  Kerll's  Briefe  find,  soweit  sie  erhalten,  abgedruokt  bei  Sandberger,  a.  a.  0; 
und  in  meiner  Sohrift  a.  a.  0. 

2)  Sie  sehen  in  den  Denkmalern  einer  Veroffentlichung  entgegen. 

3)  In  der  Munchner  Hof-  and  Staatsbibliothek. 

4)  S.  meine  Schrift  a.  a.  0.  p.  105  und  118. 

5)  S.  Munchner  Kreisarchiv  H.  R.  466/18. 

6)  Kgl.  bayr.  Staatsarchiv. 

7)  Aus  der  >Korrespondenz  G.  B.  Maccioni's  mit  Ferdinand  Maria*  im  kgl.  bayr. 
Staatsarchiv. 

29* 


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452  Ludwig  Schiedermair,  Die  Anf  ange  der  Miinchener  Oper. 

Triller;  er  ist  ein  solider,  junger  Mann  und  ruhig;  er  ist  Geistliclier. 
Sollte  dieser  Umstand  ein  Hindernis  fur  die  Verwendung  des  Sangers 
in  der  Komodie  bilden,  so  erwarte  ich  Befehle  .  .  .  .«  Wie  in  Venedig 
hatte  man  auch  in  Mtinchen  eine  Vorliebe  ftir  die  Verwendung  yon 
Kastraten.  Manche  angesehene  Gesangskraft  wanderte  iiber  die  Alpen. 
Es  mogen  nur  die  Kastraten  Ferrucci,  Fregosi,  Tinti,  Ventury,  Bar- 
berio,  die  Bassisten  Giov.  Carlo  Ferrucci,  Macolino  u.  a.  genannt  sein. 
Auch  aus  den  Verzeichnissen  der  Textbucher1)  lieBe  sich  noch  mancher 
treffliche  Kiinstler  anfiihren,  der  aber  nicht  nur  in  der  Oper,  sondern  auch 
in  der  Kirche  mitzuwirken  hatte2).  Wahrend  unter  Porro  die  Hofmusik 
aus  39  Personen  bestand,  wuchs  sie  unter  Kerll  auf  55 3).  Zu  den 
Instrumentalisten,  die  unter  Porro  noch  fast  ausschlieBlich  aus  Blasern 
sich  zu8ammensetzten,  gesellten  sich  jetzt  auch  Geiger4).  Die  Bezahlung 
der  Kiinstler,  vorzugsweise  der  Sanger  war  ahnlich  wie  an  den  Venetianer 
Theatern  eine  durchaus  entsprechende.  So  heiBt  es  in  einem  Schreiben 
der  Hofkanzlei  an  Crivelli  in  Rom  vom  14.  Mai  1652 B):  »Die  Herren 
Musiker  und  besonders  die  Italiener  erhalten  hier  gewohnlich  sehr  gute 
Anstellungen  mit  so  vorteilhaften  Besoldungen,  daB  sie  sich  besser  als 
mancher  Staatsminister,  geschweige  denn  die  gewohnlichen  Beamten 
stellen.«  Aber  auch  eine  »walsche  Sangerine  Antonia  Rivani  fand  unterm 
4.  Februar  1671  Anstellung6).  Vielleicht  wurden  jetzt  schon  in  Miinchen 
nach  dem  Vorgang  von  Venedig  Sangerinnen  anstatt  der  Kastraten  fur 
die  Interpretation  hoher  Gesangspartien  verwendet. 

So  also  waren  die  musikalischen  Verhaltnisse  in  Miinchen  beschaffen, 
unter  denen  Kerll  seine  Opern  schrieb.  Als  sicher  konnen  wir  seine 
Autorschaft  bei  den  Opern:  *VOr<mte*  (Dichtung  von  Alcaini  1657), 
*VErinto€  (Dichtung  von  Pietro  Paolo  Bissari  1661  und  1671),  *Atalanta< 
(Dichtung  von  Rannuccio  Pallavicino  1667),  »Le  pretemioni  del  Sole* 
(Dichtung  von  Domenico  Gisberti  1667)  und  >Cobri  genialu  (Dichtung 
vom  Domenico  Gisberti  1669)  annehmen.  Sandberger7)  schreibt  Kerll 
noch  zu:    *Vamor  delta  patria  superiore   ad  ogn'   altro*   (Dichtung  von 


1)  Eine  Angabe  der  Darsteller  bringt  das  Textbuch  von  Bis  sari's  >VErinto<  auf 
der  vorletzten  Seite.  Das  in  meiner  Schrift  aus  dem  Kgl.  bayr.  Hauaarchive  (p.  96) 
mitgeteilte  Personenverzeichnis  dieses  Stiicks  scheint  also  ein  provisorisch  angelegtea 
gewesen  zu  sein  und  eine  Anderung  bei  der  Auffuhrung  erfahren  zu  haben.  Ver- 
einzelte  Notizen  finden  sich  in  Gisberti' 8  >Le  pretension*  del  Sole*. 

2)  Vgl.  Hugo  Goldschmidt  >Die  italienische  Gesangsmethode  des  17.  Jahr- 
hunderts  und  ihre  Bedeutung  fllr  die  Gegenwartc  1892  p.  3—40. 

3)  Adolf  Sandberger,  a.  a.  0.  p.  19. 

4)  Hofzahlamtsrechnungen  im  Munchner  Kreisarchiv. 
5;  Kgl.  bayr.  Staatsarchiv  K.  schw.  313/15. 

6)  S.  meine  Schrift  a.  a.  0.  p.  133. 
7  A.  a.  0.  p.  28ff. 


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Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Munchener  Oper.  453 

Francesco  Sbarra  1665)  und  *Amvr  tiranno*  (Dichtung  von  Domenico 
Gisberti  1672). 

Im  *POr<mte*  fallt  der  Sohn  des  Konigs  von  Kreta  Seeraubern  zum 
Opfer.  Er  wird  zu  Skanderbeg  gebracht  und  verliebt  sich,  seiner  Her- 
kunft  unbewuBt,  in  Dorisbe.  Mit  Hilfe  Jupiters,  Plutos  und  Amors  ge- 
langt  er  wieder  in  die  alte  Heimat  zuriick.  Dem  Stuck  geht  ein  Prolog 
mit  der  Lobpreisung  der  Kurfurstin  voraus.  Der  Raub  eines  Konigs- 
sohns,  dessen  Unkenntnis  von  seiner  Abstammung  war  ebenso  ein  be- 
liebtes  Motiv  der  venetianischen  Oper,  als  der  Stotterer,  der  im  »VOr(mte* 
sein  Schia-SchiarSchiarare  oder  AnUquaHjua^quario  stammelt,  zu  ihren 
nahezu  typischen  Figuren  zahlte. 

Im  *VErinto*}  einem  >drama  regio  mrmcale*,  das  zur  Geburtstagfeier 
der  Tochter  Adelaide's,  der  Prinzessin  Maria  Anna  gegeben  und  1671 
zu  Ehren  des  Erzbischofs  von  Salzburg  wiederholt  wurde1),  wird  die 
nach  mannigfachen  Schwierigkeiten  doch  endlich  zur  gliicklichen  Ver- 
einigung  fiihrende  Liebe  zweier  Konigskinder  geschildert.  Im  Prolog 
erscheint  neben  Zoroaster  der  Biese  Gerion  und  stimmt  mit  seinen 
3  Kopfen  einen  Gesang  an.  In  der  Oper  selbst  treten  die  Sologesange 
ganz  in  den  Yordergrund.  So  hat  der  1.  Akt  gegen  10  groBere, 
selbstandige  Gesangsstticke  aufzuweisen,  der  2.  Akt  gegen  14,  der  3.  Akt 
gegen  9.  Unter  den  Personen  treffen  wir  neben  den  Hauptpersonen, 
den  Konigen,  einen  tolpischen  Diener  des  Konigs  Oorimante,  eine  als 
Soldat  vermummte  Dienerin  Nerina  der  als  Page  ebenfalls  verkleideten 
Konigstochter  Stelliclea.  Der  Chor  besteht  aus  Soldaten  (Alabardieri, 
Arcieri,  Forusciti)  und  Biirgern  (Cittadini).  Er  greift  im  1.  Akt  zweimal, 
im  2.  einmal,  im  3.  zweimal,  aber  nur  ganz  voriibergehend,  in  die  Hand- 
lung  ein,  fungiert  jedoch  verschiedene  Male  in  Statistenrollen.  Erinnert 
uns  der  »VErmto*  nicht  an  die  Venetianer  Oper!  Hier  wie  dort  ver- 
kleidete  Personen,  ein  scherzhaftes  Dienerpaar,  ein  leider  nur  allzu 
schweigsamer  Chor.  Von  den  -dem  Textbuch  beigegebenen  Ulustrationen 
wird  wie  von  denen  der  bereits  genannten  *Applausi  festivi*  spater  die 
Rede  sein. 

lAtalanta*  behandelt  nach  dem  Vorbild  der  altgriechischen  Sage  die 
Flucht  der  argivischen  Konigstochter  vor  ihren  Werbern.  In  dem  durch 
lateinische  Zitate  unterbrochenen  Vorwort2)  nimmt  Pallavicino  auf  seine 
Quellen    Bezug.      Ein    kurzer    Prolog    leitet    das    Stiick    ein.     Morfeo 


1)  Das  Textbuch  wnrde  fur  das  Jahr  1671  neu  gedruckt.  Eine  Angabe  der  be- 
teiligten  Sanger  fehlt  hier.  Das  mir  aus  der  Munchner  Hof-  und  Staatsbiblioihek 
vorliegende  Exemplar  aus  diesem  Jahre  hat  einen  blauseidenen  Einband. 

2)  Am  Sehlusse  findet  sich  folgendes  Nachwort:  >Le  parole  di  Arrima,  Cieio,  d% 
Dietd,  di  Fato,  di  Forttma,  di  Destino,  ed?  altre  simUi  sono  permesse  acfuna  liberia 
Poetica,  ma  proferite  ne  sensi,  che  rum  mai  repugnano  acPuna  vera  fede  Catolica*. 


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454  Ludwig  Schiedennair,  Die  Anfange  der  Munchener  Oper. 

acoompagnato  da  Sogni  tritt  ant  In  der  Oper  selbst  mutet  una  der 
fliissige,  lebendige  Dialog  an.  Soloszenen  bot  Pallavicino  dem  Komponisten 
verhaltnismaBig  wenige.  Fast  nur  der  Heldin  des  Stiicks,  der  Jagerin 
Atalanta  ist  G-elegenheit  geboten,  ihren  Empfindungen  in  groBeren  Solo- 
formen  Ausdruck  zu  verleihen.  Yon  diesen  sind  im  1.  Akt  die  9.  Szene, 
im  2.  Akt  die  2.  Halfte  der  4.  Szene,  und  im  3.  Akt  die  17.  Szene 
bemerkenswert.  Es  sind  Gebilde  groBeren  "Dmfangs,  in  denen  der  Ton- 
setzer  seine  (Jefiihlsskala  zeigen  konnte.  Pallavicino  war  auch  bemiiht, 
seinen  Yersen  eine  eindringlichere  Grestalt  zu  geben;  so  laBt  er  Atalanta 
Arien  singen,  bei  denen  sich  gauze  Yerszeilen  gleichsam  als  Refrain 
wiederholen.  In  der  angefuhrten  Szene  des  1.  Aktes  bringt  er  die  Worte: 
»Ma  ch'io  pensi  ad  amove?  Mi  si  tolga  il  pensier,  penso  ai  dolore*  vier- 
mal,  in  der  des  2.  Aktes  die  Worte:  >Deh  si  ti  manca  A  oor,  perdi  la 
vita*  ebenfalls  viermal.  In  der  genannten  Szene  des  3.  Aktes  fallt  die 
13malige  Yerwendung  des  Echos  auf.  Den  Worten:  >Ow  riarda  la 
fiamma  il  foco  mio*  antwortet  das  Echo:  »«e>«  und  so  geht  es  weiter  nnd 
zwar  in  der  Weise,  daB  entweder  Teile  des  letzten  Wortes  oder  dieses 
ganz  wiederholt  wird  (lontano  -  nd,  risente  -  smte,  gode  -  ode,  Amore  -  more, 
innamori-mori,  intorno-torno,  riposto-posto,  dis&uxiarcaccia,  traocia-fna, 
mferma  -  fer,  chiama  -  ama,  seco  -  echo).  Man  muB  zugestehen,  daB  dieser 
sinnige  Zug  des  Dichters  seine  Wirkung  bei  der  Auffiihrung  nicht  ver- 
fehlt  haben  wird.  Aber  Pallavicino  schuf  damit  keine  Neuheit.  Schon 
in  Monteverdi's  »Orpheo«  (5.  Akt)  raft  das  Echo  dem  tranernden  Orpheus 
Worte  des  Troste6  zu.  Und  die  Anwendung  des  Echos  hatte  in  Stucken, 
die  wie  Atalanta  der  griechischen  Sage  entnommen  waren,  eine  gewisse 
Berechtigung,  zumal  da*  griechische  Mythos  die  Beziehung  der  Natur- 
krafte  zum  Menschen  nicht  leugnete1).  Dem  Stiick  ist  iiberfltissiger 
Weise  ein  kurzer  *Bingraxziamento*  an  den  Kurfiirsten  angehangt,  der 
wohl  als  Yorbote  des  in  der  Venetianer  Oper  sich  spater  entwickelnden 
Epilogs  aufzufassen  ist.  % 

*Le  pretensioni  del  Sole*  und  »  Colori  geniati*  sind  kiirzere,  allegorische 
Vorspiele,  die  Bingelstechen  und  Tourniere  festlich  einleiten  sollten. 
*Le  pretensioni  del  Sole*  enthalt  groBere  Chore,  so  die  Gruppe  der 
Coribanti,  der  Crepuseoli  und  den  Ohor  di  Delta  celesti,  der  auch  doppel- 
chorig  behandelt  wird.  Dem  Chor  der  Coribanten  waren  die  Tenoristen 
P.  Zambonini  und  Gruilio  Rossoni,  wie  das  Textbuch  erwahnt,  zugeteilt 
Die  Partie  der  Beredntia,  la  Bavara  wurde  von  dem  Oontraalt  Gruiseppe 
Barberio,  die  der  Aurora  von  dem  *gratissimo  e  gratiosissimo  Soprano* 
Agostino  gesungen.    Auch  die  Fiirstlichkeiten  selbst  spielten  wieder  mit. 


1)  S..HL  Goldschmidt,  a.  a.  0.  p.  13  mid  vgl.  H.  Kretzschmar  >£inige 
Bemerkungen  tiber  den  Vortrag  alter  Musik«  im  Jahrb.  der  Musikbibliothek  Peters, 
190Q  p.  63ff. 


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Ludwig  Sdriederaair,  Die  Anfange  der  Miinchener  Oper.  455 

Trompeten  und  Pauken  warden  oftmalg  verwendet,  sie  gaben  auch  das 
Signal  zo  einem  neuen  Anfzug.  Muaikalische  Zwischenspiele  scheinen 
ebenfalls  nicht  gefefalt  m  haben,  da  eine  >sinfoma«  erwahnt  wircL  >I 
cohri  gemab*  sind  als  *Tomiamenio  di  Luce*  bezeichnet.  Als  Personen 
treten  die  Farben  auf,  die  entweder  personifiziert  oder  allegorisch  ge- 
dacht  waren.  GroBere  Sologesange  sind  ihnen  nicht  zngewiesen.  Der 
Choro  de  Colori  greift  zweimal  in  lingerer  Weise  ein.  Bedeutung  kann 
das  Stiick  ebenso  wenig  beanspruchen  wie  *le  pretmsioni  del  Sole*.  Von 
einer  weit  giinstigeren  Seite  zeigt  sich  Gisberti  im  *Amor  tiranno*  und 
in  seinen  anderen  Stiicken. 

*L'amor  delta  patria*  zeigt  den  Marsch  des  Narses  nach  Aurelia. 
Die  Verteidiger  Aurelias  kampfen  mit  Todesverachtung  und  retten  auch 
noch  nach  ihrem  Unterliegen  die  Stadt.  Wiederum  eroffnet  ein  Prolog, 
der  die  kurfiirstliche  Familie  verherrlicht,  das  Stiick.  Die  Oper  selbst 
zeigt  Lebendigkeit  in  der  szenischen  Gestaltung  wie  im  Dialog.  GroBere 
Soloszenen,  die  inneren  Gefuhlsergiissen  Rechnung  tragen,  sind  nicht 
allzu  zahlreich  vorhanden.  Im  2.  Akt  ist  der  Reflexion  noch  am  meisten 
Raum  gegeben.  Auch  in  diesem  drama  mtmcale  halt  der  Verfasser  an 
den  refrainartigen  Tertwiederholungen  bei  den  geschlossenen  Szenen  fest, 
wie  sich  z.  B.  aus  dem  Gesang  des  Konsuls  Emilio  (1.  Akt,  1.  Szene), 
dem  Monolog  des  Soldaten  Tersites  (1.  Akt,  12.  Szene),  der  Tochter 
Emilios,  Elisa  (2.  Akt,  6.  Szene)  ergibt.  Besondere  Erwahnung  verdient 
die  9.  Szene  des  3.  Aktes,  die  eine  Kiiche  innerhalb  eines  Zeltes  dar- 
stellt.  Ein  Koch  *lavora  di  Paste*,  begleitet  seine  Handlung  mit  einer 
Arie.  Dieses  Stiick  ist  textlich  in  seiner  Volkstiimlichkeit  von  groBem 
Reiz.  Drei  Soldatenchore  sowie  die  Burger  beteiligen  sich  nur  insoweit 
an  der  Handlung,  als  sie  kampfen.  Ab  und  zu  hort  man  auch  aus 
ihrem  Munde  die  Rufe:  *A  le  mura,  a  Farmu  (11.  Szene  des  1.  Aktes) 
oder  *Andiamo,  corriamo  compagni"  (16.  Szene  des  1.  Aktes)  oder  »Ma 
rum  sperar,  the  ei  diam  mai  per  vinti*  (14.  Szene  des  3.  Aktes).  Die 
Parallele  mit  den  venetianischen  Choren,  etwaBusenello's  »Didone*  drangt 
sich  auf.  Diese  Chorkiirzungen  sind  ebenso  wie  die  Schlacht-  und 
Kampfesszenen  bei  Sbarra,  der  ja  zur  venetianischen  Dichtergruppe  z&hlte, 
begreiflich.  Die  Aktschliisse  gestaltete  Sbarra  in  wirkungsvoller  Weise. 
Am  Ende  des  1.  und  2.  Aktes  sind  Kampfe  angekiindigt,  »Trompeten 
und  Trommeln*  geben  das  Kolorit.  Am  Schlusse  der  Oper  ftihren 
Soldaten  >un  allegro  battetto*  auf.  Ulustrationen  finden  sich  ebenfalls  in 
diesem  Textbuch.    Auch  auf  diese  soil  spater  eingegangen  werden. 

*Amor  tirarmo*.  auf  Befehl  Adelaide's  1672  zum  Geburtstag  ihres 
Gemahls  dargestellt,  fuhrt  die  Schicksale  schwedischer  und  danischer 
Konige  vor  Augen.  Das  Stiick  tragt  den  Untertitel:  »Poe*ia  Dramatica 
Comica  Nuova  rappresentata  in  musica*.    Als  Quelle  benutzte  Gisberti 


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456  Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Munchener  Oper. 

das  17.  Buch  der  Gottia  des  Giovanni  Magni1).  Die  iiber  drei  Akte 
verteilte  Handlung  spielt  in  Upsala,  »Konungshoegar«  und  >Morasteen«. 
Der  Dialog  ist  belebt  und  charakteristisch;  die  Soloszenen  sind  geschickt 
eingeflochten.  Die  Form  der  Arien  wird  in  diesem  Stticke  eine  festere, 
gedrangtere  und  hatte  ihr  Vorbild  sicherlich  in  den  Venetianer  Texten. 
Bemerken8wert  sind  die  Gesange  des  Fiirsten  Pridleuo.  Die  komischen 
Partien  sind  nach  Venetianer  Art  dem  Diener  Biorno  und  der  Amme 
Viserga  uberlassen.  Fiir  die  volkstiimliche  Art  der  Gesange  Biornoa 
diene  folgende  Stelle  als  Beispiel: 

Mala  cosa  aver  cerveUo, 

N6  saper  lo  moderar 

A  die,  giova  tm  bel  modello, 

Se'  I  pUtor  no*  I  sd  adoprar? 

Bello  e  Paver 

Bello  il  poter. 

Ma  U  saper  e  un  pd  piu  bello, 

Mala  cosa  aver  cerveUo 

Ne  saper  lo  moderar. 

Am  Chor  sind  zahlreiche  Personen  beteiligt,  die  als  Hoflinge,  ala 
Edelknaben,  als  Wachter,  als  Leibgarde,  als  Trompeter  und  Trommler 
zu  agieren  haben.  Aber  es  iraren  durchweg  stumme  Statistenchore,  die 
fiir  die  Handlung  nicht  in  Betracht  kamen.  Jeder  Akt  schlieBt  mit 
einem  ,Ballo4  effektvoll  ab.  DaB  es  ohne  iiberirdische  Machte  nicht  ab- 
gehen  konnte,  sehen  wir  am  Schlusse  der  Oper,  wenn  die  Gottinnen 
Talia  und  Terpsichore  erscheinen. 

Beurteilt  man  diese  Operntexte  nach  ihrem  dichterischen  Gehalt,  so 
mufi  man  bekennen,  daB  Alcaini's  *VOronte*  auf  einer  sehr  niedrigen 
Stufe  steht,  Bissari's  *VErinto*  einen  Blick  fiir  das  Biihnenwirksame  und 
das  Gelegenheitsstiicken  Notwendige  bekundet,  Sbarra's  *Amor  della patriae 
eine  sittliche  Idee  zu  Gunsten  yon  Schlachten,  Ausf alien  und  Kampfen 
iiberhaupt  ausschaltet,  wie  der  Verfasser  in  der  Vorrede  mit  rtihmens- 
werter  OfEenheit  gleich  selbst  bekennt,  daB  »vom  Gefiihl  des  Herzens< 
nichts  zu  verspiiren  sei.  Wesentlich  hoher  sind  die  Texte  Pallavicino's 
und  Gisberti's  einzuschatzen.  Marchese  Pallavicino's  >Ataianta«  verr&t 
den  gebildeten,  von  seiner  Stellung  durchdrungenen  Hofmann.  Gisbertir 
der  Priester  war,  besaB  die  Gabe,  seine  Gedanken  und  Empfindungea 
jeder  Zeit  in  poetische  Formen  zu  bringen.  Als  Lyriker,  als  Prosa- 
schriftsteller  betatigte  er  sich2).  Bald  schrieb  er  Sonette,  bald  ersann 
er  Ratsel,  lateinische,  griechische,  deutsche,  franzosische,  italienische  und 
spamsche  Spriiche  fiir  die  Schlittenfahrten,  heute  suchte  er  sich  fiber 


1)  Gisberti  meint  jedenfalls  die  >Htstoria  de  omnibus  Qothonum  Suecorumque 
regtbus*  des  Johannes  Magni  (1488—1544). 

2)  S.  meine  Schrift  a.  a.  0.  p.  117  ff. 


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Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Miinchener  Oper.  457 

astronomische  Probleme  auszusprechen,  morgen  lieferte  er  eine  Reise- 
beschreibung;  ein  andermal  wagte  er  sich  mit  Gliick  und  starker  Phantasie 
auf  dramatisches  Gebiet1).  Seine  Texte,  die  von  Kerll  komponiert 
wurden,  bekunden  in  der  Wahl  der  Stoffe  eine  gewisse  Kiihnbeit;  die 
dramatischen  Momente  sind  im  Yergleich  zu  Maccioni  klarer  und  sicherer 
erfaBt  Aber  nicht  allein  in  Mlinchen  wurden  Gisberti's  Stucke  gegeben. 
So  erlebte  schon  1660  in  Venedig  im  Teatro  di  8.  ApolUnare  eine  *  opera 
di  Stilo  Rexitativo*:  *La  Paxxia  in  Trono*  ihre  Auffiihrung,  die  im 
Verlauf  yon  drei  Akten  die  Raserei  des  Kaisers  Kaligula  zeigt,  der 
endlich  vom  Wabne  der  Vergotterung  seines  Pferdes  befreit  wird. 

Wenngleich  wir  die  Partituren  zu  Kerll's  Opern  nicbt  besitzen,  so 
konnen  wir  doch  an  der  Hand  seiner  Kantaten,  Capriccios,  Kanzonen 
einen  RiickschluB  auf  seine  Biihnenmusik  ziehen.  Aus  seinen  Kantaten 
laBt  sich  Klarheit  der  Tonsprache  und  Erfindungskraft  ersehen.  Lied- 
maBige,  kiirzere  Sologesangsstellen  sind  eingeschaltet;  der  Koloristik  wird 
durch  Echowirkungen  und  Tonmalerei  ein  grofierer  Spielraum  gelassen. 
Aus  den  Kanzonen  fiir  Streichorchester  gewinnen  wir  einen  Einblick  in 
die  instnunentalen  Einleitungen,  aus  der  Partitur  des  erhaltenen  Jesuiten- 
dramas  »Pia  et  fortis  mtdier*  einen  solchen  in  die  Gestaltung  der 
Rezitative.  Auf  Grund  der  erhaltenen  Textbiicher  konnen  wir  feststellen, 
daB  Kerll  seine  Meisterschaft  in  der  Chorkomposition  nicht  zeigen  konnte, 
vielmehr  den  Gepflogenheiten  der  venetianischen  Textdichter  sich  fiigen 
muBte.  Yon  diesen  Gesichtspunkten  aus  fallt  Sandberger3)  dann  das 
Urteil,  daB  sich  die  Kerll'schen  Opern  »wohl  neben  denen  des  Cavallic 
sehen  lassen  konnten. 

Doch  nicht  allein  Kerll'sche  Opern  erlebten  in  Miinchen  Auffiihrungen. 
Hervorzuheben  ware  eine  Operndichtung  von  Dr.  Marco  Rosetti  >Ottone 
in  Italia*,  deren  Wiedergabe  in  Miinchen  wohl  ins  Jahr  1670  fallt  und 
die  yon  einem  nach  Miinchen  berufenen  Italiener  komponiert  worden  zu 
sein  scheint.  Rosetti  geht  in  seinem  Texte  noch  einen  Schritt  weiter  als 
Gisberti.  Nicht  allein  mehr  der  Olymp,  auch  die  Unterwelt  wird  vor- 
gefiihrt.  Den  Hohepunkt  des  Stiickes  bildet  ein  Reigen  der  Farben,  die 
vom  Regenbogen  herbeigerufen  in  den  Festjubel  miteinstimmen. 

Was  die  dekorative  Ausstattung  aller  dieser  musikalisch-dramatischen 
Werke  anlangt,  so  kann  man  behaupten,  daB  sie  durchweg  eine  prunk- 
volle  war.  Einheimische  wie  italienische  Maler  standen  ja  dem  Miinchner 
Hofe  in  ausreichender  Zahl  zur  Verfligung.  Zudem  sparte  der  Hof  bei 
einer  Opernauffiihrung  in  allem  eher,  wie  bei  der  Inszenierung.  Szenen, 
die    »zehnmal   verandert  werden  konnten*,  Triumphwagen  usw.  wurden 


1)  Die  Miinchner  Hof-  und  Staatsbibliothek  besiizt  8  dicke  Sanxmelbande. 

2)  A.  a.  0.  p.  49  ff. 


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458  Ludwig  Schiedermair,  Die  Anf ange  der  Munchener  Oper. 

gemalt  und  -angefertigt.  Kaspar  Amort,  Matthias  und  Melchior  Eiisell 
und  auch  Francesco  Santurini  beteiligten  aich  in  besonderex  W«se  hieran  *). 

Die  bereits  genannten  Textbticher  zu  *Appbmsi  festivi*,  au  *PErinto* 
und  >^mor  deMa  pahia*  geben  interessante  Aufschltisse  for  die  Anfange 
der  Munchner  Hofoper  in  dekorativer  Beziehung.  Aug  den  *Appknisi 
festivu  erhalten  wir  Kenntnis  von  den  Aufeugen,  ibren  Maschinen,  Wagen 
und  ihrer  Ausstattung.  Zu  der  Gattung  der  »Mascbinea«  gehtirte  der 
Berg  der  Gdtterbotin  Iris,  der  Wasserberg  und  der  Aetna.  Den  beiden 
letzteren  waren  kostumierte  Madchen,  die  Fanfaren  bliesen,  zugeteilt. 
Unter  den  zahlreichen  Wagen  sind  zu  erwahnen:  der  von  gefesselten 
Oentauren  gezogene  *Carro  del  Vespero*,  dann  der  *Carro  <UNotto*j  vor 
den  6  mit  schwarzen  Decken  behangene  Pferde  gespannt  waren,  der 
*Carro  delta  Luna*,  auf  dem  unterhalb  des  Mondes  6  Lauten  spielende 
Madchen  saBen,  der  *Carro  di  mettogiomo* ,  den  6  Greife  zogen,  und 
endlioh  der  »Carro  del  &>fe«.  Man  muB  bei  der  Betrachtung  der  Bilder 
zugeben,  daB  die  Wagen  zum  Teil  mit  feinem  Geschmack  arrangiert 
waren.  Bis  ins  Detail  sorgfaltig  ausgefiihrt,  zeigen  sie  nichts  Uber- 
ladenes.  Sogar  auf  die  Rader  ist  Rucksicht  genommen.  Wenn  der 
Wagen  dem  Sonnengotte  geweiht  war,  dann  hatten  diese  die  Form  kleiner 
Sonnen.  Uberhaupt  war  der  Sonnenwagen  der  prachtigste.  SaB  ja  auf 
ihm  der  junge  Kurf first  selbst.  Musizierende  Genien2)  huldigten  ihm 
da.  Die  am  Zuge  beteiligten  Personen  waren  kostumiert  als:  Winde, 
die  Stunden  des  Tages  und  der  Nacht,  als  Mexikaner,  Peruaner,  Mosko* 
witer,  Tartaren,  Samojeden,  Perser,  Mohren,  die  12  Monate,  die  Jahres- 
zeiten,  Nymphen  und  Genien.  Auch  die  Ausfuhrung  dieser  Trachten 
bekundet  Phantasie. 

Das  Textbuch  des  *VErinto*  veranschaulicht  in  den  beigegebenen 
Bildern  die  einzelnen  Szenen,  Kulissen,  Soffitten  und  Maschinen.  Die 
Hintergriinde  stellen  dar  eine  weite  Flur  oder  ein  Gref&ngnis  oder  einen 
Teil  einer  Stadt,  einen  Rundgang,  einen  Palasteingang,  eine  Festung, 
einen  Strom  oder  die  StraBe  einer  Stadt.  Die  beiden  Seitenwande  der 
Btihne  zerf alien  in  5—6  Kulissen,  die  zum  groBten  Teil  aus  antiken 
Saulen,  aber  auch  aus  Hausern  und  Tiirmen  bestanden.  Als  Soffitten 
sind  wohl  die  Felsstiicke,  eine  Brlicke  und  die  verschiedenen  Bildsaulen 
aufzufassen,  als  Maschinen  die  beweglichen  Wolken  (im  Vorspiel)  und 
die  SchifFe  (im  3.  Akt)  zu  bezeichnen. 

Das  Textbuch  von  *amor  delta  patriae  bringt  als  Hintergriinde  einen 
Stadtteil,  eine  Saulenhalle,  Befestigungen,  ein  Zeltlager,  einen  Festsaal. 


60)  S.  meine  Schrift  a.  a.  0.  p.  104  ff,  sowie  den  dort  in  der  Anlage  mitgeteilten 
•Entwurf  einer  Komodie  in  Musica.« 

61)  Greige,  Flote,  Laute,  Harfe,  Tambourin  und  Cembalo  sind  ihre  Instromente. 


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Ludwig  Schiedermair,  Die  Anf&nge  der  Miinchener  Oper.  459 

Leider  fehlt  die  Kiiche.  Wiederum  ist  die  Ftefzahl  der  Kulissen  bei- 
behalten,  die  el^enfalls  S&ulen  and  Havser  vorstellten.  Doch  kamen 
diesmal  nooh  Bavme  and  Zelte  hinzu.  Als  Versatzstucke  hat  man  sich 
die  Bildsaulen  zu  denken  und  aach  wohl  zwei  Elephanten,  von  deaen 
der  erne  dem  Zuschauer  nur  den  Kopf,  der  andere  nnr  die  Riickseite 
zukehrte.  Das  znletzt  erwahiite  Tier  ting  auf  seinem  Riicken  eine  groBe 
Belagemngsmaschine,  auf  der  sich  durch  Sddlde  gedeckte  Soklaten  be- 
fanden.  Mittels  einer  Maschine  wurde  wohl  die  Eracheinung  des  ,Himeoeo' 
und  der  zwei  Amoretten  (im  Vorspiel)  bewerkstelligt. 

Schon  aus  diesen  kurzen  Andeutungen  uber  die  Szenerie  laBt  sich 
ersehen,  daB  die  Miinchner  Hofoper  sich  auch  in  der  dekorativen  Aus- 
stattung  damals  mit  Dresden  und  Mannheim  messen  konnte.  Bis  zu  den 
Dekorationen  zu  Steff  ani's  *Servio  TulMo*  *)  (im  Jahre  1685  aufgefiihrt) 
war  damals  in  Munchen  freilich  noch  ein  groBer  Schritt 

Fassen  wir  die  Entwicklung  der  Oper  zusammen,  wie  sie  sich  von 
ihrer  Einfuhrung  in  Munchen  bis  zum  Scheiden  Kerll's  und  zur  Er- 
nennung  E.  Bernabei's  im  Jahre  1673  darbietet.  In  einem  Zeitraum  von 
ungefahr  20  Jahren  hatte  man  in  Munchen  eine  nicht  geringe  Weglange 
zuriickgelegt.  Mit  der  italienischen  Prinzessin  war  die'  Oper  an  den 
Miinchner  Hof  gelangt.  Gaben  bescheidener  Art  bot  sie  anfangs  der 
siiddeutschen  Hofgesellschaft  dar.  Zu  festlichen  Gelegenheiten  wurde 
sie  herangezogen,  freilich  nicht  urn  ihrer  selbst  willen,  sondern  meist  zur 
Steigerung  des  Glanzes  und  des  Prunkes.  Wenn  trotz  der  verhaltnis- 
maBig  geringen  Giite  der  Miinchener  Hof  nicht  nachlieB,  die  Oper  zu 
pflegen,  so  lag  dies  wohl  auch  einerseits  an  Adelaide  von  Savoyen,  die 
ihre  heimatliche  Kunst  unter  ihr  Protektorat  stellte,  andrerseits  an  dem 
hochbegabten  Joh.  Kaspar  Kerll,  der  sich  der  neuen  Kunstrichtung  mit 
Xdebe  und  Sorgfalt  annahm. 

Wenngleich  in  den  ersten  Jahren  Texte  von  geringem  Werte  ent- 
standen,  so  wurde  in  der  Folgezeit  ihre  Durchfiihrung  unter  Pallavicino 
und  Gisberti  doch  sicherer  und  klarer.  Man  bemiihte  sich  in  der  Alle- 
gorie  fiir  die  Wirklichkeit  eine  Scheinwelt  zu  setzen,  segelte  aber  schon 
bald  vollig  in  das  Fahrwasser  der  venetianischen  Operntexte.  Zu  den 
einfachen  allegorischen  Figuren  kommen  jetzt  Romer,  Skandinavier  usw. 
hinzu,  die  Typen  der  venetianischen  Oper  werden  immer  deutlicher  nach- 
geahmt;  die  Oharakterisierung  der  Helden  verrat  jetzt  auch  in  Munchen 
den  EinfluB  Minato's  und  der  Venetianer  Schule;  die  Vorliebe  fiir  Effekte 
auf  der  Biihne  wird  starker,  der  Ohor  greift  in  die  Handlung  nur  selten 
mehr  ein  und  gewinnt  lediglich  noch  in  den  Aufziigen  und  Tournieren 
an  Bedeutung.     Angesehene  italienische  Opernkomponisten  wurden  vor 


1)  S.  Artur  Neisser  *Servio  TuUio;  Leipzig  1902  p.  139 ff. 

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460  Ludwig  Schiedennair,  Die  Anfange  der  Mtinchener  Oper. 

den  beiden  Bemabei  wohl  kaum  nach  Miinchen  gezogen;  dagegen  bleibt 
die  dominierende  Stellung  KerlTs  zu  betonen,  der  aus  italienischer  Schule 
hervorgegangen  seine  deutsche  Nationalist,  wie  wir  aus  seiner  Yorliebe 
fiir  Tonmalereien  und  Naturschildeningen  ersehen,  nicbt  verleugnen 
konnte.  Im  Personal  und  in  der  Inszenierung  stand  Miinchen  damals 
auf  der  Hohe  der  Zeit,  Greldopfer  wurden  nicbt  gescbeut.  Flir  die 
Miincbener  Hofoper  war  die  Herrschaft  der  Italiener  auf  lange  Zeit 
hinaus  durcbaus  kein  Nachteil. 


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Ludwig  Sohiedermair,  Die  Anfange  der  Mfinchener  Oper.  461 

ANHANO. 
Duett  fiir  2  Soprane  und  Gontinuo. 

Giov.  Batt.  Maccioni. 
Bearbeitung  Ton  Dr.  Ludw.  Sehiedermftir. 

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Ludwig  SoJuedennair,  Die  AnfSnge  der  Mthtchener  Oper.  463 


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464  Ludwig  Sohiedermair,  Die  Anfange  der  Monohener  Oper. 


Arie  fiir  Sopran  und  Oontinuo. 


Giov.  Batt.  Maccioni. 
Beftrbeitung  ron  Dr.  Lndw.  8chi«d«rm*ir. 


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Ludwig  Sohiedarmair,  Die  Anfange  der  Miinehener  Oper. 


465 


pra.ti     cor.rer     fiumiin    san.gui  J  na.ti    son   ri  .  cor  - 


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pra.ti     oor.rer  fiumiin    san.gui  J  na.ti    son    ri .  cor 


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466  Ludwig  Sohiedermair,  Die  Anflnge  der  Miinohener  Oper. 

Rezitativ  fur  Alt  und  Gontinuo. 

Oiov.  Batt.  Maeeioni. 
BeftrWtunff  tou  Dr.  Ludw.  8ehied«rm*ir. 


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Ludwig  Schiedermair,  Die  Anfange  der  Mtinchener  Open.  467 


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468  Ladwig  Sehiedermair,  Die  Anftnge  der  MfLnohener  Operf 


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Carl  Mennicke,  Zur  Biographie  Joh.  Adolph  Hasse's.  489 


Zur  Biographie  Joh.  Adolph  Hasse's 

(Nachtrag) 
von 

Carl  Mennicke. 

(Leipzig.) 


Der  im  Jahrgang  V,  S.  230  der  Sammelbande  befindlichen  biographischen 
Studie  fiber  Johann  Adolph  Hasse  diesen  vorliegenden  Nachtrag  folgen  zu 
lassen,  sieht  aich  der  Verfasser  zun&chst  genotigt  durch  Entdeokung  einiger, 
gewisserma£en  unterirdischen  Quellen,  und  ferner  durch  Kenntnisnahme  des 
Inhalts  einer  Abhandlung,  welche  auf  den  meisten  Bibliotheken  nicht  vor- 
handen,  und  welche  weder  durch  den  Yerleger  noch  durch  Antiquare  auf- 
zutreiben  war.  Es  handelt  aich  um  die  Schriffc  La  «Nuova  Sirena> 
e  U  «Caro  Sassone*  note  biografiche  da  Q.  M.  Urbani  de  Gheltof,  Venezia 
1890,  8°,  81  pag.,  ohne  Angabe  des  Verlegers.  Hinsichtlich  dieser  Abhand- 
lung,  deren  Inhalt  die  musikalische  Biographie  noch  nicht  benutzt  hat,  zeigt 
aich  von  neuem  die  Primitivitat  unsrer  Musikzeitungen  in  puncto  Regi* 
strierung  auslandischer  Nova  auf  dem  Gebiete  der  bibliographischen  und 
hiatoriographischen  Muaikliteratur.  Das  genannte  Werk,  von  dessen  Exiatenz 
der  Yerfasser  durch  Zufall  erfuhr,  erschien  vor  14  Jahren;  keine  deutsche 
Musikzeitung  registrierte  dieses  Faktum,  ganz  abgesehen  von  einer  kritiachen 
Wiirdigung  des  darin  niedergelegten  unbekannten  Materials.  Wir  holen 
heute  das  Versaumte  nach  und  erweitern  das  Ganze  auf  Grand  seither  er- 
schienener  Monographien  zur  italienischen  Theatergeschichte  und  eigener 
Untersuchungen.  Hinsichtlich  der  Tatigkeit  Hasse's  und  seiner  Gemahlin  in 
Deutschland  bringt  die  erwShnte  italienische  Biographie  nur  eine  kritische 
Zusammenstelhing  des  bekannten  Materials,  wobei  Irrtiimer  unterlaufen,  aber 
fur  die  Kapitel  »  Faustina  Hasse «  und  » Hasse  in  Italien«  Blanches  Unbe- 
kannte  von  Wert. 

Faustina  Bordoni  wurde  im  Jahre  1700  in  Venedig  geboren,  wie  aus  dem 
bei  ihrem  Tode  auigenommenen  Protokoll  hervorgefct.  Ihr  Vater  war  Paolo 
Bordoni.  Nach  Benedetto  Marcello's  Aussagen  soil  sie  bereitemitl3 
Jahren  aufgetreten  sein.  Nachweisbar  singt  sie  in  Venedig  im  Jahre  1716  in 
Carlo  Franc.  Pollaroli's  Drama  in  musica  Ariodante,  »rappresentata  nel 
Farmosissimo  Teatro  di  San.  Giov.  Grrisostomo  PAnno  1716c.  Ln  Textbuch 
dieser  Oper  steht  zu  lesen  »La  Signora  Faustina  Bordoni,  Serva  attuale, 
e  Yirtuosa  di  Camera  del  Serenissimo  Elettor  Palatino«.  Die  Oper  war 
gewidmet  >a  sua  Altezza  Serenissima  Reale  e  Elettorale  di  Frederico 
Augusto  Principe  Real  di  Polonia  e  Elettoral  di  Sassonia*  *).  Der 
sachsische  Kurfikst  hielt  sich  im  Mai  1716  in  Venedig  auf  und  beehrte 
Faustina  mit  dem  Titel  »Virtuosa  di  camera  in  partibus  da  Augusto  IL 


1)  Dedikationsexemplar  auf  der  Dresdener  Bibliothek  (Mus.  B.  642). 

30* 


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470  Carl  Mennicke,  Zur  Biographie  Joh.  Adolph  Hasse's. 

Elettore  di  Sassonia«.  Ihre  Tatigkeit  bleibt  vorlaufig  auf  Venedig  be- 
schrankt.  Sie  singt  1717  in  Albinoni's  Eumeiw  und  Lotti's  Alessandro 
Severo.  Im  Herbst  1718  singt  sie  bei  einer  Wiederholung  von  Poll  a - 
roli's  Ariodante  zum  erstenmal  mit  ihrer  Bivalin  Francesca  Cuzzoni1). 
In  demselben  Jahr  zur  Zeit  des  Karneval2)  sang  Faustina  noch  in  Marco 
Ant.  Bononcini's  Astianatte  und  in  Gasparini's  Arsace.  Im  Jahre 
1719  tritt  sie  auf  in  Ant.  Pollaroli's  Leocippe  e  Teonoe,  in  Gas- 
parini's  H  Lamano  und  in  Orlandini's  Ifigenia  in  Tauride,  in  den 
beiden  letzten  wiederum  mit  der  Cuzzoni.  Im  Herbst  1720  folgen  dann 
Giov.  Porta's  Teodorieo,  im  Karneval  Orlandini's  Paride,  imKarneval 
1721  Orlandini's  Nerone  und  Ant.  Pollaroli's  Lucio  Papirio  Ditto- 
tore*)',  in  den  beiden  letzten  tritt  Faustina  vorlaufig  zum  letztenmal  mit 
ihrer  Bivalin  aus  Parma  auf.  Wir  finden  Faustina  1721  in  Bologna 
wieder  zur  Auffiihrung  von  Panati's  Astarte*).  Von  Bologna  fiihrt  ihr 
Weg  nach  Neapel.  Dort  singt  sie  im  Karneval  1722  in  Sarro's  Parte- 
nope,  im  August  desselben  Jahres  in  Leo's  Bajaxet  und  im  November 
in  Vinci's  Publio  Cwnelio  Seipio.  In  demselben  Jahr  wurden 
auch  gelegentlich  ihres  Aufenthalts  in  Florenz  zwei  von  Giuseppe 
Brocetti  entworfene  Medaillen  auf  sie  gepragt.  Das  Jahr  1723 
brachte  ihre  erste  Reise  nach  Deutschland,  an  den  Miinchener  Hof. 
Wie  wir  aus  dem  Tagebuch5)  des  Graf  en  MaximiUan  von  Preysing 
erfahren,  sang  Faustina  am  1.  Oktober  1723  zum  erstenmal  am 
Hofe,  bei  der  sogenannten  Tafelmusik.  Am  12.  Oktober,  zum 
Namenstag  des  Kurfiirsten,  trat  sie  in  Pietro  Torri's  Oper  Griselda 
auf8),  zu  der  die  Proben  schon  am  6.  September  begonnen  hatten.  Es 
scheint,  als  ob  sich  Faustina  nach  dem  Besuch  des  Miinchener  Hofes 
wieder  nach  Italien  gewandt  habe;  denn  Urbani  de  Gheltof  zufolge 
(a.  a.  O.)  singt  sie  im  Winter  1723  in  Mancini's  Trajano  in  Neapel. 
Auch  zitiert  Wiel  (a.  a.  0.)  ihr  Auftreten  im  Herbst  1723  in  Venedig 
in  Gasparini's  Li  equivoei  d'amore  e  (Einnocenxa,  und  fiir  den  Karneval 
1724  in  Giacomellis  Ipermestra  und  in  Gasparini's  11  piu  fedel 
tra  li  amid,.    Am  26.  August  1724  singt  Faustina  in  einem  Hofkonzert 7) 


1)  Die  Cuzzoni  war  mit  Faustina  gleichaltrig;  sie  wurde  1700  in  Parma  geboren 
and  sang  erstmalig  1716  in  Bologna  in  Bassani's  Alarico,  Re  deiQoH  (vgl.  Roberti, 
La  musica  nel  secolo  XVIII.  ftivista  musicale  1900,  p.  716.) 

2)  Karnevalszeit  vom  26.  Dezember  bis  zum  Fastnachtsdienstag. 

3)  Die  in  Venedig  aufgefuhrten  Opern  nach  Wiel,  ITeatri  Musicali,  Venezia  1897. 

4)  Ricci,  I  Teatri  di  Bologna.    Monti  1888. 

5)  Auf  dieses  Tagebuch  Miinchen,  Hof-  und  Staatsbibliothek)  hat  Ad.  Sand- 
berger  in  der  Vorrede  der  Abaco-Ausgabe  hingewiesen  (DenkmaL  D.  T.  in  Bayern  lU 

6)  Vgl.  auch  Ru.dhart,  Geschichte  der  Oper  am  Hofe  zu  Miinchen.    Freiaing  1866. 

7)  Die  angesetzte  Oper  konnte  nicht  aufgefuhrt  werden,  da  die  Musiker  streikten, 
weil  sie  drei  Jahre  lang  kein  Gehalt  gekriegt  hatten.    (Dresden,  Staatsarchiv.) 


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Carl  Mennicke,  Zur  Biographie  Joh.  Adolph  Hasse's.  471 

in  Miinchen,  am  24.  September  und  11.  Oktober  mit  Bernacchi  in 
Torri's  Amadis  de  Grecia*).  Nach  Venedig  zuruckgekehrt,  horen  wir 
sie  in  Franc.  Brusa's  H  Trionfo  della  Virtii  und  zum  Karneval  1725  in 
Orlandini's  Berenice  und  in  den  Opern  La  Rosmira  fedele  und  Ifigmia 
in  Taaride  von  Leon.  Vinci.  Von  Venedig  aus  trat  Faustina  1725  das 
glanzende  Wiener  Engagement  an,  blieb  jedoch  nur  ein  Jahr  an  der 
Donau  und  verabschiedete  sich  als  Gianisbe  in  Gius.  Porsile's  Spartaco 
am  21.,  27.  Februar  und  3.  Marz  von  dem  musikalischen  Wien.  Zeno, 
der  kaiserliche  Hofpoet,  schreibt  am  23.  Marz: 

Lunedi  partira  di  qui  la  Faustina,  alia  volta  di  Londra.  12  incredibile 
il  desiderio  che  lascia  di  se  stessa  a  tutta  la  Corde,  e  in  particolare  alia 
Padronanza,  da  cui  e  stata  generosamente  regalata  e  distinta. 

Das  Kapitel  » Faustina  in  London «  hat  Chrysander  in  seinem 
> Handel*  (II,  142  ff.)  griindlich  bearbeitet.  Faustina  trat  erstmalig  am 
5.  Mai  1726  in  Handel's  Alessandro  vor  das  Londoner  Publikum,  hatte 
am  7.  Marz  1727  in  Handel's  Admet  Benefiz  und  verlieB  London, 
nachdem  sie  am  1.  Juni  1728  zum  letztenmal  im  Admet  aufgetreten  war. 

In  Senesino's  Gesellschaft  soil  sie  iiber  Paris  nach  Mailand  gereist  sein 
und  in  letzterer  Stadt  neue  Triumphe  gef eiert  haben,  wof  iir  wir  jedoch  keine 
beweiskraftigen  Dokumente  aufzubringen  vermogen.  Im  Karneval  1729 
singt  sie  in  Venedig  in  Orlandini's  Adelaide  und  in  Giacomelli's 
Gianguir.  In  demselben  Jahr  finden  wir  sie  wieder  am  Hofe  zu  Miin- 
chen;  sie  singt  an  der  Seite  Farinelli's  am  19.  und  22.  Oktober  1729 
die  Partie  der  Giocastra  in  Torri's  Edippo  a  Colono 2).  Bald  kehrt  sie  nach 
Italien  zuriick,  hort  vom  Ruhme  des  >Sassone«  und  singt  am  Himmel- 
fahrtstage  1730  in  Venedig  zum  erstenmal  in  einer  Oper  ihres  kiinftigen 
Gatten,  in  Dalisa  auf  dem  Theater  S.  Samuele.  Joh.  Georg  KeyBler's3) 
Reisebrief  aus  Venedig  vom  Mai  1730  entnehmen  wir,  >daB  Faustina 
sich  nachstens  mit  dem  beriihmten  Musico,  Johann  Adolph  Hasse,  ver- 
heiraten«  wird.  Somit  scheint  dieser  Ehebund  erst  nach  dem  auBer- 
ordentlichen  Erf olg  der  Oper  Dalisa  geschlossen  worden  zu  sein.  Ferner  ist 
uns  iiberliefert,  daB  in  der  Auffuhrung  von  Hasse's  Arta^erse  (Venedig 
J.730)  die  Damen  Cuzzoni  und  Pieri  auftreten,  nicht  aber  Faustina. 
Auch  in  Hasse's  Catone  in  Utica  (Turin  1731)  sang  Faustina  nicht  mit; 
sie  beteiligte   sich  vielmehr   in   15   Auffiihrungen   von  Andrea  Fiori's 

1)  Laut  Korrespondenzen  des  Grafen  Wackerbarth  und  des  Generalfeldmarschall 
Graf  en  v.  Flemming  (Dresden,  Staatsarchiv). 

2)  Nach  Akten  des  Staatsarchivs  in  Dresden. 

3)  Fortsetzung  neuester  Reisen  durch  Deutschland,  Bohmen,  Ungarn. . .  Hannover 
1749.  S.  709.  KeyBler  zitiert  auch  ein  angeblich  1829  entstandenes,  von  dem  Munchener 
Patrizins  von  Eeindl  gedichtetes  lateinisches  Sonett,  das  in  seiner  XJberschrifb  »Yocalis 
Musicae  Prodigio,  Philomelae  Suavissimae,  Fauetinae  Bordoni,  nunc  Has  sec  auf 
eine  spatere  Entstehungszeit  verweist,  als  auf  Faustina's  Aufenthalt  im  Jahre  1729 
in  Munchen. 


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472  Cfcri  Mfcnnicke,  Zur  Biographic  Joh.  Adolph  Hasse's. 

Siroe  in  Turin;  ihre  Leistung  wurde  glanzend  honoriert  Nachdem  der 
Besuch  Dresdens  im  Sommer  1731  zm  keiner  definitiven  Anstellung  ge- 
fiihrt  hatte,  kehrte  das  Ehepaar  nach  Italien  zurtick.  Faustina  sang  in 
Turin  1731  in  Rice.  Broschi's  Ezio,  in  Predieri's  Scipione  U  giwine 
und  zum  Karneval  1732  in  Griacomelli's  Eparmnonda,  daneben  natiir- 
licb  zumeist  in  den  Werken  ihres  G-atten  (II  Demeirio  1732,  Venedig). 
In  Hasse's  Euristeo  (Venedig,  Himmelfahrtstag  1732)  sang  die  Cuzzoni, 
nicht  Faustina,  was  im  Hinblick  auf  die  bdsartigen  Bivalit&ten  dieser 
Sangerinnen  in  London  zum  mindesten  eigenartig  iet;  dock  wiederholt 
«ch  dieselbe  Erscbeinung  in  Hasse's  Viriate  (Yenedig  1739).  Die  defini- 
tive Anstellung  in  Dresden  erfolgte  1734.  Die  Eigenart  dieses  Engage- 
ments, die  in  den  langen  Unterbrechungen  der  Aufffthrungen  zum  Aus- 
druck  kommt,  hatte  zur  Folge,  daB  Hasse  in  Venedig  ein  Haus  kaufte, 
wie  aus  Akten  des  Staatsarchivs  zu  Venedig  hervorgeht. 

Un8erer  friiheren  Darstellung  der  Dresdener  Periode  haben  wir  an 
dieser  Stelle  nichts  wesentlich  Neues  beizuftigen.  Ausgenommen  sei  nur 
der  Besuch  am  franzOsischen  Hofe. 

Den  «Memoires  du  Due  de  Luynes*1)  entnehmen  wir,  daB  das  Ehe- 
paar Hasse  Mitte  Mai  1750  in  Paris  eintraf.  Der  s&chsische  Kurfurst 
hatte  sie  gesehickt  «pour  les  amusements  de  la  Dauphine*.  Faustina 
hatte  der  besorgte  Kurflirst  der  Herzogin  von  Brancas  empfohlen.  Der 
franzosische  Konig  gestattete,  daB  beide  «au  grand  commun»  logierten. 
Am  3.  Juli  sang  Faustina  in  einem  Konzert  «chez  M*6  la  Dauphine*, 
von  Hasse  am  Cembalo  begleitet,  «mais  &  la  manifcre  italienne*.  Die 
Kenner  urteilten,  daB  Faustina  in  Anbetracht  ihres  Alters  Ausgezeichnetes 
leiste,  die  Cuzzoni  und  selbst  Farinelli(!)  iibertr&fe.  Am  3.  August 
fand  ein  weiteres  Hofkonzert  statt,  dem  auch  der  Dauphin  beiwohnte; 
Faustina  wie  ihr  Gemahl  wurden  6ehr  reich  beschenkt.  Hasse  und 
Faustina  muBten  ein  Duo  aus  der  Oper  Artaserse  singen,  und  der  Dauphin 
fand  soviet  Greschmack  an  Hasse's  Kompositionen,  daB  er  ihn  beauftragte, 
ein  Tedeum  zu  komponieren  <pour  l'accouchement  de  MB6  la  Dauphine*2). 
Der  «Mercure  de  France »  erw&hnt  von  den  Pariser  Tagen  Hasse's  im 
Jahre  1760  nichts;  in  den  von  ihm  publizierten  Programmen  des  Concert 
spirituel  taucht  Hasse  erst  1753  auf:  das  Konzert  vom  8.  Dezember 
dieses  Jahres  beginnt  mit  einer  Symphonie  Hasse's.  Der  von  uns  schon 
zitierten  Erwahnung  Hasse's  und  seiner  Meinung  iiber'Lully's  Alceste 
in  Grimm's  <Correspondance  litt£raire»  konnen  wir  heute  die  Mitteilung 
liber  einen  Brief  Grimm's  vom  2.  April  1752  an  den  Abb€  Baynal  folgen 


1)  Paris  18e2,  Tome  X,  p.  279.  298.  303. 

2)  Briefwechsal  des  aachnacfaan  Ministers  Grafen  Briihl    mit  der  Xnmpriazearin 

Maria  Antonia  (Dresden,  Staatsarchiv). 


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Carl  Mennicke,  Zur  Biographie  Joh.  Adolph  Hasse's.  473 

lassen1),  in  welchem  Grimm  mit  Begeisterung  fiir  seinen  «Compatriote> 
Hasse  eintritt: 

«que  je  suis  tout  aussi  glorieux  que  M.  Hasse  peut  l'etre  lui-meme  du  titre 
de  Saxon  par  excellence  que  les  Italiens  lui  ont  donne  et  qu'a  leur  imita- 
tion M.  de  Voltaire  a  confere*  en  France  au  Heros  du  siecle>. 

Hasse's  kompositorische  Arbeiten  wie  Faustina's  Gesangskunst  stan- 
den  in  Frankreich  in  hohem  Ansehen.  Der  scharf  kritisierende  russische 
Prinz  Beloselski2)  behauptete  gelegentlich  des  Piccinistenstreites,  als 
Padre  Martini  fiir  Gluck  warnie  Worte  der  Anerkennung  fand,  daB  Hasse, 

«le  premier  des  compositeurs  allemands,  est  l'egal  des  premiers  de  l'ltalie. 
La  musique  de  Hasse,  avenante,  nombreuse  et  naturelle  a  force  dart  e litre 
par  l'oreille,  passe  par  l'esprit  et  arrive  au  coeur>. 

Von  Faustina  Bardoni-Asse  (sic!)  sagt  Louis  Riccoboni3): 

«C'est  a  ses  talents  singuliers  et  a  la  prodigieuse  legerete*  de  sa  voix 
que  Faustina  a  1' obligation  d'avoir  invente  une  nouvelle  facon  de  chanter. 
Comme  elle  a  extremement  plu  dans  toute  l'Europe,  on  a  cherche  a  l'imiter; 
mais  ces  imitations,  n'ayant  ni  son  organe  ni  son  talent,  n'ont  fait  que  gater 
leur  maniere». 

An  geringfugige  gesangstechnische  Fehler  Faustina's  erinnert  Hubert 
le  Blanc4): 

«Les  voix  de  Faustina  et  Cossoni  (sic !)  Staient  precisement  dans  le  meme 
caB  de  ne  pouvoir  former  qu'une  Succession  de  Sons,  sans  OroupS,  comparee 
a  la  ligne  qui  est  une  continuation  des  points*. 

Als  sich  Hasse  1739  in  Venedig  aufhielt  und  mit  seiner  Gattin  groBe 
Erfolge  zu  verzeichnen  hatte5),  besuchte  ihn  der  schongeistige  President 
de  Brosses;  er  erzahlt  in  seinen  Brief  en6),  daB  Hasse  zurzeit  «rhomme 
fete>  war;  er  horte  auch  Faustina, 

«qui  chante  d'un  grand  gout  et  d'une  I4geret4  charmante;  mais  ce  n'est  pas 
plus  une  voix  neuve.  C'est  sans  contredit  la  plus  complaisante  et  la  meil- 
leure  femme  du  monde,  mais  ce  n'est  pas  la  meilleure  chanteuse». 

1)  «Mercure  de  France*,  1752  Mai,  p.  187. 

2)  De  la  musique  en  Italie.  Par  le  prince  de  Beloselski,  de  Tinetitut  de  Bo- 
logne.  A  la  Haye  et  Paris  1778.  Vgl.  die  Kritik  dieses  Werkes  in  dem  <  Journal 
encyclop^dique*  1778,  octobre,  p.  60  ff.  und  306  ff. 

3}  Reflexions  historiques  et  critiques  sur  les  differents  theatres  de  PEurope.  Amster- 
dam 1740. 

4)  Defense  de  la  Viole  de  Basse,  p.  61.    Amsterdam  1740. 

6)  Der  Katalog  des  Lyceums  von  Bologna  (1, 136)  verzeichnet  eine  von  Domenico 
Lalli  herausgegebene  Sammlung  von  poetischen  Huldigungen :  »Rime  di  van  autori  in 
lode  della  celeberrima  signora  Faustina  Bordoni  Hasse  ....«,  Venezia  1739. 

6)  Le  President  de  Brosses  en  Italie.  Lettres  familieres  ecrites  d'ltalie  en  1739 
et  1740.  Par  Charles  de  Brosses.  Deuxieme  edition  authentique.  . .  Paris  1868. 
2  vols. 

s.  d.  i.  M.   v.  31 


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474  Carl  Mennicke,  Zur  Biographie  Joh.  Adolph  Hasse's. 

De  Brosses  gibt  ferner  einen  schatzenswerten  Beitrag  zur  Kenntnis 
von  Hasse's  Kunstgeschmack.    Er  erzahlt: 

>Le  fameux  compositeur  Hasse  pensa  s'en  6trangler  avec  moi  a  Yenise, 
a  propos  de  quelques  douces  representations  que  je  voulais  lui  faire  sur  son 
indomptable  prejuge.  >Mais,  lui  disais-je,  avez-vous  entendu  quelque  chose 
de  notre  musique?  Savez-vous  ce  que  c'est  que  nos  operas  de  Lulli,  de 
Campra,  de  Destouches?  Avez-vous  jete"  les  yeux  sur  l'Hippolyte  de  notre 
Rameau?  —  Moi!  non,  reprit-il,  Dieu  me  garde  de  voir  jamais  ni  d' entendre 
d' autre  musique  que  l'italienne7  parce  qu'il  n'y  a  de  langue  charmante  que 
Titalienne  et  qu'il  ne  pent  y  avoir  de  musique  qu'en  italien.  Votre  langue 
est  pleine  de  syllabes  dures,  ingrates  pour  le  chant,  detestables  en  musique. 
Qu'on  ne  me  parle  daucune  autre  langue  que  de  celle-cL  Mais  le  latin, 
lui  dis-je,  cette  langue  si  noble,  si  sonore  que  vous  a-t-elle  fait?  Que  vous 
ont  fait  les  Psaumes  de  David,  si  poetiques,  si  remplis  d'images  lyriques? 
Vous  ignorez  que  nous  avons  un  Lalande,  superieur,  pour  la  musique 
d'6glise,  a  tous  vos  compositeurs  en  ce  meme  genre.  La-dessus,  je  vis  mon 
homme  pret  a  suffoquer  de  colere  contre  Lalande  et  ses  fauteurs:  il  tenait 
deja  du  chromatique  et  si  la  Faustine,  sa  femme,  ne  s  eta  it  mise  entre  nous 
deux,  il  m'allait  harper   avec  une   double  croche  et  m'accabler  de  diesis.* 

AuBerordentlich  riihint  Charles  de  Brosses  Hasse's  Recitativ  >Eccomi 
al  fine  in  liberty  del  mio  dolor «  mit  der  Arie  »Pallido  il  solec  in 
Vinci's  Artaserse.  —  Soviel  zu  dem  Kapitel  » Hasse  in  Frankreich*. 

Die  dem  Verfasser  von  verschiedenen  Bibliotheken  als  bibliographisch 
nicht  nachweisbar  bezeichnete  Gesamtausgabe  der  Korrespondenz  Fried- 
rich's  des  GroBen  mit  dem  Grafen  Algarotti  findet  sich  in  der  Monu- 
mental-Ausgabe  der  Werke  Friedrich's  II.  der  Berliner  Akademie  (Berlin 
1846 — 57).  Der  Briefwechsel,  dessen  eingehende  Wurdigung  wir  uns  vor- 
behalten,  laBt  erkennen,  in  welcher  auBerordentlich  hohen  Gunst  Hasse 
und  seine  Gattin  bei  Friedrich  II.  standen. 

Fehlerhaft  ist  in  meiner  fruheren  Studie  die  Angabe,  Hasse's  Oper 
Sesostrate  sei  am  26.  August  1726  unter  Aless.  Scarlatti's  Auspizien 
aufgefiihrt  worden.     Scarlatti  ist  schon  am  24.  Oktober  1725  gestorben. 

Wir  beschlieBen  diesen  Nachtrag,  indem  wir  die  in  der  eingangs  er- 
wahnten  Abhandlung  Urbani  de  Gheltof's  enthaltenen  unbekannten 
Nachrichten  iiber  die  letzten  Lebensjahre  Hasse's  wiedergeben.  Die 
Nachrichten  stiitzen  sich  auf  die  von  uns  schon  erwahnten  Briefe,  die 
Hasse  an  Giov.  Maria  Ortes  geschrieben  hat;  auf  diese  Brief sammlung  erst- 
malig  hinge wiesen  zu  haben  ist  ein  Verdienst  des  italienischen  Biographen1). 

Zum  10.  August  des  Jahres  1759,  dem  Laurentiustag,  komponierte 
Hasse  fiir  das  »Monastero  onnonimo«  ein  Oratorium;  er  dirigierte  die 
Auffiihrung  mit  groBem  Erfolg2;.  Von  1763—73  ist  Hasse's  Aufenthalt 
unbestimmt;  er  lebt  in  Wien  oder  in  Yenedig.     Er  berichtet  Ortes  liber 

1)  Es  ist  dieselbe  Briefsammlung,  auf  die  Taddeo  Wiel  1897  (I  Teatri  musicali 
Veneziani,  Prefazio,  p.  XXXI)  und  Hermann  Kretzschmarim  Jahrbuch  der  Musik- 
bibl.  Peters  1902  mit  Skizzierung  des  Inhalts  hingewiesen  hat;  die  Briefe  liegen  in 
Venedig,  Museo  civico,  Correr'sche  Sammlung. 

2)  Grosley  de  Troyes,  Nouveaux  memoires  ou  observations  sur  l'ltalie  et  les 
Italiens.    Londres  1764.  II,  p.  54. 


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Carl  Mennicke,  Zur  Biographie  Joh.  Adolph  Hasse's.  475 

seine  neuen  Werke,  iiber  seine  Gichtanfalle  und  spricht  von  seiner  Sehn- 
sucht  nach  »la  cara  Italia*.  Die  Oper  Piramo  e  Tisbe  schreibt  er  fiir 
eine  reiche  franzosische  Dame;  1769  komponiert  er  zur  Hochzeitsfeier 
von  Maria  Amalia  und  Ferdinand  von  Bourbon  Metastasio's  Cantate 
FArmonica.  Ln  September  1770  wird  Piramo  e  Tisbe  im  Luxemburg- 
Theater,  dem  Sommeraufenthalt  des  Wiener  Hofes,  mit  Veranderungen 
aufgefiihrt.  Hasse  wird  von  der  Kaiserin  beschenkt,  und  als  sein  Ruggiero 
1771  in  Mailand  ein  Fiasco  erlebt,  trostet  ihn  Maria  Theresia  und  beschenkt 
ihn  und  seine  Tochter  Peppina.  Ln  April  1773  nimmt  er  definitiv  Ab- 
schied  von  Wien  und  setzt  sich  in  Venedig  fest.  Er  widmet  sich  der 
Komposition  und  im  Verein  mit  seiner  Gattin  der  musikalischen  Erziehung 
seiner  Tochter  PeppinaundCristina1).  Cristina  verheiratete  sich  mit  dem 
englischen  Minister  Giorgio  Tornello,  Peppina  widmete  sich  ganz  den  Eltern. 
Von  dem  einzigen  Sohne,  Francesco  Maria,  ist  nichts  Naheres  bekannt. 

Faustina  starb  am  4.  November  1781  in  Venedig,  im  Alter  von 
81  Jahren.  Der  in  der  Kirche  Ss.  Ermagora  e  Fortunato  aufbewahrte 
Nekrolog  lautet: 

>1781  Novembre  —  Adi  4,  la  Sig.  Faustina  figlia  del  Sign.  Paolo  Bor- 
doni,  moglie  del  Sig.  Giovanni  Adolfo  Hasse,  abitante  in  contrada  per  il 
corso  di  anni  10  incirca  in  eta  di  anni  81  per  molti  mesi  oppressa  da  Febbre 
lenta  risultante  da  una  Ulcera  cancerosa  per  la  quale  fini  di  vivere  oggi 
all'  ore  21;  il  di  Lei  cadavere  non  si  potra  seppelire  doppo  l'ore  24  della 
sua  Morte,  e  cid  per  attestato  giurato  del  Medico  Tesbaro  fara  seppelir  suo 
consorte.  —  Capitolo  in  Chiesa.  —  Campo  San  Marcuola*. 

Ihr  im  Staatsarchiv  zu  Venedig  aufbewahrtes  Testament,  aufgesetzt 
im  August  1780,  bedenkt  alle  ihre  Angehorigen. 

Hasse  komponierte  1782,  im  Alter  von  83  Jahren,  bei  Gelegenheit 
der  Ankunft  Pius'  VI.  ein  Requiem,  sein  letztes  Werk,  das  am  19.  Mai 
in  der  Kirche  S.  S.  Giovanni  e  Paolo  gesungen  wurde.  Am  16.  Dezember 
starb  auch  er,  >benedicendo  i  figli  e  memorando  il  versetto:  »Inclina 
Domine  aurem  tuam  ad  preces  meas<.  Sein  Testament  ist  vom  20.  Sep- 
tember 1782  datiert.  Peppina  Hasse  zog  sich  ganz  zuriick2)  und  starb 
aus  Gram  iiber  den  Verlust  ihrer  geliebten  Eltern. 

Hundert  Jahre  nach  Hasse's  Tode  starb  auf  dem  klassischen  Boden 
Venedigs  ein  neuer  »Sassone«,  Bichard  Wagner. 


„Zum  musikalisohen  Standpunkte  des  nordisohen  Dichterkreises''. 

(Hachtrag.) 

Herr  Dr.  Erich  Petzet  in  Miinchen  teilt  mir  freundlichst  mit,  dafl  der 
S.  247  als  unleserlich  bezeichnete  Name  im  Briefe  Gerstenberg's  an  Bach, 
Tischer  laute.  Gemeint  ist  wohl  Johann  Nikolaus  Tischer  (ca.  1707 
bis  1784).  Die  Vermutung,  als  handle  es  sich  um  Kuhnau,  ist  daher  zu- 
riickzuweisen.  0.  F. 


1)  Vgl.  Burney,  Tagebuch  einer  musikalischen  Reise.  Hamburg  1773.  IL  Band,  p.  203, 

2)  Vgl.  G.  M.  Ortes'  Brief  vom  22.  M'arz  1784  an  Maria  Burgioni. 

31* 


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476  Max  Seiffert,  Joh.  PachelbeFs  »MuBikalische  Sterbensgedanken*. 


Joh.  Pachelbel's  ,,Musikalische  Sterbensgedanken" 


Max  Seiffert. 

(Berlin.) 


Von  den  >Musikalwchen  SterbensgedanJcent  7  die  Joh.  Pachelbel  1683  zur 
Zeit  der  Pest  in  Erfurt  herausgah,  hat  bisher  noch  kein  Originalexemplar 
nachgewiesen  werden  konnen.  Gleichwohl  findet  man  in  der  neuen  Gesamt- 
ausgabe  der  Klavier-  und  Orgelwerke  Pachelbel's1)  die  vier  Chorale 

Ach,  was  soil  ich  Sunder  machen, 
Werde  munter,  mein  Gemiite, 
Alle  Menschen  mussen  sterben, 
Treuer  Gott,  ich  mufi  dir  klagen, 

als  den  Inhalt  des  alten  Druckwerks  angegeben.  Von  der  Ansicht  ausgehend, 
daft  in  der  reichen  handschriftlichen  uberlieferung  PachelbeFscher  "Werke 
wenigstens  einige  Spuren  des  Druckwerks  zu  finden  sein  mliflten,  und  geleitet 
von  J.  G-.  "Walther's  naherer  Definition  (»vier  Sterbe-Lieder  mit  Variatio- 
nen  auf  dem  Clavier*),  hatte  der  Herausgeber  geglaubt,  in  jenen  vier  Cho- 
ralen,  zumal  sie  sich  durch  ihre  spezifisch  klaviermafiige  Bearbeitung  ganz 
scharf  von  der  iibrigen  grofien  Menge  orgelmafiiger  Satze  absonderten,  den 
Inhalt  der  Erfurter  Ausgabe  wiedergefunden  zu  haben. 

Bei  fern  ere  m  Nachsuchen  unter  den  handschriftlichen  Schatzen  des  Kgl. 
akademischen  Institute  fur  Kirchenmusik  in  Berlin  fand  sich  nun  neulich  ein 
altes  Heft,  dessen  Inhalt  geeignet  ist,  uns  in  dieser  Frage  neue  Kriterien 
an  die  Hand  zu  geben.  Es  besteht  aus  11  Blattern  quer  Folio,  von  zwei 
verschiedenen  Schreibern  etwa  urn  1710  geschrieben;  hundert  Jahre  spater 
hat  man  einen  TJmschlag  herumgelegt  und  als  Titel  vermerkt:  >Orgel-Compo- 
sitionen  von  Frescobaldi,  Fischer  etc.  (desgleichen,  besonders  zu  Anfange, 
Veranderungen  iiber  Chorale,  jedoch  von  unbekannten  Meistern)«.  Von  der 
einen  Hand  riihrt  die  Niederschrift  je  eines  Stuckes  von  Frescobaldi, 
Joh.  Krieger  und  J.  K.  F.  Fischer;  alles  iibrige  schrieb  die  andere 
Hand,  welche,  tauscht  mich  nicht  die  Erinnerung,  vollig  identisch  ist  mit 
derjenigen  von  Prof.  A.  Sandberger's  Pachelbel-Handschrift.  DaB  sie  sich 
das  sonderbare  Vergniigen  machte,  das  Thema  der  Aria  Sebaldma  aus  dem 
He&achordum  Apollinis  nicht  nur  originaliter,  sondern  dazu  noch  hintereinander 


1)  Denkmaler  der  Tonkunst  in  Bayern,  II.  Jahrgang  I,  S.  26,  IV.  Jahrgang,  I, 
S.  147. 


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Max  Seiffert,  Joh.  Pachelbers  »Musikalische  Sterbensgedanken«.  477 

in  zwolf  Transpositionen  zu  notieren,  sei  ihr  verziehen  wegen  des  Wertes  der 
Stiicke,  die  sie  uns  sonst  vorlegt.     Es  sind  die  beiden  Choralbearbeitungen : 

Was  Gk)tt  tut,  das  ist  wohlgetan, 
Alle  Menschen  miissen  sterben. 

DaB  Joh.  Pachelbel  der  Komponist  der  letzteren  ist,  lehrt  ihr  Vergleich 
mit  der  gleichnamigen  Bearbeitung  in  der  Neuausgabe.  Zugleich  laBt  er 
aber  auch  den  Wert  der  Walther'schen  TJberlieferung  erkennen.  Schon 
Spitta  hatte  in  seiner  Neuausgabe  der  Buxtehudeschen  Orgelwerke  darauf 
hingewiesen,  daB  Walther  bei  der  Niederschrift  von  Werken  alterer  Meister 
nicht  immer  den  strengen  historischen  MaBstab  im  Auge  behielt,  vielmehr 
gern  personliche  Kritik  iibte,  in  Kleinigkeiten  nach  eigenem  Geschmacke  aus- 
besserte,  ja  sich  nicht  scheute,  im  groBen  Aufbau  Anderungen  vorzunehmen. 
Das  gleiche  Verfahren  beliebte  er  auch  Pachelbel  gegeniiber.  Kame  uns 
nicht  die  Kopie  eines  Pachelbel-Schulers  zuhilfe,  so  wiirde  uns  auf  Grund  von 
Walther'B  Niederschrift  bei  »Ach,  was  soil  ich  Sunder  machen«  der  schlichte 
Choralsatz  zu  Anfang  und  eine  Variation  in  der  Mitte  fehlen.  Noch  liicken- 
hafter  ist  Walther's  Kopie  von  »Alle  Menschen  miissen  sterben*,  die  fur  die 
Herausgabe  als  Vorlage  diente.  Denn  die  Berliner  Handschrift  hat,  abgesehen 
von  dem  korrekteren  Satz  des  Eingangschorals,  acht  Yariationen  statt  der  funf 
bei  Walther.  An  diesen  hat  er  allerdings  ausnahmsweise  nichts  geandert; 
zu  berichtigen  ware  nur  das  vierte  Viertel  des  vorletzten  Taktes  der  zweiten 
Variation  also: 


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Wie  im  iibrigen  die  originale  Gestalt  des  Stiickes  iiber  Walther  s  Fassung 
hinauswachst,  zeigt  der  Anhang. 

Was  das  zweite  anonyme  Stuck  >Was  Gott  tut«  anlangt,  so  ist  auch  hier 
Pachelbel's  Autorschaft  so  gut  wie  zweifellos.  Auf  ihn  weisen  nicht  bloB  die 
diplomatischen  Kriterien,  sondern  vor  allem  der  musikalische  Stil  und  die 
formale  Anlage  des  Ganzen.  Ich  lasse  auch  dies  Stuck  als  Erganzung  der 
Neuausgabe  im  Anhang  folgen. 

Kehren  wir  nun  zum  Ausgangspunkt  dieser  Zeilen  zurilck,  zur  Erage, 
mit  welchem  Recht  von  einer  volligen  Wiederherstellung  des  musikalischen 
Inhalts  der  » Sterbensgedanken*  geredet  werden  darf,  so  sind  es  zwei  Gesichts- 
punkte,  auf  die  wir  durch  die  neue  Berliner  Quelle  hingewiesen  werden. 

Form  und  Gestalt  dieser  Stiicke  erschienen  nach  der  Neuausgabe  bisher 
im  ganzen  diirftig;  daB  sie  das  Original  in  groBerer  Abrundung  und  inner- 
licherer  Vertiefung  aufweisen  wird,  das  sehen  wir  an  den  nun  wohl  vollstandig 
wiederhergestellten  Choralen: 

Ach,  was  soil  ich  Siinder  machen, 
Alle  Menschen  miissen  sterben, 
Was  Gott  tut,  das  ist  wohlgetan. 


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478  Max  Seiffert,  Joh.  PachelbePs  »Musikalische  Sterbensgedanken*. 

Bei  den  iibrigen  Stucken  haben  wir  sicherlich  noch  Lticken  auszufullen. 
»Werde  munter,  mein  Gemiite*  kann  unmoglich  mit  der  simplen  zweistim- 
migen  Variation  4  geschlossen  haben;  bedeutsame  Variation  sglieder  (Choral 
in  Mittel-  und  Unterstimme)  sind  hier  verloren  gegangen.  Ahnlich  ist  die 
Sachlage  bei  »Treuer  Gott,  ich  muB  dir  klagen*,  wo  zudem  noch  der  schlichte 
Choralsatz  am  Anfang  ale  Thema  fehlt. 

Der  zweite  Punkt  hetrifft  die  Zugehorigkeit  der  funf  gleichartigen  Stiicke 
zum  Druck  von  1683.  Walther,  der  ihn  augenscheinlich  noch  zur  Hand 
hatte,  iiberliefert  nur  die  drei  Chorale: 

Ach,  was  soil  ich  Sunder  machen, 
Alle  Menschen  mussen  sterben, 
Treuer  Gott,  ich  muC  dir  klagen. 

Diese  drei,  diirfen  wir  annehmen,  haben  sicher  im  Druck  gestanden.  Beziig- 
lich  der  anderen  beiden: 

Was  Gott  tut,  das  ist  wohlgetan, 
Werde  munter,  mein  Gemiite 

bleibt  die  Frage  offen.  Wurden  sie  1683  mit  jenen  zusammen  veroffentlicht, 
dann  beruht  eben  Walther's  Angabe,  es  seien  vier  Chorale  gewesen,  auf  einem 
Irrtum.  Ist  diese  aber  zutreffend,  so  mussen  wir  eine  von  dies  en  beiden 
Kompositionen  als  nachtraglich  in  gleicher  Art  geschrieben  ausscheiden. 
Welche?  wird  man  so  schwerlich  sagen  konnen.  Nur  ein  gliicklicher  Zufall 
kann  da  wieder  Klarheit  schaffen. 


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Max  Seiffert,  Joh.  Pachelbel's  »Musikalische  Sterbensgedankeiu.       479 

ANHANG. 

Alle  Mensohen  miissen  sterben. 


Joh.  Pachelbel. 


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480         Max  Seiffert,  Job.  PachelbeTs  »MusikaliBche  Sterbensgedanken*. 


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482      Max  Seiffert,  Joh.  PachelbeTs  »Musikali»che  Sterben*gedanken«. 

Was  Gott  tut,  das  ist  wohlgetan. 


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Max  Seiffert,  Joh.  Pachelbel's  »Mu»ikali»ohe  Sterbentgadankenc  487 


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e  e  sags    eg       j  1 1  ;  ■  i  u   i   r1  l  g 


Die  Vierteljahrshefte  der  Sammelbaiide 

erscheinen  am  1.  November,  1.  Februar,  1.  Mai  und  1.  August.  SchluB 
der  Redaktion  jedes  Heftes:  ein  Monat  vor  seinem  Erscheinen.  Hand- 
schriften  und  andere  Sendungen  beliebe  man  zu  richten  an  den  Heraus- 
geber:  Dr.  Max  Seiffert,  Berlin  W.  GSbenstraBe  28. 


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PurcelFs  Dramatic  Music 

by 

W.  Barclay  Squire. 

(London.) 


Subscribers  to  the  complete  edition  of  the  works  of  Henry  Purcell  now 
in  course  of  publication  by  the  Purcell  Society  may  have  noticed  that  the 
list  of  the  composer's  works  prefixed  to  the  last  two  volumes  differs  materially 
from  that  in  the  earlier  issues  of  the  series.  When  the  Society  was  founded 
in  1876  a  list  was  drawn  up  and  printed  which  was  based  on  the  inform- 
ation then  available,  but  this  was  only  to  be  considered  as  provisional, 
and  during  the  last  few  years  an  elaborate  series  of  indexes  of  Purcell's  music 
has  been  compiled  from  both  printed  and  manuscript  sources,  which  has  thrown 
much  new  light  on  the  amount  of  his  work  still  extant.  The  MS.  sources 
are  chiefly  the  following: 

1)  The  British  Museum  collections.    These  have  been  indexed  by  Miss  Stainer. 

2)  The  Bodleian  Library,  and 

3)  The  Christchurch  Library.  Both  these  have  been  indexed  by  the  Rev. 
A.  A.  Jackson. 

4)  The  Library  of  the  late  Rev.  Sir  F.  A.  Gore  Ouseley,  preserved  at  St. 
Michael's  College,  Tenbury.  This  has  been  indexed  by  Miss  Lucy  Broad- 
wood. 

5)  The  Library  of  His  Majesty  the  King,  at  Buckingham  Palace.  Indexed 
by  the  present  writer. 

6)  The  old  Sacred  Harmonic  Society's  Collections,  now  belonging  to  the 
Royal  College  of  Music.  Indexed  in  the  late  Mr.  Husk's  printed  Catalogue, 
with  additions  by  the  present  writer. 

7)  The  Chapter  Library  at  York  Minster.     Indexed  by  Miss  Stainer. 

8)  The  Fitzwilliam  Museum  Library,  Cambridge.  Indexed  in  the  printed 
Catalogue  of  Mr.  J.  A.  Fuller  Maitland  and  Dr.  Mann. 

9)  The  Collection  of  Dr.  W.  H.  Cummings.  The  owner  has  promised  an 
index  of  his  Purcell  MSS.,  but  though  it  is  not  yet  completed  he  has 
answered  many  enquiries  as  to  his  MSS.,  and  has  repeatedly  lent  them 
for  the  use  of  the  Purcell  Society. 

In  addition  to  the  above  the  numerous  printed  works  of  the  end  of  the 
17th  century,  such  as  'Orpheus  Rritannicus',  the  'Gentleman's  Journal', 
'Ayres  for  the  Theatre',  'Comes  Amoris',  'Deliciae  Musicae',  'The  Ban- 
quet of  Music',  etc.  have  been  indexed  in  slips  by  the  present  writer. 

&d.LM.    V.  32 


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490  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

An  examination  of  this  mass  of  material,  both  printed  and  manuscript, 
has  led  to  the  drawing  up  of  the  summary  of  Purcell's  works  which  has 
appeared  in  the  last  two  volumes  of  the  complete  edition  of  his  works.  But 
it  seemed  that  something  more  remained  to  be  done,  and  it  occurred  to  the 
writer  that  an  effort  might  be  made  to  ascertain  the  actual  chronology  of 
the  large  mass  of  Purcell's  compositions  for  the  stage,  an  attempt  which, 
even  if  only  approximately  successful,  would  yield  interesting  results  in  the 
light  thrown  on  the  development  of  his  genius. 

Considerable  discrepancy  may  be  observed  in  the  dates  fixed  by  Purcell's 
various  biographers  as  those  at  which  his  dramatic  compositions  were  pro- 
duced. This  will  be  best  seen  by  the  following  tabular  statement,  as  to 
which  it  should  be  mentioned  that  references  to  Hawkins'  "History  of  Music" 
(1776)  have  been  omitted,  since  that  historian  generally  avoids  giving  any 
dates  in  his  mention  of  Purcell's  dramatic  works.  The  table  is  therefore 
compiled  from  the  following  authorities1): 

Dr.  Burney  (B):  "History  of  Music",  Vol.  HI,  1789;  Dr.  Bimbault  (E) : 
Introduction  to  "Bonduca"  (Musical  Antiquarian  Society's  Edition,  1842); 
Dr.  Cummings  (C):  "PurcelT  (Great  Musicians  Series,  1881);  Mr.  Husk  (H): 
"PurcelT  (Grove's  Dictionary  of  Music,  HI,  1883)  and  Mr.  Fuller  Maitland 
(F.  M.)  "PurcelT  (Dictionary  of  National  Biography,  XLVn,  1896).*) 

B.  B.  C.  H.       F.M. 


1. 

Abdelazer. 

1677. 

1677. 

1677. 

1677. 

2. 

Amphitryon. 

1691. 

1690. 

1690. 

1690. 

1690. 

3. 

Aureng-Zebe. 

1676. 

1676. 

1676. 

1676. 

4. 

Bonduca. 

1695. 

1695. 

1695. 

1695, 

1695. 

5. 

The  Canterbury  Guests. 

1695. 

1695. 

1695. 

6. 

Circe. 

1685. 

7. 

Cleomenes. 

1692. 

1692. 

8. 

Dido  and  JSneas. 

1675. 

1680. 

1675. 

1680. 

'9. 

Dioclesian. 

1690. 

1690. 

1600. 

1690. 

1690. 

10. 

Distressed  Innocence. 

1691. 

1691. 

1691. 

1691. 

11. 

Don  Quixote,  Part     I. 

1694. 

1694. 

1694. 

1694. 

12. 

»        »        »     n. 

1694. 

1694. 

1694. 

1694. 

1694. 

13. 

»           »           »     DDL 

1695. 

1695. 

1695. 

1695. 

14. 

The  Double  Dealer. 

1694. 

1694. 

1694. 

1694. 

15. 

The  Double  Marriage. 

16. 

The  English  Lawyer. 

17. 

Epsom  "Wells. 

1676. 

1676. 

1676. 

1676. 

18. 

The  Fairy  Queen. 

1692. 

1692. 

1692. 

1692. 

1692. 

19. 

The  Fatal  Marriage. 

1694. 

1694. 

1694. 

20. 

The  Female  Vertuosos. 

21. 

A  Fool's  Preferment. 

1688. 

1688. 

1688, 

1688. 

22. 

The  Gordian  Knot  Unty'd. 

1691. 

1691. 

1691. 

1)  I  have  not  thought  is  necessary  to  add  the  dates  given  by  Mr.  Henry  Davey, 
in  his  'History  of  English  Music1  (1895),  as  they  generally  agree  with  these  of  the  other 
authorities.  Mr.  Davey,  however,  assigns  'Circe'  to  1680,  'Dido  and  jEneas'  and  'Oedi- 
pus' to  the  same  year,  and  states  that  in  1676  Purcell  was  engaged  as  composer  at 
Dorset-Garden,  relinquishing  the  post  from  1680  to  1686. 

2)  A  blank  indicates  that  the  work  is  not  mentioned  by  the  author. 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 


491 


23.  Henry  II. 

24.  The  Indian  Emperor. 

25.  The  Indian  Queen. 

26.  King  Arthur. 

27.  King  Richard  the  Second. 

28.  The  Knight  of  Malta. 
^29.  The  Libertine. 

30.  Love  Triumphant. 

31.  The  Maid's  Last  Prayer. 

32.  The  Marriage-Hater  Matched. 

33.  The  Married  Beau. 

34.  The  Massacre  of  Paris. 

35.  The  Mock  Marriage. 

36.  Oedipus. 

37.  The  Old  Bachelor. 

38.  Oroonoko. 

39.  Pausanias. 

40.  Regulus. 

41.  The  Richmond  Heiress. 

42.  The  Rival  Sisters. 

43.  Rule  a  Wife  and  Have  a  Wife, 

44.  Sir  Anthony  Love. 

45.  Sir  Barnaby  Whigg. 

46.  Sophonisba. 

47.  The  Spanish  Friar. 
v48.  The  Tempest. 

49.  Theodosius. 
^50.  Timon  of  Athens. 

51.  Tyrannick  Love. 

52.  The  Virtuous  Wife. 

53.  The  Wives'  Excuse. 

54.  An  Unidentified  Play. 


1693.  1693,  1693, 

1692.  1692.  1692. 

n.  d.  1692.  1692.  1692.  1692. 

1691.  1691.  1691.  1691.  1691. 

1695.  1695.  1695. 

1676.  1676.  1676.  1676. 

1694.  1694. 

1693.  1693.  1693. 

1692.  1692. 

1694.  1694.  1694.  1694. 

1690.  1690,  1690. 

1695.  1695.  1695. 

1692.  1692.  1692.  1692. 

1693.  1693.  1693.  1693. 
1695.  1695,  1695. 


1693.  1693.  1693. 
1695.  1695.  1695. 

1691.  1691.  1691. 


1690.  1690.  1690.  1690.  1690. 

1680.  1680,  1680.  1680. 

1678.  1678.  1678.  1678.1677-8. 

1686.  1686.  1686.  1686. 

1680,  1680.  1680.  1680. 

1692.  1692.  1692. 


The  method  adopted  in  preparing  the  following  notes  has  been  to  collate 
the  various  editions  of  each  play  which,  were  printed  during  PurcelTs  life- 
time and  to  draw  up  from  each  of  them  a  list  of  the  music  required  by  the 
text.  The  indexes  above  referred  to  were  then  examined,  so  as  to  find  out 
what  music  of  Purcell's  was  in  existence  for  each  play,  and  contemporary 
authorities  —  further  references  to  which  are  given  —  were  consulted  with 
a  view  to  ascertaining  if  possible  the  exact  dates  of  the  various  compositions. 
With  regard  to  the  general  question  of  date  two  contemporary  statements 
are  of  considerable  importance.  (1.)  Downes,  in  his  'Roscius  Anglicanus, 
or  an  Historical  Review  of  the  Stage'  (London,  1708)  in  chronicling  the 
production,  (in  1680)  at  the  Duke's  Theatre  of  Nat.  Lee's  'Theodosius',  ex- 
plicitly states  that  the  music  to  this  play  was  "compos'd  by  the  Famous 
Master  Mr.  Henry  PurceU  (being  tha  first  he  e'er  Compos'd  for  the 
Stage)."  Downes  was  originally  prompter  to  the  Duke  of  York's  company 
at  Lincoln's  Inn.  Fields,,  He  remained  connected  with  the  theatre  during 
its  amalgamation  with  the  King's  (Killegrew'sJ  company,  his  whole,  period  of 

32* 


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498  W.  Barclay  Squire,  Purcell'B  Dramatic  Music. 

service  extending  from  1662  until  1706.  Genest  says  that  he  "is  sometimes 
confused,  sometimes  inaccurate  and  sometimes  certainly  wrong",  but  (as  Mr. 
Joseph  Knight  remarks)  the  information  contained  in  his  work  "is  practically 
all  to  which  we  have  to  trust  for  our  knowledge  of  the  Restoration  stage  .  .  . 
Downes's  style  is  singularly  crabbed,  confused  and  inelegant,  and  is  charged 
with  the  most  marvellous  latinism.  The  verdicts  are,  however,  accepted;  his 
inaccuracies  are  neither  numerous  nor  important."  (2.)  A  less  definite  state- 
ment as  to  the  period  at  which  Purcell  became  connected  with  the  theatre 
is  made  by  Dr.  Tudway1);  who  says  "Towards  the  latter  end  of  his  life  he 
was  prevailed  on  to  compose  for  the  English  stage".  Taken  together,  these 
two  pieces  of  contemporary  evidence  seemed  to  contradict  the  accepted  opi- 
nions as  to  the  dates  of  'Abdelazer',  'Epsom  Wells',  iTimon  of  Athens', 
'Dido  and  JEneas',  and  others  of  PurcelTs  dramatic  compositions,  and  it 
was  partly  to  ascertain,  if  possible,  their  correctness  that  these  notes  were 
drawn  up. 

