SAMMELBANDE
DER
INTERNATIONALEN MUSIK-
GESELLSCHAFT
Fttnfter Jshrgsng 1903-1904
Herausgegeben
von
Max Seiffert
LEIPZIG
DRUCK DND YERLAG VON BRE1TK0PF & HARTEL
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^
A
H"*i*f*
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/
INHALT.
Seit«
Abraham, Otto, und von Hornbostel, Erich M. (Berlin).
Phonographierte indische Melodien 348
Barclay Squire, William (London).
PurcelTs Dramatic Music 489
Bruckner, Fritz (Leipzig).
Georg Benda und das deutsche Singspiel 571
Ecorcheville, J. (Paris).
Note sur un fonds de musique francaise de la Bibliotheque de Cassel. . . 155
Fischer, 0. (Prag).
Zum musikalischen Standpunkte des Nordischen Dichterkreises 245
Nachtrag 475
von Hornbostel, Erich M., siehe Abraham.
Ludwig, Friedrich (Potsdam).
Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter II:
Die 50 Beispiele Coussemaker's aus der Handschrifb von Montpellier . 177
Maclean, Charles (London).
Berlioz and England 314
Meinecke, Ludwig (Wiesbaden).
Michael Altenburg 1
Mennicke, Carl (Leipzig).
Johann Adolph Hasse. Eine biographische Skizze 230
Nachtrag 469
Muller, Hermann (Paderborn).
Zur Musiklehre des Joannes de Grocheo * 175
Aus schlesischen Visitationsberichten 225
Niecks, Frederick (Edinburgh).
General Culture and Musicians 337
Niemann, Walter (Leipzig).
Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart 91
Pedrell, Felipe (Madrid).
La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII© siecle 46
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iv Inhalt.
8eit©
Prod'homme, J.-Gr. Paris;.
Notes sur plusieurs musiciens frangais du XVIe siecle 172
Bibliographic berliozienne 622
Rychnovsky, Ernst (Prag).
Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz 263
Sandberger, Adolf (Miinchen;.
Roland Lassus1 Beziehungen zur italienischen Literatur 402
Schering, Arnold (Leipzig).
Zur Bachforschung II 665
Schiedermair, Ludwig (Pirmasensj.
Die Anfange der Munchener Oper 442
Seiffert, Max (Berlin).
Joh. Pachelbel's »Musikalische Sterbensgedanken< 476
Sonneck, 0. G. ("Washington .
Francis Hopkinson (1737—1791). The first American Composer 119
Nordamerikanische Musikbibliotheken. Einige Winke flir Studienreisende . 829
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Michael Altenburg.
Ein Beitrag zur Geschichte der evangelischen Kirchenmusik
Ludwig Meinecke.
(Wiesbaden.)
Einleitung1)-
Seit dem Erscheinen von Winterfeld's bedeutendem Werk >Der evan-
gelische Kirchengesang* (1843 und 1845), das, obwohl es in vielen
Einzelheiten iiberholt ist, noch heute fiir die Forschung auf dem Grebiete
der evangelischen Kirchenmusik unentbehriich ist. sind eine ganze Eeihe
hervorragender Arbeiten veroffentlicht worden, welche uns die Meister
vergangener Jahrhunderte wieder naher gebracht haben. Die beiden
groBten protestantischen Meister Heinrich Schiitz und Johann Sebastian
Bach haben in Philipp Spitta den berufensten Biographen gefunden,
ihre Werke, die vollstandig in Neuausgabe vorliegen, bilden den kostr
baren Besitz einer jeden groBeren musikalischen Bibliothek. Leben und
Wirken des Leipziger Thomaskantors Johann Hermann Schein ist von
Arthur Prufer2) eingehend behandelt worden, der zugleich eine Neuheraus-
gabe seiner Werke besorgt. Der dritte der drei groBen »S«, Samuel
Scheidt, hat in Arno Werner einen Biographen gefunden3). Von Jo-
hannes Eccard und Hans Leo HaBler liegen wenigstens die Haupt-
werke in Neuausgabe vor, wenn auch das biographische Material noch
hochst liickenhaft ist. Von Michael Altenburg, dem Meister, der uns
im Folgenden beschaftigen soil, und der neben Schtitz, Schein, Melchior
Franck, Michael Praetorius und anderen zu den am meisten geschatzten
kirchlichen Tonsetzern seiner Zeit gehorte, hat der durch seine rege
Tatigkeit als Herausgeber alterer kirchlicher Chormusik bekannte G. W.
Teschner 11 Q-esange veroffentlicht; auBerdem finden sich noch einige
mehrstimmige Satze4) Altenburg's bei Winterfeld Band H, Schober-
1) Allen denen, die mich bei meiner Arbeit unterstutzten , insbesondere Herrn
Professor Dr. Flei scher, Herrn Dr. Wolf und Herrn Oberbibliothekar Dr. Kopfer-
mann sage ich meinen herzlichsten Dank.
2) Habilitationsschrift, J. H. Schein, Leipzig, 1895.
3) Sammelbande der IMG., 1900, Samuel und Gottfried Scheidt, neue Beitrage
zu ihrer Biographie.
4) Ein Verzeichnis derselben findet sich in Eitner's Monatsheften Band XI, 1879
in der biographischen Skizze iiber Altenburg von Auberlen.
S. d. I. M. V. 1
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2 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
lein »Schatz des Kturgischen Ohor- und Gemeindegesanges* und Kiim-
merle >Choralbuch fiir evangelische Kirchench6re«. Winterfeld, der in
seinem >Evangelischen Kirchengesang* (II, Seite 78—87) Altenburg einer
langeren Betrachtung wtirdigt, urteilt nur auf Grund der Kenntnis weniger
Werke, seine kritischen Betrachtungen konnen uns also kein vollstandiges
Bild von dem Schaffen Altenburg's geben. Ein Beitrag zur Biographie
erschien in den von Eitner herausgegebenen Monatsheften fiir Musik-
geschichte1) von Ad. Auberlen, der als die von ihm benutzten Quellen
folgende 6 Werke anfuhrt:
1) J. C. Olearius, Evangelischer Liederschatz, Andrer Teil, Jena 1705,
Seite 140: Dom. Exaudi, Verzage nicht, o Hauflein klein.
2) J. C. Wetzel, Hymnopoeographia, Herrnstadt 1719, 1. Teil, Seite 48 ff.
3) Walther, Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732, Seite 29.
4) J. C. Motschmann, Erfortia literata, Fortsetzung, Erfurt 1737,
Seite 650—653. M. Michael Altenburg, Pastor St. Andrea.
5) Gerber, Altes Lexicon, 1790, Seite 34 und
6) Gerber, Neues Lexicon I, Seite 80.
Die spateren Lexika stiitzen sich auf Gerber, selbst Winterfeld und
die Allgemeine Deutsche Biographie. Ein Verzeichnis aller bekannten
Werke Altenburg's findet sich in Eitner's Quellen-Lexikon Band I.
Das vorliegende biographische Material iiber Altenburg konnte von
mir in verschiedenen Punkten erganzt werden, nicht zum geringsten Teil
dank der Unterstiitzung, die ich bei den Herren Pastoren derjenigen Ge-
meinden fand, in denen Altenburg vor bald 300 Jahren als Prediger wirkte,
und dank der Liebenswiirdigkeit, mit der Herr Stadtarchivar Dr. Over-
mann zu Erfurt meine Bitte um Nachforschungen erfiillte.
I. Kapitel.
Michael Altenburg wurde am 27. Mai 1584 zu Alach, einem von
Erfurt eine Stunde entfernt gelegenen Dorfe, als Sohn eines wohlhabenden
Schmiedes geboren. Olearius, Wetzel und Walther geben Trochtel-
born als Geburtsort an, sind aber von Motschmann berichtigt worden,
der zum ersten Male den richtigen Geburtsort Alach angibt. >Im Alter
von 6 Jahren brachte ihn sein Vater nach Erfurt und sparte keine
Kosten, die zu seiner Unterweisung erfordert wurden*. Schon Michaelis
1598 bezog der junge Altenburg die Erfurter Universitat unter dem
Rektorat Doctoris Henrici Selge, um sich dem Studium der Theologie
zu widmen. In der Matrikel2) steht er als » Michael Aldenburgius de
1) XI. Jahrgang, 1879, Nr. 11.
2) Studenten-Verzeichnisse der Erfurter Universitat bis 1636 in den Geschichts-
quellen der Provinz Sachsen, Halle 1884.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 13
Alich* verzeichnet und zwar in der Klasse derer, *qui octo grossos sol-
venmt* K)
Schon 1599 unter dem Dekanat M. Simeon Binckepanck's wurde
Altenburg Baccalaureus und Anno 1602 unter M. Ant. Mocker Magister.
Wir miissen also annehmen, daB er bei der Musik seine Hauptstudia
keineswegs versaumt hat, welches Zeugnis ihm auch von Motschmann
ausgestellt wird, der noch hinzufiigt, daB er ein >guter Theologe* war.
Schon 1600 hatte Altenburg die Stelle eines »Schul-Kollegen« an
der Reglerschule zu Erfurt bekleidet, und im Jahre 1601 wurde er als
Kantor an die Gemeinde St. Andrea berufen2). 1604, also im Alter
von 20 Jahren, verheiratete er sich mit »Catharinen, Martin Beyers, Tuch-
scherers aus Buttstadt Tochter*, aus welcher Ehe 13 Kinder entsprossen3).
Man muB mit seinen padagogischen Erfolgen recht zufrieden gewesen
sein, da man ihm 1607 das Bektorat der Reglerschule anvertraute4).
Daneben behielt er aber doch das Kantorat an St. Andrea bei, wie man
aus dem Titelblatt seiner ersten gedruckten Komposition, dem »53. Kapitel
des Jesaiasc aus dem Jahre 1608 ersieht, wo er sich »der Schulen S.
Andreae zu Erffurt Cantorem* nennt.
So verhaltnismaBig klar wir uber Altenburg's wissenschaftliche Ent-
wicklung unterrichtet sind, so fehlen Belege fur sein Werden als Musiker
vollstandig. Die erwahnte aus dem Jahre 1608 stammende Komposition
des 24jahrigen weist schon ein hervorragendes Konnen auf, sodaB wir
annehmen miissen, ihr Schopfer habe sich mit dem technischen Werkzeug
eines Komponisten von Jugend auf vertraut gemacht. Wem er aber
seine musikalische Ausbildung zu verdanken hat, habe ich nicht fest-
stellen konnen. Der Umstand jedoch, daB Hieronymus Praetorius,
der beriihmte Hamburger Meister; in den Jahren 1580 — 1582 Kantor zu
Erfurt war, berechtigt zu der Annahme, daB seine Nachfolger immerhin
recht tiichtige Musiker gewesen sind, wenn ihre Namen auch nicht auf
uns gekommen sind. Einem von diesen Kantoren wird Altenburg wohl
seine musikalische Ausbildung zu verdanken haben, und zwar muB er
als 17jahriger Jiingling schon iiber tiichtige Kenntnisse verfiigt haben,
sonst hatte man ihm wohl kaum im Jahre 1601 das Kantorat an St.
Andrea iibertragen. Das oben erwahnte Erstlingswerk Altenburg's ist
auch dadurch von Interesse, daB ihm ein Bild des Komponisten beige-
1) Je nach der Summa, die der Student bei der Immatrikulation entricbtete, wurde
sein Name in eine der folgenden »Klassen« der Matrikel eingetra^en:
Erste Klasse: qui plus solito dederunt,
Zweite » qui octo grossos dederunt
Dritte » qui inacqualitcr solvcrunt
Vierte » qui gratis iimeripti.
2) Motschmann, Erfortia literata.
3; Ebenda. 4 Ebenda.
1*
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4 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
geben ist, das einzige, das wir von ihm besitzen1). Es zeigt uns den
damals 24jahrigen als einen kraftigen Mann mit energischen Ziigen,
starkem Schnurrbart und Spitzbart, auf ein Notenblatt blickend; umgeben
ist das Bild yon Orgel, Lauten, Trompeten, Zinken und einer Viole
mit 6 Saiten.
1609 kam Altenburg ins Predigt-Amt, da er zum Pastor der beiden
Gemeinden Hversgehofen und Marpach berufen wurde2). Uber den
Aufenthalt in Ilversgehofen kann ich keine naheren Mitteilungen machen,
da das dortige Kirchenbuch erst mit dem Jahr 1616 beginnt. Doch
findet sich darin ein » Index et catalogus Pastorum Ilversgehofianorum
ab initio repurgatae religionis, quantum memoria et relatione aliorum
colligere potui**), worm es heiBt:
>M. Michael Altenburg Alicensis fere annos II venit Trochtelbornwn anno
1610 Musicae inprimis Studiosus4).*
Wie aus dieser Notiz hervorgeht, hat sich Altenburg besonders der
Musik befleiBigt, sicherlich auch der Pflege des Pigural- und Gemeinde-
gesangs sein Interesse zugewandt und vielleicht auch das eine oder das
andere der yon Trochtelborn aus in Druck gegebenen Werke schon hier
geschrieben.
Von Ilversgehofen kam Altenburg im Jahre 1610 als Pastor nach
Trochtelborn, einem zu Erfurt gehorigen Dorfe. In alien Werken, die
biographisches Material uber Altenburg bringen, findet sich zwar das
Jahr 1611 als dasjenige, in welchem er die Stellung in Trochtelborn
angetreten habe, verzeichnet. Allein der Notiz aus Ilversgehofen » venit
Trochtelbornum anno 1610* diirfen wir mehr Glauben schenken, als den
Angaben seiner Biographen, deren erster, Olearius, mit seinem Werk
»Evangelischer Liederschatz Andrer Teil« erst ungefahr 100 Jahre spater
im Jahre 1705 herauskam. Die in Trochtelborn verbrachten Jahre bis
1621 milssen fiir Altenburg die gliicklichsten seines Lebens gewesen sein,
da fast alle seine Werke hier entstanden. Wir miissen geradezu staunen,
daB er neben seinen Amtsgeschaften Zeit und MuBe fand, die Musik in
so ausgedehnter Weise zu pflegen, daB hier nicht weniger als 12 zum
Teil recht umfangreiche Werke entstehen konnten5).
Wie zu dieser Zeit in Thiiringen6) allgemein, so mag es auch in
1) Exemplar in der Bibliothek der Ritterakademie zu Liegnitz.
2) Motschmann, Erfortia literata.
3) und 4) Diese Notiz verdanke ich der Liebenawiirdigkeit des Herrn Pastor
Goehring zu Ilversgehofen.
5) Es miissen sogar noch mehr gewesen sein, wie man aus den Vorreden ersieht,
in denen auf das baldige Erscheinen von Werken hingewiesen wird, die aber nicht
auf uns gekommen sind.
6) Siehe Arno Werner, Geschichte der Kantorei-Gesellschaften im Gebiete des
ehemaligen Kurfdrstentums Sachsen, erschienen als Beiheft IX der IMG.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 5
Trochtelborn eine Kantorei gegeben haben, deren Mitglieder sich die
Aufgabe stellten, den Q-ottesdienst durch Pigural- und Instrumentalmusik
zu verschonern. Und fiir den Gebrauch dieser Kantoreien mag Altenburg
in erster Linie seine Werke gesetzt haben, denn fiir den Gemeindegesang
waren sie in ihrer meist motettenhaften Behandlung und mit ihrer in
den verschiedenen Stimmen abwechselnd auftauchenden Melodie zu
schwierig, im Gegensatz etwa zu Eccard's geistlichen Liedern1), die mit
ihrer klar in der Oberstimme liegenden Melodie ein Mitsingen der Ge-
meinde ohne weiteres zulieBen.
Welches Ansehen Altenburg bei der Trochtelborner Gemeinde ge-
nossen haben muB, geht unter anderem daraus hervor, daB sein Bild an
der Orgel angebracht wurde und nach Gerber2) noch im Jahre 1812
•dort zu sehen war. Jetzt ist es verschwunden, wie mir Herr Pfarrer
Koch zu Trochtelborn mitteilt, auch konnen sich die altesten Leute
seiner Gemeinde des Bildes nicht mehr entsinnen, es muB daher bei der
groBen Reparatur der Kirche im Jahre 1822 zerstort worden sein. Nahere
Angaben iiber Altenburg's Wirken in Trochtelborn konnte mir Herr
Pfarrer Koch nicht machen, da die Kirchenbucher erst von 1648 an
vorhanden sind8).
Doch hatte er die Freundlichkeit, mir einen Druckabzug eines von
ihm veroffentlichten4) Dorfberichts aus dem Jahre 1589 zu ubersenden 5),
in dem unter anderem die Gehalts-Verhaltnisse des Trochtelborner Pfarrers
erwahnt werden. Bei dem Konservativismus der damaligen Zeit darf
man annehmen, daB 20 Jahre spater, zu Altenburg's Zeit, die Verhalt-
nisse sich nicht wesentlich geandert haben werden. Der Bericht lautet:
»Die Pfarr Kirche zu Trochtelborn ist genand zu Sanct Bonifacio unndt
gehet zu Lehen Vom u. 6) Hochw. Rahte zu Erffurdt, der itziger
besitzer ist Herr J oh an n Rottstedt unndt hat sie nun in das 17. Jahr bedient.
Der Pfarrer hat jahrlich ein Zukommen 9 Malter Korn gemangk unndt schon
Korn decimation, 2 Hufen Landes hat Er unter seinem pfluge zu gebrauchen,
darin gehoren zween Acker Wiesen. 8 Schneeberger An gelde und Htih-
nern zu Erbzinsen; 3 schneebr. von einem alten menschen zu begraben,
unndt von einem Jungen so nicht communicirct hat 15 d.«
Von Trochtelborn aus muB sich der Ruhm unseres Meisters weithin
1) Geistliche Lieder auf den Choral mit 5 Stimmen 1597. Neue Ausgabe von
Teschner.
2; Neues historisches biographisches Lexikon der Tonkiinstler 1812.
3) Auch im Erfurter Stadtarchiv sind die Kirchenakten von Trochtelborn erst von
1668 an vorhanden, wie mir Herr Stadtarchivar Dr. Overmann mitteilt.
4) Vierteljahrszeitschrift fiir Gothaische Geschichte und Altertumsforschung II, 134 ff.
5) Ich sage Herrn Pfarrer Koch fiir die Liebenswiirdigkeit , mit der er mich
unterstiitzt hat, meinen verbindlichsten Dank,
6) LUckenhafte Stelle.
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6 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
verbreitet haben, denn Motschmann teilt mit1), daB aus Deutschland
die Liebhaber der Musik ihn kennen zu lernen Gelegenheit suchten,
auch der zu solcher Zeit beriihmte Musikus in Niedersachsen Michael
Praetorius ihm seine Sohne zur Unterweisung hierin anvertraute. Ob
nun Praetorius' Sohne in Trochtelborn den Unterricht Altenburg's ge-
nossen oder schon friiher in Erfurt oder Ilversgehofen, laBt sich nicht
feststellen, vielleicht besuchten sie in Erfurt das Gymnasium und wan-
derten gelegentlich nach Trochtelborn heraus (3 Stunden), urn sich von
Altenburg unterweisen zu lassen. Es ist aber nicht bekannt, daB einer
dieser Sohne in der Musik etwas Besonderes geleistet habe, auch die
Erfurter Universitat haben sie nicht besucht, wie ich aus der Matrikel
feststellen konnte. Auf jeden Pall diirfen wir annehmen, daB Praetorius
mit Altenburg personlich bekannt war, da er ihm sonst wohl kaum die •
Erziehung seiner Sohne anvertraut hatte. Auch spricht der Umstand,
daB Altenburg in seinem 1617 erschienenen »Gaudium Christianum* 3
Chore nebst Instrumenten anwendet, dafiir, daB er von dem Bewunderer
der Italiener Michael Praetorius die Anregung zu dieser besonders bei
den Venetianern gebrauchlichen Satzweise erhalten hat, und zwar zu
einer Zeit, als der dritte Teil von Praetorius' » Syntagma* (er handelt
von jetziger neuer Art und Italienischer Manier in der Musik) noch nicht
im Druck erschienen war, also nur personliche Anregungen in Betracht
kommen konnten. DaB schon im Jahre 1616 Altenburg's Ruf fest bc-
grlindet war, ergibt sich auch daraus, daB Burckhardt GroBmann,
Fiirstl. Sachs. Amptschosser zu Jena, der in diesem Jahre an 16 her-
vorragende Komponisten die Bitte richtete, den 116 Psalm2) zu kompo-
nieren, neben Schiitz, Schein, Melchior Franck, Michael Praetorius, De-
mantius und anderen auch unseren Altenburg der Teilnahme fur wiirdig
hielt.
Von Trochtelborn kam Altenburg im Jahre 1621 als Prediger an die
Bonifacius-Gemeinde in GroBen-Sommerda8). Die im Erfurter Stadtarchiv
befindlichen Akten4) von Sommerda enthalten ein unseren Altenburg
betreffendes Aktenstiick. Es ist der von Altenburg (er selbst schreibt
sich darin Michael Aldenburck) eigenhandig geschriebene und mit seinem
Petschaft versiegelte, vom 23. Februar 1622 aus Erfurt datierte Revers
fur den Rat zu Erfurt, worin er verspricht, nachdem er von der Ge-
meinde St. Bonifacius zu Sommerda einstimmig zum Pfarrer erwahlt
worden sei, den (in dem Schriftstiick einzeln aufgefiihrten) Pflichten seines
1) Erfortia literata.
2) Derselbe erachien 1623 zu Jena unter dem Titel »Angst der Hellen und Friede
der Seelenc, Exemplar auf der Berliner Bibliothek.
3) Zur Unter8cheidung von dem sachsischcn Wenigen-Sommerda.
4j Signatur: X, c Nr. 7.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 7
neuen Amies getreulich ne^chzukommen !). DaB Altenburg einstimmig
zum Pfarrer gewahlt wurde, beweist, daB er auch als Prediger in groBem
Ansehen gestanden haben muB, doch mogen daneben auch die Musik-
Auff iihrungen zu Trochtelborn, die sich sicherlich in den Erfurter Landen
herumsprachen, die Wahl nicht ungiinstig beeinfluBt haben. Da der
erwahnte Revers vom Februar 1622 datiert ist, so mag Altenburg gegen
Ende des Jahres 1621 seine neue Stellung angetreten haben, -wie es auch
seine Biographen angeben.
Doch sollten solche gliicklichen Tage wie zu Trochtelborn, die neben
den Amtspflichten in so weitem MaBe die Pflege der Musik zuliefien,
nicht wiederkommen! Der 30jahrige Krieg, dessen Schauplatz in den
ersten Jahren Bohmen und die Pfalz gewesen war, kam mit seinen
Schrecken auch in die Thuringer Lande. Gleich im ersten Jahre 1622
hatte Sommerda viel unter den Einquartierungen und Kriegs-Kontributionen
zu leiden, »es zogeu bestandig Kriegsvolker durch diesen Ort und war
man selten frei von Einlogierungen« *).
Aus dem Jahr 1623 berichtet ein Rats-Protokoll, daB am 22. Januar
1500 Mann unter Herzog Friedrich von Altenburg den Ort verlieBen,
nachdem sie 7 Wochen dort gelegen hatten. Wahrend dieser Zeit wurden
iiber 45 Hauser gepliindert3). Ln Februar schatzte man den Gesamt-
schaden auf 20500 Taler4). Die folgenden Jahre brachten Sommerda im
allgemeinen Ruhe, und Altenburg konnte daher 1624 seinen Sohn Michael
auf die Erfurter Universitat schicken; er findet sich in der Matrikel5)
als » Michael Aldenberger Erfordensis« in der dritten Klasse (minus so-
lito solventes) verzeichnet, und zwar zahlte er 4 Groschen Einschreibe-
gebuhr, wahrend sein Vater 26 Jahre vorher 8 Groschen bezahlt hatte.
Da der junge Altenburg als »Erfordensis« bezeichnet ist, so miissen wir
sein Geburtsjahr zwischen den Jahren 1604 — 1608 suchen, zu welcher
Zeit sein Vater Kantor an St. Andrea war. Uber die Wahl des Studiums
und liber die ferneren Lebensschicksale des jungen Altenburg ist uns
nichts bekannt.
Die Jahre 1627 und 1628 brachten fur Sommerda wieder die Schrecken
des Krieges, und das Jahr 1629 forderte ungeheure Opfer. Am 19. April
lag der Oberst Altringer mit 5000 Mann in der Stadt, spater Coltalto
1) Herr Stadtarchivar Dr. Overmann, dem ich diese Nachricht verdanke, teilte
mir gleichzeitig mit, daB weitere Akten iiber A. nicht vorhanden seien.
2) Hesse, Aus Sommerdas Vergangenheit, Erfurt 1898. Den Hinweis auf dieses
Werk, ebenso die Mitteilung, daB das Kirchenbuch erst mit 1640 beginne, verdanke
ich Herrn Pastor Dr. WeiB zu Sommerda.
3) Hesse, a. a. O., Seite 25. 4) Hesse, a. a. 0., Seite 26.
5) Studenten-Verzeichnisse der Erfurter Universitat in den Geschichtsquellen der
Provinz Sachsen 1884.
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8 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
und Isolani mit ihren Truppen1). Am 15. September 1631 zog Gustav
Adolf in Sommerda ein und weilte drei Tage dort2), und in der folgenden
Zeit hatte die Stadt auBer kaiserlichen Truppen auch noch schwedische
zu verpflegen. Die Einquartierungen der folgenden Jahre wtirden »ganze
Bogen fiillen*, wollte man sie vollstandig auffiihren. Im Jahre 1636
wiitete die Pest in der Stadt und brachte an 600 Menschen den Tod3).
Den 2. November dieses Jahres »kam der kaiserliche General Ullfeld mit
4 Regimentern allhier an, logierte mit denselben 2 Nacht im hiesigen
Stadtlein, nahm das Hauptquartier auf der Pfarr bei Herrn Michael
Altenburg . . . zur Verpflegung liquidierte der Pf arrer Altenburg 24 Schock
14 Groschen fiir allerhand Viktualien, so ihm bei der Einquartierung
aufgegangen« 4). Das ist das einzige Mai, daB Altenburg's Name in Ver-
bindung mit den Kriegslasten erwahnt wird. Aber auch sonst wird das
Pfarrhaus von Einquartierungen nicht verschont geblieben sein, und der
Pfarrer mag in den schweren Zeiten alles Leid mit seiner Gemeinde ge-
meinsam getragen haben. DaB ihm bei all dem Elend und den Greueln,
die er erleben muBte, das Herz nicht auf Musizieren und Komponieren
stand, nimmt nicht Wunder, zumal noch schwere Schicksalsschlage in
der eigenen Familie hinzukamen. 1637 starb Altenburg's Frau, mit der
er 33 Jahre in gliicklicher Ehe gelebt hatte. Auch von seinen 13 Kindern
waren im Jahre 1640 nur noch drei am Leben 5). Nach dem Tode seiner
Frau schloB Altenburg eine zweite Ehe mit »Marthen, einer Witwe Mart
Quiritii, wie das Leichenprogramm, welches der Rektor Akaderoia D. Tob.
Lagus gemacht hat, bezeiget*6).
>1637 fliichtete Altenburg mit Hinterlassung alles seines Vermogens
nach Erfurt und muBte anfangs gar kiimmerlich leben, bis er nach Mr.
fienr. Starklopf's Absterben Diakonus an der St. Andrea Kirche wurde,
und dann 1638 dem verstorbenen Pastori an solcher Kirche M. Sam.
Wagnern succedirete, indem er aber bei den vielen und harten aus-
gestandenen Troublen seine Gesundheit ziemlich zugesetzt hatte, so starb
er bald darauf, den 12. Februar Anno 1640 7).«
Wie so vielen hatte auch ihm der 30jahrige Krieg jede Schaffens-
freude genommen. Seinem Talent, das besonders in dem vierten Jahr-
zehnt seines Lebens so schone Bluten gezeitigt hatte, war es nicht ver-
gonnt gewesen, alle noch in ihm schlummernden Knospen zur vollen
Entfaltung zu bringen.
1) Hesse, a. a. 0., Seite 27 und 28. 2) Ebenda, Seite 29.
3) Hesse, a. a. 0., Seite 32.
4) Ebenda, Seite 33.
5) Motschmann, Erfortia literata.
6) Ebenda.
7) Ebenda,
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 9
II. Kapitel.
Altenburg's Werke, die nach dejn Gebrauch der damaligen Zeit nur
in Stimmbiichern gedruckt sind, erschienen alle zwischen den Jahren
1608 und 1623 bei den Erfurter Verlegern (beziehungsweise Druckern),
Jacob Singe, Martin Wittel, wohnhaft zum gulden Engel, Philipp Wittel,
Johann fiohboclj sowie bei Johann Weidner zu Jena. Leider ist der
Druck stellenweise ungenau, besonders Pausen fehlen haufig oder siiid
falsch notiert. Dasselbe gilt auch von den Versetzungszeichen, die im
aUgemeinen fiir die betreffende Note beziehungsweise fur sofort darauf
folgende Wiederholungen gelten. An manchen Stellen war es schwierig
festzustellen, ob man geschwarzte oder leere Noten vor sich hat, auch
lieB die Textunterlage oft zu wiinschen iibrig. Unter diesen Umstanden
war das Zusammenstellen einer Partitur oft sehr zeitraubend. Die No-
tation ist die in rautenformigen einfachen Mensuralnoten ohne Taktstriche.
Letztere kommen nur vor als Trennung der einzelnen Zeilen in den Note
gegen Note gesetzten Choralen. Im 3/2 Takt wird die Verschiebung des
Bhythmus von * f in ? ° durch Schwarzung der betreffenden Noten
kenntlich gemacht.
Die von mir benutzten Druckwerke befinden sich zum grofiten Teil
in der koniglichen Bibliothek zu Berlin, auBerdem in der Bibliothek
der Eitterakademie zuLiegnitz, in der Konigl. Bibliothek zu Dresden
und in der Stadtbibliothek zu Breslau. Eine Motette >Hochzeitliche
musicalische Frewde auss dem Propheten Esaia am 62. Capit. | zu 9 oder
12 Stimmen* *) vom 18. Januar 1620 wird in London bewahrt; in die-
selbe habe ich keine Einsicht nehmen konnen, obwohl ein Vergleich der
Altenburgischen Komposition mit der von Johann Rudolph Ahle2), der
kurz nach Altenburg's Tode Cantor an St. Andreae zu Erfurt war, hochst
interessant gewesen ware, und vielleicht wie in andern Fallen Beziehungen
zwischen beiden Meistern ergeben hatte.
AuBerdem gibtEitner in seinem Quellen-Lexikon an >3 Stb. 4° o. Sign,
von 1619: Tanze zu 5 Stimmen«, doch konnte ich dariiber nichts in Erfahrung
bringen. Es ist sehr bedauerlich, daB wir von Altenburg kein rein welt-
liches Werk haben, da wir in vielen seiner Kompositionen3) eine aus-
gesprochene Begabung fiir das Volkstiimliche und Rhythmische finden,
1) Aus dem weiteren Wortlaut des Titels, dessen genaue Kenntnis ich Herrn
Barclay Squire vom British Museum verdanke, interessiert die Stelle: >Darein
zngleich ein | Choral Stimme beneben 2. Clareten vnd 1. Trom- | bet gerichtet ist |
doch also dass die Claret vnd Trombet | (wo mans nicht haben kan) mogen ausge-
lassen werdenc. Das Werk, 8 Stimmbucher in 4°, war >zu ErfFurdt bei Johann
Rohbock zum griinen Lowen bey S. Gorgenc gedruckt.
2) Erster Teil geistlicher Dialoge 1648.
3) Zum Beispiel in den Kirmefigesangen im zweiten Teil der »Kirchen- und
Hausgesangec. Einige Beispiele folgen sp'ater bei der Besprechung des Werkes.
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10 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
sodaB wir auch auf weltlichem Gebiet ansprechende Leistungen unseres
Meisters hatten erwarten diirfen.
Im 16. Jahrhundert bahnte sich bereits der Ubergang von den
alten Kirchen-Tonarten zur modernen Tonalitat an. Untersuchen wir
Altenburg's Tonsatze bezuglich ihres Verhaltnisses zu den Kirchen-Ton-
arten, so finden wir das Gef iihl fur Dur und Moll schon stark ausgepragt,
daneben finden sich auch noch manche Anklange an die alte Zeit, es
diirfte daher, wie schon Winterfeld1) bemerkt, vergebliches Bemiihen
sein, Altenburg's Satze auf die Kirchen-Tonarten zuriickfiihren zu wollen.
Die den Dur-Charakter tragenden Satze bauen sich nur auf c und g auf,
Tonsatze mit Dur-Charakter auf den Tonstufen d, e, /j a, h sind nicht
vorhanden; die auf g stehenden verlieren ihr mixolydisches Geprage voll-
kommen dadurch, dafi die kleine Septime f fast stets in fis erhoht ist
— von diesen Stiicken kann man nur sagen, sie stehen in Q-dur. Weit-
aus die meisten von Altenburg's Tonsatzen stehen in Moll (etwa 3/4 von
alien), und zwar werden d-moll und a-mott bevorzugt, diese haben auch
teilweise den DominantschluB, also den altkirchlichen PlagalschluB. Auch
die ganz ausgesprochen kirchlichen Charakter tragende phrygische Kadenz
kommt haufiger vor, doch fehlen rein phrygische Satze vollkommen, da
die auf der Tonstufe e sich aufbauenden durch haufige Modulationen
nach H-dur ihren phrygischen Charakter verlieren und nur als unser
e-mott erklart werden konnen.
Ist in Bezug auf Tonarten bei Altenburg ein Bruch mit der alten
Zeit zu spiiren, so zeigt er sich in den rhythmischen Formen als dem
16. Jahrhundert angehorig ; haufig wendet er in seinen Melodien den aus
der alteren Volksweise stammenden rhythmischen Wechsel an (der auch
den meisten kirchlichen Weisen des 16. Jahrhunderts eigentiimlich ist)
und schaltet da mit Freiheit und Verstandnis. Die spatere Zeit, der
der rhythniische Wechsel als der kirchlichen Wurde nicht geziemend er-
schien, streifte ihn allgemach ab, wohl nicht zum Vorteil der betreffenden
Melodien, die dadurch viel von ihrem Schwung einbiiBten.
Wie HaBler, so macht auch Altenburg haufig von einem Wechsel im
Takt Gebrauch, um dadurch einen Wechsel im Ausdruck zu erreichen.
So tritt zum Beispiel bei den 15 Gesangen im ersten Teil der Kirchen-
und Hausgesange bei 11 ein Wechsel des 4/2 Takts in den z/2 Takt ein
und zwar stets bei Textstellen, die eine froh bewegte Stimmung aus-
drucken sollen, zum Beispiel: >laBt uns freuen in dem Herrn« (Nr. 3),
>drum laBt uns freuen und frohlich drinnen sein« (Nr. 7), »Christ der
Herr ist erstanden* (Nr. 10), >Halleluja, der Herr ist nah, des sind wir
froh, singen in dulci jubilo« (Nr. 11), »Wie prachtig ist dein Herrlichkeit«
(Nr. 13) u. s. f. Solche im 3/2 Takt stehende Stellen sind Note gegen
1) Band II, Seite 87.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 11
Note gesetzt (mit gelegentlichen Durchgangsnoten besonders bei Kadenzen)
und bilden mit ihren Dreiklang- und Sextakkord-Harmonien einen groBen
kunstlerischen Kontrast zu dem vorausgehenden polyphonen Tongewebe.
Man darf iiberhaupt Altenburg ein enges AnschlieBen an den Text nach-
ruhmen, seine Kompositionen iiberraschen an vielen Stellen durch
Charakteristik des Ausdrucks. Schon in seinem ersten Werk, der Pas-
sions-Motette iiber das 53. Kapitel des Jesaias aus dem Jahre 1608 linden
sich Beispiele hierfiir. So pflegt der Komponist bei Textstellen, die sich
der Gemeinde fest einpragen sollen wie: >und durch seine Wunden sind
wir geheilt* (Teil 5 der erwahnten Motette), »wenn er sein Leben zum
Schuldopfer gegeben* (ebenda), »und fur die Sunder gebeten«, den Ton-
satz Note gegen Note zu gestalten, um dadurch eine tiefere und ein-
dringlichere Wirkung auf den Zuhorer zu erreichen, dessen Aufmerksam-
keit durch Rgurenwerk von der Wichtigkeit des Wortes leicht hatte ab-
gelenkt werden konnen. Neben solchen tief erfaBten Stellen finden sich
auch rein auBerliche Tonmalereien; Worte wie »gehen«, »eilen«, »fliegen«,
»sausen«, »brausen« und andere sind haufig yon laufender Achtelbewegung
begleitet, um die in diesen Worten liegende Bewegung musikalisch zu
illustrieren. Von dieser Manier ist kein Zeitgenosse Altenburg's frei,
und es ist interessant zu sehen, daB Heinrich Schiitz in seiner Komposition
des 116. Psalms1) der mit derjenigen Altenburg's im Jahre 1623 in
GrroBmann's > Angst der Hellen« erschien, genau dieselben Worte in fast
notengetreuer Weise wie Altenburg tonmalerisch behandelt hat.
"Wie bei den meisten Tonsetzern seiner Zeit, so beruht auch Alten-
burg's Tatigkeit hauptsachlich in der kunstvollen und sinnreichen Aus-
gestaltung entlehnter Weisen, die in den meisten Fallen als Grundlage
und thematischer Stoff motettenartiger Tonsatze dienen. Sie werden
derart als cantus firmi verwendet, daB die einzelnen Zeilen des Chorals
in imitatorischer und kanonischer Verwebung in den verschiedenen
Stimmen erscheinen. Manchen von diesen Satzen folgt ein »Kontrapunkt«,
das heiBt ein Note gegen Note gesetzter, fur den Gemeindesang bestimmter
Choral. Was die dem evangelischen Kirchengesang entlehnten Weisen
betrifft, so finden wir solche aus folgenden Gesangbuchern: »Walther 1524,
WeiBe 1531, Klug 1535, 1543, Schumann 1539, Babst 1545, Selneccer
1587, Dresden 1593, Praetorius »Musae Sioniae« 1605, Gesius 1607.
Die Quelle Altenburg's wird wohl das Erfurter Gesangbuch vom Jahre
1617 gewesen sein. Die den aufgezahlten Gesangbuchern entlehnten
Weisen werden bei der Besprechung der einzelnen Werke unseres Meisters
besonders aufgefiihrt werden.
Neben seiner Wirksamkeit als Setzer alterer Weisen hat Altenburg
1; Im XII. Band der Neuausgabe S pitta's.
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12 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
auch eine rege Tatigkeit als Sanger neuer Melodien entfaltet: Zahn1)
schreibt ihm die Erfindung von 17 Melodien zu, die in den Gemeinde-
gesang Eingang fanden. Von ihnen haben sich einige bis in unsere
Zeit im kirchlichen Gebrauch erhalten2).
Als Verfasser der yon Altenburg komponierten Texte nennt Zahn
Tobias Kiel3) und Thomas Hartmann4), bei einigen weist er auch die
Urheberschaft unseres Altenburg nach, beziehungsweise vermutet sie. Wir
haben also in Altenburg, ebenso wie in seinem beruhmten Zeitgenossen
Schein, einen von der Natur mit den drei Gaben des Setzers, Sangers
und Dichters begnadeten Kiinstler zu sehen. Es wiirde aber im Eahmen
dieser musikgeschichtlichen Arbeit zu weit fiihren, wenn wir Altenburg's
Tatigkeit als Dichter geistlicher Lieder ausfiihrlicher betrachten wollten;
nur das sei noch hier erwahnt, daB das Lied »Verzage nicht o Hauflein
klein«, das Altenburg zugeschrieben wurde, nicht von ihm herruhrt. Das
Lied findet sich zuerst in dem von M. Jer. Weber, Prof, theol. zu
Leipzig, 1631 herausgegebenen Gesangbuch mit der Uberschrift >Herz-
freudiges Trostliedlein auf das von der evangelischen Armee in der
Schlacht von Leipzig am 17. September 1631 gefiihrte Kriegslosungswort
>Gott mit uns« gestellet von M. Joh. A. Pfarrherrn zu groBen Sommern
inDiiringen.* Das gab Veranlassung, daB Wetzel6) und Schamelius6)
Altenburg fiir den Verfasser hielten. In Wirklichkeit ist das Lied von
dem Peldprediger Gustav Adolf s Jacob Fabricius nach der Leipziger
Schlacht verfaBt worden, jedoch dichtete Altenburg zu den 3 Original-
strophen noch weitere hinzu7).
Welche Texte Altenburg zugeschrieben werden, ersieht man aus der
folgenden Tabelle, welche die 17 Melodien Altenburg's, die in den Ge-
meiridegesang Eingang gefunden haben, enthalt. Bei den bekanntesten
habe ich, urn ein Bild von ihrer Verbreitung zu geben, die Gesangbucher
(wenigstens im Auszuge) angefiihrt, in die sie Aufnahme gefunden haben8).
1) Zahn, Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder. Band V, S. 413.
2) Eine Tabelle dieser 17 Ges'ange folgt weiter unten auf Seite 13.
3) Tobias Kiel, geboren 1684 zu Ballstedt bei Gotha, gestorben 1627. Verfasser
von geistlichen Schauspielen und Kirchenliedcrn , die durch Altenburg's Vertonung
weite Verbreitung fanden. (Allgemeine deutsche Biographic)
4) Thomas Hartmann, Archidiakonus zu Eisleben, gab 1604 eine Sammlung
geistlicher Lieder heraus unter dem Titel »Christenschild«, die Bich groBer Beliebtheit
erfreuten. (Allgemeine deutsche Biographie und Koch, Geschichte des Kirchenliedes.)
5) "Wetzel, Hymnopoeographia oder historischer Liederschatz der beruhmtesten
Liederdichter. Herrnstadt 1719. I, Seite 48.
6) Schamelius, Evangelischer Liederkommentarius zum Naumburger Gesang-
buch, Leipzig 1737.
7) Ausfuhrliches uber das Lied findet sich bei Koch, Geschichte des Kirchenliedes*
II, Seite 165—168 und bei Godeke, GrundriC zur Geschichte der deutschen Dichtung.
8) Nach Zahn, Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder,
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Ludwig Meineoke, Michael Altenburg.
13
Nr.bei
Zahn
Herkunft beziehungsweise
Verbreitung
Dichter
248 Jesu da Gk>ttes Lammelein
1958
7641
8176
1748
2039
1967
5278
2056
620
2556
8443
1962
5481
7008
Aus Jacobs Stamm ein
Stern aehr klar
0 Gott Vater, ich glaub
an Dich
Herr Gott, nnn achleuB den
Himmel auf
Macht auf das Thor
Grechtigkeit
der
Lob aeiGott in deaHimmela-
thron
GlaubigeaHerze, freue Dich
hent Gottea
OChriatenmensch betrachte
nun Wie hie Ghristus
der Gottea Sohn
Wir dankenGott dem Sohne
zu dieaem neuen Jahr
Gleichwie 8ich fein ein Vo-
gelein
Du aeist zuFeld oder zuHaua
Danklied eines Gevatters:
> Wohlauf mein Herz, aei
guten Mutsc
Jesus, du liebatea Herrlein
mein
Frolockt und triumphieret
Gleichwie der Hirscn nach
frischem Waaaer schreit
Gleichwie einHirschbegeh-
ret ein friache Waaserquell
Je langer je lieber, dies
Blumelein
Kirchen- und Hauageaange I.
Goth. Cantional 1646, Witt
1715, Konig 1738, Klein 1785,
Weimar 1803, Schicht 1819,
Natorp 1822, Karow {Dorpat)
1848, Volckmar 1865, Anding
1865, Schoberlein 1868.
Kirchen- und Hauagesange I.
Goth. Cantional 1646, Stenger
1663. Witt 1715, Konig 1738,
Uettingen 1754, Kittel 1790,
Weimar 1803, Fischer 1820,
Kiimmerle 1887.
Kirchen- und Hauageaange I.
Darmatadtl699,Graupnerl728,
Klemann 1730, Konig 1738, in
einer ganzen Reihe von Hand-
achriften, Kittel 1790, Weimar
1803, Schicht 1819, Volckmar
1865, Anding 1865, Richter
1873 Gebhardi 1879.
Kirchen- und Hauageaange L
Goth. Cantional 1646, Cramer
1641, Janus 1663 ala Melodie
zu dem Lied : >Gottlob der Tag
der Angat und Note. Mitklei-
nen Varianten bei Witt 1715,
Telemann 1730, Koniff 1738,
Freylinghauaen 1741, Nicolai
1765, Klein 1785,Dolea 1786, . . .
Schicht 1819, Elberfeld 1835,
Karow (Dorpat) 1848, Anding
1868, Prov. Sachaen 1885.
Kirchen- und Hauagesange I.
Goth. Cantional 1646, Frey-
linghauaen 1704.
Georg Oeaterreicher'a Gesang-
buch 1623.
Georg Qeaterreicher's Gesang-
buch 1623.
Georg Oeaterreicher'a Gesang-
buch 1623.
Georg Oesterreicher'a Geaang-
buch 1623.
Erfurter Geaangbuch 1634.
Gothaer Cantional 1646.
Gothaer Cantional 1646.
Gothaer Cantional 1646.
Gothaer Cantional 1646.
Erfurter Geaangbuch 1663.
Erfurter Geaangbuch 1663.
Erfurter Geaangbuch 1663.
Thomas Hart-
mann.
Tobias Kiel.
Tobias Kiel.
Umbildung eines
Textes von We i 6 e.
Thomas Hart-
mann.
?
Altenburg.
Altenburg.
Tobias Kiel.
Altenburg.
Altenburg.
Altenburg.
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14
Ludwig Meineoke, Michael Altenburg.
Unter den 98 einzelnen Nummern der Kirchen- und Hausgesange
(Teil 1—4), der »Weihnachts- und Neujahrsgesangec und der »Oantio-
nes de adventu domini* finden sich 47 (also die Halfte) fiinfstimmige, 5
vierstimmige, 14 sechsstimmige, 1 siebenstimmiges, 27 achtstimmige und
4 neunstimmige. Wie Eccard, so zeigt auch Altenburg eine Vorliebe
fiir den funfstimmigen Satz, wahrend er den vierstimmigen, den HaBler
noch so sehr bevorzugte l), nur wenig pflegte, obwohl diese wenigen yier-
stimmigen Satze zu den schonsten unseres Altenburg gehoren; besonders
Nr. 1 der » Weihnachts- und Neujahrslieder* »Wir danken Dir, Herr Jesu
Christ*2] weist einen harmonisch auBerordentlich reichen Satz auf, der sich
auch durch die schwungvolle melodische Piihrung aller 4 Stimmen aus-
zeichnet und einen Vergleich mit den HaBler'schen vierstimmigen Satzen
keineswegs zu scheuen braucht. In diesem Choral wendet Altenburg
mehreremale im Dominant-Dreiklange statt der Quinte die kleine Sexte
als Wechselnote an,
i
^Irrt^r
m
——<*--
#
r-
und erzielt hierdurch eine interessante Parbung, welche wir iibrigens
vor ihm schon bei Seth Calvisius antreffen, der sie fast bei jeder Kadenz
seines vierstimmigen Choralsatzes » Christ ist erstanden« anwendet3).
Ein siebenstimmiger Satz findet sich auBer dem mit drei Posaunen
begleiteten »Ich weiB, daB mein Erloser lebt* (Vierter Teil der Festge-
sange) nur noch einmal und zwar ,in der Motette »Adams hochzeitliche
Freude* aus dem Jahre 1613. Neben den 14 sechsstimmigen Tonsatzen
in den oben erwahnten Werken findet der sechsstimmige Satz Anwendung
in den Motetten: >das 53. Kap. des Jesaias«, »der 55. Psalm«, »Adams
hochzeitliche Freude* (Teil 1 und 2; Teil 3 ist siebenstimmig) und in
den Intraden fiir Geigen, Lauten, nebst einer Ohoralstimme. Mit Vor-
liebe laBt der Komponist den sechsstimmigen Vokalsatz dreistimmig be-
ll Zum Beispiel Kirchengesange, Fsalmen und geiatliche Lieder auf die gem ein en
Melodien mit 4 Stimmen simpliciter gesetzt. (67 vierstimmige Satze enthaltend.)
Neuausgabe von Teschner.
2) Siehe NeuauBgabe von Teschner Nr. 7.
3) Dieser aus Calvisius, Harmonia cantionum ecclesiasticarum, 1597 stammende
Satz findet sich bei Becker und Billroth, Sammlung von Ghoralen, Nr. 3; auch
andere Satze von Calvisius in der erwahnten Sammlung bringen diesen Akkord, den
Melchior Franck, Schutz und Schein ebenfalls gern anwenden.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 15
ginnen, auch pflegt er den drei oberen Stimmen gern die drei unteren
gegeniiberzustellen; solche Stellen machen dann den Eindruck, als ware
die Komposition fiir 2 dreistimmige Chore gesetzt1). In seinen doppel-
chorigen achtstimmigen Satzen erreicht Altenburg durch wirkungsvolle
Kombination beider Chore und vox allem durch dramatische Behandlung
des Textes groBe Wirkungen. Doppelchore wie »die Erde ist des Herrn«,
»Wer ist derselbige Konig der Ehren«, »Mir herzlich lieb ist Jesus
Christ*, »Ob mich viel Jammer in der Welt«, samtlich aus den »Cantio-
nes de adventu domini* diirften heute noch eines tiefen und nachhaltigen
Eindrucks gewiB sein. Die neunstimmigen Satze weisen denselben Bau
auf, wie die achtstimmigen; die neunte Stimme, der »Generaldiskant« oder
»Jungferngesangc, verstarkt entweder die Oberstimme, aber nicht noten-
getreu sondern frei, oder sie bringt (wie in »Dixit ei Jesus* im vierten
Teil der Festgesange) einen einfachen Choral, dessen ruhige, von den
Schulkindern gesungene Weise sich plastisch von dem darunter wogenden
Tonmeer abhebt. Venetianischer EinfluB zeigt sich in dem 15— 18stim-
migen >Gaudium Christianum*, worin Altenburg neben drei fiinfstimmigen
Choren auch drei Trompeten und Pauken anwendet.
Altenburg's Satz ist im allgemeinen korrekt, doch kommen falsche
Fortschreitungen, wie verdeckte Oktaven und Quinten gelegentlich vor,
auch die Folge von 4 Quinten in den AuBenstimmen findet sich einmal
in der >Passio tua des 53. Kap. des Jesaias«.
, i f J, ,«? I J.^JLJ^tJr
!^-_!L-JL=g4^^rJi=J3^^^g^gp
In der kanonischen und imitatorischen Verarbeitung der Choralthemen
zeigt sich eine groBe Beherrschung des Kontrapunkts : VergroBerung, Ver-
kleinerung, Umkehrung des Themas werden verstandig und maBvoll an-
gewandt. Die thematische Arbeit und die organische Entwicklung sind
fast stets zu loben, der Aufbau der Satze (besonders bei mehrchorigen)
ist wirkungsvoll, gegen den SchluB hin breit ausladend, und unser In-
teresse wird durch dramatisch belebte Einzelheiten stets rege gehalten.
Die melodische Fiihrung der Stimmen verdient alles Lob; diese sind
sangbar und flieBend geschrieben, bringen gern volkstiimliche Elemente
und Bhythmen und iiberraschen oft durch ihre melodischen Wendungen,
wie denn iiberhaupt Altenburg's Begabung mehr auf melodischem als
auf harmonischem Gebiet liegt, wenn auch seine Harmonien stets klar
und kraftvoll sind und auch manche interessante Einzelziige aufweisen.
Neben der menschlichen Stimme verwendet Altenburg auch verschiedene
Instrumente wie Geigen, Lauten, Zinken, Trompeten, Pauken, Posaunen
1) Beispiele hierfur nnter anderem in der Motette >das 53. Kapitel des Jesaiasc.
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1 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
und die Orgel in seinen Kompositionen, urn dadurch den Gottesdienst
feierlicher und prunkvoller auszugestalten. Seine Instrumentalsatze sind
nicht immer bloBe Verdoppelungen der Singstimnien, sondern zum Teil
schon ganz selbstandig gefiihrt, so daB wir auch auf instrumentalem
Gebiet Altenburg der fortschrittlich gesinnten Gruppe der Komponisten
zu Beginn des 17. Jahrhunderts (also vor allem Mannern wie Praetorius,
Schiitz, Schein u. a.) zuzahlen miissen.
III. Kapitel.
Besprechung der einzelnen Werke.
Das 53. Cap. des geistreichen Propheten Esaiae, das ist | das
bitter Leiden und Sterben | sampt der frolichen und siegreichen
Auferstehung unseres Herrn und Heilands Jesu Christi | Auch der
herrliche und schone Passionsspruch des frommen Alt Vaters Bern-
hardi | Passio tua Domine Jesu Christe, etc. Mit 6 Stimmen com-
poniert und in Druck verfertigt durch M. Michaelem Altenburgium,
der Schulen S. Andreae in Erffurdt Cantorem. | Gedruckt zu Erffurdt
bei Jacob Singe Anno 1608.
(Exemplar in der Bibliothek der Ritterakademie zu Liegnitz.)
Das Werk enthalt ein Bild Altenburg's nebst einem lateinischen Lob-
gedicht von Christoph Fabricius. In der Vorrede widmet Altenburg
seine Komposition vier Reichsgrafen von Schwarzburg und unterzeichnet
sich als M. Michael Altenburck, Musicus. Wenn auch der Text dem
alten Testament entlehnet ist, so darf man das Werk, wegen des deut-
lichen Hinweises auf Christi Leiden und Sterben, doch als Passions-Motette
bezeichnen. Auch Christ. Demantius hat im Jahre 1631 dieses 53. Ka-
pitel des Jesaias als Anhang einer Passion beigegeben, wie Kade1) mitteilt,
der auch einige Takte von Demantius' Satz seiner Besprechung beigibt.
Doch geniigt dieses wenige nicht, urn einen Vergleich mit Altenburg's Kom-
position ziehen zu konnen. Auf keinen Fall wird der damals 64jahrige
Demantius sich die Komposition eines 24jahrigen zum Vorbild genommen
haben.
Betrachten wir jetzt die in 6 Teile sich gliedernde Komposition Alten-
burg's. Sie ist der Wiirde des Textes gemaB einfach gehalten, vermeidet
Figuration bis auf einige Tonmalereien und ruht oft rezitierend auf
demselben Akkord, macht aber gerade durch die Einfachheit einen tiefen
Eindruck auf die Horer. Als charakteristisch im Ausdruck erwahne ich
im dritten Teil die Stelle »wie ein Schaf, das verstummet*; hier bringt
1) Kade, Altere Fassionskomposition bis zum Jahre 1631, Seite 99.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 17
der Komponist auf das Wort »verstummet« die phrygische Kadenz d-mott
E-dur, dann eine halbe Pause, wiederholt das »verstummet«, bringt wieder
eine halbe Pause und fahrt erst dann im Tonsatze fort. Als tonmalerisches
Beispiel fllhre ich die Stelle an: »denn er scheuBt auf wie ein Reis«;
hier bringen Alt, Tenor II und BaB wahrend dreier Takte imitatorisch
aufsteigende Sequenzen, wohl um das »AufschieBen< zu veranschaulichen.
Als sechster Teil folgt dem Werk der Passionsspruch des Alt-Vaters
Bernhardi:
Passio tua Domine Jesu Christe
est ultimum refugium.
Passio tua Domine Jesu Christe
est singulare remedium.
Passio tua Domine Jesu Christe
est indeficiens sapientia.
Den Worten entsprechend, gliedert sich die Komposition in 3 Teile
von je 15 Takten Ausdehnung, auch erhalt das Werk noch dadurch etwas
organisch Geschlossenes, daB Altenburg das ganze thematische Material
der Passionsformel:
TBSZ
mm
=t=
Pas - si - o tu - a Do - mi - ne Je - su Chris te
entnimmt, wobei sich die Tonwendung auf dem Wort » Christe « als be-
sonders ergiebig zur thematischen Verarbeitung erweist.
Adams hochzeitliche Freude.
(Zu sonderlichen Hochzeitlichen Bhren und Wohlgefallen | Des
Wiirdigen | Achtbarn und Wohlgelahrten Herrn Johann Rappolds |
Pfarrer zu G-oltbach | Breutigams | und Der Erbarn und Tugend-
samen Prauen Annen | des Erbarn und Wohlgeachten Hans Gliiser
(seligen) daselbst nachgelassener Witwen | Braut | den 20. Juni Anno
1613 zu Goltbach, Christlich und Ehrlich gehalten.)
Mit 6 Stimmen (Neben dem Symbolum >Fidenti sperata cedunt«,
mit 7 Stimmen componiert und dedicieret durch M. Michaelem Alten-
burgium, Trychtelbornensium Pastorem. | Et pia vita viro sine dulci
conjuge mors est.
(Exemplar in der Koniglichen Bibliothek in Berlin.)
Das Werk erhebt sich weit iiber den Rahmen einer Gelegenheits-
Komposition und gehort in Bezug auf harmonischen Reichtum mit zu den
besten Werken des Meisters. Der Satz ist sechsstimmig und wird
nur gelegentlich durch kiirzere drei- und vierstimmige Zwischensatze
S. d. L M. V. 2
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18
Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
unterbrochen, die Stimmen weisen mehr Figurenwerk auf und sirid be-
weglicher gef iihrt als in der vorher besprochenen Passions-Motette. Auch
hier findet sich das Streben nach Charakteristik des Ausdrucks oft unter
Zuhilfenahme rein auBerlicher Tonbilder, die in dem Horer ein Bild des
betrefienden Vorgangs wach rufen sollen, zum Beispiel:
--£*L
6=aEJtej^
£ee
See
*=t
Da lies Got* der Herr einen tie
fen Schlaf fal
len.
Erwahnung verdient auch der SchluB dieses ersten Teils, der sich sequenz-
artig mit den beiden Motiven:
2±
■32Z
mm
f£
3=^*
=t
und fuh - ret sie zu ihm.
und fuh - ret sie zu ihm.
aufbaut, von denen das letztere in alien Stimmen auch in der Umkehrung
mid Verkleinerung gebracht wird. Gegen SchluB des zweiten Teils bringt
der Komponist bei den Worten »und sie werden sein ein Fleisch* den
dreizeitigen Takt und gestaltet den Tonsatz Note gegen Note. Nach 9
Takten tritt jedoch wieder der gerade Takt ein, und die Komposition
wird zu Ende gef iihrt unter Benutzung des folgenden BaBmotives:
2±
-5.— *-«=:
und sie wer
den
^t=W-
Fleisch.
das ein Motiv des ersten Teils ist1), und das sich wie ein roter Faden
durch das ganze Werk hinzieht.
Das Symbolum »Fidenti sperata cedunt« ist ein siebenstimmiger mo-
tettenhafter Satz, der sich in atlBerst kunstvoller Weise uber zwei Oantus
firmi aufbaut, namlich dem Choral »Wer hofft in Gott und dem ver-
traut«2) und dem Symbolum;
fe
3:
35^
m
ra - ta
*
r=i=
i^i
:a>
1
ce - dunt, spe - ra - ta
dunt.
Fi - den - ti spe
das die Anmerkung tragt:
»Wann die gesungn zum neunden mahl so ist der Gsang aus liberal.*
1) Siehe oben.
2) Die dori8che Weise dieses Chorals stimmt uberein mit derjenigen von »Ich
bitt o Herr aus Herzensgrund« im Klugfschen Gesangbuch 1536. Der Text >Wer
hofft in Gott« bildet die siebente Strophe des Chorals > Durch Adams Fall ist ganz
verderbt*. sm , #
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 19
... Obgleich, der Komponist durch die beiden Cantus firmi gebunden ist,
so sorgt er doch fur reiche harmonische Abwechslung und erhoht durch
dramatische Einzelheiten die Wirkung seines Satzes, z. B. bei den Worten
»improba nam mens est, quae dubitare velit*; bier ertonen zu dem rhyth-
misch belebten flinfstimmigen Satz, der immer und immer wieder* sein
verdammendes »improba nam mens est* erschallen laBt, die zuversicht-
lichen Worte des Chorals: >der sich verlaBt auf Gottes Trost, er hilft
sein' Glaubigen alien*.
Musikalischer Sehild und Schirm der Burger und Einwohner
der Stadt Gottes (das ist) der 55. Psalm des Koniglichen Propheten
Davids mit 6 Stimmen componiret, und artig auff den Text gerichtet
durch M. Michaelem Altenburgium Trochterb. Pastorem. Gedruckt
zu Erfurt bei Philipp Witteln.
(Exemplar in der Koniglichen Bibliothek zu Dresden.)
In der Vorrede des dem Herzog Johann Georg zu Sachsen gewidmeten
Werkes, die vom 3. November 1618 datiert ist, klagt Altenburg tiber
diejenigen, die ihn verleumden und lastern:
». . . . warm ich dann solchen falschen Judasbrudor (auch wohl vernom-
men) ungeacht, daB ich wenig (nur 35 Jahre) erreichet (alB habe ich allezeit
den 55. Psalm des Koniglichen Propheten Davids) mein Schutz und Schirm/
wider dieselben seyn lassen.
Auch denselben/ damit cr mir/ und andern christlichen Burgern der
Stadt Gottes/ desto demutiger were/ mit anmutigen Intervallen und Clau-
sulen,/ sonderlich wenn mein Ampt verrichtet und es die Zeit und Ge-
lagenheit hat geben wollen/ Harmonice ornieret und gezieret/ welches denn
vielen Christlichen Btirgern so wolgef alien/ daB sie bei mir angehalten/ ihnen
solchen Psalm durch den offentlichen Druck zu communicieren und mit-
zuteilen/ welchen vielfeltigen Anhalten ich denn gerne statt und raum ge-
geben/ und also/ wie fur Augen/ in offentlichen Druck auBgehen lassen.*
DaB das' Werk in seiner kunstvollen Polyphonie ein eingehendes Studium
erforderte, sagt der Komponist selbst in einem, vorausgeschickten kurzen
Gedicht:
» denen ich nicht componieret bin/
-' ■- - die nach der Larven singn obn hin/
. . Sondern ioh. will; niich unterwerfen denen/
die mioh konnen treffen/
Sollst mich wol zweymal singn fen/
dennoch sehwerlich getroffen ban/
drumb sing langsam/ ., .
triffs/
recht pausier/ , , <
Nimm wahr den Text: dann judicir.*
Die in 6 motettenhaft gesetzte Teile zerfallende Komposition gehort
mit zu den schwierigstea Werken AJtenburg's, gibt aber die jeweilige
2*
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20
Ludwig M eineeke, Michael Altenbnrg.
Stimmung des Textes in treffender Weise musikalisch wieder. Gleich
das Thema des ersten Teils:
:pn
i^^^^gg^
^•=^n
*=£
*F
*
Gott er - ho - re mein Ge - bet, Gott er - ho - re mein Ge - bet
das kanonisch von alien 6 Stimmen gebracht wird, ist gut erfunden,
ebenso das charakteristische BaBmotiv auf dem Wort »heule«:
^^Hrffr-^ma^^^^^^
und heu le.
Als harmonisch interessant erwahne ich die Stelle, »wie ich so klag-
lich zage« mit dem klagenden Tonfall g fis e im Alt:
^
&-^ — =
Die letzten Worte dieses ersten Teils: »und Zittern ist auf mich
kommen und Grauen ist auf mich gef alien* werden in ausgedehnter Weise
tonmalerisch behandelt; auch im zweiten Teil wendet der Komponist bei
den Worten »floge«, >eilen«, »entrinnen« laufende Achtelbewegung zur
musikalischen Ulustrierung der betreffenden Worte an. Gut getroffen
ist in demselben Teil die Stelle: »und Hader in der Stadt«, die durch
kanonisch durcheinander laufende Achtel mit verschiedenem Bhythmus
in treffender Weise vertont ist; ganz ahnlich ist im zweiten Teil die Stelle:
>mach ihre Zungen uneins, Herr« behandelt. Von den vielen interessanten
Einzelheiten des Werkes erwahne ich nur noch die Harmonie auf den
letzten Silben der Worte: ». . . lebendig in die Holle fahren*.
*
i. *
m
%
■^
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Ludwig Meineoke, Michael AJteixbupg. 21
Erater Teil. Christlicher, Lieblicher und Andachtiger neuer
, Kirchen und MauB-Ges&age, so auff alle Festtage und aucli sonsten
zu jedeweit konnen gebraucht werden/ Also daB man den Text fein
vornehmen und ein jeder Gottseliger Christ mitsingen kann. Mit 5
Sfcimmen conaponiert von M. Miohael Altenb. pastore Trochtelbornensi.
Mit einer Vorrede Herrn M. Modestine Wedmann Ministerii Erffur-
tensis Seoioris S, S. Theologiae Hebraicae ling. P. P.
Ad Lectorem.
BiB anhero haben sich ihrer etliche unterfangen die Gesange, welche
ich lassen auBgehen in meinem Nahmen hin und wieder, alB auf den
Ddrffen zu offerieren und dedicieren: Darumb ich nicht unterlassen
konnen, dieses hinzuzusetzen, daB sich diejenigen, welche zu solchen
Lust und Liebe tragen, konnen sich zu dem Autore fin den, oder sie
vom Buchdrucker bekommen.
Gedruckt zu Erffurdt bei Johann Rohbock, zum griinen Lowen/
bey S. Gorgen 1620.
(Exemplar in der Koniglichen Bibliothek zu Berlin.)
Altenburg widmet sein Werk den Pfarrern Hugo Morlin zu Molsch-
leben, Johann Sauberlich zu Pfertingshausen, Melchior Mengewein zu
Wechmar, dem Diakon Mathias Julius zu Molschleben, auBerdem seinem
»inbesonders gutem Freunde und Forderer* Andreas Erhard zu Handsch-
leben und den Altesten, SchultheiBen, Heimbiirgern und der ganzen Ge-
meinde zu Molschleben. Die yon M. Modestrnus Wedmann, Pfarrer zu
Kauffmans Kirchen und Senior des evangelischen Ministerii, demWerke
mitgegebene vom 15. November 1619 datierte » Commendatio harum CaTb-
twmtm* sagt, daB Gott dem Herrn M. Michaeli Altenburgico >smgulare
talenfum musicum* verliehen, daB er liebliche Muteten biB anhero ge-
stellet/ dadurch der Gemeine des Herrn ganz nutzbarlich gedient wird. Wie
denn sonderlich dieses sind sdectae CavMcmesj welche alien Musicanten und
christlichen Gemeinen sollen bekandt seyn«. Eine zweite Vorrede Alten-
burg's an »den Liebhaber der evangelischen ewigwahrenden Kunst* sagt,
daB er »erst auf das vielfalltige Anhalten seiner guten Freundec sich habe
bewegen lassen, diesen ersten Teil der Festgesange zu publizieren und ver-
heiBt ferner das Erscheinen eines 2., 3., 4., 5. und 6. Teils noch vor Ostern.
Ein 5. und 6. Teil sind nicht auf uns gekommen, da aber kein Grund zu der
Annahme vorliegt, daB diese Teile nicht im Druck erschienen sein sollten,
so muB man annehmen, sie seien durch ungliicklichen Zufall verloren
gegangen. Einen sicheren Beweis ftir das Erscheinen dieses 5. und 6.
Teiles sehe ich auch darin, daB von den 15 Gesangen Altenburg's im
Gothaer Kantional 1646 nur 9 aus uns bekannten Werken stammen, die
6 andern aber doch einem Druck entnommen sein mussen, da die An-
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22 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
nahme, man habe 6 Jahre nach Altenburg's Tode 6 ungedruckte, also
unbekannte Lieder in ein fiir den praktischen Gebrauch in Schulen
bestimmtes Gesangbuch aufgenommen, doch zu wenig Wahrscheinlichkeit
fiir sich hat. Das Werk enthalt noch mehrere lateinische Lobgedichte,
deren eins (vom Jahre 1616 datiert) von dem Gothaer Konrektor Johann
Weitzius herruhrt, wahrend in einem zweiten Gedicht von Altenburg
als dem » Orlandus Thuringiae* die Kede ist. Wenn man auch den Wert
solcher Lobgedichte nicht gerade hoch einzuschatzen braucht, so liefern
sie doch immerhin den Beweis, dafi Altenburg schon damals in hohem
Ansehen als Tonsetzer gestanden haben muB.
Betrachten wir nun das Werk selbst. Es enthalt 15 filnfstimmige
Gesange und zwar 1 auf das Advent, 4 auf Weihnachten, Neujahr und
heilig Dreikonigstag, je 1 auf Maria Verkiindigung und Reinigung, 3 auf
Ostern und 5, die zu jeder Zeit gesungen werden konnen. Von bekannten
Melodien finden wir hier keine einzige, dagegen eine ganze Anzahl von
Weisen, die von Altenburg selbst herriihren. Von den 15 Gesangen tragen
6 einen liedartigen Charakter, es sind dies:
Aus Jakobs Stamm ein Stern sehr klar,
Hie gute Mar ihr Christenleut,7
Ach mein herzliebes Jesulein,
Herr Gott nun schleufl den Himmel auf,
Macht auf die Thor der Gerechtigkeit,
Himmlischer Vater lobesam,
die mit Ausnahme des zuletzt genannten Vaterunser-Liedes alle im Gothaer
Cantional 1646 Aufnahme fanden. Mit Ausnahme von »Hie gute Mar«
und >Herr Gott nun schleuB«, die bei Schoberlein1) in Neudruck
vorliegen, sind sie von Teschner2) neu herausgegeben worden. Es diirfte
schwer halten, bei diesen 6 Liedern eine Kirchentonart bestimmen zu
wollen3), ja es wird durch die Mannigfaltigkeit der Ausweichungen direkt
unmoglich gemacht. Vier dieser Melodien (Nr. 1, 2, 5, 6) stehen in arfnott,
aolisch kann man aber nicht sagen, da sie alle H-dur, eine dem aolischen
fremde Tonart beriihren; Nr. 3 steht in e-moB, tragt aber durchaus kein
phrygisches Geprage, da unter den vielen Modulationen mehrere Male
der H-dur Akkord vorkommt, wahrend man von Nr. 2 nur sagen kann,
daB es in unserm G-dur steht. Die Harmonien sind vollklingend und
kraftvoll. Hohle Zusammenklange oder Schliisse ohne Terz, wie sie bei
den alteren Tonsetzern so haufig vorkommen, sind vermieden, auch
1) Schoberlein, Schatz des liturgischen Chor- und Gemeindegesangs.
2) Teschner, Geistliche Musik aus dem 16. und 17. Jabrhundert, Lieferung 2:
Michael Altenburg.
3) Ich gehe nochmals auf diesen Punkt ein, da meinc Angaben an der Hand der
Teschner'schen Ausgabe leicht nachgepriift werden konnen.
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Ladwig Meinecke, Michael Altenburg. 23
schlieBen alle Satze mit groBer Terz. Die Harmonien sind besonders bei
Kadenzen mit Vorhalten gewurzt, und ein maBvoll angewandtes Figuren-
werk tragt zur Belebung des Satzes bei. Die Stimmen sind flieBend und
sangbar geschrieben, nur der BaB ist an einigen wenigen Stellen etwas
sprunghaft gefiihrt, bleibt aber doch stets sangbar tind vermeidet plan-
lose, dilettantisch wirkende Springerei, wie sie so manche Satze von
Erhard Bodenschatz aufweisen. Ein groBes melodisches Talent spricht
aus der Fahrung der Melodien, denen der rhythmische Wechsel nur zum
Vorteil gereicht und an denen besonders das enge AnschlieBen an das
Gredicht zu riihmen ist. Ihre Deutlichkeit wurde aber dadurch beein-
trachtigt (und das ist die Ursache, warum sie mit so mancherlei Varianten
in den verschiedenen Gesangblichern auftauchen), daB die zweite Stimme
die erste ofter iibersteigt und die Gemeinde dann den hoheren Ton fiir
die Melodie halten muBte1). Die am tiefsten empfundene Melodie ist
»Herr Gott nun schleuB den Himmel auf « auf Mariae Keinigung, die
in vielen Gesangbiichern Eingang fand2). Auch findet sie sich in einem
Gesaugbuch, das auf der Universitats-Bibliothek zu Konigsberg aufbe-
wahrt wird und iiber welches ich, da Seite 1 — 13 fehlen und es mit
Seite 359 unvollendet abschlieBt, keine genauen Angaben machen kann;
nach dem Namen der Tonsetzer Schein, Schutz, Vulpius, Gesius, Franck,
Joachim von Burg, Caspar Cramer und anderer Meister zu urteilen,
stammt es aus dem 17. Jahrhundert, auf welche Zeit man auch aus der
GeneralbaB-Bezifferung schlieBen konnte. Jedenfalls ist es nach 1641 ge-
druckt worden, da es Gesange aus Caspar Cramer's Liedersammlung vom
Jahre 1641 enthalt. Auskunft iiber die Verbreitung der anderen Me-
lodien erhalt man aus der Tabelle auf Seite 13.
Die iibrigen 9 Satze dieses ersten Teils sind motettenhaft behandelt,
und zwar weisen 4 eine Wiederholung des ersten Teils auf, nahern sich
also mehr dem Lied. Die Stimmen setzen teils kanonisch ein, teils
beginnen alle gleichzeitig. Kontrapunktische Kiinste und Figurationen
werden in reicherem MaBe angewandt als bei den vorher besprochenen
6 liedartigen Satzen, der Ausdruck ist belebt, wozu besonders der Wechsel
im Takte beitragt. Manche Melodiezeilen tragen ein volkstiimliches
Geprage, ja erinnern in ihrer Bbythmik an den Tanz, zum Beispiel:
Nr- 9. j^a^S^^S
-\-
Fro-locktund tri - um-phie - ret, :|: und tri-um-
1) Vergleiche zum Beispiel die Varianten der Melodie »Herr Gott nun schleuB
den Himmel aufc bei Winter fe Id, Bvangelischer Kirchengesang II, Seite 85.
2) Siehe Tabelle Seite 13.
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24
Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
lennm
-GL-
phie-ret, Chri-sto dem Sie - ges - maun.
N,10.|~£^^=J
--^-
Du bist der rech - te Da - vid Herr.
dessen von Altenburg herrtihrender Text in der Handschrift Liebenstein
1775 mit einer neuen Melodie erscheint1].
Interessant isrt die Behandlung des Schlusses von »Herr Zebaoth du
groBer Gottc. Hier singt der erste Diskant die Worte >heilig ist unser Gott«
ganz allein, ihm antwortet in der gleichen Weise der ffweite Diskant, unci
erst bei der dritten Wiederholung fiihren alle funf Stimmen den Tonsate
zu wirkungsvollem AbschluB:
P=^
-Jg^r
~m
M=4^y==?
-&.
?
?
-i^fiir-
*
51
Heilig ist un-ser Gott. Hei-lig ist un-ser Otott der Her - re Ze - ba-oth.
i
Das erste mal allein von Distant 1.
Dae Eweite mal allein von Diskant 2.
nei-ug ist un-ser urow aer zier - re zie - i
a#a
I
Aber Altenburg ist nicht der erste, der derartige Stellen bringt, schon
16 Jahre vorher laBt Melchior Vulpius die Chorale1) »Was furchst
du Feind Herodes sehr« und »Ich stund an einem Morgen* mit einer
einzelnen Stimme beginnen, worauf der ganze Chor einfallt. Diese Art
der Behandlung ist sicher von groBer Wirkung, und es ist nicht ausge-
schlossen, daB Altenburg durch die Vulpius'schen Satze zu ahnlicher
Behandlungsweise angeregt wurde; daB ihm diese Chorale bekannt waren,
darf man wohl annehmen, da die Vulpius'sche Sammlung in Jena bei
Weidner erschien, demselben, der auch 1617 Altenburg's »Gaudium
Christianum* druckte. AuBerdem ist es bei der geringen Entfernung
von Erfurt und Weimar (hier war Vulpius bis zu seinem Tode 1616
Kantor) nicht ausgeschlossen, daB sich beide Meister personlich kannten.
Soviel Ansprechendes diese motettenhaften Satze auch bieten, so ver-
dienen die zuerst besprochenen 6 liedformigen Satze doch den Vorzug
wegen des klaren Satzes und ihrer leicht faBlichen Melodik. Fiir die
groBe Beliebtheit zu ihrer Zeit spricht unter anderem auch der Umstand,
1) Zahn, a. a. 0., V, 25.
2) Vulpius, Kirchenges'ange und geistliche Lieder Dr. Luthers, 1604.
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Lndwig Meinecke, Michael Altenburg. 25
daB 5 davon, wie schon erwahnt, Aufnahme im Gothaer Cantional 1646
fanden, wahrend wir von den motettenhaften Satzen dieses ersten Teils
der Festgesange nur drei dort finden, namlich: »Frohlockt und trium-
phieret«, »Du bist der rechte David, Herr« und »Nun lafit uns singefa
Gott dem Herrn«.
Der ander Teil christlicher . . . Eirclien uud HausgesSnge mit
5, 6 und 8 Stimmen. 1620.
(In der Bibliothek Berlin nur Diskant und Tenor L Vollstandiges Exem-
plar in der Bibliothek der Marienkirche zu Elbing.)
Das Werk ist dem Licentiaten beider Rechte Johann Heinrich Kol-
haus, dem regierenden Burgermeister Johann Weidmoller <und dem Burger
und Handelsmann Johann Bfcurmann, samtlieh zu Gotha, gewidmet. Es
wird eingeleitet durch eine vom 15. Marz 1620 datierte Vorrede des Pfar-
revs Modesrtinus Wedmann (ein wortlioher Abdruck der Vorrede desselben
Verf assers zum ersten Teil der Festgesange) und ein lateinisohes Lobgedieht
von dem Pfarrer Bernhard Schilling zu Markwippach, der unsern Alten-
burg mit Orlandus Lassus vergleicht. Von den 26 Gesangen beziehen
sich 1 auf die Fastenzeit, 5 auf Ostein, 3 auf Pfingsten, 1 auf Hoohzerten,
3 auf Kirmessen und 12 konnen jederzeit gesungen werden. Unter den
letzteren befinden sich auch 3 fiinfstimmige Messen, beziehungsweise
Kyrie, denen das deutsche Gloria >Allein Gott in der Hoh' sei Ehr«
fdgt. Noch im ganzen 17. Jahrhundert wurde im Hauptgottesdienst
eine »missa brevis*, nur aus Kyrie und Gloria bestehend, gesungen, und
zwar sang sie im gewohnliehen Gottesdienst der Chor einstimmig auf die
gregorianischen Melodien, wahrend sie an Festtagen figuraliter, das heiBt
in mehrstimmiger Kunstmusik ausgefiihrt wurde1). Die erste »Misse«
Altenburg's, »0 Vater barmharziger Gott«, deren Melodie sich naoh
Zahn2) zuerst bei Michel WeiBe 1531 findet, ubernahm Praetorius in
seine »Musae Sioniae« in der textlichen Fassung Spangenberg's. Die
zweite »Missa paschalis* »0 Herr Gott Vater in Ewigkeit* ist eine ver-
kiirzte Umbildung des alten Kyrie paschale (aus dem Babst'schen Gesang-
buch 1545), ihre textliche Fassung findet sich nach Zahn zuerst im
Dresdener Gesangbuch 1593, von wo sie ins Erfurter Gesangbuch 1617
iiberging. Auch die dritte Messe >Kyrie Gott Vater in Ewigkeit* findet
sich im Erfurter Gesangbuch 1617, woraus sie Altenburg wohl entnom-
men haben diirfte.
Die Texte der Gesange, unter denen sich 13 fiinfstimmige, 6 sechsstimmige
und 7 achtstimmige befinden, sind bis auf den alten Ostergesang » Salve
1) VergleicheLiliencron, Liturgisch-musikalische Greschichte der evangcliscben
Gottesdienste von 1623 bis 1700, Seite 41.
2) Die Melodien der evangelischen deutscben Kircbenlieder.
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26 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
festa dies* deutsch. Von bekannten Weisen finden wir hier die aus dem
Klug'schen Gesangbuch 1535 stammenden: »Ich ruf zu dir Herr Jesu
Christ* und das als Gebet vor der Predigt bezeichnete >Ich bitt o Herr
aus Herzensgrund*, dessen Melodie yon Altenburg auch als cantus firmus
seines siebenstimmigen »Symbolums< vom Jahre 1613 benutzt wurde.
Aus dem Walther'schen. Gesangbuch 1525 treffen wir an: >Ohrist lag
in Todesbanden*; aus dem Schumann'schen Gesangbuch 1539: »Allein
Gott in derHoh' seiEhr'c; aus Praetorius »Musae Sioniae*: »Erstan-
den ist der heilig Christ « und >Wir danken dir Herr Jesu Christ, daB
du vom Tod erstanden bist«, dessen Melodie von Gesius (1607) herriihrt.
Alle sind fiinfstimmig gesetzt, auBer > Erstanden ist der heilig Christ «,
dessen Weise als Cantus firmus eines sechsstimmigen Satzes dient. Zum
ersten Male finden wir hier die von Altenburg selbst erfundene Melodie
zu dem Hartmann'schen Lied >0 Gott Vater, ich glaub an Dich« in
kunstvollem achtstimmigem Tonsatz1), die im Gothaer Cantional 1646
Aufnahme fand und sich bis in unsere Zeit in den Gesangbilchern er-
halten hat*).
Um aber auch die Gemeinde zu Wort kommen zu lassen, laBt Alten-
burg von den Weisen >Christ lag in Todesbanden*, »Allein Gott in der
Hoh' sei Ehr'« und >Ich bitt o Herr aus Herzensgrund* die geraden Verse
»choraliterc singen. Eine ahnliche Bestimmung finden wir bei Gesius3),
der den Gebrauch der Kirchenlieder vorschreibt »altematim in choro und
vrgano*, also daB ein Knabe mit lieblicher reiner Stimme, einen Vers
in organo mitsinge, darauf den andern Vers der chorus musicus, und
also jedermann tieben dem concentu auch die verstandlichen Worte in
gebrauchlicher und gewohnlicher Melodie horen und mitsingen kann ....
In dem Choral > Christ lag in Todesbanden«*) erleidet die Melodie an
mehreren Stellen kleine Veriinderungen (zum Beispiel Erhohung von c
in cis), auch uberschreitet der Alt mehrere Male bei Kadenzen den Dis-
kant; doch bleibt die Melodie als solche stets erkennbar, da der den
Diskant uberschreitende Alt nur als harmonischer, nicht als Melodieton
fuhlbar wird.
In den KirmeBgesangen findet sich viel Volkstumliches, zum Beispiel :
Nr. 24.
1=^:
E3EES
Heutsol-lenrait unsgroCundklein, und all die mit uns kommen sein (sich freuen)
1) Siehe Winterfeld IIt Beispiel 34.
2) Vergleiche Tabelle auf Seite 13.
3) Geistliche deutsche Lieder Dr. M. Luther . . . 1601.
4) Siehe Kiirn merle »Choralbuch fur evangelische Kirchenchore I, Seite 88.
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Ludwig Meineoke, Michael Altenburg.
27
Nr.26.
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Wach auf du christ-li - che Ge- mein, Zum Tempel Got-tes ei
le.
Nr.26.
Heut mit-ein - an - der hal - ten,
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J2Z
kommt herbeid' Jung und Al - ten,
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H^f
1= £-
ffEEg
Gott laB sein Gtt - te wal - ten, Gott laC sein Gu - te wal - ten.
Der dritte Teil. Christlicher | lieblicher und Andachtiger | newer
Kirchen und HauB Ges&nge | zu jederzeit durchs gantze Jahr wohl
zu gebrauchen | also daB man den Text fein vernehmen | und ein
jeder gottseliger Christ mitsingen kann | beneben einem Generaldis-
kant vor die Schulmagdelein *). Mit 5 und 8 Stimmen.
Desgleichen:
Zweene neue Intraden 10 voc. zu 2 Choren | da der erste auf
Geigen | der ander auff Zincken und Posaunen gerichtet | oder nur
auf das Orgelwerk | darinn eine Choral Stimm | wie aus dem Register
zu vernehmen | kan gesungen werden. Componiert von M. Mich.
Altenburgio, Troch. Pastore, Gedruckt zu Erffurdt bey Johann Eoh-
bock | in Verlegung Sigismundt Hopfiens 1621.
(Exemplar in der Koniglichen Bibliothek zu Berlin).
Das Werk ist ohne Vorrede. Unter den 20 Gesangen befindet sich
ein vierstimmiger, das mit »Kindergesang« bezeichnete Gebet »Herzlieber
Gott, du treuer Hirt«, das die Anmerkung tragt«: diese 6 Vers konnen
auch -wohl von 6 Knaben oder 6 Magdelein gebetet und darauff der 7
vers »heilig heilig« gesungen werden*. Der siebente Vers ist zu 5 Stim-
men und einfach Note gegen Note gesetzt. Die ersten Verse liegen in
Neudruck bei Teschner2) vor. In diesem drittenTeil finden wir ferner
noch 8 fiinfstimmige, 3 sechsstimmige, 8 achtstimmige Gesange und
auBerdem 2 zehnstimmige Intraden, die spater bei der Instrumental-
Komposition besprochen werden sollen. Von bekannten Melodien treffen
wir hier nur >Vater unser im Himmelreich* und »Wo Gott der Herr
nicht bei uns halt* (beide aus dem Schumann'schen Gesangbuch 1539)
1) Im Tenor >Schul knaben'*.
2) Teschner, a. a. 0., Nr. 9.
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28 Ludwig Meineoke, Midhael Altenbusg.
in fiinfstimmigem, kunstvollem Tonsatz. Fur den Gemeindengesang be-
stimmt waren die Kontrapunkte zu den beiden zuletzt erwahnten Melo-
dien, die aber nicht zu den besten Satzen Altenburg's gehoren, da sie in
einzelnen Stimmen Figurenwerk bringen, das in keinem organischen Zu-
sammenhang mit dem Satze steht. Auch ist die Deutlichkeit der Melo-
die nicht immer gewahrt; so iiberschreitet in »Vater unser im Himmel-
reich« die zweite Stimme mehrere Male die erste, und in >Wo Gott der
Herr nicht bei uns halt* wechselt die Melodie zwischen Diskant, Tenor 1,
Tenor 2 und Diskant ab. Altenburg hat sich also gegenttber den Be-
strebungen eines Lukas Osiander, Raselius, Rogier Michael, Eccard
und Anderer, die darauf ausgingen, der Gemeinde dae Mitsingen dadurch
zu erleichtern, daB sie die Ohoralmelodie stets in die Oberstimmen legten,
nicht absolut zustimmend verhalten. Zwar heifit es auf dem Titelblatt
seiner >Kirchen und Hausgesange*, daB >ein jeder gottselige Christ
mitsingen kann«, doch trifft diese Behauptung nur sehr bedingt zu, da die
Gemeinde die Melodie bald horte, bald im Stimmengewirr wieder verlor ;
bei der motettenhaften Behandlung aber, die bei Altenburg bei weitem
iiberwiegt, war ein Mitsingen der Gemeinde wohl ganz unmoglich.
Im fiinfstimmigen kunstvollen Satz finden wir >Mir herzlich lieb ist
Jesus Christ* und den »andern Teil«, >Ob mich viel Jammer in der
Welt«, die beide zugleich in einer achtstimmigen Bearbeitung in den
»Cantiones de adventn Domini* 1620 erschienen. Den Text der acht-
stimmigen Motette >Zion spricht: der Herr hat mich verlassen«, den
Altenburg recht wirkungsvoll vertont hat, hat ouch Melchior Franck1)
sechsstimmig mit GeneralbaB als >Konzert< komponiert. Zur Vortonung
wenig geeignete Texte haben Altenburg zu achtstimmigen motettenhaften
Tonsatzen angeregt, namlich >Wenn du von Jemand geladen wirst zur
Hochzeit, so setze dich nicht oben an« und der »ander Teil«: »Sondern
wenn du geladen wirst, so gehe hin und setze dich unten an«.
Vierter Teil der FestgesBiige | darinnen begrieffen liebliche | An-
dSlchtige und christliche Gesange | die auff Himmelfahrt | Pfingsten |
Trinitatis | KirmeBn | zur Erndte und jeder Zeit konnen gesungen
werden |
componiert durch
M. Michaelem Altenburgium, Trocht. Pastore. Gedruckt bey Philip
Wittel | in Verlegung Johann Birkners | Buchhandlers zu Erffurdt
Anno 1621.
(Exemplar in der Stadtbibliothek zu Breslau).
Von den 15 Gesangen dieses vierten Teils sind drei auf Himmelfahrt,'
1) Melchior Franck, Rosetulum musicum Nr. 28, Coburg 1627.
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Lndwig Meinecke, Michael Altenburg. 29
3 auf Pfingsten, 4 auf Trinitatis und B, die auf Kirmessen, zur Ernte
and zu jeder Zeit konnen gesungen werden. Darunter befinden sich 5
fiinfstimmige, 1 eiebenstimmiger 7 6 achtstimmige und 3 neunstimmige;
die drei letiten und das siebenstimmige >Ich weiB, daB mein Erloser
lebt« haben einen Generaldiskant und werden von Inatrumenteh begleitet,
die teilweise ganz selbstandig gefiihrt sind und nicht bloBe Verdoppe-.
Inngen der Singstimmen darstellen. Liedformige Satze finden wir hier
gar nicht, alle tragen einen motettenhaften Charakter und zeigen eine
groBe Gewandtheit in der Beherrschung des Kontrapunktes, Die erste
Nummer ist ein ziemlich ausgedehnter lateinischer Pfingstgesang zu ft
Stimmen mit Instrumentalbegleitung » Dixit ei Jesu, noli me tangere«.
BaB und Tenor des vierstimmigen Instrumentalchors tragen die Anmerkung:
»doch sol ein Voeaiiste in dieser Stimme mitsingen, damit der Textus
wahrgenommen werdec. Auf den Worten Christi >noli me tangere«
bringen die beiden Tenore einen mit »solus cum solot bezeichneten
Kanon in der Oktave, der einige Takte spater auch von den beiden
Bassen eine Quinte tiefer gebracht wird. Es ist dies die einzige Solo-
stelle in alien Werken Altenburg's (ausgenommen »Herr Zebaoth« im
ersten Teil der Kirchen und Hausgesange); die zweistimmige Behandlung
des Solos war in jener Zeit allgemein iiblich : lSBt doch zum Beispiel
auch Heinrich Schiitz in seiner »Auferstehung« 1623 Jesus, Maria und
Magdalena* und den Jiingling im Grabe zweistimmig singen. Bei den
Worten »adscendo ad patrem meum« setzt der Jungferngesang mit dem
jonischen Choral »Gen Himmel zu dem Vater mein fahr ich aus diesem
Leben1)* ein, dessen zweiter Vers »Ehr sei Gott Vater alle Zeit« mit dem
darunter jubelnden Alleluja die Komposition sehr wirkungsvoll abschlieBt.
Auch Nr. 2 »Hie Schwert des Herrn und Gideon* und Nr. 3 »Viktoria,
die Feinde sind zerstort*, haben einen Instrumentalchor, der »mit chorus
capellae* bezeichnet ist, doch wird hier keine Instrumentalstimme durch
Sanger verstarkt. Der zweite Ghor des siebenstimmigen »Ich weiB, daB
mein Erloser lebt< tragt die Anmerkung: » dieser Chor soil etwa von
drei Posaunen geblasen werden beneben den Vokalisten*. Die Anregung
hierzu empfing Altenburg vielleicht von Praetorius, der in seinem
*Musae Sionae* bei zweichorigen Kompositionen vorschlagt, die drei
unteren Stimmen von drei Posaunen, oder zwei Posaunen und einer BaB-
geige ausfiihren zu lassen3).
Ich erwahne noch das sehr kunstvoll gesetzte fiinfstimmige »Also
hat Gott die "Welt geliebet* und das achtstimmige »Komm heilger Geist«,
1) Die Melodie ist diejenige von >Es ist gewifilich an der Zeit* aus dem Klug-
schen Gesangbuch 1536.
2) Siehe Winterfeld, a. a. 0., II, Seite 198.
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SO Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
worin bei den Worten »der du durch Mannigkeit der Zungen* gegen-
einander und durcheinander laufende Achtelbewegung eintritt, wahrend
in wirkungsvollem Gegensatz hierzu die Worte >Die Volker der ganzen
Welt versammelt hast in Einigkeit des Glaubens* von Altenburg in
treffender Weise Note gegen Note gesetzt sind. Nr. 7 »Nun danket
alle Gott« ist ein kunstvoller achtstimmiger Kanon, No. 8, 9 und 10:
>0 Gott Vater in Ewigkeit* »0 Jesu Christ getreuer Gott« und >0
heilger Geist du Lehrer gut« sind als »ein Gebet vor und nach der
Predigt zu singen* bezeichnet; in Nr. 9 decken sich einige Melodiezeilen
mit dem Praetorius'schen Choral »Herr Jesu Christ du hochstes Gut«
aus den »Musae Sioniae*. Nr. 13 tragt die XJberschrift >evangeliflche
KirmeB Musik 8 voc.«, obwohl der Text >TJnd siehe, da war ein Mann
genannt Zachaus, ein Oberster der Zollner* mit einer KirmeB-Musik
nicht das geringste zu tun hat. Der »ander Teil« zeigt bei den Worten
Jesu: » Zachaus steig eilend hernieder* eine geradezu dramatische Belebt-
heit in alien Stimmen.
Von den vier Teilen der Festgesange zeigt dieser letzte den Meister
auf einer bedeutenden Hohe technischen Konnens und treffender Charak-
terisierungsgabe. Freilich, ein Mitwirken der Gemeinde war hier aus-
geschlossen, das mag Altenburg auch selbst eingesehen haben, denn die
auf den Titeln der drei ersten Teile stehenden Worte »daB ein jeder
gottselige Christ mitsingen kann« fehlen hier. Die Kompositionen er-
forderten vielmehr einen durchaus geschulten Chor, der damals bei der
Pflege der Musik durch die Kantoreien (die im Gottesdienst sowohl vo-
caliter als auch instrumentaliter mitwirkten) besonders in Thliringen fast
in jedem Orte bestand1). Altenburg' s »Kirchen und Hausgesange«, seine
»Cantiones de adventu domini« und seine »Intraden« erfreuten sich, wie
Werner2) mitteilt, der besonderen Gunst der Kantoreien, wie die noch
vorhandenen alten Notendruckwerke, die »Kataloge< und Gottesdienst-
Ordnungen jener Zeit zur Geniige beweisen.
-Cantiones de adventu Domini ac Salvatoris nostri Jesu Christi
5. 6 & 8 voc. Composit. & M, Michaele Altenburgio, Trochtel-
bornensium Pastore. Erfurti, TypisPhilippiWittelii,Impensis:Johannis
Birknerii Bibliop, 1620, ...... *
(Exemplar in der Stadt-Bibliothek zu Breslau.)
Das Werk enthalt 11 Nummern, darunter die auf Geigeji gerichtete
Intrade »Nun kommt der Heiden Heilandc, die auf dieselbe Art behandelt
ist, wie die spater noch zu besprechenden Intraden. Von den 10 Vokal-
. • ■ f
1) Werner, a. a. 0.
2; Werner, a. a. 0., S. 58. : ;„• -
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
31
kompositionen sind 2 fiinfstimmig, 4 sechsstimmig und 4 achtstimmig.
»Nun kommt der Heiden Heiland* findet sich hier in dreifacher Be-
arheitung: einmal als Cantus firmus der sechsstimmigen Intrade, dann
als kunstvoller sechsstimmiger Tonsatz und drittens als »Kontrapunkt«,
d. h. Note gegen Note gesetzt mit der Melodie in der Oberstimme fur
den Gemeindegesang bestimmt, und zwar schreibt der Komponist fiir
Strophe 1 und 5 die kunstvolle Bearbeitung vor, wahrend Strophe 2, 3,
4, 6, 7, 8 choraliter gesungen werden sollen1). Ein vortrefflicher sechs-
stimmiger Satz ist »Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herra*,
dessen Worte »mein Gott ich will dir danken* von tiefer, inniger Wirkung
sind, wahrend der im 2/a Takt stehende Mittelsatz >Dankt dera Herrn,
denn er ist freundlich* die dankbar jubelnde Stimmung aufs beste trifft.
Das thematische Material der SchluBtakte ergibt sich aus der folgenden
Zeile:
P-T
E@^
and sei-ne Gu-tewah-ret e - wig-lich
Solch stufenweise abwartsgehender BaB findet sich ofter bei Altenburg,
z. B. auch in dem vierstimmigen Satze »Lob Ehr und Preis zu aller Zeit« 2).
Das fiinfstimmig einfach gesetzte Lied >Der Heiland kommt gezogen*
tragt die Uberschrift »Einzug des Messias«. Zahn3) schreibt den Text
Altenburg zu, nennt aber fiir die in der Handschrift von Kittel 1790
sich findende Melodie keinen Verfasser. Die bei Zahn mitgeteilte Weise
ist nun besonders zu Anfang eine notengetreue Wiedergabe des eben
zitierten Liedes Altenburg's. Diese Weise hat sich also, wenn auch mit
Anderungen, fast 200 Jahre im kirchlichen Gebrauch gehalten; in Gesang-
biichern des 19. Jahrhunderts findet sie sich aber nicht mehr. Es folgt
hier die erste Strophe des Liedes, deren zweiter Teil zugleich ein typisches
Beispiel fiir die bei Altenburg so haufig vorkommenden im 3/*2 Takt
8tehen<Jen Zwischensatze ist, die sich besonders gem bei Worten wie
Hosiann$, Halleluja und anderen finden, und deren Hannonie fast nur
aus Dreiklangen besteht.
t^33=f^^=k3=F:rt&i-+J?-t-g
Der Heiland kommt ge-zo -gen, will heut ziehn zu mir ein, was hat ihn wohl bt»-
"-rj^jr-TFr^^^^^^^m
wo
gen, das gro - Be E - lend mein Ho - si - an - na,
1) Vergleiche die Vorschrift des Gesius auf S. 26,
2) Tesohner, Nr. 8..
3) Die Melodien des evangelischen deutschen Kirchenliedes V, 8668.
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32
Ludwig Meinecke> Michael Altenburg.
^j^
» *
$f=-f=\
-Oi.
-1—&
%
Ho - si - an - na, Ho - si - an - na, der Herr ist nah, Ho - si - an - na,
^
^SL
^^1S
Ho • ri - an - na, Ho - si - an - na, Ho - si - an - na, der Herr ist nah
Das sechsstimmige, liedfprmige »Zion du traute Ehrenkron*, das auch
in Neuausgabe in der schon ofter erwahnten Teschner'schen Sammlung *)
vorliegt, bietet in keiner Beziehung etwas Bedeutendes, dagegen sind die
achtstimmigen Doppelchore schon im allgemeinen Kapitel2) als groBzugig
schwungvolle Satze erwahnt, von denen besonders »Die Erde ist des Herrn
und was darinnen ist< mit dem im Laufe des Satzes viermal sich wieder-
holenden, machtig wirkenden Orgelpunkt auf f bei den Worten »Machet
die Tore weit« noch heute seiner Wirkung sicher ware. Das achtstimmige
»Ob mich viel Jammer in der Welt«, dessen Anfang:
I
w^
3=
3
._^_
Ob mich viel Jammer in der Welt.
groBe Ahnlichkeit mit der Melodie von >Aus tiefer Not schrei ich zu
dir« aufweist, ist ein stimmungsvoller Satz in &uBerst kunstvoller Poly-
phonie. Auch eine Motette mit lateinischem Text » Jerusalem gaude gaudio
magno« liegt hier im funfstimmigen Satz vor; sie ist nach Liliencron3)
eine altkirchliche Antiphone vom dritten Advent, aber schon bei Bo den -
schatz dem ersten Advent zuerteilt.
Musikalische Weynacht- und Newjahrs-Zierde. Das ist Christ-
liche/ Liebliche/ Andachtige Weynacht- und Newjahrs Gesange/ zu
4, 5, 6, 8 und 9 Stimmen/ also gesetzt/ daB man den Textum fein
deutlich vernehmen/ und ein jeder Gottseliger Christ mit singen kann.
Componiert durch M. Michaelen Altenburgium. Trochterbornens.
Pastorem. Gedruckt bey Philip Wittel/ In Verlegung Johann
Birckpers/ Buchhandlers in Erffurdt/ Anno 1621.
(Exemplar auf der Stadt-Bibliothek zu Breslau).
Das Werk enthalt eine kurze sich auf den Generaldiskant oder
Jungf erngesang beziehende Notiz, die hier im Wortlaut Platz finden soil,
da sie uns mancherlei Aufschlilsse uber diese bei Altenburg eine so groBe
Rolle spielende Diskantstimme gibt:
1) Nr. 5. 2, Seite 15.
3) Liturgisch-musikalische Gteschichte der evangelischen Gottesdienste von 1523
-1700, Seite 168.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
33
Diesen Cantwn generalem anlangende/ kan der Giinstig Cantor, etwa
mitten in die Kirche stellen/ und vor ein 12 oder mehr Knaben/ (darnach
die Kirche grofi 1st; mit einaingen lassen/ damit, wenn der Chorus Instru-
mentalis mit gegeiget wird/ die andern anwesenden und zuhorenden Christen/
einen Texium vernehmen und denselben entweder mitsingen/ oder doch bey
sich mit Andacht nachsprechen mogen.
Es soil auch zu dieser Stimm der giinstige Cantor die allerkleinsten Kin-
der/ wenn sie auch gleich noch nicht lesen konnen/ nur dafl sie feine liebliche
Stimmen haben/darzugebrauchen/denn solches konnen sie durch tagliche Uebung
auswendig lernen. In den Kirchen kan man einen Knaben der singen kan/
dazustellen/ welcher die Mensur iibviert/ so werden dann sie daruber kiihne/
und lernen/ wenn artifmo demonstratio dazu kSmpt/ desto ehe singen. Lafl
auch die Knaben fein in einem runden Zirkel stehen/ so ist es desto zier-
licher.c
In der Tat mag es bei einiger Ausdauer nicht allzu schwer gewesen
sein, auch kleinen Kindern den Generaldiskant beizubringen, zumal eine
straffe rhythmische Gliederung und leicht faBliche volkstiimliche Melodie
das Auswendigbehalten wesentlich erleichterten, wie man aus den folgenden
Beispielen ersieht:
^f-^^^i^J]IjJ^^=^h=f:
Nr.8.
Ein Wun
der groB, Mari
enschoB, tragt Gottea Sohn den
Gna ----- den-thron
Nr. 12.
he, Sie
$r<> r uik
fct
he
Wir finden hier 4 vierstimmige Satze (auBer diesen 4 hat Altenburg
nur noch einen vierstimmigen Satz geschrieben, namlich »Herzlieber Gott,
du treuer Hirt« im dritten Teil der Festgesange), 4 f unfstimmige, 1 sechs-
stimmigen, 2 achtstimmige und 2 neunstimmige Satze; die beiden letzten
haben auBer dem Generaldiskant auch > einen Chorum instrumentalem
auf Geigen gerichtet*, der aber kein rein instrumentales Geprage zeigt,
da er auch von den Gesangstimmen mitgesungen wird. Von bekannten
Melodien treffen wir an: »Dank sagen wir alle< in funfstimmigem, kunst-
vollem Tonsatz in Verbindung mit dem Choral >Gelobet seist du Jesu
Christ* mit der Melodie in der Oberstimme, zu der die vier anderen
Stimmen in kunstvoll belebter Polyphonie hinzutreten. Die ganze Be-
B.d.11. V. 3
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34
Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
handlungsweise dieses Chorals, besonders die bei aller Belebtheit doch
feste und charakteristische Fiihrung des Basses, erinnert lebhaft an die
Bach'sche Behandlung desselben Chorals im dritten Teil des Weihnachts-
Oratoriums. Der lateinisch deutsche Mischgesang >In dulci jubilo, nun
singet und seid froh« tritt hier auf in Verbindung mit dem sechstimmigen
Weihnachtslied >Ein wundervolles Kindelein zu Bethlehem im Krippe-
lein«.
Im achtstimmigen Satze finden wir »Puer natus in Bethlehem*, dessen
ungeraden Strophen lateinisch und dessen gerade deutsch gesungen werden.
Je drei Strophen (z. B. 1. 7. 13, 2. 8. 14 usw.) laBt Altenburg nach dem-
selben Satz singen, sodaB sich fur die 18 Strophen 6 verschiedene Be-
handlungsweisen desselben Cantus firmus ergeben, die der Gestaltungs-
kraft ihres Schopfers das beste Zeugnis ausstellen. Die Melodie liegt
zumeist im Diskant, nur bei Stellen, die vom zweiten Chor allein gesungen
werden, tritt sie im Tenor auf; fiir einen wirkungsvollen SchluB sorgt
Altenburg dadurch, daB er die Strophen 6, 12 und 18 von beiden Choren
zusammensingen laBt. Von den vierstimmigen Satzen liegen >Wir danken
dir Herr Jesu Christ*, »Lob Ehr und Preis zu aller Zeit« und >Herr
Christ, laB leuchten uns dein Stern*1) bei Teschner im Neudruck vor,
von welchen besonders der zuerst genannte Satz wegen seines harmonischen
Reichtums Erwahnung verdient. Das mit einem Generaldiskant versehene
fiinfstimmige >Wie schon geht auf der Morgenstern heut voller Gnad
und Freuden«, dessen Melodie eine Umbildung derjenigen Nicolai's von
1599 »Wie schon leucht uns der Morgenstern* ist, bringt kurz vor der
Wiederholung des ersten Teils folgende Oktaven-Fortschreitungen :
-^
=t=
heut vol
^^S
ler Gnad und Freu
den
^^
-#a-
^
£
-^m
?-
Da Altenburg fiinf solcher Fortschreitungen bringt, kann man nur an-
nehmen, daB der BaB die Melodie des Generaldiskants 2 Oktaven tiefer
verstarken soil, obwohl dadurch auffallend schlecht klingende Parallelen
entstehen, die, wenn sie zwischen Oberstimme und Tenor stattfanden,
sich lange nicht so unangenehm f uhlbar machten, als in den AuBenstimmen.
Das fiir Doppelchor gesetzte »Springt, klingt und singt, breit aus die
Mar, sie ist eurs Herzens Freude« tragt die Uberschrift »Echo« und ist
eine recht harmlose Spielerei, die im Vergleich zu dem kunstvollen Echo-
1) Jedoch von d-moll nach e-moll erhoht, um fiir, den Alt eine bessere Lage zu
gewinnen.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 35
Lied1) Ton Orlandus Lassus direkt simpel wirkt. In der 2., 3. und 4. Strophe
bringt Altenburg diese Spielerei nicht mehr; vielleicht sagte er sioh, mit
die8em einmaligen Echo sei es genug, vielleicht auch fielen ihm auf die
Worte >gepreist« und >aufschleuBt« keine passenden »Echoworte« ein. Das
neunstimmige »Auf, du Chris tenschar sei frohlich* hat auBer dem General-
diskant einen auf Geigen gerichteten Instrumentalchor, der die Anmerkung
tragt:
» dieser Chor, wo man es haben kann/ soil gegeiget werden/ wil man den
Text ja lassen mitsingen/ sollen die Yocalisten fein submisse singen/ damit
man die Geigen sowol als den Cantum generalem hbren kan. Wo aber ein
Orgelwerk ist/ und keine Geigen vorhanden/ so sol dieser Chor geschlagen
werden/ und dann neben dem Cantu generali der Bafi nur mitgesungen werden.
Ferner heiBt es in einer Anmerkung der BaBstimme des Instrumental-
chores:
dieser Chor soil gegeiget werden/ kann man die Adjuvanten haben/ mag man
den Text mitsingen lassen/ jedoch mbmisse.*
Das in G-dur stehende Stuck macht mit seiner rhythmisch belebten
Melodik und dem sich in Oktavenspriingen bewegenden BaBmotiv
^^
Auf auf auf auf
einen ungemein frischen und belebten Eindmck.
Angst der Hellen/ unnd/ Friede der Seelen/ das ist/ der 116. Psalm
Davids, durch etzliche vornehme Musicos im Chur und Fiirstenthumb
Sachsen sehr kiinstlich und ahnmutig uff den Text gerichtet, mit 5,
4, 3 Stimmen componiert, von ihnen durch freundlich schriftliches
Suchen und Bitten impretiret, colligirt und zuvorderst zu Gottes lob
Ehr und preiss, denen Authoribus aber selber zu groBen Dank, un-
sterblichen Ruhm und erweckung mehr derogleichen niitzlicher und
heiliger Kirchenarbeit publicirt und auss bestendiger Ehr und Lieb
zur Musik zum Druck verlegt durch Burkhard Grossmann Fiirstlichen
Sachsischen Amptschosser zu Jehna und Burgau/ gedruckt zu Jehna
bei Johann Weidner Anno 1623.
(Exemplar auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin).
Aus der sehr langen Vorrede erfahren wir unter anderem, daB GroB-
mann nach einer wunderlichen Errettung im Jahre 1616 recht nach dem
116. Psalm das Geliibde tat, diesen Psalm von hervorragenden Meistern
komponieren und auf eigene Kosten drucken zu lassen. Unter den 16 Ton-
1) Aus Canxone Moresche e VHlaneUey Paris 1681.
3*
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36
Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
setzern, die GroBmann's Bitte nachkamen, ist neben Schein, Schiitz, Melchior
Frank, Rogier Michael, Demantius, Michael Praetorius und kleinern
Meistern auch unser Altenburg vertreten. Von alien diesen 16 Tonsatzen
liegt nur derjenige von Heinrich Schiitz im Neudruck vor1) und konnte
daher in erster Linie zu einem Vergleich herangezogen werden. Beide
Werke weisen viele gemeinsame Ziige auf , ja stimmen in der Behandlung
von Einzelheiten in iiberraschender Weise iiberein; der Stil ist in beiden
dramatisch bewegt, bei Schiitz allerdings einfacher und klarer als bei
Altenburg, der mehr Figurenwerk bringt. Dagegen verzichtet Schiitz durch-
weg auf einen Wechsel im Takt, seine Komposition steht ganz im Vier-
halbe-Takt, wahrend Altenburg mehrere Male den Dreihalbe-Takt an-
wendet, nicht zum Schaden seiner Komposition, die dadurch urn ein
Ausdrucksmittel reicher wird. Auch in bezug auf Stimmen-Kombination
zeigt Altenburg mehr Abwechselung, er behandelt den 1., 3., 5. und 7. Teil
des Psalms fiinfstimmig, den 2. vierstimmig und den 4. und 6. Teil drei-
stimmig, wahrend Schiitz den ganzen Psalm fiinfstimmig gesetzt hat.
In anderen Punkten zeigte sich eine groBe Ahnlichkeit zwischen beiden
Meistern, so in bezug auf Tonmalereien. Tonmalerische Achtelbewegung tritt
zum Beispiel bei beiden fast in notengetreuer Weise ein bei den Stellen:
»Stricke des Todes«, »Bewahre meinen FuB vom Gleiten*, »Du hast meine
Bande zerrissen« und anderen. Neben solchen mehr auBerlichen Ahn-
lichkeiten finden wir auch tief erfaBte Stellen, die in der Behandlungs-
weise iibereinstimmen. So das dramatisch bewegte »0 Herr errette meine
Seele«: beide Meister bringen hier eine aufsteigende BaBfigur, die sich
sequenzartig auf verschiedenen Tonstufen wiederholt,
Schiitz.
^-j-^y
*
O Herr er-rette mei
Altenhurg.
ne See - le
j, |» f f'| r J-C-J-=:
5tte mei - ne See - - le
er - rette mei - ne See
wahrend die 14 andern Komponisten diese S telle ganz anders und man
muB sagen weniger treffend im Ausdruck behandelt haben.
Gerade aus dieser Komposition ersieht man, wie innerlich nahe Altenburg
dem groBten Meister seiner Zeit Heinrich Schiitz gestanden hat; wenn
er ihn auch besonders in bezug auf Harmonie-Reichtum nicht ganz er-
reicht, so lag das wohl weniger an geringerem musikalischen Talent als
an der Ausbildung. Schiitz, der in dem Landgrafen Moritz von Hessen
einen Beschiitzer gefunden hatte, auf dessen Kosten er in Italien bei
1) Band XII der Spitta'schen Ausgabe.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 37
Gabrieli studieren konnte, der seine ganze Zeit der Kunst widmete und
dem in Dresden eine kiinstlerisch hochstehende Kapelle zur Verfugung
stand, muBte es natiirlich weiter bringen, als der einfache Landpfarrer,
der wohl nie aus den Grenzen Thiiringens herausgekommen war, der nicht
den Unterricht eines groBen Meisters genossen hatte, und der trotzdem
neben seinem Beruf noch die Zeit fand, die Kunst in so ausgedehntem
MaBe zu pflegen, dessen Arbeitskraft aber durch die Schrecken des
30jahrigen Krieges ganz gebrochen wurde.
Erster Teil newer lieblicber nnd zierlicher Intraden, mit 6 Stimmen.
Welche zuforderst auf Geigen, Lauten Inatrumenten und Orgelwerk
gerichtet sind/ darin auch zugleich eine Choral Stimm auss dem
Gesangbuch dess Herrn Dr. Mart. Luther gantz zierlich deutlich und
vernehmlich von Jedermann kan mitgesungen werden/ oder als daB
wenn fiinf Personen geigen/ unter denselben einer/ bevorrauss der
Bassist die Choralstimm mitsingen kan. Componiert durch
Gedruckt zu Erfurdt/ bey und in Verlegung Johann Rohbock im
Jahr 1620.
(Exemplar Kgl. Bibliothek zu Berlin)
In der Vorrede des vier angesehenen Erfurter Biirgern gewidmeten
Werkes sagt Altenburg unter anderem:
>daB aber die liebe Musik sehr hoch gestiegen bezeugt nicht allein die Be-
trachtung der Fiirtrefflichen und herrlichen Compositionum, sondern auch der
Oerter, da die Musik in Schwang gehet. Denn von Chur und Ftirstlichen
Musiken/ will ich jetzunder nicht sagen/ denn dieselben von tag zu tage/
immer ja hoher steigen/ wie solches die herrliche Opera
Praetori, Schutzen/ und anderer mehr genugsam bezeugen/ daB einer wohl
nochmals sagen mochte/ ob auch an solchen Oertern die liebe Musik hoher
kommen konnte1) ist doch bald kein Dorflein/ bevorrauB in Thu-
ringen darinnen Musiea beydes Vocalis und Insirwmentalis den Oertern
nach/ sollte floriren und wohlbestellet sein. Hat man ja kein Orgelwerk/
so ist doch die Vocalis Musiea zum wenigsten mit 5 oder 6 Geigen orniert
und geziert, welches man vorzeiten kaum in den Statten hat haben konnnen.
Demnach weil man nicht an alien Orten kan Orgeln haben/ sondern gleich-
sam an statt derselben Geigen gebraucht werden/ als ist von vielen
Liebhabern der Musik bey mir angehalten worden/ daB ich doch etzliche
Kirchen-Intraden setzen wollte, zu welchen ein Chorgesang des Herrn Dr.
Luth. gerichtet/ die man auf Geigen/ anstatt der Orgel/ zwischen einem jeg-
lichen Gesang/ bevorrauB wann Figural gesungen wurde/ brauchen kondte/
damit unter deB der Schulmeister oder Cantor eine andere Cantion auff su-
chen/ und desto bequemer dieselbe anstimmen und anfahen kondte. Aber
1) Mit ganz ahnlichen "Worten preiat Schein in der Vorrede zu seinem Ba?ir
chetto MasicaU 1617 die Musik. Siehe Arth. Prttfer, J. H. Schein (Habilitations-
achrift), Leipzig 1895, Seite 42.
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38
Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
gleichwohl unter deB/ wie man den Intraden geigte nicht allein der sonus
harmonious sondern auch Texius gehort wurde/ welcher denn etwa von ge-
meinen Yolke und ganzen Christenheit mit eingesungen werde.
Diesem Begehren habe ich wollen ein Geniige thun und etzliche Kirchen-
Intraden (wenn ich Gelegenheit und Zeit dazu gehabt) componiert
und auf vielfellige Anhalten den ersten Teil desselben publiciert, wird die
Annehmlichkeit derselben gespttrt, sollen in Kurze die andern Teile — auch
erfolgen. *)
Diese sechsstimmigen Satze schreiten wie die damaligen Instrumental-
satze ziemlich steif und majestatisch einher, doch sieht man aus so manchen
Einzelheiten, daB man Instrumentalmusik, keine Vokalmusik vor sich hat.
Hierauf weist zum Beispiel die melodische Folge von 2 Quarten in einer
Stimme und sprungweise Ftthrung des Basses, der auch haufig Achtel-
bewegung bringt, die sich in Altenburg's Vokalkompositionen nur ganz
selten findet. Von den Stellen, dereh instrumentales Geprage man auf
den ersten Blick erkennt, gebe ich hier einige Beispiele:
Nr.7.
Nr.9.
Nr. 10.
Nr. 14.
^MgZ
rxrftfm-i-'^t^
s*
r e ni nm
a
^B^rrcrrJgaiECa:^
^Cj ptr rrXti^f- r r r=%
Von den 16 Intraden weisen 15 dreiteilige Form auf (nur Nr. 14 ist
zweiteilig), und zwar wird jeder der drei Teile wiederholt, die Singstimme
setzt nach 1 bis 3 Instrumental takten mit dem Choral ein und pausiert
auch gelegentlich in weiterem Verlaufe des Satzes einige Takte. Gemein-
sam ist alien Satzen die viermalige (im dreiteiligen Takt die dreimalige)
Wiederholung des Dreiklangs bei jeder Reprise, die kirchlich feierlich
wirkt. Die zWeite Intrade, >Nun lob meine Seele den Herrn* tragt die
Uberschrift >musikalische Frohlichkeit«, verdient diesen Titel aber nur
in wenigen rhythmisch belebten Takten. Die letzte Intrade, deren Melodie
eine Umbildung (in den Dreihalbe Takt) der Intrade >List und Neid« ist,
benutzt Altenburg dazu, seinen Gegnern einen kleinen Hieb zu versetzen
mit folgendem kleinen Gedichte:
1) Die anderen Teile sind nicht erschienen, beziehungsweise verloren gegangen.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 39
Zum VerdruB, der BeschluB
Sei denjenigen gsungen,
Die mich oft unverhofft
Tragen auf den Zungen
Und frohlich angeben mich,
Mein Gliick zutreiben hinter sich.
Ich wills noch wohl erhalten
Wider aller Neider Stich.
Betrachten wir im AnschluB hieran die beiden zehnstimmigen Intraden
aus dem dritten Teil der Kirchen- und Haus-Gesange1). Der obere
fimfstimmige Chor ist auf »Geigen, Lauten und Instrument* gerichtet,
der untere vierstimmige >auf ein gedackt Orgelwerk* oder >auf Zinken
und Posaunen*.
Diese beiden Satze tragen noch ausgepragteren instrumentalen Charakter
als die vorher besprochenen Intraden, denen sie im Bau genau entsprechen.
GemaB der leichten Beweglichkeit der Geigen weist der erste Teil viel
Figuration auf, wahrend der zweite ruhiger einherschreitet, wie es ja auch
mehr dem Charakter der Zinken und Posaunen entspricht. Die erste
Intrade tragt die Uberschrift » Intrade 10 vocum* »Gleich wie sich fein
ein V6gelein«. Eine zehnte Stimme, die den Generaldiskant zu singen
hatte, ist jedoch nicht vorhanden. Der Choral »Gleich wie sich fein ein
Vogelein* findet sich nun nach Zahn2) zuerst in den geistlichen Liedern
Erfurt 1634; da seine Melodie aber als zehnte Stimme zur vorliegenden
Intrade paBt, so muB die Weise schon im Jahre 1620 vorhanden und
auch bekannt gewesen sein, so daB Altenburg es nicht fur notig hielt,
sie, ebenso wie das allgetnein bekannte »Ein feste Burg* (Melodie der
zweiten Intrade), drucken zu lassen. Den Text* der eine Fortsetzung von
Martin Rutilius' BuBlied >Ach Gott und Herr« aus dem Jahre 1604 ist,
hat auch Melchior Frank3) fiinfstimmig gesetzt, jedoch ist seine Melodie
steif (obwohl er sonst ein Meister der Melodik ist), wahrend man aus der
dorischen Melodie Altenburg's4), die sich im Umfang von d{ bis f2 bewegt,
ein wirklich bedeutendes Talent fiir melodische Linie erkennt.
Auch J. R. A hie, der spatere Kantor an St. Andrea zu Erfurt, bringt
in seinen Dialogen5) einen Satz >Gleichwie sich fein ein Vogelein* fiir
2 Diskante und basso continuo, dessen thematisches Material aus den
einzelnen Zeilen der Altenburg'schen Weise entnommen ist; wir werden
aber aus der Besprechung des nachsten und letzten Werkes sehen, daB
Able unserm Altenburg noch andere Anregungen zu verdanken hat. Uber
1) Siehe Seite 27. 2) Zahn II, 2056.
3) Geistl. mus. Luatgarten I, 1616. 4) Zahn II, 2056.
5) Erster Teil geiatticher Dialogen 1648.
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40 Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
die zweite Intrade »Ein feste Burg«, die dieselben Ziige aufweist wie die
erste, eriibrigt sich eine genaue Besprechung.
Gaudium Christiannm. Das ist Christliche/ Musikalische Frewde.
Begreiffend
1) das Lutherische Jubelgeschrey/ 5 too.
2) Die Prophezeiung von Luthero/ Apocalipsis am 14. Mit 12 oder
16 Stimmen.
3) Das Lutherische SchloB/ oder Feste Burgk/ mit 5, 15 oder 18
Stimmen.
4) Die Engelische Schlacht/ Apoc. 12 mit 12 oder 16 Stimmen.
Darein zugleich 3 Trompeten und zwo Pauken/ die eine in das
kleine c, die ander in das groBe g gestellet konnen gebraucht werden.
5) Das Amen. Item/ Von Nun an bis in Ewigkeit/ mit 12 Stimmen.
6) Das Amen Gott Vater und Sohne/ etc. Nach der alten Melodie/
mit 12 Stimmen componieret und dem Chur und f UrstJichen
Hause Sachsen . . dedizieret Gedruckt zu Jehna bei J. Weidner
1617.
(Exemplar kgl. Bibliothek zu Berlin).
Das Werk enthalt drei lateinische Lobgesange und folgende den
vierten Chor betreffende *Nota*:
»Diesen Chor, welcher nur auf Trompeten und Paucken gerichtet, mag
oder kan .... der Cantor aufilassen. "Wo er ihn aber haben kan . . . soil
er besonders und alleine stehen, und diesem Chor, so oft ein NB. im tiefsten
Bafi steht, ein Zeicben geben, damit sie sich desto besser danach zu richten
haben und den Ansatz machen*.
Die mehrchorige, auch die Instrumente berucksichtigende Kompositions-
weise, hatte sich in Italien unter Willaert, Andrea und Giovanni
Gabrieli ausgebildet und war durch die Schiiler der zuletzt genannten
beiden Meister, HaBler und Schtitz auch nach Deutschland gekommen,
wo besonders Michael Praetorius, der von sich sagte, »daB er die
Italos einigermaBen nach seiner Wenigkeit imitiere* ein Hauptvertreter
dieser Bichtung wurde, dem vielleicht auch Altenburg die Anregung zu
der vorliegenden Komposition zu verdanken hat. Altenburg verbindet
hier mit einem dreifachen Chor von 12 beziehungsweise 15 Stimmen
3 Trompeten und 2 Pauken. Diese im Verhaltnis zu den ltalienern
offenbare Diirftigkeit des Instrumentalchors erklart sich vielleicht
damit, daB Altenburg in erster Linie fur den Gebrauch der eigenen
Gemeinde schrieb, und es ihm schwer genug gef alien sein durfte, in
einem Dorfe von 400 Einwohnern die zur Ausfiihrung notigen Krafte
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Ludwig Meineoke, Michael Altenburg.
41
zusammenzubringen (heutzutage ware es uberhaupt ganz ausgeschlossen!),
auch wenn nur jede Stimme einfach besetzt war1).
Nr. 1) »das lutherische Jubelgeschrey* ist ein einfacher fiinf-
stimmiger Satz in dreiteiliger Form, dessen Text »Macht Bahn zu Freud
und Jubelgeschrey, nab dicb du Christenschar herbei* vielleicht yon
Altenburg selbst herruhrt.
Nr. 2) die Prophezeiung von Luthero (Apokalypsis 14) ist gesetzt
fiir drei vierstimmige Vokalchore nebst einem vierten Chor fiir Trompeten
und Pauken; die Yerhaltungs-MaBregeln dieses Chores werden in einem
Gedicbt dargelegt, dessen letzte Zeilen »den Text fein lieblich zart und
rein ein Knablein auch mag singen drein* offenbar darauf hinweisen,
daB der Generaldiskant fiir die Schulkinder auch hier Verwendung finden
soil. Der volkstiimliche, von den iibrigen Stimmen abweichende Text,
der wohl Altenburg zum Verfasser haben diirfte, moge hier wenigstens
in- der ersten Strophe folgen, ebenso die durch die Trompeten verstarkte
Melodie, die einen klaren periodischen Aufbau aufweist, und besonders
durch die Wiederholung am SchluB wie ein Volkslied wirkt:
G-eBang and Trompete.
m
iar a \ il
e=e-M-^
A A
W1
?^m
Der Babstder hat_
den Schlussel ver ------ lorn,
$
?=f=P
21— ^J_A
pT-fZ*
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was will er nun.
-be - ginnen,
das thut ihm auB_
der-
1ZX35L
mm
.-Or -.<&-
ES
a &
£
72-m
maCen Zorn, daB ern nicht wieder kann finden, das that ihm aa(3_
.der
3
ISC
£
rt 07mZ
=P
mafien Zorn, daB ern nicht wieder kann finden.
Das einzige, in der kgl. Bibliothek Berlin sich befindende Exemplar
des Werkes, (zugleich das einzige, das uberhaupt vorhanden ist), tragt
den Vermerk »unvollstandig«, da nur eine Instrumentaistimme vorhanden
ist. Doch neige ich der Annahme zu, daB uberhaupt nur diese eine
Instrumentaistimme existierte, denn fiir die fanfarenmaBig (kanonisch)
nacheinander eintretenden Trompeten geniigte eine Stimme, wahrend man
fiir die Pauken, die nur Grundton und Dominante zu markieren hatten,
uberhaupt keine Stimme brauchte. In der Tat bewegen sich die mit
1) Mit wie wenig Kr'aften man sich zu damaliger Zeit begnugte, zeigt auch, daB
Bach 100 Jahre sp'ater fur die Aoffahrungen an der Thomaskirche zu Leipzig nur
16 Sanger und 20 Instrumentalisten verlangte.
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42
Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
Trompeten begleiteten Stellen nur in C-dur und berohren nur gelegentlich
die Dominante; auch die Stimme der Trompete laBt die obige Annahme
eines kanonischen Eintretens der Instrumente sehr wohl zu. Interessant
ist der SchluB der Komposition, der sich 20 Takte lang nur m C-dur
bewegt, dann einen Takt lang die Dominant-Harmonie bringt und im
nachsten Takt zur Tonika zuriickf iihrt. Dieses lange Verweilen bei einem
Dreiklang, das wohl mit durch die Trompeten bedingt gewesen sein mag,
ist von machtvoller Wirkung, ja es erinnert direkt an die triumphierenden
SchluBchore in den Handel'schen Oratorien, fur deren SchluB auch ein
langes Verweilen in einer Tonart charakteristisch ist.
Nr. 3) Das »Lutherische« SchloB mit 15 oder 18 Stimmen ist
eine groB angelegte Komposition fiir 3 fiinf stimmige Chore nebst Trompeten
und Pauken, ebenfalls in C-dur stehend. Die 2 Chore setzen kanonisch
nacheinander ein mit dem aus den ersten Noten des Chorals gebildeten
Motiv
W
Ein feste Burg,
zu dem sich gleichzeitig folgende Trompetenstimme gesellt:
-jQ
fe
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mm
Es folgt darauf die erste Zeile des Chorals von den drei Choren einzeln
nacheinander gebracht (ohne Trompeten), wobei die Melodie zwischen der
Oberstimme des ersten Chors, dem zweiten Diskant des zweiten Chors
und dem Tenor des dritten Chors abwechselt. Der zweite Stollen >Er
hilft uns frei aus aller Not, die uns « weist depselben Bau auf,
wie der erste. Die Worte »groB Macht und viel List« werden von den
drei Choren zusammen gesungen, es folgen wieder Solosteiien der einzelnen
Chore, bis dann bei >Auf Erd ist nicht seins gleichenc die Trompeten
zu den drei Choren hinzutreten. An dieser Stelle liegt die Melodie in
Brevis-Werten im zweiten Diskant des zweiten Chors, die andern Stimmen
umspielen sie in kunstvoll belebter Stimmfuhrung, dazu halten die Basse
des zweiten und dritten Chors Notenwerte von der GroBe einer Longa
aus. Die Worte »Auf Erd ist nicht seins gleichen* werden dann noch
nach Art des Anfangs (Ein feste Burg) zu einem im Dreihalbe-Takt
stehenden vollstimmigen Tonsatz benutzt, der mit der Trompeten-Fanfare
*£mzrt=&t
1
auf dem lang ausgehaltenen C-dur Akkord den AbschluB der ersten
Strophe bildet.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 43
Die zweite Strophe wird choraliter vom ersten Chor gesungen (Cantus
firmtis im zweiten Diskant), die dritte allein vom zweiten Chor (Cantus
firmus ebenf alls im zweiten Diskant) und die yierte Strophe vom dritten Chor
allein (Melodie im Alt). Bei diesen drei fast Note gegen Note gesetzten
Strophen wurde sicherlich auf eine Mitwirkung der Gemeinde gerechnet.
Die fiinfte Strophe >Preis, Lob und Ehr dem hochsten Gut* ist nach dem
Schema der ersten Strophe gebaut; die letzten 18 Takte bewegen sich nur
im C-dur Dreiklang, wohl weil die kanonische Piihrung der Trompeten
einer Modulation in andere Tonarten im Wege stand.
Nr. 4) Die Engelische Schlacht. Sie ist die poetisch musikalische
Gestaltung eines biblischen Vorganges, namlich des Kampf es zwischen
dem Erzengel Michael und dem Teuf el, wie er in der Offenbarung Johannis
Kap. 12, Vers 7—12 beschrieben wird. Denselben Text haben spater
Hammerschmidt und Johann Christoph Bach vertont, wie Spitta
in seiner Bach-Biographie *) eingehend darstellt. Auf Seite 49 sagt Spitta
bei Besprechung der Komposition Chr. Bach's:
> aber es ware auch die ganze Anlage des Werkes nicht so geworden,
wie sie ist, hatte nicht Bach nach einem sehr bestimmt und deutlich ge-
zeichneten Vorbilde Hammerschmidt's gearbeitet. Dieser hat in seinem »an-
dern Teil geistlicher Gesprache iiber die Evangelia* No. 26 (Dresden 1656)
dieselben Bibelworte far sechsstimmigen Chor mit Trompeten, Zinken und
Orgel gesetzt, und der Gedanke, den Kampf auf der lange festgehaltenen
Dreiklangsharmonie von C-dur sich austoben zu lassen, hat ihn zum eigent-
lichen Erfinder. Auch in der musikalischen Darstellung des Sturzes aus dem
Himmel nnd in dem langaushaUenden C-dur des Schlusses ist die Originalitat
bei dem alteren Meisterc.
Soweit Spitta iiber die Komposition Hammerschmidt's. Der Gedanke,
den Kampf auf dem lange festgehaltenen C-dur Dreiklang sich austoben
zu lassen, ebenso wie das lange Verweilen auf dem C-dur Akkorde am
Schlusse, findet sich aber schon in der 40 Jahre friiher erschienenen
Komposition Altenburg's, woraus man wohl schlieBen darf, daB Hammer-
schmidt (er war von 1639 bis zu seinem Tode 1675 Organist zu Zittau)
Altenburg's Werk gekannt haben muB. Da man es in friiherer Zeit nicht
so genau mit dem geistigenEigentum nahm2), so iibernahm Hammerschmidt
Altenburg's Grund-Ideen, um sie weiter auszubauen. Spater benutzte
dann J. Chr. Bach die Komposition Hammerschmidt's, um daraus eine
Tonschopfung zu bilden, deren Mittel nicht nur fur die damalige Zeit
auBergewohnliche sind3).
1) I, Seite 44.
2) Unter anderem verwendet Handel eine Aria aus Reiser's >Oktavia«, sogar
dreimal: in >la forza della virtue, im >Trionfo del Tempo* und im »Messias*.
3) Er verwendet neben 2 funfstimmigen Choren 2 Violinen, 4 Bratschen, Fagott,
4 Pauken, BaC und Orgel.
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44
Ludwig Meinecke, Michael Altenburg.
Aber den eigentlichen Schopfer der Idee, Altenburg, vergaB man!
Es mogen hier als interessante Belege fiir die Art und Weise, wie drei
bedeutende Meister denselben Text behandelt haben, die rhythmischen
BaB-Motive ihrer Komposition Platz finden:
Altenburg.
Es er - hub sich ein Streit,
Hammerschmidt.
5^gS
321
•JSL g.
=3£
Und es er - hub sich ein Streit.
Ghr. Bach.
TtX.
Ht*
TSL
es er - hub sich ein Streit, : ', :
In bezug auf dramatische Wirkung gebiihrt wohl Altenburg's Motiv
der Vorzug, da es, allmahlich von halben Noten zur Synkope und zum
rhythmischen Motiv anschwellend, eine ganz gewaltig vorwarts treibende
Kraft offenbart. DaB Hammerschmidt Altenburg's Komposition ge-
kannt haben mufi, beweist aber eklatant die folgende Stelle:
Altenburg.
9*"^ Q^z^
s
2Z=2Z
221
221
Nun ist dasHeil,
Hammerschmidt.
und die Kraft, und das Reich,
und die Macht
^^T-^-^z
i
g g>— &
& &
Nun ist das Heil
und die Kraft
und das Reich und die Macht.
Eine solche fast notengetreue Behandlung derselben Worte kann kein
Zufall sein! In bezug auf angewandte Mittel geht Hammerschmidt ubrigens
nicht so weit wie Altenburg, er verwendet in seinem achtstimmigen Ton-
gemalde neben dem funfstimmigen Vokalchor Trompeten, Zinken und den
»basso continuo*. Altenburg dagegen hat seine Komposition fiir 3 vier-
stimmige Chore gesetzt, zu denen sich noch 3 Trompeten und 2 Pauken
gesellen; selbstverstandlich kam hierzu noch die Orgel, wenn auch ihre
Anwendung nicht ausdriicklich erwahnt wird.
Auch Joh. Rud. Ahle, der 1645 in Erfurt studierte und gleichzeitig
(bis zu seiner Berufung nach Miihlhausen 1649) das Kantorat an der
Andreas-Kirche bekleidete, muB Altenburg's Werk gekannt haben. Seiner
Arie auf das Fest des Erzengels Michael1) (1662) mit dem Text »Der
1) Denkm'aler deutscher Tonkunst, Band V, Seite 101.
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Ludwig Meinecke, Michael Altenburg. 45
groBe Drache zurnt« geht ein Bitornello fiir Geigen und Continuo voraus,
das im BaB folgende sehr an den Ehythmus der Altenburg'schen Kom-
position erinnernde Stelle bringt
'j? ^ JT3 J J4J n J i
Nr. 5) Das Amen oder KirchenbeschluB 12 voc. ist eine kurze
15 Takte lange Komposition fiir 3 vierstimmige Chore iiber die Worte
»Amen, von nun an bis in Ewigkeit, Amen*. Trotz der Kiirze ist die
Modulation eine sehr reiche, C-, G-, C-, J*7-, D-(!), C-, #-, JF-, #-, G-dur,
ar-moU, E-dur.
Nr. 6) Die letzte Nummer »das Amen Gott Vater und Sohne«
nach der alten Melodie ist ebenfalls ein kurzer 12stimmiger Satz, dessen
Text die Worte bilden:
Amen Gott Vater und Sohne
Sei Lob ins Himmelsthrone.
Sein Geist stark uns im Glauben
Und mach uns selig. Amen.
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46 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre eapagnol du XVII* sifecle.
LaMusique indigtoie dans le theatre espagnol du XVIIe siecle
par
Felipe Pedrrit1).
(Madrid.)
Comme la presente dtude doit frdquemment faire apparaitre le nom
espagnol d'une certaine forme lyrique, il sera bon avant d'entrar en
matiere, dq renseigner le lecteur stranger sur l'origine du nom en question.
On appelle, en Espagne, zarzuela2), une representation sce'nique en laquelle
alternent le chant et la declamation. H faut la considerer comme une
derivation de Tancienne eglogue et farce du theatre primitif de Juan del
Encina (1468? — 1534), des *dialogos para cantar*, et de tout un fonds
traditionnel de conceptions sccniques, qui force k reconnaitre que le
merveilleux theatre espagnol existait k la fin du XV6 siecle et avait
pris source des ces annees fecondes en renaissance dans lesquelles
Grenade fut reconquise et le Nouveau Monde decouvert.
L'apparition du nom de «zarzuela» donno au spectacle theatral me-
lange* de dialogue et de musique date k ce qu'il semble de Tanne'e 1628,
alors que les fetes et divertissements de cour du plus galant des Autrichiens
(Philippe IV) composaient une existence des plus d^licieuses k celui qui
occupait le trone d'Espagne.
A proximity du sejour royal du Pardo se trouvait une maison de
campagne pleine de xarxuelas et appelee «la zarzuela», propriety du
Cardinal Infant Don Fernando et centre des favorites et des courtisans;
le fait d'avoir inaugure sous ce toit une serie de representations avec une
piece nouvelle en deux journees intitulee «Le JardindeFalerina*, entraina
par la suite Thabitude de donner, en Espagne, cette etrange denomi-
nation, purement botanique, k des ceuvres theatrales en lesquelles le parl£
alternait avec le chant. Ceci dit en guise d'introduction, nous entrons
en matiere.
* *
Dans une heureuse trouvaille de compositions theatrales du XVII0
siecle se re*vela soudainement k nous, il n'y a pas longtemps, une tres
curieuse manifestation de culture musicale jusqu' alors inconnue en Espagne;
1) Traduction franc.aise de M>e Mar the Chassang.
2) Diminutif de xarxa (ronce): la plante connue de la famille des rosacees dont
les tiges flexibles et epineuses se multiplient d'une facon extraordinaire servant pour
faire des haies naturelles ou artificielles.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVU> siecle. 47
et cette circonstance n'a rien de surprenant, vu l'indifference de nos
musiciens envers Thistorique de leur profession, — sujet d'etude heureuse-
ment cher k bien des chercheurs non moins passionnes des beautes de
Fart que les musiciens eux-memes.
On savait bien quelque chose de la musique religieuse espagnole du
XVH> siecle, mais rien de la musique theatrale; et nous ne pouvions
gufcre repondre quand on nous interrogeait sur le style et le caractere
manifestos dans la musique du « Jar din de Faierina>, du «Laurier
d'Apollon* [Laurel de Apoh\ ces zarzuelas, comedies et fetes de
musique dont tout le monde parlait par tradition et par oui-dire.
Nous n'en savions pas plus long de l'influence exercee sur ladite musique
et sur nos compositeurs par la troublante musique italienne, — cette
mode, cette «nouveaut£ en Espagne* dont nous parte Lope de Vega
(1562—1635) dans son Oglogue pastorale «La foret sans amour 1)>, spec-
tacle qui, au dire de Calderon (1600— 1681) *)
No es comedia, sino solo
Una fabula pequeiia
En que, a imitaci6n de Italia
Se canta y ee representa . . . ,H),
cette •machine du theatre improvise par l'ingenieur florentin Cosme
Lotti, que Sa Majeste envoyait consulter en ItaUe afin d'utiliser pour les
jardins, fontaines et autres sujets, sa haute et rare competence . . . .4)»
Les documents en question nous seront d'une utilite toute particulifcre
en permettant d'etablir une histoire veridique de revolution musicale
espagnole pendant Taccomplissement de Tun de ses plus grands pas en
avant, celui de la musique theatrale au XVII0 sifccle.
La trouvaille etait opportune, puisqu'elle doit changer Topinion
generate sur la musique de cette epoque et qu'elle demontre que
l'influence italienne ne fut jamais complete et troublante au ppint
d'etouffer notre inspiration naturelle dans les genres profane et religieux.
De plus, on pourra avancer d'ores et dej& que FEspagne possedait en la
Zarxuela, en la Comedia armonica et en la Fiesta de Musica un genre
traditionnel, remontant au temps de Juan del Encina, et ne pretendait
1) ExScutee au Palais royal de Madrid en 1629 et publiee par son auteur Lope
de Vega en 1630.
2) Loa pour la Fete deZarzuela Le laurier d'Apollon, donnge a la naissance
(iu Prince Philippe Prosper en 1657.
3) N'est pas une comedie, mais rien — qu'une petite fable — ou, comme en Italie,
— Ton cbante et Ton joue.
4) Dedicace de la < Foret sans amour* a l'amiral de Castille.
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48 Felipe PedreU, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVD> siecle.
pas aborder V opera in musica procedant de la camerata florentina, mais
am&iorer, amplifier, et doter de proportions et contours g&iiaux le
style, le caractfcre de ce genre scdnique. Ce spectacle avait &6]h la
forme, traditionnelle d'un art consacr£, quand, des gradins et balcons, des
fenetres et mansardes de la cour de com^die, sortit ce cri unanime
d'admiration, d'enthousiasme et de legitime orgueil national « Vitor, Lope* ])!
lancd par une foule transpose que le ph&iix des g^nies savait dmouvoir
en se faisant multitude, en vivant les sentiments et les passions de la
foule, avec l'^clat, le prestige et l'intuition du pofcte populaire.
Quoique cela parfit une hypothfcse hasardeuse, j'eus la trfcs vive im-
pression, lors d'une conference a TAth^n^e scientifique, litteraire et artistique
de Madrid, que le caract&re indigene de la musique descendait en ligne
droite de Juan del Encina, le double fondateur de notre art drama-
tique et musical, jusqu'au dernier compositeur actuel de theatre populaire,
sans devier & la venue de Lope de Vega et de Calderdn, — par Taction
immediate et simultan£e de la podsie et de la musique 6troitement unies
(action qui porta tout son fruit dans la chanson populaire, cette » mani-
festation inconsciente de Fesprit du peuple vers la creation artistique*;
et qu'il n'avait cesse d'exercer son pouvoir de «reintdgrer la conscience
des races*, en secondant et favorisant Tinstinct naturel jusqu' k la satis-
faction profonde et pratique du gofit national auquel ont ob& le pofcte,
le musicien, le peintre, tous dans une meme religion artistique, et plus
que tous le grand chanteur anonyme, le peuple, du fond de son instinct
et de son jugement propres.
Je supposai non sans fondement que l'influence de la musique italienne
ne fut jamais, r6p£tons-le, opprimante au point de ddtourner notre in-
spiration naturelle; et en verity qui eut etd capable de croire que la
transformation du chant populaire en musique dramatique se f fit accomplie
par nos musiciens du XV±le siecle, et que ce fait, moderne en apparence,
leur efit sugg6r£ de chanter les tendresses d'Amarillis*) et plaintes de
Daphn£, les triomphes et victoires d'Apollon, les enchantements et seduc-
tions de V^nus, les chants et complaintes des galants amoureux, sur la
musique d'antiques jdcaras, vitos, tonadas et danses archaiques espagnoles?
Le caractfcre indigene de Inspiration des cantarciUos de Juan del
Encina3), Sanabria et Penalosa (celui- ci maitre de chapelle de la
reine Isabelle la catholique) aux XVe et XVIe sifccles est en rapport avec
1) Bravo, Lope!
2) Voir le No. I des documents musicaux, Tonada a solo, de Jose Marin, chanteur et
compositeur qui mourut a 80 ans en 1699. La Tonada est simplement un vito po-
pulaire, theme antique de danse chantee.
3) Entre une infinite d'exemples que Ton pourrait presenter, voir le No. U. C'est
un oantarciUo (ou viUancico^ ce qui est synonyme) de Juan del Encina.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVIfr siecle. 49
les tonos et tonadas*), euatros deempexar2), les Ballets3) et les jdcaras*)
de Romero, Patifio, Marfn, Hidalgo, Juan de Navas et Durdn
au XVHe sifccle; et avec les folios*), mqjigangas% tiranas1), et seguidillas
d'Esteve, Laserna, Valledor, Moral, et des tonadilleros8) du
XVm> siecle.
Que cette manifestation de lyrisme national ne f ftt ni fictive ni momen-
tanee, je me risquais h Taffirmer d'instinct, alors meme que je ne connais-
sais pas les documents musicaux relatifs au theatre de Calderdn. Nous
possedons aujourd'hui la musique de certaines pieces de Calderdn, de
Velez de Guevara, de Salazar et Torres, de Bances Oandamo, etc.,
1) On appelait alors tono le chant inspire* par une suite de couplets destines a
la musique. De tono deriva tonada, le nom de tonaditta se donnant par extension
a une courte action scenique en un seul tableau ou acte, plus restreinte qu'en l'an-
cienne Zarxuela, composee de plusieurs journees ou actes.
2) L' usage du cuatro de empexar (quatuor pour commencer) ou chant a 4 voix,
entonne avant le deHbut d'une representation, est tres ancien dans le theatre espagnol.
On pent considerer comme reste de cette ancienne coutume de chanter guitare en
main, le prologue de salutations adresse* au public. II etait interprets ordinairement
par toutes les femmes et leharpiste de la troupe d'acteurs ou de comiques, avant
la comedie, ten habits de cour depuis la simple graciosa*, ce qu'ils avaient l'ha-
bitude d'appeler aussi tono, tonada ou princesa (on ne sait pas la cause de cette der-
niere denomination). Oe genre de composition peut etre consider^ comme une deri-
vation libre de l'ancien madrigal. Le cuatro (d'auteur inconnu) que Ton trouvera au
No. Ill donne une idee du style de ce genre de compositions.
3) Bien typique est celui du No. IV, ballet d'un moine, P. Manuel Correa, ori-
ginaire du Portugal, maitre de chapelle de Sigiienza et plus tard de la cathedrale de
Saragosse. II etait carme, et mourut a Saragosse le 1** aout 1653.
4) La Jdcara ou, selon Torthographe antique, Xdcara, etait une composition poe-
tique provenant de la romance reguliere; elle avait un genre d'attrait particulier,
en general amoureux. L'air ou tonada que Ton executait pour chanter ou danser avait le
meme nom que ces troupes de gens qui vont chantant la nuit dans les rues, — nom
d'ou provient le verbe jacarear, d'ou jacarero, celui qui chante des jdcaras. Voir
comme exemple celle du No. V, d'auteur inconnu.
5) Folia, divertissement thSatral compose de diflferentes scenes de comedies, entre-
coupees de musique.
6) Fete publique, travestissement, mascarade, representation populaire tres courte,
pour faire rire, avec introduction de figures ridicules. On appelle aussi mojiganga la
danse comique par laquelle se terminent les danses caracteristiques de certaines
localites. La mojiganga laisse entrevoir des restes d'anciennes representations popu-
lates, convertis en divertissements extravagants pour le vulgaire.
7) A Torigine c'Staient des airs de danse et de chant. Le chant conserve le titre,
la danse etant tombee en desuetude.
8) Nous avons deja explique que le nom de tonaditta est donne* a une piece the-
atrale courte et 16gere, espfcce de saynete musicale que Ton chantait et representait
dans les intermedes de tragedies, drames ou comedies, ou a la fin de la fete. La tona-
ditta arriva a son apogee au point de vue national en la seconde moitie du XVITI0
siecle. Le tonadillero etait Tauteur de la tonaditta.
8.d.l.M. V. 4
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50 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVD> Steele.
et cela nous permet d'affirmer, relativement au thd&tre de Lope de
Vega et de ses prdddcesseurs imm&liats, qu'il ne put y avoir 1& Tinfluence
d'aucun agent stranger ou exotique.
J'avoue ingdnAment que si c'dtait avant ces intdress&nte documents de
notre nationality musicale que j'eusse relu, comme je le fis immddiatement,
les pieces de Calderdn faisant allusion k la musique de son dpoque,
aux comedies avec musique, xarxudas, fetes de bal, etc. j'aurais hdsitd
un peu k me risquer, ainsi que je Fai dit, dans une hypothfcse de si faible
consistance. Une personne tr&s au courant en ces mati&res m'objectait
qu'avec des citations de Calderdn lui-meme mon argumentation pourrait
sembler plus intuitive que raisonnable. Mais le fait est qu' aprfes avoir
relu Calderdn, je sais k prdsent parfaitement bien ce qui est dit et comment
cela est dit, k savoir que dans les ceuvres du glorieux Don Pedro
Calderdn de la Barca, grand pretre des Madril&nes, il n'y eut jamais
d'argument ddcisif pour croire k la despotique influence de la musique
italienne. Tout au contraire. Le lecteur en jugera et j'espfcre qu'il
trouvera satisfaction definitive.
En la Loa pour la Fete de Zarzuela intitulde «le Laurier d'Apollon*
(El Laurel de Apolo) *) Calderdn place ces vers dans la bouche du personnage
appeld justement Zarzuela:
Zarzuela.
No es comedia, sino solo
Una fabula pequeiia
En que, a imitacion de Italia,
Se canta y se representa,
Que alii babia de servir
Como acaso, sin que tenga
Mas nombre que fiesta acaso3)
Dans la scfcne VI un du quatuor dit:
Oid. (J Que rusticas canciones
Turban las heroicas nuestras,
Y en b&rbaro, rudo estilo,
Hijo de montes y eelvas,
1) Les perso images de la Loa ront: Iris et Echo, nymphes musiciennes: Zar-
u e 1 a , villageoise musicienne ; des dames et des galants en 4 choeurs de musique. Le
nom de Loa propre a notre theatre antique s'applique au prologue, formant discours
ou dialogue.
2) Ce n'est pas une comeclie mais seulement — une petite fable — en laquelle,
a 1 imitation de Tltalie — on chante et Ton joue, — et qui se trouve utilisee — comme
par hasard, sans recevoir — autre nom que fete peut-etre.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII* siecle. 51
Quieren competir las cortes
Mas sublimes, mas supremas
Del orbe?*)
Aprfcs ces vers entre en scfcne la Zarzuela, disant:
Pues^ quiln le quita
A la rdstica simpleza,
En quien, cuanto mas desmtda,
Va la verdad mas compuesta,
Que como olvidada parte
De nuestro to do2) pretenda
En tan ventaroso dia
Dar tambien de sn amor mueatra3)?
La Zarzuela conte ce que nous pourrions appeler son histoire et pour
que n'£choue point la fete paysanne qu'elle imagine, ajoute:
.... 4) aunque pese a todo el mundo,
Pardiez que tengo de hacerla.
Uno del coro tercero.
Pues tu, rustica villana
I Con nosotros competencia?
1) Ecoutez, quelles rustiques chansons — troublent nos chants heroi'ques — et
d'un barbare et rude style — enfant des monts et des forets — veulent
envahir les cours — les plus sublimes, les plus hautes — du monde?
2) De nuestro todo, c'est-a-dire de *vuestro todo*, dc votre bien, de votre ame na-
tionale; qui mieux que Calderon a exprime' ce sentiment de nationalisme musical?
3) Quoi! qui le cede — - A la simplicity rustique — en laquelle, bien plus de-
nudee — la verity se montre plus complete, — et qui, comme une part
oubliSe — de notre bien, pretend — en un jour si heureux — manifester aussi
son amour?
4) Puisque tout le monde s'impatiente, — pardieu, que je m*en acquitte —
Une voix du troisieme choeur.
Done toi, humble villageoise — tu rivaliserais avec nous?
La Zarzuela.
Et non seulement je rivalise — mais il est juste que je me promette — de
triompher de vous tous —
Tous (les chceurs).
De quelle maniere?
La Zarzuela.
En ayant la confiance de disqualifier — Yos ceremonies ; — Et si, en verite, la grande —
antiquite dans les lettres — humaines est venerable — entre les arts et sciences, —
Elle pourra bien resplendir en une autre — occasion, mais pas en
celle-ci.
Quelqu'un du choeur.
Quoiqu'un sentiment de culte — pour le moment ne nous anime pas, — celui dc
la courtoisie — nous force tous — non seulement a donner — a ta fete une pre-
miere celebration — mais encore a venir — a ton aide.
4*
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52 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du Xviie siecle
La Zarzuela.
Y no competencia sola
Es justo que me prometa,
Sino victoria de todos
vosotros.
Todos (los del Coro).
<iDe que manera?
La Zarzuela.
Haciendo mi fe desprecio
De las ceremonias vuestras:
Que aunque es verdad que la anciana
Antigiiedad en las letras
Humanas es venerable,
Entre las artes y ciencias
Bien podra lucir en otra
Ocasi6n, pero no en esta
Uno del Coro.
Aunque la raz6n del culto
Por ah or a no nos mueva,
La de la cortesanfa
A todos nos hace fuerza,
Para que no solo demos
Primer lugar a tu fiesta,
Pero para que seamos
Quien te ayude.
Calderdn introduit encore la Zarzuela corame personnage dans la
Loa pour la fete de zarzuela intitulee «la pourpre de la rose* (La
purpura de la rosa) representation musicale donnee au theatre du Buen
Retiro pour la publication de la paix et les heureuses noces de Tinfante
d'Espagne Marie-Thdrfcse avec le roi de France Louis XIV, en 1659.
La Zarzuela se demandant quelle invention ou fable choisir pour celdbrer
la fete, El vulgo, (Le vulgaire ou le peuple), personnage de Taction, lui
dit que ce sera «La pourpre de la rose», une
J) Fabula a Venus y Adonis
Y no os admire que sepa
Yo el asunto ya
Por senas que ha de ser
Toda musica2); que intenta
1) Fable sur Venus et Adonis Et ne vous etonnez pas — que je sache
deja ce sujet . . . . II sera chante* — tout en musique; et pour tenter — d'innover
ce style, — afin que les autres nations voient — rivaliser avec leurs primeurs.
2) En depit de ce que dit la Calderon, pour rectifier aprfcs, la Ijoa en question
et Tunique journee ou acte, ont tcllemcnt d'extension qu'elle ne put etre toute en-
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol da XYIIe siecle. 53
Intro ducir este estilo,
Porque otras naciones yean
Competidos bus primores.
A cela le personnage Tristeza (Tristesse) rdpond, — et il est bon
de noter ce trait (repute beaucoup plus tard, comme nous le verrons
ensuite, par Don Tomas de Triarte en son Pofcme de la Musique) que
je me risquerai h qualifier de pure physiologie nationale:
*) ^Ko mira cuanto se arriesga
En que c6lera espanola
Sufra toda una comedia
Cantada ?
El vulgo.
No lo sera,
Sino solo una pequena
Bepresentaci6n : demas
De que no dudo que tenga,
En la duda de que yerre,
La disculpa de que inventa.
En dtudiant sans parti pris les documents, quoiqu'il n'y en ait ici qu'une
faible partie, le lecteur ne s'etonnera pas de ce que j'ai avance de fagon
si absolue, et je r^pfcte, maintenant, signalant mon objectif principal,
qu'aucun auteur dramatique ou musicien du XVII0 siecle ne pensa
jamais ecrire des operas, ce que Ton appelle opera in musica, ayant un
spectacle lyrico-dramatique comme le leur, nd d'une tradition spdciale par
derivation des representations dramatiques de Juan del Encina 0C1
alternaient le chant et le parld. Ni Lope de Vega, ni Calderon n'ont
jamais dit un mot relatif k ce genre de spectacle, et les musiciens de
leur epoque, Romero, Risco, Patino, Clavijo, Martinez Verdugo,
qui auraient su et pu en Ecrire, ne donnfcrent le nom d'op^ra k aucune
de leurs productions profanes.
Je comprends que Lope de Vega ait dit de l'Eglogue pastorale «la
Foret sans amour* (Selva sin amor) que c'etait « chose nouvelle en
Espagne*, en raison de la « machine > (ou true) du theatre construit par
Oosme Lotti, et des autres transformations, requ^rant plus de details
tiere mise en musique. Le texte et la metrique generate de Tceuvre, indiquent fort
clairement ce qui fut chante* en style melodique ou en recitatif.
1) N'admires-tu pas ce trait de hardiesse — par lequel la colere espagnole — en-
dure toute une comedie chantee? —
Le Peuple.
Elle ne le sera pas — mais rien qu'une petite — scene; de plus — ne doute pas
qu'il n'y ait -- dans la possibilite qu'elle y echoue — Texcuse son invention.
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54 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVIIe siecle.
que cette Eglogue; car quoique l'Eglogue en fftt lame, la beautd de ce
corps etait telle «que la vue l'emportait sur Fouie*. H n'est pas question,
en la fameuse dddicace de Lope, d'une « chose nouvelle> quant au style
litteraire et musical de l'ceuvre, mais de « chose nouvelle* comme ext^rieur
scenique, trues, mise en scfcne, un art nouveau imports d'ltalie par
l'ingdnieur florentin reconnu alors maitre en de tels effets thdatraux que,
nous dit Lope, «en ddcouvrant la toile, une mer en perspective* s'offrit
aux yeux, puis «le char de Venus trains par deux cygnes, et 1' Amour
son fils descendant de la machine* ; puis des transformations de theatre
maritime en forSt «sans que ce mouvement si grand pfit frapper la
vue» ; enfin la vue du rivage du Manzanares «avec le pont et la per-
spective, reproduisant la maison de campagne (Casa de Campo) et le
Palais, avec assez de cette partie pour faire illusion*.
On pourrait objecter que le meme Calderdn dit en une de ses pieces
precedemment citee:
Por senas que ha de ser
Toda musica . . . . *);
mais j'ai &6jk fait remarquer la contradiction. II suffit de s'attacher
k la forme litteraire de l'Eglogue en question de Lope, et de la piece
de Calderdn contenant les deux vers cites, pour comprendre qu'il ne s'agit
pas de «tout mis en musique* e'est-k-dire «tout chants*.
Reellement curieuse a dtd pour nous l'occasion de rechercher les
origines de l'opera dans notre nation, au temps oti il n'etait pas necessaire
de realiser des spectacles selon les proc^dds du «tout chants* ou de Topera,
puisqu'il existait, de fait, des choses similaires, depuis la creation des
Eglogues et Farces (Juan del Encina, Liicas Fernandez, etc.), des
viUandcoSj ballets et interm&des (Lope de Kueda, Cervantes et Luis
Quifiones de Benavente «rintermediste» favori de la ville et de la
cour de Madrid), des zarzuelas, supplantant depuis le XVII6 sifcele les inter-
ludes chantds, saynetes, ballets et mascarades, antdrieurs k la venue de
l'opera italien.
II n'est plus soutenable que la Foret sans amour soit un veri-
table opdra comme on l'avait affirmd arbitrairement, et le premier
de TEspagne2). Je ne comprends pas non plus que ce soit «honneur
k revendiquer pour l'Espagne* dans la matfere de l'opdra national — comme
1) Texte de «la pourpre de la rose* traduit precedemment.
2) Je pense consacrer prochainement une etude speciale a cette question pour com-
pleter la pr6sente ^tude.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol da XVD> siecle. 55
on Fa dit — que de lui assigner une place aprfes la tentative allemande et
avant les premieres de l'Angleterre et de la France.
La manifestation de notre culture nationale en fait de theatre se
trouve, je le r^pfete, en Nglogue primitive, le villancico profane, la Fete
de Zarzuela, le Cuatro th^&tral, Pintermfede et le saynete chants, en le
ballet chante, le tono, la tonada et la tonadilla. Et tant est qu'en
Espagne — il faut qu'on le sache — il ne s'^crivit pas d'op^ras, deli-
ber&nent operas, avant les premieres tentatives de ce genre r€alis£es k
Madrid, depuis 1703, en la salle du Buen Retire
Voyons comment ces choses se passfcrent
Les acteurs de com&lie et d'opdra italien vinrent k Tappel de Philippe V.
lis firent un traits avec le fermier des Corrales de Contedias1) Jose de
Socueb^s yAvendano, pour pouvoir donner des representations en
public, et le roi leur accorda 1'usufruit du thd&tre du Buen Retiro avec
toutes ses dSpendances, pour un dflai de trois mois, depuis le huit Avril
de Pann^e en cours, 1703. La troupe nuSrita la faveur du roi puisqu'il
lui permit de s'intituler pompeusement « Troupe italienne de Sa Majesty.
On n' a pas de renseignements sur la nature ou le nombre de re-
presentations donn^es par les acteurs italiens au Buen Retiro pendant
les trois mois de la concession. D est k presumer que le delai fut proroge,
puisque, le 25 aout de la meme annee, les Italiens donnfcrent au Buen
Retiro une grande fete dont Pargument fut imprimd avec ce titre en
castillan:
«Compendio de la famosa comedia que se intitula El porno2) deoro
para la mas hermosa, que se representa por la Compania italiana de
S. M. en el Real Coliseo del Buen Retiro, en el dia de la solemne
fiesta de san Luis por festejo de los nombres de Luisa, Reina de Espana,
nuestra senora, y del Rey de Francia, Luis XIV el Grande. Personas
que hablan en ella3) etc.t
Sic personnages « pari ant en cette com£die», parce que la pifcee,
composee de trois journees, est un melange de r£cit, de chant et de danse.
En quelle langue parlaient (ou plutot chantaient) tous les personnages
1) Corral, cour ou salle de spectacle.
2) Porno, erreur de traduction, pour Poma ou Manxana, nom espagnol de la pomme.
3) Argument de la fameuse comedie La Pomme d'or pour la plus belle,
representee par la troupe italienne de S. M. , en le royal colis£e du Buen Retiro, le
jour de la fete solennelle de St. Louis, pour feter les noms de Louise, reine d'Espagne,
notre dame, et du roi de France Louis XIV le grand. Personnages parlant en cette
comedie (etc.).
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56 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVIIe siecle.
mythologiques de la pifcce, Jupiter, Junon, etc.? En italien. Le texte
castillan du livret est un r6sum6 par scenes pour renseigner les spectateurs.
Et de qui etait la musique de «la Pomme d'or» ? Hyaun op£ra italien
de Cesti ecrit vers l'annee 1668, represents avec grand £clat k la cour
de Leopold Ier, qui porte le titre La pomme (for (porno cToro). Si la
musique fut rSellement de Cesti, I'op^ra italien ne debuta pas de fa^on
mediocre en Espagne, car Cesti fut un des plus distingues capi scuola
venSto-romains de la fin du XVIIe siecle, illustr^e k Venise par Cavalli
et Legrenzi, & Rome par Rossi et Carissimi.
Pour c&ebrer l'anniversaire de la reine, on representa le 20 septembre
de la meme annde 1703, une alldgorie comique pleine d'allusions: «La
guerre et la paix entre les elements* (la guerra y la pax entre los Mementos)
et k ce qu'il parait «leurs majestes vinrent voir ces deux oeuvres de
leur lunetax\ le peuple assistant dans le parterre, les gradins et la caxuela*)
les places du rez-de-chaussee etant rdparties et celles qui restaient
abandonnees au public. II faut entendre ici peuple et public de courtisans,
car le peuple proprement dit n'etait pas admis k de telles fetes et ne
montra jamais de gout pour ce genre de spectacle durant le XVIII6
sifccle. II n'etait pas admis, ai-je dit: la verite est que malgre l'appat
de gourmandises, rafraichissements et chocolats, qu'offraient les valets
royaux places k la porte du thdatre, invitant aimablement le peuple aux
representations du Cdlisee royal, le peuple tournait le dos et s'eloignait,
murmurant en dessous.
Dans toute l'annee 1704, il n' y a pas trace, k Madrid, de la troupe
Italienne de S. M. Au debut de l'annde suivante le roi decida qu'il
serait permis k la troupe de comediens italiens de donner des represen-
tations privees en sa demeure sans etre embarrassee en cela par les fermiers
des Corrales de la ville. La troupe ne fit pas de tr&s bonnes affaires,
malgre cette permission de representations privees en sa demeure (on
se demande quelle demeure cela pouvait etre) puisque l'annee suivante
vint une autre ordonnance royale, pour continuer les representations «sans
etre limite k cette demeure*.
Les fermiers de theatres3) trouvaient prejudice & leurs interets en cette
concurrence d'un spectacle stranger. La Municipality de Madrid les
appuyait et la Ville dut se taire devant une ordonnance royale accordant
licence aux comediens espagnols et italiens pour que les uns et les autres
sans distinction pussent donner des representations k la Cour.
L'aristocratie etait le principal soutien du spectacle italien et la troupe
ne se faisait pas faute de tirer parti de l'heureux appui qui se presentait.
1) Loge.
2) Emplacement du theatre ou seules pouvaient entrer les femmes.
3) Ou directeurs.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII0 siecle. 57
La reine 6tant sur le point de donner le jour au prince qui s'appela
Louis Ier, la troupe italienne obtint, le 20 juin 1707, une ordonnance
royale lui concedant le Colisde du Buen Retiro, dans le but de preparer
un festival pour la ddlivrance de la Reine. La Municipality de Madrid
ne put toldrer que les etrangers eussent l'avantage dans une solennite
de caractfcre national comme celle qui se pr^parait, et rdclama au roi le
Colisee pour y donner la fete avec des Pigments espagnols, pour le compte
de la Ville, — reclamation Equitable k laquelle le roi fit droit. Le
theatre fut retird aux italiens, en consequence, et le Jeudi 17 novembre
1707 eut lieu une representation commemorative par les comiques espagnols
des troupes de Madrid. Quel genre de spectacle fut choisi? Une «fete
de zarzuela1)* (Fiesta de Zarzuela) avec musique et grand apparat,
pr6ced£e d'une Loa avec intermfcdes et danses ad^quates, sous le titre
(Todo lo venee amor) cl'amour triomphe de tout*; l'oeuvre etait 6crite
tout exprfcs par don Antonio de Zamora «gentilhomme de la maison
de S. M.» Ainsi se poursuivirent les evfcnements avec des alternatives
de fureur pour le thdatre italien et de reaction en faveur des comediens
espagnols, jusqu' k l'arrivee de Scotti, l'ann^e 1719, — et je ne sache
pas qu'il y ait eu de musicien national donnant alors le titre d'op&ra k
une ceuvre theatrale, de meme que je n'ai pas trouve d'auteur dramatique
de cette epoque qui ecrive en un genre autre que celui consacre de
Zarzuela, de fete de musique ou de Com^die harmonique, etc.
Que deux auteurs seulement servent d'exemple: Canizares (1676
— 1750) et Zamora dejh cite (f 1740?). Au premier appartiennent: Acts
y Galatea, zarzuela (musique de Literes); Angelica y Medoro, zarzuela;
Apolo y Climene, zarzuela; «Clytie et le Soleil», « Adore jusqu' & Tinvin-
sible» (Hasta lo i?irencible adora), zarzuelas; «Le plus grand exploit d'Alcide*
(La haxafia mayor de Aleides), drame musical, «l'amante du Christ*
(La arnada de Christo) et «Sainte Gertrude la grande* (Santa Gertrudis
la magna), comedies avec musique; «Les montagnes sont au-dessus du
dedain* (Montes aUana el desden); «C'est miracle de trouver le vrai»
(MUagro es hollar verdad), zarzuelas, etc. A Zamora appartiennent, «Tout
aspic cache un basilic » (Aspides hay basiliscos) zarzuela; « Aimer c'est
savoir vaincre* (Amor es saber veneer) comedie avec musique, «le vent est
la chance de l'amour» (Viento es la dicha de amor), zarzuela (si je ne me
trompe la musique est de Nebra); «Victoire pour l'amour* (victoria por
el amor), zarzuela.
Entre les deux exemples cites, j'ai choisi delibdrement Canizares parce
que, d'apr&s les documents, il est le premier librettiste de zarzuelas qui
1) Une «espece d'op<§ra» Tappelle le sympathique maestro Don Francisco Asenjo
Barbieri, compositeur impenitent de zarzuelas, s'entetant a chercher des operas la ou
il n'y avait que zarzuelas, comedies harmoniques et Fetes de musique.