For  the  sake  of  those  who  are  not  well  acquainted  with  the  theatrical 
history  of  the  latter  part  of  the  17  th  century  it  may  be  well  here  briefly 
to  say  something  about  these  matters  and  also  about  the  theatres  where 
PurcelTs  music  was  first  performed.  In  August,  1660,  Charles  II  granted 
licenses  or  patents  for  the  erection  of  two  theatres  in  London,  with  the  sole 
privilege  of  representing  stage-plays  in  the  metropolis  and  Westminster.  The 
first  of  these  was  to  Thomas  Killegrew,  whose  house  was  built  in  Catherine 
Street,  Strand,  on  the  site  still  occupied  by  Drury  Lane  Theatre.  The  theatre 
cost  £  1500  to  build  and  was  opened  on  8  April  1663.  It  was  occupied 
by  Killegrew's,  or  the  King's  Company,  and  was  burnt  down  in  January 
1671 — 2.  A  new  theatre,  designed  by  Sir  Christopher  Wren,  was  built 
on  the  same  site  at  a  cost  of  £  4000;  it  was  opened  26  March  1674,  on 
which  occasion  the  Prologue  and  Epilogue  spoken  were  written  by  Dry  den: 
both  are  principally  devoted  to  a  comparison  of  this  "plain-built  house"  with 
the  "scenes,  machines  and  empty  operas"  which  could  not  make  up  for  the 
inconvenient  situation  of  the  rival  theatre  in  Dorset  Garden.  The  latter 
house  was  built  for  the  Duke  of  York's  Company,  which  held  Charles  ITs 
second  patent,  granted  in  1660  to  Sir  William  Davenant.  This  company 
at  first  acted  at  a  theatre  in  Salisbury  Court,  but  in  1660  it  moved  to  a 
house  in  Portugal  Row,  at  the  back  of  Lincoln's  Inn  FieldB,  which  had  ori- 
ginally been  Lisle's  (or  according  to  Pepys)  Gibbon's  Tennis-Court.  In  1670 
a  new  theatre  was  built  by  subscription  on  the  site  of  the  garden  of  Dorset 
House.  It  was  larger  than  either  the  Drury  Lane  or  Lincoln's  Inn  Fields 
House.  Views  of  this  theatre,  which  was  opened  9  November  1671,  show 
it  to  have  been  a  very  beautiful  building,  both  outside  and  within.  At  one 
end  the  first  story  projected,  supported  by  pillars,  forming  a  wide  carriage 
entrance,  at  the  other  there  were  flights  of  steps  for  approach  from  the  river. 
The  best  views  of  the  Dorset  Garden  Theatre  are  to  be  found  in  Settle's' 
'Empress  of  Morocco1  (1673),  and  from  them  we  gather  that  the  interior 
was  richly  decorated  with  carving  and  that  die  stage  was  high  and  deep  in 
comparison  to  its  width.  Over  the  proscenium  there  were  two  windows  in 
a   sort   of  triangular  recess   above  the  royal   arms.     Davenant  had  died  in 


1)  This  passage  is  quoted  in  Dr.  Cummings'  Life  of  Purcell,  but  I  have  not  suc- 
ceeded in  verifying  the  reference. 


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W.  Barclay  Squire,  PuroelTs  Dramatic  Music.  493 

1668,  and  the  management  of  the  new  house  was  vested  in  his  widow,  Lady 
Davenant,  his  son  Charles  and  two  of  the  principal  actors  of  the  company, 
Harris  and  Betterton.  It  is  said  that  the  last  named  went  to  Paris  in  order 
to  obtain  the  latest  "machines"  which  played  so  important  a  part  in  the 
operas  or  spectacular  plays  that  were  a  prominent  feature  in  the  productions 
at  the  new  theatre.  For  some  years  the  two  companies  continued  in  rivalry, 
but  in  1682  Tom  Killegrew  died,  and  the  King's  Company  being  much 
reduced  in  numbers,  while  the  audiences  at  the  other  house  had  steadily 
declined,  the  patentees  of  both  theatres  resolved  to  combine  forces,  and  the 
united  companies  opened  on  16  November  1682,  Drury  Lane  being  used  for 
plays  requiring  little  scenery,  and  Dorset  Garden  (afterwards  called  the  Queen's 
Theatre)  for  spectacular  performances.  The  important  split  in  the  allied 
forces  which  took  place  in  1695  will  be  chronicled  in  dealing  with  'Abdelazer. 


AMelaser,  #r  The  Moor's  Revenge. 

'Abdelazer',  a  tragedy  by  Mrs.  Aphra  Behn,  was  first  produced  at  the 
Dorset  Garden  theatre  by  the  Duke  of  York's  company  in  1677.  The 
title-page  of  the  first  edition  is  as  follows:  "Abdelazer,  |  or  the  |  Moor's 
Revenge.  |  A  |  Tragedy.  |  As  it  is  Acted  at  his  Royal  Highness  the  |  Duke's 
Theatre.  |  Written  by  Mrs.  A.  Behn,  \  London,  |  Printed  for  J.  Magnes 
and  1?.  BenUey,  |  in  Russel-street  in  Covent-  Garden,  \  near  the  Piazza's, 
1677.  |" 

The  performers  were  Harris  (Ferdinand),  Smith  (Philip),  Betterton 
(Abdelazer),  Medburne  (Mendozo),  Crosbie  (Alonzo),  Norris  (Roderigo), 
John  Lee  (Antonio  and  Sebastian),  Percivall  (Osmin),  Richards  (Zarrack), 
Mrs.  Lee  (Isabella),  Mrs.  Barry  (Leonora),  Mrs.  Betterton  (Florella)  and 
Mrs.  Osborne  (Elvira).  A  second  edition,  the  text  of  which  is  precisely 
the  same  as  its  predecessor,  has  the  following  title-page:  u Abdelazer:  |  or,, 
the  |  Moor  s  Revenge.  |  A  Tragedy,  |  as  it  is  Acted  at  the  Theatre  Royal,  | 
By  their  Majesties  Servants.  |  Written  by  Mrs.  Anne  [sic]  Behn.  \  Lon- 
don, |  Printed  for  Thomas  Chapman,  at  the  Golden-Key  near  |  Char- 
ing-Cross.  1693.  |"  Although  the  Duke  of  York's,  and  the  King's 
Companies  had  united  in  1682,  the  cast  given  in  the  1693  edition  of  the 
play  is  the  same  as  that  in  1677.  As  Harris,  according  to  Genest1), 
left  the  stage  at  the  time  of  the  union  of  the  two  companies,  and  Mrs. 
Lee  (afterwards  Lady  Slingsby)  retired  about  1685 2),  it  is  evident  that 
the  later  edition  merely  reprints  the  original  cast,  not  even  correcting 
the  misprint  by  which  Mrs.  Barry's  name  appears  as  Barrer.  There  is 
no  record  of  the  performance  of  the  work  after  the  union  of  the  com- 
panies, though  the  1693  edition  is  evidence  that  the  Tragedy  was  played 


1)  "Some  Account  of  the  English  Stage".    (1882.)    I.  p.  387. 

2)  ib.  p.  449. 


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494  W.  Barclay  Squire,  PurceU's  Dramatic  Music. 

about  that  year.  It  has  hitherto  been  assumed  that  Purcell's  music  to 
'Abdelazer'  was  written  for  the  first  production,  i.  e.  in  1677.  Now  the 
printed  editions  of  the  work  contain  only  three  occasions  for  which  music 
is  required.  Act  I.  opens  with  a  scene  in  which  Abdelazer  is  discovered 
"leaning  his  Head  on  his  Hands;  —  after  a  little  while,  still  Musick  plays", 
and  the  fine  song,  by  which  Mrs.  Behn's  name  is  now  only  known,  "Love 
in  phantastick  Triumph  sat",  follows.  In  scene  2  of  Act  II.  an  enter- 
tainment is  given  by  order  of  Bang  Ferdinand;  in  this  there  is  a  song 
by  a  nymph,  beginning:  "Make  haste  Amintas,  come  away",  followed  by 
a  Dance  of  Shepherds  and  Shepherdesses.  Lastly  in  Act  IV.  there  is 
a  battle  scene,  with  "Drums  and  Trumpets  afar  off",  and  "A  Retreat 
is  sounded."  If  Purcell  had  written  music  for  the  original  production 
of  the  play  we  should  naturally  expect  to  find  settings  of  the  two  songs. 
But  in  none  of  the  collections  of  the  time,  either  printed  or  manuscript, 
has  any  trace  been  so  far  discovered  of  musical  settings  of  these  words, 
though  Purcell's  instrumental  music  to  'Abdelazer,'  besides  being  printed 
by  his  widow  in  the  'Ayres  for  the  Theatre1  (1697),  exists  in  several 
manuscripts  dating  from  the  end  of  the  17th  century.  But  as  it  happens 
there  is  another  piece  of  evidence  which  points  to  a  much  later  date 
than  1677  being  that  of  the  composition  of  Purcell's  music.  In  the  fourth 
book  of  Hudgebutt's  'Thesaurus  Musicus',  published  in  1695,  there  ap- 
peared for  the  first  time  a  song,  "Lucinda  is  bewitching  fair",  which  is 
headed  "A  New  Song  by  Mr.  Henry  Purcell ,  in  the  Play  called  Ab- 
N  delaxer.  Sung  by  the  Boy"1).  Three  years  later,  in  the  first  edition 
(1698)  of  'Orpheus  Britannicus',  the  same  song  is  given  as  "Sung  by 
Jemmy  Bowen,  at  the  opening  of  the  Old  Play-House":  in  the  second 
(1706)  and  third  (1721)  editions  of  'Orpheus'  the  title  is  much  the  same, 
except  that  the  singer's  name  appears  as  J.  Bowen.  It  has  been  already 
stated  that  from  1682  until  1695  there  had  been  only  one  theatrical 
company  in  possession  of  the  Theatre  Royal  and  the  Dorset  Garden,  or 
Queen's  Theatre.  At  the  latter  had  been  given  such  spectacular  pieces 
'  as  Dioclesian',  'King  Arthur'  and  'The  Fairy  Queen',  but  in  spite  of 
their  success,  the  expenses  of  mounting  them  were  so  great  that  the 
management  of  the  two  theatres  found  itself  in  debt.  In  order  to  effect 
a  retrenchment  it  was  proposed  to  lower  the  pay  of  the  performers, 
supposing  that,  according  to  the  terms  of  the  Royal  Patent,  no  com- 
petition could  be  started.  At  this  Betterton  and  some  other  of  the 
leading  actors  took  alarm,  and  succeeded  in  obtaining  from  William  HE 
a  royal  license  to  act  in  a  theatre  by  themselves.     Looking  about  for  a 

1)  Another  very  early  edition  of  the  song  is  in  the  British  Museum.  It  is  printed 
on  a  single  sheet  and  headed  u A  new  Song  Sung  in  Abdelazer  or  the  Moor's 
Revenge  set  by  Mr.  Henry  Pursell". 


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W,  Barolay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music.  495 

house,  they  turned  their  attention  once  more  to  Lincoln's  Inn  Fields, 
which,  after  haying  been  temporarily  occupied  by  the  King's  Company 
when  burnt  out  of  Drury  Lane  (it  had  previously  been  deserted  by  the 
Duke's  Company  for  Dorset  Garden),  had  returned  to  its  original  destina- 
tion of  a  Tennis-Court  The  funds  being  raised  by  subscription,  the 
house  was  once  more  fitted  up  as  a  theatre.  Both  houses  opened  at 
about  the  same  time,  and  to  distinguish  it  from  the  new  theatre  farther 
east,  the  Theatre  Royal  in  Drury  Lane  was  consequently  known  as  "the 
Old  Play-House".  The  actual  opening  day  of  the  season  is  chronicled 
by  Cibber,  who  says1)  that  "the  Patentees"  (i.  e.  proprietors  the  Theatre 
Royal  and  the  Dorset  Garden  House)  "were  not  able  to  take  the  field 
till  Easter  Monday  in  April*)",  when  "their  first  attempt  was  a  reviv'd 
Play  calTd  Abdelaxer,  or  the  Moor's  Revenge,  poorly  written,  by  Mrs. 
BehnP  As  the  song  "Lucinda  is  bewitching  fair"  does  not  occur  in 
either  the  1677  or  the  1693  editions  of  the  play,  it  is  safe  to  conclude 
that  it  was  first  introduced  at  the  1695  revival,  and  there  is  accordingly 
a  strong  probability  that  the  instrumental  music  was  written  for  the  same 
occasion,  when  Purcell  was  at  the  height  of  his  powers  and  busily  em- 
ployed in  writing  for  the  Patentees'  Company.  The  song  can  only  have 
been  introduced  in  the  opening  scene,  in  the  place  of  "Love  in  phan- 
tastick  Triumph  sat",  no  setting  of  which,  as  has  been  already  stated, 
is  known  to  exist.  Of  Bowen,  the  "boy"  of  the  revival  of  'Abdelazer', 
not  much  is  known.  There  was  an  actor3)  of  that  name  at  the  Theatre 
Royal  who  played  small  parts  in  Crowne's  'English  Friar'  (1689),  Shad- 
well's  'Bury  Pair'  (1689)  and  'Amorous  Bigot'  (1690),  Mountfort's 
'Successful  Strangers'  (1690),  Dryden's  'Amphitryon'  (1690)  and  Sou- 
theme's  'Sir  Anthony  Love'  (1691)  and  took  the  principal  part  in  Parts  I 
and  n  of  D'Urfey's  'Don  Quixote'  (1694),  and  it  seems  probable  that 
he  was  the  father  of  Jemmy  Bowen  the  singer.  As  to  the  latter  there 
is  an  interesting  passage  in  "A  Brief  Supplement  to  Colley  Cibber  Esq. ; 
his  lives  of  the  late  famous  Actors  and  Actresses.  By  Antony  Aston4)." 
"As  Mr.  Verbruggen  had  Nature  for  his  Directress  in  Acting,  so  had 
a  known  singer,  Jemmy  Bowen,  the  same  in  Music:  —  He,  when  prac- 
tising a  Song  set  by  Mr.  Purcell,  some  of  the  Music  told  him  to  grace 
and  run  a  Division  in  such  a  Place.     0  let  him  alone,  said  Mr.  Purcell; 

1)  Apology.  1740.,  ed.  1889.  L  196. 

2)  i.  e.  April  4,  1695,  N.S. 

3)  Dr.  Doran  'Their  Majesties'  Servants',  ed.  R.  W.  Lowe,  1888.  Vol.  I.  174—75 
349—50)  says  his  name  was  William  Bowen.  He  left  the  stage  for  a  short  time, 
being  converted  by  reading  Collier's  attacks  on  the  theatre.  In  1718  he  was  killed 
in  a  duel,  at  the  age  of  fifty-two,  by  James  Quinn. 

4)  Published  without  date;  reprinted  in  R  W.  Lowe's  edition  of  Oibber's  'Apo- 
logy', (1889),  Vol.  H.  p.  312. 


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496  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

he  ttritt  grace  it  more  naturally  Hum  you,  or  J,  can  teach  him."  In  1695 
he  sang  "Celia  has  a  thousand  charms"  in  Gould's  'Rival  Sisters'.  The 
song  was  printed  in  Vol.  HE  of  'Deliciae  Mnsicaer  (1696)  as  "sung  by 
Young  Bowen".  He  was  probably  "the  Boy"  who  is  so  designated  among 
the  singers  of  the  Birthday  Ode  for  Queen  Mary,  "Celebrate  this  Festival" 
(1692)  in  a  contemporary  manuscript  at  Buckingham  Palace. 

Amphitryon,  or  The  two  Sosias. 

As  regards  the  date  of  Dryden's  *  Amphitryon'  there  is  no  difficulty. 
The  play  was  acted  and  printed,  with  the  music  of  the  songs,  before 
October1)  in  1690.  The  title-page  of  the  original  edition  is  as  follows: 
"Amphitryon;  |  or  |  the  Two  Soda's2).  |  A  Comedy,  j  As  it  is  Acted  at 
the  |  Theatre  Royal.  |  Egregiam  verd  faudem,  &  spolia  ampla  refertis;  \ 
Una,  dolo,  Divtim,  si  Foemina  victa  duontm  est  Virg.  |  "Written  by  Mr. 
Dryden.  |  To  which  is  added,  |  the  Musick  of  the  Songs.  |  Composed  by 
Mr.  Henry  Purcd.  \  London,  |  Printed  for  J.  Tonson  at  the  Judges  Bead 
in  Chancery-lame  |  near  Fleet-street;  \  and  M.  Tonson  at  Ghrarfs-Irm-Ghxte 
in  |  Qray's-Irm-Ixme.  1690.  \n  The  cast  was  as  follows:  Jupiter — Bowman; 
Mercury  —  Lee;  Phoebus  —  Bowman;  Amphitryon  — "Williams;  Sosia  — 
Nokes;  Gripus — Sandford;  Polidas — Bright;  Tranio — Bowen;  Alcmena — 
Mrs. Barry;  Phaedra — Mrs.Mountfort;  Bromia — Mrs.  Corey,  and  Night — 
Mrs.  Butler.  The  play  is  avowedly  adapted  from  Plautus  and  MoUfere, 
and  it  is  prefixed  by  a  letter,  dated  24  October  1690,  to  Sir  William  Leve- 
son  Gower,  in  which  the  author  says:  "As  for  Plautus  and  Moteere,  they 
are  dangerous  People;  and  I  am  too  weak  a  gamester  to  put  my  self 
into  their  Form  of  Play.  But  what  has  been  wanting  on  my  Part,  has 
been  abundantly  supplyed  by  the  Excellent  Composition  of  Mr.  PurceU; 
in  whose  Person  we  have  at  length  found  an  English-man,  equal  with 
the  best  abroad.  At  least  my  opinion  of  him  has  been  such,  since  his 
happy  and  judicious  Performances  in  the  late  Opera;  and  the  Experience 
I  have  had  of  him,  in  the  setting  my  Three  Songs  for  this  Amphitryon. 
To  all  which,  and  particularly  to  the  Composition  of  the  Pastoral  Dialogue, 
the  numerous  Quire  of  Fair  Ladies  gave  so  just  an  Applause  on  the 
Third  Day."  The  allusion  to  "the  late  Opera"  is  to  Betterton's  version 
of  Beaumont  and  Fletcher's  'The  Prophetess;  or  the  History  of  Dio- 
clesian',  which  was  produced  in  1690  at  the  Queen's  (or  Dorset  Garden) 
Theatre  "with  Alterations  and  Additions,  after  the  manner  of  an  Opera." 
The  passage  above  quoted  from  Dryden's  Letter  seems  to  prove  that  the 
supposition  that  he  was  the  author  of  the  altered  version  of  'The  Pro- 
phetess' is  incorrect;  the  whole  question  will  be  found  discussed  in  a 

1)  The  London  Gazette  for  October  30— November  3  advertizes  ite  publication. 

2)  In  later  editions  the  name  is  spelled  correctly,  Sosia. 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  497 

note  by  Mr.  George   Saintebury    to   his  edition  of  Sir  Walter  Scott's 
Dryden 1). 

The  instrumental  music2]  to  *  Amphitryon'  is  published  in  the  'Ayres 
for  the  Theatre*.  The  vocal  music,  which  only  occurs  in  Acts  HI  and 
IV,  was  printed  at  the  end  of  Dryden's  play,  with  separate  pagination 
and  titlo-page.  The  latter  runs  as  follows:  "The  |  Songs  |  in  |  Amphi- 
tryon |  with  the  |  Musick.  [  Composed  by  Mr.  Henry  Ptircett.  |  London,  | 
Printed  by  J.  Heptmstail  for  Jacob  Tonson  at  the  Judges  Head  |  in 
Chancery-Lane,  MDCXO.  \n  The  first  song,  "Celia,  that  I  once  was 
blest"  is  a  serenade  to  Alcmena,  given  by  Jupiter,  who  enters  "attended 
by  Musicians  and  Dancers."  The  Stage-direction  runs:  "Jupiter  signs  to 
the  Musicians.  Song  and  Dance"  According  to  a  rare  little  volume 
with  the  curious  title  'Joyful  Cuckoldom,  or  the  Love  of  Gentlemen  and 
Gentlewomen.  A  Collection  of  New  Songs,  with  y*  Musick  for  the  Lute, 
Violin,  Mute,  or  Harpsichord.  By  Henry  Purcell,  Dr.  John  Blow,  Mr.  John 
Eccles,  Mr.  Morgan,  Dr.  John  Reading,  Mr.  Baptist,  etc.  Fairley  En- 
graven on  Copper  Plates.  London.  Printed  by  J.  Heptinstall,  etc.'*), 
this  song  was  sung  by  Bowman 4),  who  also  played  the  part  of  Phoebus. 
The  other  vocal  numbers  form  a  sort  of  entertainment,  given  by  Mercury 
{under  the  disguise  of  Sosia)  to  prove  his  power  to  Phaedra.  Mercury 
u stamps  upon  the  ground:  some  Dancers  come  from  underground:  and 
others  from  the  sides  of  the  Stage:  A  Song,  and  a  fantastick  Dance"  It 
is  characteristic  of  the  carelessness  with  which  plays  were  printed  at  this 
period  to  find  that  the  words  of  'Mercury's  Song  to  Phaedra*  do  not  agree 
with  the  words  of  PurcelTs  song  as  it  is  printed  at  the  end  of  the  same 
edition.     In  the  former  the  first  four  lines  run: 

"Fair  Iris  I  love,  and  hourly  I  dye, 
But  not  for  a  Lip,  nor  a  languishing  Eye: 
She's  fickle  and  false,   and  there  we  agree; 
For  I  am  as  false,  and  as  fickle  as  she," 

while  in  the  latter  they  are  given  as  follows: 


1)  'The  Dramatic  Works  of  John  Dryden  with  a  Life  of  the  Author  by  Sir  Walter 
Scott,  Bart.     Edited  by  George  Saint8bury\    Vol.  VIE.  p.  10.  1882. 

2)  The  tune  of  'Enfield  Common1,  a  song  in  Vol  IV  of  the  1719  edition  of  'Pills 
to  Purge  Melancholy1  is  that  of  the  Hornpipe  in  "Amphitryon". 

3)  The  only  copy  of  this  work  which  I  know  is  that  in  the  British  Museum.  It 
has  no  title-page,  and  the  above  is  copied  from  a  MS.  title  inserted  in  this  copy  and 
dated  1671.  This  is  obviously  wrong,  as  the  book  contains  the  catch  from  Bonduca, 
which  appeared  it  1696,  and  many  songs  from  plays  produced  in  1698  and  1694.  The 
volume  is  probably  a  collection  of  single-sheet  songs. 

4)  A  well-kown  actor  and  singer.  According  to  Betterton's  'History  of  the 
English  Stage9  (London,  1741:  p.  31)  he  was  born  27  December  1664  and  was  "brought 
into  the  Duke's  Theatre  to  sing  at  seven  years  old".    He  died  23  March  1739. 


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498  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

"For  Iris  I  sigh,  and  hourely  dye, 
But  not  for  a  Lip,  nor  a  languishing  Eye; 
She' 8  Fickle  and  false,  and  there  we  agree, 
0  these  are  the  Virtues  that  Captivate  me." 

From  *  Joyful  Cuckoldom'  we  learn  that  this  song  was  sung  by  Mrs* 
Butler,  who  was  afterwards  the  original  Philidel  in  'King  Arthur9,  and 
who  also  represented  Night  in  'The  Fairy  Queen.'. 

Mercury's  Song  is  followed  by  a  Dance.    The  dialogue  then  continues: 

Phaedra. 
This  power  of  yours  makes  me  suspect  you  for  little  better  than  a  God; 
but  if  you  are  one,  for  more  certainty,  tell  me  what  I  am  just  now  thinking. 

Mercury. 

Why,  thou  art  thinking,  let  me  see;  for  thou  art  a  Woman,  and  jour 
Minds  are  so  variable,  that  it's  very  hard  even  for  a  God  to  know  them. 
But,  to  satisfie  thee,  thou  art  wishing,  now,  for  the  same  Power  I  have 
exercis'd:  that  thou  mightest  stamp,  like  me;  and  have  more  Singers  come 
up  for  another  Song. 

Phaedra. 

Gad,  I  think  the  Devil's  in  you.  Then  I  do  stamp  in  some  body's  name, 
but  I  kow  not  whose;  [stamps).  Come  up,  Gentle-folks,  from  below;  and 
sing  me  a  Pastoral  Dialogue,  where  the  Woman  may  have  the  better  of  the 
Man;  as  we  always  have  in  Love  matters. 

New  Singers  come  up  and  sing  a  Sang. 

"A  Pastoral  Dialogue  betwixt  Thyrsis  and  Iris"  follows.  The  variations 
in  the  version  printed  in  the  play  and  in  that  in  the  'Songs'  are  very 
slight.  In  the  former,  line  4  of  verse  1  has  "Had  sought  the  Shepherd's 
hour",  while  Purcell's  setting  gives  "the  happy  hour";  and  in  the  fourth 
verse  the  play  has  "But  kiss  me  not  and  tell"  while  the  song  gives  "No 
never  kiss  and  tell",  with  slightly  altered  words  of  the  last  couplet  for 
the  Bass  voice  when  it  is  sung  together  with  the  Soprano,  after  an 
operatic  fashion  still  in  use.  The  Dialogue  is  printed  in  'Orpheus  Bri- 
tannicus.'    (Vol.  II.  1702.  p.  153.) 

Anreng-Zebe. 

The  production  of  Dryden's  Tragedy  of  'Aureng-Zebe'  is  placed  by 
Genest1)  in  the  year  1675,  but  the  first  edition  is  dated  1676.  The 
title-page  is  as  follows:  "Aureng-Zebe:  |  A  |  Tragedy.  |  Acted  at  the  | 
Royal  Theatre.  |  Written  by  |  John  Dryden,  |  Servant  to  his  Majesty.  |  — 
Sedj  cum  fregit  subseUiu  versu,  |  Esurit,  intactam  Paridi  nisi  vendat 
Agaven.  Juv.  |  Licensed,  Soger  IS  Estrange.  \  London,  |  Printed  by 
T.  N.  for  Henry  Herrmgman,   at   the  Anchor  in  |  the   Lower  Walk  of 

1)  Op.  cit,  I,  176. 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  499 

the  New  Exchange.  1676.  |"  The  cast  consisted  of  Mohun  (the  Old  Em- 
peror), Hart  (Aureng-Zebe),  Kynaston  (Morat),  Wintershal  (Arimant), 
Mrs.  Marshall  (Nourmahal),  Mrs.  Cox  (Indamora),  Mrs.  Corbet  (Melesinda), 
and  Mrs.  Uphil  (Zayda),  The  play  was  reprinted  in  1685,  1692  and 
1694,  with  only  slight  alterations  in  the  title-page  and  with  the  same 
names  of  actors.  The  only  situations  in  which  music  could  be  introduced 
are  before  Act  II,  where  the  stage  direction  is  "Betwixt  the  Acts,  a 
Warlike  Tune  is  plaid,  shooting  off  Guns,  and  shouts  of  Soldiers  are 
heard,  as  in  an  Assault",  and  at  the  beginning  of  Act  IV,  where  "Soft 
Musid*  is  to  be  played  during  Aureng-Zebe's  fine  soliloquy  beginning 
"Distrust,  and  darkness  of  a  future  state".  The  Epilogue  clearly  refers 
to  the  absence  of  music  in  the  play: 

"But,  after  all,  a  Poet  must  confess, 

His  art's  like  Physick,  but  a  happy  guess. 

Your  Pleasure  on  your  Fancy  must  depend: 

No  Song!     No  Dance!     No  Show!  he  fears  youll  say." 

As  a  matter  of  fact  no  music  of  PurcelTs  exists  for  Aureng-Zebe  except 
one  song,  and  this  was  almost  certainly  introduced  at  some  later  revival. 
The  song  in  question  is  UI  see  she  flies  me."  It  first  appeared  without 
any  title,  in  the  5th  Book  of  'Comes  Amoris:  or  the  Companion  of 
Love.  Being  a  Choice  Collection  of  the  Newest  Songs  now  in  use', 
which  was  published  in  1694.  It  was  included  in  the  first  edition  of 
'Orpheus  Britannicus'  (1698),  also  without  any  title,  but  in  the  second 
(1706)  and  third  (1721)  Editions  it  is  headed  <A  Single  Song.'  So  far 
there  is  nothing  to  connect  it  with  Dryden's  play,  but  the  British  Museum 
possesses  a  collection  of  single  sheet  songs,  mostly  engraved  by  Thomas 
Cross,  which  were  bound  up  with  a  MS.  title-page  by  one  Francis 
Horton  in  1704,  and  among  these  is  a  copy  of  UI  see  she  flies  me" 
entitled  "A  Song  in  the  Play  calTd  Oranxebe  set  to  Musick  by  Mr. 
Henry  PurcM  and  sung  by  Mrs.  MyffP  There  are  also  two  other 
later  editions  of  the  song  with  the  same  heading,  one  of  which  was  used 
by  Walsh  for  his  'Orpheus  Britannicus.'  Another  early  single-sheet 
edition  of  the  song  is  simply  headed  "A  Song  set  to  Musick  by  Mr. 
Henry  PurcelL*  Prom  this  it  will  be  seen  that  when  the  play  was  first 
produced  it  certainly  contained  no  songs,  but  that  at  some  time  a  song 
of  PurcelTs  was  introduced  by  Mrs.  Ayliff,  but  whether  the  song  was 
written  especially  for  Dryden's  play  it  is  not  possible  to  decide.  The 
numerous  editions  point  to  the  popularity  of  the  tragedy,  but  theatrical 
records  are  very  meagre  in  the  17th  century,  and  G-enest  does  not 
chronicle  any  performance  of  Aureng-Zebe  between  1675  and  1709. 
Mrs.  AylifFs   name  frequently  occurs  in  connection   with  the  dramatic 


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500  W.  Barclay  Squire,  PurceU's  Dramatic  Music 

music  of  the  end  of  the  17  th  and  beginning  of  the  18  th  centuries,  and 
on  one  occasion  she  filled  an  important  speaking  part,  for  she  was  the 
original  Miss  Prue  in  Congreve's  'Love  for  Love',  on  its  production  by 
Betterton  and  the  leading  actors  from  Drury  Lane  at  Lincoln's  Inn 
Fields  in  April  1695.  The  character  was  to  have  been  played  by  Mrs 
Verbruggen,  but  she  demanded  a  higher  salary,  and  apparently  at  the 
last  moment  Mrs.  Ayliff  took  the  part.  Mrs.  Ayliff  also  sang  in  the 
'Fairy  Queen9  in  1692,  in  Orowne's  'Married  Beau'  in  1694  and  in 
Pureell's  St.  Cecilia  Ode  in  1695,  so  that  it  was  probably  about  this 
time  that  she  introduced  the  song  into  Aureng~Zebe.  It  is  possible  that 
the  work  was  revived  in  1692  and  1694,  the  years  in  which  the  printed 
play  was  re-issued,  for  there  can  hardly  have  been  a  demand  for  anew 
edition  at  so  short  an  interval  unless  it  was  required  for  sale  at  the 
theatre.  It  may  be  mentioned  that  there  exists  another  song  which  was 
introduced  into  Dryden's  tragedy  about  this  time.  This  is  Courteville's 
"The  charms  of  bright  beauty",  a  copy  of  which  is  in  Francis  Horton's 
collection  headed  "A  Song  the  words  by  Oapt:  Walker,  Sung  in  Oren- 
sebe  by  Mrs.  Hodgson",  etc.  This  must  also  have  been  introduced  in 
the  play  earlier  than  1704. 

Bonduca. 

This  was  an  anonymous  alteration  of  a  Tragedy  by  Beaumont  and 
Fletcher.  It  must  have  been  produced  at  the  Theatre  Royal  in  1695, 
for  the  publication  of  the  first  edition  is  advertized  in  the  London  Ga- 
zette for  October  24 — 28  of  that  year.  The  Title-page  is  as  follows: 
"Bonduca:  |  or,  |  the  British  Heroine,  |  A  |  Tragedy.  |  Acted  at  the  | 
Theatre  Boyal.  |  By  |  His  Majesty's  Servants.  |  With  a  New  Enter- 
tainment of  Mttsick,  |  Vocal  and  Instrumental  |  Never  Printed  or  Acted 
before.  |  London,  |  Printed  for  Richard  Benttey,  in  Russet-Street  near  | 
Covent-Garden,  1696.  |"  The  work  is  prefixed  by  a  dedication  to  Lord 
Jeffreys,  signed  by  George  Powell,  an  actor  and  author,  an  account 
of  whom  will  be  found  in  Cibber's  Apology'1).  The  original  cast  was 
as  follows:  Suetonius — Verbruggen;  Petilius — Harland;  Junius — Hill; 
Decius — Eldred ;  Macer  —  Lee ;  Caratach  —  Powel ,  Jun. ;  Venutius 
— Horden;  Hengo — Miss  Allison;  Nennius — Mills;  Macquaire — Simp- 
son; Bonduca — Mrs.  Knight;  Claudia  — Mrs.  Rogers;  Bonvica — Miss 
Cross.  The  music  in  'Bonduca*  was  published  by  the  Musical 
Antiquarian  .  Society  in  1882,  Dr.  Bimbault's  preface  to  which 
edition  gives  full  particulars  as  to  the  printed  and  MS.  sources 
used.  The  third  Book  of  'Deliciae  Musicae'  (1696)  contains  "Oh 
lead    me    to    some    peacefull    gloom,"     entitled     "A     Song     in    the 


V  R.  W.  Lowe'a  edition.    II.  325. 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  501 

Tragedy  of  Bondum,  set  by.  Mr.  Purcell.  Sung  by  Miss  Cross," 
and  also  "A  New  Catch  in  the  Tragedy  of  Bonduca.  Set  by  Mr. 
Henry  Purcett.n  (This  is  the  catch  "Jack,  thou'rt  a  Toper.")  'The- 
saurus Musicus'  (Book  V,  1696)  contains  "Britons  strike  home,*  and 
"To  arms,"  the  latter  headed:  UA  Song  in  Bonduca,  Sung  by  Mr. 
Freeman  and  Mr.  Edwards.  Sett  by  Mr.  Henry  PurceU."  The 
libretto  directs  this  number  to  be  sung  by  the  First  and  Fourth  Druid, 
and  thus  we  know  the  names  of  the  performers  of  these  small  parts, 
which  are  not  given  in  the  printed  list  of  the  cast.  Another  early  copy 
of  the  catch,  not  known  to  Bimbault,  occurs  in  'Joyful  Cuckoldom.' 
It  may  be  added  that  Bimbault's  note,  identifying  the  Mrs.  Knight  who 
sang  in  'Bonduca'  with  a  notorious  character  of  the  time  of  Charles  II 
is  almost  certainly  incorrect.  The  Bonduca  of  1695  was  Mrs.  Frances 
Knight,  a  well-known  actress  of  a  later  generation  than  anyone  connect- 
ed with  Nell  Gwyn. 

The  Canterbury  Guests. 

This  comedy— or  rather  farce — in  five  acts,  was  the  work  of  Edward 
Kavenscroft,  one  of  the  cleverest  of  the  minor  dramatists  of  the  end 
of  the  17  th  century.  It  was  produced  in  the  autumn  of  1694,  as  is 
proved  by  a  passage  in  Motteux's  'Gentleman's  Journal'  for  October- 
November  of  that  year.  The  publication  of  the  play  was  advertized  in 
the  Gazette  for  17-20  th  Dec,  1694. 

The  title-page  is  as  follows: 

"The  |  Canterbury  Guests ;  |  or,  A  |  Bargain  |  Broken.  |  A  |  Comedy.  | 

Acted  at  |  The  Theatre  Royal.  \  Written  by  |  Mr.  Edward  Kavens- 
croft, |  London,  |  Printed  for  Daniel  Brown  at  the  Bible  without  Temple- 
Barr;  |  and  John  Walthoe,  |  at  his  Shop  in  Vine -Court,  Middle- 
Temple,  1695.  I"  The  cast  included  Trefulis  (Aldermann  Furr),  Under- 
bill (Sir  Barnaby  Buffler),  Bowen,  (Justice  Greedy),  Verbruggen  (Lovell) 
Powell  (Careless),  Bright  (Durzo),  Dogget  (Dash),  M.  Lee,  Pinkethman, 
T.  Kent  (Innkeepers,  Cook,  Servant,  etc.,)  Mrs.  Rogers  (Jacinta), 
Mrs.  Verbruggen  (Hillaria),  Mrs.  Bought  (Arabella),  Mrs.  Lawson 
(Mrs.  Dazie),  Mrs.  Kent  (Mrs.  Breeder)  and  Mrs.  Perrin  (Beatrice), 
besides  unnamed  "Wayters,  Tidlers,  Singers  and  Dancers."  The  piece 
contains  no  words  of  songs  except  a  few  lines  beginning:  'I  have  a  thirsty 
soul,'  sung  by  Justice  Greedy  in  Scene  V,  Act  HI,  for  which  there  does 
not  seem  to  be  any  setting  extant.  But  in  the  samer  scene  a  Song  and 
Dance  are  introduced,  and  it  was  doubtless  here  ttat  was  sung  Purcell's 
•Dialogue  between  Two  Wives,'  as  printed  in  Book  HI  of  Hudgebutt's 
'Thesaurus  Musicus'  (1695).  The  words  of  this,  though  decidedly  amusing, 
are  rather  too  broad  for  modern  ears,  but  they  are  less  objectionable 


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502  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

than  another  version  that  is  extant.  The  curious  in  such  matters  may 
find  the  latter  in  an  undated  broad-side  entitled  (A  New  Dialogue  be- 
tween Alice  and  Beatrice,  As  they  met  at  the  Market  one  Morning  Early. 
To  the  Tune  of  Mopsaphil  .  .  .  Printed  for  J.  Blare,  at  the  Looking- 
Glass  on  London-Bridge,'  and  also  in  Vol.  Ill  (1712)  of  the  third  edition 
of  D'Urfeys  'Wit  and  Mirth:  or  Pills  to  Purge  Melancholy.'  Who  was 
their  author  it  is  impossible  to  say,  but  Purcell's  setting  is  very  interest- 
ing as  an  example  of  his  lighter  style.  The  Dialogue  only  appeared  in 
'Thesaurus  Musicus,'  and  no  other  copy  of  it,  either  printed  or  manu- 
script, is  known  to  exist. 

Circe. 

'Circe'  is  one  of  the  puzzles  of  students  of  Purcell.  The  work  is  an 
indifferent  Tragedy  in  rhyme,  written  when  young  by  Dr.  Charles  Dave- 
nant,  and  first  performed  (according  to  Genest1)  at  the  Dorset  Garden 
Theatre  in  1677.  Downes2)  includes  it  in  a  list  of  works  performed  be- 
tween 1676  and  1681,  without  giving  the  precise  date;  he  says  of  it: 
"Circe,  an  Opera  wrote  by  Dr.  Davenant]  .  .  .  All  the  Musick  was  set 
by  Mr.  Banister  and  being  well  Perform'd  it  answer' d  the  Expectation 
of  the  Company."  1677  is  probably  the  correct  date  of  the  production, 
as  the  play  was  printed  in  that  year.  The  first  edition  has  the  following 
title-page: 

"Circe,  |  A  Tragedy.  |  As  it  is  Acted  |  at  His  Boyal  Highness  the 
Duke  of  York's  Theatre.  |  By  Charles  D'Avenant.  L.  L.  D.  |  Hor.  Vekit 
jEgri  somnia  vana.  |  Licensed  June  18, 1677,  Roger  L' Estrange.  \  London,  i 
Printed  for  Richard  Tonson  at  his  Shop  |  under  Grays-Inn-gate  next 
Grays-Inn  \  -Lane,  MDCXXVH.  |" 

No  names  of  the  performers  are  given,  but  Genest  says  that  the  cast 
included  Betterton  (Orestes),  Williams  (Pylades),  Smith  (Ithacus),  Harris 
(Thoas),  Mrs.  Lee  —  afterwards  Lady  Slingsby  —  (Circe),  Mrs.  Better- 
ton  (Iphigenia)  and  Mrs.  Twiford  (Osmida).  In  the  same  year  the  nume- 
rous lyrics  in  the  play  were  issued  separately,  with  the  following  title- 
page: 

"The  |  Songs  |  in  |  Circe.  |  Licensed  May  7  th  1677.  |  Roger  L' Est- 
range. |  London,  |  Printed  for  Richard  Tonson  at  his  Shop  Qrayes-Imv- 
Gate  |  next  Qrayes-Inn-Lane,  MDCLXXVH." 

There  are  two  later  editions  of  the  play,  dated  respectively  1685  and  1703. 
The  text  in  all  three  is  practically  identical,  except  for  slight  variations 
in  the  spellings  The  1703  edition  was  advertized  in  the  Post  Man  for 
Aug.  17—19,  1W33.    Theatrical  announcements  were  only  just  beginning 

1)  Op.  cit.  I.  208. 

2)  'Roscius  Anglicanus'  ed.  Knight  (1866),  p.  .36. 


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W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music.  503 

to  appear  about  this  time,  and  their  insertion  in  the  papers  was  very 
irregular,  but  the  fact  that  the  work  was  reprinted  in  1685  and  1703 
seems  to  point  to  its  having  been  played  in  these  years,  though  the  first 
revival  of  which  we  have  definite  evidence  took  place  at  the  Lincoln's 
Inn  Theatre  on  14th  July,  1704,  when  it  was  announced  in  the  Daily 
Courant,  as  follows: 

"For  the  benefit  of  L  Smith.  At  the  New  Theatre  in  Little-Lincolns- 
Inn-Fields,  this  present  Friday  being  the  14th  day  of  July,  will  be  reviv'd 
a  Play  calTd,  Circe.  All  the  Parts  acted  to  the  best  Advantage  by  the 
whole  Company.  To  which  will  be  added  the  Bachanalian  Musick  as 
it  was  originally  perform'd  in  the  Mad  Lover,  with  the  Mask  of  Acis 
and  Galatea.  Also  a  piece  of  Instrumental  Musick  intirely  new,  with 
a  Solo  by  Mr.  Dean.  There  will  be  likewise  variety  of  Comical  Dances 
between  the  Acts.    By  Her  Majesty's  Sworn  Servants.  * 

It  is  noticeable  that  nothing  is  said  to  show  that  'Circe'  had  not  been 
acted  for  some  time,  as  was  almost  always  the  case  when  a  work  was 
revived  after  a  considerable  lapse  of  years,  and  also  that  no  mention  is 
made  of  the  music  in  the  play. 

'Circe'  contains  an  unusual  number  of  lyrics,  and  it  is  curious  that 
no  settings  of  these  have  survived  except  those  in  Act  I,  one  song  in  Act 
II  and  two  in  Act  IV*  As  to  the  latter  there  is  no  difficulty.  The  song 
for  Iris  in  Act  II  ('Cease,  valiant  hero')  is  printed  with  anonymous  music 
in  'New  Ayres  and  Dialogues'  (London,  1678,)  and  two  of  the  songs 
in  Act  IV  ('Young  Phaon  strove'  and  'Give  me  my  Lute')  set  by  John 
Banister,  occur  in  Book  II  of  Playford's  'Choice  Ayres  and  Songs' 
(London,  1679.)  The  last-named  is  headed  'A  Song  in  the  Play  of 
Circe,'  thus  confirming  Downes's  statement  that,  for  the  original  pro- 
duction at  least,  Banister  was  the  composer  employed. 

It  is  with  the  music  for  Act  I.  that  the  puzzle  about  'Circe'  begins. 
There  exist  several  MSS.  containing  a  very  elaborate  and  remarkable 
setting  of  these  scenes,  to  which  Purcell's  name  is  generally  attached. 
The  opening  scene  was  published  by  Bimbault  (The  Ancient  Vocal  Music 
of  England,  No.  15)  in  1847,  from  a  score  in  his  possession,  but  with 
Banister's  name  as  composer,  on  the  strength  of  Downes's  statement  rather 
than  on  the  authority  of  the  manuscript.  In  an  article  in  'Concordia9 
(1876)  the  editor  gave  a  further  extract  from  the  work,  but  by  this  time 
he  had  come  to  the  conclusion  that  the  music  was  by  Purcell,  in  which 
opinion  he  is  followed  by  Dr.  Cummings  *),  who  further  states  that  the  work 
"contains  music  which  no  other  composer  of  his  time  could  have  written." 
Judging  from  the  little  music  by  Banister  that  has  come  down  to  us, 
it  is  certainly  difficult  to  believe  that  he   could  have  written  the  very 

1)  'PurcelT.  (Great  Musicians  Series.    London,  1881.)    p.  44. 

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504  W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Musk. 

fine  and  strongly  PurceUesque  work  in  question,  yet  the  evidence  upon 
which  it  is  ascribed  to  Purcell  is  at  present  far  from  complete. 

So  far  as  I  know  there  exist  now  six  or  (if  a  modern  copy  by  Mr. 
W.  H.  Husk  be  counted)  seven  manuscripts  of  "Circe".  Probably  the  oldest 
belongs  to  Oriel  College,  Oxford;  it  is  in  the  same  hand-writing  as  the 
first  part  of  a  volume  in  the  Library  of  St.  Michael's  College^  Tenbury, 
stated  on  the  cover  to  have  been  begun  in  1695,  and  also  of  the  copy 
of  Daniel  Purcell's  'The  Grove'  in  the  Royal  College  of  Music  Library. 
A  second  copy  is  in  the  Fitzwilliam  Museum,  Cambridge1),  dating  from 
about  1708.  The  Catalogue  ascribes  it  to  Banister,  but  there  is  no  com- 
poser's name  on  the  title  and  the  ascription  to  Banister  is  added  in  pencil 
in  the  margin,  in  a  much  later  hand.  There  are  two  copies  in  the  British 
Museum;  (a)  a  bad  compressed  score,  formerly  belonging  to  J.  Pears  of 
Bath  and  afterwards  to  Mr.  Julian  Marshall  and  (b)  a  score  written  by 
E.  W.  Smith,  a  choirman  of  St.  Paul's  in  August,  1796,  which  be- 
longed at  different  times  to  the  Bev.  J.  W.  Dodd,  J.  Bartleman,  Dra- 
gonetti  and  Vincent  Novello.  A  note  in  this  MS.  says  that  it  was  copied 
from  one  in  the  hands  of  J.  Hindle,  formerly  belonging  to  Dr.  Bever. 
Dr.  Cummings  possesses  a  fifth  score  —  a  copy  of  the  Museum  MS.  (b), 
—  and  the  Royal  College  of  Music  has  a  sixth,  dating  from  the  18th 
century  and  containing  the  book-plates  of  Sir  John  Dolben  and  J.  L.  Dam- 
pier.  Mr.  Husk's  score  is  also  at  the  Royal  College.  All  these  MSS.  prac- 
tically agree,  and  their  common  origin  is  shown  by  the  fact  that  they 
all  omit  the  three  first  words  with  their  accompanying  notes,  which  begin 
the  Verse,  "You  who  hatch  factions  in  the  Court" 

There  is  one  other  slight  piece  of  evidence  which  must  be  mentioned. 
Roger  North,  in  his  'Memoirs  of  Musick'*),  mentions  Davenanfs  play  in 
a  rather  curious  way.  He  says:  "Mr.  Betterton  .  .  .  contrived  a  sort  of 
plays,  which  were  called  Operas,  but  had  been  more  properly  styled  Semi- 
operas,  for  they  consisted  of  half  musick,  and  half  drama.  The  chief 
of  these  were  Circe,  the  Fayery  Queen,  Dioclesian  and  King  Arthur; 
which  latter  was  composed  by  Purcell  and  is  unhappyly  lost"  It  seems 
strange  that  an  author  who  was  so  much  interested  in  music  as  North 
was  should  not  have  known  that  'Dioclesian'  and  the  'Fairy  Queen'  were 
by  Purcell,  but  it  is  at  least  significant  that  he  should  mention  'Circe'  in 
the  same  paragraph  as  three  of  Purcell's  best  works  for  the  stage. 

Apart  from  the  internal  evidence  of  the  music  itself,  which  is  strongly 
in  favour  of  Purcell's  authorship,  the  question  as  it  at  present  stands 
may  be  summed  up  as  follows.     For  the  original  production  in  1677 

1)  J.  A.  Fuller  Maitland  and  A.  H.  Mann,  'Catalogue  of  Music  in  the  Fitzwilliam 
Museum',  Cambridge,  1898.   p.  96. 

2)  Ed.  Rimbault,  London  1846.   p.  115. 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  605 

John  Banister  is  stated  by  Downes  to  have  written  music,  and  this  is 
confirmed  by  the  survival  of  two  songs  in  'New  Ayres  and  Dialogues' 
(1678).  At  the  first  revival  (1703)  of  the  play  of  which  we  have  any 
record,  no  mention  is  made  of  the  composer  of  the  music,  though  this 
was  usually  done  at  that  time  in  the  case  of  plays  for  which  Purcell 
had  written  music.  On  the  other  hand,  it  is  more  than  likely  that  if 
Banister's  music  had  been  used,  the  fact  would  have  been  stated  in  the 
advertisements,  since  his  son  was  then  a  member  of  the  Lincoln's  Inn 
Fields  Theatre.  None  of  the  MSS.  of  'Circe'  bear  the  name  of  Banister, 
but  some  of  them  —  and  notably  the  earliest,  preserved  at  Oriel  College  — 
attribute  it  to  Purcell,  to  whose  style  it  bears  a  very  strong  likeness. 
If  Purcell  wrote  it,  one  can  only  hazard  the  conjecture  that  the  play 
was  revived  in  1685,  that  the  original  music  to  Act  I  had  been  lost  and 
that  he  was  employed  to  supply  a  fresh  setting.  This  hypothesis  would 
account  for  there  being  no  music  in  any  of  the  MSS.  for  the  other  Acts. 

Cleomenes. 

This  fine  tragedy  by  Dryden,  with  some  few  additions  in  the  last  Act 
by  Southerne,  was  acted  at  the  Theatre  Royal  in  the  spring  of  1692. 
The  subject  was  one  to  arouse  suspicion  in  the  minds  of  Queen  Mary 
and  her  ministers,  for  the  poet  took  no  pains  to  conceal  his  sympathy 
with  the  exiled  King  James  II;  and  accordingly  its  performance  was  for- 
bidden, as  Motteux  (Gentleman's  Journal  for  April,  1692,  p.  25)  thus 
relates:  "I  was  in  hopes  to  have  given  you  in  this  letter  an  account  of 
the  Acting  of  Mr.  Dryden's  Cleomenes;  it  was  to  have  appear' d  upon 
the  Stage  on  Saturday  last,  and  you  need  not  doubt  but  that  the  Town 
was  big  with  the  Expectation  of  the  performance;  but  Orders  came  from 
Her  Majesty  to  hinder  its  being  Acted;  so  that  none  can  tell  when  it 
shall  be  play'd.  The  Opera,  whereof  I  wrote  to  you  will  be  hastened 
upon  this  account."  The  difficulty  with  the  censorship  was,  however, 
soon  overcome  by  the  good  offices  of  the  Queen's  uncle,  the  Earl  of 
Rochester,  to  whom  Dryden  dedicated  his  play,  and  in  the  next  number 
of  the  'Gentleman's  Journal'  the  production  is  thus  chronicled:  "I  told 
you  in  my  last,  that  none  could  then  tell  when  Mr.  Dryden's  Cleomenes 
would  appear;  since  that  time,  the  Innocence  and  Merit  of  the  Play  have 
rais'd  it  several  eminent  Advocates,  who  have  prevailed  to  have  it  acted, 
and  you  need  not  doubt  but  it  has  been  with  great  Applause."  The  play 
was  printed  shortly  after.  The  first  edition  (advertized  in  the  Gazette 
for  2—5  May)  has  the  following  title-page:  "Cleomenes,  |  the  |  Spartan 
Heroe.  |  A  Tragedy,  |  As  it  is  Acted  at  the  |  Theatre  Royal.  |  Written 
by  Mr.  Dryden.  |  To  which  is  prefixt  |  The  Life  of  Cleomenes.  \  His  Armis, 
iM  quoque   tutus  in  aidd.     Juv.  Sat.  IV.  |  London,  \  Printed  for  Jacob 

s.  a.  i.  ii.  v.  33 


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506  W.  Barclay  Squire,  PureeH's  Dramatic  Music. 

Tanson,  at  the  Judges-Head  in  Chancery-  |  Lane  near  Fleet-Street.  1692.  | 
Where  Oompleat  Sets  of  Mr.  Dryden's  Works,  in  Four  |  Volumes,  are 
to  be  Sold.    The  Plays  being  put  in  the  |  order  they  were  Written.  \n 

There  are  only  two  situations  in  'Cleomenes'  which  require  music,  and 
for  only  one  of  them  is  any  music  extant.  This  occurs  in  the  second 
scene  of  Act  II.  The  stage  directions  are  as  follows:  "The  Scene  opens, 
and  discovers  Cassandra's  Apartment.  Musicians  and  Dancers.  Ptolemy 
leads  in  Cassandra;  Sosibius  follows  — they  sit.  Towards  the  end  of  the 
Song  and  Dance,  enter  Cleomenes  and  Cleanthes  on  one  side  of  the  Stage, 
where  they  stand."  The  song,  all  that  survives  of  the  music  to  the  play, 
is  'No,  no,  poor  sufFring  heart.'  The  melody  alone  was  published  in 
'Joyful  Cuckoldom',  headed  'A  New  Song,  in  the  Play  called,  the 
Tragedy  of  Cleomenes,  the  Spartan  Heroe.  Sung  by  Mrs.  Butter? 
The  song  also  appeared,  with  voice  part  and  bass,  in  the  fourth  Book 
of  'Comes  Amoris'  (1693).  In  the  second  scene  of  Act  HI  the  stage 
directions  require  "Musick  Instrumental  and  Vocal .  .  .  Soft  Musick  all 
the  while  Ptolemy  and  Cassandra  are  adoring  and  speaking,"  but  no  trace 
of  this,  nor  of  the  Dance  which  followed  the  song  in  Act  II  has  so  far 
come  to  light,  and  it  is  impossible  to  say  whether  Purcell  did  more  than 
set  'No,  no,  poor  suffring  heart'  At  this  time  he  must  have  been  busy 
with  'The  Fairy  Queen'  (the  Opera  alluded  to  by  Motteux)  the  pro- 
duction of  which  (at  the  Dorset  Garden  Theatre)  is  noticed  in  the  same 
number  of  the  'Gentleman's  Journal'  that  chronicles  the  first  performance 
of  'Cleomenes'.  The  Birthday  Ode,  'Love's  Goddess  sure'  dates  from 
the  same  period,  having  been  first  sung  before  Queen  Mary  on  April 
30th,  1692. 

The  original  cast  of  'Cleomenes'  was  as  follows:  Cleomenes — Betterton; 
Cleonides — Lee;  Ptolemy — Alexander;  Sosibius — Sandford;  Cleanthes — 
Mountfort;  Pantheus — Kynaston;  Coenus — Hudson;  Cratesiclea — Mrs. 
Betterton;  Cleora — Mrs.  Bracegirdle,  and  Cassandra — Mrs.  Barry. 

Dido  and  JEneas. 

The  date  of  the  composition  of  this  work  presents  some  of  the  most 
difficult  and  puzzling  points  in  the  chronology  of  Purcell's  dramatic 
music.  As  the  conclusions  which  will  be  come  to  regarding  it  have  not 
been  hitherto  brought  forward,  it  is  necessary  to  sift  the  evidence  at 
some  length  and  to  examine  the  various  views  which  have  hitherto  been 
accepted.     Taking  them  in  chronological  order  they  are  as  follows: 

1.  Sir  John  Hawkins,  the  first  to  mention  the  work,  writing  of  Purcell, 
says1)  "One  Mr.  Josias  Priest,  a  celebrated  dancing-master,  and  a  com- 
poser of  stage  dances,  kept  a  boarding  school  for  young  gentlewomen 

1)  History  of  Music,  2**  Ed.  [1853.]  p.  745. 

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W.  Barclay  Squire,  Parcell's  Dramatic  Music.  507 

in  Leicester-fields;  and  the  nature  of  his  profession  inclining  him  to  dra- 
matic representations,  he  got  Tate  to  write,  and  Purceil  to  set  to  music, 
a  little  drama  called  'Dido  and  ^Eneas';  Purceil  was  then  of  the  age 
of  nineteen,"  (making  the  date  1677)  "but  the  music  of  this  opera  had 
so  little  appearance  of  a  puerile  essay,  that  there  was  scarce  a  musician 
in  England  who  would  not  have  thought  it  an  honour  to  have  been  the 
author  of  it.  The  exhibition  of  this  little  piece  by  the  young  gentle- 
women of  the  school  to  a  select  audience  of  their  parents  and  friends 
was  attended  with  general  applause,  no  small  part  whereof  was  considered 
as  the  due  of  Purceil." 

2.  In  1841  'Dido  and  JEneas'  was  first  printed  (for  the  Musical 
Antiquarian  Society),  edited  by  Sir  George  Macfarren.  On  the  title- 
page  the  date  of  the  composition  was  given  as  1675,  on  the  authority 
of  Professor  Edward  Taylor,  who  acknowledged  that  uaU  we  know  of 
its  history  is  contained  in  the  passage  from  Hawkins." 

3.  In  1842,  in  the  Introduction  to  'Bonduca'  (Musical  Antiquarian 
Society's  edition)  Dr.  Bimbault  retained  Taylor's  date  of  1675,  but  cor- 
rected the  contradiction  as  to  the  composer's  age  by  stating  that  'Dido' 
was  written  when  he  was  "in  his  seventeenth  year." 

4.  In  1870  Bimbault  published  a  new  edition  of  the  work  for  Messrs. 
Metzler,  but  since  1842  a  copy  of  the  libretto  of  the  original  perform- 
ance had  been  acquired  for  the  Library  of  the  Sacred  Harmonic 
Society,  and  this  threw  new  light  on  the  question.  The  libretto  has 
been  printed  in  facsimile  in  Dr.  Cummings'  edition  of  'Dido'  [PurceU 
Society,  vol.  HI);  it  is  headed:  'An  Opera  Perform'd  at  Mr.  Josias  Priest's 
Boarding-School  at  Ckelsey.  By  Young  Gentlewomen.  The  Words  Made 
by  Mr.  Nat.  Tate.     The  Musick  Composed  by  Mr.  Henry  Purceil." 

Now  Hawkins  had  already,  in  a  foot-note,  alluded  to  an  Advertise- 
ment in  No.  1567  of  the  London  Gazette  (Nov.  22—25,  1680)  to  the 
effect  that  "Josias  Priest,  Dancing  Master,  who  kept  a  Boarding-School 
of  Gentlewomen  in  Leicester-Fields,  is  removed  to  the  great  School-House 
at  Chdsey1),  that  was  Mr.  Portmarts.  There  will  continue  the  same 
Masters,  and  others,  to  the  improvement  of  the  said  School,"  and  in  the 
face  of  the  new  evidence  of  the  Libretto,  the  dates  1675  and  1677  had 
both  to  be  abandoned.  Rimbault's  way  of  meeting  the  difficulty  is  cha- 
racteristic. "This  evidence,"  he  says,  "is  so  far  satisfactory,  that  it  pro- 
ves, beyond  question,  that  Purcell's  Dido  and  ^Eneas  could  not  have 
been  performed  before  1680.     There  is  good  reason  to  believe  that  it 

1)  I  am  indebted  to  Mr.  Randall  Davies  for  the  information  that  Priest's  School 
was  at  Gorges  House,  which  stood  just  behind  what  is  now  Lindsay  Row,  between 
Beaufort  Street  and  Milman's  Row.  Priest  bought  it  from  Richard  Morgan,  of  Marlies 
Essex.    It  was  subsequently  sold  to  Sir  William  Milman. 

33* 


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508  W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music. 

was  produced  in  that  year,  possibly  at  the  Christmas  breaking  up."    One 
would  like  to  know  what  the  "good  reason"  was. 

5.  Li  Dr.  Cummings'  'Life  of  PurcelT1)  the  1675  mistake  is  exposed 
and  Rimbault's  assertion  that  the  work  was  composed  in  1680  is  ac- 
cepted. Dr.  Cummings  also  for  the  first  time  draws  attention  to  the 
fact  (the  importance  of  which  will  be  dealt  with  later  on)  that  D'Urfey's 
'New  Poems'  (1690J  contains  "An  Epilogue  to  the  Opera  of  Dido  and 
JEneas,  performed  at  Mr.  Priest's  Boarding-school  at  Chelsey:  spoken 
by  the  Lady  Dorothy  Burk." 

6.  In  the  article  in  Vol.  HI  (p.  46)  of  Grove's  'Dictionary  of  Music1 
(1883)  Mr.  Husk  added  to  what  we  may  call  the  'Dido'  Legend.  He 
states  that  the  work  was  written  for  performance  at  Priest's  School  in 
Leicester  Fields  in  1675  and  was  again  performed  in  1680  at  Chelsea, 
but  no  evidence  is  given  for  either  statement 

7.  In  the  Preface  to  the  Purcell  Society's  edition  (1889)  of  the  work 
Dr.  Cummings  accepts  Rimbault's  view  and  states  that  "all  the  evidence 
hitherto  discovered  tends  to  prove  that  the  Opera  was  composed  in  1680." 

8.  In  the  'Dictionary  of  National  Biography'  (vol.  XLVII,  1896)  Mr. 
Fuller  Maitland  tells  us  that  "the  opera  'Dido  and  JEneas'  has  been 
conclusively  proved  to  date  from  1680."  The  same  date  is  accepted 
without  hesitation  by  Sir  Hubert  Parry  in  the  'Oxford  History  of  Music' 
(Vol.  m.  p.  296,  1902.)  2) 

Comment  is  hardly  needed  upon  the  way  in  which  Dr.  Rimbault's 
'there  is  reason  to  believe'  that  'Dido'  was  produced  in  1680  has  gra- 
dually been  changed  into  the  assertion  that  1680  was  the  actual  date, 
but  before  examining  whether  Bimbault  had  any  grounds  for  even  this 
tentative  ascription,  the  point  arises  as  to  what  reason  Hawkins  had  for 
fixing  on  1677  as  the  year.  Although  no  clue  is  given  in  the  passage 
quoted  from  his  History;  I  think  it  is  not  improbable  that  Hawkins's 
error  arose  from  a  mistaken  interpretation  of  a  passage  in  the  Preface 
to  Tate's  play  'Brutus  of  Alba.'  This  work  was  published  in  1678,  and 
the  author  says  that  he  "had  begun  and  finisht  it  under  the  Names  of 
Dido  and  ^Eneas."  Hawkins  probably  jumped  at  the  conclusion  that 
the  libretto  which  Purcell  set  was  this  first  version  of  Tate's  play,  and 
be  fixed  the  date  1677  as  nearly  as  possible  before  that  of  'Brutus  of 
Alba',  in  order  to  diminish  as  much  as  possible  the  difficulty  of  the  work 


1)  Great  Musicians  Series,  1881.  p.  32. 

2)  Mr.  Henry  Davey  ('History  of  English  Music')  varies  the  accepted  accounts 
of  'Dido  and  Eneas'  by  saying  that  Mrs.  Priest  kept  the  school,  and  that  Purcell  'prob- 
ably taught  there*  and  was  engaged  to  set  the  opera.  He  also  conjecturs  that  .Lady 
Dorothy  Burke  was  the  original  Dido  and  that  Purcell  "took  some  of  the  abbey 
choir"  to  assist  in  the  production. 


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W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music.  509 

haying  been  written  by  Purcell  at  so  early  an  age.  If  'Dido  and  iEne&s' 
preceded  the  play,  as  he  gathered  from  the  preface,  it  must  have  been 
composed  before  1678,  and  1677  was  fixed  on  as  the  latest  possible  date, 
much  in  the  same  way  as  Bimbault  later  on  fixed  1680  as  the  nearest 
to  Hawkins'  date,  the  earlier  year  having  been  proved  impossible  by  the 
discovery  that  the  opera  was  performed  at  Chelsea,  to  which  Priest  only 
moved  in  1680.  That  there  is  an  intimate  connection  between  'Brutus 
of  Alba'  and  'Dido  and  JEneas'  is  not  surprising  in  the  circumstances. 
In  both  works  Tate's  peculiar  phraseology  is  apparent. 

"Our  charm  has  took 
The  Queen's  forsook" 

of  the  Opera  occurs  in  the  play  in  the  line 

"My  charm  has  took,  the  Tempter  has  prevail' d" 

and  the  simile 


u 


Thus,  on  the  fatal  bank  of  Nile 


Weeps  the  deceitful  crocodile" 

is  echoed  in  'Brutus  of  Alba'  as 

"Twere  Woman's  Fraud  t'have  ruined  with  your  Smiles, 
But  to  betray  with  Tears,  the  Crocodile's." 

But  the  two  works  are  far  from  being  identical,  and  it  is  just  as 
probable  that  the  opera-book  is  a  second  version  of  the  play  as  that  the 
latter  represents  the  form  in  which  'Brutus  of  Alba*  was  "begun  and 
finisht .  .  .  under  the  Names  of  Dido  and  ^Eneas."  That  Bimbault  knew 
'Brutus  of  Alba'  and  thought,  like  Hawkins,  that  it  was  an  amplification 
of  'Dido'  is  proved  by  his  assertion  (in  the  preface  to  the  1870  edition) 
that  the  Opera  was  Tate's  first  dramatic  effort,  a  statement  he  evidently 
drew  from  the  Prologue  to  the  Play;  but  Tate  made  it  with  regard  to 
the  latter  and  —  in  the  face  of  the  differences  between  the  two  works  — 
it  is  wrong  to  apply  it  to  the  Opera. 

If  this  view  is  correct,  there  is  no  reason  for  ascribing  'Dido  and 
JEneas'  to  either  1677  (and  much  less  to  1675)  or  to  1680,  and  the 
true  date  must  be  sought  from  other  evidence.  It  is  at  this  point  that 
the  value  of  D'Urfey's  'Epilogue'  appears,  and  though  the  evidence  is 
very  slight,  yet  taken  altogether,  it  may  fairly  be  said  to  point  to  'Dido 
and  JBneas'  being  the  production  of  a  much  later  period  in  Purcell's 
career  than  is  usually  accepted. 

The  evidence  we  at  present  possess  as  to  the  probable  date  of  'Dido 
and  JEneas'  may  be  grouped  under  five  headings,  four  of  which  have 
chiefly  to  do  with  D'Urfey's  verses. 

1.  The  Epilogue  will  be  found  printed  in  the  preface  to  Dr.  Cum- 


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510  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

mings'  edition  of  the  opera  (Purcell  Soc.  Vol  IU9)  and  it  is  not  neces- 
sary to  repeat  it  here.    The  full  title  of  the  volume  in  which  it  occurs  is 

"New  |  Poems,  |  Consisting  of  |  Satyrs,  |  Elegies,  |  and  |  Odes:  |  Toge- 
ther with  a  |  Choice  Collection  |  of  the  Newest  |  Court  Songs,  |  Set  to 
Musick  by  the  best  Masters  |  of  the  Age.  |  All  Written  by  Mr.  D'Urfey.  \ 
...  |  London,  Printed  for  J.  BvOmd .  .  .  |  ...  and  A.  Boper .  .  .  1690.  |" 

The  Epilogue  occurs  on  p.  82,  and  is  headed  "Epilogue  to  the  Opera 
of  Dido  and  JEneas,  performed  at  Mr.  Preist's  Boarding-School  at 
Chelsey;  Spoken  by  the  Lady  Dorothy  Burk."  As  the  'New  Poems* 
were  published  in  1690,  it  is  obvious  that  the  production  took  place  be- 
fore that  date.  Seven  years  earlier,  in  1683,  Durfey  had  issued  a  some- 
what similar  volume,  entitled  'A  New  Collection  of  Songs  and  Poems/ 
so  that  it  may  fairly  be  concluded  that  his  second  volume,  called  defi- 
nitely lNew  Poems/  represents  the  collection  of  his  slighter  pieces  written 
since  the  earlier  volume  appeared.  The  Epilogue  is  not  in  the  1683 
book,  it  is  in  that  of  1690,  which  points  to  the  date  of  the  Opera  for 
which  it  was  written  as  falling  between  those  two  years. 

2.  Who  was  Lady  Dorothy  Burke?  It  is  obvious  that  if  we  could 
discover  when  she  was  at  school,  or  even  her  approximate  age  between 
1680  and  1690  we  should  possess  an  important  link  in  the  chain  of 
evidence. 

Lady  Dorothy  was  only  daughter  by  his  first  wife  of  Bichard,  8th  Earl 
of  Clanricarde.  Her  mother1)  was  a  daughter  of  Mr.  Bagnall,  Page  of 
the  Backstairs  to  King  James  II.  Her  father  succeeded  to  the  title  on 
the  death  of  the  7th  Earl  in  1687.  He  served  in  the  Irish  Army  of 
James  II  and  was  outlawed  by  the  English  Government  (11th  May, 
1691).  After  the  battle  of  Aughrim  he  surrendered  Galway,  where,  ac- 
cording to  Mr.  O'Conor  (Military  History  of  the  Irish  Nation,  1846, 
p.  161),  he  "compounded  his  honour  for  personal  security;  and,  quitting 
the  service  of  James,  remained  at  Galway.91  He  became  a  Roman 
Catholic  about  1673,  *)  but  his  daughter  Dorothy  was  a  Protestant  He 
was  married  three  times,3)  (1)  to  —  Bagnall,  by  whom  he  had  three 
sons  who  died  young,  and  (G.  E.  C.  Complete  Peerage,  VIII.  p.  525)  one 
daughter  (Dorothy);  (2)  after  April,  1683  to  Anne,  Countess  Dowager 
of  Warwick   and    (3)   to   the  Hon.  Bridget  Dillon,    daughter  of  Theo- 

1)  "1669  (—70)  25  Jan.  On  Saturday  last  Lord  Dunkellin,  eldest  son  of  Earl  of 
Clanricarde,  was  privately  married  to  the  Court  beauty,  the  youngest  daughter  of 
Mr.  Bagnall".  (Newsletter  in  the  Rydal  Hall  Papers  (No.  1118.)  Hist.  MSS.  Com- 
mission, 7  th.  App.  to  Report  12.) 

2)  "Hie  Earl  of  Clanricard,  who  fifteen  years  ago  turned  Roman  Catholic,  has  de- 
clared himself  a  Protestant  in  Ireland."  (Newsletter  to  the  Countess  of  Rutland, 
25  Aug.  1688.    Rutland  Papers,  Hist.  MSS.  Commission  II,  121.) 

3)  Ad.  MSS.  21,130. 


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bald  7th  Viscount  Dillon,  by  whom  he  had  a  son,  who  died  young,  and 
a  daughter,  Mary  (b.  circa  1698,  m.  July,  1713,  d.  12.  Jan.  1713—4; 
buried  in  Christ  Church,  Dublin),  who  married  Patrick,  the  eldest  son  of 
Sir  John  Bellew  of  Barmeath,  Co.  Louth.  Lord  Clanricarde  died  at 
Loughrea,  co.  Galway,  2nd  Feb.,  1708  and  was  buried  in  the  family 
vault  at  Athenry1). 

Lady  Dorothy  Burke  was  married  to  Alexander  Pendarves,  of  Bos- 
crow,  near  Falmouth,  whose  second  wife  was  Mary  Granville,  afterwards 
Mrs.  Delany.  The  dates  and  places  of  her  birth,  marriage  and  death, 
have  so  far  eluded  prolonged  and  careful  search1). 

Alexander  Pendarves  was  born  about  1657,  but,  according  to  Mrs. 
Delany,  he  had  not  lived  at  Roscrow  for  thirty  years  before  he  took  her 
there  in  1717,  and  his  first  wife  was  certainly  not  buried  in  the  family 
vault  at  St.  Gluvias.  There  is  an  allusion  to  her  in  LuttrelTs  Diary 
(IV.  629)  for  2nd  April,  1700:  "Yesterday  the  Commons  satt .  .  .  debating 
clauses  to  be  added  to  the  bill  for  Irish  forfeitures  .  .  .  And  this  day 
they  past  the  said  bill,  and  ordered  it  to  be  carryed  to  the  Lords  to-mor- 
row; and  resolved,  his  majestie  be  addrest  to  extend  his  bounty  to  Mrs. 
Bourk,  (daughter  to  the  Earl  of  Clanrickard) ,  who  turn'd  Protestant." 
That  this  was  Lady  Dorothy  Pendarves  is  proved  by  the  fact  that  a 
Private  Act  (13  &  14  Will.  HI  &  I  Anne,  Cap.  41)  empowered  the 
Trustees  of  the  forfeited  Clanricarde  estates  to  raise  £  5000  and  to  pay 
the  same  to  Alexander  Pendarves  as  the  marriage  portion  of  "the  late 
Lady  Dorothy  Burke  who  was  the  only  Protestant  child  of  Bichard  Earl 
of  Clanricard." 3)  She  must  therefore  have  died  between  the  date  of  the 
entry  in  LuttrelFs  Diary  .and  that  of  the  Act,  i.  e.  between  1700  and  1702. 

These  facts  unfortunately  do  not  give  much  clue  to  the  date  when 
Lady  Dorothy  Burke  was  likely  to  have  been  at  Priest's  School.  It  will 
be  noticed  that  as  her  father  did  not  succeed  to  the  title  until  October, 
1687,  she  was  not  'Lady'  Dorothy  before  that  date.  But  it  is  not  ad- 
visable to  regard  this  as  a  strong  piece  of  evidence.  D'Urfey's  Epilogue, 
though  printed  when  she  was  Lady  Dorothy,  might  have  been  spoken 

1)  For  these  particulars ,  many  of  which  are  not  to  be  found  in  the  Peerages,  I 
am  indebted  to  the  kind  assistance  of  Mrs.  Swinnerton  Hughes. 

2}  I  have  personally  searched  most  available  printed  books  of  reference,  as  well 
as  the  transcripts  of  London  Registers  at  the  College  of  Heralds  and  the  registers  of 
St.  Gluvias,  Cornwall.  I  am  indebted  to  Sir  Arthur  Vicars  for  searching  the  records 
in  the  Dublin  College  of  Arms  and  also  to  the  Marquess  of  Clanricarde,  the  Countess 
of  Cork,  Viscount  Dillon,  A.  Scott-Gatty,  Esq.  J.  D.  Enys,  Esq.,  W.  E.  Pendarves, 
Esq.,  A.  F.  Basset,  Esq.,  the  officials  of  the  House  of  Lords  and  several  others  for 
kind  help  in  the  attempt  to  obtain  information  as  to  Lady  Dorothy's  biography. 

3)  Further  enactments  concerning  Mr.  Pendarves' s  efforts  to  recover  this  sum 
will  be  found  in  5  Anne  c.  29. 


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512  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

when  she  was  simply  Mistress  Burke  —  by  which  name,  indeed,  Luttrell 
refers  to  her  even  after  she  had  become  Lady  Dorothy  Pendarves.  On 
the  other  hand  it  is  at  least  probable  that  as  a  young  lady  of  title  she 
would  have  been  chosen  to  speak  the  Epilogue,  and  this  probability 
points  to  the  date  of  the  production  of  the  Opera  being  between  1687 
and  1690. 

3.  It  happens  that  there  exists  some  curious  evidence  with  regard 
to  D'Urfey's  connection  with  Priest's  school  which,  so  far  as  I  know, 
has  been  hitherto  overlooked.  In  1691  D'Urfey  printed  a  Comedy  entitled 
'Love  for  Money:  or  The  Boarding  School',  which  from  internal  evidence 
can  be  shown  to  have  been  written  in  June  of  the  preceding  year.  Prefixed 
to  this  work  is  a  long  preface,  in  which  the  following  passages  occur:  "I 
confess,  if  what  has  been  malitiously  told  to  some  Persons  of  Honour  (Judges 
of  Sense  and  Gratitude)  to  whom  I've  the  happiness  to  be  known,  were  true, 
viz  .  that  I  liv'd  at  a  Boarding  School  near  London  all  last  Summer,  and 
in  return  of  their  hospitable  Civility,  writ  this  Play  ungratefully  to  expose 
'em,  I  could  not  defend  my  self  from  being  as  guilty  as  they  must  na- 
turally think  me;  but  my  Stars  were  so  happy  to  give  me  an  occasion 
of  satisfying  these  noble  persons  to  the  contrary  before  the  Play  was 
acted;  and  I  now  think  it  reasonable  to  inform  the  Reader,  and  the  Town 
in  general,  that  I  never  was  oblig'd  more  than  for  common  courtesies 
(en  passant)  to  any  of  'em,  which  I  may  fairly  say  I  have  equally  return'd, 
and  without  Reflection  upon  their  House-keeping,  in  spite  of  Revolutions, 
have  always  been  so  lucky  not  to  have  the  necessity  of  being  Troublesome 
to  them  for  maintenance,  or  accept  of  any  Courtesie  which  I  could  not, 
or  did  not,  return. "  Later  on  he  "utterly  disowns"  the  opinion  "that 
this  Comedy  was  written  purposely  to  reflect  on  a  particular  Family  to 
whom  I  had  a  prejudice  .  .  .  and  as  to  the  painted  Scene  which  some 
cavil  at,  it  might  have  been  York  as  well  as  Chelsey,  if  the  Beauty 
of  the  Place  had  not  given  me  occasion  to  fix  there."  In  yet  another 
passage  he  defends  himself  from  the  charge  that  political  allusions  in  the 
play  were  intended  to  reflect  "upon  a  certain  noble  person  now  in  distress;" 
this  was  impossible,  for  the  play  was  written  "in  June  last,"  i.  e.  in 
June,  1690. 

It  would  surely  not  be  venturing  too  far  into  the  realms  of  conjecture 
to  conclude  from  this  that  the  scene  of  'Love  for  Money'  was  generally 
understood  at  the  time  to  be  laid  at  Priest's  Boarding-School  at  Chelsea 
and  that  about  1690  D'Urfey  was  on  intimate  terms  with  the  Priest 
family.  He  might  have  considered  that  he  had  repaid  their  "common 
Courtesies"  by  writing  the  doggrel  Epilogue  to  'Dido  and  -ZEneas'  which 
he  printed  in  his  'New  Poem.' 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 


513 


4.  The  Epilogue  itself  contains  some  curious  expressions  which  clearly 
point  to  the  date  when  it  was  written.    It  concludes  as  follows: 

uNo  Love-toy  here  can  pass  to  private  view, 

Nor  China  Orange  cram'd  with  Billet  dew, 

Rome  may  allow  strange  Tricks  to  please  her  Sons, 

But  we  are  Protestants  and  English  nuns, 

Like  nimble  Fawns,  and  Birds  that  bless  the  Spring 

Unscar'd  by  turning  Times  we  dance  and  sing; 

We  in  hope  to  please,  but  if  some  Critick  here 

Fond  of  his  Wit,  designs  to  be  severe, 

Let  not  his  Patience  be  worn  out  too  soon 

And  in  few  years  we  shall  be  all  in  Tune." 

The  allusion  to  'Protestant  Nuns9  and  the  remarkable  expression 
'turning  Times'  point  conclusively  to  the  lines  having  been  written  after 
the  Revolution  of  1688,  and  it  is  impossible  not  to  conclude  that  the 
date  of  the  work  was  between  then  and  1690. 

5.  The  internal  evidence  of  the  music  of  'Dido  and  ^Eneas'  points 
to  its  having  been  written  about  1689.  In  our  present  knowledge  of  the 
dates  of  Purcell's  compositions  it  is  difficult  to  see  how  his  style  altered 
at  different  periods  of  his  career,  but  even  with  the  limited  information 
we  possess  it  is  noticeable  how  the  same  phrases  recur  in  works  of  one 
period  —  which  is  hardly  to  be  wondered  at,  considering  the  immense 
amount  of  music  that  he  produced. 

The  following  three  examples  are  worth  quoting:  in  each  a  phrase 
from  'Dido  and  iEneas'  occurs  in  works  known  to  have  been  composed 
respectively  in  1689,  about  1690,  and  1691. 


'Jear  no  Danger'.    (Dido  and  JSneas.)    Act  I. 


m 


:p=£f?S 


=1= 


-t-T-+ 


i^ 


Dance  Tune.    (Birthday  Ode  for  Queen  Mary,  1689.) 


±+-e£-t*t=£& 


from  Dido  and  JEneas.    Act  II.    Sc.  1. 


As  sent  from  Jove  shall  chide  his  stay. 
'The  Genius,  loP    (Massacre  of  Paris.    1690.) 


2LlE-g-JLJ=g 


:5=F 


-v--*- 


4E=fc 


*is 


She  told  thy  stor  -  y    with  so      sad    a    tone. 


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514 


W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Maria 


'Destruction's  our  delight1.    (Dido  and  JSneas.    Act  m.) 


I 


&E£^=f=% 


T=^^=f=^ 


*E 


T=£ 


'To  Woden  thanks  we  render'.    (King  Arthur.    1691.) 


p\;  <  <i-fttA-r]Z2^4=±liFS&=t 


The  list  of  such  passages  could  probably  be  largely  extended,  though 
it  would  certainly  contain  nothing  from  "Theodosius*,  the  one  early  dra- 
matic work  of  Purcell's  which  we  know  with  certainty  to  have  been 
written  so  early  as  1680. 

Summing  up  the  results  of  this  rather  tedious  investigation,  it  may  be 
said  that  such  evidence  as  there  is  on  the  subject  points  to  'Dido  and 
Eneas'  having  been  composed  after  1688  and  before  the  Summer  of 
1690.  If  this  is  the  case  the  work  is  almost  certainly  later  than  Blow's 
"Venus  and  Adonis',  and  the  form  of  'Dido  and  JEneas'  may  well  have 
been  suggested  to  Purcell  by  his  master's  curious  experiment  in  dramatic 
music.  That  'Dido'  remains  infinitely  superior  to  Blow's  Masque  does 
not  detract  from  the  interest  attaching  to  the  latter. 

Dioclesian. 

'Dioclesian,  or  the  Prophetess',  an  adaptation  by  Thomas  Betterton 
of  Beaumont  and  Fletcher's  'The  Prophetess',  was  produced  at  the  Dorset 
Garden  Theatre  in  the  early  summer  of  1690. 

The  preface  to  the  Purcell's  Society's  edition  of  the  work *)  contains  a 
full  account  of  what  is  known  as  to  the  history  of  the  early  performances,  and 
it  is  therefore  unnecessary  to  repeat  the  information  here.  But  one  or  two 
points  have  been  overlooked  by  the  editors  of  the  volume.  The  copies  of  the 
original  libretto  contain  no  names  of  the  performers  and  only  a  few  of  them 
can  be  gathered  from  other  publications.  In  Book  II  of  'Thesaurus  Musicus' 
(1694)  it  is  stated  that  the  song  'When  first  I  saw'  was  sung  by  Mrs. 
Ayliff,  whose  name  also  appears  in  the  version  of  the  same  song  printed 
in  'Joyful  Cuckoldom'.  From  this  last  collection  we  also  learn  that 
'Since  from  my  dear'  was  sung  by  Mrs.  Hudson,  and  'Let  monarchs  fight7 
and  'Let  the  soldiers  rejoice'  by  Mr.  Freeman,  According  to  an  early 
single-sheet  the  last-named  singer  also  sang  'Sound  Fame  thy  brazen 
Trumpet'.  The  Purcell  Society's  edition  also  omits  to  mention  that  at 
the  original  production  a  prologue  written  by  Dryden  was  spoken,  but  that 
the  political  allusions  it  contained  to  the  campaign  in  Ireland  and  the 
"female  regency"  of  Queen  Mary  gave  such  offence  that  it  was  suppressed 
by  the  orders  of  Lord  Dorset.    The  prologue  is  not  printed  in  the  early 

1)  The  Works  of  Henry  Purcell,  Vol.  IX.  1900. 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  515 

editions  of  the  play,  but  it  will  be  found  in  the  collected  editions  of  the 
poet's  works1). 

The  printed  play  was .  advertized  in  the  Gazette  for  12  th — 16  th  June, 
1690;  the  proposal  to  publish  thp  score  in  the  issue  for  3rd — 7th  July 
following  and  the  completion  of  the  printing  on  26th  February — 2nd 
March,  1690—1. 

Distressed  Innocence. 

The  only  music  in  this  tragedy  of  Elkanah  Settle's  is  the  Overture 
and  seven  Act  Tunes,  which  are  printed  in  'Ayres  for  the  Theatre'.  The 
play  was  produced  late  in  1690,  and  its  publication  is  advertized  in  the 
London  Gazette  for  11th — 15th  December,  1690,  though  the  title-page 
(given  below)  is  dated  1691. 

"Distress'd  Innocence :  |  or,  the  |  Princess  of  Persia,  |  A  Tragedy.  |  As 
it  is  Acted  at  the  Theatre  Royal  |  by  Their  Majesties  Servants.  |  Written 
by  E.  Settle.  \  Vt  ridentibus  arrident,  ita  flmtibus  adsunt  |  Humani 
vtdtus:  Si  vis  me  fere  dolendum  est  \  Primum  ipsi  Tibi;  tunc  tua  me 
infortunia  [sic]  laedent  \  Telephe  vd  Peleu.  |  Horat.  de  Arte  Poetica.  |  Lon- 
don, |  Printed  by  J.  J.  for  Abel  Roper  at  the  Mitre  near  Temple-  \  Bar  in 
Fleet-Street  1691.  |" 

In  his  dedication  the  author  says  that  the  last  scene  was  written  by 
Mountfort.  The  cast  comprised  Bowman  (Isdigerdes),  Mountfort  (Hormi- 
das),  Powell  (Theodosius),Kynaston(Otrantes),  Sandfort  (Rugildas),  Hodgson 
(Arides),  Mrs.  Barry  (Orundana),  and  Mrs.  Bracegirdle  (Cleomira). 

Don  Quixote,  Part  I. 

In  the  Gentleman's  Journal  for  May,  1694,  Motteux  announces  that 
D'Urfey's  'Don  Quixote',  is  to  be  the  next  new  play,  and  in  the  following 
number  he  states  that  "the  first  part  was  so  well  received  that  we  have 
had  a  second  Part". 

The  title-page  of  the  first  edition  is  as  follows: 

"The  |  Comical  History  |  of  |  Don  Quixote,  |  As  it  was  Acted  at  the  | 
Queen's  Theatre  |  in  |  Dorset-Garden,  |  By  Their  Majesties  Servants.  ' 
Part  I.  |  Written  by  Mr.  D'Urfey.  |  London,  |  Printed  for  Samuel 
Briscoe,  at  the  Corner  of  Charles-  \  Street,  in  Russel- Street,  Covent-  \ 
Garden,  |  1694.  |"  The  publication  of  the  play,  together  with  that  of  the 
songs  to  the  Second  Part,  was  advertized  in  the  London  Gazette  for 
2nd — 5th  July,  1694;  it  was  dedicated  to  the  Duchess  of  Onnond  and 
is  preceded  by  a  Prologue  spoken  by  Betterton.  The  cast  was  as  follows: 
Don   Quixote — Bowen;   Don   Fernando — Powell;    Cardenio — Bowman; 


1)  The  Poetical  Works   of  John  Dryden,  edited  .  .  .  by  W.  H.  Christie.    Globe 
edition,  1870.  p.  469.) 


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516  "W".  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

Ambrosio — Verbruggen;  Perez — Gibber;  Nicholas — Harris;  Sancho 
Panca — Dogget;  Gines  de  Passamonte — Haines:  Vincent — Bright; 
Marcella— Mrs.  Bracegirdle;  Dorothea — Mrs.  Prances  Knight;  Luscinda 
— Mrs.  Bowman;  Teresa  Panca— Mrs.  Elizabeth  Leigh;  Mary  the 
Buxom — Mrs.  Verbruggen. 

The  play  requires  a  good  deal  of  music,  both  vocal  and  instrumental 
but  only  the  former  seems  to  have  been  preserved,  unless  a  Minuet  in 
a  MS.  at  the  Royal  College  of  Music  (S.  H.  S.  Catalogue,  No.  1978)  be- 
longs to  this  first  part. 

Purceirs  contributions  were  printed  in  'Orpheus  Britannicus',  and  also 
in  the  following  publication: 

The  |  Songs  |  To  |  the  New  Play  |  of  |  Don  Quixote.  |  Part  the  First 
Set  by  the  most  Eminent  Masters  of  the  Age.  |  All  Written  by  Mr. 
JD'  Urfey.  \  Decies  repetita   placebunt.  |  London,  |  Printed    by   J.  Kept- 
install    for   Samud   Briscoe,  |  at   the   corner  of  |  Charles-street,   Covent- 
Oarden.    1694.  |  Price  Two  Shillings.  | 

This  work  contains  the  following  music: 
Act  II.    (The  Knighting  of  Don  Quixote.)  'Sing  all  ye  Muses.'  (H.  Purcell.) 

'Young  Chrysostum  had  virtue.'   A  Song  for  a  young  Shepher- 
dess.   (J.  Eccles.) 

'Sleep   poor   youth.'     Dirge   by    a  Shepherd   and  Shepherdess. 

(J.  Eccles.) 

'Past  is  thy  fear.'     Chorus.     (Eccles.) 
Act  HE.  'When  the  world  first  knew  creation.'    Song.     (H.  Purcell.) 
Act  IV.  'Let  the  dreadful  engines.'    Song,  by  Cardenio.     (H.  Purcell.) 

'Twas  early  one  morning.'    Song,  by  Sancho  Panca.    (J.  Eccles.) 
Act  V.   'With  this  sacred  charming  wand.'     Song,  'in  parts'  by  'an  In- 

chanter  and  two  Inchantresses.7     (H.  Purcell.) 
From  an  edition  of  'Let  the  dreadful  engines'  engraved  by  Cross  we 
learn  that  this  fine  song  was  sung  by  Bowman. 

Don  Quixote,  Part  II. 

As  has  been  seen  from  the  quotation  from  the  Gentleman's  Journal 
the  production  of  the  Second  Part  of  Don  Quixote  followed  closely  on 
that  of  the  First  Part.  Its  publication  was  advertized  with  the  Songs 
to  both  First  and  Second  Parts,  in  the  London  Gazette  for  19  th — 23  rd 
July,  1694. 

The  title-page  is  as  follows: 

"The  |  Comical  History  |  of  |  Don  Quixote,  |  As  it  is  Acted  at  the  | 
Queen's  Theatre  in  Dorset  Garden.  |  By  Their  Majesties  Servants.  |  Part 
the  Second.  |  Written  by  Mr.  D}  Urfey.  |  London,  |  Printed  for  S.  Briscoe^ 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  517 

in  Russet-Street,  Co-  |  vent  Garden,  and  H.  Newman  at  the  Qras-  \  hopper 
in  the  Poultry,  1694." 

The  play  is  dedicated  to  the  Earl  of  Dorset,  and  in  the  preface 
D'Urfey  informs  us  that  it  was  performed  in  "violent  hot  weather," 
and  that  some  of  the  scenes  had  been  omitted  athe  Play  and  the  Musick 
being  too  long."  He  also  alludes  to  Mrs.  Bracegir die's  fine  singing  of 
J.  Eccles'  song  'I  burn,'  which  seems  to  have  created  a  great  sensation 
and  drew  a  tribute  from  Purcell  himself,  who  wrote  the  song  'Whilst  I 
with  grief  (Orpheus  Britannicus.  1st  Ed.  I.  4.)  j'on  Mrs.  BracegircUe's 
Singing  (I  burn  etc.)  in  the  Second  part  of  Don-Quixote.'  The  cast 
was  as  remarkable  as  that  of  the  First  Part  of  the  Trilogy.  Oibber  was 
Duke  Bicardo;  Bowman — Cardenio;  Verbruggen — Ambrosio;  Bowen — 
Don  Quixote;  Powell — Manuel;  Freeman — Pedro  Rezio;  Trefuse  — 
Bernardo;  Harris — Diego;  Lee — the  Page  who  is  disguised  as  Dulcinea 
del  Toboso;  Underhill — Sancho  Panca;  Mrs.  Knight — the  Duchess; 
Mrs.  Bowman— Luscinda;  Mrs.  Bracegirdle — Marcella;  Mrs.  Kent — 
Donna  Rodriguez;  Mrs.  Lee  —  Teresa  Panca  and  Mrs.  Verbruggen — 
Mary  the  Buxom.  The  work  contained  an  unusual  amount  of 
dancing  (Dances  of  Milkmaids,  Anticks,  Spinsters,  the  Seven  Cham- 
pions, etc.)  the  music  for  which  has  not  survived,  but  the  songs  have 
been  preserved  by  another  of  Heptinstall's  publications:  "The  |  Songs  | 
To  |  the  New  Play  |  of  |  Don  Quixote.  !  As  they  are  Sung  at  |  the 
Queen's  Theatre  |  in  Dorset  Garden.  |  Part  the  Second.  |  All  Written  by 
Mr.  D'Urfey.  |  Decies  repetlta  placebunt.  \  London,  |  Printed  by  J.  Hept- 
mstall  for  Samuel  Briscoe,  |  at  the  corner  of  Charles-street,  Covent- 
Garden.  1694.  |  Price  One  Shilling  Six  Pence.  |"  This  volume  contains 
the  following: 
Act  I.     1)  'If  you  will  love  me.'     Song  to  a  Minuet. 

2)  'You  love,    and  yet.'     The  Lady's  Answer.     (Both  without 

composer's  name. 
Act  n.    3)  'Ye  nymphs  and  sylvan  gods.'    "Sung  by  Mrs.  Ayliff,  dressed 

like  a  Milk-maid."     (J.  Eccles.) 
Act  HL  4)  Damon  let  a  friend  advise  ye.'   (Colonel  Pack.)    According  to 

the  printed  play  this  song  seems  to  have  been  sung  by  Marcella 

(Mrs.  Bracegirdle),  but  in  Heptinstall's  publication  it  is  stated 

that  it  was  sung  by  Mrs.  Hudson. 

Act  IV.  5)  'Since  times  are  so  bad.'  A  Dialogue.  (H.  Purcell)  'sung 
by  a  Clown  and  his  Wife'  —  Mr.  Reading  and  Mrs.  Ayliff. 

Act  V.  6)  'Genius  of  England.'  (H.  Purcell.)  'A  Song,  at  the  Duke's 
Entertainment,  by  St.  George  and  the  Genius  of  England:  Sung 
by  Mr.  Freeman  and  Mrs.  Cibber.' 


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518  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

7)  (I  burn,  I  burn.'     (J.  Eccles.)     Sung  by  Mrs.  Bracegirdle. 

8)  'De  foolish  English  Nation.'  'A  Song  by  St.  Dennis',  without 
composer's  name. 

In  addition  to  the  above,  Book  HI  of  Hudgebutt's  'Thesaurus  Mu- 
sicus'  (1695)  contains  a  song  by  Purcell  ('Lads  and  Lasses,  blith  and 
gay')  headed  'A  Song  in  the  2nd  Part  of  Don  Quixote.  Sung  by 
Mrs.  Hudson ,  not  Printed  in  that  Collection.'  The  words  of  this  song 
do  not  appear  in  D'Urfey's  play,  but  it  is  possible  that  it  was  introduced 
in  Act  II  instead  of  Eccles'  long  song  lYe  nymphs  and  sylvan  gods.' 