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58 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol da XVII0 siecle.
par son gout pour le theatre de Mdtastase (traduction, par exemple, du
«Th£mistocle») fut appel£ k donner le coup de grace au style habituel
du spectacle musical, jusqu' alors rSduit aux fl&nents indigenes, passant
ainsi au camp ennemi, sans doute k Tinstigation de son collaborateur
musical obligfi Francisco Coradini", un des nombreux maftres de la
chapelle royale, — k moins que ce ne soit par gofit personnel pour le
genre de Metastase. «Fiert£ affaiblit l'amour», (Fieras afemina Amor)
[1724], c Ang&ique et Mddor* (Angelica y Medoro) (meme annde), s'intitulent
&&]k zarzuelas k l'italienne, et la designation d'op£ra sc£nique (sans
titre) est appliqu^e k ce qui fut Scrit pour cS^brer l'entr^e k Madrid de
Louise Isabelle d'Orteans, duchesse des Asturies. Selon le livret imprime
de cet op^ra sc^nique k l'italienne, il fut « represents au Colis^e
du Buen Retiro en 1723». En outre, je signale Canizares comme Tun
des premiers, sinon le premier, ayant 6crit des opdras sc^niques et des
zarzuelas k l'italienne, qui certainement etaient repr&ent£s par des
acteurs espagnols.
Mais, comme je le disais, Fan 1719 arriva k Madrid, avec le titre de
ministre pl&iipotentiaire du due de Panne, le marquis Scotti, «gentil-
homme accompli, de grande c616brit3 et d'un goAt artistique rdput<5». D
avait la mission secrete de combattre le favoritisme du Cardinal Alberoni,
qui gouvernait l'Espagne k son caprice. Scotti triompha en 1720, Alberoni
s'en alia disgracie et le ministre plenipotentiaire, triomphant du Cardinal
et debarrassS des preoccupations politiques, put en 1721 et 1722, se
consacrer au soin de l'opera italien, grace k la charge de «Protecteur
et Directeur» de tout ce qui se chantait au the&tre de los Cafios del
Peral, charge que lui avait conter^e le Roi. Durant la gestion de
Scotti, l'opera italien prit une grande extension; il y vint de nouvelles
troupes, et celles des Colis^es de la Cruz et del Principe, comme celles du
Retiro et de los Cafios del Peral, s'accordfcrent pour repr&enter des
operas fonts en langue castillane et composes en style italien, les premiers
qu'ecrivirent (d'abord humblement d6sign& zarzuelas k l'italienne, puis,
en 1721 comme je l'ai dit, d^finitivement operas scdniques (Canizares
et son musicien oblige Francisco Coradini, ensuite1) Juan de Agra-
mont y Toledo et le musicien italien attache de meme k la chapelle
royale Corselli, auteurs de l'opera «La ruse dans Pamiti£» (la can tela en
la amistad), 1735; puis «un g&iie madrilfcne* et Coradini, «Trajan en
Dacie» (Trajano en Dacia)\ Vicente Camacho et Juan Bautista Mele,
musicien de chambre cPar amour et par loyaute* Por amor y par lealtad,
1) J'enumere seulement les ceuvres que leurs auteurs appelerent explicitement
operas, operas Merits en castillan, quoiqu'ils les qualifiassent pompeusement d'operas
espagnols.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII* siecle. 59
1736; puis vinrent: «Le fils dormant la vie k son pfcre» (dar el ser el
hijo al padre), «Efcre noble c'est bien agir» (El ser noble es obrar bieti),
« Amour, Constance et femme» (Amor, constancia y mujer), operas ecrits
en castillan, composes les deux premiers par l'inevitable Coradini et le
troisifcme par Mele; enfin la Casandra (1737) et «L' oracle infaillible> (El
ordctdo infaHble), 1738, que mirent en musique respectivement Don Mateo
de la Roca et Don Juan Sisi Maestres, maitres espagnols.
Tout oeci prouve k mon avis que l'Espagne ne se prfoccupa de Topera
qu'aprfcs son apparition k la venue des TrufakUns, appel& par Philippe V.
Les seuls spectacles musicaux qui, jusqu' alors, convinrent k son gout,
furent ceux que connatt le lecteur; et quand se produisit la fureur pour
Topera italien, k peu de temps de l^poque dont je m'occupe, k ce de-
terium tremens s'opposa spontan&nent en un cri de protestation nationale,
la tonadiUa, la xarxuelilla de proportions r^duites, genre qui, presque
sans transformations, excepts ce qui est dfl. aux progrfcs musicaux mo-
dernes, se poursuivit jusqu'fc nos jours et brille it cot£ de la grande zar-
zuela. Tout ceci met en Evidence la grande culture qu'atteignit tou-
jours en notre pays la musique dramatique, et jusqu'ici la culture qui fut
atteinte au temps de Lope de Vega et de Oalderon, se trouve attestee
par les precieux livrets de zarzuelas et de Fetes de musique, ecrits de
fagon si parfaite et definitive que personne, du moins que bien peu d'au-
teurs aujourd'hui, pourraient faire mieux que ces deux grands g^nies, que
leurs contemporams et leurs continuateurs immediats; enfin pour confir-
mer et convaincre le plus incr^dule, ici vient fort k propos le choix de
compositions dramatiques du XVII e sifccle dont nous illustrons la presente
etude, — des pieces justificatives de premiere importance.
Mais les auteurs dramatiques et les musiciens n'etaient pas tous passes
au camp ennemi pendant la direction du marquis Scotti et le temps qui
suivit immediatement. Pendant ce temps le chanteur favori du Roi, le
fameux Farinelli, nouvellement nomm6 directeur des representations th6&-
trales cdl6br6es au palais de Ferdinand VI, voyait croitre son double pri-
vilege musical et politique, «sans abuser jamais de la bienveillance ni de la
gdnerositd des souverains> (selon la phrase 1) sereinement impartiale de Char-
1) Phrase prononcee quand Farinelli demanda a se retirer en Italie, — en lui ac-
cordant la jonis8ance de see honoraires et de sa eolde entiere. Farinelli, soit dit en
son honneur, exerca son privilege politique avec un tact exquis et une grande gen6-
rosite\ Si «les capitaux se consumaient entre musiciens et danseurs», comme disaient
les censeurs, on ne pouvait accuser d'administration d&ordonnee ni encore moins de
mauvais emploi des capitaux cette gestion de Farinelli, honoree et a Tabri de tout
soupcon, ainsi qu'il est dit et repet6 presque par tous les ecrivains qui etudierent sa
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60 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVIIe siecle.
les HI) ; pendant ce temps on cdldbrait k Aranjuez le jour du roi (30 mai
1758) en representant >La force du g£nie ou le Pasteur guerrier* (la Forxa
del genio ossia il Pastor Gvtrriero), texte de Bonelhy, musique de Conforto,
dernifcre oeuvre dirigde par Farinelli; mais Don Ramdn de la Cruz notre gonial
auteur de saynfctes populaires et le compositeur Catalan Don Manuel Pla
avaient fait representer l'ann^e d'avant le nouveau drame comico-harmoni-
que »Ce qu'il y a de mieux k sacrifier k la Divinity (quien complace a la
Deidad acierta a sacrificar), lequel pr^ceda deux zarzuelas, Pune h^roique,
l'autre festive, composes et donndes par le meme donRamdn de la Cruz
et le repute maitre compositeur don Antonio Rodriguez de Hita, la premiere
intitule la Briseida, en 1768, et Pannee suivante la seconde, «Les labou-
reuses deMurcie* (Las labradoras de Murcia), un prdcieux tableautin de genre
populaire. Leurs auteurs les intitul&rent zarzuelas et non pas operas, com-
me si, jusqu'en la qualification meme du genre, en dehors de sa tendance
populaire ils eussent cherch^ l'occasion de protester s^rieusement ou pu&ile-
ment (qu'on en juge comme Pon voudra) contre Pexotisme envahisseur de
PItalie; et cette qualification par protestation trouva des imitateurs en
les sympathiques et endiables tonadiUeros qui, sauf des cas tr&s rares, ne vou-
lurent pas non plus appeler operette ce qui n'etait qu'amplification de
Pantique tonada, c'est-k-dire une zarxuela de proportions rSduites.
Si PEspagne ne suivit pas Pimpulsion du drame musical, qui se fit
sentir plus ou moins tard en toutes les principales cours d'Europe, si
PEspagne n'eut pas et ne put avoir & ce moment d'op^ra proprement dit,
on est force de convenir avec Calderon que «la rustique simplesse, la
partie oubliee de notre tout* se hasardaient grandement,
En que colera espanola
Sufra toda une comedia
Cantada ....
definition plus physiologique que generique commentee par [Yriarte et
personnalite privee et politique. De la correction avec laquelle Farinelli rempUssait
sea fonctions, nous trouvons Tattestation en un manuscrit appartenant a la bibliotheque
de S. M. Dona Christina, interessant en outre pour connaitre en tous ses details la
facon dont la cour protegeait Popcra italien a cette epoque. Ce manuscrit est intitule :
•Description de l'etat actuel du theatre royal du Buen Retiro, des representations qui
y ont eu lieu de 1747 jusqu'a present, de son personnel, des depenses et charges, le
tout exprime au livre premier; le livre second traite des divertissements tenus annuel-
lement par les rois nos seigneurs, au sejour royal de Aranjuez, d'apres les dispositions
de Don Carlos Broschi Far in el lo (sic), valet familier de L. L. M. M. Annee 1768. »
In-Fol. Le texte en noir et rouge, 248 pages entre lesquelles il y en a bon nombre
en blanc; 10 planches a 1'aquareHe, 2 plans egalement a l1 aquarelle, Tun <du palais
royal ou s'embarquent L. L. M. M.> l'autre du «Tage a Aranjuez depuis le pont de
bateaux jusqu'a celui de la reine> ; caracteres grands et desserres du XVIII® siecle.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVU> siecle. 61
adressee k «Le censeur avise* (d czierdo censor) du chant quatre de son
Po&me de la Musique lorsqu'il dit:
Oh! si en Espana florecido hubieras!
Digna menci6n pndieras
Haber hecho tambien de nuestro drama
Que zarzuela se llama
En que el discurso hablado
Ya con frecuentas arias se interpola,
0 ya con duo, coro y recitado:
Cuya mezcla si acaso se condena,
Disculpa debe de hallar en la espanola
Natural prontitud, acostumbrada
A una rapida acci6n, de lances llena
En que la recitada canidnela
Es remora, tal vez, que no le agrada1)
Je ne pense pas que notre satisfaction nationale soit amoindrie d'un tel
etat de choses, ni de ce qu'aujourd'hui se precise, aprfcs tant de divagations,
que, si nous n'edmes pas d'opera, ce fut parce que nous possedions un genre
de spectacle en pleine splendeur, qui ne n^cessitait pas Tadoption de celui-
ci, son 8imilaire k trfcs peu prfcs, du moins en ce qui concerne le genre
d'op^ra cultive k cette epoque. D'ailleurs, en nous efforgant de chercher
absolument des operas par-ci, des operas par-l&, tantot dans les drames li-
turgiques du Moyen &ge, tantot dans les planetus de certains r£cits popu-
lates, k l'aide de Pimagination nous finirions par qualifier d'op^ras par
exemple les psaumes de notre liturgie mozarabe, la messe et les autres
c£r£mopies du m§me culte. Que Ton appelle, k la bonne heure, espfeces
d' op eras, ou mieux parentes des operas, ces representations entifcrement
chantees, avec intervention de personnages et d'une action plus ou moins
developp^e, comme La Sibila, c6r&nonie ou representation trfes importante
dont on possfcde un ample document musical et litteraire, — comme «Le
trepas et I'assomption de la Vierge» [d Trdnsito y la Asuncion de la Virgcn),
cette representation liturgique, chantee et joude depuis les temps les plus
lointains en l'dglise d'Elche (province d'Alicante) les 14 et 15 aofit de
chaque ann£e, k laquelle j'ai consacre une etude en les pages de cette
revue, — enfin comme Vauto sacramentel de Pascua de Resurrection, institue
en 1550 par le due de Grandfa (san Francisco de Borja) dans le couvent
de S*6 Claire de G-andfa (Valence), patrie du due, et que peut-etre je me
1) Oh! si tu avals fleuri en Espagne — tu aurais pu faire une digne mention —
aussi de noire drame — nomme xorxuela, — dans lequel le discours parle* — alterne
avec de frequents airs, — et aussi avec duos, chceurs ou remits; — melange qui, si
par hasard on le condamne, — doit trouver excuse dans l'espagnole — promptitude
naturelle, habituee — a une action rapide, pleine de saillies, — ou la cantilene recite* e
— est abandonne chaque fois qu'il n'est plus a propoa.
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62 Fefcpe Pedrell, La Murique nrifefaw d» W tfcfrtrn eapagnol du XVH« stecle.
d&iderai it 6tudier & une autre occasion, comme le dernier deseqAafc fa
cette nombreuse tradition de mysteres, moralitfe et passions, doat le
Moyen age fut de tous cotes si prodigue.
La participation prise par la musique aux plus anciennes representa-
tions espagnoles, aussi bien purement liturgiques que profanes, £tablit tres
clairement que la musique thdatrale fut toujours cultiv^e avec soin parmi
nous, — que la polyphonie vocale an ddbut, et ensuite Fharmonie vocale,
trouve un eclaircissement de grande importance dans P etude approfondie
des formes litteraires du theatre antique, — et que cette intervention
continue, on pourrait dire « obligee, » de la musique marcbant avec la lite-
rature en ses tendances et son caract&re naturellement espagnol, explique
tout speeialement le caractere indigene de la musique tb&trale ancienne,
particulierement cette musique du XVII6 sifeele qui nous a 6i6 r6vdl£e
re'cemment et que desormais nous pouvons connaitre. Tout ceci ind^pen-
damment de Tinfluence qu'exerga dans la suite 1' opera italien, beaucoup
plus tard que cbez les autres nations et sans detruire l'hege'monie des sty-
les theatraux propres, — influence qui ne pouvait manquer de se produire
lorsque, au d^but du XVHP siecle, ainsi que nous Pavons vu, se pr&enta
en nos theatres la premiere troupe d'ope'ra italien, appelde ironiquement
par le vulgaire compania de trufaldines (troupe de bouffons).
Les formes et le style de notre documentation mueicale accusent for*
tement, — en les approfondissant, est-il besoin de le dire? — le propre
d'une tendance et d'un gout national mis en Evidence. Etudiant au del&,
on y trouve tout ce que Ton a l'habitude d'apercevoir relativement k l'£tat
de Tart au d^but du XVIIe siecle. La polyphonie vocale du Moyen Age,
cultivde presque £galement par toutes les nations d'Europe, est une sorte
de manifestation impersonnelle tendant peu & peu et par stapes succes-
sives & s'unipersonnaliser. Elle y parvint quand la polyphonie elle-meme
facilita la venue de la monodie, chant h une voix accompagne' d'harmonie
instrumentale. Mais la monodie primitive, j'en atteste celle de la Cam&rata
florentma} ne put d'abord revetir d'autres formes mflodiques que les d^rivees
des parties les plus saillantes et vibrantes de l^difice du contrepoint vocal,
ni inventer d'autres tours melodico-harmoniques que ceux que lui pretaient
1' ambitus sonore et le materiel technique de cet agent inspirateur. Elle
tendit ainsi h l'expression du sentiment des paroles, grace k une Evolution
qu'amenerent les troubadours proven$aux, les minnesinger allemands, les
cantori a liuto italiens, chanteurs et compositeurs dans le sens moderne des
mots et dememeles menestrels franjais et nos vihudisim, especes de cantori
a liuto qui au lieu du luth adopterent l'instrument national la vihicela,
mere de la guitare, — Evolution secondee admirablement au XVI6 siecle par
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre otpagnol do iVJUl* siecle. 63
la mode de chanter en s'accompagnant d'un instrument & cordes, savoir
indispensable & toute personne bien nde et bien &ev£e selon lea codes
sociaux de l^poque. Le fameux livre «# Cortegiano* (le Courtisan) ex-
prime bien ces idles courantes. II suffit de les rappeler pour ce qui
nous occupe.
La monodie des courtisans, cultivant un art aussi courtisan qu'eux-
memes, brilla avec le peu de vari£t£ et la sScheresse tout archaique des
formes harmoniques qui l'inspiraient, sans qu'il Mt tenu compte que la
polyphonie pouvait seulement preter & la composition un moyen mais
non Fagent, et que r&tne de la composition, la m&odie, se trouverait bien
en l'expression du sentiment des paroles, lorsqu'elle pourrait vivre, e^pa-
nouir et se d^ployer sans obstacles, dans le milieu ambiant d'une tradi-
tion nationale favorisfe par les coutumes et conditions mflodiques et ryth-
miques de la langue de chaque peuple. La musique des XVe et XVIe
sifccle n'a pas de nationality, elle est sortie tout enti&re d'une meme forme
traditionnelle, encore que librement choisie, de Tart de la polyphonie cul-
tiv6 en toute l'Europe. L'&volution produite par Tart nouveau et uniper-
sonnel de la m&odie, fait qu' h partir de 1600 on peut parler de musi-
que propre et de tendances nationales.
La polyphonie se refugiera comme en un dernier asile, avant Farm^e
de l'orchestre, dans le madrigal, correspondant h notre theatral cuatro de
empexar, et depuis cette forme la phrase se modifiera, en acqufoant la
souplesse qui correspond au mouvement du vers. Peu & peu dominera le
motif m&odique, premifere explosion de melodie libre, lorsque l'idlal
m&odique, sa structure et son ambiance seront inspires par le chant po-
pulate, et quand la declamation, subordonnle k la sym£trie des plriodes
selon les conditions purement musicales de Tart, pourra produire ces fleurs
simples de la chanson artistique, veritables lieder, consistant la plupart du
temps en une seule pdriode divisle en strophes, formes typiques prlparant
la cantilfcne moderne, lesquelles, peu varices au debut et un peu rigi-
des de structure, poasldaient A6]k des contours corrects et purs, gr&ce &
la bonne observance de la prosodie, de l'accent oratoire et des conve-
nances musicales, sans exag&ation de sentimentality ni abus de vir-
tuosity.
De tons les aspects de cette Evolution de la monodie et de la musi-
que madrigalesque du XVIIe sifccle, je pourrais offrir d'importants exem-
ples en les sp&afiant par groupes comme il suit:
1° Formes polyphonico-madrigalesques.
2° Formes polyphonico-archai'ques — d£riv(5es des parties vocales
saillantes et vibrantes de la polyphonie.
3° Formes m£lodiques de transition tendant h la melodie pure par
l'expression du sentiment des paroles.
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64 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVEI> siecle.
4° Melodies de style caracteristique nettement indigene.
Selon ce groupement, en tachant de reduire autant que possible les
exemples, au premier groupe de formes appartiendrait: le fragment de la
Comedia de san Alejos (No. VI) provenant sans doute de la comddie de
Moreto intitulee Vida de san Alejo (vie de St Alejo), dont les per-
sonnages principaux sont, avec le saint lui-meme sous le nom de Eufe-
miano, sa femme Sabina et Tempereur Othon. Le cuatro de empexar
(No. HI) appartient k ce groupe.
Au second groupe correspondent: le chant de Polifemo (No. VII)
de la zarzuela « Violences de jalousie et d'amour* (Fieras de celos y amor)
de don Francisco Bances Cahdamo, et un autre fragment de la cco-
mddie de san Alejo A6jk cit£e (No. VLH).
Au troisifcme groupe appartiennent les deux fragments (Nos. IX et X)
de la comddie de Calder6n «Donner tout et ne rien donner* (Dar lo todo
y no dar nada), <fete representee devant LL. MM. au salon du palais
royal*, en 1653. Au meme groupe correspond la belle tonada a solo de
JuandeNavas (No. XI), harpiste de la Chapelle royale regu le 17 mai
1669, et le fragment de la comedie «Choisir l'ennemi» (Elegir al enemigo)
(XII) musique d'auteur inconnu et texte de don Agustion Salazar y Tor-
res, composee pour cel^brer cFaccomplissement des trois ans de rfcgne
(1664) de notre monarque catholique Charles II (d Hechixadoy)* .
Au dernier groupe appartiennent les Bailetes de comedias del Retiro
portant les Nos. XTTT, du docteur Jos£ Bass a, et XIV d'auteur in-
connu. Et pour que l'on voie comme la musique de cour pour vihuela,
depuis un siecle, a changd de forme et de style, k cot6 d'un fragment
pour vihuela de Miguel de Fuenllana, auteur aveugle du XVI0 sifccle,
je mets deux passacailles k solo avec accompagnement de guitare, de
Josd Marfn (voir les Nos. XV, XVI et XVII), auteur de la musique
du No. 12).
Apr&s examen de la musique de ce groupe on comprend son importance
au point de vue indigene, car Ton sent \k comment se reproduisent en
Fame de leurs obscurs auteurs, se combinent, se transforment, s'^purent
et se subliment les th&mes populaires espagnols, (telle la jota emanant
des polos et soleas qui lui pretfcrent leurs dessins originaux primitifs, la
muifieira et V alala issues du nord, comme la seguidiUa et les chants
mdlancoliques des montagnes), pour qu'ensuite convertis en nouvelle
substance, amalgam^s avec l'ame du musicien pofcte, enfin fix£s dans
la portde musicale et renforces de Torchestre et de la voix humaine,
1) L'ensorceW.
2) Se rappeler que Teffet reel des notes ecrites, pour la vihuela comme pour la
guitare, est celui dc Toctave inferieure.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVIIe siecle. 66
Peffort de 1' artiste les renvoie au peuple purifies par Tart et grandis par
^inspiration.
Dans la musique profane espagnole du XVHe siecle que j'ai pu exar
miner, il n'apparait pas un seul trait de virtuosity contrairement k l'ha-
bitude italienne.
Ce n'est pas k dire que les chanteurs du XVIIe siecle ne jouaient pas
du «gosier», autrement dit se passaient de fioritures et de traits vocaux,
comme le recommandaient les vihuetistas du siecle anterieur pour la mu-
sique de certaines romances et villancicos. Ce n'est qu'en des cas ex-
ceptionnels que j'ai vu d'autres notes d'ornement que Tantique aleado, ou
mordant comme Ton dirait aujourd'hui, present par un signe conven-
tionnel. Mais les cas que je pourrais citer sont extremement rares.
Comme Tinevitable reaction du XVIP siecle consista en le triomphe
de la monodie sur la polyphonie anterieure, les chanteurs se livraient avec
tant d'ardeur aux douceurs et aux flatteries de l'applaudissement person-
nel que leur virtuosite triomphante fournit, aboutissement de toute mani-
festation musicale, la monodie, Fair et le solo; laissant les chceurs
aux choristes, apparus pr^cisement k cette £poque, on se contenta, pour
soutenir la voix sans l'etouffer, du basso continuo, dont Interpre-
tation pratique, assez elastique, se pretait k faire briller le virtuose et
permettait d'employer ou non, au gofit du chanteur, divers instruments
choisis k Toccasion par les accompagnateurs eux-memes, selon les moyens
dont ils disposaient.
Les documents de musique profane manuscrits ou imprimis du XVII*
sifecle ne sont abondants enEspagne qu' en ce qui concerne les manuscrits:
les imprimes sont trfcs rares. De ces derniers k peine pourrait-on
citer quelques-uns, sortis, anterieurs au XVII6 sifcele, des presses de
Timprimerie musicale de Don Jose de Torres Bravo, organiste, puis
maitre de la Chapelle royale. Ils comprennent, sous la forme de partition
habituelle en pe siecle, la partie ou les parties vocales et un accompa-
gnement de basse, chiffre avec une surprenante parcimonie. Les docu-
ments en parties detachees manuscrites abondent, composes des memes
elements vocaux et instrumentaux.
Les mouvements *), les nuances, Tart de faire des variations ou de
varier la cantilfcne, Texpression en general et la delimitation du person-
nel soliste et choral dans les ensembles, surtout la nature de Taccompa-
gnement instrumental, etaient laisses au gr£ du maitre ou simplement
l; Lentement ou vite, se lit quelquefois, et, comme modification au caractere
du mouvement, partiel ou general, saltadtto, voladito, picadito el compiis (etc.).
8. d. I. M. V. 5
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66 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol da XVH> siecle.
du musicien, comme Ton appelait celui qui figurait k la tete des troupes
theatrales.
La question des accompagnements et des variantes secundum artem
est encore plus obscure dans les parties chanties comme dans les par-
ties d'accompagnement. Quand apparaissent des accompagnements de for-
me d^veloppee, comme par exemple dans les oeuvres religieuses de Comes
(1568 — 1643) maitre ne k Valence, le chiffrage de la basse est habituel
quoique limits, si limite que les oeuvres paraissent ecrites pour des accom-
pagnateurs orecchianti ou pour des m£nestrels (ministriles) habiles qui
avaient le coutume de les entendre.
Si dans les oeuvres religieuses apparait un chiffrage qui ne peche pas
par excfcs, en revanche dans les manuscrits de musique profane le
chiffrage de la basse brille complfetement par son absence, en Espagne
comme en Italie oft, parait-il, fut inaugur^e la coutume de noter
les chiffres. Tout 6tait confie aux accompagnateurs habiles, organistes,
clavecinistes *), ou harpistes, qui k Toccasion marchaient passivement
avec le chanteur, le secondant ou, selon les passages, developpant et or-
nant la basse continue. Les seuls instruments qui formaient l'orchestre
the&tral, comme on disait au XVIIe siecle, ^taient: la guitare, la harpe
ou le violon (sans compter, evidemment, ceux qui fonctionnaient k Tocca-
sion sur la scfcne) destines k accompagner les voix, quand
Cantaban a dos y a tres
Y representaban hembras2)
selon le dire de Rojas3) se rapportant k l'epoque oh, Micer Andres Key de
Artieda (1564 — 1613) de Valence, donnait au th&itre ses «Enchantements
de Merlin* [Encantos de Merlin) et de meme quand s'introduirent4)
Las comedias de apariencias
De santos y de tramoyas5)
De sorte que selon les citations de Rojas, l'orchestre allait progres-
sant et introduisant d'autres instruments de renfort k la basse continue
quand
Cantabase a tres y a cuatro.
Et un progr&s qui n'etait pas de peu d'importance, disons-le, fut
rintroduction des cuatros de em^exar et de l'orchestre de guitares ou de
harpes, soutenu d'une basse k cordes appelee violon, quand on imagine un
1} Le clavecin etait pour l'Espagne ce quest le cembalo pour l'ltalie.
21 On chantait a deux et a trois — et faisait voir des instruments.
3) Augustin de Rojas, auteur du < Voyage amusant* d'ou proviennent les vers
cites dans le texte.
4) Les comedies ^apparitions — de sujets sacre*s et de truc9.
5) On donnait le titre de tramoya (true a la comedie a sujet fabuleux.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVHe siecle. 07
Lope de Rue da1) en un manteau de Palencia assujetti avec des corde-
lettes, entonnant, vihuela en main, le prologue de salutation k cette
farouche assemblee de bergfcres desambridas et de villageois mtelleridos
et arrives r^unie en une cour ou dans Fatrium (Tune £glise. Cervantes
fit l'61oge de Lope de Rueda dans le Prologue de ses comedies, et comme
il est curieux et interessant pour cette etude de savoir ce que dit l'au-
teur de Don Quichotte sur les representations d'alors, il me parait op-
portun de le transcrire: «Du temps de ce fameux espagnol tout Fattirail
d'un acteur de comedies tenait dans un sac et consistait en quatre
couvertures blanches garnies de cuir dore, quatre barbes et perruques,
et quatre houlettes, un peu plus ou un peu moins, tous les personnages
introduits etant des patres; les £tof£es du vestiaire etaient deux mantes
qui se tendaient & volonte sur une corde, et il se melait k PeSglogue
deux ou trois intermfcdes, Tun du nfegre, Pautre du ruffian, du bouffon, du
basque, lesquelles quatre figures et bien d'autres, etaient rdalis^es par ce
Lope avec la plus grande perfection et originality que Ton pouvait ima-
giner . . . Le theatre se composait de quatre bancs places en carr£ et de
quatre ou six tables, en outre, sur lesquelles on s'flevait de quatre
pieds au-dessus du sol».
Les progrfcs orchestraux r£alis£s dans la musique theatrale de l'dpo-
que sont trfcs visibles lorsqu'on consulte simplement les listes des troupes.
Prenons-en une comme exemple. Celle de la troupe de Manuel Vallejo,
qui date de Tan 1633, nous donne une idee exacte de son personnel de
chant, de danse et d'accompagnement.
Manuel Vallejo chante et joue.
Maria .de Riquelme danse et joue.
Miguel Jime'nez, idem, idem.
Bernard a Teloy, sa femme, chante, danse et joue
Andres de Abadia chante avec harpe les contraltos.
Francisca de la Concepci6n, sa femme, chante avec harpe, danse
et joue.
Pedro de Balconer joue et danse
Maria de Balcacer, sa femme, chante, danse et joue.
Pedro Garcia Salinas, danse et joue les gracieux. t
Francisco de Salas, joue.
Francisco Rodriguez, danse et joue.
1) On pent le considerer comme le createur du moderne theatre populaire espagnol.
II naquit a Seville au commencement du XVIe siecle et mourut en 1667. Son premier
metier fut celui de batteur d'or qu'il abandonna pour se consacrer au theatre. En
1568 il repr&enta a Segovie une comedie joyeuse pour solenniser Inauguration
de la nouvelle cathedrale. II s'6tablit a Madrid, d'ou il passa a Valence en contractant
manage avec une valencienne. On connait de Lope de Rueda quatre comedies,
deux dialogues pastoraux et dix erdr&meses (intermedes) retrouvSs et publies par
Juan de Tim one da, son premier editeur et compilateur.
5*
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68 Felipe Pedrell, La Af usique indigene dans le theatre espagnol du XVD> siecle.
Marco Antonio, chante lea basses et joue.
Agustin Molina chante les contraltos et joue.
Francisco V aides chante les tenors, danse et joue.
Musique k dix, poursuit la liste, c'est-&-dire musique qu'on peut
ex^cuter avec cinq femmes et cinq hommes; personnel ad^quat pour
chanter, par exemple, la Jdcara signage au num^ro V, les cinq fem-
mes et les cinq contraltos hommes pour les parties correspondantes de
la composition. Valdfcs qui chantait les tenors, Marco Antonio qui
chantait les basses et Vallejo1) qui comme auteur (impresario) de la
troupe £tait accoutum£ k parler fort et k cause de cela avait une voix de
circonstance, chantaient le bas pour donner un appui sonore aux prodigieux
accompagnements que faisaient sans doute avec la harpe les harpistes de
la troupe Abadia et Francisca de la Concepcidn, sa femme.
Ceci indique l'orchestre et le personnel du chant destines k ex£cuter le
cuatro de empezar et ceux des intermfcdes, les musiques de la Loa, Yin-
termfede, le ballet, la Mascarade ou la Jdcara intercalee et indispensable
en toutes ces fetes chantees, fetes de zarzuela, fetes royales2) (etc).
Les musiques de coulisses ou de scfcne propres k la comedie, pour
ainsi dire la partie s^rieuse de la representation, se composaient d'instru-
ments varies. L^gendaire est le «suenan chirimias* (chalemies) des oeu-
vres de Calderdn, pleines d'observations sc&iiques comme celles-ci, «swc-
nan dentro cajas (tambours)* clairons et voix (El Castillo de Linda-
bridis)] on joue des tambours et des trompettes «avec les instru-
ments* [ElJardin de Falerina): *tocanla& chirimias y atabalillos*, (petits
tambours); puis jouent atabcUillos etchirimiasj et pendant que Ton chante
la musique (c'est-&-dire les chceurs) le premier couple sort . . . (El gran
printipe de Fe%)\» «musiciens avec instruments, tambours distendus et
sourdines* (La exaltation de la Crux)] les Ciclopes chantent au son de
martiUos (La fiera el rayo y la piedra)'*). Dans la mascarade finale de
cette dernifcre comedie, jouee pour la premiere fois en Mai 1652, il y
a une note qui nous renseigne sur le personnel vocal dont disposait
Calderdn: «Ici la Comedie £tant termin^e la mascarade commence, repartie
en deux choeurs musicaux k sept voix, formes chacun de quatre femmes
1) Manuel Alvarez de Vallejo, celebre par sa facon parfaite de jouer et sa qua-
lite d' auteur (impresario), pour avoir Ste* Tun des cinq fondateurs de la confrerie
de Nuestra Senora de la Novena (N. D. de la Neuvaine) patronne des comediens,
et pour s'etre marie* avec la belle et tres pieuse Maria de Riquelme. II mourut en
1644.
2) Les fetes royales constituaient une espece de drame, quelques-unes 6taient pure-
ment comedies de cape et d'epee; les autres etaient des drames de cour <avec spec-
tacle, apparitions et musique*.
3) La bete feroce, Teclair et la pierre.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII* siecle. 69
et trois hommes, et une troupe de douze femmes qui sont les dan-
seuses.»
Nous connaissons 1'accompagnement de quelques partitions religieuses
de Cdmes, par exemple le Dixit Dominus du premier ton k 17 voix r&-
parties en quatre choeurs. Le premier choeur £tait accompagn^ par la
harpe, le second par Vorganum primum; le troisifcme choeur, suivant
cette note, *dicat solus alius cum instrummtibus>} £tait accompagn£ par
deux cornets (kbouquin), saquebute et basson, et le quatrifcme choeur
£tait accompagn£ par les vihuelas et Vorganum secundum.
Nous savons aussi que les ouvrages non liturgiques du meme auteur
tonadas, vittaricicos, romances, etc., s'accompagnaient avec les simples
orchestres de ministriles (m&iestrels), comprenant un ou deux cornets k
bouquin, un ou deux bajoncittos (petite bassons) et un basson, ou bien
une paire de chirimias (chal£mies), un petit basson et un basson.
Ges donnSes nous renseignent sur les instruments qui f ormaient les or-
chestres sur le proscenium du theatre calderonien, d'autant plus indispen-
sables qu'au the&tre de cette Ipoque on ne parle jamais d'orgues ni de cla-
vecins d'accompagnement. On y fait mention des chirimias que cite si
souvent Calderdn, de quelque clairon ou pour mieux dire trompette, et des
petits bassons ou bassons correspondents; et ce materiel sonore qui dou-
blant les voix les appuyait pour sauver les dissonances, servait k la foi&
pour donner le ton aux r£pliques de la musique k la cantonade ou sur
la scfene meme, qui alternaient avec le dialogue des personnages.
On ne parle de violes, violons, ni de fltttes (rarement de pifanos [fi-
fres]) dans les annotations des pieces de Calderdn, et cependant on sait
que Marie de Hongrie, soeur de Charles V, avait k sa solde k cette 6po-
que des joueurs de viole et de violon, de cornemuses et de cornets k bou-
quin, des didzaineros (joueurs de douzaine) et joueurs de basson, des
joueurs de chirimia, de salterio, de espineta (dpinette), de laud (luth) etc1).
Un sifccle plus tard, Francisco de Valdfcs institua, par ordre de
S.M., une veritable dcole de mdnestrels (1652). . Le personnel de douze
m£nestrels de service qui fonctionnait k l'dcole de Valdfcs se composait
de quatre soprani de chirimia et corneta, de deux tenors de chirimia qui
jouaient aussi les petits bassons, de deux contralti de chirimia et de
quatre saquebutes.
Avant la fondation de l'dcole de Valdfcs dans laquelle, comme l'aura
notd le lecteur, la famille d'instruments k vent se trouvait au complet,
sans omettre une seule de ses parties, les mdnestrels dtaient utilises par
1} Nous savons tout cela par un inventaire de son tresorier et maitre de Chapelle
Roger Pat hie, et un dossier des comptes de la garderobe de la reine Marie
(Archives de Simancas, Contaduria mayor, lr* epoque, numero 1017).
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70 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVH> siecle.
les princes et magnats specialement durant les rejouissances du camaval:
«Les m&iestrels servaient dans la mascarade, dit un document du 4 Mars
1628: et il est clair que les princes et magnats de la cour les utilisant7
avec plus de raison Philippe IV pouvait apprecier leurs services, les met-
tant aux ordres de Calderdn et de Vingenieria th£atrale du royal sejoiir
de la zarzuela je suppose, quand en 1629 on joua pour la premiere fois
le Jardin de Fcderina.
Bares £taient les «joueurs de chirimias hautes*: pour les sopranos de
ce genre (de chirimia bien entendu) «il y a grande p6nurie», dit un
document de 1625, et cela se comprend, car, sans les chirimias hautes
qui s'harmonisaient avec les tenors de chirimias et basson, la partie aigue
de l'edifice sonore restait faible, uniquement reduite au cornet soprano ri.
Dans un autre document de date precise et d'emploi cit£ plus
haut, le maitre de la chambre de la Heine Marie de Hongrie, Roger Pa~
thie ddtaille divers instruments, les uns qui se donnfcrent et d'autres qui
furent vendus aux enchfcres publiques, parmi lesquels cinq violons d'arco
de braxo con sus arquiUos*) quelques orlos*) d'Allemagne, huit cor-
nets noirs, six cornets blancs, etc. Ce que nous entendons aujourdlmi
par violon £tait au XVII6 sifccle un instrument moderne en Espagne
(ce qu'on appelle moderne pour cette £poque comme tels autres qui
ne sont pas actuellement en usage) et Pedro Cerone, bergamasque le
signale en son *Melopeo y Maestro* imprim£ en 1613. Comme Cerone
passa beaucoup de temps k Madrid et assista frequemment aux soirees
et fetes que donnait en son palais le roi Philippe IV, on ne s'&onnera
pas, vu le caractfere intemperant de l'hote bergamasque qu' il s'exprime
en des termes que je citerai k titre archeologique: « Philippe IV est
trfcs passionn£ de musique et porte k octroyer places et prebendes fort
riches en Espagne aux chanteurs et musiciens», «musiciens de vie joyeuse*
ajoute-t-il avec le depit propre k celui qui desira sans l'obtenir une de
ces places et prebendes. En une autre partie de son livre il &ium£re
les «musiciens de vie lucrative* qui avaient place et appointement au pa-
lais: «joueurs de clavecin, guitare, luth, harpe, cornet, flftte, saquebute, vi-
huela, violon (dans le sens de basse de cordes) et meme violon et violaca
(grande viole). H faut noter cette Enumeration et accumulation d'ins-
1) Les cornets blancs ou noirs, comme on les appelait en Espagne selon la coulcur
du cuir dont on les recouvrait, droits ou tors, etaient des instruments de sonorite
douce et avantageuse pour doubler les voix ; le timbre propre de ces instruments elait, le
lecteur le comprendra, fort distinct de celui du clairon ou de la trompette.
2) Archet de bras avec leurs petits archets.
3) Orlos, petits instruments a vent tournes en crosse eta double languette. lis
correspondent a Tantique Krummom allemand et figuraient comme une variete
entre les anciens hautbois et basson. — On donnait aussi en Espagne le nom de orlos
a un registre d'orgue.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII® siecle. 71
truments, pour en d^duire par relation ce que pouvaient etre, en des cas ex-
traordinaires, sans doute, les orchestres qui ex£cutaient les musiques,
ainsi les appelait-on, ggnSriquement) au theatre calderonien.
Le violon, cependant, ne figure pas sur les listes officielles du per-
sonnel de la Chapelle Royale redig&s en 1608. En 1617 il y est fait
mention pour la premiere fois d'un certain Felipe Pichinini «joueur
d'instrument et chanteur (executant) de th6orbe», et en 1626 d'un «joueur
de vihuela*. La Chapelle Royale fut assez r^fractaire k Introduction de
ces elements sonores destines tot ou tard k donner le coup de grace k
la polyphonie liturgique et au culte technique de cette forme d'art. II
n'en fut pas de meme des magistfcres de chapelle divers de la nation,
qui les introduisirent vite et fatalement.
Mais k partir de 1633 (du moins c'est le plus ancien document que je
puisse citer) entre par nu£es k la chapelle royale, encore dirigee par le fa-
meux Mateo Romero (+ 1647), un groupe de «musiciens d'instruments* :
Melchor de Camargo et Martin de Ruego, bassons; Francisco
de Valdfcs (le futur fondateur de l'ecole de joueurs de chirimia), petit
basson; Lope Machado, Juvenardi et <autres joueurs de harpe»; Juan
de la Bastida et Enrique Boteler, joueurs de vihuela; Felipe del
Vado, Martin Gomez et «autres joueurs de violon (basse) et cornet*. Su-
bitement se produit en 1635 une veritable irruption de sept violonistes,
commandes par Florian Rey, parmi lesquels je mentionnerai Juan et
Felipe del Vado (bons compositeurs dont on possfcde des ceuvres), Este-
ban Limido, Juan dePavela, Eugenio de Heredia, etc. Quel mo-
ment, celui-lk! et quel personnel de noms fameux pour Fhistoire de la
musique en Espagne figure k la Chapelle Royale! Mateo Romero qui
arrive k la retraite, le gonial Carlos Patino entrant en pleine fonction
de maitre de chapelle, Francisco Clavijo etSebastien Martinez Verdugo,
sans oublier Juan Hidalgo, joueur de harpe et compositeur de genie
dont nous connaissons des ceuvres importantes.
Ces ldgfcres considerations suffisent pour etablir, par analogie, ce que
devaient etre les instrumentistes du theatre calderonien et comment ils exe-
cutaient secundum artem ces lettres mortes pour nous, les parties d'ac-
compagnement dcrites en leur temps sur des feuilles detach^es, lettres mor-
tes k tel point que meme la maigre notation de basse chiffr^e leur don-
ne plus Fapparence de mort que de vie, pour qui les contemple ou les
etudie et ne connait que les secrets de la notation graphique moderne.
«Ce que devaient etre» les musiciens de ce theatre, ai-je dit, et je Pai
dit parce que la qualification d'orchestre est inexacte pour parler de
telles musiques, simples groupements d'instruments parasites destines k
doubler les parties vocales et k renforcer la basse continue. Le veritable
orchestre arriva plus tard. Leur role dans le theatre calderonien, et, k
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72 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII* siecle.
peu prfcs, dans celui de toute cette epoque, fut r^duit k se grouper pour
faire entendre quelque ritournelle selon les besoins sc^niques, et, k
part cela, k donner un appui aux voix en doublant leurs parties res-
pectives.
Cette etude ne se termine pas ici, mais en un prochain travail, com-
plement de celui-ci, consacrd k l'£glogue pastorale La selva sin a?nor (La
foret sans amour) de Lope de Vega et, en meme temps, k tout ce qui
reste k dire sur la musique et les musiciens du theatre de Calder<5n.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol da XVII* riecle. 73
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74 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol dn XVII* siecle.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol dn XVD> siecle. 75
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76 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII* siecle.
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Felipe PedreJl, La Mnsique indigene dans le theatre espagnol du XVU> siecle. 77
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78 Felipe Pedrell, La Musiqne indigene dans le theatre espagnol da XVII* siecle
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82 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol da XVH> steelc.
das,
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VII.
Allegretto
Polifemo.
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Pe.re -
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VIII.
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Felipe Pedrell, La Muaique indigene dans Ie theatre etpagnol da XVJ1« siecle. go
IX.
Moderate
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Accomp.
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Moderato.
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Une voix.
Accomp.
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Solo el silencio tee . ti. go hade ser de mi tor.men . to. Amino
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84 Felipe PedreU, La Musiqne indigene dans le theatre espagnol dn XVD> siecle.
XI.
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Voix.
Accomp.
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Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol du XVII* siecle.
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86 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espaguol du XVII« siecle.
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Felipe Pedrell, La Masique indigeno dans le theatre espagno] du XVH> siecle. 87
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Andantino.
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88 Felipe Pedrell, La Musique indigene dans le theatre espagnol dn XVII* aiecle.
XVI.
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Voix.
Guitarre.
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Dizqueeraco.mou.ua nieveMa.rica la deBer.lin .
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Felipe Pedrell, La Mnriqne indigene dans le theatre espagnol du XVD> neck. 89
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Couplets.
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90 Felipe Pedrell, La Murique indigene dans le theatre espagnol du XVII* uecle.
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart. 91
Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit
und Gegenwart
von
Walter Niemann.
(Leipzig.)
I. Knrzer geschichtlicher Cberblick liber die schwedische Musikgeschichte
des 16.— 18. Jahrhnnderts1).
Ein musikalisch reicheres Leben entfaltete sich in Schweden erst unter
der Herrschaft der musikliebenden Vasa-Dynastie (16. Jahrhundert),
unter deren Vertretern sich besonders der ungluckliche Konig Erik aus-
zeichnete. Die Laute war in dieser Zeit, wie in ganz Europa, das bevor-
zugte Instrument. Der 30jahrige Krieg hatte fiir die weitere Ent-
wicklung der schwedischen Tonkunst insofern groBe Bedeutung, als er
Schweden zuerst in regen geistigen Verkehr mit den ubrigen europaischen
Kulturlandern brachte und eine lebhafte Einwanderung deutscher und
niederlandischer Musiker nach Schweden veranlaBte. Mit dem Tode
Karl's XII. jedoch, dessen Hof vollig nach franzosischen Vorbildern ein-
gerichtet war, losten nun endgiiltig franzosische Einfliisse die bisher
herrschenden deutsch -niederlandischen allmahlich immer mehr ab. Von
einer wirklichen musikalischen Bedeutung Schwedens kann man aber erst
nach dem Auftreten Anders Diiben's (etwa 1590 — 1662; >Pugna trium-
phalis* auf Gustav Adolf's Tod und anderes), eines geborenen Deutschen,
Hoforganisten und Organisten an der »Deutschen Kirche* in Stockholm,
1) Literatur fiir die 'altereZeit: Zu alteren [schwedischen] Kompendien ge-
horen: W. Bauck (1808—1877), Handbuch der Musikgeschichtc ;1862, 1867, 1888:
Abr. Mankell (1802—1868), Musikgeschichte ;3 Bande, 1864;; P. C. Boman, Ein
Blick auf die Tonkunst in Schweden (1857); A. Soubies, La musique scandinave
arant le XIX* Steele .Revue Mus., 18, 1); Ravn, Skandinavische Musik (Mendel-
ReiGm ami's Lexikon, Erg'anzungsband 1883, Seite 561 ff. , bis gegen 1880, deutsch);
ferner Marianne Ehrenstrom, Notices sur la litterature et des beaux-arts en Suedr,
II. Theatre et musique (1826,; Piscator, Historischer Uberblick iiber die schwedische
Musik unter Gustaf III. I860,; F. A. Dahlgren, Mitteilungen liber Stockholmer
Theater (1866); Ad. Lindgren, Schwedische Hofkapellmeister 1782—1882 (1882).
Eingehendes iiber die Entwicklung der schwedischen Musik der alten und alteren
Zeit bietet Tob. Norlind's Studie: Musikgeschichte Schwedens 1630 — 1730 in den
Sammelbanden der IMG. I, Seite 165 ff. (deutsch) und seine » Schwedische Musik-
geschichte*, Lund 1901, welches "Werk der vorliegenden Darstellung der alteren Zeit
zu Grunde gelegt wurdev Bibliographic bis zur Neuzeit: T. Norlind's
Kallorna till svenska musikens historia in >Svensk Musiktidning* 1901 schwedisch;.
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92 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Ge gen wart.
reden. Die Familie Dtiben stellte nun in Schweden fast wahrend des
ganzen 17. Jahrhunderts die vorzuglichsten Musiker. Den musikalischen
Gipfelpunkt erreichte die etwa die Jahre 1632 — 1718 umfassende »GroB-
machtszeit « (Storhetstid) Schwedens unter seinem Sohne Gustaf Diiben
dem Alteren (f 1690 , dem >Begrlinder der schwedischen Musik<
(Kompositionen, meist geistliche, aller Art1), besonders ein » Miserere* und
»Surrexit«). Dieser deutschen und italienischen Vorbildern folgende Meister
war als Komponist durch seinen lebbaften Verkehr mit Chr. Bernhardin
Hamburg, mitTunder und Buxtebude an St. Marien in Liibeck der erste
groBe Vermittler zwischen deutscher und schwedischer Musik
Er ist wohl am meisten bei uns als Sammler durcb seine in Upsala tUni-
versitats-Bibliothek) aufgefundene, 248 Kompositionen enthaltende hand-
schriftliche sogenannte Notbibliothek (*Motetti ed Concerti*, fiinf
Bande) bekannt geworden, der einst wichtigsten Fundgrube fur Tunder s
und Buxtehude's Kompositionen von kulturgeschichtlicher Bedeutung. Als
Liederkomponist muB ihm eine ahnliche Bedeutung fur Schweden zu-
gesprochen werden, wie Heinrich Albert ftir unser Vaterland (Odae
sreticae nach Sam. Columbus, 1674, Anweiser zur Tugend, 1687, und
andere Werke).
Dem Namen Diiben machten weiter groBe Ebre sein altester Sobn
Gustav (1659-1726) und dessen Bruder Anders (1673—1738), beide
wiederum Kapellmeister an der Hof kapelle, letzterer auch fleiBiger, wenn-
gleich durchaus hinter seinem Vater zuruckstehender Komponist (Hof-
ballett 1701, •Marche de Narva*, Klaviersachen).
Auch Pier Verdier's (um 1650) sich mehr an deutsche als an die
seit Gustaf Duben's Tod herrschenden franzosischen Muster anlehnendes
Wirken Suiten, Lamento und anderes) fiel in die Zeit der Konigin
Kristina und Karl's XII.
Ein bedeutender Musikgelehrter dieser Epoche lebte in Upsala: 01 of
Ruijbeck (geboren 1630). Seine bedeutendste Tat war die Herausgabe der
Musik zum »Alten Psalmbuch* (Oamla Psalmbok), 1695, mit Harald
Vallerius (1646 — 1716), dem scharfsinnigen Verfasser vieler musik-
theoretischer Schriften in lateinischer Sprache, in denen sich manche
wichtige Forschungen iiber die alte schwedische Volksmusik befinden. Der
letzte im Bunde neben C. Wallin war Joh. Arndt Bellman (1664
— 1709), der von deutschen Eltern stammende GroBvater des spater zu
erwahnenden > Troubadours* des 18. Jahrhunderts, Mich. Bellman, wah-
rend der beiden von Kristina an ihren Hof berufenen Auslander und
Bivalen, des Tonningers M. Meibom (Antiqitae musicae auctores septem^
und P. Bourdelot's Wirken an Wichtigkeit zunicktrat.
1; Einige Proben in Norlind's Studie >iehe oben.
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Yergangenheit und Gegenwart. 93
Der ersten Halfte der mit dem Tode Karl's XII. und der Regierung
Friedrich's I., spater Adolf Friedrich's beginnenden Bliitezeit der schwe-
(l^chen Stande und Ratsherren, der Freiheitszeit (1718—1772), gab
das Alles dominierende Wirken Joh. Helmich Roman's (1694 — 1767).
eines Schulers Handel's und Pepusch's, des groBten Komponisten auf
alien musikalischen Formgebieten, die Schweden iiberhaupt in der alteren
Zeit aufzuweisen hat, ein bedeutsames Relief. Den seit Gustaf Diiben's
des Alteren Tod iiberwiegenden franzosischen Einwiricungen gesellte sich
das unaufhaltsame Eindringen italienischer (Neapolitanische Oper, Graun,
italienisches Konzert und anderes) und deutsch-italienischer (Handel) Ein-
tiiisse zu, die durch zahlreiche Studienreisen der meisten nun folgenden
schwedischen Musiker in jene Lander und die, wie auch stets bisher,
vom Hofe ausgehende, aber bedeutend verfeinerte Musikpflege in Stock-
holm verstarkt wurden. Roman's Kompositionen erstrecken sich iiber alle
Formen und Gattungen, sein Bestes gab der Meister in seiner Kirchen-
iuusik (David's Psalmen, Schwedische Messe und anderes). Seine Gewohn-
heit, als erster alien seinen Vokalkompositionen ausschlieBlich schwedischen
Text zugrunde zu legen, alien fremdsprachigen stets eine schwedische
Ubersetzung beizufiigen, wurde von einschneidender Bedeutung fiir die
Zukunft und gibt uns das Recht, Roman den ersten groBen, von natio-
naien Motiven geleiteten Tonsetzer Schwedens zu nennen.
Die Bedeutung der drei ubrigen tiichtigen Instrumentalkomponisten,
Joh. Agrell's (* 1707, f 1765 in Nurnberg; Symphonien, 1725, Klavier-
musik), Dav. Kellner's (f 1748; Kirchenmusik, theoretische Schrift:
Treulicher Unterricht im GeneralbaB 1732) und Ferd. Zellbell's des
Alteren (* 1689; Ohoralbuch 1749;, trat hinter derjenigen Roman's weit
zuriick.
Unter Friedrich I., welcher 1753 eine franzosische Theatertruppe im
Stockholmer »Bollhuset« unter H. F. Johnsen spielen lieB, und unter
<einem Nachfolger Gustaf III., der im folgenden Jahre eine italienische
Truppe an den Hof berief, begann in dieser Epoche die erste Bliitezeit
der Stockholmer Oper, deren Komponisten Fr. Ant. Uttini1] (der be-
deutendste, 1723 — 1795; // re pastore, Thetis et Pelte [das Eroffnungs-
-tuck des 1773 von Gustaf III. gegriindeten Stockholmer Opernhauses],
Aline, Iphigenie und viele andere Opera) neben H. F. Johnsen (1717 —
1779; Acts e Galatea und viele andere Opern, Opernballetts, auBerdem
Kammermusik, 24 Oden, musiktheoretische Arbeiten, Choralbuch) und
Ferd. Zellbell der Jiingere (1717—1780; Opernballett »Svea'sHoch-
zeit* usw.) jedoch durchaus die Bahnen der zeitgenossischen franzosischen
1 Biographie Uttini's in A. LindgreiTs »Svenska Hofkapellmastare* >iehe
'•ben .
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94 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart.
und vor allem der italienisch-neapolitanischen Schule einschlugen, so daB
von irgend einer nationalen schwedischen Oper vor Hallstrom's Auf-
treten im 19. Jahrhundert noch keine Rede sein konnte.
Ein bedeutender Musikgelehrter dieser Epoche, Erik Burma n
(t 1729; lateinische musiktheoretische Schriften), lehrte gleich Vallerius
zu Upsala als Leiter eines Collegium musicum.
Die reichste musikalische Entwicklung der alteren Zeit erfuhr Schweden
in der nun einsetzenden Gustavianischen Zeit (1772 — 1809) unter der
Regierung Gustaf's III., eine Entwicklung, die besonders durch das Ein-
greifen mehrerer deutscher Meister in die dramatische Komposition
eine fiir die Zukunft sehr wichtige Wendung nahm. Der EinfluB deutscher
Kunst, namentlich Gluck's (spater auch des deutschen Singspieles!,
dessen Schule die meisten in Stockholm wirkenden deutschen Musiker
wie der Komponist von Klopstock's »Vater Unser«, J. G. Naumann1
(1741_1801; 1777—1883 mit Unterbrechungen in Stockholm; Amphion
1773, Cora e Alonxo [EinweihungsstUck des neuen Stockholmer Opern-
hauses, 1782', Gustav Vasa 1786, ein dem Stoffe — nicht der Musik
nach — schon zur schwedischen Nationaloper zu rechnendes, einst popu-
lares und seit 1882 wieder bekannt gewordenes Werk), Jos. M. Kraus2
(1756 — 1792; Proserpine 1781, Aneas in Karthago und andere Opern,
G. J. Vogler*) (von 1786—1791 in Stockholm; >Gustav Adolf och Ebba
Brahe* 1788 und andere Opern), Chr. Fr. Haeffner (1759—1833; seit
1780 in Stockholm; Elektra 1787, Alcides 1793, Renaud 1801 und andere
Opern) und Kr. Fr. Miiller (1752—1827) angehorten, nahm neben dem
sehr starken der zeitgenossischen franzosischen komischen Oper (Duni.
Gretry, Monsigny, Dalayrac, Philidor und andere) und italienisch-neapo-
litanischen Oper (wichtigster Vertreter in Schweden: Uttini) von nun an
standig zu. Keiner dieser Komponisten war jedoch ein Meister ersten
Ranges, ja, die Musik Naumann's, des damals angesehensten unter ihnen
in Schweden, zeigt sogar einen stark spieBbiirgerlichen Anstrich.
Der einzige dramatische Komponist schwedischer Abkunft in dieser
Epoche war der volkstumliche K.Stenborg4} (1752 — 1813; »Gustaf Adolf &
jakt* 1777, Gustaf Eriksson in Dalekarlien 1784 und andere Opern). Er
war zugleich der erste schwedische Musikdramatiker, welcher schwedische
Volksweisen in seinen Opern verwandte und hiermit als erster den TVeg
1 Deutsche Literatur iiber Naumann: MeiCner, Bruchstiicke zur Biographie
Naumanns 1803—1804, 2 Bande ; Biographien von G. H. v. Schubert ;1844 ; Emil
Naumann Allgemeine Deutsche Biographie^ M. J. Nestler .Dresden 1902..
2; Biographie Kraus' von Sam. Silfverstolpe (1833, schwedisch.
3 Biographien Vogler's von J. Frohlich ^1845,, H. Kunzel 1867,, K. E. v.
Schafh'autl .Augsburg. 1888, alle deutsch.
4 Biographie Stenborg's bei Crusenstolpe ;9iehe II, B, Anmerkung 1.
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart. 95
betrat, den Du Puy und Ran del weiter beschritten und der, wie wir
spater sehen werden, durch Hallstrom zur Schopfung einer nationalen
schwedischen Oper fiihren sollte. — Das von seinem Vater 1772 be-
griindete » Schwedische (Volks-)Theater« fuhrte Stenborg weiter, seit 1788
unter dem Namen der » Schwedischen komischen Oper* (Singspiele, fran-
zosische, italienische, schwedische komische Opern u. dergl).
Einen beachtenswerten Partner erhielt Stenborg in J. D. Zander
(f 1796) mit seinen zahlreichen, durch die franzosische komische Oper
beeinfluBten, heiteren Werken (K?%onofogdame 1787 und viele andere).
In der nichtdramatischen Komposition folgte man den Vorbildern
Gluck, Haydn und Mozart. Der Bach'sche EinfluB auf die ge-
samte schwedische Musik-Entwicklung blieb stets hinter dem Handel-
schen zurtick, nicht ebenfalls so der Beethoven'sche. Das gustavia-
nische Zeitalter schenkte Schweden drei Klassiker der Instrumental-
Musik: seinen ersten bedeutenden Symphoniker: J. M. Kraus (siehe
oben; fttnf Symphonien, auBerdem unter anderem seine -herrliche
Trauerkantate auf Ghistaf III. Tod, zahlreiche Kammermusik, Klavier-
sachen, weniger bedeutende Lieder), einen dem Ernsten, Mannlichen
zuneigenden Meister. Dieselbe geistige Richtung verfolgte Schwedens be-
deutendster Kammermusik -Komponist der klassischen Zeit und hervor-
ragender Kontrapunktiker, der Schiiler Johnsen's, Kraus' und VoglerV.
Joh. Wikmanson (1753 — 1800; drei Haydn gewidmete Streichquartette,
H-moll-Sonate und andere), und der dritte > Klassiker*, als welchen ihn
die Schweden ansprechen: Per Frigel (1750 — 1842; Hochzeitskantate
1795, Symphonie, Oratorium »Der Erloser auf dem 01berg« 1815 und
andere Werke), der sich auBer von Gluck, Haydn und Mozart auch
in ganz geringem MaBe von Bach beeinfluBt zeigte.
Das Lied des gustavianischen Zeitalters erwies sich als ganzlich vom
deutschen Singspiel mit Hiller und der Berliner Liederschule mit ihren
zahlreichen Kleinmeistem wie Schulz, Andre, Reichardt, Zelter
und anderen beeinfluBt und trug, wie alle Liedschopfungen dieser Schule,
einen durchaus volkstlimlichen, einfachen, jedoch musikalisch noch nicht
nationalen Oharakter. Der Liedklassiker dieser Epoche und Vorlaufer
der Bliitezeit des schwedischen Liedes im Anfang des 19. Jahrhunderts
war OlofAhlstrom (1756 — 1835 ;, zugleich ein unennudlicher Vorkampfer
fiir das zeitgenossische deutsche Lied und die deutsche Musik in Schweden
in seiner von ihm 1789 gegriindeten und bis 1834 fortgefiihrten Zeit-
8chrift »Musikalischer Zeitvertreib*. Das von ihm bis 1823 fort-
gesetzte Sammelwerk und wichtigste Denkmal dieser zielbewuBt verfolgten
volkstiimlichen Richtung im Liede hieB >Skaldenstiicke« (Skalde-
stycken satta i Mustek, 18 Bande; es enthalt neben Ahlstrom'schen Liedern
solche von Haeffner, Stenborg, Palm, Kraus, Zander und anderen).
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96 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart.
In alien diesen Liedern wurden ganz dieselben Tendenzen praktisch zum
Ausdruck gebracht wie in den Schopfungen der Berliner Liederschule.
AuBer zahlreichen, popular gewordenen Liedern komponierte Ahlstrom
einige Schauspielmusiken, eine Kantate 1808 und gab eine Klavierschule
sowie ein Choralbuch 1832 heraus. Den groBten Ruhm genieBt er jedoch
als Aufzeicliner und Herausgeber der Bellman'schen Gresange.
Einen gleichgesinnten Nachfolger fand Ahlstrom bald in Joh. Fr.
Palm (1753 — 1821), wahrend der groBe schwedische » Troubadour* oder
>Nationalskalde« des 18. Jahrhunderts und originelle Reprasentant des
schwedischen Gesellschaftsliedes jener Zeit, K. Mich. Bellman') (1740
— 1795), diese volkstiimliche Richtung in eigenartiger, einziger Weise
fortfiihrte. Er legte namlich — man denke an Sperontes' >Singende
Muse an der PleiBe* (1736 — 45)! — eigenen schwedischen Dichtungen
die verschiedensten und damals beliebtesten Melodien der franzosischen
Chansons, aber auch solche der Deutschen, Italiener, Englander, auch
schwedische, danische, deutsche und andere Volksweisen, Tanzstiicke und
anderes mit groBtem kiinstlerischem Feingefiihl in einer Weise unter,
daB Text und Melodie eine wirklich ideal zu nennende Verbindung ein-
gingen. Bellman's Lebenswerk hat Ahlstrom2) nach seinen Vortragen
aufgezeichnet und als »Fredmans Epistlar och Sanger* 1790 bis 1795
(Neuauflage von Drake) der Nachwelt aufbewahrt. Neuerdings sind
Bellman's Weisen durch Sven Scholander's heitere Kunst wieder iiber-
aus warm aufgenommen worden.
II. Das 19. Jahrhundert in der schwedischen Tonkunst.
A. Einiges iiber das schwedische Volkslied.
Man kann die schwedische Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts in
zwei groBe Epochen teilen: in das etwa die erste Halfte des Jahrhun-
derts umfassende »Zeitalter der Vokalkomposition und der Fremd-
herrschaft in der Oper« und in das >Zeitalter der Romantik
und nationalen Oper«. Das letztere laBt sich, demGebrauch unserer
geschichtlichen Werke entsprechend, wieder in eine Schule der Jklassi-
zistischen) Romantik, welche etwa die Jahre 1850—1880 umfaBt,
und in eine solche der Neu romantik bis zur Gegenwart teilen.
Das >Zeitalter der Vokalkomposition* leitet die auBerordentlich
wichtige, den Grundstein zur nationalen Schule bildende Bewegung
derSammlung und Neuausgabe des alten schwedischen Volks-
1) Zur wichtigsten Literatur liber Bellman gehoren: Joh. Flodmark, Der Ur-
sprung der Melodien Bellman's, 1882, in der »Svensk Musik Tidningc; AdolfLind-
gren, Die Musik Bellman's, Musikalische Studien, Stockholm 1896 alles schwedisch).
2) Biographie von A. A. Afzelius, Stockholm 1867 (schwedisch).
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W. Niemann, Die sehwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit and Gegemwart. 97
liedorschatze8 ein, eine gleichzeitig in D&nemark (Berggreen und
andere) und Norwegen (Lindeman und andere) ein6etzende, durch Bell-
man vorbereitete Bewegung, die sich an die Namen A. A. Afzelius
(1785—1871), E. G. Geijer (1783—1847) und ihre Mitarbeiter (»Schwe-
dische Volksweisen*, 3-bandige Ausgabe von 1814 — 1816, Neuausgabe
1880 von Bergstrom und Hoijer), an die Namen Haeffner (1759 —
1833), Olof Ahlstrom (1756—1835), A. J. Arwidson, endlich R. Dy-
beck, K. E. Sodling kniipft1). Die alten Volksweisen wurden der
Gegenstand nicht nur der Neuausgabe und geschmackvollen Bearbeitung,
sondern auch der eingehenden wissenschaftlichen Untersuchung, Verglei-
chung usw. Als eine Art SchluBstein dieser Jahrzehnte hindurch sich
fortsetzenden Bewegung kann man die alle Sammelausgaben beriicksich-
tigenden und kritisch beleuchtenden >Studien uber die schwedischen
Volksmelodien* Karl Valentin's (Leipzig 1885) ansehen2).
An der Hand dieses kleinen, wichtigen Werkes wird es niitzlich sein,
wenn wir mit ganz kurzen Strichen das "Wesen des schwedischen
Voflcsliedes zeichnen.
Die schwedischen Volksweisen bevorzugen, ihrem tiberwiegend melan-
cholischen Charakter entsprechend, die Molltonarten. Ihr Stimmungs-
kreis bewegt sich zwischen einer stillen, stets- von leichter Melancholic
gesattigten Beschaulichkeit und kraftigen, aber selten ausgelassenen
Lebenslust. Die Melancholie uberwiegt, doch ist sie nicht so tiefernst
und zur Schwermut geneigt, wie es viele norwegische Volksweisen kiinden;
aber auch ihre Beschaulichkeit ist nicht bis zur lieblichen, beinahe hei-
teren Ruhe abgedampft, wie es uns viele danische Weisen lehren. An-
mut und eine zarte Erotik sind Ztige, die in fast alien schwedischen
Liedern wiederkehren. Die vielen guten oder bosen Pabelwesen der Edda,
die Elf en, die Trolls, alle Geister der Luft und Erde, die sich aus
heidnischen Zeiten iiber das Christentum hiniiber in dem Texte vieler
Weisen gerettet haben, verkiinden ihren teilweise uralten Ursprung.
Kirchentonarten als weitere Zeugen dieses zum Teil alten Ursprungs
sind ebenfalls vertreten, iiben aber auch nicht anniihernd dieselbe Herr-
schaft wie zum Beispiel in den norwegischen Volksweisen aus. Die
Formen der Lieder sind auBerst mannigfaltig und stets durch den Text
1) Die wichtigsten Neuausgaben auGer der grofien Geijer-Afzelius'schen sind fol-
gende: Vierstimmige Bearbeitungen alter achwedischer Volkslieder durch Haeffner
(1832 — 1833, zwei Hefte); Ahlstrom -Afzelius: »Traditioner af svenska folkvisorc
(1814), Arwids son's »Svenska forns&ngerc (1834-1842, drei Teile), Dybeck's
>Schwedische Weisen* (1847—1848, zwei Teile), »Schwedische Volksweisen* (1863—1856)
und andere.
2) Als eine Art Anfang die 'alteste schwedische Musikgeschichte, Hulpher'a
»Histor. Af handling om Musik ooh instrumenter*, Westeras 1773. .
s. d. L M. v. 7
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98 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart
bedingt. Eine besondere Eigentiimlichkeit besitzen sie in haufigen Er-
weiterungen einer Periode in der Mitte oder am Ende, welche durch
einen Binnen- oder SchluBrefrain des Textes hervorgerufen werden.
Sie beginnen fast alle mit einem, das Quarten-Intervall bevorzugenden
Auftakt und stehen meist im graden Takt. Die Modulationen und
Gliederungen innerhalb der "Weisen bewegen sich in den einfachsten
Grenzen. Als Beispiel ihrer Melodik mag der Anfang der »Varmlands-
visa« (»0 "Wermeland, du schones, gesegnetes Land«), eines der herr-
lichsten Volkslieder der Welt, dienen:
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Eine besonders fiir Schweden charakteristische Abart der Volksweisen
bilden die fiir jede Provinz an Rhythmus, Form usw. verschiedenen Tanz-
lieder, »Polska« genannt, die, jiingerer Herkunft, durchaus das moderne
Tongeschlecht Dur und Moll, und zwar mit Vorliebe das erstere, auf-
weisen und in ihrer lebhaften, feinen Melodik und Rhythmik mit zum
Schonsten der skandinavischen Volksmusik gehoren2). Sie stehen meist
1) Vorlage: »Nordlandsweisen« (Kleinmichel, bei Senff) Seite 38.
2) A. P. Berggreen, der groCe danische Forscher der skandinavischen Volksmusik,
macht auf den engen Zusammenhang zwischen Sprachaccent und Melodiebildung in
den skandinavischen Volksweisen aufmerksam und stellt in treffender Weise die zackige,
springende, lebhafte Melodiefuhrung der norwegischen, die wellenformige, ruhigere
der schwedischen, die ruhige, gerade fortschreitende der danischen Weisen gra-
phisch folgendermafien dar: /wwv^ ' gsss»s» |' — — — |. Das trifft in den
xneisten Fallen zu, die Tanzlieder wird man freilich gleich davon ausnehmen mussen.
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart. 99
im 3/4 Takt. Gewohnlich bei offentlichen Festlichkeiten, Hochzeiten vor-
getragen, zeigen sie besonders in der schwedischen Provinz Dalekarlien
die reichste Ausbildung. Hier ein Beispiel ihrer Mazurka ahnlichen Rhyth-
mik und Melodik:
Asp&kero polska1).
Munter.
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Zu den im Ausland bekanntesten gehort wohl die »Neckens Polska*.
Die Polska ist nicht einheimischen Ursprungs, sondern wurde im
17. Jahrhundert aus Polen, unter dem Namen Polonessa (Polonaise) in
den schwedischen Tabulaturbiichern zuerst vorkommend, nach Schweden
eingeftthrt2). In der norwegischen Musik findet sie ein ahnliches Gegen-
stiick im »Springtanz«. An den BaBquinten sehen wir zugleich, daB
ebenso wie die alten Instrumente der Hardangerfele, Langeleg usw. auf
die norwegischen Volksweisen, hier ebenfalls die alten nationalen In-
strumente (Bourdons, Nyckelharpa [noch im 17. Jahrhundert gebrauchlich]
usw.) auf die Gestaltung dieser Tanzlieder, zu denen also wirklich ge-
sungen wird, einwirkten. Dasselbe gilt von den wiederum fiir die ein-
zelnen Provinzen verschiedenen, und, wie die Volkslieder, von Klima und
der in Schweden so unendlich verschiedenen Natur abhangigen (instru-
mentalen) Tanzmelodien.
1) Vergleiche den Liedercyklus »Ur Fridolins Lustgard< von W. Peterson-
Berger, Heft 1, Seite 19.
2) Vergleiche Lindgren, »Ur Svenska Musikens Hafder<, Seite 137.
7*
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100 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart.
B. Das 19. Jahrhundert bis zum Ende der Romantik1).
Am Anfange des 19. Jahrhunderts beginnt, machtig durch die Er-
gebnisse dieser Bewegung gesteigert, eine geradezu einzige, iiberquellend
reiche Liedproduktion, eine Bliitezeit der Vokalkomposition, die
Schweden, »das Land , des Gesanges«, nie wieder erreicht hat. Es ist
unmoglich, auf die einzelnen Komponisten und ihre verschiedenen Indivi-
dualitaten einzugehen. Die wichtigsten Namen miissen genugen. Auf dem
Gebiete des begleiteten Sololiedes ragen besonders J. F. Haeffner
(* 1759 in Thiiringen, f 1833), B. Cruse 11 (* 1775 in Finnland, f 1838],
J. E. Nordblom (1788—1848), E. G. Geijer (1783—1847), Ad. Fr.
Lindblad (1801—1879), J. A. Josephson (1818—1880), G. Wenrier-
berg (1817-1901). Ivar Hallstrom (1826—1901) und J. J. Dann-
strom (1812—1897) hervor.
Von dieser ganzen langen Reihe sind in Deutschland eigentlich nur
Lindblad's2), des » schwedischen Schubert «, herrliche, von tiefer Naturliebe
durchzogenen, weichen Gesange hauptsachlich durch die Kunst Jenny
Lind's (1820—1887) in weiteren Kreisen bekannt geworden, aber die
reichen Liedergaben der ubrigen Kleinmeister verdienten es nicht minder
zu werden. Hallstrom's geschichtliche Bedeutung liegt, so schone, Tom
schwedischen Volkston beeinfluBte Lieder er geschaffen, doch auf dem
Gebiet der Oper, wie wir weiter unten sehen werden. Haeffner, Crusell
und Nordblom sind die Meister des alteren schwedischen Liedes mit
seinen kleinen, gedrangten Formen und der Behandlung des Klaviers
als rein nebensiichliches, kaum iiber das Anschlagen von Akkorden
herauskommendes Hiilfs-Instrument. Haeffner3) und Crusell wahlen ihre
Texte gern aus dem vaterlandischen Sagenkreise, Crusell ist der Leib-
komponist Tegner's, des groBten schwedischen Dichters. Deutsche
Einflusse zeigen die beiden ersten Meister, aber Crusell bleibt von diesen
dreien der innerlichste. Geijer, der Klassiker des alteren schwedischen
Liedes, ist einer der wenigen schwedischen »Dichterkomponisten«. Jo-
sephson4) der Elegiker dieser Tondichtergruppe und Komponist des
1) Wichtigste Literatur: T. NorlincTa »Svensk Musikhistoria « (siehe oben),
A. Lindgren's >Ur Svenska Musikens H'afder* [in K. Valentin^ »Allgemeiner
Musikgeschichte* (1900)1, desselben » Svenska hofkapellmastare* (siehe oben), »Mosik.
Studier<, Stockholm 1896, » Svenska tonkunstn'aret [Svensk Musiktidning 1897],
M. J. Crusenstolpe's »Medaljonger och statyettert, Stockholm 1882, A. Blanche's
»Minnesl)ildert, Stockholm 1872, A. Soubies1 >Histoire de la musique danoise et
su6doise< (Paris, Flammarion), Behrend-Panum's »Allgemeine Musikgeschichte*
(Kopenhagen, Nordischer Verlag; danischer Text, 1903,1.
2) Vergleiche Geijer's Ges. Schrift., 1874; R. Nyblom, Biogr., 1882; in »Svea«
1879 (Josephson).
3) Vergleiche C. F. Forfiman, J. Chr. Fr. Haeffner (1872).
4) Vergleiche N. P. Odm an, Aus dem Leben eines schwedischen Tonsetzers
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit and Qegenwark 101
schwedischen Nationalliedes >V4rt landc (1853), zeigt den starksten Ein-
fluB der oben erwahnten, groBen nationalen Bewegung, da er den Volks-
ton vielleicht am besten von alien zu treffen weiB. Das Studium in
Deutschland bei Hauptmann und Gade hat, wie so oft bei auslandischen
Musikern, keinen giinstigen EinfluB auf die weitere Entwickelung seiner
Individuality gehabt. Seine Tonsprache ist, wie die beinahe zur Sen-
timentalitat neigende Hallstrom's, eine iiberwiegend weicbe und zarte.
Mit Josephson und Norman beginnt die Einwirkung deutscher Bomantik,
besonders Schumann's, auf die schwedische Musik in groBerem MaBstabe
sichtbar zu werden. Den kraftigen Grundton vertritt Wennerberg's Muse,
der sich in der Behandlung der Form und Klavierbegleitung wieder den
alteren Traditionen zuneigt, aber in seiner wunderbaren Duettensammlung
»Gluntarne«, einer genialen Studenten-Schilderung (1849 — 1851), unsterb-
lich bleibt. Die Texte zu seinen Vokalwerken verfafite er selbst.
Hand in Hand mit der Blute des schwedischen Sololiedes geht eine
gleichf alls reiche Entf altung der Ohorkomposition und zwar besonders
des Mannerchores, dessen groBte Bltitezeit jedoch ungefahr mit dem
Jahre 1840, mit dem reformatorischen Auftreten Lindblad's in Stid-
schweden an der Universitat Lund, Wennerberg's in Nordschweden
an der Universitat Upsala, einsetzt. In Upsala waren Ende des 18. Jahr-
hunderts die ersten Studentenchore unter Direktion Samuel Od man's,
spater Haeffner's, in Lund unter Leitung Sven Lov^n's, spater Otto
Lindblad's i) (1809—1864,, urn 1820 gegriindet worden. Diese Ver-
einigungen bilden noch jetzt einen der wichtigsten Faktoren im schwe-
dischen Musikleben, und ihre groBe Leistungsfahigkeit ist auf ihren
Kunstreisen ins Ausland langst erprobt Auch Wennerberg2) (»Hor oss
Sveac, »Sti stark, du ljusets riddarvakt« und andere) und Josephson
(»Bing8 drapa«, >Stjarnorna tindra r'en« und andere) wirkten kurze
Zeit hindurch als Leiter dieser Manner-Gesangvereine ; die Geschichte der
schwedischen Mannerchore ist im wesentlichen eine Geschichte der
schwedischen Studenten-Gesangvereine. Von Mannern treten auBer den
bereits erwahnten noch Arrhen von Kapfelman (1790 — 1851), Tull-
berg (1796—1853), Udd^n (1799—1868), Cronhamn (1803—1875),
nach 1840 Prinz Gustav (1827—1852), N. P. Moller (1803—1860),
C. J. 0. Laurin (1813—1853), Fr. A. Frieberg (* 1822), ja selbst
Studenten als Komponisten hervor. Lindblad und Wennerberg reprasen-
[Josephson] (1885—1886) und K. Valentin, J. A. Josephson (>Svensk Musiktidningc,
20, Nr. 1); in »Svea« 1881, 1884 (P. Odman).
1) O. Lindblad ist der Komponist des schwedischen Nationalliedes >Ur svenska
hjartans djup« (1844). Biographie von Q-. A. Fenk, Lund 1882.
2} IJber Wennerberg: »Svensk Mus. Tidn.« 21, Nr. 10, 13; A. Lindblad und
Wennerberg: 21, Nr. 15.
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102 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart.
tieren zugleich den Siiden und Norden Schwedens in ihrer Tonsprache:
Die des ersten weich, zart und melancholisch, die des anderen grofi,
kraftvoll und voll ungestiimer Energie.
Die Instrumentalmusik trat in der ganzen ersten Halfte des 19. Jahr-
hunderts auBerordentlich hinter dieser Hochblute des Liedes zuriick. In
der Oper, deren Zentrum das Stockholmer Hoftheater bildete, herrschte
zwar ein recht reges Leben, aber sie besaB keinerlei nationale Bedeu-
tung. Waren schon in friiheren Zeiten Deutsche und Italiener von
groBem, bestimmendem EinfluB auf die Entwickelung der schwedischen
Instrumentalmusik und Oper gewesen (ich erinnere unter anderen an
die bereits naher charakterisierten Meister G. Dtiben, Kraus, Uttini,
Vogler, besonders an Gr. Naumann), so war dies auch jetzt wieder
der Fall1;. Von 1812 an war Mozart, zuerst mit der >Zauberflote«,
in Schweden eingezogen. Den franzosischen EinfluB, besonders Me-
hul's, vertritt nun der bedeutendste Musikdramatiker Schwedens im ersten
Viertel des 19. Jahrhunderts Ed. Du Puy2) (1771 — 1822, »Ungdom
och Galskap* 1806 und andere), der bereits schwache Versuche machte,
den schwedischen Volkston in die Oper zu verpflanzen. Seine Vor-
ganger Haeffner, J. N. Eggert (1780—1813), J. H. Kuster (f 1842),
alle drei Deutsche von Greburt, haben als Opern - Komponisten keine
tiefereBedeutung. Dasselbe gilt vonDuPuy'sNachfolger: J. F. Berwald3)
(1787 — 1861). Im Jahre 1848 beginnt der durch einjahrigen Aufent-
halt einer italienischen Opern-Truppe in Stockholm hervorgerufene
Italiener -Kultus in Schweden. Als Hofkapellmeister und bedeuten-
der, sudlandische und deutschklassische Elemente in seinen Opern
verschmelzender Komponist wirkt Jac. Foroni4) (1825 — 1858) in Stock-
holm (>Oristina di Suecia«, Operette, »Advokaten Pathelinc). Von
nun an bis zu Hallstrom's Auftreten streiten Deutsche und Schwe-
den um die Vorherrschaft. Eine groBere Bedeutung als Musikdramatiker
besitzen von ihnen Ed. Brendler (1800—1831, >Spastaras dod«), J. N.
Ahlstrom (1805—1856, »Ringaren i Notre-Dame<), A. Randel (1806
1) Noch heute, wo die Schweden, wie wir weiter nnten sehen werden, eine natio-
nale Oper besitzen, gehoren, abgesehen von Auffuhrungen Mozart'scher, Weber'scher,
Beethoven'8cher usw. Werke, gcrade die Franzosen und Italiener Auber, Gounod,
Thomas, Bizet, Rossini, Donizetti, Verdi, die neuitalienischen Veristen zu den bevor-
zugtesten des Stockholmer Publikums. Eine ahnliche Erscheinung also wie augen-
blicklich in RuBland. Vergleiche A. Lindgren, »Ur Svenska Musikens Hafder<,
Seite 145.
2) Biographien Du Puy's von C. Palmstedt, Stockholm 1866; A. Buntzen
in »Ord och Bild«, 1902. Heft 4.
3) Biographie Berwald's in Lindgren's >Svenska Hofkapellmastarec (siehe
oben).
4) Biographie Foroni's in Lindgren 'b >Svenska Hofkapellmastare t (siehe oben).
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit and Gtagenwart 103
bis 1864, »Vaxmlandingarnet), eine geringere A. Lindblad (Rom. Oper
»Frondorerna«), J. H. Berens (1826—1880), Saloman (1816—1899,
»Diamantkorset«}> Der schon in geringerem MaBe von Du Puy, in aus-
gedehnterem MaBe von Handel unternommene Versuch, den schwedischen
Volkston auf die Biihne zu verpflanzen, wird von Ivar Hallstrom
(1826—1901) bewuBt zum Prinzip erhoben. So tritt die entscheidende
Wendung in der schwedischen Operngeschichte des 19. Jahrhunderts ein :
Hallstrom wird der Begriinder der nationalen, schwedischen
Oper (Erstes Werk »Herzog Magnus* [1867], wichtigstes »Der Berg-
konig« i) [1874], auch > Vikingerfahrt* [1877], >Per Svinaherde* [1887]
und andere), obwohl keine dieser, ihrem Stil nach gleichwohl
f ranzosischen Opern, die sich unter andern P. A. Olander (»Blenda«)
zum Muster nahm, der mangelnden dramatischen GrroBe und Individuali-
st halber sich dauernd halten konnte. — Die bedeutendsten Kirchen-
komponisten dieser alteren Periode sind Grustav Mankell (1812 — 1880,
Orgel) und J. E. Gille (1814-1880; Oratorien).
Um 1850 beginnt sich ein entscheidender Umschwung in der Ent-
wickelung der schwedischen Musik geltend zu machen. Ungefahr um
diese Zeit tritt sie namlich in eine von der vorigen ganz verschiedene
Periode, in das Zeitalter der Romantik ein. Man kann es fur
Schweden von der Riickkehr Ludwig Norman's und Alb. Rubenson's
an aus Deutschland, dem Lande ihrer Studien, datieren. Als Vorlaufer
dieser beiden Romantiker muB Franz Berwald2), der Neffe unseres
oben erwahnten Johann Friedrich B., angesehen werden (Oper: »Estrella
di Soria«).
Wie ich am Eingang dieses Abschnittes schon erwahnte, kann man
das Zeitalter der schwedischen Romantik zugleich ein solches der Instru-
mentalmusik nennen. Man warf sich in ihm mit verdoppeltem Eifer auf
die lange vernachlassigten groBen Formen der Symphonic, Ouvertiire,
der Kammermusik usw. Die Polyphonie, die motivische Durchfuhrung
und kontrapunktische Arbeit, alles Begriffe, deren praktische Bedeutung
kaum etwas gegolten hatten, wurden in ihre Rechte eingesetzt. Eine feine
und abwechselungsreiche Harmonik begann sich von nun an der beinahe
alleinherrschenden Melodik der friiheren Jahrzehnte nebenzuordnen.
Freilich waren diese beiden Romantiker Norman und Rubenson keine
allzu starken Melodiker. Besonders fur Schumann, Mendelssohn und
Grade hatten sie sich wahrend ihrer Leipziger Studienjahre begeistert
und suchten diesen Meistern Eingang in Schweden zu verschaffen, was
1) Auch in Deutschland (Miinchen, Hamburg) und Kopenhagen aufgefuhrt. Uber
Hallstrom vergleiche >Svensk Mus. Tidn.c 21, Nr. 8.
2) * 1796 in Stockholm, Schuler Du Puy's, + 1868 daselbst. Biographie in A.
Lindgren's > Musik. Studien « (siehe oben).
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104 W. Niemann, Die schwedisohe Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart.
ihnen urn so leichter gelang, als sie selbst in ihrer Musik den Einwirkungen
jener Romantiker nicht batten entgehen konnen.
Ihnen gegeniiber fallt die Bedeutung Fr. Berwald's als der Vor-
laufer in ihren, auch theoretisch in schwedischen Fachzeitschriften offentr
lich formulierten Ideen nicht in demselben MaBe ins Gewicht. Doch
genjeBt sein Hauptwerk, die »G-moll-Symphonie s6rieusec (1843) noch
gegenwartig in Schweden unbedingte Creltung. Auch sind sein unter Ein-
wirkung des Beethoven'schen geschaffenes Septett (1828), sein »Elflek«,
seine »Erinnerung an die norwegischen Alpen«, das Chorwerk »Gustav
Adolf bei Liitzen* und einiges aus seiner Kammermusik ihrer schonen
Erfindung und ganz auBergewohnlichen Formvollendung halber noch
durchaus nicht vergessen.
Den im Gegensatz zu der alteren, franzosischen und italienischen
Mustern folgenden Oper Schwedens unverkennbaren deutschen Gesamt-
charakter der alteren schwedischen Instrumentalmusik weisen am aus-
gepragtesten die Werke der beiden ersten Romantiker Rubenson und
Norman auf. Von diesen beiden Komponisten zeigt der erstere deut-
lichen EinfluB Mendelssohn's und besonders Gade's, der letztere dagegen
neben leise bemerklichen Mendelssohn'schen sehr starke Schumann'sche
Einwirkungen.
Wahrend Alb. Rubenson1) bei uns in Deutschland so gut wie un-
bekannt geblieben ist, obwohl seine Hauptwerke, eine C-dur Symphonie
(1859), die Musik zu »En Nat mellem Fjeldene (1858), zu Bjornson's
>Halte Hulda« (1865), die Ouvertiire zu » Julius Caesar* (1869), der
Kreuzfahrersang, Orchestersuite, Streichquartett, Lieder auch eine ein-
gehende Beachtung yerdienten, ist uns Norman wenigstens in seinen
zahlreichen Klavierstucken kein Fremder geblieben.
Ludv. Norman2) ist Idylliker und wohl das feinste musikalische, rein
lyrische Talent, das Schweden je hervorbrachte. Er ist ein schwedischer
Dickens der Musik. Seine Kompositionen (Verzeichnis von J. Bagge,
Stockholm 1886) zeichnen sich weniger durch iiberwaltigende Melodie-
kraft, als entziickende Detailarbeit und Kleinmalerei aus. Zugleich sind
sie in ihrer Anmut, in ihrer stillen, leicht melancholischen Beschaulichkeit
als typisch schwedische zu betrachten. Er ist in seiner Art ein Tondichter,
das beweisen vielleicht seine kleinen, formvollendeten, voll reizender und
1) * 1826 in Stockholm, Schiiler Hauptmann's, Grade's und David's in Leipzig,
HofkapellmeiBter in Stockholm und Musikschriftsteller, sp'ater Inspektor der Stock-
holmer Musik- Akademie, + 1901 in Stockholm. Vergleiche »Svensk Mus. Tidn.« 1901.
2) * 1831 in Stockholm, Schiiler von Hauptmann, Moscheles, Bietz in Leipzig,
vorher von Lindblad und van Boom, seit 1858 KompositionBlehrer an der Musik-
Akademie, sp'ater Hofkapellmeister an der Oper, daneben Musikschriftsteller, f 1885,
Biographie in Lindgrens's »Svenska Hofkapellmastare« (siehe oben).
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W. Niemann, Die sohwedische T onkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart. 105
sinniger Feinheiten in Rhythmik und Kontrapunktik steckenden Klavier-
sachen (»Reisebilder« n. v. a.) mit ihrem wie aus Silberfaden gesponnenen,
durchsichtigen Klaviersatze am kldrsten. AuBer diesen seien yon groBeren
Werken noch 3 Symphonien, einige Ouvertiiren (Torkel Knutsson,
AntoniusundKleopatra),Kammermusik? mehrere Ghorwerke, das »Konzert-
stiick« fiir Klavier und Orchester und zahlreiche, schone Lieder (»Skogs-
sanger«, »Mandestraler« u. a), Sonaten usw. hervorgehoben. Auch als
Musikschriftsteller gelangte Norman zu groBem Ansehen.
Ihren Hdhepunkt erreicht die schwedische Romantik mit dem Auf-
treten Joh. Aug. Soderman's1), des groBten, schwedischen Balladen-
komponis^en. In Deutschland ist von seinen Kompositioneri leider kaum
mehr als der allerliebste »Hochzeitsmarsch« (Broliopsmarsch) aus der
Musik zu >die Hochzeit in Ulfasa« (1865) bekannt geworden. In diesem
Stiick tritt gleichwohl die eine Seite seiner geschichtlichen Bedeutung,
die absolute Herrschaft liber den meisterlich getroffenen schwedischen
Volkston in seinen "Werken, zu Tage. Die andre Seite ist noch wichtiger:
er wandte bewuBt die aus dem Wirken der beiden vorangehenden in-
strumentalen Romantiker sich ergebenden kiinstlerischen Resultate auf
die Balladen- und iibrige Vokalkomposition an und wurde so zum groBen
Reformator des schwedischen Liedes. Soderman erfiillte die alten
Gesangsformen mit neuem, reichem dramatischen Leben und stellte
die mit psychologischer Feinheit und "Wahrheit behandelte instrumentale
Begleitung der Vokalpartie als gleichberechtigten, erganzenden Faktor
zur Seite, also ein schon durchaus moderner und hochst origineller Kunstler.
Auch seine wertvollen Schauspielmusiken zu >Fiesco«, >Jungfrau von
Orleans*, »Peer Gynt«, »Marsk Stigs dottrar*, » Richard m«, eine Messe,
dieberuhmte Chorkomposition »Bauernhochzeit«, sein »Tannhauserc (1856),
und viele andre Chore und Lieder, vor allem aber seine Solo-Balladen wie
»Kvarnruinen« (1857), »Der schwarze Ritter« (1874), seine Ohor-Balladen,
und unter diesen die beiden vollendetsten »Die Wallfahrt nach Kevlaar*
und >Hjartesorg« (1870), sind im hochsten Grade beachtenswert
Diesen markantesten Vertretern der schwedischen Romantik lassen
sich noch eine Reihe weniger hervortretender Kiinstler anreihen, die, ob-
wohl ihre Lebenszeit noch zum Teil in die moderne, neuromantische Pe-
riode hineinreicht, doch ihrem kiinstlerischen Fiihlen und Denken naoh
nicht als Neuromantiker angesprochen werden konnen.
Da ist zunachst ein liebenswiirdiger Vertreter der Klaviermusik:
1) * 1832 in Stockholm, Schiiler Richter's und Rietz's in Leipzig, 1860 Chor-
direktor, spater zweiter Kapellmeister am Koniglichen Theater in Stockholm, + 1876
daselbst. — Yergleiche A. Lindgren, » Soderman' s Manascriptsamling«, Svensk Mus.
Tidn. 1888/1889; Biographie Sbderman's von L.. Norman (»Svensk Mus. Tidn.« 1882,
Nr. 25), ferner in »Svea«, 1877.
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106 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart.
J. Ad. Hagg1). Seine dem Sinnigen, Zarten zugewandte Muse vereint
Schumann'sche und starke Mendelssohn'sche Einflusse mit angeborenen
Formsinn und der Kunst minutioser Kleinarbeit. Die kleinen, ja kleinsten,
gleich dem Finnlander E. Mielck etwas akademisch behandelten Formen
liegen ihm (vergleiche sein >Album«) besonders, obwohl er unter anderem
auch 2 Klaviersonaten, eine >Nordische Symphonie* und Lieder schrieb.
Ebenfalls durchaus der Slteren Richtung, besonders Mendelssohn, zu-
getan zeigt sich Aug. Korling2), dessen Lieder, namentlich »WeiBe
Rosen*, »Abendstimmung« usw. neben Mannerchoren, gemischten Choren
(»Sten Sture«, »Hatunaleken« u. a.) in Schweden sehr bekannt wurden,
jedoch nicht immer den notigen Adel in der Melodik aufweisen.
Ala weitere, zum Teil sehr tiichtige und zur Neuromantik iiberleitende Nach-
ziigler der groGen Gesangsbliite der alteren Zeit seien im Zeitalter der Romantik noch
folgende genannt:
Aug. M. Myrberg(* 1825, Gesangsdirigent; »Konig Hakes Tod«, >Skordefesten«,
Klavier- und Kammermusik) , Dr. Vilh. Svedbom3) (* 1843, Sekretar der Musik-
akademie; spater Konservatoriumsdirektor; Chore, zum Beispiel >I roseng&rden«, Lie-
der, Quartetts, Klaviersachen usw.), J- Hedenblad (* 1861, Dirigent des Studenten-
Gesangvereins zu Upsala und Universitats-Musikdirektor; Chore, viele Manner-chore,
Lieder, Kammer- und Orchestermusik), Dr. Karl Valentin (* 1853, Musikhistoriker
in Stockholm; Kantaten, Festouverture, Lieder, Klavier- und ViolinBtucke). Als Kir-
chenkomponisten wirken Wilh. Kendahl (* 1848), G. W. Heintze (1849-1895),
J. Lindegren (* 1842), w'ahrend der bedeutende Tenorsauger Fr. Arlberg (* 1830,
i 1896; zahlreiche Lieder, »Sten Sture*, symphonische Dichtung >I skogen«) sich
besonders als Gesangspadagoge auszeichnete. Yon Vermittlern zwischen der alteren
Zeit (Hallstrom) und neuen Zeit in der Oper (Hallen) seien Henneberg (* 1853),
v. Heland (* 1843), Kjellander (* 1859), Lewerth (1818-1888), Jacobson
(* 1835). die sich in der Mehrzahl dem Sing spiel zuwandten, namhaft gemacht. —
Von Instrumentalkomponisten dieser romantischen Period e seien noch genannt: A. An-
ders son (* 1845, Violoncell-Lehrer am Stockholmer Konservatorium), Jos. Dente
(* 1838, Hofkapellmei8ter, Kompositionslehrer am Konservatorium ; Musik zur Operette
>In Marokkoc, Symphonie, Ouverture, Kammermusiksachen, Lieder usw.), Bystrom
(* 1821) [Symphoniker]*), C. Nordquist (* 1840, Hofkapellmeister) , R. Andersson
(* 1851), A. V. Bergenson (* 1848), beides Klavierkomponisten.
III. Die jungs chwedische Tonschule im 19. Jahrhundert.
Strindberg, die Lagerlof, Geijerstam, Hansson, Heidenstam, wegen
seiner Unerschopflichkeit vielleicht auch Hedenstjerna, das sind Namen
1) * 1850 auf Gotland, Schiiler J. van Boom's in Stockholm, Gade's in Kopen-
hagen, den er schwarmerisch verehrte (vergleiche G. Hetsch, »J. Ad. Hagg und sein
Verhaltnis zu N. W. Gadec , Leipzig , Fr. Hofmeister, 1903) , spater Kiel's in Berlin,
viel auf Reisen, lange Zeit durch schwere Nervenkrankheit am Schaffen verhindert.
2) * 1842, seit 1866 Musiklehrer und Organist in Ystad.
3) Vergleiche »Svcnsk Mus. Tidn.c 21, Nr. 18.
4) Vergleiche »Svensk Mus. Tidn.« 22, Nr. 1.
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Yergangenheit und Gegenwart. 107
der modernen schwedischen Literatur, die auch bei uns einen guten
Klang haben. Nicht minder einschneidende Bedeutung haben Per* Hall-
strom, die Lyriker Hedberg, Karlfeldt, Troding, die Rust Roest fiir ihre
Heimat. Schwedens Literatur geht heute seit den Zeiten Tegnfo's einer
zweiten Blutezeit entgegen. Auch die Malerei der Gegenwart hat sich
die Devise »Heimatkunst« gestellt, obwohl hier die bedeutendsten mo-
dernen Vertreter Zorn, Liljefors, Larsson bei uns recht wenig bekannt
geworden sind. Fragen wir uns, welcher Teil Schwedens an diesem
geistigen Aufschwung vorzugsweise beteiligt ist, so erhalten wir von einem
der bedeutendsten Vertreter der modernen schwedischen Tonkunst die
schone Antwort: »Es ist der nordschwedische Geist, mit seinem Ideal
von Gresundheit, Kraft, Heiterkeit, sonniger Klarheit, Farbenfreude,
Einfachheit und Straffheit der Formen, der jetzt anfangt, das schwedische
Volksgemut wieder einmal — nach halbhundertjahriger Zwischenzeit —
und in tieferer und geistigerer "Weise wie jemals zuvor zu beleben1).*
Dieser geistige Aufschwung Schwedens aber gilt nicht nur fiir Litera-
tur und Malerei, sondern in nicht geringerem Grade auch fiir die Ton-
kunst. Die Hauptbedeutung der skandinavischen Schule kniipft sich
freilich an die Namen: J. P. E. Hartmann, Gade und Grieg.
Trotzdem ist ihre Entwicklung gerade in letzter Zeit eine bemerkenswert
reiche geworden, ja, ein Zweig derselben, die finnische Schule, hat erst
in jiingster Zeit unter Sibelius und Jarnef elt ihren Gipfelpunkt erreicht.
Die jungschwedische Schule ist nur ein Teil der groBen jung-
skandinavischen. Sie lauft also gleich dieser mit der neudeutschen
Schule parallel und wird ebenfalls von den geistigen Fiihrern
der letzteren, Wagner und Liszt, beeinfluBt2). Diese — ganz
wie bei uns — hauptsachlich nach der hannonischen Seite hin bemerk-
liche Einwirkung wird um so starker, je weiter wir nach Osten kommen;
sie ist daher in der finnischen und schwedischen Tonkunst am deutlich-
sten zu 8piiren. Wiederum ganz wie bei uns pravaliert der Wagner'sche
EinfluB durchaus vor dem Liszt'schen. In Schweden ist eigentlich nur
Halldn dem Liszt'schen EinfluB in groBerem MaBstabe unterlegen.
Die besonders nach der technischen Seite, der Instrumentation usw.
bemerklichen Einwirkungen der franzosischen Schule der Pro-
1) Ich bin wohl der freundlichen Erlaubnis Petorson-Berger's sicher, seine eigenen
Worte ans einem Briefe vom 14. April 1903 an mich hier anzufiihren.
2) Diese Einwirkungen erklaren sich schon anfierlich ganz natiirlich, wenn man
bedenkt, wie die schwedischen Komponisten seit den Tagen der Romantik in Deutsch-
land ihren Studien oblagen. Vergleiche spater die biographischen Notizen. — Welche
Unkenntnis schwedischer Musikentwicklung aber in Deutschland herrscht, ist be-
schamend! Noch heute kann man's erleben, dafi deutsche Herausgeber skandinavischer
Musik kein schwedisches Stuck zu bringen wissen, ein finnisches aber noch weniger!
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108 W. Niemann, t)ie schwedische Tonkunat, ibre Vergangenheit und-Gegenwart.
gramm-Musik, insbesondere die ihres Begrliiiders Berlioz, auf die
Musik; wird man, wie in der jungskandinavischen, so auch in der jung-
schwedischen Schule nicht zu hoch veranschlagen diirfen. Sie steht auch
darin wieder im Gegensatz zur jungrussischen Schule, in welcher dieiser
EinfluB seit Glinka sich stets mehr oder weniger lebendig gehalten hat,
sodaB man bei einzelnen ihrer modernen Vertreter, zum Beispiel bei Cui,
fast von halben Franzosen reden konnte.
In einem im Gegensatze dazu teilweise rechfc bedeutendem MaBe
sind aber in der ganzen neuskandinavischen Tonkunst neben dem domi-
nierenden EinfluB der neudeutschen Schule noch die Spuren deutscher
Roman tiker zu verfolgen; der klassizistischen Nachziigler sind gerade
hier, und am meisten wieder in Danemark und Schweden, noch genug.
Es sind natiirlich ihre geistigen Fiihrer Schumann, Mendelssohn und
der groBte danische Roman tiker Gade, deren Einwirkungfcn sich selbst
ein Teil der Jungschweden noch nicht vollig entziehen kann, sodaB man
auch hier ganz gut von einer geistigen Unterstromung mit mehr retro-
spektiven Tendenzen in den Tagen der Neuromantik reden kann, die
besonders bei einigen auf dem Gebiete der Kleinkunst tatigen Kompo-
nisten hervortritt. Der Dritte im romantischen Dreigestirn, Chopin, hat
als durchaus slavischer Komponist auf die ganze skandinavische Tonkunst
hochstens auf dem Gebiete der Klavierkomposition nur einige, aber ganz
verschwindend geringe Spuren hinterlassen.
Wie die ganze neuskandinavische, so zeigt auch die jungschwedische
Kunst eine entschiedene Tendenz zur Heimatkunst und ist auf
demselben Boden, dem der Volksmusik, des Volksliedes, erwachsen.
Aber da ist's mit dem Gemeinsamen freilich schon zu Ende. Ursprung
und Wesen des Volksliedes ist bei den einzelnen nordischen Volksgruppen
verschieden. Das schwedische Volkslied bedient sich, wie wir spater
sehen werden, des abendlandischen Tonsy stems, und nur verhaltnis-
maBig gering sind hier die Spuren des musikalischen Mittelalters und
seiner hervorstechendsten Eigenttimlichkeit, des Reiches der Kirchentone,
bemerklich. Wahrend dasselbe von alien, den deutschen sich am meisten
nahernden danischen Volksweisen gilt, zeigen die norwegischen und
finnischen dagegen die Herrschaft eines fremden Tonsystems und stehen
uns aus diesem Grunde weit fremder gegeniiber.
Die jungschwedische Schule zeigt ferner, wie alle neuskandinavischen
Schulen, durchaus keinen Reichtum an Musikdramatikern — eine
Erscheinung, die in genau demselben MaBe ja auch auf Deutschland
zutrifft. Schwedens erste musikdramatische Blutezeit unter Haeffner,
Du Puy, Randel und dem Begrlinder einer Nationaloper, Hallstrom, ist
voriiber. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daB sie augenblicklich unter
Hallen, Peterson-Berger und Stenhammar einer zweiten, rein na-
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart. 109
tionalen entgegengefiihrt wird, einer Erscheinung, die parallel mit der
jiingsten musikdramatischen Entwicklung in Danemark (Enna, Niel-
sen) und Norwegen (Schjelderup) geht. Auch die Symphoniker sind
in Schweden sehr sparlich gesiiet.
Mit den iibrigen modernen skandinavischen Schulen teilt die jung-
schwedische *den gleichen Stimmungskreis ihrer Tonschopfungen, die
in der iiberwiegenden Mehrzahl durchaus der Stimmungsmusik angehoren.
Auch die Starke der jungschwedischen Schule liegt weniger in der musik-
dramatischen oder programmatischen Komposition, als in der gerade
die Kleinkunst mit Vorliebe aufsuchenden Stimmungsmusik. Ihr
Stimmungsinhalt aber ist zum sehr groBen Teile die alien skandinavi-
schen Schulen gemeinsame Stimmung der Mclancholie. Eine Melan-
cholie in alien und in den f einst differenzierten Abstufungen ! Die schwe-
dische Tonkunst steht, wie es uns schon die schwedischen Volksweisen
lehren, etwa in der Mitte zwischen der ernsten, schwermUtigen norwegi-
schen, der mehr lieblichen, hellen oder nur leise elegischen danischen
und der Marchen-Kunst der Pinnlander, und tragt so den: Oharakter
einer mildernsten, sanften Wehmut.
Aber nicht nur mit dem Volke und den sein Leid und Freud ktin-
denden Volksweisen, sondern auch mit der heimischen Natur steht die
gesamte moderne, skandinavische Tonkunst in enger Beruhrung. Die
Liebe zur Natur, das Naturgefiihl ist daher auch ein ausgepragter
Zug aller jungschwedischen Musik, deren Schopfungen auf vokalem,
aber auch iiberwiegend auf instrumentalem Gebiete, den der ganzen
schwedischen Tonkunst von jeher eigenen melodischen Grundcharak-
ter aufweisen. Wie dem Volksliede, so driickt auch der nordischen
Kunstmuaik das Wesen der Natur und des Volkes seinen Stempel auf.
So ist auch aus diesem Grunde die Musik Danemarks, des Landes einer
lieblichen Natur, eine helle, zarte, in der Melancholie nur die Tone feiner,
grauer Dammerungs-Stimmungen anschlagende. So ist die Musik Nor-
wegens, des Landes einer diisteren, erdriickend groBartigen Natur, eine
ernste, tiefmelancholische, auch iiber ihre heiteren Schopfungen den
Schleier einer stillen Traurigkeit ausbreitende. Auch die so unendlich
verschiedene schwedische Natur — man denke an die getreidereichen
Ebenen Schonens, die herrlichen Gegenden am Wenern- und Wettern-
see, an die diistere Trostlosigkeit Bohuslans, Samlands, die unge-
heuren, stromreichen Waldprovinzen des Nordens — weist der ihre
Schonheiten widerstrahlenden schwedischen Musik die Mitte zwischen der
Tonkunst dieser ebenerwahnten Lander an: sie ist also eine Kunst der
Beschaulichkeit, Lieblichkeit und zarten, triiumerischen Melancholie in
alien Schattierungen bis zum Ausdruck einer ruhigen, zufriedenen Lebens^
freude und gesunden, kraftigen Lebenslust.
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110 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Yergangenheit und Gegenwart.
Endlich konnen wir der jungschwedischen, wie der ganzen neuskan-
dinavischen Tonschule, einen Vorzug zusprechen, den sie mit den modernen
Tonschulen aller Lander teilt: einen fein entwickelten Klangsinn.
Wie unter den Danen Grade mit seiner unnachahmlich gedampften,
f einen Farbenpalette, ferner Mailing und Enna, wie in Norwegen
Grieg, Svendsen, in Finnland Sibelius, Jarnefelt, so wollen mir
in Schweden Hallen, Stenhammar, Alfvdn und Peterson-Berger
als die Kunstler erscheinen, bei denen die koloristische Begabung am
meisten ausgepragt ist. Kiinstlerisch herbe Naturen ahnlich unserem
Brahms undDraeseke,— Meister, deren GroBe und geschichtliche Bedeutung
nun einmal nicht in der Virtuositat des Hervorrufens sinnlich schoner
Klangwirkungen besteht — , findet man unter den Jungskandinaviern nur
ganz auBerordentlich selten. »Nordisch herbe «, wie gedankenlos und
f alsch !
Auch die jungschwedische Schule zeigt das Uberwiegen der In-
strumentalkomposition in der skandinavischen Neuromantik. Dies
wird der weiter folgende, kurze geschichtliche Uberblick noch deutlicher
machen. Sie tritt hierin im Gegensatz zur neudeutschen Schule, die ja
auBer dem Meister des modernen deutschen Liedes, Hugo Wolf,
eine ziemliche Anzahl spezifischer Liedtalente aufweist und noch durch-
aus im Zeichen der Liedbliite steht. Dagegen gibt es in der jungschwe-
dischen Schule keine Komponisten von Bedeutung, die sich ausschlieB-
lich dem einstimmigen Liede zugewandt haben. Dasselbe ist seitKaja-
nus in Finnland, weniger ausgepragt in Danemark und Norwegen der
Fall, obwohl auch hier auBer Grieg spezifische Liedtalente, wie Heise
beziehungsweise Kjerulf, augenblicklich fehlen.
Auch sind Tonsetzer, die ihre ganze Kraft fast oder ganz ausschlieB-
lich der Chorkomposition widmen, in der jungschwedischen, ja in der
ganzen neuskandinavischen Schule recht selten anzutreffen. Nur He den-
blad und Widmen in Schweden, Fabricius und Barnekow in Dane-
mark, Genatz und Faltin in Finnland machen hiervon in gewissem
Sinne eine Ausnahme. Das Zeitalter schwedischer Romantik und Neu-
romantik wird daher — halten wir dies zunachst fest — ein Zeitalter
der Instrumental-Komposition genannt werden konnen.
Wollen wir noch eine auBere Eigenschaft erwahnen, welche die
jungschwedische Schule mit den iibrigen modernen skandinavischen ver-
bindet, so ware es die Tatsache, daB sich das musikalische Leben
Schwedens in der Hauptstadt — Stockholm — zentralisiert.
Das war seit Alters her so, auch in den iibrigen nordischen Reichen.
So sind auch Kopenhagen fur Danemark, Helsingfors fur Finnland fiir
die jungskandinavische Kunst das, was Paris fiir die jungfranzosische
Schule bedeutet: das beinahe alles absorbierende Zentrum der Tonkunst
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit and Gegenwart. XI 1
des betreffenden Landes, in dem auch zum weitaus iiberwiegenden Teile
die schaffenden Kiinstler sitzen. Nur Norwegens groBter Komponist,
Grieg, zieht Bergen und Deutschland der Hauptstadt Christiania vor.
Dieses gewaltige musikalische Ubergewicht der Eesidenzen findet sich in
der anderen groBen Gruppe nordischer Musik, der jungrussischen Schule,
nicht vor, ergibt sich aber direkt aus der allgemeinen geistigen Bedeutung
jener Hauptstadte in den stadtearmen nordischen Reichen.
Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts tritt wieder eine wichtige
Wendung in der schwedischen Musikentwicklung ein. Von 1872 an1)
erobern sich Wagner's Werke sicher, wenngleich sehr langsam und
durchaus nicht ohne heftigen Widerspruch , die schwedischen Btihnen,
eine Bewegung, die erst 1887 nach dem Durchdringen der »Meistersinger«
mit dem Siege Wagner's endigt In den achtziger Jahren ersteht den
Schweden ein heimischer Komponist, der die Wagner'schen Ideen zuerst
praktisch in seinen Werken verwertet. Es ist Andreas Hallen, der
erste bedeutende Vertreter der schwedischen Neuromantik.
A. Hallen , * 1846 in Gothenburg , Schiiler des Leipziger Konservatoriums (Rei-
necke), Rietz's und Rheinberger's bis 1871, Diligent des Gothenburger Musikvereins
bis 1878, Gesanglehrer und Musikschriftsteller in Berlin bis 1881, Kapellmeister der
von ihm gegriindeten Stockholmer Philharmonischen Gesellschaft 1884—1895, von 1892
an enter Kapellmeister der Stockholmer Oper, deren neues Geb'aude 1898 eroffnet
wurde.
HallSn ist der fruchtbarste Reprasentant der modernen, schwedischen
Nationaloper.
Seine erste Oper war > Harold der Viking* (1881 Leipzig, 1884 Stockholm), die
nicht ungeteilten Anklang fand. Ihr folgten >Hexfallanc (1896), > Valdemarskattcnt 2)
(1899) und bis heute noch >Walborgsmassa« (1900/1901), die zunehmend den nationalen
Ton scharfer anschlagen. Unter seinen, von Liszt beeinnuGten symphonischen Dich-
tungen seien >Aus der Waldemarssage« , >Aus der Gustav-Vasa-Sage< (1896), >Die
Toteninseh u. a., auCerdem zwei schwedische Ehapsodien (op. 17, 23), die Chorwerke:
•Styrbjorn Starket , >Vom Pagen und der Konigstochtert , >Traumkonig und sein
Lieb>, >Das Schlofi im Meer<, >Das Ahrenfeld< u. a., sowie zahlreiche schwedische
und deutsche Lieder genannt.
Es lebt etwas von der diistren, kraftvollen Natur seiner scharenum-
giirteten Heimatprovinz Bohuslan in Hallen's3) knapper, gedrungener al-
fresco -Tonsprache. Er versteht sich auf gewaltige, schwere Orchester-
Effekte,und ein groBer, leidenschaftlicherZug geht durch seine klangschonen
1) Also eben so spat wie in RuCland, das gleichfalls vor Anfang der siebziger
Jahre gar nichts von "Wagner wuCte oder kannte. (Vergleiche R. Newmarch, >Ba-
lakireff<, Sammelbande der IMG. IV, 1, Seite 157.)
2) Behandelt die Eroberung Visby's durch Waldemar Atterdag, seinerzeit als Fest-
spiel in einer Kirchenruine Visby's aufgefiihrt.
3) Biographie Hallen's in >Svensk Mus. Tidn.<, 1897. '
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112 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart.
Werke, der es vergessen macht, daB ihm eine ausgepragt individuelle
Tonsprache nicht immer verliehen ist. Wie stark die harmonische usw.
Beeinflussung durch Wagner bei ihm ist, moge ein Vergleich der folgen-
den Anfangstakte des Vorspiels zum >Schatz des Waldemar« mit dem
zum »Rheingold« beweisen, die aber trotzdem (vgl. *) ins Skandinavische
ubersetzt sind:
Andante molto sostcnuto J = 63. Nach dem Klavierauszug bei Lundquist,
(Stockholm). " h.
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Andrerseits, welch* warme, groBe und echt nationale Kantilenen-
Bildung ist ihm wieder eigen! Das mogen einige Takte, die eine der
herrlichsten Eingebungen seiner Muse bedeuten, naher erkliiren:
Lento. (Nach dem Klavierauszug bei Lundquist, Stockholm).
> Waldemarskat -
tent (III.) (Bitte
des Abts und
Biirgermeisters {
Visbys an Konig
Waldemar um
Sclionung des
Klosters).
£=!£
=•**■
an
gjfejyiif^pjffftTft
1) Diese drei Noten, meist in verlangerten Werten, bilden ein fur Hallen unge-
mein charakteristisches, uberall wiederkehrendes Motivteilchen.
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart. 113
a^WNji
ZZZl
Jedenfalls bekundet jede Seite seiner Opern einen geborenen Drama-
tiker. Besonders »Waldemarskatten«, seine schonste, herrliche Partien
aufweisende Oper, in der er einen Ausgleich zwischen altem und neuem
Stile versucbt, etwa wie Goldmark im >Heimchen am Herd* *), bietet die
beste Gelegenheit, seine Individuality nach alien Seiten kennen zu lemen.
Wirklich originell bleibt Hallen stets in den kurzen, selbstandigen
Orchesterstucken in Marsch- und Tanzform, die durchaus volkstiimlicb
empfunden sind. Dahin gehoren als beste Beispiele : der iiberaus originelle
>Waldemarsdans< aus >Waldemarskatten«, der Einzug der Ratsherren
aus dem 1. Akt der »Walborgsmassa«. Seine spezielle Begabung fur das
Diistere, Unbeimliche bekunden die kurzen Aktvorspiele gerade in diesen
letzten Opern am besten. In der Polyphonie ist Hallen nicht sonderlich
stark, dagegen ein Meister moderner, glanzender Instrumentation. Im
Ganzen genommen, zeigt aber seine Musik noch ein Schwanken zwischen
Wagner'scher Harmonik, leitmotivischem Aufbau usw., und schwedischem
Volkston2). Der fiir die Skandinavier nach der harmonischen Seite
kaum gliickliche Wagner'sche EinfluB hat bei Hallen zwar den gewiihlten,
leider meist in wenig wertvoller Art bearbeiteten, altnordischen Stoffen nach,
aber nicht immer seiner Musik nach erne rein nationale Oper gezeitigt.
Neben Hallen, dem bedeutenden, yon Wagner und Liszt am stilrksten
beeinfluBten Begriinder und Fiihrer der schwedischen Neuromantiker,
muB auf dem Gebiete der Kammer-, Klavier- und Vokalmusik Emil
Sjogren (spr. Schogren) als gleichbedeutend gestellt werden, Schwedens
groBter moderner Romanzen-Komponist3).
E. Sjogren, * 1853 in Stockholm, Schiiler des dortigen Konservatoriums, Kiel's
and Hanpt's in Berlin, seit 1891 Organist an St. Johannis in Stockholm.
Seine Kunst ist wie die Hallen's auf den Ton der Energie, Leiden-
schaft, Mannlichkeit und gesunden Kraft gestimmt. Er versteht sich auf
1) Ad. Lindgren in »Musik in Stockholm* (Zeitschrift der LNIG. II, 1, Seite 11;..
2) Wie ausgezeichnet sich Hallen auf den schwedischen Volkston versteht, dafiir
fcefern die »Hexenerz*ahlung« Pater Kunos in der »Walborgsmassa* (I. Akt), die sich
zn direktem Anklang an die Varmlandsvisa versteigt, und der herrliche Gesang Avas
•Die Nacht entflieht< (Waldemarskatten, IV), vielleicht die schonsten Beispiele.
3) Vergleiche Hel. Nyblom, in »Ord och Bild«, 181)4.
S. d. I. M. V. 8
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114 W. Niemann. Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart
farbenprachtige, durch einen klanggesattigten Klaviersatz gehobene, warme
Klangwirkungen, weniger dagegen auf die Kunst der motivischen Aus-
legung. Seine Harmonik ist reich und kiihn, aber haufig durch Bizarrerie
und nervose Unrast getriibt. Grieg'sche Einfliisse in der Harmonik,
Schumann'sche in der Rhythmik1), des Orgelstiles in der Stimmfiihrung
sind unverkennbar. Einen eignen Zug zeigen die sich durch machtige
Steigerungen gewaltig in die Hohe aufbauenden Codas seiner Kammer-
musikwerke. Zu seinen Schwachen gehort die Lust am Wiederholen
einzelner Perioden und die eigensinnige Fortfiihrung widersetzlicher Akkord-
folgen, zu seinen groBen Vorziigen ein keckes Darauflosgehen und feines
Naturgefiihl.
Die Krone seiner Schopfungen bilden seine herrlichen Klaviercyklen >Auf der
Wanderschaftt , >Erotikon<, die »Novelletten«, >Stimmungen<, einiges aus seinen drei
"Violinsonaten, vor all em aber neben Orgelsachen, dem > Bacchanal*, der >Johannes-
kantate< usw., seine zahlreichen Lieder, die, wie >Der Vogt von Tenneberg«, »Sieben
spanische Lieder*, »Tannhau8erlieder<, zum wertvollsten der schwedischen Lyrik iiber-
haupt zahlen2}.
Das schwedische Volkslied hat auch ihn wie alle Neuromantiker dieses
Landes beeinfluBt. So laBt er geradezu einmal 3) im Basse die >St. Valentins
Kleckor (Glocken)* auftreten. Auch bei Sjogren finden wir wie bei Aulin
hier und da leise Spuren, die auf die Jungitaliener und ihren > Blender*
Mascagni weisen4).
Der dritte im Bunde der schwedischen Neuromantik ist Wilhelm
Stenhammar6), zugleich der bedeutendste schwedische Klaviervirtuose
der Neuzeit.
W. Stenhammar, * 1871 in Stockholm, Schiiler R. Andersson's, Sjogren's, Dente'a
nnd Hallen's, von 1892-1893 Barth's in Berlin, 1898— 1899 Dirigent der Stockholmer
Philharmonischen Gesellschaffc, 1900 — 1901 zweiter Opernkapellmeister, Sohn des be-
sonders durch sein Oratorium »Saul und David c und seine Lieder bekannten P. U.
Stenhammar (1829—1875), Mitglied des Aulin-Quartetts.
Seine Opern >Tirfing« (1898) und die in Stuttgart (1899) zuerst auf-
gefiihrte »Hochzeit auf Solhaug* (nach Ibsen), welche samtlich auBer-
ordentlich stark von Wagner beeinfluBt sind, haben sich nicht dauernd
halten konnen. Die Bedeutung Stenhammar's liegt vielmehr auf dem
Gebiete der Klavier-, Kammermusik, der Orchester-Ballade und des Liedes.
Sein B-moll Klavierkonzert, op. 1 (1894) gehort neben dem Grieg'schen
1) Vergleiche zum Bcispiel Novellette Nr. IV aus op. 16 mit Schumann's »Fa-
schings8chwankc .
2) Einige seiner schonsten Klavierstucke und Lieder wurden von Tor Aulin (siehe
unten) fiir Orchester iibertragen.
3) In der »Abendstimmung« aus op. 16.
4) "Violinsonate op. 19, Hauptthema des Andante.
5) Biographie Stenhammar's in »Svensk Mus. Tidn.«, 1897.
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart. HB
zu den aUerbedeutendsten skandinavischen Beitragen fiir dieses Gebiet.
Seine Klayiersonate op. 12 (As-dur) und die >Drei Phantasiestuckec op. 11
sind nicht minder selbstandige Emanationen eines glanzenden Talentes.
Zu seinen besten Werken gehoren ferner die groBeren Chorwerke:
>Prinses8an och svennen* (1892), >Einweihungskantate zur Eroffnung der
Stockholmer Ausstellung* (1897), »Snofridc (Dichtg. von Eydberg, op. 5),
die Ballade mit Orchester »Florez och Banzeflorc, op. 3, sowie drei wert-
volle Streichquartette und mehrere Liederhefte, unter denen op. 10 und
op. 16 die schonsten Nummern enthalten. Was Stenhammar's Werke so
uberaus anziehend macht, ist die Jugendfrische und Warme, die sie alle
durchstromt und uns auch iiber weniger selbstandige, durch Schumann'sche
und sehr starke Wagner'sche Einfliisse an Originalitat einbiiBende Partien
hinwegzutauschen vermag, nicht zum wenigsten aber auch ihr harmonischer
Reichtum und ihre auBerordentliche Klangschonheit. In der Plastik der
Melodiefuhrung und Pragnanz der Gedanken wird Stenhammar freilich
weit von Hall^n iibertroffen. Sein Bestes gibt er vielleicht in rein lyri-
schen Stimmungen, fur die er oft Tone hinreiBender Schonheit zu er-
finden weiB. Er iibertrifft dagegen Hall^n in der Herrschaft iiber die
freie, Wagner'sche Orchester-Polyphonie, einem reichen , feinen Leben
der neben- und untergeordneten Stimmen des Orchester-Korpers.
Geringe Spuren Grieg'schen Einflusses sind, wie bei fast alien neu-
skandinavischen Komponisten, so auch bei Stenhammar hier und dolt
wahrzunehmen, daneben solche von Brahms in seiner Kammermusik.
Der vierte markante Vertreter der jungschwedischen Schule ist Wilh.
Peterson-Berger1). Er zahlt als einer der bedeutendsten unter die
sparlich gesaeten Musikdramatiker Schwedens. Dem dramatischen Fest-
spiel >Sveagaldrar« (Sveas Zauberspriiche, 1897) folgte 1902 das Mar-
chenspiel »das Gliick* (Dornroschen Sage), sowie das Musikdrama >Ran«
[1903), Werke, deren Dichtungen er selbst verfaBte. Da mir diese
musikdramatischen Arbeiten noch nicht vorliegen, muB ich mir eine
eingehende Wiirdigung des Tondichters als Musikdramatiker fiir spater
versparen. Aber er ist nicht minder auch im kleinen groB und eigen,
in seinen Liedern, Klaviersachen usw. Hier stellt es sich heraus,
daB er den Einfliissen zweier deutschen Meister, Mozart und Wagner2),
nicht ganz entgangen ist. Seine Eigenart liegt in der Verschmelzung
Wagner'scherHarmonik und Kompositions-Technik mit schwe-
1) * 1867 in Angermanland , Schuler J. Dente's, 0. Bolander's in Stockholm,
£. Kretz8chmer'8 und H. Scholz' in Dresden, Komponist und temperamentvoller Musik-
schrifteteller in Stockholm aeit 1894, vorher in Umea und Dresden.
2) Sein zielbewufites Eintreten fur diesen Meister in Schweden betatigte er unter
anderem auch dnrch eine Answahl aus dessen Schriften in schwedischer IJbersotzung
1901).
8*
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116 W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart
dischem Volkston. In der Kleinkunst weist er die schonsten Momente
als herzlich und warm redender Lyriker auf und vertritt das weiche,
manchmal leicht melancholische, aber iiberwiegend sonnige und ruhige
Element in der schwedischen Neuromantik. G-eich Mozart liebt er die Be-
vorzugung des GesangsmaBigen, der Kantabilitat in der Themenbildung.
Der EinfluB dieses Meisters zeigt sich am deutlichsten in einigen Partien
seiner E-moll Violinsonate (1887). Von seinen zahlreichen, wunder-
schonen Liedersammlungen neigen sich die auf deutsche Texte kompo-
nierten (Gresange nach Nietzsche) mehr der Wagner'schen Tonsprache,
die tiefempfundenen schwedischen (»XJr Fridolins Lustgardc, >Svensk
Lyrik«, >Ur en Karlekssaga* usw.), bedeutende Leistungen, dem natio-
nalen Volkstone zu. Neben Mannerchoren und vielen anderen Werken
mochte ich neben den »Tonmalereien», >Sex Latar* besonders sein »Lyri-
sches Album* (Auswahl aus den >Pr6soblumen*, 1896 — 1901) als eine
kostliche Perle der schwedischen Klavierliteratur bezeichnen1). Die in
Schweden beriihmte Anmut der G-egend (Froso im Storsjo, Prov. Iamt-
land), deren Einwirkungen sie wohl ihre Schopfung verdanken, spiegelt
sich in diesen entziickendeh Stiickchen wieder, in denen die reiche, feine
Harmonik des feinsinnigen Tondichters besondere Triumphe feiert.
Der einzige Symphoniker der schwedischen Neuromantik ist Hugo
Alfven2), dessen zwei Symphonien (F-moll, 1897; D-dur, 1899) groBe
Hoffnungen erwecken.
Von anderen Tonschopfungen seien eine Violinsonate (1896), eine Jahrhundert-
feier-Kantate, Lieder nnd Mannerchore, »Die Glockent (zwei Sologesange mit Or-
chester), viele wertvolle Lieder, ein Trinmphmarsch (op. 10) , »Scharenbilder€ (op. 17),
>Lyrische Stimmungen* (op. 8j u. a. besonders hervorgehoben.
Alfven besitzt eine auBergewohnliche kontrapunktische Begabung. Er
laBt starke Einfliisse Brahms', Bach's und der Neudeutschen gewahren
und vermag eine groBe Kraft der Stimmung zu entfalten, zeigt aber,
und leider gerade am meisten in seinen Symphonien, stellenweise einen
ziemlichen Mangel an plastischer Empfindungskraft, in der er sich eben-
sowenig wie Stenhammar mit Hallen und den ubrigen Jungschweden
zu messen vermag. Besonders seine letzte Symphonie ist in den letzten
Satzen Verstandesarbeit, keine Schopfung der Inspiration, besitzt aber
einen wundervollen ersten Satz. Wenn sich das noch etwas ungestiime,
dem Harten, Griiblerischen zuneigende, auBerordentliche Talent des jungen,
1) N'ahere9 iiber dieses Werk in der >Neuskandinavischen Musikc, Signale, 1903,
Nr. 12/13, Seite 189 ff. — Biographie und cbronologisch-systematisches Verzeichnis der
Werke Peterson-Berger's : >Svensk Mus. Tidn.« 23, Nr. 10.
2) * 1872 in Stockholm, Schiiler des dortigen Konservatoriums (Zetterquist, Linde-
gren), Violinist in der Hofkapelle.
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W. Niemann, Die schwedische Tonkunst, ihre Vergangenheit und Gegenwart. 117
national denkenden Tondichters erst vollig geklart hat, so darf die jung-
schwedische Schule von ihm noch GroBes und Reifes erwarten!
Eine ahnliche Natur wie Peterson-Berger ist auf dem Gebiete der
Violinkomposition Tor A ul in1), von dessen zahlreichen Werken fiir sein
Instrument unter anderem seine drei Yiolinkonzerte und die wunder-
schonen, stimmungsvollen »Vier Idyllen* namhaft gemacht seien. Auch
er ist ein durchaus nationaler, mit feinstem Klangsinn begabter Kom-
ponist mit geringer Beeinflussung durch Schumann.
Der Schwerpunkt von Erik Akerberg's2) Schaffen liegt in der Vokal-
komposition. AuBergroBerenChorwerken »Der fliegende Hollander*, »T6rn-
rosasSaga« und anderen,Kammemusik-,Klavier- undOrchestersachen ist er
besonders durch stimmungsvolle Lieder (z. B. »I aria morgontimma») be-
kannt geworden, an denen Mendelssohn und Brahms nicht ganz spurlos
voriibergegangen sind, und die besonders ihres duf tigen Klangreizes und f ein
durchgearbeitetenKlavierpartswegeninteressieren. Wagner's EinfluB konnte
er sich dabei noch viel weniger entziehen, als es Gustav Hagg3) vermochte,
der gleichfalls als beachtenswerter, auf fast alien Formgebieten tatiger
Komponist gelten muB. Die Werke beider Tonsetzer zeigen samtlich
die entschiedene Tendenz zur Heimatkunst. Hagg schuf besonders Wert-
voiles fiir sein Instrument.
Endlich seien noch Bror Beckman4), der Dane P. Noderman5),
Gosta Geijer6), als besonders erfolgreich auf dem Gebiete der Klavier-
komposition: Ruben Liljefors7), der feinsinnige Harmoniker Patrik
Vretblad (»Stimmungen« u.a.), J.Eriksson, L.Lundberg (auch Lieder),
A.Dahl^Back^Sedstrom^Brink11), als Symphoniker Andersen12)
als Mannerchor-Komponist endlich J. Widden13) genannt, alles tiichtige
Tonsetzer, iiber deren lediglich auf die Heimat beschranktes Schaffen ich
mich kurz fassen muB, die aber gleichfalls die schone musikalische Re-
naissance Schwedens in unsren Tagen im Verein mit Komponistinnen wie
1) * 1866, Schiiler Sauret's, Konzertmeister in der Hofkapelle, Grander und Pri-
marius des AulhVschen Streichquartetts in Stockholm und der Schwedischen Musik-
vereinigung von 1900.
2) * 1860, Kantor an der deutschen Kirche, spater Organist an der Synagoge in
Stockholm, Musiklehrer, Dirigent der >Harmonischen Gesellschaft« und einiger Ge-
sangvereine (Bellmans-Chor u. a.) daselbst.
3) * 1867, Organist an der Klarakirche in Stockholm.
4) * 1866, "Werke fur Violine, Gesang, Musik zu >En lyckoriddaret u. a.)
5) * 1867, lebt in Malmo; Kinderlieder, Oper »Konig Magnus*.
6) * 1857, lebt ebendort; dramatische Szene »Eine Klostersage*, Lieder, Klavier-
sachen und Orchesterwerke.
7) * 1871, Konzert, Violinsonate, Lieder, Chore usw.
8) * 1864. 9) * 1868. 10) * 1862. 11) * 1858.
12) * 1845. 13) * 1871.
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118 W. Niemann, Die schwediscbe Tonkumt, ibre Vergangenheit und Gegenwart.
E. Andree, L. Netzel, H. Munktell, Valb. Aulin, Alice Tegner1)
und mit Musikhistorikem wie DD. Ad. Lindgren, K. Valentin, T. Nor-
lind, R. Nor6n u. a. erfolgreich haben vorbereiten und fordern helfen.
Uns Deutschen kann eine eingehende und uns zur Pflicht gewordene Be-
schaftigung mit der skandinavischen, von rein germanischem Geiste ge-
tragenen Tonkunst zum groBerem Segen werden, als alle Kultivation der
Russen oder Jungfranzosen 2).
1) Yergleiche A. Lindgren, >Svenska Ton8atterinnor<, in «Svensk. Mus. Tidn.c,
1897.
2) Den Herren DD. Lindgren und Norlind bin ich fur freundliche Unter-
stiitzung meiner Studie zu verbindlichstem Danke verpflichtet.
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 119
Francis Hopkinson (1737—1791).
The first American Composer
by
0. G. Sonneck.
(Washington.)
The retrospective patriotic wave that swept over our country during
the last twenty years touched its musical history but slightly. A few
writers only, like Mr. James Warrington, Charles C. Perkins, Daniel
Spillane, Frederic Louis Bitter, Henry Edward Krehbiel, Henry M.
Brooks, W. Q. Armstrong, Louis C. Madeira, have taken the trouble to
exercise their critical and historical talents in this direction. But an
impartial and accurate history of 'Music in America' remains to be
written and will remain so until many more problems than these able
men have solved, are approached without prejudice and with scientific
methods.
For instance, who was the first American composer?
If available authorities are consulted one will invariably receive this
answer: the sturdy, unpolished, eccentric, but gifted tanner and psal-
modist William Billings, born, bred, and buried at Boston between
1746 *md 1800.
But if the reader expects to be entertained with a biographical sketch
of this in his way remarkable man, he will, I fear, be disappointed. I
intend to say nothing about Billings except that he was not the first
American composer. Unless the supporters of the Billing's legend can
prove that he composed music eleven years prior to the publication of
his 'New England Psalm Singer' in 1770, they will have to relinquish
their claims; for music written both by James Lyon, of Newark, N. J.
and by Francis Hopkinson of Philadelphia carries us back to the
year 1759.
These two men, amateur-musicians like Billings, are the legitimate
competitors for the title of 'the first American composer' as far as I
can see. Personally I am inclined — for reasons that will appear later
on — to confer the title on Francis Hopkinson, and it is with his musical
career that this essay deals. It forms an extract from an hitherto un-
published book on Francis Hopkinson and James Lyon. This book in
frequent instances disagrees with generally accepted theories on our
early musical life, and if these extracts should contain unexpected state-
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130 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791).
ments without allusion to my sources of information I hope the reader
will not be too sceptical as to my veracity considering the impossibility
of drawing a microscopic picture in the narrow compass of an essay.
As far as Francis Hopkinson's curriculum vitas in general is con-
cerned, my statements may easily be controlled, having been taken from
Mr. Cheney's 'History of the University of Pennsylvania'.
Francis Hopkinson was born in Philadelphia, September 21, 1737,
as son of the Hon. Thomas and Mary (Johnson) Hopkinson. He gra-
duated from the College of Philadelphia in 1757, and took the degree
of Master of Arts in 1760, and that of Doctor of Law in 1790, also
receiving the Master of Arts degree from the College of New Jersey
(Princeton) gratiae causa in 1763. He was admitted to the Bar in 1761.
His first public service was to act as Secretary to a conference
between the Governor and the Indians of the Leheigh region. In 1759
he became Secretary of the Library Company of Philadelphia; as also of
the Vestry of Christ Church and Saint Peter's. In 1768 he married Ann
Borden of Bordentown, N. J.
From this time on he took an active part in the politics of his country.
In March 1772 he was made Collector* of the Port of Newcastle, and
in 1774 he was appointed to a seat in the Provincial Council of New
Jersey. In 1776 he resigned all offices which were incompatible with
his allegiance to the Colonial party, and became a delegate to the Con-
tinental Congress. As a member of this body he signed the Declaration
of Independence. In the same year he was appointed by Congress to
'Execute the business of the Navy under their direction'.
All through the war he was constantly writing prose and verse,
mostly of a satirical character, in support of his political faith. The
most famous of these poems was 'the Battle of the Kegs' written in
1778, and instantly achieving a widespread popularity. In 1779 he was
appointed Judge of the Admiralty from Pennsylvania and he presided
over this court until Admiralty became vested in the United States. In
1778 he became a Trustee of the College of Philadelphia serving in that
capacity until his death. He was an active participator in the debates
of the Convention of 1787 which formed the Constitution of the United
States, and he produced at this time a humorous work, entitled 'The
History of a New Roof, which seems to have had a great influence upon
some of the most distinguished men of the time. He died of apoplexy
May 9, 1791.
When Francis Hopkinson was growing to manhood the Colonies
possessed not the possibility of rivalling the Motherland in musical mat-
ters. Our early musicians lacked opportunities accumulated abroad during
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 121
centuries of musical activity Their own efforts were restricted to a feeble
imitation of European conditions, and to the development of our musical
life out of a most primitive towards a promising and noteworthy state
of affairs. However it would be a fallacy to suppose that our musical
life in Colonial times was limited to psalmody, and that secular music
was looked down upon with antipathy. As a matter of fact, though this
is not' generally known, sacred and secular music developed simultaneously
throughout the Colonies. Sacred music dominated in the North (Boston),
secular in the South (Charleston); whereas in the Middle Colonies (New
York and Philadelphia) both were of equal weight. That our musical
life was very primitive during the first half of the eighteenth century
and later, especially outside of the principal cities, is but in keeping
with the logic of general conditions. If we permit ourselves to express
astonishment, it should be because musical matters progressed so rapidly
after 1760.
Prior to this year Philadelphia, though in many other respects our
foremost city, was not the most important of the four musical centres
mentioned. In fact, it ranked last. But within a few years the Quaker-
city gained an equal footing with the three others, and it is found in the
lead a generation later.
In order to understand and appreciate the importance of Francis
Hopkinson's musical career, it becomes necessary to briefly trace the de-
velopment of musical matters at Philadelphia before he became a factor
of further progress. The data that throw light on the ground out of
which Francis Hopkinson the musician grew, are few, insignificant, and
seemingly incoherent, but nevertheless an upwards-tendency is noticeable.
It is surprising that this upwards-tendency should have escaped the
attention of Louis C. Madeira who claims in his valuable l Annals of
Music in Philadelphia ' that:
"the only evidence of musical entertainments in Philadelphia before the
middle of the eighteenth century is of a negative kind. In 1716, at the
yearly Meeting of the Friends, members were advised against going to or
being in any way concerned in plays, games, lotteries, music and dancing."
Obviously Mr. Madeira commits a Contradictio in adjecto, for the
quotation implies that the friends polemised against existing temptations.
But not until about a dozen years later do we gain data of a more
than hypothetical character, and these mostly from the old newspapers.
I have not found any positive allusion to music prior to the year
1728, when the vestry of Christ Church resolved to purchase an organ
imported by a Mr. Sprogel, the instrument proving 'good in its kind'
and costing £ 200. In the same year dancing lessons seem to have been
introduced in Philadelphia boarding schools. Perhaps by Mr. Samuel
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122 0. Gr. Sonneck, FranciB HopkinBon (1737—1791).
Perpoint, who in 1729 instructed in 'the Art of Dancing' and the use
of 'the small sword'; having, as he advertised, 'taught both Accomplish-
ment in Jamaica', from where we imported in those days other factors
of civilisation besides rum.
Mr. Perpoint is the first dancing master on record in Philadelphia,
but where there is dancing there must be music, secular music, be it
only some popular tunes played on the fiddle; and it is not at all strange
that the dancing master preceded the music teacher at Philadelphia, as
the same observation may be made troughout the Colonies. However,
the music teacher soon followed, in fact but one year later, in 1730.
I take special pleasure in stating that this first music teacher was a
woman, Miss Ball. Mr. Thomas Ball, who taught "Writing, Arithmetic,
with the true Grounds of the French tongue at Twenty Shillings per
Quarter", added to his advertisement in 'the Pennsylvania Gazette' (March
5-13, 1730):
"His Wife teaches Writing and French. Likewise Singing, Playing on
the Spinet, Dancing and all sorts of Needle Work are taught by his
Sister lately arrived from London."
After this memorable event the newspapers touch music but slightly
for a number of years. But we have evidence, if such be needed, that
music was at least deemed necessary for a satisfactory celebration of
legal holidays.
On March 1, 1732, St. David's Day and the Birthday of her Majesty
Queen Carolina,
uthe Society of Ancient Britons" met at 'the Indian King', inarched in
procession to church, waited on the Governor after divine Service who then
partook with them of a sumptuous dinner, when "the Loyal Healths' were
drunk under the discharge of cannon and the "Day concluded with Musick
and Friendship".
If the year 1730 is important for a history of music-teaching in Phi-
ladelphia, the year 1742 stands forth as the birth-year of the American
pianoforte, for then Gustavus Hesselius, of the Moravian congregation
at Philadelphia, began to build his spinets.
Interesting as this fact, lately discovered by Mr. Jordan of the
Pennsylvania Historical Society, might be to us, or as it might have
been to the music lovers of Philadelphia, it certainly escaped the atten-
tion of Francis Hopkinson, then in his seventh year. I am not so roman-
tically inclined as to imagine that young Francis was taken to Hesselius'
shop to run his tender fingers over the key-board, to pick out some tune
with tears of delight in his and his mothers eyes, and that he thus
received the first kiss of the Muse. But I am romantic enough to believe
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 123
— and something similar is recorded in Tschaikovsky's biography — that
his musical instincts received an impetus if his mother took him to
admire
"the Solar or Camera Obscura Microscope" exhibited together with "the TJn-
parallelled (sic) Musical Clock, made by that great Master of Machinery
David Lockwood; it excels all others in the Beauty of its structure and
plays the choicest Airs from the most celebrated Operas with the greatest
Nicety & Exactness. It performs with beautiful Graces ingeniously and
variously intermixed, the French Horn Pieces, perform'd upon the Organ,
German and Common Flute, Flageolet etc. Sonata's, Concerto's, Marches,
Minuets, Jiggs and Scots Airs, composed by Corelli, Alberoni, Mr. Handel
and other great and eminent Masters of Musick."
This wonderful 'Musical Clock' was exhibited in 1744 when still no
man-musician had appeared upon the plan to shape the destinies of musical
Philadelphia, if we may trust the newspaper advertisements. Indeed,
not until five years later, on March 21, 1749, do we run across an ad-
vertisement to that effect in 'the Pennsylvania Gazette':
"John Beals, Musick Master from London at his house in Fourth Street
near Chestnutstreet, joining to Mr. Linton's, collar maker, teaches the Violin,
Hautboy, German Flute, Common Flute and Dulcimer by note.
Said Beals will likewise attend young ladies, or others, that may desire
it, at their houses. He likewise provides musick for balls or other enter-
tainments."
Mr. Beals met with sufficient encouragement to take up his residence
at Philadelphia, where he is to be traced for a number of years. It is
also an evident sign of musical progress in the Quaker city that he did
not remain long without competitors. In 1753 a Mr. Robert Coe who
drew "Bills, Bonds, Indentures, Leases, Releases and other Instruments
of Writing" conceived himself "capable of teaching to play on that
agreeable Instrument the German Flute".
If he was the exponent of secular music Josiah Davenport taught
"psalmody in several necessary and useful parts", and in 1757 kept a
"Singing School (for the Summer Season Evenings) . . . where any Per-
son may be instructed in Psalmody, that is capable to learn this agree-
able Art".
Finally the "new Italian Method" of violin teaching was introduced
two years later by "an Italian born", Francis Alberti.
In the meanwhile music had gained a foothold in other directions.
For instance, from the diary of Daniel Fisher we know that Phila-
delphia possessed a band of music in 1755. It attended, says Daniel
Fisher, "the Greatest Procession of Free Masons . . . that was ever
seen in America. No less than 160 being in the Procession in Gloves,
Aprons, etc."
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124 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791).
The members of this band, presumably, together with some 'Gentle-
men-Performers' tendered their services when a 'Concert of Music' was
given on January 25, 1757 'under the direction of Mr. John Palma'.
Though I doubt whether this was the first concert performed at Phila-
delphia, it was the first public concert advertised, as far as I am aware.
Unfortunately we know nothing of the program. It was to take place
at the Assembly Room in Lodge Alley at six o' clock. Tickets were to
be had at the London Coffee House, at one Dollar each "and no Person
to be admitted without a Ticket".
Six years previous, in 1749, opera, English opera, had been intro-
duced at Philadelphia. At least it is highly probable that a company
headed by Messrs. Kean and Murray from London performed at Wil-
liam Plumstead's Warehouse in Kingstreet such musical farces or after-
pieces as Oibber's 'Damon and Phillida', Hill's 'Devil to play', Gib-
ber's 'Flora or Hob in the Well', Fielding's 'Virgin Unmasked', and
Gay-Pepusch's famous 'Beggar's Opera'. However, the authorities frus-
trated this first attempt at opera, and not until on the later so-called
Old Company of Comedians came to Philadelphia in 1754, managed by
Lewis Hall am the elder, did drama and opera, English opera of course,
gain a more or less permanent stronghold in the city.
Little difference appears between the repertoires of the first and
second companies, but as Hallam's company was of decided merit we
might take it for granted that the old ballad-operas were interpreted to
the satisfaction of the public.
The third attempt at opera took place in 1759 when, in the spring
of the year, a company headed by Mr. Douglass, the successor of
Hallam, appeared in Philadelphia, the repertoire being the same as before
with addition of Carey's 'A Wonder, or an Honest Yorkshireman'.
The fore-last performance was given on December 27, 1760 "towards the
raising of a Fund for purchasing an Organ to the College Hall . . . and
instructing the Charity Children in Psalmody". And to this performance
Francis Hopkinson contributed a 'Prologue in Praise of Music'.
If in addition to these few musical items I allude to the publication
of several psalm-tune collections, to the establishment of church choirs,
to performances of the masque of 'Alfred the Great' at the College of
Philadelphia in 1757 with solos and choruses and additional music, to
the recorded foundation of a musical society called 'the Orpheus Club'
by the students in 1759, to the advertisements of Michael Hill eg as,
the 'Wanamaker' of those days comprising musical articles from con-
certos down to violin strings — a fair idea of the musical or unmusical
milieu, in which our first poet-composer grew to manhood, will have been
gained. Only if this primitive state of affairs be kept in mind, will it
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O. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 125
become possible to understand and appreciate his musical influence and
career.
Of Francis Hopkinson's childhood hardly anything is known and no
anecdotes are current among his descendants illustrating his early mu-
sical inclinations. Not until 1754 does his n&me appear in connection
with music.
In 1757 'the American Magazine', Philadelphia published an 'Ode to
Music' with this editorial remark:
"Written at Philadelphia by a young Gentleman of 17, on his beginning
to learn the Harpsichord."
The ode runs in the following style:
"Hark! Hark! the sweet vibrating lyre
Sets my attentive soul on fire;
Thro' all my frame what pleasures thrill,
"Whilst the loud treble warbles shrill,
And the more slow and solemn bass
Adds charms to charm and grace to grace."
The author of this poetic effusion was our Francis Hopkinson, for it
appears among his 'Miscellaneous Essays and Occasional Writings' pub-
lished in 1792 and among some manuscripts of his still preserved.
To begin the study of a musical instrument at the age of seventeen
is not conducive to a good mechanism, and certainly Hopkinson more
than once despaired of ever mastering his favorite instrument. Though
he probably never became a virtuoso on the harpsichord he gained
quite a reputation among Philadelphians as performer, since many years
after his death Longacre in his 'National Portrait Gallery' (1836) re-
marked:
ttHe was a musician of high grade in his performances of the harpsichord".
Whether or not Hopkinson began his musical studies as an autodidact
is a matter of conjecture. But we have traced for the years 1749 to
1758 John Beals, Musick Master from London. Perhaps he or Charles
Love, the harpsichordist in Hallam's company initiated him in the
mysteries of the harpsichord and thorough-bass. Later on, in 1757, John
Pal ma might have given him lessons. This is certainly the case with
a musician who came to Philadelphia a few years later. His name has
puzzled European historians. I mean James Bremner, a relative it seems
of Robert Bremner the Scottish music publisher, editor and composer.
If the career of James in England is involved in mystery, we can at
least prove that he lived and died in America, respected as a man of
culture and esteemed as a musician. It would appear from the news-
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126 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737-1791).
papers that he arrived at Philadelphia in 1763, when he opened, in De-
cember of the year, a "Musical §chool for instruction on the Harpsi-
chord, Guitar, German Flute''. But Bremner's activity was not limited
to teaching, for he arranged and conducted concerts and became organist
of Christ Church, probably in 1767. He died "on the banks of the
Schuylkill in Sept. 1780", "as we are informed in a foot-note to Hopkin-
son's Ode 'In Memory of Mr. James Bremner'. That would mean in less
poetical language at or near Philadelphia.
Undoubtedly Francis Hopkinson owed much of his musical education
to Bremner, as did Philadelphia in general. The venerable grandson of
Francis, Mr. Oliver Hopkinson, himself an enthusiastic lover of music
and skilful violinist, possesses a book of 'Lessons' in the hand-writing of
his ancestor in which appears a 'Trumpet Air', a 'Lesson', a 'March', an
'Overture by the Lord of Kelly adapted to the Harpsichord', and 'Lady
Coventry's Minuet with variations', all by James Bremner.
This fact and the title of the collection combined render it highly
probable that Hopkinson took lessons from Bremner. We may add that
the book contains numerous pieces for the organ. Now we know that
Hopkinson became an accomplished organist as well as harpsichordist,
and that he succeeded Bremner as organist of Christ Church. We read
in the vestry minutes under date of December 10, 1770:
"Mr. Church-warden Hopkinson having been so obliging as to perform
on the organ at Christ Church during the absence of Mr. Bremner, the late
organist, the vestry unanimously requested of him a continuance of this
kind office, until an organist should be appointed, or as long as it should
be convenient and agreeable to himself. Mr. Hopkinson cheerfully granted
the request."
It is not recorded how long he volunteered his services as organist.
Perhaps until Bremner resumed the office in 1774, if he really did re-
sume it. At any rate, the vestry minutes mention neither his nor Brein-
ner's name again, and in 1782 a Mr. Curtz is spoken of as having acted
in that capacity for several years gratis.
Hopkinson may have been proficient on the organ even before
Bremner's arrival at Philadelphia.
During the years 1757—1768 music played a by far more prominent
part at the College of Philadelphia than during the following. Though
not the only graduate to imbue his alma mater with a musical spirit,
Francis Hopkinson was surely the most conspicuous figure in this respect,
in fact the soul of this too short-lived musical movement.
It will be remembered that an organ was erected in the College in
1760. The instrument was used especially at Commencement to accom-
pany the usual anthems and odes. If this organ, like many others in
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 127
Colonial times, was without pedals, Hopkinson had no reason for hesitat-
ing to play on it when occasion called for his services. Now we know
that at Commencement of 1760 a patriotic ode of his was sung and
"accompanied hy the organ, which made the music a very compleat and
agreeable Entertainment to all present".
From all we know of the character of young composers we might
rest assured that Hopkinson insisted on accompanying himself this ode,
which was said to have "been written and set to Music in a very grand
and masterly Taste".
To form a correct idea of Hopkinson's knowledge of musical litera-
ture is to-day, of course, impossible. But he certainly was conversant
with the English and American psalmodists of that period. Not only
did his duties as organist require a familiarity with psalmody, but he
himself was a composer of psalm-tunes and anthems, and he at one time
instructed in psalmody. This fact appears from the vestry minutes of
St. Peter's and Christ church as published by the Rev. Door. We find
under date of April 13, 1764 the following entry:
"the members of the vestry, who frequently attended while the children
of the united congregations were improved in the art of psalmody, reported
that they had observed Mr. William Young in connection with the secretary
Mr. Hopkinson to take great and constant pains in teaching and instruct-
ing the children; it was therefore unanimously agreed that the thankful
acknowledgments of this not board be given Mr. Hopkinson and Mr. Young,
for their kind services which they are requested still to continue.'9
But Francis Hopkinson's studies in the literature of music were not
restricted to the relatively narrow field of psalmody. His descendants
still possess parts of his musical library, and few as these volumes may
be, they clearly demonstrate that he was a connoisseur of music.
Among the remanants of this library, that shows a strong inclination
towards the Italians, a book of 'Lessons' is of particular interest. It is
mainly in Hopkinson's manuscript, and abounds in Airs, Dances, Les-
sons, Overtures, Concertos, Minuets and Marches. The majority of the
compositions are anonymous, but the authors mentioned are quite form-
idable: Haendel, Scarlatti, Abel, Stamitz, Vivaldi, Galuppi,
Pugnani, Stanley, Smith, Pasquali, Giardini, Corelli, Gemi-
niani, Bremner, Lord Kelly.
Passing from arrangements to original compositions, once owned by
Francis Hopkinson and now in possession of his grandson, we notice:
Longman, Luckey & Co.'s collection of 'Periodical Overtures for the
Harpsichord1. Nob I — X.
Six Divertimenti for the Harpsichord and Violin. Composed by Pietro
Guglielmi.
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128 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737-1791).
Six Sonatas for the Piano-Forte or Harpsichord. Composed by Frederick
Theodor Schumann. Opera 5U. London.
Handel's Songs, selected from his Oratorios. Printed by J. Walsh.
XII Concerti Grossi. Op. 6. By Arcangelo Corelli. Printed by J.
Walsh. London.
Vivaldi's Most Celebrated Concertos in all their parts for violins and
other Instruments with a Thorough Bass for the Harpsichord. Com-
posed by Antonio Vivaldi. Opera Terza. London. Printed for
J. Walsh.
Giuseppe Matteo Alberti's Concerto's for three Violins, an Alto Viola
and a Thorough Bass for the Harpsichord or Bass Violin. Opera
Prima.
Of course Francis Hopkinson did not collect his entire musical
library, of which the volumes mentioned made a small part only, during
his musical apprenticeship. Very likely he purchased a number of works
from Robert Bremner when in England during the years 1766 and 1767.
His residence abroad certainly helped to refine his taste and broadened
his musical knowledge. Unfortunately the musical items contained in his
letters written to his mother are few. This scarcity of information is
due to a policy adopted before him and after him by many a sight-seeing
son when writing home. Says Francis in one of his letters:
"It would be too tedious to give you a Description of all these Places
& of all the other Things worth of notice which I am like to see before
I get Home, by Way of Letter; I must, therefore defer that Pleasure, till
my Return ,9.
However, this very letter contains a passus that atones for his 'Schreib-
faulheit' as the Germans in their usual blunt way would call his policy:
Francis did not consider it too tedious to write:
"I happened Yesterday in a Coffee House to meet with a Gentleman
whom I knew at Philad. Glad was I to see any thing I had seen before.
His Name is Mr. Flanagan; he used to come sometimes to my concerts."'
This passus is the only positive clue to Francis Hopkinson's career
as concert manager or performer, but by combining with it other, quasi
anonymous, data we are able to trace these concerts.
Hopkinson might have appeared for the first time before a public
larger than the circle of his relatives and personal friends when in Jan-
uary 1757 the 'Masque of Alfred the Great' was performed at the Col-
lege of Philadelphia with alterations as an 'Oratorial Exercise', the in-
strumental parts of Dr. Arne's music being played by some gentlemen,
the vocal sung by several young ladies among them Miss Hopkinson.
It is reasonable to suppose that her brother, still an undergraduate, was
requested to accompany the choruses and songs, etc. on the harpsichord.
The same duty might have fallen to him at the entertainment given
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0. Gh Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 129
towards the purchase of an organ for the college at the theatre on
Socisty Hil, December 27, 1759, as
"Before the Play and between the Acts several celebrated Pieces of
Concert Music" were to be "performed by some Gentlemen of this City, who
have kindly consented to promote the Design of this Entertainment; for
which Purpose a neat Harpsichord will be provided."
However, neither his probable appearance on these occasions, nor at
the Commencements during the following years would have been styled
by Hopkinson as "my concerts". Unless these were 'musical at-homes',
we must depend on the newspapers to discover the entertainments to
which he was alluding.
After the two concerts given in Philadelphia in 1757 we do not find
any recorded until 1764. In this year 'the Pennsylvania Gazette' printed
the following advertisement:
"Philadelphia, January 12, 1764.
On Thursday, the 19th instant, at the Assembly Room in Lodge Alley,
will be performed a Concert of Musick, to be continued every other
Thursday, till the 24th of May following.
No more than 70 Subscribers will be admitted, and each, on paying
three Pounds for the Season, to have one Lady's Ticket, to be disposed of
every Concert Night, as he thinks proper. Subscriptions are taken in at
Messieurs Rivington and Brown's Store, and by Mr. Bremner, at Mr. Glover
Hunt's, in .Marketstreet, near the London Coffee House.
NB. The Concert to begin precisely at 6 o'clock."
Unless James Bremner arranged these fortnightly subscription con-
certs, we might argue, on the basis of Hopkinson's letter to his mother,
that he was the moving spirit of the enterprise. At any rate it is safe
to conjecture that he was one of the prominent active subscribers. The
concerts were continued during the next winter, but possibly not during
that of 1765 — 1766, as no information to this effect seems to be extant.
Unfortunately it was customary to advertise the dates only of the
regular subscription concerts without the programs, a custom easily to
be explained. The concerts were not public, accessible only as a rule
to subscribers; and therefore it was hardly necessary to publish the pro-
grams in the newspapers. Programs, in the majority of instances, are to
be traced for the public concerts only, arranged for the benefit of in-
stitutions or professional musicians. For these reasons we shall never
know exactly — unless the programs are extant in some private collection
of early play-bills and the like — what works were performed and who
performed them in the subscription concerts mentioned. If the programs
were arranged by Francis Hopkinson, then his library would furnish a
clue as to the character of the compositions played, and then we might
s. a. i. m. v. 9
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130 0. GK Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791).
largue that the subscribers had ample opportunity for becoming familiar
with "a Variety of the most celebrated Pieces now in Taste", as Stephen
Forrage expressed himself when advertising 'A Concert of Music' to
take place on December 31st 1764 "for the benefit of Mr. Forrage and
other Assistant Performers at the Subscription Concert in this City".
Naturally all these concerts, either public or private, would resemble
one another. Now we know that Mr. Bremner gave a concert at the
College Hall in April 1765 for the benefit of the Boys and Girls Charity
School :
"The vocal Parts chiefly by young Gentlemen educated in this Seminary
. . . upon the plan of the musical performances in Cathedrals, etc. for public
charities in England."
Fortunately the printed program, under the title of the "Plan of a
Performance of Solemn Musick* has been preserved. The concert was
opened with an Oration, then followed an Overture by Stamitz, a now
unduly forgotten composer, then a sacred air, the sixth concerto by
Geminiani, a second Oration, a Solo on the Violin, an Overture by
the Earl of Kelly, a sacred air, the Second Overture by Martini,
another Oration, then the Overture in the Opera Artaxerxes by Arne,
a Sonata on the Harpsichord; and the whole concluded with a Hallelujah
Chorus.
The "Subscription Concerts" of which Francis Hopkinson seems to
have been the manager, were probably not interspersed with choral music,
but otherwise they certainly offered the same high class of music to the
Subscribers as the plan just quoted. They would best be classified, to
use a modern term, as soirees of chamber-music. The works played
which called for the largest number of performers were certainly the
ConcerU Grossi, concertos for several solo instruments with orchestra-
accompaniment. To play these not more than a dozen musicians were
required, and this number could easily have been recruited among the
gentlemen-amateurs and professional musicians of Philadelphia. Extract-
ing the names and their speciality from the newspaper advertisements,
we might form the following idea of the orchestra.
Francis Hopkinson -would preside at the Harpsichord, the strings
would be represented by James Bremner, Stephen Forrage, John
Schneider, Governor John Penn, and two or three other amateurs.
When occasion called for it, John Schneider would play the French
Horn, Ernest Barnard, George D'Eissenberg, or, if he still resided
at Philadelphia, John Stadler the German Flute; and that Oboists
were to be had in the Quaker City we know from the first chapter.
Amusingly primitive as all this may seem to readers not historically
trained, it was a beginning, and the seventy subscribers certainly enjoyed
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791;. 131
the music as much as if not more than hundreds and thousands of those
who fill a modern concert hall, and listen attentively to music, much of which,
though now considered immortal, will be forgotten as have been forgotten
the compositions of such gifted men as Valentini, Corelli, Pugnani,
Stanley, Geminiani, etc., played by Hopkinson, his friends and the
"Assistant Performers".
After his return from England Francis Hopkinson seems again to
have taken up the idea of arranging concerts. Two letters were ex-
changed between him and his friend Governor John Penn, — he too
an enthusiastic amateur and a skilled violinist with whose 'fiddle' Francis
Hopkinson's harpsichord frequently joined in concert, — that give evi-
dence to this effect. But they add nothing materially new to the state-
ment concerning Hopkinson's career as a concert performer.
In order not to arouse an impression that Francis Hopkinson was
a professional performer, a fewT general remarks might not be out of
place. Orchestral chamber-music would have been quite impossible in
those days without the assistance of "Gentlemen-performers", not alone
at Philadelphia but in many a provincial town of Europe. Even to-day
provincial orchestras both in Europe and America frequently have to
rely upon the assistance of amateurs. To play the German flute, Harp-
sichord or Violin in "Subscription Concerts" could not have been con-
sidered unbecoming a "Gentleman", as the entertainments were of a more
or less private nature, arranged principally by the amateurs for their own
amusement and improvement, and resembling to a certain extent the
concerts of the many philharmonic academies in Italy for instance, or of
many a "Cottegicum Musicum" in Germany.
The same applies to the really public concerts given by professional
musicians for their own benefit. However unwilling the aristocratic Co-
lonials were to put themselves on an equal footing with a poor devil of
musician, they hesitated not to lend a helping hand for his "Benefit" if
he were an ^honest fellow", as Governor Penn put it in a letter to
Hopkinson.
The few cursory remarks on the musical life at Philadelphia about
1765 I have made certainly prove a surprising progress in matters musical.
It would be uncritical to attribute it entirely to Francis Hopkinson's
enthusiasm, but chronological coincidences forbid to underestimate his
beneficial influence.
A few years later the War for Independence broke out. Everywhere
fiddle and harpsichord gave way to fife and drum. Our musical life which
not alone at Philadelphia but at Boston, Charleston, New York and in
cities of minor importance had steadily been developing, was crushed, and
remained crippled for years after the war. Then indeed conditions were
9*
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132 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737-1791).
deplorable and we need not wonder, if English, French and German
officers and travellers with a few exceptions invariably entered in their
diaries notes to the effect that very little of music was to be found in
the United States. These gentlemen were good observers, but poor
historians, and to apply their observations to the ten or fifteen years
preceeding the Revolution would show absolute ignorance of the real
conditions.
After peace had been signed, the element of the people which, pre-
vious to the war. had opposed all theatrical or musical amusements for
the sake of a narrow, though well-meant, principle, and for the salvation
of their Philistine souls, now gained the upper hand for a while. This
was but natural. A degenerated, frivolous nation may sing and dance
merrily over the fresh graves of thousands of brave patriots, but not so
a young, God-fearing nation. Gradually however, as the wounds in-
flicted upon the population by this glorious but fearful war began to
heal, arts, sciences and entertainments returned — not less essential for the
welfare, vitality and progress of a nation than for politics or commerce. It
lies not within the plan of this study to describe the musical surround-
ings in which Francis Hopkinson lived after the war. A simple reason
forbids this. His activity had been necessary previous to the great
struggle for Independence, to awaken and to keep awake the musical
life at Philadelphia. But now the days of the amateur-musicians
had passed, the professional took his place, and the golden age
of music in Philadelphia, the period from 1790 to 1850 was fast approach-
ing. Without doubt Francis Hopkinson's love of music was as deep after
as we know it to have been previous to the war. For this statement we
have more than one argument in store, but his position had somewhat
changed. It was less the musician Hopkinson than the music-lover the
"Maecenas" who now influenced matters, if we except his activity as com-
poser and improver of the Harpsichord. We may rest assured that
Reinagle and the others were welcome at his house, received from him
all due protection, respected him as their most important forerunner, and
well knew that without the foundations laid by him, Bremner, Penn,
Gualdo, their own position would have been uncertain and difficult to
hold. One of these musicians, at least, has left an eloquent tribute of
gratitude: William Brown, in 1787, composed and published "Three
Rondos for the Pianoforte'' which he "Humbly dedicated to the Honour-
bale Francis Hopkinson, Esqr."
After James Bremner resigned office as organist Francis Hopkinson
consented to take his place until the appointment of a new organist.
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson ^1737— 1791:. 133
During these years he had ample opportunity to form ideas concerning
the proper conduct of organs in church. They are embodied in the sec-
ond volume (pp. 119 — 126) of his "Miscellaneous Essays and Occasional
Writings" in a form of 'Letter to the Rev. Doctor "White, Rector of
Christ Church and St. Peter's on the Conduct of a Church Organ'. It
is a pity that musical reviews did not exist in the United States of the
eighteenth century. If this had been the case Hopkinson's ideas would
not have been buried alive, but would have attracted widespread atten-
tion and borne fruit among our early organists. Some oddities excepted,
the letter shows so much common sense and artistic spirit as to be of
educational value even to-day. I hesitate not to declare that little has
been written on the subject in so few lines with superior lucidity and
correctness.
Our organists have made wonderful progress as virtuosi during the
last hundred years, but the development of their aesthetic faculties has
not kept pace with that of their technical skill. In this respect they have
not advanced a single step beyond the standpoint of the Colonial amateur
organist, on the contrary he surpasses many of them with his ideas of a
true organ style in church. Never would Francis Hopkinson have prof-
aned the instrument of a Frescobaldi or a Bach by turning it, as many
a modern organist does, into a concert instrument, into a kind of or-
chestrion for which anything will do from a fugue to an operatic pot-
pourri. I cannot quote here more than a few passages from Hopkinson's
letter, but they will be sufficient, I hope, to corroborate my statement.
For instance:
"I am one of those who take great delight in sacred music and
think, with royal David, that Harp, Voice, and instruments should unite
in adoration of the great Supreme."
or
"The organist should always keep in mind, that neither the time
or place is suitable for exhibiting all his powers of execution and that
the congregation have not assembled to be entertained with his per-
formance. The excellence of an organist consists in his making the
instrument subservient and conducive to the purposes of devotion. None
but a master can do this. An ordinary performer may play surprising
tricks, and shew great dexterity in running through difficult passages,
which he hath subdued by dint of previous labor and practice: But
he must have judgement and taste who can call forth the powers of
the instrument and apply them with propriety and effect to the serious-
ness of the occasion."
or again
"The interludes between the verses of the Psalm were designed to
give the singers a little pause, not only to take breath, but also an
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134 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson [1737- 1791).
opportunity for a short retrospect of the words they have sung in which
the organ ought to assist their reflections. For this purpose the organist
should be previous informed by the clerk of the verses to be sung,
that he may modulate his interludes according to the subject/'
or finally
uIn general, the organ should ever preserve its dignity; and upon
no account issue light and pointed movements which may draw the
attention of the congregation and induce them to carry home not the
serious sentiments which the service should impress, but some very
pretty air with which the organist hath been so good as to ascertain
them. It is as offensive to hear lilts and jiggs from a church organ,
as it would be to see a venerable matron frisking through the public
streets with all the fantastic airs of a Columbine."
To Francis Hopkinson's activity as a Gentleman-musician, harpsi-
chordist, teacher of psalmody, concert performer, organist, and critic, I
must add another interesting side before touching his career as a composer.
Hopkinson's favorite instrument was the harpsichord. As is well known
this instrument was not displaced in the public favor by our modern piano-
forte until about the end of the eighteenth century. Built on the plectrum
principle the strings being set in vibration by points of quill, elevated on
wooden uprights, known as jacks, and twitching or plucking them as the
depression of the keys caused the point upwards, the harpsichord was in-
capable of dynamic modifications of tone by difference of touch. With the
crow-quill as plectrum the harpsichord gained a position during the sixteenth,
seventeenth and eighteenth centuries analogous to that now accorded the
pianoforte. With its uniform but penetrating tone the harpsichord was
especially employed for concerts with orchestral accompaniments or for ac-
companying vocal choruses, and during the time of Handel and Bach was
the constant support to theRecitativo secco (Hopkinson's "speaking musically"),
its weak notes being reinforced by violoncello and double basses. Towards
the end of the eighteenth century the instrument was withdrawn and the
big fiddles were left by themselves to accompany the ordinary recitative
in a fashion more peculiar than satisfactory. (Grove.)
The innate defect of the harpsichord caused the invention of the
Piano-Forte, as it was called for obvious reasons by the inventor Barto-
lomeo Chris tofori, whose first instrument, built about 1700, is preserved
in the Metropolitan Museum of Art in New York City. But most ama-
teurs and professional musicians clung to the harpsichord for at least
seventy years, fully convinced of its superiority over the pianoforte though
not blind to its shortcomings. These being admitted, innumerable attempts
were made to improve the harpsichord as harpsichord. Finally they re-
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0. Gh Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 135
sorted to curiously artificial means, and instruments were constructed with
more than twenty modifications to imitate the tones of the harp, the lute,
the mandolin, the bassoon, the flageolet, oboe, violins, and other in-
struments. Among the improvers stand forth as the most conspicuous:
Richard, William Barton, Pascal Taskin, Wieglieb and a certain
Hopkinson, whose improvements have been called by one historian the
"last glory of the harpsichord". Of this Hopkinson the European histo-
rians unanimously remark that he was an Englishman residing at Paris.
Even Fetis was of this opinion though the very fact that he knew that
Hopkinson's improvements were described by the author in the second
volume of the Transactions of the American Philosophical Society under
the title of: "An improved method of quilling a harpsichord" should have
aroused his suspicions as to the nationality of this mysterious Hopkinson.
To make a long and forgotten story short, the last glory of the harpsi-
chord was not due to an Englishman residing at Paris, but to our own
Francis Hopkinson. There can be no doubt about this for the improve-
ments were described not only in the Transactions under his name, the
individual papers being read in 1783, 1784, and 1786, but also in 'the
Columbian Magazine', Philadelphia, May 1787 and with some slight
alterations in the second volume of Hopkinson's 'Miscellaneous Essays . . .'
under the title of a
"Description of an improved Method of tongueing a Harpsichord or
Spinnet, by F. H. Esq."
I shall not intrude upon the patience of the reader with extensive
quotations from this technical essay, or with a history of Hopkinson's
various and continued experiments or with a criticism of the objections
raised against his improvements. It is sufficient to remark that he en-
deavoured to improve the harpsichord without resorting to such artificial
means as mentioned above. He did away with the crow-quill that had
come to be considered indispensible, and introduced instead first metal
tongues, and then leather quills. These contrivances became known in
Europe where similar devices had been tried in order to improve the
tone of the harpsichord without destroying the peculiar character of the
instrument. But it did not become known abroad that Hopkinson still
continued his experiments and that he flattered himself with having finally
attained his object. He wrote in Hhe Columbian Magazine', 1787:
"The desideratum is a substance to supply the place of the crow-quill,
sufficiently elastic for the purpose to afford a brilliant and easy touch, to
draw from the strings a full and agreeable tone, and to be permanent in
itself, and applied with as much ease and simplicity as the quill.
After many fruitless experiments I have found the following construction
to answer all purposes required.
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136 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791).
I took what is called Velvet cork of the very best kind, perfectly free
from dolts, cracks or blemishes, I cut this cork into plates about one quarter
of an inch thick, and glued upon them thin and well polished leather ; from
this I cut the tongues, and fixed them tight into mortices cut in the palates,
in the same manner and with the same ease that the common quill is fixed
in the little hole punched for its reception. The tongue thus fixed must be
slanted off underneath, from the point where it must be very thin to the
root, where it will be thickest, and then nibbed like a pen, to the proper
length, and the touch may be easily and nicely adjusted by shaving away
more of the cork from underneath, with a sharp pen-knife or fine file."
Surely the musical activity of Francis Hopkinson, the politician, poet,
humorist, inventor, painter, lawyer, Secretary of the Navy and so forth,
deserves serious attention even without allusion to his forgotten activity
as a composer. But the fact that he seems to have been the first native
American composer adds immensely to the interest to be taken by us
musicians in his remarkable and many-sided personality, even if his com-
positions do not stand the test of criticism not historically inclined or
trained.
Though Francis Hopkinson's earliest compositions extant must with
all probability be dated 1759, there is a possibility that he contributed
some original music to the "Oratorical Exercise" called the "Redemp-
tion of the Danish Invasion by Alfred the Great originally written by
the pious and philosophic Mr. Thompson in connection with Mr. Mallet,
and in the year 1751 altered and generally improved by the latter".
This "Oratorical Exercise" was acted with alterations and additions
in January 1757 at the College Hall in Philadelphia by the "Young
Gentlemen of the College ... for their improvement in Oratory". The
music mostly by Dr. Arne was played by several gentlemen, and the
vocal parts sung by a number of young ladies, among them Francis*
sister. This Masque of "Alfred the Great", as it is generally called,
was performed repeatedly, and 'the Pennsylvania Gazette1 devoted several
long 'editorials' to its description. Among other things we learn that a
duet between two invisible spirits in the character of Alfred's Guardian
Angels was altered from the original and fitted to an excellentPiece
of new music by one of the Performers.
Circumstantial evidence forbids to think of any other performer but
Francis Hopkinson who could have undertaken to fit the duet to 'this
excellent piece of new music'. Unfortunately 'the Pennsylvania Gazette'
does not mention his name, otherwise the fact that he composed music
in 1757 would remove all reasonable doubt as to his having been the
first native American composer. As historical investigations stand to-day
James Lyon enters into some competition for the title of the father of
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737-1791).
137
American composers, for we know that he composed an Ode on Peace
for the Commencement Exercises at Princeton in September 1759. This
same year 'Philadelphia Anno Domini 1759', appears dated at the be-
ginning of a collection of 'Songs', in Francis Hopkinson's own hand and
now in possession of Mrs. Florence Scovel Shinn of New York City. The
collection contains on page 63 a song beginning with the words (by
Dr. Parnell under the title of 'Love and Innocence'] 'My days have
been so wondrous free'. This harmless but pretty little piece bears, like
several others in the same volume, Francis Hopkinson's initials: F. H.
It is undated, but as the collection was evidently begun in 1759 and as
towards the end of the book on page 180, appears an Anthem dated
"F. H. 1760", it is highly probable that the song on page 63 was written
in 1759.
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My Days have been so wond'rous free.
Song by Francis Hopkinson [1759].
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0. 0. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791).
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So far, of course, James Lyon seems to be in the lead. But Hop-
kinson positively claimed in the dedication of his "Seven Songs" (1788)
to George Washington to have been our first native composer. He says :
"However small the reputation I shall derive from this work, I cannot,
I believe, be refused the Credit of being the first Native of the United
States who has produced a Musical Composition."
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0. G. Sonnecfc, Francis Hopkinson (1737—1791). 139
The statement reads as if Hopkinson possessed evidence for the cor-
rectness of his claim. Now he certainly knew James Lyon's psalm-
tune collection 'Urania', published by Lyon in 1761 or 1762. In the sec-
ond place Lyon resided in Philadelphia in 1760, and being a college-
man and musical amateur, might have met Hopkinson. Furthermore if
Lyon was still in Philadelphia when on May 23rd 1761 an Anthem by
him and an ode by Hopkinson made part of the commencement exercises,
both composers must have become acquainted with each other. At any
rate, Francis Hopkinson must have been aware of the fact that James
Lyon was a dangerous competitor for the title of first native of the
United States who produced a musical composition. James Lyon was
still living and he still had admirers in Philadelphia, among them prin-
cipally Andrew Adgate, when Hopkinson filed his claim. Under such
circumstances it would have been unwise to do this without the support
of indisputable facts. From all we know of Hopkinson's character I
doubt not that he himself investigated the correctness of his claim, and
found his earliest compositions to antedate those of James Lyon.
Nevertheless he might have been mistaken, and may be others will
succeed in proving that neither he nor James Lyon is to be considered
as the 'Father of American composers'. However on the basis of our
present knowledge we might declare with safety:
Francis Hopkinson was the first native American composer
of songs, of whom we know, and his song 'My days have been
so free', is the earliest secular American composition extant,
dating back to 1759.
Besides this venerable, graceful little song the collection of 1759 con-
tains the following compositions, undoubtedly written by Hopkinson as
they bear his initials:
A song entitled 'The Garland' (words by Prior).
A song beginning with the words 'Oh! come to Mason boroughs Grove'.
A song beginning 'With pleasure have I past my days'.
The 23rd Psalm.
An Anthem from the 114th Psalm dated 'F. H. 1760'.
The songs betray the period in which they were written. Hundreds
and hundreds of similar simple songs for the voice with harpsichord
accompaniment were produced by Hopkinson's contemporaries. It would
therefore be erroneous to suppose that his settings for 'Treble and bass'
reveal uncommonly primitive efforts. This was the style adopted for such
pastoral songs by high and low in the kingdom of music about 1750,
and the American composer falls short only in his rather ungrammatical
harmonisation.
The same remark applies to the two sacred compositions of which
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140 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737— 1791].
the anthem with its figured bass is by far the most interesting. A
figured bass is a rara avis in early American music. It seems as if
most of our early composers abhorred it as black art and preferred
ignorance of its mysteries to the vain attempt of mastering it occult
wisdom. Francis Hopkinson however hesitated not to take upon him-
self the trouble some burden of this Crux in musica, but it must be ad-
mitted that he fared badly at times in doing so.
In the second place the anthems prove that he was fully convinced
of "the Lawfullness, Excellency, and Advantage of Instrumental Musick
in the Public Worship of God" years before an anonymous 'Presbyterian',
perhaps James Lyon, endeavours to "urge and force" this doctrine "from
the Scriptures and Examples of the far greater Part of Christians in all
Ages" by publishing a pamphlet under the above title at Philadelphia in
1763. Not only was Hopkinson's l Anthem from the 114th Psalm' to be
accompanied by the organ, and possibly by the venerable bass-viol, but
he introduced violins, a proceeding that probably would have called forth
the indignation of the conservative element in the congregation had the
anthem been performed in Christ Church. But I am inclined to believe
that it was sung and played — at least for the first time — on May 1st
1760 in the College Hall, the day appointed for Commencement.
In the following year, on May 28, 1761, 'the Pennsylvania Gazette'
printed an account of the Commencement exercises that fortunately does
not oblige us to take refuge to conjectures:
". . . the public Commencement was held in the College of this City, before
a vast Concourse of People of all Ranks. Besides the usual exercises . . .
there was performed in the Forenoon an elegant Anthem, composed by
James Lyon, A. M. of the New Jersey College; and in the Afternoon an
Ode, sacred to the Memory of our late gracious Sovereign George II,
written and set to Music in a very grand and masterly Taste by Francis
Hopkinson, Esq. A. M. of the College of this City. A Set of Ladies and
Gentlemen, in order to do Honour to the Entertainment of the Day were
kindly pleased to perform a Part both of the Anthem and Ode, accompanied
by the Organ, which made the Music a very compleat and agreeable Enter-
tainment to all present."
This Ode as "written and set to Music by Francis Hopkinson, Esq."
was printed together with a Dialogue under the title of
"An Exercise containing a Dialogue and Ode Sacred to
the Memory of His late gracious Majesty, George IP.
by W. Dunlap of Philadelphia. A foot-note in the Miscellaneous Writ-
ings ... of Hopkinson, where the Ode stands on pp. 77—82 of vol. Ill,
informs us that the Dialogue was written by the Rev. Dr. Smith. Hop-
kinson's music seems not to be extant, but from the libretto7 we gain
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 141
an idea of the form of the ode, typical for the majority of our early
Commencement-Odes.
The ode begins with a Recitative:
Why looks the visionary Maid so sad
Ah! why Britannia thus in Sable clad?
Then Britannia sings an Air:
Lend, lend your Tears, ye Virgin Train,
Whilst Music swells her softest Strain;
Oh! let the solemn Dirge resound
And spread religious Sorrow round,
With me the deepest Loss deplore
My Son, my Son is now no more!
This dirge is followed by a 'Symphony7, or, to use a more modern
term, by an interlude. This by a Chorus and another symphony. A
second but longer Air to the memory of the dead King with interlude
and postlude ends the ode.
The grief of the future signer of the Declaration of Independence,
no doubt, was sincere, but he also believed in the maxim ule Roi est
mort, vive le Roi", for W. Dunlap 'printed in 1762
"in Exercise, containing a Dialogue and Ode on the
Accession of His present gracious Majesty, George III,
performed at the public Commencement in the College
of Philadelphia, May 18* 1762".
This ode too was written and set to music by Francis Hopkinson as
appears from his writings. Neither the music to this or to a third pa-
triotic Ode, to be dated probably 1763, is extant, nor to a song with
guitar accompaniment, or to an Ode entitled 'Disappointed Love', or to
another ode composed in England in 1766.
This is less to be regretted with respect to the three last mention-
ed odes, they being merely specimens of his style as a songwriter, than
with reference to the more pretentious patriotic odes. The loss of the
music leaves, for instance, the problem unsettled whether or not they
were intended for orchestral accompaniment. We have to content our-
selves with knowing that Francis Hopkinson set them to music. This is
at least more than we can positively state concerning
"A collection of Psalm Tunes with a few Anthems and
Hymns. Some of them entirely New, for the Use of the
United Churches of Christ Church and St. Peter's Church
in Philadelphia, 1763".
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142 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737-1791,.
This extremely rare collection is beautifully engraved by an unknown
artist, and contains thirty-six tunes etc. mostly in three parts with a
figured bass for organ accompaniment besides "A Short Introduction to
the Art of Psalmody'*.
The introduction is short and well calculated for the needs of children,
but otherwise not remarkable. It treats
"First, of the Notes, and their Lengths ... Of the Cliffs ... Of the Cha-
racters denoting the Time or Movement ... Of the Pauses or Bests in
Music ... Of the Sharps, Flats and Naturals ... Of other Characters used in
Music ... Of Bass ... Of keeping Time ... Of Intonation."
None of the tunes bears an author's name, not even the entirely new.
That these were written by the compiler goes without saying, but un-
fortunately the booklet is anonymous. Consequently if authorities in
psalmody like Mr. James Warrington of Philadelphia were able to separate
the old from the new tunes, the difficulty would remain of ascertaining
the composer of the latter and thereby the compiler of the collection or
vice versa.
However we are aided in this direction by the dedication that ends
in part:
"To the Reverend Mr. Richard -Peters, Rector of the United Churches
of Christ Church and St. Peter's Church in Philadelphia.
. . . permit me to hope this Attempt to the Improvement on Psalmody
or Church Music, will meet with your favourable Acceptance and En-
couragement. Something of this kind was thought the more necessary,
as it is highly probable there will be Organs erected in both our Churches
before long; which would be but a needless Expence if the Congregations
could not join their t Voices with them in the singing of Psalms. For
this Purpose I have made this Collection of Psalms, Hymns and An-
thems, and prefixed a few Rules for Singing in as clear and easy a
Manner as possible; so that Children with very little Attention, may
understand them. . . The Editor."
Now we know that in 1764 the thankful acknowledgments were given
Mr. Hopkinson and Mr. Young for their "great and constant pains in
teaching and instructing the children in psalmody". I have entered fully
into the problem of the authorship of the collection in my book and I
have succeeded, I believe, in demonstrating that James Bremner for
chronological reasons cannot have been the compiler or composer, as
Mr. James Warrington is inclined to believe. Instead I found circum-
stantial evidence to corroborate the great bibliographer Hildeburn's
idea that Francis Hopkinson might have been the author. Arguing that
the entirely new tunes were composed by the compiler and that, if one
or more of these could be traced to their author the problem would be
solved, I compared the contents of the collection with Hopkinson's musical
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737— 179^. 143
manuscripts extant. With this gratifying result: the 23 Psalm con-
tained in Hopkinson's manuscript collection of 1759 as one of
his compositions is identical with the 23 Psalm in the ano-
nymous collection of 1763.
Dealing here with Hopkinson's career as composer of sacred music
I might add, out of the chronological order, ttthe Proper Tune for Ps.
96th" undoubtedly composed by him and discovered by Mr. Warrington
in the 'Book of Common Prayer . . . Philadelphia . . . 1786'.
Twenty years previous a book left the press that was of by far
greater importance than this insignificant psalm tune.
The New York Historical Society possesses:
"The Psalms of David, with the Ten Commandments,
Creed, Lord's Prayer, etc. In Metre also the Cate-
chism, Confession of Faith, Liturgy etc. Translated
from the Dutch for the Use of the Reformed Protestant
Dutch Church of the City of New York.
New York .. . MDCCLXVII."
The rare publication contains the following advertisement:
"To the Reader.
The Consistory of the Reformed Protestant Dutch Church of the
City of New York, having by Reason of the Declension of the Dutch
Language, found it necessary to have Divine Service performed in their
Church in English ; Have adopted the following Version of the Psalms of
David, which is greatly indebted to that of Dr. Brady and Mr. Tate;
Some of the Psalms being transcribed verbatim from their Version, and
others altered so as to fit them to the Music used in the Dutch Chur-
ches. . ."
The consistory first engaged a Mr. Byvank for this English version,
but then discharged him from his engagement and entrusted the work
to Francis Hopkinson in 1764, as appears from several sources of in-
formation, agreeing to pay him 148 pistoles.
Hopkinson's task was peculiar. To use the words of Mr. Warrington:
The metres of the Dutch Psalters are mostly ten syllables a line, four
or five or six lines to a stanza.
The English Psalters are mostly in what is called Common Metre that
is alternately lines of eight and six syllables.
Hopkinson's task was to make just sufficient alterations in Tate and
Brady's *A New Version of the Psalms of David fitted to the Tunes in
Churches' (First edition London 1696, frequently reprinted both in England
and America), as to lengthen the lines from eight or six syllables to ten.
For instance the first two lines in Psalm I of Hopkinson read
"How blest is he, who ne'er consents to walk
By ill Advice, nor dares to stand and talk''.
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144 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791 .
In Tate and Brady the same Psalm begins:
uHow blest is he, who ne'er consents
By ill advice to walk".
Evidently Francis Hopkinson pleased the Consistory with his work, for
he wrote in a letter to Benjamin Franklin, under date of 13. Dec. 1765:
ttI have finished the translation of the Psalms of David to the great
satisfaction of the Dutch Congregation of New York & they have paid me
£ 145 their currency which I intend to keep as a body reserve in case I
should go to England."
For a long while after this event we hear nothing of compositions by
Francis Hopkinson, in fact not until the War of the Revolution, when
"there was a very tawdry march often played by the American bands,
entitled 'The Washington March."
Unfortunately Mr. Louis C. Els on from whose book on 'The National
Music of America and its sources' (Boston, 1900, p. 157) the last words
are quoted, neither reproduces said tawdry march, nor does he refer to
his authorities for the statement. I have devoted an entire chapter to
this 'Washington March' in my monograph on Hopkinson, and this for
a simple reason.
In the Baltimore Clipper of 1841 appeared a communication on the
origin of the music to 'Hail Columbia', signed J. C. — the initials probably
stand for Joseph Carr, the music dealer and publisher — and ending:
"I have also reason to believe that the ;Washington March' generally
known by that title, I mean the one in the key of G- major, was composed
by the Hon. Francis Hopkinson, senior, having seen it in a manuscript book
of his, in his own handwriting among other of his known compositions. "
We have no right to doubt Mr. Carr's veracity and therefore admit
that he saw a 'Washington's March in G major among Hopkinson's
manuscripts. But this is no proof, and emphasis should be laid upon the
fact that J. C. himself did not feel justified in attributing the march
positively to Hopkinson.
Perhaps an investigation of his source would permit of being more
positive than him? Perhaps, but the volume mentioned by J. C. seems
to be lost, as none of Francis Hopkinson's music books extant contain
a Washington March! Consequently if we accept Carr's "reason" as
satisfactory, we need but find this 'Washington's March in G major'
in other sources and attach Hopkinson's name to it A very simple
proceeding, it seems; but in reality fascinatingly complicated, if it be con-
sidered how superficial our knowledge of early American music is, and
how discouragingly scattered are the few early American musical publi-
cations extant that would have to form the basis of comparison.
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O. G. Sonneck, Francis Hopkinson 1737—1791.. 145
It would be folly to claim that I have examined all sources, but
those I have examined were sufficient to baffle my hopes of solving the
problem. I found no less than eight old marches written in honor of
George Washington and of these, three were known as "Washington's
March, and all three stand in the key of G major.
We ask in despair which of these tliree did Joseph Carr remember
to have seen among Francis Hopkinson's manuscripts?
To draw a facit:
A 'Washington's March' in the key of G major running:
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boars this name wherever it appears with one unimportant exception.
I found a copy of it at the Library Company of Philadelphia on the
same sheet with a 'Washington's March at the Battle of Trenton' under
the undated title:
"Washington's March, Philadelphia. Published and Sold at
G. Willig's Musical Magazine".
Another edition published by Willig informs us that it was "per-
formed at the New Theatre, Philadelphia*'. Now the New Theatre was
not opened until February 1793 when a few concerts were given there,
and it remained closed until February 1794. The march might have
been played at those concerts but it appears not on the programs. It
might also have been known for years previous, but its performance at
the New Theatre is the earliest positive allusion to it I have been able
to trace, for it probably was not published prior to 1795 by Willig from
all we know about his career as music publisher.
But Francis Hopkinson died in 1791 and if he really wrote it in Re-
volutionary Times or even later, and if the march became popular then
or afterwards, it would seem very strange that the piece appears in none
of the musical publications extant and issued or proposed for publication
between 1776 and 1794.
The 'Washington's March at the Battle of Trenton' running
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has a revolutionary flavor to its name, but it too, as far as I know,
did not appear in print before 1795. Furthermore it was known under
four different names: this, and 'Washington's March', and 'General
Washington's March', and 'President's New March', the latter title prov-
s. d. i. m. v. 10
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146
0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791;.
ing that it might have been composed in 1789 but not earlier. Con-
sequently as far as chronology goes this march indeed might have been
written by Francis Hopkinson, though it would seem strange that his
authorship should have been witheld by Willig.
As to the third anonymous 'Washington's March, in Gr major, I have
found it in the Complete Fifer's Museum — probably a publication of the
early nineteenth century — and nowhere else. But everything goes to show
that the real Washington's March became popular whatever its date of
origin might be. Had this third version been the one alluded to by J. C.
it certainly would appear as often as the two others.
It would be unscientific to positively attribute on the basis of these
investigations one or the other of the three marches to the pen of
Francis Hopkinson. If he did write a 'Washington's March' and if it was
played by the Continental bands during the War of Revolution or even
later, it probably was either the one the first bars of which I have quoted
or 'Washington's March at the Battle of Trenton' alias 'President's New
March' — or both. Of the two the second is by far the best and most
characteristic. For this reason alone it would be gratifying if later histori-
ans succeeded in establishing Francis Hogkinson's authorship beyond doubt.
Washington's March at the Battle of Trenton.
Maestoso.
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However one possibility remains that I am not in a position to verify
at present. I faintly remember having heard this or a very similar
march played by one of the German regimental bands. Should the
'Washington' March' after all not be of American but of European
origin, and should it have been called 'Washington's March' in the
United States, merely because it was a favorite of the great General?
If the 'Washington's March' forced us to rely on conjectures, not so
the following dirge:
ttIn Memory of Mr. James Bremner.
Sing to his shade a solemn strain,
.Let music's notes complain;
Let echo tell from shore to shore,
The swain of Schuylkill is no more.
Air.
From Scotia's land he came
And brought the pleasing art
To raise the sacred flame
That warms a feeling heart.
The magic powr's of sound
Obey at his command,
And spread sweet influence round,
Wak'd by his skilful hand.
10*
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148 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737 - 1791}.
Oh! sanctify the ground,
The ground where he is laid;
Plant roses all around,
Nor let those roses fade.
Let none his tomb pass by,
Without a gen'rous tear,
Or sigh — and let that sigh
Be like himself sincere."
These heartfelt though perhaps not very poetical lines were written
by Francis Hopkinson. They appear in the third volume of his writings
with a footnote to the effect that Bremner "died at the banks of the
Schuylkill, Sept. 1780", which would allow us to approximately fix the
date of the dirge. It made a deep impression upon contemporaries of
our first poet-composer. We know this from a poem "To the Memory
of Francis Hopkinson, Esqr.r, published in the American Museum, Phila-
delphia in 1791 (App. p. 39) and "ascribed to John Swanwick, Esq." who
thus recalls its impressions of the elegant dirge . . . composed and set to
music by Judge Hopkinson:
Notes such as once he pour'd at Bremner's urn,
Lays such as those he offer' d at his shrine —
But ah, what muse can make a just return
For lays so mournful or a note so fine.*'
It is certainly to be regretted that Hopkinson's setting of this dirge
seems to be among his lost compositions.
About the time of Bremner's death originated in the United States
the short-lived enthusiasm for everything French, so delightfully described
by Watson in his 'Annals of Philadelphia'. The allies paid one another
all possible compliments in order to fasten the ties between the young
republic and the monarchy of His Most Christian Majesty; ties that
withstood the test of time and the contest between Federalists and Anti-
Federalists, until the insolence of the French Republic nearly forced us
in 1798 to declare war against a nation to which we owed so much.
But about 1780 good-will, friendship, and gratitude only were the key-
notes in our relations with France. Balls, concerts, dinners, receptions
and the like, in rapid succession, gave expression to these sentiments.
One of the most notable affairs of the kind was
"The Temple of Minerva, a Musical entertainment performed in
Nov. 1781, by a band of Gentlemen and Ladies, at the hotel of the Minister
of France, in Philadelphia."
This is the title of a libretto as printed in 'the Columbian Magazine'
for April 1787. The 'Freeman's Journal' published on December 19,
1781 gave the following account of the festivity:
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0. Gk Sonneck, Francis Hopkinson (1737-1791,. 149
"Philadelphia, December 19.
On Tuesday evening of the 11th inst. his excellency the minister of
France, who embraces every opportunity to manifest his respect to the worthies
of America and politeness to its inhabitants, entertained his Excellency Ge-
neral Washington, and his lady, the lady of General Green and a very polite
circle of gentlemen and ladies with an elegant Concert, in which the following
Oratorio, composed and set to music by a gentleman whose taste in the
polite arts is well known, was introduced, and afforded the most sensible
pleasure: The Temple of Minerva. . /'
Neither this report nor the 'Columbian Magazine' mention the poet-
composer. However the reprint of the libretto is signed: H. This initial
could mean Hopkinson. I therefore examined his published writings but
in vain. Already had I abandoned the hope of proving his authorship
of which I was convinced when luck came to my assistance. Mrs. Flo-
rence Scovel Shinn, a great grand daughter of Francis Hopkinson, had
kindly given me access to her family papers, and it was one of those
rare moments of pure joy and satisfaction that make a historian forget
months of monotonous research, when I discovered in two volumes of
Hopkinson's original literary manuscripts
"The Temple of Minerva. An Oratorial Entertainment
performed in Nov. 1781 by a Company of Gentlemen and
Ladies in the Hotel of the Minister of France in Presence
of his Excellency General Washington and his Lady".
Again we have to regret that the music seems not to be extant, but,
as was the case with the Commencement Odes, the libretto allows us to
form a correct idea of the plan of the music.
The dramatis personae were: Minerva, her High Priest, the Genius
of France, the Genius of America; and the whole entertainment con-
sisted of two scenes.
The first plays 4In the Temple of Minerva. The doors of the Sanctu-
ary shut', the second likewise but with the doors of the Sanctuary open.
After an Overture, the Genius of France, the Genius of America and
the High Priest of Minerva raise their voices in a trio, a solemn hymn
of praise to Minerva. The Genius of America in a solo asks the Goddess:
"Say, will high Jove their labours crown,
And grant their arms success;
From his exalted throne look down
And my orisons bless?"
The Genius of France implores Minerva to "grant her pray V, where-
upon both unite in a duet to the same effect. The High Priest then requests
them to approach the throne and all three in a Trio implore the Goddess:
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150 0. G. Sonneck, Francis HopkinBon 1737— 1791).
". . . . Hear our Pray'r
Make Columbia's cause thy care;
Blest and patronised by thee,
Great and pow'rful shall she be."'
In the second scene Minerva makes her appearance with the prophecy :
"In a golden balance weigh'd
Have I seen Columbia's Fate.
All her griefs shall be repaid
By a future happy state.
She with France in friendship join'd,
Shall opposing pow'rs defy
Thus united, thus combined
Heav'n will bless the sacred tie/'
and:
"If her sons united stand
Great and prosp'rous shall she be.
She, like the glorious sun,
Her splendid course shall run,
And future days
Columbia's praise
Shall spread from east to west.
The Genius of America, of course, is delighted with this prophecy:
"Let earth's inhabitants Heav'ns pleasure know,
And fame her loud uplifted trumpet blow;
Let the coelestial nine, in tuneful choirs
Touch their immortal harps with golden wires.'7
As a tinale we notice a 'Chorus' of four stanzas:
"Great Minerva, pow'r divine
Praise, exalted praise be thine."
The last stanzas, as was usual and justly so on all similar occasions,
glorify George Washington:
Now the dreadful conflict's o'er,
Now the cannons cease to roar,
Spread the joyful tidings round,
He comes, he comes, with conquest crown'd.
Hail Columbia's godlike son!
Hail the glorious Washington!
Fill the golden trump of fame
Through the world his work proclaim;
Let rocks and hills, and hills resound —
He comes, he comes, with conquest crown'd.
Hail Columbia's godlike son!
Hail the glorious Washington!
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791). 151
Evidently the 4Temple of Minerva', called an oratorio or oratorial
entertainment, has to be styled rather an operatic entertainment in two
scenes. Though on very much smaller lines, it clearly belongs to those
mythologic-allegoric-political operas, so fashionable at the European
courts during the seventeenth and eighteenth centuries, and which
Hermann Kretzschmar happily christened 'Hof und Staats Opern'.
If Andrew Barton's 'The Disappointment, or the Force of Creduity'
[Philadelphia, 1767), and possibly James Ralph's 4The Fashionable Lady,
or Harlequin's Opera' 'London, 1730) was the first comic ballad opera
produced by a native American, that is to say, a comedy interspersed
with ballads, Francis Hopkinson's Temple of Minerva must be considered
as our first attempt at 'grand opera' — that is operatic entertainment in
which everything is sung and nothing spoken, for though the lines given
to Minerva, the Geniuses and the High Priest are not entitled 'Airs'
there can be little doubt that they were to be sung.
Small as the plan of the two scenes may be, with an Overture, two
trios, a duet, airs or recitatives, chorus, they are laid out in true operatic
style. How well or how badly the first American poet-composer succeeded
in setting his libretto to music, will ever remain a matter of personal
conjecture unless it falls to the lot of a historian more fortunate than
me to discover the score. Not until then shall we be able to decide
whether Francis Hopkinson himself composed the Overture, either for
harpsichord or orchestra, and the rest of the music, or whether he se-
lected some fashionable overture, suitable for his purpose and set his
words to music, partly his own, partly by other composers of the day.
It is not generally known that our early reviews helped to meet the
vivid demand for music by frequently adding printed or engraved music
to the reading matter in form of songs, choruses, marches, dances, and
the like. This laudable custom enables me to call attention to a pastoral
song by Francis Hopkinson. It is to be found, engraved on a fly leaf, in
the Columbian Magazine, Philadelphia for August 1789 under the title of
"The Words and Music of a new song by F. H. Esq.v
The adjective "new" was probably inserted in contradistinction to a
collection of songs, issued in the previous year. Being the first effort
of its kind in the United States, this collection possesses unrivalled im-
portance for the history of music in America. If it escaped the attention
of our historians, this fact is probably due to the extreme rarity of the
publication. Personally I know but of two copies, the one at the Boston
Public Library, the other in possession of Mr. Oliver Hopkinson, the
grandson of Francis.
I am alluding to the undated:
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152 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791).
Seven Songs for the Harpsichord or Forte Piano. The
words and Music Composed hy Francis Hopkinson.
"Philadelphia publish'd & sold by T. Dobson. J. Aitken.
Sculpt."
The title and the contents disagree for the collection consists of eight
songs. A CN. B.' explains it: " . . . This eighth song was added after
the Title page was engraved". The songs were published in 1788 as
appears from an advertisement in 'the Federal Gazette', Philadelphia
Nov. 29, 1788, reading:
"This day is published ... A Set of eight Songs ... by the Honorable
Francis Hopkinson."
The object and nature of the publication become evident from the
highly interesting dedication "To his Excellency George Washington,
Esquire".
After playing some glowing tributes to the greatness of his friend,
Hopkinson writes:
<.
"With respect to this little Work, which I now have the honor to present
to your notice, I can only say that is such as a Lover not a Master of the
arts can furnish. I am neither a profess'd Poet, nor a profess1 d Musician:
and yet venture to appear in those characters united; for which, I confess,
the censure of Temerity may justly be brought against me.
If these songs should not be so fortunate as to please the young Per-
formers for whom they are intended, they will at least not occasion much
trouble in learning to perform them; and this will, I hope, be some Alle-
viation of their Disappointment. However small the Reputation may be
that I shall derive from this Work, I cannot, I believe, be refused the Credit
of being the first Native of the United States who has produced a Musical
Composition. It his attempt should not be too severely treated, others may
be encouraged to venture on a path, yet untrodden in America, and The
Arts in succession will take root and flourish amongst us "
George Washington notified his friend of the "Favourable acceptance"
of the dedication with that punctuality so eminently characteristic of
him. As the letter, now in possession of Mr. Oliver Hopkinson, seems
to have remained unpublished hitherto, and as it shows the peculiar
smiling wit of the 'General' at its best, I reproduce it here.
"Mount Vernon Feby. 5th 1789.
Dear Sir,
We are told of the amazing powers of Musick in ancient times,
but the stories of its effects are so surprising that we are not obliged
to believe them, unless they had been founded upon better authority
than Poetic assertion — for the Poets of old (whatever they may do
in these days] were strangely addicted to the marvellous — and if 1
before doubted the truth of their relations with respect to the power
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0. G. Sonneck, Francis Hopkinson (1737—1791;. 153
of Musick, I am now fully convinced of their falsity — because I would not,
for the honor of my Country, allow that we are left by the ancients at
an unmeasureable distance in evrything; and if they could sooth the
ferocity of wild beasts — could draw the trees & the stones after them
— and could even charm the powers of Hell by their Musick, I am
sure that your productions would have had at least virtue enough in
them (without the aid of voice or instrument) to soften the Ice of
the Delaware & Potomack — and in that case you should have had
an earlier acknowledgment of your favor of the lht December which came
to hand but last Saturday. —
I readily admit the force of your argument between "a thing done"
and ua thing to be done" — and as I do not believe that you would
do "a very bad thing indeed" I must even make virtue of necessity,
and defend your performance to the last effort of my musical abilities. —
But, my dear Sir, if you had any doubts about the reception which
your work would meet with — or had the smallest reason to think that
you should need my assistance to defend it — you have not acted with
your usual good judgment in the choice of a Coadjutor; — for, should
the tide of prejudice not flow in favor of it (and so various are the
tastes, opinions and whims of men, that even the sanction of Divinity
does not ensure universal concurrence) what alas! can I do to support
it? — I can neither sing one of the songs, nor raise a single note on
any instrument to convince the unbelieving.
But I have, however, one argument which will prevail with persons
of true taste (at least in America) — I can tell them that it is the
production of Mr. Hopkinson.
With the compliments of Mrs. Washington added to mine, for you & yours
I am-Dear Sir
Your most Obedt. and
very Hble Servant
Go. Washington."
But little remains to be said. If it is not absolutely clear, from the
sceptical standpoint of a historian, whether James Lyon or Francis Hop-
kinson deserves the title of the first American composer, we at least, on
the basis of his 'Seven Songs' cannot refuse him the credit of having
been our first poet-composer in general and of songs in particular.
"With regard to the collection dedicated to George Washington so much
is apparent: as a composer Francis Hopkinson did not improve greatly
during the thirty years that separate his earliest efforts from this song
collection. His harmony is still faulty and "draggy" at times and he did
not acquire an individual musical profile. To claim beauty or artistic
value for these songs or his other compositions would mean to confuse
the standpoint of the critic with that of the antiquarian. But even the
critic who cares not to explain and pardon shortcomings from a historical
point of view will admit that Hopkinson's simple songs are not without
a certain gracefullness, and that he obeyed the laws of musical declam-
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154 0. G. Sonneck, Francis Hopkinson ;1737— 1791).
ation more carefully than a host of fashionable masters of that period.
Stilistically, of course, he resembles his contemporaries. His musical world
like theirs was an untrue Arcadia, populated with over -sentimental shep-
herds and shepherdesses, or with jolly tars, veritable models of sobriety,
even when filling huge bumpers for drinking bouts. Then again we
notice in Hopkinson's music the studied simplicity of that age for which
treble and bass had become the pillars of the universe.
This and much more is antiquated to-day. But why should we criticise
at all our first musical compositions ? It behoves us rather to look upon
the primitive efforts as upon venerable documents of the innate love of
the American people for the beauties of music, and as documents of the
fact that among the Signers of the Declaration of Independence there
was at least one, who proved to be a "successful Patron of Arts and
Sciences".
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J. Ecorcheville, Note sur un fonds de musique franeaise de la Bibliotheque de Cassel. 155
Note sur un fonds de musique frangaise de la Biblioth&que
de Cassel
par
J. Ecorcheville.
{Paris.)
Les monuments de Tart symphonique du 17e sifccle fran^ais sont rares;
particulifcrement ceux qui n'appartiennent ni au theatre ni k l'eglise. Non
pas qu'a, ce moment le role de la musique instrumentale ait et<5 negligeable.
Bien au contraire, la « symphonies des instruments «hauts et bas» se trou-
vait alors obligatoirement melee a une infinite de manifestations de la vie
sociale. Elle apparaissait aux petits couchers "du roi, donnait aubade aux
presidents du Parlement et k la Basoche; celebrait la St. Louis au
concert des Tuileries, et resonnait aux soupers de Versailles. Elle imposait
son eclat et son bruit en toute occasion solennelle et formait le decor
sonore des fetes, receptions, festivites et r^jouissances, officielles ou privies,
dont ce sifccle d'apparat fut si prodigue. Role brillant, mais perilleux.
L'orchestre se trouvait intimement et dangereusement uni aux evfcnements
et au public qui r^clamaient ses services, et, ni la nature de ces 6vfcne-
ments, ni Tattention de ce public n'^taient favorables au d^veloppement
de la musique pure. D'oii timidity extreme et generate k se lib^rer des
habitudes de la polyphonie vocale, et des formes her&Litaires de la danse;
d'oil aussi l'oubli dans lequel tombfcrent rapidement les ceuvres de ce
genre et de ce temps, et avec elles le souvenir de 1' activity symphonique
du grand sifccle, £ph&nfcre comme la gloire et le luxe qui avaient 6te ses
principales raisons d'etre. Quelques recueils manuscripts ont seuls1) et
k grand' peine, fohappe k la destruction. La collection PhUidor est
connue, le fonds de Cassel Test moins; c'est pourquoi nous nous somme?
permis de le signaler. —
La Landes-Bibliothek de Cassel renferme un grand nombre d'oeuvres
musicales dont le dernier class^ment a 6t6 dress6 et public par le docteur
Israel2). C'est au mot «Suite» de ce catalogue qu'il faut chercher la
1) II convient cependant de signaler certaines impressions allemandes qui pour-
raient fournir de tres preeieuses indications sur notre musique d'orchestre. Telle la
« Terpsichore » de Praetorius ("Wolfenb., 1612) recueil de danses franchises a 6 par-
ties, avec les noms de leurs auteurs. Tel aussi Touvrage de "W. Brade: »Neue Cou-
ranten mit 5 Stimmenc (Berlin, 1621).
0 2) Breitkopf 1881, 8<>. — Un exemplaire annote* par le Dr. Vogel de Leipzig
se trouve a Cassel. Mais une revision serieuse est encore desirable: Par exemple,
lors de notre visite, un mss. de Michel Corrette est demeure introuvable.
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156 J- Ecorcbeville, Note sur un fonds de rausique francaise de la Bibliotheque de Cassel.
collection dont nous parlons. Sous cette rubrique: « Suites, courantes,
allemandes etc. . .» se trouve r&inie une importante serie de parties
separees, ecrites sur des feiiilles volantes. Une feuille double, k Tinterieur
de laquelle figure la partie de soprano, sert generalement d'enveloppe a
chacune des ceuvres. Ainsi constitue le dossier prend Taspect d'une suite
de petits cahiers (environ 40), les uns in-f olios cotes: *mus. fol. 61*, les
autres in-8° cotes *mus. 4° 148*. Le classement de ces cahiers semble
aussi ete un peu hatif. Dans fol. 61, les lettres a, b, c, d, e, f, g, h, m
et la moitie de k, font partie d'une mi'me collection, d'ecriture semblable
et de source frangaise, portant un ancien num^rotage, dont le chiffre le
plus eleve est 85. Par contre, i contient des ceuvres italiennes et viennoises
d'une autre provenance; 1 comprend des tablatures in-4°, dont la Basse
continue etait attribute k k. Si nous mettons de cote i, 1, et en partie
k de 61} et a, b, c, de 148 nous nous trouvons en presence de 200
morceaux k 4 et k 5 parties, group^s par tonalites et portant un certain
nombre de noms d'auteurs qui permettent d'en determiner l'origine.
Sur la couverture de plusieurs cahiers, figure le nom de « Christian
Herwig* soit sous sa forme complete, soit sous une forme paraphee
qu' Israel a mal su lire. Ce meme nom reparait encore en tete dune
Allemande, d'une Pavane et de la Bourree, «la Christiana*. H semble
admissible qu'un personnage ainsi nomm£ fait participd k la formation
des recueils 61 et 148. Or, les archives de Hesse1) mentionneht un
Christian Herbig « hofmusicus » qui mourut violemment le 23 7bre
1663. Cette date s'accorderait assez bien avec les noms fran^ais indiques
d'autre part sur le mss. Lazzarini cfcde k Lully sa charge de compositeur
de la musique de la chambre en 16532); Michel Mazuel est nomme
compositeur de la musique des 24 violons en 1654 s); Gr. Dumanoir rhgne
sur la corporation des instruments dfcs 1659; et Jacques Brulart y
occupe le poste de »maitre en charge > lors du procfcs de 1664 4);
Louis Brulart quitte la grande Bande en 16705); de Lavoye publie son
cTrait6 de musique* en 1656; Francois Pinel ou Pinet ^ordinaire de la
musique de la chambre pour le thdorbe* prend un -survivancier en 1671 •).
Parmi le6 strangers nous trouvons Adam Dresen (1620 — 1701) et une
ceuvre du Landgraf de Hesse dat^e de 1650. D'autre part cep^ndant,
nous rencontrons les dates de 1664 et 1668 qui seraient posterieures k
1) Marburg, Staatsarchiv , Hofhaltung, 0. W. L. 117. Je dois ce document a
la grande obligeance de M. le Prof. Jungbans.
2, Arch. nut. 0* 7.
3) Tboinan, Un Bisaieul de Moliere. Recherches sur les Mazuels. Paris 1878.
4) Entre la corporation de St. Julien et les freres de la doctrine chr^tienne. %
5) Arch. nat. 0i 1H.
6 Arch. nat. 0l L~>.
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J. Ecorcheville, Note sur un fonds de musique frangaise de la Bibliotheque de Cassel. 157
Herwig. Mais, quelque puisse etre l'auteur ou le possesseur de ces copies,
elles appartiennent sans contredit k Fecole frangaise qui preceda imme-
diatement Lully et qui fut.eclipsee par la gloire du Florentin.
H y aurait toute une £tude h entreprendre sur cette collection de la
Landes-Bibliothek. La morphologie orchestique prendrait interet & ces
Branles aux divisions singulifcres. Ces Courantes complexes feraient naltre
d'interessants problfcmes de polyrythmique et l'histoire des sciences musicales
trouverait d'utiles exemples dans cette polyphonie qui n'a dejk plus la
liberie du contrepoint et pas encore Tassurance de Tharmonie. L'ordre
et la conduite des voix, que nous avons la bonne fortune de posseder
ici separees, et non pas en partition reduite, comme il arrive le plus
souvent, les dimensions m§me de certaines pieces, tel le Testament de
Belleville qui comprend 60 mesures, Vouverture de Dumanoir qui en
compte 40, pourraient etre pour Perudition de precieux auxiliaires. Les
origines de la symphonie frangaise, le role de Fitalien Lully, — pour ne
citer que ces deux exemples — resteront toujours obscurs et confus tant
que des collections comme celle de Philidor et celle de Cassel n' auront
pas ete serieusement mises & contribution.
Le catalogue thematique qui suit donnera une idee plus precise du
manuscrit, et pourra guider des recherches similaires.
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158 ^ Ecorcbeville, Note but un fonds de musiqae franchise de la Bibliotheque de Castel.
Catalogue th&natique.
Fol. 61. a.
BransleB a 4 de MF Brular. 1664. Gay.
j'<Tpiffrfrir'iJif«i'Pfrnin i m i v
A mener.
Double.
ifpfirrpif itf»rtr\nf\irih\
Montirande.
Gavotte.
fS^if'^if'PfPir i^'»r'Ptffii yUn
Courante en suite.
2. Courante.
Foi.ei.b.d.)
[l'enveloppe porte ces mots au crayon: de M? Seneca.]
Braneles a 4. le 20 8*ri« 1668. Gay.
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J. EcortheviHe, Note tur un fonds de musiqne francaise de la Bibliotheque de Oasflel.i erg
Pol.ei.b.(».)
Bransles de Mr Du Manoir. [a 4] Gay.
j!nh j:jy jtrftrrir'rfrpif ifmyHv^Pir
A mener.
Gavotte.
3. Courante
Sarabande.
Courante Mademoiselle
Gout. La Dauphine.
FoL6i.b.(8.)
Bransles nouveaux a 4. _ Gay.
A mener.
Gavotte.
|-ri rrnr 'pi Kir ij^frriMirjirpp
Sarabande
Cour. Du Manoir.
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160 J. Eoorcheville, Note but an fonds de musiqae frangaise de la Bibliotheque de Gasael.
FoL61. e.
Bransles nouveaux de G-. D. 1661. [a 4] Gay.
ft ffrirrflifcr|ffCff'Ti^ ■opfYr'pirTrri"P
A mener.
Gavotte.
1. Courante
2. Courante.
i. uourame. _ ». ^. i>uut»uto.
Sarabande.
PoLei. d.(i.)
Allemande La Zarin. [a 4] 2. Allemande.
»A i #-,iJii,rf».,i^iifriiiJ g ■"
Courantes nouvelles de M? Mazuel
2. Courante.
j'nPir>rfrfifrrpir ifl'mjiir^rrwr
Gijrue.
Sarabande.
1=
Fol. 61. d. (*.)
Courante de MF Werdtjr. [a 4] Allemande.
ft ii^irrerTirrrrfirri|'ti ^^ |i 1 1
Courante.
2. Courante.
Courante.
2. Courante.
^^y=^ftryr^'PH^*^N^J3 j I p^
Sarabande.
ftiirr'dr'PMir^F^
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J. Bcorcheville, Note sur un fonds de muaique franchise de la Bibliotheque de Casael. 161
Fol.6l.d.(8.)
1. Oourante.
Allemande a 5 de MT Manuel.
2. Gourante.
3. Gourante.
,j»H,Pirrffirpfrrr|.rij,»,.rClf|iprrrr^
Sarabande.
Bourr6e
=*
Allemande de la voys a 5.
Gagliarde
Sarabande de la Hays.
^■r ipr'pirrrcfif',«^nrirrcr^^
Fol. 81. d. (4.)
Allemande du 8? 2te to Croix, a 4. Courantd en suite, i
$»r'r iricrrirfji^njtnpirrrrrpirpr/r
2. Gourante
Sarabande.
ji .. fpi'f frf rT|f rrrrpi r iif »rpr ifippgi
Allemande b. Adam Dresen
1. Gourante.
j^'PfrjjflJiiji,) rriri^a^irirrr if fprr
La duchesse. Gourante figured.
Bourse.
^nFirBfirfBii|..frpij|jnrtbtfate
Ballet du ST Nau,
Pol. 61. d. (5.)
2.
^m+qfefefa^g^^^
l^^ar^fitrsr f4s ■■ -f f? i fpt^s
s. d. i. m. y.
11
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162 **' Ecorcheville, Note sur un fonds de musique frauciuse de la Bibliotheque de Cassel.
Allemande a 5.
Courante.
2 Courante. ^m m ^ \ 3 Courante. -_ _
4 Courante.
Sarabande.
Allemande
Pol. 61. d. (6.)
Allemande. Christian Herwig.
hn rrifPflJJiJ ijurcf^i^ J3i,j
Courante figured
Allemande.
Courante.
Courante.
Gagliarde du 8? Art us.
Les passe -pieds d'Artus.
Fol.ei.d.(7.)
Sarabande.
A-*-* oftrauanue. ^
Bounce.
Courante.
Bourree figured. La Christiana.
Allemande.
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J. Ecorcheville, Note sur an fonds de musique franQaiae de la Bibliothnque de Oassoi.ign
Pol. 61. d. (8.)
Bransles a 5. Gay.
ft»jiJ.iir-[rirflrijV <^rrffirprrrr
A mener.
Double.
Gourante figureV
Sarabande.
uourante liguree. saraDanae. * +
jnpir]frrrjirrr<riftirr'pft-Prir~
Fol, 61. e.
Libertas.
(2
Sarabande italienne.
ri'iMTi" ijirrrirrrirrr
E
1. Gourante
2. Gourante.
jnpi[»rrrirprrrrpir ijuPirpffrpp*
Sarabande
Gourante du ST Pinel.
Gourante.
Fol. 61. f.
Sarabande de 8. A. de Hesse faite en Tan 1650.
Sarabande du Roy.
Sarabande.
'nrririrfir-iiipirij'irrrirffRttfff
Gourante.
Sarabande.
Sarabande
Franzosisch Liedt.
baraDanae. x * BUBVB1DVU ^t^^ji^.^
ynrjjj|j.prirrjirpri^«rirrrirrrrir'riir
Fantaisie. Les pleura d'Orphle ayant perdu sa femme.
11*
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Jg4 J« Ecorcheville, Note but un fond? de musiqne francaise de la Bihlioth&jue da Caswu.
Fol. 61. g.
Le testament du S* Belleville. Courante simple. D. Pohle.
Sarabande. D. Pohle.
La Bourree.
^■■rrrirr irxcPi r- ijfnirirrrrrirrrrif
Fol. 61. h.
Ouverture de <?. D. [Dumanoir?] Ballet des inconstan's
ir?\
jmf <ttfi.lfJiflnnjniJ>iJ i Pir rrrif
2. Ballet. 3.
Allemande de #. Z>.
2. Allemande.
jinipirjrirp^if^ip ijnjjjjj]irp,ihff
Fol.ei.i.
Balletti da Cavallo composita (sic) di Qeorgio Christophoro [Strattner]?
Une partie de ce ballet, a laquelle manque le soprano pour rait &tre le Bal-
letto a Cavallo de J. H. Schmelzer (Wien 1667).
Fol. 61. k. (1.)
Branle simple
manque soprano. Comprend: G4 Branle; Gay; A mener; Double; Montirande;
Gavotte; Prelude a 4; Allemande; Courante; Sarabande.
Fol. 61. k. (».)
Petits Bransles nouveaux. 2.
i^Of tr pr r i r^+i^**^^
La Princesse. Bounce.
Sarabande
3
nae.
Les doux dorniors morceaux so
trouvent deja en Pol. 61 d (7).
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J. Ecorchcyille, Note sup tin fonds dc musique francaite de la Bibliotheque de Cassel 165
Pol. 61. k. (8.)
Courante nouvelle pour l'annee 1658. [a 4] 2.
Allemande. Ferdier.
Pol. 61. k. (4.)
Allemande.
Ballet de Chantilly.
Pol. 61. k. (5.)
Allegro.
|m jJlfTlf Jl,JJJl J ijuffffrrr lr r
Presto.
Allegro.
|Sr f'tfifrrpi • i$'«f trrrgppip
l* 1 | ir r'r r r i r J »|" i ^
Grave.
* J.JIJJJ-JlfJfpl ; l$m -J^Jif^^
Allegro
Sarabande.
«rrrpirrfPifr^F4t^Pi^ri'irr^
Pol. 61. k. (6. 7. 8.)
Wiensches Ballet a 5.
Schwedisches Ballet a 4, iu Stockholm getantzt.
Sonata di A. Bertali (Fa maj.)
Sonata del Sig. G. Rub. (incomplete)
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166 J. Ecorcbeville, Note sur un fouds de muaique frangaiee de la Bibliotheque de Cassel.
Pol. 61. 1.
Per la viola di gamba del Sig. Tielsche - Tablature avec B. G.
Pour le Baryton, cahier de 32 pages 4? On y trouve les noms de John
Jen. - MT Young. Gautier 1653 - Pin ell e - Tombeau de MT Me~
sangier - Carl Hacquart.
Lamente d'Orph^e en d^faillance de coeur. G4 Ballet; Euridice se mou-
rant (incomplet) „Rossignols". „J'aime la paix" - en tablature.
Pol. 61. m.
Allemandes a 4.
Tres endommage" par Thumiditd, surtout le soprano.
Allemande.
Gourante.
Gourante
Sarabande.
$re-p'ir-rref|frrr i^rrpirVfep
4? 148.
a. Ballet: Ouverture. Entrees. Duo des Satyres. Les 7 Planetes. Les 4
Saisons. Phaeton seul. Neptune.
b. Sonata a 5 del Sign. H. Schmelzer.
c. Pa van a 5 Christian Her wig.
d. Bransles a 4 del Sign. David Pohlen. Sont divises comme ci-dessus:
Simple; Gay; A mener; Double; Afontirande; Gavotte; 2 Cour.; Sarab.
e. S^rie de danses et ballets francais; Basse seule.
f. Gourantes a 4 du SF Tambeau.
1
|'"J'U-r;rpirpcrrrfir ^'■pirrrpffl^
Sarabande.
" 0 0
PMrrJ'J- i
s
Le catalogue d' Israel indique encore 5 vol.4? cotes 125. Ce sont des mil, magni-
fiquement relies, portant sur leurs plats l'aigle a deux tetes, et oontenant de la mu-
aique instrumental probablement d'une epoque anterieure a celle qui nous occupe.
Malheureusement ils ne pr4ser4ent aucun titre, ni indication de quelque genre que ee
soit
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J. Ecorchevilk, Note sur un funds de musique franqaise de la Bibliothfeque de Caase) 167
Allemande de Mazuel.
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168 J- Ecorcheville, Note but tin fonds de musiquo fran^aise de la Bibliotheque de Cassel
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J. Bcorrbeville, Mote but un fonda de musiqoe fructose de la Bibliothfeque de Cassel. jgg
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1 70 J. Ecoroheville, Note «ur un fonds de manque fran^aise de la Bibliotheqne de Canel.
Allemande du 8? De la Croix.
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J. Ecorcherille, Note war an fonds de monetae fiftn$aue de la Bibliotheqae de Oanel. iitj
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172 J.-Gr. ProcThomme, Notes sur plusieurs musiciens frangais du XVI« siecle.
Notes sur plusieurs musiciens frangais du XVIe siecle
par
J.-G. ProcThomme.
(Paris.1
Voici trois chapitres d'un gros volume, sorte d'encyclopedie sans methode
comme la litterature francaise du XVIe siecle en possede tant, et dans les-
quels leurs auteurs entassaient nai'vement toutes leurs conceptions artis-
tiques, politiques, sociales, toute leur Erudition melee a toutes leurs fan-
taisies: Le Traict6 sur les (Euvres admirables de Dieu, du chevalier Adrien
de Boufflers, volume compact de 1300 pages, divise en plusieurs parties,
renferme, au milieu du Livre III, qui traite plus particulierement de la
physiologic du corps humain, plusieurs pages sur la Voix, et, incidemment,
une longue digression sur plusieurs musiciens contemporains (p. 853-856j.
Ces particularity ont, sans doute, echappe jusqu'ici, aux historiens de la
musique. Aussi ne crois-je pas sans interet de les reproduire, apres trois
siecles, in extenso:
IfAVCVNS MVSICIEXS
LESQVELS ONT CHANTE'
deiix parties en mesme temps.
D'vn musicien de FLAXDRE.
GIIAPITRE XX.
Ie seray pleige en cela par Maistre lean Molinet, Poete en langue Fran-
coisc de Charles Due de Bourgogne, lequel racontant en ses Po'emes les merveilles
aduenues de son temps , il couehe au rang dUicelles vn certain personnage de
quality fort verse en fart de Men chater, duquel encore que le nom soit passe
soubs silence, si a-il voulu toutefois (aire reuiure sa louange en la memoire
d* la posterite, en le depeignant si excellent en Musique, qu'il chantoit (dit-ti)
en mesme temps deux parties, a scavoir le dessus <& le tenor, auee vne con-
cordance si agreable aux oreilles, qu'iceluy Molinet reproche a Obega-n, losquin,
<0 autres rares Musiciens, ses contemporains, de rfauoir peu donner atteinte a
rrste perfection. Et ne trouuoit sans raison telle Industrie esmerueUlable, en taut
que les Philosoplies & Mcdecins, Secretaires de la nature, veulent bien aduoiirr
que Vhome pent contrefaire torn les chants des oiseaux, <0 le cry des bestes:
mais ils tiennent que le poulmon duquel la voir prend sa naissance, se seruant
de la gorge comme d'vn tuyau pour la conduirc en la bouche, afin d'estre former
par la langue, ne sont suffisans organes pour rcprrse titer en mesme temps deux
roix diuerses <£ separces fvne de V autre, nstimans que cela fie se pent faire
sinon par la dextcrite de fart et de la gorge, laquelle cest honneste homme
anoit tant a commandement que de faire des rencontres auee vne tres grande
promptitude, ores descendant en vne partie, & tantost montant en f autre. En
quoy il procedait comme font les ioileurs de gobclete, lesquels charment la veiie
par la subtilite de leurs mains. Tout de mesme ce CJiantre p>oxmoit deceuoir
Irs oreilles auee Vagilite dc sa voix, faisant paroistrc ce chant redoulAe, ainsi
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J.-G. Prod'homme, Notes sur plusieurs musiciens fran^ais du XVIe ei&cle. 173
que Von voit la langue du serpent sembler triple <£ quadruple, a raison du
soudain mouuemsnt Micelle. En pareil ca quand vne houssine bien deliee est
branUc de la main des Ecuyers, eeste agitation fait juger quHl en tient cinq ou
six. Ce seroit par telle procedure que le sens de Vouye pourroit estre abusi, a
cause de la soudaineti du Musicien nientumne par cestuy Molinet. Mais soit
que tel redoublement de voix se face naturellement, ou par artifice, en vne sorts
ou en Vautre ce Chantre ne meritoit petite louange de son Industrie: car ton
dit que fart egale, voire surpasse la nature.
D'ANTHOINE DE MUBA.
CHAPITBE XXL
Le Boy Charles IX. prenoit singulier plaisir de veoir la Musique de sa
Cliapelle, & celle de sa Chambre, garnies de Chanteurs t)'es-excellens, estimant
que les beaux concert* de, voix estoit Vim des plus precieux ornemens qui donnent
lustre au Cours des grands Princes. Et afin de ne rrtarrester a particulariser
tons Us rares Musiciens dont sa Majeste estoit seruie, ie representeray seulement
Antiwine de Mura, qui eut la plus belle voix de tous les Chanteurs de ceste
saison. Car il faisoii rouller tant de passages rcdoublez de sa gorge, que la
gloire du degoisetnent des rossignols s*en trouuoit du tout effacee ; &- encore que
telle dexteritd fust digne de ires grands louange, si voulut-dl faire prendre rn
plus haut vol a sa sufpsance, &• acquerir des trophees sur les hommes aussi
bien qvHil auoit fait sur les oiseaux. Car lors qu'estant en ses gayes humeurs,
il donnoit maintefois carrier e a son bel es}nnt, en chantdt deux parties de sa
bouche en mesme temps, qui duroient fcspace de vingt-cinq ou trente mesures,
faisant entendre deux voix bien accordecs, distinctes d> continues iusques a la
fin, sans i?itermi#sion ; Vvnc proucrwit de son estomac, d!r V autre sembloit sortir
des narines: viais tant y a que ces deux airs rendoient vne harmonic non
mains rare que admirer d?vn chacun.
DU SIEUB DU CAUBBOY.
CHAPITBE XXII.
Depuis que lay raconte les louanges de ces deux grands Musiciens, ie ne
me dois taire de la suffisance du Sieur du Caurroy, qui fut Maistre de la
rhapelle de Henry II. <£- Henry III., Boys de France, pour estre Vvnique de
nostre aage, qui auroit receu ceste faueur des Cicux, d'ouurir les plus rares
secrets d'Orphee, par la clef de son travail <£ Industrie 1 <£' de ce lieu sacre
recueillir toute perfection de fart, dont il a fait assex, paroistre f excellence par
toutes scs opAtvres a la grande louange des Francois, <£ admiration des estrangers.
Ireluy done, pourueu de ces rares concessions ne voulut souffrir que le Musicien
recommande par Molinet, ny Anthoine de Mura. missent le pied plus autant
que m luy dans la perfection de ceste science, car pour egayer son esprit appe-
santy d'autres plus serieuses cstudes, il s*est fort souuent delecte a cha?iter deux
parties en mesme tempts, portant sa voix si promptement, oi-es en haut, tan tost
en has, qrfil ne se trouuoit pcrsonne pourueu de si delicate^ oreilles, qui ne
iugeast que ce fussent deux- liommes, chautans chacun leur partie. Mais apres
auoir egale, uoire devance ces rares Musieiens en ce que Von estime impossible ;
sa louable ambition voulut eneore passer plus outre: car sestantvn iour trans-
porte a Charento prorhe de Paris, pour recognoistre VEcho de- ce lieu, que Von
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174 J.-G-. Prod'homme, Notes sur plusieurs musliciens frangais du XVIe siecle.
(lit estre le plus celebre du monde, c£ apres auoir iettS quelques chats en Fair
pour VaUirer au robot, esprouuer ses forces, & scauoir en combien de syUabes
il representoit les chats desquels Von Vauroit salue, it accommoda si dextrc-
ment quelques fugues a la voix d'ieeluy Echo, qu'ils furent pres tfvne heure a
cJianter ensemble des fantaisies a Venuy, auec chasses, & vne si belle suitte,
que deux voix humaines n'eussent peu mieux s'accorder. Ie ntesten&mis da-
vantage sur le merite de ce coriphee de la Musique, riestoit que ie recognois
mon discours par trop debile, pour haut htier celuy en Vame duquel Vharmonie
(0 la concordance faisoient leur ordinaire demeure. (Test pourquoy le recti de
ses perfections, estant du gibier des excellens escriuains, its ne laisseront en
arriere, comme ie croy, V honorable mention quails doiuent a la suffisance de
ce digne personnage.
L'ouvrage du chevalier de Boufflers, d'ou sont extraits ces trois cha-
pitres, parut en 1621, a Beauvais, sous ce titre:
TRAICTE' SVR LES (EVVRES ADMIRABLES DE DIEV LE CRE-
ATEVR, PAR Le Sieur de Boufflers, Cheualier de l'Ordre du
Roy, Gentilhomme ordinaire de sa Chainbre, Seigneur dvdit liev
de Boufflers, Yicomte de Ponches, Chaftelain de Milly en partie,
Et Bailly de Beauuais. I'ay consid^re tous tes faits, & medite sur
toutes les ceuvres de tes mains. Psal. 143. A BEAVYAIS, Par G. VAL-
LET, deuant S. Barthelemy. M.D.C.XXL Avec Priuilege du Roy.
Quant a l'ouvrage de Jean Molinet auquel Boufflers se rSfere, en voici
le titre et un extrait:
Recollection de merueilleufes auenues en noftre teps Comencee
par tres elegat Orateur infigne George Chastelai cheualier iu-
diciaire et historiographe de tres-illu! tre prince Monseigneur le
due de bourgoingne et continuee iusques a present Par messire
Jehan Molinet. Sans date, imprime en caracteres gothiques par Guil-
laume Vorstermann a An vers, vers 1450.
Au fo. 10, on lit le huitain suivant:
lay veu come il me sable
Vng fort home d'honeur
Lvy seul chanter en samble
Et dessus et teneur
Okeguem Alixandre
Gossequim ne Bulnois
Qui Sevent chans espandre
Ne font telz esbanois.
On connait Okeghem (que Boufflers appelle Obegan^, Josquin Des-
pres, Alexandre [Agricola', Busnois (ou Bulnois), Eustache du Caurroy
que citent nos auteurs; quant a Anthoine de Mura, les biographes musicaux
n'en font pas mention.
Les cas cites par Boufflers dans ses chapitres XX et XXI sont des cas
de ventriloquie, tels qu'on en rencontre assez frequemment de nos. jours.
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Hermann Miiller, Zur Musiklehre des Joannes de Grocheo. 175
Zur Musiklehre des Joannes de Grocheo
von
Hermann Miiller.
(Paderborn.)
Der in den Sammelbanden der IMG., Jahrgang 1, Seite 65 ff. durch
Wolf erstmals veroffentlichte Musiktraktat des Joannes de Grocheo liegt
bekanntlich nur in einer Handschrift 1) vor. Bei Gelegenheit einer kleinen
textkritischen Studie zu der genannten Musiktheorie 2) hatte ich bereits notiert,
dafi dieser Kodex fruher offenbar dem Karthauser-Kloster zu Koln gehort
habe. Nun wurde ich jttngst im Stadtarchiv zu Koln auf den daselbst auf-
bewahrten Katalog der alten Kolner Karthauser-Bibliothek aufmerksam3).
Es ist das ein handschriftlicher Katalog vom Jahre 1748, der einen sehr
ansehnlichen Umfang hat; ein Prachtexemplar eines alten Biicherkataloges.
In diesem Verzeichnisse findet sich auf Seite 737 notiert:
>De Groclieo Joarmis Mmka sive theoria ms.*
Ferner findet sich in dem beigefiigten » index praenominum* (der Schrift-
steller) auf Seite 113 verzeichnet:
» Joannes de Grocheo.*
Daraus ergibt sich, daB unser Traktat noch um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts im Karthauser-Kloster zu Koln lag. Ferner wird man daraus, daB
der Autor in dem Schriftsteller-Verzeichnis ohne jeden weiteren Zusatz auf-
gefuhrt wird, wahrend sonst wohl derlei Zusatze sich finden, schlieBen diirfen,
dafi schon dem Schreiber jenes Kataloges der Joannes de Grocheo eine ganz
unbekannte Fersonlichkeit war. Sollte es nicht doch noch gelingen, Naheres
iiber diesen verschollenen Musiktheoretiker einmal in Erfahrung zu bringen?
1) Cod. 2663 der GrroCherzoglich Hessischen Hofbibliothek zu Darmstadt.
2; Siehe Sammelbande der IMG., Jahrgang 4, Seite 361 ff.
3; Stadtisches Archiv zu Koln, geistliche Abteilung Nr 66, sub n. 137.
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Die Vierteljahrshefte der Sammelbande
erscheinen am 1. November, 1. Februar, 1. Mai und 1. August. SchluB
der Redaktion jedes Heftes: ein Monat vor seinem Erscheinen. Manu-
skripte und andere Sendungen beliebe man zu richten an einen der
Herausgeber: Prof. Dr. Oskar Fleischer, Berlin W. MotzstxaBe 17 und
Dr. Johannes Wolf, Berlin N. 0. Prenzlauer Allee 30.
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MAR 10 1904
Studien liber die Gesohiohte der mehnt"'^1
im Mittelalter.
II. Die 50 Beispiele Coussemaker s aus der Handschrift von
Montpellier1).
von
Friedrich Ludwig.
(Potsdam.)
Unter den Denkmalern der mehrstimmigen Musik des Mittelalters
stand bisher fiir die musikgeschichtliche Forschung die groBe Handschrift
von Montpellier {Feu:, de mSd. H. 196) im Vordergrund. In der ersten
Halfte des 14. Jahrhunderts geschrieben gibt sie ein iiberaus reiches
Bild der mehrstimmigen, besonders der Motettenkunst des, wie man an-
nimmt, 12. und 13. Jahrhunderts. Ihr widmete E. de Coussemaker in
seiner Vart harmonique aux XII* et XIIP siecles (Paris 1865) ein um-
fangreiches Werk, dessen Musikbeilagen, 50 Stiicke aus dieser Hand-
schrift in Original-Notation und Ubertragung, trotz ihrer oft beklagten
Mangelhaftigkeit bisher keine wesentliche Verbesserung oder Nachahmung
gefunden haben. 1879 und 1880 publizierte G-. Jacobsthal in der
»Zeitschrift fiir romanische Philologie* (IH, 526 ff und IV, 35 ff) samtliche
Texte in diplomatisch genauem Abdruck in sorgfaltigster Weise mit einer
wertvollen Beschreibung der Handschrift als Einleitung. Bald darauf er-
schien G. Raynaud's Recueil de motets franpais*), in dem alle Raynaud
bekannten franzosischen Motettenhandschriften abgedruckt sind, unter
ihnen an erster Stelle die von Montpellier, die den ganzen ersten Band
fiillt, mit einer langen Abhandlung von H. Lavoix, La musique au
si&ele de St Louis am SchluB des zweiten Bandes8), die die Handschrift
Montpellier geradezu fiir eine Enzyklopadie der Musik des 13. Jahr-
hunderts erklart. SchlieBlich machte, um von der haufigen sonstigen
gelegentlichen Benutzung des von Coussemaker gedruckten Materials
1) I. Die mehrstimmige Musik des 14. Jahrhunderts, Sammelbande IV, 16 ff.
2) 2 B'ande 1881 und 1883.
3) Siehe 187—464 und eine Bibliographie dieser Zeit Seite 467—479.
s. d. I. M. v. 12
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178 &• Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
seitens der Musikhistoriker zu schweigen, 1888 O. Roller dasselbe in
der Vierteljahrsschrift fiir Musikwissenschaft IV, Iff. zum Gegenstand
einer umfassenderen Untersuchung.
Neuerdings haben besonders zwei Publikationen wieder die Aufmerk-
samkeit auf den Inhalt dieser Handschrift und die mit ihm zusammen-
hangenden Fragen gelenkt, die grundlegende Untersuchung von W. Meyer
uber den »Ursprung des Motett's* in den Nachrichten von der Ronig-
lichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Gottingen 1898 und der erste
Band der »Oxford History of Music*, in dem H. E. Wooldridge sich
zur Aufgabe stellt, die Geschichte der mehrstimmigen Musik von 330 bis
1330 zu schreiben (Oxford 1901), wofiir er sein Beispiel-Material haupt-
sachlich der Florentiner Handschrift, Lour. ])l. 29, 1, deren Bedeutung
Meyer zuerst erkannte, und Coussemaker's Montpellier -Beispielen, von
denen er sechs wieder abdruckt, entnimmt.
Trotzdem wird es nicht iiberfliissig sein, nach dem heutigen Stande
unserer Wissenschaft wieder einmal den Versuch zu machen, die Stellung
der einzelnen Faszikel der Handschrift in der Entwicklung der mehr-
stimmigen Musik zu umreiBen und innerhalb eines jeden die einzelnen
von Coussemaker ausgewahlten Stiicke zu charakterisieren und zu wiir-
digen. Coussemaker glaubt seine Beispiele nach der historischen Auf-
einanderfolge gruppiert und besprochen zu haben, flir die er seine (irrige)
Autorenzuweisung zugrunde legt, dabei Notenschrift und derartiges neben-
sachlicher behandelt. Roller geht umgekehrt von der Notenschrift aus,
ordnet nach ihrer Entwicklung die Folge der Faszikel in der Handschrift
urn und beriicksichtigt das Historische fast gar nicht, so daB er zum Beispiel
S. 74 den Vll. Faszikel in das 12. Jahrhundert setzt und ahnliches. Beide
beachten aber dabei nicht, daB Codex Montpellier nur das letzte Glied
einer langeren Entwicklung ist, die Coussemaker, der das altere Pariser
Handschriften-Material kannte, in diesem hatte studieren konnen; denn urn
ein Verstandnis der Werke zu gewinnen, die auBerlich so einheitlich erschei-
nend jetzt den Inhalt des Codex Montpellier bilden, muB man zunachst ihren
alteren Spuren nachgehen, was Coussemaker und Roller nur ganz selten
einmal tun. Die Zitate einzelner Werke in den Theoretikern, auf die
Coussemaker so viel Wert legte, niitzen uns dabei verhaltnismaBig wenig,
aber die Geschichte der Werke selbst, die sich in einer Iiberwaltigenden
Fiille von Fallen durch Handschriften der verschiedensten Zeitepochen
hindurch verfolgen laBt, spricht eine um so beredtere Sprache.
Und das Bild, das man daraus fiir die Geschichte der mehrstimmigen
Musik bis zur Handschrift von Montpellier und fiir die Stellung der
letzteren innerhalb der Gesamtentwicklung dieser Runstgattung gewinnt,
scheint mir etwa folgendes zu sein.
Nach verstreuten Anfangen, in denen die Mehrstimmigkeit hier und
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mebrstimmigen Musik im Mittelalter. 179
dort Boden zu gewinnen sucht, bilden sich im 12. Jahrhundert drei groBe
Kunstgattungen heraus, in denen die Mehrstimmigkeit in schonst er und
entwicklungsfahigster Bliite erscheint. Die beiden ersten sind die litur-
gischen Kompositionen und die lateinischen Conductus, bei denen eine
Entscheidung, welches die altere Pflege der Mehrstimmigkeit ist, noch
nicht moglich ist. Die Conductus erscheinen neben ihrer alten einstim-
migen Form jetzt zwei- bis vierstimmig, in den verschiedensten musikalischen
Gestaltungen vom einfachsten syllabischen Strophenlied bis zur kunst-
vollsten melismenreichen durchkomponierten Ausfiihrung; sie sind noch
ganzlich ununtersucht, die wichtigsten Handschriften sind Florenz
[Law. pi. 29, 1), die zwei in Wolfenbiittel [Hdmst. 628 und 1099),
Madrid (Tolet 930), Egerton (London British Museum Egerton 274)
und aus dem 13. Jahrhundert Paris St. Victor 813 (B. N. f. lat. 15139).
Ln 13. Jahrhundert stirbt mit dem weiteren Aufbluhen der Literatur
in den Nationalsprachen und der Entwicklung der Motette diese Kunst-
gattung ganz ab; sie lebt freilich in verkiimmerter Form in Gestalt von
Schul- und kleinen kirchlichen Gesangen noch weit in die Neuzeit hinein
fort, die zentrale Stellung aber, die sie im 12. und 13. Jahrhundert als
freies kirchliches oder religioses Lied, als politisches Zeitgedicht, als
Spott- und Rugelied, als Gesellschaftslied und allgemeines lyrisches Ge-
dicht in lateinischer Sprache gehabt hatte, ist definitiv verloren. Die
Conductus sind nun in Montpellier iiberhaupt nicht vertreten. Von ihrer
musikalischen Form laBt sich in diesem Zusammenhang nur sagen, daB
sie in den syllabischen Teilen Note gegen Note und mit gleichem Text
in alien Stimmen, wie alle Werke der altesten Epoche der mehrstimmigen
Musik, mit der Hauptmelodie in der tiefsten Stimme und mit freierer
Stimmentwicklung in den melismierten Partien, die in der Segel am An-
fang oder Ende der Verszeilen sich finden oder einem VersschluB textlos
folgen, komponiert sind J). Die Entwicklung ihrer melismatischen Partien
beiiihrt sich eng mit dem analogen Vorgang in den liturgischen Kompo-
sitionen, in denen diese Partien die Hauptsache sind.
Von den zwei G-attungen dieser letzteren Kunst tritt die eine, mehr-
stimmige Tropen zum Ordmarium Missae, bald wieder in den Hinter-
grund; nur eine Handschrift gibt von ihr Kunde. Desto reicher ent-
wickelt sich die zweite, die im Froprium der Liturgie der groBen Kirchen-
feste ihre Stelle findet, im Gradual und Alleluja der Messe und im
Matutin-Responsorium des Offiziums, vielfach auch mit Hinzufiigung von
Benedicamus Domino. Und von hier fuhrt die entwicklungsfahigste
Linie fiir die mehrstimmige Musik weiter. Der melismenreiche gregoria-
1) Einige Proben bei: Dreves, Analecia Hymnica XX und XXI; Wooldridge,
The Oxford History of Music I, 246 und P. Wagner in Revue Musicale II (1902;, 301 ff.
12*
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180 $• Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
nische Gesang dient als Tenor ; iiber ihm bauen sich die Oberstimme oder
-stimmen nicht mehr Note gegen Note J), sondern in neuen ausgedehnteren
rhythmischen Bildungen auf, die Feierlichkeit und Pracht des Ganzen
noch unerhort kiihn steigernd, bis sie diese Form geradezu zerbrechen.
Die altesten Handschriften uberliefern uns solche Gesange noch in Neu-
men, so die in der Oberstimme iiberaus melismierten Benedicamus-Tropen
im Codex Paris lat. 3719, die drei groBten, etwas jiingeren Handschriften,
Florenz Laur. pi. 29, 1 und die zwei in Wolfenbiittel, in der altesten
unausgebildeten Mensural-Notation, alle drei ein sehr ahnliches Repertoire
enthaltend, das noch einmal im ersten Faszikel von Montpellier wieder
erscheint in ausgebildete Mensuralschrift umgeschrieben , und wiederum
etwas jiinger, aber auch noch in unausgebildeter Mensural-Notation, aber
mit singularem Repertoire Codex St. Vict. 813. Weihnachten, St. Ste-
phan, Johannes Evangelista, die Innocentes, Epiphanias, Purificatio, die
Osterwoche, Kreuzerfindung, Himmelfahrt, Pfingsten, Johannes Baptista,
Peter-Paul , Maria Himmelfahrt und Geburt, Michaelis, Allerheiligen und
Kirch weih, ferner viele Heiligentage , unter ihnen Dionysius, Germanus,
Martinus und Andreas, und viele Commune-Sanctorum-Liturgien, sind die
Hauptfeste, deren Gottesdienst durch die Mehrstimmigkeit verschont er-
scheint, uberwiegend in zweistimmiger, daneben nicht selten in drei-
stimmiger und vereinzelt auch in vierstimmiger Komposition.
Montpellier hat eine Reihe dreistimmiger Kompositionen aufge-
nommen, von denen Coussemaker Nr. 1 und 2 Alleluia Posui gedruckt
hat. Diese liturgischen Kompositionen verschwanden, wie ich an anderer
Stelle ausfiihrte, im 14. Jahrhundert, um einer neuen Entwicklung der
mehrstimmigen Komposition des Ordinarium Missae Platz zu machen.
Denn seitdem seit der Erfindung der Mehrstimmigkeit diese in die Liturgie
des Gottesdienstes Aufnahme gefunden hat, ist mehrstimmiger Gesang
nie wieder daraus ganz verschwunden; bald ist es das Proprium — die
Gradualien, Allelujas und Responsorien des 12. und 13. Jahrhunderts
die Motetten Palestrina's, die Kantaten Bach's — , bald das Ordinarium
Missae — die alten Tropen im 12. Jahrhundert, die groBen Messen seit
dem 14. Jahrhundert — , das mehrstimmig zu komponieren zu den hochsten
Aufgaben der Tonkiinstler gehort hat.
Eine der eigentumlichsten Eigenschaften dieser Kompositionen war
es, daB fiir die melismenreichsten Teile, eine kleine Wortgruppe, ein
Wort, einige Silben, mehrfach auch nur eine einzige Silbe, mehrere Kom-
positionen zusammengestellt wurden, offenbar zur Auswahl, ja daB mehrere
Sammlungen erhalten sind, die lediglich solche zwei- und dreistimmigen
1) Zweistimmige Alleluias des 11. Jahrhunderts Note gegen Note in Buchstaben-
beziehungsweise Neumenschrift liegen zum Beispiel in Mail and, Ambr. M. 17 sup^
und Chartres, Stadt-Bibl. 130 vor.
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F. Ludwig, Studien uber die Greschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 181
Kompositionen von Ausschnitten enthalten, so einerseits in Florenz und
Wolfenbiittel 628 und ein anderes Repertoire wiederum in St. Victor; von
beiden f iihren Wege zu einer neuen Kunstgattung, der Motet te. Drohte
das endlose Melisma der Oberstimme iiber dem Melisma des Tenor die
Komposition ins MaBlose zu erweitern, vielleicht die beabsichtigte Wirkung
sogar auf die Dauer abzuschwachen , so verstand es eine gliickliche Er-
findung, diese Wirkung mit, soweit die Musik in Frage kommt, denselben
Mitteln statt zu schwachen zu steigern: ,man legte dem Melisma der Ober-
stimme Text unter, dessen Metrum man dem musikalischen Ehythmus
syllabisch anpaBte. So hatte die Mehrstimmigkeit wieder einen entschei-
denden Schritt vorwarts getan: erst nur die verschiedene Tonhohe der in
den verschiedenen Stimmen parallel verlaufenden Melodie, dann die ver-
schiedene Bewegung der Melodie der einzelnen Stimmen, die vielfach bis
zur obligaten Gegenbewegung im zweistiinmigen Satz ftihrt,* jedenfalls
iiberall jeder Melodie Selbstandigkeit gibt, dann der verschiedene Bhyth-
inus, indem der mehrstimmige Satz sich vom Zwang der Komposition
Note gegen Note lost und jeder Stimme ihre eigene ihr angemessene
rhythmische Ausgestaltung gibt, nun zuletzt die Befreiung der Komposition
vom gleichen Text in alien Stimmen, die dieser Entwicklung den SchluB-
stein einsetzt: wie jede Stimme sich melodisch und rhythmisch individuell
entwickelt, kann sie jetzt auch einen eigenen Text, der dieser ihrer eigenen
musikalischen Ausgestaltung entspricht, mit sich f iihren, der langsame
Tenor einen einfachen kurzen Text, die reich ausgestaltete Oberstimme
einen lebhaften poetischen Text; und beides miteinander zu vereinigen war
die mehrstimmige Kunst bereits am Ende des 12. Jahrhunderts fahig.
Wir sehen aus den Melismen in Florenz und Wolfenbiittel die lateinische
Motette, aus den in St. Victor die franzosische Motette entstehen, und \
zwar die zweistimmige, wie ja auch die zweistimmigen Kompositionen der
liturgischen Stiicke bedeutend an Zahl iiberwogen.
Bei der Zweistimmigkeit miissen wir einen Augenblick innehalten; sie
scheint so natiirlich, es ist hier in der Motette bereits Melodie und Be-
gleitung, und doch ist sie bald fast ganz verloren gegangen und auch
ihre alte Bltite von den Musikhistorikern noch nicht wieder geniigend
beachtet. Es schien Forschern wie Ooussemaker so erstaunlich, die kom-
pliziertesten drei- und vierstimmigen Kompositionen bereits in dieser alten
Zeit zu finden, daB sie die Ausbreitung der zweistimmigen Kompositionen
daneben fast vollstandig iibersahen. Allerdings verschwinden die zwei-
stimmigen Kompositionen gegen Ende des 14. Jahrhunderts allmahlich
aus den Werken der groBen Meister; das Ohr hatte sich an die vollere
und befriedigendere Klangwirkung des dreistimmigen Satzes gewohnt und
bevorzugte diesen; die technische Fertigkeit machte ungeheure Fortschritte,
die den zweistimmigen Satz als etwas zu Primitives verachten lieBen: so
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182 F- Ludwig, Studien ttber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
finden wir fiir viele Gattungen scbon im 14., aUgemein dann im 15. und
16. Jahrhundert auch die unbedeutendsten und harmlosesten Komposi-
tionen in der schweren Riistung des dreistimmigen Satzes, iiber den dann
bald der vierstimmige wieder uberwiegt. Es ist bekannt, wie die Viel-
stimmigkeit sich im 16. Jahrhundert immer mehr steigert, bis am Ende
des 16. Jahrhunderts der einfache und natiirliche zweistimmige Satz ganz
frisch wieder erfunden werden muB, um die Musikentwicklung in Bahnen
einzulenken, yon denen aus weitere Fortschritte moglich sind.
Das 12. und 13. Jahrhundert nun kennt und verwendet den zwei-
stimmigen Satz auf das Beste, nicht nur im Conductus und in den litur-
gischen Werken, sondern auch im Anfang in der Motette. AuBerordent-
licli groB ist die Zahl der erhaltenen zweistimmigen lateinischen und
franzosischen Motetten; von groBeren Sammlungen, die auch die Musik
enthalten, nenne ich Flore nz mit lateinischen, Wolfe nbiitt el 1099 mit
lateinischen und franzosischen, Roi (Paris, /rp. 844), Noailles (ib. 12615)
und Montpellier mit franzosischen, von erhaltenen Eragmenten einstiger
Sammlungen London add. 30091 mit lateinischen und franzosischen und
Miinch en mit franzosischen Motetten, indem ich hier wie iiberall in
dieser Studie vom Heranziehen der groBen Bamberger Motettenhand-
schrift noch absehe. Es ist eine verhaltnismaBig anspruchslose Kunst,
die aus diesen Werken spricht. Ihre Gegenbilder sind die zweistimmigen
lateinischen Conductus und die ebenso zahlreichen einstimmigen franzo-
sischen Chansons. Gegenuber diesen strophisch gebauten Texten, bei
denen dieselbe Musik zu den yerschiedenen Strophen in der Kegel gleich-
inaBig wiederkehrt, fiir die dieser Strophenbau also den kiinstlerischen
Kernpunkt bildet, zeigen die Motetten freie Metren, um die ein einheit-
liches kunstlerisches Band der Tenor schlingt, der bei allem Wechsel
der Periodenlangen der Oberstimme seinen einmal eingeschlagenen Rhyth-
mus starr festhalt. Zwang ist hier wie dort; dort miissen es sich alle
Strophen gef alien lassen, in derselben Komposition zu erscheinen; hier
ordnen sich alle Verse, lange und kurze, mannliche und weibliche, Reini-
paare und Reimkreuzungen, mit Hebung oder Senkung beginnende, dem
die musikalische Grundlage bildenden Tenor unter. Beide lassen sich
durch neue Oberstimmen noch in der Wirkung steigern, es sind drei- und
vierstimmige Conductus wie drei- und vierstimmige Motetten erhalten;
doch auch hier wieder zeigt sich nur die Motette lebensfahig. Wahrend
die drei- und vierstimmigen Conductus im Wesen dasselbe sind wie die
zweistimmigen, nur dem Klang nach verstarkt, sieht sich in der drei-
und vierstimmigen Motette die mehrstimmige Musik plotzlich zur Losung
ganz neuer Probleme fahig.
Neben der zweistimmigen lateinischen Motette erscheint von Anfang
an die dreistimmige, wie das dreistimmige Gradual neben dem zweistim-
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F. Ludwig, Studien uber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 183
migen, und zwar sowohl aus dem dreistimmigen Melisma entstanden wie
aus dem zweistimmigen mit Hinzufiigung einer neuen dritten Stimme oben.
In beiden Fallen hat die neue Oberstimme, das Triplum^ aber die Eigen-
schaft, lediglich ein hoheres Spiegelbild des Motetus Note gegen Note
mit gleichem Text wie dieser zu sein, ebenso wie es auch die hoheren
Stimmen des mehrstimmigen Oonductus sind. Plorenz und Wolfen-
biittel haben ganze Sammlungen solcher Motetten, und wie die drei-
stimmigen Gradualien dienten diese dreistimmigen Motetten zum kiinst-
lerischen Schmuck der hochsten Feste — aus der Osterliturgie allein
z. B. sind sechs solcher Motetten in Florenz — und die zweistimmigen
fur die gewohnlichen Feste. Aber schon hier zeigt die Erweiterung der
Motetten-Stimmenzahl neue Bahnen der Mehrstimmigkeit ausgebaut. Wie
iiber dem liturgischen Text im Tenor sich der Motettentext in der zwei-
stimmigen Komposition erhob, so stellt sich schon in Florenz einige
Male mit einer dritten Stimme auch ein dritter Text ein, zunachst noch
beide Texte koordiniert; bald aber ufrerflugelt der obere den mittleren,
wie dieser es mit dem Tenor getan hatte. Und im Laufe des 13. Jahr-
hunderts verschwinden sowohl die zweistimmigen als auch die dreistimmigen
lateinischen Motetten mit nur einem Text fiir beide Oberstimmen so voll-
standig aus dem Grebrauch, daB in Montpellier nur noch vereinzelt
einmal eine zweistimmige und gar keine dreistimmige dieses alten Stils
mehr aufgenommen ist.
Langer hielten sich die einf achen zweistimmigen f ranzosischen Motetten,
die an die Melismen in St. Victor 813 ankniipfen. Von ihnen enthalt
Faszikel VI in Montpellier 75 Beispiele, mit denen aber- Coussemaker
so wenig anfangen konnte, daB er sich auf zwei Beispiele daraus be-
schrankte1), Nr. 31 und 32, Lone tens ai mm cuer assis iiber dem Tenor
In saeculum und Li doz termines m' agree iiber Balaam , von denen 32
auf eine interessante Geschichte zuriickblickt, die aus den Versionen Roi-
Noailles einer- und Montpellier andererseits abzulesen ist, und 31 seinen
musikalischen Ursprung in einem Melisma in Florenz hat Beide gehoren
zu den altesten Vertretern der Motettengattung iiberhaupt ebenso wie die
iiberwiegende Anzahl der nicht gedruckten, die besonders in Roi, No-
ailles und Wolfenbiittel 1099 in alterer Form erhalten sind. Aber
auch bei den franzosischen Motetten Iiberwogen bald die dreistimmigen,
die beiden Oberstimmen verschiedene Texte geben, deren erste Vertreter
wiederum schon in den altesten Handschriften (Roi, Noailles, Wolfen-
biittel) erscheinen, wenn auch nur vereinzelt. Dreistimmige franzosische
Motetten nach Art der altesten dreistimmigen lateinischen mit gleichem
1) Die Drucke von zwei Motetten dieses Faszikels von Lavoix in Raynaud's
Recueil de motets U sind leider ganz unbrauchbar.
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184 F. Ludwig, Studien uber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Text in beiden Oberstimmen sind nur ganz sparlich erhalten, so in Wol-
fenbiittel 1099.
Damit daB die dritte Stimme einen besonderen, den dritten Text,
wenn man die Tenorbezeichnung als Text mitrechnet, erhalt und diesen
in seinem Bau wiederum zu verselbstandigen beginnt, tritt die Entwick-
lung der Mehrstimmigkeit in einen entscheidenden Wendepunkt. Bisher
war die Notenschrift auch der mehrstimmigen Musik in fast alien ihren
Formen direkt aus der Neumenschrift in Quadratnotenschrift umgebildet,
die virga war longa, podatus nnd clivis ligatura binaria cum proprieiate
et perfectione, um mich dieser spateren Ausdriicke zu bedienen, torculus
und porrectus ligatura temaria cum proprietate et perfectione, der dimaciis
conjunctura temaria, die liquescentes plicae usw. usw. geworden. Ob es
sich um lange oder kurze Tone handelte, zeigte nicht die Form der Noten,
sondern fur die syllabischen Partien das Metrum des Textes und fiir die
melismierten die Art der Zusammenstellung der einfachen Noten, Liga-
turen und Konjunkturen. Das istein Kapitel der Notenschrift, das noch
vollkommen unerforscht ist; Coussemaker erklarte Handschriften wie'Boi
lind Noaflles zum BeispieT schlankweg fur unlesbar und entnahm daraus
die Berechtigung, sie fiir seine Studien nicht zu beriicksichtigen. Wool-
d ridge erklart bei seinen Ubertragungen zahlreicher Stiicke aus Florenz
ganz off en (I, 245), daB da, wo ihn die elementarsten Regeln der Dar-
stellung der verschiedenen rhythmischen Grundf ormen (Modi) in bestimmten
Ligaturenfolgen im Stiche lieBen, er nach Gutdiinken die verschiedenen
Stimmen einander anpaBt. In vielen Fallen ist das Resultat auch so
richtig, das methodische Fundament fiir die Ubertragungen der ganzen
Werke dieser Periode — in der Hauptsache also Florenz, der beiden
Handschriften in Wolfenbiittel, Madrid, Paris St. Victor, Boi und No-
failles — ist aber noch nicht gelegt; Material dazu ist, wie man sieht,
reichlich vorhanden.
Ganz bewundernswiirdig ist nun die Geschicklichkeit , mit der diese
primitive Notenschrift fahig gemacht ist, auch solche komplizierten "Werke,
wie sie unter denjbisher besprochenen sich finden, aufzuzeichnen und zwar
r weit uber die Fahigkeit der Neumenschrift hinaus, auch rhythmisch im
wesentlichen eindeutig lesbar aufzuzeichnen. Der Schliissel dazu liegt in
der engen Verbindung der Rhythmik und Metrik, im engsten Zusammen-
arbeiten von Musiker und Dichter. Auch fiir die alteste Motetten-Epoche
reichte diese Notenschrift vollkommen aus, auch der oder die syllabisch
komponierten Motettentexte alterer Art verlassen nur in ganz seltenen
Fallen den Rhythmus, den das Metrum ihres Textes ihnen vorschrieb.
Jetzt aber tritt eine neue Oberstimme mit neuen Metren und mit neuen
Bhythmen hinzu; musikalischer Rhythmus und poetisches Metrum fallen
oft auseinander. Da beginnt die alte Notenschrift zu versagen; eine prin-
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 185
zipielle Anderung wird notwendig; die Dauer der einzelnen Noten kann
nicht mehr aus dem Metrum des Textes ersehen werden, noch weniger,
da diese Oberstimme ja auch vollig syllabisch ist, aus dem musikalischen
Zusammenhang. Jede Note mufi also selbst ihre Dauer (Mensur) an-
zeigen; der Unterschied zwischen langen und kurzen Noten pragt sich
jetzt auch in der Gestalt aus, man unterscheidet longa und brevis; und
analog muB man bei den Ligaturen zur Ausbildung verschiedener Formen
schreiten, deren Bedeutung dann fest bleibt und nicht mehr von der Art
des Zusammenhanges mit anderen umstehenden Ligaturen abhangt; die
Konjunkturen, mit denen man weniger anfangen konnte, verschwinden
allmahlich ganzlich.
Damit greift eine neue Klasse Musiker folgenschwer in die bisher so
ungehindert schon verlaufene Entwicklung der mehrstimmigen Musik ein,
die Biicher schreibenden Theoretiker, jeder mit besonderen eigenen Vor-
schlagen zur Verbesserung der Notenschrift, jeder vom Feuereifer beseelt,
nur seine eigene Absicht durchzukampfen, und nur die wenigsten von
Verstandnis fur die anderen oder fiir das alte erftillt. Fur die alteste
Zeit gilt durchaus : tot capita tot sensus: D^scantus positio vulgaris,
Garlandia, Anonymus VII, Pseudo-Aristoteles, Franco und
Anonymus IV, um nur die Hauptschriften des 13. Jahrhunderts zu
nennen, sie arbeiten alle besonders an der Vervollkommnung der Noten-
schrift; erst Franco von Koln gelang es als dem riicksichtslosesten
und zielbewuBtesten, Normen festzustellen, die giiltig gebheben sind. In
der Hauptsache sprechen alle nur von den Motetten, mehrere geben zwar
Klassifikationen und Beschreibungen aller Gattungen, auch zum Beispiel
der Oonductus; aber wenn sie ihre Notenschrift oder Moduslehre exem-
plifizieren wollen, greif en sie fast immer zu den Motetten, nur ganz ver-
einzelt einmal zu einem Alleluja, wie dem mehrfach zitierten Alleluia
Posui.
Und eine groBe Anzahl der von ihnen zitierten Motetten sind nun
gerade in Montpellier erhalten. Ooussemaker hat das Verdienst,
sowohl diese Theoretiker als auch 50 Stucke aus Montpellier zuerst be-
kannt gemacht zu haben; ihm schien dabei die theoretische und praktische
Entwicklung der mehrstimmigen Musik vollkommen Hand in Hand
zu gehen; man kann sich nicht wundern, wenn er in der Freude iiber
diese Entdeckung alle alteren Quellen ubersah, den Kodex Montpellier
als das klassische Motettenwerk ansah und die Geschichte der Motette,
ja der kiinstlerisch hoher stehenden mehrstimmigen Musik uberhaupt erst
da anfing, wo die >Discantus positio vulgaris « in die Entwicklung ein-
greift. Wir sahen aber, welche ungeheure Produktion an mehrstimmiger
Musik, Conductus, liturgischen Werken und Motetten, der »Discantus
positio vulgaris* voraufgegangen ist; wir sahen auch schon einen Teil der
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186 JP- Ludwig, Studien tiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Faden, durch die Kodex Montpellier mit der alteren Kunst des 12. und
beginnenden 13. Jahrhunderts verkniipft ist; wir konnen also den EinfluB
dieser Theoretiker auf die Kunstentwicklung nicht iiberschatzen wie
Coussemaker, der die Lehrer auch kurzerhand zu Komponisten ihrer
Beispiele macht.
Der Wendepunkt der Entwicklung, an den das Eingreifen der Theo-
retiker ankniipft, ist also prazis gefaBt die freie Ausgestaltung des Mo-
tetten-Tripluins mit eigenem ausgedehntem Text. Die Freude an der
neuen Wirkung dieser so gebildeten dreistimmigen Motetten muB eine
ungeheure gewesen sein; denn fiir die weitere Entwicklung riickt diese
dreistimmige Motette mit zwei verschiedenen Texten in den Oberstimmen
immer mehr in den Vordergrund. Dagegen verschwinden die dreistim-
migen Motetten mit nur einem Text oben vollstandig, bald auch die Con-
ductus ganz und die zweistimmigen Motetten allmahlich, bis im zweiten
Drittel des 14. Jahrhunderts die Alleinherrschaft der dreistimmigen Mo-
tette, bald auch zur vierstimmigen erweitert, mit zwei Texten in den
Oberstimmen, lateinischen oder franzosischen, vollig entschieden ist, der
gegeniiber keine andere Art Motette und keine andere kiinstlerisch hoher-
stehende mehrstimmige Komposition lateinischer Texte uberhaupt auf
langere Zeit mehr existiert. Die^jireijm^hythmus voneinander grund-
verschiedenen Stimmen eindeutig lesbar wiederzugeben, reichte die alte
Notenschrif t in der Tat nicht mehr aus ; so sind uns auch derartige drei-
stimmige Motetten in guten Handschriften gar nicht mehr in der alten
Notation uberliefert. Im ubrigen gingen aber beide Notationen noch ruhig
nebeneinander her; wo mensurale Schreibung nicht notwendig war, brauchte
man sie auch nicht anzuwenden. Im Kodex St Victor zum Beispiel, der
! Conductus auf Ereignisse der Regierung Ludwigs des Heiligen von Frank-
reich enthalt, wahrscheinlich zum Beispiel auf 1244 *) beztiglich, ist alles,
liturgische Stiicke, Melismen, Conductus und Motetten, vollkommen in
der alten Notation geschrieben, und fiir einstimmige franzosische Texte
ist der >B,oman de Fauvel« meines Wissens die erste Handschrift, die
sie mensuraliter schreibt, obwohl nicht zu bezweifeln ist, daB auch
sie im 12. und 13. Jahrhundert mensuriert gesungen sind. Und so stehen
auch fiir dieselben Kompositionen vielfach beide Schreibungen in Hand-
schriften verschiedener Epochen friedlich einander gegeniiber, Faszikel I
von Montpellier und die altere Schreibung in Florenz und beiden Wolf en-
biitteler Handschriften, Faszikel VI von Montpellier und die altere
Schreibung in Wolfenbiittel 1099, Roi und Noailles.
So finden wir weiter auch zu den anderen Faszikeln von Montpellier
altere Fassungen der Kompositionen in alteren Handschriften in der
1; Vergleiche Meyer, a. a. 0., 140.
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 187
iilteren Notation, zunachst aus dem Faszikel III und IV, die vielfach,
weil hier die von der »Discantus positio vulgaris* zitierten Beispiele
sich finden, irrig iiberhaupt flir die altesten gehalten worden sind. Fas-
zikel IV enthalt dreistimmige Kompositionen mit zwei lateinischen Texten
in den Oberstimmen, Faszikel III solche mit einem lateinischen Text im
Motetus und einem franzosischen im Triplum. Wann diese letztere Gattung
entstanden ist, bleibt uns dunkel ; der Inhalt dieses Faszikels von Mont-
pellier ist, von ganz vereinzelten Ausnahmen sonst abgesehen, das einzige
Repertoire dieser merkwiirdigen Kunstgattung, das iiberliefert ist. Die
Erklarung dieser Gattung, die leider von jeher viel zu sehr im Mittel-
punkt des Bfctrachtens und Erstaunens gestanden hat, ist in der Tat
nicht leicht, ein geistlicher Gesang in Motetus, den viele Theoretiker als
Musterbeispiel zitieren, und ein oft sehr leichter franzosischer Text im
Triplum, das reimt sich offenbar sehr wenig. An einen Vortrag in der
Kirche ist nicht zu denken; und auch beim Vortrag dieser Kompositionen
im weltlichen Kreise hat die Verbindung zweier solcher. Texte zweifellos
etwas Lasterliches *), und doch ist sie nicht zu bezweifeln. Diese Werke
sind aber nicht typisch fiir die Motettenkunst, sondern im Gegenteil nur
ein Durchgangsstadium.
Wie bei der Entstehung der Motette zuerst ein innerer Zusammen*
hang zwischen Motettentext und Tenorwort bestand, der sich allmahlich
vielfach vollig aufloste, in den franzosischen Motetten zum Beispiel nie
inehr vorhanden war, so rankt sich hier ein franzosisches Triplum statt
eines lateinischen um eine aus Tenor und Motetus bestehende Kompo-
sition, oder ein neues Triplum mit neuem franzosischem Text ersetzt ein
dem Motetus gleichgebautes altes Triplum. Die Motettenkunst ist damit
auf die Spitze getrieben, drei vollig disparate Elemente eint nur die i
musikalische Harmonic Es ist dabei weniger die Sprachverschiedenheit
der einzelnen Stimmen, die frappieren kann, sondern die Verbindung
zweier dem Inhalt nach so heterogener Texte; und diese ist in der Tat
dann auch bald verlassen. Die Motette gab zwar den Zusammenhang
der Texte oben mit dem Tenorwort zunachst auf, bildete aber daftir die
inneren textlichen Beziehungen der Oberstimmen in den Bahnen, die die
altesten Motetten dieser Art bereits andeuteten, weiter aus und stoBt
dabei auf einen hochst fruchtbaren Boden, dessen Ertrag im 15. Jahr-
1) So ist zum BeiBpiel auch in der Tat in einem Cartular des 13. Jahrhunderts
des Erzbistums Besanc,on [Nr. 716) eine Sammlung von 67 Motetten, in der diese
Gattung besonders stark vertreten war, entfernt worden. Ist dieser Verlust auch sehr
bedauerlich, so ist immerhin die Erhaltung wenigstens des Anfangsverzeichnisses am
Ende der Handschrift hochst wertvoll, da unsere Kenntnis von der Verbreitung dieser
Motetten dadurch sehr willkommen gefordert wird. [Btdletin de la Soe. des ane. textes
fran?. XXIV, 1898, 95 ff.)
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188 F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalte r
hundert auch leider wieder verloren ging, wie manches andere schon oben
erwahnte. Erst die musikalische Neuzeit hat, ohne von den alten Ver-
suchen zu wissen, Probleme, die schon hier aufgeworfen sind, aufgenommen
und zur musikalischen Losung gefiihrt.
Die mehrstimmige Musik ist in der Tat fahig, zwei verschiedenen In-
dividualitaten gleichzeitigen wirksamen musikalischen Ausdruck ihrer
Empfindungen zu ermoglichen; die Mehrstimmigkeit ist in diesen Fallen
nicht mehr bios inusikalischer Schmuck fur einen musikalischen Gedanken,
der sich auch einstimmig wiedergeben laBt, sondern ist hier direkt die
Existenzbedingung. Und daB nach so kurzer Entwicklung die Mehr-
stimmigkeit bereits dies Problem erkannte, diirfen wir billig als etwas
ganz Erstaunenswertes bezeichnen ; daB sie technisch die richtigen Mittel
sah, um solche gleichzeitige Aussprache zweier Individualitaten wirksam
darzustellen, ist etwas Wunderbares. Sie hatte kaum gelernt, mehrere
Stimmen in einer fiir das Ohr der damaligen Zeit harmonisch unanstoBigen
Weise zu fuhren,- weiter kaum gelernt, den musikalischen Trager im Tenor
und die weiterschweifende Ausfuhrung in Oberstimmen zu differenzieren
und harmonisch miteinander zu vereinigen: da geht] sie wieder einen
Schritt weiter und laBt auf dem gemeinsamen Boden des musikalischen
Tragers sich in den Oberstimmen mehrere Individualitaten gleichzeitig
aussprechen, und jede in der Art, die ihrer musikalischen Stellung zu-
kommt: wuchtig, bedachtig, gleichmaBig im Motetus, lebhaft, feurig, aus-
gedehnt im Triplum.
> 0 Maria maris stdla plena gratiae* singt zum Beispiel in wunder-
voller Melodie und ruhigem Vortrag der Motetus, > 0 Marid virgo ddri-
ticd, virginum flos, vitae spfe unicd* sprudelt wahrend dessen das helle
Triplum mit je zwei Senkungen zwischen den Hebungen heraus; in ganz
gemessenen Noten schreitet unter beiden der Tenor, dessen Melodie
Veritatem dem Gradual von Maria Himmelfahrt entnommen ist (Cousse-
maker Nr. 8 aus dem Faszikel IV von Montpellier). Kein Wunder, daB
eine solche Komposition von der »Discantus positio vulgaris* an immer
wieder als Muster zitiert wird; sie ist uns in alter dreistimmiger Fassung
mit gleichem Text fiir beide Oberstimmen in Florenz und Wolfenbiittel,
in neuer mit neuem Triplum mit eigenem Text in Montpellier erhalten.
Derartige Werke, die auch unter den franzosischen Motetten viele treff-
liche Gegenstucke haben, bilden die Hohepunkte dieser Entwicklung.
Die ihnen eigene Vollendung zeichnet auch die Motette des 14. Jahr-
hunderts, wie ich an anderer Stelle ausfiihrte, aus; dann verschwinden
leider diese Werke; wir diirfen in Gedanken aber eine Briicke schlagen
hintiber zu einer Kunst wie Bach's Kantaten, in der gerade diese Seite
der mehrstimmigen Kunst ihre Vollendung gefunden hat.
Auch eine zweite Art der dreistimmigen Motetten weist iiber das 15.
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 189
und 16. Jahrhundert, das an ihr vorbeiging, in die neue Zeit: das sind
diejenigen, in denen Motetus und Triplum gleichwertig nebeneinander
stehen und wie ein Duett mit Begleitung erscheinen. Treten sie an Zahl
den anderen gegeniiber auch zuriick, so bieten sich doch gerade in den aus
Faszikel JV von Coussemaker gedruckten Stiicken zwei prachtvolle Bei-
spiele: Nr. 18 ein Doppelgebet an den heiligen Nikolaus, PsaUat chorus
in novo carmine und Eximie pater et regie *) beginnend iiber dem Tenor
Aptatur, in beiden Stimmen rhythmisch und metrisch gleich, in den Reimen
iihnlich, beide den Heiligennamen aucb gleichzeitig aussprechend, beide
reimlos in das Tenorwort Aptatur auslaufend, von regelmaBigem schonem
Bau, und Nr. 14 eine Pfingstmotette, deren Motetus den heiligen Geist
und Triplum die virgo beatissima anruf t ( Veni virgo beatissima und Veni
sancte spiritus iiber dem Tenor Neiona), hier umgekehrt beide Stimmen
unausgesetzt in reizvollem Wechselspiel tatig, nicht ein einziges Mai zu-
sammen pausierend. Ganz ungesucht ergeben sich dabei durch die auf-
einander folgenden Einsatze beider Stimmen im gleichen Modus und in
gleicher Tonhohe auchMelodie-Wiederholungen, die man alsNachahmungen
angesprochen hat, die aber hier ganz von selbst aus der Situation fol-
gen. Beides sind also Duette, die sich zwischen zwei gleichstehenden
Personen abspielen, in einem die Stimmen gleichmaBig, im andern alter-
nierend gefiihrt. Die Vorstellung von zwei Personen, die sich in dieser
Weise aussprechen, hat etwas Dramatisches an sich; und gerade die fran-
zosische Motettenkunst bildete die hier liegenden Keime weiter aus; wir
werden ihnen spater im II. und VII. Faszikel wieder begegnen. Hier
geniige die Bemerkung, daB wir es hier mit regelrechter Ensemble-Musik
zu tun haben, die in der Anlage durchaus an moderne Ensemble-Musik,
wie die Oper im 17. Jahrhundert sie ausbildete oder wie sie in den
Kammerduetten eines Steffani gepflegt ist, erinnert. Auch sie ging in
der groBen rein vokalen Bewegung, die das 15. Jahrhundert mit sich
brachte, zunachst wieder zugrunde.
Aus dem ubrigen Inhalt des IV. Faszikels, dessen Kompositionen
sonst in alterer Form in Florenz und Wolfenbiittel, gelegentlich auch in
dem Londoner Fragment, Egerton, Madrid und anderen nachweisbar
sind, gibt Coussemaker das erste Stuck, Nr. 5: 0 natio nephandi und
Conditio naturae defuit, zwei Texte, die vollkommen analog gebaut, all-
gemeine Kontemplationen iiber die Erlosungsbediirftigkeit der Menschen
im Motetus und ihren Erloser im Triplum enthalten, als solche im » Roman
de Fauvelc spater eine gute Stelle fanden; eine sehr eigenartige Kom-
position, in drei groBere Abschnitte gegliedert, in denen das Triplum
stets dem Motetus im Abstand von zwei longae, der durch textlosen Ein-
1' So wird zu lesen sein.
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190 F. Ludwig, Studien iiber die Greschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
schub einer longa mit Pause im Triplum gewonnen wird, unmittelbar
folgt, bis sich beide Stimmen an den drei Strophen-Enden in gemeinsamer
Kadenz vereinigen.
Weiter Nr. 17, eine ausgedehnte Marienmotette im Stil der zuerst
besprochenen, deren Motetustext Ave gloriosa mit seiner Musik eine in-
teressante Geschichte aufzuweisen hat, die in Wolfenbuttel beginnt
und zur Handschrift London Harl. 978 fiihrt, die den Text zweisprachig,
lateinisch und franzosisch Dtice creature, enthalt. Der ausgedehnte Tenor
Domino, anscheinend aus einem Benedieamus, ist auf das zweckmaBigste
gegliedert und hfeschleunigt im zweiten Teil, wie so oft, seine Bewegung.'
In prachtigem Ebenmafi baut sich uber ihm der Motetus auf, erst in
vier schwungvollen Strophen aus vier Sechssilbern mit Reimwechsel zum
ersten Tenorteil, dann in lauter kurzen Funfsilbern im zweiten Teil, der
virgo Maria schlieBt, mit weiblichem Ausgang des sonst mannlich rei-
menden Fiinfsilbers, herbeigefiihrt durch die musikalische Dehnung der
penultima, ein gerade in der altesten Motette sehr beliebtes Wechselspiel
zwischen dem gleichlautenden mannlichen und weiblichen Reim, deren
Versohnung die Musik bewirkt, wie hier recondlia und virgo Maria. Und
dariiber liegt ein jubelndes Triplum Ave virgo regia, das nur im ersten
Teil seinen strengen Strophenbau bewahrt und im zweiten Teil sich dithy-
rambisch frei iiber dem hier gleichmaBig gefiihrten zweistimmigen Tenor-
und Motetusfundament ergeht, das alteste Beispiel eines solchen Triplum-
baues, der spater fiir viele Kompositionen typisch wird und sich in einer
Art Reimprosa auflost.
SchlieBlich Nr. 6, eine Marienmotette mit dem Tenor Alleluia, Virgo
decus castitatis und Res nova mirabilis, eine lebhafte Komposition, merk-
wiirdigerweise alle drei Stimmen im gleichen Modus, der «u wenig Spiel-
raum gestattet, urn eine befriedigende Vereinigung der drei Stimmen zu
ermoglichen, da diese trotz der Gleichheit des Modus alle ihre Sonder-
Periodenbildungen haben, die am SchluB nicht ineinander aufgehen:
wahrend das Triplum gut gelungen ist (durch rechtzeitige Verkiirzung der
dritten der vier Strophen), laBt der Komponist im Motetus textlose musi-
kalische Anhange der zwei letzten Zeilen stehen, wie sie sonst nicht vor-
kommen und offenbar nur technischer Ungeschicklichkeit auf die Rechnung
zu setzen sind.
Aus dem Faszikel HI gibt Coussemaker vier Kompositionen, Nr. 77
9, 37 und 4, die uns durch ihre franzosischen Tripla, wie erwahnt, einen
groBen Schritt weiter fuhren. Auch von mehreren Kompositionen dieses
Paszikels ist in alteren Handschriften die altere rein lateinische Fassung
erhalten, die hier in eine dreistimmige lateinisch-franzosische Motette um-
gewandelt ist.
So zunachst fiir Nr. 37 Flos de spina rumpitur mit dem franzosischen
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 191
Triplum Quant repaire la verdor, eine Motette, die wir bis auf ihre Ur-
quelle, das zweistimmige Melisma zur Silbe Reg im Wort Regnat im
Alleluia von Maria Himmelfahrt Hodie Maria virgo cehs ascendit, wie
es zum Beispiel Kodex Florenz in einer seiner zweistimmigen Bearbeitungen
dieses Alleluia enthalt, zuriickverfolgen konnen. So war es in der Fassung
als dreistimmige Motette mit einem Text in den Oberstimmen, die wiederum
Florenz und Wolfenbuttel, vielleicht auch Madrid iiberliefern, mit seinem
in rhythmischer Beziehung hochinteressanten ausgedehnten Marientext im
Motetus ein Gegenstuck zu der besprochenen Marienmotette des IV. Fas-
zikels 0 Maria maris steUay dessen Tenor dem Graduate des gleichen
Festes entstammt; und alle Feinheiten und Eigenheiten <jer Melodiebildung
und Bhythmik, die im Motetus, wie er schlieBlich in Montpellier vorliegt,
zum Teil frappieren, erklaren sich aus der Geschichte dieses Werkes.
Das alte Triplum dieser bervorragenden Motette wird nun durch ein
neues ersetzt mit einem sehr langen franzosischen Text, dor ^rzahlt, wie
sicb der Dichter von einer Schaferin einen Korb holt, da sie ihrem ami
treu bleiben will, und die Melodie dieses Triplums ist von einer Natur-
lichkeit, die mehrere Forscher, die in jeder natiirlichen und einfach an-
mutigen Tonfolge gleich ein Volkslied zu spiiren wahnen, verleitete, auch
hier an Benutzung von Volkslied -artigem zu denken. In Wirklichkeit
beherrschte aber der Komponist dieses Triplums die mehrstimmige Tech-
nik so souverain, daB es ihm gelang, auf dem alten zweistimmigen Unter-
bau eine so muhelos leicht verlaufende durchkomponierte Melodie eines
so ausgedehnten und frei gebauten Textes zu schaffen, deren groBartiges
Gelingen wir nur bewundern konnen. Und fassen wir diese Art Motetten
als ein Durchgangs-Stadium auf, in dem die Komponisten die freieste Be-
handlung auch sehr ausgedehnter Oberstimmen mit franzosischen Texten
lernten, so fallt fur uns Historiker alles AnstoBige, was diese G-attung
an sich zweifellos mit sich bringt, fort; denn die schonen Friichte, die
die Folge waren, werden wir bald sehen und die reine altere Gestalt
dieser Kompositionen ist zum Teil erhalten, sonst konnen wir sie in Ana-
logic zu den uberlieferten Fallen erschlieBen.
Ganz ahnlich steht es mit Nr. 7 In omni fratre tuo iiber dem Tenor
In sectdum und dem franzosischen Triplum Mout me fu gries li departir
de rriamiete. Der ausgedehnte Motetus, der flinfmalige Wiederholung des
Tenors erfordert, ist eins der Riigelieder von Philipp de Grfcve; die
alteren Fassungen in zwei englischen Handschriften sind mir leider nicht
bekannt. Noch lebhafter erhebt sich dariiber das franzosische Abschieds-
lied, das besonders beriihmt dadurch geworden ist, daB einige Abschnitte
aus ihm als Triplum dem Tenor Portare in einer dreistimmigen Motette
des VJLL Faszikels angepaBt erscheinen, die als Motetus ein ebenfalls
vom Tenor Portare unabhangig komponiertes Lied Adam de la Hale's
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192 F. Ludwig, Studien uber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Robin maime hat. Doch einerseits ist dies Verfahren etwas ganz singu-
lars und die Portare-Motette mehr eine geistreiche Spielerei als ein fiir
die damalige Kunst typisches Werk, andererseits ist gerade im Triplum
die Ubereinstimmung nicht so iiberwaltigend groB, da zwischen den etwa
16 aus Nr. 7 iibernommenen Takten immer wieder mehrere Takte neuer
Komposition, im ganzen 18, notig sind, um wieder die wortliche TJber-
nahme eines kleinen Stiickchens aus Nr. 7 zu ermoglichen.
Nr. 9 hat iiber dem Tenor Angelus einen schonen in Simeon's Nunc
dimittis usw. ausgehenden Erlosertext Oaude chorus, der haufig zitiert
erscheint und ein gutes Beispiel fiir den in diesen Motetten weniger
haufigen zweiten modus gibt, brevis hnga, wobei die longa sich uner-
miidlich in reichere Melismenbildungen auflost; dariiber erklingt ein sehr
belebtes franzosisches Liebeslied Povre secors at encore recovre, in dem
mehrere als Rede gut motivierten Hoquetus-Stellen besonders auffallen.
SchlieBlich Nr. 4, das im Tenor die ganze Marien-Communio Beata
viscera, indes bios mit dem Anfang bezeichnet, nicht streng modal gebaut,
im Motetus einen Tropus dazu, ebenso beginnend, sehr geschickt den
ganzen liturgischen Text in seine freie Dichtung verwebend, und im
Triplum eine alte franzosische Verspottung der Heuchler enthalt, Uestat
du monde, die an die lateinischen Riigelieder erinnert; als Ganzes eine
singulare Erscheinung und sehr gelungen. Die Aufnahme in Oousse-
maker's Werk verdankt diese Motette dem Umstand, daB Ooussemaker
sie irrig fiir den vom Anonymus 4 zitierten Beata viscera beginnenden
Conductus Perotin's hielt; indes ist sie weder ein Conductus, noch stimmt
auch die Textfortsetzung des vom Anonymus 4 gemeinten Stiickes, das
in Florenz und mehreren anderen Handschriften erhalten ist, mit der
Fortsetzung des Textes im Motetus hier uberein.
Dem Paszikel III folgt in der Handschrift ein kurzer Einschub von
vier zweistimmigen Motetten, zwei lateinischen und zwei franzosischen, die
zum Teil auch sonst bekannt in Coussemaker's Ausgabe aber nicht ver-
treten sind. Wir wenden uns also zu einer neuen Kunstgattung, den
rein franzosischen Motetten mit mehreren Texten in den Oberstimmen,
drei- und vierstimmigen, denen Kodex Montpellier zwei Faszikel widmet,
Faszikel V mit 103 dreistimmigen franzosischen und Faszikel II mit 16
vierstimmigen franzosischen und emer vierstimmigen lateinischen Motette.
Faszikel V wird durch eine eigentumliche dreistimmige Komposition
eroffnet, einen dreistimmigen Hoquetus In seculum, ein vielfach zitiertes
Werk, das nach dem Anonymus 4 quidam Hispanus fecerat Er kehrt
in Montpellier selbst noch dreimal wieder. Hier am Anfang des V. Fas-
zikels ist er einfach dreistimmig, Tenor und zwei Hoquetus-Stimmen; der
I. Faszikel enthalt an zweiter und dritter Stelle zwei vierstimmige Ver-
sionen, die dem dreistimmigen Hoquetus eine vierte Oberstimme mit fran-
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F. Ludwig, Studien tiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 193
zosischem Text Ja n'amerai zufiigen, die ebenfalls an mehreren Stellen
hoquetiert, einmal in longae und breves geschrieben, das zweite Mai in
klirzeren Noten in breves und semibreves, die erstere Fassung gibt Cousse-
maker als Nr. 45 wieder; schlieBlicli ein viertes Mai wiederum im V. Fas-
zikel, wo er wieder dreistimmig erfccheint, Tenor wie immer In seeidum,
als Triplum jene neue Oberstimme des I. Faszikels Ja rCamerai und
als Mittelstimme eine der Hoquetusstimmen mit dem Text Sire Diex, li
dox maus. Wahrend sonst der Hoquetus, das heiBt die Auflosung der
Melodien in einzelne durch Pausen unterbrochene Tone, die in den ver-
schiedenen Stimmen alternieren, nur als Kunstmittel an geeigneten Stellen
innerhalb einer Komposition angewandt ist und hier oft durchaus kUnst-
lerisch bereehtigt und wirksam erscheint, ist hier eine ganze Kompoeition
darauf aufgebaut, liber einen in regelmaBigem Modus verlaufenden Tenor
zwei tiberwiegend hoquetierende Stimmen zu setzen, also mehr ein satz-
technisches Problem, das dies Prinzip auch einmal bis in seine auBersten
Konsequenzen verfolgen will, als ein spontanes Kunstwerk; und eine ge-
wisse klinstlerische Versohnung gibt dem Ganzen erst jene mit fortlau-
fendem Text ausgestattete Oberstimme, die m der vierstimmigen Fassung
znerst auftaucht. DaB der Hoquetus gerade den V. Faszikel erSffnet, mag
daher kommen,daB er weder in den III. noch in denlY.eigentlich hineinpaBte
und so dem letzten dreistimmigen Faszikel, in dem auch eine dreistimmige
Fassung von ihm mit franzosischen Texten Platz f and, aufgehoben blieb.
Die franzosischen Motetten des T. Faszikels werden sehr zahlteich
auch hi anderen Quellen iiberliefert, mehrete lassen rich bis anf die
Meliamen in Eodex St. Victor zuruckfiihren, so unter den von Ctrttese-
maker gedruekten Nr. 29 Je me quidai und Be jolif cuer mit dem bOchst
interessant gebildeten Tencfr Et ffaudebit; sehr viete sifid in alterer Fas-
stmg in Wolfenbtittel 1099, eine grflBere Anzahl aaeh in Noailles und
Roi erhalten, so Nr. 33 Bk/n me mi tlnd Se valours] und die beideffi
franzosischen Motetten des rffsmkalieohen Enschabs in der Parish Pseudo-
Ariateteles-Hftfidschrift (lat. 11286), die m Montpellier dreistimmig er-
schemes, enthalt dieser Faszikel, so von Ootwsemakcfr gedrockt Nr. 15
Demenmt grant joie und L'dutrier. Mehrfach ersehemen *tieh If otetten
dieses Faszikels noch ein zweites Mai, zum Teil im selben Faszilerl, hi
Montpellier selbst, ja eitie, Coussemaker Nr. 26 He mere Dhi und La
rirge Marie, eine der wenigen religiosen Motettefe in franzdaieeher Spr ache,
daneben in einer weltlichen Form zur gleichefl Komposition He Marotele
und En la praerie Robins, die zweimal in diesdm Faszikel stefbt, wafoeftd
der geidtHche Motetus auch in der viele derartige geistliche Umdiehtungen
enthaltenden Metzer Handschrift (535) wiederkehrt. Auf das vielfache
gelegentliche anderweitige Yorkommen vereinzelter Stticke in anderen
Handschriften gehe ich nicht weiter ein.
8. d. I. M. V. 13
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194 F. Ludwig, Studien iiber die Gtaschichte der mehrstimmigen Mosik im Mittelalter.
Den Motetten dieses Faszikels ist nun zunachst gemeinsam, daB die
weitaus groBte Zahl noch, wie alle bisher besprochenen, auf einem litur-
gischen Tenor sich aufbaut. Mehrere Tenores sind hier in Montpellier
ailerdings unbezeichnet; wo sie aber in anderen Handschriften bezeichnet
vorkommen, sind sie ausnahmslos litnrgisch. Und nur eine einzige der
letzten Motetten hat bereits einen franzosischen Tenor Douce dame que
faint tant; doch ist mir weder die Komposition in Montpellier noch ein
anderweitiges Vorkommen dieses Werkes bekannt.
Pur Nr. 29 Je me qttidai Men tenir und De jolif cum9 doit venir mit
dem Tenor Et gaudebit ist, wie erwahnt, ihre Quelle, ein zweistimmiges
Melisma in St. Victor, erhalten. Schon in ihm frappiert der seltene
Tenorbau, da der Tenor 2 ifamsl sich wiederholt, die erste Durchfiihrung
langsamer, die zweite desto lebhafter mit regelmaBiger Zuhilfenahme von
plicae, um in dem beabsichtigten Bahmen alle Tone der Tenormelodie
unterbringen zu konnen. Aus der einen Oberstimme des Melismas sind
dann in Montpellier zwei geworden, die in dem in der franzosischen
Kunst ganz seltenen Verhaltnis zu einander stehen, daB sie streng paral-
lel verlauf en und miteinander genau reimen. Der Motetus ist ein Liebes-
lied, das Triplum bezeichnet sich selbst als ein von Gilon Ferrant dazu
gemachtes treble pteisant, und beide laufen dann auch am SchluB in den
gleichen Refrain aus.
Nr. 33 hat zwei Liebeslieder iiber dem nur in Noailles Hie foetus est
bezeichneten Tenor, der Motetus schildert die Sehnsucht nach der Dame,
im Triplum spricht derDichter, Thomas Herri er, wie Coussemaker an-
nimmt, seinen Vorsatz aus: a mes premieres amours me tendrai. Beide
verlauf en melismenreich im zweiten Modus, der wie sonst so auch hier
virtuose Ausschmiickung der Melodien begunstigt, die sich auch in iiber-
aus zahlreichen Varianten zwischen Noailles und Montpellier auBert.
Erwahnenswert ist vielleicht auch die uberaus tiefe Lage beider Stimmen
und des Tenor, der bis zum Gamma hinabsteigt.
Von den beiden Motetten des Aristoteles-Kodex gibt Coussemaker
nur die eine, Nr. 15 Demenant grant joie Fautrier m'esbatoie oder irCen
aloie und L'autrier m'esbatoie et toux sens pensoie. Wie in der besprochenen
Gilon-Ferrant-Motette reimen auch hier beide Stimmen miteinander und
laufen in den gleichen Endrefrain aus : GHrai toute la valee avec Marot)
nur ist hier das Verhaltnis ein bedeutend komplizierteres. Wahrend dort
beide Stimmen ganz parallel gehen, schildern hier die beiden Texte zwei
landliche Szenen, deren Zeuge der Dichter ist, die parallel beginnen,
darauf aber, sobald die erste Person singend eingefiihrt wird, sich trennen,
die gleichen Reime also nacheinander f olgen lassen und zur zweiten Durch-
fuhrung des Tenor dann wieder parallel verlaufen. Kompliziert ist auch
der Modus beider Oberstimmen, der zu den freieren Nebenformen des
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Mnsik im Mittelalter. 195
dritten Modus gehort, die gerade diese Aristoteles-Kodex-Motetten be-
sonders lieben, und im Refrain plotzlich in den ersten Modus umschlagt.
Die andere von Ooussemaker nicht gedruckte Motette, von der Roi
und Noailles eine altere zweistimmige Form haben, ist ein Liebeslied im
zweiten Modus von sehr regelma&igem Bau mit nur zwei Reimen, das im
Triplum dann ein genaues Spiegelbild erhalt, von gleichem metrischen
Bau, nur mit eigenen Reimen, aber gelegentlicher Entlehnung einiger
Worte aus dem Motetus, so gleich am Anfang, der im Motetus Trap
longuemmt rrCa faiOi und im Triplum Se fed \servi longuement lautet.
So ist gerade hier die Art, wie ein Triplum neu dazu tritt, besonders
gut zu erkennen.
Ahnlich der Ferrant-Motette schildert das Triplum von Nr. 30, daB
es im Winter in Tournai den zuerst komponierten zwei anderen Stimmen
zugefugt wurde. Coussemaker's Annahme von Jehan de la Fon-
taine als Komponisten stiitzt sich lediglich auf die Ansicht, daB dieser
der einzige Trouvfcre aus Tournai sei, der als Autor in Betracht kame.
In der Tat stimmt die Uberlieferung und die Struktur der Komposition,
die in keiner alteren Fassung bisher nachweisbar ist, wohl mit der An-
gabe, daB das ganze Werk dem Meister von Tournai entstammt, beson-
ders daB das Triplum seine angezweifelte Fertigkeit in der Schopfung
von Triplen beweisen solle. Und vielleicht bat hier auch der gewahlte
Tenor Docebit, das heiBt: das Werk soil meine Neider belehren, schon
diese ironische Nebenbedeutung, die spater die Tenorworte regelmaBig
haben ; an sich ist es der ofter benutzte liturgische Tenor aus dem Heilige-
Geist-Alleluia Paraclitus, der wie sonst auch hier die Eigentiimlichkeit
hat, daB die zweite Durchfiihrung, die hier in beschleunigtem Rhythmus
verlauft, am Anfang kiirzt und dadurch den Bau etwas undurchsichtig
macht. Die Oberstimmen scheinen mir nicht hervorragend zu sein, auch
das lebhaft verlaufende Triplum nicht; in beiden ist eine deutliche An-
lehnung an die altere Art festzustellen, regelmaBige Perioden von vier
longae zur ersten Tenor-Durchfuhrung, freiere zur zweiten, Dehnung der
SchluBkadenz ; doch scheint mir die wohl gelungene Geschlossenheit vieler
anderer Kompositionen hier zu fehlen.
Das letzte von Coussemaker gedruckte, Nr. 26, ist das bereits erwahnte
religiose Stuck, iiber dem Tenor Aptatur ein sehr lebhaft gebautes Reu-
gedicht La vtrge Marie, in dem der Jungfrau Erbarmen angerufen wird,
im Motetus und ein einfacher verlauf endes Gebet He, mere Diu im Trip-
lum, das merkwiirdigerweise kiirzer ist als der Motetus-Text. So schlecht
die Verse sind, die im Triplum iibrigens alle gleich reimen, so befriedigend
und wohlgeordnet ist der musikalische Bau. Am Anfang gibt das Trip-
lum wie bei Conditio dem Motetus einen Takt Vorsprung, so daB sein
MelodiefluB die Einschnitte im Motetus immer iiberbriickt und umgekehrt.
13*
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196 F. Ludwig, Studien ilber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Audi hier verlaufen die Oberstimmen im dritten Modus, das Triplum im
regularen, der Motetus in der Nebenform, die auch die erste Lange auf-
lost and aus den Aristoteles-Kodex-Kompositionen bekannt ist. Die er-
wahnte weltliche Form der Motette ist mir nicht bekannt.
Nah verwandt mit den eben besprochenen Werken sind die Stticke
des II. Faszikels, in denen noch eine vierte Stimme oben hinzutritt. Mit
Ausnahme der letzten Komposition, einer vierstimmigen Jfcfors-Motette. die
nicht gedruckt ist und auf das alte vierstimmige Melisma Mors aus dem
Alleluia Christus resurgents in Florenz und beiden Wolfenbiitteler Hand-
schriften und die dreistimmige Mors- Motette mit zwei verschiedenen
Texten in den Oberstimmen in Florenz und Wolfenbiittel 1099 zuriick-
geht, und einer anderen gleich zu erwahnenden sind es lauter dreitextige
franzosische Motetten iiber lateinischem Tenor, die zu einem groBen Teil
auch in anderen alteren Quellen, Wolfenbiittel, Boi und Noailles und
anderen iiberliefert werden, meist nur in dreistimmiger Form, wie eine
dreistimmig auch in Montpellier selbst im V. Faszikel steht und eine
andere dreistimmig den SchluB der ganzen Handschrift Montpellier im
VIII. Faszikel bildet. Zwei von ihnen gehen auf Melismen in St. Victor
zuriick, darunter eine von Coussemaker gedruckte auf das erste drei-
stimmige Melisma der Sammlung St. Victor, das in Coussemaker's Histoire
bereits gedruckt ist (pi. 27).
Coussemaker druckte, weil ihm diese vierstimmigen Motetten besonders
erstaunlich erschienen, neun Kompositionen von diesen 17 ab, die so eine
Ubersicht iiber diese Gattung nach alien Bichtungen hin ermoglichen.
Eine so bedeutende Bolle, wie man aus Coussemaker's Darstellung
schlieBen mochte, spielten sie indes in der Kunst nicht; sie blieben Aus-
nahme-Erscheinungen und wurden im 14. Jahrhundert nicht mehr weiter
gepflegt. Viele Kompositionen sind nur kurz und zeigen, daB ihnen das
vierstimmige Gewand nicht sehr bequem sitzt; zwei von ihnen sind nur
als Scherze aufzufassen, Erzeugnisse froher parodistischer Laune, bei
denen die vierstimmige Einkleidung dann doppelt komisch wirkt. Das
sind Nr. 49 und 42.
Nr. 49 hat im Tenor, der das liturgische Veritatem ist und in lauter
Maximae mit Pause nach jeder vierten gravitatisch einherschreitet, ein
franzosisches Weinlied, mit Beziehung auf die urspriingliche Bedeutung
des Tenors Par verite vueil esprover anfangend und mehrere franzosische
Weinsorten miteinander vergleichend, also von off en parodistischer Ten-
denz. Das dazu gehorige EB- und Trinklied liegt im Motetus, der auf-
fallenderweise die lebhaf teste Stimme von alien ist; Triplum und Quadrup-
lum haben Liebeslieder, die sich schlecht und recht mit den beiden
anderen Stimmen vereinigen: so erinnert das Ganze an spatere Quodhbets,
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F. Ludwig, Studien Uber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 197
und die Zahl der hier ihre verschiedenen Texte durcheinander singenden
Stimmen, vier, ist reichlich groB.
Wie hier der Tenor Veritatem den AnlaB zur Parodie gibt, so ist es
in Nr. 42 mit dem Tenor Viderunt, der hier auch ohne modalen Rhyth-
mus in lauter einfachen longae erscheint, liber dem drei Stimmen drei
kurze Abschiedsliedchen singen, alle mit por peu beginnend und mit
congie schlieBend, die alle drei diesem franzosischen Text ein breites
Viderunt vorausgehen lassen. Ebenfalls ein etwas frivoler Scherz; denn
das vierstimmige Graduate Viderunt, das sie zu intonieren scheinen, wenn
die Noten auch abweichen, urn dann so ganz anders weltlich fortzufahren,
war eine hochberiihmte Komposition von Perotin, die in Florenz und
Wolfenbiittel erhalten und neuerdings von Wooldridge gedruckt ist, der
Anfang in Faksimile, das Ganze allerdings nur in seiner freien Uber-
tragung (p. 222). Ooussemaker halt diese Parodie, die in anderer Form
auch in anderen Handschriften wiederkehrt und schon alt ist, mit TJn-
recht fur Perotin's Werk selbst.
Von den iibrigen ist wohl Nr. 48 das alteste Werk, dessen Quelle
das erste St. Victor-Melisma ist, ein Stuck im ersten Modus zu dem
seltenen Tenor Et vide et incUna aurem tuam aus dem Gradual von
Maria Hinunelfahrt, der in Montpellier irrig nur mit Et videbit bezeichnet
ist. Die von St. Victor am Bande angedeutete dreistimmige Motette liegt
in Wolfenbiittel vor; in Montpellier erscheint es eine Quint tiefer trans-
poniert und mit einer vierten Stimme oben ausgestattet. Die franzosischen
Teste, die alle mit Dkx anfangen, alle gleich gebaut sind, gleich reimen,
parallel gehen und stets auch mit dem Tenor zusammen pausieren, sind
lauter Liebeslieder und Ton maBigem Umfang. Interessante technische
Beobachtungen, die sich an diese Motette anknupfen lassen, unterdrucke
ich hier.
Auch in alterer Form iiberliefert ist weiter Nr. 51, das dreistimmig
in Wolfenbiittel, Roi und Noailles erhalten ist und moglicherweise noch
eine weitere Geschichte hat, da ein Zitat Franco's, Virgo viget mditts
und Tenor Flos, den Noten nach mit dem Tenor und Motetus Vautrier
joer hier Ubereinstimmt. Der Motetus schildert kurz eins der beliebten
Liebeserlebnisse des Dichters auf einem Sommerspaziergang; ahnlichen
Inhalt hat auch das Triplum; beider Zusammenklingen ist sehr reizvoll
und von hochst kunstvollem Bau. Dazu kommt ein ganz regular gebautes
LiebeeKed im Quadruplum, dessen regelmaBige Durchfuhrung eine wenig
schone Umanderung des Schlusses in Montpellier verursacht, so daB als
Ganzes die alte Fassung die gelungenere ist.
Vierstimmig bereits in Wolfenbiittel und Noailles ist Nr. 47, wohl die
alteste erhaltene yierstunmige franzosische Motette iiberhaupt, die nicht
aus Umarbeitung oder Erweiterung zwei- oder dreistimmiger Eompositionen
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198 F. Ludwig, Studien liber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
entstand, sondern originaliter vierstimmig ist. Alle drei Texte wenden
sich an eine Schone mit der Bitte um Erhorung, der Motetus in sehr
gewahlten Versen, das Triplum mit einer der in den Motetten besonders
beliebten Rahmendichtungen, in der der Dichter sie im Mai auf dem
Spaziergang trifft und sie anredet, das Quadruplum, das sich selbst als
solches bezeichnet und den 1. Mai als Entstehungstag angibt, mit Aus-
malung des Schmerzes, den die Nicht-Erhorung im Gefoige hatfe. Alle
drei stehen also innerlich in Beziehungen zueinander und sind musikalisch
auf das f einsinnigste durchgefiihrt, der Motetus in ruhigem Rhythmus im
zweiten Modus mit den hier iiblichen kunstvollen melismatiscben Auf-
losungen der longae, das Triplum in lebbafter Breves-Erzahlung mit sehr
beachtenswerter guter Melodiebildung, das Quadruplum bald der einen
bald der anderen Stimme sich enger anschlieBend, prachtvoll das Ganze
abrundend, das leider in Ooussemaker's Ubertragung besonders stark
^ miBlungen ist. Es ist in der Tat erstaunlich , wie geistvoll und sicher
gleich dies erste so konzipierte Werk seinen Weg geht, auch im ein-
zelnen in den musikalischen Beziehungen der Stimmen zueinander hochst
vollendet.
Aus einer dreistimmigen Komposition im Aristoteles-Kodex zur vier-
stimmigen erweitert ist Nr. 44, eine ausgedehnte Komposition liber dem
Tenor Aptatur. Der Motetus ist die Klage eines jungen Madchens, das
wider seinen Willen zur Nonne gemacht ist; das Triplum beginnt mit
Frtihlingsblumen und Lerchen und stimmt dann ein Liebeslied an, dessen
wie Refrain zitierter Anfang auch musikalisch sehr gut herausgearbeitet
ist; das Quadruplum fiigt ein derberes Liebeslied zu, in dem das musi-
kalisch auch reizvoll behandelte lateinische Zitat Nostra sunt sottempnia
auffallt. Die ganze Komposition einschlieQlich des rhythmisch ungewohn-
lich intrikat behandelten Tenors, verlauft im dritten Modus und seinen
komplizierten Nebenformen, die, wie schon oben erwahnt, gerade diese
Kompositionen im Aristoteles-Kodex, auch die spateren, die uns im VIE.
Paszikel begegnen werden, so lieben, die auch der Pseudo-Aiistoteles-
Traktat genauer beschreibt, die aber sonst nicht so vorkommen. Der
im Grund daktylische Rhythmus, die Bildung moglichst vieler Reime,
daher sehr zahlreicher kleiner Verse, da womoglich jede Gruppe von vier
oder drei Noten wie musikalisch so auch textlich selbstandig sein soil,
und die verschiedenen haufigen Auflosungen der ersten longa geben dem
Ganzen einen hochst lebhaften, aber unruhigen Charakter, bei dem sich
in keiner der drei Stimmen, da alle drei im gleichen komplizierten Modus
durcheinander klingen, die starke Eigenwirkung herausheben kann, die
sonst so oft zutage tritt.
Die iibrig bleibenden drei Motetten sind nur aus Montpellier bekannt.
Zunachst Nr. 43, das iiber dem Tenor Manere im Motetus und Triplum
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F. Ludwig, Studien tiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 199
zwei ungewohnlich regelmaBig gebaute Gesellschaftslieder hat, die die
Freundschaft und die frohe Geselligkeit preisen, wie sie im VIE. Faszikel
uns spater vielfach entgegentreten werden; der Motetus klingt direkt in
den Ruf, Wein zu bringen, aus. Beide Stimmen gehen vielfach parallel,
treffen sich auch oft im gleichen Reim, zum Beispiel am Anfang und am
SchluB, and bilden ein anziehendes Ensemble, das durch ein Liebeslied
im Quadruplum mehrfach gestort wird, da weder der Text noch die mu-
sikalische Behandlung des Quadruplums als gelungen zu bezeichnen sind.
Nr. 46 enthalt iiber dem Tenor Fiat im Motetus die deutlich ausge-
sprochene Bitte des Liebenden und im Triplum die ebenso deutlich er-
folgende Ablehnung; dazu scheint im Quadruplum, das sich selbst als
solches bezeichnet, der Dichter mehr Wert auf die Liebe als auf die
Musik zu legen, und die musikalische Behandlung ist auch in der Tat
sehr ungleich. Ubrigens ist auch hier die Ubertragung Coussemaker's
mehrfach miBlungen und bei dem ungewOhnlich schlechten Zustand des
Faksimiles bei Coussemaker auch schwierig.
Konnte ich den eben besprochenen Werken keinen allzu hohen Bang
in der Schatzung ihrer musikalischen Bedeutung zuweisen, so ist dem
letzten noch iibrigen, No. 50, wieder eine iiberaus reizvolle Idee zu grunde
gelegt, wenn auch die Ausfuhrung leider hier ebenfalls hinter der In-
tention zuruckbleibt. Trots serors sor rive mer chantent der beginnen
3 Stimmen im 2. Modus iiber einem unbezeichneten Tenor, der auffalliger-
weise dazu nicht streng modal gebildet ist, sondern die Perioden-Disposition
der Oberstimmen mitmacht. Dann fahrt jede iiber der jetzt streng
modalen Tenorfortsetzung, Vaisnee, la moiene, la jonete, mit kurzem Lob
ihres Geliebten fort, — es ist Robin bei der moiene und ein bran ami
bei der jonete brunete — in ungewohnlich schlechten Versen, denen viel-
fach sogar strengerer metrischer Bau und Reim fehlen, und besonders
bei der aisnee ungeschickter musikalischer Behandlung. Ubrigens liegt
das ganze Stuck sehr tief; die zwar als Quadruplum geschriebene, aber
am tief sten liegende Stimme der aisnee steigt bis zum C unter dem Linien-
system im Tenorschliissel hinab. Und doch erscheint gerade diese Idee
des Schwesternterzettes mit als die lebhafteste und anmutendste unter
den verschiedenen Versuchen, einer 4stimmigen Motette auch die innere
Berechtigung zur Vierstimmigkeit zu geben.
Damit haben wir den Kreis der von Coussemaker aus den ersten 6 Fas-
zikeln gedruckten liturgischen Stiicke und Motetten umschlossen*^ es
bleibt nur noch ein Blick auf das dreistimmige Eroffnungsstiick Deus in
adjutorium Iibrig, No. 3, 3stimmig Note gegen Note, aber alle Stimmen
durch melismatische Auf losungen der Modus- longa oder der die Eadenz
vorbereitenden penultima gleichmaBig belebt, mit 4 Strophen nach der-
selben Eomposition, ein kurzes ErofEnungsgebet, das musikalisch die Form
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900 F. Ludwig, Studien iiber die Gtaachichte der mehrstimmigeo Musik im MitteJalter.
eines alten einfacheren J£ouduktus bat und mit einer gewissen Feierlich-
keit das umfangreicbe alt* Korpus der Haudscbrift eroffnet. 3 Stropheu
des glaicheu Textes, aber mit anderer Musik, stehen in gleicher Tendenz
am Anfang des VTLL Faszikels.
Uberblicken wir den Inhalt der ersten 6 Faszikel nocb einmal, so
sehen wir, daB ihnen alien gemeinsam ist, daB ein iiberaus groBer, wenn
nicht der gro&te Tejl ihres Inhalts, der bier durchweg in vorgeschrittener
Mensuralnotation erscbeint, aua alterer Zeit, die nocb obne longa- and
brevis-Unterscheidung schrieb, also aus der Vor-Theoretikerzeit stammt.
Bei vielen begegneten uns die Werke genau 90 in alteren Handschriften,*
wie sie auch in Montpellier, wenn auch in spatere Notation umgeschrieben,
vorliegen, die liturgischen Stticke des Faszikels I in Florenz und den beiden
Wolfenbxitteler Handschriften, die zwei- bis vierstimmigen franzosischen
Motetten der Faszikel VI, V und II besonders in Wolfenbiittel, Roi und
Noailles, wabei wir viele auf die drei- und zweistimmigen Melismen des
Codex St. Victor zuruckfiihren konnten. Bei anderen ist wiederum nur der
zweistimmige Unterhau, Tenor und der lateinische Motetus, der alte, der
besonders in Florenz, Wolfenbiittel und vielleicht auch Madrid uberliefert
ist, dabei seinerseits auf die Melismen in Florenz und den diesem Codex
nahestehenden Handschriften zurlickgeht und ntin hier in Montpellier mit
einem neuw Triplum mit eigenepi Text versehen ist, lateinischem im IV. ,
franzosischem im IDE. Faszikel. Wir ubersehen jetzt die Anordnung, die
der Sammler des Kodex Montpellier vornahm und die auch in den andern
grofien Sammelhandschriften, besonders im Kodex Florenz, eine vollig
analoge ist: erst kommen die liturgischen Kompositionen , Faszikel I,
dann die Motetten, Faszikel II bis VI, und zwar zuerst die vierstimmigen
Faszikel II, danp die dreistimmigen Faszikel m bis V und zuletzt die
zweistimmigen Faszikel VI, unter ibnen die dreistimmigen wieder nach der
Zahl und dem Rang der Textspraohen geordnet, die zweispracbigen Fas-
zikel 1(1, die lateinischen Faszikel IV, die franzosischen Faszikel V, alio
aufier dem kurzen Einschub am Ende des III. Faszikels mit 2 ver-
schiedefleu Texten in den Oberstimmen.
Zeigt sich darin, daB die Sammlung von Faszikel I bis VI trotz der
yerschiedenen Alters-Epochen der yerscbiedenen Gattungen als etwas ESn-
heitliches aufzufassen ist, so stimmt doeh im Einzelnen die Notenscbrift
durcbaus nicht in alien Faszikeln mfteinander tiberein, und Roller hat
gcharfsinuig darzulegen versucht, welche Schlusse sich fiir das Alter der
einzelnen Faszikel ziehen lassen, wenn man die Notenschrift jedes einzelnen
mit den Theoretiker-Lehren vergleicht. JSr kam zu dem Resultat, daB
Faszikel IH, IV und VI die altesten Teile sind, V und II in ariato-
telischer Notation stehen und I und VII meist frankonisch sind, aber
in altere Zeit hinaufreichen und nur spater umgeschrieben sind. 80
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Mueik im Mittelalter. 201
richtig im wesentlichen diese Beobachtungen in Roller's 4. Kapitel
sind, bo falsch sind leider die Schliisse dee 5. Kapitels, in dem Roller
diese Ansicht iiber die Altersfolge auch bei Betrachtung des Inhalts der
Rompositionen bestatigt findet. Vielmehr stellt sich in Wirklichkeit
Faszikel I als der alteste dar, dann folgen, da die rein lateinischen
Motetten mit nur einem Text oben fast gar nicht mehr vertreten sind,
die franzosischen Motetten in VI, V und II, und zuletzt aus dem Beginn
der Theoretiker-Epoche die lateinisch-lateinischen und lateinisch-franzo-
sischen Motetten in IV und ILL Und von ihnen haben nur HI und IV
ihre alte Original-Notation, in der sie entstanden, bewahrt; alle andern
sind umge8chrieben. Die einfachen zweistimmigen Motetten in VI haben
sich dabei nur moglichst wenig verandert, die stimmreicheren in II und
V schon mehr und der dem Vortrag noch schwierigste Faszikel I am
allermeisten, so daB dieser, wenigstens nach den Proben bei Coussemaker,
direkt frankonisch geschrieben erscheint. Wie es so haufig bei musika-
lischen Handschriften ist, braucht diese Umschrift, die viel Vorkennt-
nisse erfordert, nicht erst vom Schreiber der Sammelhandschrift selbst
herzuriihren, sondern sie lag ihm in den einzelnen Heften, aus denen er
seine groBe Sammlung zusammenstellte, vielfach bereits vor.
Nachdem einmal die Theoretiker angefangen hatten, sich mit der
Notenschrift zu befassen, gab es kein Aufhoren mehr; und wenn auch
die Frage nach der Schreibung von longa und brevis in einfachen Noten
bereits im Anfang und die Schreibung yon longa, brevis und semibrevis
in Ligaturen seit Franco von Koln endgliltig erledigt war, so setzen sich
die Streitigkeiten auf andern Gebieten der Notenschrift immer weiter
fort, zunachst iiber die semibrevis und ihre bald notig werdenden Unter-
teile, seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts dann auch iiber die ver-
sohiedene Schreibung von geradem und ungeradem Takt usf., und kommen
erst im 15. Jahrhundert nach Einfiihrung der weiBen Notation vorl&ufig
fiir eine gewisse Zeit zur Ruhe. Die Rompositionen des Aristoteles-
Rodex und Rodex Montpellier sind die ersten bald immer haufiger
werdenden Handschriften, die die ersten Phasen der Umschrift alter
Rompositionen nach den Vorschriften neuerer Theoretiker ttberliefern.
Giueklioherweise ist uns aber, wie wir sahen, ein so reiches altes Material
erhalten geblieben, das uns so oft gestattet, zwischen dem Alter der
Niederschrift und dem Alter der Entstehung sicher zu unterscheiden.
Es sei hier ein kurzes Wort iiber die 7 Rompositionen im Aristoteles-
Rodex eingefiigt, alle iiber lateinischem Tenor, drei dreistimmige fran-
zosische Motetten, die in Montpellier in Faszikel V und II in drei-
bezw. vierstimmiger Gestalt aufgenommen sind, und vier dreistimmige
lateinische Motetten, von denen nur 2 im VTL Faszikel von Montpellier
wiederkehren, dieselben beiden, die, wie ich an anderer Stelle ausfiihrte,
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202 F. Ludwig, Studien uber die G-eschichte der mehrstimmigen Musik im Mitielalter.
noch zum Repertoire der Laudi-Sanger des 14. Jahrhunderts von Florenz
gehorten 1). Dem Stil nach unterscheiden sich die drei franzosischen, die
beiden eben erwahnten lateinischen und die zwei von Montpellier nicht
aufgenommenen lateinischen bedeutend. Die franzosischen sind oben
charakterisiert, sie wirken stellenweis wie Studienbeispiele schwieriger
Modus-Behandlung im 2. und 3. Modus mit den Nebenformen des letzteren.
Die beiden in Montpellier nicht vorkommenden, eine Unschuldige-Kind-
lein- und eine Marien-Motette, haben wie die Motetten des IV. Faszikels
in Montpellier uber ruhigem Motetus, der bei der In IfetfAfeem-Motette
uralt ist, ein sehr bewegtes, aber liturgisch angemessenes Triplum, gehen
aber im Einzelnen bereits weit liber die Technik des Triplum's im IV.
Faszikel von Montpellier hinaus, sowohl in der schon ganz spat an-
mutenden Marien-Motette, die den Tenor in Perioden von 7 longae baut
und im Triplum die longa regelmaBig in vier oder ftinf Teile, zwei oder
drei semibreves und zwei breves, teilt, als auch in der zweifellos alteren
In Beihleem-TAotette, deren Neubearbeitung eine wenig schone Umge-
staltung der ganzen alten Motette (in Florenz, Wolfenbiittel und vielleicht
Madrid erhalten; aus Florenz von Wooldridge Seite 360 gedruckt) mit sich
brachte, die in den von Ooussemaker aus Faszikel IV gedruckten
Stucken kein Analogon findet.
Die beiden andern lateinischen Motetten leiten uns zum VII. Faszikel
von Montpellier uber, in dem ebenso wie im VTH. Faszikel eine ganz
neue Kunst zu uns spricht. Jegliche Beriihrung mit den alteren Hand*
8chriften hort jetzt auf ; die einzigen Ausnahmen bilden folgende Werke :
drei TJmarbeitungen von Stucken aus alteren Faszikeln von Montpellier
selbst, eine zweistimmige Motette des VI. Faszikels, die schon in Wolfen-
biittel steht, Ne sais que je di, und die im VII. Faszikel dreistimmig
erscheint, eine schon erwahnte vierstimmige Motette des II. Faszikels,
deren zweistimmige Urgestalt ebenfalls schon Wolfenbiittel uberliefert und
die dreistimmig den Schlufi des VIII. Faszikels bildet, und eine drei-
stimmige Motette des Vll. Faszikels, die Tenor und Motetus mit einer
gleichen des V. Faszikels gemeinsam hat, aber hier ein anderes Triplum
als 3. Stimme zufiigt, weiter die lateinische Laqueus-Komposition gegen
Ende des VII. Faszikels, die vielleicht auf das Werk Philipp de Greve's
in der Handschrift Egerton zuriickgeht, und eine dreistimmige franzosische
Motette im V1H. Faszikel, deren Motetus Tai trouve qui rrtamera uber
dem Tenor Fiat einem St. Victor-Melisma entstammt, das in Noailles
als zweistimmige Motette auftritt.
Aber sonst sind es fast lauter Unica, die uns hier gegeniibertreten;
1) Auch in Besangon atanden sie, ebenso wie viele andere Motetten des VII.
Faszikels.
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Masik im Mittelalter. 203
nur die Motetten von Adam de la Hale im VII. Faszikel iiberliefert
auch die groBe Sammelhandschrift seiner gesamten Werke in Paris La
VaMere Nr, 25566; von seinen in Montpellier nicht vertretenen mehr-
stimmigen Rondeaux finden sich einige auch in Handschriften-Fragmenten
zu Cambrai wieder, zu denen wiederum aus Montpellier zwei andere
Motetten des VII. Faszikels, Coussemaker Nr. 34 and 35, Beziehungen
haben1). Von anderweitiger Uberlieferung einstimmiger Melodien oder
Refrains sehe ich dabei naturlich ab; sie fehlt gerade in dieser Periode
nicht, aus der die schon erwahnte Zusammenstellung einer ganzen Mo-
tette (Nr. 28) aus Kompositionen, die vorher fur einen andern Zusammen-
hang bestimmt gewesen waren, und eine andere Motette wie Nr. 36
sfammt, deren ganzer franzosischer Tenor nur aus bekannten Refrains
besteht. Schon Coussemaker hat auf eine Reihe von Melodien oder
Melodieteilen aufmerksam gemacht, die in der einen der zwei mit Musik
versehenen Handschriften des >Renart li nouvel« von Jacquemars Gi616
ubereinstimmend mit Montpellier vorkommen, und diese Zahl lieBe sich
aus andern Handschriften leicht vermehren.
Das Neue, das der VH. Faszikel nun zuerst in die Augen springen
laBt, ist der Umstand, dafi iiber ein Drittel der in ihm enthaltenen drei-
stimmigen franzosischen Motetten iiber einen franzosischen Tenor gebaut
ist. Waren die Oberstimmen der alten franzosischen Motetten bereits
gleich im Anfang dem liturgischen Rahmen, in dem die Motette ent-
standen war, entwachsen, da die franzosische Kunst die Motettenform
bald nach deren Verbreitung neben dem geistlichen Gebrauch auch fiir
ihre rein weltlichen Werke benutzte, so fallt jetzt auch der letzte Zu-
sammenhang mit der liturgischen Musik fort. Auch der Tenor hort
jetzt auf, dem liturgischen Gesang zu entstammen; die franzosischen
Oberstimmen ziehen jetzt auch die Benutzung eines franzosischen Liedes
als Tenor nach sich, freilich noch zogernd; die Anzahl der liturgischen
Tenores bleibt immer noch recht erheblich, in den Motetten Adam de
la Hale's z. B., die sicher der 2. Halfte des 13. Jahrhunderts angehoren,
ist kein einziger franzosischer Tenor benutzt; im VIII. Faszikel ist aber
dieser ProzeB bereits so weit vorgeschritten, daB die franzosischen Mo-
tetten mit franzosischen Tenores den mit lateinischen an Zahl fast
gleich sind.
Wichtiger noch als dies ist bei genauerem Zusehen dann der Um-
stand, daB jetzt auch die lateinischen Tenores vielfach andern Quellen
entstammen als die alten lateinischen Tenores. Waren die letzteren ganz
iiberwiegend, wie wir sahen, den Gradual-, Alleluia-, Responsorium- und
Benedicamus-Melismen entnommen, so treten nun unter den lateinischen
1) Diese beiden und zwei Motetten von Hale standen auch in Besan$on.
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204 F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Tenores des Vll. Faszikels neben den alten bereits auch ganz neue Ge-
bilde entgegen, z. B. fiinf Tenores, die Kyrie's entstammen, ein lie missa
est und mehrere spater zu besprechen&e, und im VIII. Faszikel setzt
sich diese Bewegung durchaus fort; besonders vermehrt sich die Zahl
der unbezeichnet gebliebenen oder bloB Tenor bezeichneten Tenores immer
mehr, was in der alteren Zeit nur ganz ausnahmsweise einmal vorkam.
Woher diese letzterwahnten Tenores stammen, ist noch nicht bekannt :
an sie schlieBt sich aber die Tenorentwicklung des 14. Jahrhunderts un-
mittelbar an, die den musikalisch-liturgischen Boden immer mehr verlaBt,
wenn sie auch die lateinische Bezeichnung der Tenores wieder regel-
maBiger aufnimmt, als es hier im letzten Faszikel von Montpellier der
Fall ist. Nur scheint diese Bezeichnung, die im 14. Jahrhundert immer eine
auf den Inhalt der Oberstimmen beztigliche Pointe enthalt, nicht immer ein
ursprunglicher Text der Tenormelodie gewesen zu sein, sondern vielfach
nur ein Begleitwort zu sein, das dieser Melodie als Tenor einer be-
stimmten Motette zuerteilt wird. So auBerlich ahnlich daher die lateinischen
Motetten des 14. Jahrhunderts in dieser Beziehung den Motetten des
Anfangs der Motettenkunst sehen, so innerlich verschieden sind diese
Textbeziehungen. Im Anfang wurden einem originalen und bedeutungs-
vollen Tenormelisma den Sinn des Tenorworts frei tropisch ausflihrende
Oberstimmen-Texte hinzugefiigt; jetzt setzt man einem Tenor ohne selbst-
standige musikalische Bedeutung, der rein begleitet, ein Kennwort zu,
das den Sinn der Oberstimmen wie in einem Brennpunkt zusammenfaBt,
oft ironischer Art, so daB nur rein auBerlich hier eine Ubereinstimmung
zwischen Oberstimmen- und Tenortext vorhanden ist, die in der groBen
mittleren Teriode der Geschichte der Motette, besonders in den Fas-
zikeln VI, V und II von Montpellier vollig fehlt.
In gewisser Beziehung kehrt so die Entwicklung mehr nach dem Aus-
gangspunkt zuruck, indem die Zeit die Diskrepanz zwischen lateinisch*
liturgischem Tenor und franzosischen Oberstimmen, an der mehrere
Generationen keinen AnstoB genommen hatten, als storend empfindet
und sie nun auf ihre Weise zu losen sucht. Die Entwicklung der fran-
zosischen Oberstimmen hatte dem Komponisten eine herrliche Entfaltung
seiner Technik gebracht, die durch das zweckmaBige Fundament des alten
Tenors wesentlich gefordert worden war. Jetzt war die Zeit allm&hlich
reif genug geworden, den alten liturgischen Tenor entbehren zu konnen
und an seine Stelle neue Gebilde zu setzen, die die weitere Entwicklung
neuer Seiten der Oberstimmen begiinstigten, und das waren zunachst die
neuen lateinischen und die franzosischen Tenores.
Die 14 Stiicke des VII. Faszikels bei Coussemaker, zu denen die drei
franzosischen Motetten Hale's kommen, die Coussemaker aus der groBen
Hale-Handschrift in der Gesamtausgabe von Hale's Werken gedruckt hat,
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik ira Mittelalter. 205
gruppieren sich folgendermaBen: franzosische Motetten mit lateinischem
Tenor sind alle Motetten von Hale, ferner Nr. 10 und 11, die als Werke
des Petrus de Cruce durch Zitate gesichert sind, 34 und 35, die zu
Cambrai Beziehungen haben, 16, die erste Motette in geradem Takt, 24
mit interessanten hoquetierenden Abschnitten und 28, die aus Mout me
fit und Robin maime kombinierte Motette; franzosische Motetten mit
franzosischem Tenor sind 39 und 40, zwei Gesellschaftslieder, 27, das
ein Rondeau von Hale im Motetus benutzt, und 36, die Motette mit dem
aus Refrains zusammengesetzten Tenor ; dreistimmige lateinische Motetten
sind schlieBlich 12 und 13, die beiden auch im Aristoteles-Kodex ent-
haltenen bereits erwahnten Motetten, und 25, das dem Ende dieses Fas-
zikels entstammt und auch in der Handschrift jiingeren Datums ist, ein
Vertreter einer neuer Gattung lateinischer Motetten, die auch zur Ein-
textigkeit der Oberstimmen wieder zuriickkehrt.
Am bequemsten verbindet sich damit gleich auch die Ubersicht iiber
die sechs Stiicke aus dem VHI. Faszikel, die sich alle in Bahnen, die
schon im VII. Faszikel eingeschlagen sind, weiter bewegen, sowohl das
ganz franzosische 19, die Motettenbearbeitung einer urspriinglich nicht fiir
eine Motette komponierten Melodie, 38 und 41, dreistimmige Gesellschafts-
lieder, jenes mit franzosischem, dieses mit lateinischem Tenor, als auch
die ganz lateinischen 21, 22 und 23, die wie 25 nur einen lateinischen
Text in den Oberstimmen verarbeiten, freilich nicht Note gegen Note,
wie die dreistimmige lateinische Motette des Anfangs der Motettenkunst,
sondern jetzt den Text in beiden Stimmen alternieren lassend mit Hilfe
von technischen Kunstgriffen, die, seit sie bekannt sind und Coussemaker
sie fiir doppelten Kontrapunkt erklarte, die lebhaf teste Aufmerksamkeit
und wissenschaftliche Kontroversen erregten.
Uber den sonstigen Inhalt des VII. und VIH. Faszikels ist zu er-
wahnen, daB beide fast ausschlieBlich aus dreistimmigen Motetten bestehen
mit 2 Texten, einige Male nur einem lateinischen Text in den Ober-
stimmen, wobei aber die Sprachen lateinisch und franzosisch in der
buatesten Miscbung vorkommen, vorwiegend in den Zusammensetzungen,
die auch in Ooussemaker's Beispielen vertreten sind, zwei franzosische
Texte iiber lateinischem und iiber franzosischem Tenor und zwei lateinische
iiber lateinischem, daneben aber auch lateinischer Motetus und franzosisches
Triplum iiber lateinischem und auch iiber franzosischem Tenor, und sogar
auch franzosischer Motetus und lateinisches Triplum iiber beiden Arten
von Tenores.
Wir beginnen mit den beiden Kompositionen, die den VII. Faszikel
eroffnen, den Werken von Petrus de Cruce.
Nr. 10, Sf amours eust point im Triplum und Au renouveler im Motetus
iiber dem Tenor Ecce zeigt fiir den ersten Blick zum ersten Mai die
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206 F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Verwendung von Semibreves in groBerem MaBstabe. Uber dem Tenor,
der zweimal durchsingt, erst im 5., dann im 1. Modus, stimmen die
Oberstimmen 2 Friihlingsliebeslieder an, der Motetus in einem altertiim-
lich irregularem Versbau, 16 Verse, die alle nur auf 2 Reime ausgehen,
und in ganz streng innegehaltenem 1. Modus, der sich aber dadurch vom
alten 1. Modus unterscheidet, daB er viel langsamer zu nehmen ist, so-
wohl weil sich, wie gleich zu besprechen, ein so tiberaus lebhaftes Triplum
iiber ihm abspielt, als auch weil er selbst zahlreiche melismatische Auf-
losungen, besonders der breves in 2 und 3 semibreves, hat, die in diesem
Umfang dem alten 1. Modus vollig fremd sind. Und wahrend sich die
alten Melodien gerade des 1. Modus durch besondere Sangbarkeit aus-
zeichneten, uberrascht uns hier eine Iiberaus eckige Melodiefuhrung voll
der haBlichsten Spiiinge. Bei dem langsamen Yortrag, den die Textfiille
des Triplum fiir den so viel textarmeren Motetus mit sich bringt, kommt
allerdings die Motetusmelodie nicht mehr so zur Geltung wie friiher:
das kiinstlerische Schwergewicht liegt jetzt im Triplum, auch der Motetus
ist nur eine Art Begleitung geworden.
Und dieses Triplum erscheint in ganz neuer poetischer und musika-
lischer Gestalt. Pausen gliedern es in 14 Abschnitte, die alle am Schlufi
auf ent ausgehen, die im iibrigen aber ganz frei und verschieden gebaut
sind und musikalische Perioden von 3 bis 7 longae, ganz wechselnd, bilden.
Viele bilden im Innern Verse, die reimen, die dann aber nicht mehr wie
friiher auch musikalisch entsprechend behandelt zu werden brauchen;
viele andere lassen sich dagegen von rhythmischer Prosa garnicht unter-
scheiden. Und das Verhaltnis des Metrums, wo eins vorhanden ist, zum
musikalischen Rhythmus, das friiher so fest geregelt war, daB man in
den alten Motetten auch ohne Mensurschreibung aus dem Text und der
einfachen Notenfolge den musikalischen Rhythmus sicher herstellen
konnte, — ahnlich wie es z. B. auch bei den alten G-riechen der Pall
gewesen war und wie es in gesunder einfacher syllabischer Musik immer
wieder mehr oder weniger durchdringen wird — dies alte feste Verhaltnis
des Textmetrums zum musikalischen Rhythmus ist absolut aufgelost. Ob
schnell oder langsam deklamiert wird, ob auf den Takt 2 oder 9 Text-
silben kommen, hangt jetzt nicht mehr von inneren Strukturgriinden ab,
sondern wird vom Komponisten von Pall zu Fall entschieden, wobei
zweifellos oft die groBte Willkiir herrscht. Es beginnt damit ein Zer-
setzungsprozeB zunachst der poetischen Form der Motette, der am An-
fang des 14. Jahrhunderts bereits so weit vorgeschritten ist, daB es da
den Motetten-Komponisten schon erlaubt ist, sowohl die poetische als
auch die gewohnliche Wortbetonung besonders im Motettentriplum vollig
auBer Acht zu lassen, eine hochst seltsam beriihrende Erscheinung, die
in dieser Montpellier-Motette aber bereits ihren Anfang nimmt. Die Auf-
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 207
losung der brevis in ldeinere Teile, die hier, 1ne bemerkt, iiberhaupt zum
erstenmal in groBerem Umfang eintritt, begnugt sich schon hier nicht
mit 2 und 3 semibreves, sondern geht gleich bis 4 und 5 semibreves
weiter, was die Eolge hat, daB die verschiedenen semibreves- Auflosungen
der breves durch Punkte, die den Umfang der aufgelosten brevis ab-
grenzen, voneinander getrennt werden mussen ; hier liegt der Keim einer
Notations-Erscheinung, die im 14. Jahrhundert von hoher Bedeutung wird.