Not  very  much  is  known  of  the  singers  whose  names  are  given  above. 
Mrs.  Cibber  was  a  Miss  Shore,  the  sister  of  John  Shore,  Sergeant  Trum- 
peter to  "William  and  Mary:  she  married  Colley  Cibber  (1671 — 1757) 
before  her  husband  was  twenty-two.  The  names  of  Freeman  and  of 
Mrs.  Ayliff1)  frequently  occur  among  the  first  interpreters  of  Pur- 
cell's  music;  they  are  found  in  the  Bodleian  MS.  of  the  1692 
Ode  for  St.  Cecilia's  Day.  Mrs.  Hudson's  name  is  also  often 
found,  and  it  is  difficult  to  distinguish  her  from  a  Mrs.  Hodg- 
son2). In  Luttrell's  Diary  (25th  Jan.  1704/5)  it  is  recorded  that  "Last 
night,  Captain  Walsh  quarelling  with  Mrs.  Hudson,  who  keeps  the  boxes 
in  the  play  house,  she  pulled  out  his  sword  and  killed  him,'  but  whether 
this  passage  refers  to  the  singer  it  is  impossible  to  say.  Of  Beading 
almost  all  that  is  known  is  that  on  10th  June,  1695,  he  was  concerned 
in  a  riot  at  the  Dog  Tavern,  Drury  Lane,  where  a  number  of  Jacobites 
met  together  to  celebrate  the  birthday  of  the  Prince  of  Wales,  whose 
health  they  tried  to  force  the  passers  by  to  drink.  For  this  affair  Beading, 
with  Pate  (another  theatre  singer),  was  arrested  and  both  were  subse- 
quently deprived  by  the  Lord  Chamberlain  of  their  places  at  Drury 
Lane3). 

Don  Quixote,  Part  IH. 

The  success  which  attended  the  first  two  parts  of  'Don  Quixote'  in- 
duced D'Urfey  shortly  afterwards  again  to  draw  upon  Cervantes'  immortal 
romance.  The  Third  Part  must  have  been  produced  late  in  1695,  for 
its  publication  was  advertized  in  the  London  Gazette  for  12th — 16th  De- 
cember, 1695.     The  title  is  as  follows: 

"The  |  Comical  History  |  of  Don  Quixote.  |  The  Third  Part.  |  With 
the  Marriage  |  of  |  Mary  the  Buxome.  |  Written  by  Mr.  D'Urfey,  |  Non 
omnes  Arbusta  juvcmt  humilesqx  myricae.     Vir.  |  London,  |  Printed  for 


1)  Vide  supra  'Abdelazer'. 

2)  Vide  supra  'Aureng-Zebe\ 

3)  LuttrelTs  Diary,  1695.    In  his  first  account  of  the  riot  Luttrell  gives  Reading's 
name  as  'Bedding',  but  the  mistake  is  corrected  in  a  subsequent  entry. 


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W.  Barclay  Squire,  PuroeU's  Dramatic  Music.  519 

Samuel  Briscoe,  at  the  Corner  of  Charles-  \  Street,  in  Russelstreet, 
Covent-Gardm.  1696.  |  Where  is  also  to  be  had  the  Songs,  set  to  Musick 
by  the  late  |  famous  Mr.  Pursel,  Mr.  Courteville,  Mr.  Aykerod,  and 
other  |  eminent  Masters  of  the  Age.  |" 

The  play  is  dedicated  to  the  Hon.  Charles  Montague,  and  both  in 
the  dedication  and  in  the  preface  D'Urfey  alludes  to  the  'publick  mis- 
fortune' which  was  its  fate.  "The  Songish  part"  (he  says)  "which  I  used 
to  succeed  so  well  in,  by  the  indifferent  performance  the  first  day,  and 
the  hurrying  it  on  so  soon,  being  streightned  in  time  through  ill  manage- 
ment—  (tho  extreamly  well  set  to  Musick,  and  I  'm  sure  the  just  Critick 
will  say  not  ill  Writ)  yet  being  indifferently  performed  was  consequently 
not  pleasing."  The  cast  may  have  also  had  something  to  do  with  the 
failure,  for  the  play  is  certainly  not  inferior  to  either  of  its  predecessors. 
The  performers  were  as  follows:  Powell  — Don  Quixote;  Newth — Sancho; 
Horden  —  Basilius ;  Bullock  —  Camacho ;  Pinkethman  —  Jaques ;  Ver- 
bruggen — Carrasco;  Lee — Gines  de  Passamonte;  Smeaton  —  the  Carter 
and  Dulcinea  del  Toboso;  Mrs.  Finch — Quitteria;  Mrs.  Verbruggen — 
Mary  the  Buxom;  Mrs.  Powell — Teresa,  and  Miss  Cross  —  Altesidora. 
The  songs  were  published  as  a  separate  folio,  with  this  title-page: 

"New  |  Songs  |  in  the  |  Third  Part  |  of  the  |  Comical  History  |  of  Don 
Quixote.  |  And  Sung  at  the  |  Theatre  Royal.  |  With  other  New  Songs  by 
Mr.  D'Urfey  |  Being  the  last  Piece  set  to  Musick  by  the  late  Famous  \ 
Mr.  Henry  Purcell:  And  by  Mr.  Courtiville,  Mr.  Akeroyd,  and  \  other 
Eminent  Masters  of  the  Age.  |  Engrav'd  on  Copper  Plates.  |  London,  \ 
Printed  for  Samuel  Briscoe,  at  the  Corner-shop  of  Charles-Street,  in 
Russel-Street,  \  Covent-Gardm,  1696.  |  Price  Three  Shillings.  |  Where  are 
also  to  be  had,  the  First  and  Second  Parts  of  Mr.  D'Urfey's  |  Songs, 
set  to  Musick  by  Mr.  Henry  Purcell.  |"  This  volume  contains  the 
following  music: 

Act  IL    1)  'Vertumnus  Flora.'    The  First  Song  in  the  Second  Act  sung 
by  one  respresenting  Joy.     (CourtivilL) 

2)  'Here  is  Hymen.'    The  Second  Song  in  the  Second  Act.    Sung 
by  one  representing  Hymen.    (Courtivill.) 

3)  'Cease,  Hymen,  cease.'    The  last  Song  in  the  2d  Act.    (Cour- 
tivill.) 

Act  in.  4)  'Damon  turn  your  eyes.'  The  first  Song  in  the  third  Act. 
Sung  by  Altisidora  to  Don  Quixote.  (Morgan.) 
5)  'Come  all,  great,  small.'  A  Song  sung  by  five  Country  men 
at  Mary  the  Buxom's  Wedding.  In  the  printed  play  this  is 
entitled:  "The  Clowns  Song  at  the  Marriage  of  Mary  the 
Buxome,  in  Eleven  Movements,  sung  to  a  Division  on  a  Ground- 


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520  W.  Barclay  Squire,  Puroeirs  Dramatic  Music. 

Bass:   The  "Words   implying  a  Country-Match   at  Stool -Ball.' 

(Anon.) 
Act  IV.  6)  'Dear  Pinkaninny.'    A  Song  in  the  fourth  Act.    Intended  to 

be  Sung  by  2  Poppets  one  representing  a  Captain  tother  a  Town 

Miss  and  set  to  a  Minuet.     (Anon.) 
Act  V.    7)  '"Welfare  Trumpets  Drums.'    A  Dialogue  in  the  fifth  Act  for 

Mr.  Leveridge  and  Mr.  Edwards  representing  two  Country  Boors 

arguing  about  ye   warre.     (Anon.)     The  words  of  this  are  not 

given  in  the  printed  play. 

8)  'Ah  my  dearest  Celide.'  A  Dialogue  sung  by  a  Boy  and 
Girl  supos'd  a  Brother  and  Sister.  (Akeroyd.)  In  the  printed 
play  this  Dialogue  comes  later  than  No.  9. 

9)  'From  rosie  Bow'rs.'  A  Song  sung  by  Altisidoria  in  the 
5th  Act  of  Don  Quixote.  (Purcell.)  In  'Orpheus  Britannicus' 
this  is  headed  'This  was  the  last  Song  that  Mr.  Purcell  Sett, 
it  being  in  his  Sickness.' 

In  addition  to  the  above,  the  third  printed  play  contains  a  song  (for 
Mary  the  Buxom)  in  Act  IH  'The  old  wife  she  sent  to  the  Miller,'  no 
music  to  which  is  known  to  exist. 

It  will  be  noticed  that  the  names  of  the  singers  are  rarely  given  in 
the  Third  Part  of  Don  Quixote.  The  exceptions  are  Leveridge  (the 
famous  Bass,  one  of  whose  earliest  recorded  appearances  this  was),  Ed- 
wards and  Miss  Cross.  The  latter,  who  had  already  appeared  in  4Bon- 
duca,'  must  then  have  been  very  young.  She  was  called  Miss,  instead 
of  Mrs.,  the  usual  title  of  actresses,  and  her  youth  is  Especially  alluded 
to  in  the  prologue,  which  she  spoke  in  company  with  Horden.  She  was 
'the  Girl'  who  sang  'Celemene  pray  tell  me,'  with  young  Bowen  ('the 
Boy')  in  'Oroonoko';  and  as  Dorinda  in  'The  Tempest'  she  sang  the  air 
'Dear  pretty  Youth,'  as  is  shown  by  a  comparison  of  the  version  of  that 
song  printed  in  Book  HE  of  'Deliciae  Musicae'  with  that  on  the  single 
sheet  engraved  by  Thomas  Cross.  In  1697  she  was  the  original  Miss 
Hoyden  in  Vanburgh's  'Relapse'.  Haynes's  Epilogue  to  Farquahar's 
'Love  and  a  Bottle'  (1699)  refers  to  her  as  follows: 

"Oh  Collier!     Collier!  thou'st  frighted  away  Miss  C — s: 
She,  to  return  our  Foreigner's  complaisance, 
At  Cupid's  call,  has  made  a  trip  to  France. 

Losing  that  Jewel,  gave  us  a  fatal  blow!" 

In  1704  she  returned  to  Drury  Lane,  and  for  the  next  few  years  played 
occasionally  there,  at  the  Haymarket  and  Lincoln's  Inn  Fields1). 


1)  See  Oenest,  History  of  the  Stage.    Vol.  HI. 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  521 

The  Double  Dealer. 

The  earliest  edition  of  Congreve's  Comedy  of  'The  Double  Dealer'  in 
the  British  Museum  Library,  is  a  small  8V0,  without  date.  'Printed  and 
Sold  by  H.  Hills,  in  Black-Fryars ,  near  the  Water-side/  The  work 
was  first  played  at  the  Theatre  Royal  (according  to  Malone,  quoted  by 
Genest)  in  November,  1693,  and  its  publication  was  advertized  'this  day' 
in  the  London  Gazette  for  4th — 7th  Dec,  1693.  The  cast  included 
Betterton  (Maskwell),  Kynaston  'Lord  Touchwood),  Williams  (Mellefont). 
Alexander  (Careless),  Bowman  (Lord  Froth),  Dogget  (Sir  Paul  Plyant), 
Mrs.  Barry  (Lady  Touchwood),  Mrs.  Bracegirdle  (Cynthia),  Mrs.  Mount- 
fort  —  afterwards  Mrs.  Verbruggen  —  (Lady  Froth),  and  Mrs.  Leigh  (Lady 
Plyant).  For  this  production  Purcell  wrote  an  Overture  and  eight  Act- 
Tunes  (2  Hornpipes,  3  Minuets  and  3  Airs)  which  were  printed  in  the 
'Ayres  for  the  Theatre'  (1679).  In  addition  to  this  Instrumental  Music  'The 
Double  Dealer'  contains  two  songs,  both  of  which  appeared  in  Book  II 
of  'Thesaurus  Musicus'.  The  first  of  these,  'Cynthia  frowns',  is  sung  by  a 
musician  in  Act  II.  It  was  set  by  Purcell,  and  was  afterwards  included 
in  Vol.  I.  of  'Orpheus  Britannicus'.  From  'Thesaurus  Musicus'  we  learn 
that  the  singer  was  Mrs.  Ayliff.  The  second  song  'Ancient  Phillis  has 
young  graces',  is  sung  by  Lord  Froth  in  Act  III.  It  was  the  compo- 
sition of  Bowman,  the  actor  who  filled  the  part  at  the  production  of  the 
play,  and  it  is  printed  in  'Thesaurus  Musicus'  without  any  bass. 

The  Double  Marriage. 

This  is  a  Tragedy  by  Beaumont  and  Fletcher,  which  according  to 
Downes1)  seems  to  have  been  revived  between  1682  and  1685.  Lang- 
bafaie2)  says  that  the  Prologue  spoken  on  this  occasion  was  printed  in 
a  book  called  'Covent-Garden  Drollery,'  a  work  which  I  have  not  suc- 
ceeded in  finding.  The  tragedy  does  not  appear  to  have  been  reprinted 
at  the  time  of  its  revival,  so  we  have  no  information  as  to  the  cast. 
But  this  is  of  small  importance,  as  there  are  no  songs  in  the  play. 
Purcell's  connection  with  it  consists  in  come  instrumental  Act  Music, 
which  is  only  preserved  —  unfortunately  in  an  incomplete  form  —  in  a 
manuscript  in  the  library  of  the  Royal  College  of  Music. 

The  English  Lawyer. 

This  is  one  of  the  plays  with  which  it  is  very  doubtful  whether 
Purcell's  name  should  be  coupled.  It  is  an  adaption  by  Edward  Ravens- 
croft  of  a  Latin  comedy  called  'Ignoramus',  written  by  George  Ruggle 
(1575 — 1622,)  Fellow  of  Clare  College,  Cambridge,  and  performed  before 

1)  Roscius  Anglicanus  fed.  Knight),  p.  40. 

2)  An  Account  of  the.  English  Dramatick  Poets  (1691),  p.  208. 

s.  d.  l.  M.    v.  34 


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522  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

James  I  in  1615.  -The  English  Lawyer'  was  printed  in  1678,  the  title- 
page  stating  that  it  was  'acted  at  the  Theatre  Royal,'  but  the  exact 
date  of  the  production  is  not  known  nor  is  the  cast  given.  The  work 
contains  one  song  (in  Act  III)  'My  wife  has  a  tongue'.  An  anonymous 
setting  of  this  as  a  catch  for  three  voices  appears  in  Part  I  of  'The 
Catch  Club'  (n.  d.)  and  in  a  small  collection  of  vocal  music  preserved 
in  the  British  Museum  (Ad.  MS.  29,397,  fol.  27  b.)  —  probably  written 
about  the  end  of  the  17th  century  —  this  catch,  occurs  with  the  initials 
'H.  P.'  against  it.  The  music  is  quite  good  enough  to  be  by  Purcell 
and  the  fact  that  no  other  MS.  of  it  has  so  far  come  to  light  is  not 
against  his  authorship.  But  it  is  more  probable  that,  even  if  he  wrote 
it,  he  took  the  words  from  the  printed  play  than  that  they  were  set  for 
the  dramatic  "production,  since  it  seems  impossible  that  the  dramatic 
situation  in  which  the  song  occurs  would  allow  of  its  being  sung  by  three 
voices  as  a  catch.  A  clue  to  the  date  of  the  composition  is  afforded  by 
the  fact  that  the  words,  entitled,  'A  New  Catch'  are  given  in  the  'Addi- 
tional New  Songs  and  Catches'  in  the  1684  edition  of  'Wit  and  Mirth. 
An  Antidote  against  Melancholy',  but  they  do  not  occur  in  the  previous 
(1682)  edition  of  the  same  work. 

Epsom  Wells. 

The  statement  that  in  1676  Purcell  wrote  music  to  ShadwelTs  play 
of  'Epsom  Wells'  seems  to  be  due  to  Rimbault,  from  whose  introduction 
to  the  Musical  Antiquarian  Society's  edition  of  'Bonduca'  it  has  been 
reproduced  by  other  writers  without  questioning  its  correctness.  In  draw- 
ing up  the  list  of  plays  for  which  Purcell  wrote  music  Bimbault  took 
'Dido  and  ^Eneas'  as  his  starting  point  and  then  seems  to  have  followed 
the  date  to  which  he  assigned  it  with  a  succession  of  dates  which  should 
show  Purcell  to  have  been  more  or  less  occupied  at  the  theatres  during 
the  rest  of  his  short  career. 

'Epsom  Wells'  was  originally  produced  at  Dorset  Garden  in  1672 
and  first  printed  in  1673.  This  date  would  hardly  have  suited  the  theory 
that  'Dido  and  JEneas'  was  Purcell's  first  composition  for  the  stage,  but 
Baker's  'Biographica  Dramatica'  says  that  the  work  was  reprinted  in 
1676,  1693  and  1704,  and  that  it  continued  to  be  performed  until  1726. 
Bimbault  rightly  concluded  that  these  reprints  of  the  play  indicated  dates 
at  which  it  was  revived,  and  he  therefore  seems  to  have  put  down  1676 
as  the  most  convenient  one  for  his  theory.  The  facts  of  the  case,  un- 
fortunately, show  that  the  date  1676  cannot  be  supported  by  any  evi- 
dence. The  British  Museum  Library  does  not  contain  the  1676  and 
1693  reprints,  but  those  of  1673  and  1704  are  practically  identical,  and 
it   is    safe   to  assume   that  the  play  was  reprinted  for  all  the  revivals 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  523 

without  alteration.    According  to  the  1673  and  1704  editions  the  songs 
in  Shadwell's  Comedy  are  as  follows: 

Act  II.  1.  'How  pleasant  is  mutual  love  that  is  true/ 

2.  Two  lines  of  'An  old  song':  'Lay  by  your  pleading.' 

ActllL  3.  'Oh  how  I  abhor  the  Tumult  and  Smoake  of  the  Town.' 
4.  Five  lines  of  'Her  lips  are  two  brimmers  of  claret.' 

Act  V.  5.  Four  lines  of  'An  old  senseless  song':  'If  she  prove  con- 
stant, obliging  and  kind.' 
Besides  these  there  are  some  dances  which  require  music. 

Now  of  the  above  there  is  a  setting  of  No.  1  by  Nicholas  Staggins 
in  Playford's  'Choice  Songs  and  Ayres  .  .  .  Composed  by  Several  Gentle- 
men of  His  Majesties  Musick.  The  First  Book.'  (1673);  the  whole  of 
No.  2.,  with  an  anonymous  tune,  is  printed  in  Vol.  V.  of  the  1714  edition 
of  'Pills  to  Purge  Melancholy/  and  a  setting  of  No.  3  by  Robert  Smith 
is  contained  in  the  same  volume  as  No.  1.  The  other  snatches  of  songs 
and  the  instrumental  music  I  have  not  discovered.  As  Playford's  book 
was  published  soon  after  the  original  production  of  the  play  it  seems 
highly  probable  that  the  songs  by  Staggins  and  Smith  were  written  for 
that  occasion.  Purcell's  connection  with  'Epsom  Wells'  occurs  at  a  much 
later  date.  It  consists  in  a  two-part  song  'Leave  these  useless  Arts  in 
loving,'  which  appeared  in  the  Second  Book  of  'Thesaurus  Musicus'  (1694.) 
where  it  is  headed  'A  New  Song  in  Epsome- Wells  set  by  Mr.  Henry 

Purcell.1     The    same   volume    contains   songs  in  'The   Double  Dealer,'        I , 

'The  Richmond  Heiress'  and  'Love  Triumphant',  all  of  which  date  from 
1693,  besides  a  song  from  'King  Arthur'  and  'When  first  I  saw'  and 
'Since  from  my  dear'  (from  'Dioclesian')  both  of  which  are  known  to 
have  been  written  for  a  revival  of  the  last-named  work.  It  is  therefore 
highly  probable  that  Purcell's  'Leave  these  useless  Arts'  —  which  is  so 
definitely  called  'A  New  Song'  —  was  written  for  a  revival  of  'Epsom 
Wells'  in  1693,  the  date  at  which,  as  already  stated,  the  work  was 
reprinted,  and  that  it  was  introduced  in  the  play  instead  of  one  of  the 
original  songs  of  Staggins  and  Smith.  It  may  be  mentioned  that  a  tune 
called  'Epsom  Wells'  sometimes  occurs  in  MSS.  of  the  end  the  17th  cen- 
tury but  that  this  has  nothing  to  do  with  the  play.  It  is  ascribed  in 
Ad.  MS.  24,889,  fol.  24b,  to  Paisible,  and  the  whole  song  will  be  found 
in  Book  IH  of  'Thesaurus  Musicus'  (1695)  as  'A  Scotch  Song,  the  words 
made  and  fitted  to  the  tune,  by  Mr.  Durfey.'  In  Vol.  V  of  D'Urfey's 
Songs  it  is  entitled  'The  Scotch  Lover  at  Epsom.' 

The  Fairy  Queen. 

'The   Fairy   Queen'    is   an   anonymous    adaptation    of   Shakespeare's 
'Midsummer  Night's  Dream,'   in  which  however  not  a  single  line  of  the 

34* 


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524  W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music. 

original  appears  with  PurcelFs  music.  It  was  produced  at  the  Dorset 
Garden  Theatre  in  the  spring  of  1692.  In  the  January  (1691 — 2)  number 
of  the  'Gentleman's  Journal'  Motteux  writes:  'I  must  tell  you  that  we 
shall  have  speedily  a  New  Opera,  wherein  something  very  surprising  is 
promised  us;  Mr.  Pur  eel  who  joyns  to  the  Delicacy  and  Beauty  of  the 
Italian  way,  the  Graces  and  Gayety  of  the  French,  composes  the  Music'; 
and  in  the  number  of  the  same  periodical  for  the  following  May  the 
same  writer  records:  "The  Opera  of  which  I  spoke  to  you  in  my  former 
hath  at  last  appear'd,  and  continues  to  be  represented  daily:  it  is  call'd 
The  Fairy  Queen.  The  Drama  is  originally  Shakespears,  the  Music  and 
Decorations  are  extraordinary.  I  have  heard  the  Dances  commended,  and 
without  doubt  the  whole  is  very  entertaining" !).  Downes  also  chronicles  that 
4in  Ornaments'  it  was  superior  to  'Dioclesian'  and  'King  Arthur,7  "especially 
in  Cloaths,  for  all  the  Singers  and  Dancers,  Scenes,  Machines,  and  De- 
corations, [were]  all  most  profusely  set  off;  and  excellently  perform'd,  chiefly 
the  Instrumental  and  Vocal  part  Compos'd  by  the  said  Mr.  Purcd,  and 
Dances  by  Mr.  Priest.  The  Court  and  Town  were  wonderfully  satisfy7  d 
with  it;  but  the  Expenses  in  setting  it  out  being  so  great,  the  Company  got 
very  little  by  it."  The  play  was  advertized  as  published  in  the  Gazette 
for  May  5 — 9,  1692,  and  in  the  following  year  a  revised  edition  appeared 
"With  Alterations,  Additions,  and  several  new  Songs."  The  names  of 
the  performers  are  not  given  in  these  publications,  but  those  of  some  of 
the  singers  are  to  be  found  in  a  collection  of  'Select  Songs,'  printed  by 
Heptinstall  in  16922),  which  was  all  of  the  music  that  appeared  in  Pur- 
cell's  lifetime.  From  these,  and  from  'Joyful  Cuckoldom'  and  a  single- 
sheet  edition  of  the  Dialogue  'Now  the  maids  and  the  men,'  we  gather 
that  the  singers  were  Mrs.  Ayliff,  Mrs.  Dyer,  Mrs.  Butler,  Freeman. 
Reading  and  Pate.  The  two  last  names  have  already  been  mentioned 
in  connection  with  the  Second  Part  of  'Don  Quixote.'    Pate,   together 

'  with  Reading,  was  deprived  by  the  Lord  Chamberlain  of  his  place  at 
the  Theatre   on  account  of  the  share  he  took  in  the  riot  at  the  Dog 

\  Tavern  on  10th  June  16953).  Yive  years  later  Luttrell  (Diary,  IV,  687) 
records  on  17th  Sept.  that  "Letters  from  France  say,  that  Mr.  Pate, 
who  belonged  to  the  play  house  here,  and  sung  so  fine,  is  committed  to 
the  Bastile  at  Paris  for  killing  a  man,  and  that  he  is  condemned  to  be 
broke  on  the  wheel." 


1)  Rosicus  Anglicanus  (1708),  p.  42. 

2)  The  title-pages  are  given  in  full  in  the  Purcell  Society's  Edition  (1903). 

3)  Dr.  Cummings  (Purcell.  Great  Musicians  Series,  1881  p.  63,1  states  that  Reading 
and  Pate  were  reinstated  in  their  previous  appointments,  and  the  latter  sang  in  1699 
in  Motteux's  'Island  Princess'. 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  525 

The  Fatal  Marriage. 

Thomas  Southerners  'Fatal  Marriage'  must  have  been  produced  at 
the  beginning  of  1693—4.  It  is  mentioned  by  Motteux  in  the  'Gentle- 
man's Journal'  for  March  of  that  year  as  a  'new  play,  kindly  received', 
and  its  publication  was  advertized  in  the  London  Gazette  for  19 — 22  March, 
1693—4. 

The  title-page  of  the  first  edition  is  as  follows: 

"The  Fatal  Marriage  |  or,  The  |  Innocent  Adultery,  |  A  |  Play,  |  Acted 
at  the  |  Theatre  Eoyal,  |  By  |  Their  Majesties  Servants.  I  Written  by  Tho. 
Southerne.  |  Pettex  ego  facta  mariti.  —  Ovid.  |  London,  |  Printed  for 
Jacob  Tonson  at  the  Judges  Head  near  |  the  Inner-Temple- Gate  in  Fleet- 
street,  1694".  | 

The  cast  was  a  remarkable  one,  including  Kynaston  (Count  Baldwin), 
Williams  (Biron),  Powell  (Carlos),  Betterton  (Villeroy),  Verbruggen  (Fre- 
derick), Dogget  (Fernando),  M.  Lee  (Fabian),  Bowen  (Jacqueline),  Under- 
bill (Sampson),  Harris  (Bellford),  Freeman  (Pedro),  Mrs.  Barry  (Isabella), 
Mrs.  Knight  (Julia),  Mrs.  Bracegirdle  (Victoria)  and  Mrs.  Lee  (Nurse). 

There  are  two  songs  in  the  play,  both  of  which  were  set  by  Purcell, 
whose  name  is  given  in  the  printed  book  as  well  as  those  of  the  singers. 
Both  occur  in  Act  III.  The  first  is  'The  Danger  is  over,  the  battle  is 
past'  'A  Song  set  by  Mr.  Purcel,  and  Sung  by  Mrs.  Hudson;'  the  second, 
I  sigh  and  own'd  my  dear'  is  introduced  in  "An  Entertainment  of 
Dancing;  after  which  a  Song  sent  by  an  unknown  hand,  set  by  Mr. 
Henry  Purcel,  and  Sung  by  Mrs.  AylifiV  The  former  was  printed  by 
Motteux  in  the  'Gentleman's  Journal'  for  March,  1693 — 4  and  also  occurs 
in  'Joyful  Cuckoldom';  the  latter  first  appeared  in  Book  HI  of  the- 
saurus Musicus'  and  is  included  in  Vol.  I.  of  'Orpheus  Britannicus.' 

The  Female  Vertuosos. 

This  play  is  an  adaptation  by  Thomas  Wright  of  Moliere's  'Les  Fem- 
mes  Savantes.'  It  was  produced  in  the  spring  of  1693,  as  is  mentioned 
by  Motteux  in  the  'Gentleman's  Journal'  for  May  of  that  year  ("We 
have  had  since  my  last  a  new  Comedy  called,  The  Female  Vertuosos"). 
The  play  is  dedicated  to  the  Earl  of  Winchelsea,  and  was  printed  with 
the  following  title-page: 

"The  |  Female  Vertuoso's.  |  A  |  Comedy:  |  As  it  is  Acted  at  the  [ 
Queen's  Theatre,  |  By  Their  Majesties  Servants.  |  Written  by  |  Mr.  Thomm 
Wright:  |  .  .  .  |  London,  |  Printed  by  J.  Wilde,  for  R  Vincent,  in  Clif- 
fords-Imir  \  lane,  Fleet-street,  1693.    " 

The  cast  included  Underhill  (Sir  Maurice  Meanwell),  Hodgson  (Mean- 
well),  Bright  (Sir  Timothy  Witless),  Dogget  (Witless),  Bowman  (Sir  Maggot 
Jingle),  Powell  (Clerimont;,  Bowen  (Trap),  Haines  (Bully),  Mrs.  Leigh 


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526  W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music. 

(Lady  Meanwell),   Mrs.  Knight  (Lovewitt),   Mrs.  Bracegirdle  (Mariana), 
Mrs.  Mountfort  (Catchat)  and  Mrs.  Rogers  (Lucy.) 

There  are  two  songs  in  the  printed  play..  In  Act  II  Sir  Maggot 
sings  a  translation  of  Moli&re's  *Si  le  roi  m'avait  donn£,'  no  setting  of 
which  is  known  to  me,  and  in  Act  V  a  song  'Love,  thou  art  best  of 
human  joys/  is  introduced,  apparently  by  some  singers  not  in  the  cast. 
A  setting  of  this,  for  two  voices,  by  Purcell,  was  printed  in  Book  V  of 
'Comes  Amori8:  or  the  Companion  of  Love7  (1694)  and  again  in  Vol.  I 
of  'Orpheus  Britannicus.'  The  words  are  by  Anne,  Countess  of  Winchel- 
sea,  and  will  be  found  in  her  'Miscellany  Poems,  on  Several  Occasions. 
Written  by  a  Lady.'    (1713.) 

A  Fool's  Preferment 

This  is  an  alteration  by  D'Urfey  of  Fletcher's  'Noble  Gentleman'.  It 
was  produced  before  May  1688,  and  (according  to  a  letter  from  Sir  George 
Etherege  to  the  Duke  of  Buckingham,  quoted  in  Baker's  'Biographia 
Dramatica')  was  "solemnly  interred  to  the  tune  of  catcalls".  The  following 
is  the  title-page  of  the  first  edition:  k'A  |  Fool's  Preferment,  |  or,  The 
Three  Dukes  of  Dunstable.  |  A  Comedy.  |  As  it  was  Acted  at  the  Queens 
Theatre  in  |  Dorset  Garden,  by  Their  Majesties  Servants.  |  Written  by 
Mr.  Uurfey.  |  Together,  with  all  the  Songs  and  Notes  to  'em,  |  Ex- 
cellently Compos'd  by  Mr.  Henry  Purcell  1688.  |  Licensed,  May  21.  1688. 
R.  P.  |  ...  |  Printed  for  Jos.  Knight,  and  Fra.  Saunders  at  the  Blue 
Anchor  |  in  the  Loicer  Walk  of  the  New  Exchange  in  the  Strand,  1688.  |*\ 
The  songs  have  a  separate  title-page:  "New  |  Songs  |  Sung  in  |  The  Fool's 
Preferment,  |  or,  The  |  Three  Dukes  of  Dunstable.  |  In  the  Savoy :  |  Print- 
ed by  E.  Jones,  for  Jos.  Knight  and  Fran.  Sawiders,  |  at  the  Blue  Anchor 
in  the  Loicer  Walk  of  the  |  New  Exchange  in  the  Strand,  1688.  ,".  The 
play  is  dedicated  to  Lord  Morpeth,  and  the  cast  included  Nokes  (Cockel- 
brain),  Leigh  (Justice  Grub),  Mountfort  (Lyonel),  Kynaston  (Clermont), 
Powell  (Longovile),  Bowman  (Bewford),  Jevon  (Toby),  Mrs.  Bowtel  (Aurelia^ 
and  Mrs.  Jordain  (Celia).  The  printed  songs  with  music  comprise  eight 
numbers,  but  the  words  of  five  of  these  ('Fled  is  my  love',  'Tis  Death 
alone',  "I  '11  sail  upon  the  Dog-star',  'Jemmy  gin  you  can  love'  and  ;If 
thou  wilt  give  me  back')  are  not  in  the  printed  version  of  the  play.  The 
latter,  on  the  other  hand,  contains  two  songs  ('In  yonder  cowslip'  and 
'I  '11  lay  me  down')  for  which  no  music  is  given.  The  songs  seem  all  to 
have  been  sung  by  William  Mountfort,  whose  name  is  hardly  remembered 
as  a  vocalist,  though  his  career  as  an  actor,  with  its  tragic  termination, 
is  well  known,  and  has  been  admirably  summarized  by  Mr.  Joseph  Knight 
in  the  Dictionary  of  National  Biography 1).    He  seems  also  to  have  been 


1)  Vol.  XXXIX.  p.  211. 

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W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music.  527 

a  composer,  for  a  song  by  him  in  D'Urfey's  'Marriage-Hater  Matched' 
is  printed  in  the  sixth  book  of  the  'Banquet  of  Musick'  (1692). 

The  Gordian  Knot  Untied. 

The  author  of  this  last  play  is  unknown.  It  must  have  been  per- 
formed in  1691,  as  Motteux  in  the  'Gentleman's  Journal'  for  January, 
1691 — 2,  refers  to  it  as  follows:  "The  Indian  Emperor  hath  been  reviv'd 
and  playd  many  times,  and  we  are  to  have  very  suddenly  a  Tragedy 
and  a  Comedy.  You  have  often  ask'd  me,  who  was  the  author  of  that, 
call'd  The  QorcUan  Knot  unty7d\  and  wondred,  with  many  more,  why  it 
was  never  printed.  I  hear  that  Gentleman  who  writ  lately  a  most  ingenious 
Dialogue  concerning  Women,  now  translated  into  French,  is  the  Author 
of  that  witty  Play,  and  it  is  almost  a  Sin  in  him  to  keep  It  and  his 
Name  from  the  World."  In  spite  of  these  favourable  comments,  the  play 
was  never  printed,  nor  has  its  Author's  name  been  discovered,  though  the 
instrumental  music  written  for  it  by  Purcell  has  been  preserved  in  the 
'Ayres  for  the  Theatre'.  It  would  be  interesting  to  know  whether  it  was 
the  subject  of  the  play  which  caused  the  composer  to  introduce  'Lilli- 
burlero'  as  a  ground-bass  of  the  'Jig'  which  forms  one  of  the  Act-Tunes. 

Henry  the  Second. 

This  play  was  produced  in  1692  and  printed  with  the  date  1693, 
though  its  publication  was  advertized  in  the  'London  Gazette'  for  Nov. 
24—28,  1692.  The  title-page  is  as  follows:  "Henry  the  Second,  J  King 
of  England;  |  with  the  |  Death  of  Rosamond.  |  A  |  Tragedy.  |  Acted  at 
the  Theatre  Royal,  |  By  |  Their  Majesties  Servants.  |  London:  \  Printed  for 
Jacob  Tonson,  at  the  Judges  Head  in  |  Chancery  Lane  near  Fleetstreet. 
MDCXCIH.  "  No  author's  name  is  given,  but  the  dedication  to  Sir 
Thomas  Cooke  is  signed  by  William  Mountfort,  and  the  work  is  in- 
cluded, together  with  'Edward  the  Third',  in  the  collection  of  that  actor's 
plays  published  in  1720,  with  the  comment  that  "tho'  not  wholly  com- 
posed by  him,  it  is  presum'd  he  had,  at  least,  a  share  in  fitting  them 
for  the  stage." 

There  is  evidence  that  'Edward  the  Third'  was  the  work  of  John 
Bancroft,  a  surgeon  who  made  a  present  of  it  to  Mountfort,  and  it  is 
generally  stated  that  Bancroft  was  also  author  of  Henry  the  Second. 
In  support  of  this  view  it  has  been  assumed  that  the  play  was  produced 
after  Mountfort's  murder,  which  took  place  on  Dec.  9,  1692,  but  this 
is  disproved  by  the  fact  that  its  production  was  noticed  in  Motteux's 
'Gentleman's  Journal'  for  the  previous  October.  Neither  Mountfort's 
dedication,  nor  the  Epilogue  by  Dryden  gives  any  hint  that  the  play  was 
not  by  the  brilliant  and  unfortunate  young  actor. 


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528  W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music. 

The  cast  included  Betterton  (Henry  II),  Michael  Lee  (Prince  Henry), 
Anthony  Leigh  (Sir  Thomas  Vaughan),  Sandford  (Abbot),  Kynaston 
(Verulam),  Hodgson  (Sussex),  Bridges  (Aumerle),  Dogget  (Bertrand),  Mrs. 
Barry  (Queen  Eleanor),  Mrs.  Bracegirdle  (Rosamond)  and  Mrs.  Kent 
(Attendant),  The  printed  play  contains  no  situations  which  seem  to  re- 
quire music,  though  that  some  must  have  been  introduced  is  evident  owing 
to  the  existence  of  a  song,  'In  vain'  gainst  Love  I  strove'  which  is  print- 
ed in  Book  IV  of  Heptinstall's,  'Comes  Amoris'  (1693),  with  the  heading 
"A  New  Song,  Sung  by  Mrs.  Dyer  in  the  new  Play  call'd  Henry  the  2  d. 
Composed  by  Mr.  Purcell"  The  song  also  appears  in  'Joyful  CuckoldonT 
and  in  Book  I  of  'Orpheus  Britannicus'.  In  a  manuscript  collection  in 
the  Royal  College  of  Music  Library  there  is  a  Hornpipe  for  strings  by 
Purcell  entitled  'Horn  Pipe  K.  Hr.  3rd  Act'.  This  probably  belongs  to 
the  same  play,  though  it  is  difficult  to  see  how  it  was  introduced  except 
as  an  Act-Tune. 

The  Indian  Emperor. 

This  play  is  a  sequel  by  Dry  den  to  the  'Indian  Queen',  a  tragedy 
in  which  the  poet  had  collaborated  with  Sir  Robert  Howard.  The  first 
edition  appeared  in  1667,  and  it  was  reprinted  in  1668,  1670,  1686,  1692 
and  1700.  These  dates  may  probably  be  taken,  as  in  the  case  of  'Abdel- 
azer',  as  representing  various  revivals,  but  in  none  of  the  editions  I  have 
examined  is  any  cast  given.  The  play  contains  only  two  songs.  One, 
'I  look'd  and  saw  within  the  book  of  Fate'  in  Act  U  is  sung  by  Kalib, 
a  female  spirit,  the  other,  'Ah,  fading  joy,  how  quickly  art  thou  gone', 
is  sung  by  an  Indian  woman  in  Act  IV.  There  is  also  a  stage  direction 
for  a  Saraband  with  castagnets,  danced  by  two  Spaniards.  The  only 
vocal  setting  of  the  first  song  that  appears  to  be  extant  is  by  Purcell, 
and  was  first  printed  in  the  sixth  book  of  'The  Banquet  of  Music',  which 
wTas  licensed  on  17  Feb.  1791—2.  This  date  agrees  with  the  statement 
in  the  'Gentleman's  Journal'  for  Jan.  1691 — 2:  fc-The  Indian  Emperor 
hath  been  reviv'd  and  play'd  many  times",  and  it  therefore  seems  safe 
to  conclude  that  Purcell's  music  was  written  for  a  revival  in  1691.  Of 
the  second  song  the  only  setting  that  I  know  is  one  (as  a  song  with 
three-part  chorus)  by  Pelham  Humphrey,  which  appeared  for  the  first 
time  in  the  1675  edition  of  Playford's  'Choice  Ayres,  Songs  and  Dialogues'. 
Of  the  Saraband  I  have  discovered  no  trace. 

The  Indian  Queen. 

This  tragedy,  the  work  of  Sir  Robert  Howard  and  of  Dryden,  was 
originally  produced  in  1664.  Its  performance  is  noticed  by  Pepys  on 
27  Jan.  and  10  Feb.  and  by  Evelyn  on  5  Feb.  The  fashion  of  turning 
plays  into  so-called  'Operas',  of  which  'Dioclesian'  and  'The  Fairy  Queen' 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  529 

are  notable  examples,  seems  to  have  drawn  the  attention  of  some  ano- 
nymous adapter  to  the  'Indian  Queen'.  When  this  was  done  it  is  not 
possible  to  say  exactly,  for  the  operatic  version  was  never  printed  nor  is 
its  production  chronicled  by  Downes  or  Langbaine,  and  still  less  by  Baker 
or  Genest,  and  it  would  hardly  have  been  known  except  for  the  publi- 
cation in  1695  of  Purcell's  'Songs  in  the  Indian  Queen  as  it  is  now 
Compos'd  into  an  opera',  of  which  more  anon.  Bimbault  seems  to  have 
been  the  first  to  give  a  date  to  this  production,  and  he  fixed  on  1692, 
in  which  he  has  been  followed  by  later  biographers  of  Purcell,  regardless 
of  the  fact  that  if  the  adaptation  had  appeared  in  this  year  it  would 
almost  certainly  have  been  noticed  in  Motteux's  'Gentleman's  Journal'. 
Rimbault's  reason  for  choosing  this  year  is  not  apparent,  unless  it  was 
because  the  original  tragedy  was  then  reprinted,  which  may  be  taken  as 
evidence  of  a  revival  of  the  play.  Bimbault  does  not,  however,  seem 
to  have  been  aware  of  the  existence  of  a  very  important  manuscript,  now 
in  the  British  Museum  (Ad.  MS.  31,449),  which  not  only  contains  the 
words  of  the  operatic  version,  but  also  the  whole  of  the  music,  partly 
in  Purceirs  autograph,  with  the  names  of  the  principal  actors.  The  cast, 
by  the  absence  of  the  names  of  any  of  the  actors  who  seceded  with 
Betterton  to  Lincoln's  Inn  Fields  in  April,  1695,  points  conclusively  to 
the  production  having  taken  place  at  the  Theatre  Royal  after  that  event, 
and  if  this  is  the  case  the  'Indian  Queen'  must  have  been  one  of  Purcell's 
very  latest  compositions.  It  is  remarkable  that  the  composer  did  not  set 
the  Masque  of  Hymen  with  which  the  work  ends.  The  music  to  this  is  by 
his  brother,  Daniel  Purcell,  and  as  Henry  Purcell  died  in  November  1695, 
it  is  not  improbable  that  he  was  prevented  by  illness  from  finishing  the 
opera  and  that  the  task  was  completed  by  his  brother.  The  year  1695 
would  also  agree  with  the  publication  of  the  songs,  which  were  issued 
with  the  following  title-page:  "The  |  Songs  |  in  the  |  Indian  Queen:  |  As 
it  is  now  Compos'd  into  an  |  Opera.  |  By  Mr.  Henry  Purcell,  |  Composer 
in  Ordinary  to  his  Majesty.  |  And  one  of  the  Organists  of  His  Majesty's 
Chapel-Royal.  |  London,  |  Printed  by  J.  HeptinstaU;  and  are  to  be  Sold 
by  John  May,  at  his  Shop  under  St.  Dunstan's  Church:  And  for  John 
Hudgbutt  at  Tho.  Bring 's,  Bookseller,  at  the  |  Harrow  at  ClifforcTs-lane- 
end  in  JFleetstreet.  1695.  |" 

This  volume  contains  an  advertisement,  or  dedication,  by  the  publishers 
which  is  so  extraordinary  that  it  must  be  given  in  full,  if  only  as  a 
unique  specimen  of  a  bare-faced  avowal  of  piracy.     It  is  as  follows: 

"The  Publishers,  to  Mr.  Henry  Purcell. 

Sir, 
Having  had  the  good  fortune  to  meet  with  the  Score  or  Original  Draught 
of  your   Incomparable  Essay    of  Musick    compos'd   for   the    Play,   call'd  The 


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530  W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music. 

Indian  Queen,  It  soon  appear' d  that  we  had  found  a  Jewel  of  very  great 
Value;  on  which  account  we  were  unwilling  that  so  rich  a  Treasure  should 
any  longer  lie  bury'd  in  Oblivion;  and  that  the  Common- wealth  of  Musick 
should  be  deprived  of  so  considerable  a  Benefit.  Indeed  we  well  knew  your 
innate  Modesty  to  be  such,  as  not  to  be  easily  prevail'd  upon  to  set  forth 
any  thing  in  Print,  much  less  to  Patronize  your  own  Worke,  although  in 
some  respects  Inimitable.  But  in  regard  that  (the  Press  being  now  open) 
any  one  might  print  an  imperfect  Copy  of  these  admirable  Songs,  or  publish 
them  in  the  nature  of  a  Common  Ballad,  We  were  so  much  the  more  em- 
boldned  to  make  this  Attempt,  even  without  acquainting  you  with  our  Design ; 
not  doubting  but  your  accumstom'd  Candor  and  Generosity  will  induce  you 
to  pardon  this  Presumption :  As  for  our  parts,  if  you  shall  think  fit  to  con- 
descend so  far,  we  shall  always  endeavour  to  approve  our  selves, 

Your  obedient  Servants, 
J.  MAY 
J.  HUDGEBUTT." 

The  exact  date  of  this  publication  is  not  known,  as  it  was  not  ad- 
vertized in  either  the  'London  Gazette'  or  'The  Post-Boy'. 

The  cast  —  as  given  in  the  Museum  MS.  —  was  as  follows:  The 
Incaof  Peru  —  Mills;  Montezuma — Powell;  Acacis  —  Harland;  Garrucca- 
\>  Disney;  the  God  of  Dreams — Leveridge;  Ameria—  (left  blank);  Zempoalla  — 
Mrs.  Knight  and  Orazia  —  Mrs.  Rogers.  From  the  printed  songs  we  obtain 
the  further  information  that  in  the  Prologue  the  Indian  Boy  was  sung 
by  Freeman  and  Quivera  (the  Indian  Girl)  by  4the  Boy';  that  Fame  (in 
Act  II)  was  sung  by  Freeman;  in  Act  III  the  duet  'Ah,  how  happy  are 
we'  by  Freeman  and  Church,  and  the  song  'I  attempt  from  love's  sick- 
ness to  fly'  by  Mrs.  Cross,  and  that  the  last  named  artist  also  sang  'They 
tell  us  that  yon  mighty  powers'  in  Act  IV.  The  conjurer's  song  'You 
twice  ten  hundred  deities'  appeared  also  in  Book  IV  of  'Deliciae  Musicae' 
(1696)  and  with  several  of  the  other  songs  was  included  in  'Orpheus  Bri- 
tannicus'.  The  songs  from  Daniel  PurcelFs  share  of  'The  Indian  Queen', 
(the  Masque  of  Hymen  at  the  end  of  Act  V)  were  printed  in  the  scarce 
'First  Book  of  the  Second  Volume'  of  'Deliciae  Musicae',  the  title-page 
of  which  states  that  it  contains  "The  Additional  Musick  to  the  Indian 
Queen,  by  Mr.  Daniel  Puree!!,  as  it  is  now  Acted  at  His  Majesties 
Theatre1.  This  book  appeared  at  the  beginning  of  1695 — 6:  its  publi- 
cation is  advertized  in  the  'Post  Boy'  for  Feb.  29  —  March  3  of  that  year. 

King  Arthur. 

The  history  of  Purcell's  'King  Arthur'  has  been  so  fully  related 
by  Professor  Taylor,  in  the  preface  to  the  edition  of  the  work  which 
was  printed  by  the  Musical  Antiquarian  Society,  that  I  do  not  propose 
to  go  into  it  as  minutely  as  has  been  done  with. the  rest  of  PurcelFs 
work  for  the  theatre.    Since  Professor  Taylor's  edition  was  given  to  the 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  531 

world,  the  opera  has  been  edited  by  Mr.  G.  E.  P.  Arkwright,  Mr.  Fuller 
Maitland  and  Mr,  Cummings,  but  so  far  no  absolutely  complete  copy  of 
the  original  score  has  come  to  light,  and  all  these  editions  contain  a 
good  deal,  in  the  arrangement  of  the  fragments  gathered  together  from 
various  sources,  which  must  be  regarded  as  conjectural.  According  to 
Roger  North1)  the  work,  like  the  'Fairy  Queen',  was  'unfortunately  lost', 
and  it  can  only  be  hoped  that  some  lucky  searcher  will  recover  the 
original  score  and  enable  some  future  edition  to  supply  what  is  still 
missing  and  give  us  a  complete  and  authoritative  edition  of  what  has 
always  been  regarded  as  Purcell's  dramatic  master-piece.  For  the  present 
it  must  be  enough  to  say  that  the  book  was  written  by  Dryden,  and  was 
produced  at  the  Queen's,  or  Dorset  Garden  Theatre,  in  1691 2),  the  dances 
(as  Downes  informs  us)  being  arranged  by  Josiah  Priest.  From  the  same 
source  we  know  that  "the  Play  and  Musick  pleas'd  the  Court  and  City; 
and  being  well  performed  'twas  very  gainful  to  the  Company'',  though 
according  to  Cibber  the  success  of  this  work  and  ;Dioclesian'  (which 
preceded  it)  was  more  apparent  than  real,  and  the  receipts  did  not  suffice 
to  keep  the  management  out  of  debt,  while  the  fact  that  everything  was 
sacrificed  to  spectacle,  and  the  regular  actors  were  stinted  in  order  to 
pay  and  dress  the  singers  and  dancers,  evidently  gave  rise  to  a  good 
deal  of  discontent.  The  book  of  'King  Arthur'  was  published  in  the 
year  of  its  production,  with  the  following  title-page :  "King  Arthur :  |  or,  | 
The  British  Worthy.  |  A  Dramatick  |  Opera.  |  Perform'd  at  the  Queens 
Theatre  |  By  Their  Majesties  Servants.  |  Written  by  Mr.  Dryden.  \  Hie 
alia  Theatric — Fundamenta  locant:  Scenis  decora  alta  futuris.  Virg, 
iEneid.  1.  |  Purpurea  intexti  tottunt  aulcea  Britanni.  Georg.  3.  10.  | 
Tanimi  placuit  coneurrere  motu.  ^Eneid.  11.  |  Jupiter  ceternd  Genteis  in 
pace  futuras?  \  Et  celebrare  Domestica  facta.  Hor.  |  London,  Printed  for 
Jacob  Tonson,  at  the  Judges-Head  |  in  Chance?*y-Lane  near  Fleetstreet, 
1691.  ," 

The  original  cast  comprised  Betterton  (King  Arthur),  Williams 
(Oswald),  Hodgson  (Conon),  Kynaston  (Merlin),  Sandford  (Osmond) 
Alexander  (Aurelius),  Bowen  (Albanact),  Harris  (Guillamar),  Mrs.  Brace- 
girdle  (Emmeline),  Mrs.  Bichardson  (Matilda),  Mrs.  Butler  (Philidel)  and 
Mrs.  Bowman  (Grimbald).  The  names  of  the  various  singers  are  not 
given,  either  in  Tonson's  edition  of  the  play  or  in  the  various  con- 
temporary musical  collections  ('Orpheus  Britannicus',  'Deliciae  Musicae', 
'Thesaurus  Musicus'  &c.)  which  contain  fragments  of  the  music.  Of  the 
actors  recorded  in  the  cast  Mrs.  Butler,  as  Philidel,  had  the  most  im- 
portant singing  part.    Her  name  has  already  been  mentioned  in  connec- 

1)  Memoirs  of  Musick,  ed.  Bimbault,  1846,  p.  116. 

2)  Its  publication  is  advertized  in  the  'London  Gazette'  for  4—8  June,  1691. 


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532  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

tion  with  'Amphitryon',  'Cleomenes',  and  'Dioclesian',  but  all  that  is 
known  of  her  is  the  statement  of  Cibber1)  that  "Mrs.  Butler,  who  had 
her  Christian  name  of  Charlotte  given  her  by  King  Charles,  was 
the  Daughter  of  a  decay'd  Knight,  and  had  the  Honour  of  that  Prince's 
Recommendation  to  the  Theatre.  She  prov'd  not  only  a  good  Actress, 
but  was  allow'd  in  those  Days  to  sing  and  dance  to  great  Perfection. 
In  the  Dramatick  Operas  of  Dioclesian  and  that  of  King  Arthur,  she 
was  a  capital  and  admired  Performer.  In  speaking,  too,  she  had  a 
sweet-ton' d  Voice,  which,  with  her  naturally  genteel  Air  and  sensible 
Pronunciation,  render'd  her  wholly  Mistress  of  the  Amiable  in  many 
serious  Characters".  According  to  Downes  she  entered  the  Duke's  com- 
pany about  1673.  Cibber  says  that  her  salary  in  London  was  only  40 
a  week  and  that  being  refused  50/  she  accepted  an  engagement  at 
Dublin  in  1692. 

King  Richard  the  Second. 

This  play  was  an  alteration  from  Shakespeare  by  Nahum  Tate.  In 
order  to  minimize  the  political  allusions  which  the  censorship  found  in 
it,  it  was  played  in  1681  as  '•The  Sicilian  Usurper'',  but  in  spite  of  the 
alterations,  the  performances  were  stopped  after  the  second  night.  It 
was  published  with  the  following  title-page:  ,4The  |  History  |  of  |  King 
Richard  |  The  Second  |  Acted  at  the  Theatre  Royal,  |  Under  the  Name 
of  the  |  Sicilian  Usurper.  |  With  a  Prefatory  Epistle  in  Vindication  of 
the  |  Author.  |  Occasion' d  by  the  Prohibition  of  this  J  Play  on  the  Stage. 
By  N.  Tate.  |  Inultus  ut  Flebo  Puer?  Hor.  |  London,  |  Printed  for 
Richard  Tonson,  and  Jacob  Tonson,  \  at  Grays-Inn  Gate,  and  at  the 
Judges-Head  |  in  Chancery-Lane  near  Fleet-street,  1681". 

No  names  of  performers  are  given  in  the  Dramatis  Personae,  but 
the  Epilogue  was  spoken  by  a  Mrs.  Cook.  The  play  contains  two  songs: 
'Love's  delights  were  past  expressing'  (sung  in  Act  HI)  and  'Retir'd 
from  any  mortal's  sight',  in  the  Prison  scene  in  Act  IV.  Of  the  former 
I  have  not  succeeded  in  finding  any  setting,  but  the  latter,  with  music 
by  Purcell,  occurs  in  the  Fourth  Book  of  Playford's  'Choice  Ayres  and 
Songs  to  sing  to  the  Theorbo-Lute  or  Bass- Viol:  Being  most  of  the 
Newest  Ayrs  and  Songs  sung  at  Court  and  at  the  Publick  Theatres. 
Composed  by  several  Gentlemen  of  His  Majesty's  Musick  and  others" 
(1683).  There  is  nothing  to  show  in  this  publication  whether  Purceirs 
setting  was  sung  at  the  original  production  of  the  play  or  whether  he 
merely  set  the  words  as  'a  single  song'.  If  the  former  was  the  case  it 
must  have  been  one  of  the  earliest  occasions  upon  which  he  was  connected 
with  the  Theatre. 


1)  'Apology1  ;Ed.  Lowei  I.  p.   163. 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  533 

The  Knight  of  Malta. 

The  only  fragment  of  Purcell's  music  connected  with  this  play  of 
Beaumont  and  Fletcher  is  the  three-part  catch,  'At  the  close  of  the 
evening'.  The  words  of  this  do  not  occur  in  any  extant  edition  of  the 
play,  but  it  is  safe  to  assume  that  they  were  introduced  in  the  opening 
scene  of  Act  III,  instead  of  the  original  'Song  by  the  Watch'.  Dr. 
Rimbault,  Dr.  Cummings  and  Mr.  Husk  all  give  1695  as  the  date  of 
this  composition,  but  it  must  have  been  written  earlier,  as  it  was  first 
printed  in  1691,  in  the  Third  Book  of  "Vinculum  Societatis,  or  the  Tie 
of  good  Company *,  where  it  is  simply  described  as  'A  Catch  in  Three 
parts  by  Mr.  Hem~y  Purcell\  nothing  being  said  as  to  any  connexion 
with  the  'Knight  of  Malta'.  In  the  Fourth  Edition  of  the  Second  Book 
of  Playford?s  'Pleasant  Musical  Companion  ....  Corrected  and  much 
enlarged',  which  appeared  in  1701,  it  is,  however,  given  as  'A  Catch  in 
the  Play  of  the  Knight  of  Malta'.  The  Second  Edition  of  this  collec- 
tion, which  was  issued  in  1686,  does  not  contain  it.  I  have  not  suc- 
ceeded in  finding  a  copy  of  the  Third  Edition,  but  I  suspect  that  it  is  in 
this  issue  and  that  the  year  of  publication  was  1695,  which  gave  Rimbault 
the  date  he  has  fixed  for  the  composition.  It  must,  however,  have  been 
written  before  1691,  and  probably  after  1686,  though  I  can  find  no 
trace  of  the  play's  having  been  revived  then  or  later. 

The  Libertine. 

It  has  always  seemed  one  of  the  strangest  statements  in  the  bio- 
graphies of  Purcell  that  he  should  have  written  music  to  Shadwell's  play 
of  'The  Libertine'  in  1676,  when  he  was  only  a  boy  of  18.  Apart  from 
the  extreme  unlikelihood  of  his  being  employed  at  the  theatre  at  so 
young  an  age,  the  music,  containing  as  it  does  such  numbers  as  'Nymphs 
and  Shepherds',  'In  these  delightful  fragrant  groves'  and  the  chorus  of 
devils,  'Prepare,  new  guests  draw  near',  is  marked  by  such  maturity  and 
dramatic  power  that  ipso  facto  it  seemed  almost  impossible  to  have 
been  the  production  of  one  who  was  still  hardly  out  of  his  apprenticeship. 
A  close  examination  of  the  evidence  upon  which  the  date  1676  rests 
shows,  however,  that  here,  as  in  the  case  of  'Abdelazer'  and  other 
supposed  youthful  works,  there  is  reason  to  believe  that  the  music  to 
'The  Libertine'  belongs,  as  a  matter  of  fact,  to  the  composer's  ripest 
period. 

Shadwell's  play,  which  is  a  version  of  the  immortal  'Don  Juan' 
legend,  was  produced  at  Dorset  Garden  and  printed  in  1676.  According 
to  the  'Biographia  Dramatica'  it  was  reprinted  in  1692,  but  no  copy  of 
this  is  in  the  British  Museum.     To  judge,  however,  by  a  later  edition 


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534  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

(1697),  which  agrees  with  that  of  1676,  no  alterations  in  the  play  were 
made.     The  music  required  in  the  various  acts  is  as  follows: 

Act  I.  1)  A  Song,  'Thou  joy  of  all  our  hearts'.  A  setting  of  this 
is  said  to  occur  in  4The  Wit's  Academy',  a  work  published  in  1677, 
which  I  have  not  been  able  to  find.  But  the  song  is  given,  with  music 
by  Dr.  William  Turner,  in  the  collection  called  'New  Ayres  and  Dialogues 
composed  for  Voices  and  Viols',  which  appeared  in  1678,  and  also  in 
Book  II  of  Playford's  'Choice  Ayres  and  Songs'  (1679). 

2)  'When  you  dispense  your  influence'.  This  song,  also  with  Turners 
music,  but  with  the  words  altered  to  'Cloris,  when  you  dispense',  &c, 
occurs  also  in  both  the  last  named  collections. 

Act  II.  'Since  Liberty  Nature  for  all  has  designed'.  No  setting  of 
this  seems  to  have  survived. 

Act  III.  'Woman  who  is  by  nature  wild'.  I  have  not  succeeded 
in  finding  any  setting  of  this  song. 

Act  IV.  In  this  Act  there  is  a  long  scene  of  rustic  merrymaking, 
in  which  both  'Nymphs  and  Shepherds'  and  'In  these  delightful  fragrant 
groves'  occur.  The  earliest  extant  musical  versions  of  these  seem  to  be 
in  the  second  edition  of  Book  I  of  'Orpheus  Britannicus'  (1706),  in  both 
cases  entitled  'A  single  Song  in  the  Libertine'. 

Act  V.  The  'Song  of  Devils',  'Prepare,  new  guests  draw  near'  does 
not  exist  in  any  contemporary  printed  setting,  but  Purcell's  remarkable 
music  to  the  scene  is  found  in  various  MSS.  The  short  instrumental 
introduction  with  which  it  opens  was  used  by  the  composer  for  the  Funeral 
Procession  of  Queen  Mary,  and  has  been  printed  in  this  form  in  the 
Quarterly  of  the  International  Musical  Society  for  Jan.  —  March,  1903. 
In  addition  to  this  music  there  exists  a  song  which  is  explicitly  stated 
to  have  been  sung  in  the  play,  although  it  is  difficult  to  see  where  it 
can  have  been  introduced.  This  occurs  first  in  Book  II  of  'Deliciae 
Musicae'  (1695)  where  it  is  headed  'The  Trumpet  Song,  Sung  by  the 
Boy  in  the  (Libertine  destroy'd).  Set  by  Mr.  Henry  PurcelT.  The 
words  are  as  follows:  — 

"To  arms,  heroick  prince, 

Glory,  like  love,  has  pow'rfull  charms, 

Let  glory  now  thy  soul  ingross 

And  recompense  its  rival's  loss. 

Bid  trumpets  sound,  and  nothing  name 

But  battles,   conquests,  triumph,  fame." 

This  song  was  included  in  the  second  volume  of  'Orpheus  Britannicus', 
with  the  same  heading,  except  that,  instead  of  'the  Boy',  the  name  of 
Mr.  Bowen  is  given  as  the  singer.  This  gives  us  an  important  clue  to  the  date 
,Libertine'  music.  It  has  already  been  stated  that  Jemmy  Bowen  sang  of  Pur- 


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W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music.  535 

cell's  as  'the  Boy'  in'Abdelazer'  in  1695  and  probably  was  the  same  boy  whose 
name  occurs  among  the  singers  in  the  Birthday  Ode  for  Queen  Mary, 
'Celebrate  this  Festival',  in  1692,  while  in  1695  he  is  called  'young  Bowen' 
—  most  likely  to  distinguish  him  from  the  actor  of  the  same  name,  who 
may  have  been  his  father.  Now  if  Jemmy  Bowen  was  singing  with  a 
boy's  voice  in  1695  it  is  impossible  that  he  could  have  sung  at  the  pro- 
duction of  'The  Libertine'  in  1676,  and  the  introduction  of  the  Trumpet 
Song  must,  therefore,  refer  to  some  unrecorded  revival  of  the  play. 
Moreover,  in  a  copy  of  the  'Biographia  Dramatica'  in  the  British  Museum, 
there  is  a  manuscript  note  by  Thomas  Oliphant  —  whose  knowledge  of 
the  music  of  this  period  was  remarkably  accurate  —  to  the  effect  that 
'a  musical  masque  by  H.  Purcell  was  added  in  1692'  to  'The  Libertine'. 
What  Oliphant's  authority  for  this  statement  was  I  have  not  been  able 
to  discover,  but  the  date  coincides  with  the  issue  of  a  reprint  of  the 
play,  which  may  generally  be  taken  as  evidence  of  a  revival  at  the  theatre. 
From  the  publication  of  the  song  in  'Deliciae  Musicae'  in  1695,  one 
might  be  tempted  to  conclude  that  a  revival  of  'The  Libertine'  had  taken 
place  in  that  or  in  the  preceding  year,  but  the  evidence  of  the  printed 
edition  of  the  play  certainly  supports  Oliphant's  statement  that  1692  is 
the  real  date  of  Purcell's  music.  In  either  case  it  is  probable  that  he 
wrote  music  to  supply  what  was  either  lost  or  unsuitable  in  the  earlier 
setting  of  which  Turner's  songs  formed  part. 

Love  Triumphant. 

'Love  Triumphant'  was  Dryden's  last  dramatic  work,  and  after  its 
failure  he  ceased  writing  for  the  theatre.  It  is  a  particularly  unpleasant 
play,  and  was  received  by  the  public  according  to  its  merits,  being  "damn- 
ed by  the  universal  cry  of  the  town".  Genest  places  the  date  of  its 
production  in  1693,  on  the  strength  of  Malone's  statement  that  it  follow- 
ed  Congreve's  'Double  Dealer',  which  was  produced  in  November,  but 
it  seems  more  probable  that  it  appeared  early  in  1694,  as  the  first  edition 
is  advertized  in  the  London  Gazette  for  12—15  March  1693 — 4.  Malone1) 
also  prints  an  anonymous  letter  dated  22  March,  in  which  the  writer 
gives  an  account  of  "Our  Winter  diversions"  and  chuckles  over  the  failure 
which  met  both  'The  Double  Dealer'  and  'Love  Triumphant',  which, 
combined  with  the  success  of  Southerne's  'Fatal  Marriage'  the  writer 
says  will  "encourage  desponding  minor  poets,  and  vex  huffing  Dryden 
and  Congreve  to  madness".  In  the  Jan. -Feb.  number  of  the  'Gentleman's 
Journal'  Motteux  says  "I  can  tell  you  no  news  of  LLove  Triumphant  .  .  . 
since  that  Play  has  been  printed  long  enough  to  have  reached  your  hands 

i;  'Historical  Account  of  the  English  Stage'  in  Vol.  I.  Pt.  II.  of  Malone's  1790 
edition  of  Shakespeare. 


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536  W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music. 

before  this",  but  an  advertisement  in  the  London  Gazette  for  5—8  March, 
1693—4,  shows  that  this,' like  other  numbers  of  the  Journal,  was  not 
issued  until  some  time  after  the  date  it  bears.  The  title-page  of  the 
original  edition  is  as  follows:  "Love  Triumphant;  |  or,  |  Nature  will  Pre- 
fail.  |  A  |  Tragi -Comedy  |  At  it  is  Acted  at  the  |  Theatre  Royal,  |  By 
Their  Majesties  Servants,  j  Quod  optanti  Divum  promittere  nemo  \  Aud- 
eret,  volvenda  dies,  en,  attvlit  vitro.  Virg.  |  Written  by  Mr.  Drydm.  | 
London,  |  Printed  for  Jacob  Tonson,  at  the  Judges  Head  near  |  the 
Inner-Temple- Gate  in  Fleet-street  1694."  | 

The  cast  included  Kynaston  (Veramond),  Betterton  (Alphonso),  Williams 
(Garcia),  Alexander  (Ramirez),  Dogget  (Sancho),  Powell  (Carlosl,  Under- 
bill (Lopez),  Mrs.  Betterton  (Ximena),  Mrs.  Barry  (Victoria),  Mrs.  Brace- 
girdle   (Celidea),  Mrs.  Mountfort  (Dalinda),  and  Mrs.  Kent  (the  Nurse). 

The  music  consists  of  three  songs  and  a  dance,  but  only  the  songs 
seem  to  have  been  preserved.     They  are:   — 

(1)  4A  Song  of  Jealousie'  —  'What  state  of  life  can  be  so  blest',  —  in 
Act  III.,  which  was  set  by  John  Eccles  and  sung  by  Mrs.  Hudson. 
It  is  printed  in  Book  II  of  'Thesaurus  Musicus'  (1694). 

(2)  A  Song,  'How  happy's  the  husband',  the  words  of  which  are  by 
Congreve  and  the  music  by  Purcell.  It  is  printed  in  Book  II  of  'Thesaurus 
Musicus',  where  it  is  entitled  'A  Song  in  the  last  new  Play  call'd  Love 
Triumphant,  &c.  Set  by  Mr.  H.  Purcell,  and  sung  by  Mrs.  AyUff. 
The  melody  appears  with  a  similar  heading  in  'Joyful  Cuckoldom'. 

(3)  A  'Song  for  a  Girl'  (also  in  Act  V)  'Young  I  am,  and  yet  un- 
skill'd'.  The  music  to  this  is  also  by  Eccles,  and  is  printed  in  the 
'Gentleman's  Journal'  for  Jan. — Feb.  1693 — 4. 

The  Maid's  last  Prayer. 

This  play  was  brought  out  at  the  beginning  of  1693,  and  its  pub- 
lication 'this  day'  is  advertized  in  the  London  Gazette  for  6—9  March, 
1692—3.  The  title-page  of  the  original  edition  is  as  follows:  "The  |  Maid's 
last  Prayer:  |  or,  |  Any,  |  Rather  than  Fail.  |  A  Comedy.  |  As  it  is 
Acted  at  the  |  Theatre  Royal,  |  By  Their  Majesties  Servants.  |  Written 
by  Tho.  Southern*.  \  Valeat  res  ludiera,  si  me  \  Palma  negata,  macrum; 
donata  reducit  opimum.  \  Hor.  Epist.  1.  lib.  2.  |  London,  |  Printed  for 
R.  Bentey,  in  Russel-street  in  Covent  Garden,  and  J.  Tonson  at  the 
Judges-Head  in  Clianeery  Lane.  1693."  | 

The  cast  comprised  Powell  (Granger),  Bowman  (Gayman),  Alexander 
(Garnish),  Dogget  (Lord  Malepert),  Blight  (Sir  Ruff  Rencounter),  Bowen, 
(Sir  Symphony],  Underhill  (Capt.  Drydrubb),  Pinkethman  (Porter  to  Sir 
Symphony's  Musick  Meeting),  Mrs.  Barry  (Lady  Malepert),  Mrs.  Brace- 
girdle  (Lady  Trickett),    Mrs.   Mountfort   (Lady    Susan  Malepert),  Mrs. 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  537 

Rogers  (Maria),  Mrs.  Betterton  (Wishwell).  Mrs.  Leigh  (Siam),  Mrs. 
Kent  (Florence),  Mrs.  Rachel  Lee  (Judy),  Mrs.  Perin  (Christian)  and 
Betty  Allinson  —  a  child  —  (Jano,  a  black  page).  The  play  is  inter- 
esting as  a  record  of  contemporary  manners  and  especially  for  a  scene 
representing  a  'Musick  Meeting'  at  the  house  of  Sir  Symphony,  a  fana- 
tico  per  la  mitsica.  In  Act  III  there  occurs  a  Song  'Prithee,  my  dear, 
do  not  be  so  peevish',  the  words  of  which  were  apparently  read.  The 
Concert  Scene  contains  two  songs.  The  first,  "Tho*  you  make  no  return 
for  my  passion'  is  entitled  'A  Song  set  by  Mr.  H.  Purcell  and  sung  by 
Mrs.  Hodgson".  It  is  printed  with  the  music  in  Book  I  of  'Thesaurus 
Musicus'  (1693),  where  the  singer  is  stated  to  have  been  Mrs.  Dyer;  it 
also  occurs  (without  any  singer's  name)  in  the  'Gentleman's  Journal'  for 
Jan.  1692 — 3.  The  second  song  'No,  no,  resistance  is  but  vain'  is  headed 
'A  Song,  written  by  Anthony  Henley  Esquire,  Set  by  Mr.  Purcell  and 
sung  by  Mrs.  Ayliff,  and  Mrs.  Hodgson'.  It  was  printed  in  Book  I  of 
'Deliciae  Musicae'  (1695)  and  again  in  'Orpheus  Britannicus'.  In  the 
last  Act  there  occurs  another  song,  'Tell  me  no  more  I  am  deceiv'd, 
entitled  'A  Song,  written  by  Mr.  Congreve,  Set  by  Mr.  Purcell,  and 
Sung  by  Mrs.  AylifF.  This  is  given  in  the  January  number  of  the 
'Gentleman's  Journal'  (1692 — 3)  and  in  Book  I  of  'Thesaurus  Musicus' 
as  'The  2d  Song  in  the  Maids  last  Prayer,  Sung  by  Mrs.  Ayliff. 

The  Marriage-Hater  Matched. 

This  comedy  of  D'Urfey's,  one  of  his  best  works,  was  produced  at 
the  beginning  of  1692.  It  is  mentioned  by  Motteux  in  the  'Gentleman's 
Journal'  for  Jan.-Feb.  1691—2  as  follows:  "I  send  you  the  Marriage- 
Hater  Match' d,  a  new  Comedy  by  Mr.  Durfey;  it  hath  met  with  very 
good  success,  having  been  plaid  six  days  together,  and  is  a  diverting 
Play."  The  first  edition  has  the  following  title-page:  ttThe  |  Marriage- 
Hater  |  Match'd:  |  A  |  Comedy.  |  Acted  at  the  |  Theatre  Royal  |  By  Their  | 
Majesties  Servants.  |  Written  by  Tho.  D'Urfey,  Gent.  |  London,  |  Printed 
for  Richard  Parker,  at  the  Unicorn  under  the  Royal  \  Exchange;  and 
Sam.  Briscoe,  over  against  WilVs  Coffee  \  House  in  Covent- Garden.  1692.  |" 

The  cast  was  a  very  long  one.  It  included  Bowman  (Lord  Brainless), 
Mountfort  (Sir  Philip  Freewit),  Sandford  (Sir  Lawrence  Limber),  Hodson 
(Captain  Darewell),  Leigh  (Myen  Heer  van  Grin),  Bright  (Bias),  Dogget 
(Solon),  Bowen  (Callow),  Trefuse  (Mac  Buffle),  Smeaton  (Thummum), 
Colley  Cibber  (Splutter),  Mrs.  Barry  (Lady  Subtle),  Mrs.  Cory  (Lady 
Bumfiddle),  Mrs.  Bracegirdle  (Phoebe),  Mrs.  Lascelles  (Berenice),  Mrs. 
Butler  (La  Pupsey)  and  Mrs.  Lawson  (Margery).  In  Act  U  there  is  a 
stage  direction  for  an  Italian  song,  but  no  words  are  given.  In  the  same 
Act  is  a  song  'How  vile  are  the  sordid  intrigues  of  the  town',  which  is 

8.  d.  I   M.    v.  35 


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538  W.  Barclay  Squire,  Parcell's  Dramatic  Music. 

printed  in  Book  IV  of  'Comes  Amoris'  (1693)  as  "The  Words  made  (and 
Set)  by  Mr.  Durfey".  A  version  of  this  also  occurs  in  'Joyful  Cuckol- 
dom'  as  'The  Disconsolate  Lady's  Complaint',  with  PurcelTs  name  as 
composer,  but  it  seems  more  probable  that  the  music  was  really  by 
D'Urfey.  A  third  song  in  this  Act  'Tantivee,  high  and  low',  is  given  (words 
only)  in  Vol.  EI  of  the  second  edition  (1707)  of  D'Urfey's  'Pills',  where 
it  is  stated  to  have  been  'Writ  by  Mr.  D'urfey  and  sung  by  Mr.  Doggett', 
who,  according  to  Downes,  'performed  the  part  of  Solon  inimitably'.  I 
have  not  found  the  music  of  this  song.  In  Act  HI  there  are  two  songs, 
both  of  which  are  printed  in  the  sixth  book  of  'The  Banquet  of  Musick' 
(Licensed  17.  Feb.  1691—2;.  The  first  of  these,  'Great  Jove  once  made 
love  like  a  bull'  'The  Song  of  Monsieur  le  Chien\  was  set  by  Mount- 
fort;  the  second,  'A  Scotch  Song',  'Bony  Lad,  prithee  lay  thy  pipe',  was 
set  by  Thomas  Toilet.  In  Act  IV  there  is  Dialogue  between  Solon  and 
Berenice,  'Damon  if  I  should  receive  your  addresses',  the  music  of  which 
does  not  seem  to  have  survived.  Lastly,  in  Act  V  there  is  a  Song  in 
Two  Parts  'As  soon  as  the  chaos',  which  is  printed,  without  names  of 
singers  or  any  indication  that  it  is  from  the  play,  in  the  first  book  of 
'Orpheus  Britannicns'.  Setting  aside  the  very  doubtful  'How  vile  are  the 
sordid  intrigues  of  the  town',  this  seems  to  have  been  PurcelTs  sole  con- 
tribution to  the  music  of  the  comedy. 

The  Married  Beau. 

The  first  edition  of  this  comedy,  by  J.  Crowne,  was  advertized  in  the 
London  Gazette  for  June  14 — 18  1694.  Its  production  must  have  taken 
place  earlier  in  the  year,  as  Motteux  refers  to  it  (in  the  'Gentleman's 
Journal'  for  May)  as  'new  since  my  last'.  The  title-page  is  as  follows 
uThe  |  Married  Beau:  |  or,  The  |  Curious  Impertinent,  |  A  |  Comedy:  | 
Acted  at  the  Theatre  Royal,  |  By  Their  Majesties  Servants.  |  Written  by 
Mr,  Crowne,  \  London :  |  Printed  for  Richard  Bmtley,  at  the  Post-House 
in  Russd- Street  in  Covent- Garden.  1694."  |  No  cast  is  given  with 
the  Dramatis  Personae,  but  we  learn  from  the  Epilogue  that  Dogget 
acted  the  part  of  Thorneback.  An  overture  and  eight  act-tunes  written 
by  Purcell  for  this  play  are  printed  in  'Ayres  for  the  Theatre'  and  be- 
sides this  there  occur  two  songs.  The  first  of  these,  in  Act  H,  'Oh,  fie ! 
what  mean  I,  foolish  maid',  was  set  by  John  Eccles;  the  words  and  voice 
part  are  printed  (without  composer's  name)  in  the  1699  edition  of  Vol.  I 
of  D'Urfey's  "Pills",  and  more  fully  in  J.  Eccles'  "Collection  of  Songs", 
where  it  is  stated  to  have  been  sung  by  Dogget.  The  second  song  is 
'See  where  repenting  Celia  lies',  which  first  appeared  in  Book  HI  of 
'Thesaurus  Musicus'  (1695)  'set  by  Mr.  H.  Purcett,  Sung  by  Mrs.  AyUfff 
and  was  afterwards  included  in  Book  I  of  'Orpheus  Britannicus'. 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  539 

The  Massacre  of  Paris. 

This  play,  though  an  early  work  of  its  author,  Nat.  Lee,  was  not 
produced  until  1690.  It  was  published  in  the  same  year,  but  I  have 
not  succeeded  in  tracing  the  date,  as  the  publication  was  apparently  not 
advertized.  The  title-page  is  as  follows:  "The  |  Massacre  |  of  Paris:  |  A 
Tragedy.  |  As  it  is  Acted  at  the  |  Theatre  Eoyal  |  By  Their  |  Majesties 
Servants.  |  Written  by  Nat.  Lee,  Gent.  |  London,  \  Printed  for  R.  Bentley 
and  M.  Magnes  at  the  Post-House  |  in  Bussd-street  in  Covent- Garden, 
1690.|" 

The  cast  comprised  Mountfort  (Charles  IX),  Williams  (Guise)  Ky- 
naston  (Cardinal  of  Lorraine),  Pruet  (Anjou),  Harris  (Gondi),  Bowen 
(Lignoroles),  Betterton  (Admiral),  Freeman  (Cavagnes),  Alexander  (Langoi- 
ran),  Bowman  (Genius),  Jorden  (Antramont),  Mrs.  Betterton  (the  Queen 
Mother),  Mrs.  Barry  (Marguerite),  and  Mrs.  Knight  (the  Queen  of  Na- 
varre). There  are  no  stage  directions  as  to  any  music,  but  it  appears 
from  'Orpheus  Britannicus'  that  the  five  lines  allotted  to  the  Genius, 
beginning  "Thy  Genius  lo!  from  his  sweet  bed  of  rest"  were  usung  in 
the  Play  call'd,  'The  Massacre  of  Paris'."  No  singer's  name  is  given 
in  'Orpheus  Britannicus'  (in  which  PurceH's  setting  of  the  scene  first 
appeared)  but  the  music  is  written  for  a  bass  voice  and  it  appears  from 
the  cast  that  the  singer  was  Bowman.  It  is  a  singular  fact,  attention 
to  which  has  never  been  previously  drawn,  that  there  exists  a  second 
and  entirely  different  setting,  also  by  Purcell,  written  for  a  soprano. 
This  occurs  in  an  early  edition  engraved  by  Cross,  from  which  it  seems 
that  the  singer  was  'the  Bo/,  i.  e.  Jemmy  Bowen.  This  setting  must 
have  been  written  for  a  revival  in  which  young  Bowen  took  the  part  filled 
by  Bowman  at  the  original  production. 

The  Mock  Marriage. 

This  play,  by  an  obscure  dramatist  named  Thomas  Scott,  called  by 
GUdon1)  'a  young  fellow  of  the  Town,  a  Retainer,  and  kind  of  Pensio- 
ner to  the  Stage',  was  first  played  at  the  Dorset  Garden  Theatre  in  the 
autumn  of  1695.  Its  recent  production  is  referred  to  in  a  letter2)  from 
John  Dennis,  the  critic,  to  Walter  Moyle,  dated  26  Oct.  1695,  and  its 
publication  was  advertized  in  the  London  Gazette  for  10 — 14  of  the 
same  month  and  year.  The  title-page  is  as  follows:  "The  |  Mock-Mar- 
riage. |  A  |  Comedy,  |  Acted  |  At  the  Theatre  in  Dorset  \  Garden,  |  By 
His  Majesty's  Servants.  |  Written  by  Mr.  Scott.  \  Et  Augusto  recitantes 
mense  Poetas.  |  Juv.  Sat.  3.  |  London,  |  Printed  for  H.  Rhodes,  in  Fleet- 
street;  J.Harris,  in  the  Poidtry;  and  S.  Briscoe,  in  Bussd-street,  the  Corner 

1)  'A  Comparison  between  the  Two  Stages'.    1702.  p.  28. 

2)  Dennis,  'Letters  upon  Several  Occasions1.    1696. 

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540  "W".  Barclay  Squire,  PurcelVs  Dramatic  Music. 

of  |  Charles-street,   Covent-Qarden.  1696.  |  Advertisement     She  Ventures, 
and  He  Wins:  A  New  Comedy.   Written  by  |  a  Young  Lady.  ;r 

The  play  was  a  failure,  though  the  author  says  in  his  preface  that 
it  was  not  designed  for  the  stage,  and  succeeded  above  his  expectations. 
The  lengthy  cast  included  Disney  iLord  Goodland),  Horden  (Fairly),  Pow- 
ell (Willmot),  Verbruggen  (Belfonti,  Johnson  (Sir  Simon  Barber),  Lee 
(Sir  Arthur  Stately),  Bullock  (Landlady),  Mrs.  Knight  (Lady  Barter,, 
Mrs.  Rogers  (Marina),  Mrs.  Verbruggen  (Clarinda),  Mrs.  Finch  (Flavia), 
Mrs.  Newman  (Betty),  Mrs.  Clark  (Alice),  Mrs.  Powell  (Quaker),  and 
Mrs.  Urwin  (Daughter).  In  Act  II  there  occurs  a  song,  uO  how  you 
protest  and  solemnly  lye',  which  was  sung  by  Mrs.  Knight.  It  was  print- 
ed in  Book  HE  of  'Deliciae  Musicae'  (1696)  with  no  composer's  name, 
but  in  an  early  18th  MS.  in  the  Music  School  Collection  at  Oxford 
(Bodl.  MS.  26896)  it  is  described  as  'set  by  Mr.  Henry  PurcelT.  In 
the  following  Act  there  is  also  a  song  *Twas  within  a  Furlong  of  Edin- 
burgh Town',  the  words  of  which  are  by  D'Urfey.  The  music  of  this 
is  also  printed  (without  heading,  name  of  composer  or  singer)  in  'Deli- 
ciae  Musicae'  and  the  words  are  in  'Pills  to  Purge  Melancholy'  and  other 
similar  collections.  A  single  sheet  edition  of  it,  however,  which  is  pro- 
bably nearly  contemporary  with  the  production  of  the  play,  entitles  it 
UA  Scotch  Song,  Sung  by  the  Girl,  in  the  Mock  Marriage,  set  by 
Mr.  Henry  Purcell,  and  sold  at  most  Musick  Shops  in  town".  'The  Girl' 
was  probably  Miss  Cross.  Besides  these  two  songs,  the  composition  of 
which  can  only  be  doubtfully  ascribed  to  Purcell,  in  the  fourth  Act  there 
occurs  'A  Roundelau  by  Mr.  Motteux'  beginning  "Man  is  for  the  wo- 
man made".  The  music  of  this,  'Sung  by  Miss  Cross.  Set  by  Mr.  Hen- 
ry PurcelT  is  in  'Deliciae  Musicae'  (Book  HI),  immediately  following  the 
other  two  songs.  It  may  be  mentioned  that  the  Prologue  was  spoken 
by  Miss  Cross  and  the  Epilogue  by  Mrs.  Knight. 

Oedipus. 

This  tragedy,  the  joint  work  of  Dryden  and  Lee,  was  first  played 
early  in  the  season  of  1678.  Downes  says  that  the  first  two  Acts  were 
by  Dryden  and  the  rest  by  Lee,  but  in  a  copy  of  the  second  (1682)  edi- 
tion preserved  in  the  British  Museum,  which  belonged  in  1684  to  one 
H.  Jefferson,  a  manuscript  note  by  the  owner  states  that  the  first  and 
third  acts  were  written  by  Dryden  and  the  other  three  by  his  collaborator. 
Moreover,  Dryden  himself,  in  the  'Vindication  of  the  Duke  of  Guise' 
(1683)  says:  UI  writ  the  first  and  third  acts  of  'Oedipus'  and  drew  the 
scenery  of  the  whole  play".  The  title-page  of  the  first  edition  is  as 
follows:  "Oedipus  |  A  |  Tragedy.  |  As  it  is  Acted  at  His  |  Royal  Highness) 
the  Duke's  Theatre.  |  The  Authors  |  Mr.  Dryden,  and  Mr.  Lee.  \  Hi  pro- 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  541 

prium  decus  dkpartum  indignantur  honorem  \  Ni  teneant  —  Virgil.  |  Vos 
exemplaria  Graeca,  \  Nocturna  versate  manu,  versaie  diurna.  Horat.  |  Li- 
cenced, Jan.  3.  1678/9.  Roger  V Estrange.  \  London,  |  Printed  for 
R.  Bentley  and  M.  Magnes  in  Russelrstreet  |  in  Covent  Garden.  1679.  •" 
The  cast  comprised  Betterton  (Oedipus),  Smith  (Adrastus),  Samford 
(Creon),  Harris  (Tiresias),  Crosby  (Hoemon),  Williams  (Alcander  and  Ghost 
of  Laius),  Norris  (Diodes),  Bowman  (Pyracmon),  Gillo  (Phorbas),  Mrs. 
Betterton  (Jocasta),  Mrs.  Lee  (Eurydice)  and  Mrs.  Evans  (Mareto).  Later 
editions  of  the  work  (probably  representing  revivals  of  the  play)  are  dat- 
ed 1682,  1687,  1692,  1696,  &c.  They  are  in  nearly  every  respect  re- 
prints of  the  first  edition,  with  the  omission  of  the  License  and  the  name 
of  Magnes  from  the  publishers'  firm  and  the  addition  of  the  number  of 
the  edition.  The  work  requires  a  good  deal  of  music.  In  Act  I  the 
curtain  rises  'to  a  plaintive  tune';  in  Act  II  there  is  a  Song  to  Apollo, 
'Phoebus,  God  Beloved  of  men'  and  in  Act  HE  there  is  an  important 
Incantation  scene,  which  is  directed  'to  be  set  through'.  Of  the  latter 
a  complete  setting  by  Purcell  exists,  and  a  song  from  it,  'Hear  ye  sullen 
Pow'rs'  was  first  printed  in  the  second  book  of  'Orpheus  Britannicus'. 
No  setting  seems  to  exist  of  the  song  in  Act  H  and  no  trace  of  any 
music  by  any  other  composer  than  Purcell.  From  this  it  might  be  con- 
cluded that  the  music  of  the  Incantation  Scene  which  has  survived  was 
written  for  the  original  production.  But  against  this  must  be  set  Downes' 
statement  (so  far  as  it  is  worth)  that  'Theodosius'  —  produced  in  1680 
—  was  the  first  play  for  which  Purcell  wrote  music,  and  also  the  pas- 
sage in  Dryden's  preface  to  'Amphitryon7  to  the  effect  that  in  Purcell 
uwe  have  at  length  found  an  Englishman  equal  with  the  best  abroad.  .  . 
At  least,  my  opinion  of  him  has  been  such,  since  his  happy  and  judi- 
cious performances  in  the  late  opera  [Dioclesian],  and  the  experience  I 
have  had  of  him,  in  the  setting  my  three  songs  for  this  'Amphitryon'". 
If  Purceirs  music  had  been  connected  with  'Oedipus'  in  1678,  Dryden 
would  hardly  have  written  in  these  terms  of  him  in  'Amphitryon',  which 
was  not  produced  until  1690.  Moreover  the  'Oedipus'  music  is  remark- 
ably fine,  and  shows  no  signs  of  youthful  immaturity,  so  that  it  may 
be  safely  concluded  that  the  original  music  to  the  play  has  disappeared, 
and  that  PurcelPs  setting  was  used  for  some  revival  later  than  1690, 
probably  for  that  in  1692,  indicated  by  the  issue  of  a  new  edition  of 
the  play  in  that  year.  It  may  be  added  that  Burney  distinctly  states 
that  the  Incantation  Scene  was  written  for  a  revival  of  'Oedipus'  in  1692. 

The  old  Bachelor. 

The  exact  date  of  the  production  of  Congreve's  'Old  Bachelor'  is  not 
certainly  known,  but  it  is  generally  said  to  have  taken  place  in  Janu- 


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542  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

ary,  1692—93.  This  is  confirmed  by  a  passage  in  the  'Gentleman's 
Journal'  for  the  following  month,  in  which  Motteux  tells  his  readers  that 
"the  success  of  Mr.  Congreve's  Old  Bachelor  has  been  so  extraordinary 
that  I  can  tell  you  nothing  new  of  that  Comedy;  you  have  doubtless 
read  it  before  this,  since  it  has  been  already  printed  thrice".  The  third 
edition  was  advertized  in  the  London  Gazette  for  23 — 27  March.  1693, 
but  I  have  not  discovered  any  announcement  of  its  predecessors,  nor  does 
the  British  Museum  Library  possess  either  of  the  earlier  editions.  The 
title-page  of  the  first  issue  (from  a  copy  in  my  own  possession)  is  as  fol- 
lows "The  |  Old  Bachelour,  |  A  |  Comedy.  |  As  it  is  Acted  at  the  |  Theatre 
Royal,  |  By  |  Their  Majesties  Servants.  |  Written  by  Mr.  Congreve.  \  Quern 
tulit  ad  Scmam  ventoso  gloria  Curru,  \  Exanimat  lentus  Spectator;  seduhis 
infiat  |  Sic  leve,  sic  parvum  est,  animum  quod  laudis  avarum  \  Submit, 
out  reficit  |  Horat.  Epist.  I  Lib.  IT.  |  London,  Printed  for  Peter  Buck7 
at  the  Sign  of  the  Temple  |  near  the  Liner  Temple-  Gate  in  Fleet-streett 
1693."| 

The  cast  included  Betterton  (Heartwell),  Powell  (Bellmour),  Williams 
(Vainlove),  Alexander  (Sharper),  Bowen  (Sir  Joseph  Wittol),  Haines  (Capt. 
Bluffe),  Dogget  (Fondlewife),  Underhill  (Setter),  Mrs.  Bracegirdle  (Ara- 
minta),  Mrs.  Mountfort  (Belinda),  Mrs.  Barry  (Letitia),  Mrs.  Bowman 
(Silvia),  and  Mrs.  Leigh  (Lucy).  Besides  writing  for  the  play  an  Over- 
ture and  6  Act  Tunes  (which  are  printed  in  *  Ay  res  for  the  Theatre"), 
Purcell  contributed  two  vocal  numbers.  The  first  is  a  song  'Thus  to  a 
ripe,  consenting  maid',  in  Act  II,  which  is  printed  in  Joyful  Cuckoldom* 
and  the  second  is  a  Two-Part  Song,  'As  Amoret  and  Thyrsis  lay',  in 
Act  III,  which  appears  in  Book  II  of  'Orpheus  Britannicus'.  In  neither 
case  are  the  names  of  any  singers  given.  In  Act  III  [there  is  also  a 
'Dance  of  Anticks',  the  music  for  which  was  doubtless  one  of  the  tunes 
printed  in  'Ayres  for  the  Theatre'. 

Oroonoko. 

This  play,  by  T.  Southern  e,  was  produced  in  the  early  winter  of  1695. 
Its  publication  is  advertized  in  the  'Post  Boy'  for  Dec.  16.  as  on  that  day. 
The  plot  is  founded  on  a  story  by  Mrs.  Aphra  Behn,  and  Gildon1)  says 
that  "it  had  indeed  uncommon  success,  and  the  Quality  of  both  sexes  were 
very  kind  to  the  Play,  and  to  the  Poet".  As  the  production  took  place 
after  the  secession  to  Lincoln's  Inn  Fields,  it  is  not  surprising  to  find 
that  the  cast  was  not  very  remarkable.  It  consisted  of  Verbruggen 
(Oroonoko),  Powell  (Aboan),  Williams  (Governor),  Harland  (Blanford), 
Horden  (Stanmore),  Mills  (Jack  Stanmore),  Johnson  (Driver),  Michael  Lee 
(Daniel),  Simpson  (Hottman),  Mrs.  Rogers  (Imorinda),  Mrs.  Knight  (Widow 

1)  'Comparison  between  the  Two  Stages'.    1702.  p.  30. 

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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  543 

Lackitt),  Mrs.  Verbruggen  (Charlotte  Welldon),  and  Mrs.  Lucas  (Lucia  Well- 
don).  The  title-page  of  the  first  edition  reads  as  follows:  —  "Oroonoko:  |  A  | 
Tragedy  |  As  it  is  Acted  at  the  |  Theatre-Royal,  |  By  His  Majesty's  Ser- 
vants. |  Written  by  Tho.  Southerns  \  Quo  fata  trahunt,  virtus  secura 
sequetur.  Lucan.  |  Virtus  recludens  immeritis  mori  \  Codum,  negata 
tentat  iter  via,  Hor.  Od.  2.  Lib.  3.  |  London.  |  Printed  for  H.  Playford 
in  the  Temple- Change,  B.  Tooke  j  at  the  Middle- Temple  Gate.  And 
S.  Buckley  at  the  |  Dolphin  against  St.  Dunstan's  Churchy  in  Fleet- 
street.  |  MDCXCVI.  |" 

Some  instrumental  music  to  the  play,  by  Paisible,  exists  in  a  MS.  in 
the  Library  of  the  Royal  College  of  Music.  The  vocal  numbers  are 
confined  to  the  third  scene  of  Act  II,  in  which  slaves  sing  the  following 
songs:  (1)  'A  Lass  there  lives  upon  the  Green';  described  as  'A  Song 
(By  an  unknown  hand.)  Sett  by  Mr.  CourteviU,  and  sung  by  the  Boy 
to  Miss  Cross".  (2)  'Bright  Cynthia's  Pow'r'  —  'A  Song,  by  Mr.  Cheek. 
Sett  by  Mr.  Courtevill,  and  sung  by  Mr.  Leveridge\  The  music  of 
both  of  these  songs  is  printed  in  Book  IV  of  'Deliciae  Musicae'  (1696), 
together  with  a  third  number,  'Celemene,  pray  tell  me',  entitled:  'A 
Dialogue  Sung  in  Oroonoko,  by  the  Boy  and  Girl.  Sett  by  Mr.  Henry 
FurceW.  The  words  of  this  are  by  D'Urfey,  and  are  printed  in  his 
'Songs  Compleat'  (1719)  as  'A  new  Dialogue:  Set  by  Mr.  Henry  Purcell, 
Sung  by  a  Boy  and  Girl  at  the  Play-House'.  An  early  manuscript  copy 
of  the  dialogue  exists  in  the  British  Museum  (Ad.  MS.  31,448),  from 
which  we  learn  that  the  Boy  and  Girl  were  Jemmy  Bowen  and  Miss 
Cross.  There  is  however  a  difficulty  about  this  duet.  An  early  engraved 
copy  of  it,  dating  certainly  before  1704,  exists  in  the  Museum  and  other 
collections  with  the  heading:  'A  Dialogue  in  the  Second  Part  of  the 
Conquest  of  Granada.  The  words  by  Mr.  Tho.  D'Urfey.  Set  by  Mr. 
Henry  Purcell.  Sung  by  the  Boy  and  Girl  and  exactly  engrav'd  by  Tho. 
Cross'.  Dryden's  'Conquest  of  Granada'  was  first  printed  in  1672,  and 
editions  of  it  exist  dated  1673,  1678,  1687,  and  1695,  in  none  of  which, 
however,  'Celemene,  pray  tell  me'  is  found.  If,  however,  the  date  1695 
represents  that  of  a  revival  of  the  play,  it  is  possible  that  young  Bowen 
and  Miss  Cross  may  have  sung  in  it  then,  and  introduced  Purcell  and 
D'Urfey's  Dialogue  instead  of  the  'Song  in  two  Parts'  in  Act  IV,  the 
original  music  to  which,  by  N.  Staggins,  is  printed  in  'Choice  Ayres' 
(1673).  'Oroonoko'  must  have  been  produced  either  immediately  before 
or  very  shortly  after  the  date  of  PurcelTs  death;  on  the  title-page  of  the 
fourth  book  of  'Deliciae  Musicae'  he  is  styled  'the  Late  Famous  Mr. 
Henry  PurceW.  The  probability  seems  to  be  that  sometimes  in  1695 
'Celemene,  pray  tell  me'  was  sung  by  Bowen  and  Miss  Cross  in  both 
plays,  and  it  is  not  possible   to  say  to  which    should  be  assigned  the 


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544  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

priority.  Any  way,  if  'The  Conquest  of  Granada'  is  to  figure  in  lists 
of  plays  for  which  Purcell  wrote  music,  'Oroonoko'  must  be  omitted,  and 
vice  versa.  In  'Orpheus  Britannicus',  as  in  'Deliciae  Musicae',  the  dialogue 
is  given  as  from  'Oroonoko',  and  I  have,  therefore,  thought  it  better  to 
accept  these  headings  in  preference  to  that  of  Cross's  single  sheet. 

Pausanias. 

According  to  Baker  this  play  was  written  by  one  Norton,  of  whom 
nothing  seems  to  be  known.  It  was  probably  produced  either  late  in 
1695  or  early  in  1696,  but  I  have  not  been  able  to  find  any  advertisement 
of  its  publication.  It  was  printed  with  a  dedication  by  Thomas  Southerne 
to  Anthony  Henley;  the  title-page  is  as  follows:  — 

"Pausanias  |  The  |  Betrayer  |  of  his  |  Country.  |  A  |  Tragedy,  |  Acted 
at  the  |  Theatre  Royal,  j  By  His  Majesties  Servants.  |  Written  by  a  Person 
of  Quality.  |  London,  I  Printed  for  Abel  Roper,  E.  Wilkinson,  and  Roger 
Clavett  |  in  Fleetstreet.  1696.  "  The  cast  included  Verbruggen  (Pausa- 
nias), Cibber  (Artabazes),  Pinkethman  (Polaemon),  Horden  (Lysander), 
Mrs.  Rogers  (Ancilthea),  Mrs.  Knight  (Pandora),  and  Mrs.  Lucas  (Maw- 
kino).  The  music  consists  of  two  vocal  numbers  in  Act  HI  and  a  Sacri- 
fice Scene  in  Act  V.  The  last  was  set  by  Daniel  Purcell,  and  is  pre- 
served in  a  Manuscript  at  St.  Michael's  College,  Tenbury.  "Sweeter  than 
roses,  or  cool  Evening's  breeze",  the  first  song,  is  printed  as  'A  Single 
Song'  in  Vol.  I  of  'Orpheus  Britannicus'.  The  Dialogue  which  follows 
it,  4My  dearest,  my  fairest',  apparently  did  not  see  the  light  until  the 
issue  of  Walsh's  'Orpheus  Britannicus'  (a  different  publication  to  that  by 
H.  Playford  with  the  same  name),  where  it  is  given  as  A  Dialogue 
between  Mr.  Cooke  and  Mrs.  Hudgson',  set  by  Henry  Purcell.  Both 
numbers  must  be  ranked  among  the  composer's  latest  compositions. 

Regains. 

This  play,  by  John  Crowne,  though  not  published  until  1694  *),  was 
acted  in  the  spring  of  1692.  Motteux  alludes  to  it  more  than  once  in 
the  'Gentleman's  Journal'.  In  the  number  for  May,  1692  he  says:  uWe 
are  promised  Mr.  Crown's  Regulus,  before  the  Long  Vacation",  and  in 
the  next  number  there  is  the  following  passage  about  the  play:  "Regulus, 
with  the  Factions  of  Carthage,  by  Mr.  Crown,  was  acted  the  last  week; 
that  tragedy  is  intermixed  with  a  vein  of  Comedy  You  have  seen  his 
works  in  both.  Terence  tells  us,  Dubiam  fortunatam  esse  scenicam;  and 
if  that  great  Author  had  occasion  to  complain,   those  of  our  Age  may 

1}  I  suspect  that  the  date  1694  on  the  title-page  of  the  first  edition  is  a  misprint 
for  1692,  as  in  the  April  'Gentleman's  Journal'  for  1692  Motteux  says  the  play  was 
in  the  press. 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  545 

well  comfort  themselves  if  the  Town  deceives  their  expectation".  The 
cast  included  Betterton  (Regulus),  Kynaston  (Metellus),  Mountfort  (Asdru- 
bal),  Leigh  (Gisgon),  Underbill  (Hiarbas),  Dogget  (Batto),  Sandford  (Hamil- 
car),  Williams  (Xantippus)  and  Mrs.  Barry  (Fulvia);  the  title-page  of  the 
first  edition  is  as  follows:  "Regulus:  |  A  |  Tragedy.  |  As  it  is  Acted  by 
Their  |  Majesties  Servants.  |  Written  by  Mr.  Orown.  \  London,  |  Printed 
for  James  Fnapton,  at  the  Crown  in  St.  Patd's-Church-yard,  1694.  | 
Advertisement  |"  —  etc. 

Two  vocal  numbers  occur  in  the  play.  Of  the  second,  a  Chorus  in 
Act  IV,  'Down  with  your  sprightly  wine'  no  setting  seems  to  have  sur- 
vived. The  first  is  a  song  in  Act  II  'Ah  me!  to  many  deaths  decreed'. 
It  first  appeared  in  the  August  number  of  the  'Gentleman's  Journal'  for 
1692.  Crowne's  name  is  given  as  the  author  of  the  words,  but  nothing 
is  said  as  to  its  being  from  'Regulus'  and  the  same  omission  is  made  in 
Book  I  of  'Orpheus  Britannicus',  in  which  it  is  reprinted.  But  Motteux 
fortunately  has  preserved  the  name  of  the  singer  in  the  following  pas- 
sage: "The  first  of  the  three  songs  which  I  send  you  is  set  by  Mr. 
Purcell  the  Italian  way;  had  you  heard  it  sung  by  Mrs.  Ayliff  you 
would  have  own'd  that  there  is  no  pleasure  like  that  which  good  Notes, 
when  so  divinely  sung,  can  create". 

The  Richmond  Heiress. 

This  Comedy  of  D'Urfey's  was  produced  in  the  spring  of  1693.  In 
the  April  number  of  the  'Gentleman's  Journal'  Motteux  says  it  had  been 
brought  out  'since  my  last',  and  its  publication  was  announced  in  the 
London  Gazette  for  15—18  May.  The  title-page  is  as  follows:  ttThe  |  Rich- 
mond Heiress:  |  or,  a  |  Woman  Once  in  the  Right.  |  A  Comedy,  |  Acted  |  at 
the  Theatre  Royal,  |  By  Their  Majesties  Servants.  |  Written  by  Tho. 
D'Urfey,  Gent.  |  London,  |  Printed  for  Samuel  Briscoe,  over- against 
WUPs  Coffee-House  |  in  Covent- Garden.  1693."  |  It  was  acted  by  Freeman 
(Sir  Charles  Romance),  Bright  (Sir  Quibble  Quere),  Powell  (Tom  Romance), 
Sandford  (Dr.  Guiacum),  Williams  (Frederick),  Bowman  (Rice  ap  Shinkin), 
Underhill  (Dick  Stockjobb),  Hudson  (Hotspur),  Dogget  (Quickwit),  Bowen 
(Cunnington),  Mrs.  Bracegirdle  (Fulvia),  Mrs.  Barry  (Sophronia),  Mrs. 
Bowman  (Mrs.  Stockjobb),  Mrs.  Knight  (Madam  Squeamish)  and  Mrs. 
Lee  (Marmatella).  The  dedication  is  dated  6  May  1693.  The  words  of 
three  of  the  vocal  numbers  are  printed  at  the  beginning  of  the  play, 
which  required  a  good  deal  of  music. 

Act  II.  (1)  How  vile  are  the  sordid  intrigues  of  the  town'.  This  was 
introduced  from  'The  Marriage-Hater  Match'd',  under  which  heading  it 
has  been  already  discussed. 

(2)  'Behold  the  man  that  with  gigantick  might'.    This  is  'A  Song  in 


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546  W.  Barclay  Squire,  Puroell's  Dramatic  Music. 

parts,  between  a  mad  Man,  and  a  mad  Woman'.  The  music,  by  Purcell, 
is  printed  in  'Orpheus  Britannicus',  Vol.  I,  'Sung  by  Mr.  Beading  and 
Mrs.  AylifP.  Later  editions  (in  Walsh's  'Orpheus  Britannicus'  and  other 
copies)  give  the  names  of  singers  as  'Mr.  Leveridge  and  Mrs.  Lynsey'. 

(3)  A  Dialogue  between  Fulvia  and  Quickwit,  beginning  'By  those 
Pigsnies  that  stars  do  seem'.  It  was  set  by  John  Eccles,  and  is  printed 
in  'Joyful  Ouckoldom'  'Sung  by  Mr.  Dogget  and  Mrs.  Bracegirdle',  'Set 
by  Mr.  John  Eccles,  and  corrected  by  him',  engraved  by  Thos.  Cross 
and  dated  1693. 

Act  IV.  'A  Catch  in  Three  Parts  in  praise  of  Punch'.  No  words 
are  given,  but  I  suspect  that  this  was  the  catch  by  Purcell,  'Bring  the 
bowl  and  cool  Nantz',  the  earliest  edition  of  which  occurs  in  'Joyful 
Cuckoldom'. 

'Shinken's  Song  to  the  Harp',  'Of  noble  race  was  Shinken'.  The  exact 
place  where  this  was  introduced  is  not  given,  but  it  is  stated  that  it 
occurred  in  this  Act.  The  song  is  generally  considered  a  genuine  Welsh 
tune  and  it  is  printed,  without  any  composer's  name,  in  Book  I  of  'The- 
saurus Musicus'  (1693). 

In  the  last  Act  there  is  a  song  'All  Europe  is  now  in  confusion',  the 
words  of  which  are  only  printed  at  the  beginning  of  the  play.  Of  this  I 
have  found  no  musical  setting.  In  Vol.  I  of  'The  Merry  Musician'  (1716 
ed.)  there  is  a  song  'Maiden  fresh  as  a  Rose',  stated  to  have  been  sung 
by  Mr.  Pack  in  this  play.  This  was  probably  introduced  at  a  later  date. 
The  tune  of  the  song  is  that  known  as  'A  Trip  to  Marrow  bone'. 

The  Rival  Sisters. 

This  Tragedy  was  written  by  Robert  Gould,  and  produced  in  the 
autum  of  1695.  Its  publication  is  advertized  in  the  'London  Gazette'  for 
7 — 11  Nov.  1695,  and  it  was  acted  by  Disney  (Vilarezo),  Verbruggen 
(Sebastian),  Powell,  Junior  (Antonio),  Williams  (Alonzo),  Horden  (Vilan- 
der),  Johnson  (Gerardo),  Thomas  Kent  (Diego),  Mrs.  Knight  (Catalina), 
Mrs.  Rogers  (Berinthia),  Miss  Cross  (Alphanta),  Mrs.  Verbruggen  (An- 
silva),  Mrs.  Seagrove  (Julia)  and  Mrs.  Newman  (Clara).  The  title-page  is 
as  follows:  —  "The  |  Rival  Sisters :  |  or,  |  The  Violence  of  Love,  |  A  |  Tra- 
gedy. |  As  it  is  Acted  at  the  |  Theatre-Royal  |  By  |  His  Majesty's  Ser- 
vants. |  Written  by  Mr.  Gould.  \  London,  |  Printed  for  Richard  Bentiy  in 
Russet-Street,  Covent- Garden;  Francis  \  Saunders  in  the  New  Exchange; 
and  James  Knapton  at  the  |  Orown  in  St.  Pauls  Church-yard.    1696. n  I 

In  the  British  Museum  (Ad.  MS.  35043)  there  is  an  instrumental 
March  from  the  play,  and  the  Royal  College  of  Music  Library  contains 
the  1st  Violin  and  Figured  Bass  parts  of  an  Overture  and  eight  Act  Tunes 
stated  to  be  by  'Mr.  Purcell';  in  the  same  Library  there  is  a  complete 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  547 

copy  of  the  Overture  only,  but  with  the  name  of  'Bidgly'  as  that  of  the 
composer.  If  this  music  is  by  Henry  Purcell,  and  it  does  not  seem  un- 
worthy of  his  pen,  it  must  be  one  of  his  latest  compositions.  The  songs 
are  as  follows:  — 

Act  I.  'Not  though  I  know  he  fondly  lies'.  Of  this  no  setting  has 
survived. 

Act  II.  (1)  'Caelia  has  a  thousand  charms9.  This  is  printed,  with 
music  by  Purcell,  in  Book  HI  of  'Deliciae  Musicae'  (1696).  It  also  occurs 
in  Book  I  of  'Orpheus  Britannicus',  and  there  is  an  engraved  edition  of 
it  (by  Walsh)  stating  that  it  was  'Sung  by  the  Boy\  The  version  in 
4Deliciae  Musicae'  gives  his  name  —  'Sung  by  Young  Bowen'. 

(2)  'An  Antick  by  Foresters  with  other  Dancing',  followed  by  a  'Dia- 
logue by  a  Shepherd  and  Shepherdess',  beginning  'To  me  y'ave  made  a 
thousand  vows'.  The  music  for  the  dances  was  doubtless  some  of  that 
preserved  in  the  Royal  College  Manuscripts.  The  Dialogue  was  set  by 
Dr.  Blow,  and  is  printed  in  his  'Amphion  Anglicus'  (1700). 

Act  III.  'Fair,  and  soft,  and  gay  and  young'.  Settings  of  these 
words  are  frequently  found  in  collections  of  the  first  half  of  the  18th 
century  but  no  composers  names  are  given  and  they  are  all  probably  of 
later  date  than  the  production  of  the  play. 

Act  IV.  'Take  not  a  woman's  anger  ill'.  This  song,  by  Purcell, 
'Sung  by  Mr.  Leaverige'  is  printed  in  Book  HI  of  'Deliciae  Musicae'. 

In  addition  to  the  above,  the  last-named  collection  contains  a  song 
which  is  not  given  in  the  printed  editions  of  the  play.  This  is  'How 
happy  is  she'  'A  Song  in  the  Rival-Sisters,  Set  by  Mr.  Henry  Purcell. 
Sung  by  Miss  Cross1.  It  may  possibly  have  been  introduced  instead 
of  one  of  the  songs  of  which  no  contemporary  setting  exists. 

Rule  a  Wife  and  Have  a  Wife. 

According  to  Downes,  after  the  union  of  the  King's  and  the  Duke's 
companies  (in  1682),  "the  mixt  Company  ....  Beviv'd  the  several  old 
and  modern  Plays  that  were  the  Propriety  of  Mr.  KilUgrew,  as,  Rule  a 
Wife,  and  have  a  Wife:  Mr.  Betterton  acting  Michael  Per  ex:  Don  Leon, 
Mr.  Smith:  Cazafogo,  Mr.  Cartwright:  Margaretta,  Mrs.  Barry:  Esti- 
pkonia,  Mrs.  Cook?,  &c.  The  play,  by  John  Fletcher,  was  originally 
printed  in  1640,  and  it  is  not  possible  to  fix  exactly  the  date  of  the 
revival,  or  revivals,  alluded  to  by  Downes.  There  are  no  songs  in  the 
original,  but  the  'Gentleman's  Journal'  for  April,  1694,  contains  a  Song, 
'There's  not  a  Swain',  entitled  'A  Song,  the  Notes  by  Mr.  Henry 
Purcell.  The  Words  fitted  to  the  Tune  by  N.  Henley,  Esq',  and  the 
voice  part  is  given  in  'Joyful  Cuckoldom'  with  the  statement  that  it  is 
'A  Song  in  the  Play  call'd  Rule  a  Wife,  and  Have  a  Wife.     Set  by 


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548  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

Mr.  H.  PurceU.  Sung  by  Mrs.  Hudson'.  From  these  two  versions  it 
may  be  concluded  that  the  song  dates  from  the  end  of  1693,  and  was 
probably  introduced  into  a  revival  of  the  play  about  that  date. 

Sir  Antony  Love. 

This  Comedy  was  written  by  Thomas  Southerne,  and  was  produced 
at  the  Theatre  Royal  towards  the  end  of  1690.  The  first  edition, 
advertized  in  the  'London  Gazette'  for  19 — 22  December,  bears  the 
following  title:  —  "Sir  Anthony  Love:  |  or,  |  The  Rambling  Lady.  |  A  | 
Comedy.  |  As  it  is  Acted  at  the  Theatre  Royal  by  |  Their  Majesties  Ser- 
vants. |  Written  by  Thos.  Southerne.  \  Artis  several  si  quis  amat  effectus, 
Mentemque  magnis  applicat,  —  |  —  det  primos  versibus  an?ws,  \  Maeo- 
niumque  bibat  foelici  peetora  fontem.  |  Petro.  Arb.  Satyr,  pag.  3.  !  London: ; 
Printed  for  Joseph  Fox  at  the  Seven  Stars  in  Westminster-  \  Hall,  and 
Abd  Roper  at  the  Mitre  near  Temple  Bar.  1691.  |  There  is  lately 
Published,  Distressed  Innocence:  Or,  the  Princess  \  of  Persia.  Written  by 
E.  Settle.  \n  The  actors  who  took  part  in  the  production  were  Mount- 
fort  (Valentine),  Williams  (Hford),  Bowen  (Sir  G-entle  Golding),  Anthony 
Leigh  (Abb6),  Hodgson  (Count  Canaile),  Sandford  (Count  Verole),  Powell 
Junior  (Palmer),  Bright  (Wait-well),  Kirkham  (Traffique),  Michael  Lee 
(Cortaut),  Cibber  (Servant  to  Sir  Gentle),  Thomas  Kent  (Servant  to 
Hford),  Mrs.  Mountfort  (Sir  Anthony  Love),  Mrs.  Butler  (Floriante),  Mrs. 
Bracegirdle  (Charlotte)  and  Mrs.  Knight  (Volante).  The  music  seems  to 
have  been  written  entirely  by  Purcell.  It  consists  of  an  Overture,  Pre- 
lude and  Song  'Pursuing  Beauty',  a  Dialogue  'No  more,  Sir,  no  more', 
a  Song  'In  vain  Clemene',  and  a  set  of  variations  on  a  ground,  pro- 
bably for  Violin  and  Bass.  All  these  are  preserved  in  a  manuscript  at 
St.  Michael's,  Tenbury.  The  words  of  the  vocal  numbers  are  printed  at 
the  end  of  the  play,  and  from  them  we  gather  that  'Pursuing  Beauty' 
was  sung  in  Act  II,  the  Dialogue  in  Act  IV,  and  'In  vain  Clemene',  the 
words  of  which  are  by  Major  General  Sackvile,  in  Act  V.  The  music 
of  the  Dialogue,  'Sung  by  Mr.  Bowman  and  Mrs.  Butler'  were  printed 
in  Book  HI  of  'Vinculum  Societatis,  or  the  Tie  of  Good  Company',  and 
'In  vain  Clemene'  appeared  in  the  sixth  Book  of  the  'Banquet  of  Musick', 
which  was  licensed  Feb.  17,  1691—2. 

Sir  Barnaby  Whigg. 

Genest  shows  from  internal  evidence  that  this  comedy  of  D'Urfey's 
could  not  have  been  produced  before  December,  1681.  The  London 
Gazettes  at  that  time  contain  no  advertisements  of  the  publication  of 
plays,  but  the  work  was  probably  issued  shortly  after;  the  title-page  of 
the  first  edition  reads  as  follows:  uSir  Barnaby  Whigg:  |  (Or,)  No  Wit 


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W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music.  549 

like  a  Womans.  |  A  |  Comedy.  |  As  it  is  |  Acted  by  their  Majesties  Ser- 
vants |  At  the  |  Theatre-Royal.  |  Written  by  Thomas  Durfey,  Gent  |  Qui- 
quid  agunt  homines ,  votum,  timer,  Ira,  voluptas,  \  Gaudia,  discursus 
?wstri  farrago  libetti  est  Juvenal.  |  London,  j  Printed  by  A.  G.  and  J.  P. 
for  Joseph  Hindmarsh,  |  at  the  Black  \  Bull  in  Cornhil.     1681.  \" 

The  actors  were  Clark  (Wilding),  Goodman  (Townly),  Jermaine  (Sir 
Walter  Wiseacre),  Griffin  (Captain  Porpuss),  Powell  (Sir  Barnaby  Whigg), 
Perm  (Benedick),  Cook  (Swift),  Mrs.  Corbet  (Gratiana),  Mrs.  Cook  (Livia), 
Mrs.  Moyle  (Millicent),  and  Mrs.  Percival  —  afterwards  successively  Mrs. 
Mountfort  and  Mrs.  Verbruggen  —  (Winifrid).  There  are  two  songs  in 
the  play,  besides  some  dances,  but  all  that  has  survived  is  a  setting  of 
"The  Storm",  a  song  in  the  first  act  which  begins  'Blow,  Boreas,  blow!' 
This  was  set  by  Purcell,  and  was  first  printed  in  "A  Third  Collection 
of  New  Songs,  Never  Printed  before.  The  Words  by  Mr.  D'Urfey,  Set 
to  Music  by  the  Best  Masters  in  that  Science  .  .  .  With  Thorow-Basses 
for  the  Theorbo,  and  Bass- Viol  London,  Printed  by  J.  P.  for  Joseph 
Hindmarsh  .  .  .  1685."  It  was  afterwards  included,  as  'A  Single  Song,' 
in  'Orpheus  Britannicus/  but  in  neither  work  is  there  any  allusion  to 
its  having  been  taken  from  Fletcher's  play.  Dr.  Burney  (History  of 
Music,  HI.  p.  494,)  says  that  "  'Blow,  Boreas,  blow,'  "was  in  great  favour 
during  my  youth,  among  the  early  admirers  of  Purcell;  but  this  seems 
now  more  superannuated  than  any  of  his  popular  songs." 

Sophonisba. 

Mr.  Sidney  Lee,  in  his  article  on  Nat.  Lee  in  Vol.  XXXII  of  the 
Dictionary  of  National  Biography,  states  that  for  this  tragedy  "Purcell 
wrote  the  earliest  music  prepared  by  him  for  the  stage."  The  statement 
is  difficult  of  proof,  and  rests  on  the  assumption  that  the  one  song  of 
Purcell's,  the  words  of  which  are  taken  from  the  play,  formed  part  of 
the  work  at  its  original  production  at  the  Theatre  Royal  in  1676.  The 
title-page  of  the  original  edition  is  as  follows:  —  "Sophonisba,  |  Or  | 
Hannibal's  Overthrow..  |  A  |  Tragedy,  |  Acted  at  the  |  Theatre-Royall, 
|  By  their  [  Majesties  Servants.  |  Written  by  Nathaniel  Lee,  Gent  |  Prae- 
cipitandus  est  liber  spiritus,  Petronius.  \  London.  \  Printed  for  J.  Magnes 
and  R.  Bentley  |  in  Russel-street  in  Covent-  Garden  near  |  the  Piazxa's, 
Anno  Domini,  MDCLXXVI  ;" 

Other  editions  were  issued  in  1685  and  1693,  probably  representing 
dates  when  the  play  was  revived.  The  cast  given  in  the  1676  edition 
comprises  Mohun  (Hannibal),  Watts  (Maherbal),  Harris  (Bomilcar), 
Kynaston  (Scipio),  Wintersel  (Lelius),  Hart  (Massinissa),  Clarke  (Massina), 
Mrs.  Cosh  (probably  Cox)  (Sophonisba)  and  Mrs.  Damport  (Rosalinda). 
In  the  1685  and  1693  editions  Burt  is  Maherbal,  Wintersel  or  Winter- 


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550  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

shal  —  Bomilcar,  Lydall  —  Lehus,  Mrs.  Cox  —  Sophonisba  and  Mrs. 
Boutell  —  Rosalinda.  The  following  additional  names  appear:  Watson 
(Varro),  Powell  (Trebellius),  Griffin  (Menander),  Mrs.  Cory  (Oumana), 
and  Mrs.  Nep  (Aglave).  The  last-named  actress  is  Pepys's  Mrs.  Knipp, 
"the  most  excellent,  mad-humoured  thing,  and  sings  the  noblest  that 
ever  I  heard  in  my  life!"  The  part  of  Aglave  is  that  of  a  priestess, 
who  sings  a  few  lines  in  the  opening  scene  of  Act  IV.;  if  Mrs.  Knipp 
actually  appeared  in  it  so  late  as  either  1685  or  1693  she  must  have 
remained  on  the  stage  later  than  is  usually  supposed.  With  the  exception 
of  the  alterations  and  additions  noted,  the  casts  of  the  1685  and  1693 
editions  agree  with  that  of  1676. 

The  play  requires  a  good  deal  of  music.  In  Act  I  'soft  musick  is 
heard;'  in  Act  III  'Trumpets  sound  a  lofty  March'  and  in  Act  IV  the 
Sacrifice  Scene  includes  two  songs  'Beneath  the  Poplar's  shadow  lay  me' 
and  'Hark,  hark,  the  Drums  rattle,'  besides  a  Dance  of  Spirits.  But  of 
all  this  nothing  has  survived  except  a  setting  of  the  first  verses  of 
'Beneath  the  Poplar's  shadow,'  which  appears  as  'A  Mad  Song'  in  the 
second  book  of  'Orpheus  Britannicus,'  without  any  allusion  to  the  play 
from  which  the  words  are  derived.  If  the  song  was  written  for  the 
1676  production,  it  must  be  one  of  Purcell's  earliest  efforts,  and  it  is 
curious  that  the  unknown  editor  of  'Orpheus  Britannicus'  should  have 
selected  it  and  yet  have  passed  over  the  songs  from  'Theodosius,'  which 
date  from  1680.  But  the  style  of  the  music  certainly  seems  to  point  to 
its  having  been  written  at  a  later  date,  and  if  it  was  ever  used  in  the 
play,  it  seems  more  probable  that  it  dates  from  a  revival  in  1685  or 
1693. 

The  Spanish  Friar. 

This  was  one  of  Dryden's  most  successful  plays.  It  was  originally 
brought  out  at  the  Duke's  Theatre  in  1681,  and  Downes  chronicles  that 
'twas  Admirably  Acted,  and  produc'd  vast  Profit  to  the  Company.'  The 
Title-page  is  as  follows: 

"The  |  Spanish  |  Fryar  |  or,  |  The  Double  Discovery.  |  Acted  at  the 
Duke's  Theatre.  |  Vt  melius  possis  fattere,  sume  togam.  —  Ma.  |  —  Alterna 
revisens  \  Lusit,  et  in  solido  rursus  fortuna  locavit.  Vir.  |  Written  by 
John  Dryden,  Servant  to  |  His  Majesty.  |  London,  |  Printed  for  Richard 
Tonson  and  Jacob  Tonson,  at  Grays-  \  inn-gate,  in  Grays-inn-lane,  and 
at  the  Judge's-  \  Head,  in  Chancery-Lane,  1681. 1" 

A  second  edition  appeared  in  1686,  a  third  in  1690  and  a  fourth  in 
1695.  The  title-pages  contain  some  small  changes,  such  as  the  sub- 
stitution of  'Theatre-Royal'  for  'Duke's  Theatre,'  but  the  cast  in  all  is 
the  same.    It  consisted  of  Betterton  (Torrismond),  Williams  (Bertram), 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTa  Dramatic  Music.  551 

Wiltshire  (Alphonso),  Smith  (Lorenzo),  Gillow  (Raymond),  Underhill 
(Pedro),  Nokes  (Gomez),  Lee  (Dominic),  Mrs.  Barry  (Leonora)  and  Mrs. 
Betterton  (Elvira). 

The  strong  Protestant  spirit  of  the  play  caused  it  to  be  prohibited 
during  the  reign  of  Charles  II.  but  it  was  the  first  drama  which  Queen 
Mary  saw  after  her  accession,  and  it  is  recorded  in  a  letter  from  Lord 
Nottingham  (quoted  by  Malone  and  Sir  "Walter  Scott  in  their  editions 
of  Dryden's  Dramatic  Works)  that  "some  unhappy  expressions  [in  it] 
.  .  .  put  her  in  some  disorder,  and  forced  her  to  hold  up  her  fan,  and 
often  look  behind  her,  and  call  for  her  palatine  and  hood,  and  anything 
she  could  next  think  of;  while  those  who  were  in  the  pit  before  her, 
turned  their  heads  over  their  shoulders,  and  all  in  general  directed  their 
looks  toward  her,  whenever  their  fancy  led  them  to  make  any  application 
of  what  was  said."  4The  Spanish  Friar'  contains  two  situations  in  which 
music  is  required.  In  Act  I  there  is  a  Procession,  with  a  chorus  'Look 
down,  ye  bless'd  above,'  of  which  I  have  found  no  setting.  In  Act  V. 
a  song  occurs,  'Farewell,  ungrateful  traitor,'  the  words  of  which  are 
reprinted  in  'Wit  and  Drollery,'  a  collection  published  in  1682,  and 
again,  with  a  tune  by  Pack,  in  Vol.  IV  of  the  second  edition  of  'Pills 
to  Purge  Melancholy,'  (1709). 

PurcelTs  connection  with  the  play  consists  in  a  song  'Whilst  I  with 
grief,  which  appeared  first  in  Book  I  (1695)  of  'Deliciae  Musicae'  (licen- 
sed 3rd  April,  1695)  and  entitled  'A  Song  on  Mrs.  Bracegirdle's  Singing' 
(I  burn  &c.)  in  the  2nd  Part  of  Don-Quixote?  It  appears  with  the  same 
title  in  'Orpheus  Britannicus',  but  its  introduction  in  'The  Spanish  Friar 
is  proved  by  the  existence  of  an  early  single-sheet  edition,  in  which  it 
is  headed  'A  new  Song  Sung  in  the  Spanish  Friar,  set  by  Mr.  Henry 
Purcell  Engraven  for  I.  Walsh'.  The  allusion  to  Eccles'  song,  which 
occurs  in  the  second  part  of  Don  Quixote,  fixes  the  date  of  Purcell's 
'Whilst  I  with  grief  as  either  1694  or  early  in  1695. 

The  Tempest. 

According  to  Downes  there  was  played  in  1673  at  Dorset  Garden 
"The  Tempest,  (or)  the  Inchanted  Island,  made  into  an  Opera  by  Mr. 
ShadweU,  having  all  New  in  it;  as  Scenes,  Machines;  particularly,  one 
Scene  Painted  with  Myriads  of  Ariel  Spirits;  and  another  flying  away, 
with  a  Table  Furnish't  out  with  Fruits,  Sweet  meats  and  all  sorts  of 
Viands;  just  when  Duke  Trinado  and  his  Companions  were  going  to 
Dinner;  all  was  things  perform'd  in  it  so  Admirably  well,  that  not  any 
succeeding  Opera  got  more  Money".  Three  years  earlier  a  version  of 
Shakespeare's  play  by  Davenant  and  Dryden  had  been  published,  which 
Pepys  seems  to  have  seen  performed   on  7th  Nov.  1667.     This  was  re- 


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552  W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 

printed  with  considerable  alterations  in  1676  and  1690.  In  the  1670 
version  the  song  in  Act  n,  ' Arise,  ye,  subterranean  winds',  does  not 
occur,  but  it  is  to  be  found  in  those  of  1676  and  1690.  In  the 
latter  there  are  more  scenic  directions  than  in  the  former  and  the  first 
Act  opens  with  the  following  interesting  description  of  the  orchestra: 
"The  Front  of  the  Stage  is  open'd  and  the  Band  of  24  Violins,  with 
the  Harpsicals  and  Theorbo's  which  accompany  the  Voices,  are  plac'd 
between  the  Pit  and  the  Stage.  While  the  Overture  is  playing,  the 
Curtain  rises,  &c".  In  1670  the  Masque  of  the  later  editions  is  absent; 
Milcha,  a  female  spirit  in  love  with  Ariel,  appears  first  in  1676;  the  di- 
vision of  the  Acts  is  also  different,  and  the  lines  beginning:  'The  Powers 
above  may  pardon  or  reprieve',  which  Mr.  Saintsbury1)  considers  point 
to  the  alterations  in  the  two  editions  having  been  made  in  the  first  years 
of  James  II,  occur  in  the  1670  version  but  not  in  those  of  1676  and  1690. 
It  seems  almost  certain  that  these  changes  represent  the  alterations 
made  by  Shadwell  for  the  Dorset  Garden  production  in  1673.  In  1675 
Matthew  Locke  published  his  Opera  of  Psyche,  added  to  which  are  the 
following  instrumental  numbers  from  the  'Tempest'  music: 

First  Music. 

Introduction,  Second  Galliard,  gavot. 

Second  Music. 

Saraband,  Lilk. 

Curtain  Tune. 

Four  Act  Tunes:   Rustic  air,  Minuet,  Corant,  Martial  Jig. 

Conclusion:  Canon  4  in  2. 

From  Locke's  Preface  —  which  is  rather  ambiguously  worded  —  it 
seems  that  the  'Entries  and  Dances'  were  omitted  from  this  publication 
by  the  consent  of  their  author,  who  was  possibly  Draghi.  About  the 
same  time  as  the  publication  of  'Psyche'  there  appeared  (without  date, 
title-page  or  name  of  printer)  a  collection  entitled  'The  Ariel's  Songs  in 
the  Tempest'.  The  type  used  shows  that  this  was  printed  by  Playford; 
its  contents  are  as  follows: 

Come  unto  these  yellow  sands  (Banister.). 

Dry  those  eyes.     (Banister.) 

Go  thy  way,  'Eccho  Song  'twixt  Ferdinand  and  Ariel'.     (Banister.) 

Adieu  to  the  pleasures.  'Dorinda  lamenting  the  loss  of  her  Amintas.' 
(J.  Hart.) 

Full  fathom  five.     (Banister.) 

Where  the  bee  sucks.  'Sung  in  the  Machines  by  Ariel's  Spirits/ 
(Pelham  Humphreys.) 


1)  'Dramatic  Works  of  Dryden1  HI.  207. 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelPs  Dramatic  Music.  553 

A  comparison  with  the  1676  and  1690  editions  shows  that  none  of 
these  publications  give  any  music  for  the  following: 

Act  I.  'Where  does  the  black  fiend  Ambition.'  'Arise  ye  subterra- 
nean winds.' 

Act  IV.    The  music  demanded  by  Caliban  and  the  Dance  of  Spirits. 

Act  V.     The  whole  of  the  Masque. 

A  setting  of  'Arise  ye  subterranean  winds',  entitled  'A  Song  in  the 
Tempest.  The  Words,  by  Mr.  Shadwell',  is  printed  in  Part  II  of  Pietro 
Reggio's  *)  Songs,  the  publication  of  which  was  advertized  in  the  'London 
Gazette'  in  1680.  Another  copy  of  the  same  setting,  but  ascribed  to 
Grabu,  exists  in  Brit.  Mus.  Ad.  Ms.  19,759,  and  a  third,  with  Reggio's 
name,  in  Ad.  Ms.  29,397,  which  was  written  between  1682  and  1690. 
In  addition  to  the  above,  there  was  printed  in  Book  HI  of  'Deliciae 
Musicae'  (dated  1696,  but  evidently  published  at  the  end  of  1695)  'Dear 
pretty  youth',  'A  New  Song  in  the  Tempest,  sung  by  Miss  Gross  to  her 
Lover,  who  is  supposed  Dead.  Set  by  Mr.  Henry  PurcdV  This  song 
is  also  included  in  'Orpheus  Britannicus'  and  there  exists  an  early  single 
sheet  version  of  it  headed  'A  Song  sung  by  the  Girl  in  the  Tempest. 
Set  by  Mr.  H.  Purcell  and  exactly  engrav'd  by  Thos:  Cross. "  Early 
manuscript  copies  of  it  are  also  in  existence.  The  words  of  this  song  do 
not  occur  in  any  version  of  the  libretto  known  to  me.  The  only  other 
trace  of  the  music  which  we  possess  in  print  before  a  much  later  date, 
is  a  song  'Now  comes  joyful  peace'  which  is  printed  in  Vol.  V  of  the 
1714  edition  of  'Pills  to  Purge  Melancholy.'  No  composer's  name  or 
indication  as  to  the  source  of  the  tune  is  given,  though  it  is  a  corrupt 
version  of  PurcelPs  'Come  unto  these  yellow  sands.'  The  song  also 
appears  in  Vol.  I  of  the  'Merry  Musician'  (1716)  as  'A  Welcome  to  the 
happy  Peace:  A  new  Song,  the  words  by  Mr.  D'Urfey.' 

About  1790  the  music  to  'The  Tempest,'  as  we  now  possess  it,  was 
first  printed  by  B.  Goodison.  Some  copies  of  this  edition  contain  the 
following  Preface: 

"The  Tempest  is  one  of  the  earliest  and  best  of  Purcell's  Compo- 
sitions for  the  Stage  .  .  .  The  words  differ  in  many  places  from  Dryden's 
Play;  in  the  Mask,  almost  entirely:  it  is  supposed,  that  they  were  altered 
when  the  Play  was  made  into  an  Opera  by  Shadwell,  and  that  Purcell 
was  then  employed  to  compose  new  Music  for  them:  the  former  Music 
for  the  Play  was  probably  composed  by  Matthew  Lock,  and  the  Instru- 
mental {part  of  it  which  he  published  in  1695  [1675],  retained  in  the 
Opera."     Goodison  is  correct  in  pointing  out  that  the  Masque,  as  con- 


1)  Pietro  Reggio,  of  Modena,  died  in  London  on  July  23rd  1685  and  was  buried 
in  St.  Giles's  in  the  Fields. 

s.  d.  I.  M.   v.  36 


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554  W.  Barclay  Squire,  Parcell's  Dramatic  Music. 

taiued  in  this  Music,  is  quite  different  to  that  in  any  of  the  printed 
texts,  but  it  has  been  already  shown  that  the  Masque  appeared  first  in 
1676,  which  probably  represents  the  date  of  Shadwell  version.  Of  this  no 
musical  setting  is  extant,  with  the  single  exception  of  Beggio's  song,  and 

X^  Purcell's  version  therefore  represents  a  third  alteration  of  the  original 
play  of  Davenant  and  Dryden.  Burney  ascribes  this  to  the  year  1690, 
but  the  printed  text  of  that  year  is  identical  with  that  of  1676.  Goodison 
moreover  does  not  seem  to  have  known  of  the  existence  of  'The  Ariel's 
Songs  in  the  Tempest',  with  their  settings  by  Banister,  Hart  and  Pel- 
ham  Humphreys,  and  it  is  difficult  to  believe  that  if  Purcell's  music  was 
written  at  this  time  nothing  from  it  should  have  appeared  in  the  various 
song-books  of  the  period  which  have  been  so  frequently  alluded  to  in 
these  pages.  '^Eolus  you  must  appear'  was  first  printed  in  1776,  in  Haw- 
kins' 'History  of  Music',  but  for  the  rest  of  the  music,  with  the  excep- 
tion of  'Dear  pretty  youth',  and  the  tune  of  'Come  unto  these  yellow 
sands'  as  given  in  'Pills  to  Purge  Melancholy',  we  are  entirely  without 
early  printed  sources. 

The  absence  of  early  MSS.  (except  of  'Dear  pretty  youth')  is  not  less 
remarkable.  The  British  Museum,  Buckingham  Palace,  Royal  College  of 
Music  and  St.  Michael's  (Tenbury)  Libraries  contain  nothing  earlier  than 
the  latter  part  of  the  18th  century,  and  Dr.  Cummings  alone  possesses 
a  MS.  which  may  be  so  early  as  the  third  decade  of  the  century.  At 
Oxford  and  Cambridge  there  exist  no  traces  of  the  music.  What  manu- 
scripts we  possess,  including  that  belonging  to  Dr.  Cummings  (which  is 
probably  the  earliest),  agree  in  all  respects  with  the  version  printed  by 
Goodison,  and  that  this  is  incomplete  is  evident  by  a  glance  at  the  dan- 
ces as  there  given,  the  inner  parts  of  which  are  obviously  wanting.  Turn- 
ing to  the  evidence  afforded  by  the  newspapers  of  the  early  18th  cen- 
tury, we  find  performances  of  the  work  advertized  on  13th  Oct.  1702, 
20th  Jan.  1707—8,  13th  Feb.  1707-8,  20th  Jan.  1709—10,  4th  June 
1714,  22nd  April  1717  and  2nd  Jan.  1729.  In  no  case  is  anything  said 
of  Purcell's  music;  in  the  performance  of  Jan.  1707 — 8,  Mrs.  Cross  played 
Dorinda  and  the  production  was  announced  "With  all  the  original  Musick. 
To  which  will  be  added  a  Masque  compos'd  by  the  late  Mr.  Henry  Pur- 

^  cell,  between  Cupid  and  Bacchus,  to  be  perform'd  by  Mr.  Leveridge, 
Mrs.  Lindsey,  and  others"  (evidently  the  Masque  from  'Timon.  of  Athens'). 
For  the  performance  in  the  following  month  the  Daily  Courant  announced 
"all  the  Original  Flyings  and  Musick  .  .  .  Dorinda  by  Mrs.  Cross,  with 
the  Song  of  'Dear  pretty  Youth'."  On  31st  Jan.  1745—6,  the  original 
play  of  Shakespeare  was  performed,  "the  Part  of  Ariel  (with  the  proper 
Songs)  by  Mrs.  Clive.  With  Original  Decorations  particularly  the  Grand 
Masque  new  set  to  Musick  by  Mr.  Arne.     Concluding  with  a  Musical 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  555 

Entertainment  (compos'd  by  Mr.  Arne)  of  Neptune  and  Amphitrite." 
Arne's  music  for  this  version,  (but  without  the  'Musical  Entertainment') 
is  preserved  in  the  British  Museum  (Ad.  Ms.  29,370.).  Two  years  later, 
in  December  1747,  the  Dryden  version  was  revived  —  'not  acted  these 
seven  years  .  .  .  The  whole  to  conclude  with  the  Masque  of  Neptune 
and  Amphitrite.  And  the  Original  Waterman's  Dance',  but  no  compo- 
ser's name  is  given  for  this  music. 

It  is  difficult  to  draw  any  conclusion  from  this  almost  complete  ab- 
sence of  evidence.  The  original  score  seems  to  have  disappeared,  and  it 
is  doubtful  whether  what  we  possess  represents  PurcelTs  'Tempest'  music 
in  its  original  form.  The  three  airs  in  the  Masque,  'Come  down  my 
blusterers',  'Halcyon  days'  and  'See  the  heavens  smile',  with  their  Da 
Capo's,  recall  the  form  of  'Return,  revolting  rebels'  in  the  'Timon  of 
Athens'  Masque,  which  we  shall  presently  see  was  probably  composed 
much  later  than  is  usually  supposed.  But  the  'Tempest'  music  shows  an 
advance  even  on  this,  and  some  of  the  airs  might  well  have  been  written 
under  the  influence  of  Scarlatti  and  are  quite  different  in  form  to  any- 
thing else  of  PurcelTs.  The  complete  absence  of  early  authorities  — 
with  the  exceptions  mentioned  —  may  point  to  the  score  having  been 
jealously  kept  by  the  theatrical  company  for  which  it  was  written,  even- 
tually to  be  lost  or  destroyed.  It  may  be  mentioned  here  that  there 
exists  in  a  Manuscript  at  the  Royal  College  of  Music  an  Overture  for 
strings  headed:  'Overture  in  Mr.  P.  Opera'  and  signed  'Mr.  H.  Purcell', 
which  does  not  belong  to  either  'Dioclesian',  'Dido  and  ^Eneas',  'The 
Fairy  Queen',  'The  Indian  Queen'  or  'King  Arthur',  and  that  as  these 
works  are  the  only  ones  termed  at  the  time  Operas,  it  may  possibly 
form  part  of  the  missing  original  score  of  'The  Tempest'.  But  all  that 
can  with  certainty  be  said  as  to  the  date  of  its  composition  is  that  'Dear 
pretty  Youth'  was  published  as  a  new  song  at  the  end  of  1695,  and  as 
it  was  sung  by  Mrs.  Cross  at  a  period  in  her  career  when  she  was 
known  either  as  'Miss  Cross'  or  'the  Girl',  it  must  date  from  that  year. 

Theodosius. 

"Theodosius :  |  or,  |  The  Force  of  Love,  |  A  |  Tragedy.  |  Acted  by 
Their  Royal  Highnesses  Servants,  |  At  the  |  Duke's  Theatre,  |  Written 
by  Nat  Lee.  |  With  the  Musick  betwixt  the  Acts.  \  Nee  minus  pericu- 
lum  ex  magna  \  Fama  quam  ex  mala.  Tacit.  |  London,  |  Printed  for 
R.  Bentley  and  M.  Magnes  in  Russel-  Street,  |  near  Covent- garden. 
1680."  | 

The  above  is  the  title-page  of  the  first  edition  of  this  play,  as  to 
which  Downes  chronicles  that  "All  the  Parts  in't  being  perfectly  per- 

36* 


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556  W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music. 

form'd,  with  several  Entertainments  of  Singing;  Composed  by  the  Famous 
Master  Mr.  Henry  Furcett,  (being  the  first  he  e'er  Oompos'd  for  the 
Stage)  made  it  a  living  and  Gainful  Play  to  the  Company."  The  cast 
comprised  Williams  (Theodosius),  Betterton  (Varanes),  Smith  (Marcian), 
Wiltshire  (Lucius),  Bowman  (Atticus),  Leitherfull  (Leontine),  Mrs.  Better- 
ton  (Pulcheria)  and  Mrs.  Barry  (Athenais). 

A  good  deal"  of  music  is  required  in  the  course  of  the  action.  The 
opening  Act  contains  solos  and  choruses,  in  the  third  Act  there  is  a 
Confirmation  scene,  also  with  solos  and  choruses,  in  Act  IV  there  is  a 
two-part  song,  'Happy  day!  ah  happy  day'  and  in  Act  V  a  song  'Ah 
cruel  bloody  Pate.'    Besides  this  the  play  presents  the  curious  feature  of 

^  a  set  of  songs  between  the  acts,  apparently  taking  the  place  of  Act- 
Tunes,  which  are  printed  (with  the  music)  at  the  end  of  the  work. 
These  are:  1)  'Now,  now  the  Fight's  done',  (after  Act  I);  2)  'Sad  is 
Death',  (after  Act  II);  3)  'Dream  no  more',  (after  Act  II);  4)  'Hail  to 
the  Myrtle  shade',  (after  Act  ILL)  and  5)  'Ah  cruel  bloody  Pate'  (said 
to  be  after  Act  IV,  though  the  words  occur  in  Act  V).  No  composer's 
name  is  given  to  any  of  these  songs  in  the  original  edition  of  'Theodo- 
sius',  but  'Ah  cruel  bloody  Pate'  is  printed  with  Purcell's  name  in  Play- 

.-  ford's  'Choice  Ayres  and  Songs'  (1681),  which  also  contains  'Now,  now 
the  Fight's  done',  and  a  slightly  different  version  of  'Hail  to  the  myrtle 
shade',  both  without  composer's  name.  An  arrangement  of  'Ah  cruel 
bloody  Pate'  as  a  Lesson  is  to  be  found  in  'Musick's  Recreation  on  the 
Viol,  Lyra-Way'  (second  edition,  1682).  In  a  note  to  Vol.  HE  of  his 
'History  of  Musick'  (p.  479)  Dr.  Burney  says  that  'the  songs  and  pro- 
cessional Music  in  Theodosius  are  still  performed.'  This  being  the  case 
it  is  curious  that  the  whole  of  the  music  in  Act  HI,  in  which  (according 
to  the  stage  direction)  Athenais  is  led  in  procession  to  be  confirmed  by 

'  Atticus,  should  apparently  be  lost.  The  same  fate  has  befallen  the  Duet 
'Happy  day'.  The  important  music  in  the  first  Act,  however,  survives  in 
manuscript.  None  of  the  songs  in  'Theodosius'  were  printed  in  'Orpheus 
Britannicus'  or  in  the  various  collections  after  'Choice  Ayres  and  Songs'. 

Timon  of  Athens. 

Shakespeare's  play  of  'Timon  of  Athens'  was  altered,  according  to  the 
fashion  of  the  time,  by  Shadwell,  and  produced  at  the  Duke's  Theatre 
in  1677 — 78.  According  to  Downes,  it  "was  very  well  Acted,  and  the 
Musick  in't  well  Perform'd;  it  wonderfully  pleas'd  the  Court  and  City; 
being  an  Excellent  Moral".  The  principal  addition  which  Shadwell  made 
to  the  original  was  the  introduction  of  a  Masque  of  Cupid  and  Bacchus 
in  Act  I.     Music  to  this,   by  Henry  Purcell,    exists  in  various  manu- 


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W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music.  557 

scripts,  for  it  long  remained  one  of  the  composer's  most  popular  works  *), 
and  was  frequently  performed  in  the  early  18th  century  apart  from 
'Timon'. 

The  score  was  edited  by  the  Rev.  Sir  F.  Gore  Ouseley  and  printed, 
with  prefaces  by  the  editor  and  Mr.  Julian  Marshall,  in  Vol.  II  of  the 
Purcell  Society's  edition.  In  this  publication  there  are  various  points 
which  seem  to  need  comment  in  the  ultimate  revision  which  it  is  hoped 
will  conclude  the  Society's  labours.  The  form  of  the  Overture  is  un- 
satisfactory, and  points  to  some  confusion  in  the  MSS.  used  by  the 
editor,  and  it  has  not  been  pointed  out  that  there  exists  another 
(incomplete)  overture  in  the  contemporary  manuscript  of  the  work 
preserved  in  a  fragmentary  state  at  Buckingham  Palace.  Though  the 
editor  has  not  failed  to  notice  that  the  words  of  the  Masque,  as  set  by 
Purcell,  do  not  agree  with  the  text  of  the  printed  copies  of  Shadwell's 
play,  he  does  not  seem  to  have  suspected  that  Purcell's  music  can  have 
been  written  for  anything  but  the  original  production  in  1678.  There 
exists,  however,  evidence  of  an  earlier  setting  of  the  Masque,  and  that 
Purcell's  version  dates  from  a  revival2)  a  good  many  years  later  than 
the  original  production.  It  seems  probable  that  part  at  least  of  the 
original  music  for  Shadwell's' version  of  the  play  was  written  by  Grrabu, 
for  a  setting  by  him  of  the  opening  song  and  chorus  'Hark  how  the 
Songsters'  was  printed  in  Playford's  'Choice  Ayres  and  Songs'  in  1679 
—  the  year  after  the  first  performance  at  the  Duke's  Theatre. 

The  text  of  the  play  was  printed  in  1678,  1688  and  1696,  and  all 
these  editions  are  practically  identical,  save  that  in  1688  the  names  of 
the  performers  (as  contained  in  Mr.  Julian  Marshall's  preface)  are  given 
for  the  first  time.  But  some  time  between  1693  and  1695  there  must 
have  taken  place  an  alteration  in  both  music  and  words,  as  is  shown 
by  a  comparison  of  the  printed  text  with  Purcell's  setting.  The  Nymph 
of  the  former  is  replaced  by  two  Followers  of  Cupid  with  the  prosaic 
names  of  George  and  Jacob.  There  are  no  choruses  to  'Hark  how  the 
songsters'  and  'Love  in  their  little  veins',  and  the  lines  beginning,  'But 
ah  how  much1  are  set  as  a  Trio  and  not  as  a  Pull  Chorus.  The  Duet 
for  two  Bacchanals,  'Hence  with  your  trifling  Deity'  is  set  by  Purcell 
for  a  single  voice  and  chorus,  and  after  this  the  Shadwell  version  is 
entirely  abandoned  and  the  work  ends  with  a  song  for  Cupid,  'Come  all 

1)  See  the  epilogue  to  Lord  Lanstowne's  'Jew  of  Venice1,  1701: 
"How  was  the  scene  forlorn,  and  how  despised, 
When  Tymon,  without  Musick,  morakVd? 
Shakespears  sublime  in  vain  entic'd  the  Throng, 
Without  the  charm  of  Purceirs  Syren  Song." 

2;  G-enest  (I.  261)  mentions  this  revival,  but  does  not  give  its  date. 


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558  W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music. 

to  me';  a  chorus,  'Who  can  resist';  a  song  for  Bacchus.  'Return  revolting 
rebels';  a  solo  for  George,  'The  cares  of  lovers';  an  alto  solo  for  a 
Bacchanal,  'Love  quickly  is  palled'  and  a  final  Duet  and  Chorus  for 
Cupid,  Bacchus  and  their  followers,  'Come,  let  us  agree'.  It  fortunately 
happens  that  we  are  able  to  trace  the  source  of  the  greater  part  of 
these  new  verses.  In  the  number  of  the  'Gentleman's  Journal'  for  May, 
1693,  Motteux  prints  some  six  pages  of  verse,  introduced  by  the  follow- 
ing remarks:  "We  have  had  lately  a  Consort  of  Music,  which  as  it 
pleased  the  most  nice  and  judicious  Lovers  of  that  Art,  would  doubtless 
have  had  your  Approbation;  I  only  speak  of  the  Notes  which  were  by 
Mr.  Franck:  As  for  the  words  I  made  'em  in  haste,  and  most  of  them 
were  design'd  for  Winter,  and  set  to  Music  then,  tho  not  seen,  so  that 
I  was  forced  to  alter  some  lines  as  well  as  I  could,  to  reconcile  'em  to 
this  season.  However,  you  have  'em  here,  tho  strip'd  of  their  gay  attire, 
the  Notes.  Be  pleas'd  to  observe  that  they  are  most  of  them  Songs, 
and  some  of  the  Words  were  fitted  to  the  Tunes."  The  verses  which 
follow  apparently  consist  of  the  words  of  five  different  compositions. 
They  consist  of  the  following  groups: 

1)  A  set  beginning  'Ye  sounding  Trumpets,  cease  your  deafning  noise'. 
Of  none  of  these  have  I  traced  any  musical  setting. 

2)  A  set  beginning  'Still  must  I  grieve'.  Of  this  group  three  songs, 
set  to  music  by  J.  W.  Franck,  who  at  that  time  was  giving  concerts  in 
London,  are  printed  by  Motteux  in  the  same  number  of  the  'Gentle- 
man's JournaT  as  the  verses.  These  songs  are  'Still  must  I  grieve', 
'Complaint  in  Recitative  .  .  .  sung  with  accompaniments  of  Instruments 
by  Mrs.  Ayliff';  'By  warring  winds',  'Sung  by  Mrs.  Ayliff';  and  'Fickle 
Bliss,  fantastic  Treasure',  also  'Sung  by  Mrs.  AylifF.  The  last  song  is 
also  printed  in  'Comes  Arnolds'  (1694). 

3)  The  third  group  begins:  'Bright  Star,  who,  like  the  pow'rful  Sun'; 
of  this  group  I^have  found  no  settings. 

4)  A  single  song,  'I  burn  yet  never  can  repent',  of  which  there  also 
appears  to  be  no  setting. 

5)  The  last  group  is  a  contention  between  a  Drinker  and  a  Lover. 
It  consists  of  (a)  a  song  for  the  Drinker,  'Must  you  ever  languish';  (b)  a 
song  for  the  Lover,  'The  cares  of  lovers' ;  (c)  a  Duet,  'Forbear,  forbear' ; 
(d)  a  song  for  the  Drinker,  'Love  quickly  is  pall'd';  (e)  a  song  for  the 
Lover,  'Wine  quickly  is  pall'd' ;  (f )  a  Dialogue  beginning  'By  Love  Kings 
are  Slaves',  ending  with  an  ensemble,  'Come  let  us  agree'  with  the  direction 
'The  Grand  Chorus  repeat  the  two  last  Couplets'.  Of  these  numbers 
(b)  (d)  and  the  concluding  Duet  and  Chorus  'Come  let  us  agree',  form 
the  last  three  numbers  of  the  new  version  of  the  Masque  in  'Timon'  as 
set  by  Purcell.    Motteux's  statement  seems  to  imply  that  the  whole  of 


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W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music.  559 

the  verses  he  printed  in  May,  1693  had  been  set  by  Franck,  and  if  this 
is  the  case  they  must  have  been  afterwards  appropriated  by  Purcell,  for 
it  is  inconceivable  that  the  words  should  have  been  printed  by  Motteux, 
whose  'Gentleman's  Journal'  contains  so  many  contributions  by  the 
English  master,  without  some  statement  to  the  effect  that  they  had  al- 
ready been  used  in  'Timon  of  Athens'  before  May  1693. 

A  clue  to  the  approximate  date  at  which  Purcell,  or  the  anonymous 
librettist  of  the  new  version  of  the  Masque,  made  use  of  Motteux's  Con- 
tention between  a  Drinker  and  a  Lover  may  be  gathered  from  the  fact 
than  one  of  the  songs,  'The  cares  of  lovers',  was  printed  in  1695  in  the 
Second  Book  of  'Deliciae  Musicae'.  It  is  there  entitled  A  Song  (in 
Timon  of  Athens)  Sung  by  the  Boy,  and  Set  by  Mr.  Henry  PurcdE. 
'The  Boy',  as  we  have  already  seen,  was  Jemmy  Bowen,  and  taking  all 
the  evidence  together  it  seems  probable  that  the  true  date  for  PurcelPs 
'Timon'  music  was  about  1694.  Eight  of  the  numbers  in  the  Masque 
were  printed  in  'Orpheus  Britannicus',  but  that  work  gives  no  information 
as  to  the  names  of  the  singers. 

Tyrannick  Love. 

Dryden's  'Tyrannick  Love,  or  the  Royal  Martyr',  a  tragedy  on  the 
legend  of  St.  Catherine,  was  first  produced  in  1670.  The  part  of  Valeria 
was  played  by  Nell  Gwyn,  whose  delivery  of  the  Epilogue  is  said  to 
have  decided  Charles  Us  passion  for  her,  with  the  result  that  he  went 
behind  the  scenes  and  carried  her  off  then  and  there.  Her  son,  after- 
wards the  Duke  of  St.  Albans,  was  born  within  a  year  of  this  incident. 

The  play  was  printed  in  1670,  and  other  editions  are  dated  1672, 
1677,  1686,  and  1695.  In  all  of  them  the  original  cast  of  1670  is  re- 
printed without  change.  The  music  required  by  the  action  consists  of  a 
'Dead  March  within  and  Trumpets'  in  Act  I,  and  three  vocal  numbers 
in  the  Incantation  Scene  in  Act  IV.  These  are  'Hark  my  Damilcar' 
(a  Duet),  'You  pleasing  dreams  of  love'  and  'Ah  how  sweet  it  is  to  love' 
(both  songs  for  Damilcar).  There  is  also  a  Dance  of  Spirits,  and  'soft 
Musick'  to  which  St.  Catherine's  Guardian  Angel  descends.  The  only 
trace  that  exists  of  the  music  performed  when  the  play  was  originally 
produced  is  the  voice  part  of  an  anonymous  setting  of  'Hark  my  Damilcar' 
entitled  'Song  by  Spirits  in  Tyrannick  love',  preserved  in  a  MS.  volume 
in  the  British  Museum  (Ad.  MS.  19759)  and  dated  9  June  1681.  The  cast 
gives  no  names  of  the  performers  of  the  parts  of  the  two  spirits,  Nakar 
and  Damilcar,  who  share  the  vocal  numbers.  Of  'You  pleasing  dreams 
of  love'  and  the  instrumental  music  nothing  seems  to  have  survived,  but 
there  are  settings  by  Purcell  of  the  Duet  (with  the  words  altered  to 
'Hark  my  Daridcar')  and  the  song  'Ah  how  sweet  it  is  to  love'. 


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560  W.  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music. 

Dr.  Bimbault  fixed  the  year  of  these  compositions  as  1686,  and  he 
has  been  followed  by  other  biographers  of  Purcell,  but  (though  it  is  not 
an  impossible  date)  there  does  not  seem  to  be  any  evidence  in  its  favour. 
I  am  inclined  to  believe  that  both  numbers  were  written  a  good  deal 
yj  later,  for  they  first  saw  the  light  in  Book  I  of  'Deliciae  Musicae'  (licensed 
23rd  April,  1695).  From  this  work  we  gather  that  the  Duet  was  sung 
by  Mrs.  Ayliff  and  Bowman  and  the  song  by  the  former.  If  Bimbault' 8 
date  (1686)  for  this  music  is  correct,  Dry  den  would  hardly  have  over- 
looked the  fact  in  his  statement  that  it  was  Purceirs  setting  of  the 
songs  in  'Amphitryon'  and  the  'judicious  Performances'  of  the  composer  in 
'Dioclesian'  (both  produced  in  1690)  which  caused  the  author  of  'Tyrannick 
Love'  to  form  so  good  an  opinion  of  the  powers  of  the  English  master. 

The  Virtuous  Wife. 

This  play,  by  T.  D'Urfey,  was  produced  and  printed  in  1680.     The  * 
title-page  of  the  first  edition  is  as  follows: 

"The  Virtuous  Wife;  |  or,  |  Good  Luck  at  last.  |  A  |  Comedy.  |  As 
it  is  Acted  at  the  |  Duke's  Theatre,  |  By  His  Koyal  Highness  |  His  Ser- 
vants. |  Written  By  Thomas  D'Urfey,  Gent.  |  In  the  Savoy:  \ 

Printed  by  T.  N.  for  R.  BmOey,  and  M.  Magnes,  in  Russell  \  Street, 
near  the  Piazxa,  at  the  Post-house.  |  Anno  Dom.  1680.  j" 

The  cast  comprised  Harris  (Beverly),  Smith  (Beauford),  Jevan  (Sir 
Frolick  Whimsey),  Anthony  Lee  (Sir  Lubberly  Widgeon),  Underhill 
(Amble),  Bowman  (Crotchett  ,  Mrs.  Barry  (Olivia),  Nokes  (Lady  Beardly), 
Mrs.  Currer  (Jenny  Wheadle),  Mrs.  Seymour  (Lidia)  and  Mrs.  Norrice 
(Tissick).  For  the  part  of  Brainworm  no  actor's  name  is  given.  For 
this  work  Purcell  wrote  an  Overture  and  seven  Act  Tunes ,  which  were 
printed  in  'Ayres  for  the  Theatre'.  The  play  also  contains  two  songs.  The 
first  of  these,  'Let  the  Traitors  plot  on',  occurs  in  Act  I,  where  it  is 
sung  by  Crotchett,  a  music-master.  It  was  set  by  Thomas  Farmer,  and 
printed  in  Book  IH  of  Playford's  'Choice  Ayres  and  Songs'  (1681).  The 
second,  'A  Scotch  Song'  beginning  'Sawney  was  tall',  was  sung  to  the 
tune  known  as  'Corn  rigs  are  bonny'.  It  is  printed  (without  the  com- 
poser's name)  in  'Choice  Ayres'  (1681),  as  an  instrumental  lesson  in  the 
second  edition  of  'Musick's  Kecreation  on  the  Viol,  Lyra-way'  (1682), 
and  in  the  first  volume  of  the  1699  edition  of  'Pills  to  Purge  Melancholy'. 

The  Wives'  Excuse. 

Southerne's  Comedy  'The  Wives'  Excuse'  was  produced  at  the  end 
of  1691,  as  is  proved  by  a  passage  in  the  number  of  the  'Gentleman' 6 
Journal'  for  Jan.  1691—2.  It  was  published  in  1692,  with  the  following 
title-page: 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music.  561 


un 


"The  |  Wives  Excuse:  |  or,  |  Cuckolds  make  Themselves.  |  A  |  Come- 
dy. |  As  it  is  Acted  at  the  |  Theatre-Royal,  |  By  Their  Majesties  Servants. 
|  Written  by  Tho.  Southern.  \  Nihil  est  his,  qui  placere  volunt,  tarn 
adversarium,  \  quam  expectatio.  Cicero.  |  London,  |  Printed  for  Samuel 
Brisco,  |  over  against  Will's  Coffee-  \  House,  in  Russel-Street,  in  Covent- 
Gardm.    1692.  !" 

The  cast  comprised  Betterton  (Lovemore),  Kynaston  ( Wellvile),  Williams 
(Wilding),  Bowman  (Courtall),  Michael  Lee  (Springame),  Mountfort  (Frien- 
dall),  Bright  (Ruffle),  Harris  (Musick-Master),  Mrs.  Barry  (Mrs.  Friendall), 
Mrs.  Bracegirdle  (Mrs.  Slightly),  Mrs.  Mountfort  (Mrs.  Wittwoud),  Mrs. 
Cory  (Mrs.  Teazall)  and  Mrs.  Richardson  (Betty). 

In  the  first  Act  (the  scene  of  which  is  laid  at  a  fashionable  Music 
Meeting)  an  Italian  Song  is  sung,  no  words  of  which  are  given;  there  is 
also  a  song  Ungrateful  Love !  thus  ev'ry  hour',  written  by  Major  General 
Sackvile.  In  Act  IV  there  is  a  song,  'Say  cruel  Amoret  how  long', 
"written  by  a  Man  of  Quality",  and  in  Act  V  two  more  songs,  'Corinna  I 
excuse  thy  face'  (words  by  T.  Cheek)  and  'Hang  this  whining  way  of 
wooing'.  Music  by  Purcell  to  all  of  these  is  in  existence.  'Ingrateful 
Love'  and  the  two  songs  in  the  last  Act  were  printed  in  the  sixth  book 
of  the  'Banquet  of  Musick'  (licensed  Feb.  17  th  1691—2);  and  the  melo- 
dies of  'Ingrateful  Love',  'Say  cruel  Amoret'  and  'Hang  this  whining  way 
of  wooing'  appeared  in  'Joyful  Ouckoldom',  from  which  we  learn  that 
the  second  song  was  sung  by  Mountfort  and  the  last  by  Mrs.  Butler. 

An  unidentified  Play. 

In  an  early  manuscript  preserved  in  the  Library  of  St.  Michael's 
College,  Tenbury,  there  exists  a  Cantata  for  a  Solo  voice  headed  'The 
Musick  in  the  Play.  H.  P.'  of  which  I  have  been  unable  to  trace  the 
origin.  The  work  is  undoubtedly  PurcelFs,  but  apparently  no  other  copy 
of  it  exists.  Some  little  time  ago  part  of  the  words  were  printed  in 
,Notes  and  Queries',  in  the  hope  that  the  play  from  which  they  were 
taken  might  be  identified,  but  the  query  met  with  no  response,  and  I 
therefore  print  the  words  again  in  full,  in  the  hope  that  some  student 
of  the  17  th  century  drama  may  be  able  to  point  out  their  origin.  The 
text  is  obviously  corrupt,  but  the  words  are  printed  here  in  the  form  in 
which  they  occur  in  the  musical  setting. 

Verse.     When  Night  her  purple  vail  had  softly  spread 
And  busie  men  assembled  with  the  dead, 
When  all  was  hush'd  but  Zephire's  gentle  breath, 
Which  cools  the  Aire,  perfuming  all  the  earth, 
With  silken  wings  thro'  murmuring  forests  flies, 
Spreading  the  sweets  which  from  the  Woodbine  rise, 
With  hasty  steps  and  a  wild  thoughtfull  aire 


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562  "W".  Barclay  Squire,  Purceirs  Dramatic  Music. 

Heedless  of  danger,  guided  by  dispair, 
The  lovely  Damon  strives  in  thickest  shades  to  mix, 
On  whom  all  graces  do  and  all  desires  would  fix. 
While  night  he  seeks,  new  day  he  seems  to  bring, 
For  blooming  youth  has  light  in  everything. 
He  sighs,  now  weeps,  then  with  a  just  disdain 
Reproaches  her  he  loves,  alas!  in  vain. 
The  senseless  nymph  does  on  a  satyr  doat, 
Dispising  Damon,  couples  with  a  goat. 

Under  a  mossy  oake  he  thus  begun, 

Which,  bending,  seemed  to  listen  as  he  sung. 

"Ah  Silvia,  ah  unkind,  ah  cruell  faire, 

To  him  so  gentle,  to  me  too  severe, 

Sweeter  then  the  flow'ry  Spring, 

Then  the  dews  which  bees  do  bring 

From  opening  budds  which  carefull  wing, 

Which  when  I  strive  to  taste,  like  them  you  sting. 

Great  God  of  Love,  to  thee  I  cry, 

Ah,  pitty,  pitty,  for  I  dye. 

While  Silvia  to  a  monster  yeilds  her  every  joy, 

Ah,  pitty,  pitty,  or  I  dye." 

His  trembling  lips  stopt  here,  nor  cou'd  he  more, 
But  like  a  shipwreck  thrown  upon  the  shore 
Daished  with  his  tears  all  o're, 
Then  starting  up,  and  with  a  mien  that  shew'd 
Disdainfull  joy,  he  smiling  thus  pursu'd: 

"Dispair,  thou  bane  to  my  heart, 

For  ever  we'll  part, 
Be  gone,  tormenting  care, 
Her  beast  let  her  have 
I'll  ne'er  be  a  slave  to  a  barbarous  faire." 

Before  concluding  this  examination  of  the  plays  for  which  Purcell 
wrote  music,  there  are  three  works  which  demand  brief  notice,  since  they 
are  included  in  some  lists  of  the  composer's  dramatic  music.  1.  D'Urfey's 
'Campaigners',  a  comedy  produced  in  1698,  contains  in  the  fourth  Act, 
a  song  'New  reformation  begins  through  the  nation'  which  exists  in 
D'Urfey's  'Songs  Oompleat'  and  other  similar  collections  'Set  to  a  Tune 
of  Mr.  Henry  Purcell's'.  The  date  of  the  production  of  the  play  proves 
that  this  was  an  adaptation  made  after  the  composer's  death.  2.  It  has 
already  been  pointed  out,  in  discussing  'Oroonoko',  that  some  copies  of 
the  Dialogue,  'Oelemene  pray  tell  me'  are  described  as  occurring  in  the 
Second  Part  of  Dryden's  'Conquest  of  Granada',  and  it  seems  probable 
that  the  composition  really  belongs  to  Southerne's  play  and  was  intro- 


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W.  Barclay  Squire,  PurcelTs  Dramatic  Music. 


563 


duced  at  some  later  date  into  a  revival  of  the  'Conquest  of  Granada9. 
(3)  One  of  D'Urfey's  last  plays,  'The  Old  Mode  and  the  New',  produced 
in  1709,  contains  a  song  adapted  to  a  tune  by  Purcell. 

Summing  up  the  results  of  this  examination  as  to  the  dates  of  Pur- 
cell's  Dramatic  Music,  we  obtain  the  results  given  in  the  following  table. 
They  show  a  surprising  activity  during  the  last  five  years  of  the  com- 
poser's life,  and  point  to  his  having  during  that  period  been  permanently 
engaged  as  composer  to  the  Theatre  Royal,  but,  though  the  list  of  his 
dramatic  work  is  remarkably  long,  it  must  be  remembered  that  with  the 
exception  of  the  Operas  of  'Dioclesian'  'King  Arthur',  ,The  Fairy  Queen', 
'The  Indian  Queen'  and  possibly  'The  Tempest',  the  music  he  contributed 
to  the  various  plays  generally  consisted]  merely  of  a  few  songs  or  in 
some  cases  of  a  set  of  short  instrumental  pieces. 


U 


Abdelazer 

D.  L. 

4th  April,  1 

L695. 

Amphitryon 

D.  L. 

October, 

L690. 

Aureng-Zebe 

L692P-1694? 

Bonduca 

D.  L. 

Autumn, 

1695. 

Canterbury  Quests 

D.  L. 

Autumn,      1 

.694. 

Circe 

D.  G. 

L685? 

Cleomenes 

D.  L. 

Spring,         ] 

L692. 

Dido  and  JDneas 

Priests'  School 

L688?-1689? 

Dioclesian 

D.  G. 

Summer,     ] 

L690. 

Distressed  Innocence 

D.  L. 

Autumn,     1 

L690. 

Don  Quixote  Pt.  I. 

D.  G. 

Spring, 

L694. 

Don  Quixote  Pt.  II. 

D.  G. 

Summer,      1 

L694. 

Don  Quixote  Pt.  HI. 

D.  L. 

Autumn,      ! 

1696, 

Double  Dealer 

D.  L. 

November,  : 

L693. 

Double  Marriage 

D.  L. 

L682  9-1685? 

English  Lawyer 

L683?-1684? 

Epsom  Wells 

D.  G. 

L693. 

Fairy  Queen 

D.  G. 

April, 

L692. 

Fatal  Marriage 

D.  L. 

Spring, 

L694. 

Female  Vertuosos 

D.  G. 

Spring,        1 

L693. 

Fool's  Preferment 

D.  G. 

Spring, 

L688. 

Gordian  Knot  untied 

Winter,       1 

L691. 

Henry  the  Second 

D.  L. 

L692. 

Indian  Emperor 

Winter, 

L691. 

Indian  Queen 

D.  G? 

Autumn,     1 

L695. 

King  Arthur 

D.  G. 

Summer,     ] 

L691. 

King  Richard  the  Second 

D.  L. 

1681. 

Knight  of  Malta 

L686-1691. 

The  Libertine 

16929-1695? 

Love  Triumphant 

D.  L. 

Spring, 

L694. 

Maid's  Last  Prayer 

D.  L. 

Spring, 

L693. 

Marriage-Hater  Matched 

D.  L. 

Spring,        1 

L692. 

Married  Beau 

D.  L. 

Spring, 

L694. 

Massacre  of  Paris 

D.  L. 

Digit 

L690? 

zed  by  LrOOQ 

564 


W.  Barclay  Squire,  Purcell's  Dramatic  Music. 


Mock  Marriage 

d.  g. 

Autumn, 

1695. 

Oedipus 

. 

1692? 

Old  Bachelor 

D.  L. 

January, 

1693. 

Oroonoko 

D.  L. 

Winter, 

1695. 

Pausanias 

D.  L. 

Autumn, 

1690. 

Regulus 

Spring, 

1692. 

Richmond  Heiress 

D.  L. 

Spring, 

1693. 

Rival  Sisters 

D.  L. 

Autumn, 

1695. 

Bule  a  Wife  and  Have  a  Wife 

1693. 

Sir  Anthony  Love 

D.  L. 

Autumn, 

1690, 

Sir  Barnaby  Whigg 

D.  L. 

Winter, 

1681. 

Sophonisba 

1685?-1693? 

Spanish  Friar 

D.  L. 

1694?-1695? 

Tempest  v 

1695? 

Theodosius 

D.  G. 

1680. 

Timon  of  Athens. 

1694. 

Tyrannick  Love 

1694?- 1695? 

Virtuous  Wife 

D.  G. 

1680. 

Wives'  Excuse 

D.  L. 

Winter, 

1691. 

Unidentified  Play. 

? 

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Arnold  Schering,  Zur  Bachforschung  II.  565 


Zur  Bachforschung  II. 

Von 


Arnold  Schering. 

(Leipzig.) 


In  Jahrgang  IV,  S.  234  der  Sammelbande  habe  ich  den  Beweis  er- 
bracht,  daB  von  den  sechzehn,  von  J.  S.  Bach  fiir  Klavier  bearbeiteten 
InstrumentaJkonzerten  sechs  von  Antonio  Vivaldi,  die  iibrigen  von  andern 
zeitgenossischen  Meistern,  darunter  B.  Marcello  und  Telemann,  her- 
riihren.  Als  Verfasser  des  13.  Klavierkonzerts  (Ausgabe  der  Bachgesell- 
schaft,  Bd.  42,  S.  148),  dessen  erster  Satz  als  Orgelarrangement  wieder- 
kehrt  (B.  A.,  Bd.  38,  S.  196),  wurde  daselbst  der  junge  Weimarer  Herzog 
Johann  Ernst  genannt.  Die  Angabe  stiitzte  sich  auf  die  keineswegs 
unglaubwurdigl  erscheinende  Beischrift  auf  dem  Manuskript  P  286  des 
Orgelarrangements  in  der  Kgl.  Bibliothek  Berlin.  Eine  Kontrolle  dieser 
Beischrift  mufite  damals  unterbleiben,  da  mir  iiber  den  Verbleib  des  ge- 
druckten  fiirstlichen  Konzertwerks  nichts  bekannt  geworden  war.  In- 
zwischen  ist  dasselbe  mir  zu  Gesicht  gekommen  und  ich  kann  mitteilen, 
daB  zwei  der  Bach'schen  Arrangements,  No.  11  U-dur  und  No.  16 
in  D-Moll,  darin  enthalten  sind,  also  Johann  Ernst  von  Weimar  zum 
Verfasser  haben. 

Der  Druck  befindet  sich  im  Besitze  der  GroBherzogl.  Bibliothek  zu 
Weimar  und  tragt  den  Titel: 

Six  Concerts  a  un  Violon  concertant,  deux  Violons,  un  Taille,  et  Clavecin 
ou  Basse  de  Viole,  de  feu  S.  A.  S.  Monseigneur  le  Prince  Jean  Erneste, 
Due  de  Saxe-Weimar.  Opera  Im*.  Par  les  soins  de  Mr.  Gr.  P.  Telemann. 
1718.  (5  Stimmhefte:  Violino  principale,  Violino  primo,  Violino  secondo, 
Alto   Viola,   Cembalo  [o  Violoncello]). 

Die  Telemann'sche  Vorrede,  »Frankfort  le  1.  Febr.  1718 «  unter- 
zeichnet,  enthalt  folgende,  auf  die  Personlichkeit  des  Herzogs  beziig- 
liche  Satze: 

Vous  voyez,  Lectenr,  le  nom  du  Serenissime  Auteur  sur  le  titre  de  cet  Ouvrage. 
Pour  Petendue  et  le  feu  de  son  genie  suplrieur,  on  ne  sauroit  vous  les  bien  depeindre. 
Vous  en  trouverez  de  belles  StinceUes  dans  les  Concerts  qu'on  vous  offre.  Sa  vie  n'a 
pass^  que  de  peu  dix-huit  ans.  Admirez-le  d'avoir  aquis  a  cet  age  d'aussi  vaste  lu- 
mieres  dans  un  art  aussi  difficile  que  la  Musique.  Le  savant  J.  Lipse  ecrit  de  lui 
meme:  QuHl  avoit  Tesprit  docile  et  propre  a  toutes  les  sciences  excepts  la  Musique. 
v.  Misc.  Ep.  87.  Cent.  3.  Outre  la  composition  de  feu  S.  A.  S.  qu'on  abandonne  a 
votre  jugement.  Elle  jouoit  en  Maitre  de  plusieurs  instrumens,  sortout  du  violon.  Ce 
Prince  fut  attaque*  vingt  et  un  mois  avant  sa  mort  de  la  cruelle  et  douloureuse  maladie 


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566 


Arnold  Schering,  Zur  Bachforschung  II. 


qui  le  mit  dans  le  tombeau.  II  ne  laissa  pas  de  composer;  c'^toit  la  le  meilleur  re- 
mede  dont  il  adoucissoit  ses  maux;  II  entreprit  meme  de  faire  graver  cet  Ouvrage; 
il  n'eut  pas  le  plaisir  d'en'  voir  la  fin;  la  mort  vint  le  ravir,  apres  qu'il  ent  donne*  ses 
ordres  pour  le  continuer,  et  y  joindre  une  seconde  Fartie,  que  vous  verrez  dans  peu. 

DaB  jenes  oben  erwahnte  C-dur-Konzert  No.  13  sich  wider  Erwarten 
nicht  unter  den  sechs  Stucken  der  Sammlung  befindet,  laBt  wiederum 
gelinden  Zweifel  an  der  Authentizitat  der  Uberschrift  auf  Ms.  P  286  auf- 
kommen.  Immerhin  ist  es  moglich,  dafi  es  Bach  im  Manuskript  vorlag 
und  von  Telemann  fur  die  angektindigte  zweite  Sammlung  zuriick- 
gestellt  wurde. 

Dem  11.  Konzertarrangement  Bach's  (B.  A.,  Bd.  42,  S.  135)  liegt  das 
erste  Konzert  des  Fiirsten  zugrunde.  Die  Tonart  J5-dur  hat  Bach  bei- 
behalten.  Die  drei  Satze  tragen  die  Tempovorschriften  Allegro  —  Adagio  — 
Un  poco  presto.     Soli  finden  sich: 

I.  Satz.    Takt  36—64  (geringe  solistische  Wirkungen  auch  in  Takt  16-25  und  64—68, 

wo  Ripien-Violinen  und  Viola  die  Figur  •?  JJ    fe  *f  J  dur<Afuhren). 
II.  Satz.    Im  Original  ausschlieClich  fur  Solovioline  und  Cembalo  (beziff.  BaO). 
HI.  Satz.    Takt  18—30;  41-58. 

Im  Einzelnen  ist  manche  durchgreifende  Anderung  von  Bach's  Hand 
zu  bemerken.  Gleich  der  imitatorische  Charakter  der  ersten  Begleit- 
figuren  des  Basses  im  ersten  Satze  ist  ein  Bach'scher  Einf all ;  das  Original 
hat  nur  den  aufsteigenden  Dreiklang.  Auch  weiterhin  benutzt  Bach  das 
auftaktige  Dreiachtelmotiv  im  Basse,  wo  die  Vorlage  einfache  Viertel  zeigt 
(Takt  10,  24,  25).  In  Takt  5  und  6  ersetzt  der  Bearbeiter  den  tonischen 
Dreiklang  durch  den  logischeren  Sextakkord.  Die  Takte  13 — 15  (2.  Viertel) 
heiBen  in  der  Vorlage: 


£3£ 


S 


H^V 


Bach  nutzt  die  Sequenz  der  vorangehenden  Takte  aus  und  bringt  einen 
Hohepunkt  in  die  Linie,  die  Johann  Ernst  —  wohl  urn  die  2.  Lage  zu 
vermeiden  —  unschon  abbricht.  In  Takt  19  hat  die  Vorlage  das  Ver- 
setzungszeichen  erst  im  letzten  Viertel.  In  Takt  21  steht  ebenda  der 
^-moll-Akkord,  in  Takt  22  der  Sextakkord  D-moll.  Takt  25  in  der  Vorlage : 


^Pir 


und  die  folgenden  Soloarpeggien  durchweg  uber  drei  Saiten: 


wm 


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Arnold  Schering,  Zur  Bachforsohung  II.! 


567 


Die  Takte  53,  63,  74  sind  von  Bach  —  wohl  zum  Zwecke  schoneren 
Ausklingenlas8ens  der  Stimmung  —  hinzugefiigt.  Die  Schlufitakte  77 
und  78  (Solostimme)  liegen,  wie  Takt  76,  im  Original  in  der  kleinen 
Oktave. 

Das  Adagio  beginnt  in  der  Vorlage  mit  sechs  Takten  bezifferter  BaB, 
den  Bach  originalgetreu  iibernommen  und  frei  ausgesetzt  hat.  Die  Be- 
zifferung  ist  folgende: 

6  « 

7   6      4*  4+  0 

5   6    b   5      2  tt    b    5j  b  tt  2  «   0  * 

g  -  f  -  |  f  -  -  -  |  es  f  g  -  |  c |bcd-|g) 

Die  Solostimme  wurde  im  wesentlichen  beibehalten,  doch  bilden  alle 
kleineren  Notenwerte  als  #^  Zusatze  des  Bearbeiters.  Die  Anspielung  auf 
das  Solomotiv  in  Takt  16  ist  bachisch,  ebenso  die  Punktierung  der  Basse 
in  den  Takten  21  und  23  und  ihre  Fuhrung  von  Takt  16 — 19,  wo  das 
Original  vorschreibt: 


p  r^  n  p  i 

ha    hgah      ces    dgj 


m 

c  c  b    a  f  g  a 


n  n 

bd    c  f 


||  Von  Takt  27 — 32  (erstes  Viertel)  ist  wiederum  (wie  oben)  das  Klavi- 
zimbel  allein  tatig.     Takt  32  setzt  die  Solovioline  frei  imitierend  Allegro 
ein1)  und  gefallt  sich  in  einem  glanzenden  Spiel  mit  Doppelgriffen,  die 
Bach  in  passende  Klavierfiguren  auf  lost.     Im  Original  heifit  es: 
Megro.  ^^      ^^  HSI 


¥=*=&* 


gagg 


ytJtJEJtnt 


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*  •  f  T  H 


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•^ — b '  y         n ^T 


f 


m 


^ 


^ 


33 


-#— *- 


I0j^0 


LLU 

lllPiii§l^§=iS 


*  * 


1)  Diese  eich  aus  dem  Character   des  Satzes  leicht   ergebende  Tempovorschrift 
fehlt  in  der  Bachausgabe. 

2)  Man  beachte  auch  hier  wieder  das  Vermeiden  der  zweiten  Lage. 


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568  Arnold  Schering,  Zur  Bachforschung  EL 

Ein  ahnliches  Bild  zeigen  die  folgenden  Takte  bis  Takt  54,  wo  Bach 
die  originate  Violinfiguration  aufgreift,  bis  Takt  62  fortfiihrt  und  sich  nur 
in  den  beiden  letzten  eine  geringe  harmonische  Veranderung  erlaubt.  Die 
Takte  63 — 70  sind  wie  die  entsprechenden  am  Anfang  behandelt.  Die 
Violine  konzertiert  von  Takt  71  an  in  gleichmafiigen  Triolenfiguren: 


^gip^ig^^glg 


Nach  Takt  74  hat  Bach  einen  Takt  ausgestofien  (D-dur:  d  fis  fis)  und 
gleich  den  nachsten  mit  der  Septime  aufgenommen.  —  Das  Folgende 
bietet  zu  neuen  Bemerkungen  keinen  AnlaB.  In  Takt  106  und  107  bringt 
das  Original  einfache  Achtel  auf  d  im  Basse  und  in  der  Violinstimme 
den  D-dur-Akkord  bezw.  mit  Septime. 

Der  dritte  Satz  zeigt  vorwiegend  rhythmische  Anderungen.  Den  leb- 
haften  %  Kontrapunkt,  den  die  2.  Violine  in  der  Vorlage  ausfiihrt,  hat 
Bach  der  Klarheit  halber  unberiicksichtigt  gelassen,  dafiir  aber  dessen 
schaukelnde  Bewegung  in  den  BaB  gelegt.  "Wo  Bach  Achtel  im  Basse 
schreibt,  bringt  Johann  Ernst  (mit  Ausnahme  der  Takte  12,  14,  78,  79) 
zumeist  den  Bhythmus  J  /*.  Takt  37,  zweite  Halfte,  und  Takt  38  erste 
Halfte  sind  vom  Bearbeiter  hinzugesetzt ;  das  Original  ftthrt  den  BaB 


ilpfeS 


6        S) 
5 

In  den  Takten  41 — 58  erscheint  ein  Konzertino  von  zwei  Violinen  und 
Viola,  der  BaB  schweigt.  Bach  hat  die  Oberstimme  unverandert,  von 
der  2.  Violine  (die  zur  ersten  in  Gegenbewegung  trittj  und  der  Viola  nur 
den  Charakter  der  Harmonie  heriibergenommen. 

Das  zweite  Arrangement,  No.  16  (B.  A.,  Bd.  42,  S.  165)  steht  im  fiirst- 
lichen  Konzertwerk  an  vierter  Stelle.  Die  Tonart  ist  dieselbe  geblieben: 
D-moll.  Folgende  Tempovorschriften  finden  sich :  I.  Satz.   Adagio  e  staccato 

—  piano  e  presto  —  Adagio  e  staccato  — presto.    II.  Satz.    Un  poco  Allegro 

—  Adagio.  HE.  Satz.  Vivace.  Die  Prinzipalvioline  tritt  konzertierend 
hervor : 

I.  Satz.    Takt  6—60. 

IL  Satz.    Takt  9-16;  20—30;  35—37;  49—61  {mit  der  2.  Violine);  67—72. 
III.  Satz.    Takt  23—34;  38—44. 

Die  begleitenden  Mittelstimmen  in  den  Anfangstakten  des  ersten  Satzes 
haben  im  Original  keine  Durchgangsnoten.  Ebenda  steht  im  dritten 
Viertel  des  3.  und  4.  Taktes  jedesmal  der  tonische  Dreiklang  (G-dur, 
,4-dur),  nicht  der  Sekundakkord,  mit  welchem  Bach  die  Sequenz  wurzt 
Die  Solopassagen  des  2/4-Teils  werden  von  den  Bipien-Instrumenten  mit 
Viertelschlagen  bezw.  Achtelraotiven  1  J  J  J  \  J  begleitet  und  haben  von 


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Arnold  Schering,  Zur  Bachforschimg  II. 


569 


Takt  9  an  die  Fassung 


aafafafd 


Das   folgende  Adagio  ist  unter 


Bach's  Handen  zu  einer  reizvollen  Improvisation  geworden.     Anmutige 
Verzierungen  beleben  die  im  Original  eckige  melodische  Linie: 


P^^^^^^^^^^ 


=3« 


und  durch  Einfuhrung  obligater  Stimmen  hat  die  homophone  Achtel- 
begleitung  interessantere  Gestaltung  gewonnen.  —  Der  zweite  Doppelteil 
des  Satzes  korrespondiert  mit  dem  ersten  und  erfuhr  eine  dementsprechend 
ahnliche  Bearbeitung.  Man  beachte  die  neue  Version  der  Begleitung  im 
zweiten  Adagio. 

Der  folgende  Satz  besteht  aus  einer  Reihe  Variationen  iiber  ein  acht- 
taktiges  Thema  nach  Art  der  »Folies  d'Espagne*.  Der  Solostimme  ist 
Bach  nur  an  zwei  Stellen  umbildend  naher  getreten:  in  den  Takten 
49 — 61,  wo  das  Original  gleichmaBige  Sechzehntel  vorschreibt,  und  spater 
beim  Ubergang  von  Takt  68  zu  71,  der  dort  heiBt: 


Bach  hat  ihn  um  das  Doppelte  erweitert  (Takt  69,  70),  nicht  ohne  damit 
den  Periodenbau  erheblich  zu  verletzen.  Die  lebhaften  BaBfiguren  in 
den  Takten  17 — 19  ff.  fehlen  wiederum  in  der  Vorlage;  statt  ihrer  stehen 
Viertel  bezw.  Achtel. 

Ein  kurzes  Adagio-Intermezzo  dient,  wie  so  haufig  im  Kirchenkonzert 
der  Zeit,  als  Uberleitung  zum  Finale.  Die  Melodieskizze  des  Originals 
hat  folgende  Gestalt: 


Adagio, 


ie£*e!e£ 


-*+■ 


=E* 


£p£ 


Die  Gebalknoten  und  scharfen  Sekundenvorhalte  riihren  von  Bach  her. 

Im  Vivace  finden  sich  nur  unbedeutende,  dem  bequemen  Klavierstile 
zuliebe  unternommene  Anderungen,  darunter  wieder  die  beweglichen  BaB- 
figuren. Als  bemerkenswert  bliebe  die  anmutige  Verteilung  der  Passagen- 
gruppen  auf  zwei  Stimmen  in  den  Takten  38—44  hervorzuheben.  In 
der  Vorlage  fiihrt  sie  die  erste  Violine  allein  mit  folgenden  Varianten  in 
Takt  39,  41,  43  aus: 


££&fc£| 


Damit  ist  Bach's  Bearbeitungstatigkeit  in  beiden  Fallen  ihren  Haupt- 
ziigen  nach  priizisiert.    An  den  Konzerten  Johann  Ernst's  Kritik  zu  Uben, 


s.  a.  i.  m.  v. 


37 


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570  Arnold  Schering,  Zur  Bachforschung  II. 

liegt  nicht  in  meiner  Absicht.  Schon  die  Arrangements  uberzeugen,  daB 
die  musikalische  Begabung  des  Prinzen  weit  iiber  den  Durchschnitt  hinaus- 
ging.  Selbst  wenn  einmal  nachgewiesen  werden  sollte,  daB  Telemann, 
als  pietatvoller  Herausgeber,  hier  und  da  seine  Hand  mit  im  Spiele  ge- 
habt,  wird  man  die  Intelligenz  anerkennen  miissen,  mit  der  der  Prinz 
si ch  italienischen  Vorbildern  in  Melodik,  Stil  und  Architektur  zu  assi- 
milieren  gewuBt.  Auch  der  beste  Kenner  altitalienischer  Konzertkunst 
mochte  bei  dem  fiinften  Konzert  (E-dw)  der  Sammlung  anf  einen  Voll- 
blutitaliener  raten;  es  ist  dasselbe,  dessen  Mattheson  in  seiner  groBen 
GeneralbaBscbule  (S.  392)  ruhmend  gedenkt. 