Ganz ahnlich ist die etwas kiirzere Motette Nr. 11, die auch in der
Handschrift unmittelbar folgt. Auch hier singt der Tenor Annun zwei-
mal durch, erst im 5. Modus, dann in einer einfachen pausenlosen Longa-
Kette, ohne daB, wie die altere Motette das im ahnlichem Falle getan
hatte, die 2. Durchfiihrung auch in den Oberstimmen einen veranderten
Charakter triige. Auch hier geht der Motetus, der aus 11 wechselnd
gebauten Versen besteht, die auf zwei Reime ausgehen, in langsamem
1. Modus seinen Gang, nur mehrfach von gedehnten Partien unterbrochen,
die vielfach den Kadenzen dienen. Auch hier verlauft das Triplum in
13 samtlich auf on reimenden Abschnitten von verschiedenem Bau und
musikalischer Periodenausdehnung von 3 bis 6 longae. Die Benutzung
kleinster Werte geht hier so weit, daB, wenigstens im Facsimile bei
Ooussemaker, einmal sogar 7 semibreves als Auflosung einer brevis vor-
kommen, eine Stelle, die zwar in Coussemaker's tJbertragung geandert
erscheint, ohne daB diese Emendation aber in anderer Hinsicht befriedigen
konnte; iibrigens sind auch die 7 semibreves nach der Regula VlLL des
Petrus de Cruce l) fiir dieses Triplum besonders verbiirgt; auch 6 semibreves
kommen einmal, 5 dagegen sehi* haufig vor. Im Motetustext Lone tans
me sui term de chanter nimmt der Dichter nach langerem Schweigen
das Dichten wieder auf, da neue Liebe ihn bewegt; der Triplumtext
fiihrt diesen Gedanken dann noch weiter aus. Beide Tenores kommen
nur in diesen Motetten vor und sind mir liturgisch nicht nachweisbar,
vielleicht gehoren sie also schon zu der oben ausftihrlicher besprochenen
Grattung der neuen lateinischen Tenores.
In der Handschrift folgt auf diese eine ahnliche dreistimmige Motette,
die Coussemaker wegen ihrer Uberlieferung in Cambrai ebenfalls abdruckt,
No. 34. Der Tenor Puerorum, der wie die beiden erwahnten weder
anderswo als Motettentenor noch liturgisch mir nachweisbar ist, singt in
lauter gleichmaBigen longae zweimal einfach durch, so daB die Kom-
position aus zweimal 29 Takten besteht. Er ist ein neuer Schritt weiter
auf der Bahn, die die Motetten-Entwicklung einschlug, den Tenor immer
mehr von den alten Modusfesseln zu emanzipieren und damit auch die
durchsichtige Gliederung der ganzen Komposition in kleinere Perioden
1) Coussemaker, Script. I, 389.
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208 F. Ludwig, Studien iiber die Gescbichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
von z. B. 3 oder 4 Takten; ebenso auch den groBziigigen 6/2-Takt, der
im Gefolge des 5. Modus im Tenor oder des 3. Modus in der ganzen
Komposition aufzutreten pflegte, aufzugeben. Bevor sich, wie es im 14.
Jahrhundert dann der Fall ist, neue Normen fur die Periodenbildung
de9 Tenor ausbilden, ohne die man in den Motetten auf die Dauer doch
nicht auskam, die aber mit den alten Modusnormen wenig mehr zu tun
haben, begegnen uns solche rbythmiscb ganz indifferenten Tenorbildungen,
wie die 2. DurchfUhrung des Tenor Annun oder beide des Tenor Pue-
rorum, hier mehrfach. Dieser rhythmische Mangel des Tenor wird aber
durch einen um so straffer gebauten Motetus aufgewogen, der aus lauter
Zehnsilbern im 1. Modus besteht, in regelm&Bigen Perioden von 5 Takten
verlauft, durch geschickte Einfiigung eines Diex und den AbschluB mit
einer Kurzzeile seine Ausdehnung den 58 Takten des Tenor anpa&t.
Der Inhalt ist ein elegisches Liebeslied, das im Triplum ebenfalls ein
noch weiter ausgefuhrtes Gegensttick findet. Wahrend der einheitlichere
Bau des Motetus vom Bau der beiden vorausgehenden Motetustexte ab-
weicht, aber doch z. B. die Benutzung von nur 2 Reimen wieder sehr
an sie erinnert, so ist der Bau des Triplum ganz analog, zwolf auf *r
reimende Abschnitte, poetisch frei gebaut, musikalisch in Perioden von
4 bis 6 longae verlaufend. Entsprechend der einfacheren Anlage des Ganzen
geht die Auflosung der brevis nicht iiber 3 semibreves hinaus,
Noch mehr in die Folgezeit deutet die Motette Nr. 16, die zwar einen
alten liturgischen Tenor Aptatur fcugrunde legt, aber alle Stimmen nach
ganz neuen Anschauungen baut. Coussemaker glaubt allerdings, dafl,
da Anonymus 5 seiner Histoire de Vharmorde Seite 273 und Anonymus
2 der Seriptores I, 307 En grant dolour zitieren, dessen Text und erste
Noten allerdings mit dem Motetus dieser Motette iiberemstimmen, sie
diesem alteren Theoretiker zuzuweisen ware; doch kann davon keine Rede
sein. Beide Melodien weichen auch bereits von der 5. beziehungsweise
6. Note vollig voneinander ab; der Motetus, der auch in einen reunlos
angefiigten bekannten Refrain ausgeht, benutzt als Anfang ebon swich
einen bekannten Liedbeginn, cfossen erste Noten er auch musikalisch zitiert.
Der aus 24 Tonen bestehende, frtther oft in so ebenmafligera Grnppen-
bau behandelte Tenor singt dreimal durch, disponiert aber jede Dtirch-
fiihrung in 6 Abschnitte von 4 breves, 3 Noten und erne Pause, und am
SchluB einen von 7 breves, 6 Noten und cine Pause, so daB sidi als
Takt fiir die ganze Komposition 47 2 Takt mit mehrfacher Unterbrechiing
durch einen 7/2-Takt ergibt. DaB man nicht, vne Coussemaker, bei der
Takteinteilung mit einer brevis als Takteinheit stehen bleiben darf, re-
sultiert vor allem auch aus der naheren Betrachtung der Oberstimlnen,
auf die ich hier nicht eingehe. Die merkwiirdigen irrationalen Takt-
perioden der Motetten des 14. Jahrhunderts fangen hier deutlich an.
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 209
Aus dem Gesagten ist* nun leicht zu verstehen, daB iiber einem der-
artigen Tenor auch der Motetus keinen modalen Rhythmus mehr bilden
kann. Wahrend der Text auBerlich ziemlich regelmaBig gebaut sehr
wohl mit dem alten Motettentextbau viele Ahnlichkeiten hat, ist er
musikalisch vollig frei, nach Art der eben besprochenen Tripla behandelt,
sich in breves und 2 semibreves mit 2 Textsilben oder vereinzelt 3 semi-
breves als melismatischer Auflosung der brevis bewegend ; nur im Refrain
haben in Coussemaker's Faksimile 3 semibreves als Auflosung einer brevis
3 Silben, doch lautet diese Stelle in der Ubertragung wieder abweichend.
Charakteristisch fiir diese neue Anschauung ist gleich der Anfang, bei
dem die ersten 6 gleichgebauten und gleichreimenden Viersilber in fiinf-
mal verschiedener rhythmischer Behandlung erscheinen.
Eine Steigerung der Lebhaftigkeit im Triplum iiber diese Motetus-
behandlung hinaus ist nicht moglich; so verlauft das Triplum dem Mote-
tus sehr ahnlich, sowohl im Versbau und dem Ausgang in einen Refrain,
als in der musikalischen Behandlung. Und wie wir bei alien diesen
neueren Motetten sahen, sind auch hier die Beziehungen des Inhalts
beider Stimmen ganz eng: zwei Liebesklagen, die beide darin auslaufen,
daB nur ein Mittel heilen kann.
Was diesem Werk aber unter alien von Coussemaker gedruckten
eine ganz singuliire Bedeutung verschafft, ist der Umstand, daB es das
einzige ist, dem als Takteinheit nicht mehr die longa perfecta oder
mehrere derartige longae zugrunde liegen, sondern lediglich breves, die
sich in Gruppen von vier oder sieben zusammenschlieBen. Damit ist die
ausschlieBliche Herrschaft des ungeraden Takts, 3/2> 62 usw., gebrochen
und neben dem ungeraden fangt der gerade Takt an eine Rolle zu
spielen, eine Bewegung, die im 14. Jahrhundert zu einer volligen Um-
walzung in der mehrstimmigen Kunst fiihrt. In dieser Komposition tre-
ten nur erst Keime davon zu Tage: aber es ist doch auch sehr be-
achtenswert, wie hiiufig die breves sich in nur zwei semibreves auflosen,
einmal im Motetus sieben breves hintereinander, eine Stelle, bei der es
doch sehr schwer fallt zu glauben, es handle sich hier um siebenmalige
Folge von semibrevis minor und der alterierten semibrevis maior. Der
Gedanke, daB, wie im Tenor sich die gleichmaBigen breves folgen, so
hier gleichmaBige semibreves erklingen, liiBt sich doch nicht abweisen, so
sehr die Theoretiker mit starrer Konsequenz die Dreiteiligkeit auch bis
in die kleinste Notengattung hinab durchfiihren. Doch sei diese wich-
tige Prage, die zu weiterem Eingehen mehr Material auch des 13. Jahr-
hunderts verlangt, als bisher bekannt ist, hier nur so weit gestreift.
Wir setzen jetzt die oben begonnene Geschichte der neuen Tripla-
bildung an zwei franzosischen Motetten iiber franzosischem Tenor fort,
die die Pflege einer neuen sehr reizvollen Motettengattung uns zeigen,
s. d. i, m. v. 14
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210 -F- Ludwig, Studien fiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Nr. 39 und 40, die in der Handschrift getreniit, aber innerlich sehr ahn-
lich sind. Nr. 39 ist das vierte Stiick des Faszikels. Sein Triplum
Entre Copin et Bourgois etc. schildert das lustige Treiben einer Musiker-
gesellschaft in Paris, in der die Bde Ysabelos, deren Namenserwahnung
gegen Ende mit pomposer Wichtigkeit durch einen feierlichen zwei-
stimmigen Hoquetus musikaliscb eingeleitet wird, eine groBe Rolle spielt.
Textlich zerfallt es in neun auf on reimende freie Perioden, die eine
musikalische Ausdehnung von 3 bis 6, beim Hoquetus 8 longae baben
und melodisch sebr gescbickt und fliissig, wenn auch einfacb bebandelt
sind. Bde Ysabelos1) bildet auch das Kennwort des in der Form ganz
singularen Tenors, der im ersten Modus in Abschnitten von sieben, acht,
fiinf und drei Takten verlauft in anscbeinend freier Zusammensetzung
aus zwei Melodiegliedern. Zwischen beiden singt der Motetus im neuen
melismenreichen ersten Modus, aber sehr anmutiger Melodie ein Liebeslied.
Nr. 40, das in der Handschrift gegen Ende des Faszikels steht, schil-
dert im Triplum Entre Jehan et Philippet ebenfalls eine Szene aus dem
Musiker-Boheme-Leben, wie Estievenet den Narr so tauschend spielt,
daB, wer ihn nicht kennt, ihn fiir einen echten halten muB; textlich sieben
auf ent reimende freie Abschnitte, deren erster in drei zerlegt ist, so daB
die vier Namen des Anfangs Entre Jehan et Philippet und Bertaut et
Estievenet besonders herausgehoben sind. Darunter singt der Motetus im
ersten Modus, den er nur an den Kadenzen mehrfach verlaBt, ein Liebes-
lied, und das Ganze baut sich auf einem freien Tenor, Chose Tassin
bezeichnet, auf, der rhythmisch sehr frei behandelt zweimal seine ganze
Bildung aus vier, drei und neun Takten, die am SchluB eine Dehnung
erfahren, wiederholt. Die Leichtigkeit und Eleganz in der Durchfiihrung
des Ganzen ist vielleicht nicht ganz so groB wie in Nr. 39, im iibrigen
ist aber auch dieses Stiick gleich anziehend als musikalisch wohlge-
lungene Verkorperung einer heiteren Szene aus dem Leben, wie sie, aller-
dings in ungleich edlerer Form, in der italienischen Kunst des 14. Jahr-
hunderts in den Cacce wiederkehren.
Auch aus dem VHI. Faszikel druckt Coussemaker zwei solcher Ge-
sellschaftsmotetten, Nr. 38 und 41; doch gehoren sie textlich wie musi-
kalisch bereits einer andern Epoche an und kommen daher erst spater
zur Besprechung. Dagegen leitet uns eine hierher gehorige Motette von
Hale [Entre Adam et Haniket) zu einem kurzen Wort uber Hale's
Werke uber.
Die musikalische Haupttatigkeit Adam's de la Hale, die zeitlich etwa
1; Andere altere Ysabelos-Texte sind zum Beispiel die Motetten Noaille's f. 194,
Montpellier, Faszikel V, f. 226 und die verlorene Komposition Besancone Mr. 30.
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 211
1260 bis 1285 anzusetzen ist1), liegt freilich auf dem Gebiet der ein-
stimmigen Musik, wo einerseits seine Chansons und Jeux-Partis, anderer-
seits die musikalischen Einschiibe in seinen Dramen, besonders in dem
weitbekannten Gius de Robin et Marion, Zeugnis seiner Bedeutung ab-
legen, denen gegeniiber seine mehrstimmigen Werke, 16 Rondeaux und
funf Motetten, von denen drei, wie erwahnt, auch in Montpellier vor-
kommen, zuriicktreten. Besonders die, wie man sieht, nicht sehr zahl-
reichen Motetten lassen viel zu wiinschen iibrig und zeigen, daB Hale
in der Motettenkomposition zu keiner technischen Sicherheit durchge-
drungen ist, daB es ihm an Stilgefiihl fiir diese Kunstgattung offenbar
mangelt.
Die kleine zweistimmige Motette, J'ai ades (Tumours chante, iiber dem
Tenor Omties, ein anspruchsloses Werkchen, in dem sich die Melodie
im ersten Modus, der Tenor nur in Maximae und Longae bewegt, steht
ganz isoliert fiir diese Zeit da und ist sowohl musikalisch als besonders
metrisch wenig befriedigend.
Dasselbe gilt von der kleinsten der dreistimmigen Motetten mit zwei
leichten Liebesliedern, die inhaltlich, metrisch und musikalisch in engem
Zusammenhang mit einander stehen, in den Oberstimmen: J'os bien
m'amie a parler und Je rtos a m'amie cder, iiber einem in lauter ein-
fachen Longae sich bewegenden Tenor Saeculum, wie solche Tenores
oben bereits aus dieser Epoche besprochen sind. Auch hier ist im Gegen-
satz zum Tenor der Rhythmus der Oberstimmen, die rhythmisch ganz
parallel gehen, bis auf die lang ausgesponnene und schlecht disponierte
SchluBperiode, desto straffer, erster Modus, der nur in der SchluBperiode
je einmal verlassen ist.
Ein anderer oft benutzter Tenor Aptatur im dritten Modus] bildet das
Fundament der erwahnten Gesellschaftsmotette, deren Triplum Entre
Adam et Haniket, Hancart et Gautdot, deren Motetus Chief bien seantz
beginnt, die ebenso wie die beiden folgenden sowohl in La Vallifcre als
in Montpellier erhalten ist. Es ist das gelungenste dieser Werke Hale's.
Der Motetus bewegt sich, wie in alten Motetten des gleichen Modus,
fast ganz regular in der lebhaften Nebenform des dritten Modus, in lauter
kurzen Zeilen, die alle gleich reimen und sich bald zu je zweien zu
viertaktigen Perioden zusammenschlieBen, und schildert, fast unerschopf-
lich, die Reize der Dame, tant d'enchant, que pris est Adans} wie es am
SchluB heiBt. Das Triplum erinnert zuerst stark an den Anfang des
oben zuletzt besprochenen Gesellschaftsliedes ; wie dort hebt es die zwei
Genossenpare durch Pausen heraus und scheint dann in auf el reimenden
Abschnitten verlaufen zu wollen, die erzahlen, wie sich die lockeren
1) Grober, GrundriB II, 1, 960. Ausgabe seiner Werke von Coussemaker 1872.
14*
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212 F. Ludwig, Studien liber die Greschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Sanger amiisieren: die auch musikalisch iiberraschende Darstellung, wie
Gautelot den Trunkenen spielt, laBt aber diese Periode mit einem neuen
Reim schlieBen; und nun wird der SchluB analog dem Inhalt auch in
der Form immer abwechslungsreicher, schlieBlich geht auch das Triplum
in den Motetusreim aus, und der lebhafte hier sehr angemessene Modus
bringt eine hochst anziehende musikalische Einkleidung dieser Szene
mit sich.
Zeigten sich in den bisher besprochenen Motetten die neuen tech-
nischen Erwerbungen der Motettenkunst nur sparlich wirksam, so stehen
die beiden folgenden ganz auf dem neuen Boden. Die erste ist ein aus-
gedehntes Werk iiber dem schon einmal von Hale benutzten kurzen Tenor
Omnes, der in dreimal verschiedener Rhythmisierung im ersten Modus
je viermal wiederholt ein harmonisch sehr eintoniges Fundament der bei-
den Liebeslieder Diex comment porroie und De ma dame went li gries
maus oder li doits maus bildet. Beide Oberstimmen entwickeln sich in
groBter Freiheit, um beide in Refrains zu enden, die beide nicht unge-
schickt eingefiihrt das Ganze im ersten und sechsten Modus fliissig zum
AbschluB bringen und die auffallenden Erscheinungen, die in dieser
Motette sonst sehr zahlreich sind, vergessen lassen. Da sich aber kein
fruchtbarer Keim in ihnen befindet und besonders eine Motetusbehandlung
wie die des Diex conment porroie hier ganz isoliert dasteht, so ubergehe
ich weitere Einzelheiten.
Die letzte Motette fiihrt uns wieder auf ebnere Bahn zuriick. Der
Motetus A Dieu quemant amouretes erzahlt vom Fernsein des Dichters
von seiner Heimat Arras; er beginnt und schlieBt mit den beiden Teilen
eines Rondeau-Refrains von Hale, dessen Mittelstimmen-Melodie hier wort-
lich aufgenommen ist; der SchluB souspirant en terre estrange erinnert
uns, daB Hale auf fremder Erde auch einst sterben sollte, in Italien, wo-
hin er im Gefolge Roberts II. von Artois 1283 gezogen war. Metrisch
und musikalisch ist zwar auch diese Stimme ungewohnlich frei behandelt,
doch passen sich die einzelnen melodischen Phrasen im ersten und sechs-
ten Modus dem Pathos und Schwung des Textes gut an. Das Triplum
Auarn se sont loe, eine Klage iiber Liebesleiden, ist in dem eigentiim-
lichen Triplumstil gehalten, der oben bei mehreren Werken des VII. Faszi-
kels von Montpellier besprochen ist; es besteht aus zwolf gleichreimenden
Abschnitten von drei bis fiinf Takten Ausdehnung und lebhafter Aus-
gestaltung der einzelnen musikalischen Perioden, wobei die Auflosung des
ersten Modus in zwei semibreves und zwei breves mit vier Textsilben die
groBte Rolle spielt. Der Tenor Super te, der regular im ersten Modus
verlauft im Wechsel von Perioden von zwei und vier Takten, das Ganze
zweimal wiederholt, erweckt zwar den Anschein eines alten liturgischen
Tenors, noch mehr in Montpellier, wo er auch die haufige Tenorbezeich-
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F. Ludwig, Studien uber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 213
nung Et super tragt. Die Melodie hat aber nichts mit dem liturgischen
Et super aus dem Alleluia Domine zu tun, mit dem es Montpellier, wie
es scheint, irrig verwechselt hat; ebensowenig ist es die Stelle Super te
aus dem Epiphanias- Gradual Omnes; der Tenor ist vielmehr, wie die
Tenores der Motetten von Petrus de Cruce, ein sonst nicht nachweis-
bares Gebilde, dem die Bezeichnung Super te, die sich auch leicht in
Beziehung zum Inhalt beider Oberstimmen setzen laBt, auBere Ahnlich-
keit mit den alten Tenores verleiht.
So hat fast jede Motette Hale's ihren besonderen Stil, einige sind im
wesentlichen den alten nachgeahmt, eine andere iibertrifft wieder umge-
kehrt in den Oberstimmen alle sonst bekannten an Freiheit uhd Willkiir ;
am meisten nahert sich die letztbesprochene, Hale's personlichste Motette^
den besten Werken seiner Zeitgenossen, sowohl in der Wahl des Tenors
als in der Bildung des metrisch freien Triplums.
Wir kehren nunmehr zu den andern Werken des VIE. Faszikels zu-
rtick und kommen zum letzten Beispiel einer Komposition mit derartig
frei gebautem Triplum, das auBerhalb dieses Faszikels nirgends vorkommt,
Nr. 36, der Motette iiber dem Refraintenor, der mit Cis a cut je sui amie
beginnend, ganz mit Text versehen, sich aus einer Reihe von Refrains
aus Liebesliedern zusammensetzt, unter ihnen z. B. Vous le me defendes,
auf dessen Vorkommen im »Renart« schon Coussemaker aufmerksam
machte. Die ersten sind samtlich im ersten Modus, die letzten vier Zeilen
sind im sechsten Modus und bilden zwei Paare, die vert- und clos-artig,
melodisch gleich mit SchluBdifferenzierung gebaut sind und auch darin
ihre Herkunft aus der einstimmigen Chansonmusik verraten, ebenso wie
in dieser Weise auch der Anfang und in der Mitte das Ele vrCa navre
beginnende Zeilenpaar gebaut ist. So entsteht eine hochst umfangreiche
Komposition, deren Triplum nicht weniger als neunzehn er reimende freie
metrische Perioden hat, musikalisch von zwei bis fiinf longae Ausdehnung,
die Ratschlage fiir den Liebenden enthalten, und deren Motetus ebenfalls
in ausgedehnter und lebhafter Weise im sechsten Modus das Preislied
einer Dame, die um Erhorung angefleht wird, singt.
Damit verschwindet der freie Triplumbau nun aus der Geschichte der
Motette. Was in diesen so gebauten Werken des VII. Faszikels fiir die
mehrstimmige Kunst gewonnen war, die freie lebhafte Ausgestaltung einer
textreichen Oberstimme, losgelost von den alten Modusfesseln, mit reich-
licher Verwendung der semibreves, musikalisch hier oft stark iibertrieben
und auch in dem undichterisch fessellosen texthchen Bau iibertrieben,
das hatte den Grund gelegt zu einer neuen Behandlung des Triplums,
die uns im achten Faszikel und spater im 14. Jahrhundert entgegentritt,
die alle Freiheiten anzuwenden vermag, aber einen maBvolleren Gebrauch
davon macht, insofern sie zu dichterisch strengerem Bau der Oberstimme
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214 F. Ludwig, Studien tiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
zuriickkehrt, der sie, wie es z. B. schon in Nr. 16 der Fall war, in der
freien musikalischen Ausgestaltung aber nicht mehr behindert und, wie
die alte Moduslehre ihr Hauptaugenmerk auf das Verhaltnis von Longa
zu Brevis gerichtet hatte, jetzt die Rhythniik der semibrevis eingehender
und strenger ausbildet. Nicht lange, so zeigen sich uns auf diesem Ge-
biet in den alteren italienischen Werken des 14. Jahrhunderts die kost-
lichsten Friichte.
Bestand der Tenor in Nr. 36 aus lauter bekannten Melodien franzo-
siscber Lieder, so zeigt sich ihm der Tenor von Nr. 27 darin verwandt,
daB er durch ein vollstandiges franzosisches Rondeau gebildet wird, und
der Motetus* dieser Komposition, der wieder auch im »Renart« zitiert ist,
darin, daB er ein Rondeau von Hale: Ft mart benutzt, das in drei-
stimmiger Komposition von Hale in La Vallifere erhalten ist. Und zwar
ist diese Melodie des Motetus hier auch die alte Mittelstimme des drei-
stimmigen Rondeaus, ebenso wie Triplura und Tenor mehrere Takte lang
mit der Unter- und Oberstimme der dreistimmigen Rondeau-Komposition
identisch sind, dann freilich ihre eigenen Wege gehen, die von dem Ver-
lauf des originalen Rondeaus bald in alien drei Stimmen erheblich ab-
weichen. Die Rondeauform ist hier im Tenor, dem Montpellier nur den
Anfang Nus n'iert ja jolts beisetzt, wahrend dieser Rondeau-Text ganz
aber anderweitig vorkommt (Cod. Par. franc. 12786), streng bewahrt; ob
die Ubereinstimmung des Anfangs dieser Melodie mit dem der Unter-
stimme des Hale'schen Rondeaus Zufall ist oder das letztere diese an-
geregt hat, vermag ich nicht sicher zu sagen; wahrscheinlicher ist aber die
zweite Moglichkeit, wie die melodische Beeinflussung des Triplum-Anfangs
durch das Rondeau-Triplum wohl zweifellos ist, Der Anfang der Motette
klingt also wie der Rondeau-Anfang, nur mit drei verschiedenen Texten
in den drei Stimmen; bald zeigt sich aber auch in der Mittelstimme, daB
aus dem Rondeau ein richtiger Motetus geworden ist, in dem zwar einmal
der gleiche Vers mit gleichem Reim auch dieselbe Melodie hat, der aber
im iibrigen ganz neu gedichtet und durchkomponiert ist, wie es die
Motetusform verlangt. Da der Text bei modaler Durchfiihrung, in der er
im ersten Modus beginnt, zu umfangreich fur den in seiner Form fest-
gelegten Tenor ware, sind mehrere Verse einfach lebhafter behandelt, be-
sonders schnell der vorletzte Takt, in dem statt zwei Silben, wie es der
Modus verlangen wttrde, sechs Silben ausgesprochen werden miissen. Man
sieht deutlich, daB das neue Gewand nicht paBt, wie es der Fall sein
muB, wenn wie hier ein Werk, das der Motettengattung ursprunglich
vollig fern steht, dazu benutzt ist, als Teil einer Motette zu dienen,
worunter, da die neue Verwendung natiirlich nicht ein glattes Aufgehen
in der andern Form gestattet, dann beide, sowohl die Motette als die
urspriingliche Form, sei es nun Chanson oder wie hier Rondeau, leiden
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F. Ludwig, Studieu iiber die Geschichte der mehrBtimmigen Musik im Mittelalter. 215
miissen. Einfacher und besser ist das Triplum behandelt, das den ersten
Modus nur einmal verlaBt. Auch die textliche Diskrepanz beider Stim-
men ist erheblich: der Motetus ist frivol, das Triplum Dame bde et
avenant umgekehrt ein stimmungsvolles kleines Liebesgedicht.
Noch weiter geht die Hineinzwangung urspriinglich einander fremder
G-lieder in eine Motette in der schon mehrfach erwahnten Komposition
Nr. 28, die das rondeauartige Robin m'aime Hale's zur Mittelstimme
einer Motette macht, im Tenor die liturgische Melodie Portare, eigentlich
Sustinere, anpafit und fiir das Triplum einige passende Fartien aus dem
Abschiedslied im Triplum von Nr. 7 Mout me fu gries, im Original iiber
dem Tenor In seculum, entnimmt und durch Hmzufiigung groSerer
Zwischenpartien, die keine sehr geschickte Hand verraten, daraus eine
Oberstimme zu dieser Komposition herstellt. Die Robin-Melodie erscheint
gegeniiber der Fassung, in der sie in Hale's » Robin et Marion « iiber-
liefert ist, nur unwesentlich verandert; der Bau, ein langerer Refrain, der
den Anfang und den SchluB bildet, a b, und ein musikalisch a a b ge-
bauter mittlerer Teil, ist genau iibernommen. Nach ihm richtet sich der
Tenor in seinem Bau, der ebenfalls also a b a a b a b disponiert ist, bei
einem liturgischen Tenor eine ganz singulare Erscheinung, die aucb durch
nichts zu rechtf ertigen ist. Damit die eigentlich zu Sustinere im Alleluia
Dulce lignum erklingende Melodie, die hier das Kennwort Portare tragt *),
offenbar mit pointierter Nebenbedeutung, zu der Refrainmelodie paBt, ist
sie rhythmisch in eine fiir derartige liturgische Melodien beispiellose Form
gekleidet, ebenso wie der Motetus im zweiten Modus ; und wie die Fort-
setzung des Motetus dann immer Teile oder die ganze Refrainmelodie
wiederholt, tut es dann auch der Tenor. DaB es iiberhaupt moglich war,
die Melodie von » Robin « mit einem liturgischen Tenor wie dies Portare
zu vereinigen, ist als ein witziger Einfall dieses Motettenkomponisten an-
zusehen, aber nicht als mehr. Etwas allgemeiner Wertvolles oder auch
nur Brauchbares fiir die Entwicklung der Motette kann sich aus solchen
Kapricen nicht ergeben, sie wollen nur als Erzeugnis froher Laune und
spitzfindiger Geschicklichkeit betrachtet sein, die die Mittel heraustiiftelt,
das Disparateste harmonisch zu vereinigen. Uberdies sieht man bei
naherem Studium die Gebrechen solcher Werke, die darum nie als
mu8tergultig erscheinen konnen, sehr wohl.
Die Spitzfindigkeit ist hier freilich auf die Spitze getrieben, denn dem
Komponisten gelingt es, nicht bloB Robin und Portare miteinander zu
vereinigen, sondern auch die Kosten des Triplums zum groBen Teil aus
fremdem Eigentum zu bestreiten. Freilich war bei ihm ein inneres Ver-
1) Wie auch sonst in verschiedenen Handschriften beide Bezeichnungen fur den
gleichen Tenor vorkommen.
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216 F. Ludwig, Studien ttber die Gteschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
standnis jener alten Triplum-Melodie des III. Faszikels nicht mehr vor-
handen, das zeigen die neuen Einschube, die aus dem Ton der entlehnten
Partien vollkommen herausfallen, mit voller Evidenz. Aus derartigen Zu-
8ammenflickungen von Werken so verschiedener Kunstepochen ist eben
kein organisches Kunstwerk zu schaffen.
DaB die beiden letztbesprochenen Kompositionen, weil sie Hale'sche
Werke benutzen, nun auch Adam de la Hale selbst angehoren, ist keines-
wegs vorauszusetzen. Da sie in der Sammlung von Hale's Werken fehlen
und im Stil auch Hale's Motetten yollkommen fern stehen, kann man
wohl direkt annehmen, daB Hale nicht sein eigener Parodist gewesen ist,
sondern diese Rolle von einem andern Komponisten gespielt wurde, dem,
wie es nun einmal in der damaligen Zeit lag, die groBe technische Fertig-
keit, die errungen war, so zu Kopf stieg, daB er sich an Aufgaben, wie
die beiden eben besprochenen Motetten es waren, machte. Sie beweisen
aber deutlich, wie weit Hale's Werke damals verbreitet waren.
In diesen Zusammenhang gehort weiterhin eine franzosische Motette
iiber einem nur mit L bezeichneten Tenor, die Coussemaker als Beispiel
eines Hoquetus druckt, Nr. 24. War uns eben als Tenor ein originates
Rondeau und eine rondeauartig wiederholte, in modernem Rhythmus ge-
baute liturgische Melodie begegnet, so tritt als Tenor dieses Werks eine
Tonfolge von acht Tonen auf, drei longae wahrend, denen immer eine
pausa longa folgt, in unermudlicher Eintonigkeit nicht weniger als vier-
zehnmal wiederkehrend, nur in der hoquetierenden Mittelpartie von einer
kiirzeren sechsmal wiederkehrenden Bildung unterbrochen, die bloB aus
den beiden Anfangsnoten dieses Tenors a c mit folgender pausa longa
besteht und als Hoquetus die Pausen im Motetus beantwortet. Das
ganze Stiick dreht sich so immer nur urn die beiden Konsonanzen ab-
wechselnd zu c und a und in der Hoquetuspartie immer dreimal e und
einmal a.; um so iiberraschender ist dann der SchluB, da sich das letzte
Mai der Tenor plotzlich bis nach F unten fortsetzt.
Der Motetus preist die Liebe und besingt die Eigenschaften, die der
Liebende haben muB, ohne damit einen inneren AnlaB zum Hoquetus zu
bieten, der plotzlich im mittleren Teil zwischen Motetus und Tenor strong
durchgefuhrt erscheint. In engem Zusammenhang, aber viel geschickter
als der Motetus, erhebt sich das Triplum oben. Es hat einen Reim mit
dem Motetus gemeinsam und wiederholt auch zu ahnlichem Text mit
diesem Reim die dazu gehorige Melodie des Motetus, was der sich stets
gleichbleibende Tenor ja sehr leicht macht; es nimmt am Hoquetus dann
in freierer Weise teil und rundet ihn, unterstiitzt durch seinen geschick-
ten Versbau, der alle Verse wahrend des Hoquetus auf ai reimen laBt,
so gut als moglich ab. Freilich konnen auch dadurch die Schwachen des
Motetus und die Eintonigkeit des Tenors nicht aufgehoben werden, und
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F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 217
so kann diese Komposition nicht als Muster eines Hoquetus gelten, von
dem aus Montpellier Coassemaker selbst bessere Beispiele aus dem
VIII. Faszikel druckt, ebenso wie sie im 14. Jahrhundert besonders in
der Motette mehrfach entgegentreten, an Stellen angewandt, an denen
dies Alternieren von zwei Stimmen auch innerlich berechtigt erscheint.
Als letztes von Coussemaker aus Montpellier gedrucktes franzosisches
Werk des Faszikel VII bleibt jetzt Nr. 35, eine dreistimmige Motette,
die zweistimmig auch in den Fragmenten von Cambrai erhalten ist, und
wie mehrere der oben besprochenen Motetten von Hale, iiber einem zwei-
mal in diesen benutzten modalen liturgischen Tenor gebaut, auch in den
Oberstimmen in den Bahnen der alten Kunst sich bewegt, die im VTI. Fas-
zikel immer noch neben der neuen hergeht. Der kurze Tenor Omnes aus
dem Weihnachtsgraduale Viderurti, erklingt hier zehnmal und beginnt
noch ein elftes Mai, wie das in alten Motetten nicht selten ist. Er be-
pteht immer aus einer Periode im zweiten und einer im fiinften Modus
und zieht auch fur die beiden Oberstimmen, deren Texte auch Kodex
Vat Reg. 1490 iiberliefert, den zweiten Modus ganz im alten Stil nach
sich. Der Motetus Che sont amouretes, der die Qualen der Liebe und
die Schonheit der Geliebten sehr lebendig schildert, ist von ungewohnlich
groBem Stimmumfang D bis g und durch manche feine Ziige ausgezeich-
net, so die packende Deklamation des Schlu Br ef rains an diex an, an diex
an, haro qui rrien garira. Das Triplum Diex ou porrai je trouver schlieBt
sich mit ahnlichem Bau und ahnlichem Inhalt, aber ganz selbstandiger
Bildung der musikalischen Perioden, so daB beide Stimmen nur ein ein-
ziges Mai gleichzeitig pausieren, eng an den Motetus an, erinnert darin
also durchaus an den Kompositionsstii des V. Faszikels.
Dasselbe tun weiter auch die zwei lateinischen Kompositionen, die der
VII. Faszikel kurz vor der eben besprochenen Motette hat und die in
einer etwas alteren ein wenig abweichenden Fassung im Pseudo-Aristo-
teles-Kodex vorliegen. Die erste, Nr. 12, ist eine Marienmotette iiber dem
Tenor Aptatur, der dreimal ganz zugrunde liegt und ein viertes Mai be-
ginnt, das Ganze im zweiten Modus. Der Motetus Marias praeconio
devotio ist von sehr regelmaBigem Bau ; auf eine Anfangsperiode von drei
Takten (als Takteinheit 6/2 genommen) foigen lauter Glieder von zwei
Takten, die zur Folge haben, daB alle Pausen auf die ungeraden Takte
riicken, mithin alle SchluBtakte der acht Takte langen Tenordurchfuh-
rungen vom Motetus iiberbriickt werden, so daB die ganze Komposition
in stetigem FluB bleibt, wobei der Effekt dadurch noch verstarkt wird,
daB zu alien vorletzten Takten, wenigstens in der alteren Fassung, der
Motetus seine Kadenz nicht mit einer Pause abschlieBt, sondern mit einer
melismatischen Dehnung in die neue Verszeile ubergeht. Reimlos schlieBt
der Motetus mit dem pragnanten Wort Amor, das den Text des Triplums,
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218 F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
ein Gebet, ebenfalls zu Maria, eroffnet, Amor vincens omnia. Auch in
diesem ist derBauein auffallend regelmafiiger; jeder Tenordurchfiihrung
entsprechen hier Periodenbildungen von drei, zwei und drei Takten, an
denen musikalisch stets f estgehalten ist, wenn auch der Text dazu bald
kiirzer bald langer ist, so daB mehrfach der sechste Modus anstatt des
zweiten eintreten muB.
Sowohl diese vollig gleiche Periodenbildung in alien drei Tenordurch-
fiihrungen im Motetus wie im Triplum als auch das Uberbriicken der
Pause zwischen SchluB und Anfang von zwei derselben erinnern stark an
ein Stilprinzip, das in der Motette des 14. Jahrhunderts absolut herrscht,
auch, wie wir sehen werden, im VIII. Faszikel einmal deutlich durch-
schimmert, bei diesem Werk aber besonders beachtenswert ist, da es hier
fast ganz isoliert dasteht. Auch Nr. 5 0 natto nephandi kann man kaum
als Parallele heranziehen, wenn in den Oberstimmen auch ahnliche Vor-
gange sich abspielen, vor allem wegen des ganz anders gebauten Tenors;
und als Stilprinzip widerspricht es ja der alten Motette, in der gerade
die Unabhangigkeit der Periodenbildung in den Oberstimmen gegeniiber
dem nach sehr festen Normen geregelten Tenor-Bhythmus ein Haupt>-
charakteristikum bildet, vollkommen.
Die andere in der Florentiner Laudi-Handschrift als Cantus de
nativitate Domini bezeichnete Motette, Nr. 13, baut sich auf iiber einem
dreimal sich wiederholenden Tenor im fiinften Modus, den die altere
Handschrift Veritatem und Montpellier Verbum nennt, der aber nicht
mit dem bekannten Tenor Veritatem identisch ist. Der Motetus ist der
einfache liturgische Text Verbum caro factum est, der sehr geschickt in
lauter Perioden von vier Takten zerlegt, im dritten Modus durchgefiihrt
ist; seinem SchluB plenum gratia et veritate, an den vielleicht die erste
Tenorbezeichnung erinnert, wie die zweite an seinen Anfang, fiigt er
einige kurze Reimzeilen hinzu: ergo nostra concio supremo benedicat do-
mino, die in ein langes domino-Melismsi ausgehen, in der Motettenkom-
position eine groBe Seltenheit. (Der Text in Montpellier am SchluB ist
anscheinend verderbt.) Das Triplum fiigt eine wenig hervorragende Me-
lodie ebenfalls im dritten Modus zu, deren Text im Stil der alten Motetten-
texte, speziell der des dritten Modus, aus einer Fiille meist sehr kurzer
Zeilen besteht, unter ihnen einmal das Wort Maria, das allem zu einer
musikalischen Periode von zwei Takten gedehnt ist Betrachtet man den
groBen Umfang des Motetus (D bis g) und die Unsanglichkeit des Trip-
lum, so erscheint es doppelt verwunderlich, daB gerade dies Werk in die
Laudi-Handschrift Florenz II, I, 212, noch dazu in die Notation des
14. Jahrhunderts umgeschrieben, Aufnahme gefunden hat.
Zum SchluB bleibt aus dem VII. Faszikel Nr. 25, eine Marienmotette
mit nur einem Text in beiden Oberstimmen iiber dem Tenor Omnes, das
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F. Ludwig, Studien uber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 219
drittletzte Stiick des Faszikels, das auch in der Niederschrift des Kodex
jungeren Datums ist als fast alle der eben besprochenen, und als das
erste Werk einer ganz neuen Gattung lateinischer Motetten erscheint, die
eine Frucht der hochentwickelten Technik auf dem Gebiet der ernsten
Kunst ist, wie die oben besprochenen parodistischen oder heiteren fran-
zosischen Werke auf dem der leichteren Muse. Das Werk baut sich
auf dem oben mehrfacb vorgekommenen Tenor Omnes auf, der ganz
langsam erklingend viermal durchgefiihrt wird, leider aber nicht als sehr
geeignet bezeichnet werden kann, weil unter den zehn Noten, die ihn
bilden, nicbt weniger als sechsmal derselbe Ton F vorkommt. Die not-
wendige Folge ist eine groBe Beschranktheit in der Melodiebildung in
den Oberstimmen, da die meisten Abschnitte mit f oder c anfangen. DaB
sich dabei von selbst gewisse Ahnlichkeiten der Einsatze und gewisse
Wiederholungen einzelner melodischer Partien an verschiedenen Stellen
ergeben, ist nicht zu verwundern; doch finde ich im Gegensatz zu Roller
keine einzige Stelle, an der eine kiinstlerische Absicht diesen kleinen
Ubereinstimmungen zugrunde liegt.
Die Grunddisposition ihres Baues entnimmt diese Motette nun augen-
scheinlich dem Stil der Conductus-Komposition. Ein ausgedehntes An-
fangsmelisma auf der ersten Silbe beginnt, das sich uber die ganze erste
Durchfiihrung des Tenors erstreckt; die musikalische Ausfuhrung der
sechs Textzeilen, bei der es auffallig ist, daB die Mittelstimme die erste
auslaBt, nimmt die zweite und dritte und im Triplum auch den Anfang
der vierten Tenorwiederholung in Anspruch; den SchluB bildet wieder
ein langeres Melisma zum Textwort Amen. Vollig durchgefiihrt ist das
Prinzip, daB auBer dem ersten und vorletzten Takt, wo beide Oberstimmen
gleichzeitig melismatisch singen, die Melodie zwischen beiden immer ab-
wechselt, und daB, wahrend die eine die Melodie hat, die andere nur die
Taktanfange mit einer longa begleitet und sonst pausiert. So entsteht
eine durch das ganze Stiick alternierende Melodie, wobei jede Stimme
erst je zwei Takte hat, bis sich im SchluBmelisma eine wohl motivierte
rhythmische Steigerung einstellt, in der sich die Stimmen Takt fiir Takt
schlagfertig ablosen. Der Textteil ist im ersten Modus gehalten mit
Dehnung der drei weiblichen Reime; der Text Salve virgo virgmum er-
klingt immer erst in der Mittelstimme, dann im Triplum, und den be-
gleitenden longae ist nach alter Conductus-Sitte die erste Verssilbe
untergelegt, die aber bei der Deklamierung des ganzen Verses wieder-
holt wird.
Es ist so in den Oberstimmen ein ganz modernes Werk, das aber
noch iiber einem regular modal behandelten liturgischen Tenor aufgebaut
erscheint. DaB die Stimmen nacheinander zum gleichen Text nicht auch
die gleiche Melodie ertonen lassen konnen, liegt vor allem am Tenor, der
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220 F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
sich in seinen Wiederholungen nicht den Oberstimmen anpaBt, wie es im
VII. Faszikel zum Beispiel schon der Tenor Portare getan hatte, sondern
nach dem sich umgekehrt hier die Oberstimmen richten, so daB die Takte,
in denen der gleiche Text erst in der Mittel-, dann in der Oberstimme
erscheint, ganz verschiedene Tone im Tenor vorfinden. Der weitere
Schritt, auch fiir lateinische geistliche Kompositionen den modalen Tenor-
bau aufzugeben, findet sich nun im VIII. Faszikel, zu dem wir jetzt iiber-
gehen, tatsachlich getan, zunachst in einem Alleluia, Nr. 21.
Der Text besteht aus drei sich immer steigernden Zeilen:
Alle psallite cum luya,
alle concrepando psallite cum luija,
alle corde voto deo toto psallite cum luya,
die die beiden Stimmen iiber einem AUduya bezeichneten Tenor abwech-
selnd singen, und denen ein kurzes gemeinsames AUduya foigt. Hand
in Hand mit der Textdehnung, die zwischen das durch den Ruf Psallite
gesprengte Atter-luya erst vier, dann acht, zuletzt zwolf Silben fiigt, geht
die Steigerung der Melodie im ersten Modus von vier zu fiinf und sechs
Takten und die Dehnung des Tenors, der seine einf ache Melodie D F E D,
wie sie zum SchluB-AUeluya erscheint, ebenfalls durch immer reichere
Ausgestaltung erweitert und, um gleichlautend beiden Stimmen, die sich
unmittelbar folgen, den SchluB der einen mit dem Anfang der anderen
verkniipfend, als Fundament zu dienen, immer wiederholt, 2x3, 2x4,
2X& Takte. Zur Melodie, wie die Oberstimme sie anstimmt, fiigt die
Mittelstimme eine schlichte textlose Begleitung, die von der Oberstimme
ubernommen wird, wahrend die Mittelstimme die Melodie erklingen laBt;
und so folgen sich alle drei Abschnitte in genauem Stimmtausch, bis das
gemeinsame kurze AUduya das Ganze abschlieBt. Und wie es mit dem
alle psallite cum luya anfing, so geht es mit psallite cum luya AUduya
aus, mit der gleichen Melodie zum psaUite cum luya am Anfang und
SchluB, melodisch das Werk abrundend, wie die in alien drei Zeilen
gleichbleibenden Kadenzen auch tonal eine starke Einheit schaffen. So
mutet das Ganze gleichsam alttestamentarisch an, ein Psallieren und
Alleluya- Singen im Wechselchor mit hinreiBendem Crescendo bis zum
SchluB.
Technisch ahnlich und ebenso interessant sind die beiden in der Hand-
schrift folgenden Epiphanias-Kompositionen Nr. 22 und 23. Die erste
hat zum Text die bekannte Prophezeiung des Bileam vom Stern, der
aus Jakob aufgehen wird (4. Mos. 24, 17), iiber dem liturgischen Tenor
Balaam, der uns auch in Montpellier schon friiher begegnete, dessen
originaler Bau a a b viermal wiederholt den Aufbau der Komposition
mit Stimmtausch flir die ersten beiden Perioden der vier Abschnitte
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E. Ludwig, Studien uber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 221
und gemeinsamen AbschluB in den dritten Perioden ohne weiteres ge-
stattet. So beginnt das Ganze mit einem Anfangsmelisma zur ersten
Tenordurchfiihrung, wie erwahnt dreigeteilt, zwei Teile mit Stimmtausch
und ein kurzerer musikalisch in beiden Stimnien neuer AbschluB. Es
folgt zur zweiten Tenorwiederholung der Textteil, wobei die Oberstimme
beginnt, Ton der Mittelstimme auBerst geschickt begleitet, dann die Mittel-
stimme den Text wiederholt, wahrend die Oberstimme dieselbe Beglei-
tung iibernimmt, und beide Stimmen gemeinsam den Text abschlieBen.
Das Schlufimelisma bildet dann hier ein ausgedehnter Hoquetus, der sich
iiber zwei Tenordurchfuhrungen spannt, beide musikalisch gleich, indem
die Oberstimme der dritten die Mittelstimme der vierten und umgekehrt
wird, auBerdem aber der Bau der beiden ersten Perioden durch Stimm-
tausch zwischen beiden Oberstimmen audi gewahrt bleibt, so daB die
Musik dieser Teile viermal und die des SchluBteils zweimal wiederkehrt,
gewiB hier nach der Anschauung der Zeit sehr am Platz, da es sich
um das musikalische Ausklingen dieser mystischen Prophezeiung von
einem Stern handelt, dessen flimmernder Glanz die Magier an die Krippe
von Bethlehem fiihren sollte.
Diese Verehrung der Magier besingt die folgende ebenso geistvolle
Komposition Nr. 23, Huic ut placuit tres magi. Ein unbezeichneter Tenor
erklingt ebenfalls viermal, jedesmal aus drei Abschnitten sich zusammen-
setzend, die hier aber eine durchlaufende Melodie bilden, so daB hier
immer zu je zwei ganzen Tenorwiederholungen die Oberstimmen im Ver-
haltnis des Stimmtauschs stehen. Und zwar beginnt das Werk gleich
mit dem ganzen Text in der Oberstimme, wozu die Mittelstimme eine
einfache, aber wiederum sehr geschickte Begleitung ausf lihrt ; zur zweiten
Tenordurchfiihrung wiederholt die Mittelstimme die Textmelodie, wah-
rend die Oberstimme die alte Begleitung hat. Dann folgt ein groBer
SchluBhoquetus in sehr lebhafter Bewegung, der stellenweis direkt wie
eine freie hoquetierende Bearbeitung der alien Melodien aussieht und
ganz wie im vorigen Stuck gebaut ist, auch darin mit jenem uberein-
stimmt, daB fiir die Kadenz der wortliche Stimmtausch aufhort, vielmehr
jede der beiden Stimmen beidemal in ihrer eigentlichen Tonlage kaden-
ziert, die Oberstimme beidemal am hochsten, die Mittelstimme in der
Mitte liegend, wahrend sie sich sonst natiirlich fortwahrend kreuzen.
Das sind die Werke, in denen Coussemaker die Anwendung doppel-
ten Kontrapunkts zu erkennen glaubte; doch ist davon offenbar bei die-
sem antiphonischen Stimmtausch keine Rede. Als Motetten nehmen
sie eine singulare Stellung ein; ihre Form ist nicht als eine allgemeiner
giiltige und verwendbare gewonnen, sondern aus ganz speziellen Anlassen
entstanden, dort aus dem Alleluya-Psallieren, hier aus der Liturgie des
Epiphaniasfestes; kein Wunder, wenn sie vereinzelt bleiben. Wie ein
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222 F. Ludwig, Studien tiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Anklopfen einer neuen Form aber, das wollen wir nicht unterlassen zu
bemerken, wirkt in ihnen das Ertonen einer Melodie in der Oberstimme
zu zweistimmiger Begleitung in den Unterstimmen, nicht mehr nur ein-
stimmiger Begleitung des Tenors. In alien drei Stiicken erklingt die
Melodie zuerst in der Oberstimme, wahrend sich die Mittelstimme als
Begleitung unterordnet; es ist nicht mehr das alte Stimmverhaltnis Ton
Motetus und Triplum, sondern das melodische Schwergewicht hat sich
hier gleichmaBig auf beide oberen Stimmen verteilt; ja die oberste er-
scheint als die bevorzugte: in ihr erklingen alle Melodien zum ersten
Male und ihren Charakter als oberste Stimme wahrt sie in den Kadenzen.
Entsteht hier ein zweistimmiges Begleitungsfundament aus der Anlage
des Ganzen, so tritt uns bald im 14. Jahrhundert, zunachst in der welt-
lichen franzosischen Kunst, eine ganze Kunstgattung entgegen, die den
Text mit Melodie nur der obersten Stimme zuerteilt und diese mit der
stattlichen Begleitung von zwei Unterstimmen versieht, eine Klangwirkung,
die in den Textabschnitten der besprochenen drei Werke des VHL Fas-
zikels vorgebiidet erscheint, wahrend in alien melismatischen und Ho-
quetus-Stellen in ihnen die alte Art der Dreistimmigkeit, zwei Meiodie-
stimmen iiber einer begleitenden Stimme, weiterlebt.
Ein geistreiches Unikum des VIII. Faszikels, in dem sich der Stimm-
tausch der Nachahmung sehr viel mehr nahert, ist das oft besprochene
dreistimmige Nr. 19. Uber dem Tenor He mi enfant, der aus zwei acht-
taktigen Abschnitten besteht, die leicht modifiziert ganz am Anfang und
SchluB erklingen, wahrend in der Mitte der erste, ebenfalls etwas modi-
fiziert, zweimal wiederholt ist, klingt im Motetus eine Bearbeitung des
Liebesliedes Prenms i garde, dessen Anfang im wesentlichen uberein-
stimmend auch im »Renart« zitiert ist, und daruber ein Triplum, das
sich zum groBten Teil aus Bestandteilen des Motetus zusammensetzt, so-
wohl textlich als melodisch. Am Anfang bilden sich beide Stimmen
durch Stimmtausch, dem eine jeder Stimme eigentiimliche Kadenz und
im Motetus ein Einschub (pour Dieu vous proi) folgt, dessen Gegen-
stimme im Triplum [l/ien Vaperchoi) dem spateren Verlauf des Motetus
entnommen ist. Dann folgt im Motetus eine Periode: car tes rriesgarde
usw., die das Triplum sechs Takte spater genau so bringt, weiter nach
dem erwahnten bien Vaperchoi ein Abschnitt: et td chi voi usw., den
das Triplum nach acht Takten wiederholt, schlieBlich am Anfang der
letzten Tenorwiederholung die Verse: pour nimt m'esgarde usw., die das
Triplum zehn Takte spater ertonen laBt, wobei durchweg auBerhalb dieser
korrespondierenden Partien die Stimmen textlich und melodisch frei ge-
bildet sind. Der dem Komponisten aufgelegte formale Zwang ist also
sehr groB; unter den ganzen 48 Takten sind nur zwei, die in beiden
Stimmen Tonfolgen haben, die nicht ein zweites Mai von der anderen
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E. Ludwig, Studien liber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter. 223
Stimme aufgenommen wiederkehren; im Triplum ist es der Einschub:
car par ma foi am Beginn der letzten acht Takte. Und man muB sagen,
daB trotz der wesentlich erhohten Schwierigkeiten die Zusammenschmel-
zung gegebener und neu eingefiigter Teile bedeutend besser gelungen ist,
als etwa in Mout me fu gries in Nr. 28.
DaB das Triplum acht Takte nach dem Motetus dessen Melodie auf-
nehmen kann, ist, da dabei der Tenor der gleiche ist, nicht verwunder-
lich. Der Komponist sieht aber auch die Moglichkeit, eine iiber einer
Partie des zweiten Tenorabschnittes einsetzende Melodie iiber den ganz
abweichenden Tonen des wiederholten ersten Abschnittes wieder erklingen
zu lassen, hier im Abstand von sechs Takten, und umgekehrt die iiber
dem Anfang des ersten einsetzende iiber dem Schlufi des zweiten in der
andern Stimme zu wiederholen, so am SchluB im Abstand yon zehn
Takten. Und noch buntschillernder wird das ganze Bild dadurch, daB
innerhalb der groBeren Perioden eine Anzahl kleinerer Partikel zu Ver-
sen mit gleichem Reim hier und da verstreut durch die ganze Kompo-
sition wiederkehren, so namentlich der im »Renartf zitierte Anfang des
Motetus, der in alien vier erwahnten beiden Stimmen gemeinsamen Ab-
schnitten vorkommt, also im ganzen achtmal. Es ist also in der Tat
ein kleines Kabinettstiick, ebensowohl beziiglich technischer Finessen als
wirksamer Vertonung der munteren immer wieder durchklingenden War-
nung Prennes i garde.
Zum SchluB bleiben uns noch zwei Pariser Gesellschafts-Motetten,
Nr. 38 und 41, die oben bei den auf den ersten Blick ahnlich ausschau-
enden Nr. 39 und 40 schon erwahnt, doch bei genauerem Zusehen zu
den spatesten der von Coussemaker gedruckten Motetten gehoren. Nr. 38
baut sich auf iiber einem Tenor, dessen ganze sich viermal wiederholende
Tonfolge (acht Takte) syllabisch mit Text versehen ist: Frese noiwele,
muere France, muere muere France. Der auch metrisch niedlich gebaute
Motetus A Paris soir et matin schildert wieder das ausgelassene Pariser
Leben, ebenso wie das metrisch freiere mit den Anfangsworten des Mo-
tetus A Paris schlieBende Triplum. Beide Stimmen haben sich vom
alten Modus vollig gelost, ebenso wie der Tenor; statt dessen fiihrt der
Motetus wenigstens fur die fiinf ersten Takte der Perioden trotz der
ganz verschiedenen Metren, die in sie fallen, einen rhythmisch exakt
gleichen (isorhythmischen) Bau durch, der, wie ich schon einmal andeu-
tete, in den Motetten des 14. Jahrhunderts die Regel ist. Auch das
Triplum beteiligt sich an der isorhythmischen Behandlung der einzelnen
Perioden mit einigen beachtenswerten Ansatzen; eine konsequente Durch-
fiihrung fur die ganze Motette liegt aber auch im Motetus hier noch
nicht vor.
Gait es bisher besonders fiir den Motetus immer noch als Regel, das
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224 F. Ludwig, Studien iiber die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter.
Ver8metrum auch in der melodischen Deklamation zu bewahren und hoch-
stens aus speziellen Grunden es an einzelnen Stellen aufzugeben, so hat
in dieser Motette ein rein rhythmisches Prinzip Uber Versmetrum und
Wortbetonung den Sieg davongetragen, und bald setzt es sicb ebenso
despotisch durch, wie am Anfang der Geschichte der Motette umgekehrt
das Textmetrum den musikalischen Rhythmus vollig beherrschte.. 1st
das letztere Prinzip etwas innerlich durchaus Berechtigtes , wenn auch
seine ausschlieBliche Durchfiihrung zur Eintonigkeit fiihren kann und die
Melodie auf Kosten des Bhythmus verkurzt, so fiihrt das neue, die
Durchfiihrung der Isorhythmik auch in den Oberstimmen, nur weil der
Tenor so 'baut und die Kompliziertheit des sich mehrere Male wieder-
holenden Tenorrhythmus bald die rhythmisch einheitliche Anordnung
auch der Oberstimmen als Gegengewicht verlangt, notwendig zu Gewalt-
tatigkeiten, die auch in dieser ersten Komposition leichteren Genres, die
diesen Standpunkt aufzeigt, nicht fehlen.
Noch weit entfernt von diesem Stil, aber im Inhalt des Triplum-
textes den Kompositionen aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts sehr nahe
stehend, ist Nr. 41. Uber dem Tenor AUeluya, der in einfachen longae
zweimal durchsingt, erklingt im Motetus ein besonders musikalisch nicht
sonderlich hervorragendes Liebeslied Pour la plus jolie, meist im ersten
Modus, das aber ganz ohne Beziehungen zum Triplumtext scheint, und
im Triplum ein GruB, den die Justice einer groBen Anzahl in Paris
vereinigter mit rum und seurnon genannter Musiker und an terns les
autres compaignons bans, die sie nicht aufzahlt, sendet, A maistre Jdian
Lardier beginnend. Hire Namen sind sonst nicht bekannt, Cop in kann
sehr wohl mit Copin in Nr. 39 des VII. Faszikels identisch sein; jeden-
falls sind es wohl meist Sanger, deren Ruhm auf diese Weise der Nach-
welt erhalten geblieben ist. Ihr Beispiel fand im 14. Jahrhundert und
weiter eifrige Nachahmung; die Motettenform war geduldig genug, diese
allmahlich endlos werdenden Namenreihen als Triplumtexte immer wieder
aufzunehmen. Welch ein Gegensatz zur Anfangszeit der Motetten-Kom-
position, in der Komponist und Sanger so vollkommen in ihrem zuerst
heiligem Dienst geweihten Werke aufgingen, daB keine Spur in ihm uns
ihre Namen oder den Ort ihrer Tatigkeit andeutet und wir dariiber
vollig im Dunkeln tappen wiirden, wenn nicht wenigstens der eine eng-
lische Anonymus, der seiner Bewunderung flir diese groBartige Kunst-
pflege in choro Beate Virginia Majoris ecclesiae Parisiis und die hier
tatigen Meister lebhaften Ausdruck gab, uns erhalten ware. Von nun
an fehlt auch in der mehrstimmigen Musik der Name des Meisters
immer seltener.
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Hermann Miiller, Aus schlesischen Visitationsberichten. 225
Aus schlesischen Visitationsberichten
Hermann MOIIer.
(Paderborn.)
Der tatkraftige und umsichtige Breslauer Fiirstbischof Sebastian
von Rostock (1664 — 1671) ordnete eine Visitation der Kirchen seines Bis-
tums an. Im Breslauer Archidiakonate nahm diese Visitation im ^uf-
trage des Bischofs vor der Archidiakonus Weihbischof Neander; sie
fand statt in den Jahren 1666 und 1667. Die Akten iiber diese Visi-
tation liegen veroffentlicht vor bei Jungnitz, >Visitationsberichte der
Diozese Breslau, Archidiakonat Breslau, erster Teil*,1) Seite 298 — 735.
In diesen Berichten finden sich, wie A. Franz bereits in den >Histo-
risch-politischen Blattern*2) hervorhob, einige Mitteilungen, die fiir die
Geschichte der Kirchenmusik nicht uninteressant sind. Es sind das be-
sonders die Protokolle iiber die am 12. November 1666 vorgenommene
Visitation der Kirche zu Neustadt (Oberschlesien) und iiber die am
21. November 1666 vorgenommene Visitation der Kirche in der Bischofs-
stadt Grottkau.
Im Neustadter Visitationsbericht liest man unter anderem:3)
>In choro habentur: organum et duo positiva antiqua, 4 fides discan-
tistes, altistes, tenoristes et bassistes, ein Quart Posaun, ein paar Paucken
Undt ein Fagot. In libris, qui ad ecclesiam spectant, hi numerantur: missal e
magnum Matthaei Ludecii, antiphonarium Romanum, psalterium Latinum
pro matutino et vesperis, scriptum cantionale litaniarum aliarumque can-
tionum, enchiridion hymnorum etc., Gross Catholisch Gesangbuch, Orlandi
Las si opus 6 et plurium vocum, Abrahami Schadaei opus collectaneum cum
basso generali, Melchioris Vulpii opus, item Abrahami Gimpetzhameri,
Zangii opera et Hieronymi Pretorii tomus primus, opus Joannis
Donfrid 2, 3, 4 vocum prout motetten, concertus, psalmi Jacobi Finetti
cum basso continuo, corolla musica, missarum 37 pro vivis et defunctis,
juncto mortuali testo cum basso ad organum applicato e diversis authoribus
collecta studio Donfredi cum viridario musico Mariano, symphoniae sacrae
diversorum authorum Caspari Hasleri, bey welchen florilegium selectissi-
manim cantionum, item introitus dominicorum dierum ac praecipuorum festo-
rum Bogerii, Orlandi Lassi liber missarum, item liber missarum 5 et
6 vocum Lehneri, sacrae lectiones 9 ex propheta Job 4 vocum authore
Orlando, ecclesiodiae 4, 5 et 6 vocum Thomae Walleseri, item erster
theil Sontaglicher Evangelien Vom Advent biss auf Cantate 5 vocum Thomae
1) Breslau, Aderholz 1902. 2) Band 131, Heft 3, Seite 211.
3) Jungnitz, a. a. 0., Seite 606 f.
s. d. I. M. v. 15
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226 Hermann Muller, Aus schlesischen Visitationsberichten.
Elsbethi, liber primus melodiarum biblicarum Pauli Schafferi, item
Melchioris Vulpii evangeliorum dominicalium pars prima, moduli sympho-
niaci in celebritatibus nativitatis domini et aliis Stadelmayeri, concentus
ecclesiasticodomesticus Besleri, liber missarum, qui est tomus tertius
operum musicorum Praetorii, item Magnificat super 8 tonos consuetos
cum mottetis 8 et 12 vocum eiusdem authoris, Begrabnus cantiones Germa-
nicae plurimum 4 vocum totaliter laceratae, Passion albuch secundum Jo ami em,
6 virides partes scriptae, quinque rubrae partes impressae, 4 partes donatae
aliae musicales, recessit1) 4 voc. et litan. Lauret. 5 voc. sacrum scrip turn, can-
tiones sacrae 6 voc. authore Joanne Nycis Gerlicensi Lusatio ordinis Cister-
ciensis, tres autem desunt voces.*
Ini Grottkauer Protokolle findet sich folgender Passus:2)
»In choro ecclesiae vero sequentes [zu erganzen ist aus dem Vorher-
gehenden: UbriJ servantur: antiphonaria Yratislaviensia duo, unum pro hyeme,
alteram pro a estate, et graduale. Yratislaviense, item antipbonarium Romanum
et graduale simile, psalteria 4, duo in quarto et 2 parva, Germanicum psal-
terium, liber scriptus in quarto, in quo cboraliter Kyrieeleison et Gloria
habentur, thesaurus musicus Petri Joanne Hi 6 libri, tomus primus et secundus
Jacobi Handeli 16 libri, cantiones Orlandi di Lass 4 libri, continuatio
cantionum Friderici Lindneri 6 libri, missae sacrae Jacobi Regnardi
6 libri, motetae Aspilii Pag ell i 3 libri, liber missarum tomus 3, modula-
tions Wert 6 libri, Nucii 6 libri, Leonardi Pamigeri 10 libri, Thomae
Ludovici de Victoria 8 libri, promptuarium harmoniacum Gregorii
Zuchinii 7 libri, Reineri 6 libri, Petri Bonsonii 8 libri, opus musicum
Thomae Frit 8 libri, sacra scripta in alba compactura 6 libri, Introitus
Blasii Amon 5 libri, Philippi de Monte 4 libri, p.3) Christiani Keifferer
flosculus 4 libri, Scherzii 5 libri, harmoniae sacrae Staden 5 libri, Praetorii
7 libri, quercus Dodonaea Alchinger 4 libri, passiones German icae im-
pressae chorales in folio, Latine scriptae etiam chorales cum lamentationibus
in folio, missa scripta Stephani Felis 5 libri, missa alia scripta 6 vocum,
missae scriptae variorum authorum in 6 libris, vesperae scriptae 5 vocum,
motetae variae scriptae de adventu, nativitate, resurrectione, ascensione et
ss. trinitate, con cert us scripti de Sanctis 4 libri, item de tempore adventus,
nativitatis etc. 6 libri scripti, Magnificat omnium tonorum, sertulum musical e
ValentiniDretzel 6 libri, iubilus Bethlehemiticus 5 vocum, Requiem 5 vocum,
litaniae de B. V. et nomine Jesu etiam scriptae habentur, et haec de libris.*
Bei einer Anzahl der in diesen Verzeichnissen genannten Komposi-
tionen und Saminelwerke — ganz abgesehen von den eigentlichen >Choral-
biichern«, welche den gregorianischen Gesang fiir Messe und Offizium
enthalten — ist leider der Name des Autors nicht angegeben und auch
nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit zu ermitteln. Fiir die meisten Biicher
ist der Verfasser ausdriicklich genannt; bei einigen anderen Werken (siehe
unten) laBt er sich mit groBerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit auf
1) Mit *rrrp,ssit* ist wohl der Text *Reces$it pastor noster* aus dem Offizium des
Karsamstags [Itopotusorium IV ad Mattttinum) gemeint.
2 Jungnitz, a. a. 0., Seite 661. 3 = Patris.
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Hermann Muller, Aus schlesischen Visitationsberichten. 227
Grand der sonstigen bibliographischen Hilfsmittel ausfindig machen. Es
ist vielleicht nicht unniitz, ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis der
Autoren beizufiigen; das Neustiidter Protokoll bezeichne ich mit N, das
Grottkauer mit G. Jj
Aichinger (in G irrigerweise : Alchinger); quercus dodonaea, 4 libri.
Am on (= Amnion), Blasius (G.); introitus, 5 libri.
Gemeint sind wahrscheinlich die Introitus des Ammon im > Liber
selectissimarum cantionum* (Wien, 1582), nicht die > Introitus domini-
cales« (Wien, 1601).
B osier (N); concentus ecclesiastico-domesticus. Es ist daher Samuel B.
bier gemeint; vgl. iiber ihn Starke in den Monatsh. f. Musikg. Jg. 33, N. 9.
Bonhomius (= Bonomi), Petrus (anders weifi ich den in G verzeichneten
Namen Petrus Bonsonius nicht zu identifizieren) ; 8 libri.
Es werden die >Melodiae sacrae* gemeint sein.
Corner; das in N. genannte » Gross catholisch Gesangbuch« ist offenbar das
Corner'sche; vgl. dazu G. 1, 1189; Cacilien-Kalender (von Haberl),
Jahrgang 7, Seite 31 f. und Jahrgang 10, Seite 40; Baumker, Das
katholische deutsche Kirchenlied, Band 1 (Freiburg i/B., 1886) Seite 86,
n. 261 und besonders Seite 178 ff.
Donfredus (= Donfried), Joannes (N.)
Mit der Bezeichnung: »opus J. D. 2, 3, 4 vocum prout motetten,
concertus (sic!)« ist das dreibandige >Promptuarium musicum* gemeint.
Als vierter Teil des Donfrid'schen grofien Sammelwerkes hat das, eben-
falls hier verzeichnete, >viridarium musico Marianum« zu gelten. Als
funfter Teil kommt das mit ausfuhrlichem Titel hier genannte Werk
» Corolla musica, missarum 37 . . .« in Betracht.2)
Wenn dann in G. ein >jubilus Bethlehemiticus 5 vocum « genannf
wird, und zwar als D ruck werk, so darf diese Notiz wohl als mehr
oder weniger sichere Beglaubigung des in MeBkatalogen mit diesem
Titel aufgefiihrten sechsten Teiles des Donfrid'schen Sammelwerkes gelten ;
vergleiche G. 2, 384; G 5, Seite 331, n. 137.
Dretzel, Yalentinus (G.); sertulum musicale, 6 libri. Valentin Dretzel und
Diezel sind nach G. 5, 341 (gegen E) identisch; vergleiche auch G. 2,
360, 361.
Elsbeth, Thomas (N.); erster theil Sontaglicher Evangelien Vom Advent
biss auf Cantate, 5 vocum.
Eelis, Stephanas (G.); missa scripta, 5 libri.
Von Pelis scheint nur eine 5st. Messe bekannt zu sein (>Paratum
cor meum Deus« in Hieron. Praetorius, Lib. Missarum, 1616, No. 1;
vergleiche E.); moglicherweise ist diese gemeint.
1, Ich bezeichne ferner mit E das Quellen-Lexikon Eitner's (bis jetzt liegen
8 Bande vor); mit G 1, 2 (nach dem Vorgange des Verfassers) die betreffenden Ab-
schnitte von Go hier > Verzeichnis der in den Frankfurter und Leipziger MeBkata-
logen der Jahre 1564 bis 1759 angezeigten Musikalien* (Leipzig, 1902) und mit Gt 5
die Dissertation desselben Verfassers >Die Mefikataloge im Dienste der musikalischen
Geschichtsforschungc in den Sammelbanden der IMG. ITT, Seite 294 ff.
2; Das »les8o« bei Gohler 2, 383 ist wohl Druckfehler; unser Protokoll hat dafur
das im lateinischen Titel ebenso auffallige italienische »testo«.
15*
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228 Hermann Muller, Aus schlesischen Visitationsberichten.
Die in G. folgende » miss a alia scripta 6 vocum* diirfte nach dem
Zusammenhange wohl auch zu Felis gehoren.
Finettus (= Finetti), Jacobus (N.); psalmi cum basso continuo.
E. verzeichnet bei Finetti zu 1618 > Salmi a 3 voc. con il B. per
l'org.«
Fritsch, Thomas (»Frit« in G.); opus musicum, 8 libri. Der Titel lautet
nach £.: > Novum et in sign e opus musicum «.
Gumpeltzhaimer, Adam, ist nattirlich in N. zu lesen statt: Abraham
Gimpetzhamer.
Handl, Jacobus (G.); tomus primus et secundus, 16 librL Gehort zu Handl's
> Musicum opus*.
HaBler, Casparus (N.), symphoniae sacrae diversorum authorum, »bey wel-
chen florilegium selectissimarum cantionum*.
Joannellus (= Giovanelli), Petrus (G); thesaurus musicus, 6 libri; ver-
gleiche aufier £ auch G. 1, 410; kirchenmusikalisches Jahrbuch, 1894,
Seite 64.
Keif former, Christianus (G.); flosculus, 4 libri.
Damit ist das bis jetzt nur aus MeBkatalogen bekannte und bei
G. 2, 774 notierte "Werk »Parvulus flosculus « beglaubigt.
Las sus, Orlandus (N. und G.);
opus 6 et plurium vocum;
liber missarum;
sacrae lectiones 9 ex propheta Job 4 vocum;
cantiones, 4 libri.
Mit dem an erster Stelle genannten Werk sind vermutlich die »selec-
tissimae cantiones « gemeint; die Titel der iibrigen Werke sind aus der
Lassus-Bibliographie hinlanglich bekannt.
Lechner (so ist in N. zu lesen statt Lehner), Leonhard; liber missarum 5
et 6 vocum.
Offenbar der Messenband von 1584.
Lindner, Fridericus (G.); continuatio cantionum, 6 libri. Das »canticum«
im Titel dieses Werkes bei £. ist Druckfehler; vergleiche kirchenmusi-
kalisches Jahrbuch, 1896, S. 44, Nr. 32 a. Handschriftliche Sammel-
werke von Lindner siehe Sammelbande der IMG., Jahrgang 1, Seite 327 ff.
Ludecus (nicht >Ludecius«, wie in N.J, Matthaeus; missale magnum. Be-
kanntes Gesangbuch des Ludecus.
Michael, Bogierus (dieser ist in N. gemeint mit Bogerius, nicht Roger);
introitus dominicorum dierum ac praecipuorum festorum.
Freilich ist es vielleicht nicht ganz ausgeschlossen, daB Bogier Michael
und Michel Boger doch ein und dieselbe Person sind; £. unterscheidet
sie. Vergleiche auch G. 2, 946.
Monte, Philippus de (G.): 4 libri1).
Wahrscheinlich handelt es sich hier um die vierstimmigen » Sacrae
cantiones « (Venedig, 1596).
Nucius, Joannes (N. und G.; am ersten Orte die voile Bezeichnung: Joannes
Nycis Gerlicensis Lusatius, ordinis Cisterciensis) ;
1) Zum Streite iiber seinen Greburtsort vergleiche jetzt auch Lyon, Le cetibre
maitre decliapelle Philippe de Monte etait-il Malinois ou Montois, Flamand ou Walton?
(Enghien, Spinet, 1900.)
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Hermann Miiller, Aus schlesischen Visitationsberichten. 229
cantiones sacrae, 6 vocum;
(modulationes?), 6 libri.
Pacelli, Asprilio (in G: Aspilius Pagellus);
motetae, 3 libri.
Paminger (in G: Pamiger), Leonardus; 10 libri.
Praetorius, Hieronymus (N. und G.).
tomus primus (der Gesamtausgabe) ;
liber missarum, qui est tomus tertius operum musicorum;
Magnificat super 8 tonos consuetos cum mottetis 8 et 12 vocum.
In G werden von ihm aufgefuhrt: 7 libri; der ebenda (zwischen
Pacelli und Wert) ohne Namen notierte » liber missarum tomus 3« diirfte
identisch sein mit dem oben an zweiter Stelle genannten Messenbande.
Regnardus (= Regnart), Jacobus (G.);
missae sacrae, 6 libri. Hessenband von 1602.
Reiner (G.); sicherlicb ist Jacob R. gemeint; von R. werden >6 libri*
aufgefuhrt.
Schadaeus (= Schade), Abraham (N.j;
opus collectaneum cum basso generali.
Es handelt sich offenbar um das wertvolle Sammelwerk »Promptua-
rium musicum*.
Schaeffer, Paul (N.);
liber primus melodiarum biblicarum.
Scherzius (G.); 5 libri.
Stade (= S tad en), Joannes (G.);
harmoniae sacrae, 5 libri.
Stadelmayer (= Stadlmayer), Joannes (N.);
moduli symphoniaci in celebritatibus nativitatis domini et aliis. Der
Titel ist gektirzt; siehe G. 2, 1493.
Victoria (= Vittoria), Thomas Ludovicus de (G.);
8 libri.
Vulpius, Melchior (N.);
opus (welches?);
evangeliorum dominicalium pars prima (die evangelischen Spruche;
G. 2, 1625).
Walliser (in N: Walleser), Thomas;
ecclesiodiae 4, 5 et 6 vocum.
Wert, Jacobus de (N.);
modnlationes, 6 libri. Wahrscheinlich die » modnlationes sacrae « bei
GBhler 1, 1006.
JZ an gins (= Zange), Nicolaus (N.);
opus (oder opera?). Wahrscheinlich die » cantiones sacrae «.
Zu chin us (in G. : Zuchinius), Gregorius;
promptuarium harmoniacum, 7 libri.
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230 Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse.
Johann Adolph Hasse.
Eine biographische Skizze
von
Carl Mennicke.
(Leipzig.)
»IZ Sassone* starb zu Venedig im Jahre 1783. Ein warmer Verebrer
seiner Kunst, Franz Kandler, fand nach vielen Miihen in der Kirche
zu San Marcuola in Venedig Hasse's Grabstatte. Aus eigenen Mitteln
errichtete er 1820 dem groBen Meister ein Grabdenkmal aus Marmor,
mit der Inschrift
Joanni Adulfo Hasse
Praeclarae harmoniae magistro
nato 1699
defuncto 1783
Nomine gratae posteritatis
DDD
Franciscus Sal. Kandler
1820.
Die dankbare Nachwelt, das heiBt die Akademie von Bologna, machte
Kandler zu ibrem Mitgliede. Kandler tat noch ein iibriges, inctem er
1820 eine kurze Biographie Hasse's schrieb 1). Dieses Schriftchen ist bis
heute die einzige selbstandige biographische Arbeit iiber Hasse geblieben,
liber einen Meister, der vier bis fiinf Dezennien hindurch als Opern-
komponist dominierte. Gluck und das Wiener Dreigestirn haben auch
ihn vergessen lassen.
Johann Adolph2) Hasse wurde 1699 in Bergedorf bei Hamburg geboren.
Das Kirchenbuch bezeichnet den 25. Marz als den Tag der Taufe3).
Gerber (Neues Lexikon) nennt die Paten, Der Vater war Organist und
Lehrer.
Die Jugendjahre verlebte Hasse in Hamburg. Johann Ulrich Konig,
der nachmalige Hofpoet des Kurfiirsten von Sachsen, empfahl Hasse als
1) Cenni stortco-critici intorno alia vita et aUe opere del celebrc compositore di
musica Qio. Adolfo Hasse, Venezia 1820. 8. und Neapel 1821. 12.
2) Fetis bringt einen dritten Vornamen Peter, welcher jedoch im Kirchenbuche
fehlt.
3] Riemann, Lexikon.
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Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse. 231
Tenoristen an die Hamburger Oper. Uber Hasse's Tatigkeit an diesem
Institute sind wir nicht unterrichtet 1 . Rob. Eitner weist in der All-
gemeinen Deutschen Biographie darauf hin, daB Keiser, das Haupt der
Hamburger Oper, von 1718 — 21 groBtenteils in Kopenhagen lebte, und
daB keine seiner Opera wahrend dieser Zeit in Hamburg aufgefuhrt wurde.
DaB Hasse trotzdem Kenntnis von Keiser's Kunst und somit Anregung
zu eigenem Schaffen erhielt, be weist uns Burney2), dem gegenuber sioh
Hasse sehr loblich uber Keiser aussprach.
Was die Jahre 1721—24 in Hasse's Leben betrifft, so enthalten die
Mehrzahl der biographischen Notizen in Lexicis und Zeitungen Irrtumer.
Chrysander schuf zuerst Klarheit 3). Hasse wurde durch seinen Protektor
Konig 1721 dem Herzog von Braunschweig als Hof- und Theatersanger
empfohlen. Unter den Sangern der Schiirmann'schen Oper >Heinrich
der Voglert (H. Teil), in der Wintermesse 1721 4), wird >Mons. Hasse*
genannt. Er befand sich also schon 1721 im Anfang des Jahres in
Braunschweig5). Grerber (Altes Lexikon I, 591) und seine Nachfolger
setzen Hasse's erstes Auftreten in Braunschweig ins Jahr 1722. Irrtiimer
haften auch an den Notizen uber Hasse's erste Oper. Gerber nennt sie
>Antigonus« und setzt sie 1723 an. AuBerdem behauptet er falschlich,
Hasse habe dieses Werk in seinem 18. Jahre geschrieben6). Das Text-
buch sagt uns dagegen (Chrysander): *A?itioco. Drama per musica* —
Antiochus, in einer Opera vorgestellt auf dem groBen Braunschweigigen
Theatro in der Sommermesse anno 1721 (Wolfenbiittel, Bartsch)* ; 3 Akte;
italienisch nebst Ubersetzung. Uber den Komponisten heiBt es in dem
itaJienisch-deutschen Textbuche:
»La Musica e fatta dal. Sign. A. F. (sic!) Hasse, Virtuoso di S. A. S.
il Duca regnante di Braunswiga-Luneburgo. Die Music dieser Opera ist
componieret von A. F. Hassen, Cammer-Musico bei des reg. Herrn Herzogs
zu Braunschweig -Wolfenbiittel Durchl.«
Zu Gerber's falscher Benennung >Antigonus« sei noch hinzugefiigtr
1) Die Allgemeine musikalische Zeitung (VI, 495) erw'ahnt eine Hamburger Opern-
auffuhrang, in welcher Hasse als Chinese auftrat.
2) Tagebuch einer musikalischen Reise, Hamburg 1772.
3) G-eschichte der Braunschweig-Wolfenbiittelschen Kapelle und Oper. Jahrbiicher
I, Seite 271. 1863.
4) Die Wintermesse begann zu Maria LichtmeC (2. Februar).
5) Hasse singt auch in der Laurentii-Messe 1721 in der Oper »Don Quichotte in
dem Mohren-Gebirge*. (Laurentiustag, der 10. August.)
6) Burney (a. a. O., Seite 256) berichtet uber seinen Besuch bei Hasse in Wien:
»Er sagte mir, seine erste Oper sei Antigonus gewesen, die er komponiert, als er
18 Jahr alt und noch nicht in Italien gewesen.* Somit ware Hasse's "Werk schon
1719 entstanden, eine Annahme, die sich ander warts nicht best'atigen l'aBt.
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232 Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse.
daB eine Oper dieses Namens in Braunschweig nie zur Auf fiihrung gelangte.
Hasse's Antigono ging 1743 in Dresden erstmalig iiber die Bretter.
Hasse's Antiochus ist die einzige Oper auf deutschen Text *). In dem
Personen-Verzeichnis findet man:
Seleucus, Konig von Syrien: der Capellmeister Schiirmann.
Antiochus, eein Sohn, verliebt in Stratonica: Monsieur Hasse.
Das Werk wurde mit grofiem Erfolge aufgefiihrt; von der Musik ist
nichts erhalten.
Falschliche Angaben finden sich gleicherweise iiber den Zeitpunkt der
Abreise Hasse's nach Italien. Gerber gibt 1724 an. Das ist zweifellos
falsch. Chrysander (a. a. 0.) nimmt an, daB Hasse bereits 1722 nach
Italien gegangen ist, da sein Name im Personen-Verzeichnis des Pasticcio
Orlando furiosi), das 1722 in der Wintermesse aufgefiihrt wurde, fehlt
und auch in denjenigen spater aufgefiihrter Werke nicht anzutreffen ist.
Chrysander's Annahme ist richtig. Florimo2) zitiert fur den 4. Novem-
ber 1723 eine Oper von Hasse II Tigrane, aufgefiihrt auf dem R. Teatro
S. Bartolomeo in Neapel. Er bemerkt dazu:
*In quesf opera vi sono gf intermezzi *La Serva sceltra owero La Moglie
e forza, musicati del medesimo Hasse . . .«.
Immerhin ist dies mit Vorsicht aufzunehmen, da Florimo an anderer
Stelle die Oper Tigrane ins Jahr 1729 setzt. Als bessere Beweise fur
das Jahr 1722 als Datum der Abreise Hasse's nach Italien sei noch zitiert :
Dall'Olio, La Muszca Poemetto, Modena 1794, Seite71:
> Giov. Adolfo Hasse detto il Sassone per molti anni e stato al servizio
delta corte di Sassonia. E debitore alV Italia del suo merito} poiche si trans-
fori da giovinetto in Napoli net 1722 . . .«
Giamb. Mancini, Riflessione pratiche std canto figurato, Milano 1775,:
> Giovanni Hasse, si trasferi in Napoli 7iel 1722.*
Hiller, »Lebensbeschreibungen« 1784, unter Graun, C. H.:
»Hasse, welcher ohngefahr zwey Jahr als Tenorist am Braunschweigigen
Hofe in Dienst gestanden . . .«
Hasse ging somit 1722 nach Italien. In Neapel, dem damaligen
italienischen Musikzentrum, wurde er Schiiler von Niccol^i Porpora,
welcher ihm spater in Dresden manchen Kummer bereiten sollte. Hasse
konnte sich nicht mit ihm befreunden unci ging daher in die Lehre
1) Selbst durchaus deutsche Stoffe erhielten italienischen Text. So zitiert Hasche
(Diplomatische Geschichte Dresdens, Dresden 1819, 4. Teil) ein FastnachtsstUck vom
Jahre 1748, »Der Dresdner Schlendrian*. Der Text stammte von Metastasio,
die Musik von Hasse. Das Werk ist verloren gegangen.
2, La scuola mimcalc di Napoli c i suoi Conservatorii 1880 — 1884, IV, Seite 20.
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Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse. 233
Alessandro Scarlatti's iiber, des idealen Reprasentanten der neapolitani-
schen Schule. Porpora hat diesen Schritt Hasse nie verzeihen konnen1).
Die oben erwahnte Oper II Tigrane, aufgefiihrt am 4. November 1723,
wird nur von Florimo zitiert. Alle sonstigen biographischen Darstellungen
nennen als erste Oper in Italien Sesostrate, aufgefiihrt am 26. August 1726
in Neapel. Quanz traf Hasse 1725 in Neapel. Er erzahlt dariiber in
seiner Autobiographic Folgendes2):
>Herr Hasse _notigte mich, bey ihm zu wohnen. Wir wurden gute
Freunde. Er hatte bis dahin noch keine offentliche Musik in Walschland
aufgefiihrt. Ein vornehmer italienischer Bankier aber liefl von ihm eine
Serenate fur zwo Personen in Musik bringen, welches er nach Zeit meiner
Anwesenheit bewerkstelligte. Farinelli und die Tesi sungen darin. Durch
diese Serenata erwarb sich Herr Hasse so vielen Beyfall, dafi ihm gleich
darauf die Musik, der im May dieses Jahres, auf dem Konigl. Theater vor-
zustellenden Oper, zu verfertigen anvertrauet wurde. Und diese Oper hat
ihm den Weg zu seinem kiinftigen Grliick gebahnt. Ioh ersuchte den Herrn
Hasse, mich mit seinem Meister, dem alten Scarlatti bekannt zu machen,
wozu er auch gleich bereit war. ADein er bekam zur Antwort: »Meijn
Sohn (so pflegete ihn Scarlatti zu nennen) ihr wisset, daC ich die blasenden
Instrumente nicht leiden kann, denn sie blasen alle falsch.*
Nach Quanz' Darstellung ware somit die Oper Sesostrate vom Jahre
1726 das erste Opernwerk Hasse's in Italien gewesen. Von der von
Florimo zitierten Oper II Tigrane sind weder Textbuch noch Musik er-
halten.
Die Oper Sesostrate, unter Scarlatti's Auspizien aufgefiihrt, brachte
dem 27jahrigen Maestro groBe Ehren. Er genoB nicht nur Anerkennung
als Komponist, sondern entziickte auch alle Horer durch Gesang und
Klavierspiel. Das Gliick war ihm besonders giinstig; er siedelte 1727
nach Venedig liber und wurde daselbst Kapellmeister am Conservatorio
degli' Incurabili. Doch auch in Deutschland hatte er Karriere machen
konnen. Der Hof in Braunschweig wollte Konrad Friedr. Hurlebusch
1725 in Dienste nehmen; die Verhandlungen zerschlugen sich aber, weil
zu einem anderen Grunde noch der hinzukam, »daB eine sich ere groBe
Dame bey Hofe den beriihmten Hasse als Vicecapellmeister wieder ins
Land ziehen wollte*3).
In Venedig als Kapellmeister komponierte Hasse 1728 >per le donxeUe
degV IncurabilU 4) ein Miserere, *a quattro rod: due soprani e due contra-
1) Burney (a. a. 0.; berichtet, Hasse hahe geleugnet, daB ihn Porpora bei Scar-
latti eingefuhrt habe. »Br sagte, Scarlatti habe, als er ibn das erstemal gesehen;
gliicldicherweise eine solche Gewogenheit zu ihm gefafit, daC er ihn nachher best'andig
als ein z'artlicher Vater begegnet habe.«
2} Marpurg, Beitrage I, 3. Stuck, Seite 227.
3} Matt he son, Ehrenpforte, Seite 122.
4) FranBC. Caffi, Storia delta musiea sacra, Venezia 1864.
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234 Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse.
alti — istrunienti ad arco ed organo* *). Hasse wurde bald eine populare
Personlichkeit. Uberall sprach man mit Begeisterung von dem *Sassone*.
Die Bezeichnung *il caro Sassarie* bezeichnet Kretzschmar2) treffend
als eine > obligate Anekdote*. Diese Redewendung war nie im Umlauf;
sie stand hochstens in Briefen. Leider hat sich diese falschliche Be-
nennung — zuweilen gar *il divino, caro Sassone* — bis in die neueste
Zeit fortgeerbt3) nnd nicht nur in Schriften vom Geiste Heribert Ban's4].
Fur Neapel schrieb Hasse die Drammi con intermexzi: Qerone,
tiranno di Siracusa, 19. November 1727; im Friihjahr 1728 Attalo, Be
di Bitinia mit dem Intermezzo La Finta tedesca nnd fiir den Karneval
1729 Ulderica mit dem Intermezzo La Fantesca. Auf dem Textbuche
zu Attalo findet sich:
>La musica e del Signor Giovanni Adolf o Hasse} detto il Sassone maestro
di Capella di S. A. S. il duca di Brunswick*).*
Hasse's Bekanntschaft mit Faustina Bordoni scheint bereits 1727
erfolgt zu sein. Faustina's Lehrer Michelangelo Gasparini und ihr
Freund Benedetto Marcello scheinen Hasse die Erlangung des Kapell-
meisterpostens erleichtert zu haben6). Die Ehe mit dieser auBerordentlichen
Sangerin wurde 1730 in Venedig geschlossen. Hasse komponierte 1730
fiir Venedig Metastases Artaserse und Nice. Minato's Dalisa'1). In
beiden Opera sang Faustina als Hasse's Gattin mit groBtem Erfolg. Auf
dem Textbuche der neuen Oper Ezio, die gleichfalls 1730 mit dem
Intermezzo II Tutore e la Pupitta in Neapel in Szene ging (Florimo),
lesen wir:
> Musica del signor Giovanne (sic) Hasse, detto il Sassone, prww maestro
di capella di S. M. il re di Polonia.*
Dieser etwas voreilig hinzugefiigte Titel fiihrt uns zu der bedeutsam-
sten Epoche im Wirken dieses Kiinstlerpaares, zu seiner Tatigkeit an der
Dresdner Oper.
Der Kronprinz von Sachsen, der nachmalige Friedrich August HI.,
bemiihte sich, im Verein mit seiner beriihmten Gemahlin Maria Antonia,
der Dresdner Oper wieder neues Leben zu geben. Diese letztere hatte
1) Das Original dieses Miserere liegt in der > Capella Marciana« in Venedig,
wie mir freundlichst mitgeteilt wurde.
2; Vierteljahrsschrift I, Seite 231.
3] Vergleiche Niggli, Faustina Bordoni-Hasse , Leipzig 1880; auch Brockhaus'
Lexikon.
4) Sowinski, Alb., Les musiciens polonais et slaves ancietis et modenies . . .
(1857) bringt die Bezeichnung il gran Sassone.
5) Burney, A general history of music, vol. IV, Seite 549.
6] Vergleiche auch Gerber, Neues Lexikon II, 516.
7) Taddeo Wiel, I Tcatri Mitsicali Vrnexiani, Venezia 1897.
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Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse. 235
schwere Verluste erlitten. Am 16. Juli 1729 war der verdienstvolle
Kapellmeister Johann David Heinichen gestorben, der auch nur fiir
kurze Zeit die Dresdner Oper leiten durfte, urn fortan nur der Kirchenmusik
vorzustehen. Dim folgte im Tode am 7. Oktober der Konzertmeister Jean
Baptiste Volumnier, der nach Quanz' *) Urteil das konigliche Hof-
orchester Disziplin in der Technik des Vortrags gelehrt hatte. An seine
Stelle trat 1728 Johann Georg Pis en del. Der Posten des Kapellmeisters
war noch frei — da gedachte man Hasse's und lud ihn mit seiner Ge-
mahlin 1731 nach Dresden ein. Aus Brief en vom 1. und 8. Juni, die
zwischen dem sachsischen Gesandten Graf Villio in Venedig und dem
Kabinetsminister Marquis de Fleury gewechselt wurden, ersieht man, daB
Hasse krankheitshalber nicht sogleich abkommen konnte 2). Er war schon
damals >mal de sa goutte*.
Uber Hasse's Wirksamkeit in Dresden unterrichtet uns Moritz
Piirstenau ziemlich zuverlassig3).
Das Ehepaar traf am 7. Juli 1731 in Dresden ein ; schon am folgenden
Tage debutierte Faustina privatim vor denj. Konig. Am 13. September
wurde die Oper Cleofide (= Alessandro netle Indie) mit ganz auBerordent-
lichem Erfolge aufgefiihrt. Die »CuriosaSaxonica« bringen ein begeistertes
Referat. Einem Schreiben des Kabinetsministers vom 15. September
konnen wir entnehmen, daB Hasse, wie seine Gemahlin, alle Erwartungen
des Hofes uberboten hatte. Joh. Seb. Bach wohnte der Auff uhrung mit
seinem Sohne Friedemann bei; als er am nachsten Tage durch sein
Orgelspiel in der Sophienkirche Hasse begeistert hatte, begannen zwischen
diesen beiden Antipoden dauerhafte Beziehungen, die auf gegenseitiger
Anerkennung beruhten (Spitta). Hasse's Cleofide wurde noch einige Male
aufgefiihrt. Nach Furstenau sollen die letzten Auffiihrungen dieses
Werkes im Karneval 1732 stattgefunden haben. Wenn dies den Tat-
sachen entspricht, so leitete Hasse diese Auffiihrungen nicht; denn wir
finden ihn schon im gleichen Jahr 1731 in B-om, zur ersten Auffiihrung
seiner Oper Cajo Fabricio (mit dem Intermezzo La Contadina), in der
Felice Salimbeni zum ersten Male sang4); auch fand schon 1731 die
Erstauffiihrung seiner Oper Arminio in Mailand statt. DaB Faustina am
7. Oktober 1731 Dresden schon wieder verlieB, geht aus einem weiteren
Schreiben des Marquis von Fleury hervor6). Faustina erhielt vom Konig
1) Marpurg, Beitrage I, 3. Stiick, Seite 206.
2) K6nigliche8 Geheimes Staatsarchiv Dresden.
3) Beitrage zur Geschichte der Koniglich sachsischen musikalischen Kapelle, 1849.
Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 1861—1862. Sach-
sengriin, Kulturgeschichtliche Zeitschrift, Dresden 1861, I, 115.
4) Hiller, WGchentliche Nachrichten, 1766, 27. Stuck.
5} Konigliches Geheimes Staatsarchiv Dresden.
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236 Carl Mennicke, Johanu Adolph Hasse.
6000 Taler »pour la dddommager de ce que luy a couU la visite qu'elle
hit a faite et <kmt tout le monde a profits*. Auf das vielumstrittene
Liebesverhaltnis Faustina's zu Friedrich August II. einzugehen, ist fiir
die Musikwissenschaft wertlos.
Hasse verlieB Dresden 1731 mit dem Titel eines »K6nigl. polnischen
und Kurfiir8tl. sachs. Kapellmeisters*. Fur Venedig komponierte er 1732
Metastases II Demetrio und Lalli's Euristeo. II Demetrio, identisch
mit Cleonice, wurde auch 1733 in Wien aufgefuhrt *), wo auch im gleichen
Jahr Siroe, Re di Persia in Szene ging, das kurze Zeit vorher auf dem
Theater Malvezzi in Bologna die Erstauffiihrung erlebte2). In Bologna
wurde Siroe 26mal aufgefuhrt. Hasse erhielt fiir die Partitur und seine
Mitwirkung an 19 Auffuhrungen 1260 Lire. Reisende Opern-Gesellschaften
nahmen Hasse'sche Werke in ihr Repertoir auf. In Brussel wurde 1730
von der italienischen Truppe >Peruzzi e Brillandi* Hasse's Attab auf-
gefuhrt3). Pietro Mingotti begann im Herbst 1736 in Graz sein
wanderndes Theater aufzuschlagen4). Er fiihrte daselbst, wie auch spater
in Liibeck5), neben Galuppi und Giacomelli auch Hasse auf6). Hasse's
Ansehen in der musikalischen Welt war bereits so gewachsen, daB die
unter dem Protektorate des Prinzen von Wales stehende neue Londoner
Opera -Gesellschaft es riskierte, Hasse einzuladen, um dem anderen
»Sassone*y Handel, einen Rivalen gegeniiber zu stellen (Chrysander,
Handel, II). Hasse scheint mit Widerstreben nach London gegangen zu
sein ; er schrieb fiir London eine Umarbeitung seines Artaserse von 1730.
Die Auffiihrung fand 1733 statt; er beteiligte sich noch an einigen
Pasticci, verlieB dann aber bald England, um dem weit uberlegenen
Handel aus dem Wege zu gehen, und kehrte nach Italien zuruck.
Die definitive Anstellung in Dresden erfolgte 1734. Wie ein vom
10. Juni 1734 datiertes Aktenstiick besagt, bezog Hasse mit seiner Ge-
mahlin ein Gehalt von 6000 Talern nebst 1500 (?) Talern Reisegeld. Am
Karfreitag 1734 wurde Hasse's Oratorium II cantico di tre Fanciulli, am
8. Juli die Oper Cajo Fabricio aufgefuhrt 7). Der sachsische Hof reiste
am 3. November nach Warschau ab, und somit fand Hasse wiederum
Gelegenheit, nach Italien zu gehen. In Venedig fiihrte er 1735 wiederum
1) Alex, von "Weil en, Zur Wiener Theatergeschichte, Wien 1901.
2) Corrado Ricci, J Teatri di Bologna, Bologna 1888.
3) Alf. Wotquenne, Catalogue de la Bibliotheque du Conservatoire de Musiqtie
de Bruxelks. 1898, vol. I.
4} Die osterreichi8ch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, 83. Lieferung.
5) C. S tie hi, Geschichte des Theaters in Liibeck, Liibeck 1902.
6; Nicolo Peretti begann in Liibeck am 8. Juli 1755 mit seinem Kapellmeister
Antonio Duni unter anderm die Auffiihrung von Werken Hasse' s.
7; Yergleiche den Bericht in den >Curiosa Saxonica* vom » Julius 1734*.
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Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse. 237
Cajo Falnicio auf und auch die neue Oper Alessandro neUe Indiex). Im
Januar 1737 kehrte das Ehepaar nach Dresden zuriick. Schon am
8. Februar, nach den >Curiosa Saxonica*, zum Geburtstag der Kaiserin
Anna von Russland, erlebte Pallavicini's Senocrita mit Hasse's Musik
die Urauffiihrung. Faustina war die Heldin des Tages.
Wir unterlassen es im Folgenden, alle Werke aufzufuhren, die Hasse
fiir irgendwelche Hoffestlichkeiten komponierte2). Wir erwahnen jetzt
nur noch einzelne hervorstechende Punkte in dem bewegten Leben dieses
denkwiirdigen Kiinstlerpaares.
Im September 1738 reiste das Ehepaar wieder nach Italien. Zum
Karneval 1739 wurde in Venedig die neue Oper Vitiate aufgeftihrt,
welche dem Kurprinzen Friedrich Christian von Sachsen gewidmet war;
dieser Furst scheint 1763 diese Dedikation vergessen zu haben. In einem
Schreiben vom 4. Mai 1739 bat die Konigin von Spanien ihren koniglichen
»Vetter« in Dresden um die Erlaubnis, das Ehepaar Hasse nach ihrer
Residenz einladen zu diirfen. Das Gesuch wurde abschlagig beschieden:
> Hasse souvmt incwnmodS par la goutte et la Faustine commencant a
baisser beaucoup aussi en forces, de sorte quelle Stoit fort rarement en itat ou
tfhumeur de chattier et que par les memes raisons ils quitteroient dans peu Venise
dans le dessein, de fmir tranquillement leurs jours en Saxe sans plus faire des
excursions au dehors. €
Am 8. Februar 1740 wurde in Dresden zum erstenmale Hasse's II
Demetrio, eine neue Fassung, mit Pergolese's La serva Padrona als
Intermezzo aufgefuhrt. Zum erstenmale dirigierte Hasse ein Werk, das
er nicht komponiert hatte. Die Jahre 1740—1743 verbrachte Hasse in
Dresden ; 1744 finden wir ihn in Venedig. In einem Briefe vom 25. Sep-
tember bittet er um Zusendung des Textbuches der neuen Oper zum
nachsten Carneval. (Das Original des Briefes im Sachsischen Staats-
archiv Dresden.) Das Jahr 1742 bringt Hasse die wertvolle Bekanntschaft
Friedrichs des GroBen.
Am 19. Januar zog Friedrich II. in Dresden ein. Zur Feier des
Tages wurde Arminio erstmalig aufgefuhrt. Friedrich II. war ent-
ziickt, wie aus dem Brief wechsel mit^ dem Graf en Algarotti hervorgeht.
Er lieB sich Arien aus dieser Oper nach seinem Hauptquartier kommen 3).
1) Das Textbuch zu Cleofide, Dresden 1731, wurde von einem Chevalier Boc-
cardi nach Metastasio's Alessandro nelle Indie bearbeitet. Da Hasse ein und das-
selbe Libretto gern mehrmals komponierte und weil die Partituren, um Vergleiche
anzustellen, schwer zu beschaffen sind, laCt es sich nicht entscheiden, ob die Oper
Alc8scmdroy Venedig 1736, mit der Cleofide von 1731 identisch ist.
2) Der Verfasser dieser Zeilen bereitet einen bibliographisch-thematischen Katalog
aller Opern vor.
3) Georg Thouret, Friedrich der GroCe als Musikfreund und Musiker, Leip-
zig 1898.
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238 Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse.
Am 11. Januar 1743 lieB er in Berlin Hasse's Clemenxa di Tito auf-
fiihren; sein Kapellmeister, Karl Heinrich Graun, saB am Fliigel und
bewies, »daB er nicht nur in seine eigene Arbeit verliebt war*1). Sein
Interesse fiir Hasse blieb wach: durch den Comte von Bessenvoie lieB
er sich am 5. Mai 1744 aus Dresden die Partitur von Basse's Antigono
schicken2). Als Friedrich II. im Dezember 1745 nach der Schlacht von
Ke8sel8dorf in Dresden einzog, befahl er fiir den 19. Dezember eine
Wiederholung von Arminio. Aus Potsdam schreibt Friedrich H. unter
dem 18. Juli 1746 an seine Schwester Wilhelmine: »Je n'ai point entendu
chanter Hasse, mais je connais son gout qui est admirable**). Am
13. Januar 1747 lieB er in Berlin Hasse's Arminio auffuhren. In einera
von C. F. Christian Fasch geschriebenen Verzeichnis aller 92 Opern, die
unter Friedrich dem GroBen zur Auffiihrung gelangten, findet sich ein
einziges Mai bei der Oper Arminio von Hasse der Zusatz, daB diese
eine vortreffliche Oper sei4,. Als Hasse mit dem Sanger Monticelli
einer Einladung Friedrich's 1753 gefolgt war und sich in einem Kammer-
konzert hatte horen lassen, erhielt er (wie sein Reisegenosse) die ubliche
Tabatifcre und einen Brillantring5). Hasse hatte bei dieser Gtelegenheit
Friedrich's Cembalisten, Phil. Emmanuel Bach, wie auch Fasch sehr
gelobt. Friedrich H. furchtete deshalb, Hasse wolle beide Kiinstler
nach Dresden ziehen, da er glaubte, sein vorzuglieher Sanger Salimbeni
sei auch nur auf Hasse's Zutun an die Dresdner Oper iibergegangen6).
Hasse's Beziehungen zu Friedrich n. scheinen aber durch solche Zwischen-
falle nicht getriibt worden zu sein, denn Friedrich schreibt noch am
5. Januar 1777 an die Kurfurstin Anna Amalie sehr liebevoll liber
Hasse's Oper Cleofide, welche um diese Zeit in Berlin auf gef iihrt wurde 7).
Friedrich H. schatzte seinen Kapellmeister Karl Heinrich Graun sehr,
aber seine Vorliebe fiir Hasse ist unverkennbar. Das Exemplar des
1) Brachvogel, Geschichte des Koniglichen Theaters in Berlin, Berlin 1877.
Briefe zur Erinnerung an merkwiirdige Zeiten, 1778.
2) Konigliches Geheimes Staatsarchiv Berlin. Am 18. Februar 1744 war Antigono
zum 14. Male aufgefuhrt worden (Sachsischer Hof- und Staatskalender auf 1745).
3) Ebenda.
4) C. F. Zelter, Carl Fr. Christ. Fasch, Berlin 1801.
6) Haude- und Spener'sche Zeitung vom 7. und 10. April 1763.
6} Der Graf von Wackerbarth schreibt aus Dresden am 10. Juli 1751 an Ma-
dame la Dauphine, die Auffiihrung von Hasse's Leucippo betreffend, Folgendes:
»Mf Salimbeni a emporte les applaudissemenls de (out le monde. Ce virtuoso a paru
renaitre comme le Phcnix de ses cendres, je veux dire qu'il a repris une nouveUe force
et un nouvel agrement depuis la longue maladie qifil avail essuye a Berlin qui Pa
oblige de quitter le service de S. M. Pnt&sienne,*
7 1 Moritz Furstenau, Maria Antonia Walpurgis, Kurfurstin von Sachsen. Eine
biographische Skizzc. Monatshefte fur Musikgeschichte IX, Seite 178.
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Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse. 239
Hasse'schen Oratoriums La conversions di S. Agostino in der Bibliothek
des Joachimsthalschen Gymnasiums (Cliarlottenburg) tragt die Bemerkung:
»Le roi a fait executer cet oratoire a trois differmtes reprises par sa Cha-
pdle d son nouveau chateau a Potsdam, le 18, le 20 ct h 24 de juittet 1768. «
Friedrich verband sich auch kompositorisch mit Hasse. Das Exem-
plar des Schaferspiels II Trionfo delta Fedelta 1753 auf der Joachimsthal-
schen Bibliothek — Hasse war, wie schon erwahnt, 1753 in Berlin —
nmfaBt eine Sinfonia (34 Takte, mit Uberleitung) und die erste Szene von
Hasse, die zweite Szene >di Friderico«, ein Andante, dessen Autor
nicht angegeben ist, ein Allegro von Hasse, ein Allegro ma rum troppo
von Georg Benda, zwei weitere Satze ohne Autorenangabe und einen
SchluBchor von Graun, wozu noch bemerkt sei, daB diese Stiicke Vokal-
nummern mit Instrumentalbegleitung sind.
Die denkwiirdige Auffiihrung von Arminio auf Befehl Friedrich's H.
blieb vorlaufig die letzte Opern-Auf f iihrung in Dresden. Nach AbschluB der
Friedens-Verhandlungen blieb das Opernhaus geschlossen. Nur der schon
erwahnte Pietro Mingotti durfte in einem provisorischen Holzbau mit
seiner Truppe Opera auffuhren. Im Juli 1746 finden wir Hasse mit
seiner Gemahlin in Miinchen. Der musikalische Hof zeigte seine eigene
Kunstfertigkeit und beschenkte beide reichlich. Nachdem hierauf Hasse
den Herbst in Venedig verbracht, beriihrte er auf der Riickreise nach
Dresden wiederum Miinchen. Ein Brief aus dieser Stadt vom 28. De-
zember 1746 teilt uns mit, daB Hasse wiederum *la goutte* plagt, und
daB er infolgedessen die in Miinchen fertiggestellte Partitur der Oper
Semiramide nach Dresden per Estafette schicken muB. Die folgenden
Jahre lieBen das Gliicksschiff Hasse's arg schwanken. Im Juni 1747
erhielt Faustina in Caterina Regina Mingotti eine ernste Rivalin, die vom
Hofe hoch geschatzt wurde. Ihr Lehrer und Protektor, Niccolk Porpora,
<ler einstige Lehrer Hasse's, der 1747 als Gesanglehrer Maria Antonia's nach
Dresden verschrieben worden war, wurde Hasse 1748 als Kapellmeister
beigegeben1). In den Verzeichnissen der * Koniglichen Kapell- und
Kammermusik« in den Koniglich Polnischen und Churfiirstlich Sach-
sischen Hofkalendern wird zwar Porpora nie als Kapellmeister, sondern
neben Bach undZelenka (!) als Kirchen-Kompositeur aufgefiihrt, aber
aus Aktenstucken ergibt sich, daB er nominell Kapellmeister war. DaB
Hasse seinen Rivalen nicht aufkommen liefi und schlieBlich zu diesem
Zweck wenig saubere Mittel anwandte, kann man erklarlich finden. Aber
das Ehepaar hatte doch einige Jahre mit der Konkurrenz zu kampfen.
Porpora wurde erst am 31. Juli 1752 mit 400 Talern pensioniert, Regina
lj Der Kronprinz Friedrich Christian hatte in Neapel 1739 Porpora als Sanger
und Komponist kennen gelernt >et enroya en echange une ?nantre d'or*.
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240 Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse.
Mingotti verlieB die Dresdener Biihne im Januar 1752 ohne Pension.
Das Jahr 1750 sah das vom Gliick begunstigte Ehepaar am franzosischen
Hofe. Das musikalische Paris iiberbot sich in Huldigungen. Im August
desselben Jahres kehrte Hasse wieder nach Dresden zuriick. Der Graf
Wackerbarth entdeckte sogleich eine Wandlung in Hasse's musikali-
schen Ausdrucksformen:
*R y a eu beaucoup de tnonde qui ont dit que Mons. Hasse s*6tait forme
un nouveau gout pour la musique d&puis son retour de Paris et qv!il avail
su faire id une tres bonne application de quantite de belles et bonnes chose $
quHl avail entendues en France . . . «
Ein Dekret vom 7. Januar 1750 batte Hasse »in Ansebung seiner
besitzenden, besonderen Meriten, Erfahrung und Geschicklichkeit* zum
Ober-Kapellmeister befordert. Vize-Kapellmeister wurde Giovanni Ristori.
Die kluge Faustina zog sicb 1751 nacb der letzten Auffiihrung der Oper
Ciro riconoseiuto von der Buhne zuriick. Die Oper Otimpiade, am
16. Februar 1756 aufgefiihrt, sollte vorlaufig die letzte sein, denn im
August 1756 bracb der siebenjahrige Krieg aus. Friedricb II. bezog in
Dresden Quartiere und macbte der grenzenlosen Yerscbwendung des
sachsischen Hofes ein jahes Ende. Opern-Auffuhrangen unterblieben.
Hasse wurde eifrig zu den Kammer-Musikabenden des Konigs heran-
gezogen und muBte sicb aucb eifrig der Kirchenmusik zuwenden, der
Friedricb regebnaBig beiwohnte.
Ln Jahre 1757 finden wir Hasse schon wieder in Venedig. Ein Brief
vom 3. September 1757, an Algarotti gerichtet, spricbt die Absicht aus,
Padre Martini in Bologna zu besucben1). Auch nach Paris kam Hasse
nocb einmal. Er wohnte daselbst einer Auffiihrung von Lully's Aleeste
bei. Grimm in seiner > Correspondance UttSraire*2) schreibt hieriiber am
15. Januar 1758:
»Mr. Hasse qui avail entendu parler de la legerete et de la petuleme
franoaiseSy ne se lassait point lorsqu' il fut en ce pays-ci d* admirer la
patience, avec laquelle on ecoutait a Coperaf une musique lourde et monotone.*
In Neapel brachte Hasse 1758 die Opern Demofonte, Achitte in Sciro.
in Venedig La Nitetti und in Neapel 1759 auf dem Teatro 8. Carlo La
Clemenxa di Tito zur Auffiihrung. Die erste Auffiihrung der Oper Demo-
foonte in Dresden fand am 7. Oktober 1759 statt. Im Juli 1760 muBte
Hasse erleben, daB bei dem Bombardement Dresdens durch Friedrich n.
auch sein Wohnhaus in Flammen aufging und mit ihm die zum Stich
vorbereitete Gesamtausgabe seiner Werke. Schon am 31. Juli 1756 hatte
1) La Mara, Musikerbriefe aus 5 Jahrhunderten, Leipzig 1866.
2) Correspondance litterairc, philosophique et critique. Premiere Partie. Tome second,
p. 213. Paris 1813.
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Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse. 241
Hasse fur seinen Verleger Breitkopf das Privilegium »cum iure prohibendi
et facultate cedendi* erhalten.
Hasse ging bald nach Venedig zuriick, folgte einer Einladung des
Wiener Hofes und schrieb fiir den Wiener Hof einige Jahre hindurch
verschiedene Werke fiir Hoffestlichkeiten, Drammi, Azioni teatrali, Compli-
menti und dergleichen. Von 1758—62 hatte der KoniglicheHof in Warschau
verschiedene Werke seines Ober-Kapellmeisters zur Auff uhrung gebracht.
Als der Friede von Hubertusburg abgeschlossen war, war Hasse wieder
eifrig in Dresden tatig und erlebte am 3. August 1763 die letzte Auf-
f uhrung einer seiner Opern in Dresden, des neuen Werkes Svroe. Am
5. Oktober starb der Kurf first. Sein Nachfolger Friedrich Christian loste
Oper wie Komodie auf. Schon nach zwei Tagen wurde das Ehepaar
mit schmahlichem Undank ohne Pension entlassen. Hasse soil mit seiner
Frau 30000 Taler zu fordern gehabt haben; gegen eine Aversalsumme
von 12000 Talern (?) verzichteten sie am 30. April 1764 auf samtliche
Anspriiche. Am 23. Januar 1764 wurde Hasse ein Dekret ubersandt,
datiert vom 19. Januar: Decretum de dignitate Suprenn Musices Rectoris
Ioanni Adolpho Hasse dmuo concessa. Wir zitieren noch aus diesem
Dekret:
> Declaramus itaque et nominamus supradictum] Joannem Adolphinum
Hasse, Domini EUctoris Saxonias Supremum Musices Eeetorem} volentes, ut
ab omnibus et singulis pro tali habeatur et reputetur, honoribusque^ muneri.
Mo in aula Electorali Saxonia fribui solitis, omni data gaudeat occasione.*
In Wien wurde das Ehepaar freudig aufgenommen. Im Etat der
Kiuserlich-Koniglichen Hof- und Kammermusik zu Wien 1766 stent
zu lesen:
»3) finden sich, neben dem hochberuhmten K. P. dermahlen Chursachs.
Herrn Hofcapellmeistern J. A. Hasse, dessen Anwesenheit in Person allhier
wir zu wissen das Gliick haben . . . « i).
In Wien verkehrte Hasse unter anderen mit Metastasio, mit dem Herrn-
huter Graf en Zinzendorf und dem Grafen Sporck, welcher den Text zum
Oratorium Sanf Elena ai Calvario dichtete.
Aus einem Brief e vom 30. September 1769, den Hasse an Giovanni
Maria Ortes nach Venedig schrieb, erfahren wir, daB er einen >Mr. Mo-
zard« kennen gelernt hat2). Metastasio und er unterstiitzten auf Bitten
Leopold Mozart's den jungen Maestro (Jahn, Mozart). In der Widmung
einer Sonate von 1764, in London, am 18. Januar 1765 geschrieben und
an die Konigin Charlotte von GroBbritannien gerichtet, sagt Mozart:
1) Hiller, Wochentliche Nachrichten 1766, 13. Stiick (vom 23. September).
2} Kretzschmar, Aus Deutschlands italienischer Zeit, Jahrbuch der Musik-
bibliothek Peters, Leipzig 1901.
s. a. I. M. v. 16
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242 Carl Mennicke, Johann Adolph Hasse.
» . . . 3Iais que je vive, et un jour je lui offrirai un don digne a* Elk et d<*
toi\ car avec ton secours, fegalerai la gloire dc tons les grands hommes de ina
patrie, je deviendrai immortel comvie Handel et Hasse, et mon nom sera aussi
relebre que celui de Bach* 1).
Am 31. August 1771 besuchte Mozart in Mailand den soeben an-
gelangten Hasse2). Als am 2. November 1771 in Mailand Hasse's Fest-
oper Ruggiero gegen Mozart's Ascanio in Alba durchfiel, soil Hasse aus-
gerufen haben: *Questo ragaxxo far a dimmticar tuttif*
Gegen junge Talente war Hasse neidlos gesinnt. Einen Schiiler Tar-
tini's, den nachmaligen sachsischen Ober-Kapellmeister Johann Grottlieb
Naumann hat er groBes Interesse entgegengebracht; er sagte seinem
jungen Landsmann: er solle ja nicht saumen, der Dritte zu werden, den
Italien unter dem Beinamen des Sachsen kennen lerne. Auch Faustina
war Naumann giinstig gesinnt3).
Jomelli und der junge Haydn beugten sich gern vor Hasse's
KiinstlergroBe. Jomelli und Cardani hatte er den Weg geebnet, und
1768 schlug er auf Befragen Trajetta zum Direktor des Konservatoriums
degl' Incurabili vor4).
Er hatte Schiiler hoher Herkunft: in Dresden die Kurfurstin Anna
Am alia, der er bei der Komposition ihrer Oper II Trimifo delta Fedelta
behiilflich war5). Ferner unterrichtete er die Kaiserin Maria Theresia,
die von ihrem Lehrer sagte: »// a tte le 'premier qui a rendu lamusiqitc
plus agrtable, plus Ugere* 6). In Wien unterrichtete er ferner die Schiilerin
Haydn's, Marianne di Martinez, die 1782 mit dem Oratorium Isacco,
figura del Bedentore als Komponistin groBen Erfolg hatte. 75 Jahr alt,
nahm sich Hasse in Venedig Abt Yogler's mit der Liebe eines Vaters
an7). Vogler komponierte unter Hasse's Aufsicht italienische Arien. Im
Oktober 1775. schied Hasse von Vogler mit den Worten: »che la musica
sia chiara, semplice ma sublime*', Faustina beschwor Vogler, nie erne
opera buffa zu schreiben, weil sie besorgte, der erhabene Gesang mochte
darunter leiden. Als Vogler 1774 bei dem ehemaligen kursachsischen
Kontra-Altisten Domenico Annibali konzertierte, lieh ihm Hasse den
besten Fliigel seiner Zeit. In Venedig unterrichtete Hasse auch einen
Musiker namens L. Kornacher*).
1) Kochel, Seite 32 ff.
2) Nohl, Mozartbriefe, Salzburg 1865, Seite 26.
3) A. Gr. MeiCner, Bruchstucke zur Biographie J. G. Naumann's. Zwey Teile.
Vien 1814.
4) Kretzschmar, a. a. 0.
5) Rudhart, Geschichte der Oper am Hofe zu Munchen, Freising 1865.
6, Arneth, Briefe Maria Theresia's, 3 Bande.
7; E. v. Schafhautl, Abt G. Joseph Vogler, Augsburg 1888.
8 Vogler, Betrachtungen der Mannheimer Tonschule I, Seite 193, Mannheim 1778.
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Carl Mennicke. Johann Adolph Hasse. 243
Streitigkeiten hatte Hasse nur mit seinem ehemaligen Lehrer Porpora
imd mit Gal up pi. Im Verkehr mit clem letzteren scheint Hasse, der
so beliebte » Padre della Musim*1), kunstlerisches Anstandsgefiihl nicht
immer bewiesen zu baben. Hasse nahm 1780 G-aluppi (Buranello) die
Komposition eines Te Deum mit der Begriindung, Galuppi sei zu alt; Ga-
luppi war jedoch sieben Jahr jiinger als Hasse (Florimo).
Von 1773 an lebte Hasse in Venedig; von der Gicht war er heftig ge-
plagt. Kurz vor seinem Tode scheint er durch den Bankerott eines
Bankhauses, dem er sein Vermogen anvertraut hatte, groBe Verluste er-
litten zu haben2). Er starb am 16. Dezember 1783. Florimo berichtet:
» . . . in etd di 85 (es muB heifien 84), dopo giorni di male obbligato a
letto con podagra, fine di vivere oggi alle ore 20 a motivo d? infla/m/niaxiwie di
petto: U di lui cadavere dovrd esser sepolto in domani a le ore 22, e do per
attestato del medico Oirolamo Salzer.*
Uber den Todestag seiner Gattin sind wir nicht unterrichtet *).
Er genoB in Italien wie in Deutschland den Ruf des bedeutendsten
Komponisten. Seine Werke besaBen eine ungeheure Verbreitung. Seine
Opern wurden aufgefiihrt in Dresden, Berlin, London, Leipzig, Miinchen,
Bayreuth, Wien und in vielen Stadten Italiens. Urteile seiner Zeit-
genossen gedenken wir in einer zukiinftigen Studie zu veroffentlichen.
Eine novellistische Darstellung des Lebens seiner Gattin schrieb Elise
Polko4); il caro Sassone wird in einer siiBlichen Novelle von William
Fritz-Berth verherrlicht5). Amadeus Hoffmann hinterliefi ein Frag-
ment eines Singspiels ^Faustina* 6.)
Von Person war Hasse lang »und fast ein wenig dick von Korper«.
Die Zeit scheint gegen ihn nicht so schonend gewesen zu seyn7), als gegen
Faustina, ob er gleich zehn Jahr jiinger war als sie8). Er verglich
sich bescheidentlich mit den fruchtbarsten Tieren, deren Junge entweder
1, Mancini, Riflessiont pratiehe . . . Milano 1776.
2) Musikalischer Almanach fur Deutschland auf das Jahr 1784, Leipzig. Vergleiche
auch die Briefe an Ortes {Venedig, Museo civico, Correr'sche Sammlung).
3) B. M. Oettinger's Moniteur des Dates (Dresden 1866 I, 110) behauptet, daB
Faustina am 11. Januar 1786 in Dresden gestorben sei.
4) Faustina Hasse, 1860, 2 Bande. Eine in Venedig 1890 erschienene Broschure
I xi nuova Sirena e il caro Sassone von Urbani di Gheltof ist leider vergriflfen.
6) Allgemeine Wiener Musik-Zeitung , Wien 1842, 2. Jahrgang, Nr. 1—11. Ver-
gleiche auch A. E. BrachvogeTs Roman »Friedemann Bach«.
6) »Die Musik< III, 1.
7) Ln Jahre 1755 verlor Hasse seine schone Tenorstimme.
8j Burney. Tagebuch H, Seite 203 ff. Burney widerspricht sich hier. In seiner
History (Band IV, Seite 309) erzahlt er, Faustina sei 1783 in ihrer Vaterstadt
90 Jahre alt gestorben. Nach der Darstellung im » Tagebuch < miiBte Faustina 1689
geboren sein.
16*
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244 Carl Menu i eke, Johann Adolph Hasse.
gleich in der Kindheit wieder umkommen oder dem Zufall uberlassen
wurden; und er fiigte hinzu, daB er, gleich anderen schlechten Vatern,
mehr Vergniigen in der Zeugung als in der Erzielmng seiner Abkomm-
linge fande. Er schatzte Emanuel Bach, lobte auBerordentlich den
alten Scarlatti und Reiser. Von Handel sprach er bestandig mit
Ehrerbietung. Seb. Bach schatzte er sehr hoch und besuchte ihn stets.
fSpitta). In Leipzig scheint er sehr beliebt gewesen zu sein1). »Er war
der Meinung, daB Durante den Platz als Kontrapunktiker nicht ver-
diente, den ihm Mr. Rousseau in seinem Lexikon eingeraumt hatte, sondern
sagte, es ware der alte Scarlatti, den er h plus grand harmoniste dCItaUe,
e'est-chdirr du monde hatte nennen sollen und nicht Durante, welcher
nicht allein trocken, sondern auch baroque gewesen. t (Burney;.
Er meinte, zur Komposition einer guten Oper brauche man sechs
Monate2). Sein erstes Werk entstand 1721, das letzte 1771. Somit
hatte er 100 Opern schreiben konnen. Da Hasse dasselbe Libretto gern
mehrmals komponierte, hat er diese Zahl noch uberschritten. Er schuf
neben vielen anderen Vokal- und Instrumentalwerken noch zwolf Orafcorien.
Er hinterlieB zwei Tochter und einen Sohn. Man weiB nicht, ob auch
sie sich der Kunst ihrer Eltern beruflich widmeten8).
Am 29. Dezember 1883 fiihrte das Konigliche Hoftheater in Dresden
zwei Intermezzi Hasse's Rimario e Grttantea und >Die Wahl des Herakles*
(= Alcide ai Bivio) auf. Trotz der trefflichen Wiedergabe, mannigfacher
Kiirzungen und Anderungen hat wohl einzelnes gefallen, doch als Ganzes
haben sich beide Werke nicht als lebensfahig erwiesen*).
1) G. Wustmann, Zur Mosikgeschichte Leipzigs im 18. Jahrhundert. Chroni-
kalische Nachrichten (Musikalisches Centralblatt von Robert Seitz, 4. Jahrgang, 1884,
Nr. 1— 5;: Den 21. November 1754 hat das hiesige groCe Concert in den drei Schwanen
die Ehre gehabt, den Koniglich Polnischen und Churftirstlich Sachsischen Oapell-
meister nebst dessen Gemahlin Hassin und beiden Kindern in demselben zu sehen,
woriiber sie s'amtlich ein groB Vergniigen bezeiget haben.
2) Manfredini, Begole Armoniche, Seite 134.
3) Das Koniglich Sachsische Geheimarchiv Dresden besitzt einen Brief des Prinzen
Anton von Sachsen an eine Mademoiselle Faiistvne Hasse a Podhragg en Hongrie chex
Madame la Gomtesse Appony. Aus dem Inhalt des Schreibens ist nicht zu erkennen,
ob diese Faustine H. eine Tochter Hasse's war.
4) Monatshefte fur Musikgeschichte, 1884, Nr. 4 (Mitteilungen .
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0. Fischer, Zum musikalischen Standpunkte des Nordischen Dichterkreises. 245
Zum musikalischen Standpunkte des Nordischen Dichter-
kreises
von
0. Fischer.
(Prag.)
Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war Kopenhagen einer
der Mittelpunkte deutschen Geisteslebens. Die dort angesiedelten deutschen
Schriftsteller bildeten eine Gemeinde, die durch engere Bande verknupft
war als durch die bloBe Zufalligkeit eines gemeinsamen Wohnortes.
Denn so ungleich die Stellungen waren, die Klopstock, Gerstenberg,
Cramer, Sturz, Johann Heinrich Schlegel, Fleischer, Funk
und andere inne hatten, so sehr die einzelnen in Fahigkeiten und An-
schauungen auseinandergingen, bewirkte doch ein Bindeglied, daB sie sich
fest aneinanderschlossen und als Teile eines Ganzen ansahen: Sie alle
durchzieht ein Zug tiefen sittlichen Ernstes, ihnen alien ist die christliche
Religion Herzensbedlirfnis, der Ewigkeitsglaube ein Quell reinster Be-
geisterung. Diese schwarmerische Hingebung lieB sie nach Mitteln und
Wegen lauternder Erbauung suchen, und diese ward ihnen am ehesten
zuteil, wenn sie die Seele unter den Klangen einer Kantate oder eines
Chorals dahinschmelzen lieBen. So waren sie alle, wenn auch mehr oder
weniger Dilettanten, fiir musikalischen GenuB empfanglich und dankbar.
Man ergotzte sich auch an leichten, heiteren Kompositionen, worauf ich
aber nicht allzugroBes Gewicht legen mochte; denn ohne jenen sittlich
religiosen Hintergrund hatten die Dichter nicht eine so unmittelbar herz-
liche Fiihlung mit der Musik bewahren konnen und hatten nicht eine so
geradezu angstliche Liebe zu ihr gehegt.
So wie Klopstock als Dichter der weitaus hervorragendste war, so
stand in dem Interesse fiir musikalische Fragen ein Mann im Vorder-
grunde, dessen bedeutende kritische Leistungen gerade in letzter Zeit
gebiihrende Wiirdigung erfahren: Heinrich Wilhelm von Gerstenberg.
Bei ihm kamen die Freunde zusammen, um sich an seinem Klavierspiele
und der Stimme seiner Frau Sophie zu erfreuen und um anregende Ge-
sprache zu fuhren. H. P. Sturz hat die gemiitlichen Zusammenkunfte
recht anschaulich geschildert. — »Die Gerstenberg*, lautet einer der
vielen Lobspriiche, »soll die Lieder nach dem Anakreon vortrefflich
singen. 0! geben Sie dafiir dem siiBen Madchen einen recht zartliclien
KuB!« (Gleim an Klopstock am 16. Juni 1770).
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246 0. Fischer, Zum muaikalischen Standpunkte des Nordischen Diehterkreises.
Gerstenberg's theoretische Ansichten iiber Musik sind in Aufsatzen
niedergelegt, deren letzter wenn auch nicht offen ausgesprochener Gedanke
sich zusammenfassen laBt als Versuch, zwischen den beiden Arten des
musikalischen Ausdrucks, der Vokal- und Instrumentalmusik zu vermitteln.
Ich bin im stande, diese Anscbauungen gerade nach dieser Bichtung
bin naher zu beleuchten, und zwar durch ein bisher unveroffentlichtes
Schriftstiick, welches auch die eigentliche, eingangs hervorgehobene Trieb-
f eder des Musik-Enthusiasmus deutlich verrat. — In der Koniglichen Hof-
bibliothek zu Miinchen befindet sich das Konzept zu einem Briefe
Gerstenberg's an Carl Philipp Emanuel Bach, den Sohn Johann Sebastian's,
den groBen Klavierspieler, den Berliner und nachmals Hamburger Kapell-
meister; mit freundlicher Erlaubnis des Herrn Geheimrates von Laubmann
gebe ich im Nachstehenden den Wortlaut des Konzeptes wieder, das,
stellenweise fast unlesbar geschrieben, zwei Quartblatter fullt.
»Als Herr Schorring1) vorm Jahre [von seiner musikalischen Reise2)]
zuriickkam, war ich von all em dem, was er mir zu horen und sehen mit-
brachte, so sehr durch drungen, daB ich gleich einen langen Brief an meinen
grofien Bach schreiben wollte. Allein Herr Schorring veranlaBte mich da-
mit anzustehen, bis ich von der Auffiihrung [Ihrer vortrefflichenl der Pas-
sions-Musik:J) zugleich Nachricht geben konnte4). Von dieser Auffiihrung
1) Niels Schiorring, Koniglicher Kammermusiker zu Kopenhagen, Em. Bach's
Schiiler, wirkte nach Gerber's Lexicon der Tonkiinstler (Leipzig 1792, II, S. 430;
urns Jahr 1784. Die richtigen Daten in Dansk Biografisk Ijexikon (15,162): 1743 — 1798.
2) Das Eingeklammerte gestrichen.
3) Gremeint ist entweder die Ostermusik von 1756 oder eher eine der zahlreichen
PassionsmuBiken, welche Bach von 1768 ab Jahr fur Jahr zu setzen pflegte.
4) Folgende Stelle ist hier gestrichen: »Da ich hierauf dieser Auffiihrung bey-
gewohnt hatte, so war ich in einiger Verlegenheit, was ich eigentlich davon schreiben
sollte; und nun muB ich mich schamen, weder das eine noch das andere gethan zu
haben. Ich will damit nicht sagen, daB die hiesige musikalische Gesellschaffc nicht
das ihrige geleistet; vielmehr muB ich ihr das ZeugniB geben, daB sie meine Er-
wartung weit tibertroffen, daB sie das Kopenhagner Publicum sehr geriihrt habe und
daB das Zudrangen desselben bey siebenmaliger Wiederholung immer starker geworden :
aber, [die Musik war von Bach] aber wenn man sich in Berlin 30 mal hat vor-
bereiten miissen, um dem auBerst feinen Ausdruck des Werks einigermaBen Gniige
zu thun; was durfte ich wohl mit gutem Gewissen von dem wahren Werte unserer
hiesigen Ausfuhrung sagen, da Herr Schorring Miihe gehabt hat, nur 6 oder 6
ordentliche Proben zu Stande zu bringen, und [unser] Kopenhagen wahrlich noch
lange kein Berlin ist. Verzeihen Sie mir, mein theuerster Herr Kapellmeister, mein
Stillschweigen: ich konnte mich nicht entschlieBen, dem guten Schorring, der es ge-
wiB seinerseits an nichts fehlen lassen, durch eine gar zu umstandliche Erzahlung wehe
zu thun: und auf der andern Seite war es eben so gut, gar nichts davon zu erwahnen^
als das Wesentliche zu iibergehen. Ich h'atte also auf [meine erste Absicht zuriick-
kommen miissen; Ihnen fiir Ihre edle Bemiihungen meinen Dank fiir Herrn Schorring
usw. zuriickkommen miissen: und dainit war es wenigstens um ein halbes Jahr zu
spat. So bin ich in dieses h'aBliche Stillschweigen verwickelt worden*.
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0. Fischer, Zum musikalischeu Standpunkte des Nordischen Dichterkreises. 247
hatte ich Ihnen nachher viel Schones zu sagen gehabt, wenn ich nicht ge-
hbrt hatte, dafi d. H. Cfapellj M(eister) Scheibe1) mir damit zuvorgekommen
ware. Ich mufite voraussetzen, dafl sein "Wort bey Ihnen mehr gelten wiirde,
als meines. So viel muB ich jedoch noch dariiber hinzufugen : wenn er wider
den Fleifi, den sich mein Freund Schorring bey dieser Auffuhrung gegeben,
uud tiber die Wirkung, die sie siebenmal hinter einander mit immer grbflerm
Erfolg hervorgebracht, etwas zu erinnern gehabt: so thut er Kopenhagen
Unrecht. Ich weis wohl, dafi von der Execution eines Werkes von Bach
viel gefordert werden kann: aber was in Kopenhagen davon zu fordern war,
das ist geleistet worden, und ich glaube, daC Sie in so fern selbst mit unsern
Sangern und Spielern zufrieden gewesen seyn wlirden.
Erlauben Sie mir nun noch etwas von der Veranlassung dieses Briefes
zu sagen.
Ich befand mich vor einigen Abenden in einer Gesellschaft, wo unter
andern auch gewisse Concerte von dem alten . . . . 2) gespielt und beur-
theilt wurden, die er auf biblische Spriiche gesetzt, und wozu er, wie er auf
dem Titel-Blatt erzahlt, den ersten Entwurf in einer schmerzhaften Krank-
heit gemacht hatte. Man lachte sehr liber den alten . . . ., uber seine
biblischen Compositionen, und iiber die Entwiirfe seines kranken Gehirnes.
Ich glaubte jedoch, da£ noch wohl etwas zu seiner Vertheidigung zu sagen
ware. Dafl er das, was er sich auszufiihren vorgesetzt, ohne sonderliches
Genie ausgefiihrt habe, gestand ich. Dagegen aber schien mir ein jeder
Versuch, dem Clavier Ausdruck und Bedeutung zu geben, auch wenn er
mislange, aller Ehren werth zu seyn. Und was die biblischen Spriiche be-
trifft, so wollte es mir nicht einleuchten, daB ein Clavier-Solo (denn als
solches sind diese Concerte abgefaBt) dadurch etwas verliehren konnte, daB
es sich mit Empfindungen eines zu Gott aufgehobnen Herzens beschaftigte :
vielmehr bediinkte mich, daB Empfindungen dieser Art gerade die waren,
welche die Musik sich vor alien andern zueignete.
Nun kann ich mich zwar nicht ruhmen, daB ich so glucklich gewesen,
irgend Jemanden in der Gesellschaft von meiner Meynung zu iiberfuhren:
aber ich weis auch, daB dergleichen Argumente nur dann etwas gelten, wenn
man sie durch Beyspiele des Genies unterstiitzen kann. Jemehr ich in-
zwischen dariiber nachdenke, desto groBer kommen mir die Vortheile vor,
welche der Ausdruck des Claviers durch eine Sammlung von Sonaten, bey
denen zum Ex. einige der riihrendsten Psalme zum Grunde gelegt waren,
gewinnen wiirde. Welch ein schones Adagio mesto wiirde nicht die Stelle
im sechsten Ps. geben : Ich schwemme mein Bett die ganze Nacht, und netze
mit meinen Thranen mein Lager. Meine Gestalt ist verfallen fiir Trauern
1) JohannAdolph Scheibe, 1708 — 1776, seit 1744 Kapellmeister in Kopenhagen,
muBte 1749 aus seiner Stellung zuriicktreten und widmete sich bedeutenden theore-
tischen Arbeiten. (Siehe Sammelbande II, 665.j
2) Der Name war nicht zu entziffern. Dem Sinne nach ware am ehesten Kuhnau
einzusetzen, dessen >Musicalische Vorstellung einiger biblischer Historien, in 6 Sonaten
auff dem Claviere zu spielen, Leipzig 1700« in der Neuausgabe Pasler's allgemein
zuganglich ist. (Denkmaler deutscher Tonkunat Band IVJ Neben den allgemeinen
Anschauungen weist auch das von Gerstenberg gewahlte Beispiel vom betenden David
und von David mit der Harfe, auf Kuhnau (bei P'asler Seite 128 . [Freundliche Mit-
teilung Herrn Dr. Johannes Wolfs.]
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248 0. Fischer, Zum musikalischen Standpunkte des Nordischen Dichterkreises.
und ist alt worden: denn ich allenthalben geangstigt werde. — Welch ein
ausdrnck voiles Andante patetico wiirde nicht darauf folgen: Weicht von mir,
all TTbelthater, denn der Herr hort mein Weinen u. s. w. Und wie gut
wiirde sich die Sonate nicht mit diesem Allegro schliefien: Es miissen alle
meine Feinde zu Schanden werden, und sehr erschrecken, sich zuriickkebren,
und zu Schanden werden plotzlich. — Der neunte Ps. Ich danke dem Herrn
von ganzem Herzen, und erzahle all deine Wunder. Ich freue mich und
bin frohlich in dir, und lobe deinen Namen, du Allerhochster. — Der
zehnte: Herr, warum trittst du so feme? verbirgst dich zur Zeit der Noth?
— Der eilfte: Ich traue auf den Herrn. Wie sagt ihr denn zu meiner
Seele, sie soil fliegen, wie ein Vogel auf eure Berge? etc. soUte das nicht
ein wiirdiger Inhalt fur ein Allegro, ein Largo, ein Allegretto etc. seyn ? Mein
ganzes Gefuhl miifite mich betrtigen, wenn das dem Charakter einer Sonate
nachtheilig seyn konnte, was mit so riihrenden und erhabenen Ztigen ans
Herz dringt.
!) Mein ganzes Gefuhl miifite mich betriigen, wenn Sonaten von der Art
nicht eine Farbe anzunehmen fahig war en, die sehr von dem Gewohnlichen
1) Vor diesem Absatz ist folgende Stelle gestrichen: >Es bliebe also nur noch zu
fragen iibrig: Ob das Clavier wohl im Stande sey, solche marquirte Empfindung aus-
zudriicken? Ob man den Inhalt wiirde errathen konnen, wenn der Text nicht dariiber
stande? [und ob die Liebhaber zu unserer Zeit etwas wiirden spielen wollen, was eine
ernsthafte Fassung des Geistes voraussetzt?}
Eben dieser Fragen wegen habe ich rair itzt die Freyheit genommen, an Sie,
mein geliebter Herr Capellmeister, zu schreiben: Sie allein konnen darauf antworten.
So viel ich, als ein Laye, der bios Facta sammelt und darnach auf Faeienda
schlieBt, von der Sache begreife, muB es nicht unmoglich seyn, diese marquirten
Empfindungen in Clavier- Compositionen auszudrucken, weil das was ich in den Com-
positionen eines gewissen treflf lichen Mamies, den ich nicht nennen will, ausgedriickt
finde, wirklich schon eben so sehr marquirte Empfindungen in mir hervorbringt. Und
dann, warum sollte es wohl unerlaubt seyn, durch ein beygefiigtes Motto die Emp-
findung, die der Spieler nachahmen soil, von alien ahnlichen Empfindungen zu unter-
scheiden? Liebe, Freude, Kummer usw. sind der allgemeine Stoff fiir die Musik. Der
Mann von Genie aber ist mit diesen weitschweifigen Begriffen nicht zufrieden; er be-
stiramt; Liebe, fur was? Freude, Kummer, woriiber? Bey diesen Bestimmungen geratli
er auf untergeordnete Affecte, die in ihren Bewegungen sehr zusammenfliefien: pe-
trarchische Liebe, Liebe zur Ruhe, und christliche Liebe, sind dreyerley verschiedene
Richtungen der Liebe, die aber alle drey aus einerley Tone und Charakter des Herzens
entspringen, und daher fiir den, der die Richtung nicht weis, schwer zu unterscheiden
sind. Gut, der Musikus setzt das Motto driiber. Was sagt das Motto? Sagt es: dieser
Mann mit der Harfe ist David? Nichts weniger; es sagt: das, was dieser David singt,
lautet auf deutsch so, und wird empfunden, wie folgt. Ich denke, der Maler selbst
wiirde es nicht anders machen konnen, wenn er es notig fande, den Inhalt seines
Gemaldes eben so deutlich anzugeben, als der Musikus. [Und wo ist der Geek, der
dariiber lachen diirfte? Eine etwas umstandliche Vorrede, die von diesen Absichten
Rechenschaft gabe, wiirde alien Misdeutungen vorbeugen.] Warum sollte man also
dem Musikus nicht dafur danken, daC er unser Vergniigen vermehrt, indem er unsre
Ideen fixirt? Das Publicum ist auch wirklich so einfaltig nicht, als man oft glaubt.
Man braucht nur gute Griinde anzufuhren; und gleich ist alien Einwiirfen auf immer
vorgebaut*.
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0. Fischer, Zum musikalischen Standpunkte des Nordisehen Dichterkreises. 249
abstache. Ich stelle mir ein Pastorale iiber Stellen des Hohen Liedes vor
— ein Maestoso iiber den Jesaias — ein Oratorio iiber die Leidens-Geschichte
aus bibl. Stellen bios furs Clavier zusammengesetzt, wie Handl seinen Me-
Bias fur Sing-Stimmen zusammensetzte. Welche Musik im bloBen Ideal
schon! Und welch eine Precision des Ausdrucks, der sonst so schwer zu
erreichen ist! Freylich ist es eben diese Precision, diese vollig bestimmte
Bedeutung eines musik. Satzes, an deren Moglichkeit immer am meisten ge-
zweifelt wird. Aber warum unmoglich? So viel ich, als ein Laye, der bios
Facta sammelt, und darnach auf Facienda schlieBt, von diesen Schwierigkeiten
begreife, muB es ganz und gar moglich seyn, die marquirten Empfindungen,
die der Text enthalt, eben so marquirt in die Composition iiberzutragen :
und zwar darum, weil die Empfindungen, die ein gewisser trefflicher Mann
durch seine Clavier-Sonaten so oft in mir hervorbringt, wirklich schon solche
marquirte Empfindungen sogar ohne die Hiilfe des Texts, sind. Was end-
lich den schalen Spott betrifft, den Dieser oder Jener iiber das Dariibersetzen
der Mottos hervorbringen mochte, das verdient kaum Aufmerksamkeit.
Wer lieber fixirte, als schwankende Ideen haben will, der dankt dem Mu-
sikus fur jedes Hiilfsmittel, dessen Anwendung eine Erweiterung der Lust
selbst wird. Fiir mich mochte sogar der Mahler unter einen betenden David
einen Spruch setzen, wenn er sich wirklich zutraute, den Inhalt dieses
Spruchs durch sein Gemalde gut auszudriicken. Es wiirde mir immer lieber
seyn, dem Gemalde anzusehen, was David betet, als daB er betet. Wohl
der Musik, wenn sie vor ihrer Schwester Malerey einen so hohen Vorzug
voraus hat.
0 mochte die Yorempfindung, die ich von dieser hohen himmlisehen
Clavier-Musik habe, auch schon realisirt seyn! Mochte Eman. Bach, der
einzige in Europa, der es konnte, sie realisiren wollen! Mochte er es doch
wollen !
Und nun will ich Ihnen gestehen, daB ich mit Ihrem Herrn Bruder in
Biickeburg *) schon vorigen Winter, jedoch auf eine ganz andere Veranlassung,
iiber die namliche Materie, iiber den Ausdruck des Claviers, correspondirt
habe. Aber davon kein Wort mehr, bis ich Ihre Antwort habe.
Die Herren Scheibe und Schorring empfehlen sich Ihrer Freundschaft
und Gewogenheit. Herr Schorring geht damit um, Sie in Kupfer stechen
zu lassen. Ich habe ihm die Inschrift dazu auf danisch gemacht; sie lautet
(mit ErlaubniB): Ein Raffael durch Tone, neu, mannigfaltig, iiber sein Zeit-
alter. Herr Schorring, dessen Beyfall diese Inschrift hat, spielt mir zur
Dankbarkeit dafiir oft etwas aus dem Schatze von den Sonatinen vor, die
er mitgebracht hat. Ich hoflfe, daB Preisler2) es stechen wird, wenn er
Zeit hat.
Die Frauenzimmer-Sonaten 3), die im vorigen MeB-Catalogus angekiindigt
wurden, sind die ein zweyter Theil, oder eine neue Auflage?<
1) Johann Christoph Friedrich Bach, 1732—1796, seit 1760 in Diensten
des Grafen Wilhelm von Schaumburg Lippe, komponierte unter anderem Gersten-
b erg's Amerikanerin.
2) Wahrscheinlich Johann Martin Preisler, 1715—1794, 1744 zum Hof kupferBtecher
in Kopenhagen ernannt. Franz Friedrich Leitschuh (Die Familie Preisler etc.) ftthrt
kein Bildnis Bach's an.
3) Bitter verzeichnet in seiner Monographic iiber C. Ph. E. Bach nnd dessen
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250 0. Fischer, Zum niusikalischen Standpunkte des Nordischen Dichterkreises.
Eine genaue Deutung dieser leidenschaftlich aber knapp vorgetragenen
Gedanken kann sich erst dann auf sicherer Grundlage erheben, wenn die
Yoraussetzungen und Beziehungen des undatierten Briefes klar werden.
Als auBerste Grenzpunkte der Zeit seiner Abfassimg stehen die Jahre
1763 und 1776 fest (Gerstenberg's Ubersiedlung nach Kopenhagen
und Scheibe's Tod.) Doch wurde der Brief nicht nach 1774 geschrieben,
sonst hatte wohl Bach's Komposition von Cramer'schen Psalmen Erwah-
nung gefunden. Die anderen Angaben sind ziemlich vag; es ist nicht
ersichtlich, wohin das Schreiben adressiert ist. (Bach kam im Jahre 1767
von Berlin nach Hamburg.) Einige Stellen verweisen bestimmter in die
zweite Halfte der sechziger Jahre, jedenfalls in die Zeit der allergroBten
Schwungkraft von Gerstenberg's Geiste. Am glaubwiirdigsten scheint
mir das Jahr 1767.
Diese Fragen sind nichts weniger als uberfliissig. Friedrich Chry-
sander hat im siebenten Bande der Vierteljahrsschrift fur Musikwissen-
schaft auf Seite 1 — 25 den interessanten, angeblich aus dem Jahre 1783
stammenden Versuch Gerstenberg's mitgeteilt und besprochen, unter eine
schon fertige Phantasie Emanuel Bach's nachtraglich zwei Texte zu setzen.
die beide mit dem Stiicke gleiche Empfindungen ausdriicken sollten. Tiber
den Zweck des Gerstenbergischen Versuches belehren die Worte Cramer's
— nach Chrysander's Meinung des einzigen Gew&hrsmannes : >Es war ge-
stritten worden, ob auch bloBe Instrumentalmusik, bei der ein Kiinstler
nur dunkle leidenschaftliche Begriffe in seiner Seele liegen gehabt, einer
Analyse in hellere bestimmtere fahig seyn sollte?« Es ist kein Zweifel,
daB in jener Form, wie er von Cramer und nach ihm von Chrysander
mitgeteilt worden, der Versuch ganzlich miBgluckte und daB Gerstenberg
sich selber ad absurdum fiihrte. Denn wenn die bei den Texte zu dem-
selben Stiicke passen, dann lassen sich eben die durch die Musik aus-
gedruckten Gefiihle nicht genau analysieren. Nur ist hier ein wichtiger
Umstand auBer Acht gelassen worden. Cramer ist nicht, wie Chrysander
vermutete, der einzige Gewahrsmann, und der Versuch ist von ihm nicht
in der urspriinglichen Gestalt vorgelegt worden. Vielmehr hatte Gersten-
berg selber sein eigenartiges Experiment ein em Brief e an Nicolai beige-
schlossen *), doch waren damals nicht zwei Texte, sondern bloB der Monolog
aus Hamlet der Phantasie Ph. E. Bach's unterlegt gewesen: und zwar
geschah dies am 27. April 1768.
Nun ergab sich uns kurz zuvor, daB auch der hier mitgeteilte Brief
Briider (Berlin 1868;: 1765, 2. 3. und 5. der Sonaten fur Damen; 1766 desgleicben
Nr. 1. 2. und 4. In Gerber's Tonkiinstler-Lexicon finde ich I, 79: Set Sonate cU usn
delle Dorme, 1770 zu Amsterdam gestochen und zu Riga gedruckt herausgegeben.
1) Siehe » Gerstenberg's Briefe an Nicolai nebst einer Antwort Nicolai's*, mitge-
teilt von li. M. Werner in »Zeitschrift fur deutsche Philologie* 23, 62.
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0. Fischer, Zum musikalischen Standpunkte des Nordischen Bichterkreises. 251
der zweiten Halfte der sechziger Jahre entstamme, so daB also beide
Enunziationen Gerstenberg's ungefahr als gleichzeitig anzusehen sind.
Und es besteht zwischen ihnen eine innere Verwandtschaft, die ohne den
zeitlichen Zusammenhang nicht leicht begreiflich ware: Der Brief an
Ph. E. Bach enthalt die Voraussetzungen zu dem Versuche der Text-
unterlegung, greift jedoch in manchen Punkten iiber denselben hinaus. Denn
wollte Gerstenberg durch den eigenartigen Versuch zeigen, wie man ein
Kunstwerk auf seine Quell en zuriickfuhren, wie man die verworrenen
Empfindungen schlichten kann, so verlangt er durch das Schreiben an
Bach vom Kunstler selbst, gleich von vornherein bestimmte Gefiihle an
einen bestimmten Gegenstand zu knupfen. In beiden Fallen mag ihm
der Charakter der Bach'schen Musik zu Statten gekommen sein, die,
wie es scheint, ihre erste und tiefste Anregung aus Leistungen vokaler
Musik geschopft hatte. Auch der Brief wendet namlich Regeln fiir
Gesang auf Instrumentalmusik an: als ob das Klavier sprechen konnte,
als ob die »Darmsaiten singen lernen sollten<, wie es im Aufsatz iiber
das Italienische Singgedicht heifit1).
Hier liegt der entscheidende Punkt. Zu Gerstenberg's Zeit war man
noch im allgemeinen ganz einseitig fiir den Gesang eingenommen. Klop-
stock z. B. fand den musikalischen Ausdruck hochst unvollkommen,
wenn die Begleitung von Worten f ehlte, und begriff nicht, welche Schon-
heiten reine Instrumentalmusik in sich berge und vor allem wie reiche
Empfindungen sie zu wecken imstande sei2). Ganz anders Gerstenberg.
Er erkannte richtig, daB der Instrumentalmusik eine groBe Zukunft be-
vorstehe, verteidigte den Ausdruck der Instrumente gegen Vorwiirfe der
"Cndeutlichkeit und war bestrebt, den durch solche Musik vGrschafften
GenuB zu veredeln. Wie auf manch anderem Gebiete nahm er auch hier
die Erkenntnisse der folgenden Generationen vorweg. Man hat anlaBlich
seiner Ansichten auf Richard Wagner's Ideen hingewiesen, man hat seine
Ausspriiche iiber Musik als »frappantzeitgema8« bezeichnet: der mitgeteilte
Brief vermag wohl diese Benennung wieder zu bekraftigen, denn wenn
manz. B. vom »Dariibersetzen der Mottos« liest, fiihlt man sich da nicht
an ein Schlagwort unserer Tage gemahnt, an das Schlagwort Programm-
musik? Und sind nicht seine phantasiereichen Vorstellungen von der
musikalischen Inspiration, vom Verhaltnis der Tone zur Empfindung und
zur Poesie wesensverwandt mit Lehren und mit Traumen des neunzehnten
Jahrhunderts?
1) In Gerstenberg's Briefen iiber Merkwiirdigkeiten der Literatur (Seite 339), neu
herausgegeben von Alexander vonWeilen,als Band 29—30 der Deutschen Literatur-
denkmale.
2) Siehe Oswald Koller, Klopstock als musikalischer Asthetiker, Seite 18. (Im
Programm der Landes-Ober-Realschule in Kremeier, 1889.)
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252 0. Fischer, Zum musikalischen Standpunkte des Nordischen Dichterkreises.
Es ware wahrlich zu wiinschen, daB eine Darstellung der interessanten
Musikanschauungen so interessanter Menschen als die Kopenhagener
Dichter waren, nicht mehr bloB vorbereitet, sondern auch zur Tat werde 1 \
1) Auszugehen h'atte eine derartige Arbeit wohl von Muncker's Klopstock-Bio-
graphie. Unter den letzten hierhergehorigen Publikationen fuhre ich meine Neuausgabe
von Gerstenberg's Rezensionen an (Deutsche Literaturdenkmale 128, Berlin B. Behr s
Verlag 1904), worin folgende Nummern zu beriicksichtigen waren: 6 (uber Weiss e's
Kinderlieder), 13 (iiber Ramler'B Lieder der Deutschen mit Melodien von Krause,
28 (Uber Schiebeler's Romanzen mit Melodien), 32 (Pygmalion, eine Kantate von Rani -
ler), 49 (iiber Ernesti's Archaeologia Literaria), 65 (iiber Weisse's Kinderlieder
mit neuen Melodien), 56 (iiber Munter's Geistliche Kantaten), 58 (Brown's Be-
trachtungen iiber Poesie und Musik), 76 (uber Cramer's Nachahmungen der Psalmen .
77 (iiber Schiebeler's Musikalische Gedichte), 79 (iiber Noverre's Briefe iiber die
Tanzkunst), 85 (iiber Klopstock's Geistliche Lieder).
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Ernst Rycknovskj^, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 253
Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
Ihre Beziehungen nach ungedruckten Briefen
von
Ernst Rychnovsky.
(Prag.)
Die hier zum ersten Male gedruckten Briefe stammen aus der Auto-
graphen-Sammlung des Herrn Fritz Donebauer in Prag, der mir in
der liebenswiirdigsten und zuvorkommendsten Weise deren Veroffent-
lichung gestattet hat. Dafttr danke ich ihm im eigenen Namen aufs
warmste, aber ich darf ihm sicher auch im Namen aller derjenigen dan-
ken, die vielleicht einmal aus dem interessanten Inhalt dieser Briefe
Einzelheiten fiir Arbeiten iiber Spohr oder iiber Rochlitz oder iiber das
Oratorium finden, Details, denen bisher in der in Frage kommenden
Literatur keine Beachtung geschenkt werden konnte. Von Spohr kann
ich leider nur 5 Briefe an Rochlitz mitteilen, dagegen 32 Briefe
Rochlitz' an Spohr. Von den fiinf Spohr'schen sind drei eigenhandig
geschrieben und unterschrieben (L a. s.), zwei von fremder Hand geschrie-
ben, von Spohr unterschrieben (Z. s.). Die Rochlitz'schen Briefe sind alle
oigenhandig geschrieben und unterschrieben bis auf einen, den Brief vom
1. Mai 1835. Diesen schrieb nach Rochlitz' Diktat offenbar Franziska
Kubler, >vormals die Gesellschafterin seiner seligen Frau und nun seine
Pflegerin, ein hochst achtbares junges Frauenzimmer«. Bis auf das
teilweise beschadigte Schreiben Rochlitz' vom 9. April 1827 sind samt-
liche Briefe tadellos erhalten. Aus alien diesen Briefen (uberdies nicht
nur aus den Rochlitz'schen, sondern auch aus den andern 260 an Spohr
gerichteten Briefen der Donebauer'schen Sammlung) weht uns eine schier
unbegrenzte Liebe und Verehrung, Anerkennung und Hochachtung fiir
den Kiinstler und Menschen Spohr entgegen, spricht eine so groBe Sym-
pathie fiir den Komponisten von »Faust«, »Jessonda«, »Zemire und Azor«,
daB wir, die jiingere Generation, die w nur gewohnt sind, in etwas
despektierlicher Weise von Spohr's siiBlicher, weicher Chromatik zu reden,
kaum mehr die richtige Vorstellung davon haben.
Von den beiden Brief schreibern ist Ludwig Spohr, herzoglich braun-
schweigscher Hofkapellmeister in Cassel, so bekannt, daB es wohl nicht
notwendig ist, iiber seine Person einige biographische Daten mitzuteilen,
zumal ja uberdies die in der Reclam'schen Universalbibliothek aus der
Feder Ludwig No hl's erschienene Biographie hinlanglich und fiir unsere
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254 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
Zwecke ausreichend informiert. Nicht so einfach steht, schon wegen des
Fehlens einer leicht zuganglichen Lebensbeschreibung, die Sache mit
Rochlitz, so daB ich wohl fiir das bessere Verstandnis des Polgenden die
notwendigsten Angaben iiber dessen Leben machen darf 1).
Friedrich Rochlitz wurde im Februar 1769 (nach Schilling 1770)
in Leipzig als der zweite Sohn biederer, frommer, aber armer Biirgers-
leute geboren. Friihzeitig zeigte sich bei dem Knaben Begabung fiir
Musik, schon rnit 9 Jahren suchte er sich auf dem Klavier die zu Hause
gehorten und mit der Mutter oft und oft gesungenen Kirchenmelodien
zusammen. Dreizehn Jahre alt kam er als Alumnus an die beriihmte
Thomas-Schule und beteiligte sich hier, da er eine schone Sopranstimme
besaB, fleiBig an der Auffuhrung von Kirchenmusiken. Unter Doles,
dem damaligen Thomas-Kantor, lernte er das Klavier- und Orgelspiel so-
wie die Lehre vom GeneralbaB. Ohne sich dem Musikerberuf widmen
zu wollen, komponierte er heimlich Lieder, Chorarien, Klaviersonaten
unter einem Hehlnamen, Schilling nennt Leopold Kozeluch, Marx
Kotzebue. Die Kirchenkantate, »die Vollendung des Erlosers« fiihrte
Doles gelegentlich auf. Auf der Universitat — die Eltern hatten den
Sohn fur die Theologie bestimmt — befaBte er sich beinah gar nicht mit
praktischer Musik. Wahrend der Anwesenheit Mozart's in Leipzig
verlebte Rochlitz eine Reihe der schonsten Tage. Wie mit Zaubergewalt
fiihlte er sich zu dem Licht- und Liebesgenius hingezogen und auch
Mozart hatte den tiichtigen und allgemein gebildeten jungen Sanger gern
in seiner Nahe. Einen unmittelbaren EinfluB aber, die Theologie an
den Nagel zu hangen und sich ausschlieBlich der Musik zu widmen, hatte
diese Bekanntschaft nicht. Rochlitz befaBte sich fleiBig mit der Kant'schen
Philo8ophie, und eine Frucht dieser Studi'en war die Herder gewidmete,
gegen Kant's Ansichten iiber die Musik polemisierende Schrift »Blicke
in das Gebiet der Kiinstec. 1798 erschien im >Deutschen Merkur« seine
Abhandlung >Gedanken iiber die zweckmaBige Benutzung der Materie
der Musikc. Hartel2), der Teilhaber der Firma Breitkopf und Hartel,
las diese Aufsatze und nahm sich vor, eine den Zwecken der Musik aus-
1) Zur Biographie Rochlitz' vergleiche Schilling, Encyklop'adie der gesamten
musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexikon der Tonkunst VI. Band, Seite 20
(Stuttgart 1838,' ; A. B. Marx in den Jahrbuchern des deutschen National- Vereins fiir
Musik und ihre Wissenschaft 2. Jahrgang, Seite 370 (18401; Mendel-ReiCmann,
Musikalisches Konversations-Lexikon Band VIII, Seite 373; Rochlitz >Selbstbio-
graphie. Zur Geschichte meines Lebene in Hinsicht auf die Musik «. Allgemeine
Musikalische Zeitung, 45. Jahrgang, 1843, Nr. 7 — 12. Die von Dorffel besorgte Neu-
Ausgabe von Rochlitz' >Fiir Freunde der Tonkunst* mit angehangter Biographie
Rochlitz' habe ich leider nicht auftreiben konnen.
2) Siehe weiter unten.
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Ernst Kychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 255
schlieBlich dienende Zeitschrift ins Leben zu rufen, ahnlich wie es einige
Jahre vorher J. P. Reichardt in Berlin getan hatte. Hiller lehnte
die Redaktion der zu begriindenden Zeitschrift ab und empfahl Rochlitz.
Von " da an nun steht dieser flir lange Jahre mitten im offentlichen Leben
als Redakteur der »Allgemeinen musikalischen Zeitung*. Es war dies
gerade die Zeit, da Haydn und Mozart der Tonkunst die hohere Weihe
gespendet hatten und Beethoven seine Symphonien in die weite Welt
sandte; und wenn diese letzteren im Norden verhaltnismaBig bald ge-
wiirdigt wurden, so ist dies ein unbestreitbares Verdienst Rochlitz', der
sowohl als Redakteur mit seinem einfluBreichen Wort als in seiner Eigen-
schaft eines Mitgliedes des Direktoriums der Gewandhauskonzerte mit
der Tat fur dieselben feuereifrig eintrat. 1818 legte er die Redaktion
nieder, blieb aber bis 1835 Mitarbeiter an der Zeitschrift. In den Jahren
1824—1832 erschien sein vierbandiges Werk »Fiir Preunde der Tonkunst*,
1838—1840 bei Schott in Mainz die »Sammlung vorziiglicher Gesangs-
stiicke* in drei Abteilungen, die in chronologischer Ordnung Werke von
Dufay bis Haydn enthalt. 1842 starb der wiirdige Greis.
Der Spatherbst des Jahres 1804 fiihrte beide Manner das erste Mai
zusammen. Spohr war nach Leipzig gekommen, um dort ein Konzert zu
veranstalten. Schon bei der Probe fanden sich, vielleicht ebenso aus
Sensationssucht und Neugier wie aus Liebe zur Kunst, eine Menge
Musikfreunde ein. Spohr hatte namlich einige Tage zuvor in einer Ge-
sellschaft wegen der Unaufmerksamkeit der Gaste sein Spiel abgebrochen,
und dieses bis dahin unerhorte Vorgehen machte begreiflicherweise viel
von sich reden.
>Hier (in der Probe) wuflte ich sie«, erzahlt Spohr in seiner Selbst-
biographie1), »durch den Vortrag meines D-rnoll Concertos so fur mich
zu gewinnen, daB sich durch sie noch vor Anbruch des Concertabends ein
gunstiger Ruf iiber meine Leistungen in der Stadt verbreitete und dadurch
eine groBere Zuhorerzahl herbeigelockt wurde, als ich hatte hoffen dtirfen.
Es war die Elite der Leipziger Musikfreunde und ein sehr empfangliches
Publikum. Es gelang mir nun auch, mein Auditorium so zu enthusiasmieren,
daB ich nach Beendigung deB Concerts stiirmisch aufgefordert wurde, ein
zweites zu geben. Dieses fand acht Tage spater statt und war eins der be-
suchtesten, die je ein fremder Kilnstler in Leipzig gegeben hat. In der
Zwischenzeit wurde ich haufig zu Quartettpartien eingeladen, bei welchen ich
dann meine Lieblinge, die sechs ersten Beethovenschen Quartetten, nachdem ich
1) »Louis Spohr's Selbstbiographie*, 2 B'ande, Kassel und Gottingen Georg H.
Wigand 1860. Vergleiche Band I, Seite 80 ff. Diese in Tagebuchform gehaltene Lebens-
beschreibung stammt aus den letzten Lebensjahren Spohr's, sie diirfte in den Jahren
1847__1858 niedergeschrieben sein. Bis zum Jahre 1822 erzahlt Spohr selbst. Nach
seinem Tode wurde die Biographie aus seinen nachgelassenen Papieren erganzt.
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256 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
sie vorher mit den Begleitern eingeiibt hatte, vorzugsweise zu Gehor brachte.
Ich war der erste, der sie in Leipzig spielte, und es gelang mir, sie durch
meine Vortragsweise zu voller Anerkennung zu bringen. Bei diesen Quar-
tettpartien lernte ich auch zuerst den Redakteur der musikalischen Zeitung.
Hofrat Rochlitz, kennen und blieb seitdem mit ihm in der freundschaft-
lichsten Yerbindung bis zu seinem Tode. Rochlitz berichtete in seiner Zeitung
uber meine Conzerte.«
Spohr entschuldigt sich nun gewissermaBen, daB er den Bericht uber
diese Konzerte im Tagebuch wortlich wiedergibt, glaubt es aber tun zu
diirfen, da durch ihn sein Ruf in Deutschland zuerst begriindet wurde
und er bestimmend auf sein Lebensgeschick einwirkte. Aber in der Be-
scheidenheit, die ihn Zeit seines Lebens auszeichnete, laBt er alle Stellen
weg, die dem Menschen Spohr manches Angenehme sagten, und zitiert *) :
»Herr Spohr gab am 10. December 1804 zu Leipzig ein Conzert und
auf Aufforderung Vieler am 17. ein zweites; in beiden aber gewahrte er uns
einen so begeisterten Genufl, als auGer Bode2} kein Yiolinist uns gewahrt
hatte, so weit wir zuruckdenken konnen. Herr Spohr gehort ohne alien
Zweifel unter die vorzUglichsten jetzt lebenden Yiolinspieler, und man wiirde
uber das, was er, besonders noch in so jungen Jahren, leistet, erstaunen,
wenn man vor Entziicken zum kalten Erstaunen kommen konnte. Er gab
uns ein grofies Conzert von seiner Composition (D-moll), und dies auf Be-
gehren zweimal, und ein anderes eben so yon ihm selbst geschrieben (E-moll).
Seine Concerte gehoren zu den schonsten, die nur vorhanden sind, und be-
sonders wissen wir dem aus D~7noll durchaus kein Violinconcert vorzuziehen,
sowohl in Hinsicht auf Erfindung, Seele und Reiz, als auch in Hinsicht auf
Strenge und Grundlichkeit. Seine Individuality neigt ihn am meisten zum
GroBen und in sanfter "Wehmuth Schwarmenden. So ist nun auch sein herr-
liches Spiel. Herr Spohr kann Alles; aber durch jenes reiBt er am meisten
hin. Was vorerst Richtigkeit des Spiels in weitester Bedeutung heiBt, ist
hier, gleichsam als sicheres Fundament, nur yorausgesetzt; vollkommene Rein-
heit, Sicherheit, Pracision, die ausgezeichnetste Fertigkeit, alle Arten des
Bogenstrichs , alle Yerschiedenheiten des Geigentons, die ungezwungenfite
Leichtigkeit in der Handhabung von diesem Allen, selbst bei den groBten
Schwierigkeiten — das macht ihn zu einem der geschicktesten Yirtuosen.
Aber die Seele, die er seinem Spiele einhaucht, der Flug der Phantasie, das
Feuer, die Zartheit, die Innigkeit des Gefiihles, der feine Geschmack, und
nun seine Einsicht in den Geist der verschiedensten Compositionen und seine
Kunst, jede in diesem ihrem Geiste darzustellen, das macht ihn zum wahren
1, Die vollstandige Rezension siehe Allgemeine musikalische Zeitung, VII. Jahr-
gung, Seite 202.