Vorliegende  Nachweise  diirften  dazu  beitragen,  die  verbreitete,  auch 
von  Spitta  adoptierte  Meinung  zu  verdrangen,  Bach  habe  sich  in  den 
zwanzig  vorhandenen  Arrangements  im  italienischen  Konzertstil  »iiben« 
wollen.  Sollte  ein  so  scharfer  Zuhorer  und  erfahrener  Praktiker  wie 
Bach  gegebenenfall8  wirklich  zu  einem  so  schiilerhaften  Verfahren  ge- 
griffen  haben?  Im  vorstehenden  Falle  kam  ihm  der  italienische  Stil  — 
■wie  schon  einmal  bei  Telemann  —  aus  zweiter  Hand,  aus  der  Hand 
eines  Deutschen.  Die  daraus  sich  ergebende  Frage:  Was  hat  der 
langst  zum  Meister  herangereifte  Bach  von  einem  elf  Jahre 
jiingeren,  achtzehnjahrigen  Jiingling  lernen  konnen,  der  Italien 
ebensowenig  gesehen  wie  der  Lehrer,  dem  er  seine  musikalische  Fertigkeit 
verdankte,  Joh.  Gottfried  Walther?  birgt  einen  Nonsens  und  ist  am  besten 
geeignet,  alle  Zweifel  zu  zerstreuen.  Bach's  Schtilerschaft  gegenuber  den 
Italienern  lieB  sich  aufrecht  erhalten,  solange  man  in  den  Vorlagen  samt- 
lich  Vivaldi'sche  Originale  erblickte.  Nunmehr  wird  man  den  Zweck  der 
Arrangements  doch  wohl  in  der  Praxis  zu  suchen  haben  und  annehmen 
konnen,  daB  die  Vorliebe  fiir  das  neue  Konzert  der  Italiener  binnen 
kurzem  so  allgemein  geworden,  daB  man  sich  den  GenuB  von  besonders 
beliebten  Stiicken  auch  unter  zwei  Augen  am  Klavichord  oder  an  der 
Orgel  zu  verschaffen  suchte.  Bach's  Arrangements  waren  demnach  in 
Zukunft  lediglich  als  das  anzusehen,  was  sie  wirklich  sind:  als  Klavier- 
ausziige,  »denen  Liebhabern  zur  Gemiiths-Ergotzung*. 


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Fritz  Brtickner,  Georg  Benda  and  das  deutsche  Singspiel.  571 


Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel1) 


Fritz  BrOckner. 

(Leipzig.) 


....  »aux  von  der  Wahrhelt  des  Satzes 
kauu  ich  mlch  nicht  abbringeo  lassen: 
die  Music  rerliehrt  selbst,  wo  man  ibr 
alias  opfertc  Qcorg  fienda 

Das  emste  deutsche  Singspiel  wird  entweder  zu  weit  zuriickdatiert 
oder  verwechselt  mit  ahnlichen  komischen  Biihnenwerken.  Weiter  steht 
seiner  Schatzung  das  Urteil  der  meisten  Fachmusiker  entgegen,  die  ein 
musikalisches  Biihnenwerk  mit  Dialog,  im  ganzen  genommen,  nicht  als 
Kunstwerk  gelten  lassen  wollen.  AuBerdem  hat  sich  Weber's  »Frei- 
schtttz*  der  Umstande  wegen,  unter  denen  dieses  Werk  gegen  frcmde 
Kunst  ankampfen  muBte,  uns  so  fest  eingepragt,  daB  aus  der  Zeit  vor 
Weber  hochstens  Mozart's  »Entfuhrung«  als  ernstes  deutsches  Sing- 
spiel bekannt  bleibt. 

Auch  wo  man  sich  mit  Musikgeschichte  beschaftigt,  konnen  die  An- 
gaben,  das  deutsche  Singspiel  sei  durch  ein  englisches  Singspiel  veranlaBt 
worden,  wenig  Interesse  erregen.     Diese  Angaben  sind  falsch. 

Auf  Grund  von  Originaltheaterzetteln  und  im  engsten  AnschluB  an 
die  teilweise  ausgezeichnet  bearbeitete  Geschichte  der  deutschen  Schauspiel- 
biihne  soil  hier  kurz  zusammengefaBt  werden,  wie  eigentlich  Musik  zur 
deutschen  fiiihne  kam. 

Es  ergibt  sich,  daB  beim  Eintritt  des  deutschen  Singspiels  in  das 
Kepertoire  eine  genugende  musikalische  Vorbildung  der  AusfUhrenden 
vorhanden  war,  daB  nicht  nur  instinktiv,  sondern  mit  vollem  BewuBtsein 
auf  ein  deutsches  Singspiel  hingearbeitet  wurde,  schlieBlich,  daB  der  gro&te 
fremdlandische  EinfluB,  der  des  franzosischen  Singspiels,  wenn  auch  nicht 
beseitigt,  so  doch  asthetisch  iiberwunden  wurde.  Das  ernste  deutsche 
Singspiel  war  der  erste  Versuch,  auf  deutscher  Biihne  die  Stoffkreise 
des  Schauspiels  und   der  Oper  sich  beriihren  zu  lassen.     Der  unkiinst- 


1)  Diese  Arbeit  hat  sich  im  Laufe  mehrerer  Jahre  aus  einer  hintorischen  in  eine 
theoretisch-prinzipielle  Untersuchung  verwandelt.  Deshalb  sind  verschiedene  liebens- 
wiirdig  gewahrte  Auskunfte  noch  unbenutzt  gelassen.  Ich  mochte  aber  nicht  unter- 
lassen,  alien  Herren,  die  mich  unterstiitzt  haben,  meinen  herzlichsten  Dank  aus- 
zusprechen,  besonders  den  Herren  Dr.  Kopfermann-Berlin,  Prof.  (reorges-Gotha, 
Dr.  Walt  her- Mannheim  und  Herrn  Schatz-RostocV 

»7' 


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572  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  SingspieL 

lerische  Zauberspuk  hat  wieder  die  Trennung  von  Oper  und  Schauspiel 
herbeigefuhrt.  Die  Schauspiel-  resp.  Opernhauser  wurden  immer  groBer 
gebaut,  bis  sich  zunachst  fur  das  Schauspiel  das  Bedurfnis  nach  kleineren, 
intimeren  Theatern  wieder  geltend  machte.  Klein  waren  die  Theater  des 
18.  Jahrhunderts,  von  denen  im  folgenden  die  Rede  sein  soil,  alle.  Es 
sind  sogar  Baudimensionen  bekannt,  einige  Theater1)  stehen  heute  noch. 
Dieses  deutsche  Singspiel  muB  daher  mit  dem  MaBstab  einer  aus  dem 
Schauspiel  heraus  sich  entwickelnden  Musik  beurteilt  werden.  Denn  mit 
dem  Singspiel  zugleich  entwickelt  sich  die  Schauspieltechnik,  sie  braucht 
noch  heute,  was  man  damals  der  Musik  im  Melodram  (Monodram)  auf- 
biirden  wollte2),  wahrend  die  Singspielmusik  der  sinnlicheren  Gewalt  der 
Italiener  weichen  muBte. 

Der  historische  Verlauf  stellt  sich  also  so  dar,  daB  bei  den  Be- 
strebungen,  dem  Schauspielrepertoire  Abwechslung  innerhalb  asthetischer 
Grenzen  zu  schaffen,  ein  Singspiel  miterschaffen  wird.  Dabei  versucht 
man,  ganz  analog  wie  beim  Schauspiel,  an  heimische  Gebrauche,  an  die 
Schule,  an  allgemein  bekanntere  Dichtungen  und  Gestalten  anzukniipfen. 
In  der  Ausfiihrung  muB  die  Ahnlichkeit  mit  dem  Pastorale  und  mit  fran- 
zosischer  Konversationsphilosophie  so  viel  als  moglich  vermieden  werden. 
Natiirlich  kommt  dabei  audi  viel  Langweiliges  und  Ungeschicktes  heraus. 
Es  ist  vielleicht  typisch,  daB  alles  Sagenhafte,  wie  es  die  Romantik  und 
andere  Richtungen  des  19.  Jahrhunderts  fur  deutsche  Musik  benutzen, 
vermieden  wird.  Das  Milieu  des  ernsten  deutschen  Singspiels  ist  die 
Familie.  Nur  die  den  Franzosen  nachahmende  Richtung  betont  einen 
sozialen  Gegensatz  —  da  ist  er  auch  im  ernsten  Singspiel  —  und  macht 
aus  dem  ganzen  Stuck  den  Beweis  einer  »Sentenz«.  Die&e  Sentenzen- 
poesie  finden  wir  als  uberreifes  Verstandesprodukt  bei  Spaniern,  Italieneni 
und  Franzosen  gleicherweise. 

Das  ernste  deutsche  Singspiel  zeichnet  sich  vor  allem  durch  seine 
Decenz  aus3).  Die  hochsten  Affekte,  von  deren  Wirkung  die  zeit- 
genossischen  Kritiken  berichten,  sind  nicht  in  Sterbe-  und  Trennungs- 
szenen,  sondern  in  solchen  Stellen  zu  suchen  wie  »Ihn  wieder  zu  sehn, 
meinen  Romeo « 4);  also  nicht  elementare  Affekte,  sondern  die  unwillkur- 
lichen  AuBerungen  eines  sorgsam  gehiiteten  und  lange  beherrschten 
Empfindens  wirken.  Gegeniiber  ausliindischen  Vorbildern  wird  ganz  ab- 
sichtlich  das  Liebesleben  der  Hauptpersonen  musikalisch  nicht  offen  aus- 
gesprochen,  erst  Not  und  MiBverstandnis,  auch  Zank  lassen  die  wahren 
Empfindungen  zum  Ausbruch  kommen.     Von  der  Verschwommenheit  der 

1)  U.  a.  das  Theater  im  SchloO  Friedenstein  in  Gotha,  wo  Georg  Benda  wirkto. 

2)  N'amUch  die  langen  Monologe. 

3  Anders  das  siiddeutsche  Singspiel. 

4  Georg  Benda,  » Julie  u.  Romeo «. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deuteche  Singapieh  578 

Romantik  ist,  soweit  die  Musik  in  Betracht  kommt,  noch  nichts  zu  merken, 
auch  der  Dialog  fangt  an,  sich  der  Musik  anzupassen.  Mit  Mozart 
setzt  leider,  yon  diesem  Standpunkt  aus  gesehen,  die  musikalische  Ironie 
vernichtend  iiber  dies  Stiick  deutschen  Gemiitslebens  ein.  Nur  wenn 
man  ein  deutsches  Singspiel  musikalisch  in  dieser  Hinsicht  begreifen  will, 
kann  man  es  schatzen.  Die  Textbucher  beweisen  ubrigens  auch  hier 
wieder,  da8,  wie  in  der  Geschichte  des  Liedes,  die  Musiker  den  Schatz 
deutscher  Empfindung  verstandnisvoller  zu  wahren  wuBten  als  die  Dichter. 
Die  deutschen  Singspiele  des  Dichters  Friedrich  Wilhelm  Gotter 
und  des  Komponisten  Georg  Benda,  beide  in  Gotha,  verdanken  ihre 
Entstehung  besonders  gunstigen  Umstanden,  die  im  folgenden  dargestelit 
werden. 


Die  Entwicklung  der  Musik  bei  der  deutschen  bttrgerlichen  Butane. 

Das  deutsche  Singspiel  ist  aus  einem  Bediirfnis  der  biirgerlichen 
deutschen  Biihne  entstanden.  Der  historische  Verlauf  scheint  folgender 
gewesen  zu  sein:  .  . 

Ein  deutsches  Berufstheater  laBt  sich  etwa  um  1700 l)  erkennen.  Auf 
diesem  wird  teils  der  groBeren  Anziehungskraft  wegen,  teils  bei  groB§rem 
Wohlstand  Zwischenaktsmusik  2J  gemacht.  Musik  hingegen,  die  zum 
Buhnenstuck  hinzutritt,  wird  auf  den  Zetteln  immer  erwahnt.  Sie  ist 
zunachst  Dekorationsstiick,  doch  ist  ihre  Verwendung  mit  der  Zeit 
ziemlich  groB.  Die  Zwischenaktsmusik  hat  es  zu  keiner  bis  jetzt  bekannt 
gewordenen  Literatur  gebracht.  Dagegen  nimmt  die  Manier,  gewisse 
Stiicke  »mit  Singen  und  Tanzen«  zu  beschlieBen,  wahrscheinlich  nach 
franzosischem  Vorbild,  zu;  es  erhalten  sich  derartige  Stiicke  (Moliere, 
Scarron  usw.)  sehr  lange  auf  dem  B-epertoire. 

Weit  bedeutender  ist  die  Verwendung  der  Musik  zum  Tanz  und  zur 
Pantomime.  Sie  hat  uns  hier  nur  insoweit  zu  interessieren,  als  aus  der 
groBen  Zahl  dieser  teilweise  >ernsthaften«  Ballette3)  auf  ein  rhythmisch 
geschultes  Personal  und  gute  Kapellen  geschlossen  werden  muB.  Bis 
zur  »Sing«kunst  war  hier  nur  ein  Schritt.  Selbst  die  Verfertiger  und 
Komponisten  soldier  Handlungstanze  sind,  abgesehen  von  auslandischen 


1)  Vgl.  Carl  Heine  iiber  Johannes  Velten  (Diss.  Halle  1887)  und  die  Wander- 
biihne  (ibid.  1889)  u.  a.  m. 

2)  Es  werden  zwischen  jedem  Aufzuge,  statt  der  Musick,  von  zwey  Kindern 
sehenswiirdige  T'anze  aufgefiihret  werden   27.  Sept.  1741.  Schonemann). 

3,  Eine  Zusammenstellung  nach  Originaltheaterzetteln  s:  Anhang  I. 


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574  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  trod  das  deutsche  Singspiel. 

Ballettmeistern  (Nicolini,  Noverre),  Schauspieler.  Beriihmte  Schauspieler 
begannen  als  Tanzer1). 

Durch  Gottsched  wurde  das  Theater  mit  der  deutschen  Literatur 
verbunden.  v  Es  mangelte*)  indessen  bald  an  Stucken;  auch  wollten  die 
ganz  groBen  Tragodien  nicht  gefallen.  Mit  Kecht  wehrte  sich  Gottsched 
gegen  das  italienische  Harlekinspiel8),  obgleich  er  der  Musik  an  sich 
durchaus  nicht  abgeneigt4)  war.  Er  griff  zum  Schaferspiel  und  brachte 
es  nach  einer  Tragodie  als  zweites  Stiick  des  Abends.  Diese  Zwei- 
teilung  ist  das  wichtigste  Prinzip  der  reformierten  Biihne  ge- 
worden.    Wahrend  namlich  die  Wanderbuhne  gewShnlich: 

1.  Hauptstuck, 

2.  Tanz, 

3.  Nachspiel  (ulkig) 

brachte,  trat  mit  Gottsched's  Reform  ein  nach  alien  Seiten  befriedigendes 
Theater  ins  Leben.  Freilich  blieb  auch  jetzt  die  notige  Produktion  des 
Schaferspiels  aus,  aber  es  fanden  sich  doch  bald  geniigend  Schauspiele, 
die,  entweder  gekiirzt  oder  gleich  so  geschrieben,  zu  zweit  an  einem 
Abend  aufgefiihrt  wurden.  Innerhalb  dieses  Schemas  trat  das  Singspiel 
dann  an  zweite  Stelle  und  verdrangte  den  Tanz  resp.  das  Ballett.  Das 
Schema  lautet  nun: 

Schauspiel  ,  Schauspiel 

Schauspiel  Singspiel. 

Schon  einige  Gr^try'sche  und  italienische  Singspiele  iiberschreiten 
dann  den  zeitlichen  Umfang  solcher  Einteilung,  aber  erst  die  »Zauberflote« 
zerstort  definitiv  den  Zusammenhang  zwischen  Schauspiel  und  Singspiel. 
Der  Untergang  des  Singspiels  ist  dadurch  ebenso  bedingt,  wie  durch  die 
groBen  Leistungen  Mozart's  usw.  erklart. 

Auf  der  mittelalterlichen  Biihne  ist  die  Musik  entweder  der  Kirchen- 
musik  entnommen  oder  dramatisch  unwesentlich 5).  Auch  sonstige  Stich- 
proben  ergeben  kein  Besultat  bez.  der  Verwendung  der  Musik.  Z.  B.  ist: 
Olla  potrida  des  durchgetriebenen  Fuchsmundi  (1711)  von  J.  A.  Stranitzky, 
65  Szenen  mit  etwa  20  Liedeinlagen,  die  nach  Gottsched  von  Schauspielern 
viel  zum  Vortrag  benutzt  wurden,  kein  Original,  wie  R.  M.  Werner6)  nach- 
gewiesen  hat,  sondern,  wie  das  meiste  Deutsche,  TJbersetzungen  aus  dem 
Italienischen.  Die  bekannten  Harlekinaden  fallen  hier  weg,  weil  sie  alles 
auf  eine  oder  wenige  Melodien  gesungen  bringen:  da  kann,  trotz  des  spaB- 
haften  Charakters,  von  musik dramatischer  Form  nicht  die  Rede  sein. 


1)  z.  B.  Schroder. 

2)  Neuber  an  Gottsched. 

3)  Auch  Ri c  c ob  o  n i  und  viele  andre  auCern  sich  entrustet  liber  diese  unflatige Pigur. 
4]  Seine  >Atalanta<  wurde  mit  Musik  (Lied)  aufgefiihrt. 

5;  S.  Creizenach,  dagegen  sind  Lieder  der  Maria  Magdalena,  der  Sunderin,  er- 
wahnt,  die  fast  dramatischen  Zweck  haben.f?) 

6)  Wiener  Neudrucke.    Demnach  aus  Gherardi'e  Theatre  italien  entnommen. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  575 

Die  geistigen  Stromungen,  welche  der  Erschaffung  eines  Singspiels 
vorangehen,  Bind  leicht  gekennzeichnet:  Auf  der  einen  Seite  der  HaB 
gegen  die  italienische  Oper,  auf  der  andern  Seite  der  Gedankenreichtum 
der  franzosischen  Aufklarung.  In  beiden  Fallen  wird  nichts  geleistet, 
weil  einer  nutzbringenden  Asthetik  die  wichtigste  Grnndlage  fehlt, 
standige  Theatervorstellungen.  Manche  Unternebmungen  werden  vielver- 
sprechend  eroffnet  und  geben  aus  finanziellen  Griinden  unter. 

Das  Repertoire  des  18.  Jahrhunderts,  welches  sehr  viel  franzosische 
Stiicke  enthielt,  fand  nun  in  Lessing's  Stticken,  in  seiner  Anwendung 
des  Blankverses  und  in  seiner  erfolgreichen  Hinweisung  auf  die  englische 
Biihne  neue,  ausgiebige  Nabrung.  DaB  aber  damals  mit  englischen 
Stiicken  auch  ein  englisches  Singspiel1)  mit  zu  uns  heriibergekommen 
sein  soil,  ist  falsch.  Man  ging  wohl  bei  dieser  Annabme  von  der  fie- 
merkung  auf  den  Theaterzetteln  aus:  »Erster  Versuch  vom  Gebrauch  des 
englischen  Theaters*.  Einmal  wird  das  bekannte  angebliche  Singspiel 
>Teufel  ist  los«  aber  als  Lustspiel  aufgefiihrt,  und  dann  befindet  sich 
ebengenannte  Bemerkung  schon  vorher  auf  den  Theaterzetteln  bei  Auf- 
fiihrung  englischer  Schauspiele.  Auch  die  Kritiken  spaterer  Zeiten, 
und  Schroder's  Mitteilungen  lassen  diese  Stiicke  als  nicht  wertvoll  er- 
scheinen.  Gut  war  daran  nur  die  Handlung,  die  das  bekannte  Motiv 
der  Zahmung  einer  bosen  Frau  darstellt.  Die  wenigen  anderen,  mit 
Musik  versehenen  Stiicke1),  die  ich  auf  Originaltheaterzetteln  verzeichnet 
fand,  sind  gleichfalls  wertlos.    Die  Musik  war  hier  nur  Aushangeschild. 

Unterdessen  mehrten  sich  die  Schauspieltruppen  und  nahmen  sich  das 
Brot  weg.  Da  wollte  es  der  Zufall,  daB  ein  bereits  erfolgreicher  Schau- 
spieldichter,  Christian  Felix  WeiBe,  der,  durch  die  Kriegsverhaltnisse  in 
Sachsen  gezwungen,  die  Begleitung  eines  Aristokraten  ins  Ausland  iiber- 
nommen  hatte,  in  Paris  Favart'sche  Singspiele  sah  und  ihre  Verpflanzung 
nach  Deutschland  anregte.  Wie  einst  Gottsched  der  Neuberin  von  Leip- 
zig aus  zu  Hilfe  gekommen  war,  so  erschienen  WeiBe  und  der  Thomas- 
kantor  Hiller  dem  bedrangten  Schauspieldirektor  Gottfried  Heinrich 
Koch  mit  ihren  Singspielen  als  Retter  in  der  Not. 

Diese  Bettung  bleibt  das  Verdienst  der  WeiBe-Hiller.  Das  fran- 
zosische Singspiel  selbst  dagegen  wurde  in  Deutschland  bereits  mehrfach, 
und  sogar  franzosisch  ausgefiihrt.  Besonders  verdienstlich  f iir  die  Uber- 
setzungen  hat  sich  Theobald  Marc  hand  mit  seiner  Truppe  gemacht  — 
Die  Favartfschen  Singspiele  wurden  behandelt  von  Auguste  Font.  Sie 
sind  dort  mit  Becht  niedriger  gehangen  worden.  Leider  kann  hier  auf 
feinere  Unterschiede  nicht  hingewiesen  werden,  doch  geniigt  es  vielleicht, 
zu  bemerken,  daB  Gr£try'sche  Singspiele  textlich  und  musikalisch  den 
Favart'schen  Singspielen  iiberlegen  sind.     Gr£try  war  in  Italien  gewesen. 

1)  S.  Anhang  II. 


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576  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

—  1766  gelangt,  abgesehen  von  vereinzelten,  noch  nicht  aufgeklarten 
Bestrebungen,  das  erste  Singspiel  »Lisuart  und  Dariolette*  von  Weifte- 
Hiller  am  Dienstag,  den  25.  November  1766  in  Leipzig  im  Theater  am 
Ranstatter  Thor  von  der  Truppe  des  Gottfried  Heinrich  Koch  zur  Auf- 
fiihrung.  Hier  stocken  die  Mitteilungen,  denn  die  ersten  Theaterzettel 
aus  jener  Zeit  sind  bis  jetzt  unaufiindbar. 

Fur  das  deutsche  Singspiel  schien  eine  zeitlang  Weimar1)  der  geistige 
Mittelpunkt  und  Anfang  werden  zu  sollen.  Die  berlihmte  Truppe  des  Abel 
Seyler  hatte  dort  bereits  ihren  standigen  Kapellmeister,  Anton  Schweitzer, 
und  das  Gliick  wollte  es,  daB  Wieland  sich  fiir  eine  deutsche  Oper  be- 
geisterte.  Solche  Bestrebungen  sind  nicht  selten  in  jener  Zeit,  gehen  aber 
vielmehr  aus  langst  erhobenen  theoretischen  Forderungen  hervor,  als  aus 
einem  wirklichen  Bediirfnis  resp.  Verstandnis.  Schon  die  Stoffwahl  der 
>Alceste«  als  einer  deutschen  Oper  beruhrt  merkwiirdig,  die  > Rosamund* 
ist  stofflich  eher  deutsch  zu  nennen:  dieser  Oper  schadete  es  sehr,  daB 
ihre  am  11.  Januar  1778  in  Mannheim  angesetzte  Auffiihrung  durch 
den  Tod  des  Kurflirsten  verhindert  wurde.  Noch  ist  zu  erwahnen  der 
»Giinther  von  Schwarzburg*  von  Holzbauer,  gleichfalls  als  deutsches 
Singspiel  resp.  Oper  gemeint.  Hermann  Kretzschmar  hat  die  Partitur 
herausgegeben  und  die  Oper  ganz  offen  als  eine  Bliite  der  italienischen 
Oper  bezeichnet. 

1774  brannte  in  Weimar  das  SchloB  mit  dem  Theater  nieder,  die 
Truppe  des  Abel  Seyler  fliichtete,  rait  den  besten  Empfehlungen  des 
Weimarer  Hofes  versehen,  nach  Gotha  und  wurde  dort  nach  kurzer  Zeit 
in  ihren  wesentlichen  Bestandteilen  der  Grundstock  des  ersten  deut- 
schen stehenden  Hoftheaters. 

1775 — 79  hat  dieses  Theater  unter  glanzenden  Auspizien  bestanden. 
Hier  fanden  Georg  Benda,  seit  1750  Hofkapelldirigent2),  und  der  Dichter 
Friedrich  Wilhelm  G otter,  ein  geborener  Gothaer  und  im  hoheren  Justiz- 
fach  angestellt,  die  so  notige  dauernde  Anregung  durch  eine  lebendige 
Biihne;  innerhalb  dieses  Zeitraums  schufen  beide  diejenigen  Werke,  von 
denen  im  nachfolgenden  geredet  werden  soil. 

Georg  Benda  ist  geboren  am  30.  Juni  1722,  nach  einer  bohmisclien 
Matrikel  von  Neubenatek,  die  mit  dem  Jahr  1722  beginnen,  in  Altbena- 
tek  in  Bohmen.  Der  Name  Benda  ist  in  der  Musikerwelt  so  zahlreich 
vertreten,  daB  eine  Biographie  von  Georg  Benda  nur  auf  Grund  authen- 
tischer  Belege  gebracht  werden  konnte3).  Was  Benda's  Tatigkeit  fiir 
das  Theater  anbelangt,  so  ist  nur  folgendes  als  sicher  hervorzuheben: 

l;  Hi  Her  widmete  seine  >Jagd<  der  Herzogin  Anna  Amalie  v.  Sachsen- Weimar- 
Eisenach,  das  Werk  wurde  auch  dort  zuerst  am  29.  Januar  1770  von  der  Koch'schen 
Truppe  aufgefuhrt.  2)  Erst  sp'ater  Hofkapelldirektor. 

3  Dies  wird  fur  seine  Stellung  als  Kammer-  und  Kirchenkomponiat  wichtig  sein. 
Die  Verwechslungen  der  einzelnen  » Benda «  konnen  hier  nicht  registriert  werden. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  577 

Der  Konig  von  PreuBen  fand  in  Franz  Benda,  aus  derselben  Familie 
der  Bendas,  eine  ihm  so  zusagende  Personlichkeit,  daB  er  ihn  an  das 
erste  Geigenpult  seines  Orchesters  berief.  Entweder  hat  er  nun  selbst 
andere  Glieder  dieser  Familie  nach  Berlin  kommen  lassen,  oder  diese 
kaben  solchen  AnlaB  dazu  benutzt,  genug,  Georg  Benda  ist  1740  bestimmt 
in  Berlin  und  laBt  dort  auch  Kompositionen  (nicht  dramatisch)  erscheinen. 

1749  stirbt  in  Gotha  der  Kapellmeister  Stolzel.  Die  nahen  Be- 
ziehungen  zwischen  dem  gothaischen  und  preuBischen  Hofe  haben  jeden- 
falls  dazu  beigetragen,  Georg  Benda  an  diese  Stelle  gelangen  zu  lassen. 
Schon  in  Stolzel  hatte  der  Gothaer  Hof  einen  ausgezeichneten  Kompo- 
nisten  und  Orchesterchef  gehabt;  Benda  fuhr  in  diesen  Bahnen  sehr  er- 
folgreich  fort  und  erwarb  sich  namentlich  durch  seine  Kirchenmusik  Ruf 
und  Ansehen.  Er  war  auch  selbst  Virtuos  auf  verschiedenen  Instrumenten. 
Die  finanzielle  Lage  des  Herzogtums  erlaubte  es,  wohl  noch  eher  als  dem 
Weimarer  Hofe,  manche  Summe  ftir  exotische  Porzellane,  astronomische 
.Studien  und  fur  souverane  Zeitungen  auszugeben.  So  sandte  man  auch 
Georg  Benda  nach  Italien  mit  der  bedeutenden  Summe  von  1000  Talern, 
um  sich  in  der  Opernkomposition  zu  vervollkommnen.  Benda  lieferte 
nun  auch  eine  italienische  Oper  und  ein  ebensolches  Intermezzo  und 
dirigierte  verschiedene  italienische  Intermezzi  bedeutender  Meister  in 
Gotha,  aber  seine  Abneigung  gegen  die  italienische  Oper  lieB  keine  nach- 
haltigen  Resultate  hervorgehen. 

Es  vergingen  mehrere  Jahre.  Benda  wurde  53  Jahre  und  war  bereits 
25  Jahre  im  Dienst,  als  die  Ankunft  der  Seyler'schen  Truppe  und  die 
Errichtung  eines  Hoftheaters  seine  bereits  anerkannte  dramatische  Kom- 
positionsfahigkeit  in  FluB  brachte.  Innerhalb  der  Jahre  1775 — 78  schrieb 
er  in  Gotha  seine  erfolgreichsten  Werke.  1778  nahm  er  plotzlich,  mit 
Verzicht  auf  seine  Pension,  seinen  Abschied.  Die  vielen  VerdrieBlich- 
keiten,  die  den  Herzog  1779  bestimmten,  sein  Hof  theater  wieder  auf- 
zulosen,  warfen  schon  hier  ihre  Schatten  voraus.  Jedenfalls  trug  zu 
diesem  EntschluB  die  Personlichkeit  Anton  Schweitzer's1)  das  meiste  bei. 

Wesentliche  Bestandteile  des  Gothaer  Hoftheaters  gingen  in  das 
Schroder  sche  Unternehmen  in  Hamburg  und  in  das  Dalberg'sche  in  Mann- 
heim iiber.  Deshalb  treffen  wir  auch  1778  Georg  Benda  in  Hamburg, 
1779  reist  er  nach  Wien,  wo  er  ein  neues  Werk  auf  die  Hofbiihne  bringt, 
1781  ist  er  in  Paris,  wo  er  Auffiihrungen  seiner  Werke  beiwohnt,  schlieB- 
lich  1784  in  Mannheim,  wo  er  Abschied  von  der  Buhne  nimmt. 

Die  Zeit  hat  sich  unterdessen  verandert,  Benda  denkt  an  sein  musi- 
kalisches  Testament,  nimmt  die  ihm  zustehende  Gothaer  Pension  jetzt 
willig  an  und  lebt  fur  sich,  abwechselnd  in  Ronneburg,  Ohrdruff,  Georgen- 


1}  s.  u.  a.  Ekhof'8  Quittungsbuch  ;Goth.  Hofbibl.) 


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578  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

thai  und  Kostritz.  In  Kostritz  stirbt .  er  am  6.  Nov.  1795,  nachdem  er 
die  franzosische  Revolution  noch  miterlebt  hatte. 

Der  neuen  Zeit  sich  als  Dramatiker  anzuschlieBen  gelang  ihm  nicht 
Noch  1783  hatte  er  seine  dramatischen  Prinzipien  in  einem  Aufsatz  »iiber 
das  einfache  Rezitativ«  wortlich  fixiert  und  den  Grundsatz  seiner  dia- 
logisierten  Singspiele  mit  den  Worten  ausgesprochen :  .  .  .  »nur  von  der 
Wahrheit  des  Satzes  kann  ich  mich  nicht  abbringen  lassen: 
die  Musik  verliehrt  selbst,  wo  man  ihr  alles  opfert1).*  Spater 
wandte  er  sich  von  der  Biihne  ganz  ab,  nachdem  er  sich  in  seinem  letzten 
Werke2)  mit  seinem  Dichter  Gotter  nicht  mehr  recht  verstandigen  konnte. 
Am  Ende  seines  Lebens  wurde  er  noch  wankend  in  seinen  Prinzipien, 
und  wollte  seine  >  Julie  und  Romeo «-Partitur  ins  Italienische  ubersetzt  und 
mit  Rezitativen  versehen  wissen2),  ein  letzter  Beweis,  daQ  das  deutsche 
Singspiel  auch  geistig  sich  dem  Untergang  zugeneigt  hatte. 

Suchen  wir  nach  den  typischen  geistigen  Voraussetzungen,  von  welehen 
ein  deutsches  ernstes  Singspiel  im  18.  Jahrhundert  ausging,  so  finden  sich 
vornehmlich  zwei  Richtungen  vertreten:  die  eine  Richtung  ist  total  un- 
musikalisch:  wenn  sie  daher  Musik  im  Biihnenstiick  einfiigen  will,  so  muB 
sie  damit  entweder  eine  moralische  Befriedigung  erleben,  oder  es  muB 
ein  solches  Lied  derart  »vorbereitet«  aus  dem  Dialog  in  die  Musik  treten, 
dafi  es  natiirlich  dann  nur  noch  die  Handlung  *auf halten  kann. 

Beide  Tatsachen  sind  leicht  zu  erklaren:  Das  merkwiirdige  Be- 
diirfnis  des  18.  Jahrhunderts,  sich  gegen  die  Endresultate  der  franzosischen 
Aufklarung  durch  ein  lacherliches  Verbinden  jeder  Materie  mit  Moral 
und  angeblicher  Lebensweisheit  zu  wehren,  fiihrt  auch  Chr.  Felix  Wei  Be 
dazu,  statt  einfach  eine  Nachahmung  ruhig  einzugestehen,   nachtraglich 

folgende  Motivierung  fiir  seine  Singspiele  zu  finden:    > er  hoffte, 

dafi  das  allgemeine  und  gesellschaftliche  Vergniigen  wiirde 
befordert  werden.  Es  schien  ihm  fiir  die  Deutschen  vorteil- 
haft,  wenn  sie  zura  gesellschaftlichen  Gesang  angeleitet 
wiirden.c  Diese  aus  seiner  nachgelassenen  Selbstbiographie  stammenden 
Worte  stimmen  mit  der  Wirkung  dieser  Singspiele  tatsachlich  uberein, 
nur  ist  der  innere  Grund  ein  ganz  anderer:  es  hatte  einige  Jahre  vorher 
eine  volkstiimliche  Liedbewegung  eingesetzt,  und  da  diese  Singspiellieder 
meist  in  sich  abgeschlossen  und  mit  einer  bestimmten  Handlung  nicht 
eng  verbunden  waren,  wurden  sie  viel  gesungen  und  hielten  aus  diesem 
Grunde  die  Handlung  mit  auf  dem  Repertoire.  Benda's  Singspiele  da- 
gegen  sind  popular  gewesen,  ohne  dafi  seine  Lieder8)  »Gesellschafts- 
gesang*  wurden. 

1)  s.  Anhang  IV.  2)  s.  Anhang  V.    Briefe  Benda's  an  Gotter. 

3)  Ein  neuer  Beweis  dafur  in  Fried  lander's  unterdessen  erschienener  Geschichte 
des  deutschen  Liedes  im  18.  Jahrhundert. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  579 

Eine  weitere  Yeranlassung  hatte  diese  unmusikalische  Bichtung  in  der 
damaligen  Dialogtechnik  des  Schauspiels.  Aus  der  scholastischen  Zeit 
ist  eine  unangenehme,  breite  Rhetorik  iibrig  geblieben.  Man  meinte  nun, 
namentlich  vor  der  Zeit  der  Stiirmer  und  Dranger,  alles  durch  moglichst 
viel  Worte  und  lange,  allgemein  gehaltene  Satze  deutlich  zu  machen,  so 
daB  sich  einige  Verfertiger  von  Singspielen  sogar  rtthmen,  WeiBe  tiber- 
troffen  zu  haben  dadurch,  daB  sie  jedes  Lied  endlos  lang  im  Dialog  vor* 
bereiteten. 

Diesen  Tatsachen  steht  die  musikalische  Bichtung  diametral  gegen- 
iiber.  Es  sind  die  Musiker  und  Regisseure,  die  hier  in  Dichtung,  Dialog 
und  Lied  eingreifen.  An  den  Benda'schen  Singspielen  sind  derartige 
Bestrebungen  und  Yerbesserungen  durchgehends  zu  beobachten. 

Friedrich  Wilhelm  Gotter  war  in  "Wetzlar  Mitglied  jener  bekannten 
Tafelrunde  gewesen,  an  der  auch  Goethe  teilgenommen  hatte.  Nach 
Gotha  zuriickgekehrt,  fand  er  Anstellung  im  Justizamt,  versaumte  aber 
deshalb  nicht,  sich  an  Theatervorstellungen  zu  beteiligen,  deren  Leiter 
er  bald  wurde.  Dies  alles  hat  Rudolf  Schlosser.in  seiner  Biographie *) 
Gotter's  erschopfend  dargestellt.  Fur  uns  ist  es  hier  nur  wichtig,  zu  be- 
tonen,  daB  franzosische  Bildung  und  Sprache  am  Gothaer  Hofe  sehr 
beliebt  war  und  sich  namentlich  auf  das  erwahnte  Liebhabertheater 
erstreckte.  Rousseau  war  bekannt.  Weiter  hatte  Hiller  in  Leipzig  1765 
eine  fiir  die  Asthetik  bemerkenswerte  Zeitung:  » Wochentliche  Nachrichten 
und  Anmerkungen  die  Musik  betreffend*  angefangen,  in  der  unterm 
5.  August  1766  eine  umfangreiche  Kritik  iiber  die  schon  erwahnte 
italienische  Oper  Benda's  erschien.  Diese  Zeitung  bringt  ganze  Ausziige 
aus  Rousseau's  Dictionnaire  musical,  so  daB  Rousseau  also  selbst  in 
Musikerkreisen  langst  bekannt  war.  Damit  ist  die  Frage,  ob  Benda 
Rousseau  gekannt  hat,  bestimmt  zu  bejahen. 

Es  ist  nun  merkwurdig,  daB  in  Leipzig  das  Singspiel  und  in  Gotha 
das  Monodram  aus  franzosischer  Anregung  hervorgeht.  Das  Nahere 
wiirde  eine  Untersuchung  fiir  sich  ausmachen.  Hier  muB  nur  erwahnt 
werden,  daB  die  scfcne  lyrique  »Pygmalion«  von  Rousseau  in  Deutschland 
bekannt  war,  daB  Melodramen  schon  vor  Benda  geschrieben  und  kom- 
poniert  wurden,  daB  aber  Benda  mit  seiner  >  Ariadne  und  Medea «  eine 
Stilgattung  fand,  die  mit  der  Rousseau'schen  Erfindung  nur  das  AuBere 
gemein  hat.  Die  Monodramen  Benda's  sind  nur  Stilproben,  durch  die 
er  sich  auf  das  Singspiel  vorbereitet,  ihr  Erfolg  ist  der  zufalligen  meister- 
haften  Darstellung  zu  verdanken. 

Georg  Benda  schrieb  13  Werke  fiir  die  Btihne: 

1)  In  Litzmann's  theatergeschichtlichen  Sammlungen,  auf  die  ich  auch  sonst  oft 
zuriickgreifen  muCte. 


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580  Fritz  Briickner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Auszu8cheiden  sind: 

Xi.ndo  riconosciuto.    Italienische  Oper.    Aufgefiihrt  am  10.   August  1765 

in  Gotha  zum  Geburtstage  der  Herzogin  Luise  Dorothea  von  Gotha. 
II  buon  marito.    Intermezzo.    Aufgefiihrt  1766  in  Gotha. 
Der  Findling.    Kinderoperette.    (Auf  dem  Repertoire  fand  ich  nur  ein  Scbau- 

spiel  desselben  Namens  viel  aufgefiihrt.) 
Cephalus  undProkris,  Melodram  von  C.  W.  Ramler,  Auffiihrung  im  Kon- 

zert  des  Kammermusikus  Fr.  Westenholz,  Berlin , Montag  25. November  1805, 

auf  der  Biihne  mit  anderer  Musik  gegeben. 
Philon  und  Theone.    Melodram,  urspriinglich  »Almansor  und  Nadine«  be- 

titelt,  im  Wiener  k.  k.  National-Hoftheater  n'achst  der  Burg  im  Juli  1779 

aufgefiihrt. 

Bedeutend  sind  die  folgenden  Werke: 

Ariadne1;.     Monodram.     (Text    von    J.   Chr.  Bran  des.)     Erste   Auff  iihrung 

Freitag,  27.  Januar  1775  in  Gotha  im  SchloCtheater  am  Ballhause  von  der 

Truppe  des  Abel  Seyler. 
Der  Dorfjahrmarkt  (Jahrmarkt:  »Lucas  und  Barbchenc).    Singspiel.    Unter 

verschiedenen  Titeln  ein-  und  zweiaktig  aufgefiihrt,  Text  von  Fr.  W.  G otter. 

Zuerst  gegeben  am  Freitag,  den  10.  Februar  1775  in  Gotha  im  selben  Theater 

wie  das  vorhergehende. 
Medea.    Monodram1).    Text  von  Fr.  W.  Gotter.    Erste  Auff  iihrung  in  Leipzig, 

im  Koch'schen  Theater,   unter  Direktion   von  Abel  Seyler,    am  Montag. 

1.  Mai  1775. 
W  alder.      Singspiel1).      Text    nach    »Sylvainc    von    Marmontel-Gretry    von 

Fr.  W.   Gotter.    Erste  Auffiihrung:  Gotha,  Freitag  den  23.  Februar  1776 

im  herzoglichen  Hoftheater. 
Julie  und  Romeo.    Singspiel1).    Text  von  Fr.  W.  Gotter  nach  Shakespeare. 

Erste  Auffiihrung  Mittwoch,  25.  September  1776  im  Gothaer  Hoftheater. 
DerHolzhauer.    Singspiel l) .    Text  von  Fr .  W.  G  o  1 1  e  r  nach  Perrault .   Erste 

Auffiihrung:  Gotha,  Hoftheater,  Freitag,  2.  Januar  1778. 
Pygmalion.    Monodram.    Text  nach  Rousseau  von  Fr.  W.  Gotter.    Erste 

Auffiihrung  Montag,  den  20.  September  1779  im  Gothaer  Hoftheater. 
Das  tartarische  Gesetz.     Singspiel.    Text  von  Fn  "W.  Gotter  nach  den 

»gliicklichen    Bettlernt    von    Gozzi.      Erste    Auffiihrung    in    Hamburg,  im 

Schroder 'sch en  Theater  am  Gansemarkt  am  19.  Juli  1780. 

Wichtig  fur  das  Repertoire  des  18.  Jahrhunderts  sind  geworden: 

Ariadne. 

Medea  (Originalpartitur:  Bibl.  Berol.  mscr.  1352;. 
Dorfjahrmarkt    Originalpartitur:  Bibl.  Berol.  mscr.  1358). 
Julie  und  Romeo  (Originalpartitur:  Bibl.  Berol.  mscr.  1354 b;. 

n. 

Die  Monodramen  Benda's. 

Das   Wort  Melodram  hat  zu  bedenklichen  Verwechslungen  gefiihrt 
Melodramma  per  viusica  ist  die  Bezeichnung  fur  Oper. 


V  Uber  die  Bezeichnungen  Monodram,  Melodram,  Singspiel  s.  sp'ater,  iibcr  Erst- 
auffuhrungen  8.  Anhang  III. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Bend  a  und  das  deutsche  Singspiel.  581 

Als  dramatische  Gattung  genommeh  existieren  Melodramen  nicht. 
Musik  und  gesprochenes  Wort  gleichzeitig  durchgehends  auf  der  Biihne 
verwendet,  wirkt  storend.  Dagegen  hat  man  melodramatische  Einzelheiten 
gern  gebraucht,  um  das  Seccorezitativ  zu  vermeiden. 

Fur  das  18.  Jahrhundert  liegt  die  Erkl&rung  fiir  die  Melodramen  auf 
dem  Theater  in  der  intimen  Vdrfassung  der  kleinen  Theater  und  dem 
schwachbesetzten  Orchester.  Die  Musik  ist  dabei  vollkommen  Neben- 
sache,  es  handelt  sich  lediglich  um  die  dramatisch  wichtigste  Stelle  fiir 
die  Heroine,  dazu  um  eine  Kraftprobe  der  Empfindung  und  der  Lunge, 
kurz,  um  eine  Greneralprobe  fiir  eine  neue  Kunst.  Es  erweist  sich  dies 
aus  dem  Schauspielrepertoire  der  damaligen  Zeit.  Allerdings  war  man 
in  der  theatralischen  Kunst  iiber  die  gr5bsten  Unanstandigkeiten 
hinaus,  man  hatte  dafiir  aber  zwei  Dinge  eingetauscht,  die  nicht 
weniger  unangenehm  waren.  Auf  der  einen  Seite  die  Tendenz:  z.  B. 
wird  ein  Spieler  nicht  derart  dargestellt,  um  durch  den  Konflikt  von 
Leidenschaft  und  Leben  zu  erschuttern  und  dadurch  eventuell  zu  be- 
lehren,  sondern  es  wird,  lediglich  um  zu  belehren,  der  Typus  »gemalt«. 
Einem  solchen  Bediirfnis,  zu  malen,  ist  auch  das  Monodram  zu  ver- 
danken,  nur  fiigten  es  da  die  Umstande  und  bedeutenden  Talente  anders. 
Auf  der  andern  Seite  wurden  Empfindungen  kultiviert  und  nach  be- 
stimmten  Rezepten  den  rhetorischen  Dialogen  beigegeben.  Dies  fiihrte 
in  der  ganzen  Literatur  schlieBlich  zu  der  bekannten  Empfindungs- 
meierei1). 

Da  gelang  es,  aus  lebendiger  Biihne  Leidenschaft  zu  gebaren.  Schon 
» Ariadne*  schlug  neue,  kraftige  Tone  an,  aber  erst  mit  der  > Medea « 
feierte  die  deutsche  Schauspielkunst  einen  entscheidenden  Sieg.  Was 
hatte  nun  eine  » Medea*  noch  mit  den  lyrischen  und  philosophischen 
Spekulationen  eines  Rousseau'schen  » Pygmalion*  zu  tun? 

Von  Benda's  Musik  zu  diesen  Monodramen  ist  in  den  Kritiken  weniger 
die  Rede.  Die  Musik  leistete  hier  eben  ganz  andere  als  asthetische  Dienste. 
Sie  vermochte  nur,  der  Stimme  einer  Medea  soviel  Untergrund  zu  geben, 
daB  sie  Steigerungen  anwenden  konnte,  die,  ohne  musikalischen  Hinter- 
grund,  zu  grell  und  gellend  gewirkt  batten. 

Wenn  wir  die  Texte  der  Benda'schen  Monodramen  betrachten,  so  sind 
es  im  wesentlichen  Monologstudien.  Ihre  Wirkung  nach  dieser  Richtung 
auf  die  Schauspieldichter  ist  sehr  groB  gewesen. 

Alle  diese  Grrunde  fiihren  mich  dazu,  diese  Stiicke,  bei 
denen  die  Musik  nur  eine  Nebenrolle  spielt,  nicht  Melo-,  son- 
dern Monodramen  zu  nennen.  Es  sind  allerdings  Versuche  gemacht 
worden,   solchen  AVerken   eine  ganze  dramatische  Form  zu  geben;    man 

1)  Soldier  muBte  sich  selbst  Schiller  fugen:  man  sehe  sein  Vorwort  zu  seiner 
»Raiiber<auffuhrung  auf  den  Theaterzetteln. 


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582  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  and  das  deuteche  Singspiel. 

fiigte  irgend  eine  Person  zu  und  nannte  es  dann  Duodram.  Dariiber  hat 
sich  Kotzebue  in  seiner  Parodie  der  Bendaischen  Ariadne  lustig  gemacht. 
indem  er  sie  Triodrama  nennt.  Ernster  war  der  Yersuch  des  Dichters 
einer  »Sophonisbe«.  Dieser  empfand  es  wenigstens,  daB  ein  Einfiigen 
der  gesamten  Vorfabel  in  den  Monolog  unkunstlerisch  war,  und  schrieb 
einen  ausgezeichneten  Yersprolog.  Leider  ignorierte  man,  wie  er  klagi. 
solche  Prologe  bei  Auff lihrungen.  Indessen  fiihrte  damals  das  Monodram 
immerhin  zur  besseren  Ausniitzong  musikalischer  Krafte,  wobei  nicht  zu 
verkennen  ist,  daB  hier  ein  wesentlich  besserer  Gebrauch  von  der  Musik 
gemacht  wird,  als  bei  der  Zwischenaktsmusik. 

SchlieBlich  muB  noch  erwahnt  werden,  wie  Benda  auf  die  Monodram- 
komposition  kam.  Der  Schauspieler  J.  Chr.  Brandes1),  dessen  Frau  und 
namentlich  Tochter  eine  groBe  Rolle  in  der  Theatergeschichte  gespielt 
haben,  berichtet,  dafi  er  eine  >  Ariadne «  fur  seine  Frau  nach  einem 
Gerstenberg'schen  Gedicht  schrieb  und  yon  Schweitzer  komponieren  lieB. 
Das  war  also  noch  in  der  Zeit,  als  die  Seyler.sche  Truppe  in  Weimar 
war.  Diese  Musik  soil  Schweitzer  aber  zur  »Alceste«  verwendet  haben. 
In  Gotha  hat  er  den  Text  Georg  Benda  angeboten.  Was  daran  wahr 
ist,  muBte  eine  Schweitzer-Forschung  ergeben.  Wichtiger  ist  die  Nach- 
richt  von  anderer  Seite,  daB  Benda  durch  das  eigentiimliche  Organ  der 
Frau  Brandes  zu  einem  solchen  Yersuch  angeregt  worden  sei. 

Ariadne  auf  Naxos. 

Der  Ariadnestoff  ist  in  der  Operngeschichte  oft  und  von  groBen 
Meistern  behandelt  worden.  Gleich  zu  Beginn  der  Oper  schreibt  Monte- 
verdi 1608  ein  Werk,  dessen  Wirkungen  in  einer  groBen  Lamento- 
literatur  zu  verfolgen  sind.  Das  verlassene  Weib,  das  in  liebender  Ftir- 
sorge  den  Helden  rettete,  war  in  seinen  Klagen  gewiB  ein  jederzeit  tief- 
riihrendes,  anziehendes  Problem. 

Es  muB  dem  Textverfasser  Brandes  auch  irgend  solch'  alter  Text  vor- 
gelegen  haben,  denn  seine  dem  Diodor  angeblich  entnommene2)  Fabel 
entspricht  dem  Text  nicht.  Zu  einer  kritischen  Arbeit,  wie  der  Stoff  in 
der  Operngeschichte  verwendet  worden  ist,  bediirfte  es  einer,  sonst  recht 
lohnenden  literarischen  Vorarbeit.  Mir  scheint,  daB  musikalisch  die  einen 
von  den  Klagen  der  verlassenen  Ariadne  ausgehen  —  die  Italiener  gehen 
da  immer  medias  in  res;  —  die  andern  das  Erwachen  der  Ahnungslosen 
mit  ihren  Konsequenzen  malen.     Letzteres  wird  hier  der  Fall  sein. 

Das  Monodram  zerfallt  in  3  Teile:  1.  Theseus  nimmt  von  der 
schlafenden  Ariadne  Abschied.  2.  Ariadne  erwacht,  erinnert  sich,  angstigt 
sich,  sucht.     3.  Ariadne  springt  ins  Meer3). 

1)  Selbstbiographie,  Berlin,  Maurer  1800,  unzuverlassig. 

2)  S.  Textvorrede. 

3)  Dies  letzte  Bild  malte  Schroder  in  Hamburg  auf  seinen  Theatervorhang ! 


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Fritz  Bruckner,  Q-eorg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  583 

Der  erste  und  letzte  Teil  sind  oberflachlich  ausgefuhrt.  Mit  Recht 
setzt  die  schon  erwahnte  Parodie1)  vonKotzebue  besonders  da  ein,  als 
eine  unsichtbare  Oreade  der  Ariadne  den  Weggang  des  Theseus  mitteilt 
und,  unklar  mystisch,  sie  auffordert,  als  Stthne  fiir  die  Gottheit  ins  Wasser 
zu  springen.  Auch  im  Mittelteile  hat  die  Dichtung  groBe  Fehler.  Statt 
hier  dem  Komponisten  ganze  aufsteigende  Empfindungslinien  zu  bieten, 
redet  Ariadne  von  Sonne  und  herrlicher  Gegend  und  gleich  darauf  von 
schaudervoller  Wildnis.  Diese  konditionellen  Empfindungen  (meist  immer 
in  Hinblick  auf  den  Geliebten),  das  Schonste  h&Blich  und  das  HaBlichste 
schon  zu  finden,  sind  ein  schwerer  Schaden  fttr  den  Komponisten.  Trotz 
alledem  steckt  aber  ein  deutscher  Kern  in  dem  Stuck.  Bei  der  ent- 
scheidenden  Stelle,  als  Ariadne  das  Schiff  des  Theseus  wegziehen  sieht: 

»Ah!   Verrater!  Mein  Ungliick  ist  gewifi«  (sinkt  zu  Boden} 
und  in  den  ersten  Worten  ihrer  Klage:  >Mich  so  zu  hintergehen«   zeigt 
sich  der  Sinn  fiir  wirkliche  dramatische  Gestaltung. 

Medea. 

Frau  Seyler  und  Frau  Brandes  scheinen  auch  dem  Charakter  nach 
fiir  hochdramatische  Situationen  pradestiniert  gewesen  zu  sein.  Ihrer 
Bivalitat  verdanken  wir  die  >  Medea «,  die  Benda  fiir  Frau  Seyler  kom- 
ponieren  muBte.  Man  muB  sagen,  daB  dies  Werk  nicht  nur  durch  die 
Frau  Seyler  erfolgreicher  gewirkt  hat,  sondern  auch  tatsachlich  wertvoller 
als  die  » Ariadne*  ist.  Neubelebungen  haben  teils  stattgefunden2),  teils 
sind  sie  geplant3). 

Ort  und  Zeit  der  Handlung :  der  Hochzeitstag  Jasons  und  der  Kreusa 
in  Korinth.  Medea  auf  ihrem  Drachenwagen  fahrt  an.  Der  Dichter  zeigt 
sie  zuerst  als  ungliickliches,  verzweifeltes  Weib.  Erst  daraus  wird  das 
mehrfach  zuriickgedrangte  Eachegefiihl  entfacht.  AuBerst  geschickt,  wenn 
man  die  Form  einmal  will  gelten  lassen,  treten  die  auBeren  Umstande 
jeder  besseren  menschlichen  Regung  in  den  Weg,  namlich: 

1.  Medea,  im  Gefuhl  des  tiefsten  Schmerzes  ob  ihrer  Verlassenheit :  >Ich  bin 
allein  in  der  Schopfung*.    (Man  hort  yon  feme  die  Musik  des  Aufzugs). 

2.  Medea:  (sich  vor  ihren  auf  die  Biihne  kommenden  Kindern  in  Ruhrung  ver- 
bergend)    stiirzt  wutend  hervor,   als   der  jungere  Knabe  die  Hoftneisterin  . 
fragt,  ob  sie  »fur  die  neue  Mutter*  beten  sollen. 

3.  Medea,  die  mit  dem  Gedanken,  ihre  Kinder  zu  ermorden,  umgegangen  war. 
stoBt  diese  von  sich  und  bittet  die  Parzen,  sie  als  zu  schlecht  von  dieser 
Welt  wegzunehmen. 

Gefolge:  (hinter  der  Biihne)  Heil!  Heil!  Heil  sei  Jason  und  Kreusa!  Heil 
sei  den  Neuvermahlten! 

1)  Es  existiert  auch  eine  Parodie  von  Perinet-Wien  (1803)  mit  Musik  von  Satzen- 
hofer. 

2)  Nach  Mitteilungen  des  Herrn  Prof.  Schlosser-Jena  und  Frau  v.  Benda-Berlin. 

3)  Nach  Mitteilungen  des  Herrn  Dr.  Batka-Prag. 


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584  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Medea  (auffahrend):  Verflucht  8ei  Jason  tind  Kreusa!    Verflucht  die  Neu- 
vermahlten  usw.  usw. 

Von  hier  an  stort  ein  Prunken  mit  griechischer  Mythologie.  Medea 
hat  ihre  Kinder  hinter  der  Szene  umgebracht  und  ftihlt  die  (unsicht- 
baren)  Furien  um  sich  schweben.  So  weit  ist  alles  einem  deutschen 
Publikum  noch  verstandlich.  DaB  sich  nun  ab'er  diese  Furien  nicht  auf 
sie,  sondern  auf  ihren  Wunsch  auf  Jason  stiirzen  sollen,  ist  unlogisch 
und  jedem  Empfinden  zuwiderlauf end :  entweder  ist  Medea  ein  mit  gott- 
licher  Macht  ausgeriistetes  Wesen,  dann  fallt  jeder  innere  Konflikt  weg, 
und  wir  stehen  mitempfindend  vor  dem  Rachewerk  einer  Gottheit,  gegen 
die  der  Mensch  ohnmachtig,  impar  ist;  oder  Medea  ist  ein  Mensch,  dem 
nur  gewisse  ubernatiirliche  Krafte  gegeben  sind,  dann  steht  sie  selbst 
unter  gewissen  Gesetzen1).  DaB  sie  der  Dichter  in  ihrer  Macht  beschrankt 
wissen  wollte,  geht  schon  aus  der,  der  Sage  widersprechenden  Stelle  her- 
vor,  als  sie  bei  ihren  Rachegedanken  zunachst,  psychologisch  ganz  richtig. 
Kreusa  toten  will  und  zu  sich  spricht: 

>Torichte,  womit  schmeichelst  du  dir?  —  Aus  Jupiters  Blut  gezeugt  und  von  den 
Schutzgottern  Korinths  bewacht,  spottet  Kreusa  d einer  machtlosen  Wut.c  — 

Wenn  ihre  Macht  da  versagte,  wo  sie,  wenigstens  menschlich  be- 
trachtet,  begriffen  werden  konnte,  wie  verhalt  es  sich  dann  mit  den 
Gottern,  die  Medea,  nach  ihrem  Kindermord,  uberdies  bei  der  Wahn- 
sinnskreierung  des  Jason  mit  den  Worten  anruft: 

>DaC  er2)  sehe, 
>DaC  er  hore, 
>Da6  noch  Gbtter, 
»G6tter  lebenlc 

Und  alles  dies  war  so  unnotig.     Ist  doch  in  den  Worten:     • 

»Wo  ist  nun  die  Herrliohkeit,  die  dich  fullte,  du  stolzer  Palast?  Wo  deine 
Wachterin,  die  Freude?  —  Deine  Marmorw'ande  triefen  von  Blut  —  Verwesunsr 
briitet  in  den  goldenen  Gem'achern  —  weg  von  dir,  Hohle  des  Todes  —  < 

ein  Hohepunkt  erreicht,  der  mutatis  mutandis  an  Shakespeare  gemahnt. 
Bis  hierher  macht  es  Vergnugen,  sich  Musik  hinzuzudenken,  dann  aber 
tritt  eine  Abschwachung  der  Wirkung  ein,  deren  Grund  prinzipieller  Natur 
ist  und  auch  im  Sibgspiel  stort. 

Jason  erscheint  in  >orestischer  Raserei*,  glaubt  zu  brennen  und  wircl 
von  Medea,  die  auf  ihrem  Drachenwagen  verschwindet,  in  sein  Ungliick 
eingeweiht.  Wenn  nun  im  Monodram  kein  Ton  gesungen  werden  darf, 
und  erst  Medea  und  dann  Jason  Schmerz  iiber  den  Tod  der  Kinder 
auBern,  so  tritt  ein  Parallelismus  der  Empfindungen  ein,  der  fur 
dramatische  Musik  die  schwerste  Schiidigung  bedeutet.     Darin  zugleich 


1)  Gerade  dies  hat  Goethe  im  Faust  so  wundervoll  durchgefuhrt. 

2)  Jason. 


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Fritz  Bruckner,  Gteorg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  585 

ist  auch  das  seit  Jahrhunderten  instinktiv  gesuchte  asthetische  Gesetz 
iiber  die  Mitwirkung  der  Musik  im  Drama  enthalten,  wie  es  schon  text- 
lich  aus  unsern  Volksliedern  hervorleuchtet:  verschiedener,  und  unter 
sich  abgestufter  Ausdruck,  die  Tone  der  obersten  Leidenschaften 
nur  fluchtig  und  verdeckt  angeschlagen.  Zum  Ausrasen  ist  deutsche 
Musik  zu  gut. 

Das  Empfinden,  den  Parallelismus  der  inneren  Vorgange  zu  vermeiden, 
fiihrt  iiberhaupt  auf  die  Frage  nach  verschiedener  musikalischer  Form  des 
Dramas.  Die  Oper  schlechthin  kann  es  gar  nicht  vermeiden,  auf  feste  Pole, 
etwa  Liebe — HaB,  gewissermafien  magnetisch  immer  wieder  aufzulaufen,  ihr 
Differenziervermogen  besteht  dann  nur  darin,  bei  jedem  Beruhren  solcher 
Pole  starker  aufzutragen  und  so,  durch  das  sinnliche  Element  der  Musik,  zu 
kolossalen  Finales  und  Kadenzen  auszuladen.  Schon  Son n en f els  (18.  Jahr- 
hundert)  empfand  instinktiv  die  daraus  resultierenden,  ewigen  Kadenzierungen 
der  Opernmusik  storend. 

Es  gibt  sehr  viele  Mittel,  solche  Parallelen  zu  vermeiden.  Past  jedes 
technische  Mittel  der  Biihne  versagt  einmal  innerhalb  des  Biihnen- 
stiicks,  z.  B.  lauter  Prosa,  lauter  Poesie  und  auch  lauter  Musik.  Es 
ist  dies  der  Grund,  warum  pantomimisch-tanzartige  Schliisse  schon  friih 
auf  der  Biihne  gebraucht  werden.  Ware  das  Monodram  nun  eine  wirk- 
liche  dramatische  Gattung,  so  hatte  man  hier  einen  pantomimischen 
SchluB  brauchen  miissen :  z.  B.  Jason  hat  seine  toten  Kinder  im  Hause 
gesehen,  tritt  heraus,  und  stummes  Spiel  bezeichnet  nun  die  Empfindungen 
der  Medea  und  des  Jason,  unterstiitzt  durch  die  Musik.  So  ist  aber 
von  einer  dramatischen  Verwendung  der  Musik  nichts  zu  sptiren,  das 
Ganze  wirkt  wie  ein  herausgeschnittenes  Bild  (vom  Standpunkt  der  musi- 
kalischen  Materie  aus),  bei  dem  durch  Ungeschick  ein  Stiickchen  des 
nachsten  Bildes  mit  herausgeschnitten  wurde.  Gerade  am  Schlusse  kann 
man  sehen,  wo  Verstandnis  fur  musikdramatische  Wirkung  vorhanden  ist. 


Mit  dem  » Pygmalion «  gab  Rousseau  den  AnstoB  zur  Monodram- 
bewegung.  Neuerdings  hat  man  sich  mit  der  Frage  nach  der  Musik  des 
» Pygmalion*  von  Rousseau  stark  beschaftigt  und  glaubt,  eine  Partitur 
dieser  Musik  von  Rousseau  selbst  entdeckt  zu  haben.  Es  ist  vollig  un- 
wesentlich,  ob  Benda  diese  Musik  gekannt  hat  oder  nicht,  mit  den  Ideen 
Rousseau's  war  er  lange  bekannt,  und  von  dem  Musiker  Rousseau  konnte 
er  kaum  etwas  lernen. 

Der  Pygmalionstoff  ist  sehr  verbreitet  und  beliebt  in  der  Opern- 
geschichte.  Wohl  die  erste  bedeutende  Oper  dieses  Namens  ist,  auf  den 
Text  von  Minato,  von  Draghi  1689  in  Wien  aufgefiihrt  worden.  Fur 
Rousseau  war  jedenfalls  Rameau's  Werk  von  Bedeutung,  als  Einlage  im 
Ballett:  »Le  Triomphe  des  Arts*,  1748  aufgefiihrt  und  bis  1781  sehr 
haufig  gegeben. 

s.  d.  i.  m.   v.  38 


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586  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel, 

Es  steht  mir  durch  die  Giite  des  Herrn  Schatz-Rostock  fast  die  ge- 
samte  Pygmalionliteratur  zu  Gebote.  Ich  kann  daraus  fiir  meine  Zwecke 
entnehmen,  daB  Rousseau  den  Stoff  langst  vorfand,  daB  dann  der  Stoff 
sehr  oft  von  Italienern  und  Franzosen  benutzt  worden  ist,  und  daB  wir 
im  wesentlichen  kein  bedeutendes  deutsches  Werk  dieser  Art  besitzen. 
Selbst  die  Grotter'sche  Ubersetzung  des  Rousseau'schen  Textes  ist  ver- 
grobert,  erreicht  bei  weitem  nicht  die  ganz  eigentiimlich  vibrierende, 
darin  aber  auch  heiB  temperierte  Originaldichtung.  Ganz  typisch  6ind 
die  Veranderungen,  die  Gotter  mit  dem  franzosischen  Original  vornimmt, 
doch  wurde  das  hier  zu  weit  fiihren. 

Wollte  man  die  Monodramen  Benda's  einteilen,  so  wlirde  man  darait 
gleichzeitig  die  ganze  Monodrambewegung  einteilen  konnen.  So  gehorten 
dann » Ariadne*  und » Medea «  in  die  klassisch-antike  Richtung, » Pygmalion < 
in  die  philosophische  Richtung,  schlieBlich  >Cephalus  und  Prokris«  unter 
die  —  Schaferspiele.  Hier  also  wieder  ein  Riickweg  zu  Gottsched.  Und 
welch'  reizend  lyrische  Stellen  enthalt  der  letztgenannte  Text,  wenn  er 
nur  nicht  eine  ganz  komplizierte  Mythologie  voraussetzen  wiirde.  Der 
Versuch,  im  Monodram  Chore  einzufiihren,  fiihrte  zu  nichts. 

HI. 

Die  Singspiele  Benda's. 

Der  Dorfjahrmarkt. 

Es  ist  auffallend  und  beweist  die  Neigung  Benda's  zum  Singspiel  ent- 
schieden,  daB  er  schon  14  Tage  nach  seiner,  seit  9  Jahren  zum  ersten- 
mal  wieder  aufgenommenen  Opernkomposition,  nach  dem  Debut  mit 
der  > Ariadne*,  ein  Singspiel  herausbringt.  —  Der  Urtext  dieses  Singspiels 
ist  genau  fast  gar  nicht  festzustellen.  TJrspriinglich  einaktig,  wurde  es 
von  Hiller  in  zwei  Akte  auseinandergezogen,  urspriinglich  ernst,  wurde  es 
im  Laufe  der  Zeit  mit  komischen  Elementen  >erweitert«.  Benda  empfand 
daher  das  Bediirfnis,  irgend  eine  Passung  definitiv  als  richtige  festzustellen, 
und  so  tragt  denn  die  erwiihnte  Berliner  Originalpartitur  den  Vermerk :  >So 
ist  dieses  in  die  Kurze  gezogenes  Singspiel  1785  in  Mannheim  gegeben. « 

In  bezug  auf  die  Veranderung  des  musikalischen  Teils  stellt  sich 
folgendes  heraus.  Die  Anzahl  der  Lieder  ist  ganz  verschieden:  die  Original- 
partitur weist  die  wenigsten  Stiicke  auf,  eine  geschriebene  Mannheimer 
Cembalopartitur  15  Nummern  (wovon  zwei  aber  als  wegzulassen  bezeichnet 
werden),  eine  gedruckte  Partiturausgabe  (Schwickert)  15  Stiicke,  schlieBlich 
ein  Hiller'scher  Klavierauszug  22.  In  alten  Regiebiichern  finden  sich  auch 
die  Zeitangaben  fiber  die  Dauer  der  Auffiihrungen,  niimlich  meist  durch- 
gestrichen:  Anfang  1;4  nach  7  Uhr,  Ende  beinahe  3/4  nach  8  Uhr,  und 
dafiir  gesetzt:   Anfang  :,/4  nach  7  Uhr  und  Ende  3,4  nach   8  Uhr  vorbei. 


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Frits  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  587 

Da  dies  auch  bei  >  Julie  und  Romeo «  der  Fall  ist,  sehe  ich  das  wieder 
als  Beweis  an,  daB  man  lieber  zwei  Stiicke  an  einem  Abend  mit  gleich 
verteilter  Zeit  geben  wollte,  als  solchen  musikalischen  Erweiterungen  sich 
zuganglich  zu  zeigen. 

Der  Text  ist  wahrscheinlich  so  ziemlich  original.  Was  Brandes  iiber 
dessen  Entstehungsgeschichte  berichtet,  ist  unglaubwiirdig.  Danach  soil 
ein  Schauspiel  von  J.  J.  Engel,  »der  dankbare  Sohn«,  in  ein  Singspiel 
verwandelt  und  von  Benda  bereits  komponiert  worden  sein.  Auf  die  Inter- 
vention verschiedener  Manner,  u.  a.  Ekhofs,  der  in  dem  obengenannten 
Schauspiele  den  Vater  Rhode  gab,  sei  es  vom  Herzog  verboten  worden,  und 
man  habe  nun  umgeandert,  so  gut  es  ging.  Engel  soil  den  Plan,  Gotter 
den  Dialog  verfasst  haben.  Da  nun  Brandes  die  Entstehung  dieses  Sing- 
spiels  aus  den  Erfolgen  der  Monodramen  herschreibt,  so  ist  sie  ja  schon 
zeitlich  ganz  unmoglich  denkbar.  Der  EngeFsche  Text1)  zeigt  keine  Ahn- 
lichkeit  mit  dem  Gotter'schen  Jahrmarkt,  Werbeszenen  sind  einer  ganzen 
Anzahl  Theaterstlicke  eigen  und  haben  bereits  zu  Spezialarbeiten  Ver- 
anlassung  gegeben. 

Die  reizende  Idee,  einen  Jahrmarkt  zur  Grundlage  eines  Stiickes  zu 
machen,  ist  fur  diese  Biihne  neu.  So  etwas  muB  Goethe  mehrfach  vor- 
geschwebt  haben,  was  nahelegt,  daB  Gotter  aus  Wetzlar  solche  An- 
regungen  mitbrachte.  Die  Handlung  ist  sehr  einfach:  AuBer  verschiedenen 
Jahrmarktsgestalten:  u.  a.  Lene2),  auch  Tirolerin  genannt,  von  derLeip- 
ziger  Messe,  handelt  es  sich  um  die  iiblichen  Gruppen  von  Herr  und 
Bauer3).  Die  psychologische  Konsequenz  ist  sehr  fein  und  interessant: 
Eine  Bauerntochter  Barbchen4)  liebt  einen  Burschen  Lukas  und  mochte 
bald  Hochzeit  halten.  Ein  Oberst5),  der  eben  auf  sein  Gut  zuriickkehrt, 
wird  Vertrauter  ihrer  Liebessorgen  und  erfahrt  dabei  auBerdem,  daB  sein 
Neffe8),  Werbeleutnant  im  nachsten  Flecken,  den  Madchen  nachstellt. 
Der  Oberst  verspricht  nicht  nur  seine  Beihilfe  zur  Beschleunigung  der 
Hochzeit,  sondern  mochte  seinen  Neffen  ganz  gern  einmal  ein  bischen 
von  den  Madchen  zurechtgewiesen  sehen.  Dies  Moment  fiihrt  zur  Ver- 
wicklung.  Barbchen,  sich  des  Ruckhalts  in  der  Person  des  Obersten  be- 
wuBt,  tritt  bei  Gelegenheit  dem  Leutnant  freier  entgegen.     Dieser   aber 


1)  >Der  dankbare  Sohn.a  Ein  l'andliches  Lustspiel  in  einem  Aufzuge  von  J.  J.  Engel. 
Frankfurt  u.  Leipzig,  1775. 

2)  Reizendes  Lied  z.  B.  >alles  in  Paris  erdacht,  und  in  Leipzig  nachgemachtc,  in 
alien  Partituren. 

3)  Anfangschor    der  Bauern.     Mit    ver'andertem  Text  zura   Volkslied  geworden. 
Fehlt  z.  B.  im  Schwickert'schen  Druck. 

4)  Auftrittslied,  in  alien  Partituren,  aber  mit  verschiedenem  Schlufi. 

5.  Sein  Lied,  wie  uberhaupt  sein  Gesang,  von  Benda  ganz  gestrichen,  von  Hi  Her 
um  eine  rasselnde  Arie  verlangert. 
6    Singt  uberhaupt  nicht. 

38* 


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588  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  da3  deutsche  SiDgspiel. 

weiB  es  einzurichten,  daB  er  sie  kuBt,  Lukas  kommt  dazu,  und  die  Ent- 
zweiung1)  ist  fertig.  AuBerdem  bewegt  sich  ein  Feldwebel  auf  dem  Jahr- 
markt,  der  zum  Werbeleutnant  gehort.  Es  fallt  ihm  leicht,  den  zornigen 
Lukas  anzuwerben2),  indem  er  ihn  beim  Wein  sich  einfach  in  Zorn  reden 
laBt.  Barbchen  erscheint  zur  rechten  Zeit,  Lukas  reiBt  aus,  als  er  seine 
Dummheit  einsieht.  Er  wird  eingeholt,  Barbchen  bringt  das  ganze  Dorf 
auf  die  Beine.  Leider  steht  nun  in  der  Originalpartitur  ein  Lied  des 
Vaters  des  Barbchen,  ein  Lob  der  Faulheit3),  das  dem  sonst  ziemlich  emst 
gehaltenen  Stoff  etwas  Lacherliches  verleiht.  Allerdings  ist  die  ganze 
BUhne  leer,  und  ein  gewisser  Zeitraum  muBte  markiert  werden,  bis  die 
Soldaten  mit  Lukas  wiederkommen.  Der  Oberst  tritt  auf,  den  iibrigens 
Barbchen  schon  suchen  gegangen  war,  alles  klart  sich  auf,  Lukas  wird 
frei,  Barbchen  bedankt  sich. 

Hiller  hat  diese  so  einfache  Handlung  in  2  Akte  zerteilt  und  nicht 
nur  eigene  Kompositionen  eingeschoben,  sondern  auch  zuweilen  Benda  korri- 
giert.     Auffallend  ist  der  Unterschied  der  Originalpartitur  mit  dem  Hiller- 
schen  Klavierauszuge.    Benda  hat  schlieBlich,  bis  auf  das  erwahnte  Lied 
des  Vaters  Paul,  fast  alles  aus  der  Musik  eliminiert,  was  nicht  auf  das  Paar 
Lukas  und  Barbchen  Bezug  hat.    Statt  dessen  hat  er  innerhalb  der  spar- 
lich  benutzten  Situationen  seine  Lieder  etwas  musikalisch  erweitert,  auch 
bei  Wiederholungen  mit  belebenden  Bhythmen  versehen.      Die   einzigen 
Ensemblesatze  gehen  direkt  aus  der  Handlung  hervor,  namlich  das  Duett: 
Lukas  und  Barbchen  zanken  sich,  und  das  Terzett:  Lukas,  Lene   und 
Feldwebel  wollen  zur  Stadt  aufbrechen,    Lukas  nimmt   Abschied    vom 
Dorfchen.     Hiller  dagegen  komponiert  resp.  behalt  bei:  ein  Auftrittslied 
des  Obersten,   der  von  Erinnerungen  ganz  unwesentlicher  Art  singt,    ein 
zweites  Lied  desselben,  in  dem  er  von  der  Hochzeit  zu  Barbchen  singt4 , 
Barbchen  singt  eine  Romanze  von  einem  verungliickten  Liebespaar;   aus 
der  szenischen  Anweisung,  daB  ein  Jude  etwas  stiehlt,  den  Lukas  dann 
schiitzt,  wird  ein  »Tumultgesang«,  ebenso  entsteht  ein  Ensemblesatz,  bei 
Gelegenheit  der  gewaltsam  versuchten  Abfiihrung  des  Lukas  durch  Sol- 
daten usw.     Etwas  Ahnliches  werden  wir  bei  »Walder«  sehen. 

Gehen  wir  zur  Kritik  des  Textes  iiber,  so  zeigt  sich  Gotter  als  Keu- 
ling,  wie  auch  ein  Brief schreiber5)  an  ihn  an  seinem  letzten  Werk  fiir 
Benda6)  mit  Recht  den  glatteren  Dialog  riihmt.    Offenbar  hat  der  Dichter 

1)  Duett,  erstes  Auftreten  des  Lukas.  Nur  ein  Mannheimer  Hegiebuch  laBt  ihn 
beim  Anfangschor  anwesend  sein. 

2)  Wozu  verschiedene,  meist  von  Benda  weggelassene  Lieder  dienen. 

3)  Sollte  hier  nicht  Kotzebue  eingewirkt  haben? 

4)  Dieses  Lied  laut  Vorrede  fiir  den  Schauspieler  dieser  Rolle  in  Leipzig.  Die 
musikalische  Steigerung:  >Kranz  ....  in  Deinen  Locken,  in  Deinen  Locken*,  ist 
lacherlich. 

5)  Boie  (im  NachlaC  Gotter's,  im  Besitz  der  Frau  v.  Zech-Gotha). 
6]  Das  tartarische  Gesetz. 


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Fritz  Briickner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  589 

Komisches,  der  Komponist  Ernstes  gewollt.  DaB  Benda  in  die  Texte 
erheblich  hineinkorrigierte,  sieht  man  nicht  nur  aus  seinen  Brief  en1)  an 
Gotter,  sondern  auch  an  geradezu  inspirierten  Stellen  in  >Julie  und 
Romeo*2).  Skrupellos  nimmt  auch  Gotter  alles  nicht  von  ihm  Stam- 
mende  in  seinem  Text  auf,  ohne  es  zu  erwahnen.  Aus  den  Vorreden 
seiner  Texte  ergibt  sich,  daB  er  von  der  Art  eines  Singspiels  keine  Ah- 
nung  hat,  und  die  merkwiirdige  Verachtung,  die  diesem  von  Literaten  und 
Schauspielern  entgegengebracht  wird,  teilt  Abgesehen  vom  Dialog,  ist 
auch  die  Liedpoesie  so  ungeschickt,  ja  so  mangelhaft  deutsch,  daB  man  dem 
Komponisten  einigeweniger  gelungeneKompositionen  nicht  verargen  mochte. 
Die  Musik  ist  teilweise  feurig,  teilweise  anmutig,  herzlich  und  einfach. 
Der  SchluB,  das  Danklied  Barbchens  an  den  Oberst,  fallt  freilich  aus 
der  Rolle,  indem  er  ein  ausgefiihrtes  Koloraturstuck  darstellt3).  Meister- 
stiicke  sind:  1.  Ein  Lied  Barbchens: 

Ja4),  Lukas  dieser  Hut  soil  dich, 
Dich  diese  Schleife  zieren; 
In  diesem  Hute  sollst  du  mich 
Zum  Traualtare  fuhren. 

Allein,  wie  leicht  kann  unsre  Huh, 
IndeB  ein  Unfall  storen! 
Ach,  Lukas,  ach!  daB  ich  und  du 
Schon  an  der  Kirchtur  waren! 

Schon  dieser  Poesie  sieht  es  der  Leser  sofort  an,  daB  sie  als  selb- 
standiges  Lied  ohne  weiteres  nicht  ganz  verstandlich  ist,  daB  sie  ent- 
schieden  eng  in  eine  Handlung  hineingehoren  muB. 

2.  Duett.  Lukas  und  Barbchen  >Glaubest  du  mit  Schmeicheleyen*. 
In  seiner  knappen  Fassung  ist  es  dem  Duett  in  » Romeo  und  Julie«  zu 
vergleichen.  Auch  unter  den  von  Benda  selbst  gestrichenen  Liedern 
sind  einige  gute  Stellen  zu  finden.  Im  groBen  ganzen  aber  scheint  ihm  hier 
doch  die  sichere  Schulung  gefehlt  zu  haben,  wie  auch  Gerber  einmal  er- 
wahnt,  daB  Benda  k  ein  en  Kompositionsunterricht  empfangen  habe. 

Walder. 

Bei  diesem  Werke5)  ist  der  Vergleich  zwischen  dem  Text  des  »Silvain« 

1-  S.  Anhang,  Brief  vom  8.  Okt.  1786. 

2)  Julie:  Alle  Gedanken  verlieren 

Sich  in  dem  Wonnegedanken, 
Meinen  Romeo  zu  sehn.  — 
3;  Die  Erweiterung  geschah  einer  Sangerin  zuliebe. 
4;  Julie  und  Romeo:      >Ja,  der  Lerche  friihe  Kehle 

Meldet,  daB  der  Tag  erwachU. 
Schon  dieser  AnschluB  mit  ja,  keineswegs  schon,  ist  doch  musikahsch. 

5)  Eine  Originalpartitur  kam  mir  nicht  zu  Gesicht.  Nach  Mitteilungen  des  Herrn 
Prof.  Dr.  Sandberger-Munchen  kann  auch  die  inMunchen  befindliche  nicht  Original 


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590  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

von  Gr^try  und  dem  des  >  Walder*  von  Gotter  das  Interessanteste. 
Benda  hat  Gretry's  Musik  gekannt.  Auch  ist  das  Gretry'sche  Stuck  in 
Deutschland  vor  dem  von  Benda  gegeben  worden. 

War  im  Dorf  jahrmarkt  die  Moglichkeit  einer  komischen  Episode  ge- 
geben, so  ist  hier  in  keiner  Fassung  eine  solche  zu  bemerken. 

Ein  Sohn  vornehmer  Eltern  hat  ein  armes  Madchen  geheiratet  und 
lebt  unter  dem  Namen  Sylvain  oder  Erast  oder  Walder  unter  Land- 
leuten  als  einfacher  Landmann.  Durch  Verkauf  der  Herrschaft  wird  der 
zweite  Sohn  dieser  aristokratischen  Familie,  ein  Bosewicht,  Herr  dieser 
Lander.  Der  Konflikt  ist  da,  der  alte  Vater  tritt  als  Better  in  der  Not 
auf,  Versohnung.  Der  ganze  Text,  auch  Marmontel's  Erz'ahlung,  wiirde 
uns  nicht  interessieren,  wenn  nicht  ein  sozialer  Gedanke  von  dainals 
weittragendster  Bedeutung  darin  verarbeitet  ware.  Es  handelt  sich  urn 
die  beriihmte  These  des  Landeigentums  und  der  Jagdfreiheit. 

Alle  Texte  Benda'scher  Singspiele  f angen  gleich  mit  Musik *)  an.  Das 
ist  schon  ein  Unterschied  mit  der  Singspielmusik  anderer  Komponisten. 
Es  ist  dies  urn  so  wichtiger  zu  bemerken,  als  ja  Benda  so  wenig  als 
moglich  Gesangstiicke  einstreut,  wahrend  die  mehr  franzosische  Bichtung 
an  einem  UbermaB  hochst  unnotiger  »Sinngedichte«2)  leidet.  Trotzdem 
sehen  wir  hier,  daB  dem  Anfang  des  Originaltextes  noch  ein  Lied  von 
Benda  vorgeschoben  wurde.  Wie  erklart  sich  das?  Einfach  daraus,  daB 
das  deutsche  Singspiel  viel  mehr  auf  die  Entwicklung,  d.  h.  doch  auf 
das  Mitempfinden  des  Zuschauers  gibt,  als  auf  die  Katastrophe  und  ihre 
meist  ganz  klaren  Folgen.  DaB  dies  hier  durchaus  nicht  etwa  durch 
asthetische  Erkenntnis  geschieht,  ist  fur  die  Form  des  Singspiels  un- 
wesentlich  und  trifft  als  Schuldigen  den  Dichter. 

Da  sich  dies  Verschulden  des  Dichters  in  alien  Texten  nachweisen 
laBt,  so  diirfte  hier  eine  Vermutung  uber  ihre  Ursache  ausgesprochen 
werden:  Es  macht  immer  den  Eindruck,  als  konne  der  Dichter  Regie- 
anmerkungen,  selbstandiges  SchlieBen  des  Zuhorers,  pantomimische  [An- 
weisungen  an  die  Schauspieler  und  eigentlichen  Text  nicht  voneinander 
trennen.  Es  machen  alle  Texte  einen  unfertigen  Eindruck.  Ein  Bei- 
spiel  hier:  Walder  entschlieBt  sich,  mit  seiner  Familie  der  Begegnung 
mit  seinem  Vater  auszuweichen.  Das  ist  klar  und  verstandlich.  Die 
daraus  folgende  wehmiitige  Empfindung  heiBt:  wenn  ich  tot  bin,  wird 
mein  Vater  mich  erst  wahrhaft  vermissen.  Auch  dies  ist  musikaJisch 
durchaus  richtig  wiederzugeben;  denn  der  Zuhorer  soil  vor  allem  den 
Eindruck  gewinnen,  daB  es  sich  hier  um  zwei  Manner  handelt,  deren 
Grundansichten  ihnen  ihre  gegenseitige  stets  lebendige  Zuneigung  verbietet. 


1)  Was  in  manchen  Regiebiichern  ausdriicklich  vermerkt  ist. 

2)  So  bezeichnet  in  einer  Vorrede  zum  >Tempel  des  Ged'achtnissest. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  591 

Statt  dessen  geht  nun  Gotter  weiter  und  macht  aus  dieser  wehmiitigen 

Erinnerung : 

Ach,  danu  wirst  du  mir  doch  verzeihen, 
Wann  einst  der  Tod,  nach  triiben  Tagen, 
Das  Herz  mir  bricht 

etwas  ganz  Lacherliches:  die  falsche  Vorstellung,  daB  in  jedem  Gesang- 
stiick  ein  ganzer  Konflikt  liegen  muB,  laBt  den  Dichter  nicht  einsehen, 
daB  ein  solcher  Mensch  doch  keine  Sympathie  erregen  kann,  der  nach 
16jahriger,  freiwillig  auf  sich  genommener  Trennung  von  zu  Hause  noch 
wie  ein  Kind  von  verzeihen  redet.  Genau  so  machte  es  Gotter  im  »Dorf- 
jahrmarkt«,  als  er  dem  Oberst  das  Lied  von  Jugenderinnerungen  in  den 
Mond  legte;  statt  zu  dem  SchluB  zu  kommen:  wie  war  die  Jugend 
schon,  flickt  er  die  Klausel  an:  alles  ist  nichtig!  Dieses  Ubermotivieren- 
wollen  zeigt  sich  auch  in  der  Veranderung  der  Handlung.  Bei  Grdtry 
ist  Walder  auf  die  Jagd  als  Lebensunterhalt  mit  angewiesen,  er  will 
zur  Hochzeit  seiner  Tochter  einen  Braten  schieBen,  und  dies  fiihrt  zum 
Konflikt  mit  den  Jagern  seines  Bruders.  Bei  Gotter  will  sich  Walder 
durch  die  Jagd  nur  zerstreuen,  und  seine  Frau  behauptet,  einen  Braten 
gar  nicht  zu  brauchen.  — 

Im  Mittelpunkt  der  Handlung  steht  ein  kleines  Idyll,  welches  sich 
zwischen  dem  Weggehen  Walders  zur  Jagd  und  seiner  plotzlichen,  von 
Jagem  verfolgten  Zuruckkunft  abspielt.  Wir  sahen,  daB  ein  solcher 
Kontrast  schon  im  »Dorfjahrmarkt«  —  Lukas  fliehend,  wird  eingeholt  — 
zum  Notausweg  eines  humoristischen  Liedes  ftthrte..  Dieses  Idyll  be- 
steht  darin,  daB  die  Mutter  mit  der  festlich  geschmuckten  Braut  noch 
eine  Zwiesprache  vor  Ankunft  des  Brautigams  halt,  wobei  der  allzu 
lyrisch  gehaltene  Ton  einige  Auffrischung  durch  ein  jungeres  Schwester- 
chen  erhalt,  das  die  weisen  Lehren  ihrer  Mutter  natiirlich  nur  iiuBer- 
lich  versteht  und  verwertet.  Ein  solches  jungeres  Schwesterchen  (Suschen) 
war  auch  im  »Dorfjahrmarkt<  vorhanden,  es  hatte  dort  dem  Vater  ein 
Lied  zum  Geburtstag  am  Bett  gesungen  und  Geld  eingeheimst,  das  es 
zum  Ankauf  einer  >Lukas«puppe  verwendet  hatte.  So  bezeichnend  die 
Verliebtheit  Barbchens  sich  im  Vergessen  von  Vaters  Geburtstag  erwies, 
vermied  es  Benda  doch,  das  Geburtstagslied1)  von  Suschen  mitten  im 
Jahrmarkt  singen  zu  lassen.  Hier,  im  » Walder «,  haben  wir  aber  darin 
einen  Fortschritt  zu  verzeichnen,  denn  gerade  dies  jungste  Tochterchen 
tragt  zur  Wiederversohnung  des  GroBvaters  spater  unbewuBt  bei.  Solche 
Idyllen  finden  wir  bei  Gretry  oft,  sie  sind  zweifellos  zunachst  dem 
italienischen  Pastorale  entlehnt.  Ein  Vergleich  mit  Benda  ergibt  aber, 
daB  Benda  diese  Szene  weitaus  besser  und  herzlicher  faBte. 


1)  Komponiert  und  gedruckt. 


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592  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Ich  hatte  das  Gliick,  alte  Textdrucke1)  und  Regieblicher  von  GretrVs 
>Silvain<  vergleichen  zu  konnen.  Mir  wurde  dabei  die  Uberlegenheit  der 
franzosischen  Bildung  klar.  Auf  der  andern  Seite  wachst  aber  unter  den 
Ubersetzern,  indem  sie  sich  vom  Wortiibersetzen  frei  machen,  das  Ver- 
standnis  fiir  das  Bediirfnis  der  Musik  doch  mehr  und  mehr  an,  und  ver- 
glichen  mit  dieser  Zeit,  erscheinen  Gotter's  Verdienste  groBer.  Man 
riskiert  jetzt  lieber  einen  gewohnlichen  Reim2)  und  schreibt  kurze  Zeilen, 
wodurch  man  vollstandige  Klarheit  der  Phrase  erhalt.  Macht  nun  der 
Franzose  den  Fehler,  zuviel  Gemeinplatze  —  Philosophic  konnten  wir 
sagen  —  in  den  Reim  zu  packen3),  was  bei  seiner  Sprache  tatsachlich 
nicht  so  auffallt,  so  zeigt  sich  in  der  deutschen  Singspielpoesie  inuner 
mehr  das  Bestreben  nach  kurzer  Zeile  und  kurzen  Reimen.  Man 
scheint  diese  Abkiirzungstechnik4)  zuerst  im  Dialog  versucht  zu  haben, 
wo  sie  naturlich  nicht  am  Platz  ist.  Auch  jenes  Prinzip,  mehrere  Verse 
auf  eine  Melodie  zu  singen,  miisste  damit  fallen,  damit  zugleich  die 
Moglichkeit,  Geschichten  in  Liedern  zu  erzahlen.  So  sind  auch  in  diesem 
Idyll  nur  die  ersten  Zeilen  gelungen: 

>Selbst  die  gliicklichste  der  Ehen, 
Madchen,  hat  ihr  Ungemach*  usw. 

Weiter  erkennen  wir,  in  Ubereinstimmung  mit  dem  >Dorfjahrmarkt« 
und  » Romeo  und  Julie*,  daB  eigentlich  immer  —  eine  weibliche  Person 
das  Hauptinteresse  in  Anspruch  nimmt:  im  >Dorfjahrmarktc  das  un- 
verheiratete  Madchen,  in  »Julie  und  Romeo*  die  Geliebte,  im  »Walder« 
—  die  Matrone.     Auch  hier,  im  »Walder«,   scheint  der  Komponist  sich 

1)  Namentlich  durch  die  Gttte  des  Herrn  Sch at z- Rostock.  Ein  Textdruck  a. 
Regiebuch  1777,  Textdrucke  1778  usw.,  man  sieht  daraus  die  Beliebtheit  des  Gretry- 
schen  Stiickes. 

2)  Z.  £.  Letztlich  merke  dir,  Pauline, 

DaO  oft  eine  einz'ge  Miene 

Den  Gatten  zu  besanft'gen  diene, 

Zurnte  er  auch  noch  so  sehr. 

Gute  Worte,  sanfte  Ziige 

Stellen  Ruh  und  Frieden  her.     (1778.; 
was  musikalisch  genommen  immerhin  besser  ist  als  derselbe  Vers  1777  (Dobbelin^ 

Heiter  jedes  Gliick  ertragen 

Und  in  Gramm  (!;  erfullten  Tagen 

Standhaff(!;  bey  den  Schmerzen  lacheln 

Diess  macht  unser  Leben  schon 

Im  GenuB  getreuer  Liebe 

Kami  man  alien  Gram  verschm'ahn. 
3;  Mit  den  Unterschieden  der  Verwendung  der  Sprachen  fiir  die  Musik  mag  Rous- 
seau zuweilen  doch  R-echt  haben  (Lettre  sur  la  musique  fran^aise),  mir  ist  bei  meinen 
Studien  aufgefallen,  daC  es  im  Franzosischen  vorteilhaft  fiir  die  Musik  ist,  an  Sub- 
stantive angeschlossene  Adjektive  h inter  das  Hauptwort  zu  setzen. 

4)  Z.  B.  tDorQahrmarkt*.    Ih!  Blitz,  Halt!    Erst  mich  angehort!  M!  usw. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  593 

iiber  seine  Gestalten  erst  spater  klar  geworden  zu  sein,  denn  er  gibt 
seinem  Text  noch  einen  Anhang1),  in  dem  wir  einen  wirklichen  Sing- 
spielschluB  empfinden.  Der  Inhalt  dieser  letzten  Zeilen  der  Sophie  ist 
einfach  der  Ausdruck  des  geangsteten  Weibes,  das  noch  die  ganze 
Schwere  seines  Schicksals  empfindet,  als  auch  die  auBere  Gefahr  bereits 
vorbei  ist. 

Die  Verschiedenartigkeit  in  der  Behandlung  seiner  Texte  muB  den 
Forscher  zur  Uberzeugung  bringen,  daB  Georg  Benda  kleine  Formen  nicht 
aiis  praktischen,  sondern  aus  inneren  Griinden  schuf.  Nicht  einmal  das 
Liebespaar  singt  bei  ihm,  obwohl  gerade  hier  Gretry  groBe  Ensemble- 
siitze  einfiigte.  Wie  typisch  aber  der  Unterschied  zwischen  deutschem 
Empfinden  und  Ausfiihren  ist,  geht  daraus  hervor,  daB  man  dem  Willen 
des  Komponisten  entgegen  den  ganz  nebensachlichen  Gesang  der  Jager, 
die  Walder  arretieren,  aus  dem  Gr^try'schen  Werk  in  das  von  Benda 
bei  der  Auffiihrung  ubertrug2). 

Julie  und  Romeo. 

Wahrend  die  Dauer  des  »Walder«  auf  5/i  Stunden  angegeben  wird3), 
dauert  >  Julie  und  Romeo* 4)  zwei  voile  Stunden5)  und  bedeutet  damit  bei- 
nahe  eine  Zeitiiberschreitung  der  Singspielform. 

Dieses  Werk  zu  verteidigen,  in  dem  die  beiden  Liebenden  am  SchluB 
leben,  dlirfte  wohl  am  meisten  Miihe  machen.  Es  ist  auch  zweifellos, 
daB  Benda  hier  aus  der  urspriinglichen  Form  eines  Singspiels  heraus- 
ging.  DaB  er  aber  die  Singspielform  mit  den  hochsten  leidenschaftlichen 
Menschproblemen  erfiillen  wollte,  steht  zweifellos  fest. 

Zunachst,  was  den  Stoff  anbelangt,  ist  > Romeo  und  Julie*  von  Shake- 
speare gar  nicht  so  lange  in  Deutschland  auf  dem  Theater  bekannt  ge- 
wesen.  Ln  Repertoire  der  deutschen  Biihne  erscheint  das  Stuck  im 
18.  Jahrhundert  als  Schauspiel  sogar  verhaltnismaBig  wenig.  Auch  die 
musikalische  Verwendung  des  Stoffes  ist  lange  nicht  so  groB  als  die 
anderer  Shakespeare'scher  Stiicke.  Im  18.  Jahrhundert  ist  die  Vertonung 
dieses  Stoffes  von  Benda  die  bedeutendste  und  einzige  populare.  In  den 
Kritiken  kehren  regelmaBig  die  Ausdriicke  wirklichen  Entziickens  wieder 
iiber  die  Stelle:  »Ihn  wiederzusehen,  meinen  Romeo «.    . 


1;  Anhang  zum  Gebrauch  einiger  Theater.  Nach  der  Versohnung  gehen  alle  in 
die  Hiitte,  nur  Sophie  singt  allein  noch.  Ist  auch  der  Inhalt  etwas  mit  groCer 
AVorten  ;Sturm,  Abgrund,  Wellen)  verbramt,  so  ist  die  Empfindungslinie  doch  richtig 
eingehalten. 

2)  S.  Literator-  u.  Theaterzeitung. 

3;  Nach  3/4  vor  7  Uhr— 8  Uhr  vorbei. 

4)  Natiirlich  kommen  auch  Auffuhrungen,  Romeo  und  Julie  benannt,  vor. 

5]  3/4  6  Uhr  vorbei  —  3/4  nach  7  Uhr  vorbei. 


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594  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Die  Vorrede  Go  tier's  zum  Textdruck  beweist  zur  Evidenz  die  musi- 
kalische  Unfahigkeit  des  Dichters.  Lacherlich  wirkt  es,  daB  der  Dicker 
in  damaliger  Zeit  den  Geistlichen1)  eventuell  in  einen  »alltaglichen  Ter- 
trauten«  verwandelt  wissen  will. 

1.  Akt:  Julie  erwartet  Romeo.  Diesmal  geht  die  Musik  sogar  direkt 
in  den  Gesang2)  iiber.  Julie  erfahrt  von  ihrer  Freundin  das  Schicksal 
Romeo's  nach  dem  bekannten  Zweikampf,  Romeo  selbst  erscheint  und 
nimmt  Ahschied. 

im  2.  Akt  wacht  die  Freundin  Laura  iiber  Juliens  Schlaf.  Der  alte 
Capellet  tritt  ein,  fafit  Argwohn  und  laBt  die  Tochter  ruf en.  (Sein  Lied 
gehort  textlich,  im  Vergleich  mit  der  Shakespeare'schen  Gestalt,  mil  zu 
dem  Schwachsten,  was  die  Empfindungsmeierei  jener  Zeit  fertig  bringen 
konnte.)  Julie  erscheint,  widersetzt  sich  der  Verbindung  mit  dem  Grafen 
Lodrona.  Ihr  Lied  ist  sehr  energisch,  u.  a.  die  Zeilen:  »Doch  dem 
Manne,  den  sie  haBt,  sich  als  Sklavin  hinzugeben*.  Capellet  verstoB: 
sie,  wenn  sie  sich  nicht  fiigen  will.  Die  beiden  Frauen  beraten,  der 
Hauskaplan  Lorenzo  tritt  ein  und  verheiBt  Hilfe.  Bei  dem  GedankeL 
an  das  Wiedersehen  bricht  Julie  in  die  schon  erwahnten  Worte  aus3. 
Eine  groBere  Szene,  wie  sie  auch  Sophie  im  »Walder«  vor  dem  Erscheinen 
ihres  Schwiegervaters  hat,  schlieBt  hier  den  2.  Akt,  'Julie  nimmt  to 
Trank. 

Der  3.  Akt  bringt  einen  Chor  und  eine  ganze  musikalische  Leichen- 
feier,  mit  Wehklagen  der  Freunde  und  des  Vaters  der  Julie.  Ist  es 
nun  nicht  merkwiirdig,  daB,  anstatt  den  Shakespeare'schen  Stoff  doch  zu 
beschneiden,  dieser  hier  erweitert  wird  ?  Denn  das  Begrabnis  der  Julie 
geschieht  bei  Shakespeare  nicht  auf  der  Biihne  und  wurde  von  ihm  natiir- 
lich  absichtlich  vermieden.  Ich  mochte  daher  Gotter's  Anderung  ja  nicht 
rechtfertigen,  zumal  es  musikalisch  hochst  unangenehm  beruhrt,  wirkliche 
Trauertone  zu  horen,  wahrend  der  Zuschauer  weiB,  daB  es  gar  nicht  ernst 
sein  kann.  Aber  immerhin  beweist  es,  wie  auch  darin  die  Vorrede  recht 
hat4),  daB  man  Shakespeare  gar  nicht  imitieren,  sondern  aus  dem  Em- 
pfindungsgehalt  ein  Singspiel  machen  wollte. 


1}  Wie  einst  die  alten  Italiener  Komplimente  gegen  die  Kirche  machten. 

2)  An  dieser  Szene  hat  Benda  besonders  viel  gearbeitet  and  verandert. 

3)  Es  ist  fur  mich  hochinteressant  und  konnte  die  Anregung  zu  einer  psychok- 
gischen  Untersuchung  geben,  daB  wir  es  hier  gerade  mit  einem  solchen  Gefuhlsaui' 
bruch  zu  tun  haben,  wie  ihn  im  Original  —  Romeo  in  der  Prieaterzelle  zum  Ausdract 
bringt.  Einmal  die  Ubertragung  von  m'annlich  auf  weiblich,  und  dann,  die  Verfas^1 
betreffend,  die  eigentiimliche  Assoziationsverwandtschaft.    Doch  ftihrt  das  hier  zu  ^elt- 

4)  »Das  nachstehende  Singspiel  hat  mit  dem  beriihmten  deutschen  Trauersptf 
dieses  Namens  fast  nichts  als  Namen  und  Fabel  gemein.<  Gemeint  ist  WeiCe's  Trao^- 
spiel,  von  dem  ein  Regiebuch  zu  erhalten  ich  mich  umsonst  bemuht  habe.  ^as  c 
Mannheim  liegende  entstammt  wohl  einer  sp'ateren  Zeit. 


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Fritz  Bruckner,  (ieorg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  595 

Im  groBen  ganzen  ist  in  der  Poesie  ein  Riickschritt  zu  bemerken. 
Zeigte  der  Dialog  von  »Walder«  schon  eine  ungenieBbare  Empfindsamkeit, 
so  ist  dies  hier,  einem  solchen  Vorbild  gegenliber,  noch  unverzeihlicher. 
Ein  Riickschritt  laBt  sich  namentlich  in  der  Anlehnung  an  italienische 
Opernpoesie  erkennen.  Das  erste  Lied  Romeo's  konnte  vielleicht  direkt 
italienischem  Vorbild  entnommen  sein.  Die  Bildersprache,  Schiff,  Meer, 
Wind,  Segel,  Ruder  mit  personifizierter  Liebe  zu  einem  Bilde  zu  ver- 
schmelzen,  ist  typisch  italienisch. 

Mich  uber  die  Musik  kritisch  auszusprechen.  wiirde  zu  weit  fuhren, 
der  Klavierauszug1)  ist  leicht  zuganglich.  Dagegen  auf  ein  alien  Sing- 
spielen  gemeinsames  Moment  mochte  ich  hinweisen:  Das  Rezitativ,  wie 
es  Benda  ins  Singspiel  eingefuhrt  haben  soil,  ist  nicht  typisch  fur  das 
Singspiel.  Es  ist  hier  in  » Julie  und  Romeo «  gerade  die  Meisterschaft  des 
Rezitativs,  die  Benda  uber  sonst  streng  gehaltene  Grenzen  hinweghebt. 
Im  >Dorfjahrmarkt«7  auch  im  »Holzhauer«  ist  das  Rezitativ  dagegen  ganz 
unwesentlich.  Was  an  Rezitativ  sonst  sich  in  deutschen  Werken  Benda's 
findet,  ist,  genau  wie  in  den  Schauspielen,  der  Ertrag  des  Monodrams. 
Und  dieser  Ertrag  ist  fast  zu  reichlich.  Julien's  Rolle  geriet  beinahe 
in  Gefahr,  Solorolle  zu  werden,  und  nur  durch  die  Chorleichenfeier  wurde 
das  notige  musikalische  Gleichgewicht  hergestellt. 

1796  erscheint  in  Berlin  ein  Text:  Arien  und  Gesange  aus  » Julie 
und  Romeo*,  einem  Schauspiel  mit  Gesang  usw.  usw.,  worin  numeriert 
Rezitativ  und  Arien  angegeben  sind.  Es  fehlte  auch  die  Bezeichnung 
Oper  auf  dem  Klavierauszuge  nicht,  auBerdem  hatte  dieses  Singspiel  einen 
Erf olg,  den  es  nicht '  einem  organischen  Einfiigen  in  ein  deutsches  Re- 
pertoire verdankt,  sondern  —  den  sinnlichen  Vorziigen  der  Musik.  Gerade 
aber  diese  elementare  Sinnlichkeit,  die  mit  alien  Mitteln  der  Koloratur 
und  des  Chors  arbeitet  und  trotzdem  knappe  und  knappste  Form  halt, 
ist,  vom  musikalischen  Standpunkt  aus  betrachtet,  bewundernswert  und 
zweifellos  das  Ergebnis  eines  Prinzips,  des  Singspielprinzips. 

Der  Holzhauer. 

Eine  Partitur  in  Berlin2)  tragt  von  Benda's  Hand  die  Aufschrift: 
»Der  Holtzhauer  oder  die  drei  Wiinsche.  Eine  comische  Operette  in  einem 
Aufzuge  von  Georg  Benda*.  Hier  braucht  also  Benda  das  Wort  Operette 
selbst  und  bezeichnet  damit,  daB  er  wirklich  ein  komisches  Werk  liefern 
will  3). 


1,  Es  sind  mehrere  erschienen,  fur  damals  immerhin  ein  Erf  olg. 

2}  Bibl.  Berol.  1366.    Ein  Regiebuch  gibt  an:  7  Uhr  —  1/4  nach  8  Uhr. 

3)  Gewohnlich  wird  Singspiel,  erst  spater  Operette  gesagt. 


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596  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Dieser  Text  ist  gleichfalls  vorher  auf  der  deutschen  Biihne  mit  der 
franzosischen  Musik  von  Philidor  gegeben  worden1). 

Trotzdem  mir  3  Textbiicher  yorliegen,  deren  eines  die  JBemerkung 
triigt:  »Die  Musik  von  Herrn  George  Benda*2),  bin  ich  mir  nicht  klar 
iiber  diesen  Stoff  geworden.  Wahrscheinlich  hat  Gotter  das  Philidor'sche 
Stiick  ubersetzt  und  dann  verschiedenes  heriibergenonimen  fiir  Benda. 
Die  Verse  sind  zum  Teil  sehr  glatt  und  sprachlich  ausgezeichnet,  nur 
wundere  ich  mich,  daB  der  Autor  sich  nicht  nennt3). 

Das  Philidor'sche  Stiick  ist  von  anderer  Art  als  derGretry'sche  » Walder* . 
Wahrend  der  SchluBsatz  des  franzosischen  » Walder*  die  Giite  eines  ver- 
zeihenden  Vaters  aussprechen  soil,  im  Gegensatz  zur  deutschen  Auf- 
fassung,  die  mehr  die  gepriifte  Frau  in  den  Vordergrund  stellt,  ist  es 
bei  Philidor  eine  Sentenz,  auf  die  das  ganze  Stiick  aufgebaut  ist.  Schon 
das  Original,  P err ault's  Erzahlung  »Les  souhaits  ridicules*  enthalt  eine 
Sentenz,  die  in  der  deutschen  Ubersetzung  des  »Bucheron«  lautet: 

Denn  Ubermut  ,  Denn  zuviel  Hitze 

Tut  selten  gut 4)  Ist  nicht  gut.  5) 

Der  Stoff,  wonach  ein  Holzhauer  sich  drei  Wiinsche  wahlen  darf  und 
bei  der  Beratung  aus  Unvorsichtigkeit  einen  Aal,  seiner  dadurch  auf- 
gebrachten  Frau  Stummheit  wiinscht  und  ihr  schlieBlich  das  Mundwerk 
wieder  anwiinschen  muB,  darf  als  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Aus 
solchen  Sentenzen,  wie  sie  auch  italienische  Stiicke  lieben,  ist  dieses 
mit  Grdtry's  tieferen  Absichten  ja  nicht  zu  verwechselnde  Vaudeville- 
Singspiel  hervorgegangen.  Es  ist  nun  recht  bezeichnend,  daB  der  er- 
wahnte,  in  Biga  gedruckte  deutsche  Text,  der  nur  Gfesange  enthalt,  textlich 
mit  der  Ausgabe  von  1772  iibereinstimmt  bis  auf  das  SchluB vaudeville; 
dies  ist  weggelassen  und  statt  dessen  ein  richtiger  SingspielschluB  gewahlt, 
der  mit  den  herzlichen  Worten  abschlieBt: 

»Zufriedenheit  ist  Gliick  auf  Erden; 
Und  aoCer  ihr  ist  alles  Tand.« 

Das  tartarische  Gesetz. 

Statt  eines  Singspieldichters  hatte  Gotter  ein  tiichtiger  Operndichter 
werden  konnen.    Das  beweist  sein  >tartarisches  Gesetz*.    Der  nach  Gozzi 


1)  Namentlich  von  Ma  re  hand,  der  1773  einen  Textdruck  mit  Dialog  und  Noten 
herausgibt. 

2]  Riga  ohne  Jahr,  gedruckt  bei  Gottlob  Christian  Frolich. 

3)  Ge8aramelt  gibt  Gotter  nur  >Jahrmarkt«,  »Romeo  und  Juliet,  und  das  »tar- 
tarische  Gesetz*  heraus  (1778—79  bei  Dyk,  Leipzig. 

4  ....  Eine  komische  Oper  in  einem  Aufzuge.  Eine  freye  IJbersetzung.  Berlin 
bey  Christian  Friedrich  Himburg  1772. 

5  Ubersetzung  1773. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  597 

behandelte  Stoff,  mit  seiner  mythologisch  geographisch-exotischen  "Welt, 
lag  ihm  jedenfalls  besser.  Er  ist  also  gliicklich  ebenfalls,  wie  es  dann 
Benda  wollte,  zu  den  Italienern  zuriickgekehrt. 

Die  Handlung  ist,  namentlich  was  die  Vorfabel  anbetrifft,  ungemein 
kompliziert.  Ein  exotiscker  Kaufmann  hat  seine  Frau  verstoBen,  weil 
sie  seine  Liebe  nicht  erwidert.  Dies  reut  ihn,  und  nach  einem  exotischen 
Gesetz  muB  er  einen  Hulla  finden,  der  seine  Frau  heiratet  und  verstoBt, 
ehe  er  sie  wieder  heiraten  kann.  Er  sucht  also  einen  solchen  Hulla  und 
findet  ihn  in  der  Person  eines  Saed.  Dieser  Saed  ist  GroBvezier  irgend 
eines  Flirsten  gewesen  und  in  Ungnade  gefallen.  Wie  er  einem  Priester 
erzahlt,  hat  der  Konig  ihm  seine  Geliebte  gezeigt  und  ihn  aufgefordert, 
ihn  unerkannt  bei  seiner  Geliebten  einzufiihren.  Diese,  Zenide,  die 
spatere  Frau  jenes  Kaufnaanns,  hat,  ohne  zu  ahnen,  daB  der  Konig  an- 
wesend  ist,  aus  Scherz  den  Saed  mit  dieser  koniglichen  Geliebten  auf- 
gezogen,  was  zur  Verbannung  des  Saed  flihrt.  Damals  hatte  der  Vater 
der  Zenide  diese  an  den  fremden  Kaufmann  verheiratet,  lauter  Zufallig- 
keiten  und  Ruckwartsmotivierungen ,  wie  sie  gerade  im  Singspiel  un- 
moglich  sind. 

Die  Verwendung  der  Musik  hat  hier  vollkommen  internationalen 
Charakter,  d.  h.  sie  ist  farblos,  weder  durchgehend  ernst,  noch  durch- 
gehend  heiter.  Man  betragt  sich  mehrfach  etwas  wie  ungezogene  Kinder, 
bei  denen  jede  zornige  Regung  in  Taten  umgesetzt  wird,  von  deren  Trag- 
weite  Erwachsene  doch  mehr  Kenntnis  besitzen  sollten.  Uber  allem  ist 
zudem  eine  Art  Philosophic  gebreitet,  die  merkwiirdig  an  die  Zauberflote 
erinnert.  Mir  ist  es  iiberhaupt  bei  meinen  Exzerpten  schon  aufgefallen, 
daB  die  Freimaurerei  ^  irgendwie  auf  der  Buhne  abgefarbt  hat.  Dagegen 
ist  der  Dialog  sehr  glatt  und  geschickt  und  vermeidet  in  seinen  vor- 
sichtig  gewahlten  Worten  die  unangenehme  Empfindsamkeit,  wie  sie  in 
Julie  und  Romeo  und  namentlich  im  Walder  vorherrscht.  Dafiir  aller- 
dings  ist  auch  alles  auBerlicher  und  oberflachlicher  gemacht.  Die  Ein- 
fiihrung  der  Musik  ist  dagegen  sehr  ungeschickt  und  mangelhaft  vom 
Standpunkt  der  Singspieltechnik.  Viel  Szeneriewechsel ,  alles  Ge- 
sungene  gewissermaBen  AbschluBetikette  flir  irgend  etwas,  was  schon 
passiert  ist.     Die  Empfindung  lauft  neben  und  hinter  der  Handlung  her. 


Das  wichtigste  an  diesen  Untersuchungen  bleibt  die  Erkenntnis,  daB 
das  Verstandnis  flir  musikdramatische  Wirkung  sich  aus  der  Schauspiel- 
technik  entwickelt  und  verloren  geht,  sobald  dieser  Zusammenhang  auf- 
gehoben  wird.   Im  wesentlichen  lehrt  diese  Untersuchung  die  Tatsache,  daB 


1)  Schroder  besch'aftigte  sich  in  seinen  letzten  Jahren  mit  einer  Geschichte  der 
Freimaurerei. 


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598  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deuteche  Singepiel. 

der  eigentliche  geistige  Mittelpunkt  in  einem  kleineren  Theater  und  durch 
Mischung  von  Schauspiel  und  Singspiel  zu  erreichen  ist,  von  dem  ein  Fest- 
spielhaus  fiir  seltene  groBe  Auffiihrungen  zu  trennen  ware.  Am  wichtigsten 
aber  ist,  daB  die  Musik  mit  dem  Dialog  zugleich  (nur  nicht  unmusikalisch 
eins  iiber  das  andere)  eine  Gesamtwirkung  ausiiben  kann,  sobald  die 
Vorurteile  iiber  die  Musik  und  einige  Ungeschicklichkeiten  der  Dialog- 
technik  vermieden  werden.  Das,  was  Wagner  durch  das  Leitmotiv  er- 
reichen wollte,  kann  ebenso  durch  eine  richtige  Abwechslung  von  Dialog 
und  Musik  erreicht  werden.  Wie  das  dann  noch  heute  geschehen  kann, 
ist  Aufgabe  einer  besonderen  Arbeit,  die  in  das  Gebiet  der  Psychologie 
spielt.  Hier  sollten  nur  in  Umrissen  der  Ernst  und  einige  asthetische 
Grundsatze  eines  deutschen  Singspiels  dargelegt  werden. 


Anhang  I. 

(Nach  Originaltheaterzetteln.) 

Versuch  einer  Theorie: 

Entwicklung  des  Zweistiicksystems  aus  dem  Dreistucksystem. 

Aus   dem  Tanz  wird  das   zur  Handlung  erweiterte  Ballett,    an  dessen  Stelle 

tritt  eine  Art  Singspiel. 

1741.  Truppe  der  Schonemann'schen1)  Gesellschaft.     Hamburg. 
37  Zettel  vom  27.  Juni  —  8.  December 
an  20  Abenden  2  Stiicke 
an  17  Abenden  3  Stiicke. 
samtlich  >lustige  Nachspiele*. 

Nachspiele  mit  Musik:  die  drei  Operisten  von  Nova  Zembla  (6.  July,. 

Harlekins  etc.  Hochzeitsschmaus.      13.  July.  3.  Okt. 
Tanze:  July  12.   17.     August  3.   11.  14.  16.  23.     Sept.  6.  20.  27. 
Okt.  3.  10.   17.     Nov.   1.   16.     Dec.  6.  7.     Im  ganzen  17  Tanze. 

1747.  dieselbe  Truppe.     63  Zettel  vom  5.  April  —  21.  July.      Hamburg. 

an  40  Abenden  2  Stiicke 
an  23  Abenden  3  Stiicke 
nicht  mehr  samtlich  lustige  Nachspiele. 

Ein  Singspiel:  Teufel  ist  los.     29.  Juni2). 
Mit    Gesang    [beschlossene    od.     vermischte]    Nachspiele :    Der    Wilde 

24.  April.     Schiffbruch  26.  May.      Thomas  Morus  5.  Juni. 
Tanze:   (auch  jetzt  zuweilen  benannt,  zuweilen  der  Atalanta  (5.  May.) 
Gesprach  im  Reiche  der  Toten  (24.  May)  beigefugt)  am  April  5.  7. 
8.   11.   12.   13.   19.  21.  27.     Juni  12.  16.  22.     Im  ganzen  20  Tanze. 

1  Hamburger  Stadtbibliotkek.  Realkatalog  KD.  Vol.  III.  S.  90.  Genauere  Be- 
zeichnungen  der  Stiicke  hier  unnotig.  8.  Devrient,  Johann  Friedrich  Schonemann  usw. 
Theatergesch.  Forschungen  Litzmann)  1895  Bd.  XI.  Meine  Angaben  erfolgen  nur 
nach  dem  Original. 

2;  s.  Anhang  II. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  599 

1750.  dieselbe  Truppe.     28  Zettel  v.  21.  July — 28.  August.     Hamburg. 

lauter  2  Stiickauffuhrungen 
Tanze  nur  am  10.  August1)  u.  24.  August  (Atalanta). 
Singspiel:  26.  Aug.  Teufel  ist  los.  =  1  Singspiel,  2  Tanze. 

1751.  dieselbe  Truppe.     44  Zettel.     2.  Aug. — 7.  Okt.     Hamburg. 

lauter  2  Stiickauffuhrungen. 
Kein  Tanz  allein  (3.  Sept.  wieder  nach  Atalanta). 
Spiel  mit  Gesang  8.  Sept.    Gratien  (mit  Singen  und  Tanzen  beschlossen). 
Singspiel:   > Teufel  ist  los«.     22.  Sept.2]. 

1752.  dieselbe  Truppe  5  Zettel.     12.  Juli — 1.  Aug.     Hamburg. 

2  Stiicksystem. 

1753.  dieselbe  Truppe  40  Zettel.     13.  Aug.— 12.  Okt.     Hamburg. 

2  Stiicksystem  (einmal  Alzire  allein). 

1754.  dieselbe  Truppe  85  Zettel.     5.  Juni — 11.  Nov.     Hamburg. 

2  Stiicksystem. 
nur  3mal  (14.   17.   20.  Sept.)  ein  Stuck. 
Singspiel:  Teufel  ist  los.     (21.  July.) 
Tanz  (15.  Aug.)  zu  Atalanta. 
1756.    dieselbe  Truppe  99  Zettel.     9.  Juni — 26.  November.     Hamburg. 

2  Stiicksystem 
an  4  Abenden  1  Stuck 
an  5  Abenden  Tanze. 
Ballette:    5.    10.    12.   16.  18.  25.  August.     3.    13.    14.    17.  21.  24. 
30.  Sept.      4.  6.  7.  11.  12.  14.  18.  21.  28.  29.  Okt.      5.  17.  18. 
24.  26.  November  =  28  Ballette,  5  Tanze. 
1759.   Truppe  des  Gottfried  Hinrich  Koch3)    191  Zettel   (Lubeck  34  Vorst. 
8.  Jan.— 27.  Febr.     Hamburg  157  Vorst.     18.  April— 28.  Dec). 
Schauspiele:  Haupt-1  Q...  ,     mit  158  Auffuhrungen 

Neben-ptUCke     »     112 
3  Singspiele                                 >       21  > 

8  Stiicke  mit  Gesang                 *       26 
(14)  Ballette  __»       68      : 

Summa  385  Auffuhrungen 
und  zwar:   270  Schauspiele  \  _    2 

115  Stiicke  mit  Musik  /  1  " 

Singspiel:  Teufel  ist  los:  Lubeck:  17.  24.  Jan.     Hamburg:  25.  Apr., 
21.  Jun.     1.  Aug.      11.  Okt. 

Lustige  Schuster4)  (2.  Teil  des  Teufel  ist  los):  Lubeck:  18.  25.  Jan., 
7.   19.  Febr.     Hamburg:   26.  Apr.,  7.  Mai,  27.  Jun.,  9.  Aug., 
5.  Nov.,  3.  Dec. 
Jochem  Trobs*):  Hamburg:  17.  20.  Sept.,  15.  22.  Okt.,  26.  Nov. 
Stiicke  mit  Gesang: 

Moliere:    Sizilianer   oder  Amor  ein  Mahler.     Lubeck:  28.  Jan. 
Hamburg:  31.  Mai,   13.  Jul.,  12.  Nov. 

1)  Wegen  Lange  des  Stiickes  wird  ....  beschlossen. 

2;  Zwar  ohne  Datum,  aber  genau  in  der  Reihe  der  Auffuhrungen. 

3)  In  der  G-othaer  Hofbibliothek.     2  starke  Bande. 

4)  s.  Anhang  H. 


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600  Fritz  Bruckner,  (jeorg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Dancourt:    WTeinlese.    Liibeck :  6.  Febniar.    Hamburg :  1 .  Maw 

4.  July,   14.  Aug.,  17.  Okt.,  16.  Nov. 

Moliere:  Der  Unbedachtsame  oder  das  Unternehmen  zur  IV 
zeit.     Liibeck:   12.  Febr.     Hamburg:  23.  Juni,  21.  Aug. 

Moliere:  Kranke  in  der  Einbildung.  Liibeck:  13.  Febr.  Ham- 
burg: 26.  Juli. 

de  la  Font:  Schiffbruch  oder  Crispins  Leichenbegangnis.  Ham- 
burg:  11.  Marz,  6.  Juli,  29.  Aug. 

Dancourt:  Die  blinde  Kuh.  Hamburg:  21.  May,  26.  Juni. 
31.  Aug.,  6.  Dec. 

Poeten   nach  der  Mode.     Hamburg:    22.  May,  27.  Juli,  26.  Okt. 

Moliere:   Edelmannische  Burger.     Hamburg:   19.   Juli. 
Ballette  (p.  =  pantomimisch) : 

(p.)   Die  gepfandeten  Bauern.      Liibeck:    8.  Januar.      Hamburg: 

18.  Marz,  15.  Aug.,  10.  Sept.,  23.  Okt. 

Die  Tyroler.     Liibeck:    16.  Jan.      Hamburg:    9.  May,    12.  Ju!L 

5.  Sept.  (Das  .  .  .),  18.  Okt.,  5.  Dec. 

Der  Italienische  Windmuller  (p.).  Liibeck:  22.  27.  Jan.  Ham- 
burg:  10.  Aug.,  11.  Sept.,  12.  Okt. 

Die  Husaren  und  Panduren  (p.).  Liibeck:  26.  Jan.  (p.)  Ham- 
burg: 23.  April,  13.  Aug.,  22.  Aug.,  (p.)  4.  Okt.,  9.  Nov.. 
7.  Dec. 

Der  Kohlenbauer  (p.).  Liibeck:  30.  Jan.  (p.)  Hamburg:  7.  Juni. 
(p.)  3.  Aug.  28.,  8.  Okt. 

(p.)  Die  Bretschneider.  Liibeck:  5.  23.  Febr.  Hamburg:  1.  Juni, 
16.  Juli,  21.  Sept.,  7.  Nov. 

Croatenballet.  Liibeck:  14.  Febr.  Hamburg:  12.  Juni,  17.  Aug., 
9.  Okt.,  28.  Nov. 

Ein  Gartnerballet.  Liibeck:  16.  Febr.  Hamburg:  22.  Juni. 
2.  27.  Aug.,  6.  26.  Sept.,  8.  Nov. 

(p.)  Arlekin,    ein  Tanzmeister.      Liibeck:    22.   Febr.       Hamburg: 

19.  Juni,  2.  Nov. 

(p.)  Das   versteckte   Schaaf.      (p.)  Liibeck:     26.   Febr.     (p)  Ham- 
burg: 25.  Juli,  8/  Aug.,  24.  Sept.,  19.  Nov. 
Ein    Jagerballet    von    8    Personen.      Hamburg:     18.    April   30., 
28.  May,  18.  Juli,  6.  24.  Aug.,  (das  .  .  .)  19.  Sept.,  31.  Okt. 
Ein  Ballet.     Hamburg:  3.  May,  3.  Okt. 
Der  Besenbinder.     Hamburg:   16.  May. 

Ein  neues  Tiirkenballet  des  Sultan  im  Serail.    Hamburg:  6.  Juni. 
26.  Aug.,  13.  Nov. 
1760.    dieselbe   Truppe.      200   Zettel.       Hamburg:     2.  Jan. -22.  Febr.    37. 
9.  Apr.  — 30.  Dec.     163  Auffuhrungen  zusammen  200  Aufluhrungeu. 
Schauspiele:   Haupt-1  Qx»  r.    niit  171  Auffuhrungen 

Neben-J  >      91 

3  Singspiele  »      17  » 

10  Stiicke  mit  Musik  »      26 

24  Ballette  ^ 81 _• 

=  386  Auffuhrungen 
und  262  Schauspielauffuhrungen  \  __  jj_ 
124  Stucken  mit  Musik  /    ~    1  ' 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deuteche  Singspiel.  601 

3  Singspiele: 

Der  lustige  Schuster  zweiter  Theil.      14.  Jan.,   2.  Juni,  3.  Juli, 

3.  Sept.,  20.  Okt. 
Der  stolze  Bauer  Jochem  Tr3bs.     24.  31.  Jan.,  14.  Febr.,  8.  May, 

16.  Juni,  16.  Juli,  6.  Okt. 
Teufel  ist  los.     6.  Febr.,  30.  April,  26.  Juni,  20.  Aug.,  13.  Okt. 

10  Stticke  mit  Musik: 

Der  Unbedachtsame.     4.  Jan.,   6.  Juni,  29.  Juli,  26.  Sept. 
L'isle  du  Divorce.     21.  28.  Jan.,    14.  Apr.,    16.  Aug.,  16.  Okt. 
Le  nouveau  monde.     4.  Febr.  [13.  Febr.  lange  Bemerkung,  kein 

Wort  von  Musik],  4.  Aug.,  30.  Sept. 
Schiffbruch.     11.  April. 

Foeten  nach  der  Mode.     2.  May,  25.  Juli,  20.  Nov. 
Edelmannische  Burger.     12.  May,  9.  Juli. 
Weinlese.     13.  May,  17.  Juli,  23.  Sept.,  6.  Dec. 
Kranke  in  der  Einbildung.      22.  May. 
Amor  als  Mahler.     23.  May. 
Blinde  Kuh.     5.  Juni. 

24  Ballette: 

Der  Sultan  im  Serail.     2.  Jan.,  28.  April,  12.  Juni. 

Die  gepfandeten  Bauern.     6.  29.  Jan.,  3.  Juni,  7.  Aug.  —  Als 

»betrogene  Bauern*   28.   Okt.,  14.  Nov. 
Der  italienische  Windmuller.      7.  Jan.,   7.  Febr.,  4.  Sept. 
Die  Schiffer.     10.  Jan. 
Die  Bretschn eider.      11.  Jan.,  26.  Sept. 
Arlekin,  ein  Tanzmeister,  16.  Jan. 

Die  Tyroler.     17.  Jan.,   18.  Febr.,  18.  April,   18.  Juni,  6.  Aug. 
Die  Croaten.     23.  Jan.,  22.  Aug. 
Die  Besenbinder.     11.  Febr.,  19.  Juli,  1.  August. 
Husaren  und  Panduren.      19.  Febr.,  24.  April,  14.  Juli,  11.  Aug., 

1.  Sept.,  21.  Okt. 
Jalousie.     22.  Febr.,  17.  April,   7.  Juli. 
Vogelfang.     9.   23.  April,   19.  May,  24.  Juli. 
Fischerballet.      16.  April,    21.  May,    7.  Juni,    21.  Juli,    9.  Sept. 
Winzer  im  Weinberg.    1.  5.  16.  May,  11.  Juni,  26.  Aug.,  15.  Sept. 
Jagerballet.     28.  May,   10.  Juli,  19.  Aug.,  24.  Sept. 
Ein  Ballet.     29.  May,  25.  Juni,   13.  Aug. 
(Tartnerballet.      6.  Juni,  1.   Okt. 

Kohlenbrenner.      13.  Juni,  28.  Aug.   (Kohlenbauer?). 
Die  Kuper.     17.  19.   Sept.,  9.   29.  Okt.,  17.  Nov.,  2.  Dec. 
Verliebte  Schafer.     8.   15.  Okt,  3.   19.  Nov.,  30.  Dec. 
(Huckliche  Liebhaber  Scaramouche.     27.  Okt.,  10.  Nov. 
Tiirkenballet.      6.   12.  Nov.,   1.  Dec. 
Schmetterling.      13.   26.  Nov. 
Heuerndte.      24.  Nov.,   4.  Dec. 

1762.  dieselbe  Truppe.  Hamburg.  183  Zettel,  vom  4.  Jan. — 26.  Febr.  36, 
vom  14.  April — 30.  Dec.  147  Vorstellungen,  zusammen  183  Vor- 
stellungen. 

z  d.  i.  M.   v.  39 


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602  Fritz  Brftckner,  Gteorg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Da  Lucretia  Romana  (6. 10.  May)  den  Abend  allein  fullt,  so  ist  das  Verhaltnis 
362  Stucke  im  ganzen, 

und  zu  249  Schauspielen  ...._  2 

113  +  2  Stucke  mit  Musik    —  ~T* 
4  Singspiele. 

Jochem  Trobs.     11.  Febr.,  3.  Juni,  6.  Okt. 
Verwandelten  Weiber.     22.  April,  3.  Aug.,  13.  Okt. 
Lucretia  Romana1).     6.   10.  May. 

Lustige    Schuster,      12.  May,   10.    16.  Juni,    1.   Sept.,    11.  Nov. 
10  Stucke  mit  Musik: 

1)  Malade  imaginaire.     13.  Jan.,  17.  Febr.,  29.  Juli. 

2)  Edelmannische  Burger.     27.  Januar.,  25.  Aug.,  18.  Nov. 

3)  Amor  ein  Mahler.     19.  Febr.,  20.  Aug.,  30.  Nov. 

4)  Poeten  nach  der  Mode.     20.  Apr.,  7.  Okt. 

5)  Weinlese.     3.  May,  21.  Sept.,  26.  Nov.,  3.  Dec. 

6)  Schiffbruch.     9.  Juni,  2.  Nov. 

7)  Unbedachtsame.     11.  Juni,  8.  Sept. 

8)  Collin  Maillard.     2.  Sept. 

9)  L'isle  du  Divorce.     6.  Sept. 
10)  Vapeurs.     15.  19.  Nov. 

(28)  Ballette: 

Besenbinder.     7.  Jan. 

Aepfeldieb.     8.  16.  Jan.,  26.  Februar,  28.  Apr.,  20.  Okt. 

Heuerndte.     11.  Jan.,  31.(?)  Mai,  9.  Sept.,  11.  Okt. 

Betrogene  Bauern.     14.  Jan.,  11.  Juni,  3.  Sept. 

Kiiper.     18.  Jan.,  26.  Apr.,  30.  Dec. 

Matrosen.     19.  Jan.,  11.  May. 

Ballet.     20.  Jan.,  22.  Febr.,  8.  Sept. 

Barenjagd.     21.  Jan.,  5.  Mai. 

Listige  Bauerin.     22.  Jan.,  23.  Febr.,  29.  Apr.,  17.  Juni.  5.  Okt. 

Jalousie.     3.   18.  Febr.,  13.  May,  5.  26.  Aug. 

Bretschneider.     8.  Febr. 

Vogelfang.     10.  Febr.,  27.  Apr.,  17.  Sept. 

Scaramouche,     12.  Febr.,  28.  Okt. 

Barenzieher.     15.  Febr.,  14.  Juni,  22.  Nov. 

Panduren  in  der  Garktiche.      14.  16.  Apr.,  25.  May. 

Verliebte  Schafer.     19.  Apr. 

Listige  und  verschlagene  Miiller.     23.  Apr. 

Tiirkenballet.     17.  May,  24.  Nov. 

Verstellte  Tanzmeister.      18.  Mai,  28.  Dec. 

Der  Richter.     28.  May,  7.  21.  Juni,  24.  Aug.,  8.  Okt. 

(Von  46.  Vorstellung  hier  die  Liicke) 
Pantomime:  Pierot,  der  ungliickliche  "Wandersmann  etc.    25.  Juni, 

9.   12.  Nov. 
Faulen  Schafer.     28.  Juli,  17.  Aug.,  13.  Sept. 
Betrunkene  Schweizer.     19.  23.  Aug.,  24.  Sept.   (nur  Schweizer) 

17.  Nov. 
Italienische  Masken.     30.  Aug.,  20.  Sept.,  4.  Okt.,  5,  Nov. 


1    s.  Anhang  II. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  603 

Geduldige  Ehemann.     23,  30.  Sept. 
Chineser.     14.  19.  Okt.,  1.  Nov. 
Arlekin  und  Pierot.     21.  27.  Okt.,  8.  Nov. 
Bacchusfest.     29.  Nov.  =  79  Auffuhrungen. 

4  Singspiele  mit  13  Auffuhrungen 

10  Stucke  mit  Musik     >     23 
28  Ballette  »     79 

1763.  dieselbe  Truppe,  Hamburg.  144  Zettel.  Hamburg  3.  Juni— 18.  Febr. 
30  Vorstellungen,  6.  April— 2.  Sept.  101  Vorst.  Leipzig  19.  Sept. 
—6.  Okt.  13  Vorst. 

3  Singspiele  11  Auffuhrungen 

8  Stucke  mit  Musik  14  » 

27  Ballette  '85 > 

im  ganzen  398  Stucke 

und  von  288  Schauspielen         _  2_ 

110  Stucke  mit  Musik  i~" 

3  Singspiele: 

Verwandelten  "Weiber.     Hamburg:    3.  Febr.,  7.  April,  20.  Juni. 

Leipzig:  26.  Sept.,  3.  Okt. 
Lustige  Schuster.   Hamburg:  10.  Febr.,  8.  Juni.   Leipzig:  6.  Okt. 
Jochem  Trobs.     Hamburg:   17.  Februar,  15.  Juni,  21.  Juli. 
8  Stucke  mit  Musik: 

Unbedachtsame.     Hamburg:  11.  Jan.,  12.  Juli. 
Malade  imaginaire.     Hamburg:  17.  Jan.,  7.  Juli. 
Die  Vapeurs  od.  die  Brunnenkur.     Hamburg:  18.  Jan.,   8.  Juli. 
Colin  Maillard.     Hamburg:  14.  April. 

Poeten  nach  der  Mode.    Hamburg:  19.  April,  12.  August.    Leip- 
zig: 27.  Sept. 
Weinlese.     5.  Juli,  24.  Aug. 
Edelmannische  Burger.     Hamburg:  13.  Juli. 
Amor  ein  Mahler.     Hamburg:   15.  Juli. 
27  Ballette: 

Aepfeldieb.     Hamburg:  3.  Jan.,  28.  Juli. 

Bacchusfest.     Hamburg:  4.  Jan.,  15.  Febr.,  2.  Juni,  25.  Juli. 

Chineser.      Hamburg:     7.   Jan.,    4.    Febr.,    10.   Mai,    20.    Juli. 

Leipzig:  2.  Okt. 
Faulen  Schafer.     Hamburg:    10.  Jan.,  18.  Apr.     Leipzig:  4.  Okt. 
Ballet.    Hamburg:  11.  26.  27.  28.  Jan.,  18.  19.  20.  Mai,  12.  Juli. 
Yerliebte  Schafer.  Hamburg:  12.  Jan.,  7.  Febr.,  2.  Marz  (—  Ballet), 

29.  Juni,  2.  Sept.     Leipzig:  19.  Sept. 

Husaren  im  Felde.     Hamburg:    13.  19.  Jan.,  18.  Febr.,  27.  Apr.. 

30.  Juni,   27.  Juli. 

Arlekin    und   Pierot.      Hamburg:     14.  Jan.,  8.   April,    4.    Juli, 

11.  Aug.     Leipzig:  22.  Sept. 
Matros.     Hamburg:  24.  Jan.,  22.  April,   16.  23.  Aug. 
Tiirkenballet.     Hamburg:  31.  Jan.,  3.  Aug. 
Gluckliche  Liebhaber  Scaramouche.     Hamburg:  9.  Februar  (nach 

einer  ganz  neuen  Musik),  16.  Mai,  1.  Aug. 
Barenjagd.      Hamburg:    14.   Febr.,    6.  Mai,    4.  Aug.      Leipzig: 

30.  Sept. 

39* 


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604  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  and  das  deutsche  Singspiel. 

Die  Schule.     Hamburg:  6.  15.  April,  6.  Mai,  18.  Aug. 

Bichter.     Hamburg:  11.  April. 

Betrogenen  Bauern.     Hamburg:  13.  April,  30.  Mai,  29.  Juli. 

Barenzieher.     Hamburg:  20.  April,  14.  Juli. 

Betrunkene  Schweizer.     Hamburg:  28.  April,  2.  Aug. 

Listige  Bauerin.    Hamburg:  29.  Apr.,  7.  Juni.    Leipzig:  27.  Sept. 

Kttper.     Hamburg:  3.  May,  13.  Juni. 

Masken.    Hamburg:  4.  Mai,  8.  Juli  (italienischen  .  .  .),  25.  Aug. 

(italienischen  .  .  .). 
Satyr.     Hamburg:  9.  25.  Mai,  27.  Juni. 
Heuerndte.     Hamburg:   13.  Mai. 
Jalousie.     26.  Mai,  17.  Aug. 

Panduren  in  der  Garktiche.     Hamburg:  6.  Juni,  8.  Aug. 
Besenbinder.     Hamburg:   16.  Juni,  1.  Sept. 

Verliebte  und  verschlagene  Muller.    Hamburg:  22.  Juni,  10.  Aug. 
Schaferfest.     Hamburg:  6.  Juli. 

1764.   dieselbe  Truppe,  Hamburg.     43  Zettel.     9.  Januar — 9.  Marz. 
3  Singspiele                       5  Auffuhrungen 
2(?)  Stucke  mit  Gesang  5(?) 
17  Ballette  19 >' 

im  ganzen  115  Stucke. 

von  86  Schanspiele  __  3 

29  Stucke  mit  Musik  l-' 

3  Singspiele: 

Verwandelten  "Weiber.     12.  Jan.,  22.  Febr. 

Lustige  Schuster.     19.  Jan. 

Jochem  Trobs.     26.  Jan.,   16.  Febr.  =  5  Auffuhrungen. 

2  Stucke  mit  Gesang: 

(?)  La  Servante  Justifiee   Die  Rechtbehaltene  Magd.      Eine   Ko- 

modie  in  einem  Ackt,    nach  einer  komischen  Oper  der  Herren 

Fagan  und  Favart  ...  31.  Jan.,  10.  Febr. 
Philemon  und  Baucis.     28.  Febr.,  2.  8.  Marz. 

17  Ballette: 

Verliebte  Schafer.     9.  Jan. 

Schaferfest.     11.  Jan. 

Barenjagd.     13.  Jan. 

Panduren  in  der  Garkiiche.     16.  Jan. 

Ital.  Masken.     18.  Jan. 

Chineser.     20.  Jan. 

Kiiper.     23.  Jan. 

Schule.     25  Jan. 

Listige  Bauerin.     27.  Jan.,  8.  Febr. 

Bacchusfest.     6.  Febr. 

Matros.     9.  Febr. 

Ungeschickte  Gartner.      13.  24.  Febr. 

Husaren  im  Felde.     20.  Febr. 

Barenzieher.     23.  Febr. 

Betrogenen  Bauern.     1.  Marz. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  uud  das  deutsche  Singspiel.  605 

Verstellte  Tanzmeister.     7.  Marz. 

Listige  und  verschlagene  Miiller.     9.  Marz. 

Mit  diesen  kurzen  Proben  diirfte  der  Anteil  der  Musik  an  der  deut- 
schen  Biihne  in  jener  Zeit  bewiesen  sein. 


Anhang  II. 
Die  Zettel  der  ersten  Singspiele. 


Mit    Bewilligung   .  .  .    wird    heute    auf  d  .  .  .   Schonemann'schen   Schau- 

biihne  in  dem  Opernhause  am  Gansemarkt  allhier 
Ein  in  Berlin  von  einer  vornehmen  Standesperson  aus  dem  Englischen  Ubersetztes 

Lnstspiel. 

The  Devil  To  Pay 

Or 

The  metamorphosed  Wives. 

Der  Teufel  ist  los, 

oder 

Die  verwandelten  Weiber 

vorgestellet  werden. 


Herrn  von 

Liebreichs 

Gesinde. 


.rersonen: 

Herr  Hans  von  Liebreich,   ein  guti-  Der  Kellermeister 

ger  und  gastfreyer  Edelmann.  Der  Kammerdiener 

Frau  von  Liebreich,  dessen  zankische  Der  Koch 

u.  bbse  Frau.  Der  Kutscher 

Jobst,   ein   Schuflicker   und  Meister-  Jungfer  Anna 

Sanger  im  Junker  Hansens  Dorfe.  Jungfer  Trinchen 

Ein  Doktor,  der  die  schwarze  Kunst  Ein  blinder  Spielmann. 

versteht. 

Nachricht: 

Dieses  Stuck,  welches  durch  und  durch  mit  Satyren,  Arien,  Scherzen 
und  Veranderungen  des  Theaters  angefiillet  ist,  wird  als  einer  der  ersten 
Yersuche  von  dem  Gebrauche  des  Englischen  Theaters  auf  dem  unsrigen 
hoffentlich  ein  besonderes  Vergnugen  erwecken. 

Den  Beschlu B  macht  ein  lustiges  Nachspiel 

(29.  Juni  1747.)  Arlekin,  die  lebendige  Uhr. 

AuBer  den  im  Anhang  I  erwahnten  Auffuhrungen,  die  nicht  als  Singspiele 
gelten  konnen,  sind  folgende  Premieren1)  mit  der  StandfuB-Hiller'schen 
Musik  zu  verzeichnen: 

Leipzig,  Theater  in  Quandts  Hof,  unter  Gottfried  Heinrich  Koch. 
Fr.  6.  Okt.  1752. 


1)  Durch  Giite  des  Herrn  Schatz-Rostock. 


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606  -Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Leipzig,  Theater  in  der  Ranstadter  Bastei,  Okt.  1766. 

Lubeck,  Theater  in  der  Beckergrube,  Mi.  17/ Jan.  1759. 

Hamburg,  Th.  an  der  linken  Seite  des  Dragonerstalles,  25/4.  1759. 

Celle,  unter  Seyler,  /XII.  1769. 

Wetzlar,  unter  Seyler,  9.  Juli  1771. 

Berlin,  Th.  in  der  Behrenstrafie,  unter  Koch,  Die.  9.  Juli  1771. 

Hannover,  Schroder,  /VL  1773. 

Rostock,  Sommer  1773. 

Leipzig,  vor  dem  Orimmaischen  Thor,  So.  9./10.   1774. 

Gotha,  Schlofltheater  im  Ballhause,  Mi.  20.  Juli  1774. 

Weimar,   Kleines  Schloflth.   im   unteren  Saale  der  Wilhelmsburg, 

Die  1.  Marz  1774. 
Dresden,  Churf.  sachs.  Theater,  1775. 
Stuttgart,  Th.  im  Herzogl.  Ballhause  (Schikaneder'sche  Truppeu 

/Vni.   1778. 
Gotha,  Hoftheater.     Mo.  25.  Mai  1778. 
Mannheim  (Schiitzenhaus),  Seyler,  So.  16.  Mai  1779. 
Danzig,  Schuch.     Fr.  27.  Aug.  1779. 
Frankfurt  a.  Main,  Bohm,  26.  Sept.  1780. 
Bremen,  Abt,  Die.  23.  Okt.  1781. 

Dresden,  vor  dem  schwarzen  Thor,  Meddox,  Do.  27/VL    1782. 
Schwerin,  Do.  24.  April  1778. 
Gustrow,  Ges.  der  Wittwe  Koppi,  29.  Jan.  1787. 
Graz,  So.   10.  Febr.  1793,  usw. 

Zum  Unterschied  derselbe  Zettel  bei  Koch:  Dort  geht  ein  Stiick  von 
Gellert  voraus:  17.  Jan.  1759. 

Hierauf  folget:  /  Die  Comische  Opera  /  The  Wives  Metamorphos'd  /  OR  / 
The  Devil  To  Pay  /  oder  Der  Teufel  ist  los.  /  Aus  dem  Englischen  des 
Hrn  Carl  Coffey  in  Leipzig  ubersetzt  und  componirt. 

Personen : 

Herr  Hans  v.  Liebreich,   ein  Land-  Ein  blinder  Musicante. 

Edelmann,  der  wegen  seiner  Gast-  Frau  von  Liebreich,  eine  stolze,  eigen- 

freyheit  beliebt  ist.  sinnige,   zankische  schwarmerische 

Der  Kellner    \  Frau. 

Der  Koch         I  Bediente    des  Herrn  Barbel   1  .,       ,  ,..    , 

Ein  Laquai      f        von  Liebreich.  Marthel  |  o  e     • 

Der  Kutscher  i  Lene,    des   Schuhflickers   Weib,    ein 
Jobsen  Zeckel,    ein    Schuhflicker    u.  einfaltiges  Bauermagdgen. 

Liebhaber  vom  Singen,  ein  Unter-  Nachbarn. 

than  des  Herrn  v.  Liebreich.  Geister. 
Ein  Zauberer. 

Der  Schauplatz  wird  vielmahl  verandert,  es  werden  dabey  Ballets  getanzt  / 
von  Geistern  und  Bedienten. 

Den  BeschluB  macht  ein  Schuster-Ballet. 

Die  Fortsetzung  heifit  auf  den  Zetteln  wie  folgt: 


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Trite  Bruckner,  Georg  Benda  trod  das  deutsohe  Singspiel. 


607 


n. 

[18.  Jan.   1759] 

Mit  Bewilligung  einer  Hohen  Obrigkeit 

wird  heute 

von  den  Konigl.  Fohln.  und  Churfurstl.  S&chsischen 

Hof-Comodianten 

aufgefuhrt : 

Die  Comische  Opera: 

The  Merry  Cobler 

or 

The  second  Part 

Of 

The  Devil  To  Pay. 

Der  lustige  Schuster 

oder 

Der  zweite  Theil 

vom 

Teufel  ist  los. 

Eine  Nachahmung   aus   dem  Englischen    des   Hr.   Coffey   in   drey  Aufziigen. 


Personen : 


Herr  Hanns  von  Liebreich,  ein  wiir- 
diger  Landedelmann. 

Frau  von  Liebreich. 

Hannchen,  Kammermadchen  der  Fr. 
v.  Liebreich. 

Jobst  Zeckel,  der  lustige  Schuhflicker, 
ein  TTnterthan  des  Herrn  von  Lieb- 
reich. 

Lene,  Jobstens  "Weib. 


Hammer  der  Schmidt 
Schnips,  der  Schneider 
Zange,  der  Schlosser 
Pfanne ,     der    Kupfer- 

schmidt 
Fr.  Hammer  \ 

Fr.  Schnips    I  "Weiber  der  obigen 
Fr.  Zange      |         Handworker. 
Fr.  Pfanne     I 


Unter- 

thanen    des 

Herrn 

Liebreich. 


Nickel,  Schuhknecht  bey  Jobsten. 

In  diesem  Stiicke  wird  ein  Ballet  von  Weibern,  und  eines  von  MSnnern 
getanzt.     Den  Beschlufi  macht  ein  Ballet  von  Handwerkern  und  Landvolk. 

Dieses  Stuck  wird  Heute  zum  erstenmale  aufgefuhrt. 

Die  Biicher  von  den  Arien  und  Gesangen  sind  am  Eingange  gedruckt 
zu  bekommen,  fur  4  ssl. 

m. 

[Mo.  17.  Sept.  1759.] 

Der  stolze  Bauer  Jochem  Trobs  /  oder  /  Der  vergnugte  Baurenstand. 

Eine  comische  Oper  in  drey  en  Aufziigen. 

Ein  ganz  neues  Stuck,  welches  heute  zum  erstenmale  aufgefuhret  wird. 


Personen : 


Herr  von  Freudensitz. 

Fraulein  Julian e. 

Jochem  Tr5bs,  ein  Bauer,  Unterthan 

des  Herrn  von  Freudensitz. 
Trine,  dessen  Frau. 
Claus,  ihr  Sohn. 
Gretel,  ihre  Tochter. 


Herr  Urban,    Schulmeister  u.  Hoch- 

zeitbitter. 
Herr   von   Plumpwitz,    ein    Mensch, 

der  sich  fur  einen  Edelmann  aus- 

giebt. 
Michel,  ein  Bauer  von  einem  andern 

Dorfe. 


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608  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  raid  dat  dejitBche  SingspieL 

Ein  Mohr,  Bedienter  des  Herrn  von  Eine  Zigeunerin. 

Freudensitz.  Laufer  und  andre  Bedienten. 
Ein  Bauer.  Bauern. 

Eine  Bauerin.  Zigeuner. 

Ein  Zigeuner. 

Der  Schausplatz  ist  in  einem  Dorfe  des  Herrn  von  Freudensitz. 

In  diesem  Stiicke,  wozu  die  Mahlereyen  nebst  vielen  Kleidern  ganz  neu 
verfertiget  worden,  kommen  folgende  Veranderungen  der  Schaubuhne  vor: 

Erstlich:  Eine  Gegend  auf  dem  Landgute  des  Herrn  von  Freudensitz, 
bey  friihem  Morgen;  in  der  feme  sieht  man  das  adeliche  Schlofi,  nahe  am 
Dorfe  ein  Kohlfeld  und  ein  Hopfenstuck,  wohin  Jochem  mit  Frau  und  Kin- 
dern  zur  Arbeit  geht. 

Zweytens:  Eine  Bauernstube,  in  Jochems  Behausung. 

Drittens:  Eine  andere  angenehme  Gegend,  ohnweit  dem  Lustgarten  des 
Herrn  von  Freudensitz,  am  "Wasser.  auf  welchem  in  einem  Luftschiffe  ein 
Trupp  Zigeuner  unter  Musik  angefahren  kommen. 

Viertens:  Der  Eingang  in  Jochems  Bauernhof,  wo  man  durch  den  offenen 
Thorweg  nach  dem  Schlosse  sehen  kann. 

Zu  Ende  jeden  Aufzugs  wird  ein  Ballet  getanzt: 

Nach  dem  ersten  Aufzuge:  Eines  von  Laufern,  Mohren  und  Magdchen 
vom  Hofe. 

Nach  dem  zweyten:  Eines  von  Zigeuner  und  Zigeunerinnen. 

Nach  dem  dritten  und  zum  BeschluB:  Eines  von  Bauern  und  Bauerinnen. 
welche  sich  gegen  Abend  bei  einer  Vogel-  und  einer  Kletterstange  erlustigen: 
einen  Vogel  abschieBen  und  sich  Gewinnste  langen. 

Die  Arien  und  Gesange  sind  am  Eingange  fur  4  fil.  gedruckt  zu  bekommen. 

Der  Text  ist  von  Osten,  die  Musik  von  StandfuB.  An  AufftihrungeD 
fand  ich  bis  jetzt  auBer  den  schon  genannten: 

1)  Berlin,  Th.  in  der  BehrenstraBe,  Koch,  Mo.  14.  Okt.   1771. 

2)  Hannover,  Seyler,  14./6.   1771. 

3)  Wetzlar,  Seyler,  20./8.   1771. 

IV. 
[6.  May.   1762.] 

Lucretia  Roman  a 
Eine  comische  Opera  von  dreyen  Acten,  in  einer  sogenannten  Musica 

Bernesca. 

Nebst  einem  Prolog, 

in  einer  Comodie  von  einem  Ackt. 

Personen: 

in  der  Oper  Lucretia,   dessen  Gemahlin. 

Tarquinius,  der  letzte  Konig  in  Bom.  Lesbia,  eine  edle  Romerin. 

Sextus,  dessen  Sohn.  Camilla,    der  Lucretia  Beschliefierin. 

Brutus,  General,  des  Tarquinius  heiml.  Furio,  des  Collatinus  Leibkutscher. 

Feind.  Ein  Haufen  Spinnmagdchen  der  Lu- 
Collatinus,  romischer  Feldherr.  cretia. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  and  das  deutsche  Singspiel.  609 

aus  dem  Prolog:  Columbine,  Magd  des  Pandolph. 

Peter,  Grofiknecht  des  Pandolph.  Isabelle,  Tochter  des  Pandolph. 

Valer,  Sohn  des  Anselm,  Brautigam  Lisette,  Magd  der  Isabelle. 

der  Isabelle.  Der  Kutscher  des  Pandolph. 

Anselm     I  Zwey  beguterte  Leute  vom  Der  Schulmeister. 
Pandolph  J                   Lande. 

Der  Direktor. 

Dieses  Stiick  wird  heute  znm  erstenmale  aufgefUhret.  Das  Theater  wird 
in  demselben  verschiedenemal  verandert;  und  zu  Ende  eines  /  jeden  Ackts  von 
der  Oper  wird  ein  Ballet  getanzt. 


Der  Charakter   dieser   Singspiele   wird   durch   diese  Zettel  genugend   ge- 
kennzeichnet. 


Anhang  III. 
Einige  Erstaufftthrungen  der  Georg  Benda'schen  Btthnenwerke.1) 

Ariadne  auf  Naxos.     Dnodrama  mit  Musik  in  1  Akt. 
Dichtung  von  Joseph  Jacob  Christian  Br  an  des  nach  einer  Kantate  von 
Heinrich  Wilhelm  von  Gerstenberg. 

Goth  a,  SchloBtheater  im  Ballhause,  Freitag  den  27.  Januar  1775  (Seyler). 

—  Leipzig,  24.  April  1775.  —  Altenburg,  Hoftheater,  11.  September  1775. 

—  Dresden,  Ch.  kl.  Theater  (Seyler),  November  1775.  —  Gotha,  Hoftheater, 
28.  Dezember  1775.  —  Berlin,  Dobbelin,  23.  August  1776.  —  Dresden, 
Neues  Theater  v.  d.  schwarzen  Thor,  Juli  1776.  —  Hamburg,  6.  September 
1776.  —  Hannover,  Gr.  SchloBtheater  (Schroder)  27.  Dezember  1776.  — 
Giistrow,  unter  Direktion  von  Brenner  1777.  —  Rostock  (Hostowsky  und 
Fendler),  13.  Juni'1777.  —  Breslau,  1.  Waser'sche  Gesellschaft  (Mad.  Waser), 
18.  Marz  1778.  —  Kopenhagcn,  Ariadne  paa  Naxios.  Christiansborg,  29.  Mai 
1778.  —  Bonn,  Hoftheater,  27.  Oktober  1778.  —  Mannheim,  Schutthaus 
(Seyler),  30.  Oktober  1778.  —  Stuttgart,  Theater  im  Herzogl.  Ballhause,  1778. 

—  Mannheim,  Nationaltheater,  9.  Dezember  1779.  —  Wien,  K.  K.  National- 
theater,  4.  Jan.  1780.  —  Coin,  15.  Juni  1780  (Groflmann).  —  Frankfurt  a.  M. 
(Bohm)  Sonntag  den  25.  November  1780.  —  Pyrmont,  26.  Juni  1781.  — 
Paris,  Comedie  Italienne,  20.  Juli  1781.  >Arianne  abandonee*  franz.  v. 
Dubois.  —  Wien,  Kartnerthortheater  u.  D.  des  Preflburger  Theaters  August 
1781.  —  Cassel  (Groflmann),  5.  September  1781.  —  Wien,  Theaterpflanz- 
schule  v.  Muller,  1781.  —  Bremen,  Abt'sche  Gesellschaft,  2.  November  1781. 

—  Danzig  (Schuch),  13.  September  1782.  —  Riga,  5.  Oktober  (nach  unserm 
Kalender  16.),  1782.  —  Erfurt,  GeseUschaftstheater,  24.  Januar  1783.  — 
Stockholm,  Munkbrow,  22.  Dezember  1786:  Ariadne  pa  Naxos,  schwedisch 
v.  J.  P.  Stolpe.  —  Weimar  (Bellomo),  2.  Februar  1787.  —  Giistrow,  Theater 
im  Bathhause,  Hostowky  u.  Fendler,  22.  Januar  1788.  —  Bostock,  Stadt- 
theater,  22.  Januar  1788.  —  Kopenhagen,  kgl.  Theater,  30.  September  1788. 

—  Oels,  Hoftheater,  Sonntag  den  16.  April  1796.  —  Hamburg,  Theatre  de 

1)  Nach  Mitteilung  des  Herrn  Schatz-Rostock. 

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610  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

la  soci£te  franchise  dramatique  et  lyrique  (deutsch),  28.  Februar  1803.  — 
Kopenhagen  (Arsenal),  19.  Marz  1802.  (Operahus)  14.  Januar  1811.  — 
Wiirzburg,  priv.  frank.  National-Biihne,  16.  Dezember  1804.  —  Berlin  (Kgl. 
Schauspielhaus),  13.  Juni  1833.  —  Halle,  Neues  Theater  der  Badeverwaltung, 

30.  August  1814.   —   Konigsberger   Stadttheater,    25.  November  1855  nsw. 

Der  Jahrmarkt  (Dorfjahrmarkt)  (Lucas  und  Barbchen). 
Text  von  Friedrich  "Wilhelm  Gotter. 

Gotha,  Schlofltheater  im  Ballhause,  Freitag  den  10.  Februar  1775.  — 
Leipzig,  im  Koch'schen  Theater  am  Banstadter  Thor,  25.  April  1775.  — 
Altenburg,  Hoftheater,  8.  September  1775.  —  Dresden,  Churf.  kl.  Theater, 
26.  Okt.  1775  (ProlB).  —  Hamburg,  8.  Mai  1776.  —  Hannover,  8.  Mai  1776 
(Schroder).  —  Dresden,  Neues  Theater  v.  d.  schwarzen  Thor,  Mai  1776  (Seyler). 
Gotha,  Hoftheater,  7.  Dezember  1776.  —  Frankfurt  a.  M.  (Seyler,  i.  Jung- 
hofe),  22.  Mai  1777.  —  Leipzig  (Bondini),  5.  September  1777.  —  Berlin 
(Dobbelin),  18.  Juni  1778.  —  "Wien,  Nationaltheater,  15.  April  1779.  — 
Breslau,  14.  Oktober  1779.  —  Mannheim,  Nationaltheater,  13.  Februar  1780. 

—  Cassel  (GroBmann),  12.  September  1781.  —  Frankfurt  a.  M.  ( GroBmann1 , 
19.  Mai  1781.  —  Pyrmont,  5.  Juli  1781  (GroBmann).  —  Riga,  Yietinghoff- 
sches  Theat.,  12.  (23.)  Oktober  1782.  —  Bonn,  3.  Februar  1782.  —  Kauf- 
beuren  (Berner),  13.  Juni  1782.  —  Erfurt,  Gesellschaftstheater,  17.  Januar 
1783.  —  Danzig  (Schuch),  7.  August  1783.  —  Bremen  (Abt),  8.  Dezember 
1783.  —  Kopenhagen  (Markedet,  Kgl.  Theater  paa  Kongens  Ugstore), 
21.  November  1788.  —  Munchen,  Nationaltheater,  Februar  1791.  —  Oelsj 
Hoftheater,  7.  Januar  1795.  —  Bremen,  Theater  a.  d.  Bastion  beim  Oster- 
thore,  21.  Dezember  1803. 

Medea.     Drama  mit  musikalischen  Accompagnemento  in  1  Akt. 
Dichtung  von  Friedrich  "Wilhelm  Gotter. 

Leipzig,  im  Koch'schen  Theater  u.  D.  v.  Abel  Seyler,  Montag  den  1.  Mai 
1775.  —  Gotha,  Hoftheater,  6.  Juni  1775.  —  Altenburg,  Hoftheater,  6.  Sep- 
tember 1775.  —  Dresden,  Kl.  churf.  sachs.  Theater  (Seyler),  6.  November 
1775.  —  Hamburg,  Theater  am  Gansemarkt,  10.  Dezember  1776.  —  Berlin, 
Dobbelin,  26.  Marz  1777.  —  Frankfurt  a.  M.,  Theater  im  Junghofe  (Seyler), 

31.  Mai  1777.  —  Mannheim,  deutsche  Schaubiihne  (Schiitthaus),  u.  D.  v.  Mar- 
chand,  17.  Februar  1778.  —  Wien  u.  d.  Burg,  5.  Dezember  1778.  —  Mann- 
heim (Seyler),  20.  Dezember  1778.  —  Munchen  (Salvator),  13.  August  1779. 

—  Mannheim,  Nationaltheater,  30.  September  1779  (Seyler),  16.  November 
1779.  —  Bremen  (Abt),  16.  November  1781.  —  Riga  (Vietinghoffsches 
Theater)  1./12.  Marz  1783.  —  Danzig  (Schuch),  24.  November  1783.  — 
Kopenhagen,  17.  Oktober  1788  (Hof-  u.  Nat.-Theat.).  —  Gustrow  (Fischer', 
24.  September  1790.  —  Hannover  (GroBmann),  17.  September  1792.  —  Altona, 
Nationaltheater,  31.  Mai  1797.  —  Wiirzburg,  24.  Juli  1805.  —  Nttraberg 
den  21.  September  1809  [vorher?]  —  Graz,  7.  Juli  1818.  —  Munchen  (am 
Isarthor),  6.  Juni  1818. 

Borneo  und  Julie  (Julie  und  Borneo).     Schauspiel  mit  Gesang 

in  3  Akten. 
Text  nach  Shakespeare's  » Borneo  et  Juliet<   von  Friedrich  "Wilhelm  Gotter. 

Gotha,  Hoftheater,  Mittwoch  den  25.  September  1776.  —  Dresden 
(Seyler),  Februar  1777.  —  Frankfurt  a.  M.,  3.  Juni  1777   (Seyler).  —  Ham- 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  nnd  das  deutsche  Singspiel.  611 

burg  (Schrdder),  10.  Mai  1778.  —  Mannheim  (Seyler),  11.  Marz  1779.  — 
Breslau,  1.  Dezember  1780.  —  Bonn,  Hoftheater,  Montag  den  8.  Mai  1782. 

—  Danzig  (Schuch),  10.  Aug.  1782.   -     Bremen  (Abt),  13.  Oktober  1783. 

—  Mannheim,  Nat.-Theat.,  B.  Februar  1784.  —  Riga,  VietinghoflPsches 
Theater,  9./20.  Juli  1784.  —  Miinchen  (Salvator),  12.  Nov.  1784.  —  Prefi- 
burg  (Erdody'sches  Theater),  1787.  —  Hannover  (Grofimann),  23.  November 
1787.  —  Schwerin,  Rathhaus,  15.  April  1788,  do.  im  Ballhause  (Fischer),  Juni 
1790.  —  Dresden,  Theater  v.  dem  schwarzen  Thor,  26.  Juni  1788.  — 
Giistrow  (Fischer),  15.  Oktober  1790.  —  Oels,  Hoftheater,  18.  April  1795.  — 
Graz,  Freitag  den  26,  Sept.  1794.  —  Sibyllenort,  Sonntag,  14.  Marz  1801. 

Der  Holzhauer.     Komische  Operette  in  1  Akt. 

Text  nach  >Le  Bucheron  ou  les  trois  souhaits«  von  Guichard  u.  Castet, 
von  Fr.  W.  Gotter. 

Gotha,  Hoftheater,  2.  Januar  1778.  —  Hamburg,  Theater  am  Ganse- 
markt  (Schroder),  4.  Mai  1778.  —  Leipzig,  11.  Oktober  1779.  —  Breslau 
(Waser/,  29.  Oktober  1779.  —  Bonn,  Hoftheater,  13.  Dezember  1780.  — 
Berlin  (Dobbelin),  20.  April  1781.  —  Frankfurt  a.  M.  21.  April  1781  (Grofl- 
mann).  —  Mannheim,  5.  April  1782,  Nat.-Th.  —  Riga  27.  Juni/8.  Juli  1785. 

Das  tartarische  Gesetz.     Schauspiel  mit  Gesang  in  2  Akten. 
Text  nach  den   »glticklichen  Bettlern*  von  Gozzi,  von  Fr.  "W.  Gotter. 

Hamburg,  Theater  am  Gansemarkt  (Schroder).  19.  Juli  1780.  —  Weimar, 
(Bellomo),  28.  Dezember  1785.  —  Mannheim,  4.  Marz  1787. 

Pygmalion.     Monodrama  in  1  Akt. 
Text  von  J.  J.  Rousseau.     Deutsch  von  Fr.  W.  Gotter. 

Gotha,  Hoftheater,  20.  September  1779.  —  Mannheim,  Nationaltheater, 
28.  Januar  1783.  —  Berlin,  Nationaltheater,  29.  Januar  1791.  —  Weimar 
(Bellomo),  29.  Januar  1791.  —  Leipzig,  Theater  am  Ranstadter  Thor,  2.  Juni 
1799.  —  Breslau,  Konigl.  Theater,  Juli  1799.  —  Wien,  Hofoperntheater, 
14.  Juni  1801.  —  Nurnberg,  20.  August  1802.  —  Wien,  Theater  an  der 
Wien,  13.  November  1802.  —  Wurzburg,  Churf.  Nationalbiihne,  28.  Dezember 
1804.  —  Bremen,  7.  April  1804.  —  Schwerin,  Theater  am  Ballhaus, 
23.  April  1813.  —  Hannover,  Schlofltheater,  27.  Januar  1815.  —  Schwerin, 
Hoftheater,  8.  Februar  1836. 


Anhang  IV. 

Cramer,  Magazin,  1783.  28  ten  Julius. 

Ueber  das  einfache  Recitativ. 

Ein  Schreiben  von  Georg  Benda. 

Sie  wundern  sich,  wehrtester  Freund,  dafl  ich  den  Dialog  in  Romeo  und 
Julie,  einem  durchaus  ernsthaften  Drama,  das  die  vollige  Gestalt  einer  Oper 
hat,  nicht  in  Noten  gesetzt  habe.  Ich  gestehe  Ihnen  aufrichtig,  da£  ich  dem 
Verfasser  sehr  verbunden  bin,  dafi  er  den  Dialog  nicht  in  Verse  gebracht, 
und    dafi    er   mich    dadurch   der  Miihe   uberhoben    hat,    die   Handlung    dieses 


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612  Fritz  Bruckner,  Georg  Beuda  und  das  deutsche  Singspiel. 

riihrenden  Stiicks,  durch  die  gewShnliche  vom  Gesange  sowol  als  der  natur- 
lichen Deklamation  entbloBte  Opernsprache,  wovon  das  mehreste  unverstanden 
verlohren  geht,  zu  schwachen.  In  Sulzer's  allgemeiner  Theorie  wird  uns  ein 
eben  so  richtiges  als  trauriges  Bild  der  TJngereimtheiten,  die  gewohnlich  in 
den  Opern  vorkommen,  vor  Augen  gelegt,  und  zugleich  Vorschlage  zur  Ver- 
besserung  derselben  gethan.  Alles  ganz  gut.  Aber  wie  kann  ich  mir  eine 
merkliche  Yerbesserung  der  Oper  denken,  so  lange  man  dieses  einfache  Reci- 
tatiy  als  die  herrschende  Sprache,  von  der  die  ganze  Handlung  abhangt,  darinc 
duldet?  Der  Dichter  lege  so  viel  Leidenschaft  hinein,  als  er  nur  immer 
will;  welch  en  Zwang  leidet  er  doch  nicht,  wenn  man  von  ihm  fordert,  dafi 
er  diesem,  bey  einer  Oper  schon  so  ubel  angebrachten  langweiligen  Recitativ 
zu  Gef alien,  jeder  Erzahlung,  jeder  Unterredung,  jeder  Berathschlagung  aus- 
weiche,  wovon  doch  oft  das  eine  und  das  andere  nur  Einleitung  der  Ent- 
wickelung  der  vorzustellenden  Geschichte,  nicht  nur  nicht  leicht  zu  venneideu 
ist,  sondern  aus  dem  oft  selbst  die  groBten  Leidenschaften  entstehen,  die 
dann  zum  Recitativ  mit  Accompagnement  den  besten  Stoff  abgeben.  GewiB, 
der  muB  nicht  wenig  Phlegma  besitzen,  der  sich  des  Lachens  enthalten  kann, 
wenn  er  zum  erstenmale  in  seinem  Leben  bei  einer  blofien  Erzahlung,  Unter- 
redung oder  Berathschlagung  durch  vorgeschriebene  Tone  sprechen,  die  Accorde 
auf  dem  Fliigel  greifen  und  die  Basse  dazu  streichen  hort.  Nur  die  Spracheu. 
sagt  Rousseau,  die  schon  an  sich  im  gemeinen  Vortrag  einen  guten  Accent 
oder  etwas  singendes  haben,  schicken  sich  zum  Recitativ.  Ohnstreitig  hat 
die  italienische  Sprache  diese  Vorztige  vor  andern  europaischen  Sprachen 
zum  Voraus,  und  doch  schlafen  wir  bei  ihren  Opernrecitativen  ein.  Sollte 
uns  dies  nicht  abschrecken,  sie  in  unsern  deutschen  Singspielen  einzufuhren  ? 
Noch  mehr:  Ist  nicht  selbst  in  Italien  der  Anfang  eines  Recitativs  das  Signal 
zur  Conversation  geworden?  Wie  sehr  ist  daher  der  Sanger  zu  beklagen. 
der  auf  der  Liste  unserer  guten  Schauspieler  stent,  dafi  er  sein  Gedachtnis 
mit  Dingen  martern  muB,  die  ihm  vom  Gesang  und  der  naturlichen  Sprache 
gleich  weit  abfuhren.  Ich  bin  weit  entfernt,  dieses  simple  Recitativ  iiber- 
haupt  zu  verwerfen.  Bey  Oratorien,  Kantaten  und  andern  der  Music  nnd 
dem  Gesange  gewidmeten  Stiicken,  ist  es  an  seinem  Ort.  Selbst  in  ein  em 
Singspiele  kann  es  bey  einzelnen  Stellen  gute  "Wirkung  thun;  nur  da,  wo 
es  den  Platz  des  ganzen  Dialogs  einnehmen  und  die  Stelle  der  zur  Behand- 
lung  eines  Sujets  nothigen  naturlichen  Sprache  vertreten  soil,  taugt  es  nichts. 
Gleichwohl  scheint  der  in  einer  Oper  in  Verse  gesetzte  Dialog  und  das 
Heroische  des  Sujets  durchaus  musikalische  Tone  zu  fordern.  "Wie  nun?  Hier 
ist  freylich  kein  andrer  Rath,  als  dafi  die  groBe  Oper,  worinn  einmal  das 
Unnaturliche  zur  Natur  geworden  ist,  auch  ihre  mit  jenem  ubereinstimmende 
Sprache  behalte.  Wo  man  die  recitirten  Worte  ohnehin  nicht  versteht,  da 
mag  dann  auch  die  Muse  unbestimmt  sprechen.  Ueberwindung  wird  es  freylich 
dem  Tonkunstler,  der  das  Theater  kennt,  immer  kosten,  seine  Kunst  unter 
ihre  Wiirde  erniedrigt  zu  sehen.  Indessen  eine  Oper  sey  Oper !  Glauben  Sie 
ja  nicht,  daB  ich  etwa  aus  bloBer  Abneigung  von  dieser  Art  Singspiele  so 
denke:  GewiB  nicht.  Ich  habe  ja,  wie  Sie  wissen,  selbst  eine  italienische  Oper 
gesetzt,  ob  ich  gleich  alle  die  Mangel  schon  damals  fur  Mangel  bielt. 
Ich  wiirde  sogar  eine  zwote  setzen,  wenn  es  von  mir  verlangt  werden  sollte. 
Nur  von  der  Wahrheit  des  Satzes  kann  ich  mich  nicht  abbringen  lassen:  Die 
Music  verliert  selbst,  wo  man  ihr  alles  aufopfert.  Ein  Gliick  fur 
die  Music  ist  es;    daB  sie  diesem  Zwange  ausweichen  kann;  daB  es  mehrere 


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Frits  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  613 

Gattungen  Singspiele  giebt.  Eb  giebt  eines,  wozu  die  edelsten  Sujets  aus 
dem  gemeinen  Leben  hergenommen  und  durch  prosaischen  Dialog  und  nattir- 
liche  Declamation  um  desto  interessanter  werden;  wobey  selbst  der  Gesang 
viel  gewinnt.  Hat  nicht  scbon  das  beroische  Trauerspiel  dem  bttrgerlichen 
merklich  weichen  miissen?  Und  aus  welcbem  Grunde?  Sollte  der  Ton- 
kUnstler  hierbey  gleichgiiltig  sein?  Sollte  er  diesem  Winke  nicbt  folgen, 
der  seiner  Kunst  so  schmeichelhaft  ist:  Seben  Sie  also  darinn  die  Ursache, 
warum  ich  bei  meinen  Arbeiten  fiir  das  Tbeater  die  groBe  Oper  mir  nicht 
vorziiglich  gewahlt  habe.  Lassen  Sie  uns  nun  eine  kurze  Yergleicbung  zwischen 
beyden  Gattungen  anstellen.  Bey  der  Oper  z.  E.  bricht  die  Sangerinn  in 
einer  Arie  in  Klagen  aus,  ich  werde  geriihrt:  aber  nicht  so,  wie  ich  es 
seyn  wtirde,  wenn  ich  das  Vorhergegangene  besser  verstanden  h&tte.  Bey 
der  andern  werde  ich  durch  das  Vorhergehende  auf  eine  verstandliche  Art 
zum  Mitleiden  vorbereitet.  Dort,  wo  alles  der  Music  aufgeopfert  wird,  macht 
die  geschickteste  Kehle  das  beste  Gltick,  wenn  sie  gleich  oft  in  einer  un- 
beweglichea  Maschine  steckt.  Hier,  wo  sich  Gesang  und  Handlung  bei  der 
Hand  fiihren,  wird  ein  Sanger  gesucht,  der  zugleich  mit  der  Schauspielkunst 
bekannt  ist.  Dort  wird  der  Zuhorer  bloB  bey  einzelnen  Situationen  durch 
Gesang  und  Harmonie  hingerissen.  Hier  geschieht  es  auch  bey  dem  Dialog, 
wie  im  Walde[r],  wenn  man  ihn  in  Recitative  gebracht  hatte,  alles 
verderbt  ha  ben  wiirde.  Die  Seele,  wenn  es  darauf  ankommt,  hat  ihre 
eigenen  Tone,  die  sich  durch  musikalische  nicht  abmessen  lassen.  Sollte  also 
ein  fur  das  deutsche  Theater  patriotisch  gesinnter  Componist,  der  mehr  fur 
das  Herz  als  die  Vorurtheile  derjenigen  schreibt,  die  nur  das  fur  schon  halten, 
was  jenseits  der  Alpen  Mode  ist,  nicht  diese  Gattung  jener  mit  gutem  Grunde 
vorziehen  konnen?  Von  dem  Recitativ  mit  Accompagnement,  wobey  die 
Music  nicht  mehr  dunkel  und  zweydeutig  spricht,  brauche  ich  Ihnen  nichts 
zu  sagen.  Der  groBe  Eindruck,  den  es  bey  alien  Arten  von  Singspielen 
macht,  ist  bekannt  genug.  Sollten  diese  meine  Gedanken  Ihren  Beifall  finden, 
so  ist  Ihre  eigene  Veranlassung,  der  Sie  es  zu  verdanken  haben.  Sind  Sie 
andrer  Meynung;  so  widerlegen  Sie  mich:  aber  ja  nicht  eher  bis  Ihnen  das 
Gluck  widerfahrt,  eine  Oper  zu  horen,  ohne  dabey  zu  gahnen,  oder  sich  mitten 
unter  dem  recitirten  Dialog  nach  dem  Anfange  einer  Arie  zu  sehnen. 
Ich  bin  usw. 

G.  Benda. 


Anhang  V. 

(Zur  Charakteristik  Benda's.) 
Benda's  Briefe  an  Gotter1). 

1. 

Inliegenden  Brief  nab'  ich  bios  in  der  Absicht  beygelegt,  damit  Sie  daraus 
ersehen,  daB  der  jezige  Herzog  von  Schwerin  ein  Herr  ist,  der  Talente  zu 
schazen  weiB.  Nein,  ich  werde  mit  Ihnen  nicht  hadern,  daB  Sie  fur  den 
Schauspieler  und  nicht  fiir  den  Sanger  gearbeitet  haben.  Denn  war's  um- 
gekehrt,  wie  leicht  wiirde  ich  nicht  bey  einem  "Wetter,  als  das  jezige  ist,  in  Ver- 
suchung    gerathen,    meine   Harmonischen    Krafte    noch   einmal    anzuspanneD. 


1)  Im  Besitz  der  Frau  von  Zech-Gotha. 


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614  Fritz  Briickner,  G-eorg  Benda  and  das  deutsche  Singspiel. 

Nein,  ich  will  es  bey  dem  tartarischen  Geseze  be  wen  den  lassen  und  meine 
theatralischen  Arbeiten  mit  einem  StUcke  beschliefien,  wo  ich  denke  mit  Sicher- 
heit  sagen  zu  konnen :  Ende  gut,  alles  gut.  —  Das,  was  Sie  mir  von  If  lands 
Gliicke  melden,  ist  fur  mich  etwas  ganz  neues,  weil  ich  seit  geraumer  Zeit 
von  Mannheim  keine  Briefe  bekommen  und  in  den  Zeitungen,  die  ich  halte, 
davon  nichts  gelesen  habe.  Aus  dem  wenigen,  so  Sie  mir  davon  sagen, 
zu  urtheilen,  mufi  ich  gestehen,  dafi  diese  Begebenheit  von  einer  Art  ist, 
wo  man  dem  Neide  selbst  etwas  zu  Gute  halten  mufi.  Hatte  Ifland  die 
4000  Gulden  in  einer  Lotterie  gewonnen,  so.  wiirde  nur  der,  der  Niemanden 
als  sich  etwas  gutes  gdnnt,  dariiber  neidisch  seyn.  Hier  aber,  hier  kommt 
die  Eigenliebe  mit  ins  Spiel.  Da,  wo  Mehrere  zugleich  um  Beyfall  eifern 
und  nur  Einer  davon  belohnt  und  zwar  auf  eine  so  ubermafiige  Art  belohnt 
wird,  da  kann  es  nicht  ohne  aufierste  Krankung  der  TJbrigen  abgehen.  Man 
mag  immer  hiebey  den  Ifland  als  blofien  Yerfasser  betrachten  (die  sind  es 
am  wenigsten  gewohnt,  ihr  Gliick  bey  Theatern  zu  machen).  Sie  und  ich 
wiirden  bey  gleicher[!]  Verhaltnis  der  Umstande  zwar  nicht,  wie  Beil,  fort- 
gehen  wollen,  aber  una  gedemUtiget  glauben,  doch  auch  so  billig  seyn  und 
unsern  Unwillen  nicht  gegen  den  Nehmer  sondern  gegen  die  Geber  auslassen. 
So  aber  gonnen  wir  einem  andern,  was  wir  uns  wiinschen,  nehmen  Antheil  an 
If  lands  Gliicke  und  wiinschen,  dafi  er  guten  Gebrauch  davon  machen  moge  [etc.]. 
Bonnebg.,  d.   17.  Jan.  1786. 

G.  Benda. 

Beyliegenden  Brief  behalten  Sie  nur  so  lange  bis  Sie  einmal  wieder  an 
mich  schreiben.  Gruften  Sie  mir  unsern  Freund  Sulzer  und  schicken  ihn, 
wo  er  hingeh5rt,  nach  Bonneburg. 

Es  ist  hier  seit  8  Tagen  ein  solches  Wetter,  dafi  ich  mich  nach  dem 
Bab  en  sehnen  mochte!  An  Freund  Passavy  einen  GruB.  Nachsten  werde 
ich  ihm  antworten.  [Quer  am  Bande]  Die  Herren  Matadors  in  Altenburg 
wollen  mich  dahin  kommen  lassen,  um  mich  wegen  eines  zu  errichtenden  Con- 
certs zu  consul tieren.     Allein 


Ob  ich  gleich  das  Vergniigen  gehabt  habe,  Sie  seit  ihrem  lezteren  freund- 
schaftlichen  Briefe  zusehen,  so  darf  er  deswegen  nicht  unbeantwortet  bleiben, 
wenigstens  ganz  nicht.  Dafi  ich  zu  Anfang  des  Herbstes,  wenn  ich  mich 
immer,  so  wie  jetzt,  befinde,  Ohrdruff  auf  ewig  verlafien  werde,  ist  gewis. 
"Wo  ich  mich  aber  furs  erste  hinwende,  weifi  ich  noch  nicht  so  recht.  Yer- 
mutlich  nach  der  Pfaltz;  denn  ich  kann  dem  Gedanken  nicht  entsagen,  Mann- 
heim noch  einmal  zusehen.  Kehre  ich  aber  nach  Bonneburg  zuriick,  so 
sehe  ich  es  nie  wieder,  und  sterbe,  ohne  etwas  von  der  Musik,  mit  welcher 
ich  meine  theatralischefn]   Arbeiten  beschlofien  habe,  gehort  zu  haben. 

So,  liebster  Freund,  so  ist  es  in  Ansehung  meiner  beschaffen.  Was  Sie 
betrift,  Ihre  Finanzen  mochten  immer  Ihre  Ohren  mit  Taubheit  schlagen, 
konnte  ich  nur  bey  meinen  Jahren  und  bey  so  einer  Beise  meine  eigene 
Aufwartung  entbehren!  oder  konnten  unsrer  drey  in  meiner  Schose  bedeckt 
reisen.  Und  doch  sind  alle  diese  Schwierigkeiten  nicht  vermogend  mich  von 
der  Hofnung  abzubringen  diese  Beise  in  Ihrer  Gesellschaft  machen  zukonnen. 
Eine  Tour  Ihrerseits  nach  Bonneburg  wiirde  mich  vorm  Jahre  mehr  interefiirt 
haben,  wie  Sie  leicht  denken  konnen.  Wie  sieht  es  denn  damit  aus? [etc.]. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  615 

Vor  einiger  Zeit  ging  ich  mit  dem  Projekt  schwanger,  Ihr  tartarisches 
Gesez  mit  Ihrer  Hiilfe  auf  das  G-othaische  Hoftheater  zum '  Vortheil  armer 
Familien,  die  sich  zu  betteln  sch&hmen,  zu  bringen,  und  hatte  schon  die 
Zenide  der  Scheidlerin,  den  Said  der  Demois,  Br  aim,  den  Tauhari  dem  Wunder 
und  die  Fatme  der  Reinhartin  zugedacht,  mit  dem  fasten  Entschlufle  fur 
meine  Mtihe  keinen  Heller  zunehmen.  und  von  der  Herrschaft  weiter  nichts 
als  Theater,  Garderobbe,  Erleuchtung  und  das  Orchester  mir  zur  Disposition 
auszubitten.     Allein  —  das  Blatt  ist  voll  —  Leben  Sie  wohl. 

Ich  bin  von  Herzen  Ihr  aufrichtiger  Freund 

Ohrd.  d.  15.  July  86.  G.  Benda. 

3. 

Diesmal,  liebster  Gotter,  nur  eine  kleine  Anmerkung,  zu  welcher  mich 
die  in  Ihrem  Tartarischen  Geseze  befindliche  Romanze  veranlafit:  Sie  gefallt 
mir  durchgangig  sehr  wohl;  und  doch  habe  ich  Schwierigkeiten  gefuhlt  sie  ganz 
in  Musik  zu  aezen;  theils  weil  die  nehmliche  Melodie  nicht  auf  all e  5  Strophen, 
die  verschiedene  Gemutsbewegungen  enthalten,  passen  wurde,  und  theils  weil 
ich  langweilig  zuwerden  befurchtete,  wenn  ich  jeder  Strophe  eine  andere  Melo- 
die geben  wollte.     Ich  habe  also  die  2  ersten  Strophen  [ 

1. 
Die  Undankbare  lohnte  mir 
Mit  Thranen  und  Verachtung; 
VerschloB  sich  stolz  in  ihr  Revier; 
Gab  meiner  Liebe  kein  Gehor 
Und  sezte  sich  zur  Gegenwehr, 
Bald  bittend  und  bald  drohend. 

2. 

Je  heifier  ich,  je  kalter  sie; 
Ich  schmeichelt'  ihr  und  flehte, 
Ich  fiel  vor  ihr  auf  beide  Knie, 
Ich  weinte  mir  die  Augen  wund; 
Sie  stieB  mich  von  sich;  einen  Hund 
StoBt  man  nicht  sproder  von  sich. 
Die  Undankbare! 
Die  Undankbare  lohnte  mir  usw. 

als  Ariette  bearbeitet.     Die  folgenden  3  Strophen  aber: 

3. 

Da  ubernel  michs  heute  Nacht, 

Ein  andrer  sey  ihr  Abgott. 

Kaum  hatt'  ein  Schatten  von  Verdacht 

Sich  in  mein  voiles  Herz  gedrangt; 

Wenn  Eifersucht  ein  Fiinkchen  fangt, 

Springt  gleich  die  ganze  Mine. 

4. 
Laut  schwur  ich,  ihr  durch  lange  Qual 
Das  Leben  zu  vergiften; 
Doch  flugs  hat  in  der  Rache  "Wahl 


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616  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel. 

Mich  blinder  Jahzorn  tibermannt, 
Dafi  ich  sie  von  mir  weggebannt 
Nach  dem  Gebrauch  der  Tartaren. 

5. 

Dicht  vor  ihr  Antlitz  nab'  ich  mich 
Gestellt  mit  Henkers  Blicken, 
Und  dreymal:  ich  verstofie  Dich! 
Ihr  grafilich  in  das  Ohr  geschrien, 
Und  dreymal  vor  ihr  ausgespien, 
Und  so  das  Band  zerrissen. 

miissen  Sie,  es  thut  mir  leid,  in  Prosa  ubersezen  und  den  Tauhari  sprechend 
klagen  lassen.  Da  Sie  hierzu  kaum  einer  kleinen  halben  Stunde  bedurfen, 
wie  war's,  wenn  Sie  so  gut  waxen  und  mir  es  noch  heute  durch  die  Botert- 
frau  zukommen  liefien? 

Da  die  bosen  Fahrwege  schwerlich  durch  Sonne  und  Luffc  ausgetrocknet 
werden  mochten,  so  kann's  wohl  komen,  dafi  ich  Ihren  Bath  befolgen  und 
erst  im  December  meine  Beise  nach  der  Pfaltz  antreten  werde.  Ich  mdchte 
die  Parti tur  von  Borneo  und  Julie  sehr  gerne  zum  Druck  befordern. 
Erweisen  Sie  mir  doch  die  Gefalligkeit  und  fragen  Sie  den  H.  Buchh.  Dyk, 
der  vor  mehreren  Jahren  den  Klavierauszug  davon  verlegt  hat,  ob  er  auch 
die  Partitur  (44  Bogen  stark)  verlegen  will?  Ich  will  sie  ihm  fur  16  Ld'or 
geben.     Ich  bin  von  Herzen  Ihr  aufrich tiger  Freund 

Ohrd.  d.  8ten  Oct.  86.  G.  Benda. 