2} Rode, Jacques Pierre, 1774 — 1830, Schiiler von Fauvel und Viotti, Primgeiger
der Pariser GroBen Oper, bekleidete nebstbei die Professur furs Violinspiel am Pariser
Konservatorium. Rode unternahm groBe Konzertreisen, die ihn auch durch Deutsch-
land und Osterreich fuhrten. Als Komponist erfreut er sich noch heute bei Violin-
spielern einer betr'achtliclien Beliebtheit. Vergleiche A. Pougin, Xoiire stir Rode 1874.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Bochlitz. 257
Kiinstler. Diesen letzteren Vorzug haben wir noch an keinem Violinisten
in dem MaBe zu bewundern Gelegenheit gehabt, als an Herrn Spohr, und
zwar vornehmlich bei seinem Quartettenspiel. Kein Wunder daher, wenn er
ilberall wohlgefallt und fast gar keinen Wunsch zurucklafit, als daB man ihn
behalten und immer horen mochte.«
Trotz dieser begeisterten Kritik, trotz der vorhergegangenen person-
lichen Bekanntschaft kam es noch auf Jahre hinaus nicht zu einem
innigeren Verkehr. Ab und zu mag ja wohl ein Briefchen hinuber- und
heriibergeflogen sein, wie wir aus dem ersten Brief Rochlitz' zu schlieBen
berechtigt sind, aber nachhaltend hat diese vermutliche Korrespondenz
in keinem Falle gewirkt. Erst Spohr' s Reise nach Italien und die dort
gesammelten Eindrucke, namentlich eine Auffiihrung des * Miserere* in
der Sixtinischen Kapelle in Rom am 3. April, waren die nachste Ver-
anlassung dazu, daB sich beide Manner naher traten. Nach der Rttck-
kehr aus Italien sandte Spohr von Aachen aus — man schrieb das Jahr
1817 — einen Artikel iiber die erlebte AuffUhrung1). Auch im Tage-
buch2) verbreitet er sich mit der Weitschweifigkeit des gern plaudernden
alten Herrn iiber dieses Ereignis. Recht anschaulich schildert er die
Schwierigkeiten, die es machte, bevor man Eintrittskarten erhalten
konnte, und ist nicht wenig stolz darauf, daB sein biBchen »Schwizer-
diitsch« bei dieser Gelegenheit mehr Wert hatte als alles Englisch und
Franzosisch.
»Vor dem Anfang des Gesanges wurden neunzehn Psalmen abwechselnd
von hohen und tiefen Stimmen auf dieselbe Art im unisono abgebetet, die
uns Bchon um Weihnachten so viel Langeweile gemacht hatte, und acht oder
neun davon hatten wir noch zu uberstehen! Nach einem jeden, der etwa
funf lange Minuten dauert, wird eins von den Lichtern ausgeloscht, die auf
einem kolossalen, pyramidenformigen Armleuchter vor dem Hochaltare brennen.
Wie sehr wiinscht man, daB auch das letzte erloschen moge! Endlich kommt
der ersehnte Augenblick und es tritt nach und nach eine Stille ein, welche
die Erwartung auf das, was nun folgt, nicht wenig steigert. Dieser Spannung,
der feierlichen Dammerung in der nur noch vom letzten Schein der Abend-
rothe matt erleuchteten Kirche und der Ruhe, die das Ohr nach dem rohen
Abbrullen der Psalmen nun endlich empfindet, war es wohl zuzuschreiben,
daB der erste langgetragene Accord von C-moU solch einen wohlthuenden
Eindruck auf mich machte, daB es mir Musik aus einer anderen Welt zu
sein schien. Doch nur zu bald wurde man erinnert, daB man eine irdische,
und zwar eine von Italienern gesungene, hore; denn gleich im zweiten Takte
wurde das Ohr von fiirchterlichen Quintenfolgen zerrissen! Der Satz heiBt
ohne Zweifel so:
1) Vergleiche Allgemeine musikalische Zeitung 19. Jahrgang, Seite 674 £f. »Uber
die diesjahrige Auffiihrung des Miserere in der sixtinischen Kapelle zu Rom.«
2) Selbstbiographie, Band II, Seite 37 ff.
S. d. I. M. V. 17
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258
Ernst Hychnovaky, Ludwig Spobr und Friedrich Bochlitz.
I
m^t
Mi - se - re
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P^FT-TF^
^
wurde von den Sangern aber auf folgende barbarische Art verziert vorge-
tragen:
i
m
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m
m
Mi - se - re - - re
IS
ifrf~r'~ji^F=i=f!z
Ich wiirde es keinem Andern, ja meinen eigenen Ohren nicht geglaubt
haben, dafi man so in der Sixtini'schen Kapelle singen konne, wenn ich
dieselbe Stelle spater nicht noch einmal wiederholt gehort hatte. 1st das
vielleicht die geheimnisvolle Art, diese alten Compositionen vorzutragen, von
der man erzahlt, daC sie nur immer diesem Sangerchor bekannt gewesen sei
und sich durch Tradition fortgeerbt habe? Doch nein! so barbarisch konnen
nur neuere Italiener singen, die wohl Sinn fur Melodie haben, in allem
aber, was Harmonie heiBt, im hochsten Grade unwissend sind.«
Spohr's kritischer Sinn, besonders seine Objektivitat lieBen ihn indes
auch die guten Seiten des Ohorgesangs in der Sixtinischen Kapelle wahr-
nehmen. So wie er schonungslos die eingerissenen gesanglichen Unarten
aufdeckt, so findet er auch Worte hoher Anerkennung fur die ausgezeich-
nete Wirkung dieser a cappeUa Musik und er kann es wohl begreifen,
>daB dieselbe in friiheren Zeiten, als der Sanger-Chor noch besser war,
auf Fremde, die noch nie eine reine Vokal-Musik und Kastraten-Stimmen
gehort hatten, einen ungeheuern Eindruck machen muBte.c
Auf die Einsendung des Miserere-Aufsatzes erhielt Spohr folgenden
Brief:
Leipzig, d. 22sten August 1817.
Wohlgeborner, Hochgeehrter Herr Kapellmeister!
Sie haben mich durch Ihr Briefchen (Achen, d. 10 ten Aug.) und dessen
Einlage (iiber d. Miserere in Bom) auf mehr als eine Weise erfreut, und ich
1) Im Tagebuch stehen in beiden Beispielen statt der halben Noten im dritten
und letzten Yiertel des zweiten Taktes Viertelnoten und Pause.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 259
danke Ihnen von Herzen dafiir. Jener interessante Aufsatz wird in diesen
Tagen gedruckt, nnd gewifi jedem Leser, wie mir, willkommen seyn; und
dies, wie Ihre fruheren Berichte umsomehr, da Sie Ihren geehrten Namen
unterzeichnen, und sonach keinem irgend ein Zweifel oder Bedenken ein-
kommen kann. Auch fur jene fruhern, wahrlich hochst anziehenden Berichte
sage ich Ihnen Dank. Sie sind uberall mit groBer Teilnahme, nicht nur an
den Gegenstanden, sondern auch an Ihrer Person, gelesen worden. Eben
darum bitte ich gar sehr, die mir nun gemachte Hoffnung zu erfullen ; die
namlich, von vorziiglichen, wahrhaft merkwlirdigen musikal. Angelegenheiten
von Zeit zu Zeit Ihren Freunden durch die musikal. Zeitung etwas zu-
kommen zu lassen. Ich darf mir diese Bitte umso eher erlauben, da hier-
mit nicht nur der eine Theil, der Leser, sondern auch der andere, der Ver-
fasser Gewinn hat; und zwar ein en Gewinn der Art, wie Manner edlern
Sinnes ihn nicht nur suchen diirfen, sondern suchen miissen, um dann desto
mehr und desto erfreulicher wirken zu konnen. — Mit Vergntigen mache
ich Sie, dem es vor diesem die lieben Landsleute nicht eben uberall leicht
gemacht, darauf aufmerksam, daB und wie in der musikal. Zeitung, seit Sie
Wien zu verlassen im Sinn hatten, von dort, Zurich, Mayland, Rom etc.,
dann wieder von Zurich, Carlsruhe etc., ferner auch bey Anzeigen und Be-
urtheilungen Ihrer Werke, gesprochen worden. Ich kann nicht zweifeln,
eben das muB einen Kiinstler, wie ich Sie steta verehrt, und einen Mann,
wie ich Sie seit einiger Zeit erst naher kennen zu lernen Gelegenheit ge-
funden, werth und erfreulich sein. TJnd eben dies bringt mich auch ganz
natiirlich auf einen andern Punkt, um welcheswillen mir Ihr Briefchen so
willkommen gewesen. Es hat mir namlich seit mehreren Jahren geschienen,
als ob Sie mir mit einer Art MiBtrauen, oder wenigstens nicht mit dem
Zutrauen, im Verhaltnis zu Ihnen, Ihren "Werken und Verdiensten, betrach-
teten, das ich doch zu verdienen glaubte. Das hat mir leid gethan; und
wiewol ich dieser Empfindung, wie ich redlich versichern kann, menials so-
viel Raum gegeben habe, daB sie mich gegen Sie und Ihre herrlichen Lei-
stungen erkaltete — wie viel weniger laBig oder gar ungerecht machte: so
hatte ich doch aufgegeben, Ihnen naher zu treten, wozu sich iibrigens auch
die Gelegenheit nicht recht bieten wollte. Jetzt schenken Sie mir Zutraun,
und daB ich Ihnen jenes so offen darlege, beweise Ihnen meine Neigung
und meinen Vorsatz, Ihnen ein Gleiches darzubringen. Die Folge soil noch
besser darthun, was ich hier versichere; und ich fordere Sie selbst auf, mir
dazu Gelegenheiten zu geben: denn personlich, und es ist Ihnen dann urn's
Herz wie mir; so wollen wir uns gegenseitig recht ausreden und vollkommen
verstandigen ; und gewiB, daraus wird sich zwischen uns ein Verhaltnis bilden,
wie es uns beyden zukommt, und eigentlich immer unter uns hatte statfc-
finden sollen. Glauben Sie ja nicht, daB in diesen AuBerungen der Heraus-
geber der musikal. Zeitung, journalistenmaBig, mit hineinspricht : ich habe
von alle dem, was Sie fur dies Institut thun konnen und mogen, schlechter-
dings nichts, als was jeder Leser davon hat, der aber so viel warmen Antheil
an der Tonkunst und an Ihnen nimmt, wie ich — wie ich denn iiberhaupt
von dieser Zeitung keinen Gewinn habe, keinen suche und nur mein Geschick
preise, das mich so gestellt hat, fur das, was meine Lieblingsneigung von
jeher gewesen, ohne jene Rucksichten thatig und wirksam seyn zu konnen.
— Was Sie mir fur die musikal. Zeitung senden, belieben Sie nicht unter
m einer Adresse, sondern: >An die Redaction der Leipziger musikal. Z., ab-
17*
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260. Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr and Friedrich Rochlitz.
zageben bey Hrm Breitkopf und H'artel in Leipzig* zu senden, and nicht
postfrey zu machen. Ich erhalte es eben so sicher, and es bleibt nicht, wie
wol andere Brief e, langer liegen, wenn, wie das zuweilen geschieht, Ge-
sch&fte etc. mich von der Stadt entfernt balten. — Mit wahrer Hochachtung
und Ergebenheit mich Ihnen empfehlend,
Rochlitz.
In Beantwortung dieses Briefes wandte sich Spohr mit zwei Anfragen
an Rochlitz, semen Vertrauensmann. Die eine betrifft die Besprechung
der Prager Auffiihrung seines » Faust* 1). Damals war Carl Maria
von Weber2) noch in Prag, der (freilich spielten da auch private
Verhaltnisse mit hinein, Liebesgeschichten, die ihm vielleicht den
sonst so' offenen Blick triibten), mit den Prager Verhaltnissen nicht so
recht zufrieden, durch eine Briefstelle Rochlitz ein Recht gab, von dem
»jetzt so verdumpften Sinn der Prager* zu reden. Unmutig schrieb er
einmal an den Redakteur der »AUgemeinen musikalischen Zeitnng*
unterm 16. Mai 18143):
>Der Geist des Publikums, den Sie so treffend wahr, einen matten, nn-
ruhig in' s Blaue hinaus wiinschenden nennen, ist so niederschlagend
fiir den schopfenden Kiinstler, daB er ganz dem entsagt, auf selbes zn wirken,
und sich wieder von ihm begeistern zu lassen. Nichts erregt eigentlichen
Enthusiasmus, alles kommt und geht mit Todeskalte. Der Haufe fuhlt nicht
als Haufe, weil er ttberhaupt keinen Gemein-Geist besitzt, keine Geselligkeit
existirt, und jeder Stand, und in diesem wieder jede Familie isolirt fiir sich
dasteht und vegetirt.«
Trotzdem unterlieB es Weber nicht, dasselbe Publikum durch Referate
liber die neuen aufgefiihrten Opern zu belehren, wie er es auch mit dem
»Faust« tat. Freilich stand das Referat nicht in der Leipziger >Allge-
meinen*4), und nur insofern hatte die Inkrimination Rochlitz' einen tat-
1) >Faustc. Romantische Oper in zwei Aufziigen von J. C. Bernard, 1813 in
Wien komponiert; die Oper wurde in der Zeit von Ende Mai bis Mitte September
beendet und am 1. September 1816 znm erstenmal in Prag gegeben.
2) Weber war von 1813 — 1816 in Prag Operndirektor und Reorganisator der durch
die Unfahigkeit Wenzel Miiller's. zugrundegegangenen Oper. Vergleiche Max Maria
von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Drei Bande. Leipzig 1864.
3) Weber, Band I, Seite 437.
4) Weber fuhrt als Fundort dieses Artikels an »das Prager Lokalblatt*Sammler «.
[Band I, Seite 568.) Allein in Prag, also an der Quelle, konnte ich die Existenz
eines Blattes mit diesem Namen nicht nachweisen. Dagegen kam in Wien bei
Strauft von 1808 angefangen ein >Sammler« genanntes Konversationsblatt heraue, das
Berichte tiber Prager Theater-Auffiihrungen brachte. Da ich aber bier in Prag von
dieser Zeitschrift nur den Jahrgang 1814 auftreiben konnte und gerade aus diesem
Jahre literarische Arbeiten C. M. v. Weber's nicht vorhanden sind, so vermag ich
nicht mit Bestimmtheit anzugeben, ob Weber's Rezension im Wiener >Sammler«
erschienen ist.
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Ernst Rychnovsky, Lndwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 261
sachlichen Hintergrund. Weber vindiziert in seinem Bericht dem Prager
Theater >die Ehre, dieses schone Erzeugnis deutscher Kunstweise zuerst
auf die Buhne* gebracht zu haben. Nach der Besprechung des Textes
yon Bernard fahrt er fort:
»In musikalischer Beziehung hat Herr Bernard ein schones Feld er-
offnet, und es dunkt Ref. auch, daJJ dieses nicht leicht in bessere Hande
hatte kommen konnen, als eben dieses Komponisten.
Herr Spohr hat sich durch seine trefflichen Leistungen in Instrumental-
kompositionen aller Art einen so achtenswerten Platz in der Kunstwelt er-
worben, daB gewili jeder Kunstler mit freudiger Verehrung seinen Namen
nennt.
Als Opernkomponist kennt ihn zwar die Menge nicht in eben diesem
Grade, doch hat er sich auch in diesem Fache mehrfaltig versucht, und daher
schon die Erfahrungen voraus, die man nur als Parteiloser beobachten, durch
eigne Versuche sammeln kann. Das »Duell« mit der »Geliebten« fur das
Hamburger Theater (und andere) sind Ref. am erinnerlichsten davon. Der
Charakter des vorliegenden Stoffes liegt offenbar dem Geiste, der sich meistens
in den Arbeiten Herrn Spohr's ausspricht, sehr nahe; und diese romantische,
diistere Geisterwelt entspricht recht der innern Tonwelt dieses Componisten.
Hieraus entwickelt sich also leicht das Resultat einer schonen Farbengebung
des ganzen "Werkes, groBer theatralischer und musikalischer Effekte von vor-
ziiglicher Lieblichkeit und Ahmuth in den einzelnen Theilen, und erschiittern-
der KraftauBerungen in den Ensembles und Choren.
Die Ausfuhrung der einzelnen Gegenstande musikalischer Bearbeitung,
als: Instrumentation und Harmonieenfulle, ist mit der ausgezeichneten Sorg-
falt und Strenge gearbeitet, die man an diesem Meister gewohnt ist.
Gliicklich und richtig berechnet, gehen einige Melodien wie leise Faden
durch das Ganze, und halten es geistig zusammen. In dieser Beziehung
wird die effektvolle Ouvertiire erst nach dem Anhoren der Oper ganz ver-
standlich, von der der Componist selbst als Yorwort in dem gedruckten Buche
folgendes zu aufiern nothig fand:
»Der Tonsetzer hat in der Ouverture Fausts innere Lebenszustande der
Phantasie des Zuhorers durch Tonbilder anschaulich zu machen versucht.*
»Im Allegro vivace ist das sinnliche Leben Fausts und der Taumel der
Schwelgerei in diesem bezeichnet, denn der UberdruB daran weckt das Bessere
in ihm, und erzeugt Gewissensvorwiirfe, ^lie von der m'achtigen Sinhlichkeit
betaubt werden.«
»Im Largo grave ist sein endlicheB Ermannen, das Bestreben dem Bosen
zu entsagen, und im Fugato das allmalige Aufkeimen guter Vorsatze an-
gedeutet. Doch bald unterliegt er neuen und starkern Lockungen der Sinn-
lichkeit — tempo primo — und iiberlaBt sich, von der betriigerischen Macht
des Bosen verblendet, mehr als je den ungezugelten Llisten*.
Die grofien Schwierigkeiten, die sich ubrigens in dieser, sowie in alien
Arbeiten Herrn Spohrs, der Ausfuhrung in musikalischer Hinsicht entgegen-
stellen, mogen freilich die Auffuhrung dieses schonen Werkes mancher Biihne
erschweren; Ref. geniefit aber die Freude, das kunstliebende Publikum auf-
merksam machen zu durfen, wie der Wille und Eifer des gesammten Opern-
Personals, Chora und Orchestera keine Anstrengung fiir zu groB halt, urn
.neue und oft schon deshalb schwierige Kunstwerke demselben vorzufuhren.*
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262 Ernst Rychiiovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
So lautete Weber's Urteil, das, in der »AUgemeinen« veroffentlicht,
allerdings groBeres Aufsehen erregt und fur Spohr natiirlich auch wert-
voller gewesen ware.
Die zweite Anfrage bezog sich auf die Besetzung des Berliner Kapell-
meister-Postens mit Spontini1). Das Schreiben hatte nachstehenden
Wortlaut:
Leipzig, d. lsten Octbr. 1817.
Ew. Wohlgeb.
haben mein voriges Schreiben vollkommen so aufgenommen , wie ich er-
wartet hatte; und so bedarf es kiinftig weder von mir, noch von Ihnen, der
Zusicherungen von Theilnahme u. dgl. Vielmehr komme ich jetzt, zumal da
ich, wie leider uberhaupt, von nothigen, wie von eigentlich unnothigen, darum
aber doch unabwendbaren Beschaftigungen fast erdruckt werde — auf die
beyden Angelegenheiten, woruber Sie meinen Rath verlangen. — In Prag,
wo so Wenige schreiben konnen, und von den Wenigen kaum Einige schreiben
mogen, besitzt, wie Sie mit Recht vermuthen, die musikal. Zeitg. seit mehreren
Jahren keinen Correspondenten, und kann jetzt auch keinen erreichen. All©
vielfaltige Bemuhung ist vergebens gewesen. Zwar gibt's Herren, die zu-
weilen sich selbst und einen Gevatter ausposaunen mochten: aber das kann'
nicht angenommen werden. Als Maria v. Weber noch dort war, und ich
erfuhr, Ihr FauBt sey eben auf die Buhne gebracht, schrieb ich diesem uni
Nachricht dariiber fur jene Zeitg.: er versprach sie, gab sie aber nicht. Als
er weg und vorerst nach Berlin gieng, besuchte er mich, versprach, auf mein
Erin n em von Neueni, hat aber noch heute nichts gethan. Auch hat Ihr
Eaust zwar einen gunstigen, doch nicht eben ausgezeichneten Erfolg gehabt;
was aber durchaus nicht gegen ihn sprechen soil, denn ich kenne den jetzt
so verdumpften Sinn der Prager — doch aber ihm (dem Eaust) in der all-
gemeinen Meynung, wie sie bey der groBen Masse vor Kenntnis des Werkes
aus den offentlichen , eleganten und nicht eleganten Klatschbuden sich zu
bilden pflegt, nachtheilig geworden ist. Schriebe Weber wirklich dariiber, so
wurde das von guter Wirkung seyn; sonst aber (oder auch, bey jenem) ware
mein Rath, Sie schrieben dem Grafen Briihl2) nach Berlin, und bewirkten
dort eine moglichst gute Auffuhrung. Machte da, eben da, das Werk be-
deutendes GlUck, wie ich nicht z^eifle: so wurde es dann gewiC auf den
1) Uber Spontini in Berlin vergleiche Spitta, »Spontini in Berlin* in >ZurMusik
— Sechzehn Aufsatze« Berlin 1892 sowie Altmann »Spontini an der Berliner Oper.
Eine archivalische Studie* in Band IV, Seite 244 ff. der Sammelbande der IMG.
2) Briihl, Karl Friedrich Moritz Paul Graf von, 1772—1837 wurde nach Iffland's
Tode General-Intendant der Koniglichen Schauspiele. Seine allmachtige Stellung er-
litt einen harten StoB durch die Berufung Spontini's. Die ewigen Kompetenz-Kon-
flikte mit letzterem untergruben Briihl's Gesundheit. Im Jahre 1828 wurde ihm,
nachdem er von einer schweren Krankheit genesen war, die wiederholt erbetene Ent-
lassung bewilligt. Forster's ungiinstiges Urteil uber Briihl (in der Allgemeinen
deutschen Biographie) erfahrt jedoch eine Modifikation zu Gunsten dee Yerkannten
durch Altmann's urkundliche Nachweise in dem (Anmerkung 1 angefuhrten Aufsatz.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 263
meisten Theatern gewiinscht werden. Der Faust Klingemanns1), der, wie er
nun auch seyn mag, iiberall eingefiihrt ist und eine gewisse Art des Effects
allerdings hervorbringt, erschwert dem Ihrigen ebenfalls den Eingang. Er*
lauben Sie mir dabey eine Frage! Sie erklaren ihn fur Ihre beste Arbeit:
gebet es Ihnen auch nicht, wie mehrern andern Kunstlern, da£ sie sich in
so fern selbst verkennen, als sie von einer Seite durcb ihre innerste Natur,
von der andern durch ihren Vorsatz geleitet werden, und nun, was sie dort
leichter err in gen, dem ungerecht nachstellen, was sie hier schwerer zu Stande
bringen? Ich — nach alle dem, was ich von Ihren Werken kenne — ich
glaube, Ihre eigentliche Heimath ist, wie J. Haydns u. Beethovens, in der
Instrumentalmusik. Da vermogen Sie aber auch alles, wenn Sie nur wollen.
Einen schonen und neuen Beweis dafur habe ich erst in diesen Tagen mir
wieder verschafft, indem ich mir Ihr Concert aus Emoll (bey Peters) in
Partitur setzen lassen, damit ich etwas Ordentliches und Ausftihrliches —
wie weit dies bey Werken dieser Gattung uberhaupt in meinen Kraften ist
— daruber sagen konne. Sie werden meine Anzeige sobald zu lesen be*
kommen, als sich Platz finden will; wenigstens noch in diesem Jahr: u. ich
wiinsche, dafi Sie damit zufrieden seyn mogen. — TJber die zweyte Ihrer
Angelegenheiten kann ich kurz seyn. Der Konig von Preufien hat, wie
Sie nun aus offentl. Blattern wissen werden, in Paris Spontini'n zum Kapell-
meister angenommen. Jene offentliche Aufforderung, Webers wegen, war
wol nur eine Manipulation seiner Berliner Freunde. Auch glaube ich nicht,
daB W. von Dresden2) weggienge; wenigstens wurde ichs ihm sehr ver-
denken: denn, wie er sich in Achtung, und sonst auch, zu setzen gewuBt
hat, kann sich ein wahrer, und nicht mehr in eitlem Zujauchzen u. dgl.
lebender Kiinstler billiger Weise kaum eine bessere S telle wlinschen. Ihnen
wiirde es aber dort schwerer geworden seyn, Polledros8) wegen. — Da ich
aber nun Ihre Gedanken und Wiinsche uber diesen Punkt kenne, werde ich,
im Fall ich kunftig etwas Ahnliches erfuhre, Ihnen Nachrichten geben, und
Mittel und Wege, weifi ich sie selbst, gleichfalls. Unser alter, wackerer
Schicht4) wird stumpf, u. ein SchlagfluB scheint ihm nachzuschleichen, der
ihn einmal schn ell anpacken kann ; Schneider5) erhalt dann wahrscheinl. seine
Stelle an der Schule: mochten Sie dann Direktor unserer neuen, schonen
1) Klingemann, Ernst August Friedrich, 1777 — 1831, Direktor des Braunschweig-
schen Nationaltheaters, 1830 General-Direktor des Hoftheaters. Von seinen drama-
tischen Werken hatte lediglich > Faust* (1815) groBereB GHUck, indem er sich bis
in die Sechziger Jahre auf den Biihnen erhielt und nicht selten Goethe's Faust als
ebenburtig an die Seite gestellt wurde.
2) Weber trat 1817 seine Dresdener Stellung an, wiederum Organisator, diesmal
der neu zu errichtenden deutschen Oper. die sich durc^ seine Verdienste sehr bald
mit der unter Morlacchi's Regime stehenden ltalienischen messen konnte.
3) Polledro, Giovanni Battista, 1781—1853, Paganini*s Schuler, kam 1814 als
Konzertmeister nach Dresden.
4) Schicht, Johann Gottfried, 1753—1823, wurde 1785 nach Hiller Dirigent
der Gewandhauskonzerte, 1810 Thomaskantor.
5) Schneider, Johann Christian Friedrich, 1786—1863, wurde 1813 Organist
der Thomaskirche, 1821 ging er nach Dessau als Hofkapellmeister. Sehr geschatzt
war unter seinen Kompositionen das Oratorium »Das Weltgericht* (1819 komponiert),
von dem auch spater in den Briefen die Rede ist.
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264 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr and Friedrich Kochlitz.
Oper werden? Schneider ist auBerdem auch noch Organist an der Thomas-
kirche, was er ale Cantor nicht bleiben konnte. — Und nun noch ein Wort,
das Sie mir ja nicht miBdeuten diirfen! Muthen Sie mir nicht zu, oft und
viel zn schreiben: ich arbeite, oder sitze doch mich ohnehin in ein steifes
Alter, und muB mich zuriickhalten.
Mit Hochachtung und Freundschaft Sie begruBend
Bochlitz.
Tatsachlich wurde in der nachsten Zeit nicht »oft« und nicht »viel«
geschrieben. Es muBte ein Zeitraum von beinah acht Jahren vergehen,
ehe Rochlitz wieder zur Feder griff und Spohr die Dichtung zu einem
Oratorium anbot. Es hieB: »Die letzten Dinge« und war — vorlaufig
— nach Worten der Offenbarung Johannis verfaBt. Rochlitz machte
sofort, noch bevor er den Text auch wirklich iibersandte, die notwendigen
Andeutungen iiber seine Absichten, die ihn bei der »Zusammenstellung«
des Textes geleitet und wuBte die Sache so interessant darzustellen, daB
Spohr wirklich anbiB. In selbstloser Weise verzichtet Rochlitz iibrigens
auf jeden materiellen Vorteil, der ihm als dem Dichter etwa zuf alien
konnte. Der Brief hat folgenden Wortlaut:
Leipzig, d. 2 ten Julii 1825.
Ew. Wohlgeb.
erinnern sich hoffentlich meiner, und dann erinnern Sie Bich auch meiner
groGen Hochachtung gegen Sie, die durch Ihre neuesten Werke nur hat ver-
mehrt werden konnen. Da bedarf es zu dem, was ich sagen will, auch keiner
Einleitung. Ich habe ein Oratorium — nicht gedichtet, denn, meiner Uber-
zeugung nach, kann und soil ein Oratorium, im reinsten unci hochsten Sinne
des Wortes, iiberhaupt nicht gedichtet, sondern, wie ich hier gethan, bios
aus den erhabensten und (auch fur Musik) passendsten Stellen der heil. Schrift
zusammengestellt werden; und frage an, ob Sie geneigt sind, es in Musik
zu setzen. Die Aufgabe ist groB und sehr schwierig; letztes um so mehr,
da das Werk nothwendig im hochsten Kirchenstyl geschrieben werden miifite,
d. h. im Wesentlichen in dem, der Vorfahren, bis auf und mit Handel, doch
allerdings mit Benutzung der seitdem so sehr vermehrten und vervollkomm-
neten Kunst- und Ausdrucksmittel. Es heiGt: Die letzten Dinge; nach den
Worten der Offenbarung Johannis. Die Wahl und Anordnung der Stellen
ist, wie im Ganzen, so in jedem Einzelnen, mit ganz bestimmter Haupt-
rucksicht auf Musik und deren Effekt getroffen. G-elingt die Ausfuhrung
durch den Componisten und dann durch die Musiker: so muB dieser erhaben
und groB sein. Die letztj wird leicht zu erlangen seyn, da eigentliche Arien
und sonst schwierige Soli gar nicht vorkommen, sondern bloB begleitete Reci-
tative, kurze mehrstimmige Soli und vor allem Chore, doch keine doppelten
oder sonst sehr kiinstlichen, wie sie jetzt nun einmal nicht mehr wirken
wiirde n. Es handelt sich hier allein um Ideen, Charakter und feste Haltung
des Styls. Das Werk ist nicht lang, hat eigentlich nur Eine Abtheilung;
doch wiirde es, wie ich mir's in Musik gesetzt denke, ziemlich die Zeit eines
Concertabends (etwa l1/^ Stunde) ausfullen, auch nichts vor- oder nachher
dulden, und, muBte es seyn, eher zulassen, daB es in zwey Theilen gegeben
wiirde. Das sey vorlaufig genug von ihm. — Ich weiB, dafi mit solchen
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 265
Arbeiten jetzt schwerlich Geld verdient wird: so will ich denn flir meinen
Antheil daran gar nichts haben. Ich will nur, daC Bolch ein Werk zustande
komme. Ubernahmen Sie es, und machte es dann Gliick in der Welt: bo
wiirden Sie selbst mir auch einigen Vortheil gonnen wollen; und so bliebe
das ganz Ihnen fiberlassen. Sie sind durchaus und zuverl&ssig der Erste,
dem ich von der ganzen Sache sage: Sie werden wohl auch, selbst wenn Sie
es nicht libera ehmen, der Letzte seyn; denn, wiewohl ich Mehrere kenne,
die schnell zur Hand seyn und alle erreichbaren Kehlen und Instrumente in
Bewegung setzen wiirden, so kenne ich, aufier Ihnen, doch Keinen, der
wirklich in die Id«e eingehen konnte, oder konnte er's, dazu geneigt seyn
und ihrer Ausfiihrung alles das darbringen mdchte, was dazu nothig ist.
Und so bitte ich denn um Ihre Antwort. Ich drange nicht um diese, denn
ich weiB, dafl dies zuvor wohl erwogen seyn will; aber sie bestimmt zu er-
halten — das wiinsche ich. Ich werde alt und sonach wird meine Zeit mir
kurz: ich mochte sie zu Rathe halten und in unnothige TJnterhandlungen
u. dgl. mich nicht gem einlassen.
Mit ausgezeichneter Hochachtung mich
Ew. Wohlgeb.
empfehlend,
Rochlitz.
Die Preude, die Rochlitz iiber die Annahme seiner Dichtung empfand,
driickt der folgende Brief aus. Er iibersendet den Text und fiigt in
bescheidenem Tone einige praktische Ratschlage bei, die Spohr bei der
kiinftigen Komposition sehr wertvoll waren, wie er selbst ganz offen im
Tagebuch1) eingesteht. »Ich begann mit neuen Studien des Kontra-
punkts* tragt er ein, »und des Kirchenstils und machte mich mit groBem
Eifer an die Komposition, wobei ich den Vorschlagen des Dichters folgte,
welche er mir bei Ubersendung des Textes iiber die Auffassung desselben
gemacht hatte und die ich sehr bewahrt und fordernd fand.« "Wie sach-
kundig und von welcher Liebe fiir den Gegenstand erfiillt seine' Vor-
schlage waren, ersehen wir am besten aus dem Briefe selbst:
Leipzig, d. 18 ten Jul. 25.
Ew. Wohlgeb.
haben mich durch Ihr Schreiben von mehr als Einer Seite
sehr erfreut. Zuerst und im Allgemeinen schon dadurch, daB Sie mich in
Ihnen iiber die ganze Gattung von Musik, wovon zwischen uns die Rede
geworden, einen vollkommen Gleichgesinnten finden lassen; denn, eine einzige
Bemerkung abgerechnet, (wovon hernachl sprechen Sie mir ganz aus der Seele :
und es kann kaum etwas erwunschter seyn, als, was unser Einer durch
Nachdenken und Untersuchen gefunden hat, von einem genialen und er-
fahrenen Kiinstler auf s ein em Wege gleichfalls gefunden zu erblicken und
damit die sicherste Bestatigung seiner Uberzeugung zu empfangen. Jene
Bemerkung betrifft die "Wiederholung der Worte. Diese wichtige Sache
scheint mir auf folgende Grundsatze zuruckzufuhren : Alles, was historisch
ist, — aber dies "Wort im weitesten Sinne genommen, so, dafi es nicht bios
1) Selbstbiographie, Band II, Seite 170.
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266 Ernat Rychnovsky, Ludwig Spobr und Friedrich Rochlitz.
das Erzahlende oder aufierlich Geschehende, sondern auch die nach und nach
sich entwickelnden Geftihle anzeigt — das sollte nicht oder doch nor selten
wiederholet werden: was aber em allgemeiner Satz ist — nach alter Rede:
ein Spruch — das bedarf der oftern Wiederholung. Und dies Letztere ist
es auch, was sich zur contrapunktischen Behandlung eignet; wo dann die
Forderungen der Rede- & der Tonkunst von selbst gar schon in Eins zu-
sammenfallen : jeder feststehende Gedanke solch eines Spruches seine fest-
stehende Melodie; beyde mit einander immer wiederkehrend, zu einem Ganzen,
und immer enger verb un den, immer eindringlicher ans Herz gelegt und auch
dem Verstande scharfer vorgehalten! Wenn demnach z. B. Handel im
Messias aus den Worten: doch lieBest Du ihn im Grabe nicht etc. eine
Arie mit oftern Wiederholungen machte, so that er TJnrecht, wenn er aber:
Halleluja! Gott der Herr regiert allmachtig! oft wiederholete, so that er
Recht. —
Im Besondern aber mufite mich ihre Annahme meines Erbietens erfreuen.
Wahrlich, es wird da ein Werk zu Stande kommen, wie wir, fur unsere
Zeit und den jetzigen Stand der Musik, noch keines haben; ein Werk,
das dafur dasselbe wird, was Handel's Oratorien fur seine Zeit und den
damaligen Stand der Musik waren ; eben damit ein Werk, das, wie jene auch,
selbst in der Folgezeit von entschiedenem Werthe bleibt und stets von neuem
edlere Freude und wahre Erbauung gewahrt. Von dem Texte selbst, den
ich beylege, will ich nur erwahnen, wozu Sie mir Gelegenheit geben und
was sich zunachst daran schlieOt. Verlangern konnte ich ihn nicht, so gem
ich alien Ihren Wiinschen mich fiigte; denn das gottliche Werk des Johannes
giebt nichts weiter fur unsere Zwecke her, aufier Stellen, die, dem Sinne
nach, dasselbe enthalten, und Fremdes durfte nicht eingeschaltet werden,
weil ja Nichts diesen, den allererhabensten Schwung hat. Auch hat mich,
wie wahrscheinlich Sie auch, die Erfahrung gelehrt, daB man unsre jetzigen,
so leicht zerstreueten und von der Hohe gesteigerter Gefiihle so leicht herab-
sinkenden Zuhorer sehr schwer und hochst selten, nach der Schwatz-Pause,
wieder genugsam erheben und in der Erhebung festhalten kann. — Die Zeit
der Dauer des Ganzen zu verlangern, haben Sie selbst in der Hand. So
kann z. B. die zweyte groBe Scene, lich habe die Scenen durch * unter-
schieden/i wenn Sie es wollen, eine Viertelstunde dauern, ohne ausgedehnt
zu erscheinen; die Overtura kann lang ausgefuhrt werden; die zweyte Ein-
leitungsmusik, (womit die zweyte Hauptabtheilung beginnt,) nach Verhaltnis,
auch nicht kurz etc. TJbrigens werden Sie leicht bemerken, daB ich dem,
was doch eigentlich den Gipfel unsrer Musik ausmacht — der vollendetsten
Orchestermusik — Raum und Gelegenheit gegeben habe, so (auch fur Aus-
malung der innigsten, den Worten nicht mehr zuganglichen Gefuhle) selbst-
standig aufzutreten, wie das in Gesangswerken noch nirgends geschehen ist;
und Sie, mit Beethoven, doch ganz gewiB der grofite Meister dieser Gattung,
werden damit zuverlafiig die herrlichsten Wirkungen hervorbringen. Die
Momente, die ich dafur gewahlt, sind gut — ich darf das behaupten; sie
lassen auch zu, wahrhaft Neues zu sagen, selbst durch besondere Wahl und
Anordnung der Instrumente. — DaB ich mir erlaubt habe, bei gewissen
Hauptstiicken hinzuzusetzen, wie, durch wen, etc. ich mir sie musikalisch
ausgefuhrt denke; das werden sie nicht mifideuten, indem ich ausdnicklich
versichere, daB mit alien diesen Zusatzen gar nichts gesagt seyn soil, aufier
eben: So denke ich mirs! was nicht im Geringsten ausschliefien soil, daB
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr and Friedrich Rochlitz. 267
Sie sich das and jenes nicht anders und besser denken kftnnten. Es sind
Vorschlftge, und weiter nichts: Sie werden sie priifen, und dann, nach
Befinden, annehmen oder verbessern oder ganz verwerfen. Es ist nicht
moglich, dafi irgend Jemand mehr und williger die Rechte des Componisten
anerkenne, als ich; und da ich hier mit einem Meister in Yerbindung trete,
den ich zugleich als denkenden und edlen Mann ehre: so kann mir die
alberne Anmafiung, ihm Vorschriften bieten zu wollen, gar nicht einf alien.
Dafl ich mich ungemein darauf freue, Sie im September vielleicht hier
zu sen en, brauche ich nicht erst zu versichern. M5ge Ihnen nur mein Text
so gefallen, oder, was ich vielmehr sagen wollte, Ihr innerstes Wesen mensch-
lich und kunstlerisch so ansprechen, daB Sie dann gern sich dariiber mit
mir unterhalten.
Mit aufrichtigster Hochachtung mich
Ew. Wohlgeb.
empfehlend,
Rochlitz.
Wie gesagt, Spohr ging mit groBem Eifer ans Werk. Die Kompo-
sition schritt riistig weiter, aber der hinkende Bote kam nach. Die Dich-
tung war zu kurz, in Musik gesetzt vermochte sie kaum die normale
Dauer eines Konzertabends einzuhalten. Jetzt handelte sichs darum, Spohr's
Wiinschen, die Verlangerung des Textes betreffend, auch wirklich zu ent-
sprechen. Rochlitz tat alles Mogliche, aber die Ausbeute war doch nur
gering. Es gelang ihm nur, die erste Abteilung zu erstrecken, keinesfalls
aber konnte er, wie es Spohr gern gesehen hatte, die Dichtung in drei
Akte umgieBen. Da aber die Einschaltungen nicht dem Evangelium
Johannis entnommen waren, sondern denPropheten Jeremias und Hesekiel,
so muBte jetzt auch der Titel geandert werden. Nach Rochlitz' Vorschlag
hieB er nun: »Die letzten Dinge. Oratorium. Worte der heiligen
Schrift, zusammengestellt etc.c Lesen wir den Brief, ein schones Bei-
spiel fur warme Anteilnahme:
Leipzig, d. lsten Nov. 25.
"Wohlgeb orener,
Hochgeehrter Herr Kapellmeister;
Mit wahrer Hochachtung und lebhafter Freude habe ich die Nachricht
von Ihrer Begeisterung und Ihrem Eifer fur unsere gemeinschaftliche und
gewiB w&rdige Unternehmung gelesen. Auch ich habe es weder an gutem
Willen, noch an FleiB fehlen lassen, um Ihre, mir mitgetheilten Wunsche
zu erfiillen; und es ist ganz wortlich zu nehmen, wenn ich sage: ich habe
mich von der Stunde der Ankunft Ihres Briefes bis heute taglich von friih
bis in die Nacht damit beschaftigt, die prophetischen Biicher des alten und
neuen Testaments durchzulesen, um noch aufzufinden, womit das "Werk ver-
langert und der gewohnlichern Dauer jetziger Oratorien naher gebracht
werden konnte. Die Ausbeute fin den Sie auf beyliegendem Blatte1). Drey
1) Das >beiliegende Blatte sowie die im Folgenden bezogene Notierung des
Chorals »Weine nicht* fehlen.
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268 Ernst Ryehnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
Acte zu liefern, ist unmoglich: Die Gegenstande selbst lassen es nicht zu.
So blieb mir nichts, als den ersten zu verlangern, was ohnehin vortheilhafter
ist, als wenn bey zweyactigen Werken aller Art der zweyte Theil so lange,
als der erste dauert. Ist nun dies neu Hinzukommende doch nicht so viel,
als Sie wunschen: so liegt das einzig daran, daB nirgends iiber jene Gegen-
stande mehr zu finden ist; wenn man n'amlich nicht dasselbe, nur mit andern
Worten oder Bildern, und — eine Hauptsache — nichts ohne jenen bohen
prophetischen Schwung sagen will. Letztes muB aber um so mehr beobachtet
werden, da es eben unser "Werk besonders charakterisiren und von den
andern, neuerlich gelieferten Oratorien unterscheiden soil. Doch behaupte
ich, so lacherlich das scheint, sogar jetzt noch, und gegen Sie, den Meister,
selbst: Das Ganze wird langer dauern, als Sie angeben, und nun, mit dem
Einzuschaltenden, gewiB wenigstens anderthalb Stunden, und sonach, bey
etwas langer Pause, ziemlich die gewohnliche Zeit ausflillen.
Von diesem Einzuschaltenden verspreche ich mir iiir die Wirkung viel,
theils um sein selbst will en, theils, weil es zum Theil zu ganz besonderer,
vor dem Andern abstehender Behandlungsart Gelegenheit giebt. Da Sie
meine Ansichten und Gedanken davon verlangen, so erlaube ich mir, sie
mitzutheilen — allerdings, hier wie fruher, bios als Vorschlage, die ich Ihrer
Prtifung unterwerfe und nur dann so ausgefuhrt wiinsche, wenn Sie ganz
mit mir ubereinstimmen konnen.
Die Einschaltung Nr. 1 folgt auf den ersten Chor: nach dem dritten
>PreiB und Ehre Ihm« etc. Ich denke mir die Worte des Recit., bis >ge-
heimstes Innere«, pathetisch, aber einfach, mit nur kurzen Zwischen-Satzen
begleitet : von da an aber vom Orchester ins GroBe ausgemalt. — Das zweyte
Stiick: >Sey mir nicht schrecklich« etc. wird ein ziemlich ausgefiihrtes Duett.
Der Text eignet sich, seinem Sinne nach, am besten fur zwey Soprane:
wunschen Sie aber durchaus den Tenor mehr zu beschaftigen, so kann es
auch ihm und dem Sopran gegeben werden. Der Ausdruck ist flehendliche,
demuthige Bitte. Je mehr er das, und die Instrumentation gemafiigt ist,
desto mehr wird das Stiick, eben an dieser Stelle, an's Herz dringen. —
Den Satz: »So ihr mich« etc. denke ich mir im altromischen Kirchenstyl
geschrieben *. Alle Singstimmen in ganzen u. halben Noten unisono, (vielleicht
bios mannliche Stimmen/i und die Instrumente — die Saiten - Instr. in
gleichmafiig gehenden Staccato-Achteln, gleichfalls unisono und bios die
Schluflfalle in harmonischen Accorden — mithin fast, wie Sie den Cantus
firmus der Klarinetten etc. im ersten Tempo der Ouverture zur Jessonda
so auBerst wirksam behandelt haben; oder zu jenem Gesange und seiner
TJnterstutzung von den Blas-Instr., eine contrapunktisch verkniipfte Begleitung
der Saiten-Instr. , ohngefahr wie Mozarts Gesang der Geharnischten vor der
Feuer- und Wasserprobe in der Zauberflote. Ich ziehe, eben hier und
in diesem Zusammenhange, das feste, wenn auch weniger kunstvolle vor.
Dieser Text bekommt gar keine AViederholung der Worte.
Die Einschaltung Nr. 2 folgt unmittelbar auf die abgebrochenen Worte
des Soprans: >Und siehe, ein Lamm, das war verwundet* . . ., und zwar so,
daB nach diesen, auch in der Musik abgebrochenen Worten ein Takt, oder
zwey, General-Pause hingeschrieben wird; worauf nun dieser treffliche, uralte
Kirchenchoral folgt. Dann erst nehmen die Instrumente allein die Aus-
fuhrung dieser Gefuhle iiber sich; dann: »Weine nicht* etc. und alles, was
folgt. Da dieser Choral in alien mir bekannten Choralbuchern verkunstelt
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 269'
oder sonat modernisirt ist: so setze ich ihn Ihnen beyliegend nach dem alten
Original auf. Ich wurde ihn — die ersten 6 Takte von 4 Solostimmen
piano, die Wiederholung vom Chor piano, die zweyte Wiederholung Tom
Chor forte, und dann das Amen wieder von jenen Solostimmen piano —
Alles aber ganz ohne Instrumente singen lassen; wo hernach das leise Spiel
der Saiten-Instr. allein, eine um so grdfiere Wirkung machen wurde. Da
indessen dieser Choral im Texte immer etwas fremdartiges bleibt, so iiber-
lasse ich es Ihnen, ob sie ihn aufnehmen oder weglassen wollen.
M8ge ich nun mit alle dem, Ihren Wiinschen Genuge leisten; oder mogen
Sie wenigstens darans abnehmen, dafi ich mich dessen befleiCige. — Sollte
es nicht rathsam sein, dafi Sie das Werk, wenn es nun fertig, in Abschrift
einigen der Fursten, fur die so etwas iiberhaupt ist, aber (das wurden Sie
selbst nicht anders wollen, und es thate auch Ihnen keinen Eintrag) zugleich
in meinem Namen ubersendeten ? Ihren Kurfursten diirffcen Sie freylich nicht
iibergehen; gem, denk' ich, wurden es aber sonst aufnehmen: Der Konig
von Pre u Ben; der jetzige Konig von Bayern; konnten Sie an ihn gelangen,
der Kaiser Franz, und wohl auch der Konig von Sachsen. Vielleicht auch
noch einige Fursten. Es ist ein Yorschlag, den Sie ttberlegen mogen. —
Ich aber freue mich auf Ihr Werk je langer, je mehr.
In wahrer Hochachtung und freundschaftlicher Ergebenheit
Ihr
Rochlitz.
Da die neuen Stellen nicht aus der Offenbarung J., sondern aus den
Propheten Jeremias u. Hesekiel sind, so muC nun der Titel werden: Die-
letzt. D. Oratorium. Worte der heiligen Schrift, zusammengestellt etc.
Bereits Ende November war das "Werk soweit gediehen, daB der
erste Teil in einem Konzert zugunsten der in Seesen Abgebrannten,
allerdings nur mit Klavierbegleitung aufgefiihrt werden konnte. »Mit
Freuden bemerkte ich dabei, daB er einen tiefen Eindruck sowohl auf
die Mitwirkenden, als auf alle Zuhorer machte, und diese Wahrnehmung
war fiir mich um so mehr von "Wichtigkeit, als sie mir die Uberzeugung
gab, den rechten Stil fiir dieses "Werk gefunden zu haben. Insbesondere
hatte ich mich bemuht, recht einfach, fromm und wahr im Ausdrucke zu
sein und alle Kiinsteleien, alles Schwulstige und Schwierige sorgfaltig zu
vermeiden1).* Auf die Benachrichtigung von der Auffuhrung des ersten
Teils des Oratoriums schrieb Rochlitz nachstehenden, in Verehrung
Uber8tr6menden Brief:
Leipzig, d. 5 ten Dec. 2b.
"Wohlgeborner,
Hoehgeehrter Herr Kapellmeister!
Mit grofiem Vergniigen iiber die Sache, und mit einer Art geriihrter
Freude fiber Sie selbst, habe ich in Ihrem, vor wenigen Stunden erhaltenen
Schreiben vom lsten d. die Beweise von inniger, beharrlicher Begeiste-
rung fiir Ihr Werk, so wie die mit dem ersten Theile desselben gemachten
1) Selbstbiographie, Band II, Seite 171.
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270 Ernst Rychnoveky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
Erfahrungen, gelesen. Diese werden dereinst sich gewifi uberall bestatigen;
und jene ist das schonste Kenntzeichen dee achten Kiinstlers, wie der schonste
Schmuck des edlern Mannes. — Da Ihre Wiinsche, hinsichtlich der bewuBten
Einschaltungen, sich, ohne betrachtlichen Eintrag dem Ganzen des Textes
zu thun, erfullen lassen: so frige ich mich ihnen sehr gern. Wie der Fort-
gang nun wird, nnden sie auf dem zweyten dieser meiner Blattchen J; wo-
bey ich, um nicht zu wiederholen, was. schon im friihern Mcpt. steht, mich
genau auf seine Worte beziehe. DaB Ihre Composition fur die Sanger
leichter und im Ganzen einfacher geworden ist, als Ihre fruhern Werke, ist
nicht nur ein Yorzug fur dies neue Werk und seinen Eingang beym Publi-
cum, sondern, nach den Gestandnissen fast aller wahrhaft groflen MeiBter in
der Poesie und in alien Kunsten, ist dies gerade der rechte Gang der Dinge
und fur sie selbst der Beweis, daft sie ihrem schonsten Ziele immer naher
kommen. Auch das muti Ihre Uberzeugung hiervon noch mehr befestigen,
daB es sich, da Sie nur erst mit ganzer Seele von den Gegenstanden erfullt
waren, fast wie von selbst so machte, und nur hernach erst auch vor der
Beobachtung und Reflexion rechtfertigte. Wahrlich, durch alles dies bewahrt
sich mir immer mehr: Sie sind ein Ktinstler, wie ich mir sie stets dachte,
aber unter den Zeitgenossen nicht unbedingt nachweisen konnte. Wie muB
es mich darum freuen, mit Ihnen in ein naheres, vertraulicheres VerhaltniB
gekommen zu seyn! Moge dies sich immer erhalten! dazu werde ich stets
thun, was ich vermag. Mit diesen Gesinnungen begriiBe ich freundschaftlich
Ew. "Wohlgeb.
Rochlitz.
Wieder wurden einige Verbesserungen in der Gruppierung notwendig.
Diesmal traf Spohr den Nagel auf den Kopf und Rochlitz, dies erfassend,
stimmte sofort bei. Postwendend schrieb er:
Leipzig, d. 12 ten Dec. 25.
Um meine Antwort auf Ihr Schreiben vom 8 ten d. liebster Freund,
(lassen Sie uns doch kiinftig also einander schreiben: wir sind Beyde eiu-
ander nun so nahe geruckt, daB wir es mit Grund konnen) — um diese
Antwort, sag' ich, gleich mit umkehrender Post fortzubringen, beschranke
ich sie auf das Nothwendigste.
Die Folge der Entwickelung der Gegenstande, dem Inhalte der Textes-
worte nach, ware zwar, meines Erachtens, besser, wie ich sie neulich an-
gegeben habe, aber die jetzt von Ihnen vorgeschlagene, ist, der Gruppierung
und Wirkung der Musik nach, um so vieles vorziiglicher, als jene, dafi ich
nicht anders kann, als Ihnen beypflichten. Bleiben Sie mithin dabey, und
erhalte Ihr Genius Sie in dem Feuer, das jetzt Sie begeistert, bis zur Vollen-
dung des Werkes, zur Vermehrung Ihres Ruhms und unser Aller Freude!
Auch das muB ich sehr billigen, daB Sie den Alt, und eben mit jenen
Stellen, beschaftigt haben. Ich hatte dies gleichfalls vorgeschlagen, hatte ich
nicht die Seltenheit guter Altstimmen besorgt. Doch dariiber sind Sie besser,
als ich, unterrichtet, und wissen, was rathsam ist, zu thun, besser als ich.
Alles, was Sie mir sonst iiber Ihre Behandlung des Werks andeuten,
kann nur meine Erwartung und Freude hoher steigern; und ich blicke mit
1} Nicht mehr erhalten.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Bochlitz. 271
immer mehr Zufriedenheit auf meinen Antheil, dieses Ihr "Werk zuerst ver-
anlaBt zu haben, zuriick. Erfahre ich doch da von neuem, dafl es stets am
besten ist, einen an sich guten Gedauken sogleicb mit Yertrauen und ohne
Nebenrticksichten dem rechten Manne vorzulegen, und ruhig abzuwarten,
wie er ihn aufnebmen werde; eine schone und starkende Lebenserfabrung !
Von Herzen
Ibr
Rochlitz.
Endlich war das ganze Werk fertig und erlebte seine vollstandige
Urauffiihrung am 25. Marz, dem Charfreitag des Jahres 1826, in der
protestantischen Kirche. In einem Brief, der aller Wahrscheinlichkeit
nach an Hochlitz gerichtet ist1), heifit es daruber:
»Eine so solenne Musik-AufFuhrung, wie die meines Oratoriums, hat in
Cassel nocb nicbt stattgehabt. Sie war abends bei beleuchteter Kirche. Mein
Schwiegersohn Wolff, der lange in Rom war, machte den Vorschlag, die
Kirche wie in Bom am Charfreitag durch Kreuzbeleuchtung zu erhellen und
fuhrte auch diese Idee aus. Ein vierzehn Fufl langes, mit Silberfolie iiber-
klebtes und mit 600 Glaslampen behangtes Kreuz, schwebte in der Mitte der
Kirche und verbreitete ein so helles Licht, da£ man allenthalben die Text-
bucher lesen konnte. Das Orchester- und Sangerpersonal, beinahe 200 Per-
sonen stark, war auf der obern Emporkirche terrassenformig aufgestellt und
fur die Zuhorer groBtenteils unsichtbar. Das aus etwa 2000 Personen be-
stehende Auditorium beobachtete eine feierliche Stille. Meine beiden Tochter,
die Sanger Wild, Albert undFoppel und noch ein Dilettant, sangen die
Soli, und die Auffuhrung war fehlerlos. Die Wirkung war, wie ich mir
selbst sagen mufite, auBerordentlich. Nie hatte ich fruher bei Auffuhrung
eines meiner grofiten Werke diese Genugtuung gehabt! Immer mufite ich
nachher entweder Mangelhaftes der Ausfuhrung, oder verfehlten Effekt, oder
etwas Anderes beklagen. Diesmal war das ganz anders. Das Werk ist auch
einfach und leicht und doch nicht weniger reichhaltig, als die an der en. «
Spohr meint, der tiefe Eindruck, den das Oratorium sichtlich auf das
Publikum hervorbrachte, mochte durch die feierliche Kreuzbeleuch-
tung, die mit der Oharfreitagsstimmung sehr harmonierte, noch erhoht
worden sein.
>Nur der Churfiirst war mit der Wahl der lutherischen Kirche und ihrer
»katholischen Beleuchtung « , wie er das Kreuz nannte, nicht zufrieden und
befahl der Kapelle, ihre kiinftigen Charfreitags-Konzerte in der Hof- und
Garnisonskirche mit Beleuchtung von Kronleuchtern, welche uns aus der kur-
furstlichen Lichtkammerei geliehen werden sollten, zu geben.«
Uber diese Auffuhrung wiinschte Rochlitz ftir die Allgemeine musi-
kalische Zeitung einen direkten Bericht aus Kassel, erbot sich jedoch,
falls sich niemand finden lasse, nach Spohr's letztem Brief und nach dem
1) Beigefugt per parenthesin, augenscheinlich von den spateren Fortsetzern, auf
Seite 171/172 in Band II der Selbstbiographie.
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272 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
Aufbau des Werkes eine allgemein gehaltene Vornotiz einrucken zu
lassen, jedoch anonym, um nicht Veranlassung zu boswilligem Klatsch
zu geben. Der inhaltsreiche Brief lautet: ,
Leipzig, d. 3 ten April 26.
Sie haben mir, theurer Freund, durch Ihren Brief vom 29sten Marz eine
grofie Freude gemacht. Wie hatte es anders seyn konnen? Sie haben den
schonsten Beweis empfangen, daft Ihnen ein groUes und zugleich ein solches
Werk, das auf die Bessern von denen, die es gehort haben und horen wer-
den, auch noch ganz anders, als bios zum Vergnugen wirken wird, trefflich,
ja tiber Ihre eigene Erwartung gelungen ist: sollte mich das nicht freuen?
und dann nicht auch das, daB ich dazu Sie aufgefordert und Ihnen Gelegen-
heit gegeben habe? Nehmen Sie meinen Gluckwunsch zur Vollendung dieser
Ihrer schonen, in jeder Hinsicht riihmlichen, und gewiB sehr anstrengenden
Arbeit; und mogen Sie auch kiinftig, bey noch mancher Auffuhrung, die-
selbe Wirkung, als bei weitem den schonsten Lohn des wahren Kuns tiers,
an sich und andern erfahren ! Wer weLB, ob nicht auch wir Leipziger, wenn
auch spat, einmal die Freude haben werden, es yon Ihnen aufgefuhrt zu
horen? Bis dahin richte ich mein Augenmerk auf Nordhausen.
Die Veranstaltung in der Kirche war vortrefFlich. Die Dauer ist fur
ein Werk, das so sehr ernst und wo jedes Stuck hochgestellt ist, gerade die
rechte. Eine langere wiirde ihm, wenigstens bey der gemischten Menge,
schaden; und verlangert man die Pausen, und nicht in's Ungebiihrliche, so
kommen zwey Stunden heraus. — Eine Kleinigkeit! Im Texte, Seite 5 unten,
u. S. 6 oben bey der Wiederholung, stent: »und Ehre, und PreiB und Ehre«.
So selten es mir begegnet, muti ich mich doch verschrieben haben. Es soil
heiflen: »und Hoheit, und PreiB und Ehre*. Beydemale. Wenn es zu viele
Miihe macht, dies in den Stimmen abzuandern, so andern Sie es, bitte ich,
wenigstens in Ihrem gedruckten Texte, flir den Fall, dafi er spater von neuem
abgedruckt wiirde.
Sollte denn wirklich unter den, an Ihnen und diesem Werk Theilnehmen-
den Kiemand in Cassel seyn, der einen verstandigen und gutgeschriebenen
Bericht fiir die hiesige, und vielleicht auch fur die Berliner musikal.
Zeitung lieferte? Wie wiirde ich mir dies zur Pilicht machen, wenn ich auch
weder Dichter noch Componisten kennete, ja wenn sie meine Gregner waren !
Ich traue daher es auch Andern zu. Sollte indessen es nach einigen Wochen
(was die hiesige Z. betrifft: mit der Berl. habe ich gar keine Verbindung.
dennoch nicht geschehen seyn : so will ich, nach Ihrem letzten Briefe und
nach der Structur des Werks im Allgemeinen, so weit ich sie bestimmt mir
denken kann, wenigstens einen kurzen, gleichsam vorlaufigen Bericht davon
aufsetzen, aber freylich, um MiBdeutungen IJbelwollender vorzubeugen, ohne
TJnterzeichnung meines Namens; und hoffentlich wird Hr. Hartel1) kein Be-
ll Hartel, Gottfried Christoph, 1763—1827, studierte seit 1780 an der Leipriger
Universitat Jura, Kunst- und Altertumswissenschaften und wollte sich schlieBlich der
Diplomatic widraen, als ihm (xottlob Breitkopf sich und » seiner Vater Werk ver-
trauensvoll ubergab*. Das Geschaft zeichnete von nun an » Breitkopf und Hartel*.
Hartel'8 autorisierte und sorgfaltig veranstaltete «GEuvres completes* Mozart's, Haydn's,
Clementi's, Dussek's kann man vielleicht als die Vorl'aufer der modernen kritischen
Gesamtausgaben und der Volksausgaben ansehen. Im Jahre 1798 begriindete Hartel
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 273
denken haben, ihn aufzunehmen. Besser ware es aber all er dings, es kame
mir Jemand aus Cassel zuvor.
Nach Wien hatte ich gleicb, als ich Ibnen meldete, ich wolle es thun,
geschrieben, und habe aucb schon Antwort, doch allerdings nur vorlanfige.
Sie lantet nicht giinstig. Der Kaiser wendet alle Dedicationen und Zu-
sendungen moglichst ab — im Grunde aus Okonomie, weil man glaubt, sie
auch wahrhaft kaiserlich belohnen zu mussen, wozu es in den Kassen fehlt;
und weil man die Inlander durch Aufnahme fremder Werke nicht anreizen
und, wiirden die ihrigen abgelehnt, nicht kranken will. Der Erzherzog und
Cardinal Rudolph1) aber ist durch Rtlckkehr seines alten tlbels seit letzten
Herbst ganz zuriickgezogen, untheilnehmend und unzuganglich. Sollte sich
indessen, wider Vermuthen, etwas thun lassen, so werde ich es sogleich er-
fahren und Ibnen melden. Rechnen Sie aber und hoffen Sie lieber auch nicht
darauf; ich thue es auch nicht. Was den Konig von Preuflen betrafe, so
miifite ich alles Ihnen alle in uberlassen; weil ich in Berlin gar keine Ver-
bindungen habe. Ihrem Kurfursten konnen Sie fur so etwas wohl auch
nicht beykommen? Ich mochte nur gern Sie, auch in solcher Hinsicht, zu-
frieden wissen; zufrieden und belohnt! Ich — das wissen Sie ein flir allemal
— mache gar keine Ansprliche jener Art. Kame etwas: wohl gut! kommt
nichts — auch gut. Es ist ein schones Kunstwerk zu Stande gekommen;
es wird Viele erfreuen; in manchen auch gute Gedanken und Gefiihle er-
wecken: meine Wiinsche sind damit erfullt. Fast schame ich mich so oft
davon zu schreiben.
Seit Anfang Marz hat der HR. KfLstner2) ihre Zemire und Azor3) wieder
die >Allgemeine musikalische Zeitungt, die mehr als funfzig Jahre der Musik ge-
dient hat, und bis 1818 unter Rochlitz' Leitung stand. Nicht aber, wie in der
Breitkopfschen Chronik zu lesen, bis 1827, denn auf Seite 907 deB zwanzigsten
Jahrgangs, also 1818, nimmt Rochlitz >Abschied vom Leser* ; er verspricht allerdings
seine fernere Mitarbeiterschafl, ein Versprechen, das er bis 1836 redlich gehalten hat.
Vergleiche >Breitkopf und HarteU, Buch- und Notendrucker usw.< zusammengestellt von
Oskar v. Hase 1894, erganzter Sonderabdruck aus der Allgemeinen deutschen Biographie.
1) Erzherzog Rudolf, 1788—1831, Kardinal und Erzbischof von Olmiitz, als
Kunsftnacen bekannt, war Schiller Beethoven's, dem er ein 1820 in Wien erschienenes
Variationenwerk dedizierte, »Aufgabe, von Ludwig van Beethoven gedichtet. vierzig-
mal verandert und ihrem Verfasser gewidmet* von R. E. H.
2) Kustner, Karl Theodor, 1784—1864, erhielt seine Ausbildung auf der Thomas-
schule zu Leipzig, besuchte dann die Universitaten Leipzig und Gottingen, urn die
Rechte zu studieren. In der Zeit von 1816—1817 griindete er ein stehendes Theater
in Leipzig, an dessen Spitze er bis 1828 stand. Dann ging er nach Darmstadt zur
Ubernahme und Neu-Organisation des dortigen Hoftheaters, 1833 zur Leitung der
Hofbuhne nach Miinchen, wo er sowohl im Schauspiel als in der Musik eine rege
verwaltende und kiinstlerische Tatigkeit entwickelte. 1842 wurde er nach Berlin be-
rufen. An der Spitze von funf Biihnen fand er hinreichend Gelegenheit, alle Seiten
des Spielplans zu pnegen. Tatsachlich fehlte es diesem nicht an Abwechslung, da
j'ahrlich durchschnittlich 36 Neuheiten herauskamen. Kustner begriindete das Institut
der Autorenanteile und forderte in jeder Weise das Zustandekommen des Biihnen-
Kartell-Verein8. 1851 wurde er iiber eigenes Ersuchen pensioniert, 1860 ubersiedelte
er nach Leipzig, wo er bis an sein Lebensende blieb. Vergleiche Allgemeine deutsche
Biographie, Band 17, Seite 441.
3) >Zemire und Azor«, Text von Ihl^e nach der Gretry'schen Oper >La belle
s. I. a. ML V. 18
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274 Ernst Bychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
auf unsre Biihne gebracht. Jetzt konnte sie sehr gut besetzt werden: Ze-
mire, Canzi1); die Schwestern, Devrient2) und Erhardt8); Azor, Vetter4);
Vater, Genast5) etc. Sie wurde mit eben so viel Lust und Liebe ausgefuhrt,
als aufgenommen. Ich habe sie in diesen Wochen dreymal, und mit grofitem
Yergniigen gehort. In Hinsicht auf ausdrucksvoll-melodische Erfindungen
und auf feste, gleiche, fast elegische Haltung des Ganzen, ist diese Oper unter
den Ihrigen, ja unter den neuen iiberhaupt, sogar mein Liebling geworden;
und wie oft sie aucb wiederholt werden moge — es mufi mir geradezu un-
moglich seyn, sonst werde ich sie jederzeit horen. Auch der Berggetst6), je
naher ich nun mit ihm vertraut geworden bin und je weniger ich durchs
Auge abgezogen werde, desto trefflicher nnde ich ihn; und zwar nicht bios
— wie gleich Anfangs — in den Hauptstucken, sondern nun durchgehends,
ohngeachtet, wie Ihnen bekannt, die Ausfuhrung im Gesang und Spiel hier
sehr unvollkommen ist. "Wenn ich so uberschlage, was Sie, und in den
verschiedensten Gattungen, der Tonkunst und ihren Freunden dargebracht
haben, so steigt meine Hochachtung und Dankbarkeit immer hoher, und es
thut mir recht eigentlich wohl, da£ dieser wurdige, hochverdiente Kiinstler
nun auch als Mensch mir naher gertickt und mein Freund geworden ist.
Nun: bey jenem erhalte Sie der Himmel zur Freude der Welt, und bey
diesem, zu meiner Freude! Ihr
Rochlitz.
AUein Herr Hart el war in bezug auf die Voranzeige anderer An-
sicht; wenn auch hoflich, er lehnte ab. Rochlitz muBte zusehn, wie ihm
eine Arbeit, die er in lauterster Absicht leisten wollte, zuriickgewiesen
et la bete* wurde im September 1818 begonnen und in Frankfurt, wo Spohr Kapell-
meister war, zum erstenmal aufgeftthrt. Der Grund, dafi sie im Rossini-Stil gehalten
ist, liegt darin, daB gerade damals die Frankfurter Oper in den Schwestern Campag-
noli, Demoiselle Friedel und dem Tenoristen Schelble Mitglieder besaC, die fiber
eine ausgezeichnete Koloraturtechnik verfugten.
1) Canzi, Katharina 1805 von deutschen Eltern geboren, war 1819 Schulerin von
Salieri, bis 1825 an verschiedenen italienischen Biihnen t'atig, wo sie als Rossini-
S'angerin von Geschmack Triumphe feierte. Ende 1825 oder Anfang 1826 wurde sie
in Leipzig engagiert.
2) Devrient, Dorothea, 1805—1882, die Gattin Emil Devrient's war bis 1828 in
Leipzig engagiert.
3) Biographische Daten konnte ich nicht finden.
4) Vetter, Franz Xaver, geboren 1800, war in Augsburg, Leipzig, Frankfurt
Berlin, Wien, engagiert und genoC nicht nur als Biihnen- sondern auch als Oratorien-
s'anger einen wohlbegrundeten Ruf. Wegen miClicher h'auslicher Verhaltnisse machte
er seinem Leben ein gewaltsames Ende. Eisenberg gibt in seinem groBen bio-
graphischen Lexikon der deutschen Biihne im 19. Jahrhundert (Leipzig, Paul List 1903'
kein Todesjahr an.
5) Genast, Franz Eduard, 1797 — 1866, war Schauspieler und Sanger (Baryton),
von 1818—1828 in Leipzig engagiert, in welchem Jahre er die Leitung des Magde-
burger Theaters ubernahm. G. bet'atigte sich auch als Komponist.
6) »Der Berggeist>, Text von Georg Doring, wurde 1824 zur Vermahlung der
Prinzessin Marie mit dem Herzog von Sachsen-Meiningen komponiert und am 23. Marz
1825 in Kassel w'ahrend der Hochzeitsfeierlichkeiten aufgefuhrt.
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Ernst Byobnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 275
wurde. Axis Furcht, er konnte durch Stillschweigen das Vertrauen des
Freundes verlieren, schrieb er in stiller Ergebung:
Leipzig, d. 8 ten May 26.
Ihr Briefchen vom 1 sten d. veranlafit mich, Ihnen, theurer Freund, iiber
einen VorfaU zu schreiben, den ich lieber mit Stillschweigen iibergangen
ware. Sie wiirden dann aber den Zusammenhang der Sache nicht kennen und
vielleicht eogar ungleich von mir denken. Da namlich von Kassel vor etwa
drey Wochen nocb kein Bericht tiber Ihr Oratorium fur die musikal. Zeitung
eingesandt war, ging ich zu Hrn. Hartel, legte ihm die Sache ganz der Wahrheit
gemafi vor, und erbot mich zu einer, bios vorlaufigen Nachricht iiber den Inhalt
und die Gattung dee Werks, iiber die Auffuhrung, und tiber die Wirkung
im Allgemeinen , welche Nachricht, wenn spater von Andern daruber ge-
schrieben werden sollte, der Aufnahme dieses Spatern nicht hinderlich seyn
sollte. Ich bekam, der Sache nach, zur Antwort: Der gewohnliche Kasseler
Correspondent (ich kenne ihn nicht) sey sehr accurat, unparteyisch, ein
wahrer Kenner; er werde ganz gewifi Bericht erstatten, und dtirfte es tibel
aufhehmen, als einen Beweis des Mifitrauens der Redaction gegen ihn, wenn
sie fruher etwas Fremdes aufnahme etc. kurz, ich erfuhr zum erstenmale
in me in em Leben, dafi etwas, das ich iiber Musik schreiben wollte, wenn
auch aufs HoflichBte, abgelehnt wurde. Ich enthalte mich jeder Anmerkung
daruber so wie jeder Bezeichnung meiner Empfindungen dabei. Ich wiirde, wie
ich schon gesagt, es Ihnen verschwiegen haben, miifite ich nicht besorgen, Sie
rechneten mir zu, was nicht im G-eringsten auf meine Rechnung kommt, und
ich konnte so wohl gar auch noch um das Einzige kommen, was mir jene
Arbeit an Freude gebracht hat: Ihr Vertrauen. Jetzt habe ich den Ein-
druck jener Erfahrung langst iiberwunden, und bitte Sie, gleichfalls den
Eindruck, den meine Erzahlung auf Sie machen konnte, zu iiberwinden;
auch davon gegen Niemand, wer es auch sey, wie viel weniger ofifentlich,
Gebrauch zu machen; denn in solchen Fallen (die gemeine Welt ist nun
einmal so) wird, aus Mifigunst, Schadenfreude etc. immer vorausgesetzt, der
habe doch wohl Grund und Recht, der Unrecht thut. Ihr Werk selbst wird
schon durchdringen und siegen.
In voriger Woche hatte ich Gelegenheit, auf Yeranlassung zweyer Ihrer
Werke, mich einmal zu argern, und einmal hochlich zu erfreuen. Jessonda
war etwa zwey Mo n ate nicht gegeben worden und kam nun wieder zur
Vorstellung; wo Ehrn (?) Prager alle, mehr oder weniger lebhafte Tempos
so greulich ubertrieb, dafi in den (so schonen) Details die Ausarbeitung
geradezu unmoglich war, nur deutlich, wie viel weniger gut, zu singen und
zu begleiten. Dennoch wurden alle Hauptstiicke lebhaft applaudirt; ein
sicheres Zeichen, wie lieb man das Werk selbst habe. — Hr. Matthai1) gab
und zwar zum erstenmale^ in seiner Quartettgesellschaft Ihr Doppelquartett.
Er hatte alien FleiB angewendet, die Ausfiihrung war durchgangig sehr gut;
der Beyfall bey jedem Satze sehr lebhaft und einmuthig; ich hatte eine wahr-
haft gliickliche halbe Stunde. Wir sprechen wohl einmal iiber dies treffliche
Werk; jetzt will ich nur sagen, dafi ich mich beim Andante, das leider so
kurz ist, kaum enthalten konnte, gegen alle Schicklichkeit Da Capo zu rufen.
1) Mathai, Heinrich August, 1781 — 1835, war als Nachfolger Campagnoli's,
Konzertmeister des Gewandhausorchesters.
18*
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276 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
Zemire und Azor ist, mit Abgang der Canzi, zur Buhe verwiesen, aber bis
dahin oft und stets mit neuem, ja sich mehrendem Beyfall gegeben worden ;
und das mit Becht. Fiir mich hat diese Oper, in ihrem milden, aus Elegi-
schem und sanfb-Heiterm gemischten Geiste einen ganz besondern Reiz. Ich
■versaume sie nie. Ihr
Rochlitz.
Zur Auffuhrung des Oratoriums in Nordhausen kam es nicht und
auf Spohr's Wunsch, »Die letzten Dinge* in Leipzig aufzufiihren, erstattet
Rochlitz nachstehende Vorschlage:
Leipzig, d. 21sten Jul. 26.
Mit Aufhebung des Concertes in Nordhausen, mein theurer Freund, geht
mir eine grofie Freude verloren, auf die ich mit aller Zuversicht gehofft
hatte. Es mufi mir dies um so mehr leid thun, da ich nun gar nicht ab-
sehen kann, wann ich einmal Ihr Werk zu Gehor bekommen werde. Denn
Hire uberaus giitige Anerbietung fur Leipzig wird sich dies Jahr schwerlich
in Erfullung setzen lass en. Ich gebe Ihnen namlich vollkommen recht, wenn
Sie es hier nicht anders, als unter Mitwirkung der Singakademie und des
Musikvereins zu Gehor bringen wollen. Diese Gesellschaften vereinigen sich aber
nur einmal im Jahre zu einer kleinen Auffiihrung, meistens zum Besten
irgend einer wohlthatigen Stiffcung. Diese Gelegenheit hat aber fiir den
nachsten Winter schon Friedr. Schneider friiher in Beschlag genommen,
der sein Oratorium, »Das verlorene Paradies*, womit es ihm in Magdeburg
und Berlin nicht nach Wunsch gegangen, auf jene Weise und gleichfalls
ohne Entschadigung zu wohlthatigem Zweck auffuhren will. Er hat es dazu
dem Musikdir. Schulz1) schon vor einigen Monaten gesandt, dieser lafit
schon einzelne Stucke daraus zuweilen singen etc. Dies lafit sich nun nicht
andern und das gegebene Wort nicht zurucknehmen. Sonach bliebe nichts
librig, wenn namlich Ihr Werk bevorstehendes H alb jahr hier gehort werden
soil, als dafi Sie es im Concertsaale auf Ihre Rechnung und zu Ihrem Vor-
theile als ein gewohnliches Concert auffuhrten; wo darum doch, sollte ich
meynen, bey der wahrhaft ausgezeichneten Hochachtung und Liebe, die Sie
hier genielien, mehrere Liebhaber und Liebhaberinnen, so wie, wenn Sie den
UK. Kustner darum begrufiten, die Sanger und Sangerinnen des Theaters,
wenigstens die Chore verstarken konnten; und fiir den ersten Sopran werden
wir kiinftigen Winter eine, in jeder Hinsicht treffliche Concertsangerin
hier besitzen, desgleichen einen wenigstens guten Tenor und einen ziemlich
guten Bafi. Aber rathen kann ich Ihnen dazu nicht unbedingt, viel weniger,
es Ihnen zumuthen. Denn obgleich es nicht fehlen kann, Sie wtirden kein
geringes Publikum versammeln: so durfte es doch nicht grofi genug seyii,
um Ihnen bey den betrachtlichen Kosten, einen Vortheil zu bringen, der
Ihren Verdiensten einigermafien angemessen ware; da man namlich Sie nicht
als Violinspieler horen wird, und die Begier nach Virtuosenkunst hier, wie
uberall, von Jahr zu Jahr zunimmt, zum nicht geringen Nachtheil anderer
Gattungen der Tonkunst. Sollten Sie gleichwohl sich hierzu (ich meyne:
1) Schulz, Johann Philipp Christian, 1773—1827, Schiiler von Engler und
Schicht, ubernahm 1810 die Leitung der Gewandhaus-Konzerte, die er bis zu seinem
Tode innehatte.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 277
zu solch einer Auffuhrung) entschlieBen, so wiirde es nothig seyn, daB Sie
schon jetzt dem Baumeister Limburger um den passendsten und vortheil-
haftesten Tag schrieben — bey dem tlberfluB an musikal. TJnterhaltungen
keine Kleinigkeit; und dann Schulz'n pravenirten, damit er die Sache bey
seinen Dilettanten im voraus wenigstens zur Sprache brachte; den HR.
Kiistner, aus jener Ursache, gleichfalls nicht zu vergessen. Zu alle dem
mich als Vermittler anzubieten, ware ich zwar geneigt: aber meine Verhalt-
nisse lassen das, zumal da ich Antheil an dem "Werke habe, nicht zu. So-
nach stelle ich es einzig in Ihre Hand, und bitte nur noch, um meinetwillen
durchaus kein Opfer zu bringen.
In diesen Tagen kam mir nun auch das erste offentlich ausgesprochene
Wort liber Ihr Werk zu Gesicht, in der hiesigen mus. Zeitung, Nr. 27,
S. 440 folg. *).' Das Urtheil ist kurz, aber sehr giinstig. Es scheint von
einem gebildeten Dilettanten in Diisseldorf abgefafit, der mit Aufmerksamkeit
gehort und mit Liebe zur Sache geschrieben hat. Aber, damit der gute
Eindruck, den diese paar Worte machen konnten, ja sogleich wieder gestort
und vermin dert werde, hat Hr. Hart el nicht unterlassen konnen, schnell
ein anderes Urtheil eines zweyten Correspondenten in einer Note anzuhangen;
und dieses Urtheil — das glaube ich behaupten zu konnen, ehe ich Einen
Ton Ihrer Musik gehort habe — ist nicht nur grundfalsch, sondern auch
malitios; was jedoch nicht hindern wird, daB es um so mehr Eingang bey
der Masse finde — au contraire] So ist die Welt! Wir miissen erst ge-
storben seyn, wenn sie sich einmiithig zu unseren Gunsten vereinigen soil!
So lange wir leben, gonnt sie uns nicht die Freude, ihr — Freude gemacht
zu haben! Unter diesen Umstanden gehort schon etwas Tuchtiges dazu, nicht
abzulassen, und unverriickt der Welt zu leisten, was man irgend vermag.
So ist es mir mein ganzes Leben hindurch gegangen: jetzt aber, ich gestehe
es, fange ich fast an, miide zu werden und mich von allem Offentlichen
zuriickzuziehen. Ihr
Rochlitz.
Allein im Herbst desselben Jahres wandte sich Eochlitz im Auftrage
der Direktion der G-ewandhauskonzerte an Spohr mit der Anfrage, ob
dieser nicht Partitur und Stimmen des Oratoriums zu einem Konzert,
1) Die uns interessierende Stelle lautet: »Am ersten Tag* (es handelt sich um
das Niederrheinische Musikfest zu Diisseldorf am 14. und 15. Mai 1826) »wurde ein
neues Oratorium von Spohr, die letzten Dinge, nach Worten der heiligen Schrift,
von Rochlitz zusammengestellt, gegeben, welches durch Ideenreichtum, Tiefe, Aus-
druck und kunstvolle Instrumentalbegleitung uugemein erfreute. Hr. Spohr hat im
Vergleich mit seinen friiheren Kompositionen noch mehr Zartheit und Innigkeit der
Empfindung entwickelt; es atmet eine Demut, Andacht und Frommigkeit in dieser
Musik, die "auCerst wohlthuend ist, so daB mit demselben kein anderes Werk der
neueren Zeit verglichen werden kann«. •
Der andere Referent aber berichtete: >Dieses Werk ist durchgangig in dem
elegisch sentimentalen Stile dieses Meisters geschrieben, und gleicht darin andern
Gesangswerken desselben. Ob dieser Stil fur das Oratorium geeignet sei, und ob nicht
namentlich der Text dieses Wcrkes vielmehr eine einfache groCe und kraftige Musik
gefordert hatte, 1'aOt Referent dahingestellt sein. In manchen Stellen wollte man den
Ausdruck der MuBik mit dem des Textes nicht ubereinstimmend finden.«
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278 Ernst Rychnov8ky, Ludwig Spohr und Friedrich Bocblitz.
dessen Reinertrag der allgemeinen Armenanstalt zufalle, unentgeltlich
leihen wollte. Er schrieb:
Leipzig, d. 27sten Octbr. 26.
Dire beyden, mir anvertrauten Briefe, geehrter Freund, habe ich sogleich
mit Adressen versehen — den einen an Hrn. Rath B rummer in Alten-
burg, den andern an Hrn. Prof. Wendt1) hier in Leipzig, als an die beyden
MSnner, welchen sie zukamen — und langst sind sie in ihren Handen.
DaB sie unter jenen Umstanden den Entschlufl fasseten, Ihr Werk im
KlavierauBzuge auf eigene Kosten herauszugeben und sich deshalb an die
Vorsteher von Singinstituten zu wenden: das macht Ihnen Ehre und er-
reicht zuverlftssig, daB das Werk so weit mehr verbreitet und benutzt wird;
zumal da Sie den Subscribenten auch fUr so billige Entschadigung die Par-
titur zukommen lassen wollen. Moge dieses ganze, offene, gerade, wurdige
Verfahren nur auch Ihnen einigen Vortheil gewahren; woran ich aber nicht
zweifle. Uber das, was Sie Ihre Verpflichtung gegen mich nennen, machen
Sie sich keine Sorge. Ich verbleibe bey dem, was ich Ihnen gleich anfangs
geschrieben: Meine Absicht war, durch Sie, als den hiezu Fahigsten unter
den Zeitgenossen, ein groBes, edles Werk dieser Gattung, zur Freude der
Kunstsinnigen und zur Erbauung religioser Gemiither, hervor zu bringen.
Diese Absicht ist durch Sie aufs Schonste erfullt worden ; und ich werde nie
ein Wort dagegen sagen, wenn es, was mich betrifft, einzig und aUein hier-
bey verbleibt.
So weit schreibe ich Ihnen als Freund aus meinem Herzen. Nun habe
ioh aber auch noch Etwas als Beauftragter von der hiesigen Concertdirection
zu melden, woran ich nur einen gewissermaBen amtlichen Antheil, als einer
der Vorsteher jenes Instituts, nehme; und was ich demnach in dieser Hin-
sicht von jenem zu unterscheiden bitte.
Sie wissen, wie man hier Sie ehrt und liebt. Mit aller Achtung und
Zuneigung gegen Friedrich Schneider, bedauern doch alle, durch ein friiheres
Wort (wie ich neulich schon gemeldeti fur den einzigen Tag des Winters, wo
alle Singende zusammentreten, dies Jahr gebunden zu seyn, und so noch ein
Jahr warten zu sollen, bis sie Ihr Werk vollstandig zu horen bekommen
konnten. Jenes Concert ist, wie Sie wissen, zur Unterstiitzung hiesiger
verarmter Musiker oder ihrer Wittwen und Waisen. Nun wird aber jahrlich
den Sonntag vor Ostern (Palmarum) auch ein Concert zur Unterstutzung der
hiesigen allgemeinen Armenanstalt gegeben ; wo contractmaBig alle Mitwirkende
auf Entschadigung verzichten. Dies Concert wird gleichfalls moglichst feyer-
lich angeordnet und die Versammlung ist stets sehr zahlreich und die ansebn-
lichste. Zwar nehmen die Sanger der Akademie und des Musikvereins nicht
Theil am Vortrag des Gesanges: aber fur die Chore kann man, auBer den
Concertsangern, dabey die ganze Thomasschule benutzen; manche Liebhaber
treten, wird etwas Beliebtes gegeben, wohl auch freywillig dazu; und die
Solisten des Concerts iibernehmen die Solopartien: diese sind aber dies Jahr,
was Sopran, Alt und Tenor betrifft, wahrhaft ausgezeichnet in jeder Hin-
sicht, und der BaB wenigstens sicher und nicht iibel. Nun braucbe ich
kaum erst zu erwahnen, daB die hiesigen Institute auf Ihren Klavierauszug
1} Wendt, Johann Gottlieb, 1783 — 1836, Professor der Philosophie in Gbttingen,
ein eifriger Mitarbeiter der Allgemeinen Musikzeitung.
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Ernst RychnovBky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 279
subscribiren werden; und sie melden sich jetzt nur darum noch nicht, weil
sie hoffen, zuvor noch Mehrere zu werben, damit sie nicht mit einem Paar
Exemplaren angezogen kommen. Unter diesen Umstanden soil ich nun die
Frage an Sie bringen: Wollen Sie die Gtite haben, zu jener Auffiihrung zum
Besten der Ar men, die Partitur und Stimmen Ihres Werks zu leihen?
(Auch einen gedruckten Text wiirden Sie, zur Erleichterung des hiesigen
Drucks, gefallig beylegen, da mir der meinige verloren gegangen.) Man
kann sie hierzu nicht wohl kaufen, weil man den Armen alle Kosten er-
sparen soD: es versteht sich aber, daB, wenn das Werk Bey fall findet, was
gar nicht zu bezweifeln, die Concertdirection dann fur sich Sie um eine.
Abschrift der Partitur gegen die Gebiihr ersuchen wird, um es dann zu
einer andern Zeit benutzen zu konnen. Auch wiirde man zuverlaBig nicht
verfehlen, alles Mogliche zu thun, daB das "Werk zu einer wurdigen Dar-
stellung komme. Um dieses zu erleichtern, wiirde es noting seyn, daB Sie
mir jetzt bald Ihre Entscheidung fur Ja oder Nein; und dann, im ersten
Falle, das Erbetene ohngefahr vier Wochen vor Palmarum unter Adresse
an den Herrn Baumeister Limburger (allerdings, nicht postfrey) hieher
sendeten.
So weit mein Auftrag! Ich bitte Sie, die Entscheidung ohne Riicksicht
auf mich personlich, zu geben; denn, so sehr ich auch wiinsche, Ihr Werk
zu horen, so thut es mir doch leid, daB es hier zur ersten Auffiihrung
kommen soil, ohne daB Sie da von irgend einigen Vortheil haben wiirden.
Von Herzen Ihr
Rochlitz.
Geschafte aller Art hielten Rochlitz fiir die folgenden Monate vom
Briefschreiben ab. Erst Ende Februar des folgenden Jahres bedankt
er sich fiir die Ubersendung des Klavierauszugs zum Oratorium, das am
Sonntag Palmarum aufgefuhrt werden soil. Es ist fast nihrend zu
lesen, wie Rochlitz alle guten Seiten der Musik ruhmredig hervorhebt,
seinen eignen Anteil am Werk aber verkleinert. Ja er identifiziert die
Musik so mit dem Werk, daB er in gleichmiitigstem Ton, als handle es
sich um eine fremde, ihn gar nicht betreffende Sache, von einer Rezension
spricht, die er gelesen und in der die Absichten, von denen er sich bei
der Abfassung des Textes leiten lieB, vollig verkannt werden. Es
heiBt hier:
Leipzig, d. 26sten Febr. 27.
Ich hatte Ihnen, theurer Freund, langst schreiben soil en. Lassen Sie
mich die gewiB gegriindeten Entschuldigungen iibergehen und glauben Sie
mir aufs Wort: ich konnte nicht.
Zuvorderst sage ich Ihnen herzlichsten Dank fiir das mir durch Hrn.
WeiBe zugesandte Exemplar des Klavierauszugs des Oratoriums. Mit Ernst
und FleiB bin ich es mehrmals durchgegangen. Sie wissen, daB ich viel
davon erwartete: aber wahrlich, in dem, was aus einem Auszuge sich beur-
theilen laBt, iibertriflpt es alle meine Erwartungen: so wird dies ja auch der
Fall seyn mit dem, was sich daraus nicht beurtheilen laBt. Ich zweifle
durchaus nicht: Sie haben sich damit ein Denkmal gesetzt, das nach und
nach sich iiberall einfuhren wird und Sie weit iiberleben, wie viele Jahre
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280 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spobr und Friedrich Rochlitz.
Ihnen auch Gott schenken moge. Um so lieber ist es mir, daB ich zum
Texte keine Cant ate, woriiber der Geschmack, and selbst keine historischen
Schilderungen aus der heil. Schrift, woriiber die Zeitvorstellungen sich andern,
gewahlt habe, sondern eben das, was gewahlt worden ist nnd worauf die
Zeit keinen EinfluB hat. Darum ertrage ich auch gern, daB bisher der
Einzige, der (in der Cacilia) mit einiger Einsicht fiber das Werk geschrieben,
nicht nur meine wohlbedachte Absicht nicht im Geringsten anerkennt, son-
dern sogar mich wie einen Schulbuben gehofmeistert hat; ich werde es auch
ruhig ertragen, wenn es Andere auch so machen soil ten, gewiB, daB eine
spatere Zeit anders denken wird, wenn ich sie auch nicht erlebe. Die Folge
und Gruppierung der Gesangstiicke, sowie den Gedanken, der Instrumental-
musik jenen, vorher noch nie ihr zugestandenen Anthel zu iiberlassen , wie
nun Beydes durch Ihre Ausfiihrung erst recht zur Anschauung kommt, muB
ich riihmen, und wenn ich das auch sonst von nichts konnte, das jemals Ton
mir ausgegangen: jede gute Auffiihrung, und besonders jede, vor Andach-
tigen, nicht zu einem Freudenfeste versammelten Zuhorern, wird dies be-
wahren.
Eine solche Auffiihrung wird nun ganz gewiB die, den Palmsonntag hier
in Leipzig, seyn; und man sehnt sich schon daraach. Die Institute der
Singakademie und des Musikvereins haben, aus Antheil am Werke, an Ihnen
und an mir, beschlossen, von ihrem Gesetz eine Ausnahme zu machen; und
so werden, wo nicht alle, doch die meisten und besten Mitglieder an der
Ausfiihrung theilnehmen, ohne darum den Armen das Eintrittsgeld zu ent-
ziehen. An Proben soil es nicht fehlen. Darum lassen Sie mich aber auch
die Bitte wiederholen, daB Sie Partitur und Stimmen Hrn. Baumeister Lim-
burger oder Hrn. Hofrath und Professor Wendt nicht spater, als vier Wochen
vor dem Tage zu kommen lassen. Konnten wir Sie doch zur Auffiihrung
hier sehen! Doch das ist ein unbilliger Wunsch, den ich mir nicht verstatten
will. Machen Sie doch uns und unsern Aj-men ohnehin schon ein so be-
trachtliches Geschenk! —
DaB unser Musikd. Schulz, uns alien hochstunerwartet, nach kurzem
Krankenlager gestorben, und daB Ihr Yerleger, Peters1), in einem Zustand
solcher Narrheit verfallen ist, daB die Obrigkeit hat einschreiten und ihn
nach Dresden, in ein Institut fur solche Kranke, bringen miissen: das wird
Ihnen schon bekannt seyn. Pohlenz2), Director des Musikvereins und Organist
zu St. Thomas, ist nun auch Musikdirector des Concerts. Wir versprechen
uns viel Gutes von seiner Regsamkeit, Geschicklichkeit und seinem Enthusias-
mus fur gute Musik aller Art. — Mir wird dieser harte Winter schwer; doch
habe ich mich bisher wenigstens noch auf den FiiBen und in meiner Thatig-
keit erhalten konnen. —
Leben Sie wohl, theurer Freund, und behalten Sie in treuem Andenken
Ihren
B,ochlitz.
Schon der nachste Brief berichtet iiber die Auffiihrung am Palm-
1) Peter 8, Karl Friedrich iibernahm 1814 das zu Beginn des Jahrhunderts von
F. A. Hoffmeister und Ambros Kiihnel gegriindete >Bureau de musique*. Er starb 1828.
2) Pohlenz, Christian August, 1790—1843, Organist an der ThomaBkirche, Diri-
gent der Gewandhauskonzerte bis 1836, in welchem Jahre Mendelssohn die Leitung
abernahm, und Diligent der Singakademie.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 281
sonntag. Sie iibertraf Rochlitz' gespannteste Erwartungen. Mit dich-
terischem Schwunge schildert er die Wirkung, die das Werk auf ihn und
alle Zuhorer machte:
Leipzig, d. 9 ten Apr. 27.
Mein theurer, geehrter Freund!
Mit einem wunderbaren Gemisch von Empfindungen nehme ich die Feder,
Ihnen iiber die gestrige Auffuhrung des Oratoriums Einiges zu sagen. Wollte
ich nur einigermafien aus einander setzen, was dabey und auf dessen Veran-
lassung in mir umgegangen, und nun noch nachklingt: so wiirde ich sehr
weitlaufig werden miissen; das kann ich aber nicht seyn, da das Blatt heute
abgehen soil, und mein Haus uberdies, aufier mir, jetzt lauter Kranke ent-
halt, wodurch ich immerfort gestort werde. Ich sage daher, kurz, nur das
Allereinfachste, ja Einfaltigste ; was auch der geringste Zuhorer sagen konnte.
Das Werk war mit Liebe und groBem FleiB studirt; die Besetzung im
Gesange stark; (26 weibliche Soprane etc.) im Solo, besonders in den kost-
lichen 4stimmigen Solo-Satzen, wahrhaft vortrefflich; ja, die Sopranpartie
ist wohl gar nicht moglich, schSner, und dem ganzen Sinne und Zwecke des
Werks entsprechender auszufuhren, als von unsrer, lieben, jungfraulichen
Grabau, die durch Natur und Bildung ganz eben fur solche Musik ge-
macht ist, geschahe. Die Saiteninstrumente in den Choren waren, gegen den
Gesang und die vielbeschaftigten Posaunen, etwas zu schwach; was sich aber
nicht andern lieB. Die Blasinstrumente bewieBen die moglichste Delicatesse,
und thaten daher, wie Sie sie benutzt haben, herrliche Wirkung. Die Ver-
sammlung war, ohngeachtet des lockenden Fruhlingswetters , zahlreich. Mit
Einem Worte: Es geschahe Alles, was wir vermogen.
Die Wirkung des Ganzen auf das gesammte Auditorium war (ich schreibe
Ihnen durchgehends die treueste Wahrheit) nicht ganz so, wie ich mir's vor-
her gedacht hatte: aber vielleicht besser. Es imponirte im hohen Grade;
es erhielt bis zur letzten Note in feyerlicher Stimmung und innerster Be-
wegung — daher eine Todtenstille durch das ganze Werk ; aber es schien,
die Menge wuflte nicht, wie ihr geschehe ; sie fuhlte sich in fremder, ganz un-
gewohnter Welt; daher durchaus kein Zeichen lauten Beyfalls gegen Ein-
zelnes: man ging ernst und still auseinander. Diesen Morgen erst kamen
einige unsrer geistvollsten Manner zu mir, voll Ihres Lobes. Noch einmal:
Vielleicht war eben diese Wirkung die rechte, und besser, weit besser als
die ich mir vorher gedacht hatte.
Was soil ich nun von der Wirkung auf mich sagen? Auch ich lebte in
fremder Welt; in einer bessern, als die uns umgiebt: aber ich wuBte, wie
mir geschah. Um Ihnen iiber das, was mir am allergelungensten erschien,
Etwas schreiben zu konnen, hatte ich die Bleyfeder zur Hand, mir dies im
Textbuch anzustreichen : ich kann aber nicht dafiir, dafi fast alle Stiicke ohne
Ausnahme angestrichen sind. Soil ich dennoch das anfuhren, was am allermeisten
mir in das Innerste drang: so nenne ich folgendes: Erster TeiJ: Heilig etc.
(Soli und dann Chor;) Siehe, ein Lamm etc. Weine nicht etc. Das Lamm,
das erwiirget ist etc. SchluB des ersten Theils. Zweyter: BaB-Recitativ, be-
sonders von vorn, bis: geheimstes Inn're. So ihr mich von ganzen Herzen etc.
(Ich wurde aber hier die Posaunen weglassen, um die Macht des Gesangs
allein wirken zu lassen). Es ist geschehn. — Seelig sind die Todten etc.
und Alles, was folgt. Einzuwenden habe ich ein Einziges: Das der
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282 Ernst Ryohnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
ersten Ouverture halt scheint, nicht Hiermit .... Freund; und
nochmals meinen herzlichen Gliickwunsch , daB Ihnen Gott Kraft und Be-
harrlichkeit gegeben, dies "Werk und ebenso zu vollenden. Belohnt wird es
ihnen nicht; auBer in wiefern erhohte Hochachtung eine Belohnung ist; aber
ich kenne Sie genug, um iiberzeugt zu seyn, dafi jenes Sie nicht stort, viel
weniger Sie bereuen laBt, so viele Zeit, Anstrengung, und hernach selbst
unangenehme Bemiihung, aufgewendet zu haben.
Offentlich werde ich daruber nicht schreiben, weil die Gemeinheit sonst
gleich dahinter her seyn und es mir als Mitgevatterschaft auslegen, mithin
Ihnen schaden wurde. Hr. HR. "Wendt hat jenes fur einige geschatzte
Zeitschriften tibernommen; und wiewohl er (unter uns!) fur aUes Geistliche
nicht sonderlich geeignet ist, so wird er Ihnen doch gewiB Gerechtigkeit, so
weit er kann, wiederfahren lassen. Dasselbe wird ohne Zweifel auch in der
hiesigen musikal. Zeitung geschehen, wem auch Herr Hartel dies Geschaft
auftragen mag Ihr
Rochlitz.
Nach der Auffiihrung trat wieder eine langere Pause in der Korre-
spondenz ein. Erst die Mitteilung eines Freundes, Spohr's Befinden
wahrend des Musikfestes an der Elbe (gefeiert in der Zeit vom 3. bis
5. Juni 1828 zu Halberstadt) sei nicht das beste gewesen, druckt ihm
wieder die Feder in die Hand zu einem von freundschaftlichen Gefiihlen
erfiillten Brief:
Leipzig, d. 23sten Jul. 1828.
Mein geehrter, theurer Freund!
Ich hatte lange nichts yon Ihnen und iiber Sie erfahren; denn was ich
etwa in den wenigen offentlichen Blattern, die ich lese, fand, das war im
Grunde so viel als nichts. Nun kommt ein Bekannter, ein verstandiger und
wohlgesinnter Mann, der dem Musikfeste an der Elbe beygewohnt, zu mir,
erzahlt mir von demselben Mancherley, was mich freut, und Einiges, was
mir Leid thut; unter Letzterem besonders, daC es ihm geschienen, es mufiten
Verhaltnisse, welcherley Art sie seyn mochten, schwer auf Ihnen liegen und
Sie um die Heiterkeit und Lebenslust bringen, die Alle, welche Sie in Ihren
Werken zu erkennen, zu ehren, zu lieben vermochten, Binen wiinschen jniiBten
und die auch dem Klinstler, besonders dem dichtenden, so nothwendig sey.
Das betrubte mich, und ich kann seitdem .den Gedanken hieran nicht los
werden; denn wahrlich, ich gehore nicht nur zu jenen Ihren Freunden, son-
dern auch zu denen, welche Ihnen zugleich personlich, Mann zu Mann, von
Herzen ergeben sind. Da erlaube ich mir nun, was sonst zudringlich und
unstatthaft seyn wiirde, mich daruber geradezu an Sie zu wenden, ftir den
Fall, daB Sie sich vielleicht gern einem Freunde eroffnen mochten, einen
solchen (etwa um ortlicher Umstande willen) nicht um sich batten, .und mich
fur fahig hielten, Ihnen auf irgend eine Weise, womit es sey, zur Hand zu
seyn, oder wenigstens Ihnen Gelegenheit zu geben, sich schon durch die Er-
offnung gegen einen Theilnehmenden selbst das Herz einigermafien zu er-
leichtern. Ich selbst bin ehedem eine Reihe von Jahren in solchem Falle
gewesen, habe damals keinen solchen Freund besessen, eben darum mir desto
mehr am Herzen genagt und den EinfluB auch auf meine Arbeiten sehr
schwer empfunden: da ist nun nichts natiirlicher, als daB ich Jeden, den ich
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Ernst Rychnovaky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 283
Jiochachte und liebe, davon befreyet, ja zu seiner Befreyung — vermag ichs
namlich — beyzutragen, wiinschen muB. Deshalb, einzig deshalb, schreibe
ich, denn sonst habe ich durchaus kein Anliegen und nicht einmal eine
Neuigkeit u. dgl. Vielleicht hat aber mein Mann sich geirrt? Desto besser!
6ie aber werden mein Blatt darum nicht miflfallig aufnehmen —
»Der Wille, nicht die Gab e, macht den Geber.«
Eben fallt mir doch noch Etwas ein! In einer gutgeschriebenen Nach-
richt von jenem Teste in der hiesigen niusikal. Zeitung wird gesagt: Sie
werden kiinftiges Jahr mit einer neuen Symphonie auftreten. Das ist schon!
Das ist sehr schon! und, irre ich nicht, auch jetzt ganz an der Zeit. Wer
soil sonst Symphonien jetzt schreiben? Gleichwohl fangt man fast uberall
an, sich fur diese Gattung wieder mehr zu interessiren, und nun nicht mehr
bios zur Unterhaltung, sondern auf eine edlere, wiirdigere Weise. "Wollen
Sie, fur den Fall, daB Ihr "Werk nicht schon fertig oder doch bestimmt ent-
worfen ist, dem alten Freunde und Zunftgenossen einige zutrauliche Worte
dariiber erlauben? Es liegt ja in Ihrer Hand, sie auch als nicht gesagt,
anzunehmen ! Schwingen Sie sich eben hier zu dem GroBart^gen und Heroi-
schen im Charakter auf, wie z. B. in der Introduction Ihrer »Jessonda«,
und suchen Sie bey allem Ernst und aller Energie doch moglichst heiter zu
erscheinen! lassen Sie es eben hier nicht an einfachen, schlagenden Massen
(ich meyne: wie Beethoven im Finale seiner C-wioM-Symphonie u. dgl.) und
an starken Contrasten zwischen diesen und dem Zartesten, Innigsten fehlen!
rechnen Sie eben hier nicht zu viel auf, wenn auch noch so vortreffliche
Details der Ausarbeitung, und machen Sie, wenn auch nur der Deutlichkeit
und der weiten Verbreitung wegen, die Ausfuhrung nicht allzuschwer! Das
sind einfache, wohl auch eintaltige Worte: aber darum doch nicht zu ver-
achten. Wie Sie auch die Symphonie schreiben mogen : sie wird uberall mit
Freude und Dank aufgenommen werden ; aber unter jenen Bedingungen ganz
gewifi mit doppelt so viel Freude und Dank. Es lieBen sich sogar, dunkt
mich, ganz neue oder doch nur selten und sehr unvollkommen benutzte
Formen fur Symphonieen uberhaupt ersinnen; was das doppelte Gute hatte,
daB es dem Componisten leichter wurde, auch in der Ausfuhrung neu zu
bleiben, und daB dem leidigen Yergleichen vorgebeugt wurde, wovon die
Halbkenner und Dilettanten nicht lassen, wie oft man ihnen auch sage, daB
sie damit fast immer einem von beyden Theilen Unrecht thun, und sich selbst
in ihrem Genusse storen! — Doch genug hiervon! Sie wissen ohnehin, was
ich gesagt habe und hier noch sagen konnte, und wissen es besser als ich:
da mogen Sie es nur als Beweis meines herzlichen Antheils an Ihnen und
Ihren, mir so uberaus theuren Werken aufnehmen. Lebten wir an Einem
Orte und konnten uns nach Neigung iiber dergleichen Gegenstande besprechen :
dann ware es ein Anderes und Besseres.
In wahrer Kochachtung und treuer Ergebenheit
Ihr
Rochlitz.
Zwischen diesem Brief und dem folgenden klafft wieder eine Liicke,
die mehrere Jahre umspannt. Es ist allerdings fraglich, ob bis zum
Jahre 1834 korrespondiert wurde, sicher aber ist, daB jener Brief fehlt,
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284 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz*
welchen Rochlitz mit einem Band seiner Schriften an Spohr absandte,
in dem ein neuer Oratorientext »Das Ende des Gerechten* stand. Allein
gliicklicherweise wird die an sich bedauerliche Liicke durch gerade in
dieser Angelegenheit ausfiihrliche Aufzeichnungen Spohr's ausgefiillt.
Horen wir also zunachst, woriiber uns Spohr aufklart1):
» Schon im vorigen Jahre (1833) hatte mir Hofrat Rochlitz bei unserer
Durchreise in Leipzig ein von ihm verfaBtes Passions-Oratorium : >Des
Heilands letzte Stunden* zur Komposition angetragen. Obgleich dasselbe
schon einmal unter dem Titel: >Das Ende des Gerechtenc von Schicht
komponiert worden war, so nahm ich es doch mit Freuden an, da er mir
versicherte, die fruhere Komposition sei zwar mit Beifall, aber ohne genugende
Wirkung zu machen, aufgefiihrt; er habe deshalb den Text noch einmal um-
gearbeitet und halte ihn nun dem Zwecke entsprechender. Nachdem ich in-
dessen erfahren, daB er diesen neuen Text auch Mendelssohn zur Komposi-
tion vorgeschlagen habe, so fragte ich, bevor ich die Arbeit begann, bei
diesem schriftlich an, ob er das Oratorium zu komponieren gedenke. Da die
Antwort verneinend ausfiel, und Mendelssohn mir schrieb, daB er sich selbst
einen Text aus*Bibelstellen zusammensetzen werde (»Paulus«), so begann ich
im Friibjahre 1834 meine Arbeit, die spater durch die Badereise unterbrochen
wurde. Als ich indessen bemerkte, daB meine Frau, trotz ihres leidenden
Zustandes, sich doch eben so lebhaft fur meine jetzige Arbeit interessierte,
als fur die fruheren, so vergaB ich bald alles liber die Begeisterung , mit
welcher ich mich derselben hingab. Empfieng mich auch Dorette beim Nach-
hausekommen aus den Theaterproben stets mit kummervoller Miene und angst-
lichen Andeutungen wegen ihrer Gesundheit, so zeigte sie doch auch wieder
so groBe Teilnahme an dem Fortschreiten meiner Arbeit und horte mit so
lebhaftem Interesse zu, wenn ich das, was fertig war, im Cacilienvereine
probieren lieB, daB ich immer mit neuem Muth an die Fortsetzung des
Werkes gieng. ... So kam ich mit meinem Oratorium bis zum Schlusse des
ersten Teiles, und meine Frau erlebte noch die Freude zu sehen, mit welcher
Teilnahme und Begeisterung es vom Cacilienverein gesungen wurde; dann
nahmen aber ihre Krafte rasch ab und sie wurde bettlagerig. . . . Da sich
meine Tochter Emilie und Therese der Pflege der Mutter mit groBer Sorg-
falt unterzogen, so konnte ich auf Dorette ns Wunsch, da sie sich fur die Voll-
endung des Oratoriums lebhaft interessierte, wahrend des Tages fortarbeiten.
muBte des Nachts aber abwechselnd mit Emilie bei ihr wachen. Doch war
ich kaum bis zur dritten Nummer des zweiten Theils gekommen, so gieng es,
da sich ihre Krankheit zu einem Nervenfieber gestaltet hatte, mit ihr zu Ende
nnd heute noch gedenke ich mit tiefer AVehmut des Momentes, wo ich ihrer
Stirn den letzten KuB aufdriickte ! « 2)
Spohr war also schon beinahe ganz fertig, als ihm durch Mendelssohn
die textliche Umarbeitung des zweiten Teiles des Oratoriums zuging. Alle
Veranderungen jetzt noch aufzunehmen, war ein Ding der Unmoglichkeit.
Daneben tauchte aber auch ein anderer Streitpunkt auf, ob namlich
1) Selhstbiographie, Band II, Seitel99ff.
2 Dorette Scheidler, Harfenvirtuosin, 1788—1834, war seit 1806 mit Spohr
verheiratet.
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Ernst Kychnovaky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 285
Jesus singend eingefiihrt werden solle. Spohr war unbedingt dafiir, Jesus
singen zu lassen, Rochlitz eben so dagegen, vielmehr wunschte er, Jesu
Worte einem Mannerchor in den Mund zu legen. Spohr's Brief lautete :
Cassel am 10 ten Januar 1835.
Innigst verehrter Freund!
Schon im vorigen Fruhjahr, als ich die Composition Ihres Oratoriums:
»Das Ende des Gerechten« begann, hatte ich die Absicht Ihnen dies anzu-
zeigen ; doch da sich iiber eine Arbeit, die erst im Entstehen ist, nur wenig
sagen l&Bt, hielt ich es fur besser, bis zum SchluB derselben zu warten, um
Ihnen dann ausfiihrlicher dariiber zu berichten oder besser noch, das ganze
Werk in Partitur gleich zur Beurtheilung vorlegen zu k5nnen. Eine Colli-
sion, wie ich sie jetzt durch ein, vorgestern eingelaufenes Schreiben von
Herrn Felix Mendelssohn, erfahre, furchtete ich bei dieser Zogerung nicht,
da ich mich erinnerte, Ihnen bei Zurucksendung des mir gtitigst geliehenen
Bandes Ihrer Schriften geschrieben zu haben, daB ich von dem Oratorium
eine Abschrift genommen habe, und die Composition desselben beginnen
wiirde, sobald ich mich zu einer so bedeutenden Arbeit aufgelegt fuhlen
wiirde. Jetzt nun, da mir Herr Mendelssohn Ihr letztes Schreiben an ihn
vom 19 ten Dezember nebst der TJmarbeitung des zweiten Theils des Orato-
riums iiberschickt, habe ich bereits das ganze Werk vollendet, und bis auf
die letzte Halfte des SchluBchors sogar vollstandig in Partitur gesetzt. Es
ist daher ganz unmoglich, daB ich alle Yer&nderungen der neuen Bearbeitung
noch aufnehmen kann. Ich wiirde die Mtihe dabei wahrlich nicht scheuen;
aber die Form mehrerer Musikstiicke miiBte ganz zerstort werden, was ich
bei diesem Werke, welches, ich darf es sagen, mehr wie alle fruhern aus
einem GuB ist, nicht iiber mich gewinnen konnte. Alle solche Veranderungen
aber, die bios Yerbesserungen der Diction sind, ohne das SylbenmaaB und
den Sinn wesentlich zu verandern. lassen sich, wenn Sie es wiinschen, noch
hereinbringen. — "Was nun Ihren zweiten Wunsch betrifft, daB der Compo-
nist bei Auffassung des Werkes Ihre, in den Anmerkungen ausgesprochenen
Ansichten beriicksichtigen moge, so glaube ich ihm, ohne diese gekannt zu
haben, in meiner Arbeit geniigt zu haben, und es hat mir wahrlich eine
groBe Freude und Beruhigung gewahrt, meine Bearbeitung Ihren Ansichten
fast ganz gleich zu linden. Nur die Ansicht, daB man Jesum nicht singend
einfuhren diirfe, kann ich nicht theilen. Haben unsere frommen Yoreltern
dabei keine Bedenken gefunden, so weiB ich nicht, warum wir jetzt scrupu-
loser seyn wollen. Sollen die am Kreuz gesprochenen "Worte beibehalten
werden, so scheint mir ein edler, ausgebil deter Tenor ein viel wiirdigerer
Keprasentant als ein Mannerchor, der iiber die B alle dramatische Tauschung
bei dem, auBerdem ganz dramatisch gehaltenen "Werke nothwendig aufheben
muBte. DaB der Componist dabei die Aufgabe zu losen hat, das, was Jesus
singt, vor allem Anderen als heilig, erhaben und wohllautend hervortreten
zu lassen, versteht sich von selbst. In wiefern mir dies gegluckt ist, wird
die Wirkung bei der Auffiihrung erproben.
SchlieBlich bitte ich um Erlaubnis, was ich schon beim Beginn der Arbeit
mir vorgenommen hatte, Ihnen die Partitur (die hochstens in acht Tagen
ganz fertig geschrieben seyn wird) zur Ansicht und Beurtheilung vorlegen
zu durfen. Sollte sich das "Werk Ihres Beifalls zu erfreuen haben, so fiige
ich noch die Bitte hinzu, Ihnen, der mich durch die herrliche Dichtung
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286 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
dazu begeisterte, dasselbe als ein Zeichen meiner unbegrenzten Hochachtung
dediciren zu diirfen. Seit lange babe icb eine Gelegenheit gewiinscht, dem
Manne, der durcb seine belehrenden und begeisternden Schriften iiber Muaik
mich von Jugend auf zum Fleifl und Fortscbreiten auf der Ktinstlerbahn
anspornte, einen offentlichen Beweifi meiner Yerebrung und Dankbarkeit zu
geben; icb halte das Werk dazu nicht ganz unwlirdig.
Da icb bereits einen Clavierauszug gemacht habe, der mir beim Ein-
studieren mit den bey den hiesigen Gesangvereinen dient, so kann icb die
Partitur drei bis vier Wocben missen. Dann bitte ich um gefallige Riick-
sendung derselben, um sie ausschreiben zu lassen. Am Cbarfreitag in be-
leucbteter Kircbe wird die erste Auffuhrung zum Besten unseres Unter-
stiitzungsfonds fur Wittwen und Waisen verstorbener Musiker Statt fin den.
So wie ich das Oratorium gehort babe, werde ich fur dessen Verbreitung
tbatig seyn. Hochstwabrscheinlicb werde ich es, wie »die letzten Dinge*
selbst verlegen mtissen, da kein Verleger ein der Arbeit angemessenes Honorar
bieten wird.
Was mich fur ein unersetzlicber Verlust betroffen hat, werden Sie bereits
gehort haben. Die Schreckenszeit, die ihm voranging und das Gefiihl des
'Yerlassenseyns nachher liefien mich in langer Zeit nicht zur Arbeit kommen;
doch fand ich in dieser zuerst wieder Trost und Beruhigung. Da Sie die
Seelige in Ibrer schonsten Kunstlerperiode gekannt haben, wird Sie vielleicht
der beiliegende Necrolog von einem Freunde unseres Hauses interessiren.
Vielleicht wiirde ihn auch Herr Finck1) zu einem Necrolog in der musika-
liscben Zeitung benutzen wollen, da, so viel ich weifi, dort ihres Hirischeidens
noch nicht einmal erwahnt ist. Darf ich um gefallige Mittheilung an die-
selbe bitten?
Einer recht baldigen Antwort nach Ankunft der Partitur entgegensehend,
unterzeichne ich mit den Gefuhlen innigster Hochachtang und Freundschaft ganz
der Ihrige
Louis Spohr.
Rochlitz beharrte auf das Entschiedenste dabei, daB sein neuer, ab-
geanderter Text verwendet werde. Wolle aber Spohr seine Komposition
unverandert lassen, dann miisse auch der Text unverandert bleiben, er,
Rochlitz, werde aber in alien geeigneten offentlichen Blattern gegen seinen
eigenen Text protestieren und zugleich den neuen abdrucken lassen.
Hrn. Kapellmeister Leipzig, d. 15 ten Januar, 1835.
Spohr.
Geehrter Herr und Freund!
Gestern Abends spat erhielt ich Ihren Brief vom lOten d. Ich kann
ihn schon jetzt beantworten, und ganz entschieden beantworten; jetzt, nach-
dem ich im Denken iiber die gesammte Angelegenheit zwiBchen uns diese
ganze Nacbt durchwacbt und Alles in mir beseitigt habe, was sich in mir
aufwallend regen muBte iiber einen Gegenstand, der (und wabrlich nicht mir
allein) ein heiliger ist, und iiber ein redliches, rein-wohlwollendes, treu-fleiBiges
Bemiihn, woriiber icb nun von alien Seiten verwundet werde! — Jetzt stebt
1) Fink, Gottfried Wilhelm, 1783—1846, Rochlitz' Nachfolger als Redakteur der
Allgemeinen musikaliscben Zeitung.
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Emit Rychnovaky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 287
die ganze Sache deutlich vor mir, ich vermag sie ruhig anzuschauen, meine
Pflicht dabei zu erkennen, ihr — einzig ihr — gemaB mich zu entscheiden,
und diese Entscheidung ohne irgend ein Wort, das Sie verletzen konnte,
auszusprechen. Ich werde mich bios an die Hauptpunkte halten, und auch
iiber diese moglichst kurz seyn. Zuvor aber muB ich Ihnen mein herzliches
Beyleid iiber das grofie Opfer bezeugen, das eine hohere Macht Ihnen abge-
fordert hat. Ob dies Beyleid wirklich ein herzliches seyn konne, werden Sie
selbst abnehmen, wenn ich Ihnen sage: Es wurde im Marz 1834 auch mir
eine geliebte, in jeder Hinsicht ausgezeichnete Grattin durch den Tod ent-
rissen; eine innig geliebte Gattin, mit welcher ich fiinf und zwanzig Jahre
lang Freud' und Leid treulich getheilt hatte l). Und sonderbar genug: Eben
jenes Oratorium war die erste bedeutende Arbeit, zu welcher auch ich mit
meinem Schmerze fliichtete, um mich iiber jedes Irdische zu erheben und mich
wieder fahig zu machen, mein Leben in dem Berufe, zu welchem ich von
innen heraus bestimmt bin, niitzlich weiter zu fuhren. Bey diesem Werke
lassen Sie uns nun ernst und besonnen, nicht eigensinnig oder sonst klein-
lich, als redliche, klar denkende, nicht unwiirdig empfindende Manner stehen
bleiben !
Sie, wie von mir, so von der gesammten musikalischen "Welt, als einer
der ausgezeichnetsten und grundlichsten Tonkiinstler anerkannt, betrachten
meinen neuen Text einzig und allein als ein solcher; namlich, als Stoff,
Veranlassung und Aufforderung , eine reiche, vorzuglich wirksame, uberall
eingangliche Composition zu liefern, und mithin hierdurch das Ganze des
Works (Musik und Gedicht) erst zu vervollstandigen und heilsam an den
Gemuthern der Zuhorer geltend zu machen. Wohl; es sey so! Aber denken
Sie denn nicht daran, daft ich, der Dichter, ganz dieselben Anforderungen
an Sie, den Musiker, machen darf, machen muC, (wenigstens dieselben,)
wie Sie an mich; oder vielmehr wir Beyde an das Ganze des Werks? Es
giebt da gar keine achtenswerthe Ein- oder Aus-Rede. Und so muB ich
diese Anforderungen machen, und mache sie auf das Bestimmteste und Un-
wandelbarste. Mithin, ganz deutlich ausgedriickt : Ich mu£ darauf bestehen, daft
von diesem Texte auch kein Wort weggelassen oder abgeandert werde; denn
(ich bin in dieser Nacht meine Abschrift aufs Strengste durchgegangen, um
Ihnen nachzugeben, wo es ohne Nachtheil geschehen konnte) ich weiB nichts
wegzulassen und finde durchaus nichts zu verandern, das die Sache besser
machte oder auch nur ihr nicht einigermaBen schadete. So muB ich darauf
bestehen, und zwar aus Pflicht gegen das Hohere. DaB Sie damit zu schwe-
ren, muhevollen Arbeit(en) genothigt werden, weiB ich sehr wohl: aber Sie
dtirfen dabey doch wahrlich auch nicht vergessen, daB Sie allein durch Saum-
seligkeit im 8chreiben an mich das Ubel herbeigefuhrt haben. Auf Ihre Ver-
anlassung habe ich das Blattchen, das Sie dem zuriickgesandten Buche wirk-
lich beigelegt hatten, mit vieler Miihe unter mehr als hundert Papieren
hervorgesucht. Ich hatte es ganzlich vergessen, und konnte das leicht, indem
es buchstablich nichts weiter iiber den Gegenstand selbst enthalt, auBer : »Ich
will nun, wenn ich zur Kuhe komme, weiter dariiber nach denken, ob ich das
Gedicht in Musik setzen kann.« — Im Einzelnen muB ich noch erwahnen,
daB Jesus durchaus nicht personlich sprechend, (singend gar!) eingefuhrt
1) Rochlitz heiratete 1810 die Witwe des Bankiers Daniel Winkler, die Tochter
des Leipziger Ratsbaumeiiters Hansen.
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288 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
werden darf; durchaus nicht! Eb scheint mir ganz unmbglich, dafl Sie, was
ich dariiber in der Anmerkung gesagt, ungestort gelesen und reiflich iiber-
dacht baben sollten; es scbeint mir um so mebr unmoglich, da Sie sonst
zuverlafiig eben das, was Sie dagegen gesagt, im Ernste, oder vielmehr iiber-
haupt, gar nicbt hatten sagen konnen. Icb achte Sie als Mensch und
Kiinstler viel zu hoch, als daB icb mir hieriiber aucb nur einen Augenblick
Zweifel beykommen liefie.
Es bleibt fur Sie aber nocb ein zweyter Fall moglich: Sie lassen Ibre bis-
berige Composition ganz wie sie ist; aber dann mufl aucb mein Text ganz
derselbe bleiben, wie Sie ihn aus dem gedruckten Bucbe sicb copirt baben;
ganz und gar so! Hiergegen kann icb nicbts einwenden und wende nicbts
ein; denn jener Text, wie er vor so vielen Jahren en ts tan den und vor nicht
wenigen gedruckt worden ist, liegt nun einmal zu beliebigem G-ebraucb vor
aller Welt, leider da. Doch eben so wenig konnen Sie Etwas einwenden,
wenn icb dann sogleicb vollfuhre, was dann meine Pflicht und darum von
mir zuverlaBig vollfubrt wird; namlicb: icb protestiere in alien offentlichen
Blattern, wohin bo Etwas geboren kann, gegen jenen meinen Text, (nicbt
gegen Ibre Musik!) lasse den neuen zugleicb abdrucken, und appelire an das
Urtbeil aller Denkenden, wissenscbaftlicb Gebildeten, wabrbaft Sinn- und
Geschmackvollen im Publikum, die gesammte Correspondenz binzufugend, die
iiber diese ganze Angelegenbeit zwiscben mir, Mendelssohn und Ihnen gefuhrt
worden ist.
Sollten Sie im ersten Augenblick durcb irgend Etwas, das icb bier ge-
schrieben, sicb verletzt fuhlen: (Kiinstler sind leicbt erregbar, und miissen es
seyn) so legen Sie mein Blatt weg und lesen es in rubiger Stunde nocb
einmal; dann werden Sie sicherlicb anders empfinden. Sollten Ihnen Stellen
meines Blatts wohl als selbst in der Erregung geschrieben vorkommen: so
irreten Sie sich und thaten mir Unrecht.
DaB ich unter diesen Umstanden jetzt Ihre Partitur nicht zu sehen
wunschen kann, brauche ich wohl kaum hinzu zu setzen.
Mit wahrer Hochachtung und freundschaftlicher Ergebenheit
Rochlitz.
Neuerdings versuchte Spohr durch asthetische Griinde Rochlitz' Be-
denken zu zerstreuen. Wie diirfe in einem dramatischen Gedicht, darin
die ganze Umgebung Jesu redend eingefiihrt sei, das allein, was Jesus
zu sagen habe, auf andere Weise ausgedriickt werden, ohne die Einheit-
lichkeit des Kunstwerkes zu gefahrden? Bei der vom Dichter gestellten
Alternative bleibe ihm nichts anderes zu tun iibrig, als bei der alten Be-
arbeitung zu bleiben.
Cassel, am 24. Januar 1835.
Geehrtester Herr und Freund!
Ihr Brief vom 15 ten dieses hat mich nicht verletzt, aber tief betrubt,
weil ich daraus ersehe, daB Sie unsere Angelegenheiten weit schwerer nehmen,
als ich mir denken konnte. Wie hatte ich vermuthen konnen, daB Sie gegen
einen Text, den Sie mir vor anderthalb Jahren zur Composition selber em-
pfohlen, nun, nach einigen (wie mir scheint) unwesentlichen Abanderungen
formlich protestiren wiirden? Wie schmerzlich wird es mir daher jetzt seyn,
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Ernst Hychnovsky, Ludwig Spohr and Friedrich Eochlitz. 289
einem Manne, den ich so verehre, und dem ich mich fiir eben diesen Text
von neuem dankbar verpflichtet fiihle, VerdruB verursachen zu miissen, den
ich nicht abznwenden weiB! Denn es ist, wie schon gesagt, ganz unmoglich,
da£ ich den neuen Text, obgleich ich die Arbeit nicht scheuen wtirde, meiner
Composition anpasse, ohne diese ganz zu verderben. Ein Blick in die Par-
ti tur wird Sie selbst davon tiberzeugen. Wollte ich aber auch einige Num-
mern ganz neu componiren, was mir fruhern Erfahrungen gemafi, gewifi nicht
so gut gelange wie das erstemal, so wiirden wir doch in der Hauptsache
verschiedener Ansicht bleiben. Ich will nicht anfuhren, daB, wenn Jesus
nicht personlich redend oder singend eingefiihrt werden darf, er eben so we nig
gemalt oder durch Meisel dargestellt werden durfte, da es nach Ihrer An-
merkung scheint, ah wenn Sie dieB ebenfalls miflbilligten. Aber wie konnte
in einem Gedicht wie das Ihrige, dessen Inhalt ganz dramatisch gehalten ist,
und wo alle Personen der Umgebung Jesu redend eingefiihrt sind, das, was
dieser selbst zu sagen hat, auf andere Weise gegeben werden, ohne die Ein-
heit und Wahrheit des Kunstwerks und dadurch auch die Wirkung zu zer-
s tor en? Die von Ihnen vorgeschlagene Behandlungsweise der "Worte Jesu
wiirde sich wohl fiir ein erzahlendes Gedicht, (wie z. B. die Passion von
Bach) obgleich auch dieser kein Bedenken getragen hat, Jesus singend ein-
zufuhren, eignen, aber nicht fur ein dramatisch durchgefuhrtes wie das Ihrige.
Kann man iiberhaupt diese Worte, wenn sie von einer Einzelperson singend
vorgetragen werden, mehr profanirt finden, als wenn dies redend (z. B. vom
Prediger) geschieht? Ist denn G-esang nicht etwas Edleres als Rede, und
die Musik nicht die geistigste und erhabenste aller Kiinste? Ich kann mich
daher durchaus nicht tiberzeugen, daB meine Absicht eine irrige sey, und
muBte bis jetzt glauben, daB die Ihrige damit iibereinstimme , da Sie bei
unserer Unterredung vor anderthalb Jahren, wo Sie sich iiber die Auffassung
des Werkes verbreiteten , dieses wichtigsten Punktes gar nicht erwahnten.
Bei ihrer bestimmten Erklarung, daB ich entweder den neuen Text vollstandig
anzunehmen oder ganz bei der alten Bearbeitung zu bleiben habe, bleibt
mir leider! nun nichts iibrig als das letztere zu wahlen. Einige Verande-
rungen wie z. B. die des Rezitativs der Maria »er denkt an mich* h&tte ich
gar gerne gehabt, da sie auch mir als wirkliche Verbesserungen erscheinen;
andere aber wiirde ich (wenn auch die Composition nicht schon beendigt
ware), nur ungern aufgenommen haben, weil mir entweder das Alte besser
gefallt, wie z. B. in dem Chor: »Arzt, der alien half* die Zeile »Steig' nun
herab vom Kreuz,« die ein angenehmeres Bild giebt als die neue: » Br ich1
durch ein Wort den Pfahl«, oder weil das neue einer guten, effectvollen und
rnusikalischen Form widerstreben wiirde, wie z. B. die Zusatze fur Solostimmen,
in dem Erdbeben-Chor, die gerade da eintreten, wo die Steigerung den hoch-
sten Grad erreicht hat, und wo daher Sologesang nicht an seinem Platze
sein wiirde. Vermag nun eine Bitte von mir etwas iiber Sie, so sey es die,
dafi Sie sich, in das nun einmal nicht mehr zu Andernde finden wollen,
und mir, wie ich bereits bat, giitigst gestatten, Ihnen das Werk mit
dem alten Text, gegen den Sie wahrlich nicht protestiren diirfen, ohne
gegen sich und ihn ungerecht zu seyn, dediciren zu diirfen. Die Ge-
-vvahrung dieser Bitte wiirde mir in mehr als einer Eftnsicht grofie Freude
^ewahren.
DaB Sie gleich mir einen unersetzlichen Yerlust zu beklagen haben, hat
meine innigste Theilnahme erregt; ich weiB am besten, wie einsam und ver-
s. d. I. m. v. 19
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290 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
lassen man sich in solcber Lage fiihlt! Einer freandlichen Antwort entgegen-
sehend, mit wahrer Hochacbtung und Freundschaft ganz
der Ihrige
Louis Spohr.
Trotz diesem herzlichen Schreiben blieb Rochlitz, einige kleine Ver-
anderungen abgerechnet, die seinen Ansichten keinen Eintrag taten, hals-
starrig, darum antwortete er:
Leipzig, d. 29sten Jan. 1835.
Geehrter HeiT und Freund!
Sie verlangen eine freundliche Ant-wort; und wahrlicb, ich gebe Ihnen
die freundlichste, die ich geben kann und darf. Ich gebe sie gern, sehr gem ;
ich gebe sie von Herzen. Ich sehe ja, es ist Ihnen um unser Vorhaben ebeu
so ernstlich zu thun, als mir selbst!
Aber Sie sehen dies bios als Musiker an: als ttichtiger, erfahrner Musi-
ker; was ich gewifl zu achten weifl, und dem ich mich bei jedem anderen
Gtegenstande des Gedichts gern ftigen wiirde: aber hier darf ich nicht. Hier
ist es Gewissenssache. Ich habe ja auch in Allem, was ich vorher Mendels-
sohn, (Sie kennen dies nun,) hernach Ihnen geschrieben habe, nicht bios,
ja nicht zunachst, als dieser: ich habe als religioser Mann, als christlich-
religioser Mann geschrieben1). Bei solchen ganz verschiedenen Ausgangs-
punkten, sehe ich wohl, konnen wir Beyde in Allem, was sich hieraus er-
giebt, nie einig werden. Ich habe in meinem letzten Briefe mich so deut-
lich gemacht, als mir nur irgend moglich : Ihr jetzt mir gesandter Brief giebt
vollkommenen Beweis, Sie haben in den eigentlichen Sinn, auch nur denkend,
nicht einzugehen vermocht. Yerstehen Sie mich nicht falsch: Was Sie jetzt
geschrieben, ist recht und wahr und gut, aber allein von Ihr em Standpunkt
aus, und sonach dem meinigen durchgangig zuwider. Darum versuche ich auch
kein Wort der Widerlegung. Aber eben darum mufl es auch schlechterdings
bey Allem bleiben, was ich neulich geschrieben habe; bey Allem — bis
auf eine einzige, von Ihnen angefiihrte Stelle, die, wenn sie nach Ihrem
Wunsche wegbleibt, auf meine Ansicht des Ganzen nicht einwirkt. Ich meyne
die Solo-Stelle in dem groBten Chor des Volks. Diese kann ich aufgeben,
und so will ichs auch. — Das Schwierige und Bedenkliche einer zweyten
Composition einzelner Stucke, oder doch ihrer Abanderung, erkenne ich gar
wohl: aber was treibt denn zu einer baldigen Bekanntmachung ? Ich konnte
treiben, weil ich hochstwahrscheinlich nicht mehr lange zu leben habe: aber
ich thue es nicht. Und — lieber Freund — eben dies Werk ist fur Sie,
wie far mich, das wichtigste, und gelingt es, das dauerndste, vielleicht auch
1) Uber tief religiose Anschauungen Rochlitz' dtirfen wir uns bei der Er-
ziehung, die er genossen, nicht wnndern. Denken wir nur daran, da6 die Mutter,
wenn sie in Kummer war, zur Erleichterung des Gemiits zu siugen begann >Befiehl
du deine Weget oder »Auf Gott und nicht auf meinen Rathe, oder sonst ein er-
hebendes Trostlied, dem sich nicht selten »Wie groB ist des AUmacht'gen Giitec an-
schloB; vergleiche Naheres bei Marx und Rochlitz in der Anmerkung 1 Seite 254
angegebenen Literatur.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Kochlitz. 291
— wie seit so langer Zeit der Tod Jesu von Ramler1) und G-raun2) —
bey der ganzen Nation eingreifend; and so wirklich das wichtigste, was
Sie jemals liefern konnen! Verdiente es da nicht — Geduld, Abwarten der
reohten Stunde zum Andern, und selbst (was dann aber nicht einmal nothig
wurde) manches kleine Opfer des Musikers, als eines solchen?
Ich bitte nochmals, was heute und was neulich von mir geschrieben
worden, ganz genau, als nicht weiter abanderlich, zu nehmen und mir nur
mit wenigen Zeilen, ohne besondere Angabe der Beweggriinde, Ihre Ent-
scheidung fur oder wider, sobald Sie sie ge£afit haben, zu meld en. Alles
weitere Erklaren uber diese Angelegenheit, von welcher ich so schone Freude
mir versprochen hatte — alles weitere Erklaren, sag' ich, wenn es nicht zu-
sagend ist, muB mich betruben: und ich bin ohnehin betriibt genug!
Hochachtungsvoll
Sie
begriiBend
Rochlitz.
Noch eine Zeile uber das, was Sie von einer Dedication iiuBern! Herz-
lich dankbar erkenne ich Ihre Zuneigung: aber sollte Ihnen Hr. Mendels-
sohn — wie Anderes, was ich friiher ihm geschrieben, nicht auch die Stelle
copiert haben, worin ich ihm meine wohliiberdachte , fur die Sache selbst,
wenn auch nicht flir die Person, wichtige Absicht mitgetheilt habe? Ist es
nicht geschehen, so belieben Sie es in meinem Namen von ihm zu verlangen.
Er wird sich keinen Augenblick weigern.
Die Unterhandlungen beztiglich des Oratorientextes erfahren zunachst
eine kurze Unterbrechung. Spohr's vierte Symphonie wurde in Leipzig
auf Rochlitz' Veranlassung aufgefuhrt, und das Werk hat ihn so begeistert,
daB er, obwohl er an heftiger Podagra leidet, noch in der Nacht nach
der zweiten Auffiihrung einen ausfiihrlichen Bericht an den Freund ab-
sendet, aus dem wir das Weitere erfahren:
Leipzig, den 6 ten Febr. 1835.
(Freytags !)
Geehrter Herr und Freund!
Sie allein sind Schuld — Sie einzig und allein — daB ich, seit sieben
Wochen von FuBgicht geplagter, wenn auch ubrigens gesunder und heiterer
Mann, seit gestern Abends 11 Uhr bis jetzt, gegen 2 Uhr, mich auf meinem
Lager vergebens nach einer Stunde Schlaf umgesehen, und nun, erstanden
und gegen Erkaltung gekleidet, den Rest der Nacht schreibend hinzubringen
mir vorgenommen habe. Und zwar zunachst schreibend an Sie; denn wie
gesagt, Sie allein sind Schuld an alle dem. Sie haben namlich durch die
zweyte, ganz von mir im wochentlichen Conzert veranstaltete Ausflihrung
Ihrer vierten Symphonie mich dermaBen begeistert und entzuckt, daB noch
in diesem Augenblicke — in welchem ich doch, urn schreiben zu konnen,
meine Aufmerksamkeit theilen muB — alle die Scenen und Lebensereignisse,
die heitern und die traurigen, die scherzhaft neckenden und die feyerlich er-
1) Ramler, Karl Wilhelm, 1725—1798, der bekannte Odendichter.
2) Graun, Karl Heinrich, 1701 — 1759. Sein bedeutsamstes und noch heute jahr-
lich aufgefiihrtes Werk ist >der Tod Jesu«.
19*
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292 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
hebenden etc., da (J alle diese vor meinen Augen, wechselnd, wie bey Ihnen
und im Leben, vorubergehen, dafi jede die sie bezeichnenden Tone — ein-
zelne oder ganze lange Perioden mit ihren Melodien, Harmonien, den eigen-
tliiimlich benutzten Instrumenten u. dgl. — mit sich bringt, und so alles und
Jedes wieder und immer wieder denselben Eindruck macht und zurucklaflt,
wie vor drey "Wochen bey der, nach mehrmaligen, mit Achtung, Liebe und
Fleifi durchgefiihrten Proben, schon trefflichen Ausfiihrung. Denselben
Eindruck, sag1 icb? Nun ja: denselben; aber diesmal noch weit deutlicher,
lebendiger, vertiefter. Icb kam n ami ich scbon damals — wie ich das tiber-
haupt bey groBen Werken zu halten pflege, und immer gehalten habe: ich
kam scbon damals keineswegs unvorbereitet. Seitdem ich nur das erste Wort
davon vernommen, Sie batten eine grofie malerische Symphonie geschrieben;
Sie — wie Ihnen langst bekannt — als Componist und Virtuos mir einer
der hochsten und liebsten Meister unter Allen, die mir als Mitgenossen der
Zeit meines langen Leben vorgekommen: Sie hatten eben eine solche
Symphonie geschrieben und gaben sie bey Haslinger1) heraus: seitdem hatte
dieser von mir den Auftrag, mir fur mein gutes Geld direct fiber Post eines
der ersten Exemplare zuzusenden. Ich schwieg davon gegen 8ie; denn —
ich will es ehrlich gestehen: ich hegte Besorgnisse, mein trefflicher Meister
mochte doch wohl auf diesem, selten fund mit Recht selten) betretenen,
schlupfrigen, auch sonst gefahrlichen Pfade, hin und wieder Fehltritte gethan
haben, und wollte mir durch jenes friiherere Schweigen das Recht vorbehalten,
auch in solchem Falle schweigen zu diirfen. — Haslinger erfullte meinen
Auftrag piinktlich: ich erhielt in Leipzig das allererste Exemplar. Noch in
derselben Stunde, wo es angekommen, machte ich mich an die elegant ge-
stochene Partitur; las, erst neugierig, von Anfang bis zu Ende; dann, wi£-
begierig und freudig erregt; nun, nach Beruhigung durch mehrere Stunden,
langsam, sehr langsam, in jedes Einzelne nun eingehend und es mir ver-
deutlichend auch nach seinen historischen Beziehungen, (so zu sagen!) oder,
wollen Sie es so nennen: ich studierte das "Werk, und war davon in drey
Tagen so weit gebracht, dafi ich mich sattelfest in ihm fiihlte, und von ihm
so eingenommen war, mein schones Exemplar (ein anderes war noch nicht
in Leipzig vorhanden) den nicht immer sauberen Handen der Notencopisten
hinzugeben, damit es nur sobald als irgend moglich zu Gehor kame. Da£
dies geschahe ; dafi es mit bestem Bemuhen, Gliick und Erfolg zu meiner
grofien Freude geschahe: Das habe ich schon gemeldet.
Hier hore ich Sie mich — und mit Grund — durch die Frage unter-
brechen: warum ich damals Ihnen nicht schrieb? Ich habe aber auch Grund,
mit aller Aufrichtigkeit zu antworten : Es fiel dies eben in die Tage, wo ich.
und wahrlich nicht ohne TJrsache, mit Ihnen tiber die bewufiten Verhaltnisse
zu meinem Oratorium unzufrieden war. Ich dachte: Wer meinem Urtheil
diiber as Wichtigere nicht trauet, der wird — und der soil es auch nicht
tiber das, wenn auch noch so Vorziigliche, doch immer und ewig Minder-
wichtige. Und wer dich nach Deinem gesammten Innern so wenig kennt.
dafi er sogar in dem Fache, das euch Beyden so nahe liegt, Deine Ansiehten
und Urtheile gering achtet: was soil der iiberhaupt mit Deinen Ansiehten
und Frtheilen? etc.
1) Haslinger, Tobias, 1787—1842. Wiener Musikalienhandler und Verlegrr
Spohr'scher Werke.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 293
Ich muBte hier eine FauBe machen: ich fiihlte mich geistig und korper-
lich sehr angegrifFen, und in meinen FiiBen fing die Gicht an, allzuschmerz-
haft zu toben. Jetzt (es ist friih vier Uhr) fahre ich ruhiger fort, aber, um
die Pein nicht wieder zu reizen. bios in meinem Geschichtchen von dem, wie
es mir mit Ihrer Symphonie ergangen.
Ich wollte eine Wiederholung der Auffuhrung sogleich fur den n'achsten
Concert-Abend veranstalten : Das war aber der Neujahrs- Abend, wo das auf
den Tag Beziigliche zu viel Zeit hinnahra, zu jener Musik nicht paBte, und
die Achtsamkeit der Mehrzahl Zuhorender von dieser abgelenkt hatte. Fur
die zwey folgenden Abende traten Storungen ein; besonders eine bedeutende
UnpaBlichkeit des Hrn. Mttthai, ohne den dergleichen Werke bey uns
jetzt nicht befriedigend ausgefuhrt werden konnen. Endlich war Alles be-
seitigt: ich konnte die Wiederholung, und zuvor wieder eine hochstgenaue
Probe, veranstalten ; aber ich sollte sie auf dringendes Yerlangen des Arztes
durchaus nicht horen; zumal da die Witterung hochstungtinstig und mit
Sicherheit zu erwarten war, der Saal werde sehr voll und bey der lauen Tem-
peratur von auBen sehr heiB werden. Da saJJ ich nun gestern, zwar gedul-
dig — denn Geduld hat das Leben mich endlich wohl gelehrt: aber, als die
Stunde nahte, ziemlich betrubt. Nun — sagte ich mir: wenn nur Andere
die Freude haben! Das hielt auch wirklich wider, bis gegen sechs Uhr, wo,
wie Sie wissen, unser Concert anfangt. Da iiberlief michs hochstfatal und
ich beschloB, die Symphonie zu horen, mochte es kosten, was es wolle. Sie
sollte namlich im zweyten Theile gegeben werden und ihn ganz ausfullen.
So packte ich mich in Wolle von oben bis unten; lies mir eine Senfte holen,
die Treppen hier hinunter, dort hinauf, mich mehr tragen als ftihren; ge-
langte so, zwar unter argem Schmerz, doch sonst gliicklich und zum Erstaunen
der Mit-Vorsteher in unsre Loge, auf meinen gewohnten Sitz in den Gluth-
ofen ; vergaB, als nur erst das IJbrige vollends vorbey und Ihr "Work im Be-
ginn war, Alles iiber ihm; horte nun, genoB, wie ich oben schon angedeutet
habe ; kam in derselben Weise wie ich hingekommen, auch zuruck : aber
innerlich sehr froh — und sitze nun da und schreibe.
Geehrter Herr und Freund! Sie sind wohl ohne alle Zusicherung von
meiner Seite uberzeugt, daQ ich vieles hinzuzusetzen hatte. Ich mochte auch
Vieles hinzusetzen, und wiirde es, ohne zu fragen, wie es mir bekommen
mdchte : aber indem ich die Sache ruhig uberdenke, zeigt sichs : Sie werden
es schon selber in Ihrem Innern finden ; oder geschahe das nicht, so wiirde
vergebens seyn, was ich hinzusetzte. Ich schlieBe daher einfach, aufrichtig,
von Herzensgrunde theilnehmend : ich wunsche Ihneu Gliick zu jener Ihrer
Arbeit, aus Ihr vollkommen deutlich abnehmend, daB Sie eben jetzt auf dem
Hohepunkte lhres gesammten Kunstlebens stehen; ich danke Ihnen fur die
Freude, die Sie mir auch durch dies Werk bereitet haben und (hoffentlich)
noch ofters bereiten werden; denn so lange ich noch lebe und fur unser Con-
cert gehort werde, soil kein Jahr vergehen, wo ich es nicht zu Gehor brachte ;
und bitte Sie, um Ihrer selbst, lhres Nachruhms und der Wiirde Ihrer Kunst
will en, Ihre jetzige Zeit bestens zu Rath und That zu halten, indem sie,
einmal dahin, sich eben so wenig ersetzen, als zuiiickfiihren laBt; und begi-iiBe
Sie, scheidend, mit einem ehrlichen Handschlag.
Rochlitz.
In dem Antwortschreiben auf beide Brief e (offensichtlich vom 11. Februar).
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294 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Eochlitz.
das in der Sammlung Donebauer nur im Entwurf vorhanden ist, beruft
sich Spohr in betreff der Behandhmgsweise der Worte Jesu auf eine
AuBerung Mendelssohn's, daB das, was ein rechter Musiker mit An-
dacht und von Herzen hinschreibe, wohl keine Profanation sei, ob es
nun Solo oder Chor oder was sonst sein mag. Diese Ansicht, die sich
freilich nur vom Standpunkt des absoluten Musikers begreif en laBt, teilt
selbstverstandlich auch Spohr und bittet Eochlitz, doch gemeinsam mit
ihm fur die Verbreitung des Werkes tatig zu sein. Es heiBt da:
Geehrtester Herr und Freund!
Bevor ich Ihr geehrtes Schreiben vom 29sten Jan. beantworten konnte,
muBte ich mir eine Abschrift Hires Briefes an Herrn Mendelssohn, die Dedi-
kation betreffend, erbitten, da die Nachschrift Ihres Schreibens an mich ohne
diese mir unverstandlich ist. Dieser Aufschub der Beantwortung Ihres letzteu
Schreibens war mir sehr willkommen, weil ich hoffte, langeres Nachdenken
wiirde mir einen Ausweg zeigen, wie diese Angelegenheit zu Ihrer Zufrieden-
heit beendigt werden konnte. Denn es betriibt mich, wie schon gesagt, aufs
hochste, daB ich dieses Mai meine Ansicht, wie ich es so gern thate und bis-
her zu thun gewohnt war, nicht der Ihrigen unterordnen kann. Urn auch
die Ansicht eines andern, zwar noch jungen, aber gewiB denkenden Kunstlers
kennen zu lernen, machte ich Herrn M. (en dels soli n) mit dem Streitpunkt
bekannt und bat ihn um seine Ansicht uber die Behandlungsweise der "Worte
Jesu. Seine Antwort zeigt mir, daB diese ganz mit der meinigen zusammen-
trifft und daB er bey der dramatischen Form des Gedichts eine andere als
die von mir gewahlte eben falls nicht fur moglich halt. Seine Bemerkungen
schlieBen mit den "Worten »ich denke, was ein rechter Musiker mit Andacht
und von Herzen hinschreibt, das wird wohl keine Profanation seyn, ob es
nun Solo oder Chor oder was sonst seyn mag. « Mit dem Briefe des Herrn M.
erhielt ich zugleich den Ihrigen vom 6 ten Febr., der mir abgesehen von
seinem erfreulichen Inhalt, schon deshalb groBe Freude machen muBte, weil
er meine friihere Vermuthung bestatigt, daB Ihre vorhergehenden Briefe an
mich trotz Ihrer Gegenversicherung doch nicht ohne gereizte Stimmung ge-
schrieben waren. Manches, was darin mich freute und betriibte, erscheint
mir nun in einem andern Lichte. Und so darf ich nach der letzten giitigen
Zuschrift nun wohl hoffen, daB Sie an dem Werke, wie es jetzt vorliegt,
freundlichen Antheil nehmen und die Art der musikalischen Auffassung ganz
der Yerantwortung des Komponisten uberlassen werden. Hatten Sie (woran
ich zweifeln muB) die Partitur durchgesehen, so diirfte ich hoffen, daB Sie
schon jetzt mit jener ausgesohnt seyn wiirden, denn ich glaube (wie Mendels-
sohn sagt) mit Andacht und von Herzen geschrieben zu haben. Wenigstens
wird diese Komposition von alien meinen hiesigen musikalischen Freunden
(obgleich sie sie nur erst am Clavier gehort haben) fur meine beste ge-
halten.
Habe ich mich nun in meiner obigen Voraussetzung nicht getauscht, so
wiirde es mich sehr freuen, wenn wir auf die, von Ihnen Herrn M. vor-
geschlagene AVeise, gemeinschaftlich fur die Verbreitung des AVerkes thatig
seyn konnten. Ich bin sehr gern bereit, bey den hiesigen Gesandten (in so
fern es durch diese zu erlangen ist), die nothigen Schritte zu thun, um die
Erlaubnis zu unserer gemeinschaftlichen Zusendung des Gedichts und der
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochhtz. 295
Partitur an die genannten hohen Haupter zu erlangen. Uber das Nahere
wiirde ich dann noch Ihren gefalligen Vorschlagen entgegen sehen. Dock
wiinschte ich, dad solche Zusendungen bald gescbeben konnten, weil ich
den Klavierauszug spatestens im naehsten Herbst herausgeben mogte.
Nun noch achriftlich meinen herzlichen Dank ftir die woblwollende Be-
urtheilung meiner Simphonie. Ich batte bereits ahnlicbe Zuachrtften nacb den
Auffuhrungen derselben in Brealau, Berlin und Wien erhalten, docb keine
bat micb begreiflicber Weise so erfreut als die Ihrige, so wie Ibr Beyfall
stets der scbonste Lobn meines Strebens war.
Endlich gab Rochlitz, der altere Freund, nacb und brachte im In-
teresse des Werkes ein Opfer seiner Uberzeugung. Noehmals prazisierte
er seine Stellung zu dem jiingsten Oratorium trotz der bewilligten An-
derungen und versprach, nacb Kassel zur Auffiihrung zu kommen, falls
es seine Gesundheit zulasse. Lesen wir:
Leipzig, d. 14 ten Febr. 1835.
Geebrter Herr u. Freund!
Endlicb muB die Angelegenheit zwischen una zum AbschluB. Bey wahrer
Acbtung und Zuneigung des Einen gegen den Andern, von der aucb Jeder
von dem Andern tiberzeugt ist, qualen wir einander — und urn was? ura
Etwas, das Jeder fur sein Bestes halt, woran er sein Bestes gesetzt, das er
nur darum unternommen und durchgefuhrt bat, damit die Summe des Guten,
Schonen, Wiirdigen auf Erden um eine Nummer vermehrt werde, biermit
empfanglichen Briidern und Schwestern — wenn aucb ohne ihren Dank —
*Freude bereitet sey, und, wenn sie wollen, fromm-erbebende Freude, hier-
mit ibnen gentitzt werde, und, wenn sie wollen, aufs Heilsamste genutzt:
darum qualen wir einander! Das soil und muB zu Ende. Wie das aber?
Ibr gestern Abends empfangener Brief (vom 11 ten Febr.) iiberzeugt micb
durcb seine gelassene Fassung, ruhige Beharrlicbkeit und unverkennbare Zu-
neigung, wie zu dem ernsten Gegenstande, so aucb zu mir — er iiberzeugt
micb, Sie mtissen und werden bey Ihren Ansichten und Urtheilen bleiben.
Ich babe den groBten Tbeil der Nacbt mit nochmaliger stronger Priifung der
meinigen zugebracht und bin nun — ich schreibe friih gegen funf Uhr —
von neuem in den meinigen bestatiget. "Was nun? Ich sehe nur ein ein-
ziges Entweder-Oder. Entweder: es muB jede offentlicbe Bekanntmachung
des "Werkes unterbleiben. Wie? unter den oben angefuhrten Umstanden?
Das sey feme! Oder: Einer von una Bey den muB ein Opfer bringen.
Wobl ! Der will ich seyn ! Ich bin — was und wie aucb sonst — doch
der altere Freund; der durcb schwierige Sohulen gefnhrte; ich habe auob ge~
wohnter werden miissen, aufzugeben — nicht etwa nur, was ich am meisten
gewiinscht und geliebt, sondern aucb, was ich, ohne alle Rucbsicbt auf micb
selbst, fur gut uberbaupt und fur das beste Resultat redlicber Bemuhungen
gebalten babe. So will ich denn mein Opfer bringen; und damit es voll-
standig geschebe, aucb (hoffentlicb) Ibnen Freude macbe, schweigend.
Darum setze ich auch nichts weiter hinzu, sondern erwahne nur rubig
und kurz, was aus Voratehendem zwar von selbst sicb ergiebt, docb zu weitern
Discussionen Ibnen Yeranlassung geben konnte.
1. Sie werden ohne Zweifel zur Verbesserung dea alten Textes durch den
neuen Alles benutzen, waa ;besonders auch in Hinsicht auf Sprache, Wohl-
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296 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Bocfalitz.
klang der Verse u. dgl.) sich benutzen laGt, ohne daB Wesentliches in Ihrer
Musik geandert werden miiBte. Wie leicht kann dies geBchehen, z. B. in den
Recitativen! Und wer wiirde nicht das Geringere von sich weisen, wenn er
das Bessere haben kann, selbst mit wenig Mtihe und ohne Eintrag seiner
Sache?
2. Da der fruhere, im Wesentlichen nun beybehaltene Text langst dein
Publikum hingegeben war, mithin von mix nicht mehr schicklich als ein
gewiBermaBen Neues dargeboten werden kann: so entsage ich alle dem, was
ich fruher Herrn Mendelssohn, nun durch diesen Ihnen mitgetheilt fiber
gemeinschaftliche Zusendung an GroBe der Erde u. dgl. Verfahren Sie in
dieser Hinsicht ganzlich nach Ihrer Einsicht, Wohlmeynung und Gelegenheit.
3. Ich wiinsche uber das ganze Unternehmen, bis es offentlich hervor-
getreten, nichts weiter zu erfahren, auBer, daB Sie zufrieden seyen mit dem,
was ich heute geschrieben.
4. Gern mochte ich das Werk, wie es nun ist und wird, zuerst in voll-
standiger Ausfuhrung kennen lernen und zu dieser nach Cassel kommen.
Diese wird aber wohl schon vor Ostern statthaben? Da durfen wir schwer-
lich auf andauernd-warme Fruhlings-Witterung, und ohne diese darf ich
schwerlich auf Befreyung von meiner FuBgicht hoffen. Sollte es wider Ver-
muthen anders werden, so komme ich. Sonst aber werden Sie die Gefallig-
keit haben, mir eins der ersten gedruckten Exemplare des Klavierauszuges
zuzusenden.
5. Gott gebe am Werke Ihnen viele Freude: Andern, auBer dieser, auch
vielen Nutzen! Ich hoffe auf Beydes auch fur mich.
Hochachtungsvoll und freundschaftlich ergeben.
Rochlitz. -
Spohr ging nun sofort daran, die neuen Rezitative seiner Musik unter-
zulegen und bat nochmals, da von einer Dedikation des Werkes an ge-
kronte Haupter nicht mehr die Rede sein solle, dem treuen Freund
Bochlitz die Musik widmen zu durfen. Auch die Titelfrage war noch
zu beantworten, da infolge der Textanderungen die Uberschrift »Das Ende
des Grerechten* fiir beide Teile nicht mehr recht paBte. Spohr schrieb:
Cassel, den 18 ten Febr. 1835.
Geehrtester Herr u. Freund!
Den herzlichsten Dank fur Ihren freundlichen Brief; wohl hat er mir
groBe Freude gewahrt. Ich habe mich auch sogleich dartiber gemacht, um den
neuen Text meiner Musik einzuverleiben. In den Bezitativen wird dieB
durchgangig der Fall seyn und ich werde einige deshalb neu komponieren;
auch in die Musikstucke werde ich die meisten und wichtigsten Veranderungen
hineinbringen konnen. So, meyne ich, fiele nun der Grund weg, weshalb
Sie die gemeinschaftliche Zusendung an die Furs ten ablehnen und ich frage
deshalb noch einmal an, ob Sie hier Ihre Ansicht nicht andern wollen?
Sollten Sie aber darauf beharren, so denke auch ich auf diese Zusendung zu
verzichten und bitte dann von neu em, mir freundlich zu gewahren, daB ich
Ihnen das Werk dediciren darf. — Da Sie mir nun giitigst gestattet haben,
die neue Bearbeitung zu benutzen, so frage ich an, ob sich diese Erlaubnis
auch auf den Titel derselben erstrecke? Zwar scheint er mir fur beyde
Theile nicht so passend, wie fur den 2 ten all ein; doch wunschte ich sehr
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 297
Ihre Ansicht daruber zu horen. Oder schlagen Sie vielleicht noch einen
3 ten Titel vor? was mir sehr lieb ware, da durch diesen jede mogliche Ver-
wechslung mit der fruhern Komposition verhindert werden wiirde. Erne
grofie und unverhoffte Freude hat es mir gewahrt, Sie am Charfreytage
bey der ersten Auffuhrung des Werks hier zu sehen, da dieser dieses Jahr
erst in die 2te Halfte des Aprils fallt, wo wir hier fast immer das schonste
Fruhlingswetter haben, so ist wohl zu hoffen, daB Sie alsdann von Ihrem
Fufl-tlbel befreyt seyn werden und daB eine solche Reise Ihrer Gesundheit
nicht nachtheilig seyn werde. Ich bitte daher instandigst, diese ja auszufuhren
und meinem Hause die Ehre zu gonnen, Sie darin bewirthen zu diirfen. Ich
hoffe, Ihnen alle die gewohnten Bequemlichkeiten verschaffen zu konnen.
Eine besondere Freude wiirde es mir auch seyn, Sie mit unsern reizenden
TXmgebungen, besonders mit dem paradiesischen Wilhelmshohe bekannt machen
zu konnen. Auch einige musikalische Geniisse (Opern und ein gutes Quartett)
glaube ich Ihnen versprechen zu konnen. Erfreuen Sie mich daher ja recht
bald mit einer bestimmten Zusage Ihres Besuchs. — In Erwartung dieser
mit innigster Hochachtung und Freundschaft stets ganz der Ihrige
L. Spohr.
Als Titel schlug nun Rochlitz vor »Jesu letzte Leidensstunden*, ein
Vorschlag, der auch von Spohr angenommen wurde; aber die Widmung
des Werkes lehnte der Dichter bescheiden ab, indem er sich schon durch
die Absicht allein genug geehrt fiihlte.
Leipzig d. 24sten Febr. 1835.
Geehrter HeiT und theurer Freund !
Diesmal muB ich ganz so anfangen, wie Sie neulich: Sie haben mir durch
Ihren Brief groAe Freude gemacht. Was kann denn Angenehmeres begegnen,
als, den man ehrt und liebt, zufrieden gestellt zu sehen u. sich als TJrsache
davon zu erkennen? Aber ich mufl hinzusetzen: fast durch jeden einzelnen*
Satz Ihres Briefs haben Sie mir Freude gemacht; und was weit mehr noch
sagen will: durch die Gesinnung, die unverkennbar in alien diesen Satzen
herrscht! Ich meyne nicht bios, ja nicht zunachst, die Gesinnung gegen mich,
sondern die Gesinnung uberhaupt. Wer, wie ich, von friihen Jahren an mit
vielen und vielerley Men sehen zu thun gehabt hat, und unter ihnen noch
besonders mit vielerley Musikern; wer, was die Letztern betrifft, ihre Ge-
dankenlosigkeit, Oberflachlichkeit, (aufier etwa ihrer Kunst,) ihr leichtsinniges,
wetterwendisches, sinnlich-phantastisches, oft genug wahrhaft abgeschmacktes
"Wesen — um nichts noch Schlimmeres anzufuhren: wer, sag' ich, dies in
der Nahe kennen gelernt hat, den mufi ja innig erfreuen, erblickt er nun
in einem Tonkiinstler, den er von jeher aus seinen Werken geehrt und ge-
liebt, jetzt im Sinn, Charakter und Leben den trefflichen, hochachtungswiir-
digen Menschen. Es mufi ihn innig freuen: er kann nicht anders.
Doch genug hiervon. Ich glaube, wir kennen einander gegenseitig jetzt
hinlanglich, um gewiB zu seyn, wie es zwischen uns steht, und daB es also
bleiben konne, bleiben werde, fur immer. An mir soil's wirklich nicht
fehlen.
Was den Titel des Oratoriums betrifft, so habe ich allerdings gemeynt,
Sie nahmen den neuen auf. Wunderlich genug ist es aber, daB ich ihn
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298 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spokr und Friedrich Rochlitz.
nicht mehr weiB und meinen Text nicht befragen kann, da ich ihn im Tn-
muih iiber das, was nun vortiber ist, vor mir selbst unter meine vielfaltigen
Papiere versteckt habe und nun nicht zu linden vermag. Angemessen wird
er aber Beyn, dieser Titel; und Sie selbst finden ihn so. Doch wunschen
8ie einer moglichen Yerwechselung zu begegnen. Dann konnten Sie das
Werk iiberschreiben : Jesu letzte Leiden sstunden. Wahlen Sie zwischen
bey den nach eigener Einsicht.
DaB es bey meiner Weygerung bleibe, das Werk auch von meiner Seite
einigen Fursten zuzusenden: das werden Sie mir nicht miBdeuten. Aber
warum woilen Sie sich dies versagen und den rechtlichen, nicht im Geringsten
herabsetzenden Vortheil, den es Ihnen verschaffen konnte? Ich dachte, Sie
thaten das. Es halt Sie doch nicht ab, daft Sie das Werk einem Andern
widmen woilen; was sich wirklich damit nicht gut vertruge? Ich soil dieser
Andere seyn. Wahrlich, ich weiB diesen Vorsatz, der auch vor der Welt
inich ehren wiirde, zu schatzen und zu verdanken. Aber, theurer Freund,
indein Sie mir ihn ausgesprochen, haben Sie ihn auch schon erfullt; und die
Welt — was man nun so nennt — ist mir mit all' der Ehre, die sie giebt
oder nimmt, gleichgiiltig geworden. Ich leiste ihr, was ich vermag, weil ich
meyne, es konne ihr ntitzen oder sie erfreuen oder beydes zugleich. In Jahr
und Tag werden Sie, erhalt mir Gott das Leben, den besten Beweis kennen
lernen, den ich jemals habe lief em konnen. Ob sie, was ich ihr geboten
oder noch biete, annehmeu, oder wie sie damit und mit mir selbst verfahren
wolle: das kummert mich nicht und wu'd mich niemals kiimmern — — Ich
fdhre dies alles nur an, damit Sie sich durch jenen Gedanken in gar nicht>
storen lassen; da Sie ihn einmal ausgesprochen, nicht etwa eine MiBdeutuu^
oder gar MiBbilligung fur moglich halten u. dgl., sondern in dieser ganzen
Angelegenheit so verfahren, wie es Ihnen gefallt oder rathsam scheint.
Von meinem Besuche zum Charfreytage kann ich nur wiederholen : er ist
inein ernster Vorsatz und meine frohe Hoffnung, die durch alles das, was Sie
' mir jetzt freundschaftlich versprechen, noch viel mehr an Reiz gewinnt. Aber
meine FuCgicht, die nun in die zehnte Woche, obschon jetzt nicht mehr so
arg, als fruher, rumort und sticht und brennt, diese, und die Witterung haben
wichtige Worte drein zu reden. Parum wird es am besten seyn, wir uber-
lassen die Sache bis auf Wei teres dem Geschick, halten aber den Vorsatz
und die Hoffnung fest. DaB ich eine Nacht unter Weges bleiben mufi, ist.
wie ich auch mein Fortkommen anordne, in mehr als einer Hinsicht von
einiger Bedenklichkeit. Doch dies allein soil zuverlaBig mich nicht abhalten.
Hochachtungsvoll und freundschaftlich ergeben,
Rochlitz.
Aus der Beise nach Kassel zur Auffiihrung des Oratoriums wurde
es nichts. Das erlaubte Rochlitzens Gesundheit nicht ; er versprach aber
nach Beendigung seiner Kur Spohr zu besuchen und sich einzubringen,
was er jetzt versaumen miisse.
Leipzig, d. 14 ten Marz 1835.
Geehrter Hen* u. theurer Freund!
Schon heute, nach langer Conferenz mit meinem Arzte, kann ich Ihnen
die Nachricht geben, daB ich, leider, auf die groBe Freude, Ihr Werk, durch
Sie selbst einstudirt und geleitet, zum erstenmale zu horen und bey dieser
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Ernst Kychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 299
Gelegenheit auch in Ihrer Gesellschaft das viele MerkwUrdige und Schone,
was Cassel mit seinen ITmgebungen bietet, gleichfalls zum erstenmale zu
sehen — ganzlich Verzicht leisten muB. Selbst im eignen Lohnwagen, bey
dreytagiger Hin- und dreytagiger Herreise, kann der Arzt seine Einwilligung
nicht geben und ich mufi seinen Besorgnissen beypflichten ; denn , Anderes
uuerwahnt, meine gichtgeschwollenen FiiBe, die noch heute sind, wie seit
dreizehn Wochen, nur nicht mehr mit so heftigen Schmerzen, und das Un-
bestandige jedes fruhen Fruhlings, besonders des jetzigen, wo die Geneigt-
heit zu Gewittern so offenbar und dann jederzeit, lange, bis zum Sommer,
fortdauernd ist: schon dies Bey des miifite micb zuriickhalten. Genie Ben 8ie
daher jenen Tag recht vollgultig, und geniefien ibn doppelt, n anil ich zugleich
fur mich: Meiner dabey gedenken; das werden Sie mtissen; aber mir dann
eine moglichst aufrichtige und bestimmte, auch in Einzelnes eingehende Nach-
richt dariiber zu geben: das, hoff* ich, werden Sie wollen und thun.
Wie ich eben gewohnt bin, an jedes Aufgeben einer werthen, langgehegteu
Hoffnung — will sichs irgend thun lassen — eine neue, wenn auch nicht
so gewichtige anzukniipfen : so mache ich es auch hier. Ich mufl den Monat
Julius in einem Bade verleben. Bin ich dann einmal iin Wagen und sind
Sie dann in Cassel: so komnie ich (Gesundheit vorausgesetzt) zuverlafiig da-
hin, wenn auch auf ITmwegen; und dann geniefle ich mit Din en, freylich
nicht, was ich zunachst suchte, doch aber Alles, was es dort fur mich zu ge-
nieBen giebt. .Ta, es fliegt so eben mir noch ein Zweytes durch den Kopf.
Sie haben durch Hire neueste Symphonie das alte, wohlbegriindete Verhalt-
11 is ausgezeichneter Hochachtung und dankbarer Anerkennung aller Leipziger
Musikfreunde gegen Sie, von neuem angefrischt. Wie ware es, wenn Sie
<rleich nach der Michael ismesse Ihr Oratorium hier im Concerte auffuhrten?
Ich werfe diesen Gedanken jetzt nur hin: spater wird sich mehr dariiber
sagen lassen, und, wie ich mit Zuversicht hoffe, miindlich.
Hochachtungsvoll u. freundschaftlich ergeben,
Bochlitz.
Die endgiltige Absage des Osterbesuchs uberbringt der folgende Brief ;
das darin beriihrte >ungltickliche Ereignis* war nicht in Erfahnmg zu
bringen.
Leipzig, d. 8 ten April 1835.
Lassen Sie mich kurz seyn, geehrter Herr und theurer Freund! Lassen
Sie mich kurz seyn, denn ich bin traurig und mfichte Sie nur frohlich machen,
immer, und jetzt allermeist.
Seit der Friihling so ungewohnlich zeitig und zuletzt auch so ungewohn-
lich freundlich um mich her zu griinen angefangen hatte, (ich wohne mit
schoner Aussicht weit in's Feld) kehrte der Wunsch, den Charfreytag bey
Ihnen, mit Ihnen, durch Sie schon zu verleben, doppelt lebhaft wieder bey
inir ein, und ich machte Anstalt zur Vorbereitung. Mein gichterischer Zu-
<*tand war nicht besser, doch auch nicht schlimmer geworden ; die Beschwerden,
von so sehr langem Zimmersitzen (eben heute vollende ich dessen 16 te Wochej
batten freylich sehr zugenommen, und wie gem ich auch alles gelassen er-
tragen : die, weniger wohl noch hierdurch unmittelbar, als mittelbar, von Seiten
eines hochstgereizten Nervensy stems herbeygefuhrten, ofters schlaflosen Nachte
— wollten sich kaum noch also ertragen lassen Da trat schon Wetter
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300 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochliiz.
ein; ich fuhr in den Mittagsstunden, und ging in ihnen aus — jenes schon
vier-, dies schon fiinfmal; ich fiihlte mich gestarkt und innig erfreut, obgleich
Geschwulst und Schmerz der Fiifle sich sehr mehrten; ich betrachtete meine
Wanderungen als Voriibungen zur Reise nach Cassel; der Arzt liefi das mit
ehrlichem Gesicht mir gelten: da trifft mich am letzten Sonntage, so uner-
wartet und so unverdient, auch so plotzlich, ein ungltickliches Ereignis, das
ohne Schrecken und grofie Alteration uberhaupt zu erfahren gar nicht mog-
lich war: und seit dem Sonntag bin ich geistig und korperlich kranker, als
diesen ganzen Winter jemals. 80 kann mir der, in diesen doppeltstillen und
einsamen Tagen wahrhaft ersehnte Charfreytag keine Freude bieten, aufier
im Andenken an seinen Gegenstand, dessen wiirdige Feyer, wozu ich bey-
trage, und in angenehmer Hoffnung, bald von Ihnen zu erfahren, wie Alles
sich bey Ihnen u. durch Sie gestaltet, wie das Publikum das Werk aufge-
nommen, u. ob Production und Aufnahme Sie recht gliicklich gemacht haben. —
Treulich ergeben,
Rochlitz.