4. 
Sollte  Ihnen  dieser  Brief  unter  angenehmen  Entwttrfen,  auf  welche  Art 
Sie  den  heutigen  Nachmittag  am  vergniigtesten  zubringen  mochten,  zugestellt 
werden,  so  seyn  Sie  so  gut  und  verschieben  Sie  sie  nur  auf  wenige  Augen- 
blicke,  wenn  Sie  den  Brief  einiger  Aufmerksamkeit  wiirdigen  wollen,  derm, 
was  ich  Ihnen  melden  werde,  darf  Ihnen  nicht  gleichgieltig  sein.  —  —  — 
Da  bey  dem  Mannheim  er  Theater  noch  alles  so  ist,  wie  es  war,  als  ich  es 
das  leztemal  verlafien  habe,  so  bin  ich  nun  auch  entschloOen,  die  Beise  dahin 
anzutreten  so  bald  —  —  so  bald  Sie  wollen.  Ja,  ja,  so  bald  Sie  wollen ; 
denn  ich  rechne  in  allem  Ernste  darauf,  dafi  Sie  mich  dahin  begleiten  werden. 
Da  ich  mich  seit  ein  paar  Jahren,  besonders  aber  seitdem  ich  von  Bonneburg 
zuriickgekomen  bin,  recht  wohl  befinde,  so  will  ich  diefimal,  zumahl  da  ich 
nicht  tiber  3  Wochen  ausbleiben  werde,  meine  Aufwarterin  zuriicklafien. 
Wenn  ich  Ihnen  nun  sage,  dafi,  Sie  mogen  mitreisen  oder  nicht,  ich  kein 
Pferd  mehr  oder  weniger  anspannen  lafie,  so  habe  ich  Ihnen  alles  gesagt. 
Wenigstens,  hin  und  her  ganz  Postfrey,  konnen  Sie  mir  in  Ansehung  der 
Finanzen  keine  Schwierigkeit  machen.  Entschliefien  Sie  Sich,  Liebster  Gotter. 
Die  Botenfrau  wird  gegen  2  Uhr  die  Antwort  abholen.  Bringt  sie  mir  ein 
Nein,  so  hat  sie  sich  kein  freundliches  Gesicht  von  mir  zu  versprechen.  Ich 
hofe  dafi  Sie  vielmehr  den  Tag  zu  unsrer  Abreise  bestimen  werden. 

Von  ganzem  Herzen  Ihr  ergebenster  Freund 

Ohrdruf,  d.  15 1.  Nov.  86.  G.  Benda. 

Wenn  ich  mich  nur  immer  so  befinde,  wie  bis  hirher,  so  brauch  ich  bey 
unsrer  Beise  auf  kein  fremdes  Geld  zu  rechnen.  Yerstehen  Sie  mich?  — 
Unser   Stuck   und   auch  den  Pygmalion   noch   einmahl   zu   horen   und  Ihnen 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  617 

beydes  horen  zu  laBen,  ist  mein  einziger  Endzweck.  Ein  einziger  Clavieraus- 
zug  zahlt  mir  die  Reisekosten. 

5. 

Endlich,  endlich,  werden  Sie,  liebster  Freund,  bey  Erofnung  dieses 
Briefes  sagen.  Freylich  habe  ich  mich  dieses  mahl  als  einen  Faulen  corre- 
spondenten  bewiesen.  Kiinftig  will  ich  mich  befier  auffiihren  und  das  ge- 
schehene  wieder  gut  zumachen  such  en ;  fur  diesmal  raelde  ich  Ihnen  nur, 
daB  ich  den  4.  dieses  mit  unserin  tartarischen  Geseze  unter  dem 
Schall  von  Trompeten  und  Pauken  vom  Theater  abschied  genommen  habe. 
Die  Musik  davon  gefiel;  wie  weit  sie  gefiel,  kann  ich  nicht  sagen,  weil  ich 
gleich  den  Tag  nach  der  Vorstellung,  ohne  Jemanden  von  meinen  Be- 
kannten  zusehen,  Mannheim  verlaBen  habe;  das  Sujet  aber  fand  man  nicht 
intereBant  genug.  Sie  wiBen,  daB  die  Mannheimer  sich  mehr  mit  der  Musik 
als  dem  Theater  familiarisirt  haben.  Bald  darauf  wurde  Romeo,  und  zwar, 
wie  man  mir  berichtete,  mit  einem  rasenden  Beyfall  aufgefuhrt.  Man  wun- 
derte  sich  sehr,  daB  man  mich  nicht  unter  den  Zuhorern  sah  —  Ich  gehe 
jetzt  einer  Jahreszeit  entgegen,  antwortete  ich,  wo  ich  eine  Feldblume  jeder 
Oper  vorziehe.  In  Mannheim  hab?  ich,  Dank  sey  dem  Wendlingschen  Hause, 
wo  ich  mich  taglich  einfand,  die  2  Monate,  Januarius  und  Febr.,  sehr  ver- 
gniigt  zugebracht.  Die  Gustel  Wendling  will  auf  den  kunftigen  Winter  nach 
Engeland,  und  brennt  vor  Begierde  Romeo  u.  Julia,  mit  Beybehaltung 
meiner  Musik,  ins  Italienische  iibersetzt  zusehen.  Ja,  das  ist  wohl  bald  ge- 
sagt,  aber  fast  unmoglich  auszufuhren.  Der  hiesige  Hofpoet  Verazi,  der  die 
deutsche  Sprache  nicht  verstehet,  soils  ubersezen.  Weil  sie  nun  weiB,  daB 
ich  diese  Oper,  ins  Franzosische  ubersezt,  besize,  so  bittet  und  bittet  sie, 
daft  ich  Ihnen  den  Auftrag  geben  mochte,  nach  Ohrdruf  zu  gehen,  sie  unter 
meinen  Papieren  hervorzusuchen  und  herzuschicken.  Ich  brauche  Ihnen  nicht 
die  Schwierigkeiten  zusagen,  die  alle  diese  Miihe  und  Weitliiufigkeiten  ver- 
geblich  machen  wiirden.  Wenn  auch  Verazi  die  IJbersezung  iibernehmen 
wollte,  so  miiBte  ich  unumganglich  dabey  seyn,  und  dann  bliebe  noch  immer 
die  Frage,  ob  wirs  zu  Stande  brachten.  Das  leichteste,  welches  mir  jedoch 
viele  Arbeit  verursachen  wurde,  ware:  den  in  Verse  Ubersezten  Dialog  in 
Musik  zu  sezen.  — 

Ich  habe  nun  fast  seit  3.  Monaten  keine  Nachricht  von  Gotha.  Was  hat 
man  fur  Nachrichten  vom  Befinden  der  Herzogin,  wann  glaubt  man  sie 
wiederzusehen  ?    Legen  Sie  mich  doch  unserm  theuersten  Prinzen  zu  FuBen. 

Das  Quartal1)  bitte  ich,    wie  gewohnlich,    dem  B zuzustellen.       Wie 

lange  ich  in  Heidelberg  verbleiben  werde  weiB  ich  selber  nicht.  Meine 
tjiglichen  Veranderungen  sind:  mich  bald  hier  bald  dort  iiber  den  Keckar- 
FluB  zu  ubersezen,  bald  diese  bald  jene  Gegend  zubesuchen,  und,  von  langen 
Spaziergangen  ermudet,  comme  quattre  zu  eGen.  Leben  Sie  wohl,  liebster 
Gotter.     Beschahmen    Sie    durch    einen    baldigen   Brief  die   zeitherige   Nach- 

Ihres  ergebensten  Freundes 
Heidelberg  d.   21.  Marz  87.  G.  Benda. 

Hier  auf  der  Post  weiB  man  wo  ich  wohne.  Das  ausgelegte  Porto  werde 
ich  zu  verguten  nicht  vergeBen. 


1)  Benda' s  Pension. 
s.  d.  I.  M.   v.  40 


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618  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  uud  das  deutsche  Singspiel. 


Ihr  Brief,  liebwerthester  Preund,  war  fur  mich  bey  meiner  jezigen  stillen 
Lebensart  eine  der  angenehmsten  AbwechBelungen.  Ich  werde  suchen,  deBen 
Punkte,  sowie  sie  auf  einander  folgen,  zu  beantworten:  Ihre  Anmerkung,  die 
das  tartarische  Gesez  betrifft,  ist  richtig.  Das  anschauliche  der  im  ver- 
floBenen  Winter  gegebenen  Opern  war  nicht  nur  Ihrem  Stiicke  sondern  selbst 
meiner  Musik  nachtbeilig.  Der  groBte  Theil  der  Theaterfreunde  hat  beBeres 
Auge  als  Gehor.  Ists  moglich,  sagte  ich,  als  ich  die  Musik  von  Belloro- 
fonte  bey  einer  Probe  mit  anhorte,  daB  man  diesen  Unsinn  auf  das  Mann- 
heimer  Theater  zu  bringen  sich  entschlieBen  kann!  LaBen  sie  nur  erst,  aut- 
wortete  mir  quidam,  der  neben  mir  saB,  den  Flammenspeyenden  Drachen, 
die  Furien,  das  krachende  Donnerwetter  etc.  dazukoinen,  Sie  werden  gewis 
zufrieden  seyn. 

Wie  sehr  ich  mich  iiber  das  anhaltende  Wohlbefinden  unseres  the  u  erst  en 
Prinzen  freue,  brauche  ich  Sie  nicht  zu  versichern.  Von  der  Zuriickkunft 
der  hohen  Reisenden  hoffe  ich  in  Ihrem  nachsten  Briefe  etwas  bestimmteres 
zu  vernehmen.  Die  Damen  mogen  immer  alles  moglich  zu  machen  wiBen, 
so  mochten  doch  die  Schwierigkeiten ,  Romeo  etc.  ins  Italienische  zu 
iibersezen,  die  Oberhand  behalten.  Wenn  sich  auch  Verazi  dieser  Arbeit 
unterziehen  wollte,  woran  ich  doch  sehr  zweifle,  so  wiirde  er  des 
Zwanges,  jeden  Vers,  jede  Phrasie,  jeden  Abschnitt  nach  der  Musik  abzu- 
meBen,  bald  iiberdruBig  werden.  Der  Fall,  wo  wir  mit  ihm  zusamenkommen 
und  bis  zu  Ende  dieses  Geschaftes  beysainen  bleiben  konnten,  lafit  sich  gar 
nicht  denken,  oder  nur  denken. 

Dem  Verdachte,  daB  das  mir  mitgetheilte  Portrait,  wo  nicht  alles,  doch 
einige  Ziige  Ihrem  Pinsel  zu  danken  hat,  werden  Sie  freilich  nicht  entgehen. 
Jeder  wird  darin  Ihre  Art  zu  schildern  zufinden  glauben.  Getrofen!  ge- 
trofen !  —  rief  ich  laut,  als  ichs  durchgelesen  hatte.  Melden  Sie  mir  doch 
bald  das  weitere  dieser  Geschichte.  hauptsachlich  aber,  wie  sich  Lynkus  da- 
bey  beniint.  Es  sollte  ihm  schmeicheln,  daB  das,  was  man  von  ihm  sagen 
kann,  gewiBes  Aufsehen  macht.  — 

Sie  thun  wohl,  wenn  Sie  Ihre  Mannh.  Freunde  nicht  langer  auf  Sich 
warten  lassen.  Was  mich  anbelangt,  ich  werde  Sie,  wenn  Sie  auch  komen 
da  ich  noch  hier  bin,  am  wenigsten  genieBen.  Ich  bin  um  der  Pfaltz  Willen 
nach  Mannheim  gereist;  bey  Ihnen  wird  es  umgekehrt  seyn.  Ich  habe  von 
Mannheim  auf  ewig  Abschied  genomen  und  werde  mich  nicht  in  den  Fall 
begeben  ihn  noch  einmal  zunehmen.  Allso  ein  Besuch  von  Ihnen  ist  alle* 
worauf  ich  mich  freuen  kann  und  herzlich  freuen  werde,  wenn  ich  noch  so 
lange  hier  bleiben  sollte.  DaB  bey  Erneuerung  der  Theatral-contracte  7 
Personen,  worunter  auch  der  alte  Kirchhofer,  sind  verabschiedet  wordeu. 
werden  Sie  vermutlich  schon  wiBen.  Der  H.  von  Dalberg  wiirde  wohl  thun , 
wenn  er  sich  selber  verabschiedete.  Als  H.  BoBan,  der  Direktor  des  hiesigen 
Schauspiels,  erfahren  hatte,  daB  ich  hier  bin,  gieng  er  zu  mir  und  gab  mir 
ein  Frey-Billet  mit  der  Bitte,  seine  Biihne  zu  besuchen,  so  ich  auch  aus 
Hoflichkeit  einigemal  gethan  habe.  Nach  Verhaltnis  seiner  Einnahmen  konnte 
seine  Gesellschaft  schlechter  seyn,  sowie  die  Mannheimer  nach  Proportion 
der  ihrigen  befier  sein  sollte.  Adieu,  Bester.  Ich  schlieBe  diesen  langen 
Brief  mit  der  Hofnung,  daB  ich  bald  wieder  einen  von  Ihnen  lesen  werde 
und  bin  von  ganzem  Herzen  Ihr  treuer  Freund 

Heidelberg,  d.  4.  April  87.  G.  Benda. 


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Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  und  das  deutsche  Singspiel.  619 

7. 
[1787,  zwischen  April  und  Juni.] 

Endlich,  liebster  Freund,  endlich  hab'  ich  nach  einer  beynahe  4  Monath- 
langen  Abwesenbeit  meine  lezte  Reise  nacb  und  aus  der  Pfalz  gliicklicb  und 
zwar  bo  gliicklicb  vollendet,  daB  mir  binnen  dieser  ganzen  Zeit  keine  Ader 
wehgethan  hat.  Seit  vielen  Jabren  war  diese  Reise  die  erste,  wo  ich,  mit 
Steinschmerzen  ganz  verscbobnt  (etc.l. 

Da  icb  der  Wendlingschen  Familie,  Ibrem  lezteren  Briefe  zufolge,  die 
HofFnung  gemacbt  babe,  daB  Sie  sie  den  nachsten  Sommer  besucben  werden, 
bo  wird  ibr  die  Nachricht  von  meiner  Abreise  sebr  unangenebm  gewesen  seyn ; 
denn  sie  hoffte,  daB  ich  daselbst  Ibre  Ankunft  erwarten  wtirde.  Mit  schwehrem 
Herzen  wird  sie  den  Gedanken  aufgeben,  Romeo  ins  Italienische  uber- 
setzt  zu  sehen.  Ich  wtirde  freylich  was  darum  geben,  wenn  es  geschehen 
konnte.  Daran  ist  aber  nicht  zudenken,  wenn  ich  aucb  dabey  zu  entbebren  ware. 
Von  dem  Mannbeimer  Theater,  diesem  ansehnlicben  Korper  ohne  Kopf,  hatte 
ich  Ihnen  mancherley  zu  sagen.  Icb  glaube  aber  seit  einiger  Zeit  bemerkt 
zu  haben,  daB  die  Scbaubiihne  uberbaupt  nicht  mehr  die  Reize  ftir  Sie  hat, 
die  sie  vormals  hatte.  Ich  habe  nichts  dawider,  denn  von  mir  ist  sie  nun 
ganz  verabschiedet.  Von  unserm  tartarischen  Geseze  muB  ich  Ihnen  doch 
nocb  etwas  sagen :  Die  Auffuhrung  derselben  muB  der  Theater-Kasse  eine 
ansehnlicbe  recette  eingetragen  haben,  denn  das  Haus  war  sehr  voll.  Dabey 
lieB  es  der  Theaterintendant  und  der  Componist  bewenden.  Jener  hat  von 
diesem  und  dieser  von  jenem  weiter  nichts  verlangt.  Das  darf  Sie  nicht  be- 
fremden,  lieber  Gotter;  denn  alle  Singstucke,  die  daselbst  auf  das  Theater 
gebracht  werden,  erhalt  man  gegen  Abscbriftgebuhren  von  andern  Th  eater  n, 
die  Carnevals-Zeit  ausgenomen,  wo  grofie  anschauliche  Paradestiicke  ge- 
geben  werden,  und  wo  dem  Componisten  ftir  eines  dergleicben  10  Louisd'or 
ausgesezt  sind.  Kurz,  ich  habe  meine  Musik  wieder  mit  nach  Hause  ge- 
bracht, so  wie  ehedem  die  von  Pygmalion  nach  zweimaliger  Vorstellung. 
Den  Besiz  dieser  Musik  hat  das  Theater  bios  dem  Beck  zu  danken,  der  sicb 
in  die  Rolle  verliebt  hatte  und  nicht  ruhte,  bis  sie  mir  abgekauft  wurde. 
Ist  es  Ihnen  noch  immer  ein  Ernst,  Mannheim  noch  in  diesem  Jabre  zu- 
besuchen?  Wann  wird  die  Herrschaft  erwartet?  "Was  hat  sich  seit  Ihrer 
letzteren  Nachrichten  in  Gotha  zugetragen?  etc. 

8. 

Je  weniger  ich,  liebster  Freund,  am  vorigen  Mitwoch  einen  Brief  von 
Ihnen  zu  bekommen  vermuthete,  je  angenehmer  war  er  mir  und  wenn  er 
weiter  nichts  als  die  Nachricht  von  unsers  tbeuersten  Prinzen  Wohlbefinden 
enthalten  hatte.  Wie  vergnugter  bin  icb,  als  wenn  icb  keinen  Schein  sehe, 
der  mir,  ibn  zu  iiberleben,   droben  konnte. 

Das  beygelegte  hab'  icb  mit  Theilnehmung  gelesen.  Mein  Seffe  bat  aus  mehr 
als  einer  Ursacbe  woblgetban,  daB  er  seine  bisberige  Pariser  Gescbicbte  durcb 
den  Druck  bekanut  gemacht  bat.  Icb  bin  auf  den  weiteren  Erfolg  der  Sache 
sehr  begierig.  Wo  mag  er  wobl  jetzt  seyn?  Nach  dem  Mannheimer  Theater 
zu  urtbeilen,  erreichen  freilich  alle  cbicanen  Deutscher  Direkteurs  die  Ranke 
der  Pariser  Opern-Direktion  nicht,  denn  ich  bin  gewis,  daB  man  mir  in 
Mannheim  keine  Schwierigkeiten  entgegen  sezen  wiirde,  wenn  ich  auch  jedes 
Viertheljabr    daselbst    eine    neue  Oper    auf   das  Theater    bringen   wollte;  die 

40* 


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620  Fritz  Bruckner,  Georg  Benda  and  das  deutsche  Singspiel. 

dasige   Direktion    wiirde    fur   diese    ihre    condescendance   nicht    einmal    einen 
Dank  von  mir  verlangen.     Nicht  wahr?  —  etc. 
Ohrdruff  d.   20.  Juni  1787. 

9. 

Ich  habe  in  meinen  vorigen  Briefen  verge  Ben  Sie  zu  ersuchen,  da£,  wenn 
Sie  nach  Mannheim  schreiben,  Sie  meiner  auf  keine  Art  erwahnen.  Ich  habe 
meine  Ursachen  dazu.  Wie?  Die  Zeitungen  kiindigen  uns  die  Errichtumr 
eines  glanzenden  Theaters  zu  Berlin  an,  und  Sie  —  Sie  sagen  mir  nicht* 
davon?  —  Soeben  nab1  ich  die  Wiederholung  dieser  Nachricht  gelesen. 
Kofnt  die  Sache  zu  Stande,  so  wird  sie  unter  dem  Schuze  des  Konig-s  ge- 
wiB  auf  einen  permanenten  FuiJ  gesezt,  und  alsdann  —  Wer  iat  wohl  tTe- 
schickter  Plane  zu  theatralischen  Produkten  zuentwerfen  als  Engel?  W*r 
wird  sie  beOer  ausarbeiten  als  Gotter?  Sie  sehen  also,  daft  ich  Lhnen  schou 
eine  Stelle  dabey  zugedacht  habe.  He!  was  sagen  Sie  dazu?  Das  ware  nun 
fur  Sie  so  eine  Lockspeise  wie  fur  den  Fisch  das  Wasser. 
Ohrdruff,  d.   15.  Dec.    1787. 

10. 

Vielleicht  sollte  ich,  liebwerthester  Freund,  zu  einer  Zeit,  wo  die  merk- 
wurdigsten  Ereignisse  gewiB  Ihre  ganze  Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehen,  Si*- 
mit  Briefen  verschonen ;  mit  Briefen,  die,  von  einem  Landmanne  geschriebeu. 
fur  den  Stadter  nichts  interessantes  enthalten  konnen.  Auch  komme  ich  mir 
vor,  als  kame  ich  mit  einem  Sperling  angestiegen,  indem  sie  staunend  einen 
Adler  anschauen.  Gleichwohl  miiBte  ich  mir  Vorwurfe  machen,  wenn  ich  Ihren 
lieben  Brief  noch  langer  unbeantwortet  liegen  liefle.  Als  Sie  ihn  schxiebec. 
(0,  wie  schnell  folgen  die  unerwartetsten  Begebenheiten  aufeinander!)  lehte 
noch  Ludwigs  Wittwe ;  noch  hatten  Marat  und  Egalite  ihren  verdienten  Lohn 
nicht  empfangen;  noch  lieli  sich  niemand  den  Gedanken  einf alien,  daft  die 
Franzosen,  zum  Beschluft  des  Feldzugs  Landau  entsezen  und  die  Deutschen, 
die  schon  vor  3  wo  nicht  vor  4  Jahren  auf  Paris  losgehen  wollten  zuruck- 
schlagen  wiirden.  Selbst  in  seiner  jezigen  politischen  Krankheit  zeig* 
Frankreich,  wie  machtig  es  sey,  und  was  es  koste,  ein  Yolk  zu  bezwingeii. 
das  fur  sein  Vaterland  zu  fechten  glaubt!  nur  befiirchte  ich  daB  die  tapfen: 
Patriotten,  wie  sichs  wohl  am  Ende  zeigen  konnte,  nicht  fur  die  Freyheit. 
sondern  bios  fur  den  Ehrgeiz  einiger  Bosewichter,  die  gege nwartig  die 
Souveraine  Gewalt  ausiiben,  gefochten  und  so  viel  Bluts  vergossen  habei,! 
Auch  B-epubliken  haben  ihre  Tyrannen. 

Man  spricht  unter  den  ftirchterlichsten  Zurtistungen  von  Frieden ;  Xeit,  i 
das  Interesse  der  an  diesem  Kriege  Theilnehmenden  Machte  ist  zu  sehr  ver-  i 
wickelt,  als  daB  ein  baldiger  und  dauerhafter  Friede  zu  hoffen  ware.  Bi^  I 
her  sang  der  Frankreicher  5a  ira,  jezt  singt  er  gar,  5a  va;  und  endlich  I 
wird  man  sich ,  genothigt  sehen  mit  den  Konigsmordern  zu  unterhandeh..  I 
wenn  in  dem  nachsten  Feldzuge  nichts  entscheidendes  geschieht.  I 

AVir   werden    sehen ,    was    unsere  neuen  Generate  thun  werden.  —  Nein,  I 
lieber  Gotter,    bis    auf  Ihren  Brief  war   der  Tod    der  Fr.    von  Lichtenstei.. 
noch   nicht   zu   meinen  Ohren    gekommen.     Wer  hatte  ihr  einst   gesagt,   daU 
der  Abgott   ihres    Herzens   einst  die    Quelle   ihrer   bittersten   Leiden    werden 
wiirde!  — 

Was    giebt   den    Burger   Passavy    an!     Sie   haben   ihn   nicht   verstanden; 
das,  worauf  er  sich  was  zu  Gute    thut,    ist,  dafi  er  etwa  um  ein  Jahr  alter 


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Fritz  Bruckner,  G-eorg  Benda  und  das  deutscbe  Singspiel.  621 

ist,  als  sein  Freund  Benda.  Sagen  Sie  ihm,  ich  sei  weit  entfernt.  ihm  seine 
Anciennete  streitig  zu  machen;  aber  bereit  ware  ich,  ihn  bey  der  ersten 
Anktindigung  des  Friedens  nach  Paris  zu  begleiten.  Das  Reisegeld  liegt 
parat.  Immer  moglich,  daB  eine  Frauzosin  in  seinem  geschwachten  Nerven- 
systeme  eine  heilsame  "Wurkung  hervorbriDgen  wird. 

Mit  Zerstorung  meiner  alten  Maschine  geht  es,  gottlob,  ziemlich  langsam; 
wenigstens  kommt  mir  vor,  als  wenn  sichtmein  Geist,  der  Bewohner  der- 
selben,  nach  keinem  bessern  Quartier  sehnte.  —  Entfernung  von  VerdruB, 
Kuinmer  und  Sorgen,  nebst  ein  Bischen  Philosophie  sind  das  ganze  Geheim- 
nis  langer  zu  leben  und  iinmer  jung  zu  bleiben,  das  ich  Ihnen  mittheilen  kann. 

Es  sind,  wenn  ich  nicht  irre,  40  Jahre  verflossen,  seit  ich  die  am  Land- 
tage  zu  Altenburg  und  Gotha  aufgefuhrte  und  ursprunglich  zu  einem  Ge- 
burtstage  des  vorigen  Herzogs  bestimmt  gewesene  Cantate  von  Rom,  wo  ich 
sie  verfertigt,  nach  Gotha  geschickt  hatte.  Kein  Wunder  daB  hiervon  keine 
Nota  in  meinem  Gedachtnis  zuriickgeblieben  ist.  Gleichwohl  mochte  ich  gern 
dieses  verjahrte  Ding  durchsehen,  ura  zu  wissen,  was  ich  vor  40.  Jahren 
geleistet  habe.  Ubrigens  ist  mir  angenehm,  daB  ich  fur  meinen  vorigen 
Herrn  etwas  gesezt  habe,  wovon  man  auch  unter  dem  jezigen,  und  zwar 
gar  bey  einem  Landtagsfeste,  Gebrauch  machen  kann.  Freylich  hab'  ichs 
meinen  Freunden  Gotter  und  Bernhardt  (denn  ich  erinnere  mich  lezterem 
die    Parti tur  davon  gegeben  zu  haben)  zu  verdanken. 

Ey!  Sie  sagen  mir  etwas,  das  mir  erstaunlich  auffallt!  Wie!  Fiinf- 
zehn  Jahre  waren  hingegangen ,  seit  ich  meine  Stelle  niedergelegt  habe  ? 
Gott!  wie  schnell  folgt  ein  Jahr  auf  das  andere!  Allso  hatte  ich,  so  wie  ich 
mich  fuhle,  mein  Amt  bis  auf  diese  Stunde  verwalten  konnen.  Ob  ich  aber 
einen  solchen  Zeitraum  vergnugt  zugebracht  —  oder  ob  ich  so  lange  gelebt 
liiitte;  daran  zweifle  ich,  und  dieser  Zweifel  gereicht  zu  meiner  Beruhigung 
und  zur  Vermehrung  meiner  Zufriedenheit.  Freylich  habe  ich  zu  friih  auf- 
gehort,  mich  mit  der  Musik  zu  beschaftigen ;  miiBte  aber  weit  zuruckgehen, 
wenn  ich  Ihnen  alle  die  Ursachen  sagen  wollte,  die  mich  nach  und  nach  zu 
dieser  Unthatigkeit  fuhrten.  Ich  schlieBe  mit  dem  warmsten  Dank,  daB  Sie, 
mich  bey  meinen  lieben  Gothaischen  ZeitgenoBen  in  Andenken  zubringen, 
Tur  mich  die  Giite  hatten  und  bin,  was  ich  von  jeher  war, 

Kostritz  den  23.  Febr.   94.  Ihr  aufrichtigster  Freund 

G.  Benda. 

Sollten  Sie  an  H.  Beck  schreiben,  so  schlagen  Sie  ihm  eine  Reise  nach 
Berlin  vor;  wir  wollen  dort  den  Pygmalion  aufs  Theater  bringen. 


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622  J.-Gr.  ProcThomme,  Bibliographie  berliozienne. 

Bibliographie  berliozienne 

par 

J.-G.  Prod'homme. 

(Paris.) 


Si  Ton  s'en  tenait  ail  t&noignage  qu'il  donne  dans  ses  M&moires, 
Berlioz  serait  devenu  critique  k  son  corps  defendant,  ou  presque,  par 
une  sorte  de  «fatalite»,  lors  de  la  fondation  de  la  Revue  europtenne,  en 
1834.  Or,  il  faut  reporter  k  plus  de  dix  ans  auparavant  les  debuts  de 
Berlioz  dans  la  critique,  ou  tout  au  moins  dans  la  pol£mique  musicale. 
H  etait  encore  etudiant  en  medecine  lorsqu'il  adressait  k  un  journal 
quotidien,  le  Corsaire,  alors  k  ses  debuts,  une  lettre  qui  parut  sous  le 
titre  de  «Pol£mique  musicale>,  dans  le  num^ro  du  12  aoftt  1823  de  ce 
journal;  d'allure   vive,  comme  l'indiquait  la  rubrique,  cet  article,   signe 

« Hector  B >  defendait  Gluck  et  Spontini,  les  deux  admirations  de 

Berlioz,  contre  les  partisans  de  Rossini  et  Interpretation  qui  en  etait 
donnee  k  POp^ra.  Quelques  mois  plus  tard,  le  11  Janvier  1824,  la  meme 
signature  reparaissait  au  bas  d'une  nouvelle  «polemique»  sur  les  Dilettanti; 
puis,  k  la  fin  de  l'annee  suivante,  le  19  decembre  1825,  une  nouvelle 
lettre  *k  M.  le  Redacteur*  (Stait  inser^e  dans  la  meme  feuille,  intitulee: 
PoUmique  musicale,  Sur  Aitnide  et  sur  Gluck.  On  trouve  done,  dfcs  les 
premieres  ann&s  du  sejour  de  Berlioz  k  Paris,  des  traces  de  sa  voca- 
tion de  critique.  Sans  doute,  par  la  suite,  le  compositeur  souffrit 
souvent  de  son  labeur  de  f euilletonniste ;  mais,  avec  son  temperament 
combattif,  aide  par  un  esprit  lettre,  Berlioz  ne  pouvait  manquer  de  mettre 
au  service  de  ses  idees  et  de  ses  projets  la  presse  quotidienne,  qui  pre- 
nait  chaque  jour  plus  de  force  et  d'extension,  malgre  toutes  les  entraves 
que  lui  imposait  l'ombrageux  gouvernement  de  la  Restauration.  Lors- 
qu'il donne  son  premier  concert,  dans  la  salle  du  Conservatoire,  le  26  mai 
1828,  e'est  non-seulement  k  la  Gazette  musicale  de  Fetis  qu'il  s'adresse, 
mais  encore  k  des  journaux  quotidiens  tels  que  le  Corsaire,  le  Figaro  et 
la  Pandore,  par  une  sorte  de  lettre-circulaire,  de  *  communique ».  Dfes  que 
se  cree  le  Correspondant,  l'annee  suivante,  il  y  insure  des  Considerations 
sur  la  Musique  religieuse,  puis  une  biographie  de  Beethoven,  dont  la 
publication  apr&s  deux  ofci  trois  fragments  trfcs  espaces,  semble  etre  restee 
inachev^e;  il  y  donne  encore  un  article,  avant  son  depart  pour  l'ltalie, 
et  lorsque,  transforme,  le  Correspondant  reparait  sous  le  titre  de  Revue 
europtenne,  il  lui  adresse  de  Rome,  au  debut  de  l'annee  1832,  la  Lettre 
(Fun  enthousiaste  sur  V6tat  de  la  musique  en,  Italic     De  retour  k  Paris, 


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J.-Gk  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  623 

il  collabore  h  VEurope  UtMraire,  en  1833,  au  Renovateur,  de  1833  k  1835, 
a  la  Oaxette  musicale  depuis  1834 1).  Une  nouvelle  qu'il  y  fit  paraitre 
le  5  octobre  fut  reproduite  cinq  jours  plus  tard,  en  feuilleton,  dans  le 
Journal  des  Dibats,  k  la  suite  de  ce  preambule:  «Rubini  a  Calais.  C'est 
le  titre  d'une  anecdote  que  nous  trouvons  dans  le  dernier  num^ro  de  la 
Gaxette  Musicale,  racont^e  avec  autant  d'esprit  que  de  verve,  par 
M.  Hector  Berlioz.  >  Cette  fantaisie  le  fit  admettre  dans  cet  important 
quotidien.  II  y  resta  pendant  trente  ans,  n'ayant  d'abord  que  les  con- 
certs a  critiquer,  puis,  lorsque  J.  Janin  lui  abandonna  TOp^ra  et  TOp^ra- 
Comique,  toute  la  partie  musicale,  moins  le  Theatre-Italien  que  se  reserva 
Delfoluze. 

La  longue  liste  qui  suit  n'a  pas  la  pretention  d'etre  complete,  surtout 
dans  les  debuts.  Peut-etre  des  publications  auxquelles  Berlioz  collabora 
m'ont-elles  echappe;  on  y  trouvera  cependant  inventorize,  la  presque  to- 
tality de  sa  production  litt^raire,  production  qui  suit,  au  jour  le  jour  pour 
certaines  p&iodes,  les  tenements  contemporains.  Les  sommaires  donnes 
par  Berlioz  lui-meme  ont  6te  reproduits  et  souvent  precises,  lorsque  cela 
a  paru  necessaire  et,  autant  que  possible,  les  references  aux  volumes  pu- 
blics sous  son  nom  indiquees  en  note. 

1823. 
12  aout,  le  Corsaire,  No.  33,  Polemique  musicale,  article  signe  « Hector  B.  .  .» 

1824. 
11  Janvier,  le  Corsaire,  No.  185,   Polemique  musicale.     Les  Dilettanti,  signe" 
«H.  B » 

1825. 
19  decembre,    le  Corsaire.    Polemique  musicale.    Sur  Armide  et  Gluck,  signe" 
«H.  B.»      (Article  dirige*  contre  Castil-Blaze.) 

1828. 
16  mai,  Revue  musicale,  Lettre  a  M.  Fetis,  Directeur  de  la  Revue  musicale. 
22  mai,  le  Corsaire,  Correspondance.     A  M.  le  R^dacteur  du  Corsaire. 
27  mai,  le  Figaro,  Lettre  a  M.  Figaro. 

mai,  la  Pandore,  Lettre  a  M.  le  R^dacteur.  (Ces  quatre  lettres  identiques 
se  rapportent  au  premier  concert  de  Berlioz;  celle  adress£e  a  Fetis  a 
ete"  reproduite  dans  la  Correspondance  inMitc,  III,  p.  65 — 66.) 

1829. 
21  avril,  le  Correspondant,  No.  7  (p.  54 — 55),  Considerations  sur  la  musique 

religieuse.  Signe"   «H.»2) 
4,   11  aout   et  8  octobre,  lb.,  Nos.  22,    23    et   31    (p.  179   et   suiv.),    Bio- 
graphic  etrangere.     Beethoven. 

1]  II  la  dirigea  meme  une  annee  (1837).  en  l'absence  de  Schlesinger,  l'editeur. 
2)  Reproduit  dans  le  Oyele  Berliox:  VEnfance  du  Christ,  par  J.-G.  Prod'homme 
Paris,  1898),  Appendice  II,  p.  287—293. 


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624  J.-G.  PrcxThomme,  Bibliographic  berliozienne. 

1830. 
22  octobre,  le  Coirespondant:  Beaux-Arts,    Apercu    sur  la    musique   classique 
et  la  musique  romantique  *). 

1832. 
Mars-roai,  Rente  eitropcenne,  tome  III  (p.  47 — 64).  Lettre  d'un  entkou- 
siaste  sur  l'etat  de  la  musique  en  Italic  Florence.  Le  theatre  de  la  Per- 
gola. 1  Montecchi  ed  i  Capelli  (sic).  La  Vestale  de  Piccini  (sic,  pour  Pa- 
cini;. —  L'orchestre,  les  choeurs,  les  chanteurs.  Service  funebre  du  jeune 
Napoleon  Bonaparte.  LWganiste.  —  Genes.  JjAgnese  de  Paer.  Indifference 
des  Genois  pour  Paganini.  —  Home  La  fete  del  Corpus  Domini.  Le  chceur 
de  castrati.  La  musique  militaire.  Miserere  d'Allegri.  La  musique  des 
eglises.  Theatres.  Chanteurs,  choeurs  et  orchestras.  Chant  des  montagnards 
romains.  Les  Pifferari.  L'Institut  de  France  et  les  musiciens  pensionnaires 
a  Rome.  —  Naples.  Theatre  Saint-Charles.  —  Theatre  del  Fondo.  Opera 
buffa  de  Donizetti.  Execution  du  Requiem  de  Mozart.  Conjectures  sur  Mi- 
lan et  Yenise.     Article  signe   «H.  B.  »2). 

1833. 

8  mai.     1?  Europe   litteraire,    No.  30,     Journal    d'un   Enthousiaste.      Article 

signe*   «  Hector  Berlioz  >3). 
12  juin,  ibid. ,  No.  45   (p.  182 — 183),  Academie   des  Beaux-Arts.      Concours 
annuel  de  Composition  musicale4). 

19  juillet,  ibid.,  No.  61  (p.  246),  Concours  annuel  de  Composition  musicale4  . 

1834. 
Gazette  musicale. 
5  fevrier,  No.  5  (p.  35 — 38),  Institut.    Concours  de  musique  et  Voyage  d'l- 
talie  du  laureat. 
27   avril,  No.  17  (p.  133 — 135),  Concerts  du  Conservatoire.    Cinquieme,  sixie- 
me  et  septieme  concert. 
ler  et  8  juin  (p.  173—175  et  181  —  185),  Gluck. 

20  et  27  juillet,  Nos  29  et  30  (p.  229—239),  Le  suicide  par  enthousiasme 5  . 
5  octobre,  Nr.  40  (p.  317),   Un  beneficiaire  et  Rubini  a  Calais. 

12  octobre  a  2  novembre,  Nos  41—44  (p.  326-351),   Guillaume  Tell. 
2  novembre,  No.  44  (p.  351),  Historique  de  la  representation  de  Rubini  a 
Calais. 

9  novembre  a  7  decembre,  Nos  45 — 49  (p.  360 — 390),  Iphiginie  en  Taurine. 

Journal  des  Debats. 

10  octobre.     Rubini  a  Calais6). 

1835. 
Gazette  musicale. 

11  Janvier,  No.  2  (p.  10 — 13),   Telemaco,  opera  italien  de  Gluck. 


1)  Reproduit  en  partie  au  debut  de  A  trovers  Chants. 

2}  Reproduit  dans  les  Menioires,  Chap.  XXXV,  XXXIX  et  XLI  en  partie. 

3)  Reproduit  en  partie  dans  les  Soirees  de  VOrchestre,  p.  26—30:  Premiere  Soiree. 
Vincenza,  nouvelle  sentimentale. 

4)  Reproduit  dans  le  lienovaieur,  du  9  juillet  1833.    Cf.  Menioires,  Chap.  XXII 
et  XXIII. 

5)  Cf.  Voyage  musical,  tome  II,  et  XII«  Soiree  de  VOrch.  (p.  149— 169). 

6)  Premier  article  insere  au  Journal  des  Debats. 


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J.-G.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne.  625 

28  Janvier,  No.  3  (p.  22—24),  Premier  bal  de  TOpera. 
3  mai,  Ne.  18  (p.  155 — 156),  Concert  historique  de  M.  Fetis. 

12  juillet,  No.  28  (p.  229—232),  De  llnstrumentation  de  Robert-le-Diable. 
18  et  25  octobre,  Nos  42 — 43  (p.  342—343  et  351),  Chants  pour  piano  de 

Meyerbeer. 

Journal  des  Debate. 
25  Janvier,  12  et  20  fevrier,  22  mars,  12  et  18  avril,  SociSte*  des  Concerts 
du  Conservatoire,  ler,  2e,  3e,  4e,  5e,  et  6e  Concerts.      Articles   signes: 
«H***»   et   «H  .  .  .*. 
25  avril,   Concert  de  M.  Listz  (sic)  Hotel-de-Yille  (Salle  Saint- Jean).     Signe: 

«H***». 
23  juin,  Derniere   stance    du    Conservatoire.    —    Gymnase    musical.      Signe: 

«H.  .  .>. 
21  juillet,  De  la  musique  en  plein  air. 
9  aout,  Le  Requiem  des  Invalides  et  le  Te  Deum  de  Notre-Dame.    M.  Cheru- 

bini  et  Lesueur. 
5  septembre,  Des  musiciens  ambulants  allemandset  italiens.  Signe:  «H*****». 

13  septembre,    Souvenirs    dun   habitue    de    l'Opera   (1822—1823).       Signe: 

♦  H******1). 
27  septembre,  De  la  partition  de  Zampa'1).     Signe:   «H****>. 

2   octobre,  Du  systeme  de  Gluck  en  musique  dramatique.    Sign£:  «H*****»  3). 
16  et  23  octobre,  Des  deux  Alceste  de  Gluck.     Signed    «H*****>3). 
15  novembre,  Don  Juan  de  Mozart.     Signe   «H*****» 4). 

21  novembre,  Musique    religieuse.     Rachel,  Noemi,  Ruth  et  Booz,  oratorios 

de  M.  Lesueur5).     Auditions  de  M.  Urhan.     Article  sign 6 :      «H*****». 

22  decembre,  Enseignement  musical.      Cours  de   contre-point  et  de  fugue,  de 

M.  Cherubini.  —  Traite  de  composition,  de  Beethoven. 

Lie  Monde  dramatique, 

(l"re  annee),  p.  84  —  85,  Spectacle  de  Paris.  Le  Portefaix,  opera-comique  en 
trois  actes,  musique   de  M.   Gomis. 

p.  148  —  150,  Spectacles  de  Paris.  Debuts  de  Mme  Lavri  et  de  M.  Serda. 
Article  anonyme   [Berlioz]. 

p.  180  —  181,  Du  repertoire  de  Gluck  a  TAcademie  royale  de  Musique.  Signe: 
«H.  Berlioz*. 

p.  199 — 200,  Spectacles  de  Paris.  Academie  royale  de  musique.  VRe  des 
Pirates,  Ballet-pantomime,  en  quatre  actes,  par  M.  Henry  et  ***,  mu- 
sique de  MM.  Gide,  Carlini,  Rossini  et  Beethoven,  decorations  de  MM. 
Philastre,  Cambon,  Desplechin,  S^chan,  Feucheres  et  Dieterle.  Signed 
«H.  B.» 

1836. 
Gazette  musiccUe. 

31  Janvier,  No.  5  (p.  38—39);  14  fevrier,  No.  7  (p.  54—55);  27  mars, 
No.  13  (p.  97—98);  24  avril,  No.  17  (p.  133—135)  et  8  mai,  No.  19 
(p.  151—152),  ler,  2e,  5e,   6e  et  7e  Concerts  du  Conservatoire. 

1)  Of.  Voyage  musical,  tome  I,  et  Memoires,  Chap.  XV. 

2)  Les  Musiciens  et  la  Musique,  p.  131 — 144. 

3)  Cf.  Voyage  musical,  tome  II,  et  A  travers  Chants.' 

4)  Reproduit  dans  Us  Musiciens  et  la  Musique,  p.  3—13. 

5)  Ibid.,  p.  59—67. 


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626  J.-G.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne. 

7  fevrier  (p.  43),  Bellini  et  Rossini. 

21  fevrier,  No.  8  (p.  67 — 58):  Le  Carnaval  a  Rome  et  a  Paris.     Du  senti- 
ment de  Tart  chez  les  masses.     Matinees  musicales  de  MM.  Tilmant. 
6,  13  et  20  mars,  Nos  10,  11  et  12  (p.  73-89):  Les  Huguenots. 

3  avril,  No.  14  (p.  Ill — 112):  Concert  de  MM.  Osborne  et  Benedict. 

8  mai,  No.  19  (p.  154 — 155),  Lettre  a  M.  Hofmeister,  Editenr  de  musique 
a  Leipzig1). 

12  juin,  No.  24  (p.  198—201),  Liszt. 

19  juin,  No.  25  (p.  203 — 205) ,  Concours  annuel  de  Composition  musicale  a 

l'lnstitut. 
10  juillet,  No.  29  (p.  243—245),  Choron.  —  Concert  de  Mile  Mazel  a  l'Hotel- 

de-Ville. 
18  septembre,  No.  38  (p.  323—325),  De  TOp^ra-Comique. 

3  octobre,  No.  41  (p.  357 — 359),  Theatre  de  l'OpSra-Comique :  Le  mauvais 

oeilj  musique  de  Loisa  Puget. 
10  octobre,  No.  42  (p.  362—363) ,  Stance  publique  de  rinstitut. 

17  et  30  octobre,  No.  43  et  44  (p.  370—373  et  377—380),  Encore  un  mot 

sur  le  Concours  de  composition  musicale  a  rinstitut  en  r£ponse  au  der- 
nier article  de  M.  Germanus  Lepic2). 
6  novembre,  No.  45    (p.  389—390),    The^tre-Italien.      Reprise    du    Matri- 
monio  secreto. 

20  novembre,  No.  47  (p.  108 — 111),  Academie  royale  de  musique.      La  Es- 

meralda*). 

4  decembre,  No.  49   (p.  428 — 429),    Soci6te   philotechnique.      Distribution 

des  prix. 

18  decembre,  No.  51   (p.  446),  Concert  de  la  Societe*  philotechnique. 

Journal  des  Debats. 

17  Janvier,  Opera-Comique.  Concerts.  —  Les  Virtu oses  et  les  Compositeurs. 
Signe*   «H*****». 

24  fevrier,  Premier  Concert  du  Conservatoire.     Signed   «H*****». 
ler  mai,  La  Flute  enchantee  et   les  Mysteres  d'lsis4).  —  Le  correcteur   de 

Mozart.     Signe   «H*****». 
3  juillet,  Antoine  Reicha.     SignS:   «H* ****». 

16  juillet,  Bellini,   [notice  necrologique].     Signe:   «H***»5). 

23  juillet,  Varietes  musicales.  Le  Siege  de  Corinthe  a  l'Op^ra.  —  M.  Ole- 
Bule.  —  Mme  Labarre  et  son  6cole  de  harpe.  —  La  musique  des  fetes 
publiques.  —  Les  Artistes  et  les  Amateurs  de  Paris.  —  Leur  reunion 
en  1794  pour  celebrer  la  victoire  de  Fleurus.  —  Les  Dilettanti  que- 
teurs  de  1830.  —  Le  choeur  colossal  de  la  galerie  Colbert6). 

10  novembre  et  10  decembre,  Les  Huguenots.  —  La  Partition7). 


1)  Reproduite  dans  la  Correspondanee  inedite  pub.  par  D.  Bernard,  p.  113—116. 

2)  Durant  plusieors  numeros  de  la  Oaxette,  il  y  eut  une  polSmique  au  sujet  du  prix 
de  Rome  entre  G.  Lepic  et  Berlioz. 

3)  Opera  de  Mile  Louise  Bertin,  sur  un  livret  de  Victor  Hugo,  d'apres  Notre-Dame 
de  Paris.    Berlioz  en  avait  surveille"  les  repetitions. 

4)  Reproduit  dans  les  Musiciem  et  la  Musique,  p.  14 — 24. 

5)  Ibid.,  p.  167—182. 

6)  Cf.  Memoires,  fin  du  chapitre  XXIX. 

7)  Reproduit  dans  les  Musiciens  et  la  Musique,  p.  83—105. 


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J.-Gr.  Prod'bomme,  Bibliographie  berliozienne.  627 

26  aout,  Chronique  musical e.    —   M.  TJrhan.    —    Conservatoire   de   Geneve. 

Signe:   «H*****». 

18  septembre,   Des   progres  de  l'enseignement  musical   en  France.     M.  Jo- 

seph Mainzer,  M.  Aubery  du  Boulley.     Signed   «H***». 

1837. 
Gazette  musicale. 

ler   et  8  Janvier,  Nos  1  et  2  (p.  9 — 17),  De  limitation  musicale. 

Nob  4,  6,  9,  11,  13,  15,  17  et  18  (p.  29  —  152),    Concerts   du   Conser- 
vatoire. 

5  fevrier,  No.  6  (p.  45 — 46),  Quelques  mots  sur  les  anciens  compositeurs  et 
sur  GrStry  en  particulier;  (p.  50 — 51)  Premiere  soiree  musicale  de  MM. 
Liszt,  Batta  et  TJrhan.     Deuxieme  Concert  du  Conservatoire. 

19  fevrier,  No.  8  (p.  62 — 63),  Lettre  a  M.  Robert  Schumann  de  Leipzig1); 

(p.  63—64):  Concerts.     3e  soiree  de  MM.  Liszt,  TJrhan  et  Batta. 

19  mars,  No.  12  (p.  95—96),  Revue  de  la  quinzaine. 

2  avril,  No.  14  (p.  Ill — 115),  Jean-B.  Bononcini.     Signe":    «B». 

21  mai,  No.  21    (p.  175—176),   Theatre  de  l'Opera:  Debuts  de  M.  Duprez 

dans  les  Huguenots.  —  Acoustique.      De   la   nature   du   Sen.   —  Bene- 

dictus  de  M.  Swenka.  —  Concert  de  M.  Tilmant. 
11  juin,  No.  24  (p.  203 — 206),  Revue  critique.    De  l'art  dans  les  provinces. 

—  M.  Ferdinand  Lavaine. 
25  juin,  No.  26  (p.  219 — 221),  Esquisse  biographique  [Corelli  et  Caccini"1. 

2  juillet,  No.  27  (p.  228 — 229),  Revue  critique.    Demieres  pensees  musicales, 

de  Marie  Felicite  Garcia  de  BSriot2).     Signed   «H.  B z». 

20  aout,  No.  34  (p.  379 — 380),   Les   Concerts    des   Tuileries  sous  TEmpire. 

Susceptibility  singuliere  de  Napoleon;  sa  sagacite*  musicale3). 

27  aout,  No.  35  (p.  389),  Theatre  de  TOp^ra-Comique.     Premiere   represen- 

tation de  la  Double  Echelle,  ope>a-comique  en  un  acte,  paroles  de  M.  Pla- 
nard,  musique  de  M.  Ambroise  Thomas. 
ler   et  d  octobre,  No.  40—41  (p.  427  —  457),  Lettre  de  Benvenuto  Cellini  a 
Alfonso  della  Viola.     Le  premier  opera,  nouvelle4). 

3  septembre,  No.  36  (p.  400—401),    Revue   critique,    Messe   a  trois   voix 

egales  de  M.  Massimino. 

10  septembre,  No.  37  (p.  405 — 409),  De  la  musique  en  general  [Articles 
ecrits  pour  le  Dictionnaire  de  la  Conversation}. 

17  septembre,  No.  38  (p.  414 — 415),  Op&ra-Comique.  Premiere  represen- 
tation de  Guise  ou  les  Etats  de  Blois,  opera-comique  en  trois  actes  et 
cinq  tableaux,  paroles  de  MM.  Planard  et  de  Saint -Georges,  musique 
de  M.  Onslow;  (p.  415 — 416)  Revue  critique.     M.  Printemps. 

22  octobre,  No.  44  (p.  459 — 460),  AcadSmie  royal  e   de  Musique.     Premiere 

representation  de  la  Ghatte  metamorphosee  en  femme,  ballet  en  trois  actes 
de  MM.  Ch.  Duveyrier  et  Corally,  musique  de  M.  Montfort. 
29  octobre,  No.  45  (p.  470—471),  Concerts  de  la  rue  Saint-Honor^,  diriges 
par  M.  Valentino. 

1)  Reproduite  dans  la  Corresp.  ined.,  p.  116—122. 

2)  La  Malibran. 

3)  XXe  Soiree  de  VOrchestre,  p.  251-254. 

4)  Cf.  Voyage  musical,  tome  I,  et  I"  Soiree  de  VOrckestre,  p.  7—26. 


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628  J.-G.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne. 

6  novembre,  No.  46  (p.  478 — 479;.  Theatre  de  TOpSra-Comiqiie.  Premiere 
representation  de  Piquillo,  opera-comique  en  trois  actes  de  M.  Alexandre 
Dumas,  musique  de  M.  H.  Monpou;  (p.  479 — 480)  Gymnase  musical. 
Soirees  de  Valses  de  Strauss. 
10  decembre,  No.  51  (p.  544 — 546),  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere 
representation  du  Domino  noir,  opera-comique  de  MM.  Scribe  et  Auber. 

Journal  des  Debate. 
31  Janvier.  Revue  musicale  de  l'ann6e  1836.      Signe   «H*****>. 

5  mars,  Theatre  de  l'Opera.       Premiere   representation    de    Stradella,    opera 

en  cinq  actes,    paroles    de   MM.    Einile   Des  champs   et   Emilien    Pacciiri, 

musique  de    M.  Niedermayer,    divertissemens    de   M.    Coraly,    decors    de 

MM.  Desplechin,  Sechan,  Feucheres  et  Dieterle.     Signe   «H*****>. 
12  mars,  Soirees  de  MM.  Liszt,  Batta    et  Urhan.    —    Trios   et   Sonates    de 

Beethoven.     Signe   «H*****». 
31   mars,    Theatre    de   l'Opera.      Representation    au    benefice    de    Levasseur. 

Signe   «H*****». 
17  mai,  Debuts  de  Duprez  dans  les  Huguenots.     Signe"   «H****». 
20  juin,  De   quelques    anciens    compositeurs    italiens    [Buononcini.       Premier 

article  signe   « Hector  Berlioz*]. 
28  juin,  Theatre  de  rOpera-Comique.     Premiere  representation  de  VAn  J///, 

opera-comique  en  un  acte,  paroles  de  MM.  Paul  Foucher  es  Melesville: 

musique  de  M.  Albert  Grisar. 
4  aout,  Psaumes  de  Benedetto  Marcello. 

6  aout,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     Premiere  representation  du  Remphi- 

gant}  opera-comique  on  trois  actes,   paroles    de  MM.   Scribe    et    Bayard, 
musique  de  M.  Batton. 

27  aout,  Theatre  de  l'Opera.  Debut  de  Mme  Stoltz  dans  la  Juive.  Theatre 
de  l'Opera-Comique,  Premiere  representation  de  la  Double  Eclielle,  opera- 
comique  en  trois  actes,  parole  de  M.  Planard,  musique  de  M.  Ambroise 
Thomas. 

10  septembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de 
Guise  ou  les  Etats  de  Blois,  opera  en  trois  actes,  paroles  de  MM.  Planard 
et  de  Saint- Georges,  musique  de  M.  Georges  Onslow. 

27  septembre,  Theatre  de  l'Opera.     Reprise  de   la  Muette  de  Portici.   —   M. 

t  Duprez,  Mile  Elssler,  Mmes  A.  Duport  et  Noblet.  —  Theatre  de  l'Opera- 
Comique.  Premiere  representation  du  Bon  Garpon,  paroles  de  MM.  de 
Louvray  et  Anicet  Bourgeois,  musique  de  M.  E.  Prevost. 

15  octobre,  Lcsucur,  esquisse  biographique 1). 
2  novembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique,  Premiere  representation    de    Pi- 
quillo, opera-comique  en   trois  actes  de   M.  Alexandre  Dumas,    musique 
de  M.  Hipolyte  Monpou. 

19  novembre,  Strauss. 

10  decembre,  Theatre  de  l'Opera-Coinique.  Premiere  representation  du  Iki- 
mino  noir,  paroles  de  Scribe,  musique  de  M.  A.  Auber.  —  Enseigne- 
ment  musical.   —   Concerts. 

Chronique  de  Paris. 
Tome  V.  19  mars  (p.  191 — 193),  Chronique  musicale.     Signe:     « z>. 


1)  Reproduite  dans  Les  Musiciens  H  la  Musique,  p.  68-82. 


J.-G.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne.  629 

7  mai    (p.  309—311),    Chronique   musicale   (Debuts   de   Duprez>. 

Signed   «H.  B.» 

18  juin  (p.  403),  Chronique  musicale  [Les  Etats  de  B/ois  —  Concerts]. 
Signe:   «H.  B.» 
Tome  VI.  30  juillet  (p.  71—73),  Chronique  musicale. 

10  septembre  (p.  166 — 168),    [Sur  les   grands  prix  de  Rome;    de- 
buts de  Mrae  Stoltzj. 

8  octobre  (p.   233 — 234).   Opera  [reprise  de  la  Muette}.  —  Theatre 

It  alien.    —   Casino   Faganini.    —    Concerts    Saint-Honore.  — 
Opera-Comique. 

1838. 
Revue  et  Gazette  musicale. 

7  Janvier,  No.  1   (p.  1 — 4),  Tribulations  d'un  critique  musical. 

28  Janvier,  4,  11,  18  fevrier,  Nos.  4,  5,  6  et  7  (p.  33 — 77;,  Symphonies  de 

Beethoven.  —  Concerts  du  Conservatoire. 

11  fevrier,  No.  6  (p.  66),  Messe  de  M.  Elwart  a  Saint-Eustache. 
4  mars,  No.  9  (p.  97 — 101),  Symphonic  avec  choeurs  de  Beethoven  et  Concert 
du  Conservatoire. 

11  et  18  mars,  Nos  10  et  11  (p.  105 — 116),  Academie  royale  de  musique.  Pre- 
miere representation  de  Guido  et  Ginevra,  paroles  de  M.  Scribe,  musique 
de  M.  Halevy,  ballets  de  M.  Mazillier,  decors  de  MM.  Feucheres  et  Cambon. 

25  mars,  No.  12  (p.  131),  Theatre  de  l'OpeTa-Comique.  Premiere  represen- 
tation de  Lequel?  opera-comique  en  an  acte  de  M.  Paul  Dupont  et 
Ancelot,  musique  de  M.  Leborne. 

ler  avril,  No.  13  (p.  137 — 141),  Guido  et  Ginevra  ou  la  Peste  de  Florence.  La 
partition,  3e,  4°  et  5*  actes  (p.  141—143)  Theatre  de  TOpera.  Represen- 
tation de  Mile  Noblet.  —  Concert  du  Conservatoire. 

8  avril,  No.  14  (p.  153 — 154),  Theatre  de  TOpera-Comique.     Le  Poruquier 

de  la  JRegen/r,  opera-comique   en  trois   actes,  de   MM.  Planard    et   Paul 
Dupont.     Musique  de  Ambroise  Thomas. 
15  avril,  No.  15  (p.  161  —  162),  Concerts  du  Conservatoire  et  de  la  rue  Saint- 
Honore. 

29  avril,    No.  17    (p.  174 — 175),    Conservatoire    de   musique.     9e  et   dernier 

Concert. 
6  mai,  No.  18  (p.  186-87),   Concert  de  M.  Mainzer  Salle  Saint-Honore. 
20  mai,  No.  20  (p.  213 — 214),  Revue  critique.     Bencdktus  de  M.  Schwenke. 

Concerts.     Matinee  de  M.  Tilmant. 
10  juin,  No.  23  (p.  236—238),  3e  Messe  solennelk  de  M.  Lesueur. 
15  juillet,  No.  28  (p.  287  —  289),  Biographies.     Reicha  Antoine. 
29  juillet,  No.  30  (p.  307—308),  Biographies.     Spontini1). 
4  novembre,  No.  44   (p.  435  —  437),   Vogel    et    ses  operas,    p.  438 — 439); 

Theatre   de   l'Opera-Comique.     Premiere   representation    du    Brasseur  de 

Preston,  opera-comique  en  trois  actes  de  MM.  Leuven  et  de  Brunswick, 

musique  de  M.  A.  Adam. 
15  novembre,  No.  46  (p.  466—467),  Vogel  (suite  et  fin);  (p.  467  —  468),  Concert 

donne    par   les    artistes    de    TAcademie    royale    de    musique   au   b£n£fice 

d'un  de  leurs  camarades,  ampute. 


1)  Of.  XHIe  Soiree  de  VOrehestre,  p.  169-200. 


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630  J.-Gr.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne. 

Journal  des  Debate. 

14  Janvier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     Premiere  representation  du  Fidek 

Berger,  opera  comique   en  trois  actes,   paroles   de  MM.  Scribe  et  Saint- 
Georges,  musique  de  M.  Adam.  —  Enseignement  musical. 

7  mars,  Theatre  de  l'Opera.  Guido  et  Ginevra  ou  la  Peste  de  Florence , 
opera  en  5  actes,  paroles  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Halevy,  ballet  de 
M.  Mazilier,  decors  de  MM.  Filastre  et  Cambon. 

6  avril,  Theatre  de  TOpera-Comique.  Le  Perruquier  de  la  Regence,  opera 
comique  en  trois  actes,  paroles  de  MM.  Planard  et  Paul  Dupont,  musique 
de  M.  Ambroise  Thomas.  Premiere  representation  de  Lequel?  opera- 
comique  en  un  acte  de  M.  Paul  Dupont,  musique  de  M.  Leborne.  — 
Concerts.  —  Musique  religieuse. 
25  avril,  Theatre  de  l'Opera.    Representation  au  benefice  de  Mile  Damoreau. 

—  Concerts.  —  Musique  religieuse. 
22  juin,  Theatre  de  l'Opera-Comique.   Premiere  representation  de  Marguerite. 
opera    en  trois   actes   de   M.  Scribe   et  Eugene,    musique   de   M.  Adrien 
Boieldieu. 

6  juillet,  Enseignement  populaire  du  chant.  —  Reunion  de  l'Orpheon.  — 
M.  Wilhem.  —  Nouveaux  pianos  de  M.  Pape.  —  [Liszt.  —  Les  freres 
Tilmant.] 

15  juillet,  Theatre  de  l'Opera.  Rentree  de  Duprez.  —  Esmeralda.  La  Partition. 
5  novembre,  Theatre  de  l'Opera.     Reprise  du  Siege  de  Corintke.  —  Theatre 

de  TOpera-Comique.     Le  Brasseur  de  Preston. 

Chronique  de  Paris. 
Tome  VII.   8  Janvier,  (p.  9 — 11),  Chronique  musicale  [Funerailles  du  general 
Damremont;  mort  de  Lesueur]. 

1839. 
Gazette  musicale. 
3  et  17  fevrier,  3  et  17  mars.   7  avril,  Nos.  5,  7,  9,   11  et  14  (p.  35—110. 
2e,  3e,  4*  et  5e  Concerts  du  Conservatoire .  et  concerts  du  Vendredi-saiut 
et  du  jour  de  Paques. 

10  mars,  No.  10  (p.  75 — 76),  Theatre-Italien.    Le  Nozze  di  Figaro.   Represen- 

tation au  benefice  de  Lablache. 
24  mars,  No.  12  (p.  90 — 93),  Concert  de  la  Gazette  musicale. 

11  aout,  No.  38  (p.  296—299),   A  Liszt.      .Paris,  ce  6  aout  1839*  '). 

Revue  musicale7'). 

20  Janvier  et  31   mars,  Nos.  3  et  13  (p.  26  et  106—107),  Premier  et  sixiem* 

Concerts  du  Conservatoire. 

Journal  des  Debate. 

21  Janvier,    Theatre    de   l'Opera- Comique.      Premiere    representation    de  h 

Mantilley   opera   comique    en    un    acte,  de  M.   Planard   et    Desfontaine?. 
musique    de  M.  Bordeze.   —  Rcgine,    opera    comique   en  deux    actes.  de 
MM.  Scribe  et  Adam.  —  Concerts.   —  Musique  religieuse. 
17  mars,  2'  Concert  de  la  Gazette  musicale.    Mile  Pauline  Garcia.  —  TJOrph'- 
de  Gluck. 


1)  Reproduit  dans  la  Corresp.  ined.  p.  123—131. 

2)  La  Revue,  de  Fetis  et  la   Gazette,    de    Schlesinger   fusionnerent  au    cours  de 
Tannee  1839. 


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J.-G.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  631 

22  mars,  Adolphe  Nourrit.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  represen- 
tation du  Planteur,  opera-comique  en  deux  actes,  de  MM.  de  Saint- 
Georges  et  H.  Monpou.  —  Concerts. 
3  avril,  Theatre  de  1'Opera.  Premiere  representation  de  Lac  des  Fees,  opera 
en  cinq  actes,  paroles  de  MM.  Scribe  et  Melesville,  mnsique  de  M.  Auber, 
ballets  de  M.  Corally,  decors  de  MM.  Philastre  et  Cambon. 

18  avril,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     Premiere  representation  de  les  Treixe, 

opera  comique    en   trois    actes,    paroles   de  M.  Scribe   et    Paul   Dupont, 

musique  de  M.  Halevy.  —  [Concerts], 
10  maij  Concert    au   benefice    des   victimes   du   tremblement    de   terre    de   la 

Martinique.    -    Concert  de  M.  Henri  Reber.  —  [Concert  du  Conservatoire]. 

Theatre  de  l'Opera-Comique.     Premiere  representation  de  le  Panier  fleuri, 

opera  en  un  acte  de  MM.  Leuven  et  Brunswick,  musique  de  M.  Ambroise 

Thomas.   —  Instruments   de  musique.      Exposition    des   productions    de 

l'Industrie. 
28  mai,  Theatre  de  1'Opera.     Debuts    de  Mario   et   de   Mile  Nathan.  —  Le 

Comte  Ory.  —  La  Juive. 

19  juin,  Theatre  de  1'Opera.     Les  Huguenots.  —  Mile  Nathan.     Theatre   de 

l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de  Polichinelle,  opera-comique 
en  un  acte  de  MM.  Scribe  et  Ch.  Duveyrier,  musique  de  M.  Montfort. 
—  Collection  des  Lieders  (sic)  de  Schubert.  Traduction  nouvelle  de 
M.  Emile  Deschamps. 
9  aout,  Theatre  de  la  Renaissance.  Premiere  representation  de  Lucie  de 
Lammermoor,  musique  de  M.  Donizetti,  paroles  de  MM.  Alphonse  Royer 
et  Gustavo  Vaes. 
5  septembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  du 
Sheriff,  opera-comique  en  trois  actes,  paroles  de  M.  Scribe,  musique  de 
M.  Halevy. 

14  septembre,  Theatre  de  1'Opera.  Premiere  representation  de  la  Vendetta, 
opera  en  trois  actes,  paroles  de  MM.  Leon  et  Adolphe  [id  est  Pillet  et 
Vannois],  musique  de  M.  Henri  de  Ruolz,  decors  de  MM.  Philastre  et 
Cambon.  —  Necrologie.    Platel.   —   Concert  de  la  Gazette  musicale. 

22  septembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Debut  de  M.  Masset.  —  Pre- 
miere representation  de  la  Heine  £un  jour,  opera  en  trois  actes  de  MM. 
Scribe  et  de  Saint- Georges,  musique  de  M.  Ad.  Adam1). 

13  octobre,  Theatre  de  la  Renaissance.  La  Jacquerie,  opera  en  trois  actes, 
paroles  de  M.  Ferdinand  Langle  et  Alboize,  musique  de  M.  Joseph 
Mainzer. 

18  octobre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de  la 
Symphonic,  opera  en  un  acte;  paroles  de  M.  de  Saint-Georges,  musique 
de  M.  Clapisson.  —  Debuts  de  Marie.  —  Theatre  de  1'Opera.  Debuts  de 
Mile  Rieux  dans  Robert-le-Diable.  —  Dictionnaire  de  Musique  de  Lichten- 
thal  traduit  par  D.  Mondo. 
ler  novembre,  Theatre  de  1'Opera.  Premiere  representation  de  la  Xacarilla, 
opera  en  un  acte,  paroles  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Marliani. 
Theatre  de  la  Renaissance.  Premiere  representation  de  la  Chasse  royale, 
opera  en  deux  actes,  paroles  de  M.  St.  Hilaire,  musique  de  M.  Godefroi. 


1;  Les  Conseils  a  un  tenor  qu'inspire  a  Berlioz  le  debut  de  Masset  ont  ete  repro- 
duits  dans  la  Sixieme  Soiree  de  V  Or  chest  re  (p.  72— 74  . 


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632  J.-G.  ProcThomme,  Bibliographie  berliozienne. 

13  decembre,  Theatre  de  1' Opera-Corn ique.  Premiere  representation  dEca, 
opera  en  deux  actes,  paroles  de  MM.  de  Leuven  et  de  Brunswick, 
musique  de  MM.  Girard  et  Coppola.  —  D£but  de  Mme  Eugenie  Garcia. 
[Lesueur.  —  Concert  de  la  Gazette  musicale.  —  Batta.  —  Album  de 
Mile  Molinos.  —  Lafitte\ 

31  decembre,  Theatre  de  la  Renaissance.  Premiere  representation  de  hi 
Cliaste  Suzanne,  opera  en  trois  actes  et  en  quatre  tableaux  musique  de 
M.  Monpou,  paroles  de  MM.  Carmouche  et  de  Courcy.  —  Debuts  de 
MM.  Laborde,  Euzet  et  de  Mme  Ozy. 

1840. 
Revue  et  Gazette  musicale. 

16  et  23  Janvier,    Nos  5    et  7    (p.   37 — 46),  Premiers    Concerts    du    Conser- 

vatoire.     Quelques  mots  sur  la  musique  ancienne. 

3  et  13  fevrier,  Nos  10  et  13    (p.  8—102),  2e  et  3e  Concerts   du   Conser- 
vatoire. 

27  fevrier,  No.  17   (p.  109—160),  4e  Concert  du  Conservatoire.     (En  P.-S.  : 

Le  concert  de  Mme  Albertazzi. 

15  mars,  No.  22  (p.  177),  5°  Concert  du  Conservatoire. 

29  mars,  No.  26  (p.  213 — 315),  6e  Concert  du  Conservatoire. 

9  avril,  No.  29  (p.  246),  7e  Concert  du  Conservatoire. 

26  avril,  No.  33  (p.  272 — 273),  Concerts  spirituels  du  Conservatoire. 

17  mai,  No.  36  (p.  304—305),   Dernier  Concert  du  Conservatoire.      Concert 

de  M.  »Habeneck. 
22  novembre,  No.  66  (p.  503),  Correspondance.     Lettre  a  la  Revue  des  Deux- 
Monde*1). 

Journal  des  Debats. 
9  Janvier,  Theatre    de  l'Opera.     Premiere  representation   du  Drapier,  opera 
en    trois   actes    de   MM.    Scribe  et  Halevy,    decors  de   MM.  Philastre  et 
Cambon.      Debut   de  M.  Hizard  dans  la  Juive,  et  de   Mile  Dobre  dans 
Quillaume  Tell. 

16  fevrier,  Theatre  de  1' Opera- Comi que.     Premiere  representation  de  la  Fille 

du  Regiment,  opera  -  comique  en  deux  actes  de  M.  de  Saint-Georges  et 
Bayard,  musique  de  M.  Donizetti.  —  Theatre  de  1' Opera.  —  Archi- 
tecture thSatrale.   —  Concerts.  —  MM.  Kastner,  Huerta  et  Dieppo. 

28  fevrier,  Theatre  de  1'Opera-Comique.     Premiere  representation  de  Carlini, 

opera-comique  en  deux  actes  de  MM.  de  Leuven  et  Brunswick,  musique 
de  M.  A.  Thomas. 

17  mars,  Theatre    de  l'Opera.     B,epresentation   au    benefice    de  Mile    Falcon. 
12  avril,    Premiere   representation    des   Martyrs,    opera    en    quatre    actes    de 

MM.  Scribe  et  Donizetti,  decors  de  MM.  Feucheres,  Slchan,  Devoir  et 
Pourchet. 
26  avril,  Matinee  musicale  de  Liszt.  —  Concerts.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique. 
Premiere  representation  de  VEleve  de  Presbourg,  paroles  de  feu  Vial  et 
de  M.  Th.  Muret,  musique  de  M.  Luce.  —  La  Pologne  iUustree  publiee 
par  Leonard  Chodzko.  —  Encyclopedic  du  pianiste  par  M.  Zimmermann. 
Grande  Ecole  de  Musique  [de  Ponsj ;  Nouvelles  Etudes  pour  le  piano  de 
M.  Stephen  Heller. 

1)  Reproduite  dans  la  Correspond,  ined.  p.  139. 


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J.-G-.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  633 

21   mai,  Theatre  de  1'Opera-Comique  Salle  Favart.     Premiere  representation 
de  Zanetta,    opera-comique    en   trois    actes    de  MM.  Scribe   et   de  Saint- 
Georges,    musique   de  M.  Auber.     Theatre    de  l'Oplra  [Fernand  Cortex. 
Direction  nouvelle  de  L£on  Pillet]. 
7  juin,  Theatre  de  l'Op6ra.     DSbuts  de  Marie.  —  [Mort  de  Paganini]. 

21  juin,  Theatre  de  1'Opera.  Continuation  des  debuts  de  Marie\  —  Reprise 
de  Fernand  Cortex.  —  Liszt,  Batta.  —  Concerts  a  Londres. 

19  juillet,  Theatre  de  l'Ope>a-Comique.  Premiere  representation  de  V Optra 
a  la  Cour,  pasticcio  en  deux  actes  de  M.  Scribe,  de  Saint- Georges, 
Weber,  Rossini,  Mozart,  Meyerbeer,  Berton,  Mercadante,  Mehul,  Cheru- 
bini,  Gretry,  Auber,  Herold,  Boi'eldieu,  Nicolo  Isouard,  Dalayrac,  Lulli, 
Donizetti,  un  compositeur  inconnu,  un  lazzarone,  et  le  grand  saint  Eloi. 

—  Iphigenie  en  Tauride  a  Londres. 

21   aout,  Theatre  de  1'Opera.  —  R^ouverture  de  rOpera-Comique. 

26  septembre,   Theatre   de  1'Opera.     Le  Diable  amoureux,   ballet  en  3  actes 

de  MM.  de  Saint-Georges  et  Mazillier,  musique  de  MM.  Reber  et  Benoit, 

decors   de  MM.  Philastre  et  Cambon. 
18  octobre,   Theatre  de  1'Opera-Comique.     Premiere  representation  de  Jeanne 

de  Naples,  opera  en  3  actes,  de  MM.  de  Leuven  et  Brunswick,  musique 

de  MM.  Bordeze  et  Monpou. 
6  d^cembre,    Theatre    de  1'Opera.     Premiere   representation    de  la  Favorite, 

opera  en  4  actes  de  MM.  Alphonse  Royer  et  Gustave  Vaez,  musique  de 

M.  Donizetti,    ballet   de   M.  Albert,  decors  de  MM.  Philastre,    Cambon, 

Feucheres,  SSchan,  Dieterle    et  Desplechin.    —   Messe   de  M.  Dietch    a 

Saint-Eustache. 

1841. 

Bevue  et  Gazette  musicale. 

14  Janvier,    25  avril,    Nos  4 — 30    (p.  26  —  230),    Concerts    du  Conservatoire. 
21   novembre  —  19  decembre,  Nos  60  —  64    (p.  511 — 569),    De  V Instrumen- 
tation. 

Journal  des  Debats. 

10  Janvier,  Theatre    de  1'Opera.     Debut   de  Mile  Heinefetter   dans  la  Juive. 

—  Concerts. 

24  Janvier,  Theatre  de  1'Opera  -  Comique.  Premiere  representation  du 
Guitarrero,  opera  en  trois  actes  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Halevy.  — 
Debut  de  Mile  Capdeville.  —  Theatre  de  1'OpeYa.  Representation  au 
benefice  de  Mario. 

14  fevrier,  Concerts.  —  Soiree  de  MM.  Herz  et  Labarre.  —  Concert  de 
Mile  Willis.  —  Concert  de  M.  Vieuxtemps.  —  Concert  de  la  Gazette 
musicale. 

12  mars,  Theatre  de  1'Opera-Comique.  Premiere  representation  des  Diama)is 
de  la  Gouronne,  opera-comique  en  cinq  actes  de  MM.  Scribe  et  de  Saint- 
Georges,  musique  de  M.  Auber.  —  Theatre  de  1'Opera.  Debuts.  — 
Concerts. 

23  avril,  Theatre  de  1'Opera.  Reprise  de  Don  Juan.  —  Premiere  represen- 
tation de  Carmagnola,  opera  en  deux  actes,  de  M.  Scribe,  musique  de 
M.  A.  Thomas.  —  Concerts  de  M.  Liszt.  —  [Artot,  Halle,  Osborne, 
Dohler.l 


S.  d.  I.  M.    V.  41 


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634  J.-G.  Prod'homme,  BibliographL*  berliozienne. 

16  mai,  Theatre  de  TOpera,  Reprise  de  Don  Juan  [Concert  de  Chopin]. 

13  juin,  Theatre  de  l'Opera.  Premiere  representation  du  Freysckutz,  opera 
en  trois  actes,  de  Carl  Maria  de  Weber,  paroles  traduites  de  l'allemand 
par  M.  Emilien  Pacini  [recitatifs  de  Berlioz],  divertissement  de  M.  Ma- 
zilier,  decors  de  MM.  Philastre  et  Cambon1). 
ler  juillet,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de  la'Mas- 
chera,  opera-comique  en  deux  actes  de  MM.  Arnoud  et  Jules  de  Wailly, 
musique  de  M.  G.  Kastner.  Les  deux  Voleurs,  opera -comique  en  un 
acte  de  M.  de  Leuven  et  Brunswick,  musique  de  M.  Girard. 

11  aout,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de  la  reprise 
de  CamiUe,  opera  en  trois  actes  de  Dalayrac. 
3  octobre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Reprise  de  Richard  Caew-de-Lion. 
—  Theatre  de  l'Opera.  Debut  de  Barroilhet  dans  le  role  de  GuiUaume 
Tell.  —  Concerts.  —  Emploi  de  la  musique  comme  moyen  curatif  de 
la  folie.  —  Oratoire  de  Longchamps. 

19  octobre,  Theatre  de  l'Opera.  Debut  de  Poultier  dans  GuiUaume  Tell.  — 
[Maillard,  prix  de  Rome  .  —  Orgue  de  Saint-Denis. 
2 — 3  novembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de 
la  Main  de  Feu,  opera-comique  en  trois  actes  de  MM.  Scribe  et  Leuven, 
musique  de  M.  A.  Adam.  Theatre  de  l'Opera  [Poultier:  son  second 
debut  dans  la  Juive]. 
lfr  decembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de  la 
Jeunesse  de  Charles-Quint,  opera-comique  en  deux  actes  de  M.  Melesville 
et  Ch.  Duverrier,  musique  de  M.  Montfort.  Messe  de  M.  Dietch  h  Saint- 
Eustache.  —  Theatre  de  l'Opera  [Poultier].  —  Distribution  des  prix  du 
Conservatoire. 

18  decembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de  MIU 
de  Merange,  opera-comique  en  un  acte,  de  MM,  de  Leu  wen  et  Brunswick, 
musique  de  M.  Henri  Potier. 

26  decembre,  Theatre  de  l'Opera.  Premiere  representation  de  la  Heine  de 
Chypre,  opera  en  cinq  actes  de  M.  de  Saint-Georges,  musique  de  M.  Ha- 
levy,  decors  de  MM.  Philastre  et  Cambon,  divertissement  de  M.  Coralli. 

1842. 
Pevue  et  Gazette  musicale. 

2  Janvier  —  3  juillet,   Nos  1 — 29  (p.  3 — 292).    De  V Instrumentation   (suite 

et  fin). 
16  Janvier  —  17  avril,  Nos  3—16  (p.  21 — 167).    Concerts  du  Conservatoire. 

3  avril,  No.  14  (p.  140).     Concerts  spirituals. 

7  et  14  aout,  4  septembre  et  13  novembre,  Nos  32,  33,  36  et  46  (p.  321 
— 443).  De  Rameau  'et  de  quelques-uns  de  ses  ouvrages.  Castor  et 
Pollux. 

Journal  des  Debats. 
30  Janvier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     Premiere  representation  du  Diabk 
a  VEcole,  opera  en  un  acte  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  E.  Boulanger. 
—  Theatre  de  l'Opera.  —  Nouveau  Caprice  symphonique  pour  piano  seul 
de  M.  Stephen  Heller.   —   StrauB.  —  [Mile  Recio]. 


1)  Ce  feuilleton  fut  reproduit  dans  le  Voyage  musical,  et  partiellement  dans  les 
Memoires,  t.  I,  p.  84—85  [Weber  a  Paris). 


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J.-Gr.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  635 

7  fevrier,  Theatre  de  l'Op£ra-Comique.  Premiere  representation  de  Le  Due 
d'Olonne,  opera  en  3  actes,  paroles  de  MM.  Scribe  et  Sain  tine,  musique 
de  M.  Auber. 

20  mars,  Cherubini.  —  Theatre  de  l'Opera.     Debuts  de  Delahaye. 

13  avril,  Theatre  de  l'Opera- Comique.  Reprise  des  Deux  Journees.  — 
Concerts.  —  Six  Ballades  par  Mile  Louise  Bertin.  —  Theatre  de  l'Opera. 

26  avril,    Theatre    allemand     le   Freyschiitx]    —    Concerts    de    Thalberg.   — 

M.  d'Ortigue. 

30  avril,  Theatre  allemand.     Premiere   representation  de  Jessonda,  opera  en 

trois  actes  de  Spohr.  —  Concert  de  M.  Mortier  de  Fontaines. 

31  mai,  Theatre  de  l'Opera.     Theatre  de  l'Opera- Comique. 

12  juin,  Theatre  de  TOpera-Comique.     Premiere  representation  du  Code  noir, 

opera  en  trois  actes,  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Clapisson.  —  Theatre 
de  l'Opera.  —  Instruments  de  musique  de  M.  Ad.  Sax. 

27  juin,   Theatre    de  l'Opera.     Premiere   representation  du   Guerillero}  opgra 

en  2  actes  de  M.  Th.  Anne  et  Ambroise  Thomas. 

28  aout,    Theatre    de  l'Op£ra-Comique.     Premiere    representation    du   Conseil 

des  Dix,  opera-comique  en  un  acte  de  MM.  de  Leuven  et  Brunswick, 
musique  de  M.  Girard.  Theatre  de  l'Opera.  Debut  de  Mile  Mecquillet. 
—  Edmond  Lariviere. 

13  novembre,  Academie  royale  de  musique.     Le  Vaisseau  Fantome,  ope>a  en 

deux  actes  de  M.  Paul  Foucher1),  musique  de  M.  Dietch.  —  Theatre  de 
TOpera-Comique.  Premiere  representation  du  Kiosque,  opera-comique  en 
un  acte  de  MM.  Scribe  et  Saint-Georges,  musique  de  M.  Mazas.  — 
Nouvelles  compositions  de  Heller  et  Ernst. 

1843. 

Revue  et  Gazette  musicale. 

3  decembre,  No.  49  '407 — 408 \  A  M.  le  Directeur  de  la  Reive  et  Gazette 
musicale,  Idylle  ^Un  debut  dans  le  Freyschiitz2)]. 

Journal  des  Debats. 

9  juillet,  Theatre  de  l'Opera,  Reprise  d'QZdipe  a  Colone.  —  Cours  d'har- 
monie  orale,  par  M.   Pastou.  —  Ouvrages  nouveaux  de  H.  Bertini. 

13  et  28  aout,  3,  12  et  23  septembre,  8  et  21  octobre,  8  novembre,  Voyage 
musical  en  Allemagne.  Lettres  &  Auguste  Morel,  Liszt,  Stephen  Heller, 
Ernst,   Henri  Heine,    Mile  Louise  Bertin,   Habeneck  et  Desmarets3). 

15  aout,  Theatre  Ventadour.  Representation  au  benefice  d'un  artiste.  — 
Racine.  —  M.  Castil-Blaze.  —  Phedre;  Pigeon-Vole  [ope>a  en  un  acte 
de  M.   Castil-Blaze]. 

17  septembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de 
Lambert  Simmel,  opera  en  3  actes  de  MM.  Scribe  et  Melesville,  musique 
posthume  d'Hippolyte  Monpou.      ^L'Opera-Comique  depuis  dix  ans], 

1  D'apres  le  poeme  du  Fliegender  Hollander  de  R.  Wagner,  qui  l'avait,  comme  on 
sait,  vendu  500  francs  au  directeur  de  l'Opera. 

2  Reproduit  dans  la  IV*  Soiree  de  V  Orchestre,  p.  58 — 61. 

3  Reproduces  dans  les  Memoires,  tome  II,  p.  1—134.    Public  une  premiere  fois 
en  1844  [Labitte,  editeur). 

41* 


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636  J--G.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne. 

17  octobre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     Premiere  representation  de  Mina, 

opera-comique  en  trois  actes,  paroles  de  M.  Ambr.  Thomas.  —  Nouvelle 
traduction  italfenne  du  Messie  de  Handel. 

18  novembre,  Theatre  de  1'OpSra.    Premiere  representation  de  Dam  Sebastian 

de   Portugal ,   opera    en  5  actes,  paroles  de  M.  Scribe,   musique   de    M. 
Donizetti. 
7  decembre,    Theatre    de    l'Opera-Comique.      Premiere    representation     de 
VEsclave  de  Camoens,  opera  en  un  acte,  de  M.  de  Saint-Georges,  musique 
de  M.  Flotow.  —  [Physiologie  du  Oiant,  par  Stephen  de  la  Madeleine]. 

1844. 
Revue  et  Gazette  musicale. 

18  fevrier  et   suiv.,   Nos  7 — 12,    17,    22—30   (p.  49  et  suiv),   Euphonia  ou 

la   ViUe  musicale1). 

19  mai,    No.  21    (p.   167—169),    Concert   de   M.  Berlioz   au   ThSatre-Italien 

[Compte-rendu  par  lui-meme]. 

Journal  dcs  Debate. 

9  Janvier,  Voyage  musical  en  Allemagne  (10e  et  derniere  LettreJ;  a  M.  G.  Os- 
borne2). 
17  fevrier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.    Premiere  representation  de  Cagliostro, 

opera-comique  en  3  actes  de  MM.  Scribe  et  Saint-Georges,  musique  de 

M.  A.  Adam.  —  Concerts  du  Conservatoire. 
30  mars,  Theatre  de  l'Opera-Coniique.     Premiere  representation  de  la  Sirene, 

opera  en  3  actes,  paroles  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Auber.  —  Concerts. 
3  avril,  Theatre   de  l'Opera.     Le  Laxxarone,   ou   le  Bien  vient  en  dormant 

opera  en  2  actes  de  M.  de  Saint-Georges,  musique  de  M.  Halevy;   decors 

de  MM.  Philastre,  Cambon,  Dieterle  et  Desplechin.  —  Concerts. 
23  juin,  EXPOSITION  DE  L'INDUSTRIE.  Instruments  de  musique  [Pianos]. 

Orgues-melodium. 
23  juillet,  FESTIVAL  DE  L'INDUSTKIE  3).    Theatre  de  l'Opera.     Premiere 

representation    des    Quatre  Fits  Aymon,   opera   en    3   actes    de  MM.    de 

Leuven  et  Brunswick,  musique  de  M.  A.  Balfe. 
25  aout,  Theatre  de  l'Opera-Comique.    Reprise  de  Gulistan.    Les  deux  Gentik- 

hommes,  op6ra-comique  en  un  acte  de  M.  Planard,  musique  de  M.  Cadaux. 

[Nouvelle  messe  de  Dietch.     Nouveaux   pianos    de  Herz;    le   festival    de 

l'Industrie.] 
29  octobre,  Theatre  de  l'Opera.    Debut  de  Latour.  —  Grand  concert  a  TOpera. 

Le  Droit  des  Pauvres.     Theatre  de  l'Opera-Comique.     Le  Mousquetain* 

opera-comique  en  un  acte  de  MM.  Armand  et  Achille  Dartois,  musique 

de  M.  Bousquet. 
5  novembre,  Theatre  de  l'Opera.     Solennite  musicale.  —  Concert  donne  au 

benefice    de    1  Association    des   Artistes    musiciens,    sous   la   direction   de 

M.   Habeneck.      [La   Creation  de  Haydn,    ouverture  d'0&£ron,    chceur  de 

Judas  Macchabee:  500  executants1. 


1)  fteproduit  dans  les  Soirees  de  VOrchestre  (XXV,  p.  290—338). 

2)  Reproduite  dans  les  Memoires,  t.  II,  p.  135 — 150. 
3;  Cf.  Mnnoires,  t.  II,  p.  161—176. 


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J.-(x.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  637 

23  novembre,  Distribution  des  prix  du  Conservatoire.  Methode  de  violon  par 
M.  Alard.  —  Methode  de  Cornet  a  8  pistons  par  Forestier. 
6  decembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de  la 
reprise  de  Wallace ,  opera  en  trois  actes  de  Catel.  —  Concert  de  M. 
Kastner.  he  roi  de  Juda,  opera  biblique  en  2  actes.  —  Concert  de  la 
France  musicale.     Salle  Vivienne. 

10  decembre  ,  Theatre  de  l'Opera.  Premiere  representation  de  Marie  Stuart. 
Opera  en  cinq  actes  de  M.  Theodore  Anne,  musique  de  M.  Nieder- 
mayer,  Divertissement  de  M.  Coralli,  decors  de  MM.  Sechau,  Desple- 
chin,  Filastre  et  Cambon.  —  D6but  de  Gardoni. 

15  decembre,  Concert  de  M.  Felicien  David.      Le  Desert 

29  decembre,  Cours  de  perfectionnement  pour  les  violonistes,  par  Haumann.  — 
Nouvelle  Sonate  de  piano,  par  Thalberg.  —  Sophie  Bohrer.  —  La  petite 
Scheibel  et  Luigi  Elena.  —  Les  Albums  du  jour  de  l'An.  —  L'orgue 
de  Saint  Eustache  et  l'orgue-melodium.  —  Societe  des  Amateurs  alle- 
mands.  —  Les  Choeurs  de  Macbeth  par  le  Dr.  Locke.  —  M.  Lumbye.  — 
Les  Fetes  musicales  du  Cirque  des  Champs-Ely  sees. 

1845 *). 
Journal  d£S  Debats. 
ler  fSvrier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     lre  representation  de  la  reprise  de 

Cendrillon,  opera-comique  en  3  actes  de  Nicolo. 
4  mars,  Theatre  de  l'Opera-Comique.   lre  representation  des  Bergers  Trumeau, 
opera-comique   en    un  acte,    musique   de  M.  Clapisson.  —  Concerts.  — 
Quatuors  de  Beethoven.  —  M.  Felicien  David. 
ler  avril,  De  la  reorganisation  des  musiques  militaires.  —  Concerts,  [Mile  Recio], 
10  avril,  Michel  de  Glinka2).  —  Concerts.  —  Mme  Pleyel. 
29   avril,   Theatre    de   l'Op£ra-Comique.      lre  representation    de   la  Barcarolle, 
opera-comique   en    3    actes,    de  MM.  Scribe    et  Auber.    —    Concert    de 
M.  Limnander.    —    Concert   de    Mile    Sophie   Bohrer.   —  Concours    des 
musiques    militaires    au    Champ- de-Mars.  —  Depart    des   pianistes   pour 
l'Afrique. 
14  mai,  La   Vestale  de  Spontini.  —  Concert  du  Conservatoire. 
17   mai,    Theatre    de   l'Opera.      Representation    au   benefice   de   Mme   Dorus- 
Gras.  —  Concerts.  —  Fete    donnee    a   Liszt  a  Marseille.  —  Execution 
a   Saint-Eustache    de    la    Messe   du    Sacre   de   Cherubini.    —    Nouvelles 
Melodies  d'Auguste  Morel. 
3  juin,    Theatre  de  l'Opera.      Debut   de    Gardoni   dans   Robert-le-Diable.  — 
Exercice  des  eleves    du    Conservatoire.  —  Theatre   de  TOp^ra-Comique. 
Premiere   representation    de    Una    Voix,    opera-comique   en    un   acte    de 
MM.  Bayard  et  Potteau,  musique  de  M.  Ernest  Boulanger. 
22    aout   et    3   septembre,   Les   Fetes    musicales    de    Bonn    [deux  lettres    au 

Directeur  des  Debats]*). 
12  septembre,  Reorganisation  de  la  musique  militaire  en  France4). 

1)  Le    Voyage   musical   parut   au    debut   de  1845.     Le  Journal  de  la  Librairie 
Tannoncait  le  25  Janvier. 

2)  Cet  article   fut  tire  a  part    la  meme  annee  (Milano,  1845);  reproduit  dans  les 
Mimciens  et  la  Musique}  p.  205—218. 

3)  Reproduite  dans  la  Soiree  de  VOrchestre,  p.  369 — 387  (Deuxieme  Epilogue). 

4 1  Pendant  son  absence  de  Paris,  l'hiver  de  1845—1846,  Berlioz  fut  remplace  par 
Delecluzc,  comme  critique  musical  des  Debats. 


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638  J.-Gr.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne. 

1846. 
Revue  et  Gazette  musicale, 
19  juillet,  p.  230,  Lettre  a  M.  Martin  d' Angers  sur  Vorchestre  dans  les  cglises 
[Reponse  a  un  article  paru  dans  le  precedent  numeWj. 

Journal  des  Ddbats. 
24  mai,  Theatre  de  l'Op^ra,  Debuts.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique.    Premiere 
representation  du  Trompette  de  M.  le  Prince,  op6ra-comique  de  MM.  Meles- 
ville  et  Bazia. 

7  juin,  Revue  musicale.  NouveUe  M&thode  instrumental  raisonnee,  basee  sur 
la  connaissance  de  l'anatomie  de  la  main,  approuvee  et  annotee  par 
M.  Cruveilhier,  exclusivement  adoptee  par  M.  Thalberg.  —  Theatre  de 
l'Opera-Comique.  Premiere  representation  du  Veuf  de  Malabar,  opera- 
comique  en  un  acte  de  MM.  Siraudin  et  Robert,  musique  de  M.  Doche. 
—  Concert  de  M.  Henri  Reber. 

9  juin,  Acad6mie  royale  de  musique.  Le  Roi  David,  opera  en  3  actes, 
paroles  de  MM.  A.  Soumet  et  Mallefille,  musique  de  M.  Mermet.  — 
Decors  de  MM.  Sechan,  Dieterle,  Despl^chin  et  Ciceri.  Divertissemens 
de  Coralli.  —  Inauguration  de  la  statue  de  Rossini. 

7  juillet,   lre  representation  de  V Ame  en  peine,  ope>a  en  un  acte  de  M.    de 
Saint-Georges .    musique    de    M.    de   Flotow,    decors    de    MM.    Thierry, 
Ciceri  et  Rube. 
18  juillet,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     Reprise  de  Z&mire  et  Azor. 

29  juillet,  Festival  militaire  donne   dans   l'Hippodrome  par  1' Association   des 

Artistes  Musiciens. 
15  aoiit,   Academie   royale    de    musique.      Debuts.    —   Theatre    de    l'Opera- 
Comique.     he    Caquet  du  Gouvent,    opera-comique    en    un    acte,  paroles 
de  MM.  Planard  et  de  Leuven,  musique  de  M.  Potier.  —  Concerts   du 
Conservatoire. 