Die nachsten ftinf Brief e behandeln denselben Gegenstand: die Reise
nach Kassel zu Pfingsten oder im August. Das Ja und Nein, das Hin
und Wider erfahren wir am besten aus den Briefen selbst, die zu weitern
Bemerkungen kaum AnlaB bieten. Sie mogen daher hintereinander an-
gefiihrt sein:
Leipzig, d. 1. May 1835.
Geehrter Herr, mein theurer Freund!
Sie werden unzufrieden seyn, da£ ich Ihnen auf Ihren trefFlichen, wahr-
haft freundschaftlichen Brief vom 20sten April noch nicht geantwortet habe.
und ich milGte Ihnen Recht geben, wenn irgend etwas Anderes mich abge-
halten hatte, als was in der That mich abgehalten hat. Das war aber nicht
bios mein jetziger Gesundheitszustand und was dieser herbeyfuhrt; denn als-
dann brauchte ich ja nur, wie ich jetzt time, mich einer fremden Hand zu
bedienen; es war einzig und allein, daB ich Ihnen gern die bestimmteste und
zuverlafiigste Antwort geben wollte: und das hing nicht frtiher von mir ab,
sondern vom Himmel, der zuvor seine Sturme bandigen mufite und vom
Arzte, der gleichfalls ein wichtiges Wort zuvor dreinzusprechen hatte. Jetzt
kann ich diese Antwort geben: und jetzt gebe ich sie.
Zuerst empfangen Sie meinen aufrichtigsten Dank fur Alles und Jedes.
was Sie mir, wie wiirdig und doch auch wie bescheiden — tiber die Auf-
fuhrung des Oratoriums1) und tiber die Wirkung derselben gemeldet haben.
Die letztere war ja sonach gerade die, welche wir Beyde vereinigt uns nur
irgend wiinschen konnten. So thue doch nur ein Jeder redlich und treulich
das Beste, was irgend in seinen Kraften ist, und die gute Wirkung wird
1) Die Auffuhrung fand am Charfreitag statt. >Der Gedanke, daC meine Frau
die Vollendung und Auffuhrung des Oratoriums nicht mehr erlebt hatte, lieG mich
keine rechte Freude iiber diese gelungenste meiner Arbeiten empfinden, und ich bin
erst bei spatern Auffuhrungen zum vollen BewuBtsein ihrer Wirkung gelangt. Eine
Wiederholung des Oratoriums konnte schon in demselben Sommer am ersten Pfingst-
tage stattfinden, den uns der Kurprinz ungewohnlicherweise fur ein Konzert in der
Kirche bewilligt hatte. « (Selbstbiographie, II. Band, Seite 202.:
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Ernst Kychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 301
nicht fehlen. Meine Freude als ich davon las war grofl und auch darum
desto erwiinschter, weil ich eben in jenen Tagen viele und heftige Schmerzen
zu ertragen hatte.
Jetzt zu Ihrer freundschaftlichen Einladung ! Kurz und gut : ich komme,
ich komme ganz gewifl, wenn nicht TJmstande eintreffen, die kein Mensch
vorauswissen kann; was wir aber nicht ftirchten wollen. Ich komme aber
nicht allein ; denn ich kann besonders unter meinen jetzigen Umstanden nicht
ohne Jemand reisen, der im Nothfall mir zur Hand geht. Darum bringe
ich ein hochst achtbares, junges Frauenzimmer mit, das Sie vielleicht schon
selbst in meinem Hause gesehen haben, als ehedem die Gesellschafterin meiner
seeligen Frau. Jetzt ist sie meine treue Gefahrdtin und Versorgerin meines
Hauswesens. Ich melde die£ zuvor um Ihrer giitigen Einladung willen, in
Ihrem Hause zu wohnen; denn, wenn ich auch Anderes nicht erwahnen will,
so kommt es darauf an, ob Sie in Ihrer Wohnung Raum genug fur uns Zwey
besitzen, ohne sich und den Ihrigen Zwang aufzulegen. Das Letztere darf
wahrhaftig nicht geschehen: es wurde sogar mich selbst verlegen machen.
Daruber erbitte ich mir deshalb ganz aufrichtige Antwort. — Dies also soil
auf keinen Fall eine And era ng meiner Z usage veranlassen: nur die Zeit,
wann wir kommen, hangt davon ab, ob wirklich die Auffuhrung des Ora-
toriums an einem der Pfingsttage noch Statt fin den wird. Findet sie Statt,
so komme ich eben den Abend vor derselben in Cassel an; denn ich will
den ersten Eindruck ganz rein empfangen und ganz unzerstreut geniefien.
Sie werden das selber billigen; und da ich einige Tage zu verweilen wiinsche,
so wird es uns Bey den auch nicht an Zeit mangeln, uns mit andern an-
genehmen Gegenstanden zu beschaftigen. Sie selbst gedenken der Oper. Da
wiirde es mir grofie Freude seyn, Zemire und Azor oder Jessonda zu sehen:
voraus gesetzt, daB sie eben jetzt zu Ihrer Zufriedenheit besetzt werden
konnen. Diese beyden Werke gehdren nun einmal zu meinen Lieblingen.
Wenn nun aber diese Auffuhrung an einem der Pfingsttage nicht Statt
hat: dann komme ich mit meiner Freundin nach vollendeter Badekur, hoffent-
lich desto erfrischter und ausgeheiterter. Diefi wiirde geschehen an einem
der ersten Tage des August. Auch iiber dieses muB ich mir bestimmte Ant-
wort ausbitten und sobald sie sich geben laflt, denn ein Mann meiner Jahre,
meiner jetzigen Gesundheits-Umstande fliegt nicht schnell auf, wie die Lerche,
sondern summt und schnirpt erst wie der Kafer auf dem Boden herum, wo
er sitzt.
Hochachtungsvoll und in froher Erwartung des Zukiinftigen, das mich
erwartet, Der Ihrige
Eochlitz.
Leipzig, d. 8 ten May 1835.
Ist es doch als ob sich zuweilen gegen ein nicht unlobliches Vorhaben
alle Machte des Erebus stemmten! und kann uns in solchem Fall nur die
Erfahrung aushelfen, daft, hat man endlich alle Hemmungen iiberwunden, der
Erfolg gemeiniglich noch schoner wird, als man sich vorher ihn gedacht hatte.
Gewisse Vorfalle, die vorher zu sehen eben so unmoglich war, als nun,
sie abzuwenden, machen es mir — ohngeachtet indessen der Fruhling mit all'
seiner Herri ichke it eingezogen und auch nicht ohne wohlthatigen Einflufi auf
meine Gesundheit geblieben ist — durchaus unthunlich, zum Pfingstfeste bey
Ihnen, geehrter Herr und theurer Freund, an die Thur zu klopfen; mag es
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302 Ernst Rychnovsky, Lodwig Spofar und Friedrich Rochlitz.
nun bey jener Musikauffiihrung bleiben oder nicht. Miindlich mehr dariiber ;
jetzt aber nur noch das Wort; diese AuffUhrung — eben diese — im hellen,
hohen Fruhling a. am freudigen Pfingstfeste wiirde nicht wohl angemessen
und zuveriassig auch nicht von der besten Wirkung gewesen seyn. Dagegen
wiederbole ich hier mein Versprechen, und zwar mit voller Zuversicht: Nach
vollbrachter Badecur — und das heifit: einen der letzten Tage des Julias
oder einen der ersten des August — trete ich bey Ihnen ein ; und zwar dann
von Weimar aus, wo ich den Monat Julius verleben werde und wohin ich
mir wahrend dieses Monats zu schreiben bitte, wenn Sie namlich dann mir
uberhaupt schreiben wollen. — Uber gewisse Nebenumstande meines Aufent-
halts in Cassel beziehe ich mich auf mein letztes Schreiben. Bis Ende der
Pfingstwoche mufi ich hier in Leipzig bleiben. — Ich kann Ihnen nicht sagen,
wie sehr ich mich auf Sie, die Ihrigen und Cassel uberhaupt spitze und freue.
Gott gebe uns gesunde Tage: fur das Ubrige wird dann Bath; wohl auch
zur Bekanntschaft mit Ihrem Werke, obschon nur beym Pianoforte.
Von Herzen der Ihrige
Rochlitz.
Leipzig, d. 20 8 ten May 35.
Diesmal nur im Fluge, mein theurer Freund ; denn es ist Zahltag, das
Blatt will die TJberbringerin 1) heute haben und ich erfahre so eben erst, daB
dies so seyn muB.
Alles und Jedes, was Sie mir uber meinen Besuch in Cassel in Ihrem
schonen, zutraulichen Briefe vom 15 ten schreiben, ist schon und gut und
wahrhaft freundschaftlich. Fiat! Den Tag meiner Ankunft werde ich vou
Weimar aus melden. GewiB: wir werden frohe Stunden geniefien; wir Beyde
und alle Betheiligte !
Die TJberbringerin — kurz und gut: ist unsere in jeder Hinsicht vor-
ziiglichste Klavierspielerin. Nicht bios, daB sie, wie Clara Wieck, Alles
bezwingt, was auf ihrem Instrument zu bezwingen ist: sondern, und noch
vielmehr, darum: weil sie die verschiedenen Autoren so verschieden vorzu-
tragen, Jedem sein Becht zu geben, und uberhaupt so viel Seele in ihr
Spiel zu legen weifi. Versuchen Sie nur und lassen Sie neben einander —
z. B. Mendelsohnsche Compositionen, Beethovensche und Etwas von Ihrem
Schuler (wie heLBt er doch gleich?J spielen; von dem, der in letzter Zeit
sich Ihnen so wacker nachzubilden vermocht hat! IJbrigens ist sie auch auBer-
dem eine Frau von ausgezeichneten Kenntnissen, feinen Sitten, ohne die ge-
ringste Pr'atension, (sie spielt, trotz alien Auf forderungen, nie offentlich) von
trefflichem Charakter uberhaupt, und verdiente Ihren und der Ihrigen Antheil,
wenn sie auch das grofie C. nicht zu finden wiiBte. Sie spitzt sich darauf,
mit Ihnen zu spielen: kann aber nur einige Tage bleiben.
Genug fur heute, und recht Yieles miindlich ! Sie und die werthen Ihrigen
bestens begruBend, und meine kunftige Reisegefahrtin diesen empfehlend,
Bochlitz.
Weimar, d. 14 ten Julius, 1835.
Geehrter Herr und theurer Freund !
Jetzt, wo ich die treffliche Wirkung der Bader auf meine Gesundheit
freudig empfinde, kann ich auch die Zeit meines hiesigen AufenthaHs und
1) Die im folgenden Brief erw'ahnte Madame Voigt.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 303
folglich meiner Reise nach Cassel genan bestimmen. Ich reise den 1 sten August
ab, und es wird von der Witterung abhangen, ob ich in Eisenach auf der
Wartburg eine Pause halte oder nicht, und mi thin im ersten Falle den 3 ten,
im zweyten den 2 ten ankomme. Sobald ich nur die vier Pfahle besehen
habe, erfahren Sie meine Anwesenheit; wobey ich nur noch die Bitte urn
moglichst-baldige Antwort, wenn Sie diese und die drey folgenden Tage nicht
gegenwartig oder diese Ihnen nicht bequem waren, anbringen will.
Madame Voigt kam in Leipzig den Tag vor meiner Abreise zu mir, ihr
Entziicken auszusprechen tiber Sie, (ohngeachtet Sie unwohl gewesen,) die
werthen Ihrigen, Ihre neuesten Compositionen, (besonders ein Doppel-Quartett)
Ihr Spiel, Ihre, der Ihrigen, Ihrer Freunde hochstfreundliches und hochstgefalliges
Bezeigen etc. und bestatigte damit, ja iibertraf, AUes, was ich fur meine An-
wesenheit gehofft hatte. Doch auch hier eiue Bitte! Vergessen Sie nicht,
daB sie (ohngefahr) 25, meine Wenigkeit 65 Jahre ist! Vergessen Sie be-
sonders es nicht in Hinsicht auf die Anzahl neuer Bekannten, die Sie viel-
leicht mir zuwenden mochten! Eben diese Anzahl, die ich nicht abweisen
kann, da sie von Achtung und Zuneigung herbeygefiihrt wird, treibt mich
hier tag-taglich von frtih bis Abend ab und wird dadurch mir fast zu einer
Noth, hier, wo sonst mir Alles vollkommen nach Wunsche geht und selbst
die Herrschaften mit ihrem gesammten Hofe mir nicht den geringsten Zwang
anlegen, sondern nur durch ihren Umgang mich erfreuen.
Hab' ich Ihnen denn schon gemeldet, da£ ich diesmal aus Besorgnis des
Arztes um meine Gesundheit Franziska Kilbler, vormals die Gesellschafterin
meiner seeligen Frau und nun meine Pflegerin, mit mir genommen habe?
Sie ist ein so vorziiglich gebildetes Frauenzimmer, da£ hier sogar die ersten
Damen sie in ihre Cirkel laden. Musik versteht sie wenig, weiB aber »gut,
mittelmafiig und schlecht* sehr wohl zu unterscheiden.
Und so gebe der Himmel, dafi wir einander gesund treffen und heiter
geniefien !
Gruflen Sie im voraus alle, denen, Ihrem Urtheil nach, an meinem GruCe
gelegen seyn mag.
Hochachtungsvoll und freundschaftlich ergeben,
Rochlitz.
(Cassel) d. 3 ten August (1835).
P. P.
Von Herzen begriifte ich Sie und die werthen Ihrigen in dem schonen
Cassel aus dem furchtbar vornehmen romischen Kaiser. Ich wiirde meinen
Grufi sogleich selber bringen, wenn nicht, nach dem ununterbrochenen hochst-
glucklichen Julius gestern mich im hochsten Grade unbesorgt und unverschul-
det ein Ungluck uberfallen hatte, das mein und Franziska's Leben in die
hochste Gefahr brachte und dessen Nachwehen nur bey moglichster geistiger
und korperlicher Ruhe — dann aber hoffentlich baldigst voriibergehen werden.
Uber dies, und was noch Alles, mundlich, wenn Sie mir heute Ihre Gegen-
wart schenken konnen. Jetzt aber bitte ich, dem Uberbringer, meinem Lohn-
kutscher aus Weimar, den ich hier behalte, einen nicht-vornehmen Gasthof
in Ihrer Nahe zu nennen, wohin er sich dann morgen mit den Pferden be-
geben und uns zur Hand seyn kann.
Hochachtungsvoll und in freundschaftlicher Erwai-tung
Ihr
Rochlitz.
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304 Ernst Kychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
Die schonen Tage von Kassel waren nun vorbei; kaum daB er sichs
in seinem Nest wieder bequem gemacht hatte, bot Rochlitz, der nimmer
miide, seinem Spohr versprochenermaBen den Text zu einer neuen Oper
an, der Stoff historisch, romantisch, aber ohne alles Geisterwesen. Es
war das orientalische Marchen von »Parisade und Brahman* mit einein
dazu gehorigen Prolog, dem Schauspiel >Khosru, Schach von Persien*.
Leipzig, d. 9 ten Septbr. 1835.
Geehrter Herr und theurer Freund!
Wenn die Wiederholung meines aufrichtigsten Danks fur die mir. durch Sie,
die Ihrigen, und wer sich sonst nahe an Sie angeschlossen, so sehr bereicher-
ten und so hochstangenehm gemachten Tage in Cassel — so spat kommt: so
rechnen Sie es bloB dem zu, daB — nach etwas iiber sechswochentlicher Ab-
wesenheit — sich so Yieles aufgehauffc hatte, was abzuthun oder durchzu-
arbeiten war, daB Zeit und Krafte kaum ausreichen wollten; dies aber urn
so vielmehr, weil ich, vom Arzt vor allzuscharfem Contrast mit dem Nachst-
vorhergegangenen gewarnt, mich einigermaBen zuriickhalten und was nicht all-
zudringend, verschieben muBte. Darunter glaubte ich nun auch das Schreiben
an Sie rechnen zu diirfen, und dies um so mehr, weil ich hoffte, Ihnen dann
auch etwas iiber die versprochene Oper melden zu konnen.
TJnd das kann ich nun wirklich. Der Gedanke daran hat mich in alien
freyen Stunden begleitet; und ohngeachtet ich, wie ich Ihnen schon miind-
lich gesagt, an das Ausarbeiten nicht friiher kommen kann, als gegen Ende
Octobers: so habe ich doch die Freude, melden zu konnen, daB ich auf Spazier-
giingen mir einen Plan ersonnen und nach allem Wesentlichen nun im Kopfe
fertig habe — einen Plan, mit dem ich, der nicht im Geringsten gewohnt
ist, sich iiber seine Arbeiten selbst zu schmeicheln, zufrieden seyn darf. Ich
kiindige davon nur folgendes im voraus an. Auf alle jetzige Theater- und
Opern-Verhaltnisse, in wie weit sie verniinftig sind, ist Riicksicht genommen :
und darum kann auch das Stuck iiberall gegeben werden. Der historische
Inhalt ist, was die Hauptgegenstande betrifft, noch gar nicht dagewesen;
iibrigens romantisch, aber ohne alles Geisterwesen — indem ichs lieber mit
Geist als mit Geistern halte. Der durch das Ganze herrschenden Stimmung
nach — mithin fiir die musikalische Behandlung im Allgemeinen — weiB ich
keinen bessern Vergleich, als Ihre Zemire undAzor. Dies moge vorlaufig
genug seyn : aber ich habe nebenbey auch noch einen andern Yorschlag, den
ich zu bedenken, und dann (kann es geschehen: nicht zu spat) mir Ihre
Meynung iiber ihn mitzutheilen bitte.
Die Sammlung (»Auswahl< etc.) meiner friihern Schriften in sechs Banden
— dieselbe, worin das Oratorium stand — ist Ihnen nicht unbekannt, und
wenn Sie sie auch nicht besitzen, so werden Sie doch wohl leicht den lsten
Band derselben geliehen bekommen konnen. Dieser fangt an mit einem
dramatisirten, orientalischen Marchen: »Parisade und Brahmanc — dem
ein dazu gehorender Prolog: »Khosru, Schach von Persien* — vorgeht,
welcher gewissermaGen ein kleines Schauspiel fur sich ausmacht. Dies Beydes
zusammen konnte (allerdings das zweyte mit groBer Umformung und Ab-
kiirzung) ein gewiB nicht uninteressantes, in seiner Art ganz neues Stuck
abgeben. Der Prolog, wenig abgeandert, wiirde vom und zwar ganz als
Schauspiel, (mit nur weniger Instrumentalmusik an einigen Orten,) mithin
auch von Schauspielern gegeben: dann begonne erst die Oper: Parisade etc.
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Kochlitz. 305
doch eine eigentliche Oper wiirde es auch nicht, sondern nur ohngefahr
in dem Maafie eine, wie Maria v. Webers Pretiosa alien falls eine genannt
werden konnte — nur mit betrachtlich mehr Musik und besonders mit weit
groBern Musikstiicken, auch tiichtigen Finalen. — Belieben Sie von diesen
Gesichtspunkten aus das Ganze ernstlich anzuschaun, und dann die Besultate
Ihres Nachdenkens, nicht nur iiber das Ganze, sondern auch tiber die m u si-
kalis ch wichtigsten Scenen und Situationen, zu melden. An Effect wiirde
es, wie mich diinkt, keineswegs fehlen; und an solcben, wie ihn, mit Recht
oder Unrecht, die Mehrzahl jetzt vorztiglich liebt, am wenigsten. Sollten Sie
vielleicht von diesem zweyten Stuck sich jetzt mehr angezogen fuhlen, als von
dem ersten — der eigentlichen Oper: so hatte ich nichts dagegen, und diese
verblieb uns ja auch fur eine spatere Zeit. —
Mendelssohn ist nun bey uns. Er trat in der Gesellschaft mit eben so
viel Klugheit, als ernster und doch freundlicher Haltung auf. Wie billig,
kommen wir ihm moglichst entgegen und erleichtern ihm, was sich erleich-
tern lafit. Schon habe ich mit ihm den Flan zu alien 20 Concerten ent-
worfen: nicht nur durch die Ausfuhrung, sondern auch durch die Wahl des
Auszufuhrenden soil und wird das Institut hoher gehoben werden als es ja-
mais gewesen ist. Ich sehe der Eroffnung mit vieler Freude entgegen; wie
ich auch schon um meiner uber Erwarten gestarkten Gesundheit willen frohe
Tage verlebe.
GriiBen Sie die lieben Ihrigen aufs Beste, und wem sonst an meinem
GruBe gelegen seyn kann, gleichfalls. Ich wiinsche, daB unter den letztern
Ihr geistig- und korperlich-runder Violoncellist sey. Ihr
Kochlitz.
Spohr sympathisierte nicht sonderlich mit der Mischgattung Schau-
spiel und Oper und schlug seinerseits einige ihm zweckentsprechend
scheinende Veranderungen vor.
Cassel, den 20sten September 1835.
Hochgeehrter Herr und Freund!
Ich habe weder in unsern Leihbibliotheken noch in der offentlichen Biblio-
thek die Auswahl Ihrer Schriften gefunden und deshalb nun an einen Be-
kannten geschrieben, der sie mir hoffentlich verschaffen wird. Meyne Meynung
iiber Ihren Yorschlag wegen »Farisade und Brahman c kann ich daher im
speciellen noch nicht aufiern, doch verhehle ich nicht, daB die Gattung (:Schau-
spiel mit Gesang,) mir mififallt, weil sie nichts ganzes und dabey selbst un-
praktisch ist, da die Schauspieler nicht singen und die Sanger in der Kegel
nicht reden und spielen konnen. Am liebsten hatte ich ein Opernbuch, das
sich, unbeschadet der Yerstandlichkeit ganz durchkomponiren liefie. Da sich
aber solche Stoffe, die einfach und doch anziehend und ganz frei von un-
musikalischen Situationen sind, nur hochst selten aufnnden lassen, so wiinsche
ich wenigstens eins, in welchem nur so viel Dialog als zum YerstandniB un-
entbehrlich ist, vorkiime.
LieBe sich aber der, von Ihnen vorgeschlagene Stofif so bearbeiten, daB
das Yorspiel »Khosru« (vielleicht zu besserer Yerstandlichkeit der darauf
folgenden Oper, etwas erweitert,) bios als Schauspiel, von Schauspielern
gegeben und nur durch eine Ouverture eingeleitet, die folgende Oper >Fari-
sade und Brahman* dann aber ganz in Rezitativen (ohne alle Dialoge) hin-
gestellt wiirde, so ware das eine neue und wie mir scheint hochst interessante
a. d. I. M. v. 20
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306 Ernst Bychnoraky, Ludwig Spohr and Friedrich Rochlitz.
Gattung. Es wiirde dann gewissermafien das Unmusikalische und das, zum
Yerstandnis des Sujets unentbehrliche vorausgeschickt und das Komantische
oder Phantastische , zur K composition Geeignete als Oper hinterhergegeben.
Konnte nun voUends das Ganze so geordnet warden, dafi das Yorspiel i/j oder
3/4 Stunden, die Oper 7/4, hochstens 2 Stunden dauerte, so ware an der Form,
glaube ich, gar nichts auszusetzen. Doch ware wohl auch noch erforderlich.
dafi von den Personen des Yorspiels in der Oper keine wieder vorzukommen
brauchte, (oder allenfalls stumm,) weil jenes nur von Schauspielern gegeben
werden soD. Ob dies bey Ibrem Stoff moglich, kann ich freilich nicht be-
urtheilen, da er mir noch unbekannt ist.
Diefi ist es, was ich Ihnen zur weitern Prufung vorlegen wollte. Die
freudige Nachricht am Schlufi Ihres Brief es, dafi Sie sich nach der Reise sehr
gestarkt fiihlen. hat mich dazu ermuthigt.
Yor 14 Tagen habe ich nun endlich auch wieder zu arbeiten angefangen
und bereits von einem neuen Quartett die beyden ersten Satze beendigt.
Herrn Mendelssohn bitte ich herzlichst zu grufien. Durch sein Wirken
werden Hire Concerte gewifi neu belebt werden. Kann es seyn, so bitte ich
meine 3te Sinfonie [o^noll unter Mendelssohns Direction auf Ihr Repertoir
zu bringen; ich halte sie fur meine gelungenste Arbeit in der eigentlichen
Sinfonie-Form.
Meine Tochter und Schwiegersbhne lassen sich Ihnen und Fraulein Fran-
ziska angelegentlichst empfehlen. Mit inniger Freundschaft stets ganz
der Ihrige
Louis Spohr.
Rochlitz replizierte, indem er selbst — neben dem Dank fiir die tlber-
sendung des Oratoriums — einige weitere Aufklarungen iiber den Opern-
stoff gab.
Leipzig, den 12 ten Octbr. 1835.
Geehrter Herr und theurer Freund!
Etwas iiber zwey AYochen ist es, dafi Ihr Brief, und drey AVochen, dai>
Ihr Oratorium in meinen Handen ist. Bechnen Sie es nicht bios meinen eben
jetzt drangenden Arbeiten und den Unruhen der Messe zu, dafi ich Ihnen
meinen Dank fur jenes theure, ja noch besonders mich ehrende Geschenk
so lange schuldig geblieben bin ; denn zu einem Worte des Dankes wird dem.
der ihn wirklich fuhlt, immerdar Zeit: rechnen Sie es zunachst dem zu, dafi
ich zu hoffen mir erlaubte, das feine Cassel werde Ihnen indessen ein Exemplar
ineiner »Auswahl< etc. geliefert haben, wo dann ich gewifi bald Weitere-
iiber jenen zwischen uns in Frage gestellten Gegenstand erhalten wiirde.
Langer kann ich jedoch meinen Dank nicht auf dem Herzen behalten ; und
so nehmen Sie ihn denn hin, einfach, ohne alle Phrasen der Hoflichkeit, doch
mit der Yersicherung : Ich zahle es zu den Glucksfallen meiner letzten Jahre.
dieses Ihr TVerk veranlafit zu haben; ich werde oft zu ihm zuriickkehren.
stets in der rechten Stimmung, stets mit erneuter Hochachtung gegen den
Meister, stets mit Erinnerung an den hen%lichen Nachmittag in Cassel, wo
zuerst es mir bekannt gemacht wurde, stets mit Wunsch und Hoffhung, friiher
oder spater es auch einmal — wo moglich, zu angemessener Jahreszeit und
in einer Kirche — zu horen und seines Eindrucks ganz vollstandig theilhaft
zu werden.
Nach Hirer Ansicht und Meynung iiber »Kho s]ru« und >Parisadec ver-
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 307
langet mich nicht wenig. Bis dahin setze ich noch einige Anmerkungen
dariiber her.
Ihrem TJrtheile tiber ganzliche Trennung beyder Stticke, so daB das erste
ganz Schauspiel bleibt, mithin von Schauspielern (nicht von den Operisten,
die nur im zweyten auftreten) ausgefuhrt wird etc. stimme ich nicht nur voll-
kommen bey, sondern es ist auch ganzlich meyne Meynung gewesen, die ich
im fruhern Briefe erklart, wahrscheinlich aber nicht deutlich genug ausgedriickt
habe. Khoru nnd Yanta, die Einzigen, die in der Oper wiederkommen,
miissen hier urn fast 20 Jahre alter erscheinen. — In der Oper aber alien
Dialog in Recitativ zn bringen, und nicht des Recitativs zu viel, zugleich
die Oper zu lang zu machen, als daB sie mit dem Vorspiel an Einem Abend
gegeben warden konnte: das scheint mir unmdglich. Wenn aber irgendwo
der Wechsel von Dialog und Gesang zulaBig ist, so ist er es in solchen
marchenhaften Opern ; und in Wirkung auf ein gemischtes Publikum gewinnen
sie dadurch noch ganz offenbar. (So wtirde z. B. Ihr »Rubezahl« in solcher
Wirkung gewiB gewonnen haben, wenn er also bearbeitet worden ware; da
es hingegen bey der Jessonda eine andere Sache ist). — Die gr 6 fit en
Anderungen, die ich bey der TJmgestaltung des zweyten Stiicks nothig finde,
sind folgende. Amir a muB ganz wegbleiben und das Wesentlichste dessen,
was sie zu sagen hat, auf andere "Weise vermittelt werden. — Die Wieder-
holung jenes gef&hrlichen Abenteuers an Bruder und Schwester (im 2 ten Act)
darf nicht statthaben. Des Bruders Schicksal muB schon entschieden seyn
und bios kurzlich in der Folge erw&hnt werden. Der Act muB mit der
Scene Parisadens, Seite 84 folg., eroffhet werden, und mit Yanta's Todte
schlieBen, so daB nur drey Acte werden. — Die nicht kurze Scene zwischen
Minora und Zade, S. 59 folg., bietet die meisten Schwierigkeiten. Wird
sie weggelassen, so geht der magische Zusammenhang mit alle dem, was in
der Folge den Genius betrifft, verloren, und dessen ganze, sonst sehr giinstige
Rolle, selbst fur die junge Darstellerin, bleibt Flick- und Stiickwerk. Da-
gegen die lange Erzahlung! Hier kann, meines Erachtens, nur zweyerlei
helfen: erstens die Poesie selber, zweytens, daB man die Zade: da sie (wenn
das nothig) gar nichts zu singen bekommt, einer vorztlglich gut und mit
lebendigem Ausdruck recitirenden Schauspielerin giebt. Eben dies iiber-
nimmt gewiB eine jede gern. — Doch bleibt es allerdings bey der Abrede,
was das ganze Stuck betrifft: Wenn es Sie nicht dazu treibt, so lassen wir
es liegen, denn auch der trefflichste Kiinstler wird nie etwas wahrhaft Aus-
gezeichnetes ohne wahren, inner en Antrieb liefern. —
Mendelssohn ist hier vollkommen so ruhmenswiirdig, als wir Beyde er-
wartet hatten, aufgetreten, und zwar als Componist, Virtuos, Director, und
Mann. So hatte er auch bald Alles fur sich eingenommen; und er kann
mit dem Orchester zu Stande bringen, was wir hier noch nie von diesem ge-
hort haben. Es wird aber auch in reich'stem MaaBe anerkannt und er fuhlt
sich sehr gliicklich.
Ich begriiBe Sie und alle die werthen Ihrigen aufs beste. Das thut auch
Franziska.
Hochachtungsvoll und von Herzen ergeben,
Rochlitz.
Indessen trat Spohr zum zweiten Mai in den Brautigamstand. Seine
Wahl fiel auf Marianne Pfeiffer, die Tochter seines Freundes, des
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308 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
Ober- Appellations-Rates Karl Pfeiffer, deren musikalische Begabung, und
deren solides Klavierspiel ihm schon aufgefallen waren, da Marianne bereits
friiher des oftern ini Cacilien-Vereine ausgeholfen hatte. Auf die bevor-
stehende Vermahlung (die am 3. Januar 1836 stattfand) einerseits, auf
den schwerwiegenden EntschluB Spohr's, der Opernkomposition zu ent-
sagen und sich nurmehr dem Oratorium zu widmen, andrerseits bezieht sich
der folgende Brief Rochlitz':
Leipzig, d. 20sten Nov. 1835.
"Wie sehr und wie erfreulich haben Sie, geehrter, theurer Freund, mich
(lurch die Nachricht von Ihrer bevorstehenden Verbindung iiberrascht! so
sehr, dafi ich nicht uuterlassen kann, Ihnen und Ihrer kiinftigen Gemalin
meinen herzlichen Gliickwunsch so bald zuzurufen, als es mir nur moglich
ist. Lassen Sie mich nun ganz aufrichtig gestehen. Seit ich in Cassel
Gelegenheit gehabt, Sie in Ihrem doppelten Beruf — dem innern als dich-
tender und unmittelbar-praktischer Kiinstler, und dem aufiern, als mittelbar-
praktischer Meister, Director, Lehrer etc. mit Allem, was dieser mit sich
fiihrt — zu beobachten, seitdem hat es deutlich und uberzeugend vor mir
gestanden: Der zweyte wird, leider, fur den ersten aufreiben, abzehren, und
bey der Liicke, die dann im Innern des lieben Freundes entstehen und ihm
selbst fuhlbar seyn und bleiben mufi, wird er, wenn auch hochachtbar und
loblich wirksam, doch nicht innerlich befriedigt und gliicklich seyn — wenn
nicht irgend Etwas in sein Leben tritt, das ausdauernd und in alien Stun-
den des Geftthls hohern Geistesbedurfnisses zur Hand ist, bald zu berahigen,
bald anzuregen, bald angenehm auszufullen, auBzugleichen. zu erheitern und
zu erquicken. Und was hatte dies seyn, was hatte dies leisten konnen,
aufier ein neues Eheband, und eben ein solches, wie das ist, das Sie ge-
troffen? — Urtheilen Sie nun selbst aus diesem, was ich viel weiter fort-
setzen und auch auf manches Andere anwenden konnte, — ob jene Nachricht
mir nicht erfreulich und mein Gliickwunsch nicht herzlich seyn mufi. —
Was nun Ihre liebe Braut im besondern betrifft, so bedauere ich, dafi ich
nicht Gelegenheit gehabt, sie naher kennen zu lernen, als an jenem Abende,
wo Sie mich Ihr Oratorium horen liefien und ich ganz 1 ich mit diesem be-
schaftigt war. Aber wie ausgezeichnet sie jene Satze desselben, die doch
nichts weniger, als sonstige Frauenzimmer-Musik enthalten. auf dem Piano-
forte vortrug, und mit welch ernster Theilnahme sie beym Gesange war:
Das ist mir keineswegs entgangen. Und nun hat Franziska (die sich Ihnen
Beyden freudig theilnehmend empfiehlt) mir Vieles, und nichts als Gutes.
Schones und Angenehmes aus ihren Gesprachen mit ihr, der Braut, erzahlt,
was ich nur mit wahrer Achtung und wahrem Vergniigen habe horen konnen.
ITnd da ich hoffe, nicht zum letztenmal in Cassel gewesen zu seyn: so wird
sich leicht nachholen lassen, was damals nicht geschehen konnen. Indessen
bitte ich ihr, mit den besten Begriifiungen von meiner Seite, aus Vorstehen-
dem zu sagen, wo von Sie glauben, da6 es ihr mitangehort. —
IJber Anderes, was Ihr Brief enthalt, diesmal nur wenige Zeilen.
Ihren EntschluB, sich, was die Gesangsmusik betrifft, lieber dem Ora-
torium als der Oper (wie Handel) zu widmen, mufi ich nur rtihmen und
preisen. Ich wiirde das schon personlich gethan haben, hatten Sie damals
ihn schon gefaBt gehabt und mir mitgetheilt; und hatte ich nicht geglaubt,
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Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich flochlitz. 309
Sie muBten diese Hire Arbeiten nicht bios dem Publicum schenken, son-
dern — wie es mir mit dem Bedeutendsten und Besten , was je von mir
ausgegangen, mit den >Heiligen Schriflen« etc. gehen wird — selbst von
Ihrer baaren Habe dabey zusetzen. Nun: desto besser, daB ich mich darin
geirrt habe Aber zweyerley mochte ich doch dabey erinnern: Erstens: Ehe
Sie an solch ein groBes Werk gehen, genieBen Sie zuvor alle Annehmlich-
keiten Ihres jetzigen und nachstfolgenden Verhaltnisses, so daB jedem, was
Ihnen verliehn, sein Recht wiederfahre und dariiber der Drang, ein Ora-
torium zu schreiben, recht warm und stark werde; Zweytens: Wenn dieser
Drang nun so geworden, dann lassen Sie mich's wissen — vorausgesetzt,
Sie besitzen Niemand in der Nahe, der Ihnen einen guten, auch musikalisch-
guten Text liefert und dabey Ihrer Kunst-Individualitat in die Hande ar-
beitet — und ich hoffe, Zeit zu gewinnen, Ihnen solch einen Text zu liefern,
wenigstens soil es mir nicht an gutem Willen und treuem Bemlihen fehlen.
Dramatisch muB jetzt solch ein Text seyn, und — ist es moglich — bey
aller Wiirde doch im Ganzen heiter.
GriiBen Sie Alle, denen an einem GruBe von mir gelegen seyn kann.
Wie immer, Ihr
Rchz.
Fur 8eine nachste Komposition wiinschte sich Spohr den Text zu einer
grofien Kantate, wofiir Rochlitz nach langerer Uberlegung das A. G-. M ei fi-
ne r'sche Gedicht >Lob der Musik< empfahl.
Leipzig, d. 29sten Jan. 1836.
So ist es und so geht es dem wahrhaft wackern , tiichtigen , innerlich
geordneten, auBerlich thatigen Manne: hat er wieder eine Stufe .zu seiner
wahren Zufriedenheit erreicht und fuhlt sich gliicklich auf ihr, so will er
nun auch schaffen, arbeiten, auf und fur Andere wirken. Was in Ihrer
Kunst Sie zun&chst arbeiten mochten, das habe ich schon in meinem letzten
Briefe ruhmen miissen: jetzt muB ich nun auch die specielle Bestimmung
desselben ruhmen. Eine Art groBer Cantate, nicht biblisch, aber bedeutend,
nicht flach hin , aber heiter, mehr oder weniger dramatisch etc. Das alles
muB ich ruhmen. Es ist an sich wiirdig und gut; bietet Ihnen Gelegenheit,
Ihre herrlichen Krafte nach einer Richtung zu verwenden, wo Sie in letzter
Zeit sich nicht haben hervorthun konnen : es ist auch der jetzt herrschenden
Neigung und Stimmung des Publicums vorzuglich angemessen. Woher aber
einen StofF fur die Dichtung nehmen, der alles das erfullete und nicht schon
abgebraucht ware? Mythologie laBt kalt, Allegoric ist trocken, Geschichte
— von der alten nimmt ein musikalisches Publicum wenig Notiz, die neue
steht uns zu nahe, um der Phantasie Spielraum zu schaffen, andere Incon-
venienzen nicht zu erwahnen ; gewohnliches Menschenleben, dramatisirt, wird
(wie in den Jahreszeiten) fast nothwendig gemein etc. Ich habe seit
Ihrem letzten Briefe oft stundenlang hin und her gesonnen; Gegenst&nde
aus alien jenen Fachern sind mir ubergenug beygekommen: aber wenn ich
das Einzelne ihrer Ausfuhrung erwog, so fehlte es immer an dem Einen
oder dem Andern von dem, was Sie mit Recht verlangen. Ich weiB wirk-
lich keinen Bath. Hierzu kommt bey mir noch Folgendes: Bey jenem
Oratoriums-Zwist habe ich dem Mendelssohn versprochen, wenn ich wieder
einmal ein Oratorium schreiben sollte, so wollte ich es ihm zuerst vor-
legen. Nun wiinschen Sie sich zwar kein eigentliches Oratorium: aber wie
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310 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz.
unbestimmt ist dies Wort in neuerer Zeit geworden! und granzt die grofie
und dramatische Cantate" nicht auch wirklich nur allzunahe an das Ora-
torium — wie namlich beyde jetzt in Dichtung und Musik zu behandeln
waren? Rath habe ich also nicht: doch einen Vorschlag, der alles Ver-
langte, bis auf Eins, (das eigentlich Dramatische,} erfullt, dies aber in der
"Wirkung auf das Publicum durch den, jeden Einzelnen ansprechenden
Gegenstand ziemlich ersetzt. "Wie, wenn sie jenen Meifiner'schen Text,
Lob der Musik, nahmen? Gut ist er an sich, interessant von Anfang
bis zu Ende, manchfaltig, und fur den Componisten reich, bequem, fugsarn.
Schuster's1] Musik, fur ihre Zeit ausreichend, ist dies fur die unsrige gar
nicht mehr und darum auch langst bey Seite gelegt und nun verge ssen.
tlbrigens hat Schuster, zwar von Talent, aber stets leichtsinnig und arbeits-
scheu, das Ganze gar zu flach und verschiedenes Einzelne geradezu verkehrt
behandelt, und beyde Freunde sind langst im Grabe. — Sollten Sie sich
fur dies Gedicht entscheiden, und wiinschten meine Ansicht iiber Manches,
was von Grund aus anders in der Musik anzulegen, zu wissen: so wurde
ich sie Ihnen mittheilen. Das Gedicht selbst umzuandern, aufier hin und
wieder in der Sprache und dgl. — wozu ich mich gern erbiete — daB mochte
ich nicht, aus Gerechtigkeitsliebe gegen den Autor: aber es wurde auch
keiner grofien Veranderungen bediirfen, um z. B. einige der vielen Arien fur
neuere Formen zu benutzen und dgl.
Nehmen Sie fur jetzt hiermit fiirlieb. Sollte mir ein anderer Gedanke
kommen, so werde ich ihn sogleich mittheilen. Griiflen Sie alle die lieben
Ihrigen in meinera Namen und behalten Sie lieb
Ihren
Franziska empfiehlt Rchz.
sich bescheidentlich.
Es trat wieder eine langere Unterbrechung des Briefwechsels ein. Erst
im September 1842 stellt Rochlitz Spohr wiederum einen Oratorientext
zur Verfugung, der aber anders sein solle als der zu den letzten Dingen
oder zu des Heilands letzten Leidensstunden.
Leipzig, d. 8 ten Septbr. 1842.
Ich weifi nicht, ob Sie, geehrter Herr und Freuud, mich noch unter den
Lebenden vermuthen. Allerdings habe ich seit geraumer Zeit Ihnen direct
kein Lebenszeichen gegeben — wie nun Siebenziger iiberhaupt schwer an's
Briefeschreiben gehen; und die musikal. »Jahrbucher«2] scheinen langst mich
nicht nur fur einen verstorbenen , verschollenen , sondern auch fur einen
Mann anzunehmen, der fur die Musik nie etwas gewesen, noch gethan.
Letztes lasse ich geruhig mir gefallen; zahle jahrlich den Betrag fur mein
Exemplar an Hrn. Grofi J;, und damit gut. Destomehr hingegen wird mir
Gelegenheit, Ihr wiirdiges, ruhmliches Leben, nicht bios aus leidigen Zei-
tungsartikeln , sondern aus Ihren Werken zu erfahren, und zugleich, zu
lj Schuster, Josef, 1748 — 1812, Kapellmeister in Dresden, schrieb zahlreiche
italienische und deutsche Opern. Von seinen Kantaten stand die oben angeflihrte
>Das Lob der Musik < in hochstem Ansehen.
2) Siehe Anmerkung 1 S. 254.
3; Groos, Christian Theodor, der Drucker und Yerleger der »Jahrbucher«.
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Ernst Ryohnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich ftochlitz. 311
meiner groften Freude, die unverkennbar - durchgreifenden Wirkungen
dieser Ihrer Werke, vomehmlich Hirer Symphonieen, jeden Winter, nicht
nur auf mich und Andere, welche die Kunst zu fassen und zu verstehen ver-
mogen, sondern auch auf die gemischte Menge unsers Concert-Publicums.
So ist es init Ihren Symphonieen, nicht aber mit Ihren Oratorien; und dies
thut mir sehr Leid. Letztes um so mehr, da unter den mancherley Hinder-
nissen ihrer offentlichen Auffuhrung ich selbst, wenn auch nur an einem,
nicht frey von aller Schuld bin. Ich bin das durch die von mir herriihren-
<len Texte. Zwar hat Niemand Etwas gegen diese einzuwenden; aber die
feinen und vergnugungssiichtigen "Weltleute beyder Geschlechter, aus denen
doch, hier wie jetzt uberall, die bey weitem iiberwiegende Mehrzahl der
Concert- Auditorien besteht, wollen an die »letzten Dinge* sich nicht er-
innern lassen, und an Jesus Christus, besonders an sein Leiden und Ster-
ben, wenigstens in Concerten, auch nicht. Und fur die jetzt so zahlreichen
Musik-Fest-Vereine , durch welche doch Oratorien am meisten bekannt und
verbreitet werden, finde ich selbst eben jene beyden Gegenstande nicht an-
tremessen. — —
Mit solchen Betrachtungen habe ich schon seit Jahren von Zeit zu Zeit
mich getragen und dabey bey mir selbst gedacht: Wenn dein Freund, der
treffliche Spohr, noch ein Oratorium schreiben wollte, so solltest du ihm
mit Aufbieten aller deiner Krafte ein Gedicht liefern, dessen Inhalt nicht
nur in Jedermann, wie es um seine Ansichten, Gesinnungen, Bildung auch
stehe, wahren, aufrichtigen Antheil erregen; woran Jedermann auch gern
sich erinnern lassen wiirde, und das, ganz musikalisch gedacht und durch-
gehalten, dem Ktinstler auch voile Gelegenheit bote, sich nach den ver-
schiedenartigsten Richtungen seines Geistes, seines Gefuhls und seiner prak-
tischen Geiibtheit auszubreiten ; durch welches vereint es sich nun auch
zuverlafiig zu Auffuhrungen in grofien Musik -Vereinen bestens eignen
wiirde. Ein solcher Gegenstand ist nun aber nicht leicht gefunden; und
hatte man ihn gefunden, so ist es auch nicht leicht, ihn in den engen
Granzen eines Oratorium -Textes deutlich, hervortretend und befriedigend
auszufuhren. Es kommt dazu, daB das Werk, um jetzt uberall zur Dar-
4stellung kommen zu konnen, neben den Choren nur drey Haupt-Solostimmen^
einen Sopran, einen Tenor und einen BaB, mit allenfalls einigen kleinen
Nebenpartien, verlangen milGte. — Erst gegen Ende vorigen Jahres bin ich
auf solch einen Gegenstand gekommen; und jetzt liegt das Ganze, durch-
gehends in jener Weise durchgefuhrt, vollkommen fertig vor mir. Da frage
ich nun bey Ihnen an: Wollen Sie uberhaupt noch ein Oratorium, und eben
«in solches, componiren? Wenn Sie das wollen, so sende ich Ihnen meine
Dichtung sogleich zu. Ich brauche wohl aber kaum hinzuzusetzen , daB,
wenn ich sie Ihnen gesandt habe und sie gefallt Ihnen nicht, ich sie ohne
alles Weitere wieder zurucknehme und in Ihrer Zurticksendung (die jedoch
nicht ohne Nothdurft zu verspatigen ware) nicht im Geringsten eine Art
von Krankung und dgl. linden wiirde. Das Freundschaftliche in der Ge-
sinnung, das gute Einverstandnis, das zwischen una zu meiner Freude schon
so lange (seit Ihrer ersten Rtickkunft nach Deutschland aus Paris) statthat,
wiirde, so viel an mir liegt, auch in jenem Falle ganz unverandert bleiben.
Das Gedicht, sollen Sie es zur Composition ubernehmen, muB Ihnen wahr-
haft gef alien, sowohl als Gedicht uberhaupt, als auch als musikalisches Ge-
dicht; es muB Sie ferner nach Ihrer kunstlerischen Individualitat ansprechen,
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312 Ernst Rychnovsky, Ludwig Spohr und Priedrich Rochlitz.
Sie zum Arbeiten einladen und, wenigstens in seinen Hauptpartieen, daza
drangen. Dann ist Arbeit Freude, un4 Beharrlichkeit davon Folge.
In ausgezeichneter Hochachtung und aufrichtiger Ergebenheit der
Ihrige,
Friedr. Rochlitz.
Spohr wollte sich nach Beendigung seines neuesten Oratoriums *Der
Fall Babylons* (Text von Taylor), das er gerade unter der Feder hatte,
fiir Werke dieser Gattung Ruhe gonnen, erbat sich aber doch die Zu-
sendung der Rochlitz'schen Dichtung, die er gern kennen lernen wollte.
Rochlitz erfullte diese Bitte und schrieb:
Leipzig, d. 24sten Septbr. 1842.
Was Sie, geehrter Herr und Freund, von dem Schicksal jener beyden
Oratorien mir gemeldet haben, und was mir wirklich ganz unbekannt war,
konnte fur mich nicht anders als sehr erfreulich seyn. Es waren also grand-
iose und vergebliche Grillen, die ich — nicht um meinet- sondern urn Ihret-
willen — mir gemacht hatte. Gleichwohl bereue ich nicht, sie mir gemacht
zu haben; und die Arbeit, die ich ihrerwegen mir auferlegt, bereue ich
auch nicht. Sie haben in Beydem Beweise erhalten, wie ich gegen Sie und
gegen Ihre Kunstwerke gesinnet bin: das kann mir geniigen, mag ubrigens
der Erfolg meiner letzten Arbeit seyn, welcher er wolle, oder auch gar
keiner.
DaB Sie nach der VoUendung ihres neuesten Oratoriums, auf das ich
begierig bin, sich, besonders fur Werke derselben Gattung, Ruhe gonnen
und die Quellen Ihrer Erfindungskraft sich erst wieder ansammeln lassen
wollen, kann ich nur vollkommen in der Ordnung nnden und mochte in
keiner Weise es storen. Da Sie aber doch meine Dichtung . wenigstens
kennen zu lernen wiinschen, so sende ich sie Ihnen hier. Gefallt sie Ihnen
nicht, oder doch nicht in der Art, wie ich neulich geschrieben: so senden
Sie mir sie kurz und gut zuriick. Gefallt sie Ihnen, und in jener Art, so
dafi Sie zu dem Entschlufi kommen, sie spater, aber gewifi, in Musik zu
setzen: so behalten Sie dieses, mein einziges Manuscript, von dem ich auch
nicht eine Zeile in Abschrift behalte. Trifft zu, was sehr wahrschein-
lich — dafi ich friiher sterbe, als Ihre Arbeit vollendet wird, so ist Ihnen
die meinige hiermit vermacht als ein Andenken an Ihren alten Freund.
Sie verlangen ausdrucklich, wenn ich Ihnen das Gedicht zusendete, mochte
ich zugleich die Bedingungen angeben , unter welchen ich es Ihnen uber-
lassen wiirde. "Wahrscheinlich haben Sie Erfahrungen gemacht, die Sie zu
diesem Verlangen bewogen haben. Diese Erfahrungen sind aber auf mich
nicht anwendbar. Ich habe und mache keine Bedingungen, ganz und gar
keine. Auch in dieser Hinsicht steht Alles bey Ihnen und ist mir recht.
Wie es Ihnen mit der Auffuhrung zu Norwich1) ergangen, konnte mich
aufbringen, soil mich aber nur betriiben. Nun, lieber Freund; Sie wohnen
in — Cassel, leben aber in der ganzen kunstgebildeten Welt!
In ausgezeichneter Hochachtung und beharrlicher Zuneigung der
Ihrige,
Rochlitz.
1) 1839.
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Ern8t Rychnovsky, Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. 313
>Trifft zu, was sehr wahrscheinlich ist — daB ich friiher sterbe als
lhre Arbeit vollendet wird, so ist Ihnen die meinige hiermit vermacht
als ein Andenken an Ihren alten Freund.« Ofter schon hatte Rochlitz
auf ein nahe bevorstehendes Ende angespielt, diesmal aber machte der
Mann mit Hippe und Stundenglas ernst. Es sollte der letzte Brief sein,
der zwischen den Freunden gewechselt wurde. Sechs Wochen spater, am
16. Dezember, starb der wurdige Greis. Die »AUgemeine musikalische
Zeitung* und die Direktion der Gewandhauskonzerte hielten ihm ehrende
Nachrufe, in denen seine Verdienste inn die Musik laut gepriesen wur-
den. Und wir, wenn wir seine Briefe an Spohr mit einiger Aufmerksam-
keit gelesen haben, werden sicher die Worte A. B. Marx' auch best&tigt
finden:
»Er hat seinen Lebensberuf nicht in tonktinstlerischen Schdpfungen —
wie die Neigung ihm lockend und keineswegs erfolglos vorhielt — gefunden,
auch nicht in einem selbstandig erfafiten und ausgebildeten Systeme der
Musik wissenschaft; demungeachtet ist ihm eine reiche, in vielfacher Beziehuog
wohltatige Wirksamkeit fiir die Kunst gelungen, und er hat lange, wie ein
feBtge8ctmrztes, wohltatig zusammenhaltendes Band, den Mittelpunkt fur
zahlreiche, weitverbreitete Tatigkeiten an der Musikbildung abgegeben. Was
ihm dieses eigene Lebenswerk bereitete und gelingen liefi, ist n&chst den
unerlafilichen Anlagen und Vorbildungen ein ununterbrochener Eifer fur das
Studium der Kunst und eine ebenso unerl&filiche Hebe voile Teilnahme an
ihren Werken und jeder ihr gewidmeten treuen Tatigkeit. «
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314 Charles Maclean, Berlioz and England.
Berlioz and England
by
Charles Maclean.
(London.)
The gross pity of the melancholy despair, of the devastating reaction,
which succeeded to the reign of so many bristling Furies, in Berlioz7 life,
was that after all, the works, perfect and indestructible, were there.
It is impossible that Berlioz can have lost faith in these, in himself.
Therefore the despair of those later days was unnecessary. To a man
of his intellect it was even perverted thought. But it is just to restore
judgment on such occasions, to help the fainting spirit over the glacier-
cracks of depression, to hint at self-respect, that sympathy comes in.
And in those terrible last 5 years, lit up only by one warm ebullition
of his unquenchable heart and one Russian artistic triumph, the lonely
Berlioz had little enough of intelligent sympathy, Heaven knows!
Could he have courted England, instead of coquetting with her, his
life might have been different, his fame (who knows) might have been
accelerated by something like half a century. To England it is not court-
ing, to be asked only two or three times. Nothing is more certain than
that a reputation is only made here by constantly iterated effort, by
knocking at the door again and again; but once made the reputation is
indestructible. Nothing exceeds the Shakespeare -worship of England,
though they have fastened upon the wrong man!
Even as it is, next to Germany, England has done more for Berlioz'
fame than any country outside of France.
The first public notice taken of Berlioz in Germany was in 1835,
when he was 32 years old, and Robert Schumann the unequalled com-
poser-journalist in "Neue Zeitschrift fur Musik" reviewed and realized the
beauties of his Symphonie Fantastique, in Liszt's pianoforte arrangement.
But, Schumann, where was thy geography? "Einstweilen sinnt in
einem dunkeln Winkel an der Nordkuste Frankreichs ein junger
Student der Medizin iiber Neues". And where was thy history, in saying
that this young man wrote the symphony in 1830 at 18 years of age?
At 18, and there is the marvel of it, Berlioz knew nothing about music.
At any rate here Fetis's warped judgment was annihilated. A year
later (1836) Schumann reviewed the pianoforte arrangement of "Francs
Jiiges" overture, again with some approval; but comparing the art of
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Charles Maclean. Berlioz and England. 315
Auber and Berlioz thus, "so federleicht jene, so scribisch ungeschlacht
polyphemisch diese", which might have comforted poor Harriet, could she
have read it. In 1839 reviewing the full score of Waverley overture he
warms still more to Berlioz, and says "das Ganze aber iibt einen un-
widerstehlichen Reiz auf mich aus". In this notice, discussing Berlioz'
programme tendencies, comes the memorable rebuke to analytical -pro-
graphists: "Kritiker wollen immer gern wissen, was ihnen die Komponisten
selbst nicht sagen konnen, und Kritiker verstehen oft kaum den zehnten
Teil von dem, was sie besprechen." In 1839 — 40 the overtures began to
be played in Berlin, Frankfort, &c.
German was wholly un-read then in England, but the corresponding
locus classicus of a first notice of Berlioz in the English Press is the
reproduction in "Musical World" of 15 December 1837 of certain MS.
travel-notes by John Ella (1802 — 1888), the violinist and chamber-music
concert organizer, to whom all honour is on that account due. Ella was
often in Paris. A not over-wise gossip, but a useful man in his gene-
ration. He quotes Berlioz as "one of the most rising, best informed,
and skilful musicians in Paris", and grants his "imaginativeness", but
thinks "his melodies are neither very beautiful nor original". Then follows
biography more anecdotal than accurate. To end, regarding Benvenuto
Cellini: — "Should success attend the forthcoming opera, his happiness
will be crowned with glory and affluence, and will enable the once humble
chorister and English actress, to glide smoothly down the vale of years
in prosperity and social harmony, — a singular example of the in-
scrutable destinies of human life." This is terrible "slop", but it was well-
intentioned.
On 20 September 1838 the "Musical World" printed a translation of
a notice in "Galignani's Messenger" on the production of Cellini at the
Academie Royale, merely condemning the plot and libretto. The "Musical
World" preluded by saying: — "Berlioz is a profound musician, and
utterly incapable of writing bad music. His orchestral knowledge is very
great, and if his emanations have been as caviare to the multitude, ac-
cording to the language of a contemporary, it augurs little for the taste
of the French dilettanti. Berlioz is an admirable critic, and his musical
essays are replete with learning and intelligence. He is in some degree
entitled, by marriage, to English sympathies, being united to Miss
Smiths on, the actress." Evidently from the pen of Ella.
On 15 November 1838, another eulogistic paragraph on Berlioz in
"Musical World", also plainly from the same.
On 28 November 1839 "Musical World" gave without comment a
translation of the analysis of Romeo et Juliette found in "Neue Zeit-
schrift fiir Musik".
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316 Charles Maclean, Berlioz and England.
So far no note of Berlioz had been heard in England, but about this
time began a movement for making the English a dancing nation and a
musical-promenade-going nation, as a reflex-action from Paris. The events
of the 3 first years of Queen Victoria's reign, her affian cement and
marriage to Prince Albert of Saxe-Coburg-Gotha, and then the affairs
of Egypt followed by Guizot's "entente cordiale", all conspired to bring
about an approximation to the Continent, and especially to France as
the nearest neighbour.
On 30 January 1838 one Pilati, with Becquire de Peyreville as
first violin, had begun musical Promenades & la Musard at the Colosseum
in Regent's Park. On 12 December 1838 B. Negri, with John Thomas
Willy (1812—1885) as first violin, opened the same at the English Opera
House, Lyceum, in the Strand. In March 1839 some amateurs attempted
promenade -concerts & la Valentino with symphonies etc. at the Crown
and Anchor in the Strand, but neither public nor Press took much notice
of them. By 1840 this fever was at its height. On 8 June 1840 the
violinist Eliason, with Louis Antoine Jullien for assistant, started
Promenades or "Concerts dw, at Drury Lane Theatre, with the pit
boarded over. In autumn and winter J. T. Willy did the same at
Princess's Theatre, Oxford Street. Negri continued at the Lyceum.
Finally the Drury Lane venture passed as Concerts d'Hiver to Musard
himself, and then to Jullien.
Meanwhile a society called "Society Armonica" (running 1827 to 1850;
was giving orchestral and choral concerts at the concert-room attached
to Her Majesty's Opera House in the Haymarket. Indeed it was the
concert- opening for the Italian opera-singers, whence the Italian title.
The conductor was a somewhat incompetent person called Henry Forbes
(1804—1859), organist of St. Luke's, Chelsea, and aspiring to honours as
a pianist. But the direction was very spirited, in opposition to the Phil-
harmonic. To this society belongs the honour of the first traceable per-
formance of a Berlioz work in England, viz. Francs Juges overture on
30 March 1840; that was 12 years after Jts first production at Paris on
26 May 1828. Also on 1 June 1840 they performed the Waverleij
overture, first produced in Paris likewise on 26 May 1828.
Hereon the Promenades followed suit. In November 1840 Philippe
Musard, with a band mostly French, repeated Francs Juges at Drury
Lane. In December 1840 J. T. Willy did at the Princess's the King
Lear overture, which had just appeared in Paris though composed 9 years
before.
Thus 3 works were introduced here in one year, 1840. The Francs
Juges remained in the repertory. This was the year of the domestic
separation.
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Charles Maclean, Berlioz and England. 317
On 15 March 1841 the Philharmonic, though struggling in its finances,
took heart to perform at the end of its second "Act" or Part, the Ben-
renuto Cellini overture, produced first at Paris on 10 September 1838.
The conductor was the violoncellist Charles Lucas, his first conducting
at a Philharmonic concert. Unfortunately it was badly hissed by the
conservative part of the audience.
Between 1836 and 1842 the "Musical World", weekly, was the only
English musical newspaper; for its time vigorous and influential enough.
The publishers after 5 January 1838, and at this time, were Henry
Hooper and R. Groombridge. At the 1840 performances Ella was
evidently dispossessed as Berlioz-critic, and the newspaper went straight
round. No notice taken of Francs Juges on 30 March 1840, as tickets
had not reached editor. In June it wholly condemned Waverley. The
introduction "is full of strange solitary outcries from individual instru-
ments, short phrases, impressive silences, and portentous pauses, which
together with a mysteriously-grumbling style of instrumentation, whose
effect we could only liken to the groans of persons suffering from ab-
dominal disarrangement, prepares the hearer for a startling and uncommon
Allegro". Later on, the whole is described as containing "some of the
most nonsensical combinations ever put on paper". In November it
berated the Francs Juges done at Drury Lane. The introduction is
"without subject, without plan, without interest, and without effect". It
proceeds, "and this is Hector Berlioz! this is the glorified through all
Europe!" &c. &c. In December King Lear was attacked. On 18 March
1841 at the Benvenuto Cellini overture the snarl became a howl. The
music was "unmitigated veritable rubbish, beyond the redemption of any
second hearing, or hundredth hearing". This newspaper began respectably
with the Novellos in 1836, afterwards changed hands often, rose and fell,
was at times noticeable for a pert facetiousness and a raving Philistinism,
guided musical opinion for some quarter-century, died finally in 1891.
Apparently the editor in 1840 — 1841 was George Macfarren, the
father of G. A. Macfarren the composer.
The "Athenaeum", also a weekly, (1828 to date), is a different matter;
England's chief tower of learning in all branches, with a musical niche and
one in charge. Its musical critic 1833 to 1868 was Henry Fothergill
Chorley (1808—1872). If the highest test of musicianship is to know
at the first shock what is good and what is bad, Chorley was no musi-
cian at all; rather one of those misfits whom an accident has placed on
the seat of judgment like Abou Hassan. He was consistent however in
his opinionative ignorance, and having prostrated himself before Mendels-
sohn determined for the remaining 40 years of his life that there was no
other contemporaneous or subsequent composer. In short, the complacent
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318 Charles Maclean, Berlioz and England.
friend of assured success, he was the incarnation of prejudice and the
deadly foe of struggling genius. And he was albeit a strong writer.
He took no notice of the Berlioz pieces till Francs Juges was played by
Musard; then on 28 November 1840 he made a heavy attack denying
any genius to the composer. Of Benvenuto Cellini at the Philharmonic,
he said "the principal subjects are petty and trite, and their mutual
connection darkly mysterious". One would have thought those clear power-
ful themes could have pierced the ear even of a Catadupe of the Nile.
Daily papers now predominant, were then subordinate, in musical
criticism. However the "Times" of 16 March 1841 turned some phrases
after the Philharmonic concert. It was "obvious that Berlioz though a
clever and sometimes highly imaginative composer, has not genius enough
to sustain that extravagance and wildness which form the leading character
of all his pieces".
After 1841 came a lull. Then Berlioz, with 6 overtures and 3 sym-
phonies in his portfolio, — indeed he had almost closed his career as a
concert-orchestral writer — sought a second hearing from the Philharmonic.
The changeable "Musical World" on 9 March, 6 April, &c. had para-
graphs to that object for the "highly prized French composer". But the
Viellards mtetes of the Philharmonic (Correspondance Inedite, 1819—1868,
page 168) would not be tempted.
In 1844 the Voyage Musical appeared. Here at length was the best
opportunity for Chorley. The "Athenaeum" of 14 December 1844 has
5 long columns overflowing with an inexhaustible rancour, noting how a
composer whose "new orchestral effects were baroque rather than beau-
tiful" had issued an "outrageous manifesto of vanity". And so on.
Chorley belonged to that class of writers common enough during a great
part of the Victorian era, who not having a scintilla of genius in their
own composition were totally unable to realise its presence in another,
whose enthusiasms were of the head, and whose hostilities were mere
stiff-neckedness. He could not see into Berlioz' musical genius, so could
not understand the resulting childlike ingenuousness mixed with brilliant
skill and wit of the literary work.
Still practically Berlioz was dead to England from 1841 till 1847,
after the Russian and German tour. How he then missed an appoint-
ment at the Paris Grand Opera, and took one in England from Jullien
(become Jullien and Co., 210 Regent Street), is a well-known story. The
understanding between the English and French nations was threatened
by the Spanish marriages, and on 24 February 1848 a republic replaced
Louis Philippe. With these troubles in the air Berlioz even thought to
settle in England.
On 19 August 1847 at 41 Rue de Provence, Paris, he draws up in
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Charles Maclean, Berlioz and England. 319
his own hand 3 agreements with Jullien, who was apparently there, for
Berlioz writes to the Grand Opera direction on same day on Drury Lane
official stationery. One agreement was for 6 years (terminable yearly by
Jullien only) to conduct Opera in English at Drury Lane Theatre, at
£ 400 a quarter. A second for a month of concerts, salary £ 400 and
expenses. A third for an opera to libretto by Royer and Vaes, £ 800
in 8 instalments according to number of performances.
Berlioz visited la Cote. Then to London on 6 November 1847, in-
stalled by Jullien in 76 Harley Street.
On 10 November 1847 he writes to the instrumentalist Tajan-Roge
in St. Petersburg (Oorrespondance, 148), Jullien "a d6]k fait sa fortune
et il s'est mis en t§te de construire la mienne Mais la foi me
manque". On 16 November Jullien played his Weber Invitation arrange-
ment at Drury Lane Promenades. On 30 th he writes hopeful to com-
poser-critic Auguste Morel (Oorrespondance, 153).
On 6 December 1847 Jullien opened Drury Lane Opera in English
with Donizetti's Lucia di Lammermoor, and a Ballet Le Gtinie du Globe;
conductor Berlioz, chorus-master Maretzek; "Lucy Ashton" Madame
Dorus-Gras. Press very civil to Berlioz as conductor. On 8th another
letter to Morel. On 20 December Balfe's new Maid of Honour. On
10 January 1848, Donizetti's Linda di Ckamounix. On 20 February,
Mozart's Figaro. That was the whole.
On the 14 January 1848, third letter to Morel, with disillusion-
ment. Of Jullien, uCe n'est pas Ventreprise de Drury-Lane qui a renverst
sa fortune; elh 6tait d6ja dtfruite avant Vouverture" . But the Drury
Lane receipts were less than £ 100 a night. Jenny Lind had absorbed
attention at "Her Majesty's". In fact only the chorus and orchestra were
paid. On 29tb a letter to General Alexis von Lvoff at St. Petersburg,
showing that he had one eye too on settlement in Russia.
And now came the fateful day. Berlioz for the first time conducting
his own works in London, on Monday 7 February 1848; an instrumental
and vocal concert at Drury Lane Theatre. There were performed Carna-
val9 Harold, extracts from Faust, Cellini overture, Requiem, and Triumphal
Symphony. Four hours. The house was largely "papered", but enthusias-
tic. He gives his own account in letter to Morel dated 12 February
1848 (Oorrespondance, 164), "Ma musique a pris sur le public anglais
comme le feu sur une trainee de poudre". The press bears this out.
The chief London musical critics then were: — for "Atheneum", H. F.
Chorley aforesaid; "Musical World", Michael Desmond Ryan (1816 to
1868); "Times", James William Davison (1813—1885); "Daily News",
the father-in-law of Dickens, George Hogarth (1783-1870); "Atlas",
Edward Holmes (1797—1859); "Illustrated London News", Charles Lewis
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320 Charles Maclean, Berlioz and England.
Gruneisen (1806—1879); Davison and Gruneisen honourably took the
lead in Berlioz' favour. The "Illustrated London News" criticism on
12 February 1848 (with portrait in another column) is really admirable.
The rest followed. Even Chorley, cowed by superior force, covered up
a partial surrender in the intolerably pompous and lengthy sentences
which in those days veiled thought.
On the 22 February 1848 he was toasted at the dinner of the Royal
Society of Musicians at Freemasons' Hall in Great Queen Street,
Bloomsbury.
An effort was made to rouse the Philharmonic. But they remembered
only Charles Lucas and the Cellini overture in 1841, and were obstinate.
Costa was conductor. See the letter of 15 March 1848 to Joseph
D'Ortigue of the "Ddbats" (Correspondance, 166), and "Musical World"
of 22 April 1848.
Jullien was declared bankrupt on 21 April 1848. The second Berlioz
concert was on 29 June 1848 at Hanover Square Rooms, with almost the
same programme as before. Most enthusiastic audience and Press.
Then the musical season came to an end. On July 1 1848 Charles
G. Rosenberg writes a letter to "Musical Worldr deploring the Phil-
harmonic behaviour. On 10 July Berlioz himself sends a letter, in French,
to such papers as will print it On 16 July he returns to France. Alas,
Berlioz' father died at la Cote on the 26 th; and missing the news of his
illness Berlioz could not go to embrace him.
The "Musical Times" of 1 August 1848, now enlarging itself and
taking first steps as a news-organ, inserts a happily-worded valediction.
"A great original mind has gone from amongst us, with but scant greet-
ing and recognition of his genius from our countrymen", Ac. Then it
compares the case of the Philharmonic orchestra having laughed at the
opening bars of Beethoven's C minor Symphony on first playing. But
really within artistic circles, and always excepting the Philharmonic coterie,
Berlioz had had excellent reception. It was here in the loitering life of
London, after Jullien had done with him, that he began the re-construction
of his press-contributions into the "Memoirs".
As to fresh autobiographical writing, Berlioz mostly gave it up after
1848. And there is also very little about him in the English Press.
On 12 November 1850 he teased his acquaintance with that harmless
mystification or Chattertonism at the Salle Sainte-C^cile. The story is
told at length in a letter to Ella (Grotesques de la musique^ 1859, page
167). In 1851 he was made a musical juror representing France at the
Hyde Park Great Exhibition, opened l8t May to celebrate a half-century
of peace. His duties to help to adjudicate prizes in Class X for musical
instruments. For attending jury-meetings he often came over. His lodg-
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Charles Maclean, Berlioz and England. 321
ing, 27 Queen Anne Street, Cavendish Square. From London he sent
to the "Journal des Debate" brilliant letters on all sorts of English musical
things, side by side with letters from Michel Chevalier and John
Lemoinne. On 5 June, 1851, he heard 6,500 Charity Children sing
"Old Hundredth" &c. at St. Paul's, and was impressed as Haydn had
been 59 years before (letter to Joseph d'Ortigue, 21 June 1851). Among
the jurors of Class X were Bishop (chairman), Sterndale Bennett,
Neukomm, Potter, Smart, Thalberg, Wylde. The last-named,
Henry Wylde (1822 — 1890), was a pianist, organist, and composer, pro-
fessor at the Royal Academy of Music, and, without any particular
musical qualifications, ambitious. Attached to the jury was also a barrister-
musician Thomas Willert Beale (1828 — 1863), member of Cramer and Co.
Wylde and Beale projected a "New Philharmonic" for more modern
purposes than the Old, and took Berlioz into counsel. With Wylde,
3 other guarantors appeared, — Sir Charles Fox, Mr. Thomas Brassey,
Mr. Morton Peto.
The "New Philharmonic'' was launched by Cramers, January 1852.
Conductor Berlioz, first violin Sivori, principal violoncello Piatti.
Object orchestral and vocal work. Locale Exeter Hall. Though Liszt
mounted Bmvmuto Cellini at Weimar on 20 March 1852 (first time at
Paris on 3 September 1838), yet Berlioz could not be there, as opening
London concert was 24 th March. Hereat, the first 4 movements of Bomdo,
with translation by George Linley (1798 — 1865). Again by desire at
the 3rd Concert on 28th April. On this occasion Madame Pleyel (the
"Ariel" of 1832) played Weber's Concertstiickf and complained to the
Committee that Berlioz bungled the accompaniments. Strangest meeting !
The 2nd part was selections from Vestale, and the widow Spontini
(daughter of J. B. Erard) attended from Paris, and presented her hus-
band's baton to Berlioz. At the 4 th Concert on 12 th May was a pheno-
menally good performance of Beethoven's 9th Symphony; principals, Clara
Novello, Martha Williams, Sims Reeves, Staudigl; there had been
7 full band rehearsals, besides sectional rehearsals. At the 5 th Concert
Francs Juges. At the 6 th and last Concert on 9tu June, the 9 th Sym-
phony again and extracts from Faust. In all these cases Berlioz was
received with enthusiasm. The "Athenaeum" as usual carked in lengthy
periods. It must be admitted that the critic seemed to think it part of
his business to make himself disagreeable all round. George Linley
had a revenge later in 1862 in his metrical satire "Musical Cynics of
London ' (Bubb), directed against the cant of musical criticism, and chiefly
against Chorley, and "the malignant ravings of this worthy for twenty
years past". It was in the same year that Chorley brought out his own
Memoirs, now only used by journalists in search of references.
S. d.I.M. v. 21
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322 Charles Maclean, Berlioz and England.
The four guarantors had to pay a heavy call for deficit, and Berlioz'
rehearsals were doubtless expensive. But still it looks also as if Wylde
was edging towards getting the Society to himself and his own worthless
compositions. Berlioz was not invited for 1853. On the other hand two
other doors opened to him, and to conduct in these two cases he came
over. The real Philharmonic at Hanover Square Rooms on 30 May 1853
played Harold (Sainton viola), the Carnaval overture or orchestral trans-
cription of " Venez, venex, peuple de Rome" in Act II of Cellini, and the
Repos de la Sainte FamiUe (Gardini tenor, without chorus), from Act II
of Enfance du Christ. The "Royal Italian Opera, Covent Garden",
successful and supersessive rival to "Her Majesty's Theatre, Haymarket",
since 1846, was encouraged by the 1852 success at Weimar to mount
Benvenuto Cellini, on 25 June 1853; Tamberlik as Cellini, Julienne-
Dejean as Teresa, Tagliafico as Fieramosca, Nantier-Didi^e as
Ascanio The cult of operarsingers in London was then just like the
cult of race-horses, a thing which it was fashionable to be knowing about;
there was scarcely a pretence of any discriminating love of opera-music
for its own sake. The Italian- opera frequenters, distinct from the concert-
goers, would not listen to strains so wholly alien to what they were used to.
In all probability also there was an active cabal, as in Paris in 1838.
This noble music, which opened a new world of operatic thought, was
hooted off the stage in the presence of the Queen and Court. The Press
tried to condone a failure. It was a mistake that they were not admitted,
as usual, to rehearsal.
A Testimonial Concert at Exeter Hall, in reparation, was projected
but not carried out. Berlioz declined both that and the proceeds of the
subscription-list in cash. For these matters see "Memoires", Calmann
L£vy, 1878, vol. H, 343. Berlioz wrote letters dated 8 July 1853, and
next day left England en route for Baden.
The death of the unhappy Harriet Constance on 3 March 1854
after 7 years of marriage and 14 years of separation, the admirable tri-
bute given by Janin in the "Journal des Debats" (Memoires, II, 338),
do not perhaps concern this narrative. But it is very important to note
Berlioz' distractions which succeeded. There were Hanover and Dresden
in April and May 1854; then the pre-occupations of winding up his
private affairs; then his application for seat in the Institut August 1854;
then the re -marriage in October 1854; then the arrangement and public-
ation of the Tristia choruses; then the completion of the oratorio-syllogy,
Enfance du Christ, and its production on 10 December 1854; then concerts
at Gotha and Weimar in February 1855; then the publication of L&io\
then Brussels in March 1855; then the production of the Corsaire in
Paris 1 April 1855 ; then the completion of Te Deum and its production
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Charles Maclean. Berlioz and England. 323
at St. Eustache 30 April 1855 (the score dedicated to Prince Albert);
then Jury duties at the Paris Exposition; then publication of Enfance
du Christ (Part H dedicated to Ella) ; lastly composition of L'lmp&riale
cantata, brought out at Exposition on 15 November 1855. Meanwhile
he was engaged for the New Philharmonic concerts March to July 1855,
and actually conducted two concerts 13 June and 4 July.
In the middle of this prodigious tale of activity, in December 1854,
Costa retired from the Philharmonic. The conductorship was, through
Sainton, offered to Berlioz, before it was offered to Wagner. But BerKoz
declined owing to his engagements.
After the two New Philharmonic concerts of 1855 (Correspondance,
230), Berlioz never visited England again; though he said he would return
that winter, and the next year he wrote liArt du Chef tfOrchestre, for
incorporation with Novello's English translation of the Traits de l'lnstru-
mentation (Mary Cowden Clarke). Had he realized the paramount im-
portance of stepping into the Costa vacancy, had he joined the Phil-
harmonic with the sobriety and graver enlightenment of his 52 years,
England might have been the haven of his afternoon and the protector
of his fame.
He had been over now 5 times: — 1847—1848 (Jullien), 1851 (Ex-
hibition), 1852 (New Philharmonic), 1853 (Philharmonic and Covent Garden),
1855 (New Philharmonic). He had made himself more at home here than
most foreigners, certainly more than Liszt or Wagner. The hurry and
distances of London had perplexed him, the formality of an English club
had been tiresome to him (Correspondance, 154). But he talked a little
English, perhaps acquired from his first wife. He had know Osborne,
Macready, Ella, in Paris. Sainton was his friend. He was fairly
happy in contact with the music-critics. He was a welcome guest at
12 Savile Row with Mrs. (Harriet) Grote, daughter of a Madras Civil
Servant, wife of the historian, friend of Mendelssohn and Jenny Lind,
hostess of many Frenchmen, &c. The English concert-going public was
well disposed to him. And Mendelssohn had been dead 8 years. Never-
theless in the great crush of his work this opportunity was neglected or
laid aside in a napkin. In estimating motives too one must recognise
that Berlioz had a latent deep patriotism, just as he had a latent deep
sense of domestic duty. He became a name only to England for a
quarter-century, namely 15 years of his remaining life and 10 years after.
There is a couplet on Hercules leaning on his club, "His labours done,
Stands like a sleeping storm Alcmena's son". That is how one would
have liked to figure Berlioz at his end, and not as a man given over to
the bitterness of exhaustion.
And here let it be interpolated that these questions of domiciliary
21*
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324 Charles Maclean, Berlioz and England.
support have nothing whatever to do with musical style. Hueffer,
otherwise shrewd enough, devotes many pages to developing the following
thesis: — "If Berlioz had not known Shakespeare; if he had not married
an English, or at least an Irish wife; if he had not spent much of his
time in this country, he would certainly not have been Berlioz. Perhaps
he would have been Auber, or Meyerbeer, or a mixture of both". (Half
a century of Music, 1837 — 1887). Such remarks stamp Hueffer as a very
indifferent musician, if a good writer. Berlioz read Shakespeare in the
translations of Ducis and Letourneur. The Shakespeare-cult^ the Scott-
cult, the self-destructive Byronism, in the Continent of those jdays, were
merely so many pegs on which to hang a general romanticism, for each
man in his own way. That they made a foreign art in any sense English,
is the absurdest of contentions, mere essaydom. Berlioz formed his style
in his first two or three works and never departed from it. And so far
as it had any genesis except in the teeming brain of its author, it was
patently what it professed to be, a blend of the French classical school
and Beethoven. Musical styles are formed by organic laws of the art,
and not by poetic analogues, however interesting those may be to musical
critics.
England did not wake again to any further notice of Berlioz till after
the impulse given first by Pasdeloup and secondly by Colonne in Paris.
To fill in the gap, it need only be mentioned that Chorley continued
to attack even Berlioz' literary abilities on the smallest excuse. On
1 November 1856, he attacked the "Traite de V Instrumentation" ; en
18 June 1859 "Grotesques de la Musique"; on 7 February 1863 the
"A Travers Chants". On 9 April 1864, he recorded Berlioz' resignation
of the "Ddbats", dismissing him from journalism as with a contemptuous
kick. By the time of Berlioz' death in 1869, the "Athenaeum" was rid
of this insufferable person, who must have done it much harm. Since
about 1875 English conductors have given numerous detached perfor-
mances (though none dramatic), received by public with moderate interest,
followed by a Press more educated than the old. The protagonist in the
English revival has been August Manns at the Crystal Palace, who has
done 4 symphonies, 8 overtures, 6 choral works, besides small pieces.
The following is a list of "first performances in England" at Crystal
Palace Saturday Concerts: — 10 Feb. 1877, Beatrice overture; 29 Oct.
1881, Ltlio; 3 June 1882, Symphonic Funebre; 26 May 1883, Requiem;
18 April 1885, Te Deum; 20 Nov. 1886, Enfance; 2 March 1889, Hamlet
march; 7 March 1891, Mort d'OpMie for choir; 24 Febr. 1900, Rob Roy.
Other institutions which have participated are Philharmonic, Hal Id Band
at Manchester [Symphonie Fantastique first time in England 9 January
1879), Richter Concerts, Bach Choir, Henry Wood's Queen's Hall
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Charles Maclean, Berlioz and England. 325
Orchestra, Dan Godfrey's Bournemouth Symphony Concerts. Carl Rosa
announced Benvenuto Cellini in 1882 (following Billow at Hanover in
February 1879), and Wm. Grist had prepared the English translation,
but performance did not take place.
The following may be taken as an approximately complete English
bibliography of Berlioz. Contributions to daily and weekly press are not
included unless special.
1852. "The Great Exhibition in 1861." Longmans. Crown 8vo.
pp. 630. Reprint of Essays from the "Times", mostly by Lardner. Con-
tains also translation of 3 Letters of Berlioz to the "Journal des DSbats",
about English musical institutions.
1875. Biographical article on "Berlioz", then 6 years dead, in Ency-
clopaedia Britannica, by Francis Hueffer (1843 — 1889), musical critic to
"Times" from 1878 to 1889. In well - restrained style and judicious
matter.
1878. Lecture by G. A. Osborne, the pianist, on Berlioz, before Mu-
sical Association on 3 Feb. 1879. In the Proceedings for 1878 — 1879.
Light gossip.
1880. Article on "Berlioz", in Grove's Dictionary of Music, by Edward
Dannreuther. "Written from the best musician's point of view, but far
from full.
1882. "The Life and Letters of Berlioz. Translated from the French."
By H. Mainwaring Dunstan. Remington. 2 vols. 12 mo. pp. 719. No
publisher's or translator's preface, to show what is meant by "from the
French". Analysis shows it to consist of translations: — (a) Of Daniel
Bernard's "Notice sur Berlioz" and " Correspondance In6dite de Hector
Berlioz, 1829—1868", Calmann Levy, 1879. (b) Of 13 letters to different
people offered now apparently for translation direct from Madame Erard and
Messrs. Colongeon, Laurent, de Fourcaud, &c. (c) Of "Hector Berlioz,
Lettres intimes" (a Humbert Ferrand), Calmann Levy 1882, without the Gou-
nod preface.
1883. "Hector Berlioz." By Joseph Bennett. Novello, Ewer and Co.
Demy 8vo. pp. 127. One of Novello's Primers of Musical Biography, the
others being Cherubini, Chopin, Meyerbeer, Rossini, by same author. Jo-
seph Bennett is musical critic of "Daily Telegraph". Book is written with
singular good sense, but has little about the London visits.
1883. Account of the "Requiem", in the "Musical Review" of 26th May,
by C. A. Barry. The same being performed that day by Manns at Cry-
stal Palace, the first time in England.
1883. Article on Berlioz by "L. E." in October number of "Temple
Bar". Poor; but written by one who knew him.
1884. "Autobiography of Hector Berlioz, Member of the Institute of
France. From 1803 to 1865. Comprising his Travels in Italy, Germany,
Russia, and England. Translated by Rachael (Scott Russell) Holmes, and
Eleanor Holmes." 2 vols. Macmillan. Demy 8vo. pp. 747. Here again
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326 Charles Maclean, Berlioz and England.
no Translator's Preface, and reader left to discover that it is a translation
of the "MSmoires de Hector Berlioz, &c", Galmann Levy, 1878. These publi-
cation^ reticences or obfuscations are to be regretted.
1886. Translation of Rich. PohTs account of the Benvenuto Cel-
lini revival at Mannheim and Carlsruhe, in issues of 22 and 29 May of
"Musical World".
1889. "Half a century of music in England, 1837—1887. Essays to-
wards a history." By Francis Hueffer. Chapman and Hall. Royal 8vo.
pp. 240. Three essays on Wagner, Liszt and Berlioz in England, of which
pp. 90 for Berlioz. Noticed above. It is a clever work.
1890. Account of Les Troy ens at Carlsruhe, in 13th and 20th De-
cember issues of "Musical World".
1893. "Studies in Modern Music. Berlioz, Schumann, Wagner. By
W. H. Hadow, M. A., Fellow of Worcester College, Oxford." London.
Seeley and Co. Demy 8vo. The essay on Berlioz is in the best literary
style. It contains an especially good Smithson likeness, photograph-engrav-
ing from Dubufe's oil portrait.
1901. The "Contemporary Review" for February has a good critical
notice on Berlioz by Ernest Newman.
1901. Article in "Musical Standard", of 26th October, by C. F. Kenyon,
in spirited defence of the "Memoires" as an "indisputably immortal
work."
1901. "Master Singers." Appreciations of Music and Musicians. With
an essay on Hector Berlioz. By Filson Young. Reeves. Demy 8vo.
pp. 202. Of this, 62 pp. are given to Berlioz. Though by a clever and
successful young musician -journalist, must be pronounced a very weak im-
pressionism; and, as illustrating an irresponsible school of criticism probably
more harmful than abuse, deserves special notice. For history take this: —
"After having spent a few years in London as conductor of the Co vent
Garden Opera and Director of the Philharmonic Concerts, be returned to
France and died there." For critical judgment take these: — "He was but
accidentally a musician." "A moderate talent for inventing tunes." "I know
of nothing more abominable" (than the Nubian dance in Troyensj "in written
music". "The Grand Traite* de Instrumentation was by far the greatest
achievement of its author." .!) The beautiful revelation of Berlioz' heart at
the close of his life is commended in a qualified way, but called "half
senile".
1902. Translation of new Berlioz correspondence of 1828 in "Musical
News" of 9th August.
1902. Translation of Weingartner's "Post- Beethoven Symphonists" in
"Musical Standard." The portion regarding Berlioz in issues of 6th and
20th September.
1902. Translation of Liszt's Correspondence with the Princess Sayn-
Wittgenstein in "Musical News". In issue of 8th November Liszt's pathetic
description of Berlioz in his concluding days. "He is in fact without friend
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Charles Maclean, Berlioz and England. 327
or partizan, and knows neither the sunlight of public favour nor the sweet
shade of intimacy.'1
1903. ^French Music in the Nineteenth Century. " By Robert Hervey.
Grant Richards. Crown 8vo. pp. 319. Berlioz is ably treated by one well
acquainted with France, musical critic of "Morning Post".
1903. "Berlioz in Russia" in "Monthly Musical Record" of 1st July,
by Rosa Newmarch. Contains new correspondence, new side-lights, &c.
Authoress thinks it a fallacy about genius understanding genius, but Berlioz
and Glinka "understood each other as only fellow-sufferers can".
1903. "Berlioz in England. A Centenary Retrospect." By F. G. Ed-
wards. In July, August, October and November numbers of "Musical
Times". Very graphic.
It will be seen that the chief original English monographs so far are
Bennett (1883), Hueffer (1889), Hadow (1893), Edwards (1903); each
with special merits.
Programme analyses, foreshadowed by Ella, developed with great
brilliancy by Grove at Crystal Palace, are an important feature of Eng-
lish musical publication. Following are dates in Crystal Palace Saturday
Concert programmes where are found the best notices on Berlioz' works;
all by C. A. Barry. The same writer made the first vocal score of the
Te Deum (Stanley Lucas), and arranged the Beatrice and Benedict over-
ture for 4 hands (Bote and Bock): — 10 Feb. 1877, Beatrice overture;
20 Nov. 1880, Pas des Lutteurs et Marche, Troyens; 3 June 1882, Sym-
phonic Funebre; 13 Oct. 1883, King Lear; 1 Dec. 1883, Requiem; 1 Nov.
1884, Corsaire; 12 April 1885, Te Deum; 27 Feb. 1886, Ballet, Troyens;
20 Nov. 1886, Enfance; 12 Nov. 1887, Ltlio; 22 Feb. 1890, Carnaval;
6 Dec. 1890, Waverley; 7 March 1891, Hamlet Funeral March, and
Death of Ophelia; 7 Nov. 1891 Fantastic Symphony; 25 April 1891
Cellini overture; 15 April 1893 Faust; 18 Nov. 1893 Harold; 15 Dec.
1894 Borneo; 23 March 1895 Francs Juges; 24 Feb. 1900 Rob Roy.
The following works of Berlioz have never been translated in Eng-
lish: — Soirees d'orchestre (Michel L6vy), Grotesques de la Musique (ditto),
A travers chants (ditto).
The best argument for the greatness of Berlioz is that it is 35 years
since his death, 50 years since his zenith, 75 years since he formed his
style; and that his works are now played as some new thing to be gra-
dually got accustomed to. His case is only exceeded by that of J. S. Bach,
whose fame lay dormant a century. The world is not interested in ob-
serving the fact, and so does not observe it; but it is nevertheless as true
as the sun and moon, that originality alone produces these long survivals.
So that it is either playing with words, or irrelevance, to describe Berlioz
as "by accident a musician". As to his having no melody, each school
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328 Charles Maclean, Berlioz and England.
makes its own definition of what that is. Berlioz' melody is certainly
not in the chopped-hay style of 2-bar rhythms; but what for instance is
uLes P&erins dtant venus" (Repos) but a melody, and a beautiful one,
45 bars long? His method of work compelled him to think in melodies,
and the world will sooner or later find out what the instinct of Schumann
and Liszt assimilated at the first glance. The days of mole-blinds such
as Scudo and Chorley are gone. Nothing is wanted but an organized
movement to put in his proper place, in a world more and more ready
to receive him, this real genius of the first order, this incomparable
master.
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0. G. Sonneck, Nordamerikanische Musikbibliotheken. 329
Nordamerikanische Musikbibliotheken.
Einige Winke fttr Studienreisende
0. G. Sonneck.
(Washington.)
Man mufi Herrn Dr. Botstiber Dank wissen fur seinen Aufsatz »Musi-
calia in der New York Public Library « (Sammelband IV, 4). Es ist ein
wertvoller Beitrag zur Bichtigstellung landlaufiger europaischer Ansichteu
iiber das amerikanische Musikleben. Nur zweierlei stort in seinen Be-
merkungen: erstens der einseitige alt-historische Standpunkt und zweitens
die TJbergehung der amerikanischen Musikliteratur.
Letztere, namentlich die des achtzehnten Jahrhunderts, bietet zwar keine
kiinstlerischen Reize, aber sie ist wichtig fur die Entstehungsgeschichte des
amerikanischen Musiklebens. Mithin darf ein Schriftsteller, der sich die
Aufgabe stellt, etwas Licht auf die Bibliographie zu werfen, nicht achtlos
an ihr vorbeigehen. Zum Beispiel hatte Dr. Botstiber wenigstens ein
amerikanisches Druckwerk erwahnen miissen, namlich James Lyon's psalm-
tune collection Urania (Philadelphia, 1761). Hatte er gewuflt, dafi das
Exemplar in der New York Public Library aus gewissen Griinden den Aus-
gangspunkt bilden mufi fiir die bibliographische GeBchichte dieser merkwiir-
digen Sammlung, so hatte er zweifellos » Urania « in seinem Aufsatze er-
wahnt. Kurz, wer amerikanische Musiksammlungen studiert, darf sein
Augenmerk nicht allein auf europaische Musikalien usw., die ihren "Weg
hierher gefunden haben, rich ten, sondern mufi auch die amerikanische Lite-
ratur, die ja gerade in Europa so gut wie unbekannt ist, beriicksichtigen.
Ferner liegt der Schwerpunkt unserer bffentlichen Sammlungen durchaus
nicht in alter Musik. Das Gegenteil trifft nur bei der New York Public
Library zu, deren Bestand aber kaum wachst und die fur moderne Partituren
und theoretische Werke unverantwortlich wenig ausgibt. Alle Achtung vor
ihren Schatzen, wie sie in dem Aufsatze beschrieben wurden, aber davon
allein kann der studienbeflissene Musiker nicht leben.
Es liegt in der Natur der Sache, dafi wir hier in der Erwerbung alter
europaischer Druckwerke (15. bis J8. Jahrhundert) sehr behindert sind.
Kommen sie auf den Markt, so sind uns die europaischen Sammler stets
einige Wochen in ihrem Angebote voraus. Sie benotigen solche Werke, um
Lucken auszufullen, wir, um iiberhaupt erst einen Grund zu legen, und darin
liegt der wesentliche TJnterschied. Selbst wenn es uns gelange aufzukaufen,
was auf den Markt kommt, wir waren doch nicht imstande, uns mit dem
British Museum oder dem Liceo Musicale in Bologna zu messen, was alte
Musik anbetrifft. Im Laufe der Jahrzehnte mag es uns gelingen, auch in
der Beziehung bedeutende Sammlungen aufzubauen, wie sie die New York
Public Library zum Teil schon besitzt, aber das hat noch gute Weile.
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330 0. Gr. Sonneck, Nordamerikanische Musikbibliotheken.
Schliefilich darf man nicht vergessen, dafi der inlandische Kaufbewerb
der schnellen Vereinigung der Kostbarkeiten in einer Hand im Wege
stent.
Anders liegen die Dinge, wenn man das neunzehnte Jahrhundert ins
Auge fafit. Es kann ja keinem Zweifel unterliegen, dafi dies in der Musik-
geschichte einen Hohenzug bedeutet. Da nun der Historiker ohne den
Bibliothekar auf dem Trockenen sitzt, ist es klar, dafi letzterer die Ver-
pflichtung hat dem Forscher vorzuarbeiten. Wehe der Bibliothek, die nicht
beizeiten die aus irgend einem Grunde bemerkenswerten Werke des ver-
flossenen Jahrhunderts erwirbt. Ihr Ruf hatte nur fur Alt-Historiker etwas
Verlockendes, der Neu-Historiker hingegen wiirde — und zwar mit vollem
Rechte — die Achsel zucken.
Das klingt selbstverstandlich, aber der Laie hat geringe Ahnung von den
Schwierigkeiten, die sich da aufturmen. Es ist leider immer der Mammon,
der die besten Absichten lahm legtv Ich will hier nicht bekannte Dinge
wiederholen, aber wie kann zum Beispiel die Konigliche Bibliothek in Berlin
mit einem Etat von nur 2000 Mark die Musiksammlung auf einer wurdigen
Hohe erhalten? Es ist unmoglich, und man soil sich daher nicht wundern,
wenn einige der jungen amerikanischen Sammlungen bereits anfangen, soldi
beriihmten Anstalten bedenklich nahe zu kommen, soweit das neunzehnte
Jahrhundert in betracht kommt.
Indessen ist es nicht nur der resignierte Blick in die Vergangenheit oder
der zielbewufite Blick in die Zukunft, der den amerikanischen Musikbiblio-
thekar dazu treibt, vorwiegend das neunzehnte Jahrhundert zu pflegen, viel-
mehr liegen die Dinge tiefer. Bei uns wird Musikgeschichte nur popular,
im besten Falle popular-wissenschaftlich, betrieben; das Hauptinteresse des
Kritikers, Musikers, Dilettanten bewegt sich um die Gegenwart. Nun bringt
es die eigentiimliche Einrichtung der amerikanischen Bibliotheken und die
demokratische Auffassung von ihrem Wesen und Zweck mit sich, dafi zwischen
Bibliothekar und Leser ein engerer Austausch von Angebot und Nachfrage
stattfindet als druben. Wenn ich mich etwas iibertrieben ausdriicken soil,
der Beamte mufi hier mehr die Interessen des Laien als die des Fachmannes
wahren. Sein Herz mag am wissenschaftlichen Spezialisten hangen, aber er
hat in erster Linie das Interessengebiet des allgemeinen Leserkreises zu be-
riicksichtigen, und den Durchschnitts-Amerikaner fesselt die Gegenwart mehr
als alles andere. Ohne diesen Wechsel-EinfluB ware aber der ungeheuere
Aufschwung des amerikanischen Bibliothekswesens garnicht denkbar.
Aufier diesen allgemeinen Gesichtspunkten werden diejenigen, die wie
Dr. Botstiber den Mut besitzen, eine mehrwochentliche Studienreise nach
den Vereinigten Staaten zu unternehmen, gut tun, ihr Arbeitsfeld planmaBig
zu besichtigen.
Wie iiberall haben auch wir staatliche, stadtische, private und Universi-
tats- und Leihbibliotheken so wie solche historischer und musikalischer Ge-
sellschaften. Die groBte Leihbibliothek hierzulande ist meines Wissens die
Tamm'sche in New York. Die Firma versorgt alle moglichen Orchester
und Vereine mit Partituren und Stimmen, aber der Inhaber verrat mehr
Sinn fur Beldame als fur Tatsachen, wenn er behauptet die ilberhaupt reich-
haltigste Musiksammlung in den Vereinigten Staaten zu besitzen.
Was an seltenen Drucken im Besitze solch alter Familien wie die
Hopkinson'sche in Philadelphia ist, entzieht sich vorlaufig unserer genauen
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0. Gk Sonneck, Nordamerikanische Musikbibliotbeken. 331
Kenntnis, aber sicher wiirde eine Untersuchung manch ehrwiirdigen Druck
zu Tage fdrdern. DaB Musikschriftateller wie Henry Edward Krehbiel in
New York vorziigliche Handbibliotheken ihr eigen nennen, versteht sich,
ebenso, dafi bei ihnen manche Raritat zu fin den ist. Dann gibt es wicbtige
Privatsammlungen, die ein besonderes Gebiet umfassen, so zum Beispiel die
des Mr. James Warrington in Philadelphia. Yor vierzig Jahren, als das
Interesse fair derartige Dinge noch sehr gering war, fing dieser Herr an, alles
zu sammeln was auf die Entwicklung der psalmody in den Vereinigten
Staaten vor 1820 Licht wirft. Heute darf seine Sammlung fur einzig gelten.
Sie umfaGt, wenn ich mich recht erinnere, 7000 Nummern, und nur der ge-
wiegte Kenner wird nennenswerte Liicken bemerken. Es faCt einen beinahe
der Neid an, wenn man Mr. Warrington's Regale voller psalm-tune collections
aua dem 18. Jahrhundert, englische sowie amerikanische, besichtigt, die heute
manchmal bis zu 100 Dollar oder mehr bringen. In anderer Weise fast
ebenso bemerkenswert ist die Partitur-Bibliothek des beruhmten Kapellmeisters
Theodor Thomas. Wenn ich nicht irre, hat er sie der TJniversitat in
Chicago vermacht.
In eine ahnliche Gruppe wie die letztgenannte gehoren die Sammlungen
der Musikvereine. Bedenkt man, dafi die Handel and Haydn Society
in Boston bereits 181 B gegriindet wurde und heute noch blunt, so kann
man sich eine ungetahre Vorstellung von dem Charakter ihrer Bibliothek
machen. Ahnliches gilt zum Beispiel von der New York Philharmonic
Society (1842), von der Harvard Musical Association (1837) und in
engerem Sinne von Anstalten wie dem New England Conservatory of
Music. Die historischen Gesellschaften befassen sich natiirlich nur mit
Americana, und zwar nicht mit musikalischen. Trotzdem geraten durch
Schenkung mehr oder minder beachtenswerte Sammlungen alter amerikanischer
Drucke in ihren Besitz. So erbte die Massachusetts Historical
Society in Boston von einem Mr. Latham eine wichtige Bibliothek
amerikanischer psalm-tune collections aus der Feder Josiah Flagg's, William
Billing's, James Lyon's und vieler anderer.
Etwas bedenklich stent es um die Musiksammlungen in unseren Colleges
und Universitaten. Das ist um so bedauerlicher, -als die angesehensten
eigene musikalische Fakultaten besitzen, etwa im Sinne europaischer Konser-
vatorien. Ich verzichte auf eine Kritik, um mit Nachdruck wenigstens auf
zwei bedeutende TJniversitats-Musiksammlungen hinzuweisen. niimlich die
in unseren beiden altesten Hochschulen: Harvard (1666) und Yale
' (1701).
Beide legen weniger Gewicht auf alte Musik, Neudrucke ausgenommen,
als auf moderne, und beide verfugen iiber ausgedehnte Sammlungen moderner
symphonischer Partituren. Yale ragt aber auf gewissen Slteren Gebieten
entschieden hervor. So erbte diese TJniversitat die prachtvolle Sammlung
Lowell Mason's, der die einstmals beriihmte Bibliothek des Darmstadter
Organisten Rinck mit seiner eigenen, namentlich auf dem Gebiete der
psalmody reichen Sammlung vereinigte. Ferner hat der jiingst verstorbene
Bibliothekar James Sumner Smith mit BienenfieiB eine ungemein reich-
haltige Sammlung von Werken iiber das Volkslied aller Volker ausgebaut.
Um aber Harvard nicht gar zu kurz kommen zu lassen, bemerke ich, dafi
diese Hochschule auf dem Umwege iiber Malta in den Besitz von etwa
1400 handschriftlichen italienischen Librettos von Opera, Oratorien, Cantaten
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332 0. G. Sonneck, Nordamerikanische Musikbibliotheken.
usw. aus dem 18. Jahrhundert geriet, die wegen ihrer vielen zeitgenossischen
Randbemerkungen von besonderer geschichtlicher Wichtigkeit sind.
TJnter den offentlichen Bibliotheken steben die von Herrn Dr. Botstiber
bereits bescbriebene New York Public Library, die Boston Public
Library, die Newberry Library in Chicago, sowie die Library of Con-
gress in Washington an erster Stelle.
Die Newberry Library tr> den Namen des Millionars Walter Loomis
Newberry. Obwohl dieser 1868 starb, trat wegen allerlei gesetzlicher
Scbwierigkeiten seine Stiftung erst 1887 ins Leben. Der bekannte Musik-
scbriftsteller George P. Upton wurde damit beauftragt, eine musikalische
Desideratenliste zusammenzustellen. Er entledigte sicb seiner Aufgabe so
geschickt, dafi die Bibliothek bereits 1889 fiber 1349 Bande Musikalien
verfligte. Der Oberbibliothekar bemerkte in seinem Berichte: >Wenn alle
die bestellten Biicber eingelaufen sind, wird die Musikabteilung unsere Starke
sein und keine andere Bibliothek unseres Landes wird uns in der Beziehung
gewachsen, geschweige denn fiber sein*. Er hatte alien Grund zu dieser
kfihnen Behauptung; denn die Newberry Library hatte die Sammlung des
Conte Pio Resse aus Florenz erworben, die unter vielen anderen Selten-
heiten enthielt: Aiguino's U tesoro illwminato . . ., 1581; Ho bb ett¥ b LibeUus
de rudimmtis musices] Brunelli's Scherxi, arte . . ., 1614; und die auflerst
seltene Partitur von Peri's Euridice, 1600. Im Jahre 1891 kam durch
Ankauf Hubert Maine's Sammlung von amerikanischen psalm-tune collections
usw. hinzu, die fiber 3000 Nummern umfafite und nur von der des er-
wahnten Mr. Warrington fibertroffen wird. Gleichzeitig. wurden nach Kraften
alle Lficken ausgefiillt und allerlei Seltenheiten aufgelesen, zum Beispiel
Frezza dalle Grotte's 11 cantore ecclesiastico . . . , 1698. Im folgenden
Jahre beliefen sich die Neuanschaffungen auf nicht weniger als 7776 Nummern,
deren Mehrzahl aus der Bibliothek Otto Lob's stammte. Durch ihre Er-
werbung kam die Newberry Library in den Besitz einer beneidenswerten
Sammlung von modernen Partituren. Sie verfligte im Jahre 1894 — also
sieben Jahre nach ihrer Grtindung — fiber eine Musikaliensammlung von
14675 Banden und Heften. Seitdem freilich ist sie nicht betrachtlich ge-
wachsen, doch muB es ihren Leitern zur Ehre angerechnet werden, dafi
sie seinerzeit das einzige Exemplar des Jenaer L iederh an dschrift -Facsimile
erwarb, das nach den Vereinigten Staaten wanderte, wie der Verleger
versichert.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dafi die Sammlung der Newberry
Library, alles in allem genommen, gleichmafiiger, umfassender und viel fort-
schrittlicher ist als die in der New York Public Library. Soweit die Musik
des 19. Jahrhunderts in betracht kommt, gilt das vielleicht in noch hoherem
Grade von der Boston Public Library.
Diese vortreffliche Anstalt verfugte bereits fiber ansehnliche Musikalien
als ihr im Jahre 1894 der Musikenthusiast Allen A. Brown seine reiche
Sammlung schenkte, wobei er nur zweierlei zur Bedingung machte: erstens,
dafi niemand aufier ihm Musikalien nach Hause nehmen dfirfe, und zweitens,
dafi er fortfahren dfirfe, Programme, Kritiken usw. den Banden einzukleben.
Die Sammlung zahlte damals 6382 Bande und ihre Starke lag auf dem Ge-
biete des Mannerchors und der modernen Oper. Auch ist erwahnenswert,
dafi Mr. Brown seit seiner Jugend an der guten aiten Sitte hangt, eigeci-
handig Werke, die nur in Stimmen erhaltlich sind, in Partitur zu setzen.
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0. G. Sonneck, Nordamerikanische Musikbibliotheken. 333
Was aber die Schenkung fUr das Musikleben Bostons be Bonders wicbtig
macht, ist, daB der Stifter weder Kosten noch Miihen scheut, urn die Allen
A. Brown Collection weiter auszubauen. Er fugt alljahrlich durchschnitt-
licb 300 Bande hinzu, entweder urn Liicken auszufullen oder um ganz auf
der Hohe der Zeit zu bleiben. Zum Beispiel erwarb er 1899 vierzig Haydn'sche
Symphonien, die Deldevez aus den Stimmen in Partitur gebracht hatte,
so daB seine Sammlung nunmehr liber 87 Symphonien des Meisters in Parti-
tur verftigt. Aufterdem wurden in demselben Jahre zum Beispiel die kost-
spieligen Partituren von » Carmen*, > Samson et Dalila«, »Guntram« und
andere erworben. Besonderes Gliick hatte Mr. Brown in diesem Jahre (1903).
Er kaufte eine Sammlung von 175 handschriftlichen Opern- und Orchester-
partituren, die seine Bibliothek derart ausflillten, daB sie jetzt s&mtliche Werke
Bellini's, Rossini's, Meyerbeer's und anderer, namentlich italienischer Meister
in Partitur besitzt. Die Musikabteilung der Boston Public Library verfiigt
heute, dank der Opferfreudigkeit Mr. Brown's und dem Interesse, das die
Oberleitung der Musik entgegenbringt, uber 22143 Bande und Hefte, wovon
auf Opern, Oratorien und sonstige Orchesterpartituren etwa 700 entf alien.
Von alteren amerikanischen Drucken erwahne ich nur einen, dessen Wichtig-
keit und Seltenheit — mir sind nur zwei Exemplare bekannt — nicht ein-
mal in Boston nach Gebuhr geschatzt wird, namlich Francis Hopkinson's
Seven Songs . . ., Philadelphia, 1788.
Numerisch, allerdings nur numerisch, nehmen sich die erwahnten Samm-
lungen, wie wohl auch fast alle europaischen, zwerghaft aus neben der unserer
Nationalbibliothek , der Library of Congress in Washington; denn sie
verfiigt, 5000 Schriften uber Musik inbegriffen, uber mehr als 360000 Bande
und Hefte. Dies klingt unglaublich, ist aber wahr, wie man mir, dem Hiiter
dieses bibliothekarischen Eafner, hoffentlich glauben wird. Der Beweis ist
Uberdies sehr einfach.
Die inlandischen und internationalen copyrigkt-QtesetzQ bestimmen, daB
zwei Pflichtexemplare jedes zu schiitzenden Werkes der copyright-office, die
ein Zweig der Library of Congress ist, eingeliefert werden. Eins der Exem-
plare wird sodann der » Music Division* zur Verfugung iiberwiesen. Da nun
die Vereinigten Staaten seit 1891 mit den wichtigsten Musiklandern Europas,
Ru Bland und Osterreich hauptsachlich ausgenommen, copi/r^^-Vereinbarungen
getroffen haben, und da die Verleger klugerweise die Mehrzahl ihrer Ver-
offentlichungen schutzen, kommt die Musikabteilung der Library of Congress
eo ipso in den Besitz der Mehrzahl aller neuen europaischen Musikalien.
Selbstverstandlich flieBen ihr aus dem gleichen Grunde alle Musikalien und
Schriften uber Musik zu, die in den Vereinigten Staaten gedruckt wurden oder
werden1), und ihre Anzahl ist weit groBer als man driiben allgemein weiB.
Es folgt daraus, daB in keiner Bibliothek der Welt die internationale Musik-
produktion eine so reichhaltige Lagerstatt findet wie hier, wofur allein die
Tatsache spricht, daB zum Beispiel im Fiskaljahre 1902 uber 21000 Bande
und Hefte geschutzt wurden. Wenn nicht die Vertrftge eine wesentliche Ab-
anderung erfahren und wenn die europaischen Verleger nicht die Torheit
1) Diese Behauptung unterliegt — aus geschichtlichen Griinden — einer Ein-
schrankung nur fur die Jahre vor 1819 und fur die Veroffentlichungen in den Se-
zessionsstaaten, 1860—1865.
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334 0. G. Sonneck, Nordamerikanische Musikbibliotheken.
begehen, ihre VerofFentlichungen ungeschiitzt zu lassen *), wird die Library of
Congress der Ort sein, wo Bibliographen, Historiker und Musiker die Musik
des 20. Jahrhunderts und des letzten Dezenniums des 19. studieren konnen
wie nirgends anderswo.
Diese Tatsachen vereinfachen die Tatigkeit des Librarian of Congress2)
und seines Abteilungschefs in einer Beziehung wesentlich. Es handelt sich
fur ihn lediglich darum, wichtige Musikalien anzuschaffen, wie sie vor 1891
in Europa und vor 1819 in den Vereinigten Staaten gedruckt wurden; ferner
solche, die von europaischen Verlegern nicht gescbiitzt werden, und scbliefi-
lich europaische Schriften uber Musik, die bekanntlich nicht innerhalb der
Vertrage fallen.
Da nun die » Music Division « erst 1897 — d. h. seit Uberfuhrung
der Library of Congress vom Kapitol in den riesigen, prachtvollen Neubau
— eine besondere Abteilung bildet, da es Jahre erforderte, um dies Mon-
strum einer Musiksammlung einigermafien zu sichten, und da vor 1900 aufier
einigen Seltenheiten so gut wie nichts angekauft wurde, so konnte der
planmafiige Ausbau erst vor anderthalb Jahren beginnen. Dies so lite ein
Studienreisender nicht vergessen, wenn ihn sein Weg nach Washington
verschlagt.
Seitdem ist aber zunachst das 19. Jahrhundert mit Entschiedenheit in
Angriff genommen worden, und mit einem Etat von etwa 20000 Mark jahr-
lich fur Musikalien und Schriften uber Musik ausschlieBlich der Buchbinder-
unkosten usw. mufi es dem Librarian of Congress in absehbarer Zeit ge-
lingen, die » Music Division « auf eine Stufe mit den besseren Sammlungen
Europas zu stellen.
Augenblicklich bietet sie folgenden Anblick: Dank der doppelschneidigen
copyright-Gesetze steht sie an Musik, fur die sich jede andere Bibliothek be-
danken wlirde — also kurz gesagt an internationalem Schund — unerreicht
da. Sie hat ebenfalls keine Nebenbuhlerin auf dem Gebiete des amerika-
nischen Musikdruckes. Dagegen ist sie verh'altnismaBig arm an alten euro-
paischen Drucken, woriiber der Besitz von Lasso's Opus magnum musicum,
1604, einiger Original dru eke Lulli'scher, Rameau'scher und anderer Opern,
und einer Anzahl seltener thooretischer Schriften usw. nicht hinwegtauschen
kann. Andererseits erlaubt ihr das copyright und die Subskription auf etwa
sechzig europaische Musikzeitschriften, die Lernbefiissenen stets auf dem
Laufenden zu erhalten. Ferner ist die Sammlung monumentaler kritischer
und geschichtlicher Neuausgaben nunmehr fast vollst'andig, und die Symphonie,
Kammermusik, usw. seit Beethoven ist hier wohl so gut vertreten wie in
der Boston Public Library, was immerhin ein Lob ist. Das gleiche gilt
von Klavierausziigen von Opern. Ihr Stolz ist aber die Sammlung von
modernen Opernpartituren (etwa 200). Wer solche kostspielige Werke wie
Verdi's Falstaff, Thuille's Lobctanz, Saint-Saens' Henri VIII, Wolf's
Corregidor, StrauB' Fewrsnot, Guiraud's Piccolino, Bizet's Carmen,
Tschaikovsky's Pique-Dame, Vincent D'Indy's Fervaal, Franck's Hulda,
1) Die miGliche Parsifal- Angelegenheit sollte ihnen eine Lehre sein! Wenn dem
Xachdrucke gesetzlich nichts im Wege steht, wird der amerikanische Verleger sich
nicht davor scheuen. (Der europaische ubrigens auch nicht!)
2) Zurzeit Mr. Herbert Putnam, ein Mann von weitem Blicke und kiihnen
Pl'anen, unter dessen Leitung die Library of Congress imponierende Fortschritte macht.
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0. G. Sonneck, Nordamerikanische Musikbibliotheken. 335
Cornelius' Cid, Glinka's Euslan und Ludmila, Rimsky-Korsakoff's
Sadko, Blockx' La Fiancee de la mery von Wagner, Meyerbeer,
Lortzing, Goldmark, Kretschmer, Offenbach, Rossini, usw. ganz
zu schweigen, in Partitur studieren will, hat hier vollauf Gelegenheit dazu.
Es liefle sich liber die Klassinkation in unseren Bibliotheken und tiber
sonstige Dinge, die den Fachmann anregen, manches hinzufugen, aber es
kam mir hier nur darauf an, auf die Sammlungen selber etwas Licht zu
werfen. Eins diirfte wohl aber feststehen: die europaischen Bibliographen
vom Schlage eines Eitner werden gut tun, den amerikanischen Bibliotheken
mehr Aufmerksamkeit zu schenken als bisher.
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Die Vierteljahrsheffce der Sammelbande
erscheinen am 1. November, 1. Februar, 1. Mai und 1. August SchluB
der Redaktion jedes Heftes: ein Monat vor seinem Erscheinen. Manu-
skripte und andere Sendungen beliebe man zu richten an einen der
Herausgeber: Prof. Dr. Oskar Fleischer, Berlin W. MotzstraBe 17 und
Dr. Johannes Wolf, Berlin N. 0. Prenzlauer Allee 30.
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General Culture and Musicians
by
Frederick Niecks.
(Edinburgh.)
In the following remarks I design placing before the reader my ideal
of a musician ; which however is not a visionary, impracticable, unattain-
able ideal, but one within the reach of every man and woman of
average talents and opportunities.
A.n indispensable qualification of a good musician is of course that
of being a good craftsman. Linguistic, philosophical, and scientific know-
ledge, be it ever so great, physical and social accomplishments, be they
ever so brilliant, cannot make up for deficiencies in the professional
equipment. But what have we to understand by "a good musician"?
Does it mean for instance a skilful singer or player? Yes and no: the
expression implies this, but at the same time implies a great deal besides.
A merely muscular grasp of the mechanism of an instrument does not
make a good musician. Without loss of truth, we may give a more
general form to this statement, and say that the muscular grasp of the
mechanism of an art does not make an artist. Not even an emotional
as well as a muscular grasp will do that. In addition to the muscular
and emotional, there is required an intellectual grasp. Now that is not
understood by the young people in the pupillary stage, nor is it generally
understood by those who have passed thence into full-fledged professional-
ism. And yet the matter is so clear, so obvious, so palpably demon-
strable. No sensible person would suppose that anyone could be a good
linguist and a good teacher of a language without a knowledge of grammar.
But there are thousands, nay millions of sensible people, who imagine
that a musician can do very well without the grammar of his art; and
I believe there are even some people who think that a musician is the
better for this want of knowledge — perhaps on the principle "where
ignorance is bliss, 'tis folly to be wise". Look about among those who
study music privately. "What do they study? With rare exceptions
nothing but (singing and playing on an instrument. Or go to music
schools, and pursue the inquiry there. Again the same state of matters.
s. a. i. m. v. 22
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338 Frederick Niecks, General Culture and Musicians.
The students are immersed in the mechanism of the executive part of
their art or in a purely sensuous and emotional melo-maniac en-
thusiasm destitute of intelligence and intellectuality. The study of
harmony and some other things is of course enjoined on them at the
better class of music schools, but they neglect or spurn them as super-
fluous things that interfere with what alone seems to them worthy of
their attention. The students of composition are in their own way just
as foolish as their fellows on the executive side. They too neglect
grammar, trust to their noble instincts, their inborn genius, a trust never
quite justifiable, and oftenest, alas! wholly unjustifiable. Both executants
and composers have too narrow a conception of musicianship. But
the worst of it is — for themselves and for the world — that owing
to this narrow conception they cannot even succeed in the low ideal
they have set before themselves; they not only fail to become good
musicians, but even fail to become good singers, pianists, violinists, and
so on.
The minimum of knowledge a musical executant and teacher of music
requires is a thorough knowledge of notation, harmony, and form. Without
this he can have no insight into his art, and cannot intelligently interpret
and expound it. Harmony and form are the musician's grammar, his
etymology and syntax. Of course there are other very valuable and
very desirable things — for instance, counterpoint and history. But I
will insist only on the irreducible and indispensable minimum. A few
years ago I read a paper to the Musical Association of London, and in
the course of it recommended the study of Musical History and deplored
its neglect at music schools. In the discussion that followed Sir Frederick
Bridge remarked as follows: —
"It is very hard to make students read anything — even novels and
daily papers. Efforts have been made to get them to buy a weekly musical
newspaper; they won't do it. I agree with what the lecturer says to the
effect that the heads of the music schools ought to force the pupils to learn
things that are good for them. I do not see why it should not be ; they
must sometimes be forced to do things they do not like. Many who come
to learn the pianoforte would like to do nothing but sit down and practise
at it for eight hours a day. They won't go and hear a symphony played;
they won't read a book; but they will thrash the pianoforte because they
regard that as the business of their lives. That is a dreadful state of af-
fairs. It cramps students. They are not musicians; they are pianoforte
thumpers . . . You ought to take steps to induce these students to do some-
thing more than merely stick to the technique of instruments they have
unfortunately adopted. Nothing could be more cramping than that dreadful
slavery and devotion to one thing only."
What did Rubinstein think of the same subject?
"A pupil at a music school", he said, "generally receives during the
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Frederick Niecks, General Culture and Musicians. 339
time he spends there such a technical drilling by his master as to enable
him to pass his final examination well, and to obtain a leaving certificate;
but he is very rarely ripe for independent work".
Mark this: "the pupil is rarely ripe for independent work". Here is
the weak spot. In fact, once set adrift, the pupil finds himself helplessly
floundering in a sea of troubles, unable to think and judge for himself,
unable even to read without assistance. Now, what is, according to
Rubinstein, the cause of this lamentable result? He ascribes it to a
too-exclusively technical curriculum; and strikingly illustrates this system
of drilling, instead of training; by a finished music-school product, a
young man who played to him well the soli of a concerto of Hummel's,
but was unable to play the tutti. However, what else can we expect as
long as music teaching is so like the teaching which produces performing
dogs, as long as our institutions and private teachers go on turning out
machines, for the most part of the nature of badly made musical boxes,
rather than musicians and real masters of the art?
In the older time people seem to have been wiser than we who pride
ourselves on the progress made in recent times. Of the Roman school \
of singing of the 17th century it is reported that besides their com- \
prehensive vocal studies and their playing on the harpsichord, the pupils
devoted a large proportion of their time to theory, writing of counter-
point, hearing of good music, and giving a critical account of what they
had heard. At the Neapolitan music schools of the 18th century, by-
no means model institutions, where indeed rough and ready methods
prevailed and practice was the main and supreme, nay the sold con-
sideration, there were classes in the elements of music, harmony, and
history and aesthetics as well as individual teaching in composition, and
individual and class teaching in singing and playing.
The spurners of all but executive studies excuse themselves often by
saying that in our time it is necessary to specialise; and that if they
are to become masters of the now so highly developed instrumental
technique, no time can be spared for anything else. They overlook that
technique by itself is a useless thing, or at least a thing of very slight
value. They fail to see that technique is not an end, but merely a
means to an end; the only worthy end being, not to astonish by mechanical
dexterity, but to delight, move, elevate, and enrapture by appealing to
the intellectual and emotional faculties of the hearers. The most perfect
technique will not make the possessor a musician, an artist; nor can it
raise him above the acrobat, juggler, and prestidigitateur. In short
specialisation is valuable only when it rises from a broad foundation of
general acquirements. The exclusive cultivators of technique overlook
yet another thing — namely this , that by their exclusiveness they
22*
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340 Frederick Niecks, General Culture and Musicians.
defeat their own object. Too much technical drilling, besides deleteriously
affecting the body, stupefies and brutalises the mind. If there were
statistics on this point, we should have blood-curdling accounts of large
numbers of pianists fallen into idiocy. We do not read of these cases
in lunacy reports, because of the harmlessness of those afflicted by this
kind of mental decay. Eight hours' practising a day exceeds greatly
the amount that can be profitable. Less would be more. And if the
time thus saved were devoted to other studies, not only other necessary
acquirements could be added to the technical, but even the acquirement
of the technical means would be facilitated. What was the English
painter's reply to the dilettante who asked: "Pray, Mr. Opie, what do
you mix your colours with?" It is to be wished that all musicians should
know and remember it. "With brains, Sir". Unfortunately, many of
our young and some of our older friends won't learn the lesson that
nothing worth doing can be done well without brains.
This brings me to the second part of my subject .... the importance
to the musician of general culture. I said specialisation must rise from
a broad foundation of general acquirements. Then I was thinking of
specialisation within a profession and of general professional acquirements.
But we cannot stop there. For the professional acquirements are but a
specialisation on a somewhat larger scale, which itself stands in need of
a broad foundation of still more general acquirements. In other words,
the musician should be not only a complete professional, but also a
complete man. Indeed, as art is part of humanity, the incompleteness
of the man unfailingly affects the completeness of the musician. If we
ask the great masters how they compose, sing, and play, they are sure
to answer: "With brains, Sir." Life, the arts, the sciences, and litera-
ture are not the least of the musician's teachers. Moreover, general
culture not only helps the musician in his art, it also improves his
worldly prospects and gives him a position in society. The individual
that is nothing but a lawyer, chemist, engineer, merchant, or artist, that
has no interests outside his department, cannot be regarded as a full
member of society and the body politic; being a mere drudge, not a free
citizen. He cannot even attain a high rank in his own department. For
his skill, enlightenment, and success in the exploitation and development
of his speciality will to a large extent depend on general knowledge.
Of course, we have again and again heard from musicians that their
art takes up the whole of their time. We hear this from young people
in their apprenticeship, and from older people in the later stages of their
career. Now, if this assertion of "no time for anything else" were truer
than it is, there could still be only one reply to it — namely: "You
must find time.v It is not a question about something that can be either
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Frederick Niecks, General Culture and Musicians. 341
taken or left without much consequence one way or another. It is a
question of life or death. There are other parts of ourselves than our
bodies that can be starved, stunted, crippled, and paralysed. But I deny
the truth of the excuse. It is not want of time; it is disinclination, in-
difference, and love of ease, play, and conviviality. What makes it all
the more pitiable is that the disinclination rests on a misconception.
Schumann's words about theory, thoroughbass, and counterpoint apply
also to the subjects of general culture: —
"You have only to approach them in a friendly way, and they will meet
you in the same spirit."
The narrow-minded professionals however think they have not only
an excuse, but also a justification. They say: "many of the great masters
have done very well without culture, why should not we?" Well, there
is more than one fallacy in this reasoning. First, geniuses that are
indifferent to culture are very rare; secondly, the geniuses without culture
would have been the better for it; and thirdly, what geniuses, high-fliers,
can do, may be beyond the power of those destined to crawl, to walk,
or at best to climb.
Before looking in the sayings and doings of famous musicians for
the confirmation of my assertions, it is necessary that I should define
what I mean by culture. Culture is on the one hand an accumulation
of valuable facts and* means of information, and on the other hand the
capacity of thinking, judging, and imagining, in short, of a clear and
wide outlook. The results may therefore be described as a well-stored,
open, eager, and sympathetic mind, with faculties sharpened and strength-
ened by experience, observation, and literary and scientific discipline.
There must be different kinds and degrees of culture according to the
variety of natural dispositions and methods of training. It is prejudice
to think that there is only one way to reach it. A classical education
of the right sort is an excellent thing, but not the only excellent thing.
That most men who distinguished themselves in literature, science, and
other vocations had a classical education, will be seen to prove less than
is generally thought, if we consider that in the past it was the only
recognised and readily obtainable education. But if classical education
made these men great, is it not strange that it turns out so few great
men and so many duffers? The truth seems to me to be that as there
are many ways that lead to Rome, so there are many that lead to culture.
You need not necessarily travel through Greek and Latin, and through
a university or any other kind of scholastic channel. Culture is not a
dead formula. Nor is it a formula, dead or alive, that any man or set
of men has the right to impose on us. After this explanation my further
remarks about culture are not likely to be misunderstood.
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342 Frederick Niecks, General Culture and Musicians.
If I had the boldness to attempt a history of Musicians and Culture,
I should not have the space to deal here with so complicated and to a
large extent so obscure a subject. The culture of one age is not the
culture of another age, and hence much of the complication. As to the
obscurity, it arises chiefly from the fact that of the lives of the early
musicians we know nothing or nearly nothing, and even of the more
modern musicians the intimate life is a closed book. The hints I shall
give are intended to illustrate the view that many of the famous and
more or less distinguished musicians receive from the first an excellent
general education at secondary schools and universities, or at least at
the former; and that most of the others. try to make up for the want
of this by private study and by taking advantage of later opportunities;
in short, that distinguished musicians without culture and indifferent
to it are quite exceptional. Before the 17th century, clerics largely
predominated among the art-musicians, and even in the 17th century,
when music had become so much more secularised, they formed still a
considerable proportion. These clerical or clerically connected musicians
had of course the usual clerical education of the time. Coming to the
18 th century it is really astonishing how many of the well-known musi-
cians were university men, and if not that, had been educated at first
rate public schools. There are however differences in the different
countries, Germany standing first in this respect. " With regard to Italy
it is however notable that at the Neapolitan Music Schools, where a
general as well as a musical education was given, the literary part of
the curriculum comprehended not only calligraphy, Italian grammar,
arithmetic, and geography, but also Latin, French, mathematics, acoustics,
literature, history, and musical aesthetics.
Now let us pass in review some of the great men whose names have
become household words. Mattheson, himself a man of learning and
a famous author, speaks in one of his books in high terms of Handel's
studies of sciences other than that of music; and in another book writes:
"He learned the art of composition and of organ playing from the cele-
brated F. W. Zachau, and other sciences at the Halle University; he also
thoroughly learned the living languages, such as Italian, French, and English
on his travels."
It is superfluous to point out that Handel's long residence in different
countries was a powerful means of culture to an open-eyed and assimilative
nature like his. J. S. Bach did not enjoy his great contemporary's
privilege of being a university student, but he was successively at two
secondary schools, the curriculum of which included logic, rhetoric, New
Testament Greek, and Latin. The reading in the latter language com-
prised Horace, Virgil, Cicero, Terence, and Curtius. Whatever his
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Frederick Niecks, General Culture and Musicians. 343
proficiency in Latin may have been, it was considered sufficient for his
teaching the language in tertia and quarta of the St. Thomas School
at Leipzig, when he became cantor. We should not overlook that he
took an interest in the musical discussions of his time, and had in his
library a very considerable number of books on musical as well as religious
subjects. In passing let us note that J. S. Bach's predecessor at Leipzig,
the famous Johann Kuhnau, was educated at the widely-known Dresden
Kreuzschule, where also the younger contemporary 0. H. Graun received
his schooling. Keiser, Telemann, Graupner, and Stoltzel, the
most distinguished of Bach's and Handel's German contempories , were
all university men. Rameau, the greatest French contemporary, a man
of indisputable mental power, acquired his learning rather by self-tuition
than by training, at the Jesuit College of which he was for some years
a pupil. Next in order of time comes J. S. Bach's son, C. Ph. E. Bach,
who studied at the universities of Leipzig and Frankfurt on the Oder. He
who knows anything of the aims and achievements of Gluck need not
be told that he was a man of culture. This culture is, of course, not
wholly accounted for by his training at the Jesuit College of Kommotau.
Travels in Italy, France, and England, observation, reading, and speculation,
have likewise to be taken into account. His prefaces and public letters
throw much light on his mental capacity and character. Of Joseph
Haydn it can hardly be said that he was a man of culture. He got
his general education at the choristers' school of the Vienna cathedral,
where they taught the boys only the usual elementary subjects and a
little Latin. His genius helped him through wonderfully, but he would
undoubtedly have been the better for a more liberal education. However,
he may not have been altogether remiss in improving himself. At any
rate, he had a very respectable collection of books on music, and not
merely on the practical subjects of harmony and counterpoint Mozart's
case is somewhat difficult. His bright and lively letters contain nothing
that indicates interest in the other arts, in literature, in sciences, or even
in nature. But it would be rash to conclude from this that he was
indifferent to all these things. His upbringing must have imbued him
with intellectual interests. Mozart, who was sent to no school at all,
must have received from his capable and conscientious father a good
general education. Nor was his eagerness to learn confined to musical
matters. When beginning arithmetic, he covered tables, chairs, walls,
and floors with figures. At the age of eleven he wrote music to a Latin
play, and two years later he was making progress in that language, being
able for instance to write part of a letter in it. Of course he learned
French and Italian, and probably knew some English. His father in-
troduced him also to the art-treasures of Italy. So that we may safely
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344 Frederick Niecks, General Culture and Musicians.
assume that there was more than mere instinct involved in the marvellous
insight into human character and the subtleties of feeling to which his
works testify. Beethoven, having a father lacking both capacity and
conscientiousness, fared accordingly worse than Mozart. In fact, he got
no more than an elementary school education with a little Latin thrown
in. Nor did he in later life greatly increase this slender scholastic outfit.
He learned however to use Italian and French in cyclopean fashion.
Cyclopean also was the style of his German. On the other hand, he
was a reader of good books to good purpose, a student of politics, an
admirer of great men and noble deeds, a worshipper of nature, and a
meditator on the problems of art, life, and religion. In one of his letters
he says: "Goethe and Schiller are my favourite poets, and so are Ossian
and Homer." But Shakespeare too was a favourite, indeed a life-long
companion and inspirer. For Plutarch he had a great affection, and the
ancients generally seem to have been very congenial to him. The passages
copied by him from books he had read, and those marked by him, reveal
to us something of his soul-life and his high ideals. Much in his letters
too is very informing. Take for instance the following extracts:
"True art is imperishable, and the true artist derives profound pleasure
from the great products of mind." "It is only art and science that
point to, and let us hope for, a higher life." "The best and noblest
men are united by art and science." "Art! who understands it? With
whom can one converse about this great goddess?"
Schubert was less strenuous, but not indifferent. He lived and had
his being in poetry and nature, whose language he translated into music,
his own idiom. Music soon made him neglect other studies. But he
had opportunities to learn, and no doubt did learn. He cannot but have
learned from his father, a schoolmaster; and he cannot but have learned
at the school to which he subsequently went, where mathematics, history,
geography, poetry, French, Italian, and drawing were taught — and at
the Normal School, where he was prepared for the teaching profession.
Out of the following diary — entry there speaks no narrow professionalism:
"From the bottom of my heart I hate that one-sidedness with makes so
many miserable creatures believe that only just that which they are doing
is the best, but everything else nothing. One beauty shall accompany a man
through all his life — this is true — but the lustre of his enthusiasm shall
illuminate everything else."
The culture of the musicians nearer our own time and of our own
time is more easily discoverable than that of the older ones, as they so
often exercise their literary as well as their musical faculty. In this, as
in other matters, Weber was their predecessor. If one thinks of the
quantity and quality of the literary productions of Schumann, Berlioz
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Frederick Niecks, General Culture and Musicians. 345
Wagner and Liszt, one will have a pretty adequate idea of their
culture. The first three moreover were university men, and Liszt, if not
that, was a man with an unquenchable thirst for knowledge, and with
unlimited interests. Mendelssohn, another university man, had the
most complete, refined, and harmonious culture of them all. The collection
of his letters go far to prove this. Among the innumerable other
distinguished musicians who have made themselves known as writers are
Raff, Hiller, Gounod, Reyer, Gevaert, Saint-Saens, Rubin-
stein, Hans von Biilow, Boito and Hubert Parry. Brahms was
not a writer, not even a letter writer, but he was from his youth upward
a great reader. Joachim once said to me: "Not a book of outstanding
importance is published which Brahms does not read." Speaking of
Joachim, I must not omit mentioning his manifold literary and scientific
interests outside his own art, and his early zeal for self-improvement,
which prompted him to give attendance at the Gottingen University.
Stephen Heller confessed to me that literature and philosophy interested
him more than music.
Now I would indicate what two eminent masters thought of the im-
portance of culture for the musician, — namely, Schumann and Liszt.
Here are first some sayings of Schumann: —
"Look well about you in life, and also in other arts and in sciences."
"A musician can learn as much from a Raphael Madonna as a painter
from the study of a Mozart symphony."
"Taking two musicians of equal talents, he who understands Shakespeare
and Jean Paul Richter will compose very differently from him who draws
his wisdom solely from Marpurg and other writers on counterpoint."
Liszt truly said of Schumann that in consequence of his literary
culture, which gave him as much critical insight into poetry and prose
as into harmony and counterpoint, he exercised a double influence on
the musical art. But what was Liszt's opinion on this same question?
He held that an individual could not confine himself to a speciality
without injuring his intelligence; and the continuance in the [pent-in
speciality seemed to him more harmful to the mind of the artist than
to the intelligence of the labourer.
"The more cultured, the more thinking, the more informed a man is,
the finer will be the feelings and ideas which he as an artist incorporates
in the form. While it is inevitable that the artist should devote a con-
siderable part of his time to the acquirement of a sound craftsmanship and
mastery of the forms, he must, on the other hand, not allow his intelligence
to rust and decay — he must not shut himself off from the other spheres
of human activity, the sympathetic contemplation of which nourishes his
imagination, stirs his fancy, and calls forth his inspiration. "
*To cultivate form for its own sake is the concern of industry not of
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346 Frederick Niecks, General Culture and Musicians.
art. He who does it may call himself an artist, but in reality he only plies
a trade."
These words of Schumann and Liszt have in them the ring of wisdom
and authority; and ought to carry with them conviction. But if the
composer, who conceives and shapes ideas, and the executant, who inter-
prets them, have to cultivate their intellect and imagination, has the
teacher of music to do the same? Yes, and a thousand times yes. Not
only does he, like the executant, need intellect and imagination for the
right understanding of the works of the great masters, but he has further
need of them in two directions that either do not concern the composer
and the executant at all or concern them only in a less degree. For
the teacher requires, on the one hand, a profound and intimate knowledge
of the nature and structure of his art, and, on the other hand, a thorough
and extensive knowledge of the working of the human mind. In short,
he must be both a musician and a psychologist. I fear it is only too-
common that teachers have but one method for all, whereas they ought
to have a different method for each pupil. To diagnose every case and
prescribe the most appropriate treatment calls for a great deal more than
some skill in singing or playing. Indeed, it calls for all the faculties,
it calls for them at the highest degree of efficiency. But culture is
required for other purposes than the perfecting of the mental faculties.
It is required also for keeping the faculties fresh and alert. Without
intellectual interests the teacher falls into lifeless routine. And then
woe to him and his pupils. But there is yet another important use of
culture for the teacher — namely, its power in forming character. The
character of the man, the personality, tells more strongly in teaching
than the technical accomplishments. Many famous systems of teaching
have passed away with their originators. Why? Because the success
was secured by the adroit and enthusiastic application rather than by
the excellence of the systems. Inquiry into the methods of the really
great teachers yield very little in the way of ready-made formulas. It
is always the personality that makes the teacher what he is.
Now, it may be thought that I seem to have a poor opinion of the
amount of culture to be found in the musical profession as compared
with that in other professions. That is not quite so. Narrow professionalism
that neglects general culture is not confined to the cultivators of the fine
arts. It luxuriates also in other professions, even in the so-called learned
professions, where indeed among the rank and file learning is conspicuous
by its absence. Nevertheless they have an advantage over us. The
musical profession rises as it were from the bottomless; the learned
professions rise at least from a certain, perhaps rather thin, substratum
of culture. This personal advantage is accompanied by a social advantage,
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Frederick Niecks, General Culture and Musicians. 347
for the obligatory minimum of general education affords a guarantee —
gives the members of those professions a recognised standing. It must
also be admitted that musicians are more apt than lawyers, physicians,
and clergymen to shut out everything that does not form part of their
speciality. In acknowledging these defects and weaknesses, we do not
bring shame on our profession, but rather the reverse. For we acknow-
ledge them with regret, and with the determination to remove them as
far as possible. Is not self-knowledge the first step to self-improvement?
And can there be anything more honourable than that course? Moreover,
much progress has already been made in the spread of culture among
our profession generally; and if we compare the leaders and higher ranks
of it with those of other professions, whether in this or any other country,
we have good reason not only to be satisfied, but even to be proud.
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348 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
Phonographierte indische Melodien
von
Otto Abraham und Erich M. v. Hornbostel.
(Aus dem psychologischen Institut der Universitat Berlin.)
I. Plan, Material nnd Methode der Arbeit.
Im Gegensatz zur Musikgeschichte befindet sich die vergleichende
Musikwissenschaft heute noch in einem Stadium der Vorarbeit. Es gilt
zunachst, ein umfangreiches Material aus Gebieten nichteuropaischer
Kultur zu sammeln und in Fonn von Monograpbien zu bearbeiten. Der
Gesichtspunkt der Zusammenfassung muB vorderhand ein geographischer
oder ethnologischer sein. Musikalische oder psychologische Einteilungs-
prinzipien wiirden eine Kenntnis aller auf dem Erdball vorkommenden
musikalischen AuBerungen voraussetzen. Denn wenn man z. B. die
auBereuropaische Musik mit nichtharmonischer Musik identifizieren wollte,
wiirde man gewartigen, dies Einteilungssystem auf Grand neugefundener
Ausnahmen umzustoBen und durch ein umfassenderes ersetzen zu miissen.
Die Einteilung nacb dem Tonsystem und dem Bhythmus wlirde ahnlichen
Schwierigkeiten begegnen. Auch kann es leicht vorkommen, daB wir
durch irgend welche Abweichungen von unsern musikalischen Gewohn-
heiten auf neue wesentliche, aber bisher unbeachtete Faktoren aufmerksam
werden. Die geographisch-ethnologische Einteilung wird von groBeren
Gruppen zu kleineren fortschreiten miissen, je mehr die Einzelerfahrungen
eine Differenzierung nach auBergeographischen Gesichtspunkten fordern.
Dieser Gedankengang bestimmte auch die Wahl des Titels der vor-
liegenden Arbeit. Unser gleich naher zu besprechendes Material stammt
aus verschiedenen Gegenden des indischen Reichs, von Musikern ver-
schiedener Rasse, Kaste und musikalischer Vorbildung. Man wird sich
also hliten miissen, die in den vorliegenden Musikproben hervortretenden
Eigentiimlichkeiten zu verallgemeinern; denn sie konnten bei andem
indischen Stammen fehlen, andre Besonderheiten konnten gefunden werden.
Die Liickenhaftigkeit unsres Materials zwang uns, von einer umfassenderen
Darstellung der indischen Musik abzusehen, umsomehr, als auch die ein-
schlagige Literatur den Mangel eigner Erfahrung nicht ersetzen konnte.
Als uraltes Kulturland besitzt Indien eine groBe Zahl von Original-
werken alteren und neueren Datums iiber Musik. Manches davon ist
durch die kritische Bearbeitung von Seiten der Orientalisten auch dem
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indigene Melodien. 349
sanskritunlnmdigen Musikwissenschaftler zuganglich geworden1]. So viel
des Interessanten diese Literatur dem Historiker und Theoretiker bieten
mag, so wenig leistet sie, wenigstens gegenwartig noch, ftir unsre Zwecke.
Die altere Musiktheorie, in den seltensten Fallen auf streng empirischer
Grundlage aufgebaut, ist im hohen Grade unabh&ngig von der musikalischen
Praxis, am so enger mit mathematischen und philosophischen Spekulationen
verkniipft. Sie wird daher nicht herangezogen werden diirfen, urn empirisch
erworbene Kenntnisse zu erganzen, sondern hochstens, um sie zu be-
statigen oder um einen historischen AnschluB zu gewinnen. Dies ist
aber erst bei umfassender Kenntnis der praktiscben Musik moglich. Der
gebildete Inder halt zwar als echter Orientale mit der groBten Pietat an
der durch die alte klassische Literatur geschaffenen Tradition fest; wie-
weit dieselbe aber mit der gegenwartigen Praxis kongruiert, kann un-
moglich a priori entschieden werden.
Wertvoll waren uns einige von den zablreicben Publikationen des
Radjah S. M. Tag ore2), der als europaisch gebildeter und in der musi-
kalischen Theorie und Praxis seines Landes bewanderter Musiker Be-
achtung verdient.
Unsern Bediirfnissen kam auch das Werk von B. A. Pingle (Indian
Music)8) entgegen, das zwar in erster Linie didaktische Zwecke verfolgt,
aber gerade deshalb als Kompendium der praktischen indischen Musik
gelten darf. Aus dem Umstand, daB hier ein Inder zu Indern spricht,
erwachst allerdings fiir den europaischen Leser ein Nachteil, der das
Verstandnis hie und da wesentlich erschwert. Denn der Autor konnte
1) Hierher gehoren namentlich:
Jones, On the Musical Modes of the Hindus, Asiat. Reas. III. 1799 (ubers. von
F. H. Dal berg, Die Lieder der Indier, Erfurt 1802);
die Einleitungen von A. 0. Burn ell's Ausgaben des
Arsheyabrahmana, (Mangalore 1876),
Sainhitopanishadbrahmana (M. 1877),
Jaiminiya Text of the Arsheyabrahmana (M. 1878) und
5,iktantravyakarana (M. 1879);
J. Grosset, Contribution a TStude de la musique Hindoue (Bibl. de la fac.
des lettres, Lyon, 1888), eine kritische, mit Einleitung, tlbersetzung und sehr
wertvollen Anmerkungen versehene Ausgabe des 28. adhyaya des Bharatiyana-
tya^astra.
Endlich die von S. M. T ago re aus versohiedenen Zeitschriften gesammelten
und unter dem Titel »Hindu Music* vereinigten Abhandlungen mehrerer
Autoren (N. A. Willard, "W. Jones, W. Ouseley, J. D. Paterson,
F. Fowke usw.)
2) Namentlich: »Musical Scales of the Hindus* Calcutta 1884 und * Specimens of
Ind. Songs* 1879; ferner auch »Hindu Music*, reprinted from the >Hindoo Patriot*;
Sept. 7, 1874 Fifty Tunes, 1878; Eight Tunes 1880.
3) Bombay, 1898.
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350 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
bei seinem Publikum Begriffe und Anschauungen voraussetzen, die ftir
uns erst einer eingehenden Erlauterung bedurft hatten.
Am erschopfendsten von alien bisherigen Publikationen iiber indische
Musik ist das Werk von C. B. Day, The Music and Musical Instruments
of Southern India and the Deccan (London, 1891), das die langjahrigen
Erfahrungen, die der Verfasser im Lande selbst gesammelt, mit einer
kritischen Verwertung der indischen und europaischen Literatur vereint.
Die luxuriose Ausstattung (zahlreiche Notenbeispiele, Tabellen und vorziig-
liche farbige Abbildungen von Instrumenten), einerseits ein besondrer Vor-
zug, macht das kostbare Buch leider sehr schwer zuganglich *). Obwohl
Day sich ex officio nur mit der stidindischen Musik (Karnatik)*) be-
schaftigt, beriicksichtigt er doch auch das nordindische System (Hin-
dustani) in geniigend ausfiihrlicher Weise.
Einige weitere von uns benutzte Arbeiten werden an den ent-
sprechenden Textstellen Erwahnung finden.
Un8er Material entstammt drei Quellen:
A) Wir benutzten zuerst im Sommer 1902 die durch das Grastspiel
der Hagenbeckschen »Malabaren«-Truppe gebotene Gelegenheit, unsre
Sammlung phonographischer Aufnahmen zu bereichern. Die Musiker der
Truppe waren zwei Gujaratis, die auf oboenartigen Instrumenten von
schreiender Klangf arbe (Nagasara und Hothi) 3J im Duett bliesen; Schlan-
genbeschworer, Mohamedaner aus Haiderabad, handhabten das bekannte,
aus einem doppelbauchigen Kiirbis verfertigte Blasinstrument (Tumri
oder Modig) 4). Kleine Becken (Talam)5) und mehrere Trommeln vervolK
standigten die instrumentale Ausriistung. Die phonographierten Gesange
(Duette und Ensembles) und Volkslieder stammen von Gujaratis,
Tamilfrauen aus Tanjore und Malabarenkindern aus Madras.
Samtliche Vorfiihrungen (Aufziige, Akrobatenstiicke, Tanze usw.) wurden
von zwei Trommeln, manche auch von den Blasinstrumenten begleitet
Zu den Bajaderentanzen wurde im Chor gesungen; zuweilen ging der
Gesang in einen Sprechgesang iiber. Die Tanzbewegungen beschaftigten,
1) Wir hatten auf die Benutzung dieses Werkes, das sich in keiner offentlichen
deutschen Bibliothek fand, verzichten mtissen, wenn uns nicht Herr D. F. Scheurleer
(Haag) mit seinem Exemplar in freundlichster Weise zu Hilfe gekommen ware.
2) Wir geben die von Day gebrauchten Fachausdriicke und Eigennamen in seiner
Schreibweise wieder. Die Orthographie der Sanskritworte verdanken wir Herrn Prof.
Fischel, der die Liebenswiirdigkeit hatte, unseren Text in dieser Hinsicht zu korrigieren.
3} Dies die von den Musikern selbst angegebenen Namen. Wahrscheinlich sind
die Instrumente identisch, zum mindesten sehr ahnlich mit dem Sanai (Mahillon,
Catalogue du musee instr. du conservatoire r. de musique de Bruxelles I. (2. ed.) 1893,
S. 115). Eine Abbildung des Nagasara bei Day (Plate XV). Das Hothi unterschied
sich nur dadurch von dem N., dafi alle Locher verstopft waren.
4) Bei Mahillon: tubri (beng.) oder tiktiri (sanskr.). Abgebildet bei Day PI.
XIV. (Pungi).
5; Bei Mahillon: kara-tala. Abbildung bei Day PI. XIII.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 351
ivie auch sonst bei Orientalen, in vorziiglicher Weise Arme und Hande
der Tanzerinnen, die sich selbst kaum von der Stelle bewegten.
B) Eine zweite Gruppe von Phonogrammen verdanken wir einem in
Berlin studierenden Parsen, Herrn Dr. M. Davar aus Bombay, der so
freundlich war, uns mehrere Ragas auf dem Dilruba vorzuspielen. Dieser
ist eine Art Kniegeige mit 4 Stahlsaiten, die auf G, g0, c0, und f0 ge-
stimmt waren; unter den Hauptsaiten befindet sich eine Serie von
15 Resonanzsaiten (ahnlich wie bei den alten Gamben), die, in unsrer
(temperirten) Durleiter gestimmt, einen Umfang von zwei Oktaven (c0 — Cj)
umfaBten. Eine Reihe von 20 Biinden erleichtert das Auffinden der
Leitertone *). Als Spielsaite, auf der die Melodie vorgetragen wird, dient
meistens bloB die erste (hochste) Saite (f0), selten auch die zweite (c0);
die andern werden gelegentlich mit angestrichen zur UnterstUtzung der
Haupttone der Melodie (vgl. S. 387).
1; Auf der (leeren) Saite f ° ist durch die Biinde folgende Leiter gegeben : fis°, g,
gig, a, bt h, c»; d*, dis*, eS f», fisi, gi; b», b», hi, c2; d2; e2, f« Die Tone cisi, gis»,
cis2, dis2 werden auch gespielt, geiibte Spieler erweitern den Umfang sogar iiber f2
hinaus.
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352 0. Abraham and Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
Der Spieler bediente sich ausschlieBlich kurzer Striche an der Spitze
des Bogens, den er nach Art unsrer Kontrabassisten hielt, nnd benutzte
zum Niederdriicken der Spielsaite meist .den Zeigefinger, oft auch den
Mittelfinger der linken Hand; bei Verzierungen (Trillern, Mordenten)
ist auch der Ringfinger in Tatigkeit; der kleine Finger wird selten
verwendet. Aus dieser Spielweise resultiert ein fortwahrendes Glissando,
wie es auf unsrer Geige beim Wechsel der »Lage« zu horen ist. Zu
dieser Eigentiimlichkeit der Tongebung gesellt sich infolge des Mit-
klingens der Resonanzsaiten (die fur jedes Stuck wieder neu gestimmt
werden) eine merkwiirdig hallende Klangfarbe, die an ein mit aufge-
hobenem Pedal gespieltes Klavier, mehr noch an das Cymbal der Zigeuner
erinnert. Der Dilruba (»Herzenrauber«) ist ein in Nordindien, namentlich
von Amateuren vielgespieltes Instrument, das auch im Zusammenspiel mit
derSarangi (Saiteninstrument, altere, urspriingliche Form des Dilruba)1)
und, wohl erst in neuerer Zeit, mit dem Harmonium verwendet wird.
C) Endlich stand uns eine Reihe von Platten zur Verftigung, t die die
deutsche Grammophon-Gesellschaft in Calcutta von Musikern des
Corinthian Theatre und des Classic Theatre und einem bengalischen
Orchester aufgenommen hat. Die Gesange, Soli und Chore habein einen
verschiedensprachigen Text (Bengali, Hindustani, Gujarati, Panjabi,
Pushto) und sind samtlich instrumental begleitet. Bei der Wiedergabe
auf dem Grammophon tritt indes die Instrumentalbegleitung (Trommeln,
Saiten- oder Blasinstrumente) so sehr in den Hintergrund, daB es nur
gelegentlich moglich war, dieselbe in Noten zu fixieren.
Bei der Verarbeitung unsres phonographischen Materials waren wir
gezwungen, auf Messungen der Tonhohen, wie sie von B. I. Gilman an
phonographierten chinesischen2), von uns an japanischen3) und turkischen4)
Melodien ausgefiihrt worden sind, zu verzichten. Es ist dies um so be-
dauerlicher, als exakte akustische Experimentalmethoden der einzige Weg
sind, die alte, viel umstrittene Frage nach der Existenz von »Viertel-
tonen« in der indischen Musik einer Losung zuzufiihren6). Bei der
Gruppe der »Malabaren€-Phonogramme verbot sich die Messunjg durch
die in der Unsauberkeit des Unisonos deutlich zutagetretende auBerst
schwankende Intonation der Sanger; wir hatten es eben mit musikalisch
1) Die Sarangi hat keine Blinde, ist im ubrigen aber dem Dilruba sehr ahnlich;
verwandte Saiteninstrumente mit Bunden sind Esrar und Taus (»Pfau«) letzteres
persischen Ursprungs (vgl. Ma hill on, 1. c. S. 130 ff.).
2) On some Psychological Aspects of the Chinese Musical System. Philos. Review
Boston 1892.
3) Studien iiber das Tonsystem u. d. Musik der Japaner. Sammelbande d. IMG.
IV. 2. 1903.
4) Zeitschr. f. Ethnologie Bd. 36. Heft 2, 1904.
5) Vgl. die Anm. 2, S. 382.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Fhonographierte indiache Melodien. 353
(und wohl auch sonst) wenig gebildeten Leuten mit ungeschulten Ohren
and Kehlen zu tun, you denen man keine technisch und kiinstlerisch
vollendeten Leistungen erwarten durfte. Eher hatte das Dilrubaspiel
unsres Parsen groBeren Anspruchen geniigen konnen. Herr Davar, der
auch in der europ&ischen Musik nicht unbewandert ist, muB in Ansicht
seines Bildungsgrades und seiner Intelligenz ale zuverlassiger Gewahrs-
mann gelten, dem wir auch liber die theoretische und praktische Musik
seiner Heimat manche wertvolle Aufklarung verdanken. Aliens bos-
hafte Schicksalstucke wollte es, daB er von den festen Bttnden seinee
Instrumentes jeden beliebigen zum Grrundton derselben Melodie maehen
konnte; er konnte in unserm europaischen Sinne »transponieren«, d. h.
mit andern Worten, er musizierte in temperierter Stimmung. Ob die
gleichschwebende Temperatur eine Eigentiimlichkeit des Dilruba ist, oder
ob sie (etwa durch europaischen EinfluB) im heutigen Indien eine groBere
Verbreitung genieBt, miissen wir dahingestellt sein lassen.
Der dritte Teil unsres Materials versagte sich unsern Wtinschen in
erster Linie aus technischen Griinden; es ist bei Grammophonplatten
schwer moglich, einzelne T'dqp zu langerem Erklingen zu bringen (durch
Repetierenlassen)1), ohne daB die Schallkurve dauernden Schaden nimmt
Abgesehen davon handelte es sich auch hier um G-esangsstucke, die,
wenn auch von Beruf smusikern herruhrend, flir akustische Untersuchungen
nur dann eine einwandfreie Basis abgeben, wenn mehrere Stiicke von
demselben Sanger dessen Zuverlassigkeit garantieren oder die Intonations-
fehler durch Berechnung von Mittelwerten zu eliminieren gestatten.
Wir sahen uns also genfitigt, unsere Untersuchung auf diejenigen
Probleme zu beschranken, die uns die indische Melodik aufgibt, wenn
man von den feinsten Details des Tonsystems abeieht; sie sind immer
noch interessant und zahlreich genug.
Um das Materiel fur kritische Studien verwendbar und gleichzeitig der
Publikation zuganglich zu maehen, musste es zunachst in europ&ische
Notenschrift ubertragen werden.
Die Inder besitzen selbst ein Notationssystem, welches die Eigen-
tiimlichkeit der indischen Melodik und Vortragsweise einfach und genau
genug — wenigstens fur die praktischen Bediirfnisse der Einheimischen
— wiederzugeben gestattet. Es besteht im wesentlichen in der Bezeich-
nung der Melodietone durch die indischen Solmisationssilben (sa, ri, ga,
ma, pa, dha, ni) in Notenschrift; Versetzungszeichen, die unserm $ und 7
entsprechen, scheinen, obwohl sie existieren, weniger gebr&uchlich, sind
auch wohl iiberfliissig, da die >Vorzeichnung« und meist auch die Takt-
art fiir jede Melodie schon gewissermaesen durch den Titel bestimmt sind
(vgl. S. 389). Auch ftir die in der indischen Musik besonders mannig-
1) Vgl. 0. A. u. v. H. Phonograph, turk. Malodiea US. 204.
s. d. I. M. v. 23
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354 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
faltigen Vortragsarten und Verzierungsformen gibt es Symbole1), doch
ist auch deren Verwendung beschrankt, da die Einzelheiten der musika-
lichen Ausfiihnmg meist dem Vortragenden iiberlassen bleiben. Wenn
diese Ausschmiickungen auch ebenso reizvoll wie charakteristisch sein
mogen, so kommen sie doch fiir theoretische Erorterungen nicht so sehr
in Betracht, daB ihre vollig adaquate Wiedergabe unerlaBlich ware. Da
sich tiberdies in unsern Phonogrammen Abweichungen von der temperierten
Stimmung nur ganz vereinzelt bemerkbar machen (in welchem Palle wir
dieselben durch ein + resp. — tiber der urn ein Weniges erhohten resp.
vertieften Note gekennzeichnet haben), so wird die Ubertragung der Me-
lodien in unsere Notenschrift kaum einer weiteren Rechtfertigung be-
diirfen.
Es darf indessen nicht unerwahnt bleiben, auf welche Weise wir der
oft sehr schwierigen Aufgabe der rhythmischen Gliederung gerecht zu
werden suchten. Bei manchen Stiicken waxen uns durch die Trommel-
rhythmen oder durch Accente (Handeklatschen, Becken) erwiinschte An-
haltspunkte gegeben, die auf die rhythmische Auffassung der Inder selbst
einen RiickschluB gestatten. Meist aber bestimmte einzig unser subjektiver
Eindruck die Wahl der Taktart und die Stellung der Taktstriche. Hier-
bei muBten naturgemaB alle die psychologischen Momente in Wirksamkeit
treten, die fiir den musikalischen Europaer gewohnheitsmaBig als Kriterien
ryhthmischer Gliederung dienen; sie alle aufzufiihren und zu analysieren
ist hier nicht der Ort. Es sollte nur betont werden, daB das Notenbild
im allgemeinen nur den Ehythmus wiedergeben kann, den wir aus den
Melodien heraus-, oder eigentlich in die Melodien hineinhoren, die
rhythmische Auffassung des Spielers oder Sangers aber gewiB nur in sehr
unvollkommener Weise wiederzuspiegeln vermag.
Fiir den Gang unserer Darstellung schien es uns zweckmaBig, zunachst
das NotenmateriaJ, mit kritischen Analysen versehen, vorzulegen und danii
erst eine theoretische Zusammenfassung zu versuchen; diese Reihenfolge
entspricht auch unserer Arbeitsmethode.
II. Notenbeispiele und Analysen.
A. Malabaren.
1. Tamil. Liebeslied.
A ' = 142 bis 184.
1) B. Simon (Die Notationen des Somanatha, Sitz.-Ber. d. k. bayr. Ak. d. Wiss.
1903, m.) fuhrt deren 23 verschiedene allein fiir die Vina, ein sehr verbreitetes Saiten-
instrument, an. Auch die alte religiose Musik besaft derartige Notationen (vgL Bur-
nell, Arsheyabrahmana, Introd. § 4).
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0. Abraham und Erich M. v. Hornhortel, Fhonographierte indische Melodien. 355
B C
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=>- *~ D.C.
Ein in flottem, bis zum SchluB bestandig gesteigerten Tempo von
zwei Tamil-Frauen gesungenes Liebeslied. Die Manner gaben den
Rhythmus an, indem sie jedes erste und vierte Achtel durch Hande-
klatschen betonten. Ohne diese Betonung ware der uns ganz ungewohnte
7/g-Takt schwer zu erkennen gewesen (vgl. S. 399). Auch die Tonalitat der
Melodie bereitet unserer Auffassung Schwierigkeiten. Nach den Ge-
wohnheiten unserer harmonischen Musik sind wir zunachst geneigt, 6?-dur
als Tonart anzunehmen, schon wegen des Quartensprungs am Anfang;
doch wirkt h als Finalton im zweiten Teil (in dem g uberhaupt fehlt),
noch mehr fis als Finalton im ersten und dritten Teil dieser Auffassung
entgegen. DaB wir es mit einem /Si-Modus zu tun hatten, ist kaum glaub-
lich (derselbe fehlt auch bei Tagore, Mus. Scales). Bemerkenswert ist
die, auch in den anderen indischen Melodien haufige Verschiebung nach
der Oberquarte (Unterquinte) vom 1. zum 2. Teil und die hierdurch er-
reichte hohere Lage des letzteren. Alle Teile werden nach Art unseres
Bond os mehrfach wiederholt und zwar in folgender Anordnung: A 4 mal
hintereinander, dann B 4 mal, C; A 6 mal, B 4 mal, C; A 5 mal,
B 4 mal, 0; A.
Beide.
2. Tamil. Liebeslied. (2 Frauen.) — Schlage auf dem 2. Viertel.
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A j = 144.
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366 Q. Abraham and Erich M. v. Hornbottel, Phonographierie indische Melodien.
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Ein anderes, ebenfalls von zwei Tamilfrauen gesungenes Liebeslied.
Nach unserer Auffassung JEs-dur mit einer Ausweichung nach ^b-dur.
Da aber es nur voriibergehend gebraucht wird, b (in Teil A, B und B1,)
bzw. f (in D) ein st&rkeres melodisches Ubergewicht haben, so ist wohl
ein /So£-Modus auf fc, bzw. ein ifc-Modus auf f anzunehmen. Interessant
ist wieder der Khythmus. Obne Zweifel liegt Itfer ein einfacher 4/4 Takt
vor, doch wird jedesmal das zweite und vierte Viertel durch Hande-
klatschen betont, nach unserer Nomenklatur also die schlechten Taktteile
(ygl. 8. 396). Einmal wird das TJnisono durch eine Solostelle unterbrochen ;
bemerkenswert ist hier der Ansatz zu einem Contrapunkt: wahrend die
eine S&ngerin noch den SchluBton ihres Solos aushalt, beginnt die zweite
ein frtiheres Thema auf der tieferen Quinte (sic! vgl. Nr. 12, 13, 26 u. S. 383).
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0. Abraham and Erich M. v. Hornbostei, Phonographierte indische Melodien. 357
A (Chor) j = 88.
3. G-ujarati. Tanzlied.
(4mal) B (Solo.)
^=^^f=f4rf^r:i;^^^^B
Bx (Chor),
usw. Da capo.
Ein G-ujarati-Tanzlied. (Hindustanisch ?) Fur unser Gefiihl wechselt
die Tonalitat zwischen D-dur und 6r-dur, je nachdem cis oder c (letzteres
stets als Durchgangsnote zu h) erscheint. O kommt nur einmal als Durch-
gangsnote vor. Melodischer Schwerpunkt ist durchwegs d; wir konnen
also einen Wechsel von Sol- und Do-Modus auf d annehmen. — Der
Takt wechselt nach unserer Auffassung zwischen 3/8 und */8, und zwar
regelmaBig so, daB auf je vier 3/g-Takte ein %-Takt folgt; vielleicht haben
wir einen 16/8-Takt vor uns (vgl. S. 399). Der Aufbau zeigt die ubliche
Bondof orm mit unzahligen "Wiederholungen der einzelnen Teile (A 4 mal,
B, B*, B*; A 5 mal, B, B*, B*; A 3 mal usw.). Der zweite Tefl (B) be-
wegt sich wieder in hoherer absoluter Lage, als der Hauptteil, und wird
mit einer Variation wiederholt. Der Chor wird antiphonisch von Solo*
stellen abgelost; der Solistin fallt gewissermaBen die Rolle eines Vor*
gangers zu.
— 140.
4. Gujarati. Frauengesang.
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358 0. Abraham and Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indisohe Melodien.
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|Jd:i^-^^^^uSTT^fp^±J|
Gujarati-Frauengesang. (Solostimme.) Besonders interessant da-
durch, daB dieselben Themen auf verschiedenen Stufen wiederkehren, also
ganz analoge Modulationen, oder besser Transpositionen vorkommen, wie
in unserer Musik. Die Tonica des ersten Teiles, A, verschiebt sich successive
nach fis (in Teil C), h (in D und C1) und e (in E, D1 und C*), mit an-
deren Worten einmal nm eine Quinte hinauf, einmal urn eine Quinte
hinunter; eine Oktaventransposition (in C1) erhalt die Melodie in dem
durch die Singstimme gegebenen Umfang. "Wir haben fast durchwegs
ginen Mi-Modus anzunehmen; nach europaischer Auffassung moduliert
das Stiick von G-dur nach D-dur, hierauf nach 6F-dur zuriick, schliefilich
nach C-dur. Der Takt, dessen Analyse uns infolge der haufigen Syn-
kopen und rhythmischen Verschiebungen groBe Schwierigkeit machte, kann
als 4/4-Takt bezeichnet werden; ein eingestreuter %-Takt stort diese Auf-
fassung nicht, denn er scheint aus dem 4/4-Takt entstanden zu sein, indem
eine lange Note nicht gentigend ausgehalten wurde. Der Aufbau des
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 359
Stiickes weicht von dem der vorhergehenden etwas ab, indem nicht der
erste (A), sondern der zweite Teil (0), von neuen Nebenteilen unter-
brochen, wiederholt wird.
A j = 170.
5. Gujarat i. Tanzgesang.
^^j-r-r&T-. upus
B J«192.
A* j«170.
ffitttjixjTr^B^HdM^^
parlando.
I
3F=3
S
•g* — r
3=*
s^
*• JT1^
^w
$
o jL-iia
jjzinrjTj jj3 Eg^j7TT^B
-*-*-
m
-W^^a^
14" H J3=^
* * tj * *
D J.«170.
A D
r * m * *
parlamdo.
G-ujarati-Tanzgesang. Man konnte schwanken, ob wir die Tonart
als einen Sol-modus auf der Tonika f oder als einen Jfi-modus auf d
auffassen sollen; das d kommt aber uberaus haufig vor (ganze Teile B
und D bestehen nur aus einem rhythmisch gegliederten d), so daB wir wohl
nicht f ehlgehen, wenn wir d als Tonika und f als Dominante betrachten.
DaB wir unsere europaische Tonartenvorstellung nicht fiir die indische
Melodik verwerten konnen, geht aus diesem Liede besonders klar hervor;
denn 2?-dur, das wir nach der Vorzeichnung b und es und auch bei et-
waigen Harmonisierungsversuchen als die Tonart der Melodie ansprechen
wtirden, ist schon deshalb auszuschliefien, weil der Ton b nur ganz ver-
einzelt als Durchgangsnote vorkommt. Interessant ist in diesem Stuck
der "Wechsel des Gesanges mit dem Sprechgesang. Dieser Sprechgesang
ersetzt Trommelrhythmen und zeigt auch eine Kompliziertheit wie diese.
Das Lied wurde von zwei Frauen, bei den Auffiihrungen der Truppe aber
von Mannern zur Begleitung des Bajaderentanzes gesungen.
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360 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
6. Rag a Bhairava.
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Dieser Melodie soil Raga Bhairava zu Grande liegen. Bei dem ge-
ringen Ton-Umfang ist ein Erkennen des Ragatypus, den wir von anderen
eigenen (vgl. Nr. 17) und Literaturaufzeichmingen kennen, schwierig. Tonika
ist e, die Tonart erscheint uns als ein d-moll mit der Tonika auf der
2. Stufe; wir haben also eine Art jRe-modus. DaB e als Tonika anzu-
sprechen ist, geht nicht nur aus der Frequenz und Dauer dieses Tones,
sondern auch aus seiner melodischen Bevorzugung hervor: es ist von be-
sonders vielen Verzierungen umrankt; nachst ihm ist g der wichtigste,
auch durch Verzierungen ausgezeichnete Ton. Eigenartig ist der Takt.
"Wir finden regelmaBig 3 aufeinanderfolgende 4/4*Takte, denen sich ein
2/4-Takt anschlieBt. Vielleicht fassen die Inder diese 14 Viertel als eine
Einheit (14/14-Takt) zusammen.
J = 126
7. Malabaren. Kinderlied.
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Da Capo.
Ein Malabaren-Kinderlied in einfachstem 2/4-Takt und von ver-
haltnismafiig geringem Tonumfang. Wenngleich wir nach Kriterien der
harmonischen Musik die Tonart als -F-dur ansprechen wiirden, kann f
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0. Abraham und Erich M. v. Horabostei, Phonographierte indische Melodien. 361
keineswegs Tonika sein, da es nur an einer einzigen Stelle als Durch-
gangsnote vorkommt. Wir halten im 1. Teil den /Sot-modus auf c, im
2. Teil den ife-modus auf g fiir die zugrundeliegende Oktavengattung.
Danach miiBten wir in beiden Teilen einen SchluB auf der Dominante
g reap, d annehmen, wofern wir fiir die SchluBtakte der Teile nicht
einen Re- resp. La-modus auf der SchluBnote als Tonika annehmen wollen.