30  aoftt,   Opera-Comique.      Paul  et    Yirginie,    opera   en   3  actes,   de   M.    de 

Favieres,  musique  de  Kreutzer. 
6  septembre,    Academie   royale    de    Musique.      D6but    de    Mme   Rossi.    — 

Nouvelle  salle  de  concerts  de  M.  Barthelemy.  —  Ecole  lyrique  de  M.  de 

Pons.  —  Pare  d'Eughien. 
29  septembre,  Theatre    de    l'Opera-Comique.      lre  representation    de    Sultana. 

opera-comique    en    un    acte    de    M.    Deforges,    musique    de   M.    Maurice 

Bo  urges. 
29  novembre,    Theatre    de  l'Opera-Comique.      lre  representation    de    Qibby  la 

Corncmuse,  opera-comique  en  3  actes  de  MM.  de  Leuven  et  Brunswick, 

musique  de  M.  Clapisson.  —  [Kouvelles  diverses.] 

1847. 
Revue  et  Gazette  musicale. 
3  octobre  —  7  novembre,   Nos  41 — 46   (p.  321 — 363),     Voyage  musical    m 
Autriche,  en  Russie  et  en  Prusse*). 

Journal  des  'Debats. 
3  Janvier,  Theatre  de  TOpera.      lre  representation  de  Robert  Bruce,  pastiche 
en  3  actes,  musique  de  Rossini,  paroles  de  MM.  G.  Vaes  et  A.  Rover, 

1)  Lettres  a  Humbert  Ferrand,  reproduites  dans  les  Mcmoires,  t.  II,  p.  176 — 257. 

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J.-Gk  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  639 

decors  de  MM.  Thierry,  S6chan,  DiSterle,  DesplSchin,  Philastre  et  Cambon. 

[Lettre  de  Mme  Stolz:   «Au  Redacteur».] 
24  Janvier,  Theatre   de   l'Opera-Comique.      lre  representation    de   Ne  touchez 

pas  a  la  Heine,    opera-corn ique    en   3    actes    de   MM.    Scribe   et  Vaes, 

musique  de  M.  Boisselot. 
5  fevrier,  Concerts  du  Conservatoire.  —  Nouvelle  Societe  pour  la  musique 

de  chambre.  —  Artistes  voyageurs.  —  Les  quatre  Hongrois.  —  Concert 

de   la    Gazette   musicale.   —  Album    de    Jenny  Lind.  —  Theatre   de  la 

Heine.  —  M.  Lumley.  —  Henri  Heine. 
24  fevrier,  Theatre   de  l'OpSra-Comique.     Le  Sultan  Saladin,  op6ra-comique 

en  un  acte;  de  M.  Dupin,  musique  de  M.  Bordese.  —  Une  visite  a  Tom 

Pouce1).    —   Nouvelle  salle    de    concerts    d'Ad.    Sax.    —    Orgue   a   per- 
cussion de  M.  Alexandre. 
24  aout,  5  septembre,  19  octobre,   Voyage  musical  en  Autriche,  en  Russie  et 

en  Prusse.     A.  M.  Humbert  Ferrand2). 
3  octobre,  Theatre  de  l'Opera  [A  propos  de  la  nouvelle  direction]. 
12  octobre,  Theatre  de   l'Opera.  —  Concerts.  —  D6but   de  Mile  Alboni.  — 

Nouvelle  salle  de  Concerts  de  M.  Barthelemy.  —  Sax  et  ses  instruments.  — 

Enseignement  choral  de  Pastou. 

1848. 
Revue  et  Gazette  musicale, 

23  juillet  (p.  221 — 224),  Voyage  musical  en  Boheme.    Lettre  a  M.  Friedland. 

•Londres,  4  Janvier  1848* ;  (p.  232),  Le  harpiste  ambulant3). 
30  juillet,  6,  20  et  27  aout  (p.  229—264),  Suite  et  fin  du   Voyage  musical 

en  Boheme. 
10  septembre  (p.  277 — 279),    Voyage  musical  en  France:  Marseille.     <Paris, 

14  juillet  1848 ». 
15  octobre  (p.  317 — 320),  Voyage  musical  en  France:  Lyon.   Lettre  a  Edouard 

Monnais. 
19  novembre  (p.  360—363),  Idem:  Lille.     «Paris,  20  octobre  1848*. 

Journal  des  Debats. 
26  juillet,   Ouverture  du  Theatre    de    la  Nation   ou    du   Theatre  National  ou 
de  l'OpSra  (vieux  style).    Debut  de  Mile  Grimm  dans  Robert-le-Diable.  — 
A  M.  Davison,   rSdacteur   en   chef  du   Musical  World.     Correspondance 
etrangere. 

24  septembre,   Du  Droit   des    pauvres    sur  les  spectacles,    Bals   et  Concerts. 
9  novembre,  Theatre  de  l'Opera.     lre  representation  de  Jeanne  la  Folle}  opera 

en  5  actes  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Clapisson. 

14  novembre,    Theatre    de   l'Opera-Comique.      Le    Vol  dHAndorre,    op6ra    en 

3  actes,  de  MM.  Halevy  et  de  Saint-Georges. 
5  decembre,   Theatre  de  l'Opera.     Debut  de  Mme  Lagrange.  —  Duprez.  — 
Othello.  —  Distribution  des  prix  au  Conservatoire  de  Musique. 

15  decembre,  Theatre  de  l'Opera.     Representation  extraordinaire.  —  RentrSe 

de  M.  Levasseur.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Les  deux  BambinSj 
opera-comique  en  un  acte,  paroles  de  MM.  Brunswick  et  de  Leuven, 
musique  de  M.  Bordese.  —  MM.  Eckert,  Moeser,  Heller. 

1)  Reproduit  a  la  fin  de  la  XIV*  Soiree  de  VOrchestre,  p.  206—207. 
2;  Reproduit  dans  les  Memoires,  tome  H,  p.  176 — 257. 
3)  Reproduit  dans  la  IIe  Soiree  de  VOrchestre,  p.  32—54. 


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1)  Reproduit  dans  les  Musiciem  et  la  Musique,  p.  183 — 204. 


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640  J.-G.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne. 

1849. 

Revue  et  Gaxette  musicah. 

21  Janvier,  No.  3  (p.  19 — 20),  Premiere  matinee  de  la  Societe  des  Concerts. 
28  Janvier,  No.  4    (p.  26 — 28),    Societe*    de   l'Uniou   musicale,    Salle   Sainte- 

Cecile,  rue  de  la  Chaussee  d'Antin,  49  (ler  Concert). 
4  fevrier,  No.  5  (p.  35 — 36),  2e  stance  de  la  Society  des  Concerts. 
25  fevrier,  No.  8  (p.  58—59),   3e  seance  de  la  Societe  des  Concerts. 
11  mars,  No.  10  (p.  73 — 74),  4W  seance  de  la  Societe  des  Concerts  [La  Societe 

des  Intelligences!. 
25  mars,    8,   15  avril  et  6  mai,  Nos  12,   14,    15    et  18,    5%   6%    Conceit 

spirituels  du  vendredi-saint  et  du  jour  des  Paques;  9e  et  derniere  seance 

de  la  Societe  des  Concerts. 

I 

Journal  des  Dcbats.  \ 

7  Janvier,  Theatre  de  TOpera-Comique.      lre  representation  du   Caid,   opera  I 

bouffon  en  2  actes,   de  M.   Sauvage,  musique  de  M.  Amb.   Thomas.  —  I 

Theatre  de  TOp£ra  \Le  Prophets],  —  Concerts  de  Mile  Teresa  Milanollo.  ! 

6  fevrier,  Societe  des  Concerts  du  Conservatoire.   lro  Concert.  i 

7  mars,    Societe    des    Concerts   du   Conservatoire.     3°    concert.    —    Theatre  | 

de  TOpera.     Debuts  d'Espinasse    dans   les  Huguenots  et  de  Masset  dans     , 
Jerusalem.  —  Massacre  des  Huguenots. 

27  mars,    Societe    des   Concerts    du    Conservatoire.      4e    concert.      Fragment 

H Idomenee.   —   Mozart,   sa  vie  et  ses  outrages ,   par  M.    Oulibicheff.  — 

Soirees  et  matinees  musicales. 
4  avril,   Theatre  de  TOpera- Comique.     Les  Montent grins ,  opera  en  3  actes, 

de    MM.    Gerard   de    Nerval    et    Alboize,    musique   de    M.    Limnander. 

Theatre    de    TOpera.     Mme  Jullienne    dans    la   Favorite.  -—  Societe   des 

Concerts  du  Conservatoire.    5e  concert.  —  L'estaminet  lyrique.    Darcier. 
20  avril,   Theatre  de  TOpera.     Premiere  representation  du  Prophets,  opera  en 

5  actes  de    MM.    Scribe   et   Meyerbeer;    divertissemens    de    M.    Mabille, 

decors   de   MM.   Desplechin,    Cambon,    Sechan    et   Thierry.     Debuts  de 

M.  Roger,  de  Mmes  Viardot  et  Castellan. 
18  mai,  Le  Tannhaeuser  [preface  h  Tarticle  de  Liszt,  signee  H.  B.]. 

20  mai,  La  Nuit  de  Noel,  opera  en  3  actes  de  M.  H.  Reber.     La  partition. 

En  vente  chez  Richault. 
9  juin,  Theatre  de  TOpera.  lre  representation  du  Toreador ,  opera  bouffon 
en  deux  actes,  de  MM.  Sauvage  et  Adam1).  —  Debuts. 
14  juillet,  Theatre  de  TOpera-Comique.  lre  representation  de  la  St-Sylcexirt, 
ope>a-comique  en  3  actes,  de  MM.  Melesville  et  Michel  Masson,  musique 
de  M.  Bazin.  [Bazin  et  le  prix  de  Rome].  —  Theatre  de  TOpera. 
Reprise  de  Dom  Sebastien. 

21  aout,    Exposition    universelle.     Instrumens    de   musique.  —  Le    droit  des 

pauvres  exerce  sur  les  fabricants  d'instrumens.  —  MM.  Erard,  Boisselot, 
Weulfel,  Sax,  Vuillaume.  —  Lc  Prophete  et  la  Muette  h  Londres.  — 
Concerts  du  Conservatoire.  —  Succes  de  Roger  a  Francfort. 

28  septembre,   Quelques  mots   sur  Tetat  present  de  la  musique;    ses  deTauts, 

ses  malheurs  et  ses  chagrins.    Theatre  de  TOpera,  Lucie,  Espinasse.    Debut 


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J.-G.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne.  641 

de  M.  Roger,  de  M.  Desterbeck  et  de  Mile  Chevallier  dans  la  Favorite. 

—  La  Porte  Saint-Martin.  —  Le  quatuor  et  le  ballet  de  M.  More. 

4  octobre,    Theatre  de   l'Opera-Comique.      lr0  representation  de  la  Fee  aux 

Roses,    opera-corn ique    en  3    actes  de   MM.    Scribe  et   de   Saint-Georges. 

Musique  de  M.  Halevy.     Decors  de  MM.  Thierry  etc.  —  Mort  de  Strauss. 

27   octobre,  Theatre  de  l'Opera,     Reprise   du    Prophete.  —  Mort  de  Chopin. 

—  Societe  de  TUnion,  Salle  de  Sainte-Cecile. 

17  novembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Le  Moulin  des  TMeuls,  opera 
en  un  acte  de  MM.  Mallian  et  Cormon,  musique  de  M.  Maillart  [la  claque]; 
trio  en  si  b  de  Beethoven  [par  Ernst,  Heller  et  Seliginannl.  Theatre 
historique.  —  Distribution  des  prix  de  l'Industrie  a  la  Ste-Chapelle.  — 
Methode  de  Telephonic,  par  M.  Sudre. 

27  decembre,  Theatre  de  l'Opera.  Premiere  representation  du  Fanal,  opera 
en  2  actes  de  M.  de  Saint-Georges,  musique  de  M.  Adam1).  —  Nouvelles 
maritimes.  —  Messe  solennelle  de  Niedermayer.  —  Methode  de  chant  de 
M.  Damoreau. 

1850. 
Revue  et  Gazette  musicale. 

17  mars,  No.  11  (p.  92 — 93),  UAlceste  de  Gluck  [reproduction  de  deux  pages 

extraites  de  A  trovers  Chants}. 

Journal  des  Debate. 

14  Janvier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  des  Porcherons, 
opera  comique  en  3  actes  de  MM.   Sauvage  et  Grisar. 

5  fevrier,  Revue  musicale.    Debut  de  Mile  Heinefetter.  —  M.  de  Kontski.  — 

Les  deux  Princesses.    —   Soirees  de  M.  Massart,  Societe  philharmonique 

de  Paris,  concert  de  l'Union.  —  Societe  des  Concerts  du  Conservatoire. 
13  avril,    Theatre  de  l'Opera.     Reprise    de   Freyschutz  et  des  Huguenots.  — 

Debut  de  Mme  Laborde.    —   Concerts,   concerts  et  concerts. 
25  avril,  Theatre  de  l'Opera-Comique,   1™  representation  du  Songe  d'une  nuit 

dUetCy  opera-comique    en  3  actes,   de  MM.   Rosier  et  Anibroise  Thomas. 

—  Theatre  de  l'Opera.     Mile  Alboni.    —  Mile  de  la  Morliere. 

18  mai,   Theatre  de  l'Opera.     Reprise  du  Prophete.     Debut  de  Mile  Alboni. 

29  juin,  Varietes  musicales.     L'OpSra.  —  Duprez  ambulant;    ses  Aleves,   sa 

messe.  —  Quatuor  de  M.  Morel.  —  M.  de  Garaude.  —  Symphonies 
pour  instruments  de  cuivre.  —  Exercice  public  du  Conservatoire.  —  Le 
Joseph  de  Mehul.  —  Reprise  de  Jcannot  et  Colin.  —  Le  chateau 
d'Asnieres. 

30  juillet,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     lre  representation  de  Qiralda,  ou  la 

Nouvelle  Psyche,  opera-comique  en  3  actes  de  MM.  Scribe  et  Adam.  — 

Montmorency.    —  Idylle.    —   Concours    du    Conservatoire.    —   Malheur 

arrive  a  M.  Erard 2). 
10  septembre,    R^ouverture    de    l'Opera.     La  Favorite.   —  Mile   Alboni.  — 

26  Melodies,  composees  sur  des  paroles  de  divers  auteurs,  par  M.  Leon 

Kreutzer. 
25  septembre,    Theatre   de   l'Opera-Comique.     Rentr£e   de   Mme  Ugalde.  — 


1)  Reproduit  dans  la  XVII1>  Soiree  de  rOrehestre,  p.  234—237:  Analyse  du  Phare. 

2)  Reproduit  dans  la  XVIU>  Soiree  de  VOrchestre,  p.  237—247:  Analyse  rfgDiletta. 
Idylle  —  Le  piano  enrage. 


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642  J.-G.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne. 

Arrived  de  Jenny  Lind  a  New-York.  —  Mort  de  Mme  Saint-Aubin.  — 
Reprise  de  I'Amant  jaloux. 
Theatre  de  l'Opera   [Reprise  de  diaries  VI].     Distribution  des  prix  de  lln- 
stitut.  —  Soctete  Philharinonique  de  Paris.  —  Mme  Frezzolini.  —  Choeur 
de  la  chapelle  imperiale  de  Saint-PeterBbourg.  —  Bortniansky. 
2  decembre,   Opera-Comique,   lre  representation  de  la  Chanteuse  voilee,    opera 

en  un  acte  de  M.  Victor  Masse. 
9  decembre,  Theatre  de  r  Opera.    lre  representation  de  l  Enfant  prodiguc,  opera 
en  5    actes,   paroles  de  M.  Auber.      Divertissemens    de   M.  Saint-Leon. 
Mise  en  scene    de   M.  Leroy.     Decors    de  MM.  Thierry,  Cambon,   Des- 
plechin  et  S6chan. 

1851. 
Journal  des  Debats. 

ler  Janvier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  de  la  Dame  de 
Pique,  opera-comique  en  3  actes,  de  MM.  Scribe  et  Halevy. 
17  Janvier,  Theatre  de  l'Opera.  Reprise  de  Ouillaunie  Tell.  Debut  de  Mairalt; 
Massol;  Mile  Nau.  —  Mme  Caroline  Duprez.  —  Vivier.  —  Traits 
international  pour  conserver  la  propriete  de  leurs  oeuvres  aux  gens  de 
lettres  et  artistes  en  Autriche  et  en  France.  Les  albums,  les  concerts, 
le  petit  Julie n.  —  Manuel  de  musique  militaire  par  M.  Georges  Kastner. 

—  Le  Pater  de  Bortniansky. 

12  fevrier,  Spontini.     Sa  vie  et  ses  oeuvres 1). 

23  fevrier,  Theatre  de  l'Opera.  Debut  de  Mile  Poinsot  dans  la  Juive.  Theatre 
de  l'Opera-Comique.  lre  representation  de  Bonsoir,  Monsieur  Pantahn. 
opera  bouffon  en  un  acte  de  MM.  Lockroy  et  Morvan,  musique  de 
M.  Grisar.  —  Concerts.  —  Theatres  etrangers.  —  Quatre  Melodies,  Poesie 
de  Mile  Louise  Bertin,  musique  de  M.  Gide.  Ferdinand  Hiller  [a  propos 
de  son  recent  passage  a  Paris]. 

27  mars,  Theatre  de  l'Opera.  lre  representation  du  Demon  de  la  nuit,  opera 
en  2  actes  de  M.   Bayard,  musique  de  M.  Rosenhain. 

13  avril,  Mouvement  musical  de  Paris.  —  Encore  le  droit   des  hospices.    — 

Gottschalk.  —  Influence  de  M.  Erard  sur  les  etudes  musicales.  —  Her- 
mann. —  Le  livre  de  Liszt  sur  Chopin.  —  Soiree  de  M.  Massart,  Mme 
Massart,  le  jeune  Leon  Massart.  —  Mme  Dorus-Gras.  —  Les  concerts 
de  societe.  —  Seligmann.  —  Petition.  —  Cross.  —  Soualle.  —  Le 
Saxophone.  —  Nabichv  son  trombone.  —  De  Beriot,  son  eleve  en  trois 
personnes.  —  Le  petit  Julien.  —  Allard.  —  Mile  de  Chaumon-t.  — 
Seance  annuelle  des  creches.  —  Les  vers  de  M.  Emile  Des  champs.  — 
MM.  Alary,  Gastinel,  Gouvy.  —  La  place  Nicolo.  —  Koven.  —  Heine. 
21 — 22  avril,  Theatre  de  l'Opera.  lre  representation  de  Sapho,  opera  en 
3  actes,  paroles  de  M.  Emile  Augier,  musique  de  M.  Gounod,  decors 
de  MM.  Sechan  et  Desplechin2).  —  Representation  au  benefice  de  Roger. 

—  M.  Vieuxtemps.  —  Le  concert  du  vendredi-saint  a  la  salle  Ste  Cecile. 

—  Derniere  soiree  de  la  Societe  Philharmonique. 

31  mai,  A  M.  le  Redacteur  en  chef  du  Journal  des  Debats.  «Londres  22  niai>. 
Le  jury  musical  de  l'Exposition.  —  Concerts  et  SociStes  philharmoniques 
de  Londres,   Liverj^ool,    Manchester.      The   small-footed   lady,    cantatrice 

1)  Reproduit  dans  la  Xffl>  Soiree  de  VOrchestre. 

2;  Reproduit  dans  les  Musiciens  et  la  Musique,  p.  255—277. 


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J.-G.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  643 

chinoise.  —  Son  maitre  de  musique.  —  Les  instrumens  indiens.  — 
Grand  succes  de  Fidelio  au  theatre  de  la  Reine.  —  Influence  du  pantalon 
noir  a  Covent-Garden.  —  Faceties  des  affiches  de  ce  theatre.  —  Les 
recitatifs  du  FreischiUx,. 

20  juin,  Au  Redacteur.      «  Londres  ce  9  juin».    Meeting  annuel  anniversaire 

des  enfants  des  ecoles  de  charite*  dans  la  cathedrale  de  Saint-Paul.  —  Choeur 

de  six  mille  cinq  cents  voix.  —  Le  palais  de  cristal  a  sept  heures  du  matin  l). 

ler  juillet,  Au  Redacteur,  «  Londres  le  16  juin*.    Theatres  lyriques  de  Londres. 

—  Leur  rivalite.  —  Systeme  d'6tudes  accelerSes.  —  Operas  en  cinq 
actes  montes  en  dix  jours1).  —  Liberty  prises  a  l'egard  de  tous  les 
grands  maitres  par  les  chefs  d'orchestre.   —  Don  Giovanni.    —   Fidelio. 

—  II  Prodigo.  —  Mmes  Sontag,  Cruvelli,  Ugalde,  Castellan,  Giuliani.  — 
Le  t6nor  Tamberlick,  Massol,  Fornier,  Coletti.  —  Mmes  Charton- 
Demeur,  Ernst,  Seligmann. 

29  juillet,  Au  Redacteur.      « Londres  .  .   .  juillet. »     Premiere  representation 

de  Florinda  ou  les  Mores  en  Espagne,  opera  en  4  actes  de  M.  Scribe, 
traduit  en  italien  par  M.  Giannini,  musique  de  M.  Thalberg.  —  Concert 
d'Osborne.  —  Les  musiciens  des  rues.  —  Les  Highlanders.  —  Les 
concerts  indiens.  —  Concert  et  bal  sur  la  jonque  chinoise. 

12  aout,  Au  Redacteur.     Theatre   de   Covent-Garden:   II  flauto   magico.  — 

Theatre  de  Hay-Market:  Son  and  Stranger ,  opera  posthume  de  Mendels- 
sohn. —  Her  Majesty's  theatre:  Le  Mariage  de  Figaro.  —  Chapelle  de 
Saint-James.  —  Abbaye  de  "Westminster.  —  Purcelfs  commemoration.  — 
Les  jurys  de  l'Exposition. 

24  aout,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  de  Serafina, 
opera-comique  en  un  acte  de  M.  de  Saint-Jullien.  —  Un  laur^at  du 
Conservatoire.  —  La  famille  Romberg.  —  Les  artistes,  les  artisans  et 
les  melomanes. 

16  septembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  de  la  reprise 
de  Joseph,  op6ra  de  Mehul. 

30  septembre,  Theatre  de  l'Opera  National.    Ouverture,  Premiere  representation 

de  Mosquita  la  Sorciere,  opera  en  3  acteB  de  MM.  Scribe  et  Vaes,  musique 
de  M.  Xavier  Boisselot.  —  Theatre  de  l'Opera.  Debuts.  —  Guide 
musical  de  VEnfance  par  Mile  Robert  Mazel. 
11  novembre,  Theatre  de  l'Opera.  Reprise  de  la  Heine  de  Chypre.  —  Debut 
de  Mme  Tedesco.  —  Rentree  de  Roger  et  de  Massol.  —  Theatre  de 
l'Opera  National.  lre  representation  de  Murdoch  le  Bandit,  opera  en  un 
acte,  de  MM.  de  Leuven  et  [Eugene]  Gautier.  —  Promenades  tfun 
Solitaire,  Melodies  sans  paroles  pour  le  piano,  par  Stephen  Heller. 

21  novembre,  Theatre  de  l'Opera.     lre  representation   de   la  Perle  du  Bresil, 

opera  en  3  actes  de  MM.  Gabriel  et  Sylvain  de  Saint-Etienne,  musique 
de  M.  Felicien  David.  —  Methode  de  Saxhorn,  par  Sax.  —  Les  grandes 
m^dailles  de  l'Exposition.  —  Distribution  des  prix  aux  exposans.  —  Les 
membres  du  jury  et  M.  le  ministre  du  commerce.  —  Reprise  d 'Olympic 
a  Berlin.  —  Concerts. 

13  decembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.    La  Chateau  de  Barbe-Blcue,  opera 

en   3  actes    de  M.    de   Saint- Georges,    musique    de   M.    Limnander.    — 


1)  Reproduit  dans  la  XXI*  Soiree  de  VOrchestre,  p.  125—128. 

2)  Id.  ib.,  IX*  Soiree. 


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644  J--G-  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne. 

Nouveaux  details  sur  la  chapelle  imperials  russe    et  les  travaux  de   son 
directeur,  le  general  A.  Lwoff. 
30  decembre,  Les  jurys  de  l'Exposition  universelle  et  les  facteurs  d'instrumens 
de  musique. 

1852. 
Gazette  musicale* 

19  septembre— 17  octobre,  Nos  38—  42  (p.  309— 347),  Les  Soirees  de  tOrchextre 
[Fragments:  Prologue,  2e  Soiree,  De  viris  iUustribus  urbis  Romae.  — 
Epilogue] . 

Journal  des  Dcbats. 

7  Janvier,  Theatre  de  l'Opera.  Reprise  de  Sapho1).  —  Mile  Masson. 
Gueymard.  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Reprise  de  Nina,  ou  la  Folk 
par  amour,  opera  en  un  acte  de  Marsollier  et  Dalayrac.  —  Albums.  — 
Gottschalk  a  Madrid.  —  M.  Haberbier.  —  Brochure  sur  les  corps  de 
musique  militaire.  —  Les  orgues  de  Cologne.  —  Ernst  ^annonce  de  son 
concert  du  14,  sous  la  direction  de  Berlioz]. 
13  Janvier,  Theatre  de  l'Opera-National.  lre  repesentation  de  la  Butte  dts 
Moulins,  opera  en  3  actes  de  MM.  Gabriel  et  Deforges,  musique  de 
M.  Adrien  Boi'eldieu.  —  Quelques  mots  sur  Dalayrac.  —  Representation 
du  Bourgeois  gentilhomme  a  l'Opera.  Erreur  du  public  au  sujet  de  la 
trompette  marine2). 

3  fevrier,  Theatre  de  l'Opera.  Reprise  de  Guillaume  Tell.  Theatre  de 
l'Opera-Comique,  lre  representation  du  Mariage  en  Voir,  opera  bouffon  en 
un  acte,  musique  de  M.  Eugene  Dejazet. 

21  fevrier,  Theatre  de  r  Opera  National,  Reprise  des  Visitandines.  —  Devienne 

et  Mozart.  —  Philidor  et  Gluck.  —  Une  victime  du  tak3). 
25  fevrier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  du  Carillonneur 
de  Bruges,  opera  en  3  actes  de  M.  de  Saint-Georges,  musique  de  M. 
Grisar.  —  Theatre  de  l'Opera-National.  lre  representation  des  FianpailUs 
des  Roses,  opera  en  3  actes  de  M.  Deslys,  musique  de  Villeblanche,  et 
de  la  Poupee  de  Nurembeig,  opera  bouffon  en  un  acte  de  MM.  Brunswick 
et  Arthur  de  Beauplan,  musique  de  M.  Adam. 

22  juillet,    Theatre    de   TOpera-Comique.      lre  repesentation   de   la   Croix   d* 

Marie,  opera-comique  en  3  actes,  de  MM.  Lockroy  et  Dennery,  musique 

de  M.  Maillart.  —  Choeurs  de  la  tragedie  d'Ulysse  [de  PonsardJ  musique 

de  M.  Gounod. 
11  aout,  BEETHOVEN  et  ses  trois  styles,  par  M.  W.  de  Lenz4).  —  Nouvelles 

musicales. 
27   aout,  Inauguration    de  la  statue  de  Lesueur  a  Abbeville.  —  Theatre  de 

l'Opera-Comique.     lre  representation    des   Deux  JaJcel,  opera-comique   en 

un  acte  de  M.  Planard,  musique  de  M.  J.  Cadaux.  —  Theatre  de  l'Opera. 

Debut  de  Mile  Lagrua  dans  Robert-le-Diable. 
11   novembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.   lre  representation  du  Pere  Gaillard, 

opera-comique  en  3  actes,  de  M.  Sauvage,  musique  de  M.  Henri  Reber. 

—  Theatre  Lyrique  [Si  j'ttais  Roi]. 


\)  Reproduit  dans  les  Musiciens  et  la  Musique,  p.  278—284. 

2)  Reproduit  dans  les  Grotesques  de  la  musique. 

3i  Reproduit  dans  la  Xe  Soiree  de  VOrchestre,  p.  143 — 146. 

4    Reproduit  au  deuxieme  Epilogue  des  Soirees  de  VOrchestre,  p.  357—368. 


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J.-G.  Prod'homm  ,  Bibliographie  berliozienne.  645 

1853  i). 

Journal  des  D6bats. 

7  Janvier,  Theatre  Lyrique.  Dernieres  le3  representations.  —  Concerts.  Vieux- 
temps,  Mile  Clauss,  Sivori,  Cavallini,  Bottesini,  Prudent;  les  quatuors 
de  M.  Chevillard;  le  concert  Sainte-Cecile.  Une  pluie  d' albums ,  de 
fleurs  melodiques,  alba  ligustra.  Les  promenades  d'un  solitaire. 
6  fevrier,  Academie  imperiale  de  musique.  lre  .representation  de  Louise 
Miller,  opera  en  4  actes,  musique  de  M.  Verdi,  paroles  de  M.  B.  Alaffre. 
—  Debut  de  Mme  Bosio.  —  Quelques  mots  sur  TEtat  actuel  de  Tart 
du  chant  dans  les  Theatres  lyriques  de  France  et  d'ltalie,  et  sur  les 
causes  qui  l'ont  denature. 

17  mars,  Theatre  Lyrique,  lre  representation  de  Les  Amours  du  Liable,  opera- 
feerie  en  3  actes  et  9  tableaux,  paroles  de  M.  de  Saint- Georges,  mu- 
sique de  M.  A.  Grisar.  —  Concerts.  [Hilleri] 
6  avril,  Theatre  de  TOpera-Comique,  lre  representation  de  la  Tonelli,  op6ra- 
comique  en  2  actes  de  MM.  Sauvage  et  Ambroise  Thomas.  —  Concerts. 
Cabinet  de  consultations  pour  les  melodies  secretes.  [Panseron.] 
6 — 7  mai,  Academie  imperiale  de  musique.  lre  representation  de  la  Fronde, 
opera  en  5  actes  de  MM.  Auguste  Maquet  et  Jules  Lacroix.  Musique 
de  M.  Niedermayer.  —  Theatre-Lyrique.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique. 

26  juillet,  La  saison  musicale  a  Paris  et  a  Londres. 
4  septembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique,  lre  representation  du  Nabab, 
opera-comique  en  trois  actes,  paroles  de  M.  Scribe  et  de  Saint-Georges, 
musique  de  M.  Halevy. 
6  septembre,  Theatre  Lyrique,  Keouverture,  lre  representation  de  la  Moisson- 
neuse,  opera  en  4  actes  de  MM.  A.  Bourgeois  et  Michel  Masson,  mu- 
sique de  M.  Vogel. 

20  septembre,  Theatre  de  l'Opera,  Reouverture.  —  Les  Huguenots. 

10  octobre,  Theatre  Lyrique,  Le  Voisin,  opera-comique  de  MM.  Brunswick 
et  Beauplan,  musique  de  M.  Poise.  Le  Bijou  perdu,  opera  en  3  actes 
de  M.   de  Leuven,  musique  de  M.  Adam.  —  Debut  de  Mme  Cabel. 

31  octobre,  Les  Soirees  de  V Orchestre.  V.  Wallace,  compositeur  anglais.  Ses 
aventures  a  la  Nouvelle-Zelande2). 

10  novembre,  Theatre  de  l'Opera,  Reprise  de  Mo'ise.  —  Theatre  de  l'Opera- 
Comique,  lre  representation  des  Mysteres  d?  Udolphe,  opera  en  3  actes  de 
MM.  Scribe  et  Germain  Delavigne,  musique  de  M.  Clapisson.  —  Theatre- 
Lyrique,  Reprise  du  Postilion  de  Longjumeau.     Rentree  de  Chollet. 

25  decembre,  Theatre  imperial  de  l'Opera,  lre  representation  de  Marco  Spada, 
opera  en  3  actes  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Auber.  —  Debut  de 
Mile  Caroline  Duprez.  —  Concert  de  Vieuxtemps.  Concert  de  Mile 
Dreyfus.      [Sax,  Vivier.] 

1854. 
Revue  et  Gazette  musicale. 
22  Janvier,  No.  4  (p.  30),  Lettre  a  la  Gazette  musicale. 


1)  Les  Soirees  de  VOrcJiesire  parurent  au  mois  de  Janvier.    Elles  furent  reeditees 
en  mai  1854. 

2;  Reproduit  dans  l'Epilogue  des  Soirees  de  l' Orchestre,  2«  edition,  p.  416 — 424. 


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646  J.-Gr.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne. 

I  Journal  des  Debate. 

5  Janvier,  Theatre  de  l'Opera-Comique,  Theatre-Lyrique,  lre  representation 

de  Betty.  lre  representation  des  Papillottes  de  M.  Benoit.  lr0  represen- 
tation d'Elisabeth.  —  Ecole  classique  de  piano.  —  Album  de  la  reine 
Hortense.  —  Recueil  de  chansons  de  Berat.  —  Les  Echos  de  temps 
passe.  —  Les  Nuits  blanches. 

20  Janvier,  Theatre  de  TOpera,  Debut  de  Mile  Sophie  Cruvelli  dans  les  Hu- 

guenots. —   VArt  du  chant  applique  au  piano,  par  S.  Thalberg. 

24  fevrier,  Theatre  de  l'Opera-Comique,  lre  representation  de  VEtoik  du  Kord\ 

op^ra  en  3  actes  de  MM.  Scribe  et  Meyerbeer. 

21  mars,  Theatre  de  l'Opera,  Reprise  de  la  Vestale.  —  Mile  Cruvelli,  Roger, 

Bonnehee,  Obin,  Mile  Poirsot,  les  danseurs  modernes.  —  Hommages 
et  outrages,  traduttori  traditori,  beautes  et  defauts  de  l'execution. 

25  raars,  Theatre  de  l'Opera,  Reprise  de  la  Vestale.     Le  troisieme  acte  (Se- 

cond article).  —  Du  mouvement  musical  en  Hollande.  —  Theatre-Xiy- 
rique ,  lre  representation  de  la  Promise,  opera  en  3  actes  de  MM.  de 
Leuven  et  Brunswick,  musique   de  M.  Clapisson. 

10  juin,  Theatre   de   l'Opera-Comique,    lre  representation    de   la  Fiancee   du 

IHabte,  opera  en  3  actes  de  MM.  Scribe  et  Roman,  musique  de  M.  Masse. 

—  Theatre-Lyrique,  lre  representation  de  Maitre  Wolfram,  opera  en  un 
acte  de  M.  Mery,  musique  de  M.  Reyer.  —  Theatre  de  l'Opera,  Exe- 
cution de  la   Vestale. 

4  juillet,  Theatre  de  TOpera-Comique,  lre  representation  de  Les  Trovatelles, 

opera-comique  en  un  acte,  de  MM.  Michel  Carre  et  Lorin,  musique  de 
M.  Duprato.  • —  Soirees  de  musique  de  chambre.  —  Le  2e  quatuor  de 
M.  Morel.  —  M.  Lemmens.  —  Deux  sonates  de  Beethoven.  —  Concert 
de  Saint-Germain.   —  Le  festival  de  Rotterdam. 

6  septembre,   Chronique   musicale.     La  Fuite    en  Normandie.    —    Les  Ro- 

mains  a  Saint-Valery.  —  Naufrage  d'un  lougre.  —  Inutilite  des  hommes 
speciaux.  —  Danger  qu'on  court  a  tenir  des  specialites.  —  L'Opera  au 
camp.  —  Amour-propre  des  Alsaciens.  —  La  Vie  de  Rossini,  par  MM. 
Escudier.  —   Le  chapitre  des  contradictions.    —    Preface  de  M.  Mery. 

—  Les  pirogues  sans  balancier. 

5  octobre,  Ouverture    du    Theatre    imperial   de   l'Opera.    —    Ouverture   du 

Theatre-Lyrique.  —  Ouverture  des  Sabots  de  la  marquise.  —  Mme  Son- 
tag,  Mme  Bosio,  Mme  Sanier,  Liszt.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique, 
lre  representation  des  Sabots  de  la  Marquise,  opera  en  un  acte  de  MM. 
Michel  Carre  et  Jules  Barbier,  musique  de  M.  Ernest  Boulanger. 

11  octobre,   Theatre-Lyrique,    lre  representation   de   le  Billet  de  Marguerite, 

opera  en  3  actes  de  MM.  de  Leuven  et  Brunswick,  musique  de  M.  Gre- 
vaert.   —  Debut  de  Mme  Deligne.  —  Lauters.  —  M.  et  Mme  Meillet. 

—  Fernand  Cortex,  a  Vienne.  —  Mile  Lagrua.  —  A.  Sax.  —  Compo- 
sitions nouvelles  pour  le  piano,  par  M.  Camille  Stamaty. 

24  octobre,  Theatre  de  l'Opera,  lre  representation  de  la  Nonne  sanglafvte% 
opera  en  5  actes  de  MM.  Scribe  et  Germain  Delavigne,  musique  de 
M.  Gounod,  decors  de  MM.  Sechan,  Desplechin,  Cambon  Thierry,  Mar- 
tin et  Aumont.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique,  Reprise  de  VEtoile  du 
Nord. 


l;  Le  livret  de  cet  opera  avait  ete  primitivement  destine  a  Berlioz.    II  reste  des 
fragments  autographes  de  la  partition. 


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J.-Gr.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  647 

25  novembre,  Revue  muaicale.     Th£atre-Lyrique:  Emotion  populaire,  lre  re- 

presentation de  Schahabaham  II\  reprise  de  Maitre  Wolfram.  —  Mme 
Meillet.  —  Roger  en  AUemagne;  Mme  Charton-Demeur  a  Rio;  Mile 
La  Grua  a  Vienne;  Mme  de  La  Grange  k  Saint- P^tersbourg;  Mme 
Bosio  a  Paris.  —  Theatre  imperial  de  l'Opera,  le  veau  gras;  rentree 
de  Mile  Cruvelli;  M.  Crosnier.  —  M.  Lacombe.  —  Nouvelles  compo- 
sitions de  M.  Rosenhain.  —  Nouvelles  d'outre-mer.  —  Nouvelles  d'outre- 
Rhin. 

1855. 
Journal  des  Debats. 
9  Janvier,  Theatre  de  l'Opera,  Debuts  Mme  Stoltz,  Gardoni,  Neri-Baradi. 
—  Theatre  -Lyrique,  le  Muletier  de  Tolede,  ope>a  en  3  actes  de  MM. 
Clairville  et  Dennery,  musique  de  M.  Adam.  —  Les  derniers  soupers 
de  l'ane.  —  Rentree  de  Mme  Ugalde  h  lOpera-Comique.  —  L'ecrin 
de  M.  Perrin.  —  Albums. 

26  Janvier,  Theatre  de  lOpera-Comique,  Le  Chien  du  Jardinier,  op£ra-comique 

en  un  acte,  de  MM.  Lockroy  et  Cormon,  musique  de  M.  Grisar.  — 
Concert  du  Conservatoire.  —  Soiree  de  M.  et  Mme  Desmarets.  — 
Concert  de  la  France  musicale.  —  Sextuor  de  M.  Salvator.  —  Sym- 
phonic de  M.  G.  Mathias.  Album  de  Pierre  Dupont.  —  Nouveau  con- 
certo de  M.  Herz.  —  Soirees  musicales  de  Mme  Viardot.  —  Concert 
de  M.  Fumagalli.  —  Theatre -Lyrique,  lre  representation  de  Robin  des 
Bois. 

17  avril,  Theatre  de  l'Opera,  Debuts  de  Mme  Stoltz  dans  le  Prophete.  — 
Theatre-Lyrique,  lre  representation  de  Lisette,  opera  en  2  actes,  de  MM. 
Sauvage  et  Ortolan.  —  Mme  Meillet  dans  les  Gharmeurs.  —  Theatre 
de  rOp£ra-Comique,  lre  representation  de  la  Cour  de  Celimene,  ope>a- 
comique  en  2  actes,  de  MM.  A  Rosier  et  A.  Thomas. 

19  mai,  Theatre-Lyrique,  Jaguarita  Vlndiemie,  opera  en  3  actes  de  MM.  de 
Saint-Georges  et  de  Leuven,  musique  de  M.  Halevy. 
8  juin,  Theatre  de  l'Opera-Comique,  1™  representation  de  Jenny  Bell,  ope>a- 
comique  en  3  actes,  de  M.  Scribe  et  Auber.  —  Mme  Sontag,  Jenny 
Lind,  Paer,  les  Astucio  *) ;  les  Fourmis  blanches ;  les  Ramparts  de  corail ; 
le  lord  protecteur.  —  Les  Pensionnats  de  demoiselles,  les  Petites,  les 
Grandes.  —  Superiorite  du  professeur  qui  ne  professe  pas.  —  Ma  faeon 
d'enseigner  la  guitare.  —  La  raison  et  la  vertu;  anatheme  sur  ces  deux 
fleaux  du  coeur  humain.  —  Les  peres  Capulets.  —  Le  Qod  save  the 
King.  —  Roger  en  Europe  et  en  Australie.  Mme  Stoltz  au  Bresil.  — 
Conspiration  des  antipodes. 
2  octobre,  Theatre  de  l'Opera,  lre  representation  de  Sainte- Claire,  op£ra  en 
3  actes,  de  S.  A.  R.  le  due  de  Gotha,  paroles  traduites  de  l'allemand 
par  M.  Oppelt.  —  Les  Vepres  sicilicnnes.  —  Theatre  de  l'Opera,  lre  re- 
presentation de  Une  nuit  a  Seville,  opera  en  un  acte  de  MM.  Nuitter 
et  Beaumont,  musique  de  M.  Frederic  Barbier.  —  Concerts  de  1'TJnion 
chorale  de  Cologne. 

19  octobre,  Revue  musicale.  Theatre  de  l'Opera-Comique,  lre  representation 
de  Deucalion  et  Pyrrha,  ope>a  en  un  acte  de  MM.  Jules  Barbier  et 
Michel  Carre,  musique  de  Montfort.  —  Grandes  Etudes  pour  le  piano, 


1,  Reproduit  dans  les  Grotesques  de  la  Musique. 


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648  J.-G.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne. 

par  M.  Amedee  Mereaux.   —   Les  Chants  de  fArmee,  par  M.  Kastner. 

—  Henri  Heine.  —  La  reine  Pomare  et  ees  couronnes.  —  A  Sa  Ma- 
jeste  Aimata  Pomar£,  reine  de  Taiti,  Ei'meo,  Ouahine,  Rai'aka,  Bora- 
Bora,  Toubouai  Manou  et  autres  iles,  dont  les  oeuvres  viennent  d'ob- 
tenir  la  medaille  d' argent  a  l'Exposition  TJniverselle 1).  [Signe:  Hector 
Berlioz,  Tun  des  juges  des  nations.     Paris,  le  18  octobre  1855.] 

31  decembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique,  Les  Lavandicres  de  Santarem  [de 
Gevaert].  —  Lc  Secret  de  Foncle  Vincent  [de  de  Lajarte1.  — Le  Solitaire 
[de  Planard  et  Caraffa].  —  Le  Housard  de  Berchini  [d'Adam].  —  Le 
Songe  d'tnie  nuit  aVete  Ld'A.  Thomas].  —  lre  representation  des  Saiso/is, 
opera-comique  en  3  actes  de  MM.  Jules  Barbier  et  Michel  Carre,  musique 
de  M.  Masse.  —  Pantagruel]  [L'habit  de  noee.  —  Albums]. 

1856. 
Revue  et  Gazette  musicale. 
6,   13,  20  Janvier,  3,  10  et  24  fevrier  et  2  mars,  No.  1,  2,  3,  5,  6,  8  et 
9  (p.  4 — 66),  Le  chef  d}orchestre}  Theorie  de  son  art. 

Journal  des  Debats. 
19  mars,  Theatre-Lyrique,  lre  representation  de  ManCxelle  Genevieve^  opera- 
comique  en  2  actes,  de  MM.  Brunswick  et  de  Beauplan,  musique  tie 
M.  Adam.  —  Rentree  de  Mme  Meillet.  —  Theatre  de  TOpera-Comique, 
lre  representation  du  Chercheur  d*  esprit,  opera-comique  en  un  acte,  de 
MM.  Edouard  Foussier  et  Besanzoni.  —  JUbliotheque  musicale  ancient** 
et  moderne,  200  volumes  grand  in -8°.  —  Concerts.  Concert  de  Vivier. 
Avec  20  francs  ou  a  un  billet2,. 

2  juin,  Theatre  de  l'Opera,  Debuts:  Mile  Elmire,  Mile  Ribault.  Reprises 
de  Richard  Caiur-dc-Lion  a  TOpera-Comique  et  au  Theatre-Lyrique.  — 
Debuts  de  MM.   Barbot  et  Michot. 

4  septembre,  Plombieres  et  Bade  (lre  lettre).  A  M.  le  Rldacteur  du  Journal 
des  Debats.  Plombieres.  —  Les  Vosges.  —  La  piscine.  —  Les  par- 
ties de  plaisir.   —  Visite  a  Mile  Dorothee. 

9  septembre  (2e  lettre).  Arrivee  chez  Mile  Dorothee.  —  Le  val  d'Ajol. 
Toujours  ramper.  —  Pourquoi  vieillir,  souffrir  et  mourir?  —  La  fon- 
taine  de  Stanislas.  —  Les  glaciers.  —  Les  tables  d'hote.  —  Caquets  et 
mSdisances.  —  L'Eaugronne.  —  M.  le  docteur  Sibille.  —  Son  procede 
pour  guerir  les  maladies  intestinales.  —  Les  peres  sans  entrailles.  — 
Effroi  de  monsieur  Prud'homme.  —  Concert  de  Vivier.  —  Soiree  chez 
l'Empereur.  —  Bade.  —  TJn   opera  nouveau   de  M.  Clapisson;  succes. 

—  Concerts.  —  Mme  Viardot.  —  Mile  Duprez.  —  Beethoven.  — 
Retour  a  Plombieres.   —  Tristesse3). 

24  septembre,  Theatre  de  TOpera,  Reprise  de  Guillaume  Tell  et  du  Prophetc. 
Debuts  de  Mile  Hamacker;  de  Mme  Borghi-Mamo.  —  Rentree  de 
Roger.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique,  Reprise  de  Zampa.  —  Liszt  en 
Hongrie.  —  Concerts  de  la  Societe  Philharmonique  de  Berck-sur-mer. 
Debut  de  Thalberg  sur  Torgue-Alexandre.  —  Distribution  des  prix  du 
Conservatoire  de  Marseille. 

1  Reproduit  dans  les  Grotesques  de  la  musique. 

2  Li.  ib. 

3)  Ces  deux  lettres  ont  ete  reproduites  dans  les  Grotesques  de  la  Musique. 


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J.-G.  Prod'homme,  Bibliographic  beriiozienne.  649 

15  novembre,  Theatre  de  l'Opera.  lre  representation  de  la  Rose  de  Florence, 
opera  en  2  actes,  de  M.  de  Saint-  Georges ,  musique  de  M.  Emanuele 
Billetta.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique,  Reprise  de  Jean  de  Paris.  — 
Debut  de  M.  Stockhausen.  —  Mme  Cabel  dans  VEtoiie  du  Nord.  — 
Rentree  de  Mme  Duprez  van  den  Heuffel.  —  Theatre -Lyrique.  Le  prix 
de  quinze  cents  francs  fonde  par  M.  E.  Rodrigne.  —  Les  professeors 
de  piano.  —  L'orgue-Alexandre  en  Russie.  —  M.  Durand.  —  Les  Con- 
certo Mnsard.  —  Arban.  —  Vieuxtemps.  —  Th.  Ritter;  son  succes  a 
Francfort;  son  ouverture. 

19  decembre,  Theatre  de  l'Opera.  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  represen- 
tation de  Maitre  Patkdin,  opera-comique  en  un  acte,  arrange  d'apres 
l'ancienne  comedie,  par  MM.  de  Leuven  et  Langle,  musique  de  M.  Ba- 
zin.  —  Theatre  des  Folies-Nouvelles.  —  V  Art  de  chanter,  par  M.  Henri 
Panofka.  —  Concerts.  —  Publications  nouvelles.  —  Mme  Stoltz  a 
La  Haye. 

31  decembre,  Tbeatre-Lyrique.  lre  representation  de  la  Reine  Topaze,  opera 
en  3  actes  de  MM.  Lockroy  et  Leon  Battu,  musique  de  M.  Masset.  — 
Les  Aveniures  d?un  gentilhomme  breion  aux  ties  Philippines,  par  M.  de 
la  Gironiere. 

1857. 

Journal  des  Debats.. 

3  fevrier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  de  Psyche',  opera 
en  3  actes  de  MM.  Jules  Barbier  et  Michel  Carre ,  musique  de  M.  A. 
Thomas.  L'opera  du  Trouvere;  Mme  Lauters.  Methode  de  Trompette} 
par  M.  Dauverne. 

6  mars,  The&tre-Lyrique.     lre  representation  d'Oberon,  opera  fantastique  de 

Ch.  M.  Weber1).  —  Concerts.  Symphonies  de  MM.  Reber  et  Saint- 
Saens.  —  M.  Leon  Kreutzer:  ses  quatuors.  —  Mme  Pauline  Viardot. 
—  MM.  Sivori,  Stainlein,  Lubeck,  Van  Gelder.  —  M.  Reichardt,  Mme 
Massart,  M.  Jacquart,  M.  Bronsart.  —  Theodore  Ritter. 
26  avril,  lre  representation  de  Francois  Villon,  opera-comique  en  un  acte  de 
M.  Got,  musique  de  M.  Edmond  Membree.  —  Concerts.  [Tajan-Rogl: 
Les  Beaux- Arts  aux  Etats-Unis  de  VAmerique  du  Nord\  Etex.] 

7  mai,  Theatre  de  l'Opera.    Debut  de  Mile  de  la  Pommeraye  dans  la  Peine 

de  Ghypre.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique,  Reprise  de  Joconde,  opera- 
comique  en  3  actes  d*Etienne,  musique  de  Nicolo.  —  Compositions  nou- 
velles.      [Concerts.] 

31  mai,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  de  la  Clef  des  Champs, 
opera  en  un  acte  de  Boisseau,  musique  de  M.  Defies.  —  Theatre  de 
l'Opera,  lre  representation  des  Nuits  d'Espagne,  opera  en  2  actes,  de 
M.  Michel  Carre,  musique  de  M.  Semet. 

12  juin,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  des  Dames  capitaines, 
opera  en  3  actes  de  M.  Melesville,  musique  de  M.  H.  Reber.  —  Com- 
positions nouvelles  de  Prudent2).  —  Lecons  de  lecture  musicals,  par 
M.  Halevy.  —  Le  Pr€  Catelan,  lre  representation  de  NoUa,  ballet  avec 
chceurs  de  MM.  Brideau  et  Dechateau,  musique  de  M.  Pilati. 


1)  Reproduit  dans  A  travers  Chants. 

2  Reproduit  dans  la  Gazette  musieale  du  14  juin,  No  24  (p.  194—196). 
s.  d.  i.  m.   v.  42 


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650  J.-G.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne. 

3  juillet,  Theatre  de  l'Opera.  Debut  de  Renard  dans  OuUkmme  Tell.  Theatre 
de  rOpera-Comique ,  lre  representation  du  Mariage  extravagant,  vaude- 
ville de  Desaugiers,  arrange  en  opSra-comique,  musique  de  M.  E.  Grau- 
tier.  —  Theatre-Lyrique,  lre  representation  des  Commeres,  opera  en  un 
acte  de  M.  GranvaL,  musique  de  M.  Montuoro;  et  de  U  Duel  du  Com- 
mcmdeur,  autre  op£ra  en  un  acte  de  M.  Th.  Lajarte.  —  Manuel  pra- 
tique et  raisonne  cCharmonie  a  t usage  des  pensionnats  [par  M.  Fitton]  !j. 

8  septembre,  Theatre-Lyrique.  lre  representation  d'Euryanthe,  opera  fantas- 
tique  de  Weber. 
24  septembre,  BADE.  M.  BSnazet,  son  influence.  —  Les  anciens  et  les 
modernes,  leur  maniere .  d'envisager  le  culte  de  l'art.  —  Les  Pionniers 
du  Far-Ouest.  —  L'orchestre  de  la  Conversation.  —  La  bande  militaire 
autrichienne :  M.  Eyschle.  —  L'orchestre  et  les  choaurs  de  Carlsruhe; 
M.  J.  Strauss  et  Krug.  —  Les  concerts  de  musique  de  chambre;  le 
festival;  les  comedies,  l'opera-comique  compost  pour  Bade.  —  Les  chan- 
teurs  de  Paris,  les  chanteurs  de  Carlsruhe.  —  M.  et  Mme  Massart; 
MM.  Jacquart,  Arban,  Wuille,  Grodwolle,  Steinbriiggen.  —  Les  appeaux, 
les  grives,  le  grand  filet.  —  Jean-Bart  et  Louis  XIV.  —  Les  petites 
miseres  des  grands  concerts2].  M.  Daussoigne-Melml;  le  piano -orgue 
d' Alexandre.  —  Le  vieux  chateau,  le  Mercure,  le  livre  de  M.  Eugene 
Guinot. 
24  octobre,  Revue  musicale.  Don  Pedre.  —  Maitre  Griffard.  —  Mattre 
Wolfram.  —  Jeannot  et  Colin.  —  Le  fiossignol;  M.  Etienne,  Mme  Le- 
brun.  —  Cruaute  des  acteurs  de  l'Opera-Comique.  —  Humanity  de  ceux 
du  Theatre-Lyrique.  —  Depart  de  Mme  Meillet.  —  Arrivee  de  Mme 
Cambardi.  —  L'ecole  du  chevrottement ,  les  bones,  les  chevrea  et  les 
agneaux  profess eurs  de  chant.  —  Ferocite*  des  orcbestres  pariaiens.  — 
Les  preludes  pendant  les  entr'actes.  —  Arrete  de  M.  le  preset  de  po- 
lice. —  Barbarie  des  choristes.  —  Autre  arrete  de  M.  le  preset  de  po- 
lice. —  Doctrine  religieuse  basee  sur  le  rhythme.  —  Le  rhythme  de 
Tinfamie,  le  rhythme  de  la  mollesse,  le  rhythme  de  l'orgueil.  —  Haydn, 
Mozart  et  Beethoven.  —  Beethoven  faisant  pleurer  la  perte  du  diable. 
—  Doutes  inspires  sur  1' ensemble  de  la  theorie  par  la  hardiesse  de  cette 
derniere  assertion.    --    Mile  Zina  Richard.   —  Un  mot  de  M.  Auber3', 

ler  novembre,  Theatre-Lyrique.  lre  representation  de  Margot,  opera  en  3  actes 
de  MM.  de  Saint-Georges  et  do  Leuven,  musique  de  M.  Clapisson.  — 
Inauguration   de  la  salle  Beethoven.     Concert  d'ouverture. 

14  dScembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  du  Carneval  de 
Venise,  opera  en  3  actes  de  MM.  Sauvage  et  Ambroise  Thomas.  — 
Mouvement  musical  de  Paris.  Concert  donne  a  l'Opera.  —  VElie  de 
Mendelssohn  au  Cirque.  —  Messe  de  M.  Thomas  a  Saint-Eustache.  — 
M.  Daussoigne-Mehul.  —  Le  piano-orgue  d'Alexandre. 

1858. 
Journal  des  Debats. 
6  Janvier,  Theatre-Lyrique.     lre  representation  de  la  Demoiselle  cChonneur. 
opera  en  3  actes   de  MM.  Mestepes    et  Kaufmann,  musique  de  M.  Se- 


ll Reproduit  dans  la  Gaxette  musicale  du  18  juillet,  No.  28  (p.  228). 

2)  Reproduit  dans  les  Grotesques  de  la  Musique. 

3)  Reproduit  dans  les  Grotesques  de  la  Musique. 


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J.-G.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne.  651 

met.  —  [Mme  Viardot  a  Varsovie.  —  Concerts  de  la  Societe  des  Jeunes- 
Artistes.  —  M.  Gastinel  et  ses  nouvelles  compositions.] 

22  Janvier,  Theatre -Lyrique.     lre  representation  du  Medecin  malgre  lui,  mis 

en  musique  par  M.  Gounod. 

4  fevrier,  Theatre  de  TOpSra-Comique.      lre  representation   des  Desesperes, 

opera-comique  en  un  acte  de  MM.  de  Leaven  et  J.  Moinaux,  musique 
de  M.  Bazin. 
17  fevrier,  Theatre  de  TOpera.  Debut  de  Mile  Artot  dans  le  Prophete.  — 
Theatre  de  TOpSra-Comique,  lre  representation  de  la  Fiancee  de  MM. 
Scribe  et  Auber.  —  Theatre-Lyrique,  Representation  d'adieu  de  Mme 
Van-den-Heuvel ;  Duprez ,  Couderc,  Mme.  Carvalho,  Mile  Lehmann, 
M.  Godefroy.      iLitolff  aux  Jeunes- Artistes.! 

5  mars,  Henry  Litolff.    Son  4*  Concerto  symphonique.  —  Concert  des  Jeunes- 

Artistes.  —  Compositeurs  vivants  a  Paris. 
24  mars,  Theatre-Lyrique.  lre  representation  de  la  Magieienne,  opera  en  5  actes, 
de  M.  de  Saint- Georges,  musique  de  M.  Halevy. 
3  avril,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  1™  representation  de  Quentin  Durward, 
opera-comique  en  3  actes.  de  MM.  Cormon  et  Michel,  musique  de 
M.  Gevaert.  —  Theatre-Lyrique,  Reprise  de  la  Perle  du  Brisil.  — 
Concerts.  —  Fernand  Cortex.  —  Barroilhet.  —  Tamberlick. 

23  avril,  Theatre-Lyrique.     lre  representation  HAlmanxor,  opera  en  un  acte, 

de  MM.  Eugene  Labat   et   Louis   Ulbach,   musique   de  M.   Renaud   de 
Vilbac,  et  de  Preciosa,  opera  en  un  acte,  de  "Weber.  —  Auguste  Gathy. 
Dernier  Concert  de  Litolff  [Concerts]. 
16  mai,  Theatre  de  l'Opera-Comique.    lre  representation  des  Chaises  a  porteur} 
op^ra  en  un  acte  de  MM.  Dumanoir  et  Clairville,  musique  de  M.  Masset. 

—  Reprise  du  Muletier,  opera  en  un  acte  de  M.  Paul  de  Kock,  mu- 
sique d'Herold.  Theatre  de  TOpera.  —  Theatre-Lyrique,  lre  represen- 
tation des  Noces  de  Figaro,  de  Mozart.  —  Concerts. 

20  juillet,  Revue  musicale.  Cloture  du  Theatre-Lyrique.  —  Representation 
de  sa  troupe  h  Montmartre  et  a  Saint-Germain.  —  Deboires  des  co- 
mediens  ambulants.  —  Mme  Lagrange.  —  Mme  Charton-Demeure.  — 
Fetes  de  Bade.  —  Precaution  prise  par  M.  Benazet  contre  les  chauche- 
mars.  —  Vivier  a  Lisbonne.  —  Le  concours  de  composition  musicale 
a  l'Institut.  —  Le  Negre  de  Madame,  operette  en  un  acte,  de  M.  Th. 
Ritter.  —  Engagement  de  Mme  Carvalho  a  l'Opera.  —  Le  Pre-Catelan. 

—  La  bataille  de  Pavie.  —  Les  fetes  equestres. 

15  septembre,  Theatre-Lyrique.  lre  representation  de  la  Harpe  d'Or,  opera 
en  2  actes,  de  MM.  Jaime  fils  et  Dubreuil,  musique  de  M.  Felix  Gode- 
froid.  Reprise  de  la  Peine  de  Chypre\  reprise  du  Domino  noir  h  l'O- 
pera-Comique ;  dernieres  representations  de  Sacountala,  la  musique  de 
M.  Reyer.  Droits  d'auteur  des  musiciens  qui  ecrivent  pour  l'Opera. 
Mme  Charton-Demeure,  son  succes  a  Bade. 

29  septembre,  Le  Diapason1). 
9  octobre,  Theatre-Lyrique.     lre  representation  de  Broskovano,  opera-comique 
en  2  actes,  paroles  de  M.  Henri  Boisseaux,  musique  de  M.  Louis  Deffes. 

—  Les  Sirenes,  Essai  sur  les  principaux  mythes  relatifs  a  l'incantation, 
suivi  du  Eeve  d' Oswald,  symphonie  dramatique  vocale  et  instrumentale 
[par  Kastner].  —   Guide  pratique  du  chant,  par  M.  Leon  Marie. 

1)  Reproduit  dans  la  Gazette  musicale  du  3  octobre,  No.  40  ;p.  326—328). 

42* 


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652  J--G--  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne. 

8  novembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique,  lw  representation  de  la  Bacchante, 
opera  en  2  actes,  de  MM.  de  Leuven  et  de  Beauplan,  musique  de  M.  E. 
Gauthier.  —  Theatre-Lyrique.  Reprise  d'Oberon.  —  Mme  Charton- 
Demeure  a  Trieste. 
21  decembre,  Theatre  de  l'Opera,  lje  representation  des  Trois  Nicolas,  opera- 
comique  en  3  actes,  de  M.  Lopes,  musique  de  M.  Clapisson.  —  Debut 
de  Montaubry.  —  Theatre  de  l'Opera.  Debut  de  Mme  Barbot  dans 
les  Huguenots. 

Le  Monde  Ulustre. 
13  fevrier,  No  44  (p.  106),  Souvenirs  du  monde  musical  [Le  festival  de  1844  *\ 

25  septembre— 25  decembre,  Nos  76 — 89  (p.  202  —  408),  Memoires  dHun  Mu- 

sicien  2). 

1859. 
Revue  et  Gazette  musicah. 
20  et  27  fevrier,  (p.  57 — 69),  Les  Grotesques  de  la  musique,   Prologue.    — 
Les  Athees  de  l'expression.    —    Guerre   aux  bemols.    —    Prudence    et 
sagacite  d'un  provincial.  —  L'orgue-melodium  d' Alexandre.  —  Les  sa- 
vants en  instrumentation.  —  Un  rival  d'Erard3). 
27  fevrier,  (p.  70 — 74),  Du  Diapason  normal  [d'apres  le  Moniteur  du  25  fe- 
vrier: Rapport  au  Ministre  d?Etat\ 

Journal  des  Debats. 

12  mars,  Theatre  de  l'Opera.   lre  representation  d'Hermlanum,  opera  en  4  actes, 

paroles  de  MM.  Mery  et  Hadot,  musique  de  M.  Felicien  David.  — 
Concerts. 

26  mars,  Theatre-Lyrique.  lro  representation  de  Faust,  opera  en  4  actes,  avec  un 

prologue,  paroles  imitees  de  Goethe,  par  MM.  Michel  Carre  et  J.  Bar- 
nier,  musique  de  M.  Gounod4). 

10  avril,  Theatre  de  1'Opera-Comique.  lre  representation  du  Pardon  de  PloereL 
opera-comique  en  3  actes  de  MM.  J.  Barbier  et  Michel  Carre,  musique 
de  M.  Meyerbeer. 

19  mai,  Revue  musicale.  Theatre-Lyrique.  lre  representation  d* Abou-Hassan, 
opera  en  un  acte,  du  jeune  "Weber  et  de  V Enlevement  au  serail,  opera 
en  2  actes  du  jeune  Mozart5).  —  Theatre  de  l'Opera -Comique,  1™  re- 
presentation du  Diabte  au  moulin,  opera-comique  en  un  acte,  de  MM. 
Cormon  et  Michel  Carre,  musique  de  M.  Gevaert.  —  Concerts. 

13  juillet  1859.    Revue  musicale  [Les  Cantatrices.  —  Les  theatres.    —   Les 

Bohemiens  et  leur  musique,  par  Franz  Liszt]. 
13  septembre,  Theatre-Lyrique.    lre  representation  de  Romeo  et  Juliette,  opera 
en    quatre    actes   de  Bellini,   traduit  par  M.  Nuitter.     Debut   de   Mme 
Vestvali6). 
8  octobre,  Theatres  lyriques.      Premieres  representations.  —  Reprises.    — 


1)  Reproduit  dans  le9  Memoires,  tome  II,  p.  161 — 173. 
2}  Chapitres  I,  II,  IV— VIII,  X— XIV  et  XVI  des  Memoires  (tome  I). 
3)  Tous  ces  fragments  sont  extraits  des  Grotesques  de  la  Musique,  qui  venaient  de 
paraitre  a  la  Librairie  nouvelle. 

4]  Reproduit  dans  les  Musiciens  et  la  Musique,  p.  285—302. 

5)  Reproduit  dans  A  travers  chants. 

6)  Id.  ib. 


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J.-G.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  653 

Debutants,  Debutantes.  —  Les  Concerts  du  Casino.  —  Theatre  de  1*0- 
pera-Comique,  La  Pagoda,  musique  de  Fauconnier,  paroles  de  M.  de 
Saint-Georges.  —  Theatre-Lyrique. 

22  novembre,  Theatre-Lyrique.    lre  representation  d'Orphee,  opera  de  Gluck  *). 

Mme.  Pauline  Viardot. 
9  decembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     lre  representation  &*  Yvonne,  opera 
en  3  actes,  paroles  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Limnander.  —  Theii- 
tre-Lyrique,    Orphee.      Guignol.     Mme   Viardot,    Gluck,    un  plagiat   de 
Philidor.     Fidelio  [Arrivee  de  Wagner  a  Paris]. 

1860. 

Le  Monde  illustri. 

lcr  Janvier  —  23  juillet,  Nos  90  et  suiv.,  Mtmoires  drun  Musicien  (suite  etfin)2). 

Journal  des  DSbats. 
9  fevrier,  Theatre-Italien.  Concerts  de  M.  Richard  Wagner.  La  Musique 
de  l'avenir. 
10  fevrier,  Theatre  de  l'Opera- Comique.  lre  representation  du  'Roman  d?Elvirey 
op^ra -comique  en  3  actes,  de  MM.  Alexandre  Dumas  et  de  Leuven, 
musique  de  M.  Ambroise  Thomas.  Theatre-Lyrique,  lre  representation 
de  Ma  tante  dort,  opera-  comi que  en  un  acte,  de  M.  Hector  Cremieux, 
musique  de  M.   Caspers. 

23  fevrier,  Theatre-Lyrique.     Philemon  et  Baucis,  opera  en  3  actes,  de  MM. 

Barbier  et  Carre,  musique  de  M.  Gounod. 
20  mars,  Theatre  de  l'Opera,  lr®  representation  de  Pierre  de  Medicis,  opera 
en  4  actes,  de  M.  de  Saint- Georges  et  E.  Pacini,  musique  du  prince 
Poniatowski. 
5  mai,  Theatre  de  I'Opera-Comique.  1™  representation  du  Chateau  Trompette, 
opera  -  comique  en  3  actes ,  paroles  de  MM.  Cormon  et  Michel  ■  Carre, 
musique  de  M.  Gevaert.  —  Theatre-Lyrique,  Representation  au  benefice 
de  Mme  Viardot. 

19  mai,  Theatre-Lyrique.     lre  representation  de  Fidclio,  opera  en  3  actes  et 

4  tableaux,  musique  de  Beethoven  (l6r  article1. 

22  mai,  (2e  article). 
2  juin,  Theatre  de  l'Opera-Comique.    lre  representation  de  Rita,  opera-comique 
en  un  acte,  musique    de  Donizetti,  paroles    de  M.   G.  Vaez.    —    Etude 
sur  le  diapason  normal,  par  G.  Benedit,  professeur  de  chant  et  de  decla- 
mation au  Conservatoire  de  Marseille. 

26  juin,  Theatre  de  l'Opera.  Debut  de  Wicart  [Cantates  sur  Pannexion  de 
la  Savoie].  —  Theatre-Lyrique.  lre  representation  des  Valets  de  Qascogne, 
opera  en  un  acte,  de  MM.  Gille  et  Dufresne.  lre  representation,  a  ce 
theatre,  des  Rosieres,  opera  en  3  actes,  de  Theaulon  et  Herold.  —  Vir- 
tuosos. —  Le  concert  Musard,  M.  Wuille.  Le  melodrame.  —  La  Bea- 
trix de  M.  Legouve.   —  Une  idee  barb  are. 

20  octobre,  Theatre   de   l'Opera.     Theatre-Lyrique.    lre  representation    k   ce 

theatre  Val  d'Andore,  opera  en  3  actes,  de  MM.  de  Saint-Georges  et 
Halevy.  —  Theatre  de  l'Opera-Comique,  Reprise  du  Petit  Chaperon  rouge, 
de  Boieldieu. 

24  novembre,  Revue  musicale.     Une  nouvelle   sonate    de  Beethoven.  —  Un 

1)  Reproduit  dans  A  travers  chants. 

2,  Chapitres  XVIII — LIV  (fragments)  des  Memoires    tome  I). 


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654  J.-Gr.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne. 

extrait  de  Saturn e.  —  Leg  Mediums.  —  Theatres -Lyriques,  Reprises, 
debuts,  succes.  —  Concert  de  la  Sorbonne.  —  Le  livre  de  M.  Veron 
[Memoires  (Tun  Bourgeois  de  Paris];  celui  de  M.  Poisot  [Histoire  de  la 
Musique  en  France];  la  meihode  d'orgue  de  M.  Engel.  —  Mile  Sax: 
M.  Sax;  ses  proces;  ses  procedes  pour  ses  ennemis  vaincus.  —  Xeces- 
site  de  vivre  deux  cents  ans.  —  Alexandre;  sa  bataille  d'lvry.  — 
M.  Legouix,  Schubert,  M.  Bouscatel.  —  Encore  Bade;  M.  Mery;  la 
roulette  n'est  pas  un  jeu  de  hasard;  Arban,  son  orchestra;  le  diapason 
de  la  police.  Rime  riche. 
29  decembre,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  de  PJDrentail, 
opera-comique  en  un  acte  de  MM.  J.  Barbier  et  Carre,  musique  de 
M.  Ernest  Boulanger.  —  ThSatre-Lyrique,  1™  representation  des  Peckem* 
de  Catane,  opera  tragiqiie  en  3  actes  de  MM.  Cormon  et  Carre,  mu- 
sique de  M.  Maillard.  —  Uanex-piano. 

1861. 
Journal  des  D4bats. 
2 — 3  Janvier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.     lre  representation  de   Barkouf. 
opera-bouffon    en   trois    actes   de   M.  Scribe   et   Boisseaux,    musique    de 
M.  Jacques  Offenbach !).   —   Musique. 

13  fevrier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  de  la  Circassiennr, 
opera-comique  en  3  actes,  de  MM.  Scribe  et  Auber.  —  Concerts.  —  - 
Etudes  sur  le  Quatuor,  par  M.  Sauzay. 

19  fevrier,  Seances  experimentales  de  TEcole  Galin -Paris-Che  ve.  —  Theatre- 
Lyrique,  lre  representation  de  Mme  Qrfyoire,  opera  en  3  actes,  de 
MM.  Boisseaux  et  Scribe,  musique  de  M.  Clapisson. 

13  mars,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  du  Jardinier  galant, 
opera-comique  en  3  actes,  de  MM.  de  Leuven  et  Siraudin,  musique  de 
M.  Poise.  —  Concert  de  M.  Leon  Kreutzer. 

26  mars,  Theatre  -Lyrique.  lr0  representation  de  Deux  Cadis,  ou  les  incon- 
v6nients  •  de  se  laisser  prendre  quand  on  est  voleur,  opera-comique  en  un 
acte,  de  MM.  Gilles  et  Turbine,  musique  de  M.  Ymbert.  —  Concert 
du  Conservatoire.  —  Fragments  de  lAleeste  francaise  et  de  fAlceste  ita- 
lienne,  de  Gluck2).  —  Mme  Viardot;  le  public. 
7  avril,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  lre  representation  de  MaUre  Claude, 
opera-comique  en  un  acte,  de  MM.  de  Saint-Georges  et  de  Leuven,  mu- 
sique de  M.  J.  Cohen.  —  Theatre -Lyrique,  Reprise  de  Oil  Bias.  — 
Concerts.  MM.  Damcke,  Schulhoff,  E.  Forgues,  Th.  Ritter,  Lubeck, 
Armingaud,  Jacquard,  Maurin,  Chevillard,  Nabich,  Bottesini,  H.  Herz. 
Auber.  —  Concert  de  Felicien  David,  concerts  des  Jeunes  -  Aveugles, 
concert  du  Conservatoire:  Massol,  Mile  Rey.  —  Les  maitres  corrigrs 
par  des  inconnus,  les  maitres  corrig£s  par  leurs  pairs,  les  maitres  cor- 
rig6s  par  les  chanteurs.  —  Irreverences,  inconsequences,  insolences.  — 
Partition  de  piano  et  chant  tfOhjmpie  de  Spontini.  —  Salle  de  la  rue 
Cadet.     Concert  au  benefice  d' Arban. 

24  avril,  Theatre-Lyrique.  lre  representation  de  la  Statue,  opera  en  3  acte- 
de  MM.   Jules  Barbier   et  Carre,    musique    de  M.  Reyer3).  —    Theatre 


1)  Reproduit  dans  les  Musiciens  et  la  Musique,  p.  319 — 332. 

2;  Reproduit  dans  A  travers  chants. 

3)  Reproduit  dans  les  Musiciens  et  la  Musique,  p.  333 — 340. 


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J.-G.  ProcThomme,  Bibliographie  berliozienne.  H55 

de  rOpera-Comique,  lre  representation  de  Royal- Or  avate,  opera  -comique 
en  2  actes  de  M.  Mesgrigny,  musique  de  M.  de  Massa.  —  Theatre  de 
l'Opera.  Mile  Le  Francois  de  Taisy  dans  Lucie.  —  Mme  Gueymard 
dans  les  Huguenots.  —  Concert  de  M.  Leon  Kreutzer. 

29  mai,  Theatre  de  l'Opera.     Reprise  d' Herculanum.    —   Mme  Tedesco.    — 

Mile  Livry.  —  Theatre  !de  TOp^ra- Comique.  Salvator  Rosa,  opera - 
comique  en  3  actes  de  MM.  Grange"  et  Trianon,  musique  de  M.  Du- 
prato.     Concert  de  M.  Leon  Kreutzer  au  Conservatoire. 

1862. 
Journal  des  Debats. 
ler  Janvier,  Theatre  de  TOpSra.     lre  representation  de  la  Voix  humaine,  opera 
en  deux  actes,  paroles  de  M.  Melesville,  musique    de  M.  Alary.  —  La 
musique  a  Veglise,  par  M.  Joseph  d'Ortigue  *).  —  Melodies  nouvelles  par 
M.  Victor  Masse. 

28  Janvier,  Theatre  de  TOpera-Comique.  lre  representation  de  Jocrisse,  opera- 
comique  en  un  acte  de  AIM.  Cormon  et  Trianon,  musique  de  M.  Eugene 
Gauthier.  —  Concerts.  —  Publications  nouvelles.  —  Theatre-Lyrique, 
Reprise  de  Joseph,  opera  biblique  de  Mehul,  et  A.  Duval.  —  Debuts  de 
Giovanni  et  de  Petit.   —  Mile  Faivre.  —  L'orgue  d' Alexandre. 

16  fevrier,  Theatre-Lyrique.  Reprise  de  la  Statue.  —  Concert  de  M.  Engel; 
concerts  du  Conservatoire.  —  Th.  Ritter.  —  Le  Benedictus  de  Beet- 
hoven ;  —  sa  sonate  en  fa. 

27  fevrier,  Theatre  de  l'Opera-Comique.  Premiere  representation  du  Joaillcr 
de  Saint-James,  opera-comique  en  3  actes,  de  MM.  de  Saint-Georges  et 
de  Leuven,  musique  de  M.  Grisar.  —  Concert  de  M.  Auguste  Dupont. 
8  mars,  Theatre  de  TOpera.  Premiere  representation  de  la  Heine  de  Saba, 
opera  en  quatre  actes,  de  MM.  Jules  Barbier  et  Carre,  musique  de 
M.  Gounod. 

30  mars,  Theatre-Lyrique.     Premiere  representation  de  la  Gluiite  imrveilleusc , 

opera-feerie  en  trois  actes,  de  MM.  Dumanoir  et  Dennery,  musique  de 

M.   Grisar.  —  Concerts. 
30  avril,  Theatre-Lyrique.    Premieres  representations :  UOnele  Traub,  opera  en 

un  acte,  de  M.  Zaccone,   musique   de  M.  Delavault,   la    Fills  dPEgypte, 

opera  en  deux  actes,  de  M.  Jules  Barbier,  musique  de  M.  Jules  Beer.  — 

Concerts.     Mme  Escudier,   Kastner;  —    Mile  Juliette  Dorus.  —  Vivier. 

—  M.   de  Hartog.   —   Grand  evenement.  —  M.  Tout  le  monde.   —  Un 

mot  de  Rossini.  —  Thalberg. 
23  mai,  Theatre   de   TOpera-Comique.      Premiere   representation    de    Rose   ct 

Colas,  opera-comique  en    un   acte,  paroles  de  Sedaine,  musique  de  Mon- 

signy.  —  lre  representation  de  Lalla  Roukh,  opera  en  deux  actes,  paroles 

de  MM.   Carre  et  Hippolyte  Lucas,  musique  de  M.  Felicien  David. 
27  septembre,  Theatre  de  TOpera-Comique.    Reprise  de  la  Servants  maitresse, 

des  Deux  ?nots  on  Une  nuit  dans  la  fotrt,  de  Zemire  et  Azor. 
20  octobre,  Theatres  lyriques.      Clotures  probables.  —  Les    tenors  sont   fort 

chers.   —  Les  oranges  moisies.  —  Debuts.     Les  chceurs   de  Psyche.  — 

Un  tenor  qu'il  faut  savoir  sortir. 
6  novembre,  Nouveau  Theatre-Lyrique.      Soiree  d'inauguration.  —  HiMoire 

de  la  musique  sacree  en  Russie. 

1,  Reproduit  dans  A  trarers  chants. 


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656  J.-G-.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne. 

19  novembre,   Revue    musicale.       Theatre    de    FOpera-Comique.      Premieres 

representations  da  Cabaret  des  Amours,  ope>a-comique  en  un  acte,  de 
MM.  Jules  Barbier  et  Michel  Carre,  musique  de  M.  Pascal.  Reprise 
de  Lalla-Roukh.  —  Theatre  de  FOpera:  Un  coup  de  sifflet;  une  tympanite. 

—  Theatre-Lyrique:  Reprise  du  Medeoin  malgre  lui.  —  Concerts  du 
Cirque  Napoleon.  L'ouverture  de  Coriolan.  —  M.  Jaell.  : —  Musique 
et  Musicians  par  M.  Oscar  Comettant. 

23  decembre,  Theatre-Lyrique.  Reprise  de  Faust  Rentree  de  Mme  Car- 
valho.  —  Revue  musicale.  —  Les  directeurs  de  theatre.  • —  Mme  Charton- 
Demeur  a  la  Ha  vane.  —  Encore  Salammbd.  —  Concert  de  Yieuxtemps. 

—  Concert  de  David.  —  La  nouvelle  salle  de  concerts.  —  Haine  aux 
Francais,  mort  aux  vivants.  —  Traite  (Tharmonie  de  M.  Reber.  —  Choeur 
de  M.  Lippmann.  —  Nouvelle  edition  de  Don  Juan,  de  Mozart;  et 
autres  choses. 

1863. 
Journal  des  D&bats. 
26  Janvier,  Theatre  de  FOpera.     Premiere  representation  de  la  reprise  de  la 
Muette  de  Portici.  —  Messe  solennelle  et  motets  pour  voix  d?hornmes,  par 
M.  Damcke.  —  Concerts. 
4  mars,  Theatre  de  FOpera-Comique.      Vlllustre  Qaspard,  opera  en  un  acte 
de  MM.  Duvert  et  Lauzannes,  musique  de  M.  Eugene  Prevost.   —  La 
Deesse  et  le  Berger,    opera  -comique  en   deux    actes,   de   M.    C  ami  lie    du 
Locle,  musique  de  M.  Jules  Duprato.   —  Concerts. 

20  mars,  Theatre  de  FOpera.    Premiere  representation  de  la  Mule  de  Pedro, 

opera  en  deux  actes  de  M.  Victor  Masse.  —  Les  musicians  d'orchestre. 

—  Theatre  de  FOpera-Comique. 

14  mai,  Theatre-Lyrique.     8a   subvention.     Reprise  d'Oberon,  de  "Weber.  — 
Premiere  representation  des  Fiances  de  Rosa,  musique  de  M.  deValgrand1  , 
paroles  de  Choder,  et  du  Jardinier  et  son  Seigneur,  paroles  de  M.  Theo- 
phile   Barriere,    musique    de    M.    Leo   Delibes.    —   Orgues   d  Alexandre 
Leur  introduction  dans  toutes  les  communes  de  France. 

23  juillet,  Theatre  de  FOpera.  Reprise  des  Vepres  siciliennes.  —  Theatre 
de  FOpera-Comique.  Premiere  representation  des  Bourguignonnes,  opera- 
comique  en  un  acte  de  M.  Meilhac,  musique  de  M.  Defies.  —  Premiere 
representation  de  la  Fausse  Magie,  opera-comique  en  deux  actes,  de 
Marmontel,  musique  de  Gr^try.  —  Debuts  de  Mile  Girard  et  de  Carrier. 

—  Les  Mediums,  les  Mormons.  —  La  prise  de  Mexico.  —  L'opera  de 
Fernand  Cortex.  —  La  subvention  du  Theatre-Lyrique.  — 

3  septembre,  Theatre  de  FOpera.  Les  Huguenots.  —  Debut  de  Mme 
Tietjens.  —  Theatre  de  FOpera-Comique.  Premiere  representation  a  ce 
theatre  des  Amours  du  Diable,  opera  en  4  actes  de  M.  de  Saint-Georges, 
musique  de  M.   Grisar.    —   Les  aerostats. 

8  octobre,  The7itre-Lyrique.  Premiere  representation  des  Pecheurs  de  perks, 
opera  en  trois  actes,  de  MM.  Michel  Carre  et  Cormon,  musique  de 
M.  Bizet2).  —  Debuts,  reprises. 


1  Mme  la  comtesse  de  Grandval. 

2  Dernier   feuilleton   de  Berlioz.    Reproduit   dans  les  Musiciens  et  la   Musique. 
p.  343-345. 


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J.-G-.  Prod'homme,  Bibliographic  berliozienne.  657 

Au  moiB  de  mai  1835,  Berlioz  ^crivait  k  son  ami  Ferrand  qu'il  tra- 
vaillait  «comme  un  nfcgre  pour  quatre  journaux  qui  lui  donnaient  son 
pain  quotidien.*  «Ce  sont,  ajoutait-il:  le  R4novateur}  qui  paye  mal,  le 
Monde  dramatique  et  la  Gaxette  musicale,  qui  payent  peu,  les  Dtibats, 
qui  paient  bien.»  H  m'avait,  jusqu'ici,  et€  impossible  de  retrouver  les 
feuilletons  du  R&iovateur,  journal  quotidien  l^gitimiste,  qui  parut,  selon 
Hatin  (Bibliographic  de  la  Presse  p4riodique  franpaise,  p.  386),  du  17  mars 
1832  au  31  decembre  1835.  La  Bibliothfcque  Nationale  de  .Paris  ne 
possfcde  qu'un  numero  de  ce  journal,  mais  la  Biblioth&que  de  l'Op&a, 
plus  riche,  en  a  la  plupart  des  numSros  (les  trois  derniers  trimestres 
de  1833,  les  deux  derniers  de  1834  et  Tannee  1835  tout  entifcre).  O'est 
k  l'aide  de  cette  collection  qu'il  a  6t4  possible  de  dresser  la  liste  suivante 
des  « revues  musicales*  de  Berlioz  au  R6novateury  dont  la  premiere  parut  le 
9  juillet  1833.  II  est  h  remarquer  que  le  predecesseur  de  Berlioz  comme 
critique  musical  du  R&novateur,  ne  gofitait  gufcre  sa  musique;  le  18  avril 
1833,  un  feuilleton  signe  <Z.  Z.»  attaquait  yigoureusement  Pauteur  de 
l'ouverture  de  Rob-Roy. 

Dans  ritalie  pittoresque,  qui  parut  en  50  livraisons  hebdomadaires, 
h  partir  du  22  mai  1835,  Berlioz  publia  en  outre  deux  articles  en  trois 
livraisons:  Voyage  musical1)  et  Academic  de  France  a  Rome2). 

Le  R&novateur. 
1833. 
9  juillet,   Revue  musicale  [Extrait  de  V Europe  litteraire,  article  sur  la  dis- 
tribution des  prix  de  l'lnstitut]. 
8  decembre,   Revue   theatrale.     Academie   royale  de  Musique.  —  Premiere 
representation  de  la  R&volte  au  Serail,  ballet  en  trois  actes  de  M.  Tag- 
lioni,    decors    de  M.    Ciceri,   costumes   de  M.   Duponchel,   musique    de 
M.  Th.  Labarre.     Signer   «H.  B.» 
14   decembre,    Revue   musicale.     Concerts    [Hiller,    Liszt,    Chopin].      Signed 

«  Hector  Berlioz*. 
29  decembre.    Revue  musicale.    Concerts  [Hiller,  Liszt,  Chopin].  —  Concerts 
Montesquieu.  —  Concerts  Musard. 

1834. 

2  juillet,  Opera  Allemand.  —  Theatre  Ventadour.  —  Ope>a-Comique. 

13  juillet ,  Academie  royale  de  Musique.  —  La  Vestale.  —  Mile  Falcon.  — 
OpSra-Comique.  —  UAngelus.  —  Le  Petit  Chaperon.  —  Ponchard, 
Couderc,  Mile  Massy.  —  Fete  musicale  de  Londres. 

20  juillet,  Quatuors  de  M.  Henri  Reber. 

27  juillet,  Opera-Comique.  —  Premiere  representation  d'Dn  caprice  de  femme} 
paroles  de  M.  Lesguillon,  musique  de  M.  Paer.  —  Reprise  du  Revenant 

3  aout,  Fete  musicale  de  Londres  (Deuxieme  article). 


1)  Cf.  V Europe  littiraire,  1832  (voir  plus  haut,  p.  624). 

2)  Cf.  Memoir es,  chap.  XLH  et  XLTTT.    Vltalie  pittoresque  parut  en  un  volume 
illustre,  en  1837  et  (2®  Edition)  en  1845. 


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658  J.-Gh  ProdTiomme,  Bibliographie  berliozienne. 

11  aout,  Service  funebre  de  Choron. 

24  aout,  Concerts. 

31  aout,  Ope>a-Comique.  Premiere  representation  de  le  Fits  du  Prince, 
opera -comique  en  deux  actes,  paroles  de  M.  Scribe,  musique  de  M. 
Feltre. 

14  septembre,  Academie  royale  de  musique.     Ouillaume  Tell,  Robert  U  Diable. 

21  septembre,  Academie  royale  de  musique.  Premiere  representation  de  la 
Tempete,  ballet  en  deux  actes  de  M.  Coraly,  musique  de  M.  Schneitz- 
hoeffer,    decors  de  M.  Ciceri,  Feucheres  et  plusieurs  autres. 

28  septembre,    Les  charmes  de   Portiei,   rondo   brillant.    —    Notre-Dame  de 

Paris,  reverie  musicale,   pour  piano,    d£diee  a  Victor  Hugo,  par  Jules 
Benedict.  —  Le  Chalet. 
9  octobre,  Boieldieu. 

16  novembre,  A  Elle,  lettres,  pour  le  piano,  par  Chretien  Urhan. 

27  novembre,    Theatre-Nautique.      La  derniere  Ileure  d!un  condamne    [pan- 
tomime de  Henri,  jouee  par  Mme  Smithson-Berlioz].  —  Concerts. 
5  dgcembre,   Theatre-Italien.     Ernani,   musique   de  M.  Galussi.  —  Opera- 
Comique.   —   La  Sentinelle  perdue ,    paroles   de    M.   de    Saint-  Georges  r 
musique  de  M.  Rifaut. 

14  decembre,  ThSatre-Italien  [Debuts  de  Mile  Brambilla].  —  Opera-Comique 
[Debut  de  Mile  Annette  Lebrun.]  —  Theatre  Ventadour  [Choristes 
allemands.] 

23  decembre,  Ope>a.  Ouillaume  TelL  —  Opera-Comique.  Reprise  de  Zemire 
et  Azor.  —  Concert. 

1835. 
5  Janvier  Concerts   [Ernst.  —  Liszt.  —  Mile  Francilla  Pixis  en  Allemagne]. 

11  Janvier,  Revue  musicale   [Paisiello]. 

18  Janvier,  Academie  royale  de  musique  [Bals].  —  Theatre-Italien.  —  Opera- 
Comique  [premiere  representation  de  Bobin  des  Bois,  arrangement  du 
Freyschutx]. 

25  Janvier,  Concerts  [Conservatoire,  Hippolyte  Monpou]. 

ler  fevrier,  Theatre-Italien.    1  Puritani  [premiere  representation  le  24  Janvier!. 
8  fevrier,   Academic   royale   de   musique.   —   Opera-Comique.    —   Concerts 

[2e  concert  du  Conservatoire.   —   Matinee  de  MM.  Tilmant,    Baillot  et 

Hiller]. 

17  fevrier,  Revue  musicale   [Conservatoire.  —  Baillot] . 

1M  mars,   Academie  royale   de  musique.  —   Premiere  representation   de  la 
Juive,  opera  en  cinq  actes,  de  M.  Scribe,  musique  de  M.  Halevy,  decors 
de  MM.  Dieterle,  Despl6chin,  Sechan  et  Leon  Feucheres. 
17  mars,  Concert  des  Eleves  de  Choron,  a  THotel-de-Ville. 

29  mars,    Theatre-Italien:    Marino    Faliero,    musique    de   M.   Donizetti.    — 

Theatre  de  l'Opera-Comique :  Le  Gheval  de  bronze ;  musique  de  M.  Auber, 
paroles  de  M.  Scribe. 
5  avril,  Concerts  [au  Theatre-Italien;  Liszt;  a  l'Hotel-de-Ville :  annonce  de 
son  concert  du  9]. 

29  avril,  Concerts  [Liszt.  —  Concert  historique  de  M.  F6tis  aux  Italiens. 
—  Concerts  du  Conservatoire]. 

13  mai,  Op6ra-Comique.  Debuts  de  Mile  Camoin,  de  M.  Riquier.  [Re- 
prise du  Diable  d  quatre]. 

17  mai,  [Gymnase  musical.     Arrived  de  Meyer-Beer  a  Paris]. 


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J.-G.  Prod'homme,  Bibliographie  berliozienne.  659 

29  mai,   [Gymnase  musical:  reouverture.  —  Extrait  de  Vltalie  pittoresque,  sur 
les  Conservatoires  de  Naples]. 
7  juin,  [Debut  de  Serda  dans  Robert  le  Diable]. 
14  juin,  [Un  quadrille  de  Don  Juan].     Gymnase  musical. 

20  juin,    Theatre   de   r  Opera-Comique.    —    lre  representation   du   Portefaix, 

opera-coinique  en  5  actes,  musique  de  M.  Gomis,  paroles  de  M.  Scribe. 

29  juin,  Fidelio  a  Covent  Garden.  —  Gymnase  musical. 

12  juillet,  Theatre    de  1' Opera-Comique.  —  Michelme.  —  Alda.  —  Concerts 

Musard.  —  Cantiques  de  l'abbe  Le  Guillou. 
19  juillet,  Academie  royale  de  musique.  —  Fetes  musicales  de  Toulouse. 
24  juillet,  L'Opera  Italien  a  Marseille. 
9  aout,  Opera-Comique.     Premiere  representation    des  Deux  Retries ,  opera- 

comique   en   un    acte,    musique  de  M.  H.  Monpou,  paroles  de  MM.  F. 

Soulie  et  Arnoud. 
16-17  aout,   Academie  royale   de    musique.      lre  representation   de   Pile   des 

pirates,  ballet  en  quatre  actes,  de  M.  Henry;  musique  de  MM.  Carlini 

et    Casimir    Gide;    decorations   de  MM.  Desplechin,  Sechan,  Feucheres, 

Philastre  et  Cambon. 
31   aout,  M.  Duponchel,  les  choeurs  de  l'Opera. 
6  septembre,  Opera-Comique.     Reprise  de  Zampa. 

21  septembre   [Repetition   de    la   Saint-Barthtlmy   (les  Hugenots),    de  Meyer- 

beer]. —  Publications  nouvelles.  —  Cours  de  Contrepoint  et  de  Fugue, 
par  M.   Cherubini. 

30  septembre,  Bellini. 
5  octobre,   [Fantaisie]. 

12  octobre,  [Gymnase  musical]. 

19  octobre,  Opera-Comique:  lre  representation  de  Cosvmo,    opera-bouffon  en 
deux  actes,  de  MM.  de  Saint-Hilaire  et  Paul  Dupont,   musique  de  M. 
E.  Prevost. 
5  novembre,  (Euvres  posthumes  de  Victor  Lefebure. 

3  decembre,  Academie  royale  de  musique.  Mile  Flecheux,  Mme  Baptiste 
Quiney.  —  Opera-Comique,  la  Grande  Duchesse;  Mme  Damoreau.  — 
Theatre  Italien.  —  Concert  de  MM.  Allard  et  Chevillau. 

22  decembre    1835,   Opera-Comique.      Premiere    representation    de    V Eclair, 

opera-comique  en  trois  actes,  de  MM.  Planard  et  Saint-Georges,  musique 
de  M.Halevy.  —  The&tre-Italien : Norma.  —  Academie  royale  de  musique: 
Le  Siege  de  Corinthe.    [Annonce  de  la  Sainb-Barthelmy,  de  Meyerbeer]  *). 

1)  Le  Renovateur  cessa  de  paraitre  le  31  decembre  1836 ,  et  fusionna  avec  la  Quo- 
tidienne,  dont  d'Ortigue,  rami  de  Berlioz,  etait  critique  musical. 


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Die  Vierteljahrshefte  der  Sammelbande 

erscheinen  am  1.  November,  1.  Februar,  1.  Mai  und  1.  August  SchluB 
der  Redaktion  jedes  Heftes:  ein  Monat  vor  seinem  Erscheinen.  Eand- 
sehriften  und  andere  Sendungen  beliebe  nan  zjbl  riehten  an  den  Herais- 
geber:  Dr.  Max  Seiffert,  Berlin  W.  tifibenstrafie  28. 


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