= 138.
8. Mala b are n. Einderlied. (Gebet.)
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8a. Rektah. (Balberg.)
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Dies Stiick ist ein Beweis dafiir, daB auch in der allereinfachsten
indischen Musik, einem Kinderliede, von minimalem Tonumfang (Quarte)
eine fiir uns ganz komplizierte Taktart vorkommt. Das regelmaBige Ab-
wechseln des 4/4- und 8/4-Taktes macht es uns wahrscheinlich, daB die
7 Einheiten als eine Gruppe (7/4-Takt) aufgefaBt werden. Eine Pikan-
terie, wie sie in unsrer modemen europaischen Musik oft mit solchen
komplizierten Bhythmen erstrebt wird, ist bei diesem indischen Volks-
liede wohl vollig ausgeschlossen. Diese und die folgende Melodie sind
Gebetlieder.
"Wir fligen eine Melodie aus der Sammlung von Dalberg (1. c.) zum
Vergleiche bei, die offenbar mit unserm Einderlied verwandt, wenn nicht
identisch ist.
J. = 112.
9. Malabaren. G-ebet.
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362 0. Abraham and Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
10. Mala bare n. Kinderlied.
' = 144.
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allmahlich znm parlando ubergehend.
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Zwei einfache Kinderlieder mit ganz geringem Tonumfang, die ganze
Melodie besteht nur aus 3 Noten. In No. 10 ist der tjbergang zu einem
Sprechton bemerkenswert, in welchem die Tonhohe nur mit Miihe zu
analysieren ist (wahrend das Parlando im Stiick 5 noch deutlich den
tonalen Charakter behalt; wir haben zum TJnterschied in 5 das Parlando
in richtigen Noten geschrieben, wahrend wir hier mit den kopflosen
Noten nur die rhythmische Gliederung andeuten wollten).
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>176.
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11. Malabaren. Kinderlied.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornboetel, Fhonographierte indische Melodien. 363
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Noch ein einfaches Kinderlied. Die Tonart ist fiir uns ein melodisches
o-moll, das als Leitton wirkende gis und die Schliisse auf der Tonika a
machen uns das Stuck sehr verstandlich, wir konnten es mit Leichtigkeit
harmonisieren.
12. Muhammedani8che Sackpfeife.
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Proben aus zwei auf der Schlangenbeschworungspfeife (Modig) ge-
blasenen Stiicken. Die Blaser waren Muhammedaner aus Haiderabad.
Die Melodie, die sich in geringem Tonumfang (Quarte) bewegt und viele
Verzierungen aufweist, wird von einem Orgelpunkt, nach. unsrer Auf-
fassung auf der Untersexte begleitet. Da das e in der Melodie sehr
hervorgehoben ist, mtissen wir es als Tonika betrachten (iZe-modus auf
e)j obwohl das Sextenverhaltnis der Begleitung auffallend erscheint1).
13. Gujarat is. Oboenduett.
Probe aus einem Oboenduett2). Die Spieler sind Gujaratis. Die erste
Oboe (Nagasara) blast die Melodie, welche einen groBeren Tonumfang
hat, als die vorige Probe (eine Oktave) und yielfach koloriert ist. Die
Tonleiter entspricht unserm a-moll, der melodische Schwerpunkt liegt
auf der Quinte e (Solr-mo&us in Moll). Diese Tonika e wird sehr ein-
dringlicb von der 2. Oboe (Hothi) als Orgelpunkt festgehalten, der BaB
setzt 2 Takte vor der Melodie ein und zieht dadurch ganz besonders die
Aufmerksamkeit auf sich (vgl. Nr. 26 u. S. 383).
:112.
B. Delrubastlicke.
14. Raga Kalyana.
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1) Eine ganz ahnliche Melodie hat L. Riemann (Uber eigentiimliohe bei Natur-
und orientalischen Kulturvolkern vorkommende Tonreihen, Essen 1899, p. 39, Nr. 6)
nach dem Gehor aufgezeichnet.
2) Vgl. anch L. Riemann, 1. c. S. 37. Nr. 1.
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364 0. Abraham und Erich M. v. Hornboatel, Phonographierte indische Melodien.
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Raga Kalyana (?). Das Stuck, das uns Herr Davar nicht nur auf
der Dilruba vorspielte, sondern gelegentlich auch vorsang, ist nach seiner
eigenen Angabe Kalyana; in der mitgeteilten Form wird es mit modernem
Text als Loblied auf Indra in der Oper Hariscandra vom Chor (unison)
mit Orchesterbegleitung gesungen. Ob wir eine korrumpierte moderne
Form oder eine Mischung von Kalyana mit einem andern Raga1) oder
uberhaupt nicht Kalyana vor uns haben, vermogen wir nicht zu ent-
scheiden. Die Beispiele, die T ago re fiir Kalyana gibt (vgl. u. a. Musical
Scales p. 65) stehen alio im ifa-Modus. Unser Stuck befolgt in der
aufsteigenden Melodie ein anderes Leiterngesetz, als in der absteigenden2):
wir finden aufsteigend fis (einmal als Durchgangsnote von ezu;, sonst
stets zwischen g und g eingeschlossen) und absteigend f (stets zwischen
e und e). Unserm Gefiihl nach sind fis und f Leittone und daher C-dur
die Haupttonart, von der (in Teil 0 und D) nach der »Dominanttonart<
G-dur ausgewichen und wieder in die Haupttonart zuriickgekehrt wird.
Melodische Schwerpunkte sind im ersten Teil (A und B) e, daneben c
und g (daher > -Mi-Modus*); im zweiten Teil (0 und D) g, daneben e und
c. Die Melodie ist also durchwegs auf dem C-dur-Dreiklang aufgebaut.
Bemerkenswert ist auch der Wechsel in Umf ang und Lage der Melodie :
der erste Teil (A) bewegt sich zwischen a0 und a1, also vom melodischen
Schwerpunkt (e1) aus, um eine Quinte nach unten und eine Quarte nach
oben, wahrend der zweite Teil (B und ff) bis zur hoheren Oktave des
1) Vgl. S. 391.
2^ Vgl. S. 389.
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O. Abraham und Erich M. v. Hombostel, Phonographierte indische Melodien. 365
melodischen Schwerpunktes (e2) ausgreift; es erinnert 'dieses Verhaltnis
der Melodieteile — das iibrigens in den meisten Ragas wiederzukehren
scheint — an das des »plagalen« Kirchentons 2ttm »authentischen«,
welche beide sich auch namentlich durch den » ambitus « unterscheiden.
Der Rhythmus ist, auch fur unser Gefiihl, fast durchwegs ein vier-
teiliger. Wir wtirden wohl 4/i vorzeichnen und mit dem ' akzentuierten
»guten« Taktteil »Eins« beginnen. Allein nach Herrn Davars ausdriick-
licher Versicherung hebt das Stiick mit »Zwei« an und der erste Teil
schlieBt mit »Eins« ; auch faBte Davar doppelt so groBe Gruppen zusammen,
als wir, so daB ein 4/2~Takt herauskam. Im ersten Teil begegnet diese
Art der Gliederung auch keiner Schwierigkeit. Um den zweiten Teil
aber, analog dem ersten, auf der wiederholten Viertelnote mit »Eins«
abzuschlieBen , muBten wir ihn auch mit »Eins< beginnen lassen. Es
folgen also beim Ubergang von A zu B zwei gute Taktteile aufeinander.
Der Aufbau von C entspricht wieder dem von A; jedoch tritt im 3. und
4 Takt je eine Gruppe von 3 Viertelnoten an die Stelle von 2 Vierteln,
gemssermaBen Triolen, aber ohne Verkiirzung der einzelnen Viertel ; der-
artige Erweiterungen (hier */4 statt */A) sind in der indischen Melodik
haufig; sie entstehen durch Einschiebsel (hier offenbar das /&), die den
rhythmischen Verlauf fur indisches Gefiihl nicht storen. Vielleicht hat
man auch den merkwiirdigen Ubergang von A zu B als eine derartige
Ausdehnung (10/4 statt 8/4) aufzufassen. — Auch dieses Stiick zeigt die
beliebte Rondoform.
l*Art. J = 104.
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15. Ragigl MandL
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366 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
Yon Davar als Ragini Mand bezeichnet. Als melodische Schwer-
punkte erscheinen b7 daneben f und d\ a kommt in der ersten, c in der
zweiten Spielart nor ganz gelegentlich vor. Beide Stiicke bauen sich
also wieder auf dem Dreiklang auf und stehen nach unserm Gefiihl in
jB-dur (Do-modus auf b). Sie unterscheiden sich hauptsachlich rhyth-
misch: das erste Stiick zeigt eine 3teilige (3/4) das zweite eine 2teilige
(6/s) Gruppierung; es ist uns nicht moglich, beide unter eine Taktart zu
bringen. Der erste Takt der 1. Variante erscheint bei den "Wieder-
holungen einmal zu 5/4> einmal zu. 4/4 erweitert. — Die einzelnen Teile
wiederholen sich mit Variationen (Rondo)1).
16. Ragini Bhairavi.
. 144.
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1) Day (1. c. S. 90) jfibt ein Beispiel fur Raga Mand, das mit tmserer >1. Art*
eine gewisse melodische Ahnlichkeit hat.
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0. Abraham und Erich M. v. Horabostel, Phonographierte indische Melodien. 367
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Ein Beispiel der haufig verwendeten Ragini Bhairavi. Nach unserm
Gefiihl Es-dux mit dem Schwerpunkt auf der 3. Stufe, also Jffi-Modus
auf g7 das auch als Hnalton (ahnlich wie bei Nr. 14 doppelt wiederholt)
erscheint. Dieser Befund stimmt mit dem Beispiel iiberein, das Tagore
(Mus. Scales p. 80) von Bhairavi gibt: auch zeigen die beiden letzten
Takte des Hauptteils, namentlich bei den Wiederholungen, eine auffallende
melodische Ahnlichkeit mit Tagore's Teilschliissen. Am Beginn des
2. Teils (und noch zweimal an den entsprechenden spateren Stellen)
erscheint, zwischen zwei b eingeschlossen, a (als eine Art Leitton) anstatt
as\ hierdurch wird b neben der Tonika g besonders ausgezeichnet (bei
Tagore tritt ebenfalls die Oberterz der Tonika hervor); auch d (Quinte
der Tonika) hat ein gewisses melodisches fjbergewichk Zweimal kommt
des absteigend als Durchgangsnote vor, (an den mit * bezeichneten
Stellen); es ist, wie uns der Spieler selbst zugestand, einem andern Raga
entlehnt: ein Gleiches diirfte von dem a gelten. Fast durchwegs 4/4, der
Anfangstakt jedes Teiles erweitert (zu % °der 6/4)- Ein Takt einmal
zu */A verkiirzt, bei der Wiederholung voile */4 Rondoform.
17a. Raga Bhairava. Gewohnliche Form.
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368 0. Abraham und Erich M. v. Hornboetel, Phonographierte indische Melodien.
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17b. Raga Bhairava. Jo da.
Freies Tempo (Largo).
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Raga Bhairava. Die Leiter enthalt zwei ubermaBige Sekundschritte
(des-e, as- A), doch kommt nur der eine tatsachlich vor, da h nur in der
tieferen Oktave (stets zwischen c und e), as nur in der hoheren erscheint
Wir wiirden f-mo\l annehmen. Der Frequenz und Dauer nach ist c
besonders ausgezeichnet, h und des wirken uberdies als Leittone; auch
der absteigende ubermaBige Sekundschritt an den Teilschliissen der ersten
Form drangt fiir unser Gef tihl stark gegen c. (Uber die SchluBformel des
Joda (17 b) vgl. S. 392.) Nach Davar ist f Hauptton, dann — mit ab-
nehmender Gewichtigkeit — c, as, und g. As erscheint difrch Mordente
hervorgehoben (im Joda allerdings auch e, doch hat es, wohl als Tefl
des iibermaBigen Sekundschrittes, nur den Charakter einer Durchgangs-
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 369
note, vgl. S. 386) *). Die »gewohnliche Form* bewegt sich in einfachem,
scharf akzentuierten 4/4-Takt, der sich an den Teilschliissen durch eine
Uberleitungsphrase zu 6/4 erweitert; das Stiick baut sich (wieder im Rondo)
aus zwei Teilen auf, von denen der zweite (B) eine melodische Erweiterung
des ersten (A) darstellt, mit gleichzeitiger VergroBerung des Umfangs
nach der Hohe zu. — Die Joda-Form ist ohne erkennbaren Bhythmus*
die Taktstriche sollen nur die melodischen Phrasen begrenzen, die im
Wesentlichen dieselben sind, wie in der gewohnlichen Form, jedoch
haufig durch Einschiebungen und Wiederholungen erweitert; gleich das
erste, langausgehaltene c erscheint zu einem Motiv (a) ausgesponnen, das
dem Hauptteil (A) auch bei alien Wiederholungen gewissermaBen als
Anklindigung vorausgeht und vielleicht auch dazu dient, den Horer gleich
anfangs mit der Tonalitat des Raga vertraut zu machen. — Das Tempo
des Joda ist bedeutend langsamer, als das der strengrhythmisierten
Variante.
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1. Art.
A
:116.
18. Raga Behag.
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1) In dem Beispiel, das Tag ore (Specimina S. 68 f.) vonBhairava gibt, kommt b
vor anstatt h, und zwar in der hoheren Oktave. F tritt mehr hervor, o mehr zuriick,
als bei uns. Day (1. c. S. 72) meint, der beliebige Wechsel yon grofier und kleiner
"Septime, sowie ein nie fehlender Mordent auf der vierten Stufe waren fur Bhairava
charakteristisch.
s. d. I. M. v. 24
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370 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte induche Melodien.
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2. Art j — 116.
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3. Art. (Ghazal;. j= 130. Durchwegs glisaando.
A.
usw.
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P^ 1 usw. (B 2 mal wiederholt .
Bag a Behag in drei verschiedenen Spiel weisen, denen folgende
Eigentiimlichkeiten gemeinsani sind : von den Tonen der Odurleiter, die
alle vorkommen, erscheint e (namentlich in der 1. Art) melodisch und
rhythmiseh besonders ausgezeichnet; wir haben also, trotzdem c Anfangs-
•und Finalton ist, einen Jf*-Modus anzunehmen (auch von Davar bestatigt,;
als Nebentoniken (Dominanten) erscheinen c und g\ im zweiten TeiL
dessen Umfang, abgesehen von der zum Hauptteil zurtickleitenden Phrase.
zwischen g und d eingeschrankt ist, erscheint g als Tonika, h und c als
Dominanten ($rf-Modus). Die Sekunden der dominierenden Tonstufen
(/, d und a) treten dagegen als Durchgangsnoten zuriick. Das absteigende
Motiv chg e (in der 3. Art in seiner einf achsten Gestalt) scheint fur den
Baga charakteristisch. — Unterscheidend wirkt in den drei Spielweisen
vornehmlich der Ehythmus. Wir begegnen zunacht einem 4/4-Takt, der sich
bei der 3. Wiederholung des Hauptteils (A*) und im Nebensatz (B) klar
zu erkennen gibt, haufig aber durch Einschiebsel (durch punktierte Takt-
striche gekennzeichnet) und Uberleitungstone zu 5/4, 6/4 oder % erweitert
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O. Abraham and Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indiscke Melodien. 371
wird. (Bemerkenswert ist, daB die erweiterten Perioden, als Ganze be-
trachtet, Multipla von 5/s darstellen: A mid A1 = 8 + 10 + 9 + 8 = 35 ;
a = 12 + 8 = 20; A^ = 8 + 9 + 8 = 25 vgl. S. 399).
In der zweiten Art wechseln 4/4 un^ 5/4» jeder Teil als Ganzes bildet
eine Gruppe von 13/i ; der 3/4-T?akt des dritten Stiickes erscheint zweimal
zu 2/4 verkiirzt, einmal zu 4/4 erweitert. Dieses letzte Stuck nnterschied
sich iiberdies durch die Vortragsweise (durchaus glissando) von den beiden
andern und wurde von Davar als »Ghazal« bezeichnet1).
■■ 176 (al Fine constant).
19. Tanzlied.
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Das von Davar als »Tanzlied« (»Kahrva«) bezeichnete, streng
rhythmisch und in flottem Tempo vorgetragene Stuck steht nach unserem
Gefuhl in C-dur, (zumal h in der tieferen Oktave wie ein Leitton ge-
braucht wird) mit Bevofzugung von e. Im zweiten Teil erlangt jedoch g
ein gewisses Ubergewicht, gleichzeitig erscheint (als absteigender Leitton) fc.
Nach Davar ist es nicht moglich, in diesem Stiick die Haupttone zu ei>
kerraen, auch der Raga ist schwer bestimmbar (Jinjoti??). — Der vor-
herrschende 4/4-Takt erscheint einmal durch Wiederholung der Tonika
(Fermate vgl. 8. 399) zu 5/i erweitert. Interessant ist der akzentuierte
Auftakt am Anfang des Hauptteils, der auch bei den Wiederholungen
als Einschiebsel erhalten bleibt, so wie die 3 dem Hauptteil angehangten
Achtel. Die Sechzehntel-Figuren erinnern an Stiick 14 und 16.
1) Bei J>ay (L c. S. 88) finden wir ein »Thvngric notiert, das mit unsrer >1. Arte
aaffattende Ahnlichkeit hat, dem jedoch die Ragas Pilu und Desh zugrunde liegen sollen.
24"*
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372 0. Abraham mid Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
C. Grrammophonaufnahmen.
- 20. Hindustani Song from Aladin.
J =166.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 373
Hindustanischer Gesang. (Aus der Oper »Aladin«; gesungen von
Mr. Pestonji1) vom Corinthian Theatre, Calcutta D. Gr. G. Nr. 12342.)
Die Leitern, die dieser Melodie zu Grande liegen, sind im ersten Teil
g ash c d es fg, im zweiten Teil g as he des fis g\ d. h. harmonisch und
und doppelt harmonische MolUeitern, in denen das Charakteristische ein
resp. zwei Iibermafiige Sekundschritte sind (vgl. S. 385) 2). Die Melodie
vermeidet in aufsteigender Skala das es. Tonika ist nach unsrer Auf-
fassung im ersten Teile c, im zweiten g\ doch sind auch die Tone d, h, as
und g im ersten, es im zweiten Teile melodisch ausgezeichnet. Bemerkens-
wert ist die tiefe Intonation des c vor dem ftinftletzten Takt unsrer
Notation (erhohter Leitton?). Uber den hochst merkwlirdigen Ehythmus
vgL S. 398 und 399.
21. Hindustani Chorus.
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tt~t
frtrfr tfmf fJ*^
f r I r m I
^m
(3. Wiederholung accell. bis J = 162.
D. C/dal <£
££
jB^ffirflggil
Hindustanischer Chor (aus der Oper »Khoodabad«, gesungen von
Mitgliedern des Corinthian Theatre D. Gr. G. 14535) melodisch und
rhythmisch yiel leichter verstandlich als der vorige. Im ersten Teil ist
fis als Tonika aufzufassen, mithin die Tonart ein fa-Modus auf fis (ent-
sprechend unserer absteigenden Jfe-moll-Leiter). Im zweiten Teil ist cis
der melodische Schwerpunkt, die Tonart entspricht also unserem A-Axa
1) Ein Parse; der Titel des Stiickes ist auch in persischer Schrift auf der Platte
verzeichnet.
2) Nach Davar liegt diesem Gesang ein gemischter Raga zu Grande.
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374 0. Abraham tmd Erich M. v. Hornbortel, Phonographierte indische MeLodien.
mit einer Betommg der dritten Stufe (Jft-Modus auf a). Interessant
ist der regebn&fiige Wechsel zwischen Chor und Solisten; die Melodie des
Solos Kegt hoher und ist starker verziert als der Chorsatz, wahrscheinlich
spielen auch hier gesaagstechnische Griinde mit wie bei uns, oder der
Solist hat seinen Part willkttriich ausgeschmftckt Zum SchluB wird das
Tempo lebhaft gesteigert
22. Hindustani (comic) Song.
Gesang.
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Hindustanischer (komischer) Gesang. (D. Gr. Ges. 12136.) Die
Melodie pendelt im ersten Teil zrwischen e und a; im zweiten zwischen
a1 und cP, im dritten zwischen a1 und d1 hin und her, urn endlich auf e
zurtickzukehren; die Tonalitat ist nach unserm Gefiihl o-moll (Jft-Modus
auf e?). Mehrfach finden wir ein fis trillerartig alternierend mitg; da es
aber auBer an diesen Stellen nirgends vorkommt, konnen wir es wohl als
einen leiterfremden, zum Zwecke der Verzierung eingeffigten Ton be-
zeichnen. — Die Auffassung des Rhythmus als 4/4"T?akt macht keinerlei
Schwierigkeit.
Die Komik dieses Gesanges, die natUrhch hauptsachlich im Text liegen
wird, ist auch rein musikalisch zu erkennen. Das Tempo ist ftott, jede
kurze Note entspricht anscheinend einer besonderen Textsilbe, auch wirkt
das heulende Glissando an den Teilschliissen mit seiner sonderbaren Klang-
farbe wie ein musikalischer Witz. Ganz ahnliche musikalische Auadrucks-
mittel gebrauchen auch wir fiir das Komische.
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0. Abraham and Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 375
23. Bengalieches Orchcsterstiick.
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Bengalisches Orchesterstiick. (D. Gr. Ges. 10000, erste Halfte der
Platte.) Die Tonalitat dieser Melodie ist auBerordentlich schwer fest-
zulegen. Zwar bewegt sich die Melodie immer zwischen a und dl} (bzw. cP),
doch ist es kaum moglich zu entscheiden, welchem dieser Tone der Vor-
rang gebiihrt. In Teil A, B und 0 ist a, in D dagegen d Finalton und
hat auch sonst das melodische tjbergewicht. Wie ein auf steigender Leitr
ton erscheint eis, daneben in der absteigenden Melodik c\ einmal (in B)
tritt fis an die Stelle von /*. Bemerkenswert ist auch die erhohte Into-
nation des f2 in D.
Nach europaischer Auffassung ware D-moll die Haupttonart, mit ge-
legentlicher Ausweichung nach Z}-dur und besonderer Hervorhebung der
»Dominante« a. — Die rhythmische Auffassung wird sehr erschwert durch
Synkopen, dynamische Akzente auf »schlechten« Taktteilen, sowie durch
die Tronunelrhythmen, die allerdings in der Wiedergabe auf dem Grammo-
phon stark zuriicktreten. Es war uns daher auch nicht moglich, dieselben
zu fixieren. Vielleicht ware das Stuck im 6/8-Takt zu schreiben gewesen
(vgl. S. 398), wofiir manche Stellen (z. B. der 3. Takt von B) sprechen
wurden; doch ftigt sich das ganze besser einer dreiteiligen, als einer vier-
teiligen Gliederung. — Bondoform.
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376 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierfce indische Melodien
AJ-1
24. Bengalisches Orchesterstuck.
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Bengalis ches Orchesterstuck. (D. Gr. Ges. 10000, zweite Halfte
der Platte.) Das Stuck, dessen Melodik eine auffallende Ahnlichkeit mit
Nr. 18 {Raga Behag) zeigt, baut sich auf der Odurleiter auf ; bemerkens-
wert ist das b im dritten Teil, sowie die erhohte Intonation der Wechsel-
note f zwischen g und g (aufsteigender Leitton?) im ersten und die ver-
tiefte Intonation des /"am Schlufi des dritten Teils (absteigender Leitton? .
In diesem ist e der melodische Schwerpunkt (Si-modus? ?). In der Sprache
der harmonischen Musik wlirden wir von einer Modulation von C-dur (A)
nach 6?- (B) und jP-dur (C) reden. Synkopen, dynamische Akzente, die
bei der Wiederholung variieren, und Trommelrhythmen wie beim vorigen
Stiick. (tJber die 12teiligen Gruppen vgl. S. 399.) — Eondofonn.
j = 88.
25. Bengali Chorus.
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0. Abraham and Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 377
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Bengalischer »Chor« (eigentl. Duett aus »BeUik Bazar, « ges. v.
Hira Lai u. Uripendra, Classic Theatre, Calcutta D. Gr. Ges. 14559).
Die Tonart diirfte als Mi-Modus auf g zu bezeichnen sein; wie ein Leit-
ton wirkt das a, das stets zwischen zwei b eingeschlossen an Stelle des
as ofters auftritt. Es bewirkt, daB uns die Melodie streckenweise (nament-
lich in Teil C) als reines jB-dur (Do-modus auf c) erscheint Leittonartig
auch das des (in D), stets zwischen zwei c eingeschlossen1). Der Bhyth-
mu8 schwankt fur unser Gefuhl, ahnlich wie in Nr. 23, zwischen 6/s un^ Va*
(Naheres dariiber vgl. S. 398). Als Hauptteil des Kondos fungiert, wie in
Nr. 4, nicht die erste, sondern die zweite Periode der Melodie.
26. Bengali Song.
Freies Tempo. Durchwegs legato.
A
1) Nach Davar Mischung yon Bhairavi mit einem anderen Baga.
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378 O. Abraham and Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
l.v.
tt 2. v. | C.
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***-©< — " «y* gJ * «
B
Bengali scher Gesang1) (ges. v. N. C. Chakrabarty, Calcutta D. Gr.
Ges. 12135). Als Tonika der ganzen Melodie ist d anzusprechen, so daB
wir im Hauptteil (A) einen ife-modus auf d vor uns haben, in den Neben-
teilen (Cj in aufsteigender Melodik einen &>/-modus auf d, in absteigender
Melodik (B) einen La-modus auf d. Wahrend des Gesangs ertont in der
(Harmonium- [?])Begleitung kontinuierlich ein g0 als Orgelpunkt. An
mancben Stellen, besonders wenn in der Melodie ein fis (bei C) oder ein
a (bei B) gesungen wird, wirkt das disharmonische Zusammenklingen sehr
befremdend. Trotzdem ist gerade das g (und zwar das g der tieferen
Oktave) derjenige Ton, welcher die groBte Klangverwandtschaft zu den
Tonen der Melodie, die wenigsten Dissonanzen aufweist. Auch in unserer
Melodik wird ja oft die Unterquinte als Orgelpunkt benutzt (vgl. Nr. 13
und S. 383). — Die Feststellung des Bhythmus machte uns viel Schwierig-
keit. Wir haben das Stuck im 4/4-Takt notiert, und uns durch einen
eingeschobenen 2/4-Takt und Fermaten geholfen, finden aber trotzdem
noch deutliche Taktverscbiebungen (vgl. z. B. die verschiedenen Teile B)?
die vielleicht intendiert, wahrscheinlich aber durch unsere unzureichende
taktliche GUederung zu erklaren sind.
Der Hauptteil wird, von kleinen Nebenteilen abgelost, ofters wieder-
holt, aber jedesmal mit kleinen Variationen des Rhythmus und der
Koloraturen.
1) Nach Davar ein >Ghazal«.
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0. Abraham und Erich M. v. Hoinbostel, Fhonographierte indische Melodien. 379
27. Gujarati Gesang.
j\ — cc 220.
Instr. jj) L ft:
Einl. ffi^ H-
Einl.
Trommel.
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tr
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Gujarati Gesang (aus der Oper »Hooluk Jamver*, ges. v. Master
Shioo, Cor. Theat; D. Gr. G. 12189). Der Melodie liegt die harmonische
MolUeiter gasbcdesefg zugrunde; als melodischer Schwerpunkt er-
schien uns zuerst g. Da aber dieser Modus (eine Art .Re-Modus) weder
bei Tagore, noch bei Day vorkommt, miissen wir wohl fo&er b als Tonika
annehmen (vgl. S. 385). Auffallend ist das Fehlen der Oberquinte der
Tonica und der iibermafiige Sekundschritt. Tiber die interessante, durch
den Trommelrhythmus nochkomplizierte Ehythmik dieser Melodie vgl. S.399.
I
J. -60-
28. Panjabi Song.
7=&
T~aft
S
3E
n — "r — ■—
^-tf-' * r ^
$
D. C. !
^^"3 i t* r* a i.| j'j^
P an jabi -Gesang (aus der Oper >Kodha Dost«, geeungen yon Mr.
Bholaji vom Corinthian Theatre, D. Gr. Ges. 12168). AuBerst einfache,
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380 O. Abraham und Erich M. v. Horabostel, Phonographierte indische Melodien.
auf dem C-dur-Dreiklang aufgebaute Melodie; im ersten Teil tritt nament-
lich e melodisch hervor (jfcK-Modus?). Der %-Takt im ersten Teil infolge
der Synkopen schwerer zu erkennen.
28. Pushto (comic) Song.
i
a.
A
76.
B
S
m-
gjfF^B
£=
Pushto-Gesang (»Comic Song«, aus »Khoda Dost«, ges. v. Mr. Booi,
D. Gr. Ges. 12166). Jfi-Modus auf g\ in Teil B vielleicht Za-Modus
auf c. Ohne den ersten Teil hatten wir das Stiick im 2/4-Takt notiert;
den Anfang forderte aber eine dreiteilige Gliederung, die sich auch in
den folgenden Teilen beibehalten laBt. Dieses, wie das vorhergehende
Stiick, werden im Original, nach Art unserer Couplets, unzahlige Male
wiederbolt1).
III. Kritische Zusammenfassung.
1. Tonleitern.
Nach der ausgebreiteten musiktheoretischen Literatur der Inder stellt
sich ihr Ton system als eine aufierst komplizierte, durch Saitenteilung
gewonnene Folge von 21 Intervallen innerhalb einer Oktave dar. Ln
wesentlichen stimmen die Autoren darin uberein, daB nicht diese 21-stufige,
sondern eine 7-stufige, unserer diatonischen Durleiter entsprechende Skala
(Gamut, Grama oder Saptaka) die Grundlage des Systems bildet. Aus
dieser leiten sich durch Erhohung (Tivra) oder Erniedrigung (Komala)
einzelner oder mehrerer Tone eine Reihe von 32 verschiedenen 7-stufigen
Leitern (Samparna-That) ab. Eine weitere Komplikation tritt durch
Ausfall eines oder zweier T5ne ein. Tagore2) fiihrt 112 verschiedene
6-stufige (Shadava That) und 160 5-stufige Leitern (Odava That) an.
Ob diese unheimlich groBe Anzahl von Skalen tatsachlich in indischen
Melodien als Gebrauchsleitern zu finden sind, oder ob sie nur der Per-
mutationsrechnung ihre Entstehung verdanken, vermogen wir nicht zu
entscheiden. Day verzeichnet fiir das siidindische (Karnatik) System 72,
fiir das nordindische (Hindustani) System 12 7-stufige Leitern als gebrauch-
lich3). Die Theorie verlangt auBer den einfachen Erhohungen bzw. Ver-
1) Ein sehr ahnlichea Stiick bei Day (1. c. S. 87, »Lavani<).
2) Musical Scales of the Hindus.
B) Die 12 Hinduleitern finden sich alle auch im Karnatik.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Fhonographierte indische Melodies. 381
tiefungen, die unsre chromatische Skala ergeben wiirden, noch eine Anzahl
doppelter, durch die in die Intervalle der diatonischen Leiter zwei (bei Halb-
tonschritten), drei (bei kleinen Ganztonen) oder vier (bei grofien Ganztonen)
kleinere Stufen (Srutis) ungefahr von der GroBe eines 1/3- bis 1/4-Tons
eingescboben werden. Vorlaufig ist nicht mit Sicherheit auszumachen, ob
diese Zwischentone, die die erwahnte 21-stufige Leiter ermoglichen, wesent-
liche Bestandteile der indischen Musik sind. Die Srutifrage ist schon seit
langer Zeit bei indischen und europaischen Forschern Gegenstand leb-
haftester Diskussion gewesen. Namentlich hat man sich iiber die Intervall-
groBe der Gratis nicht einigen konnen. Yon indischer Seite wird immer
hervorgehoben, daB die Srutis in der praktischen Musik nicht nur haufig
gebraucht werden, sondern ihr geradezu den charakteristischen Stempel
aufdriicken, und daB die europaische Notation zur Wiedergabe der in-
dischen Musik unzureichend ware. Die europaischen Porscher wurden da-
durch zu der Ansicht gebracht, daB die Srutis einen wichtigen Teil des
indischen Tonsystema bildeten, als dessen Grundlage die 21-stufige Leiter .
zu betrachten sei. Ware das wirklich der Pall, dann ware es kaum zu
verstehen, daB Tagore (in der erw&hnten ausfiihrlichen Aufzeichnung
indischer Leitern) Leitern mit Zwischentonen nicht angibt. Nach der
Meinung von Ellis1) hat Tagore bei der Aufzeichnung der Leitern ver-
absaumt, anzugeben, welche Tone »doppelt erhoht» resp. »doppelt ver-
tieft* aufzufassen sind. Doch ist es, wie wir gleich sehen werden, sehr
zweifelhaft, ob Tagore's Notierungssystem fur die tatsachlichen Verhalt-
nisse nicht doch ausreichend ist.
Der Widerspruch der verschiedenen Meinungen lost sich namlich
leicht, wenn man die Art und Weise beriicksichtigt, in der nach em-
stimmigem Zeugnis aller Gewahrsmanner, auch nach den personlichen
Beobachtungen von Ellis, die Srutis in der praktischen Musik verwendet
werden. Wir stehen angesichts der indischen Melodik vor der merk-
wiirdigen Tatsache, daB etwas, was bei uns ornamentales Beiwerk
ist, dort als konstituierender Bestandteil auftritt. Eine Anderung
oder Weglassung der » Verzierungen* in unserer Musik, wiirde, wie schon
das Wort andeutet, das Wesen der Melodie nicht beeintrachtigen. Ganz
anders in Indien. Man miiBte statt von Verzierungen etwa von Aus-
drucksformen sprechen, um die ungeheuer mannigfaltigen Arten der
Glissandos, Legatos, Portamentos, Triller, Mordente zu charakterisieren.
In diesen Ausdrucksformen liegt fiir indisches Gefiihl etwas ebenso
Wesentliches wie in den festen Tonstufen der eigentlichen Melodie.
R. Simon fiihrt in seinen Vorbemerkungen zu der kritischen Herausgabe
1) A. L Ellis, On the Musical Scales of Various Nations. Joorn. of the Soc. of
Arts XXXTTT. 1886. S. 600ff.
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382 0. Abraham and Erich M. v. Horabostel, Phonographierte indische Melodien.
der Notationen des Soman at ha1) eine groBere Zahl von Schriftzeichen
an, welche derartige Ausdrucksformen fiir den Spieler yorschreiben. Aaf
ihre nahere Beschreibung wollen wir an anderer. Stelle zurfickkommen.
Nur so viel sei bemerkt, daB fiir fast alle Yerzierungen nicht nnr die
Tone gebraucht werden, die durch Biinde oder Stege auf den Saiten-
instrumental fiiiert sind; rielmehr werden diese Haupttone durch ver-
Bchiedene G-lissandotechnik alteriert. Nur in den Verzierungsf ormen sind
Zwischentone zu finden; die gauze Srutitheorie scheint eine Theorie
der Ausdrucksf ormen zu sein und die Wichtigkeit, die man ihr zu-
gemesaen hat, durch die Bedeutung der Ausdrucksformen bedingt. Da
die Yerzierungen in den alt-klassischen musikalischen Formen noch zahl-
reicher sind als in den neueren einfachen Volksmelodien, so ist es nicht
unwahrscheinlich, daB auch den Zwischentonen (Srutis) in alten Zeiten
eine mchtige Rolle zukain, und daB wir in den Yerzierungsformen einem
Residuum derselben begegnen. Wenn diese Yermutung richtig ist, dann
ware es miifiig, nach der heutigen IntervallgroBe der Srutis zu fragen,
da dieselbe bei Yemerungsformen in der eigenartigen, noch zu besprechen-
den Technik stets mehr oder weniger der Willktir des Spielers oder dem
Zufall untertiegt2).
Wir gelangen also zu dem SchluB, daB das Material des indischen
Tonsystems, soweit es fiir uns in Betracht kommt, nicht eine 22-stufige,
sondem identisch mit unserer (temperierten) 12-stufigen chromatischen
1) Die Notationen des Somanatha, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. 1903. HL.
2) Tag ore (Hindu Music p. 17) versichert zwar, daB sogar geiibte Sanger auch die
Vr nnd y8-Tone genau intonieren konnen; one will aber scheinen, daB hier nur das
Experiment entscheiden kann; unmoglich ist die Einschaltung kleinerer Stufen in unser
Halbtonintervall jedenfalls nicht (vgl. Stump f , Tonpsychologie 1, 163). Aber auch nach
indischer Anschanung liegen diese kleinen Intervalle an der Grenze der Unterschieds-
empfmdlichkeit (wohl des Kehlkopfs? — vgl. Gr osset , I. c. S. 84). Um die europaischen
Forecher mit der genanen IntervallgroBe der Srutis bekannt zu machen, sandte Tagore
1886 an Ellis eine Vina, auf der die ▼ollstandige 22-stufige Leiter durch feste Biinde
fixiert war. Die Teilung der Oktave war in der Weise vorgenommen, daB die Saiten-
l'ange in zwei Halften, die so entstehende untere Quarte in 9, die obere Quinte in IB
gleiche Teile zerlegt wurde. Ellis bestimmte die den Bunden der »gruti-Vina« ent-
sprechenden Tonhohen und berechnete, vom Grundton aus folgende Werte in Cents
(Hundertstel des temperierten Halbtons):
0
45 111
169
222
267
316
389 436 506 534 588 640 712
temp. 0
100
200
300
400 600 600 700
c
cis
d
dis
e f fis g
749
807
800
gis
855
917
900
a
954
1013 1077 1136 1220
1000 1100 1200
b h c.
Ellis Termutet, daB eine 22-stufige temperierte Leiter intendiert war (s. Day, 1.
Appendix).
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 383
Leiter ist. Auch Ellis1), der sich von einem indischen Musiker mehrere
Stucke auf der Viiia vorspielen lieB und die fhrierten Tonhohen sofort
bestimmte, fand nur Stufen, die denen der chromatischen temperierten
Leiter sehr nahe kamen, mit der einzigen Ausnahme einer doppelt ver-
tieften Terz, die vermutlich garnicht intendiert war. Day3) spielte
wohlgeubten indischen Fachmusikern (KarnStik und Hindustani) ihre
Leitern auf dem temperierten Ellavier vor und erhielt die Versicherung,
daB sie den Vuift-Skalen vollig gleich waren. Es ist zu vermuten, daB
die Inder, unabhangig von Europa, zu einer sehr ahnlichen Temperatur
ihrer Leitern gelangt sin<L
Die G-ebrauchsleitern, worunter wir die der Tonhohe nach geordne-
ten Tone eines Musikstuckes verstehen, entsprechen in unseren Melodien fast
ausschlieBlicb der diatonischen Skala. Doch diirfen wir sie weder mit
unserer Dur- noch den gewohnlichen Mollleitern identifizieren, da diese
Begriffe nur innerhalb unserer harmonischen Musik anwendbar sind.
Die indische Musik aber ist im groBen und ganzen homophon. Mehr-
stimmige G-esange, sowie Gesang und Instrumentalbegleitung sind unisono
oder bewegen sich in Oktaven. Daneben finden sich vereinzelt schwache
Ansatze zur Polyphonic, indem die tiefere Oktave oder Quinte des Grund-
tons ausgehalten wird, wahrend die Melodie fortschreitet (vgl. Noten-
beispiel 2, 12, 13, 26). Harmonische Musik ist dies aber noch keines-
wegs. Scharfe unaufgeloste Dissonanzen beweisen, daB die simultanen
Konsonanzen nicht um ihrer selbst willen verwendet werden; der Gang
der Melodie wird durch den mitausgehaltenen GrundbaB nicht beein-
fluBt. Wir wollen nur nebenbei daran erinnern, daB wir ganz analogen
Musikformen auch in Europa begegnen (Frofanum organum, Bourdon,
Dudelsack, alte Volkslieder). Allerdings ist es auffallend, daB der Grund-
baB zum Hauptton der Melodie stets im Verhaltnis der beiden konso-
nantesten Interralle, Oktave und Quinte) steht. Man pflegt daher in
dieser Begleitungsform die ersten Ansfttze unserer harmonischen Musik
zu sehen. Wir werden gleich noch andere Eigentiimlichkeiten der in-
dischen Melodik zu besprechen haben, die eine ahnliche Tendenz verraten.
Die den europaischen Musikern gelaufigen Begriffe >Dur und Moll«,
»Tonika«, »Dominante« sind in ihrer psychologischen Bedeutung noch so
umstrittene Probleme, daB ihre "Obertragung auf die Musik fremder
Volker nur mit groBter Vorsicht rersucht werden darf . Wir wollen desk
halb als Tonika ganz allgemein den melodischen Schwerpunkt, d. h. den-
jenigen Ton einer Melodie verstehen, der durch Frequenz, Dauer, Akzent
1) 1. c. S. 601.
2) 1. c. S. 31 Anm.
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384 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
und Position1) ausgezeichnet ist. Mit »Dominanten« bezeichnen wir ent-
sprechend diejenigen Tone, denen neb en der Tonika ein besonderes
melodisches Ubergewicht zukommt. Wir befinden uns mit diesen Defini-
tionen iiberdies im Einklang mit den Begriffen der indischen Musiktheorie.
Unsere Tonika wird namlich als Vadi (Tone hervorbringend), unsere Domi-
nanten als Samvadi (iibereinstimmend, gleichartig), die iibrigen Tone der
Melodie als Anuvadi (wiederholend) bezeichnet. Der Vadi wird bildlich
als Raja (Konig) oder Jan2) (Leben, Seele), der Samvadi ak Minister,
der Anuvadi als Untergebener angesehen. Wenn auch iiber die Bezeich-
nungen der Haupttone bei den indischen Autoren Meinungsverschieden-
heiten herrschen3), so sind sie sich doch in ihrer Charakterisierong als
melodische Schwerpunkte einig. Tonika und Dominanten brauchen nicht,
wie in der europaischen Musik, im Quinten- oder Quartenverhaltnis zu
stehen; wir finden dieses Verhaltnis zwar auch in indischen Melodien, in
einer groBen Anzahl (etwa in einem Drittel unserer Falle) [aber Terzen
(Ober- und TJnterterzen). Wenn zwei Dominanten besonders deutlich
hervortreten, so bilden sie oft mit der Tonika zusammen einen Dreiklang.
Ein ausgebildetes Gefiihl fiir die Terz als konsonantes Intervall (latentes
Harmoniegefiihl) darf hieraus aber noch nicht gefolgert werden.
Wenn man die Tonika als G-rundton der Skala annimmt, dann diffe-
renziert sich die Gebrauchsleiter, die sonst nur das allgemeine Gesetz der
Intervallenfolge angibt, in eine Reihe von (durch das Oktavenintervall
begrenzte) Tonfolgen, die den altgriechischen und mittelalterlichen Oktaven-
gattungen (Kirchentonen) entsprechen. So wird aus unsrer diatonischen
Durleiter (Do-modus), wenn der Schwerpunkt der Melodie auf der dritten
Stufe liegt, der ifi-modus, aus der jonischen Tonleiter eine phrygische
(nach der Glarean'schen Bezeichnung). Es handelt sich hierbei nicht nur
um eine theoretische Spekulation, denn Stiicke, denen diese Leitern zu-
grunde liegen, sind auch musikalisch-psychologisch durch verschiedene
»Tonalitat< ausgezeichnet; weshalb man sie auch, nicht mit Unrecht,
1) Man darf auf den Faktor der Position eines Tones am Anfang oder Ende eines
Melodieteiles oder einer melodischen Phrase allein nicht allzuviel Gewicht legen. Wenn
ein Ton durch Frequenz und Dauer sich zweifellos als Schwerpunkt erweist, so ware
es ungerechtfertigt, um eines anderen SchluBtons willen die Auffassung des ersteren
als Tonika aufzugeben (vgl. Musikbeispiel 7, 14, 17, 18). Fiir indische Ohren kommt
noch ein anderes Moment in Betracht, das gewisse Tone melodisch auszeichnet: nam-
lich Veirschleifung mit Nachbartonen und ahnliche Ausdrucksformen (vgl. S. 390 f.].
2) Im Hindustani.
3) Soweit wir die Interpretation der Sanskritliteratur verstehen, fallt dem durch
Frequenz, Dauer und Fiille ausgezeichneten Hauptton, >am£a«, eine doppelte Funktion
zu: erstens regelt er als >grahac (Anfangsnote?) die zeitliche Folge der anderen Tone
(>nya8a«, [SchluGton], »apanyasa«, [Mittelton] usw.) in der melodischen Phrase; zwei-
tens bestimmt er als >vadl< die Tonalit'at und den Charakter der iibrigen Tone
»8amvadi« usw. s. oben) vgl. Grosset I.e. S. 67 f., 89; Simon: Magha, ^iSupalavadha
II 90, Zeitschr. der deutsch. morgenl. Gesellsch. 67. 1903. S. 520 ff.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 385
verschiedenen »Tonarten« untergeordnet hat. TTnsere harmonische Musik
hat allerdings das Gefiihl fiir diese Art Tonalitat zerstort (wir kennen
nur den Do- und La-modus); es tritt aber deutlich zutage in alten (z. B.
lithauischen) Volksliedern und Kirchengesangen und in der japanischen
Musik i).
Die von uns gefundenen indischen Tonleitern sind alle auch yon
Tagore2) und Day3) angefuhrt. Am weitaus haufigsten findet sich der
ifi-modus, seltener Sol-, R&- und La-modus, garnicht der -Fa-modus und
der Si-modus (letzterer auch weder bei Day noch bei Tagore). Ob wir
in den Stiicken 15, 24, 25, wirklich den Do-modus nach Art unsrer
C-dur vor uns haben, ist wegen der Stellung der Dominanten sehr fraglich.
AuBer dem Gesetz der Intervallenfolge, das unserm diatonischen Dur
entspricht, fanden wir noch drei andre; eins ist mit dem unsrer auf-
steigenden melodischen Mollleiter identisch (c d es f g a h c) [s. Noten-
beispiel 11]. Yon diesem findet sich auch der entsprechende .Re-modus
(cdes esfg ab c) [s. Notenbeispiel 6], Ein zweites entspricht dem Ge-
setz unsrer harmonischen Mollleiter, welches wir in dem SoU (c des e f g
as b c) [s. Notenbeispiel 20 I] und dem Do- (oder Fa-?) modus (cdesf
g as he resp. c des fis g ab c) [s. Notenbeispiel 27] vertreten finden. Die
dritte Intervallenfolge enthalt zwei ubermaBige Sekundenschritte in
der Oktave; man konnte sie als doppelt harmonisches Moll bezeichnen,
s. 1. v. v. Wir finden hiervon den Do-modus (c des e fg as hc)[s. Noten-
beispiel 20 II] und den jPo-modus (c d es fis g as h c) [s. Notenbeispiel 17].
(Beide auch bei Tagore.)4)
Sehr auffallend ist es, daB die doppelt harmonische Mollleiter (M4ja-
malavagaula) bei den Indern als einfachste und elementarste Form gilt,
die auch alien Anfangerstiicken (Saralas) zugrunde liegt6).
1) vgl. A. und v. H., 1. c. S. 327.
2) Musical Scales.
3) 1. c. S. 91 (Hindustani-Leitern) und S. 32—36 (Karnatik-Leitern) usw.
Mi-modus: Hindustani 7. >Bhairavic, Karnatik 8. »Hanumatodi« ;
Sol-modus: » 9. »Janjuti«,
»
28. »Harikambogi< ;
Re-modus: » 4. »Kafi«,
>
22. Karaharaprtya« ;
La-modus: » 8. >Sinda-Bhairavi«.
»
20. >Nata-Bhairavi« ;
(Fa-modus: » 11. »Iman-Kalyanic,
>
65. Mat8ya-Kaliani« ; )
Do-modus; > 3. >Bilaval>,
»
29. >Dehras,ankarabharna«.
4) Diesen Mollleitern entsprechen
bei Day:
cdesfgahc — Hindustani :
fehlt
—
Karnatik: 23. Gaurimanuhari ;
c des es f g a b c — »
»
—
» 10. Natakapriya;
c des efgasbc — >
>
—
» 14. Vakhulabharaa;
cdesfgashc — »
6. Pilu
—
» 21. Kjn^rani;
cdesfisgabc — >
fehlt
—
> 68. Hamo-vasantha;
c des efgashc — >
1. Ealindra
—
« 16. Majamalavagaula;
cdesfisgaahc — >
fehlt
—
» 67. S'rimhandra.
6) cf. Day, 1. c. S. 74.
s. a. I. M. v.
26
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386 0. Abraham und Erich M. v. HornboBtel, Phonographierte indische Melodien.
Die G-esetze der Intervallenfolgen unterscheiden sich 1. durch
die GroBe der vorkommenden Intervalle (Halbton-, Ganzton-, uberma&ige
Sekundenschritte), 2. durch die relative Stellung der Intervalle zu ein-
ander — wahrend sich die Moden durch die relative Stellung der
einzelnen Intervalle zur Tonika unterscheiden, bei gleichbleibendem Ge-
setz der Intervallenfolge. (Tagore fuhrt aufier den von uns gefundenen
vier Intervallfolgegesetzen noch Leitern an, die 12 andre Gesetze be-
folgen.) In diesen Yerhaltnissen (den verschiedenen Stellungen der In-
tervalle zueinander und zur Tonika) ist die Ursache der verschiedenen
Tonalitat zu suchen. Unsre ersten beiden Typen enthalten nur Halb-
und Ganztonschritte, sind also diatonische Leitern und unterscheiden sich
nur durch die relative Stellung der Halbtonschritte zueinander; die beiden
letzten Typen enthalten iibermafiige Sekundenschritte, und zwar Typus HI
einen UbermaBigen Sekundschritt, drei Halbtonschritte, Typus IV zwei
iibermafiige Sekundschritte und vier Halbtone.
Sowohl aus den von uns gefundenen wie den von Tagore aufgezahlten
Leitern geht hervor, daB trotz der vielen Kombinationen niemals die
Tonika Ausgangspunkt eines UbermaBigen Ganztonschrittes ist1). Die
Tonika muB also durch diatonische Intervalle (Ganz- oder Halbtone) ein-
geschlossen sein. In unsrer Musik charakterisiert die Art des Ein-
schlusses (also die melodische Stellung) die Tonika ebenso sehr, wie die
oben angegebenen Momente der Frequenz und Dauer usw. ; wir empfinden
als Tonika denjenigen Ton, von dem nach unten ein Halbton-, nach
oben ein Ganztonschritt ausgeht, (fe-c-d), oder vielmehr, um uns psycho-
logisch genauer auszudriicken: zu dem von unten (resp. oben) ein Halb-
tonschritt (resp. Ganztonschritt) leitet, die deshalb auch als »Leittone«
bezeichnet werden. Es ist klar, daB in Melodien, denen Moden nach
Art der Kirchentone zugrunde liegen, also auch in den indischen, die
psychologische Wirksamkeit der melodischen Stellung hinter den andern
tonalitatbestimmenden Momenten zurucktritt, da es sich ja bei den Oktaven-
gattungen gerade darum handelt, die Stellung der Tonika bei gleich-
bleibendem Intervallfolgegesetz zu variieren*). Trotzdem wird man auch
hier von Leittonen sprechen konnen, nur miissen noch andre Faktoren
hinzutreten, durch welche die Zugehorigkeit des Leittons zur Tonika
deutlich wird (vgl. S. 392).
Aus dem Tonalitatsgefiihl fur verschiedene Moden bei gleicher Inter-
vallenfolge kann man von vornherein vermuten, daB einem Wechsel des
1) Auch in den Hindustani-Leitern, die Day anfUhrt, kommen solche Formen nicht
vor, dagegen aber in 12 Karnatik-Leitern.
2) Max Meyer hat versucht, ein allgemein geltendes psychologisches Tonikageaets
zu formulieren. Wir konnen auf seine Theorien in diesem Zuaammenhange nicht ein-
gehen, und behalten uns vor, sie bei andrer Gelegenheit genauer zu erortern.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 387
melodi8chen Schwerpunktes bei unverandertem Tonmaterial ein Wechsel
der G-esamttonalitat derMelodie entspricht, also eine Modulation, me
wir sie, auBer der Modulation von einer Durtonart in die dazugehorige Moll-
tonart (C-dur nach .A-moll, Wechsel von Do- und La-modus) nicht kennen.
Eine solche finden wir z. B. im Stiick 21, in welchem sich ein La-modus
auf fis verschiebt in einen Jfi-modus auf cis. Sehr charakteristisch ist
auch im Stiick 7 die Verschiebung des /Sot-modus auf c in den ite-modus
auf g, sowie die analoge Modulation in Nr. 2 (&>£-modus auf b — Re-
modus auf f). Bei all diesen Modulationen verschiebt sich der melodische
Schwerpunkt um eine Quarte nach abwarts.
Unsre gewohnliche Modulation ist dagegen eine Transposition, die
sich so auffassen laBt, daB bei Beibehaltung des Modus eine Verschie-
bung des Tonmaterials um ein gegebenes Intervall eintritt. Das Intervall,
um welches sich das Tonmaterial verschiebt, pflegt bei uns die Quinte
zu sein. Auch diese Art der Transposition ist bei den Indern ge-
brauchlich; so verschiebt sich im Stiick 4 dieselbe Melodie zweimal um
eine Quinte nach unten1).
Da die Quintenverschiebung bei uns deutlich mit dem Harmonie-
gefiihl zusammenhangt, mochten wir auch hier eine derartige Beziehung
annehmen, ohne uns allerdings zu entscheiden, ob das Harmoniegefiihl
die Ursache der Quintenverschiebung ist oder ob letztere aus irgend
welchen andern, vorlaufig unbekannten Ursachen entstanden, erst zur
Entwicklung eines Harmoniegefiihls gefiihrt hat. Auch in der japanischen
Musik kommen ahnliche Transpositionen vor*).
Die schon erwahnte auffallende Bevorzugung des Jfi-modus in unsren
Melodien, von denen sich eine groBe Anzahl auf dem Dur-Dreiklang
aufbauen, wiirde allerdings, wenn nicht etwa europaischer EinfluB hier
mitgespielt hat, auf ein Konsonanzgefiihl in unserem Sinne hindeuten.
Auch die Spielweise des Dilruba ist in dieser Hinsicht interessant.
Das c0 der zweiten leeren Saite wird — in absteigender Haufigkeit —
zusammen mit c, gy f oder e\ (selten) d oder a angestrichen, nie aber
zusammen mit es (!),/&, as (!), b oder h. Hiernach hatten die Inder
wohl ein Gefiihl fiir die Konsonanz der Oktave, Quinte, Quarte, groBen
1) Derartige Verschiebungen setzen ein Tonmaterial von relativ groCem Umfang
und daher bei Instrumentalisten eine gewandtere Beherrschung des Instruments voraus.
Man darf vielleicht vermuten, daB der Gebrauch von Saiteninstrumenten mit beweg-
lichenStegen oderBunden, vereint mit einem geringen Umfang des Tonmaterials, im
Zusammenhang steht mit dem Vorkommen der Oktavengattungen. Wenn man, ohne
den Umfang zu vergroOern, die Melodie durch Yariationen und Modulationen bereichern
will, so ist man auf eine intensive Erweiterung des Melodiematerials angewiesen und
gelangt zu kleineren Tonschritten oder neuen Intervallfolgegesetzen, deren praktische
Anwendung durch die Beweglichkeit der Stege erleichtert wird. (Vgl. Japan. Musik.)
2) Vgl. A. und v. H. 1. c. S. 327.
25*
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388 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Fhonographierte indigene Melodien.
Terz (letztere beiden Intervalle stehen angeblich auf einer Bangstufe)
und etwa noch der groBen Sexte; kleine Terz und Sexte wtirden aber
mit dem Triton und den beiden Septimen1) zu den Dissonanzen ge-
rechnet Man wird daran erinnert, daB auch in Europa die kleine Terz
sich erst spat einen Platz unter den »Konsonanzen« erkampft hat. (Die
simultane Sekunde freilich gehort auch heute noch fiir unser Ohr zu den
unangenehmsten Dissonanzen.) Jedenfalls ist der Begriff »Moll« auf
indische Musik (trotz der »harmonischen Molltonleiternc) ebensowenig
anwendbar wie etwa auf japanische.
2. Begriff des Baga.
Die indische Melodik ist noch durch andere Gesetzmafiigkeiten ge-
bunden als durch die oben erorterten Eigentiimlichkeiten des Tonsystems.
Wir haben uns nunmehr mit einem Begriff zu beschaftigen, dessen Verstand-
♦nis dem Europaer die allergroBtenSchwierigkeiten bereitet, namlich dem Be-
griff des Baga. Die wortliche Bedeutung laBt sich etwa als »das Stimmung-
erzeugende* wiedergeben. Jones2) identifiziert Baga mit Tonart, Modus.
P ingle3) stellt den Baga als vornehm klassische Stilart auf eine Linie
mit andern Stilarten. Tagore4) sagt, es gabe kein englisches Wort, das
dem Bagabegriff adaequat ware, ja, dieser Begriff fehle der europaischen
Musik uberhaupt. An andrer Stelle6) ubersetzt Tagore Baga mit
» Melody-Type «,welcher Interpretation sich auchDay anschlieBt. Willard6)
betont, daB auch unser Begriff »Melodie« oder »Weisec dem des Baga
nicht voll gerecht wiirde. In den von Tagore mitgeteilten Musikbeispielen
finden wir unter andern zwei Bagas — die sich allerdings sehr ahnlich
sein sollen — nebeneinander gestellt mit der Bemerkung: >It will be
seen from the above, how the two Bagas differ from each other in
essential particulars «. Wir konnten selbst bei sorgfaltigster Analyse
diese » essential particulars * nicht entdecken. Unser Parse spielte uns
Baga Behag vor; gleich darauf denselben Baga noch »auf zwei andere
Arten«. Zunachst schien es uns, als hatten wir drei vollig verschiedene
Melodien gehort. Herr Dr. Simon teilt uns brieflich mit, daB vom Baga
in der handschriftlichen Literatur »zwar nirgends explicite, aber oft genug
implicite die Bede ist«.
Man wird zugeben miissen, daB ohne die Kenntnis dieser Literatur
einiger Mut dazu gehort, an die Entwirrung dieses Knotens von Wider-
spruchen sich heranzuwagen. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit
1) Vgl. auch die Vermeidung des Si-Modus (>Si contra Fa<).
2) 1. c.
3) 1. c.
4} Hindu Music.
5) Specimina.
6} In Tagore' 8 Sammlung.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indigene Melodien. 389
gebiihrt sicherlich dem Orientalisten; sie mit Stillschweigen zu iibergehen,
schien aber bei der bedeutenden Rolle, die der Ragabegriff offenbar nicht
nur in der theoretischen, sondem auch in der praktischen indischen Musik
spielt, nicht ang&ngig.
Wir wollen zunachst die Unmoglichkeit nachweisen, den Ragabegriff
mit einem unsrer europaischen musikalischen Begriffe zu identifizieren.
Raga deckt sich nicht mit dem Begriff Tonleiter: denn es gibt verschie-
dene Ragas, denen dieselbe Letter zugrunde liegt. Ebensowenig ist Raga
mit Modus zu verwechseln, denn derselbe Modus kann sich bei verschie-
denen Ragas finden. Als bestimmte Melodie in unsrem Sinne kann man
Raga nicht bezeichnen, weil die innerhalb eines und desselben Ragas zu-
lassigen Variationen einen ganz verschiedenen melodischen Eindruck auf
uns machen. Allerdings konnten Verwechslungen des Raga mit diesen
Begriffen nur vorkommen, weil jeder dieser Begriffe mit zu den Bestim-
mungsstiicken des Raga gehort. Ein und derselbe Raga kann stets nur
aus demselben Tonmaterial bestehen; d. h. das Intervallfolgegesetz
der Letter muB gewahrt bleiben. Leiterfremde Tone sind als ragafremde
Tone (Vivadi) verpont1). Es gibt Ragas, die in der aufsteigenden Me-
lodik ein anderes Leitergesetz (Arohapa) befolgen, als in der absteigenden
l Avarohana), analog unsrem melodischen Moll. Auch der Modus ist fiir
jeden Raga bestimmt. Denn die melodischen Schwerpunkte, die den
Modus charakterisieren (Tonika und Dominanten in unsrem Sinne) kenn-
zeichnen auch den Raga in seiner Tonalitat. Dies ist offenbar ein sehr
wichtiges Kriterium, auf das wir noch zuriickkommen werden.
Urspriinglich war der Raga vermutlich eine Melodie in unsrem Sinne,
von einem bestimmten Komponisten herriihrend. Von diesen teilweise
sehr alten Melodien hat sich durch mundliche und schriftliche Tradition
dasjenige bis auf den heutigen Tag erhalten, was nach indischen Begrif-
fen das wesentliche an ihnen ist, eine Art Melodieskelett, das fiir die
heutigen Kompositionen nicht nur vorbildlich, sondern normativ geworden
ist2). Neuere Kompositionen, die die alten Vorbilder nicht beriicksich-
tigen, gelten als stilverletzend und unklassisch. Es gibt daher keine
Komponisten in unserm Sinne, da die Kompositionen eigentlich Varia-
tionen eines alten Themas sind. Andrerseits ist jeder reproduzierende
gleichzeitig produzierender Kiinstler, da dem Spieler nie eine voll aus-
gefiihrte Komposition ubermittelt wird.
Die Variationen, welche den Gesetzmafiigkeiten keinen Abbruch tun,
1) Allerdings ist es, vermutlich aber erst in jiingerer Zeit, bei gewissen Ragas
iiblich, einzelne Ragatone mit ragafremden Tonen wechseln zu lassen (vgl. Bay, 1. c.
S. 44).
2) Der Ausdruck raga ist jungeren Datums; der Begriff deckt sich mit dem alteren
der jati (vgl. Grosset, 1. c. S. 88; Day, 1. c. S. 38).
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390 0. Abraham und Erich M. y. Hornbostel, Phouographierte indische Melodien.
bestehen, soweit wir beobachten konnten, in folgendem: Tone, die nicht
als melodische Schwerpunkte zur Charakteristik des Raga gehoren, konnen
ausfallen. Wiederholungen einzelner Tone und melodischer Phrasen sind
dem Belieben des Spielers anheim gestellt. Ehythmische Anderungen
sind ebenfalls in weitem MaBe gestattet. Aus unsren Beispielen l) mtifite
man sogar schlieBen, daB auch die taktliche Einteilung nicht durch den
Baga normiert ist. Yon andrer kompetenter Seite wird dagegen ver-
sichert, daB zu jedem Raga ein bestimmter Takt (Tala) gehore.
Das ganzlich Unveranderliche des Raga sind seine mehrfach erwahn-
ten charakteristischenHaupttone: Diese sind nicht nur durch Prequenz
und Dauer ausgezeichnet, sondern auch durch gewisse melodische Formeln
(Verzierungen) z. B.
v ■ 2^i „
f^u" II — II (Aus Nr. 15 unarer Noten-
D I N f\ I II I n^ 4f beispiele.)
i
-^^."j.ipF
Hierher gehort auch die SchluBformel des Joda (vgl. S. 392).
Zu den Charakteristiken des Raga gehort auch die Murchana; auch
tiber diesen Begriff herrscht weder in der indischen Originalliteratur noch
in den europaischen Interpretationen Einigkeit. Wahrscheinlich bedeutet
Murchana2) ein Legato, das einen Hauptton des Raga mit anderen Tonen
verbindet; ob nur eine oder mehrere, benachbarte oder entferntere Ton-
stufen mit dem Hauptton verbunden werden, ist schwer zu entscheiden;
vielleicht handelt es sich um eine Art Pralltriller (Hauptton mit neben-
liegender Sruti? [P ingle]), vielleicht um eine im Glissando ausgefuhrte
Leiter8), vielleicht auch bloB um die Legato-Technik im allgemeinen, durch
die melodische Phrasen, zu einer Einheit verbunden, andern gegeniiber-
gestellt werden. DaB diese Art der Phrasierung eine wesentliche Rolle
in der indischen Musik spielt, konnten wir z. B. daraus entnehmen, daB
in Nr. 19, wenn statt:
I
Vjij?JIL&
folgende Strichart verwendet wird:
P sp ^.JTTT/j P. -gi '
1) Vgl. Nr. 16a und 15b; 18a, 18b und 18c.
2) Day erklart Murchana als die Summe aller Charakteristiken (also die Charakte-
ristik) eines Ragas, gibt aber fur diese Interpretation keine Quellen an.
3) Vgl. Grosset, 1. c. S. 86.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien. 391
das Stiick nach Davar's Aussage einen ganz anderen Charakter erhalt1).
Nicht nor die Legato-, auch die Glissando-Technik haben die Inder zu
groBer Vollkommenheit ausgebildet.
Im allgemeinen werden zwei Arten des Glissandos unterschieden: Die
eine entspricht unserm Geigenglissando , besteht also aus einem Gleiten
des Fingers iiber die Saite (Gamaka, Ghrshtaka, oder Ghasita2), bei
der andern wird der Hauptton, wahrend er erklingt, durch eine Ver-
starkung des Saitendrucks erhoht. (Minda3). Mit dieser Glissandotechnik
werden nicht nur unmittelbar benachbarte Tone, sondern auch groBere
Intervalle verbunden, auch wird der Mordent durch Verdoppelung zum
Triller ausgebildet. AuBer dem einfachen Triller ohne Nachschlag (Jan-
jama) wird oft aus drei nebeneinanderliegenden Tonen eine Art Triller
(Murki) gebildet.
Wie wichtig die Morchanas und andere Yerzierungsformen sind, ist
daraus ersichtlich, dafi ihr Fehlen die ganze Stilform verandert; aus dem
Raga wird ein Jilha, eine leichtere musikalische Form, welche sich minder
streng an die Ragagesetze halt.
Neue Formen werden auch durch die Vermischung zweier Ragas ge-
bildet (vgl. Notenbeispiel Nr. 14, 25). In derartigen Mischragas, die
hauptsachlich in Nordindien haufig sind, findet man also verschiedene
Leitern, Moden usw. vereinigt. Das Erkennen des Raga in einer Me-
lodic setzt schon bei den Indern einen hohen Grad musikalischer Bildung
voraus, ist also fiir den Europaer urn so schwieriger.
Die Angaben der Autoren iiber die Zahl der existierenden Ragas ist
auBerordentlich schwankend. Zur Zeit Krishna's soil es 16000 gegeben
haben, Soma (um 1600) kennt 960, Kalinatha 90 usw."
Nach orientalischer Weise entspricht dem Ragabegriff eine symbolisch-
mythologische Personifikation, die in bildlichen Darstellungen Ausdruck
findet. Die mannlichen Ragas haben eine Anzahl weiblicher Raginls im
Gefolge. Ein musikalischer Unterschied zwischen Ragas und Raginis be-
steht nach den Angaben der Autoren nicht. Dagegen besteht zwischen
den einzelnen Ragas oder Raginis offenbar ein Unterschied des Stimmungs-
gehaltes, der fiir den Inder so stark ist, daB jeder Raga nur zu bestimmten
Tages- und Jahreszeiten vorgetragen werden darf. Der Unkundige
wiirde daher bei einem indischen Musiker unbedingt eine Fehlbitte tun,
wenn er ihn am Vormittag auffordern wiirde, einen Raga zu spielen, der
fiir den Abend bestimmt ist. Wahrscheinlich ist es nicht sowohl der
1) Auch in der japanischen Vokal- und Instrumentalmusik unterscheidet die Le-
gatotechnik den vornehmen Musikstil yon dem gewohnlichen.
2) Offenbar identisch mit dem von R. S i m o n , 1. c. , sub Nr.10 erwahnten > Gharshana« .
3) Bei Simon eub Nr. 6 >Dolana«. Dieselbe Saitendrucktechnik spielt eine groBe
Rolle in der Spielweise der japanischen Koto (vgl. A. und v. H. 1. c. S. 324).
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392 0. Abraham und Erich M. v. Hombostel, Fhonographierte indiache Melodien.
musikalische Stimmungsgehalt als der des alten Original textes, der
diesem strengen Reglement zugrunde liegt. Uberhaupt scheint Text und
Melodie in inniger Beziehung zu einander zu stehen; die 29 verachiedenen
musikalischen Stilformen, die Tagore1) anfiihrt, unterscheiden sich
hauptsachlich durch den Text, meist auch durch den Aufbau der Gesange.
AuBer wirklichen Textworten werden haufig die indischen Solmisations-
silben und Trommelsilben (vergl. S. 398 Anm. 1) verwendet. Befremdend
wirkt es, daS auch der Name der Stilart im Text vorkommen muB. Wir
greifen yon den Stilformen zur naheren Besprechung diejenigen heraus,
die sich in unsren Notenbeispielen vertreten finden.
Die bemerken8werte8te ist Alapa oder Joda, die nach P ingle eine
spatere Form des Dhrupada2) darstellt. Sie laBt den Ragacharakter deut-
lich erkennen und soil an dessen GesetzmaBigkeiten am strengsten fest-
halten; Tonfolgen und Haupttone (Vadi) diirfen nicht verandert werden,
ragafremde Tone (Vivadi) sind verpont, und die Noten miissen von rich-
tiger Dauer sein. Das ganze Stiick wird vorwiegend glissando vorgetragen,
mit viel Verzierungen (Murchanas) und in langsamem Tempo, besitzt
keine strenge rhythmische Gliederung, keine bestimmte Taktart. Die
Melodie wird ohne Text mit Brummstimme oder auf sinnlosen Silben oder
Solmisationssilben gesungen; den AbschluB des Liedes bildet eine stereo-
type Kadenz (Mukh [Anthtz]). Z. B.:
oder:
%-itt^nrrm^
(vgl. Stiick 17b).
Die mit x bezeichneten Tone (h und des), die man wohl als Leittone
bezeichnen kann, variieren je nach dem Kaga zu b oder a resp. d oder es.
Diese Kadenz soil dem Horer den SchluB des Stiickes3) anzeigen und
dient wohl gleichzeitig mit zur Charakterisierung der Tonika. Wir werden
einerseits an die bekannte SchluBformel der Zigeunermelodien, andererseits
an die »Tropen« erinnert, die ebenfalls fur die Unterscheidung der plar
galen und authentischen Kirchentone Bedeutung hatten.
Die bisher genannten Formen gehoren der vornehmen klassischen
Musik an, die Musikbeispiele der Gruppe A und C stimmen dagegen mit
der Beschreibung uberein, die in der Literatur von der Stilform Thumri4)
1) Specimina of Indian songs.
2} Dhrupada ist seinerseits wieder eine spatere Form der alten originalen Padas
and Bhajamas (Gebete, Fsalmen, Liebeslieder an Krishna); anf den Dhrupada greifen
sanskritunkundige indische Musiker bei Streitfragen iiber Form oder Skelett eines Rags
zuriick, da er sich von der alten Tradition wenig entfernt. — Vgl. auch Day, 1. c. S. 86.
3) Nach Day bildet der Alapa gewissermaCen den ersten Satz des Raga, dem regel-
maCig ein zweiter, streng rhythmischer Satz, Madhyamakala, folgt. Vielleicht ent-
spricht diesem das, was Day ar als >gewohnliche Form* bezeichnet (vgl. Nr. 17a und b .
4} Day schreibt >Thungri«.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Fhonographierte indische Melodien. 393
entworf en wird. Danach *waren Thumri Tanz- und Liebeslieder, in welchen
leichte Ragas und einfache Talas verwendet werden; der Umfang dieser
Gesange beschrankt sich auf eine Oktave; Minda und Ghasita sind
selten.
Dem Thumri ahnlich, aber durch besonders viel Koloraturen (Tana)
und rhythmische Preiheiten ausgezeichnet, ist das urspriinglich persische
Ghazal. Die Musikbeispiele 18 c und 26 reprasentieren diese Form.
3. Rhythmus.
Die Einteilung einer Melodie in Takte ist lediglich ein Hilfsmittel fiir
die Auffassung des Rhythmus. Die Taktstriche sind dazu da, bestimmte
gleichgroBe rhythmische Gruppen den Hauptakzenten (Ictus) entsprechend
zu begrenzen. Der psychische Vorgang der rhythmischen Auffassung
-wird hierdurch nur unvollkommen dargestellt. Uber das Tempo sagt die
Takteinteilung nichts aus; die Elemente unseres Notierungssystems (Achtel,
"Viertel) besitzen keinen absoluten Dauerwert; ob ein Komponist ein Stiick
als Andante im 3/s- 0(ler als Allegretto im 3/4-Takt schreibt, ist voll-
kommen seiner Willkiir Iiberlassen. Die feinere rhythmische Gliederung
innerhaJb des Taktes, der Wechsel langerer oder kurzerer Noten hat mit
der Takteinteilung nur insofern zu tun, als Langen neben Kiirzen ein
psychisches TJbergewicht haben und gleichsam akzentuiert erscheinen; da
dem TJbereinkommen nach der Taktstrich regelmaBig vor den Hauptakzent
gesetzt wird, finden wir, wenn wir den Takt als losgeloste Einheit be-
trachten, gewohnlich die langere Note am Beginn des Taktes, also einen
fallenden Rhythmus. Wollte man mit den Taktstrichen die psychologisch
zusammengehorenden Gruppen begrenzen, dann miiBte man umgekehrt
die Taktstriche vor den weniger betonten (kiirzeren oder rhythmisch mehr
gegliederten) Teil der Gruppe und hinter den Hauptakzent (den langeren,
rhythmisch ungegliederten Teil) setzen. Es wlirde dann der sogenannte
Auftakt, welcher zum Akzent hindrangt, mit diesem auch graphisch ver-
eint sein1). Die Erwartungsspannung, die in diesem hindrangenden
Moment liegt, verleiht auch dem Auftakt selbst eine gewisse Betonung,
In H
die sich besonders deutlich im 3/4-Takte ||# ^ p zeigt2). Durch den be-
|»i » |
\ f f f I von ^em
1) Wir haben hier selbstyerstandlich nor die einfachsten Yerh'altnisse im Auge und
aehen von alien rhythmischen Pikanterien ab.
2) Die Betonung des Auftaktes konnte auch experimentell nachgewiesen werden,
vgl. Meumann, Untersuchungen zur Psychologic und Asthetik des Rhythmus, Philos.
Studien DL und Ebhardt, Beitr. z. Psychol, des Rhythmus und des Tempo, Ztschr.
f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorgane, Bd. 18.
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394 0. Abraham und Erich M. v. Horobostel, Phonographierte indiache Melodien.
aus zwei 2/4-Takten bestehenden 2/2-Takt If f f f J In letzterem sind
das erste und das dritte Viertel als gate Taktteile der beiden 2/4-Takte
betont; doch ist der Ton auf 3 schwacher, weil es der schlechte Takt-
teil des 2/2-Taktes ist. Solche Zusammenfassungen kleinerer Takte in
groBere sind auch in unsrer Musik haufig. Der bekannteste Takt dieser
Art ist der 6/s-Takt, der eine Zusammenfassung von zwei 3/8-Takten
darstellt fff fff . Bei dem in Achtel gegliederten 8/4~Takt dagegen
fiele der zweite Hauptton auf das 5. Achtel entsprechend dem obigen Schema
ff ft ff Entgegen der graphischen Ausdrucksweise fassen wir
haufig groBere melodische Perioden zu einer psychologischen Einheit zu-
sammen (z. B. in der 4-taktigen Passacagha). Diesem Gefiihl fur die
Zusammengehorigkeit groBerer Perioden arbeiten die Taktstriche in ge-
wisser Weise entgegen, indem iiber den Taktstrich hinweg manchmal ein
innigerer Zusammenhang der Melodie besteht als zwischen den Takt-
strichen. Es ist wohl moglich, daB wir durch das optische Taktbild uns
verfiihren lassen, eigentlich unselbstandige kleinere Gruppen als selb-
standige Einheit aufzufassen, und dadurch das Gefiihl fur die Einheit-
lichkeit groBer Gruppen geschwacht wird. Die GUederung in kleine
Takte, die Anwendung zahlreicher Icten ist ein Erfordernis der poly-
phonen Musik, und die einzelnen Stimmen rhythmisch zusammenzuhalten;
so nahm auch, je mehr sich die Aufmerksamkeit dem Zusammenklang
zuwendete, das Gefiihl fur die melodische Zusammengehorigkeit allmalig
ab. Die Vertikale in der Partitur ist der Feind der Horizontalen.
In der homophonen Musik dagegen ist die Melodie durch keine der-
artigen Hindernisse eingeschrankt. Es ist anzunehmen, daB, wo die Auf-
merksamkeit nicht vom Melodischen abgelenkt wird, sich leichter ein
starkes Gefiihl fiir groBere melodische und rhythmische Zusammenhange
ausbilden kann.
Hieraus ergibt sich unmittelbar, daB ungeradzahlige Taktarten, 5/4,
V4 usw., die wir unwillkiirlich durch Icten in zwei oder mehr Teile zer-
legen, homophon musizierenden Volkern viel natiirlicher erscheinen und
daher bei ihnen haufiger sind als bei uns. Auch ist in einer langeren
hicht durch Icten unterbrochenen Periode eine abwechslungsreichere
rhythmische Gliederung moglich; offenbar ist die Variationsmoglichkeit
nach Anzahl, relativer Dauer und Verteilung der Langen und Kiirzen
um so groBer, je langer die ictenfreie Periode. Erweiterungen und Ver-
kiirzungen eines Taktes bei seinen Wiederholungen bedeuten eine um so
geringfiigigere Veranderung, je kleiner sie sind im Verhaltnis zur absoluten
Lange des Taktes. Ein 5/4-Takt zwischen 4/4"Takten wird natiirlich
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte^indische Melodien. 395
starker als UnregelmaBigkeit empfunden als ein 13/4-Takt zwischen 12/4-
Takten.
Wir haben bisher versucht, in aller Klirze die rhythmischen Verhalt-
nisse zu deduzieren, die sich in homophoner Musik im Gegensatz zur
polyphonen und hannonischen Musik ergeben konnen; bevor wir aber an
ihre induktive Bestatigung durch unsere indischen Melodien gehen, wollen
wir noch die Kriterien erortern, nach welchen wir, wie Musik iiberhaupt,
so auch die fremder Volker rhythmisch auffassen: Neben den bereits
erwahnten Kriterien der dynamischen Akzentuierung (Intensitats-
unterschiede) und der relativen Tondauer (Temporale Unterschiede)
wird unsere rhythmische Auffassung (Gruppierung durch Verteilung sub-
jektiver Akzente) noch durch eine Reihe qualitativer Faktoren geleitet.
Ein Ton mag sich ceteris paribus durch Tonhohe und Klangfarbe oder was
immer von einer Reihe andrer Tone linterscheiden, immer wird die Auf-
merksamkeit durch die Abweichung in Anspruch genommen und der be-
treffende Ton erhalt so ein psychisches Ubergewicht (Psychologischer
Akzent). In der Melodie, wo wir es immer mit einer Reihe verschiedener
Tonhohen zu tun haben, kommen auBer dem rein tonalen Element (rela-
tive und absolute Tonhohe)1) gewisse melodische Momente in Betracht.
Das haufige Wiederkehren einzelner Tone und ganzer Phrasen stattet
dieselben mit einer gewissen Bekanntheitsqualitat aus und hebt sie so
vor anderen hervor. Gewisse stereotype Wendungen, die zu einer Wieder-
holung iiberleiten oder zu einem AbschluB fiihren, lassen den Eintritt
der bekannten oder abschlieBenden Tone auf dem guten Taktteil erwarten.
In der harmonischen Musik kommen noch eine Anzahl von Momenten
hinzu, die sich aus den psychologischen Eigentiimlichkeiten simultan er-
klingender Tone (Konsonanz, Distanz usw.) ergeben, von denen wir aber
hier fiighch absehen konnen.
Wir diirfen wohl annehmen, daB mit dieser Aufzahlung die psycho-
logischen Momente, die fiir die Rhythmisierung in Betracht kommen,
auch fiir exotische Musik erschopft sind, ob aber und in welchem Sinne
eine Abstuf ung der Wertigkeit unter ihnen statthat, ist schon in unsrer
Musik nicht leicht zu entscheiden, umso schwieriger in fremdlandischer.
Ahalogieschliisse nach unserer Musik sind jedenfalls zu verwerfen.
A lift erwahnten Momente konnen vikariierend fiireinander eintreten,
konnen vereint sich unterstiitzen oder, miteinander konkurrierend, sich
gegenseitig abschwachen. Unsere Melodik ist derart, daB die einzelnen
Momente sich meist wechselseitig unterstiitzen, wahrend ihr Gegeneinander-
arbeiten nur gelegentlich als rhythmische Pikanterie vorkommt.
1) Hohere Tone sind bekanntlich durch groCere Empfindungsstarke, tiefere Tone
durch ein groBeres Volumen ausgezeichnet.
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396 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
Es ist sehr wohl moglich, daB in homophoner Musik gerade in dem
Gegeneinanderarbeiten der einzelnen Faktoren ein Ausdrucksmittel von
besonderem Reiz liegt, das, ahnlich wie bei uns der harmonische Zu-
sammenklang, im Laufe der Jahrhunderte zu einer Stileigentumlichkeit
geworden ist, deren Beherrschung durch phylogenetische Einiibung All-
gemeingut des Volkes geworden ist. Eine andere Moglichkeit ware die,
daB einem oder dem anderen der rhythmusbestimmenden Faktoren ein
derartiges Ubergewicht zukommt, daB das Gegenspiel der anderen im
Hintergrunde des BewuBtseins bleibt und die durch den einen Faktor
bedingte Auffassung nicht stort.
Un8ere indischen Melodien zeigen uns eine treffliche Illustration der
erorterten Verhaltnisse. Zunachst moge ein Beispiel zeigen, wie wir zu
einer Art der Rhythmisierung gelangen, die der indischen, wenigstens
dem dynamischen Akzent nach, entgegenlauft Den Anfang der Melodie
Nr. 2
V 1 2 3
3U J I TS=T
4 5 6 7 8 0 10
in der wir durch die dynamischen Akzente (Handschlag) einen' zweiteiligen
Bhythmus erkennen, fassen wir f olgendermaBen : Die Achtelfiguren1) (1,
2, 3 und 7, 8) scheinen uns infolge ihrer reicheren Gliederung als Auf-
takte zu den schwereren ungegliederten Vierteln hinzuleiten; letztere (4
und 9) sind daher ftir uns die guten Taktteile; diese psychologischen
Motive sind so stark fur uns, daB wir die synkopierte Wirkung von 10
mit in Kauf nehmen; isoliert hatten wir 9 als Auftakt zu einem guten
Taktteil 10 gefaBt. Unsere Taktauffassung wird durch den weiteren
Verlauf der Melodie (s. S. 355} noch gefestigt und durch den kontraren
dynamischen Akzent nicht gestort. Diesen Sinn hat es, wenn wir sagen,
die Inder betonen die »schlechten« Taktteile. Es liegen also zwei Mog-
lichkeiten vor: Entweder unsere sch lech ten Taktteile entsprechen den
guten Taktteilen der Inder (nach nicht-dynamischen Kriterien) — dann
entspricht der aufgesetzte dynamische Akzent zwar unserer Art der
dynamischen Akzentuierung auf dem guten Taktteil, die melodische Rhyth-
misierung miiBte aber anderen Kriterien folgen als bei uns. Oder unsere
schlechten Taktteile sind auch ftir die Inder schlechte Taktteile, dann
stimmen wir in der melodischen Rhythmisierung mit ihnen iiberein, aber
der aufgesetzte dynamische Akzent ist unserem entgegengesetzt. Diese
uns ungewohnte Art der Rhythmisierung tritt in den indischen Melodien
auch sonst vielfach zutage (Synkopen, rhythmische Verschiebungen). Sie
1 Die Sechszehntel bei 4 und 6 wirken nur als Mordente und geben als solche
den verzierten Tonen einen melodischen Akzent. Die Wirkung wird durch die hier
gewahlte vereinfachte Schreibweise nicht ge'andert.
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indisehe Melodien. 397
ist auch bei den Siamesen1), Javanen2), Japanern3) und verschiedenen
nordamerikanischen Indianerstammen4) beobachtet worden. Schon hieraus
geht hervor, daB es sich im vorliegenden Fall nicht urn eine vereinzelte
Pikanterie handeln kann, ganz abgesehen von der Volksttimlichkeit des
Liedes und dem Bildungsmangel der Sangerinnen. Nach dem oben Ge-
sagten laBt sich die Gegenrhythmisierung vielleicht so interpretieren, daB
die subjektive Eindringlichkeit der melodischen Ehythmisierung, die in
unserem Sinne guten Taktteile derartig stark hervorhebt, daB eine Ad-
dition dynamischer Akzente zu den melodischen unnotig ist, vielmehr
iiber den Melodierhythmus ein zweiter, entgegengesetzter, gelegt werden
kann5); wir hatten hier eine Art rhythmischen Kontrapunkts.
Vielleicht hat auch die Akzentuierung der schlechten Taktteile eine
1) Vgl. Stump f, Tonsystem and Musik der Siamesen, Beitr. z. Akustik u. Musik-
wisa. Heft m (1901).
2) VgL Land, Die Tonkunst der Javanen, Vierteljahrsschr. f. Musikwiss. V. (1889).
3) Ygl. Abraham und v. Hornbostel 1. c.
4) Ygl. Stumpf, Lieder der BeUakula-Indianer, Vierteljahrsschr. f. Musikwiss. II.
(1886) und Phonographierte Indianermelodien, ebenda VUL (1892;.
5) Fur diese Interpretation spricht vielleicht auch das Verhaltnis von Text und
Melodie in altindischen Gesangen, fiber das wir allerdings nicht nach eigener Erfah-
rung urteilen konnen. Nach Burnell (Arsheyabrahmana, Mangalore 1876, Einleitung)
wird in der friihesten Literatur zwar schon zwischen Gesang (samanj und Text (ric)
unterschieden, ersterer aber fur wichtiger gehalten. Textakzent und Melodietone werden
in friiher Zeit identifiziert (Samhitopanishadbrahmana, 1877 S. VIII; und bei der Re-
zitation des Samaveda mit den Fingern markiert (Jaiminiyatext S. XTVff., woselbst
eine Art Guidonischer Hand, die sich werkwiirdigerweise auch in China findet, ygl.
Gilman, Chinese musical system; Philos. Rev. Boston 1892). Der Sinn der vedischen
Texte war schon in einer Zeit unverstandlich geworden lange bevor sie schriftlich
fixiert wurden (Riktantravyakarana, 1879). Zweifellos ist der vedische Akzent ein rein
tonaler: man unterscheidet einen Tiefton (anudatta), Hochton (udatta) uud Hochstton
(svarita). Der eigentliche dynamische Sprechakzent ist von dem tonalen unabhangig
(ahnlich im Chinesischen, den indochinesischen Sprachen, den Bantu-Sprachen, dem Eve
(Togo) und wahrscheinlich auch in der altgriechischen Rezitation; vgl. M. Haug,
Uber die vedischen Akzente, Ztschr. d. deutsch. morgenl. Ges. 17, 1863 und Uber das
Wesen und den Wert des vedischen Akzents, Munchner Akad. Ber. 13, 1872 ; J. Wac ker-
nagel, Altindische Grammatik, Gottingen, 1896, 1. §§ 244 ff.; 0. Fleischer, Neumen-
studien, I. Leipzig 1895). Aus all diesem darf man wohl schlieCen, da6 der Melodie-
rhythmus auch flir die indisehe Metrik von hoherer Bedeutung ist als der dynamische
Akzent. Dasselbe meint offenbar H. Jacobi (On Indian metrics, Wiener Zeitschr. f. d.
Kunde der Morgenl. V. 1891), wenn er die (dynamischen) Trommelrhythmen fur sekun-
dar halt und aus der paradox klingenden Behauptung: » Indian music is not rhythmical t,
folgert, der Ictus konne zur Erklarung der indischen Metrik nicht herangezogen werden.
— Ubrigens braucht, was der Liturgie des Somaopfers eigentiimlich war (vgl. auch
Chry sander, Uber altindische Opfermusik, Vierteljahrsschrift f. Musikw. L 1885),
nicht auch fur profane moderne Musik zu gelten. Wir wollen uns daher mit diesem
kurzen Hinweis begnilgen, ohne uns auf weittragende theoretische Verallgemeinerungen
einzulassen.
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398 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Fhonographierie indische Melodien.
ahnliche psychologische Ursache, wie bei uns die Betonung des Auftaktes
(s. oben). Auch in den anderen Melodien, in denen wir die Trommel-
begleitung festlegen konnten, fanden wir rhythmische Kontrapunkte. In
Nr. 27 ist nach unserer Auffassung der Trommelrhythmus dem Melodie-
rhythmus total entgegengesetzt. "Wahrend in diesem 6/4-Takt (nach unserer
Schreibweise) 1 und 3 und allenfalls 5 betont ist, fallen die Trommel-
schlage auf das 1., 2. und 4. Achtel. Ahnlich in Nr. 19, 20, 23, 24*}.
Auch wir kennen in unserer Musik ein Gegeneinanderarbeiten der
rhythmusbestimmenden Elemente, wenn auch nur selten und gelegentlich
wahrend weniger Takte oder kurzer Teile. Schon nach wenigen Takten
einer Melodie sind wir in eine bestimmte rhythmische Auffassung hinein-
gezwungen, die wir auch im BewuBtsein festhalten, wenn durch die rhyth-
mische oder melodische Betonung eine Taktverschiebung oder Taktande-
rung dem BewuBtsein mitaufgedrangt wird. Die hierbei notige Teilung
der Aufmerk8amkeit fallt uns schwer. Der Anfanger pflegt sich dadurch
zu helfen, daB er das innerliche Festhalten des alten Rhythmus auch
auBerlich durch Betonung markiert. Wendet man die Aufmerksamkeit
zu sehr der neuen rhythmischen Gruppierung zu, so kann man die alte
Rhythmisierung ganz aus dem BewuBtsein verlieren; dann hort allerdings
auch der Reiz der Gegenrhythmisierung auf und das Einsetzen und Auf-
horen des neuen Rhythmus erscheint, da die logische Verbindung fehlt,
sprunghaft. Bei den Indern finden wir so haufig Synkopen und rhyth-
mische Verschiebungen, daB wir oft gar keinen durchgehenden Haupt-
rhythmus bestimmen, sondern gezwungen sind, fortwahrende Taktverschie-
bungen anzunehmen. In Nr. 23 z. B. sind wir bei A gezwungen einen
8/4-Takt anzunehmen, wiirden B aber isoliert als 6/8~Takt auffassen.
Ahnlich hatten wir Nr. 25 zuerst als 3/4*Takt bezeichnet, doch wurde
unsere Auffassung durch einzelne Takte, namentlich die Stelle bei E und
E1 umgestimmt; allerdings ist es auch moglich, den Anfang als 6/s-Takt
zu fassen2).
In Nr. 19 tauschen die dynamischen Akzente uns einen 2/4-Takt vor,
dem sich indes der erste Teil in keiner Weise fiigen will; nach 3/i (oder
1) Die Inder besitzen fur ihre Trommelschlage eine Art Solmisation, mit der LSngen
und Kurzen und technische Arten des Anschlags bezeichnet werden. Nach P ingle's
Darstellung werden die Ragae >in einen Tala« (Rhythmus) gesetzt. Die Rhythmisierung
ware danach etwas Sekund'ares und dem Spieler uberlassen. Angeblich soil in neuerer
Zeit die Trommelbegleitung durch komplizierte Rhythmik der Melodik Eintrag tun.
2) Wir wissen nicht, wie die Inder selbst diese Lieder rhythmisieren, immerhin
mag die auffallendeTatsache, daB weder bei Ping le noch bei T ago re ein 3/4.Rhythmus
erwahnt wird, einen Fingerzeig geben. Dagegen bringt letzterer Beispiele fur drei
verschiedene 6/8;?) -Takte: >Khemta< = viermal die Gruppe h fe; >Ekatala = zwei
3/g-Gruppen (beide in >Specimina of Ind. songs t) und Chautala « 2/s + 2/s H- Vg •+- l s
(?, in »Vedic Hymn«, 1878).
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0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Fhonographierte indische Melodien. 399
%?) dagegen laBt sich das ganze Stlick einheitlich gliedern. Ehyth-
mische Verschiebungen, welche in regelmaBiger Folge miteinander wechseln,
lassen sich wohl besser als komplizierte GUiederung einer groBen Periode
darstellen. So zeigt der Trommelrhythmus in Nr. 20 eine 3-gliedrige
steigende, in regelmaBigem Wechsel mit einer 2-gliedrigen fallenden
Periode, und statt einen 8/2-Takt mit einem 6/4-Takt alternieren zu lassen,
wird man wohl besser eine 12-gliedrige Grnppe annehmen. || ~ - ^~ ^ - 1
^.^w±^v>|| in analoger Weise ordnen sich in Nr. 24 drei 4/4"Takte
zwtoglos zu einer 12-teiligen Gruppe, denn wir konnen die Melodie
ebensogut in vier 3-teilige Gruppen zerlegen. Weiter finden wir einen
5/8-Takt (Melodierhythmus 2 + 3, Trommelrhythmus 3 + 2) in Nr. 27,
7-teilige Takte in Nr. 1 (3 + 4) und Nr. 8 (4 + 3), einen 13-teiligen Takt
(4 + 4 + 5) in Nr. 18b, einen 14-teiligen (3x4 + 2 in Nr. 5), einen
16-teiligen (4 + 3 x 4) in Nr. 3. i)
Die Annahme groBerer Perioden2) erklart in einfacher Weise die
haufigen Erweiterungen und Verkurzungen einzelner Takte resp. Taktteile
(vgl. namentlich Nr. 14 bis 19 und Analysen). Hyperkatalektische Schliisse,
wie wir sie in Nr. 14, 16 und 19 finden, entsprechen vollkommen unseren
SchluBfermaten. Auch die Erweiterungen im Innern eines Taktes konnen
Fermaten verglichen werden, weil sie meistens durch Wiederholung oder
leichte Umspielung einzelner Tone entstehen (vgl. die 5/4~ Takte in
Nr. 14, den 6/4-Takt in Nr. 16 bei C usw.). Ein weiterer Beweis fiir die
1) Bei T ago re (Specimina) auch Beispiele fur 10- und 16-teilige Bhythmen. AuGer
dem gewohnlichen 5/8-Takt (>Surphakta«) findet sich daselbst auch ein aus zwei Gruppen
von h h fc bestehender (>Kaharba<)
2) Wir fanden nachtraglich bei Day unsere Vermutung, da6 die Inder groOere
Perioden zu einer Einheit zusammenfassen, bestatigt. Im Karnatik wird als Tala
ein Schema bezeichnet, nach dem die einzelnen grbBeren Melodieteile (Perioden) sich
auf bauen. Die einzelnen Teile der Periode sind am besten als Taktgruppen zu be-
zeichnen, in denen die Zahl der Icten (Takte) variieren kann. Es entstehen dadurch
zu den 7 Talas je 5 Varianten (Jatis), so daft im (Janzen 35 verschiedene Perioden
moglich sind. Wir geben hier die von Day mitgeteilte Tabelle in vereinfachter Form
wiedeiy indem wir die Taktgruppen als a (mit variabler Taktzahl), b (stets 2 Takte)
und c (ein Takt) bezeichnen-
Je nach der Taktzahl von b unterscheidet
man folgende Varietaten:
Tala
Periode
Dhruva
a, b, a, a
Matsya
a, b, a
Rupaka
a,b
Jhampa
a, c, b
Triputa
a, b, b
Atatala
a, a, b, b
Ekatala
a
Jati
b =
Chaturu8hra
4
Tishra
8
Mishra
7
Cundha
5
Sankirna
9
Besonders haufig ist Ohaturushra jati von Triputa tala: 4, 2, 2 unter dem speziellen
Namen Aditala.
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400 0. Abraham und Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indische Melodien.
Moglichkeit, groBere Gruppen rein nach dem melodischen Bhythmus auf-
zufassen und im Gedachtnis zu behalten, scheint una darin zu liegen,
daB man eine Melodie sehr wohl auswendig singen resp. spielen kann,
ohne sie (zahlend) oder taktierend rhythmisch gliedern zu konnen. Es
ging uns so bei mehreren Stucken mit ungewohnten Bhythmen (z. B.
Nr. 1, 19), daB wir die Melodie (auch rhythmisch) richtig singen konnten,
ohne noch zu wissen, um welche Taktart es sich handelte. Herr Davar
spielte seine Stucke, wie man aus den untereinander iibereinstimmenden
Wiederholungen sehen kann, genau rhythmisch, konnte aber weder seine
eigenen, noch andere indische Melodien taktieren (mit Ausnahme des
1. Teils von Nr. 14).
4. SchluBbemerkungen.
Der Auf bau unserer indischen Melodien ist sehr einfach; fast iiberall
finden wir eine Rondoform, bei welcher ein Hauptteil von einem oder
mehreren Nebenteilen abgelost wird, um meistens in etwas veranderter
Form, wiederzukehren l). In Nr. 2, 3 und 21 werden die Nebenteile von
einer Solostimme, der Hauptteil vom Chor antiphonisch gesungen2). Ge-
sangstticken geht oft eine kurze instrumentale Einleitung, die das Haupt-
thema schon andeutet, voraus (vgl. Nr. 20, 21, 22, 27); auch pflegen sie
mit einer kurzen (von uns nicht notierten) instrumentalen Coda abzu-
schlieBen. Da die meisten unserer indischen Melodien auf dem Dreiklang
aufgebaut sind, mit haufigen Quartenspriingen und Quintenverschiebungen,
ferner einem groBen Teil unzweifelhaft unsere temperierte Stimmung zu-
grunde liegt, so stehen wir ihnen weniger fremd gegeniiber als vielen
anderen asiatischen Weisen. Auch die Klangfarbe der Vokalmusik ent-
spricht unserem Gefiihl mehr, als beispielsweise die gequetschte Stimm-
gebung der Siamesen, Japaner oder Chinesen. Ob die durch den Text
gegebene Stimmung in den Melodien nach unserem Gefiihl getroffen ist,
konnen wir deshalb nicht entscheiden, weil uns die Texte unbekannt sind.
Wir erwahnten bereits, daB in Nr. 22 die musikalischen Mittel, das
Komische auszudriicken, ahnliche sind, wie auch wir sie anwenden wiirden.
Die fortwahrenden Verschleifungen, die in der indischen Musik so beliebt
sind, wiirden bei unseren Spielern eher geriigt werden; auch die vielen
Verzierungen, eine Stileigentiimlichkeit, die, nebenbei bemerkt, Instru-
menten mit kurz dauerndem Klange fast immer anhaftet, sind nicht ganz
nach unserem Geschmack; allerdings zeigen das Tremolo des Clavichords,
1) Nach Day besteht der typische Aufbau indischer Melodien aus zwei strengen
rhythmischen Teilen: 1. Pallevi (Kamatik) oder Asthayi (Hindu8tani) und 2. Anupallevi
(K.J oder Antara H.), denen als dritter Teil eine Reihe freierer Yariationen: Gharanam
(K.) oder Abhog (H.) folgt.
2) Auch die alten vedischen Liturgien hatten eine ahnliche Form, vgl. Burn ell,
Arsheyabrahinana und Chry Bander, 1. c. pp. 31 f.
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0. Abraham and Erich M. v. Hornbostel, Phonographierte indiBche Melodien. 401
der stark verzierte Klavierstil zu Handels Zeiten, die italienischen
Koloratur-Arien, daB auch in Europa der Geschmack in dieser Beziehung
nicht immer dem heutigen gleich war.
SchlieBlich wollen wir noch eine im Orient ebenso verbreitete wie uns
schwer verstandliche soziologische Merkwiirdigkeit erwahnen. Der Musik-
unterricht ist durch die Eifersucht arg beschrankt, mit der die Meister
den Schatz der ihnen iiberlieferten Traditionen hiiten. Dem Schiiler wird
das Studium sehr erschwert durch das Verbot, einen vorgespielten B&ga
schriftlich zu fixieren. Ja, das Geheimnis der Ragas wird in einzelnen;
zumal mohammedanischen Familien so streng gehiitet, daB der Klinstler
im Spiel vor Fremden leichte Veranderungen und Fehler macht, um die
wahre Gestalt des Melodieskeletts zu verschleiern.
Mit dem Uberhandnehmen europaischer Kultur wird trotz heilig-
gehaltener Tradition auch die indische Musik immer mehr von fremden
Elementen durchsetzt. So erfreut sich namentlich unser Harmonium
groBer Beliebtheit als Begleitungsinstrument fiir Gesang und im Zu-
sammenspiel mit einheimischen Instrumenten. Wenn die musikwissen-
schaftliche Forschung aus der musikalischen Praxis der Inder noch
Belehrung empfangen und sich nicht auf die philologische Analyse der
musiktheoretischen Literatur beschrankt sehen will, dann darf sie mit der
Sammlung umfangreichen, womoglich phonographisch fixierten Materials
nicht zogern.
Zum Schlusse erfiillen wir die angenehme Pflicht, alien denen, die
unsere Arbeit durch Rat und Tat gefordert haben, insbesondere den
Herren Geheimrat Stumpf (Berlin), Prof. Pischel (Berlin), Prof. Jolly
(Wiirzburg), Dr. Simon (Munchen), Dr. Davar (Bombay), D. F. Scheur-
leer (Haag) unsern herzlichsten Dank auszusprechen.
S.d.LM. Y.
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402 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
Roland Lassus* Beziehungen zur italienischen Literatur1)
von
Adolf Sandberger.
(Miinchen).
Das Verhaltnis eines Tonsetzers zu den jeweils von ihm zur Kompo-
sition gewahlten Dichtungen und deren Verfassern birgt wesentliche An-
haltspunkte in sich, aus denen unerkannte Merkmale der Gesaniterschei-
nung des Kiinstlers erforscht werden konnen. Schon deshalb ergibt sich
fur jeden Musikerbiographen die Pflicht, bei alien jenen Schopfungen
seines Meisters, welche Poesie und Musik verbinden, dem dichterischen
Teil des Kunstwerks genau dieselbe Aufmerksamkeit zu schenken, wie
dem musikalischen. Diese Forderung ersteht offenbar rein aus der Natur
der in Frage stehenden Sache heraus; und doch, blicken wir in die Ge-
schichte des Oratoriums, des Liedes, der Oper usw., erst unseren Tagen
war es in vereinzelten Arbeiten vorhehalten, mit der klaren Formulierung
des Postulats sowohl, als dessen entsprechender Erfiillung den Anfang
zu machen. Aber auch der Literarhistoriker sollte sich mehr als bisher
den musikalischen Denkmalern zuwenden. Denn wenn auch zu beriick-
sichtigen ist, daB die Komponisten aller Zeiten sich willkurliche Ande-
rungen an ihren dichterischen Vorlagen erlaubt haben, so werden doch
durch die Gresangstexte die Quellen in einem Reichtum vermehrt, welcher
zunachst schon fiir textkritische Studien usw. nicht langer auBer Acht
gelassen werden sollte. Weit iiber alles Detail hinaus werden sich aber
aus einer gemeinsamen Beriicksichtigung beider Faktoren neue und be-
deutende Gesichtspunkte fiir die kiinstlerische Produktion einer Periode
ergeben. Die Geschichte der Poesie bedarf, wie dies R. v. Liliencron
sehr prazis ausgesprochen hat2), der Musikgeschichte als Hilfswissenschaft;
1) Die Redaktion ist dem gesch'atzten Herrn Verfasser zu besonderem Danke ver-
pflichtet fur die freundliche Erlaubnis, die wertvollen Ergebnisse seines Aufsatzes, der
bereits 1899 in der >Altbayerischen Monatsschrift* (Jahrg. 1 Heft 3) erschienen istt
hier dem weiteren Kreise von Freunden musikgeschichtlicher Forschung vermitteln
zu diirfen.
2) Aus dem Grenzgebiet der Literatur u. Musik. Ztschr. f. vergl. Lit.-Gesch.
N. F. 1, 129 ff. In Italien haben in den letzten Jahren vor allem Rodolfo Renier und
Angelo Solerti auf die Wichtigkeit der musikalischen Denkmaler fur den Literar-
historiker in Wort und Tat verdienstlich hingewiesen. Vgl. z. B. Giornale storico
della lett. ital. Torino, Loescher. 1893 S. 380 ff. mit Renier's wichtiger Aufzahlung
musikalischer Codices in italienischen Bibliotheken usw.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 403
ebenso, formulieren wir, bedarf die Geschichte der Musik als Hilfswissen-
schaft der Literaturgeschichte.
Die Beziehungen, welche Roland Lassus oder (wie sich der Meister
in den uns erhaltenen Briefen zumeist unterschreibt) Orlando di Lasso
zur lebenden und iiberlieferten Poesie seiner Tage pflegte, sind nicht ganz
leicht zu erkennen; denn entsprechend dem Zeitgebrauch nennt nur in
den seltensten Fallen der Komponist neben dem eigenen Namen den
seines Dichters. Erst dem 17. Jahrhundert war es vorbehalten, haufiger
auch dem anderen Kunstler sein Recht werden zu lassen. Diese litera-
rischen Beziehungen Lasso's sind aber ungemein vielgestaltig. Der
Kunstler ist Dichtungen dreier Nationen nahegetreten, er hat italienische,
franzosische und deutsche Verse komponiert, auBerdem noch reichlich
international, lateinische Poesie italienischer, franzosischer und deutscher
Humanisten. In dieser Fiille von Vorwiirfen stehen kraft ihrer tiber-
wiegenden kiinstlerischen Bedeutung die Gebilde italienischer Dichter im
Vordergrunde unseres Interesses *}.
Die Untersuchung der musikalischen, politischen und religiosen Ver-
haltnisse in den Orten, in denen Orlando seine Jugend verbrachte, lieB
eine Anzahl jener erziehlichen Momente ersehen, die aus dem jungen
Niederlander ein Kind der italienischen Renaissancekultur geschaffen
haben; aber erst die Erkenntnis der Einwirkung italienischer Poesie auf
den heranwachsenden Kunstler laBt sein jugendliches Portrat in bliihenden
Farben erstehen. Lasso's ausgereiftes Kunstlertum geht keineswegs ohne
Rest im Milieu der italienischen Hochrenaissance auf. Den knorrigen
germanischen Stamm vermdgen die farbenprachtigen, von siidlicher Sonne
erschlossenen Blutenzweige nicht zu uberwuchern. In seinen menschlichen
AuBerungen aber offenbart uns der Meister das Denken und Empfinden
einer Natur, die in den zwei ersten Dritteln ihres Lebensweges weit mehr
auf den italienischen Grundton eingestimmt ist, als auf irgend einen
anderen. Neben diesem italienischen Zug, clessen AuBerungen sich zu-
weilen auch auf dem Gebiete des makkaronischen Gedichts, der erotischen
Novelle oder der Komodie der Renaissancezeit bewegen, ist dann noch
eine starke gallische Unterstromung in Lasso's Wesen zu verzeichnen,
mit kiinstlerischen und menschlichen AuBerungen. Als spezifischer Mu-
siker aber, wie gesagt, . hat sich Orlando nie vollig in italienischen
Fesseln gefangen gegeben. Die Verbindung germanischer Art und Tiefe
1) Der Verfasser hat in den einzelnen Banden der Lassoausgabe bei Ver-
<"iffentlichung der Madrigale des Meisters da und dort bereits von diesen italienischen
Dichtungen gesprochen. Indes kann kein Zweifel bestehen, daC unser Gegenstand eine
etwas weiter ausholende und zusammenh'angende Darstellung verdient. Die vor-
liegende Arbeit versucht mit Benutzung der bereits gemachten Mitteilungen eine solche
zu geben.
26*
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404 Adolf Sandberger, Roland Lassus1 Beziehungen zur italienischen Literatur.
wie Kunsttradition vielmehr mit der weltlichen, realen Gefiihlswelt des
italienischen Renaissancemenschen hatte seinen Stil hervorgeruf en; neben-
her kommt gallischer Witz da und dort noch in Pointen und Schlag-
lichtern zum Durchbruch. Als dann in spateren Jahren Lasso auch bei
seinen italienischen Yorlagen solche Dichtungen wahlt, in denen mit
Uberwindung der Renaissance der Geist der Gegenreformation zxun Aus-
druck gelangte, hatte der Meister bereits in zahlreichen geistlichen Kom-
positionen seine Kraft eben diesem Geiste dienstbar gemacht; das Madri-
gale spirituale bekommt nun hiervon sein Teil ab. Es ist gerade dies
einer jener Zlige, die immer wieder die Beschaftigung mit Orlando so
reizvoll machen, daB wir in ihm die verschiedensten Krafte bei einer im
ganzen vollig ausgeglichenen und einheitlichen Natur am Werk sehen.
Die eigentumliche Vereinigung verschiedener Psychen gewahren wir auch
an dem Belgier von heute; sie ist bei Lasso durch Einwirkung von tief-
greifenden Zeit- und Lebensverhaltnissen zur kompliziertesten Zusammen-
setzung erweitert. Doch haben wir in diesem Gewebe heute nur den
italienischen Faden weiter nachzuspiiren.
Als letzte dieser einleitenden Bemerkungen moge noch erwahnt werden,
daB Lasso's Beziehungen zur italienischen Poesie gerade fiir die Frage
der Pflege dieser Literatur am bayerischen Hofe, wie sie Reinhard-
stoettner vor allem an der Hand der Operndichtungen des 17. und 18. Jahr-
hunderts aufgeworfen hat1), neue Gesichtspunkte eroffnen; und nicht nur
Lasso's Madrigale bieten hierbei Material, sondern auch die italienischen
Kompositionen seiner Miinchener Kunstgenossen, der Madrigalisten
Morari, Mosto, Guami usw., welche uns in zahlreichen selbstandigen
Drucken wie vor allem den Sammlungen von Trojano, Bottegari,
Gigli usw. erhalten sind. In seinem »Libro di Canto e Liuto«2) z. B. hat
Oosimo Bottigari Dichtungen von Petrarca, Alamanni, Alciato,
Bojardo, della Casa usw. aufgenommen. Des weiteren muBte dann an
der Hand der Gesangstexte folgerecht dieselbe Frage auch fiir die fran-
zosische Literatur und die deutsche Lyrik des 16. Jahrhunderts gestellt
werden.
Die Anlasse, durch welche unser Meister mit italienischer Poesie in
Verbindung kam, sind zwiefacher Natur, allgemeiner und lokaler. Pe-
trarca's Canzoniere und Ariost's rasender Roland gehorten in Italien
ums Jahr 1545, als Lasso dort heranwuchs, ebenso zum eisernen Be-
stand der allgemeinen Bildung wie heute bei uns Goethe und Schiller
wenigstens gehoren sollten ; mit leichter Miihe konnte sich das angehende
Renaissancemenschenkind eine intime Kenntnis der beiden Werke aneignen.
1) Jahrbuch fur Miinchener Geschichte. Miinohen 1887, I, 93 flf.
2) Manuskript der Bibliothek Modena. Vgl. Valdrighi's TextauBgabe davoc
Firenze 1891) und Giornale storico della letteratura ital. 1892. S. 430 ff.
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Adolf Sandberger, Roland LasBus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 405
und Lasso hat die gebotene Gelegenheit trefflich genutzt. MitPetrarca
und Ariost war der Grand seines literarischen Interesses gelegt, nun
machte es sich yon selbst, daB der Musiker auch die zeitgenossischen
dichterischen Schopfungen mit Teilnahme verfolgte. Und tatsachlich
spiegelt Lasso's musikalisches Schaffen deutlich die italienische Literatur-
geschichte des 16. Jahrhunderts wieder, in Dokumenten der engeren
Renaissance-, der »klassischen« und der beginnenden Verfallsperiode,
somit in der Lyrik den Weg uber die Petrarchisten hinaus zu Tasso,
zur Schaferdichtung, zu den Lyrikern der Gegenreformation. Am nach-
haltigsten aber wirken, wie im Gang der literarischen Bewegung, bei
unserem Tonmeister die Schopfungen Petrarca's und Ariost' s weiter.
Ich vermute, daB der junge Orlando in Giuliano Goselini, Ferrante
Gonzaga's Sekretar, der sich in reiferen Jahren als Lyriker ehrenvoll
hervortat, einen sein literarisches Interesse f ordernden Mentor f and ; auch
darf man schlieBlich rein musikalische Einflusse, namlich die ErschlieBung
neuer Gesangstexte, wie sie den Tonkunstlern aus fremden Kompositionen
jedesmal wieder zu teil wurde, nicht ubersehen.
Neben diesen allgemeinen Bedingungen waren es lokale, welche
Lasso's Textwahl da und dort gewichtig beeinfluBten: die bevorzugte
Pflege einer gewissen poetischen Gattung am Ort seines jeweiligen Aufent-
halts, dann wohl auch der Umstand, daB dieser oder jener Dichter in
derselben Stadt wohnte wie der Komponist, oder dort besonders geschatzt
wurde.
Wir beginnen mit jenen Dichtungen, welche sich als zu dieser zweiten
Kategorie gehorig erweisen. Orlando's Aufenthalt in Sizilien und Mai-
land zeigt sich leider im einzelnen noch allzu dicht verschleiert, wenn-
gleich wir vermuten diirfen, daB der junge Komponist in Palermo mit
den Kunsten des Teofilo Eolengo und seiner Nachahmer, welche in den
vierziger Jahren dortselbst erbliiht waren1), bekannt wurde. Dagegen
zeigt sich Neapel nunmehr des weiteren ziemlich ergiebig. Dort stand
Lasso bekanntlich im Dienst der Marchese Giov. Battista d'Azzia2).
Dieser war Mitglied der Academia de' Sereni und selbst als Dichter
tatig. Heute laBt sich nachweisen, daB Orlando eines seiner Sonette
komponiert hat
»Euro gentil, se d'amoroso ardorec^
1) d'Ancona, Origini del teatro italiano, Sec. Edit. Torino, Loescher 1891, II, 199.
2) Die Familie ist heute noch in Neapel ansassig. Uber die Beziehungen der
d'Azzia's zu Orlando hat Verf. 1896 an Ort und Stelle Nachforschungen gepflogen,
welche indes resultatlos blieben.
3) II primo volume delle rime scelte da diversi autori. In Vinegia. Gabr. Giol.
de' Ferrari (Herausgeber ist Lod. Dolce). Enthalten in den Ausgaben von 1656
u. 1664 (S. 489).
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406 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italieniacben Literatur.
ein petrarcesk iiberschwangliches Liebesliedchen, das hier in wohlklingen-
dem, funfstimmigen Satze erscheint1). Ehedem war das bedeutendste
Mitglied der alten Accademia Pontaniana Jacopo Sannazaro geweseni
der Dichter der Arcadia. Aus diesem, von den Zeitgenossen so unendlich
geschatzten Hirtengedicht komponiert Lasso vierstimmig die kurze
Strophe des Schafers Montano, welche dessen und Uranios gemeinsanie
Liebesklage einleitet
»Per pianto la mia carne si distilla*2),
eine gliickliche Wahl, da gerade diese Verse mit ihrem »Ne so che far
mi debbia* inmitten der antikisierenden Unnaivetat und des petrarehi-
sierenden Raffinements natiirlich anmuten.
Von der auf Lasso's Aufenthalt in "Neapel zuriickzufiihrenden Pflege
der Villanelle im allgemeinen habe ich schon an anderer Stelle gehandelt3 .
Doch ist hier mancherlei nachzutragen. D'Ancona, welcher in seineni
Buche iiber das italienische Volkslied auch von der Heimat der Villa-
nelle spricht, schwankt, ob diese Gebilde in ihren ersten Erscheinungen
nach Sizilien oder nach Neapel zu verlegen seien; sicher sei nur, »che veni-
vano del mezzod\«4). Gesange mit der Bezeichnung »Napolitana« finden
sich schon im 14. Jahrhundert5), und angesichts der im 16. Jahrhundert
gedruckten musikalischen Literatur diirfen wir wohl unbedenklich Neapel
als Hauptpflegestatte der kunstmaBigen Villanelle ansehen, nach welcher
der Begriff »alla napolitana* gemiinzt wurde. Der Rohstoff derselben
ist aber keinesfalls an die Stadt Neapel und deren Umgebung gebunden.
Er umfaBt das siiditalienische Volkslied uberhaupt und schlagt, wie
Chrysander nachgewiesen hat, eine Briicke zur griechischen Musik.
In Siiditalien hatte das Griechentum am langsten gewirkt, dort war auf
seinem Grunde ein neues Volksleben erbluht. Die kunstmaBige drei-
stimmige Villanelle mit ihren falschen Fortschreitungen ist nun nichts
anderes als die Persiflage der Musiker des 16. Jahrhunderts auf die Ge-
sange jenes Volkslebens, auf die in Dreiklangen in paralleler Bewegung,
also in Terzen und Quinten begleitete Melodie. Wir erkennen in der
1) Kritisch herausgegeben von A. Sandberger. Orlando di Lasso, Samtliche
Werke, Verlag von Breitkopf & H'artel in Leipzig II, 121. Ich zitiere in der Folse
abgekiirzt >S. W.t meine einschlagigen Publikationen der Stiicke.
2) Egloga seconda. Ausgabe Londra 1781 S. 17. Grasp ari, G., Geschichte der
ital. Literatur, StraBburg 1888, II, 324. Auf dies schone Buch habe ich mich in;
folgenden haufig gestiitzt. S. W. VIII, 11.
3) Beitr'age zur Geschichte der bayer. Hofkapelle, Leipzig 1894, I, 89 u. 114 ff.
4) La poesia popolare italiana, Livorno 1878, S. 309 ff.
5) Gasp ari a. a. 0. II, 238.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 407
Mehrstimmigkeit dieser Stiicke Reste des griechischen Musikempfindens *) ;
den Mu8ikem des 16. Jahrhunderts waren sie naturgemaB nur »der er-
gotzliche Singsang des rohen Volkes«. Dieser wurde SpaBes halber
imitiert und in Verspottung der geheiligten Zunftgesetze schreiben hoch-
achtbare Tonsetzer die greulichsten Quintenfolgen in ihren »Bauern-
liedlein nach napoletanischer Art«. Erst einmal in die Kunstmusik ein-
gefiihrt, erlebt die Villanelle dann mancherlei Weiterungen; die vier-
stimmige Villanelle vermeidet die Quinten, die strophische Form wird
grundleglich fur erweiterte musikalische Organismen, das ganze Gebilde
greift liber Neapel hinaus und verbreitet sich iiber Italien. So wurden
auch von Komponisten, welche Neapel nie gesehen hatten, zahlreiche
Villanellen alia napolitana komponiert, andererseits boten die neuergriffe-
nen Gregenden neuen Bohstoff zu Villanelle alia Padovana (1557, 1559,
1569), atta Mantovano (1583), alia Bergamasca (1569), ToscaneUe (1587,
1591) usw. Diese neuen Gebilde sind teils lokalisierte Napolitanen, teils
wiederum von dritten Gregenden Italiens iiberkommen. Lovarini sagt
von den canxonette Padovane*): »Questi canti erano, o nati sul luogo,
o la maggior parte trasmigrati dal di fuori, dalla Toscana, da Venezia,
da Bergamo e da altre regioni: qui giunti ricevevano Timpronte della
lingua locale*. Im letzten Grunde lassen sich vielleicht alle Villanellen
auf die drei Stammherde des italienischen Volksliedes, Sizilien, Tos-
kana, Friaul zuriickleiten.
Die Musiker steckten die volksmaBigen Quinten in ihren kunstmaBigen
Satz; in gleicher Weise muB der dichterische Bohstoff von den Poeten
angefaBt worden sein. Den Eindruck des reinen Volkshedes machen
die Texte der Villanellen nur selten ; dagegen fallt uns bei vielen unschwer
ein ironisierend iibertreibendes Element auf, das auch den Dichter als
heimlichen Spotter iiber den selbstgewahlten Vorwurf erscheinen laBt.
Ganz richtig nennt Menghinir die Villanellendichtungen »una forma della
poesia semipopolare . . . dove l'elemento popolare univasi . . . con quello
aulico*8). Doch kommt es nirgends zu einem Uberwiegen des kunst-
maBigen Elements, mit Absicht lassen die Dichter den Anklang an das
Volkslied bestehen, der bei den napolitanischen Villanellen haufig eine
1) Vgl. Chry sander, Vierteljahrsschr. f. Musikwissenschaft 1893, 308 ff. > Dieses
l'andliche Singen war nur unbewufit harmonisch, beharrte starr auf der Grundstufe der
Harmonie, konnte daher in dieser Hinsicht keiner Entwicklung fahig sein: der Kern
desselben und der alleinige Leiter fur die singen de Schar war und blieb die Melodie.
Das ist aber noch ganz der antike Standpunkt*.
2) Canzoni popolari in Ruzzante e in altri scrittori alia pavana del sec. XYI.
Propugnatore 1888 (Fasc. 2—3 u.) 4, S. 387.
3) Villanelle alia Napolitana. Zeitschr. f. roman. Philologie 1892, S. 477. — Die
Arbeit von S. Ferrari, Villanelle alia napolitana. Palermo 1869, war mir nicht zu-
g'anglich.
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408 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
hochst drastische Gestaltung bedingt. AuBerhalb Neapels waltet, soviel
ich sehe, durchweg etwas feinere Formung. Vielfach ist das Italienisch
unsrer G-ebilde reichlich mit Dialekt versetzt oder die Sprache wohl gar
vollig mundartlich; doch stehen diesen Stiicken bei manchen Komponisten
zahlreiche andre gegeniiber, welche sich ausschlieBlich des Italienischen
bedienen. Was die Wahl der Vorwiirfe betrifft, uberwiegen, soweit ich
sehe, die Liebeslieder. Diese lassen sich einteilen in Stiicke groberer,
drastischerer und solche zarterer Fassung; neben utrierten, oft komischen,
manchmal aber auch realistisch riiden Texten begegnen uns pl5tzlich
iiberraschend innig empfundene Tone. Als sonstige Vorwiirfe erscheinen
die Verrichtungen des taglichen Lebens, Arbeit und Spiel, oder es werden
Gegenstande des heimischen Hansrats besungen usw. Gewisse Bilder und
Ausdriicke kehren vielfach wieder (S' io fosse ciaul e tu lo campanile;
Kosenamen usw.). Die metrischen Bildungen sind hochst vielgestaltig und
abwechselnd, doch scheint, wie es auch Menghini beobachtete, schlieClich
eine Strophe von drei Elfsilblern (ABB) vorzuherrschen. Ln iibrigen
eroffinet zweifellos die Untersuchung der Villanelle dem Literarhistoriker
noch ein reiches und besonders durch die Riicksicht auf das Volkslied
schwieriges Arbeitsfeld, fur dessen Bebauung der Musikhistoriker dank-
bar sein wiirde.
Dieser Villanelle also mufite Orlando in Neapel auf Schritt und
Tritt begegnen; daB er sich ihrer dort auch bemachtigte, dafiir liegen
nunmehr im Zusammenhalt mit der Entstehungszeit der fraglichen Stiicke
weitere Beweisgriinde vor. Sogleich unter den sechs ersten, 1555 von
ihm veroffentlichten Villanellen verraten sich die burlesken Liebes-
auBerungen >Tu traditora puost' a sto core ... e mo canazza« und
»No giorno t'aggio avere« x) durch die mundartliche Fassung als neapo-
litanischer Abkunft. 1581 veroffentlichte Lasso dann nebst »altre can-
zoni«, auf welche wir noch zu sprechen kommen, eine weitere Folge
Villanellen; unter diesen lassen sich wiederum an zehn Texten Neapo-
litanismen nachweisen2). Den Vorwiirfen nach finden wir auch hier
mehr oder minder drastische Liebeslieder naturlichen oder ubertreibenden
Tones, dazwischen vereinzelt ein zarteres Gebilde (IV, 14), endlich eine
Besingung des Trik-Trak-Spieles (3) und der Haspel (5), welche als Folic
fur das Liebesliedchen dienen.
Bei der musikalischen Ausarbeitung der Stiicke aber geht Lasso
seinen eignen Weg. An dieser Stelle hieriiber nur kurz folgendes:
Orlando laBt sich nur ein einziges Mai herbei, der Quintenfaktur des
1) S. W. X, Nr. HI, 3 u. Ill, 5. Vordem hatte bereits Maldeghem Tresor
profane, Bruxelles 1874 die Villanellen von 15&6 neugedruckt, leider in volliger Ent-
etellung.
2) S. W. X, Xr. IV, 1, 3, 4, 5, 6, 7, 10, 11, 14, 15 (und 21 = 4).
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 409
dreistimmigen Satzes seinen Tribut zu zollen. Als genialer Kunstler aber
ersieht er, was an dieser Villanelle das Beste war. Dies war die Ober*
stimme, die Melodie in unserm Sinne, welche fraglos in vielen Fallen
wirkliches Volkslied oder wenigstens volksliedmaBig gehalten ist. Dem-
entsprechend bildet er nun seine Melodien und zwar mit vorziiglichem
Gelingen; an intimen melodischen Wendungen sind diese Villanellen reich
(vgl. z. B. Bd. X, IV, 7 Io ti voria contar); oder aber er ubernimmt
bereits in der dreistimmigen Villanelle quintenmaBig traktierte Melodien
und hebt sie in die B^gion einfacher aber reiner Kunst. Dies ist der
Fall bei den Villanellen » Madonna miapiet&«, >Tu sai, madonna miac, >No
giomo t'aggio und »La cortesia* (Bd. X, III, 1 — 4). Hier sind Melodien,
welche 1545 von Vincenzo Fontana quintenmaBig begleitet erschienen
waren, nach niederlandischer Weise in den Tenor gelegt und damit
bewuBtermafien zu hoherer Bedeutung erhoben. In andern Stiicken
klingen die Weisen der Quintenvillanelle nur an. Wie viel hoher steht
dieser Standpunkt des jungen Meisters gegeniiber den Zunftparodien der
Zeitgenossen ! Der Bau der Villanelle aber wird mit erstaunlichem Form-
instinkt von Lasso erweitert, bis zur Form des abwechslungsreichen
Rondos »Matonna mia cara« (Bd. X, IV, 12). Die reiche Literatur der
Villanellen ist neben der uberreichen Produktion von Madrigalen ein
wertvoller Faktor in der italienischen Gesangsliteratur des 16. Jahr-
hunderts und der f olgenden Jahrzehnte. Denn sie bietet gegeniiber dem
relativ begrenzten Ausdrucksgebiet des Madrigals eine wohltatige Ab-
wechslung mit ihren einfacheren und charakteristischeren Elementen in
Dichtung und Musik. Seit der Mitte des Jahrhunderts stellen sich dann
noch weitere Gegensatze ein, welchen dieselbe Aufgabe der Schattierung
und Differenzierung zufallt, die Spezialitaten der Dialoge, Echos usw.
Innerhalb der Richtung der Villanellen lag es nahe, die einmal durch
Beiziehung des ethnographischen Elements in den Napolitanen gewonnene
Wirkung anderweitig zu erproben. So griff man auch auf unserm Gebiet
zu mancherlei Vermischungen des Italienischen mit den fremden Idiomen,
welche das damalige Italien darbot: zu dem bunten Gemengsel der
Macaroneae, in denen Folengo das Lateinische durch massenhafte Ver-
mischung mit wunderlich latinisiertem Italienisch und Mantuanisch ver-
setzt hatte1); zur drastischen Entstellung des Italienischen durch Idiome
jener Nationen, mit denen die Italiener in und auBer Landes die meiste
Beriihrung hatten, mit den Juden, den Griechen, den Deutschen, den
Arabern, nicht zu vergessen der Bewohner der neuen Welt, mit welchen
die Seestadte, vor allem Venedig und Neapel, Fiihlung gewannen. So
finden wir Macharonee (1557), Ebraica (1569) 2;, Oregesche 1564 und
1571 j, Todesche (1559 und 1566 , Moresche.
1} Graspari II, 522. 2) Also lange vor Vecchi und Banchieri.
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410 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
Mit Recht verweist Chrysander darauf, daB wir uns die urspriingliche
Villanelle Siiditaliens nicht als einfache Gesangsbetatigung zu denken
haben, sondern daB ihr Vortrag in der Wirklichkeit ein tolles Durch-
einander von Gesang, Tanz, Rede und Gesten war1). Ebenso haben wir
einen Teil der genannten Gesange im 16. Jahrhundert, so die Berga-
masken, Ebraica; Todesche und besonders dieMoresche im Zusammen-
halt mit dramatischen Darbietungen der Zeit zu begreifen, mit der
literarischen Komodie, lokalen Spezialitaten volksmaBiger Komodien und
der Komodie dell' Arte; vielleicht waren es sogar grade die Komodien,
welche unsre Gesangsstiicke in erster Linie benotigten und hervorriefen;
di« literarische, bei welcher es gebrauchlich war, Personen in Mundarten
sprechen zu lassen, die improvisierte , in welcher sich die feststehenden
Personen der Sprache ihrer Gegend bedienen, so die Zanni des Berga-
maskischen, Pantalon des Venetianischen usw.
Wir besitzen nun von Lasso eine Anzahl Moreschen, sodann andre
Stucke, welche sich durch Vergleich als Paduana und Todescha erkennen
lassen. Die Ohronologie weist bei ihnen nicht nur unserm Meister die
Prioritat innerhalb der hoheren Kunstsphare zu und zeigt ihn damit als
den Pionier neuer Ausdrucksgebiete. Unsre nachfolgende Untersuchung
soil auch hier beweisen, dort wahrscheinlich machen, daB Lasso's
Stucke szenischen Zwecken dienten; und hieraus ergeben sich im Zu-
sammenhalt mit Orlando's bereits bekannter Stellung zur Komodie dell'
Arte weitere Folgerungen.
In Neapel sehen wir zunachst Orlando Stellung zu einer Art der
dortigen theatralischen Auffiihrungen nehmen, den farse cavaiole. Dies
waren halbimprovisierte Darstellungen von Sittenbildern, welche ihren
Namen vom benachbarten Orte La Cava (zwischen Neapel und Salerno;
erhielten, da dessen Bewohner den Neapolitanern als Muster von Ein-
falt und Torheit und als Zielscheibe des Spottes galten2). Als 1568
bei der Hochzeit Herzog Wilhelms unser Meister in Gemeinschaft mit
Massimo Trojano die allbekannte Comedia dell' Arte ersann und unter
Mitwirkung der Hofmusiker Giov. Batt. Scolari, Carlo Livizzano,
Ercole Terzo und Anderer auffuhrte, vereinigten die Verfasser mit der
genannten Stegreif komodie noch die neapolitanische Farce, wie Trojano
selbst berichtet3): »Messere Orlando . . . invento il dilettevole suggetto
1) A. a. 0. S. 310.
2) Croce, I Teatri di Napoli S. 28 ff. Torraca, Studi di Storia letteraria napole-
tana, Livorao 1884, S. 86 ff. D'Ancona, Origini II. 94.
3j Discorsi delle trionfi . . . fatte nelle sontuose Nozze delP . . . Signor Duca
Guglielmo 1558 a 22. di Febraro. Monaco, A Montano 1568 S. 184. Bekanntlich
erschien das Bach auch in einer ital.-spanischen Ausgabe: Dialoghi . . . ne fquali si
narrano le cose notabili usw. Venetia, Zaltieri 1569. Der italienische Text ist hier
vielfach verkiirzt, verlangert, im sprachlichen Ausdruck verbessert usw., es sind also
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Adolf Sandberger, Roland Lassus'Beziehungen znr italienischeuLiieratur. 411
e tra Puno e Paltro composero le parole. Nel primo atto un villano
alia cavaiola . . .« Dieser Bauer sprach den Prolog, die farsa alia
cavaiola diente der comedia deW arte zur Vorbereitung. Zwischen Prolog
und Komodie aber liefi Lasso eines seiner schonsten fiinfstimmigen
Madrigale singen1) — ein greif bares Beispiel der Verwendung des Madri-
gals in szenischen Diensten innerhalb unsres Kreises2).
Das ungemeine Gefallen3), das die fiirstliche Hochzeitsgesellschaft an
diesen Darbietungen fand, erklart sich, wie fiir die andern, so fiir die
bayrischen Teilnehmer, aus den Beziehungen der Hofe zu Italien.
Wilhelms Bruder, Herzog Ferdinand, hatte im Jahre 1565 zu Florenz
nicht nur der Auffiihrung von d'Ambra's literarischer Komodie La
Cofanaria*), zu welcher Giov. Batt. Cini die in der Vorgeschichte der
Oper beriihmten Intennedien entworfen hatte, sondern auch der einer
Commedia delF Arte5) beigewohnt; und auch am Hofe des mit dem
bayrischen Fiirstenhause verwandten Herzogs von Mantua wurde die
letztere, wie d'Ancona berichtet6), und besonders eifrig im vorher-
gehenden Jahre 1667 geptiegt.
stet8 beide Ausgaben einzusehen. "Wiirthmann hat sich in seinem deutschen Aus-
zug Miinchen 1842} an die Dialoghi gehalten.
1) Dasselbe ist nicht genannt. DaB es ein Madrigal von Lasso ist, sagt Tro-
jano erst in den Dialoghi Bl. 148.
2 Im weiteren Verlauf erklingt in dieser Komodie gesungene Musik bei den
Aktschliissen; zuerst als Pantalon das Haus der Courtisane Camilla betritt, ein funf-
stimmiger Gesang von Violen da Gamba begleitet; am Schlusse des zweiten Aktes ein
vierstimmiges Stiick, auf welches wir zuriickkommen. Xach dem dritten Akt wurde
unter entsprechender Musik ein ballo italiano getanzt. AuGerdem fiihrte Lasso einen
kleinen Einzelgesang mit Lautenbegleitung auf die Worte »chi passa per questa strada
e non sospira beato se« aus, welcher iiber den Scherz hinaus als von dem groCen
Polyphonisten ausgefiihrte Monodie Beachtung verdient. Vermutlich benutzte Lasso
die Komposition Azzaiolo's il primo libro di Villotte alia Padovana, Ven. 1567
Nr. 1 .
3) Ein weiteres, auch fur die Geschichte der bildenden Kunst hochst hedeutsames
Denkmal der Vorliebe Herzog Wilhelms V. fiir die Commedia dell' arte ist in den
Wandgemalden erhalten, mit denen der Fiirst eine Treppe des von ihm geschaffenen
Anbaues in SchloB Trausnitz bei Landshut — die sogenannte Narrentreppe —
ausschmiicken lieG. Die Bilder, welche in lebensgroCen Figuren die bekannten Typen
der italienischen Stegreif komodie vorfuhren, wurden im Auftrage Konig Ludwigs I.
durch den Maler Max Hailer im Jahre 1841 kopiert und Aquarelle hiervon der
graphischen Sammlung des Bayerischen Nationalmuseums einverleibt. Eine ausfdhrliche
Besprechung der dargestellten Szenen hat Karl Trautmann im 1. Band des Jahr-
bnches fur Miinchener Geschichte S. 301 A. 206 gegeben. Reproduziert findet man
sie im angefiihrten Heft der > Alt bayerischen Monatsschrift*.
4) Vgl. meine »Beitrage« HE, 352 ff.
5) Freyberg, Sammlung histor. Schriften und Urkunden, Stuttgart 1834, IV, 336.
6) II, 445.
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412 Adolf Sandberger, Roland Lassus' fieziehungen zur italienischen Literatur.
Des weiteren sehen wir Orlando in Verbindung mit Neapels dra-
matischer Kunst durch die Komposition von »Dicesi che la morte* aus
dem Dramma pastorale Ceccaria (urn 1525) des Antonio Marsi, genannt
Antonio Epicuro oder auch Epicuro Napolitano1). Die Stelle ist den
Meditationen iiber den Tod entnommen, welche Vecchio, Geloso und
Terzo, die drei Opfer des grausamen Liebesgottes anstellen, und liegt im
Munde des Terzo2).
Seinen Villanellen von 1581 hat Orlando mit einer einzigen Aus-
nahme, dem bereits 1560 erschienenen »0 Lucia, miau, miau*3) seine
Moresche beigesellt. "Wir wissen aus des Meisters eigenen Worten, daB
er die scherzhaften Stiicke der Sammlung von 1581 »in seiner Jugend*
schrieb, und haben nur wenige Nummern als spater komponiert anzusehen4 .
Eine Untersuchung der Texte oftenbart nun zunachst auch bei den
Moresche teilweise neapolitanischen Dialekt, der mit dem drolligen Kauder-
welsch der mori, der Schwarzen, gemischt ist. Dies mag vorlaufig ge-
niigen, die Stiicke nach Neapel zu verweisen.
Die » Moresca* ist urspriinglich ein Tanz, zweifelsohne historischen
Charakters und zwar hervorgegangen aus den Kampfen der christlichen
Bevolkerung in den siidlichen Landern mit den Sarazenen5). Ihre Musik
ging aus raschem 3/2-Takt und bestand in ihrer einfachsten Gestalt aus
zwei Teilen zu je acht Takten6).
Aber mit dem Begriff eines einfachen mimischen Tanzes kommen wir
nicht lange aus. Allmahlich erweitert sich derselbe zur ausgedehnten
Pantomime, zum Ballett, und zwar war die Moresca so beliebt, daB man
ganze Stiicke, welche einen »Mohrentanz« enthielten, ausschliefilich nach
lj Crescimbeni, Gk M., Istoria della volgar poesia Ven. 1730, HE, 34. Qua-
drio, della storia e della ragione d'ogni poesia II, 234. D'Ancona, Origini II, 101,
woselbst auch die neuere Literatur angegeben ist. Uber die szenische Auffiihrung be-
richtet B. Croce, Teatri di Napoli, Napoli 1891, S. 36 ff.
2) Ceccaria. Tragicomedia ... In Vinegia appr. G. Giolito de Ferrari 1553.
S. W. IV, 22.
3 II terzo libro delle Villotte alia Napol. de diversi c. due Moresche. Vogel,
Bibliothek der weltl. Vokalmusik Italiens II, 1560*
4 Vgl. S. W. X, Vorwort.
o Bobme, F. M., Geschichte des Tanzes, Leipzig 1886, L 132* D'Ancona,
Origini II, 265; Tigri, Canti popol. toscani, Firenze 1869, S. LXII balli storici der
Montagna [. In Landern, welche best'andig viel Verkehr mit den Muselmannern hatten,
ist die Moresca bis hoch ins 18. Jahrhundert als Tanz nachweislich ; (d^Ancona II.
201 Anm. b, in Dalmatien und Corsica bis heute .Bonnie a. a. 0... Die Moresca
war auch Shakespeare wohl bekannt, wie ihm nichts Musikalisches fremd war. Vgl.
Nay lor, Shakespeare and music S. 132, 151, 205.
6) Bohme a. a. 0. S. 133. Eine Moresca in geradem Takt teilt nach Susato's
1551 Sammlung von T'anzen Weitzmann mit, Geschichte des Klavierspiels, Stutt-
gart 1879, S. 75.
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Adolf Sandberger, .Roland Lassus' Beziehungen zur Italienischen Literatur. 413
ihr benannte1). Im 16. Jahrhundert begegnen wir also beiden Formen,
dem einfachen Tanz zunachst meist als Iibertragenem Tanzlied in den
Lautentabulaturen, der Erweiterung als selbstandiger Darbietung oder
besonders als Intermedium, als Zwischenspiel in den cene earnevaleache
und in der Komodie, sei es nun mit oder ohne dramatischen Zusammen-
hang mit der Haupthandlung. Innerhalb der Moresca als Ganzem bleibt
die Bezeichnung Moresca fiir den einzelnen Tanz weiter bestehen, es
wird in der Moresca a tempo di Moresca gesungen, gespielt, getanzt2).
Gehen wir der erweiterten Form etwas nach, so erfahren wir beispiels-
weise von Auffiihrungen von Moreschen in Rom 1473, 1502 und 15213).
Die letztere fand im Hofe der Engelsburg statt, der Papst samt dem
Gefolge besahen sich das Schauspiel von den Gemachern aus. Zuerst
erschien eine Frau, die die Gottin der Liebe anflehte, ibr einen wiirdigen
Liebhaber zu geben; dann entpuppte sich ein scheinbar aus abgetragenen
Priesterkappchen zusammengestelltes Zelt als eine Schar von Eremiten,
acht an der Zahl, welche unter dem Klang der Trommeln die Moresca
tanzten und sich uber einen kleinen, kocherlosen Amor hermachten, um
ihn als Feind der Menschheit zu zlichtigen. Der kleine Liebesgott aber
ruft Frau Venus hilfesuchend herbei, welche ihm Kocher und Pfeile
bringt, den Eremiten aber einen zauberischen Trank kredenzt. Nun be-
schieBt Amor die Feinde mit seinen Pfeilen, bis sie verwundejb wehklagen,
Amor tanzend umringen und sich schlieBlich mit Liebesbeteuerungen an
das zuerst erschienene Weib wenden. Dieses fordert die Eremiten auf,
Proben ihrer Yorziige zu geben; mit einem Male fallt das geistliche Ge-
wand und acht reichgekleidete Jiinglinge stehen vor der Frau, beginnen
um ihren Besitz zu kampfen und fallen alle bis auf einen, der um die
Schone freit — Hier haben wir also eine selbstandige ausgefuhrte
Pantomime; sowohl das Ganze als ein einzelner Teil derselben fuhren
den Namen Moresca.
Aus Urbino besitzen wir einen Bericht vom Jahre 15134). Hier
bildet eine Moresca das erste Intermedium in Bibbiena's Komodie
Oalandra. Von der einen Seite der Blihne tritt Jason tanzend auf, in
antiker Biistung, mit Schwert und Schild; auf der entgegengesetzten
Seite stehen zwei feuerspeiende Stiere. Jason nahert sich ihnen, zwingt
sie, seinen Pflug zu ziehen, und saet nun die Drachenzahne. Aus der
1) Vgl. die Komodie in Moresca bei Mazzi, La congrega dei rozzi di Siena nel
secolo XVI, Firenze 1882, S. 53.
2} Anders bei der Gtegliarde. Vgl. D'Ancona, Origini II, 421. Bern. B el Un-
ci on i singt (Rime II, 11 ed. Fanfani, Bologna 1878), hier in witziger Weise politisch
anziiglich auf Lodorico Moro gemiinzt): >Da poi ch' i veggio che tu se\ moresco
Vo 'che tu canti in chiesa a la moresca*.
3) D'Ancona, Origini II, 67, 75, 92 ff.
4 D'Ancona II, 103.
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414 Adolf Sandberger, Roland LaSsus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
Saat erwachsen bewaffnete Manner, tanzen eine kriegerische Moresca und
machen Miene, Jason zu toten und das goldene Vlies zu rauben. Sie
reiben sich schlieBlich unter einander auf und Jason tragt seinen Raub
davon. — Auch als zweites Intermedium der genannten Komodie diente
eine Moresca. Venus erscheint mit Amoretten auf einem von Tauben
gezogenen Wagen; die Liebesgotter tanzen die Moresca mit brennenden
Fackeln, aus entziindetem Tor kommen andere Amoretten und wieder
beginnt die Moresca usw. Zahlreiche Berichte besitzen wir dann aus
Mantua; so einen bereits aus dem Jahre I4861); 1499 ist es ein Fackel-
tanz, 1500 sind es ein Drachenkampf, kriegerische und Narrentanze,
welche als Gegenstand der Moresca erscheinen, sowie auch eine Musik,
welche so miserabel war, daB der Chronist nichts von ihr erzahlen wollte.
1542 berichtet nun von Mantua der Dichter und Diplomat Capilupi
an Don Ferrante G-onzaga, Orlando's nachmaligen Gonner, iiber die
Auffiihrung einer Moresca in Ausdriicken hochsten Entziickens2); die
Zeichnungen zu den Kostiimen hatte kein Geringerer als Giulio Romano
gemacht Unter den Klangen von Singstimmen, Harfe, Violine, Flote
und Lauten wird hier von Pan und Hirten die Moresca getanzt, so daB
Capilupi bekennt >di non haver veduto n& udito cosa simili a quella
che mi dilettasse«. Auch eine junge Schauspielerin sehen wir 1562 in
der Moresca in Mantua beschaftigt8).
Und wie in Rom, Urbino und Mantua erscheint die Moresca in der
einen oder anderen Gestalt da und dort. Sie ist beispielsweise verwertet
in Ariost's »Cassaria«4) (1508); Pietro Aretino erwahnt ihrer in seinem
ersten Diolog 1535/36; in Ferrara legt man sie im >Miles gloriosus< des
Plautus und anderen neuausgegrabenen Stiicken ein. Jaches "Wert
komponiert im Auftrag des Dichters Manfred i 1591 Moreschen zu
dessen »Semiramide«, welche zu Mantua aufgefiihrt wird5). Aus dem Inter-
medium aber gelangt die Moresca naturgemaB in die junge Oper, die
geistliche wie die weltliche. In Emilio del Cavaliere's »Rappre-
sentatione di anima e di corpo« erscheint sie als Intermedium6), Monte-
verdi's »Orfeo« (1609) klingt in einer Moresca aus7).
Lasso's Moreschen bilden sieben, teils als Moreschen bezeichnete,
teils unzweifelhaft kenntliche Stiicke:
1 DAncona II, 351? 377, 384/85.
2 A. a. 0. n, 438.
3 A. a. 0. H, 448.
4} A. a. 0. II, 136; Gaspari II, 416.
5; A. a. 0. H, 425.
6 Vgl. E. Vogel, Bibliothek der gedr. weltl. Vokalmusik Italiens I. 152.
7; Neugedruckt bei Kiesewetter, Schicksale und Beschaffenheit des weltl. Ge-
sanges a. a. 0. S. 104 und in den Publikationen der Gesellschaft fixr Musikforschung
Bd. X, 228.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus1 Beziehungen zur italienischen Literatur. 415
' (1560) 0 Lucia miau, miau, dreistimmig,
(1581) No. 7 Hai Lucia, bona cosa, vierstimmig,
> 13 Lucia celu >
> 16 Allala, la pia calia >
> 18 Cathalina, apra finestra sechsstimmig
> 19 Chilichilichi »
> 20 (Canta, Giorgiai) »
Massino Trojano2) berichtet, daB bei den Nachfesten der Hochzeit
Wilhelms, am 6. Marz 1568, die Herrschaften durch Vorfiihrung der
sechsstimmigen Moreschen von Lasso unterhalten wurden; und zwar
wurden die Stiicke von sechs auserlesenen, klangvollen Stimmen (scelti e
sonori voci) gesungen und von sechs namentlich aufgefuhrten aus-
gezeichneten Instrumentalisten auf Querfloten (fiffari)3) gespielt.
Fassen wir ausschlieBlich diesen Bericht ins Auge, so werden wir
glauben, es mit einfachen Tanzliedern zu tun zu haben, welche in zeit-
gemaBer Weise zugleich vokal und instrumental zur Auffiihrung gelangten.
Allein hiermit ist die Bedeutung der Stiicke nicht vollig erschlossen.
Am Strand vor den Kastellen zu Neapel trieben die Komodianten
der Strasse ihr Wesen, die bagattettisti, giocolari, ciarlatani und fiihrten
ihre Komodien auf. Die Trommel (tamburo) voraus, zogen sie auf, arm-
lich verkleidet, mit Kohle schrieben sie an, was ihr Schauplatz bedeuten
solle4). Noch 1588 beschreibt Giambattista del Tufo ihr Treiben:
. Ed al suon del pignato e del tagliero
Cantar Mastro Ruggiero,
E simili persone
Col tamburello e con lo calascione,
Sentendo in giro chi da la e da qua:
Lu-cia mia Bernaguala!
Veder talvolta comparir in scena
Con dolci88ima vena
Presto e destro, qual suol, Covar Navettola,
Coviel, Qiancola e Pascariello Pettola.
Cosi veder quel ballo alia maltese,
Ma in Napoli da noi detto Sfessania.
Donne mie, senza spese
Vi guarireste allor febbre o micrania.
Dieser von Croce mitgeteilten Beschreibung kann ich eine Apostro-
1) Bezeichnet sind 0 Lucia im Original und die Texte von (siehe oben) Nr. 7 und
18 — 20 in den Sammlungen Vogel a. a. 0. II, 1560 3 u. ff., indenen sie wiederkehren.
Allen gemeinsam ist das Kauderwelsch, welches die Sprache der gente nigra imitieren
soil, (Ghia gua, Schincina bacu uswv — Partituren S. W. X.
2) A. a. 0. S. 182.
3) Praetorius, M., Syntagma mus. Tom. II, 40.
4) Croce a. a. 0. S. 53.
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416 Adolf Sandberger, Roland Lasaus' Beziehungen zur italienischen Literaiur.
phierung der Bagetellistenfiguren von Felippo Sgruttendio de Scafato
beifiigen (Tiorba a taccone, corda nona)1,
O Lucia, a Lucia
Lucia, Lucia mia,
Stiennete, accost ate, nzeccate cca;
Vide sto core ca vide, e ca sguazza;
Adzo 8so pede, ca zompo canazza;
Cuchuruccu,
Zompo mo su uew.
Die Kavaliere von Neapel aber gingen abends hinaus (» quasi tutti, o
la maggior parte*) und ergotzten sich an dem Possenspiel.
Die Texte von Lasso's Moreschen haben nun nicht nur die inund-
artlicb, nicht nur durchweg eine szenisch-lebendige Fassung, sie sind
sogar alle bis auf einen ausgesprochene dramatische Dialoge (S. W. X,
HI, 7; IV, 8; IV, 13; IV, 18; IV, 19; IV, 20); drei der Tonsatze sind
durch gesprochene Worte, dabei wiederum komisches Kauderwelsch, das
die Sprache der Schwarzen persifliert, unterbrochen. Dann aber be-
gegnen wir in alien Stucken (auBer der Anrufung Allahs, »Allala, pia
calia«) den Namen dieser napolitanischen Figuren, den Negerinnen Lucia
und Giorgia, dem Cuccuruccu2). In Nr. HI, 7 will Griorgia der Lucia
ein Standchen bringen, wird aber mit Schimpfworten (cula mia, cula
caccata usw.) abgewiesen; in Nr. V, 8 erhalt Lucia von Giorgia die Bot-
schaft, daB ihr die Herrin ihre Freiheit schenken und sie verheiraten will;
alle Schwarzen sollen eingeladen werden, Giorgia will singen >Acqua,
madonna al foco«; Lucia aber hort nicht, so sehr sich Giorgia auch
heiser schreit; in Nr. IV, 13 bietet Giorgia der Lucia Kleider und
Schiirzen, Halskragen und SchlieBen, aber wieder wird sie mit rauhen
Ausdriicken zuriickgewiesen (Raudige Hiindin, stinkender Thunfisch), der
Chorus aber bekraftigt
>Che della bernaguola siamoc.
In Nr. IV, 18 ist Cathalina die Auserwahlte Giorgias; letztere stimmt
das Lied »Andar a Valenza* an, aber Cathalina will nichts horen, auch
alle Schmeichelei verfangt nicht (»occhi tua come lanterna*) und die
»cana musata* (hasenschartige Hiindin) muB abziehen. Ungemein im-
pertinent ist die Anspielung auf die »mala francisca*3). Nr. IV, 19 ist eine
1) Collezione di tutti i poemi in lingua Napoletana (Nap. Porcelli 1789) I, 248.
Die erste Ausgabe erschien 1646 'vgl. Galiani, Del dialetto napoletano, Tom. 28
S. 161).
2: Uber dieselben vgl. auch Scherillo, La comedia dell1 arte in Italia. Torino
1884, S. 3. Im Mittelalter sind unter den Schwarzen die Araber, schlankweg die
Mohammedaner verstanden ; zu Lasso's Zeit sind die >gente negrac wirkliche »Schwarze<.
3, Vgl. Lasso's Briefe in meinen Beitragen II, 265 und a. a. 0.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 417
Szene zwischen Lucia und Cuccuruccu2), von recht unreinlicher Anlage;
schlieBlich stimmt Lucia das Lied an
>La mogliere del peooraro«.
In Nr. IV, 20 soil Giorgia den WeiBen (gente ianca) singen und be-
quemt sich auch dazu; wieder schwarmt sie Lucia von Befreiung und
Hochzeit vor und schlieBt mit der Vision:
Messer dorma
Farino sotto lieto,
Madonna gamb' in collo,
Messere grida,
Madonna fuia
Farui sona zampogna
Armare Re co, gua, gua.
DerZusammenhangunserer Stiicke mit diesernapoletanerBagatellisten-
komodie, ihr Ursprung wie ihre Bedeutung ist damit evident. Des
Weiteren beweiskraftig sind auch stilistische Details, die vokale Nach-
ahmung der Instrumente, mit denen Giorgia auftritt, der Laute, des
Tambourins und des phantastischen Geklimpers der Schwarzen (tanbilili usw. ).
Wir haben also in unseren Moreschen musikalische Episoden der
Bagatellistenkomodie zu erblicken. Wurden unsere Stiicke deshalb aber
auch wahrend der Aufftihrungen der Bagatellisten, am Strande bei
den Kastellen vorgetragen? Waren sie gegeniiber der Armlichkeit der
Bagatellistentruppen nicht schon zu anspruchsvoll allein in bezug auf die
Besetzung der Stimmen? Zur Beantwortung dieser Frage miissen wir
nochmals etwas ausholen.
Wie oben erwahnt, finden sich die Texte von >Hai Lucia*, >Ca-
thalina apra finestra*, »Chilichilichi« und >Canta Giorgia « bereits in
Sammlungen gedruckt vor, welche seit dem Jahre 1560 in Venedig er-
schienen. Es sind dies vier Biicher »Villotte alia Napolitana«; aus dem
Jahre 1560 kennen wir heute nur mehr das erste und dritte Buch, doch
wird das dritte wohl nicht vor dem zweiten erschienen sein, sondern ist
uns letzteres eben nicht mehr erhalten. Das vierte Buch ist erst 1565
bekannt, die Ausgabe dieses Jahres tragt bereits den Vermerk des Neu-
drucks. Da sich unsere Texte auf Buch 2 — 4 verteilen, werden wir also
ihre Drucklegung zwischen 1560 und spatestens 1564 anzusehen haben.
Es liegen mir nun die Partituren der zugehorigen (dreistimmigen) Ton-
satze vor; der Vergleich mit Lasso's Kompositionen ergibt, dafi sie
Orlando durchweg als Vorlage, als Ausgangspunkt gedient
haben. Die Nachbildung im Bau, im Wechsel der Abschnitte ent^
sprechend der Dichtung, im Zug der Modulation ist eine vollstandige,
2) Der Anfang ist urdrollig, der Sopran ruft solo >Chi chi-li-chi?< der tiefe BaC
antwortet solo »Cucurucu!« Charakteristisch fur den jungen Lasso ist auch die feier-
liche Wendung bei >che papa la segnac.
s. d. I. M. v. 27
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418 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
vielfach sind auch dieselben Motive and Melodien benutzt. Lasso aber
bat die dreistimmigen Satze durch vier- und sechsstimmige ersetzt, seine
Stiicke in kunstmaBigere Sphare geriickt; dasselbe tat er gegeniiber
Fontana's und Nola's VillaneDen. Waren nur die fraglichen Villotten
aueb etwa erst um jene Zeit, in der sie im Druck erschienen, komponiert,
so ware ihr Yerbaltnis zu Lasso geeignet, uns neue Ratsel aufzugeben.
Allein wir finden unter ihnen auch den Text von S. W. X, Nr. m,
6 »Sto core mio«, und der Vergleich der Partituren erweist wieder, daB
Lasso den Oantus dieser Villotte in seinem Tenor, und ihren Tenor in
seinem Cantus beniitzt hat. Lasso's Stiick erschien aber flinf Jahre
friiher als die Villotte, 1555.
Hieraus ergibt sich, daB die von Lasso aufgegriffenen Villotten in
der Praxis und handschriftlich lange vor ihrer Drucklegung bekannt
waren; die Moresehen aber miissen, da ihr Text mit dem von Lasso's
Moreschen identisch ist, gleichfalls in bezug auf die Napolitaner Poli-
zinellkomodie und vor Lasso's zugehorigen Stiicken geschrieben sein.
Wie bei Font ana stand bei ihnen selbst das Volkslied Gevatter. Letztere
Annahme wird durch den Umstand bestarkt, daB wir Chichilichi im
17. Jahrhundert als Laudenmelodie wieder begegnen1); die Lauden aber
entlehnten bekanntlich zu ihren geistlichen Texten weltliche, allgemein
bekannte Melodien. Demnach haben wir in den dreistimmigen Vil-
lotten einschlieBlich dem von Lasso herriihrenden > Lucia, miau, miau<
entweder die wahrend der Komodie selbst vorgetragenen Stiicke, oder
die villanellenmaBige Bearbeitung von einstimmigen, in der Komodie mit
oder ohne (Lauten-) Begleitung gesungenen Volksweisen zu erkennen.
In Lasso's vier- und mehrstimmigen Moreschen aber eine Nobili-
sierung dieser Gresange f iir Auf fiihrungen in den Palasten der Vornehmen,
fiir die Feste des. Marchese della Terza usw., bei welchen sich die
Kavaliere freuten, den von der Auffiihrung der Bagatellisten her wohl-
bekannten Weisen ia kunstvollerem Gewande wieder zu begegnen. Lasso
schuf in seinen Moreschen, angeregt durch die Komodie Neapels, eine
neue Gattung von Villanellen und andere Meister folgten ihm nach2).
Es sind musikalische Szenen; die urspriingliche Moresca, die Tanzweise,
aber ist in denselben, wie wir noch genauer sehen werden, aufgesogen
und eingefiigt.
Es ist nicht das erste Mai, daB wir Beziehungen Lasso's zur dramatischen
Kunst der Italiener mit diesen Moreschen begegnen. Schon friiher konnte
ich an der Hand von T*rojano's Bericht und des von Lasso kompo-
1) Vgl. z. B. Coferati, Mat., Corona di sacre canzoni o Lande spirituali di di-
versi aut. Firenze 1689. Ebenda erscheinen ah Melodien die T'anze Follia, Menuet usw.
2) Auch Azzaiola (1657), Mass. Trojano (1567), Pinello (1571), Primavera
(1574), Romano (1579), Moro (1581), Bianchi (1588), Metallo (1692), Biffi (1606,
Fasolo (1628) haben Lucia und Cucuruccu besungen.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 419
nierten Dialogs zwischen Zanni und Pan talon1) unseren Meister als Kom-
ponist einer Commedia dell' Arte-Episode und somit schon damals
als bei der Vorgeschichte der Oper beteiligt nachweisen2). Das Stuck,
um das es sich handelt (S. W. X, Nr. IV, 22), ist auch musikalisch
eine kostliche Nummer, trefflich deklamiert, charakteristisch in Ausnutzung
der Tonlagen, fein in den Klangfarben, mit ungewohnlichen Akkord-
bildungen; Pantalon und Zanni sprechen darin venetianisch bzw. berga-
maskisch. Zur Komodie dell' Arte gehort auch S. W. X, Nr. IV, 6,
das vierstimmige >Parch' hai lasciato*'. Hier erscheint Don Diego,
die der Komodie angehorige Figur des stets geprellten Spaniers. In
Miinchen hieB er 1568 Don Diego de Mendoza und wurde als dritte
Rolle von Massimo Trojano gespielt3). Unser Stiickchen paBt nun
nach der Anzahl der Stimmen, dem homophon akkordlichen Cha-
rakter der Musik und nach dem Text' in die Situation, wie sie der
zweite Akt der Miinchener Komodie ergab. Camilla nimmt von Don Diego
mit schmeichlerischen "Worten eine goldene Kette entgegen und verspricht,
die nachste Nacht in seinen Armen zu ruhen, worauf der Spanier zu-
frieden abgeht. Am Schlusse des Akts aber ertont >vna musica di quattro
voci con dui liuti, un stromento da penna, un fiffaro ed un basso di Viola
da gamba*4). Auch auf diese Instrumentalbesetzung paBt das Liedchen
seiner Struktur nach sehr wqhl; eine Laute ist als Melodie-, die andere
als Akkordinstrument verwendet zu denken. Der Text aber spricht von
Don Diego, und enthalt einen Dialog zwischen einem Geprellten und einer
Frauensperson, »che st& inchiusa* und sich schamen sollte >tutto lo giorno
farsi Jacoviella*; in seiner vierten Strophe bringt er die Sentenz:
> Donna che face quello che non suole
0 t'ha gabbato, o gabbare ti vuole.«
Soviel zur Bagatellistenkomodie Neapels und zur Commedia dell' arte.
S. W. X, Nr. IV, 17 >Mi mi chiamere mistre righe« ist der mit ver-
schiedenen Eindeutigkeiten durchsetzte Monolog eines reichen Getreide-
handlers und Backers. Der Text huldigt Wein, Weib und Gesang,
welchen der mistre righe nach Weise und Ausdruck des Magnifico zu-
1) S. W. X, IV, 22.
2) Historische Anmerkungen verfaOt fiir das Programmbucb des Festkonzerts zu
Eliren Orl. di Lasso's. Miinchen 1894. Die Nachahmung, welche Lasso's Schiiler
Eccard 1689 von Orlando's Zanniszene gab, liegt heute in den Publikationen der
Gesellschaft fiir Musikforschung, Bd. XXI, 1897, im Neudruck vor, doch ist ihre Zu-
gehorigkeit zur commedia dell' arte dort noch ebenso, wie friiher von Winterfeld,
verkannt.
3) Trojano a. a. 0. S. 184.
4) Ebenda S. 187; in den Dialoghi Bl. 160 sagt Trojano Viola d'arco und statt
des stromento da penna das gebrauchlichere clavicembalo,
27*
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420 Adolf Sandberger, Eoland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
getan ist; er ist im paduanischen Dialekt geschrieben1), die Nummer also
im engeren Sinne eine P ado van a (s. oben), wie deren Azzaiolo seit 1557
(mit Villanellen alia Napolitana usw.) in drei Biichern publizierte.
Auch das bereits bekannte2) Landsknechtstundchen (S. W. X, IV, 12)
mit 8einem reizenden Lauteninterludium Don don don, Diri diri don diirfte
szenischen Zwecken gedient haben. Es ist sowobl fiir die Stegreif- als
die literarische Komodie geeignet3), ebenso fiir einen Karnevalsaufzug mit
Landsknechtsgruppe. Das kostliche Stlick erweist sicb durch Vergleich
mit so bezeichneten Stiicken als eine Todescha, eine Nachahmung des
durch die Mischung deutscher und italienischer Brocken entstehenden
linguaggtO) wie er wohl besonders haufig yon deutschen Soldnern in Italien
gehort wurde. DaB auch der Todescho in der Commedia dell1 arte zu-
weilen erscheint, beweist eine Handschrift der Miinchener Bibliothek4!.
Die altitalienischen Karnevalszuge verwerteten bekanntlich reichlich
Musik und der Musikhistoriker wird gut tun, auch ihnen sein Augen-
merk zuzuwenden6). Sie sind urspriinglich florentinischer Abstammung6 .
1) Die Wendung >mi me piase magnar . . .« scheint eine stereotype; cf. Lova-
rini, Canzoni populari in ruzzante (Propugnatore 1888 Bd. 2 S. 368 Anm. 1) >mi me
piase magnar pan*. — Der erwahnte Wein Trebiano wird in den Gegenden von Reggio.
Modena, Parma gebaut. (Freundliche Mitteilung von Herrn Dr. Torchi in Bologna .
2) Ambros, Gesch. d. Musik, Leipzig 1893 ;3. Aufl.) HI, 367. Sandberger.
Beitrage I, 118. Schade, dafi der Originaltext schon in seinen drei ersten Worten
nnmoglich ist. Madonna pflegten sich die Courtisanen anreden zu lassen. Ygl. z. B.
Ipp. Salvianis Komodie Ruffiana; Gaspari II, 509.
3) So wiirde es z. B. trefflich in A. Giancarli's Zingara (1545) passen. In der-
selben wird verschiedentlicb gesungen und neben der Ruffiana fehlt auch der Berga-
masker nicht.
4) Cod. it. 347. Vgl. Archivio stor. it. XTV, 269. — Auch Azzaiolo bringt eine
Todescha im ersten Band seiner Padovanen, eine andere findet sich in der Yillotten-
sammlung Vogel 1666 7 (>Trinc e got Malvasie«), eine dritte, wichtig fur den Geschmack
Albrechts V. an diesen Sachen, in Bottegari's obenerwahntem Lautenbuch ;Yal-
drighi's Ausgabe S. 63 >Mi stare pone totesche*) usw. Bei Azzaiolo heifit der Text
Patrone, belle patrone
scolt' un poco bel companon
delle dancere
de le Bpringhere del canzon,
che far in terre todesche per amor,
Springhere, dancere, spilere,
prindese, minere, basere, corere,
tutte le companon
on on.
5) Mit Recht raumt ihnen G. Giannini in seinem trefflichen Aufsatz »Origini
del dramma musicale« ihren gebuhrenden Platz in der Yorgeschichte der Oper ein
(Propugnatore 1893, I, 231 ff.).
6) Ygl. z. B. Lasca, Canti Carnascialeschi, in dessen Rime burlesche, herausgre-
geben von C. Verzone, Florenz 1882, 207 ff.; Batt. del Ottonaio's (detto Araldo
mascherate carnevialesche usw. Gaspari II, 248.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 421
Maskenzuge, welche gewisse Klassen und Stande darstellten, durchzogen
die StraBen, indem sie in Gesangen, den canti earnascialescki^ dem
Publikum kiindeten, wer sie seien und was sie wollten. (»Zingari siamo«,
>lavandaje siamo«, >Ninfe siamo«.) In den Musikdrucken erscheinen
diese Gesange zumeist unter dem Namen Mascherate. Schon Heinrich
Ysaak hatte deren fur Lorenzo Magnifico komponiert, andere Nola
(1541), Willaert (1545), Trojano (1567), Azzaiolo (1569), Oandido
(1571, ein ganzes Heft), Riccio (1577), Gastoldi (1591), Ghizzolo
(1609). Wir werden nicht fehl gehen, wenn wir S. W. X, Up. IV, 2
»Ecco la nimf ebraica* (auch von Nola komponiert) und Nr. IV, 9 >0
bella fusa< als Karnevalslieder bezeichnen; vielleicht wurden auch
A la la und Canta Giorgia gleichfaUs zu solchen Zwecken berangezogen.
Ferrante Gonzaga mag es gewesen sein, der Orlando bereits auf
die Moresca als Gattung hinwies; bei aller Hauptneigung des kaiser-
lichen Generals auf kriegerische Dinge durfte ja Capilupi (s. o.) nicht
ohne Grand so ausfiihrlich iiber diese Allotria berichtet haben, so daB
die Kunstliebe Gonzaga' s uns heute in anderem Lichte erscheinen muB.
Wenn nun auch Orlando's Tone bei all diesen Gebilden nicht zu
mythologisch-allegorischen Darstellungen erklangen, wenn sie nicht Venus
und Jason verherrlichten, sondern Lucia und Cuccuruccu, Zanni und Pan-
talon, den Magnifico und Don Diego, sie waren mindestens ebenso wirk-
sam in ihrer Interpretierung grotesken Unsinns und lassen Orlando's
Verdienst in nicht geringerem Lichte erscheinen. Der Meister ist nicht
nur gemeinsam mit Palestrina der AbschluB einer groBartigen Ent-
wicklung, er ist auch in seiner realistischen Vertiefung des musikalischen
Ausdrucks und seiner Stellung zur Vorgeschichte der Oper eine starke
Wurzel der neuen Zeit; unvergleichlich mehr als von Palestrina gehen
von ihm Faden aus, die zur »musica nuova» hiniiberleiten. Das macht
ihn, im Zusammenhalt mit seiner groBeren Vielseitigkeit, fiir uns moderne
Menschen interessanter, anziehender als den grofien Pranestiner.
Nachdem wir Lasso's Moreschen und einzelne der Villanellen als
unzweifelhaft neapolitanischer Abkunft erkannt haben, liegt es nahe,
unter den zahlreichen, damals am Posilipp ansassigen Poeten Umschau
zu halten, ob sich vielleicht gerade fiir diese Gebilde der oder die Dichter
ermittekj lieBen. Leider zeigen sich die hiezu angestellten Untersuchungen
unergiebig; weder Serafino dall' Aquila noch sein Schiiler A. Eicco,
weder Carracciolo noch Angelo di Constanzo und Cariteo scheinen
in Frage zu kommen, ebenso wenig enthalt die umfangreiche Sammlung
Rime di diversi illustr. sign. Napolitani, Ven. Giolito 1552 (k. k. Hofbibl.
Wien) einen von Orlando komponierten Text, ist aber als weiteres
Dokument aus der literarischen Umgebung Lasso's zu Neapel eine wert-
volle Quelle. Am meisten ahneln einzelne der kleineren erotischen
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422 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zor italienisohen Literatnr.
Vfllanellen ihren Vorgangern in der Beliebtheit der Gebildeten, den
Strambottis und Dialogen Serafino dall' Aquila's, des >pid grande
strambottojo* , wie ihn d'Ancona nennt1); Serafino1) verfeinerte be-
kanntlich den Strambotto zum zierlichen hofischen Madrigal Andere
Nummern gleichen dem Stil, wenn auch nicht dem VersmaB nach, den
lustigen Sonetten des Toskaners Pistoia.
Zwei Dichter haben wir aber doch noch in Neapel namhaft zu machen,
die mit Orlando mehrere Jahre gleichzeitig dort wohnten. Der eine ist
Luigi Tansillo3,, der Dichter der > Lagrime di S. Pietro«, welche Or-
lando bekanntlich im Alter komponierte. Yerfolgen -wir den Lebensweg
Tansillo's, so fallt eine gewisse Ahnlichkeit mit Lasso's Entwicklung
in die Augen. Auch Tansillo genieBt eine Jugend voll Lebensfreude
und sonniger Renaissance und endet in Melancholie und als Kunstler in
der Empfindungssphare der Gegenreformation. Beide, Tansillo und
Lasso, haben wohl in ihrer Jugend nicht gedacht, der Eine, dafi er
einmal die >Lagrime di San Pietro* schreiben, der Andere, daB er sie
komponieren werde. Doch soil dieser Vergleich nicht weiter durchgeftihrt
werden, da Orlando der unvergleichlich genialere, tiefere und fleiBigere
Kunstler ist, an dessen psychischer Umwandlung wir nicht zweifeln
durfen, indes Tansillo's Biograph nach Renier zur Entstehung der
Lagrime bemerkt: >teut6 propiziarsi le anime timorate e assopire quel
cerbero trifauce che era la Congregazione dell' Indice.* Fur ihn war
wohl spater der auBere AnlaB zur Komposition, wenn nicht, wie so oft4),
der bestunmte Auftrag Wilhelms V., so das Erscheinen der Lagrime im
Druck, welches lange nach des Dichters Tod (1568) erfolgte; von Tan-
sillo's erotischen Dichtungen aber hat er doch schon vorher ein halbes
Sonett komponiert, namlich >Scorgo tant' alto il lume«, die beiden Ter-
zette von Sonetto XXVII >D'un si bel foco* 5).
Der zweite ist Antonio Minturno, seit 1559 Bischof von Ugento,
1) La poesia popol. S. 134. Gas pari II, 333.
2) Die Munchener Hof- und Staatabibliothek besitzt einen Werken Dall1 A qui la's
beigebundenen Druck: Operetta piacevole e delectevole da intendere aus dem An fang
des 16. Jahrhunderts (s. 1. e. a.), der in seiner » Canzone de la cascia* und >Lassa far
a me< wiederum ahnelnde Gebilde aufweist.
3] Grescimbeni II, 436 ff. Oroce a. a. 0. 38 ff. Torraca, Studi di Storia
Lett. Napol. Livorno 1884, S. 207 ff. Gaspari II, 489. Die neueste und'heute aus-
schlaggebende Arbeit iiber Tansillo »Sulle poesie di genere varioc von Francesco
Flamini (Pisa 1888) kenne ich leider nur aus dem Bericht Renier's im Giorn. stor.
1888, S. 450 ff.
4) Ygl. Trojano, Discorsi S. 75. Die Angabe wird durch Orlando's Brief-
wechsel mit dem Herzog bestatigt.
5) Poesie di Luigi Tansillo. Londra 1782 S. 27. (Die Ausgabe enthalt auch
ein Portrat des Dichters.) S. "W. IV, 67. Tansillo's due Pellegrini waren mir leider
nicht zuganglich.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatnr. 423
vorher in Neapel ansassig 1). Minturno veroffentlichte 1563 zu Venedig
ein Buch, das Aufsehen bei jedermann erregen muBte, der sich mit
italienischer Literatnr befaBte: die >Arte poetica«, enthaltend u. a. eine
>dottrina de' Sonetti, canzoni e ogni sorte di Rime Toscane*. Wohl im
Anschlufi an dies Werk forderte Massimo Trojano seine Kollegen in
der bayerischen Hofkapelle auf, Beitrage zu einer Sammlung von Kom-
poaitionen iiber ausschlieBlich Minturno'sche Texte zu lief era, und es
gelang ihm, sich audi Lasso'scher Stucke zu versichern. So kam das
erste Buch der bekannten Sammlung >Mvsica de Virtuosi della florida
capella dell . . . Dvca di Baviera* (Vinegia 1569) zustande, jener glan-
zenden Zeugnisse des hohen kiinstlerischen Niveaus, auf dem sich die
Kapelle befand. Vielleicht spielen alte Beziehungen Orlando's zu Min-
turno aus der neapolitaner Zeit mit; jedenfalls muBte der Meister
in dieser Sammlung mit der groBten Anzahl von Tonsatzen unter den
Teilnehmern vertreten sein. Indes zeigt auch hier Lasso seinen feinen
Geschmack. Wahrend alle anderen Beitragenden, auch Trojano, in
der Tat ausschlieBlich Verse von Minturno komponieren, kann dies
Orlando nicht iiber sich gewinnen. Von fiinf Numjnern (mit sieben
Tonsatzen) sind nur zwei dem Plan des Herausgebers entsprechend auf
Texte Minturno's gesetzt: >Spent'e d'amor la gloria*, eine Canzone
auf den Tod einer Dame, und das Lied eines miiden Mannes >A1 dolce
suon dell marmorar dell' onde«2) beide fiinf stimmig. Das Erscheinen
des Werkes selbst hatte Trojano schon in der Vorrede der >Discorsi«
angekiindigt3).
Es sind also die Beziehungen zur italienischen Literatur, die Orlando
in Neapel gewinnen konnte und nachweislich gewann, sehr vielgestaltig.
Angesichts der dlirftigen literarischen Denkmale, welche una bislang aus
dem Neapel des 16. Jahrhunderts bekannt sind, wird auch der Literar-
historiker die einschlagigen Texte mit Nutzen kennen lernen. Lasso
muB die Stucke von Sannazaro und d'Azzia nicht unbedingt schon
an Ort und Stelle komponiert haben ; aber Fiihlung mit dem dichterischen
Schaffen der beiden wie mit der Poesie Tansillo's hat er zweifellos
gewonnen. Dann lernt er in Neapel ausgiebig die Villanelle kennen,.
1) Vgl. iiber ihn OreBcimbeni II, 425.
2j Minturno ist ausnahmsweise im alten Musikdnick als Dichter genannt; in
den Rime des Mintnrno (k. k. Hofbibl. in Wien) feblen die Stucke. Leider ist die
Tenorstimme des ersten Buches der Sammlung ganzlich verloren und mufite von einer
Aufhahme der beiden Nummern in die S. W. vorerst abgesehen werden.
3) Auch ein zweites Buch der Musica hatte Trojano bereits vorbereitet; die
Herausgabe verhinderte der bekannte Morduberfall, welcher den verbrecherischen
Kiinstler zwang, aus Bayern zu fliichten. Tafuri, welcher in seiner Istoria degli
scrittori nati nel regno di Napoli (Nap. 1762, Tom. HI, p. II, 294 ff.) Trojano's Leben
beschreibt, hat von dem Verbrechen keine Kenntnis.
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424 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
endlich aber das Pastoraldrama, die farsa Cavaiola und die ortslibliche
Bagatellistenkomddie.
Fur lokale Einwirkung des romischen literarischen Lebens auf
unseren Meister besitzen wir gleichfalls einige Anzeichen. 1555 erschienen
bei A. Barrfc in Rom in erster Auflage die »Bime di diversi eccellentissimi
autori in vita e in morte dell' ill. SignoraLivia Colonna*. Aus dieser
Sammlung komponierte Lasso Francesco Ronconi's Sonett »S'io talhor
muovo« und publizierte es in dem namlichen Jahre in seinem Primo
libro dei madrigali a 5 voci1). Die Druckerlaubnis der Rime ist erst
vom 22. Juli datiert; dies weist auf eine personliche Verbindung mit
dem Dichter oder auf handschriftliche Mitteilung des Sonetts durch den
Lasso nachweislich personlich bekannten Verleger. Moglicherweise
machte unser Meister auch damals bereits die Bekanntschaft des Cano-
nikus am Lateran und Dichters Gabriel Fiamma, auf welchen wir unten
zuruckkommen. Auf die Stadt Rom spielt eine Stelle des Madrigals
> Alma cortese, in pit bel lembo involta* *) an, eine andere in >L'altr'ier sul
mezzo giorno«s) spricht von den papstlichen Schliisseln.
In Miinchen blieb Lasso vor allem durch seine italienischen Reisen
mit der neu erscheinenden italienischen Literatur auf dem Laufenden;
aber auch durch die zahlreichen Italiener in der Kapelle mussen stets neue
"Werke importiert worden sein, geschweige der Dichter, welche mit ihren
auswarts oder in Bayern entstandenen Produkten das herzogliche Haus liber
schlitteten. Trojano schuf sich zu seinen vier Biichern Canzone alia napoli-
tana (1567 — 69) die Rime selbst4) und unterhielt Beziehungen mit zahlreichen
italienischen Reimschmieden: Cesare Carafa, Marcio Marci, Gios. Be-
tussi, Salomon Usque, Marc. Ant. Sacchi, Giul. Salaroli, Jac. Bo-
netti, Ag. Rocchetta, GiuLBallino, derenProduktenebstzweiSonetten
Trojano's in den Dialoghi abgedruckt sind. Lasso scheint sich mit keinem
der Genannten abgegeben zu haben, auch mit Betussi nicht, dem Dichter
des Dialogo amoroso5), welcher hier mit zwei Sonetten an Herzogin
Renata und einem an Wilhelm V. vertreten ist. Dagegen verdankt
der (leider gleichfalls unvollstandig erhaltene) Gesang »Ben convenne
madonna* — nach Angabe des Musikdruckes6) von Don Giovanni Man-
rique — seine Entstehung Orlando's Beziehungen zum kaiserlichen
Hofe in Wien. Der Dichter war Kammerer Maximilians II., wie aus
1) S. W. n, 58.
2) S. W. II, 79ff.
3) S. W. II, 9ff. »a pie di sette colli.*
4) Vogel a. a. 0. II, 254 ff.
5) Venedig 1543, Pozzo.
6) Mvsica de Virtuosi usw. I, 1569.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 425
den Dedikationen ib™ gewidmeter Werke hervorgeht 1). Im iibrigen
sorgten Lasso's haufige Reisen jenseits der Alpen weiter dafiir, daB
die Beziehungen auch zur alteren italienischen Literatur nicht erkalteten.
Auch ihnen erscheint unser Meister als Gebender und Empfangender : er
bringt den italienischen Nobiles neue Kompositionen als Angebinde mit,
so 1567 dem Herzog Alphons EL von Ferrara das vierte, 1585 Mario
Bevilaqua in Verona das fiinfte Buch flinfstimmiger Madrigale; anderer-
seits aber kehrt der Kiinstler mit neuen Anregungen zum Norden zuriick.
Yon seinen friihesten Werken an hat Lasso Dichtungen komponiert,
welche sich als italienische Lokalpoesien im engeren Begriff verraten;
dies hatte keinen Sinn, wenn wir nicht auch den Tonktinstler gleich dem
Dichter an Ort und Landschaft Interesse nehmen lassen. In >Alma
real, dignissima d'impero*') geschieht des Berges Calpe in Andalusien
Erwahnung; dies weist die Dichtung ins spanische Milieu, also Lasso's
mailandische oder neapolitanische Zeit3). >Vatene lieta omai, coppia
d'amici* 4) wiinscht zwei Freunden gluckliche Seefahrt, ein Vorwurf , der
auf eine der italienischen Stadte oder Antwerpen paBt. Scharfer tritt
der ortliche Hintergrund hervor in der Sestina »Del freddo Reno alia
sinistra rivac»). Ort der Handlung sind hier die Ufer des Reno, des
kleinen FluBchens, das, aus den Apeninnen kommend, die Gebiete von
Bologna und Ferrara durcheilt. >Qual nemica fortuna« 6) gehort zu den
Alphons II. gewidmeten Madrigalen; in ihm diirften wir eine An-
spielung auf Ferrara und hinter dem »BJb degli altri, superbo altero
fiume* und >de l'ltalia il maggior fiume« den Po zu suchen haben. Auf
Mantua, wo sich Lasso ja auch wiederholt aufhielt, deutet das reizende
Stuck »Chi non sa, come spira« 7) mit seinem Preis des Mincio. Aller
Wahrscheinhchkeit nach haben wir es speziell in den zwei letzten Fallen
mit doppelten Gelegenheitsschopfungen zu tun, indem Orlando durch
seine Beziehungen zu den Hof en von Ferrara und Mantua sich veranlafit
sah, die fraglichen Gelegenheitsgedichte zu komponieren. Hier soil dann
schlieBlich auch von zwei weiteren Gelegenheitskompositionen die Rede
sein. Im November 1565 verheiratete die Statthalterin der Niederlande,
Margaretha von Parma, zu Briissel ihren Sohn Alessandro Farnese
1) 1569 widmete ihm Mass. Trojano, 1672 Qiov. Pietro Cottone musikalische
Werke. (VgL Vogel a. a. 0.)
2) 8. W. YHI, Nr. I, 17.
3) Im hentigen Italienisch bedeutet Calpe bildlich eine weitab gelegene Gegend.
4) s. w. vm S. 19 ff.
5) s. w. vm S. 1 ff.
6) S. W. IV, 128 ff.
7; S. W. VI, 113 ff.
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426 Adolf Sandberger, Roland Lassue' Beziehungen zur italienischen Literatur.
mit Maria von Portugal1). Wir besitzen nun von Orlando ein
Hochzeitslied »Vieni dole' Imeneno* zum Preis eines brautlichen Paares
»Alessandr' e Maria*1) und ein Liebesliedchen an » Maria*, das von
Wiedersehen nach langer Trennung singt: »Quando fia mai quel giorno*8].
Beide Stiicke erschienen in derselben Sammlung 1570 im Druck. Die
Umstande legen es nahe, in ihnen Huldigungen Lasso's an das Braut-
paar Farnese-Portugal zu erblicken. Denn zu Margarethe's Minister
Granvella wie zu Margarethe selbst hegte Lasso bekanntlich nahere
Beziehungen ; die Gepflogenheiten der Zeit machten es ihm zur Pflicht,
sich unter den Gratulanten (und als Kiinstler nicht mit leeren Handen)
einzufinden, und schlieBlich stehen die Daten der Dedikation und Druck-
legung in einem Verhaltnis, wie es sich in ahnlichen Fallen bei Lasso
ofter findet.
n.
"Wir wenden uns nunmehr zur zweiten Seite unserer Aufgabe, der
Untersuchung jener Beziehungen Lasso's zur italienischen Literatur,
welche sich unserem Meister aus der allgemeinen zeitgenossischen Bil-
dungssphare heraus ergaben.
Der Abgott des Renaissancemenschen war auf dem Gebiet der Lyrik
im 16. Jahrhundert Petrarca. Die Dichter der Zeit verehrten ihn als
hochstes Muster, betrachteten es als ihre schonste Aufgabe, seiner Art
nachzutun. Petrarca lag in der Luft. Dies beweisen auch die Paro-
dien, die Berni auf ihn machte, und Petro Aretino's Spott. Auch
wer der Dichtung sonst ferner stand, muBte den Canzoniere eifrig stu-
dieren, wollte er nicht fur einen Barbaren gelten, wollte er nicht Gefahr
laufen, am Ende einmal eines der eifrig angewandten Zitate aus Petrarca
nicht zu verstehen. Weitschichtige Kommentare leisteten dem Verstandnis
der Studierenden Vorschub; wie stark aber muBte bei dieser Sachlage
der Dichter auf besonders empfangliche Gemiiter wirken, zumal, wenn
sie auch ihr Beruf mit der Lyrik Fiihlung suchen lieB. Den Tonkiinstlern
muBte Petrarca aber noch besonders lieb und wert sein, nicht nur
durch das latent Musikalische , das EbenmaB und die melodische Fiille
zusammentreffender Vokale in seinen Poesieen, sondern auch durch seine
1) Vgl. hierzu Cast an, A., Les Noces d' Alexandre Farn^se et de Marie de Portu-
gal. Narration faite au Cardinal de Granvelle usw. In Memoires . . . publiees par
Tacademie royale de Belgique. Bruxelles 1888, Tome XLI.
2) S. W. VJULl. Nr. I, 24. — Hochzeitsliedern begegnen wir in der ital. Vokal-
literatur des 16. Jahrhunderts wiederholt. Auch diese Spezialitat wurde in die Oper
aufgenommen, besonders von den Franzosen gepflegt und hat sich bis heute darin
erhalten (vgl. Chabrier, Gwendoline). — Uber das altitalienische Epithalam siehe
Crescimbeni I, 256.
3) S. W. VHI, Nr. I, 22.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 427
Person, als der Mann, der sich wiederholt als begeisterter Freund der
Musik bekannt hatte, ja selbst ein fiir seine Zeit vortrefQicher Lau ten-
spieler gewesen sein soil.
Bei Lasso steht denn auch Petrarca im Mittelpunkt der dichte-
rischen Interessen. Immer wieder kommt unser Meister auf ihn zurtick,
seine Verse begleiten ihn von Anfang bis Ende seiner Laufbahn. 1555
veroffentlicht Orlando die ersten, 1590 das letzte der durch Petrarca
angeregten Stiicke. Selbst im funften Bach der fiinf stimmigen Madrigale
und der >Sammlung Mermann*, in denen der geistliche Dichter Gabriel
Fiamma (s. u.) dominiert, behauptet sich Petrarca mit Ehren. Als
Zusammenfassung zweier literarischer Bichtungen ist das erwahnte fiinfte
Buch, das nur Dichtungen von Petrarca und Fiamma zugrunde legt,
gerade besonders interessant. Im ganzen haben 64 Nummern von Lasso's
italienischen Kompositionen petrarchische Texte; und da viele dieser
Nummern zwei, manche bis zu sechs Teilen aufweisen, haben wir im
ganzen 94 hierher gehorige Tonsatze zu verzeichnen. Mit welchem Ge-
schmack aber hat Orlando in des grofien Aretiners Canzoniere aus-
gewahlt! Doch hier muB ich den Leser bitten, selbst Petrarca zur
Hand zu nehmen, und Orlando bei seiner Auswahl zu folgen. Kompo-
niert sind:
In vita di Madonna Laura:
Sonette: 1 (S. W. IV)1) Voi ch' ascoltate,
22 ( » » II) Solo e pensoso,
52 ( > > VI) Io son si stanco sotto '1 fascio antico,
55 ( » » VJLLL) Occhi, piangete,
82 Terzette (S. W. II) Or qui son, lasso,
85 2 Quartette und Terzette (S. W. IV) Amor mi strugge '1 cor,
86 Quartette (S. W II) Poi che '1 cammin,
97
(S.
W.
II) Quando '1 voler,
•99
>
»
X) Che fai, alma?
108
»
>
II) In qual parte del Ciel,
112
»
>
IV) Amor, che vedi ogni pensiero aperto,
114
defekt)
Come '1 candito pie,
117
S.
w.
II) Pien d'un vago pensier,
120
»
II) 0 invidia, nemica di virtute,
122
>
II) Fera stella,
161
>
IV) Tutto '1 di piango,
169
>
X) S'una fede amorosa,
174
»
II) Cantai; or piango,
183
>
IV) L'alto signor,
194
Viil) In dubbio di mio stato (zweimal komponiert),
206
Terzette (S. "W. Viil) Vivo sol di speranza.
1) Die Seitenzahlen ergeben sich aus den Begistern der einzelnen Bande.
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428 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
Sestina: I, 3, 6 (S. W. II) Quando la sera; Con lei foss'io,
IV, 1, 4, 6 (S. W. VI; defekt X) Chi e fermato; Come lume di
notte; S'io esca vivo,
VI, 6 (S. W. H) Guarda '1 mio stato,
VII, 6 ( » > Vm) Deh or foss' io,
VTH, (8. W. IV) La ver l'aurora,
Canzone: III, 2 (S. W. IV) II tempo passa,
VII, 5 ( » »VIII) Perchio veggio,
Xm, 1 ( » > X) Di pensier in pensier,
XVI, 1, 5 (S. W. H; Vm) Ben mi credea; Chi nol sa di ch'io vivo.
In morte di Madonna Laura:
Sonette: 4 (8. W. IV) La vita fugge,
IV) Che fai? che pensi?
IV) Come va '1 mondo,
VJLLlj Soleasi nel mio cor,
IV) Quanta invidia io ti porto,
II) Mentre che '1 cor,
IV) Quel rossignuol,
VIH) 0 tempo, o ciel volubil,
IV) I'vo piangendo i miei passati tempi,
W. H) Mia benigna fortuna,
II) Crudele, acerba, inesorabil Morte,
Sestina: { 4 ( » > IV) Gria mi fu col desir,
► VULL) Nessun visse giamai,
► IV) Se si alto pon gir,
Canzone: I, 7 (S. "W. II) Pon freno al gron dolor,
HI, (S. W. II) Standomi un giorno.
Trionfi: d'Amore Cap. IV, 61—66 (S. W. IV) 0 fugace dolcezza,
della Morte Cap. I, 85—90 (S. W. IV) Miser chi speme,
dell Morte Cap. II, 1 ff. (S. W. VITL) La notte che segui,
deUa Morte Cap. II, 178—183 (S. W. VI) Vedi l'Aurora,
della Fama Cap. m, 1 — 6 (S. W. VI) Jo non sapea,
del Tempo 55—60 (S. W. VIII) Seguii gia,
del Tempo 70 — 78 (zweimal komponiert, S. W. VI u. X) Or vi
riconfortate,
del Tempo 109—115 (S. W. VI) Un dubbio verno,
del Tempo 112 — 115 (S. W. X) Passan vostri trionfi,
della Divinita 1 ff. (defekt) Da poi che sotto '1 ciel.
Nur aus den Sonetten nnd Canzonen verschiedenen Inhalts ist keine
Komposition Lasso's nachweisbar ; im iibrigen wird der Vergleich lehren,
dafi kaum eine der Dichtungen f ehlt, welche durch die Jahrhunderte von
den Kennern gepriesen wurden. Jeder der feinen Stimmungsniiancen,
die Petrarca's Gebilde mannigfaltig machen, ist Rechnung getragen.
Der dem Dichter eigentiimliche ruhige Schmerz, in welchem das Bittere
sich mit einer geheimen SiiBigkeit mischt, die siiUe Melancholie, das trau-
mende Schwanken von der Hoffnung zum Schmerze, vom Schmerze znr
Hoffnnng, diese Stimmungen hat Lasso nicht nur in ihren beiden schon-
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Adolf Sandberger, Roland Lassus1 Beziehungen zur italienischen Literatur. 429
sten AuBerungen »Oantai; or piango* und »Di pensier in pensier*1),
sondern zahlreichen im Grundton ahnlichen, in der Ausfiihrung verschie-
denen Gebilden musikalisch verkorpert. Mit besonderem Gltick aber wahlt
Orlando aus jenen Gedichten, in denen sich Petrarca's Vorziige mit
seinen Fehlern, mit Affektation und Rhetorik verbinden. Dann aber folgt
er dem Dichter wohl auch einmal in die dunstige Region seiner gesuch-
testen und geschraubtesten Phantasien, wo dieser Augen und Herz streiten
laBt, wer von beiden die grausame Liebespein zumeist verschulde, wo
er versichert, Laura zu lieben, wenn sie ihm auch sein Liebesgliick be-
neidet, wo er die G-eliebte erst grausam nennt, weil sie ihn zur Tugend
fiihrte, und dann bereut und ihr dankt.
Zur Psychologie Lasso's bieten seine Beziehungen zu Petrarca
wichtige Erkenntnisquellen. Wie kontrastiert der dem Meister offenbar
innig sympathische Ton der erotischen Elegie mit den burlesken AuBe-
rungen so vieler seiner Brief e! Von Tonkiinstlern gilt: sage mir, was
du komponierst, und ich sage dir, wer du bist. In Orlando's Auswahl
nun schlagt jene Stimmung vor, in welcher der Dichter seine innere "Welt
in Freude am Schmerz beobachtet, analysiert und darstellt: > Wenn Pe-
trarca stirbt, ist dies seine BuBe fiir Lauras Schuld; Staub und Tod
beneidet er, weil sie die Geliebte umf angen ; er trostet sich, weil man ihn
dereinst um seine Liebe beneiden wird; das Mitleid um Laura, die Er-
krankte, steigert seine Glut ; die UngewiBheit des Wiedersehens erschreckt
ihn so, daB er sich selbst nicht mehr kennt; er gewahrt, daB bei seiner
Liebe auch Eitelkeit im Spiele war« usw., usw. — alle diese Visionen hat
unser Meister zu den seinen gemacht. Auch das warme Naturgefuhl,
welches in der Brust Lasso's lebte, ihn Erquickung im lieblichen Amper-
tal suchen lieB, kommt bei Petrarca zu seinem Recht, wie in >Qual
rosigniuol« oder dem bekanntlich von Burger nachgeahmten Sonett >Solo
e pensoso2).
Eine Berlicksichtigung der mehr religios-ernsten Gebilde des Aretiners
neben seiner spirituell-sinnlichen Weise tritt freilich erst in Orlando's
spateren Tagen durchgreifender ein, im Zusammenhang mit des Meisters
veranderter Geistesrichtung. Hier kommen besonders in Frage Sestina IV
in vitam di M. Laura 1, 4, 6; Sonetti in mortem di M. L. 26, 85;
Trionfo del Tempo3) 70—78, 109 — 114 usw. Aber gerade an Lasso's
Beziehungen zu Petrarca ist es besonders interessant zu beobachten, wie
in seiner Psyche die Gefiihlswelt der Gegenreformation allmahlich auch
auf diesem musikalischen Gebiet neben jener der Renaissance ihre Forde-
1) Gaspari I, 460 ff.
2) Auch Segni gia (Trionfo del tempo 65-60) mag personliche Bedeutung haben,
wenn der Meister 1684 singt >Ich bin ein Greis, heut fruh war ich ein Knabe«.
3) Man beachte die zweimal komponierten Stellen.
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430 Adolf Sandberger, Eoland Laasua' Beziehungen zur italienischen Literatur.
rungen erhebt; auch macht erst dieser Vorgang Orlando's Verhaltnis
zu Petrarca zu einem allseitigen, erschopfenden.
Nicht minder aktuell als die Pflege Petrarca's betrieb die Gesell-
schaft der Renaissance die Lektiire des groBten zeitgenossischen Dicht-
werks, das Machiavelli »tutto bello e in molti luoghi mirabile* genannt
hatte, des > Orlando furioso*. Den Komponisten freilich kam hier Ariost
weit weniger entgegen; als episches Heldengedicht bot der rasende Roland
der Musik a priori keineswegs zahlreiche Angriffspunkte.
Es ist nun wiederum hochst interessant zu sehen, wie fein Lasso mit
Ariost's Poem verfuhr. Den erzahlenden Partien bleibt er fast aus-
schlieBlich feme; dagegen halt er sich an die Sentenzen, die bei Ariost
so anmutig aus dem Erzahlten flieBen und zu neuen Dingen hinfiber
leiten, und an jene Stellen, wo nach ausfiihrlicher Schilderung der Situa-
tion der Dichter schlieBlich seinen Personen selbst das Wort erteilt. Aus
der bunten "Welt der berichteten Abenteuer hebt Lasso hier gewisse
Kernpunkte her aus; er verdichtet sich den Hauptgehalt des Poems in den
wenigen von ihm auserlesenen Texten.
So begegnen wir in »Non vi vieto per questo« *) dem Rat, den Ariost
angesichts Biren's Untreue gegen Olympia den Frauen erteilt; in >Spesso
in poveri alberghi* 2) der Eroffnungssentenz des vierundvierzigsten Gosanges:
>Oft wird in Mangel und in Kiimmernissen,
In armen Hiitten unter niederm Dach,
Das Herz zur Freundschaft starker hingerissen,
Als im Palast, im glanzenden Gemach* usw.
deren Wahl noch weitere Bedeutung gewinnt, da sich dies Stuck in der
den Augsburger Fuggern gewidmeten Sammlung befindet. Unserem
heutigen Musikempfinden aber erscheinen zweifelsohne gerade diese beiden
Oktaven durch das Kunstmittel der vokalen Polyphonie besonders gliick-
lich interpretiert, wahrend wir der Komposition der nachfolgenden Stellen
nur mit Zuhilfenahme des historischen Sinnes vollig gerecht zu werden
vermogen.
Zweimal befaBt sich Orlando Lasso mit der Greschichte Bradamantes.
Das vierstimmige Madrigal >Di qua, di la va le noiose piume* schildert
uns die ruhelose Sehnsucht der Jungfrau nach Ruggiero, der in Mar-
fisa's Liebesfesseln liegt, das funfstimmige >Come la notte ogni fiammella
e yiva« ihre Klagen um den in Theodoren's Eisenfesseln schmachtenden
Geliebten. Mit sichtlichem Bedacht sind diese beiden Stellen in Parallele
gebracht3). Den Abenteuern Angelicas aber zollt der Meister nicht nur
I) Vierstimmig. Ariost X, 9. S. W. VIII, S. 27.
2/ Vierstimmig. S. W. Vm, Nr. I, 30. Ariost XLIV, 1. Ubersetzung von
Q-ries, Leipzig, Reklam II, 483.
3) Ariost XXXH, 13 und XLV, 37.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italieniachen Literatur. 431
1569 Tribut, indem er Sacripants Liebesklagen »Pensier, dicea, che '1
cor m'agghiacci ed ardi« in Musik setzte *), bereits 1555 und 1559 hatte er
die Oktaven 126 u. 127 dee 23. Gesanges komponiert3). Mit ihnen aber griff
der Meister zu einem Kulminationspunkt des ganzen Orlando furioso,
jenen Vorgangen, die Orlando's Raserei herbeifiihren. Der Held bat
den Ort an der Quelle entdeckt, wo Angelica und Medoro gliicklich
waren, er findet die Namen der Liebenden im Grestein eingegraben, der
Hirte muB ibn vollig aufklaren, Orlando hat auf dem Brautlager der
beiden, dem Grab seiner eigenen HofEnungen, geruht; nun stiirzt er bei
Nacht aus dem Haus und gerat wieder an die Quelle. Dort
. . . spesso dice a se cosi nel pianto:
»Queste non son piu lacrime, che foore
Still6 da gli occhi con si larga vena . . .«
> Quest i, ch'inditio fan del mio tormento
Sospir non sono, ne i sospir son tali . . .<
Und zu einem anderen Hohepunkt der Dichtung leiht Lasso seine Tone,
als er Zerbino's letzte Worte in Musik setzt Zerbino stirbt an der von
Mandricardo empfangenen Wunde; » seine letzten Momente sind der Liebe
geweiht, der Sorge urn sie, die allein zu lassen ihn mehr scbmerzt als
der Tod, und die ungliickliche Isabella neigt sich uber ihn und empfangt
von seinen Lippen den letzten Hauch*3):
>Cosi cor mio voglia te (le diceva)
Da poi ch'io sard morte amarmi ancora . . ,«4)
Ich sagte vorhin, nur mit Zuhilfenahme des historischen Sinnes ver-
mochten wir diesen Kompositionen voll gerecht zu werden; ihre Wtirdi-
gung gelingt uns nicht allein, wenn wir, wie die Kunst des 16. Jahr-
hunderts gebietet, damit vertraut sind, Ergusse von hochster Subjektivi-
tat im musikalischen Ausdruck vokaler Polyphonie auf uns wirken zu
lassen. "Wir haben bei diesen Stiicken auch zu bedenken, daB dem Horer
des 16. Jahrhunderts die Worte der dichterischen Personen zugleich die
Kulminationspunkte der Szenen waren, daB er im Fluge seiner Phantasie
den ganzen Vorgang wiederum Iiberschaute, wenn ihm in den ersten
Tonen des Musikers die Worte der endlich sprechenden Personen gleich-
sam als Stichworte des dichterischen Hohepunktes erklangen. Erst diese
Erkenntnis entbindet in den musikalischen Kunstwerken die voile, ihnen
in jener Zeit innewohnende Ausdrucksgewalt und zwingt auch uns in
ihren Bann. Erst jetzt aber verstehen wir auch Lasso's Verhaltnis zu
1) Funfstimmig. Ariost I, S. 41. S. W. VI, S. 123 ff.
2; 126 vierstimmig. S. W. VIH, 13; 127 funfstimmig S. W. n, 132.
3) Gaspari II, 434.
4; Ariost XXIV, 78. S. W. VI, 80.
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432 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Liierator.
Ariost vollig, dem es gelingt, in den wenigen Oktaven des Dichters
Kernpunkte des ganzen Orlando furioso musikalisch einzufangen.
In richtiger asthetischer Erkenntnis ist Lasso den ironisierenden
Partien im Orlando ferngeblieben. Einmal aber lasst er sich verleiten,
eine der Schilderungen Ariost's in Musik zu setzen. Canto VII, 11
beschreibt der Dichter die triigerischen Reize der Alcina mit der angst-
lichen G-enauigkeit Bocaccio's in derlei Dingen, ihre Gestalt, ihre Locken-
haare, die Wangen, Stirn, Augen, Nase, Mund, Zahne, Hals, Bnsen usw. ;
durch fttnf Oktaven zieht sich die Kleinmalerei hin. Lasso hat sie alle
fiinf komponiert *) ; dies ist eines der sprechendsten Zeugnisse fur seine
enge Zugehorigkeit zur italienischen Renaissance. >Das Kunstideal dieser
Zeit ist Darstellung der irdischen Realitat in der ganzen Pracht und
Ftille ihrerFormen; ihr vollendetster kiinstlerischer Typus, wie sie es im
Altertum gewesen, die menschliche Gestalt in ihrer Unverhiilltheit1).*
Treffend bemerkt Gaspari, daB die Aufgabe, welche sich Ariost hier
gestellt hatte, eine solche der bildenden Klinste war, mit denen die Poesie
in ihrer Losung nicht wetteifern konnte. Noch weniger werden wir der
Musik die Fahigkeit zugestehen, sich hier mit Plastik und Malerei in
einen erfolgreichen Wettstreit einzulassen. Aber wie Ariost das Pro-
blem lockte, so zog es auch Lasso an; der Mensch der Renaissance in
ihm siegt iiber den Musiker in specie3). Das Werk Orlando's »Sex
Cantiones latinae« etc. (Monachij 1573, Adamus Berg), in welchem die
Komposition dieser S telle enthalten ist, enthalt auch »Spesso in poverf
alberghi* und war, wie erwahnt, den Dominis Marco, Joanni, Hieronymo
et Joanni Jacobo etc. Fuggeris zugeeignet4). In diesem Opus sind Ge-
sange in vier Sprachen vereinigt, eine hiibsche Anspielung auf die ge-
lehrte Bildung und internationale Stellung der Fugger. Die Beziehungen
der Augsburger Patrizier zu Italien wurden hiebei nicht iibel beriick-
sichtigt, wenn unser Meister mit sechs Oktaven Ariost's und einem
Sonett Petrarca's den italienischen Teil der Sammlung bestritt. Unter
sich aber stehen die flinf, Alcinen gewidmeten Stiicke mit ihrem sinn-
lichen dichterischen Milieu dann wieder im schonsten Gegensatz zu dem
ejnsten Ton des >Spesso in poveri alberghi.« Im besondern sind diese
Tonsatze natiirlich auch fur die Kultur der Renaissance in Miinchen
bedeutungsvoll. Die bayerischen Herzoge erwarben nicht nur antike Bild-
1) S. W. VIH. Nr. I, 26 ff.
2; Gaapari II, 436.
3) Dasselbe gilt von der Komposition des Kap. HI, 1 — 6 von Pet r area's Trionfo
della Fama (. . . Volsimi da man manca, e vidi Plato . . .).
4; Lasso nennt dieselben im Yorwort >G-ebriider€. Es sind die Brtider Marcus JX
(+ 1597;, Hieronymus (gestorben im Jahre der Dedikation, 1573\ J oh an n III.
(f 1598), Herren von Kirchheim und Norndorf, und ihr Vetter Hans Jakob.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 433
werke und Mlinzen, fiillten ihre Bildersale mit kostbaren Gemalden, be-
reicherten ihre Kunstkammer mit Kleinodien und Schmiedewerken,
schmiickten ihre Gemacher mit den prachtvollen Tapeten und Stoffen der
Renaissancezeit 1), in diesen Raumen erklangen auch die Verse Petrar-
ca's und Ariost's, getragen von den wundersamen Harmonien Lasso's
des in seiner Vielseitigkeit grofiten Meisters des Sinascimento.
Es erscheint zweckmaBig, urn das MaB des kiinstlerischen Scharf-
sinnes, den Lasso gegeniiber dem Orlando furioso bewahrt hat, richtig
wiirdigen zu konnen, auch einmal das Verhaltnis eines anderen zeit-
genossischen Komponisten zu Ariost ins Auge zu fassen.
Im Jahre 1561 edierte Jacques Berchem sein >Primo, secondo et
terzo libro del Capriccio . . . con la Musica da lui composta sopra le
Stanze del Furioso* (Venetia, Ant. Gardano)2). Eine reiche musika-
lische Auslese wird uns da geboten, nicht weniger als 93 Oktaven unseres
Dichters. Auch Berchem bringt darunter die Erzahlung von Rolands
beginnender Raserei, den Tod Zerbino's, Bradamante's Klagen urn den
an Marfisa gef esselten Ruggiero ; aber der Tonsetzer beschrankt sich nicht
auf die Worte der handelnden Personen, auf die Stellen subjektiven Aus-
drucks und damit sowohl auf die Kernpunkte der Episode als die einzig
richtigen AngrifEspunkte fur die Musik, sondern er komponiert vorzugs-
weise die erzahlenden Stanzen. Berchem stellt sich seine Episoden
selbst zusammen, oft mit starken Auslassungen, aber der Schwerpunkt
liegt bei ihm auf der Schilderung. So wird von Rolands Wahnsinn be-
richtet, indem uns Berchem in extenso die Oktaven 125 — 133 des drei-
undzwanzigsten Gesanges vorfiihrt; nur eine Oktave bleibt weg, Rolands
Worte in Oktave 127 ; dafiir aber ist ein weiteres Stlick Erzahlung (XXIV,
4 — 7) in dem Bericht von Rolands ersten Wahnsinnstaten beigefiigt.
Ebenso gibt Berchem den Tod Zerbin's mit XXIV, 77—81. 83, 85, 86,
indem er die Worte Isabellen's und Zerbin's kiirzt, die Schilderung aber
vollig ausfiihrt. Eine Ausnahme machen nur Bradamante's Klagen im
zweiunddreiBigsten Gesang (18 — 23, 37, 38, 40, 43, 44); dagegen erhalten
wir die Erscheinung Argalia's (I, 27 und 29), die Klagen Sacripant's urn
Angelica und deren Betrug (I, 41 (3—8), 44, 48, 54) ebenso erzahlend
vorgefiihrt wie das, was Angelica mit dem liisternen Eremiten erlebt,
vne sie von den Madchenraubern ergriffen und dem Kraken vorgeworfen
wird (VH, 38—42, 44, 48, 62—66). Haben wir in diesen Schopfungen
bemerkenswerte Anfange musikalischer weltlich-epischer Gestaltung zu
1) Vgl. Stockbauer, die Kunstbestrebungen am bayer. Hofe unter Herzog
Albrecht V. und seinem Nachfolger Wilhelm V. In Eitelberger's Quellen-
schriften far Kunstgeschichte Bd. 8, Wien 1874 S. 1 ff.
2) Andere Kompositionen laseen sich unschwer an Hand von Vogel's Biblio-
graphic ermitteln, z. B. B. S. di Nardo (Vogel II, 6).
S. d. I. M. v. 28
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434 Adolf Sandberger, Boland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatar.
erkennen, so ist doch Lasso's Yerfahren gegenliber dem Gedicht
Ariost's als Ganzem das unendlich mehr kiinstlerische. Berchem aber
verfolgt seine Weise so hartnackig, daB er schlieBlich auch vor den zur
Komposition ganzlich ungeeigneten ironischen Stellen bei Ariost nicht
Halt macht; so begegnen wir der (zur Strafe fur ihre Kalte auf Erden
in der Unterwelt in den Rauch gehangten Lydia, also jener Parodie
Ariost's auf Dante's Francesca von Rimini1); wir begleiten Astolfo
ins irdiscbe Paradies und auf den Mond, entdecken den auf Flaschen
gezogenen Yerstand Rolands, horen die Satiren auf die Gnadenangeln
und geplatzten Schmeichel-Heimchen, ja erleben schlieBlich auch musi-
kalisch mit, wie Boland der destillierte Yerstand wieder durch die Nase
zugefuhrt wird (XXXIV, 4-6, 9, 11, 44, 48, 52, 54, 62, 65, 67, 76,
77, 80, 82, 83, 87; XXXTX, 36, 46, 47, 57). Diesen MiBgriff vennag
auch der Titel >Capriccio< nicht zu rechtfertigen.
Nachdem Orlando den beiden groBen Meistern seinenTribut gezollt
hatte, lag es nach dem damaligen Stand der italienischen Literatur mit
ihrer quantitativ unenneBlichen Produktion von lyrischen Gedichten fur
ihn nahe, unter den »£ime« seiner unmittelbaren Zeitgenossen Umschau
zu halten. Hierzu standen ihm zahlreiche gemischte Sammlungen und
noch zahlreichere geschlossene Canzonieri der einzelnen Dichter zur Ver-
fiigung. Indes hat sich auch hier der Meister zweifellos nicht auf die
Lyrik allein beschrankt; dies geht klar aus der Fassung so mancher
Texte, welche auf die Szene verweisen, hervor2). Yon den iiber hundert
.Tragodien und Komodien, welche ich zu prtifen Gelegenheit hatte, ent-
halten wohl manche die bekanntermaBen eingelegten Madrigale odor den
Text der Chore (z. B. Giraldi's Orbecche, Altile, Arrenopia, Eufimia,
Epitia, Selene; Varchi's Suocera; Alamanni's Flora; Macchia-
yelli's Mandragola; Gelli's Errore; die Comedia del furto, zu welcher
Musik yon Corteccia bekannt ist; Pino's Ingiusti sdegni, in deren
Prolog die Komodie als Yereinigung von Musica, Pittura und Historia
gepriesen wird); ein von Lasso komponierter Text aber ist aus all diesen
Stiicken nicht nachweislich.
Ergiebiger zeigt sich die Untersuchung von Sammlungen »Bime«.
Finden wir in solch einer Anthologie oder ihren Nachdrucken mehrere
von Lasso komponierte Gedichte vereinigt, welche vereinzelt auch in
anderen Kollektionen erscheinen, so liegt der SchluB nahe, daB der
Meister eine jener Quellen benutzt habe, besonders wenn sich aus einem
Yergleich des dichterischen und musikalischen Drucks chronologische An-
1 Gaspari II, 441.
2) Z. £. Arse la fiamm' e consumd Pardore; Ecco che pur vi lasso; Ornando come
suole; DelP auro crin Tasainia bella. S. W. VI, 83; 92; 154; VIII, Nr. II, 6. Das
erste Stiick ist vier-, das dritte sechs-, die beiden anderen sind funfstimmig.
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Adolf Sandberger, Roland Lauras' Beriehungen sur italienisohen Literatur. 435
stande nicht ergeben. GewiB hat Lasso, wie die Komponisten unserer
Tage, unter seinem h&uslichem Biicherschatz eine Anzahl Gedichtsamm-
lungen besessen.
Das >Libro terzo delle rime di diversi nobilissimi et eccellentissimi
autori, novamente raccolte, in Vinegia 1550, B. Cesano* enthalt drei
Poesien, welche sich einzeln aucfa in anderen Sammlungen (1556 und
1564), vereinigt aber nur in ihm vorfinden. Es sind die (xedichte »Io
son si stanco sotto il grave peso*, eine Klage wider Gott Amor yon Giov.
Guidiccioni, das nicht ganz reinliche »Quanta invidia vi porto, aure
beate« von Camillo Besalio1) und »Tra bei rubini et perle« von Giov.
Batt. Amaltheo2), deren zwei erste Orlando 1557 und 1563 publi-
zierte1). Das dritte ist uns nur handschrrftlich und fragmentarisch tiber-
kommen.
Ein ahnliches Verhaltnis waltet bei den »Biroe di Diversi et eccellenti
autori, raccolti dai Libri da noi aJtre volte impressi, Vinegia 1566 « (heraus-
gegeben von L. Dolce). Hier steht das schon bekannte >Euro gentil*
von Giov. Battista d'Azzia und das resigniert ironische »Volgi cor mio«
von Fortuno Spira4), von welchen das erste 1557, das zweit^5) 1570
yerof entlicht wurde. Aus diesen Jahrzahlen erhellt, daB Orlando z. B.
die zweite Auflage, erschienen 1564, dieser engeren Auswahl nicht
benutzt haben kann, obwohl auch sie die zwei genannten Nummern
enthalt.
Yon den uns durch diese beiden Sammlungen iiberlieferten Dichtern
gehort nur Giovanni Guidiccioni zu den hervorragenderen Erschei-
nungen des damaligen literarischen Italien; die Komposition von >Euro
gentil< erklart sich aus Lasso's personlichen Beziehungen zum Marchese
d'Azzia. Es bleiben also von Werken unbedeutender Petrarchisten,
soweit unsere Kenntnis reicht, nur drei Nummern; und dabei kann
man nicht einmal behaupten, dafi gerade diese Gedichte besonders
schwach seien.
Das hervorragendste lyrische Talent billigten seine Zeitgenossen dem
Pietro Bembo zu; niemand kam nach ihrer Ansicht Petrarca naher,
denn er. So greift auch Orlando zu dieses Dichters Canzoniere und
komponiert fiinfstimmig das demtltige > Bella guerriera mia«8) und zu
gleicher Stimmenzahl »Che giova posseder cittadi e regni.e Letztere
•Dichtung ist eine (Nr. 42) jener Stanzen, welche von Bembo selbst und
1) Crescimbeni a. a. 0. IV, 226.
2) Ebenda III, 87.
3) S. W. II, 139 und IV, 32. Beide aind funfstiminig.
4} Crescimbeni IV 95.
6) S. W. II, 127. Funfstimmig.
6) Eime Ven. 1547 Bl. 9a; S. W. IV, 3a
28*
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436 Adolf Sandberger, Roland Lassos1 Beziehungen zur italienischen Literatur.
Ottaviano Fregoso in der Yerkleidung zweier Gesandten der Liebes-
gottin am Hofe von Urbino rezitiert wurden1); ihre Wahl macht auch
Lasso's Freimut Ehre, da er in Tonen verkundet, wie der Tod auch
die GroBen der Erde in Elend und Yerlassenheit hinwegraffen konne.
Wer sich je mit dem musikalischen Madrigal beschaftigt hat, dem
muBte auffallen, wie selten sich der Begriff der musikalischen Form mit
der dichterischen deckt. Die tiberwiegende poetische Grundlage des musi-
kalischen Madrigals sind das Sonett und die Canzone, oder Canzonen-
teile. Das Verhaltnis erklart sich schon aus der Fiille des Angebots
von Sonetten gegenuber der dichterischen Madrigalproduktion. Umsomehr
mufite der denkende Musiker dem poetischen Madrigal Aufmerksamkeit
schenken; dies hat Orlando nicht unterlassen und entnahm den Madri-
galblichern des vornehmen Piacentiners Luigi C as sola, eines der besten
Vertreter der Gattung2), die Liebesklage >0 dolci parolette* (1564), denen
des Dichtermusikers Girolamo Parabosco8) >Voi volete ch'io rnuia*
(1577).
Ranke sagt, dafi wir jenes Moment, welches (seit den vierziger Jahren
des 16, Jahrhunderts) alien Bestrebungen in der Kunst und der allge-
meinen Literatur neues Leben gab, die Restauration der kirchlichen Ideen,
in ihrer Wirkung auf die Poesie zuerst an Tasso wahrnehmen4). Dies
gilt vor allem von der >Gerusalemme liberata* mit ihrem Stoff, dem ersten
Kreuzzug, und mancherlei kirchlich-reaktionaren Ziigen der Ausfiihrung.
Wenn wir Orlando's Beziehungen zu Tasso hier vor Betrachtung seines
Verhaltnisses zur Literatur der Gegenreformations-Epoche erwahnen, so
liegt dies daran, dafi, soweit nachweislich, Lasso nur ein einziges und
zwar erotisches Poem Torquato's komponiert hat: »Ardo si, ma non
tamo*5), dies aber zweimal in grundverschiedenen Kompositionen. Die
Stucke wurden 1585 veroffentlicht6) und wir ersehen mit Interesse, mit
welcher Sorgfalt Lasso die Dichtungen seines grofiten kunstverwandten
Zeitgenossen behandelt hat; dafi er aus der »Gerusalemme liberata«, ent-
gegen d'India, Mazocchi, Massaini u. A., nichts komponierte 7), ist
nur ein weiterer Beweis seines feineren asthetischen Empfindens.
1) Glassici italiani Vol. 65 (Rime di Pietro Bembo) S. 111. Milano 1808. S. W.
VI, 110.
2) Crescimbeni I, 185 u. IV, 93. Vgl. Cassola, Madrigali, Vinegia 1555, S. 60.
Lasso's Text zeigt verschiedene Abweichungen von diesem Dmck. S. W. Nr. II, 4.
Funfstimmig.
3) Uber ihn als Dichter Crescimbeni IV, 75; Parobosco, il primo libro di
Madrigali, Ven. 1551. Leider ist Lasso's Musik nur fragmentarisch erhalten. Funf-
stimmig.
4) Zur Geschichte der italienischen Poesie. Berlin 1837, S. 84.
5) Rime, ed. Rossini, Pisa 1882, II, 251. Lasso's Text zeigt Abweichungen.
6) S. W. Vm, Nr. II, 12a u. 12b.
7 J Ein Verzeichnis der durch die Rime Tasso's wie durch die Teile der Gerusa-
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Adolf Sandberger, Eoland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 437
Des weiteren sehen vrir unseren Meister auch dem im 15. Jahrhundert
verbreiteten, im Laufe des sechszehnten immer starker hervortretenden
schaf erlichen Zug in der Literatur Beachtung schenken. Hierher ge-
horen die Madrigale »Ecco che pur ver« *), >Oh d'amarissime onde«,
»Silen di rose ha '1 volto« und »Or che la nova e vaga primavera* s)
mit ihrem pastoralen Charakter. »Silen di rose* gehort einer trotz ihres
auffallenden Titels »il bon bacio, madrigali pastorali descritti da di-
versi«, Ven. 1594 (absonderliche und verdrehte Titel nehmen in der Folge
noch immer mehr zu) auch textlich reizvollen Sammlung an. Die Siiingen,
Filli's, Egeria'8? Silvia's usw. befragen ihre Narcisse, Adone's, Meliseo's,
Montano's iiber die Heimat des Kusses. Der Schafer beantwortet die
Frage theoretisch, die Nymphe aber kiiBt den Schwerfilligen, entflieht
und laBt ihn in Liebesglut zuriick. Der Textdichter ist diesmal aus-
nahmsweise liber Lasso's Stiick genannt, Oamillo Camilli. Im iibrigen
weist diese Sammlung bereits auf den UberdruB der Zeit am entarteten
Petrarcismus, wie auf jene Stromung hin, in der man die beginnende
Ubersattigung mit musikalischen Madrigalen allmahlich durch allerlei Reiz-
mittel zu bekampfen suchte.
Es wurde oben bereits erwahnt, wie sich schon bald aus Bediirfnis
nach Differenzierung im Madrigal mancherlei Speziahtaten bildeten. Zu*
erst stellen sich, nach uralten dichterischen und musikalischen Vorbildern,
»Dialoge«3) ein, dann »Echo's«, endhch Enigmi, Capricci, Scherzi usw.
Der Klassiker auch dieser ganzen Bichtung scheint Lasso's Nachfolger
in der commedia dell' arte zu sein, Orazio Vecchi. Hand in Hand mit
Sonderformen geht die allgemeine Tendenz, die Anzahl der Stimmen zu
vermehren. Lasso, dem keine Regung im musikalischen Pulsschlag der
Zeit entging, hat auch diese Unterstromung beriicksichtigt, wenn nicht
zum Teil hervorgerufen, und uns sowohl Dialoge als Echos geschenkt.
Von ersteren kommt hier nur >Ditemi, via mia«, »Ohe fai, alma* (Pe-
trarca) und >S'una fede amorosa*4) (Petrarca) in Prage; die Echos
sind >Valle profunda* und >011a, o che bon echo5).* Letzteres Stiick
eroffnet, soweit ich in der gedruckten Literatur sehe, die ganze Ghittung
lemme liberata hervorgerofenen Kompositionen gibt der urn Tasso hochverdiente S olerti
in seinen Ausgaben dieser Werke (Bologna 1898, Firenze 18%). Leider ist ihm fur
die Rime gerade unsere Sammlung entgangen. welche 28 Kompositionen zu Tasso's
Text en thai t (Sdegnosi ardori, . . raccolti die Gk Qigli ... Monach. A. Berg).
1) S. W. VI Sammlung Mermann Nr. 8.
2) S. W. Vm, Nr. II, 2 fiinfstimmig; die beiden letzteren in Bd. X, Nr. 1, 4 u.
II, 4 sechsatimmig und zehnstimmig.
3) Crescimbeni Vol. I, Lib. IV, Cap. V >De Dialoghic (S. 264 ff.). Den Beigen
auf unserem Gtebiet eroffnet Giov. Nasco 1548.
4) S. W. X, H, 1—3.
5) S. W. X, II, 5 und IV, 23.
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438 Adolf 8ftndberger, Roland Lassos' Beziehungen zur italieniachen Literatur.
und laBt, was Eeiz mid Kunst der Ausffihrung betrifft, zugleich alles
hinter rich, was ich in diesem kleinen Iiteraturzweig habe kennen lernen
konnen. Der spafiige Text ist zweifelsohne von Lasso selbst yerfaBt,
und zitiert in den Worten >Yoria che tu cantassi una canzona* den
Anfang einer von Azzaiolo, Nasco undFerretti komponierten Villa-
nelle, was natiirlich fur die Zeitgenossen die Wirkung erhohen mofite.
Specialist in der Echokomposition war Lud. Agostini. Auch yon diesen
Gebilden fiihren besondere feine Faden zur Qeschichte der Oper. In den
polyphonen Dialogen, als chorischen Duetten, ist das spatere Soloduett
vorgebildet, die Echos aber spielen bekanntlich in der Oper von Anfang
bis auf den heutigen Tag ihre Rolle in unverminderter Wirksamkeit.
Unsere bisberige Betrachtung ist mit Einbeziehung des Tasso'schen
Stiickes den Erscheinungen der italienischen Literatur gefolgt, welcbe
ibren geistigen Nahrboden im Milieu der Renaissance hatten. Zwischen
ihnen ist bei Orlando die Stunmung der neuen literariscben Bewegung,
welcbe von der kirchlichen Restauration ausging, so wenig unvorbereitet,
als in der Literatur selbst; aber der Gegensatz bei unserem Tonkiinstler
ist doch ein scharferer. In der Lyrik hatten sich die geistlichen Oan-
zonieri stark vermehrt (»senza che tuttavia possiamo dire che questa pro-
duzione si faccio migliore< sagt Oanello) t), in der gesamten italienischen
Poesie war der religiose Zug langst machtig erstarkt, als Orlando im
Madrigal immer nur noch gleichsam ausnahmsweise von der yeranderten
Stimmung Notiz nimmt. Nach 1576 tritt dann in seiner Beschaftignng
mit dem Madrigal eine Pause ein. 1585 ist der Umschwung yollzogen.
Nun' begegnet uns auch hier an Stelle der Liebesklagen und asthetischen
Phantasien ein tiefer, sittlicher Ernst; nun gilt auch hier die Religion
als der wichtigste Faktor des Lebens. Im allgemeinen kann man wohl
sagen: unter Albrecht Y. entnimmt Lasso seine italienischen Texte
mehr der Sphare der Renaissance, unter Wilhelm V. der der Bestau-
ration.
Den Umschwung der Zeiten nehmen wir auch an Erscheinungen wahr,
welche nicht auf Lasso selbst zurilckzufiihren sind. Im Jahre 1576
kam der hugenottische »Tr6sor de Mvsique d'Orlande de Lassvs* her-
aus , welcher — und dies Beispiel ist weder das erste, noch das letzte —
altere Chansons mit abgeanderten Texten reproduzierte; statt z. B. »Ce
faux amour* usw., heiBt es nun >ce faux Satan* usw. >J'ai rendu ces
chansons honnestes et Chrestiennes pour la plupart«, sagt der Heraus-
geber2). Die Universitatsbibliothek zu Genua besitzt eine Lautentabulatur
mit arrangierten Madrigalen von Lasso und anderen Komponisten; hier
beginnt eine Nummer >Ohi non arde d'amor come facc*io«, die Fort-
1) Storia della lett. ital. nel sec. XVI. Mil. 1880, S. 199.
2) Naheres uber diese Frage vgl. S. W. XII, S. XXIIIff.
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Adolf Sandberger, Roland Lassus* Beriehungen zur italienischen Literatur. 43fc
setzung aber lautet >di Gesii mio Signor dolce desio«. Der Codex ge-
horte zur alten Bibliothek der Jesuiten and ist vor 1595 geschrieben1).
Ahnlich dichtete der Venetianer Minorit Malipieri den ganzen Canzo-
niere Petrarca's urn zu einem »Petrarca spirituale* (Venetia 1581) *); er
begixmt mit einer Zeile des Originals und dichtet dann im geistlichen
Ton weiter. Das war der neue Zng der Zeit, and er offenbarte sich
also an den verschiedensten Beispielen.
Im Jahre 1568 s) waren in erster Auflage die Kime spirituali des
Venetianers Gabriel Eiamma'), Kanonikus am Lateran (spater Bischof
von Chioggia), erschienen. In der Vorrede (Bl. 6) sagt der Verfasser,
einer der beriihmtesten Kanzelredner seiner Zeit: »Sono faori quasi infinite
poesie nella lingua nostra, e quasi tutte amorose, il che mi par gran fallo,
e quasi insopportabile. Ho adunque ritomata, quanto piti alta-
mente ho potuto, la Poesia Toscana alia uirtH et a Dio . . .«
— ein ausge8prochenes Programm: Entweltlichung der Lyrik.
Von diesem Poeten findet sich nun merkwiirdigerweise schon 1567
ein vereinzelter Text aus den Bime spirituali von Lasso komponiert,
also ein Jahr vor dem Erscheinen der Sammlung, namlich » Signor, se
la tua gratia* 5). Diese Erscheinung deutet auf personliche Bekanntschaft
Orlando's mit dem Dichter (s. S. 427); doch kann natiirlich auch eine
andere Verbindung unserem Meister den Text iibermittelt haben. Nach
langen Jahren aber kommt Lasso auf Fiamma und seine Bimi spirituali
zuruck; und nun legt er 1585 sieben, 1587 neun Kompositionen vor, mit
im ganzen 35 Tonsatzen:
»Come la cera al foco« (Stanza 7 der Oda alia Carita »0 sacro eletto
coro«); >De Teterne* (Son. 1); »Io che l'eta« (Son. 23); »Le voglie e Topre
mie« (Son. 30); »Quando il giorno« (Sestina); »Quando io pensoc (Son. 77);
>Uson glingegnic (Son. 36); »Ben son i premi tuoi« (Son. 60); »Deh lascia
anima homai* (Stanza 11 der Oda alia Speranza >Poi che sol la speranza*);
»Hor ch'a Talbergo* (Stanza 1 der Oda alia Fortezza); >H grave de Teta*
(Son. 78); >Per aspro mar di notte* (Sestina); >Piil volte un bel desio*
(Son. 2); »Prendi laurata lira* (Stanza 1 der Oda alia Prudentia); »Tanto
e quel ben* (Son. 4); »Veggio se al vero< (Son. 9)6).
Es sind durchweg Stlicke von tiefernster, zerknirschter, weltensagender
Stimmung. Die frliher so Iiberwiegend im weltlichen Sinn gehandhabte
Form ist umgemiinzt, das Erotikon zum BuBpsalm gestaltet. Vergang-
1) Vgl. A. Neri, un codice musicale del secolo XVI im Giorn. stor. 1886 S. 218 ff.
2) Ein Exemplar dieses Kuriosums besitzt die Hof- und Staatsbibliothek in Miinchen.
3) Diese Jahrzahl stellt Joan Olessius gegenuber Quadrio's Angabe (a. a. 0.
II, 258) fest in einer handsohriftlichen Notiz des Munchener Exemplars.
4) Crescimbeni HI, 83. Qnadrio II, 1, 258. Canello a. a. 0. S. 200.
5) S. W. IV, 106. Punfstimmig.
6} Insgesamt S. W. VI; funftes Buch der funfstimmigen Madrigale Nr. 1, 2, 4, 7,
9, 11, 12; Sammlung Hermann Nr. 1, 6, 16, 16, 17, 18, 19, 21, 23.
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440 Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur.
lich ist alle irdische Pracht und Macht, verganglich selbst sind alle
Preuden und Vergniigungen dieser Welt, toricht aDe Lustbarkeit der
Jugend, hinfallig unser Leib, so wird Orlando nicht miide, uns zu
kiinden ; Zerknirschung iiber die eigenen Fehltritte, Zorn wider die Sunder,
Verdanmiung aJler weltlichen Regungen klingt seine Leier wider; wir sind
Staub und Spreu, an unsere Fersen ist der Tod geheftet, ein willkommener
Tod, der uns mit Gtott vereint, in dem allein das Heil ruht, dessen
Gnade zu erwerben das einzig zu preisende Streben unseres Lebens bildet
Nur schiichtern tont es in diese Stimmung bei Lasso's letzten Madri-
galen noch herein von Liebe, von Natur und Antike. Sogar die Musik
wird mit ins Spiel gezogen
»Ella non ama il canto
Se non scorge il cor santoci).
G-eistliche Madrigale sind es in der Mehrzahl, die uns Lasso nun gibt,
madrigali spirituali, wenn auch die auBerliche Bezeichnung fehli Und
so lauft schlieBlich aus Lasso's universeller Personlichkeit ein weiterer
f einer Faden aus,. den wir jenseits miinden sehen in der Geschichte des
Oratoriums.
Nun greift der Schopfer der Bufipsalmen auch in der italienischen
Literatur nach Psalmentexten. Eine Ubersetzung der Davidischen Ge-
sange hatte unter anderen Francesco Beccuti, genannt Copetta*) ge-
liefert; ihnen entnimmt Orlando die Ubertragung des 6. Psalms (Domine
ne in furore tua arguas me) »Signor le colpe mie« und fiihrt sie in einer
groBartigen fiinfteiligen Komposition (1584) aus.3)
Zu den unmittelbar von der Neubelebung des kirchlichen Geistes
hervorgetriebenen lyrischen Bliiten gehorten zu Ende des 16. Jahrhunderts
die >Lagrime« benannten Dichtungen. Anknupfend an ein Bild von
Albrecht Durer, auf welchem dem Auge der betenden Madonna leib-
haftige Tranen zu entquellen schienen, ;hat auch Torquato Tasso »Le
Lagrime di Maria Vergini* gedichtet4); ahnlich glorifizierten auch Angelo
Grillo die »Lagrime delPenitente«. Erasmoda Valvasone die » Lagrime
della Maddalena«. Bidolfo Campeggi wiederum die » Lagrime di Maria
■Vergine*5); der Begriinder der ganzen Gattung aber war Luigi Tansillo
gewesen, der bei seinem Tode (1568) »Le Lagrime di San Pietro« un-
vollendet hinterlieB. 1585 erschien das Fragment im Druck und machte
1) S. W. VI? 86.
2) Crescimbeni II, 403.
3) Diese Feststellung des Textes stiitzt sich auf God. it. 243 (Bl. 76) der Munchener
Hof- und Staatsbibliothek, woselbst Beccuti als Dichter genannt ist. S. W. VI, 94.
Funfstimmig.
4) Solerti, Vita di Tasso, Torino 1895, I, 752 ff.
5) Crescimbeni V, 345. Vogel Iv 7 verzeichnet u. a. auch ein miifiikalisches
Lagrime-Werk von L. Agostini (Ven. 1586).
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Adolf Sandberger, Roland Lassus' Beziehungen zur italienischen Literatur. 441
groBes Aufsehen1), wie die Nachahmungen beweisen. Die Komposition
der 21 Tonsatze, deren Texte Orlando Tansillo's Dichtung entnahm2),
war Lasso's letztes Werk. Es ist die groBtc Folge zusammenhangender
Texte, die der Meister komponiert hat, eine Sammlung Madrigali spiri-
tual — so darf man die Stiicke ihrer musikalischen Physiognomie nach
nennen — auf epischer Grundlage. Zugeeignet ist sie dem Papste
Clemens VJJJL, »al piii degno e piti eccelso personaggio che viva in
terra «. So hoch aber dieser Schwanengesang — Orlando schrieb am
24. Mai 1594 noch die Vorrede, am 14. Juni schloB er die Augen —
musikalisctt steht, in der Textwahl hatte er sich diesmal vergriffen; mit
Eecht bezeichnet Tansillo's Biograph Flamini die Lagrime als »mono-
tona e poca poetica rappresentatione del vario stato dell' animo d'un
penitente in diversi luoghi e in momenti diversi«3).
Wir sind am Schlusse angelangt. An den verschiedensten Gattungen
italienischer Poesie haben wir den groBen Meister sich begeistern sehen.
Sonett, Canzone und Madrigal, Hirtengedicht und Heldengedicht haben
seine Tone geschmtickt, zu frommen G-esangen wie zu pathetischer Dar-
stellung, wie zum ausgelassenen Mummenschanz der Komodien hat er
in die Leier gegriffen. Aufzuzeigen, wie der Kunstler bei diesen seinen
hochst vielgestaltigen Beziehungen zur italienischen Literatur zu den so
griindlich verschiedenen Dichtwerken griindlich verschiedene Weisen schuf ,
war hier nicht beabsichtigt. Ein Hauptpunkt aber soil kurz angedeutet
werden. Es gibt noch viele Nichtmusiker und noch mehr Musiker, welche
zwischen geistlichen und weltlichen Kompositionen des 16. Jahrhunderts
keinen Unterschied zu machen erlauben. Ware Lasso, das Kind der
Zeit >des wiederentdeckten Individuums«, iiberhaupt noch ein Kunstler
zu nennen, wenn er nicht imstande gewesen ware, zu > Madonna mia cara«
und >Signor le colpe mie« in grundverschiedenen Tonen zu singen? Eine
eingehende Priifung der Texte leistet auch in dieser Frage der musika-
lischen Erkenntnis den besten Vorschub.
1) Indes klagt der Herausgeber iiber schlechten Absatz. Ygl. noch Crescimbeni
HI, 124; I, 346.
2) Canto I, 38—50; 52—64; 66—59. Der 21. TonBatz ist ein lateinisches Vide homo.
3) Giorn. stor. 1888, S. 463.
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442 Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Miinchener Oper.
Die Anfange der Miincfaener Oper
von
Ludwig Schiedermair.
(Miinchen.)
In Italien war die Oper entstanden. Hier entfaltete fide sich mid er>
wies ihre Existenzberechtigung. Aber nicht allein in Italien sollte die
neue Kunstgattung, die vornehmlich in Florenz, Rom und Venedig er-
bliiht war, Pflege und liebeyolle Aufnahme finden. Auch in den be-
nachbarten Kulturlandern, in Frankreich und Deutschland erwarb sich
das jtinge Musikdrama Freunde and Forderer, die dem dentschen Sing-
spiel gefahrliche Gegner wurden. In keiner deutschen Stadt konnte sich
der italienischen Oper ein giinstigerer Boden zur Ansbreitung bieten, als
gerade in Miinchen, wo der bayrische Kurfurst Ferdinand Maria mit einer
kunstsinnigen Italienerm, Adelaide von Savoy en, vermahlt war. Diese
war noch nicht lange in Miinchen, als bereits das erste italienische Stuck
dieses nenen Stils aufgefiihrt wurde. Und von da ab blieb die Miinchener
G-esellschaft anf lange Zeit hinaus der italienischen Oper treu1).
Wie in der Baukunst, so laBt sich auch im Drama2) von einem
»Jesuitenstil« sprechen, dessen Zweck, auf die Massen zu wirken und
durch Pracht zu blenden, man deutlich zu erkejinen vermag. Fiir diese
Jesuitendramen war die Musik eine willkommene • JBeigabe. Man kannte
ja aus der Kirche die Wirkung, welche die Gleichberechtigung von Ton,
1) In neuerer Zeit hat Fr. M. Rudhartin seiner »Geschickte der Oper am fiofe
zu Munchenc (Freising 1865) aus Bibliotheken und Archiven Material zusammenge-
tragen, um uns einen Einblick in die damaligen Musikverhaltnisse zu geben. Auch
uber das Einsetzen der italienischen Oper in Bayerns Hauptstadt hat er uns zahlreiche
Einzelheiten, wenn auch nicht zuverlassig und einwandfrei, mitgeteilt. Immerhin
blieb ea aber erst der modernen Forschung vorbehalten, hier das "Wichtige vom Neben-
8'achlichen zu trennen, den Spuren nachzugehen und vollwertige Tateachen an Stelle
von bedenklichen Annahmen zu setzen. Erst Adolf Sandberger hat in den »Denk-
malern deutscher Tonkunst, Zweite Folge€, in seinem Kerll gewidmeten Bande das
bisher uber die Anfange der Miinchner Oper schwebende Dunkel erhellt. Auch
der Verfa8ser dieser Zeilen war in seiner Schrift »Kunstlerische Bestrebungen am
Hofe des Kurfursten Ferdinand Maria von Bayernc bemiiht, ein Kulturbild jener
Tage zu entwerfen. Dagegen hat meines Wissens eine zusammenfassende Darstellung,
die speziell nur die Anfange der Oper in Miinchen beriicksichtigt, bis jetzt gefehlt.
Eine solche versucht der Verfasser mit obigen Ausfuhrungen.
2) Ygl. v. Reinhardstottner »Zur Gteschichte des Jesuitendramas in Munchenc
im Jahrbuch fiir Miinchner Geschichte 1889.
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Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Mnnehaner Oper. 443
Wort und Handlung ausiibt1). In diesen Jesuitenspielen, denen ver-
schiedene Male in Miinchen der Hof beiwohnte2), diirfen wir wohl die
ersten Vorboten jener Allegorien und Prunkstlicke erblicken, wie wir sie
unter der Regierung Ferdinand Maria's so zahlreich in Mode kommen
sehen. Da war es der italienische Geistliche und Harfenvirtuos Giovanni
Battista Maccioni, der in seiner >Farpa festante*, wie wir noch sehen
werden, ein Stiick bot, das nicht allein mehr zur Erhohung der Wirkung
Musikeinlagen enthielt, sondern bereits wirkliche Sologesange, Duette und
auch einen Chor aufzuweisen hatte.
Bevor auf dieses im August 1653 in Miinchen aufgefiihrte erste Stiick
musikdramatischen Stils und die ihm folgenden Opern eingegangen wird,
ist es yorerst notig, einen XJberblick iiber die musikalischen Zustande am
Miinchner Hof bis zum Auftreten Maccioni's zu gewinnen.
Die Miinchener Hofkapelle umfaBte damals 39 Personen, von denen
19 Sanger, 2 Organisten, 1 Organistenschiiler und 17 InstrumentaKsten
waren. An der Spitze stand Jacopo Porro als Hofkapellmeister. Man
sucht vergebens seinen Namen in Musikgeschichten und findet ihn nur
sparlich in Nachschlagewerken3). Und doch war er keineswegs so un-
bedeutend, daB sein Name der Vergessenheit anheimfallen diirfte. Urn
das Jahr 1635 beginnt seine Tatigkeit in Miinchen. Vorher war er Or*
ganist am savoy'schen Hofe*) und bei St. Peter in Rom5). Unter Kur-
f iirst Maximilian, unter Maria Anna und auch noch unter Ferdinand Maria
leitete er die Hofkapelle und zwar, wie sich schlieBen laBt, zur Zufrieden-
heit des Hofs. Denn im andern FaDe w&re er wohl kaum so lange Zeit
in seiner Stelle verblieben. Im September 1653 wird ihm vom Kurfiirsten
eine Unterstiitzung zu einer Reise nach Italien gewahrt7), die er auch
antritt, vielleicht um seine Gesundheit zu starken und neue Krafte fiir
die Hofkapelle zu engagieren. Mit Vermittlung des bayerischen Residenten
in Rom, Crivelli, konnte er den beiiihmten Bassisten Giovanni Carlo
Ferrucci fiir die Hofkapelle gewinnen. Ln Herbst 1655 weilte Porro
bereits wieder in Miinchen. Doch begann er hier zu krankeln und die
1) Vgl. P. Wagner »Binfuhrung in die gregorianischen Melodien*, Freiburg 1896.
2) Wolfgang Bauer »Aus dem Diarium gymnasii S. J. Monacemis*, Miinchen
1875, p. 22/23.
3) Rudhart erwahnt ihn a. a. 0., aber auch nur kurz und mit einer gewissen
Geringsch&tsung; vgl. auch Eitner »Quellenlexikon€ 8. Bd.
4) Dies geht aus einer in Rom 1622 gedruckten Sammlung von Madrigalen,
Ottaven, Dialogen, Alien und Yillanellen hervor, in der ein einstimmiges Stiick Porro's
*Non si ptw toffrir* mit der Bezeichnung »Organista deU'Altexxa Set*4* <ti Savota<
enthalten ist. Vgl. hiezu Emil Vogel >Bibliothek der gedruckten wehlichen Vokal-
musik Italiens in den Jahren 1500 — 1700 «, Berlin 1892. Zwei geistliche Ghesange
Porro's finden sich in Vine. Scapitta's •Vaghi fiori* 1628 (vgl. Eitner, a. a. O.).
5) Kgl. bayr. Staatsarchiv: K. schw. 313/17.
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444 Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Miinchener Oper.
Ausubung seines Amtes auszusetzen. In einem rfihrenden Brief e1) be-
nch tet er von seinem Leiden, daB »der Kartarrh vom Kopf zur Brust
heruntersteigt«, und weist auch zugleich darauf hin, daB yon einem Noten-
schreiber die »vielen Kompositionen«, die er >in dem Zeitraum von fast
21 Jahren geschrieben«, besonders aber diejenigen, welche »i. Dt. hau-
figer singen zu lassen geruhen«, abgeschrieben werden sollten. Gredruckt
waren seine Kompositionen in der Mehrzahl also nicht; sonst hatte man
sie nicht durch einen Kopisten vervielf altigen lassen mtissen. Am 27. Pe-
bruar 1656 wurde Kerll als provisoriscber Vizekapellmeister, wahrschein-
lich zu des kranken Porro Unterstiitzung angestellt1). Allein Porro er-
holte sich von seinem Leiden nicht mehr, sondern siechte dahin und starb
im Sommer 1656. Die Patres Karmeliter bestatteten ihn in Munchen
zur Ruhe3).
Porro wird wohl fast ausschlieBlich Kirchenkomponist gewesen sein.
Kompositionen schrieb er, wie er in dem oben genannten Briefe selbst
zugibt, in groBer Anzahl. Doch scheinen dieselben fast alle verloren-
gegangen zu sein. Aus einer >Designatio conipositionum a suo CapeUae
Magistro, ante discessum hie relictarum**) geht hervor, daB sie vorzugs-
weise Messen, Litaneien und Offertorien waren. Ob wohl der begleitete
Sologesang in sie Eingang gefunden hat? Aber auch »battetiper il seruitio
di tavola* finden wir in der > Designation aufgefiihrt. Wohl wird man
unter ihnen einfache Suitenmusik, Lieder oder Tahze, wie sie die Pfeifer
und blasenden Stadtmusikanten (auch in Porro's Kapelle waren durchweg
nur Blaser) seit langerer Zeit pflegten5), zu verstehen haben, Stucke, die
vielleicht zu einem Pestspiel gehorten und so die Yolksmusik in die Sale
der Hofgesellschaft brachten6).
Porro war, wie aus einem andern Briefe7), der sich mit der Un-
zufriedenheit der Italiener mit dem fruheren Vizekapellmeister Girolami
1) Dereelbe findet sich im Personalakt Porro's im Miinohner Kreiearchiv: BL R.
463/202.
2) S. den Personalakt Kerll's im Miinchner Kreisarchiv.
3) In den Batsprotokollen des Miinchner Stadtarchivs aus dem Jahre 1657 findet
sich eine darauf beziigliche Notiz. Dem Sonne Porro's werden unterm 16. Februar
1667 in »Ansehung der Verdienste seines Yaters< 300 fl. bewilligt (Miinohner Reichs-
archiv, Fiirstensachen). Ein Schwiegersohn Porro's war Carlo Pesenti, wie aus K.
schw. 227/25 des Miinchner Staatsarchivs hervorgeht.
4) Adolf Sandberger hat in der Beilage seines Kerll -Bandes den genauen
Wortlaut aus dem Miinchner Kreisarchiv mitgeteilt. VgL auch meine Schrift, a. a.
0. p. 100.
5) Ygl. Hugo Riemann >Die Variantenform in der alten, deutschen Tanzsuite«
im >Musik. Wochenblattc 1885.
6) Ygl. Herm. Kretzschmar >Musikal. Werke der Kaiser Ferdinand HL,
Leopold I.« im »Musikal. Wochenblattec 1895.
7) Miinchner Kreisarchiv H. R. 463/202.
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Ludwig Schiedermair, Die Anf ange der Miinchener Oper. 445
Maggi beschaftigt und den Ausspruch bringt: »In der Musik kann nichts
Happen, wenn die Eintracht fehlt«, hervorgeht, ein Musiker von >altem
Schrot und Korn«. Mit der neuen Kunstrichtung, der Oper, wird er sich
daher nicht abgegeben haben. Diese iiberlieB er dem bereits seit dem
12. Mai 1651 ]} in Miinchen weilenden Giovanni Battista Maccioni,
der sich der besonderen Gunst Adelaide's von Savoyen erfreute2).
Wie ein echter Renaissancekiinstler vereinigte Maccioni mit einer nicht
gewohnlichen Begabung eine bemerkenswerte Vielseitigkeit. Er war
Geistlicher, Dichter8), Harfenist, Komponist4), Kunstkenner und Kunst-
richter, zuletzt auch Diplomat6). Er erwies sich in alien seinen Unter*-
nehmungen und Leistungen als eine Personlichkeit, die weit mehr war
als das Sprachrohr der Kurfiirstin Adelaide, selbstandig genug, eigne
Wege zu gehen, ohne dabei die Wunsche des bayrischen Hofes auBer
Acht lassen zu miissen. Im August 1653 wurde gelegentlich eines Be.
suches des Kaisers Ferdinand III., dessen Vorliebe fiir Musik sich auch in
seiner Fiirsorge fiir junge Kiinstler zeigte6), Maccioni's »Varpa festante*
zur Auffiihrung gebracht7). Text und Musik dieses nach Sandberger
>ersten Gebildes des neuen dramatischen Stils* in Miinchen finden sich
im cod. 16889 der k. k. Hofbibliothek zu Wien, die mir auch freundlich
Einsichtnahme gewahrte8).
Als Vorwurf dienen Maccioni die Vorziige und Tugenden des Kaisers
Ferdinand, also des der Auffiihrung beiwohnenden Gastes. Diese werden
in iiberschwanglicher Weise gefeiert und gepriesen. In der Form des
Textes wird die Reihenfolge eingehalten, daB sich von den Verszeilen
1 und 2 oder 1 und 3, 2 und 4, aber auch 1 und 4, 2 und 3 reimen.
Die Sprache ist sehr reich an Bildern und Vergleichen, die dem damaligen
Geschmack entsprachen. Fiir die Komposition ist nun der Text in ver-
schiedene Abschnitte zerlegt, die den einzelnen Singstimmen (BaB, Tenor,
2 Soprane, Alt) zum Vortrag iiberlassen werden. Der BaB beginnt (G-moll,
1) Kgl. bayr. Staatsarchiv K. schw. 313/15.
2) So wurde er von ihr zum >Hofkaplan und Harphenistc ernannt.
3) Als solchen schildert ihn v. Reinhardstottner in seiner Abhandlung »Uber
die Beziehungen der italienischen Literatur zum bayrischen Hofe€ im >Jahrbuch fur
Miinchner aeschichtec 1887 p. 125 ff. Vgl. auch meine Schrift, a. a. 0. p. 89 ff.
4) Dies konnte zuerst A. Sandberger, a. a. 0. p. 14/15 feststellen.
5) S. meine Schrift, a. a. 0. p. 92.
6) S. Ghrido Adler ^Ferdinand DX, Leopold I. und Karl VL als Forderer der
Musik« in der Vierteljahrsschr. f. Musikw. 8. Bd., p. 255.
7) Ad. Sandberger (a. a. 0. p. 15) und Eitner >Quellenlexikonc (6. Bd. p. 263)
haben auf dieses Stuck hingewiesen.
8) Die Partitur besteht aus einem mit Goldleisten geschmiickten Quartband von
22 Blattern. Die Handschrift (von wem?) ist sauber und deutlich und enthalt 2 ver-
zierte Initialen, die Anfangsbuchstaben derVorrede: S und des Textes: 0. Auch ein
eigenes, geschriebenes Textbuch ist vorhanden, das im Oktavformat 8 Blatter aufweist.
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446 Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Munchener Oper.
4/4-Takt) mit einem Eezitativ: »0 Regnator del mondo, o Ferdinando
augusto*. Bei den Worten >devota« und *di carUar* stoBt man auf
Koloraturen, die im ersten Falle sich abwarts, im letzten Falle aufwarts
bewegen. Dem BaB folgt der Tenor, der mit den Worten: *0 fortuna-
te soglio< (G-moll, C-Takt) einsetzt und an sein Eezitativ bei der lyrisch
angehauchten S telle: » 0 Muse venite* eine kleine 2 teilige, melodisch etwas
abgebrauchte Arie (C-moll, 3-Takt) anfiigt. Der erste Teil dieser Arie
besteht aus 8 Takten, der zweite Teil, der die Anfangsworte der Arie
gleichsam als Refrain wiederholt, aus 4. Bei dem Wort: *canto* ist
wiederum eine Koloratur angebracht. Der Tenorarie ist ein geschlosaenes
Satzchen von 16 Takten im ariosen Stil fiir 2 Soprane: >Bd desio* (C-moll,
3-Takt) angereiht. (S. Anhang 1). Der 2. Sopran folgt dem ersten teils
in Terzengangen, teils aber auch in gar nicht libel geratener Imitation.
Von den zwei Sopranen setzt nun der zweite aus, wahrend der erste ein
langeres Eezitativ ausf iihrt, in dem sich gegen den SchluB zu ein 2 maliger
Taktwechsel von */4 in 3 und umgekehrt vollzieht. Nach iiber 70 Takten
Tereinigt sich der erste Sopran wieder mit dem zweiten zu einer Arie von
12 Takten (D-moll, 74-Takt), in der die Terzenbehandlung des zwei-
stimmigen Vokalsatzes zum Yorteil der Imitation vollstandig aufgegeben
ist. Wiederum schweigt die zweite Stimme und bei den Worten: *Tintt
Vherbe* hebt eine Arie (D-moll, C-Takt) des ersten Soprans an, die, wenn
sie auch auf den Inhalt des Textes weniger Eiicksicht nimmt, wohl als die
beste Nummer des ganzen Stiickes gelten kann (Anbang 2). Der zweite
Sopran antwortet wieder mit einem langeren Eezitativ und erst nach
diesem tritt der Alt auf, zuerst ebenf alls mit einem Eezitativ (Anhang 3],
in dem ein dreimaliger Taktwechsel vor sich geht, dann mit einer be-
wegten Arie. Unmittelbar an diese schlieBt sich ein fiinfstimmiger Chor
von groBerer Ausdehnung an, der ebenfalls durch die Imitationen zu
interessieren vermag. Der InstrumentalbaB, der nur dem Chor und auf
einige SchluBakte in der Arie * 0 Muse venite* fehlt, ist noch durchweg
continuo und nicht an der thematischen Arbeit, wenn sich iiberhaupt bei
Maccioni von einer solchen reden lieBe, beteihgt.
FaBt man das ganze Stiick1) ins Auge, so erkennt man, daB Maccioni
keineswegs zu den besonders talentierten Komponisten seiner Zeit am
Munchener Hofe gehorte. Seine Eezitative sind nicht farblos, seme Arien
namentlich an den Anfangen nicht ohne melodischen Eeiz. Die Be-
handlung der Singstimmen ist zumeist eine gliickliche, und in den Duetten
die technische Ausfiihning eine bemerkenswerte. Aber einen Haupt-
fehler beging Maccioni wohl darin, daB er sich selbst der Musik gerade
1) Im 1. Duett, im Altrezitativ und im Chor treffen wir verschiedentlich ge-
schwarzte Noten : #. Wir haben dieselben, die 2 Minimeu gelten, wohl ate Uberreste
der Hemiole der Meneuralnotation zu verstehen.
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Ludwig Sduedermair, Die Anfange der Mftnchener Oper.
447
nicht entgegenkommende Verse schuf und in seiner Tonsprache auf den
Inhalt dee Textes nur recht auBerlich Bezug nahm. "Wohl vermeinen
wir Ansatze zu einer Vertiefung der Sologesangsstellen ofters zu horen,
aber es bleibt nor bei diesen; bald steuern sie einer Durcbschnittsmusik
wieder zu. Das Stuck zeigt den gebildeten Mann seiner Zeit, dem auch
die muaikalische Technik und die zeitgenossische Produktion nicht ver-
schlossen geblieben war. So begegnet una in dem Altrezitativ eine kleine
Barkarolenmelodie, wie sie uns in Oesti's Opern auffallt:
i
a
^£E
ZBL
S=^
^
t4*r
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it
EH
jas^-^r:
An die Art der Venetianer erinnert die harmonisch harte Stelle der
Sopranarie: *Tinte Vherbe*:
di do - lori uaw.
\m
s
Einflti88e des berfihmten Lamento di Arianna von Monteverdi zeigt fol-
gende Stelle, die ebenfalls aus der Sopranarie: Tinte Fherbe* genommen ist:
1
s^p=
^^m
di do - lo
3E£EE±2
ZltZ
Mangelt es Maccioni's Kompositionen auch an tieferer Empfindung und
Phantasie, so verdienen einige seiner Stticke doch Beachtung.
Aufier der *Varpa festante* kennen wir von Maccioni noch die im
Jahre 1657 aufgefuhrte introduttione per il BaUeto *Li quatro Elemmti*,
die 1658 gegebene Barriera: > Applaud festivU und das 1660 zur Dar-
stellung gebrachte drama musiccUe *Ardetia*. "Wahrend von den Text>-
toiichern noch gedruckte Exemplare vorhanden sind *), ist die Musik dieser
Stiicke wohl verschollea. Mag sein, daB sie von Maccioni selbst her-
riihrte, mag sein, daB sie, wie Sandberger2) in Betracht zieht, von Porro's
Nachfolger Kerll stammte. In den >Elementen« treten die Erde, die
Luft, der Ozean und das Feuer personifiziert als Gotter mit ihrer Gefolg-
1} In der Munchner Hof- und Staatsbfbliothek.
2} A. a. 0. p. 2829.
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448 Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Munchener Oper.
schaft auf, Tanze vorfiihrend. Den AbschluB des Stucks bildet die Ver-
herrlichung des Feuergottes, der von vier Halbgottinnen, von denen eine
von der Kurfurstin Adelaide selbst dargestellt wurde, umgeben war, und
ein von den vier Elementen gemeinsam gesungenes Madrigal: >Qodi,
godi felice*.
Die *Applausi festivi* wurden zu Ehren des im August in Miinchen
weilenden Kaisers und des Erzherzogs Leopold gegeben. Soli und Chore
verschonerten hier das Turnier, bei dessen Umzug Prunkwagen verwendet
wurden, welche Sonne, Mond, Sterne, den Regenbogen, ja sogar einen
feuerspeienden Berg darstellten und von Mitgliedern der kurfiirstliclien
Pamilie selbst angefuhrt wurden1). Blasinstrumente fanden eine aus-
giebige Verwendung. So horen wir von zwei Trompeterchoren zu je
6 Stimmen, die >kontinuierlich allerlei schone Aufztige blieBen«2). Auf
die diesem Textbuch beigegebenen Abbildungen wird spater noch zurtick-
zukommen sein.
Nach Griechenland versetzt uns Maccioni's *Ardelia*. Im Prolog wird
die Kurfurstin durch »to Bdta femimle< verherrlicht. Solche den Fiirstr
lichkeiten zugedachte Huldigungen am Eingang der Oper waren damals
Iiblich. Ein Beispiel hierfiir haben wir schon in der 1647 in Paris auf-
gefiihrten Oper *Le manage dHOrpM et (TEurydice* Luigi Rossi's, in der
im Prolog Ludwig's XIV. besonders ehrend gedacht wurde. — Um
Ardelia, die einem jungen Edelmann Eliodor zugetan ist, wirbt der Konig
Idrante. Doch verzichtet dieser schlieBlich auf die schone Hof dame, die sich
nun ihrem Geliebten zu eigen geben kann. Wiederum beendet ein Madrigal
der Hauptpersonen das drama musiccde. Abgesehen von der zuletzt ge-
nannten Ensemblestelle findet der Ohor in dieser Oper keine Verwendung.
In den ersten drei Stiicken Maccioni's spielt die Allegoric eine Rolle.
Da Maccioni Geistlicher war, ist es begreiflich, daB er sich gerne dieser
Form bediente. Denn ihrer hatte sich ja der Klerus in Rom schon seit
geraumer Zeit fur seine erbaulichen, didaktischen Zwecke bemachtigt.
Immerhin ist es aber bemerkenswert, daB Maccioni auch das >galante<
Motiv in seiner *Ardelia* benutzte. Vielleicht kann man die Stiicke
Maccioni's als Gelegenheitsdichtungen bezeichnen, die manche Fliichtig-
keiten und MiBgriffe verzeihlicher erscheinen lassen. Dazu kam noch,
daB Maccioni, wie er selbst in den Vorreden seiner Textblicher erwahnt,
den Anregungen und Ideen der Kurfurstin Adelaide Rechnung tragen
muBte. Doch war Maccioni auch als Textdichter kein origineller Er-
finder, vielmehr stark von der zeitgenossischen Produktion abhangig.
Schon der Priester Giacinto Oornachioli d'Ascoli hatte ein Stiick * Diana
1) S. meine Schrift a. a. 0. p. 90, wo hieruber ausfuhrlicher beriohtet wird.
2) Handschriftliche Randglosse des Philipp Jakob von BeiCheim zu Schwindach
im Textbuch.
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Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Munchener Oper. 449
schemata, Favola boscareccia* (1624), das auf eine Verherrlichung der
Familie des Papstes Urban V1LL. hinausging, komponiert und Francesca
Caccini zu einem »Balleto« zu FuB und zu Pferd (1625) Musikstiicke ge-
schrieben1). Und in der *Ardelia< begegnen uns Motive, welche die
venetianische Dichterschule zu ihren Requisiten zahlte. Nach der Auf-
fuhrung der ^ArdeUa* nahm Maccioni Abschied von Miinchen. Im Jahre
1662 war er bereits in Rom2). Wichtige Dienste leistete er von da aus
in religiosen Fallen und weltlichen Dingen dem bayrischen Hofe. Aber
auch das Engagement der Kiinstler lag, wie wir noch sehen werden,
groBenteils in seinen Handen. Thro kam wesentlich das Yerdienst zu,
daB der italienische Kapellmeister Ercole Bernabei einer Berufung nach
Miinchen Folge leistete.
Schon ein Jahr nach der Auffiihrung von Maccioni's »Farpa festante*
wurden in Miinchen verschiedene neue musikdramatische Stiicke zur Dar-
stellung gebracht, die zugleich dafiir den Beweis liefern, daB der Hof
der Pflege der Oper nicht abgeneigt war. So sind >La ninfa ritrosa*,
*Mercurio e Matte discordU, eine dramatische Kantate fiir Soli und Chore,
sowie »Le Pompe di Cipro* zu erwahnen. Fiir die ersten drei Stiicke
hat Sandberger3) als Komponisten Pietro Zambonini aufgesucht, als
Dichter des zuletztgenannten Ballettvorspiels hat man an dem seit 1652
iim Miinchen tatigen Hofmusiker und Altisten Carlo Macchiati4) fest-
zuhalten. "Wie in Graf 0. Malvezzi's *La Rosaura* (Wien 1689) das
Schicksal einer Mannerfeindin zum Vorwurf genommen ist5), so wird
uns in *La ninfa ritrosa* ebenfalls eine Hasserin der Liebe vorgefiihrt.
Im » Pompe di Cipro € wird ein Streit inszeniert, indem auf der Insel Cypern
>!Fama< und »Fortunac, begleitet von persischen und agyptischen Mad-
cken, auftreten und mit »Amor«, der sich mit cyprischen Damen hinzu-
gesellt, in Meinungsverschiedenheiten urn die gegenseitigen Vorziige ge-
r»ten. Den Sieg tragt natiirlich Amor davon, da sich unter seinen
GJefahrtinnen die Kurfiirstin Adelaide selbst befand. Auch Macchiati
h-atte sich in diesem Stiicke mit der Allegorie begniigt, hatte den Liebes-
gott, der schon in den Werken der Florentiner Schule, etwa in Andrea
Salvadori's >La Flora*, in die Handlung eingreift, in sein Textbuch
heriibergenommen. Von den Partituren ist meines Wissens nichts auf
uns gekommen.
1) Vgl. H. G-oldschmidt »Studien zur Gesch. der italienischen Oper im
17. JahrhunderU 1901 p. 30, 37.
2) S. Kgl. bayr. Staatsarchiv K. schw. 337/30 und 489/4; vgl. meine Schrift, a.
a. 0. p. 91/92.
3) A. a. 0. p. 15.
4) S. meine Schrift a. a. 0. p 93.
5) H. Kretzschmar »Die venetianische Oper] und die Werke Cavalli's und
Cesti's* in der Vierteljahrschr. f. Musikw. 8. Bd. p. 9. '
s. a. i. m. v. 29
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450 Lttdwig Schiedermair, Die Anf ange der Mfinchener Oper.
Nun aber rollzog rich am Mu&chetter Hofe allmahlich ein tTmschwung,
der nicht znletzt der Oper zu statten kam. Ein Opernhaus wurde ge-
baut, Porro, der Vertreter der alten Bichtung, trat imm^- mehr in den
Hintergrund, ein junger, hochbegabter, der fceuen Kunstrichtung zugetaner
Musiker wurde an die Spitze der Hofkapelle gestellt, das Sangermaterial
durcb Zuziebung neuer, angesehener Krafte aus Italien gehoben, die
allegorische Oper durch Werke im Stile der venetianischen Oper ver-
drangt.
Bs steht wohl aufier Zweifel, daB die junge Kurf&rstin Adelaide es war,
die fttr ihre heimatliche Kunst eintrat und, wenngleich sie von Turin her
noch nicht alkuviele Opera kannte *), doch immerhin musikalisch-szenische
Darbietungen und sei es auch nur urn des Prunkes *illen unter ihr Pro-
tektorat stellte2). Adelaide, die einst fur Lndwig XTV*. in Aussicht ge-
nommene Braut, war zudem eine romantisch veranlagte Natur, die ihre
Gedanken in die Form des Sonetts zu bringen vermochte, sich gliicklich
im Malen versuchte, die Harf e spieHe und auch eifrig den Gresang pftegte 3).
Nicht lange nach ihrem Einzug in die bayrische Hauptstadt (am 22. Juli 1652)
setzte auch, wie wir gesehen haben, die italienische Oper, vorerst freilich
noch in Gestalt von Vor- und Zwischenspielen, van Litermedien, in Miinchen
ein. Ware keine italienische Prinzessin die Gremahlin Ferdinand Maria's
geworden, so ist es wohl zweifelhaft, ob die italienische Oper sofort in
Miinchen eine Pflanzstatte gefundeh, nicht vielmehr deutsche Musiker rich
gegen die Fremdherrschaft aufgelehnt hatten. Doch Adelaide trug keines-
wegs zum AusschluB der deutschen Ktinstler bei4). Wie hatten sonst
deutsche Musiker in der Hofkapelle, wie z. B. der Komponist Wendler9)
sich Geltung rerschaffen koraien, wie ware sonst das Engagement Job.
Kasp. Kerll's zustaxtde gekommen!
Kef 11 hatte zuerat in Wien bei Giov. Valentini, hiera»f in Bom bei
Carissimi und Frescobaldi seine musikalischen Studien gemacht. Damn
war er in die Diensfoe des Erzherzogs Leopold Wilhelm getreteo, on nach
Aufkteung von dessen Hofhaltung in Br&sselnach Miinchen tiberzusiedeln6).
fiier luufi er bereits 1655 gewesen sein; am 27. Februar 1656 erfolgte
seine Ernemrang zum Vkekapellmeister, unterm 20. September (bzw.
18. Oktober) desselben Jahres die zum wirklichen Kapellmeister. Seinem
Wirken wurde vom Hofe lebhafte Anerkennung gezollt, die sich in Geld-
spenden, der Verleihung des Ratstitels, eines Lehensbriefes usw. auBerte.
1) S. Sandberger, a. a. O.
2) S. meine Schrift a. a. 0. p. 88.
3) Maccioni und Kerll waren eine Zeit lang ihre Lehrer.
4) S. meine Schrift a. a. 0. p. 86.
6; S. Sandberger, a. a. 0. p. 28£L
6) S. Sandberger, a. a. 0. p. 10.
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Ludwig Schiedermair, Die Anf ange der Munohener Oper. 451
Er war ein gebildeter Mann, kannte sich im Latein aus, vermochte seine
Vorreden selbst zu verfa&sen, vereinigte ein edles Gemut mit einar, wean
es notig war, zielbewuBten Energie1). Ala Kapellmeister, als Lekrer,
als Instrumentalvktuos wie als Komponist setzte er in Munchen seine
Krafte ein. Yon seiner grofien kunstlerisehen Begabung legen die uns
noch erhaltenen Messen Zeugais ab2); aber auch auf dem G-ebiete d6r
Oper erzielte er beachtenswerte Leistungen. Leader beaitaen wir von
letzteren nur mehr die Textbiicher3).
Wie aber hatte Kerll Opem sohaffen und but Auffubrung bringeo
konnen, wean am Miinchner Hofe nicht bereiis Maccioni unter der
Agide Adelaide's das Feld hiefiir geebnet. Besondera gunstig war fur
Kerll wobl auch der Umstand, daB noch vor seiner Ernennung znm
wirklichen Kapellmeister ein Opemhaus vollendet und eine groBere Ari-
zahl von Gresangskraften, auch Kastraten, gewonnen worden war.
Kein neues Gebaude sollte fiir die Opernvoratelhmgen aufgefiihrt
werden, das Komhaus viebnehr einen Umbau erfahren. Schotn unter
Maximilian I. begannen die Vosrarbeiten, die aber dann eine Yerzogerung
erlitten. Erst 1654 nahm man die Arbeiten wieder anf. Die Bauleiter
waren Max Schinagl,4) der von der Pike auf gedient hatte, und Michael
Heichel'). Diese loste dann der »walsche Baumeister* Francesco Santurini
ab. Doch fanden Auffiihrungen nicht allein im Opemhaus, sondern auch
in der Residenz wie auf in der Nahe yon Munchen gelegenen Lust*
schlossern statt Da jetzt der Rahmen fur die musikalischen Darbietungen
in Munchen ein groBerer ge worden, bedurfte es natiirlich auch einer
Yerstarkung des Musiker- und Sangerpersonals. So dauerte jetzt zwischen
dem bayrischen Hofe und seinem Residenten in Rom der rege Brief-
wechsel6) fort, um geeignete und passende Kiinstler fiir Munchen zu
gewinnen. Der Sanger, den Adelaide und Ferdinand Maria wiinschten,
muBte ahnlich wie bei den Venetianern nicht nur eine schone, ausge-?
glichene Stimme, sondern auch eine Fertigkeit in Koloraturen und Trillern
beaitzen. So erwahnt, um nur ein Beispiel anzufuhren, Maccioni in
einem Schreiben von Rom aus (datiert 6. Januar 1662) eigens7): ». . . . Der
Sanger Ferrucci besitzt ein kraftiges und angenehmes Organ, . eine sichere
Tongebung, einen ausgezeichneten Ubergang und einen wunderschBnen
1} Kerll's Briefe find, soweit sie erhalten, abgedruokt bei Sandberger, a. a. 0;
und in meiner Sohrift a. a. 0.
2) Sie sehen in den Denkmalern einer Veroffentlichung entgegen.
3) In der Munchner Hof- and Staatsbibliothek.
4) S. meine Schrift a. a. 0. p. 105 und 118.
5) S. Munchner Kreisarchiv H. R. 466/18.
6) Kgl. bayr. Staatsarchiv.
7) Aus der >Korrespondenz G. B. Maccioni's mit Ferdinand Maria* im kgl. bayr.
Staatsarchiv.
29*
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452 Ludwig Schiedermair, Die Anf ange der Miinchener Oper.
Triller; er ist ein solider, junger Mann und ruhig; er ist Geistliclier.
Sollte dieser Umstand ein Hindernis fur die Verwendung des Sangers
in der Komodie bilden, so erwarte ich Befehle . . . .« Wie in Venedig
hatte man auch in Mtinchen eine Vorliebe ftir die Verwendung yon
Kastraten. Manche angesehene Gesangskraft wanderte iiber die Alpen.
Es mogen nur die Kastraten Ferrucci, Fregosi, Tinti, Ventury, Bar-
berio, die Bassisten Giov. Carlo Ferrucci, Macolino u. a. genannt sein.
Auch aus den Verzeichnissen der Textbucher1) lieBe sich noch mancher
treffliche Kiinstler anfiihren, der aber nicht nur in der Oper, sondern auch
in der Kirche mitzuwirken hatte2). Wahrend unter Porro die Hofmusik
aus 39 Personen bestand, wuchs sie unter Kerll auf 55 3). Zu den
Instrumentalisten, die unter Porro noch fast ausschlieBlich aus Blasern
sich zu8ammensetzten, gesellten sich jetzt auch Geiger4). Die Bezahlung
der Kiinstler, vorzugsweise der Sanger war ahnlich wie an den Venetianer
Theatern eine durchaus entsprechende. So heiBt es in einem Schreiben
der Hofkanzlei an Crivelli in Rom vom 14. Mai 1652 B): »Die Herren
Musiker und besonders die Italiener erhalten hier gewohnlich sehr gute
Anstellungen mit so vorteilhaften Besoldungen, daB sie sich besser als
mancher Staatsminister, geschweige denn die gewohnlichen Beamten
stellen.« Aber auch eine »walsche Sangerine Antonia Rivani fand unterm
4. Februar 1671 Anstellung6). Vielleicht wurden jetzt schon in Miinchen
nach dem Vorgang von Venedig Sangerinnen anstatt der Kastraten fur
die Interpretation hoher Gesangspartien verwendet.
So also waren die musikalischen Verhaltnisse in Miinchen beschaffen,
unter denen Kerll seine Opern schrieb. Als sicher konnen wir seine
Autorschaft bei den Opern: *VOr<mte* (Dichtung von Alcaini 1657),
*VErinto€ (Dichtung von Pietro Paolo Bissari 1661 und 1671), *Atalanta<
(Dichtung von Rannuccio Pallavicino 1667), »Le pretemioni del Sole*
(Dichtung von Domenico Gisberti 1667) und >Cobri genialu (Dichtung
vom Domenico Gisberti 1669) annehmen. Sandberger7) schreibt Kerll
noch zu: *Vamor delta patria superiore ad ogn' altro* (Dichtung von
1) Eine Angabe der Darsteller bringt das Textbuch von Bis sari's >VErinto< auf
der vorletzten Seite. Das in meiner Schrift aus dem Kgl. bayr. Hauaarchive (p. 96)
mitgeteilte Personenverzeichnis dieses Stiicks scheint also ein provisorisch angelegtea
gewesen zu sein und eine Anderung bei der Auffuhrung erfahren zu haben. Ver-
einzelte Notizen finden sich in Gisberti' 8 >Le pretension* del Sole*.
2) Vgl. Hugo Goldschmidt >Die italienische Gesangsmethode des 17. Jahr-
hunderts und ihre Bedeutung fllr die Gegenwartc 1892 p. 3—40.
3) Adolf Sandberger, a. a. 0. p. 19.
4) Hofzahlamtsrechnungen im Munchner Kreisarchiv.
5; Kgl. bayr. Staatsarchiv K. schw. 313/15.
6) S. meine Schrift a. a. 0. p. 133.
7 A. a. 0. p. 28ff.
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Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Munchener Oper. 453
Francesco Sbarra 1665) und *Amvr tiranno* (Dichtung von Domenico
Gisberti 1672).
Im *POr<mte* fallt der Sohn des Konigs von Kreta Seeraubern zum
Opfer. Er wird zu Skanderbeg gebracht und verliebt sich, seiner Her-
kunft unbewuBt, in Dorisbe. Mit Hilfe Jupiters, Plutos und Amors ge-
langt er wieder in die alte Heimat zuriick. Dem Stuck geht ein Prolog
mit der Lobpreisung der Kurfurstin voraus. Der Raub eines Konigs-
sohns, dessen Unkenntnis von seiner Abstammung war ebenso ein be-
liebtes Motiv der venetianischen Oper, als der Stotterer, der im »VOr(mte*
sein Schia-SchiarSchiarare oder AnUquaHjua^quario stammelt, zu ihren
nahezu typischen Figuren zahlte.
Im *VErinto*} einem >drama regio mrmcale*, das zur Geburtstagfeier
der Tochter Adelaide's, der Prinzessin Maria Anna gegeben und 1671
zu Ehren des Erzbischofs von Salzburg wiederholt wurde1), wird die
nach mannigfachen Schwierigkeiten doch endlich zur gliicklichen Ver-
einigung fiihrende Liebe zweier Konigskinder geschildert. Im Prolog
erscheint neben Zoroaster der Biese Gerion und stimmt mit seinen
3 Kopfen einen Gesang an. In der Oper selbst treten die Sologesange
ganz in den Yordergrund. So hat der 1. Akt gegen 10 groBere,
selbstandige Gesangsstticke aufzuweisen, der 2. Akt gegen 14, der 3. Akt
gegen 9. Unter den Personen treffen wir neben den Hauptpersonen,
den Konigen, einen tolpischen Diener des Konigs Oorimante, eine als
Soldat vermummte Dienerin Nerina der als Page ebenfalls verkleideten
Konigstochter Stelliclea. Der Chor besteht aus Soldaten (Alabardieri,
Arcieri, Forusciti) und Biirgern (Cittadini). Er greift im 1. Akt zweimal,
im 2. einmal, im 3. zweimal, aber nur ganz voriibergehend, in die Hand-
lung ein, fungiert jedoch verschiedene Male in Statistenrollen. Erinnert
uns der »VErmto* nicht an die Venetianer Oper! Hier wie dort ver-
kleidete Personen, ein scherzhaftes Dienerpaar, ein leider nur allzu
schweigsamer Chor. Von den -dem Textbuch beigegebenen Ulustrationen
wird wie von denen der bereits genannten *Applausi festivi* spater die
Rede sein.
lAtalanta* behandelt nach dem Vorbild der altgriechischen Sage die
Flucht der argivischen Konigstochter vor ihren Werbern. In dem durch
lateinische Zitate unterbrochenen Vorwort2) nimmt Pallavicino auf seine
Quellen Bezug. Ein kurzer Prolog leitet das Stiick ein. Morfeo
1) Das Textbuch wnrde fur das Jahr 1671 neu gedruckt. Eine Angabe der be-
teiligten Sanger fehlt hier. Das mir aus der Munchner Hof- und Staatsbiblioihek
vorliegende Exemplar aus diesem Jahre hat einen blauseidenen Einband.
2) Am Sehlusse findet sich folgendes Nachwort: >Le parole di Arrima, Cieio, d%
Dietd, di Fato, di Forttma, di Destino, ed? altre simUi sono permesse acfuna liberia
Poetica, ma proferite ne sensi, che rum mai repugnano acPuna vera fede Catolica*.
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454 Ludwig Schiedennair, Die Anfange der Munchener Oper.
acoompagnato da Sogni tritt ant In der Oper selbst mutet una der
fliissige, lebendige Dialog an. Soloszenen bot Pallavicino dem Komponisten
verhaltnismaBig wenige. Fast nur der Heldin des Stiicks, der Jagerin
Atalanta ist G-elegenheit geboten, ihren Empfindungen in groBeren Solo-
formen Ausdruck zu verleihen. Yon diesen sind im 1. Akt die 9. Szene,
im 2. Akt die 2. Halfte der 4. Szene, und im 3. Akt die 17. Szene
bemerkenswert. Es sind Gebilde groBeren "Dmfangs, in denen der Ton-
setzer seine (Jefiihlsskala zeigen konnte. Pallavicino war auch bemiiht,
seinen Yersen eine eindringlichere Grestalt zu geben; so laBt er Atalanta
Arien singen, bei denen sich gauze Yerszeilen gleichsam als Refrain
wiederholen. In der angefuhrten Szene des 1. Aktes bringt er die Worte:
»Ma ch'io pensi ad amove? Mi si tolga il pensier, penso ai dolore* vier-
mal, in der des 2. Aktes die Worte: >Deh si ti manca A oor, perdi la
vita* ebenfalls viermal. In der genannten Szene des 3. Aktes fallt die
13malige Yerwendung des Echos auf. Den Worten: >Ow riarda la
fiamma il foco mio* antwortet das Echo: »«e>« und so geht es weiter nnd
zwar in der Weise, daB entweder Teile des letzten Wortes oder dieses
ganz wiederholt wird (lontano - nd, risente - smte, gode - ode, Amore - more,
innamori-mori, intorno-torno, riposto-posto, dis&uxiarcaccia, traocia-fna,
mferma - fer, chiama - ama, seco - echo). Man muB zugestehen, daB dieser
sinnige Zug des Dichters seine Wirkung bei der Auffiihrung nicht ver-
fehlt haben wird. Aber Pallavicino schuf damit keine Neuheit. Schon
in Monteverdi's »Orpheo« (5. Akt) raft das Echo dem tranernden Orpheus
Worte des Troste6 zu. Und die Anwendung des Echos hatte in Stucken,
die wie Atalanta der griechischen Sage entnommen waren, eine gewisse
Berechtigung, zumal da* griechische Mythos die Beziehung der Natur-
krafte zum Menschen nicht leugnete1). Dem Stiick ist iiberfltissiger
Weise ein kurzer *Bingraxziamento* an den Kurfiirsten angehangt, der
wohl als Yorbote des in der Venetianer Oper sich spater entwickelnden
Epilogs aufzufassen ist. %
*Le pretensioni del Sole* und » Colori geniati* sind kiirzere, allegorische
Vorspiele, die Bingelstechen und Tourniere festlich einleiten sollten.
*Le pretensioni del Sole* enthalt groBere Chore, so die Gruppe der
Coribanti, der Crepuseoli und den Ohor di Delta celesti, der auch doppel-
chorig behandelt wird. Dem Chor der Coribanten waren die Tenoristen
P. Zambonini und Gruilio Rossoni, wie das Textbuch erwahnt, zugeteilt
Die Partie der Beredntia, la Bavara wurde von dem Oontraalt Gruiseppe
Barberio, die der Aurora von dem *gratissimo e gratiosissimo Soprano*
Agostino gesungen. Auch die Fiirstlichkeiten selbst spielten wieder mit.
1) S..HL Goldschmidt, a. a. 0. p. 13 mid vgl. H. Kretzschmar >£inige
Bemerkungen tiber den Vortrag alter Musik« im Jahrb. der Musikbibliothek Peters,
190Q p. 63ff.
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Ludwig Sdriederaair, Die Anfange der Miinchener Oper. 455
Trompeten und Pauken warden oftmalg verwendet, sie gaben auch das
Signal zo einem neuen Anfzug. Muaikalische Zwischenspiele scheinen
ebenfalls nicht gefefalt m haben, da eine >sinfoma« erwahnt wircL >I
cohri gemab* sind als *Tomiamenio di Luce* bezeichnet. Als Personen
treten die Farben auf, die entweder personifiziert oder allegorisch ge-
dacht waren. GroBere Sologesange sind ihnen nicht zngewiesen. Der
Choro de Colori greift zweimal in lingerer Weise ein. Bedeutung kann
das Stiick ebenso wenig beanspruchen wie *le pretmsioni del Sole*. Von
einer weit giinstigeren Seite zeigt sich Gisberti im *Amor tiranno* und
in seinen anderen Stiicken.
*L'amor delta patria* zeigt den Marsch des Narses nach Aurelia.
Die Verteidiger Aurelias kampfen mit Todesverachtung und retten auch
noch nach ihrem Unterliegen die Stadt. Wiederum eroffnet ein Prolog,
der die kurfiirstliche Familie verherrlicht, das Stiick. Die Oper selbst
zeigt Lebendigkeit in der szenischen Gestaltung wie im Dialog. GroBere
Soloszenen, die inneren Gefuhlsergiissen Rechnung tragen, sind nicht
allzu zahlreich vorhanden. Im 2. Akt ist der Reflexion noch am meisten
Raum gegeben. Auch in diesem drama mtmcale halt der Verfasser an
den refrainartigen Tertwiederholungen bei den geschlossenen Szenen fest,
wie sich z. B. aus dem Gesang des Konsuls Emilio (1. Akt, 1. Szene),
dem Monolog des Soldaten Tersites (1. Akt, 12. Szene), der Tochter
Emilios, Elisa (2. Akt, 6. Szene) ergibt. Besondere Erwahnung verdient
die 9. Szene des 3. Aktes, die eine Kiiche innerhalb eines Zeltes dar-
stellt. Ein Koch *lavora di Paste*, begleitet seine Handlung mit einer
Arie. Dieses Stiick ist textlich in seiner Volkstiimlichkeit von groBem
Reiz. Drei Soldatenchore sowie die Burger beteiligen sich nur insoweit
an der Handlung, als sie kampfen. Ab und zu hort man auch aus
ihrem Munde die Rufe: *A le mura, a Farmu (11. Szene des 1. Aktes)
oder *Andiamo, corriamo compagni" (16. Szene des 1. Aktes) oder »Ma
rum sperar, the ei diam mai per vinti* (14. Szene des 3. Aktes). Die
Parallele mit den venetianischen Choren, etwaBusenello's »Didone* drangt
sich auf. Diese Chorkiirzungen sind ebenso wie die Schlacht- und
Kampfesszenen bei Sbarra, der ja zur venetianischen Dichtergruppe z&hlte,
begreiflich. Die Aktschliisse gestaltete Sbarra in wirkungsvoller Weise.
Am Ende des 1. und 2. Aktes sind Kampfe angekiindigt, »Trompeten
und Trommeln* geben das Kolorit. Am Schlusse der Oper ftihren
Soldaten >un allegro battetto* auf. Ulustrationen finden sich ebenfalls in
diesem Textbuch. Auch auf diese soil spater eingegangen werden.
*Amor tirarmo*. auf Befehl Adelaide's 1672 zum Geburtstag ihres
Gemahls dargestellt, fuhrt die Schicksale schwedischer und danischer
Konige vor Augen. Das Stiick tragt den Untertitel: »Poe*ia Dramatica
Comica Nuova rappresentata in musica*. Als Quelle benutzte Gisberti
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456 Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Munchener Oper.
das 17. Buch der Gottia des Giovanni Magni1). Die iiber drei Akte
verteilte Handlung spielt in Upsala, »Konungshoegar« und >Morasteen«.
Der Dialog ist belebt und charakteristisch; die Soloszenen sind geschickt
eingeflochten. Die Form der Arien wird in diesem Stticke eine festere,
gedrangtere und hatte ihr Vorbild sicherlich in den Venetianer Texten.
Bemerken8wert sind die Gesange des Fiirsten Pridleuo. Die komischen
Partien sind nach Venetianer Art dem Diener Biorno und der Amme
Viserga uberlassen. Fiir die volkstiimliche Art der Gesange Biornoa
diene folgende Stelle als Beispiel:
Mala cosa aver cerveUo,
N6 saper lo moderar
A die, giova tm bel modello,
Se' I pUtor no* I sd adoprar?
Bello e Paver
Bello il poter.
Ma U saper e un pd piu bello,
Mala cosa aver cerveUo
Ne saper lo moderar.
Am Chor sind zahlreiche Personen beteiligt, die als Hoflinge, ala
Edelknaben, als Wachter, als Leibgarde, als Trompeter und Trommler
zu agieren haben. Aber es iraren durchweg stumme Statistenchore, die
fiir die Handlung nicht in Betracht kamen. Jeder Akt schlieBt mit
einem ,Ballo4 effektvoll ab. DaB es ohne iiberirdische Machte nicht ab-
gehen konnte, sehen wir am Schlusse der Oper, wenn die Gottinnen
Talia und Terpsichore erscheinen.
Beurteilt man diese Operntexte nach ihrem dichterischen Gehalt, so
mufi man bekennen, daB Alcaini's *VOronte* auf einer sehr niedrigen
Stufe steht, Bissari's *VErinto* einen Blick fiir das Biihnenwirksame und
das Gelegenheitsstiicken Notwendige bekundet, Sbarra's *Amor della patriae
eine sittliche Idee zu Gunsten yon Schlachten, Ausf alien und Kampfen
iiberhaupt ausschaltet, wie der Verfasser in der Vorrede mit rtihmens-
werter OfEenheit gleich selbst bekennt, daB »vom Gefiihl des Herzens<
nichts zu verspiiren sei. Wesentlich hoher sind die Texte Pallavicino's
und Gisberti's einzuschatzen. Marchese Pallavicino's >Ataianta« verr&t
den gebildeten, von seiner Stellung durchdrungenen Hofmann. Gisbertir
der Priester war, besaB die Gabe, seine Gedanken und Empfindungea
jeder Zeit in poetische Formen zu bringen. Als Lyriker, als Prosa-
schriftsteller betatigte er sich2). Bald schrieb er Sonette, bald ersann
er Ratsel, lateinische, griechische, deutsche, franzosische, italienische und
spamsche Spriiche fiir die Schlittenfahrten, heute suchte er sich fiber
1) Gisberti meint jedenfalls die >Htstoria de omnibus Qothonum Suecorumque
regtbus* des Johannes Magni (1488—1544).
2) S. meine Schrift a. a. 0. p. 117 ff.
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Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Miinchener Oper. 457
astronomische Probleme auszusprechen, morgen lieferte er eine Reise-
beschreibung; ein andermal wagte er sich mit Gliick und starker Phantasie
auf dramatisches Gebiet1). Seine Texte, die von Kerll komponiert
wurden, bekunden in der Wahl der Stoffe eine gewisse Kiihnbeit; die
dramatischen Momente sind im Yergleich zu Maccioni klarer und sicherer
erfaBt Aber nicht allein in Mlinchen wurden Gisberti's Stucke gegeben.
So erlebte schon 1660 in Venedig im Teatro di 8. ApolUnare eine * opera
di Stilo Rexitativo*: *La Paxxia in Trono* ihre Auffiihrung, die im
Verlauf yon drei Akten die Raserei des Kaisers Kaligula zeigt, der
endlich vom Wabne der Vergotterung seines Pferdes befreit wird.
Wenngleich wir die Partituren zu Kerll's Opern nicbt besitzen, so
konnen wir doch an der Hand seiner Kantaten, Capriccios, Kanzonen
einen RiickschluB auf seine Biihnenmusik ziehen. Aus seinen Kantaten
laBt sich Klarheit der Tonsprache und Erfindungskraft ersehen. Lied-
maBige, kiirzere Sologesangsstellen sind eingeschaltet; der Koloristik wird
durch Echowirkungen und Tonmalerei ein grofierer Spielraum gelassen.
Aus den Kanzonen fiir Streichorchester gewinnen wir einen Einblick in
die instnunentalen Einleitungen, aus der Partitur des erhaltenen Jesuiten-
dramas »Pia et fortis mtdier* einen solchen in die Gestaltung der
Rezitative. Auf Grund der erhaltenen Textbiicher konnen wir feststellen,
daB Kerll seine Meisterschaft in der Chorkomposition nicht zeigen konnte,
vielmehr den Gepflogenheiten der venetianischen Textdichter sich fiigen
muBte. Yon diesen Gesichtspunkten aus fallt Sandberger3) dann das
Urteil, daB sich die Kerll'schen Opern »wohl neben denen des Cavallic
sehen lassen konnten.
Doch nicht allein Kerll'sche Opern erlebten in Miinchen Auffiihrungen.
Hervorzuheben ware eine Operndichtung von Dr. Marco Rosetti >Ottone
in Italia*, deren Wiedergabe in Miinchen wohl ins Jahr 1670 fallt und
die yon einem nach Miinchen berufenen Italiener komponiert worden zu
sein scheint. Rosetti geht in seinem Texte noch einen Schritt weiter als
Gisberti. Nicht allein mehr der Olymp, auch die Unterwelt wird vor-
gefiihrt. Den Hohepunkt des Stiickes bildet ein Reigen der Farben, die
vom Regenbogen herbeigerufen in den Festjubel miteinstimmen.
Was die dekorative Ausstattung aller dieser musikalisch-dramatischen
Werke anlangt, so kann man behaupten, daB sie durchweg eine prunk-
volle war. Einheimische wie italienische Maler standen ja dem Miinchner
Hofe in ausreichender Zahl zur Verfligung. Zudem sparte der Hof bei
einer Opernauffiihrung in allem eher, wie bei der Inszenierung. Szenen,
die »zehnmal verandert werden konnten*, Triumphwagen usw. wurden
1) Die Miinchner Hof- und Staatsbibliothek besiizt 8 dicke Sanxmelbande.
2) A. a. 0. p. 49 ff.
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458 Ludwig Schiedermair, Die Anf ange der Munchener Oper.
gemalt und -angefertigt. Kaspar Amort, Matthias und Melchior Eiisell
und auch Francesco Santurini beteiligten aich in besonderex W«se hieran *).
Die bereits genannten Textbticher zu *Appbmsi festivi*, au *PErinto*
und >^mor deMa pahia* geben interessante Aufschltisse for die Anfange
der Munchner Hofoper in dekorativer Beziehung. Aug den *Appknisi
festivu erhalten wir Kenntnis von den Aufeugen, ibren Maschinen, Wagen
und ihrer Ausstattung. Zu der Gattung der »Mascbinea« gehtirte der
Berg der Gdtterbotin Iris, der Wasserberg und der Aetna. Den beiden
letzteren waren kostumierte Madchen, die Fanfaren bliesen, zugeteilt.
Unter den zahlreichen Wagen sind zu erwahnen: der von gefesselten
Oentauren gezogene *Carro del Vespero*, dann der *Carro <UNotto*j vor
den 6 mit schwarzen Decken behangene Pferde gespannt waren, der
*Carro delta Luna*, auf dem unterhalb des Mondes 6 Lauten spielende
Madchen saBen, der *Carro di mettogiomo* , den 6 Greife zogen, und
endlioh der »Carro del &>fe«. Man muB bei der Betrachtung der Bilder
zugeben, daB die Wagen zum Teil mit feinem Geschmack arrangiert
waren. Bis ins Detail sorgfaltig ausgefiihrt, zeigen sie nichts Uber-
ladenes. Sogar auf die Rader ist Rucksicht genommen. Wenn der
Wagen dem Sonnengotte geweiht war, dann hatten diese die Form kleiner
Sonnen. Uberhaupt war der Sonnenwagen der prachtigste. SaB ja auf
ihm der junge Kurf first selbst. Musizierende Genien2) huldigten ihm
da. Die am Zuge beteiligten Personen waren kostumiert als: Winde,
die Stunden des Tages und der Nacht, als Mexikaner, Peruaner, Mosko*
witer, Tartaren, Samojeden, Perser, Mohren, die 12 Monate, die Jahres-
zeiten, Nymphen und Genien. Auch die Ausfuhrung dieser Trachten
bekundet Phantasie.
Das Textbuch des *VErinto* veranschaulicht in den beigegebenen
Bildern die einzelnen Szenen, Kulissen, Soffitten und Maschinen. Die
Hintergriinde stellen dar eine weite Flur oder ein Gref&ngnis oder einen
Teil einer Stadt, einen Rundgang, einen Palasteingang, eine Festung,
einen Strom oder die StraBe einer Stadt. Die beiden Seitenwande der
Btihne zerf alien in 5—6 Kulissen, die zum groBten Teil aus antiken
Saulen, aber auch aus Hausern und Tiirmen bestanden. Als Soffitten
sind wohl die Felsstiicke, eine Brlicke und die verschiedenen Bildsaulen
aufzufassen, als Maschinen die beweglichen Wolken (im Vorspiel) und
die SchifFe (im 3. Akt) zu bezeichnen.
Das Textbuch von *amor delta patriae bringt als Hintergriinde einen
Stadtteil, eine Saulenhalle, Befestigungen, ein Zeltlager, einen Festsaal.
60) S. meine Schrift a. a. 0. p. 104 ff, sowie den dort in der Anlage mitgeteilten
•Entwurf einer Komodie in Musica.«
61) Greige, Flote, Laute, Harfe, Tambourin und Cembalo sind ihre Instromente.
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Ludwig Schiedermair, Die Anf&nge der Miinchener Oper. 459
Leider fehlt die Kiiche. Wiederum ist die Ftefzahl der Kulissen bei-
behalten, die el^enfalls S&ulen and Havser vorstellten. Doch kamen
diesmal nooh Bavme and Zelte hinzu. Als Versatzstucke hat man sich
die Bildsaulen zu denken und aach wohl zwei Elephanten, von deaen
der erne dem Zuschauer nur den Kopf, der andere nnr die Riickseite
zukehrte. Das znletzt erwahiite Tier ting auf seinem Riicken eine groBe
Belagemngsmaschine, auf der sich durch Sddlde gedeckte Soklaten be-
fanden. Mittels einer Maschine wurde wohl die Eracheinung des ,Himeoeo'
und der zwei Amoretten (im Vorspiel) bewerkstelligt.
Schon aus diesen kurzen Andeutungen uber die Szenerie laBt sich
ersehen, daB die Miinchner Hofoper sich auch in der dekorativen Aus-
stattung damals mit Dresden und Mannheim messen konnte. Bis zu den
Dekorationen zu Steff ani's *Servio TulMo* *) (im Jahre 1685 aufgefiihrt)
war damals in Munchen freilich noch ein groBer Schritt
Fassen wir die Entwicklung der Oper zusammen, wie sie sich von
ihrer Einfuhrung in Munchen bis zum Scheiden Kerll's und zur Er-
nennung E. Bernabei's im Jahre 1673 darbietet. In einem Zeitraum von
ungefahr 20 Jahren hatte man in Munchen eine nicht geringe Weglange
zuriickgelegt. Mit der italienischen Prinzessin war die' Oper an den
Miinchner Hof gelangt. Gaben bescheidener Art bot sie anfangs der
siiddeutschen Hofgesellschaft dar. Zu festlichen Gelegenheiten wurde
sie herangezogen, freilich nicht urn ihrer selbst willen, sondern meist zur
Steigerung des Glanzes und des Prunkes. Wenn trotz der verhaltnis-
maBig geringen Giite der Miinchener Hof nicht nachlieB, die Oper zu
pflegen, so lag dies wohl auch einerseits an Adelaide von Savoyen, die
ihre heimatliche Kunst unter ihr Protektorat stellte, andrerseits an dem
hochbegabten Joh. Kaspar Kerll, der sich der neuen Kunstrichtung mit
Xdebe und Sorgfalt annahm.
Wenngleich in den ersten Jahren Texte von geringem Werte ent-
standen, so wurde in der Folgezeit ihre Durchfiihrung unter Pallavicino
und Gisberti doch sicherer und klarer. Man bemiihte sich in der Alle-
gorie fiir die Wirklichkeit eine Scheinwelt zu setzen, segelte aber schon
bald vollig in das Fahrwasser der venetianischen Operntexte. Zu den
einfachen allegorischen Figuren kommen jetzt Romer, Skandinavier usw.
hinzu, die Typen der venetianischen Oper werden immer deutlicher nach-
geahmt; die Oharakterisierung der Helden verrat jetzt auch in Munchen
den EinfluB Minato's und der Venetianer Schule; die Vorliebe fiir Effekte
auf der Biihne wird starker, der Ohor greift in die Handlung nur selten
mehr ein und gewinnt lediglich noch in den Aufziigen und Tournieren
an Bedeutung. Angesehene italienische Opernkomponisten wurden vor
1) S. Artur Neisser *Servio TuUio; Leipzig 1902 p. 139 ff.
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460 Ludwig Schiedennair, Die Anfange der Mtinchener Oper.
den beiden Bemabei wohl kaum nach Miinchen gezogen; dagegen bleibt
die dominierende Stellung KerlTs zu betonen, der aus italienischer Schule
hervorgegangen seine deutsche Nationalist, wie wir aus seiner Yorliebe
fiir Tonmalereien und Naturschildeningen ersehen, nicbt verleugnen
konnte. Im Personal und in der Inszenierung stand Miinchen damals
auf der Hohe der Zeit, Greldopfer wurden nicbt gescbeut. Flir die
Miincbener Hofoper war die Herrschaft der Italiener auf lange Zeit
hinaus durcbaus kein Nachteil.
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Ludwig Sohiedermair, Die Anfange der Mfinchener Oper. 461
ANHANO.
Duett fiir 2 Soprane und Gontinuo.
Giov. Batt. Maccioni.
Bearbeitung Ton Dr. Ludw. Sehiedermftir.
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462
Ladwig Sahiedernuur, Die Anf'inge d«r MBnahener Oper.
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Ludwig SoJuedennair, Die AnfSnge der Mthtchener Oper. 463
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464 Ludwig Sohiedermair, Die Anfange der Monohener Oper.
Arie fiir Sopran und Oontinuo.
Giov. Batt. Maccioni.
Beftrbeitung ron Dr. Lndw. 8chi«d«rm*ir.
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Ludwig Sohiedarmair, Die Anfange der Miinehener Oper.
465
pra.ti cor.rer fiumiin san.gui J na.ti son ri . cor -
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pra.ti oor.rer fiumiin san.gui J na.ti son ri . cor
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466 Ludwig Sohiedermair, Die Anflnge der Miinohener Oper.
Rezitativ fur Alt und Gontinuo.
Oiov. Batt. Maeeioni.
BeftrWtunff tou Dr. Ludw. 8ehied«rm*ir.
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Ludwig Schiedermair, Die Anfange der Mtinchener Open. 467
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468 Ladwig Sehiedermair, Die Anftnge der MfLnohener Operf
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Carl Mennicke, Zur Biographie Joh. Adolph Hasse's. 489
Zur Biographie Joh. Adolph Hasse's
(Nachtrag)
von
Carl Mennicke.
(Leipzig.)
Der im Jahrgang V, S. 230 der Sammelbande befindlichen biographischen
Studie fiber Johann Adolph Hasse diesen vorliegenden Nachtrag folgen zu
lassen, sieht aich der Verfasser zun&chst genotigt durch Entdeokung einiger,
gewisserma£en unterirdischen Quellen, und ferner durch Kenntnisnahme des
Inhalts einer Abhandlung, welche auf den meisten Bibliotheken nicht vor-
handen, und welche weder durch den Yerleger noch durch Antiquare auf-
zutreiben war. Es handelt aich um die Schriffc La «Nuova Sirena>
e U «Caro Sassone* note biografiche da Q. M. Urbani de Gheltof, Venezia
1890, 8°, 81 pag., ohne Angabe des Verlegers. Hinsichtlich dieser Abhand-
lung, deren Inhalt die musikalische Biographie noch nicht benutzt hat, zeigt
aich von neuem die Primitivitat unsrer Musikzeitungen in puncto Regi*
strierung auslandischer Nova auf dem Gebiete der bibliographischen und
hiatoriographischen Muaikliteratur. Das genannte Werk, von dessen Exiatenz
der Yerfasser durch Zufall erfuhr, erschien vor 14 Jahren; keine deutsche
Musikzeitung registrierte dieses Faktum, ganz abgesehen von einer kritiachen
Wiirdigung des darin niedergelegten unbekannten Materials. Wir holen
heute das Versaumte nach und erweitern das Ganze auf Grand seither er-
schienener Monographien zur italienischen Theatergeschichte und eigener
Untersuchungen. Hinsichtlich der Tatigkeit Hasse's und seiner Gemahlin in
Deutschland bringt die erwShnte italienische Biographie nur eine kritische
Zusammenstelhing des bekannten Materials, wobei Irrtiimer unterlaufen, aber
fur die Kapitel » Faustina Hasse « und » Hasse in Italien« Blanches Unbe-
kannte von Wert.
Faustina Bordoni wurde im Jahre 1700 in Venedig geboren, wie aus dem
bei ihrem Tode auigenommenen Protokoll hervorgefct. Ihr Vater war Paolo
Bordoni. Nach Benedetto Marcello's Aussagen soil sie bereitemitl3
Jahren aufgetreten sein. Nachweisbar singt sie in Venedig im Jahre 1716 in
Carlo Franc. Pollaroli's Drama in musica Ariodante, »rappresentata nel
Farmosissimo Teatro di San. Giov. Grrisostomo PAnno 1716c. Ln Textbuch
dieser Oper steht zu lesen »La Signora Faustina Bordoni, Serva attuale,
e Yirtuosa di Camera del Serenissimo Elettor Palatino«. Die Oper war
gewidmet >a sua Altezza Serenissima Reale e Elettorale di Frederico
Augusto Principe Real di Polonia e Elettoral di Sassonia* *). Der
sachsische Kurfikst hielt sich im Mai 1716 in Venedig auf und beehrte
Faustina mit dem Titel »Virtuosa di camera in partibus da Augusto IL
1) Dedikationsexemplar auf der Dresdener Bibliothek (Mus. B. 642).
30*
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470 Carl Mennicke, Zur Biographie Joh. Adolph Hasse's.
Elettore di Sassonia«. Ihre Tatigkeit bleibt vorlaufig auf Venedig be-
schrankt. Sie singt 1717 in Albinoni's Eumeiw und Lotti's Alessandro
Severo. Im Herbst 1718 singt sie bei einer Wiederholung von Poll a -
roli's Ariodante zum erstenmal mit ihrer Bivalin Francesca Cuzzoni1).
In demselben Jahr zur Zeit des Karneval2) sang Faustina noch in Marco
Ant. Bononcini's Astianatte und in Gasparini's Arsace. Im Jahre
1719 tritt sie auf in Ant. Pollaroli's Leocippe e Teonoe, in Gas-
parini's H Lamano und in Orlandini's Ifigenia in Tauride, in den
beiden letzten wiederum mit der Cuzzoni. Im Herbst 1720 folgen dann
Giov. Porta's Teodorieo, im Karneval Orlandini's Paride, imKarneval
1721 Orlandini's Nerone und Ant. Pollaroli's Lucio Papirio Ditto-
tore*)', in den beiden letzten tritt Faustina vorlaufig zum letztenmal mit
ihrer Bivalin aus Parma auf. Wir finden Faustina 1721 in Bologna
wieder zur Auffiihrung von Panati's Astarte*). Von Bologna fiihrt ihr
Weg nach Neapel. Dort singt sie im Karneval 1722 in Sarro's Parte-
nope, im August desselben Jahres in Leo's Bajaxet und im November
in Vinci's Publio Cwnelio Seipio. In demselben Jahr wurden
auch gelegentlich ihres Aufenthalts in Florenz zwei von Giuseppe
Brocetti entworfene Medaillen auf sie gepragt. Das Jahr 1723
brachte ihre erste Reise nach Deutschland, an den Miinchener Hof.
Wie wir aus dem Tagebuch5) des Graf en MaximiUan von Preysing
erfahren, sang Faustina am 1. Oktober 1723 zum erstenmal am
Hofe, bei der sogenannten Tafelmusik. Am 12. Oktober, zum
Namenstag des Kurfiirsten, trat sie in Pietro Torri's Oper Griselda
auf8), zu der die Proben schon am 6. September begonnen hatten. Es
scheint, als ob sich Faustina nach dem Besuch des Miinchener Hofes
wieder nach Italien gewandt habe; denn Urbani de Gheltof zufolge
(a. a. O.) singt sie im Winter 1723 in Mancini's Trajano in Neapel.
Auch zitiert Wiel (a. a. 0.) ihr Auftreten im Herbst 1723 in Venedig
in Gasparini's Li equivoei d'amore e (Einnocenxa, und fiir den Karneval
1724 in Giacomellis Ipermestra und in Gasparini's 11 piu fedel
tra li amid,. Am 26. August 1724 singt Faustina in einem Hofkonzert 7)
1) Die Cuzzoni war mit Faustina gleichaltrig; sie wurde 1700 in Parma geboren
and sang erstmalig 1716 in Bologna in Bassani's Alarico, Re deiQoH (vgl. Roberti,
La musica nel secolo XVIII. ftivista musicale 1900, p. 716.)
2) Karnevalszeit vom 26. Dezember bis zum Fastnachtsdienstag.
3) Die in Venedig aufgefuhrten Opern nach Wiel, ITeatri Musicali, Venezia 1897.
4) Ricci, I Teatri di Bologna. Monti 1888.
5) Auf dieses Tagebuch Miinchen, Hof- und Staatsbibliothek) hat Ad. Sand-
berger in der Vorrede der Abaco-Ausgabe hingewiesen (DenkmaL D. T. in Bayern lU
6) Vgl. auch Ru.dhart, Geschichte der Oper am Hofe zu Miinchen. Freiaing 1866.
7) Die angesetzte Oper konnte nicht aufgefuhrt werden, da die Musiker streikten,
weil sie drei Jahre lang kein Gehalt gekriegt hatten. (Dresden, Staatsarchiv.)
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Carl Mennicke, Zur Biographie Joh. Adolph Hasse's. 471
in Miinchen, am 24. September und 11. Oktober mit Bernacchi in
Torri's Amadis de Grecia*). Nach Venedig zuruckgekehrt, horen wir
sie in Franc. Brusa's H Trionfo della Virtii und zum Karneval 1725 in
Orlandini's Berenice und in den Opern La Rosmira fedele und Ifigmia
in Taaride von Leon. Vinci. Von Venedig aus trat Faustina 1725 das
glanzende Wiener Engagement an, blieb jedoch nur ein Jahr an der
Donau und verabschiedete sich als Gianisbe in Gius. Porsile's Spartaco
am 21., 27. Februar und 3. Marz von dem musikalischen Wien. Zeno,
der kaiserliche Hofpoet, schreibt am 23. Marz:
Lunedi partira di qui la Faustina, alia volta di Londra. 12 incredibile
il desiderio che lascia di se stessa a tutta la Corde, e in particolare alia
Padronanza, da cui e stata generosamente regalata e distinta.
Das Kapitel » Faustina in London « hat Chrysander in seinem
> Handel* (II, 142 ff.) griindlich bearbeitet. Faustina trat erstmalig am
5. Mai 1726 in Handel's Alessandro vor das Londoner Publikum, hatte
am 7. Marz 1727 in Handel's Admet Benefiz und verlieB London,
nachdem sie am 1. Juni 1728 zum letztenmal im Admet aufgetreten war.
In Senesino's Gesellschaft soil sie iiber Paris nach Mailand gereist sein
und in letzterer Stadt neue Triumphe gef eiert haben, wof iir wir jedoch keine
beweiskraftigen Dokumente aufzubringen vermogen. Im Karneval 1729
singt sie in Venedig in Orlandini's Adelaide und in Giacomelli's
Gianguir. In demselben Jahr finden wir sie wieder am Hofe zu Miin-
chen; sie singt an der Seite Farinelli's am 19. und 22. Oktober 1729
die Partie der Giocastra in Torri's Edippo a Colono 2). Bald kehrt sie nach
Italien zuriick, hort vom Ruhme des >Sassone« und singt am Himmel-
fahrtstage 1730 in Venedig zum erstenmal in einer Oper ihres kiinftigen
Gatten, in Dalisa auf dem Theater S. Samuele. Joh. Georg KeyBler's3)
Reisebrief aus Venedig vom Mai 1730 entnehmen wir, >daB Faustina
sich nachstens mit dem beriihmten Musico, Johann Adolph Hasse, ver-
heiraten« wird. Somit scheint dieser Ehebund erst nach dem auBer-
ordentlichen Erf olg der Oper Dalisa geschlossen worden zu sein. Ferner ist
uns iiberliefert, daB in der Auffuhrung von Hasse's Arta^erse (Venedig
J.730) die Damen Cuzzoni und Pieri auftreten, nicht aber Faustina.
Auch in Hasse's Catone in Utica (Turin 1731) sang Faustina nicht mit;
sie beteiligte sich vielmehr in 15 Auffiihrungen von Andrea Fiori's
1) Laut Korrespondenzen des Grafen Wackerbarth und des Generalfeldmarschall
Graf en v. Flemming (Dresden, Staatsarchiv).
2) Nach Akten des Staatsarchivs in Dresden.
3) Fortsetzung neuester Reisen durch Deutschland, Bohmen, Ungarn. . . Hannover
1749. S. 709. KeyBler zitiert auch ein angeblich 1829 entstandenes, von dem Munchener
Patrizins von Eeindl gedichtetes lateinisches Sonett, das in seiner XJberschrifb »Yocalis
Musicae Prodigio, Philomelae Suavissimae, Fauetinae Bordoni, nunc Has sec auf
eine spatere Entstehungszeit verweist, als auf Faustina's Aufenthalt im Jahre 1729
in Munchen.
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472 Cfcri Mfcnnicke, Zur Biographic Joh. Adolph Hasse's.
Siroe in Turin; ihre Leistung wurde glanzend honoriert Nachdem der
Besuch Dresdens im Sommer 1731 zm keiner definitiven Anstellung ge-
fiihrt hatte, kehrte das Ehepaar nach Italien zurtick. Faustina sang in
Turin 1731 in Rice. Broschi's Ezio, in Predieri's Scipione U giwine
und zum Karneval 1732 in Griacomelli's Eparmnonda, daneben natiir-
licb zumeist in den Werken ihres G-atten (II Demeirio 1732, Venedig).
In Hasse's Euristeo (Venedig, Himmelfahrtstag 1732) sang die Cuzzoni,
nicht Faustina, was im Hinblick auf die bdsartigen Bivalit&ten dieser
Sangerinnen in London zum mindesten eigenartig iet; dock wiederholt
«ch dieselbe Erscbeinung in Hasse's Viriate (Yenedig 1739). Die defini-
tive Anstellung in Dresden erfolgte 1734. Die Eigenart dieses Engage-
ments, die in den langen Unterbrechungen der Aufffthrungen zum Aus-
druck kommt, hatte zur Folge, daB Hasse in Venedig ein Haus kaufte,
wie aus Akten des Staatsarchivs zu Venedig hervorgeht.
Un8erer friiheren Darstellung der Dresdener Periode haben wir an
dieser Stelle nichts wesentlich Neues beizuftigen. Ausgenommen sei nur
der Besuch am franzOsischen Hofe.
Den «Memoires du Due de Luynes*1) entnehmen wir, daB das Ehe-
paar Hasse Mitte Mai 1750 in Paris eintraf. Der s&chsische Kurfurst
hatte sie gesehickt «pour les amusements de la Dauphine*. Faustina
hatte der besorgte Kurflirst der Herzogin von Brancas empfohlen. Der
franzosische Konig gestattete, daB beide «au grand commun» logierten.
Am 3. Juli sang Faustina in einem Konzert «chez M*6 la Dauphine*,
von Hasse am Cembalo begleitet, «mais & la manifcre italienne*. Die
Kenner urteilten, daB Faustina in Anbetracht ihres Alters Ausgezeichnetes
leiste, die Cuzzoni und selbst Farinelli(!) iibertr&fe. Am 3. August
fand ein weiteres Hofkonzert statt, dem auch der Dauphin beiwohnte;
Faustina wie ihr Gemahl wurden 6ehr reich beschenkt. Hasse und
Faustina muBten ein Duo aus der Oper Artaserse singen, und der Dauphin
fand soviet Greschmack an Hasse's Kompositionen, daB er ihn beauftragte,
ein Tedeum zu komponieren <pour l'accouchement de MB6 la Dauphine*2).
Der «Mercure de France » erw&hnt von den Pariser Tagen Hasse's im
Jahre 1760 nichts; in den von ihm publizierten Programmen des Concert
spirituel taucht Hasse erst 1753 auf: das Konzert vom 8. Dezember
dieses Jahres beginnt mit einer Symphonie Hasse's. Der von uns schon
zitierten Erwahnung Hasse's und seiner Meinung iiber'Lully's Alceste
in Grimm's <Correspondance litt£raire» konnen wir heute die Mitteilung
liber einen Brief Grimm's vom 2. April 1752 an den Abb€ Baynal folgen
1) Paris 18e2, Tome X, p. 279. 298. 303.
2) Briefwechsal des aachnacfaan Ministers Grafen Briihl mit der Xnmpriazearin
Maria Antonia (Dresden, Staatsarchiv).
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Carl Mennicke, Zur Biographie Joh. Adolph Hasse's. 473
lassen1), in welchem Grimm mit Begeisterung fiir seinen «Compatriote>
Hasse eintritt:
«que je suis tout aussi glorieux que M. Hasse peut l'etre lui-meme du titre
de Saxon par excellence que les Italiens lui ont donne et qu'a leur imita-
tion M. de Voltaire a confere* en France au Heros du siecle>.
Hasse's kompositorische Arbeiten wie Faustina's Gesangskunst stan-
den in Frankreich in hohem Ansehen. Der scharf kritisierende russische
Prinz Beloselski2) behauptete gelegentlich des Piccinistenstreites, als
Padre Martini fiir Gluck warnie Worte der Anerkennung fand, daB Hasse,
«le premier des compositeurs allemands, est l'egal des premiers de l'ltalie.
La musique de Hasse, avenante, nombreuse et naturelle a force dart e litre
par l'oreille, passe par l'esprit et arrive au coeur>.
Von Faustina Bardoni-Asse (sic!) sagt Louis Riccoboni3):
«C'est a ses talents singuliers et a la prodigieuse legerete* de sa voix
que Faustina a 1' obligation d'avoir invente une nouvelle facon de chanter.
Comme elle a extremement plu dans toute l'Europe, on a cherche a l'imiter;
mais ces imitations, n'ayant ni son organe ni son talent, n'ont fait que gater
leur maniere».
An geringfugige gesangstechnische Fehler Faustina's erinnert Hubert
le Blanc4):
«Les voix de Faustina et Cossoni (sic !) Staient precisement dans le meme
caB de ne pouvoir former qu'une Succession de Sons, sans OroupS, comparee
a la ligne qui est une continuation des points*.
Als sich Hasse 1739 in Venedig aufhielt und mit seiner Gattin groBe
Erfolge zu verzeichnen hatte5), besuchte ihn der schongeistige President
de Brosses; er erzahlt in seinen Brief en6), daB Hasse zurzeit «rhomme
fete> war; er horte auch Faustina,
«qui chante d'un grand gout et d'une I4geret4 charmante; mais ce n'est pas
plus une voix neuve. C'est sans contredit la plus complaisante et la meil-
leure femme du monde, mais ce n'est pas la meilleure chanteuse».
1) «Mercure de France*, 1752 Mai, p. 187.
2) De la musique en Italie. Par le prince de Beloselski, de Tinetitut de Bo-
logne. A la Haye et Paris 1778. Vgl. die Kritik dieses Werkes in dem < Journal
encyclop^dique* 1778, octobre, p. 60 ff. und 306 ff.
3} Reflexions historiques et critiques sur les differents theatres de PEurope. Amster-
dam 1740.
4) Defense de la Viole de Basse, p. 61. Amsterdam 1740.
6) Der Katalog des Lyceums von Bologna (1, 136) verzeichnet eine von Domenico
Lalli herausgegebene Sammlung von poetischen Huldigungen : »Rime di van autori in
lode della celeberrima signora Faustina Bordoni Hasse ....«, Venezia 1739.
6) Le President de Brosses en Italie. Lettres familieres ecrites d'ltalie en 1739
et 1740. Par Charles de Brosses. Deuxieme edition authentique. . . Paris 1868.
2 vols.
s. d. i. M. v. 31
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474 Carl Mennicke, Zur Biographie Joh. Adolph Hasse's.
De Brosses gibt ferner einen schatzenswerten Beitrag zur Kenntnis
von Hasse's Kunstgeschmack. Er erzahlt:
>Le fameux compositeur Hasse pensa s'en 6trangler avec moi a Yenise,
a propos de quelques douces representations que je voulais lui faire sur son
indomptable prejuge. >Mais, lui disais-je, avez-vous entendu quelque chose
de notre musique? Savez-vous ce que c'est que nos operas de Lulli, de
Campra, de Destouches? Avez-vous jete" les yeux sur l'Hippolyte de notre
Rameau? — Moi! non, reprit-il, Dieu me garde de voir jamais ni d' entendre
d' autre musique que l'italienne7 parce qu'il n'y a de langue charmante que
Titalienne et qu'il ne pent y avoir de musique qu'en italien. Votre langue
est pleine de syllabes dures, ingrates pour le chant, detestables en musique.
Qu'on ne me parle daucune autre langue que de celle-cL Mais le latin,
lui dis-je, cette langue si noble, si sonore que vous a-t-elle fait? Que vous
ont fait les Psaumes de David, si poetiques, si remplis d'images lyriques?
Vous ignorez que nous avons un Lalande, superieur, pour la musique
d'6glise, a tous vos compositeurs en ce meme genre. La-dessus, je vis mon
homme pret a suffoquer de colere contre Lalande et ses fauteurs: il tenait
deja du chromatique et si la Faustine, sa femme, ne s eta it mise entre nous
deux, il m'allait harper avec une double croche et m'accabler de diesis.*
AuBerordentlich riihint Charles de Brosses Hasse's Recitativ >Eccomi
al fine in liberty del mio dolor « mit der Arie »Pallido il solec in
Vinci's Artaserse. — Soviel zu dem Kapitel » Hasse in Frankreich*.
Die dem Verfasser von verschiedenen Bibliotheken als bibliographisch
nicht nachweisbar bezeichnete Gesamtausgabe der Korrespondenz Fried-
rich's des GroBen mit dem Grafen Algarotti findet sich in der Monu-
mental-Ausgabe der Werke Friedrich's II. der Berliner Akademie (Berlin
1846 — 57). Der Briefwechsel, dessen eingehende Wurdigung wir uns vor-
behalten, laBt erkennen, in welcher auBerordentlich hohen Gunst Hasse
und seine Gattin bei Friedrich II. standen.
Fehlerhaft ist in meiner fruheren Studie die Angabe, Hasse's Oper
Sesostrate sei am 26. August 1726 unter Aless. Scarlatti's Auspizien
aufgefiihrt worden. Scarlatti ist schon am 24. Oktober 1725 gestorben.
Wir beschlieBen diesen Nachtrag, indem wir die in der eingangs er-
wahnten Abhandlung Urbani de Gheltof's enthaltenen unbekannten
Nachrichten iiber die letzten Lebensjahre Hasse's wiedergeben. Die
Nachrichten stiitzen sich auf die von uns schon erwahnten Briefe, die
Hasse an Giov. Maria Ortes geschrieben hat; auf diese Brief sammlung erst-
malig hinge wiesen zu haben ist ein Verdienst des italienischen Biographen1).
Zum 10. August des Jahres 1759, dem Laurentiustag, komponierte
Hasse fiir das »Monastero onnonimo« ein Oratorium; er dirigierte die
Auffiihrung mit groBem Erfolg2;. Von 1763—73 ist Hasse's Aufenthalt
unbestimmt; er lebt in Wien oder in Yenedig. Er berichtet Ortes liber
1) Es ist dieselbe Briefsammlung, auf die Taddeo Wiel 1897 (I Teatri musicali
Veneziani, Prefazio, p. XXXI) und Hermann Kretzschmarim Jahrbuch der Musik-
bibl. Peters 1902 mit Skizzierung des Inhalts hingewiesen hat; die Briefe liegen in
Venedig, Museo civico, Correr'sche Sammlung.
2) Grosley de Troyes, Nouveaux memoires ou observations sur l'ltalie et les
Italiens. Londres 1764. II, p. 54.
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Carl Mennicke, Zur Biographie Joh. Adolph Hasse's. 475
seine neuen Werke, iiber seine Gichtanfalle und spricht von seiner Sehn-
sucht nach »la cara Italia*. Die Oper Piramo e Tisbe schreibt er fiir
eine reiche franzosische Dame; 1769 komponiert er zur Hochzeitsfeier
von Maria Amalia und Ferdinand von Bourbon Metastasio's Cantate
FArmonica. Ln September 1770 wird Piramo e Tisbe im Luxemburg-
Theater, dem Sommeraufenthalt des Wiener Hofes, mit Veranderungen
aufgefiihrt. Hasse wird von der Kaiserin beschenkt, und als sein Ruggiero
1771 in Mailand ein Fiasco erlebt, trostet ihn Maria Theresia und beschenkt
ihn und seine Tochter Peppina. Ln April 1773 nimmt er definitiv Ab-
schied von Wien und setzt sich in Venedig fest. Er widmet sich der
Komposition und im Verein mit seiner Gattin der musikalischen Erziehung
seiner Tochter PeppinaundCristina1). Cristina verheiratete sich mit dem
englischen Minister Giorgio Tornello, Peppina widmete sich ganz den Eltern.
Von dem einzigen Sohne, Francesco Maria, ist nichts Naheres bekannt.
Faustina starb am 4. November 1781 in Venedig, im Alter von
81 Jahren. Der in der Kirche Ss. Ermagora e Fortunato aufbewahrte
Nekrolog lautet:
>1781 Novembre — Adi 4, la Sig. Faustina figlia del Sign. Paolo Bor-
doni, moglie del Sig. Giovanni Adolfo Hasse, abitante in contrada per il
corso di anni 10 incirca in eta di anni 81 per molti mesi oppressa da Febbre
lenta risultante da una Ulcera cancerosa per la quale fini di vivere oggi
all' ore 21; il di Lei cadavere non si potra seppelire doppo l'ore 24 della
sua Morte, e cid per attestato giurato del Medico Tesbaro fara seppelir suo
consorte. — Capitolo in Chiesa. — Campo San Marcuola*.
Ihr im Staatsarchiv zu Venedig aufbewahrtes Testament, aufgesetzt
im August 1780, bedenkt alle ihre Angehorigen.
Hasse komponierte 1782, im Alter von 83 Jahren, bei Gelegenheit
der Ankunft Pius' VI. ein Requiem, sein letztes Werk, das am 19. Mai
in der Kirche S. S. Giovanni e Paolo gesungen wurde. Am 16. Dezember
starb auch er, >benedicendo i figli e memorando il versetto: »Inclina
Domine aurem tuam ad preces meas<. Sein Testament ist vom 20. Sep-
tember 1782 datiert. Peppina Hasse zog sich ganz zuriick2) und starb
aus Gram iiber den Verlust ihrer geliebten Eltern.
Hundert Jahre nach Hasse's Tode starb auf dem klassischen Boden
Venedigs ein neuer »Sassone«, Bichard Wagner.
„Zum musikalisohen Standpunkte des nordisohen Dichterkreises''.
(Hachtrag.)
Herr Dr. Erich Petzet in Miinchen teilt mir freundlichst mit, dafl der
S. 247 als unleserlich bezeichnete Name im Briefe Gerstenberg's an Bach,
Tischer laute. Gemeint ist wohl Johann Nikolaus Tischer (ca. 1707
bis 1784). Die Vermutung, als handle es sich um Kuhnau, ist daher zu-
riickzuweisen. 0. F.
1) Vgl. Burney, Tagebuch einer musikalischen Reise. Hamburg 1773. IL Band, p. 203,
2) Vgl. G. M. Ortes' Brief vom 22. M'arz 1784 an Maria Burgioni.
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476 Max Seiffert, Joh. PachelbeFs »MuBikalische Sterbensgedanken*.
Joh. Pachelbel's ,,Musikalische Sterbensgedanken"
Max Seiffert.
(Berlin.)
Von den >Musikalwchen SterbensgedanJcent 7 die Joh. Pachelbel 1683 zur
Zeit der Pest in Erfurt herausgah, hat bisher noch kein Originalexemplar
nachgewiesen werden konnen. Gleichwohl findet man in der neuen Gesamt-
ausgabe der Klavier- und Orgelwerke Pachelbel's1) die vier Chorale
Ach, was soil ich Sunder machen,
Werde munter, mein Gemiite,
Alle Menschen mussen sterben,
Treuer Gott, ich mufi dir klagen,
als den Inhalt des alten Druckwerks angegeben. Von der Ansicht ausgehend,
daft in der reichen handschriftlichen uberlieferung PachelbeFscher "Werke
wenigstens einige Spuren des Druckwerks zu finden sein mliflten, und geleitet
von J. G-. "Walther's naherer Definition (»vier Sterbe-Lieder mit Variatio-
nen auf dem Clavier*), hatte der Herausgeber geglaubt, in jenen vier Cho-
ralen, zumal sie sich durch ihre spezifisch klaviermafiige Bearbeitung ganz
scharf von der iibrigen grofien Menge orgelmafiiger Satze absonderten, den
Inhalt der Erfurter Ausgabe wiedergefunden zu haben.
Bei fern ere m Nachsuchen unter den handschriftlichen Schatzen des Kgl.
akademischen Institute fur Kirchenmusik in Berlin fand sich nun neulich ein
altes Heft, dessen Inhalt geeignet ist, uns in dieser Frage neue Kriterien
an die Hand zu geben. Es besteht aus 11 Blattern quer Folio, von zwei
verschiedenen Schreibern etwa urn 1710 geschrieben; hundert Jahre spater
hat man einen TJmschlag herumgelegt und als Titel vermerkt: >Orgel-Compo-
sitionen von Frescobaldi, Fischer etc. (desgleichen, besonders zu Anfange,
Veranderungen iiber Chorale, jedoch von unbekannten Meistern)«. Von der
einen Hand riihrt die Niederschrift je eines Stuckes von Frescobaldi,
Joh. Krieger und J. K. F. Fischer; alles iibrige schrieb die andere
Hand, welche, tauscht mich nicht die Erinnerung, vollig identisch ist mit
derjenigen von Prof. A. Sandberger's Pachelbel-Handschrift. DaB sie sich
das sonderbare Vergniigen machte, das Thema der Aria Sebaldma aus dem
He&achordum Apollinis nicht nur originaliter, sondern dazu noch hintereinander
1) Denkmaler der Tonkunst in Bayern, II. Jahrgang I, S. 26, IV. Jahrgang, I,
S. 147.
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Max Seiffert, Joh. Pachelbers »Musikalische Sterbensgedanken«. 477
in zwolf Transpositionen zu notieren, sei ihr verziehen wegen des Wertes der
Stiicke, die sie uns sonst vorlegt. Es sind die beiden Choralbearbeitungen :
Was Gk)tt tut, das ist wohlgetan,
Alle Menschen miissen sterben.
DaB Joh. Pachelbel der Komponist der letzteren ist, lehrt ihr Vergleich
mit der gleichnamigen Bearbeitung in der Neuausgabe. Zugleich laBt er
aber auch den Wert der Walther'schen TJberlieferung erkennen. Schon
Spitta hatte in seiner Neuausgabe der Buxtehudeschen Orgelwerke darauf
hingewiesen, daB Walther bei der Niederschrift von Werken alterer Meister
nicht immer den strengen historischen MaBstab im Auge behielt, vielmehr
gern personliche Kritik iibte, in Kleinigkeiten nach eigenem Geschmacke aus-
besserte, ja sich nicht scheute, im groBen Aufbau Anderungen vorzunehmen.
Das gleiche Verfahren beliebte er auch Pachelbel gegeniiber. Kame uns
nicht die Kopie eines Pachelbel-Schulers zuhilfe, so wiirde uns auf Grund von
Walther'B Niederschrift bei »Ach, was soil ich Sunder machen« der schlichte
Choralsatz zu Anfang und eine Variation in der Mitte fehlen. Noch liicken-
hafter ist Walther's Kopie von »Alle Menschen miissen sterben*, die fur die
Herausgabe als Vorlage diente. Denn die Berliner Handschrift hat, abgesehen
von dem korrekteren Satz des Eingangschorals, acht Yariationen statt der funf
bei Walther. An diesen hat er allerdings ausnahmsweise nichts geandert;
zu berichtigen ware nur das vierte Viertel des vorletzten Taktes der zweiten
Variation also:
i
m
^d=i
Wie im iibrigen die originale Gestalt des Stiickes iiber Walther s Fassung
hinauswachst, zeigt der Anhang.
Was das zweite anonyme Stuck >Was Gott tut« anlangt, so ist auch hier
Pachelbel's Autorschaft so gut wie zweifellos. Auf ihn weisen nicht bloB die
diplomatischen Kriterien, sondern vor allem der musikalische Stil und die
formale Anlage des Ganzen. Ich lasse auch dies Stuck als Erganzung der
Neuausgabe im Anhang folgen.
Kehren wir nun zum Ausgangspunkt dieser Zeilen zurilck, zur Erage,
mit welchem Recht von einer volligen Wiederherstellung des musikalischen
Inhalts der » Sterbensgedanken* geredet werden darf, so sind es zwei Gesichts-
punkte, auf die wir durch die neue Berliner Quelle hingewiesen werden.
Form und Gestalt dieser Stiicke erschienen nach der Neuausgabe bisher
im ganzen diirftig; daB sie das Original in groBerer Abrundung und inner-
licherer Vertiefung aufweisen wird, das sehen wir an den nun wohl vollstandig
wiederhergestellten Choralen:
Ach, was soil ich Siinder machen,
Alle Menschen miissen sterben,
Was Gott tut, das ist wohlgetan.
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478 Max Seiffert, Joh. PachelbePs »Musikalische Sterbensgedanken*.
Bei den iibrigen Stucken haben wir sicherlich noch Lticken auszufullen.
»Werde munter, mein Gemiite* kann unmoglich mit der simplen zweistim-
migen Variation 4 geschlossen haben; bedeutsame Variation sglieder (Choral
in Mittel- und Unterstimme) sind hier verloren gegangen. Ahnlich ist die
Sachlage bei »Treuer Gott, ich muB dir klagen*, wo zudem noch der schlichte
Choralsatz am Anfang ale Thema fehlt.
Der zweite Punkt hetrifft die Zugehorigkeit der funf gleichartigen Stiicke
zum Druck von 1683. Walther, der ihn augenscheinlich noch zur Hand
hatte, iiberliefert nur die drei Chorale:
Ach, was soil ich Sunder machen,
Alle Menschen mussen sterben,
Treuer Gott, ich muC dir klagen.
Diese drei, diirfen wir annehmen, haben sicher im Druck gestanden. Beziig-
lich der anderen beiden:
Was Gott tut, das ist wohlgetan,
Werde munter, mein Gemiite
bleibt die Frage offen. Wurden sie 1683 mit jenen zusammen veroffentlicht,
dann beruht eben Walther's Angabe, es seien vier Chorale gewesen, auf einem
Irrtum. Ist diese aber zutreffend, so mussen wir eine von dies en beiden
Kompositionen als nachtraglich in gleicher Art geschrieben ausscheiden.
Welche? wird man so schwerlich sagen konnen. Nur ein gliicklicher Zufall
kann da wieder Klarheit schaffen.
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Max Seiffert, Joh. Pachelbel's »Musikalische Sterbensgedankeiu. 479
ANHANG.
Alle Mensohen miissen sterben.
Joh. Pachelbel.
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480 Max Seiffert, Job. PachelbeTs »MusikaliBche Sterbensgedanken*.
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482 Max Seiffert, Joh. PachelbeTs »Musikali»che Sterben*gedanken«.
Was Gott tut, das ist wohlgetan.
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Die Vierteljahrshefte der Sammelbaiide
erscheinen am 1. November, 1. Februar, 1. Mai und 1. August. SchluB
der Redaktion jedes Heftes: ein Monat vor seinem Erscheinen. Hand-
schriften und andere Sendungen beliebe man zu richten an den Heraus-
geber: Dr. Max Seiffert, Berlin W. GSbenstraBe 28.
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PurcelFs Dramatic Music
by
W. Barclay Squire.
(London.)
Subscribers to the complete edition of the works of Henry Purcell now
in course of publication by the Purcell Society may have noticed that the
list of the composer's works prefixed to the last two volumes differs materially
from that in the earlier issues of the series. When the Society was founded
in 1876 a list was drawn up and printed which was based on the inform-
ation then available, but this was only to be considered as provisional,
and during the last few years an elaborate series of indexes of Purcell's music
has been compiled from both printed and manuscript sources, which has thrown
much new light on the amount of his work still extant. The MS. sources
are chiefly the following:
1) The British Museum collections. These have been indexed by Miss Stainer.
2) The Bodleian Library, and
3) The Christchurch Library. Both these have been indexed by the Rev.
A. A. Jackson.
4) The Library of the late Rev. Sir F. A. Gore Ouseley, preserved at St.
Michael's College, Tenbury. This has been indexed by Miss Lucy Broad-
wood.
5) The Library of His Majesty the King, at Buckingham Palace. Indexed
by the present writer.
6) The old Sacred Harmonic Society's Collections, now belonging to the
Royal College of Music. Indexed in the late Mr. Husk's printed Catalogue,
with additions by the present writer.
7) The Chapter Library at York Minster. Indexed by Miss Stainer.
8) The Fitzwilliam Museum Library, Cambridge. Indexed in the printed
Catalogue of Mr. J. A. Fuller Maitland and Dr. Mann.
9) The Collection of Dr. W. H. Cummings. The owner has promised an
index of his Purcell MSS., but though it is not yet completed he has
answered many enquiries as to his MSS., and has repeatedly lent them
for the use of the Purcell Society.
In addition to the above the numerous printed works of the end of the
17th century, such as 'Orpheus Rritannicus', the 'Gentleman's Journal',
'Ayres for the Theatre', 'Comes Amoris', 'Deliciae Musicae', 'The Ban-
quet of Music', etc. have been indexed in slips by the present writer.
&d.LM. V. 32
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490 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
An examination of this mass of material, both printed and manuscript,
has led to the drawing up of the summary of Purcell's works which has
appeared in the last two volumes of the complete edition of his works. But
it seemed that something more remained to be done, and it occurred to the
writer that an effort might be made to ascertain the actual chronology of
the large mass of Purcell's compositions for the stage, an attempt which,
even if only approximately successful, would yield interesting results in the
light thrown on the development of his genius.
Considerable discrepancy may be observed in the dates fixed by Purcell's
various biographers as those at which his dramatic compositions were pro-
duced. This will be best seen by the following tabular statement, as to
which it should be mentioned that references to Hawkins' "History of Music"
(1776) have been omitted, since that historian generally avoids giving any
dates in his mention of Purcell's dramatic works. The table is therefore
compiled from the following authorities1):
Dr. Burney (B): "History of Music", Vol. HI, 1789; Dr. Bimbault (E) :
Introduction to "Bonduca" (Musical Antiquarian Society's Edition, 1842);
Dr. Cummings (C): "PurcelT (Great Musicians Series, 1881); Mr. Husk (H):
"PurcelT (Grove's Dictionary of Music, HI, 1883) and Mr. Fuller Maitland
(F. M.) "PurcelT (Dictionary of National Biography, XLVn, 1896).*)
B. B. C. H. F.M.
1.
Abdelazer.
1677.
1677.
1677.
1677.
2.
Amphitryon.
1691.
1690.
1690.
1690.
1690.
3.
Aureng-Zebe.
1676.
1676.
1676.
1676.
4.
Bonduca.
1695.
1695.
1695.
1695,
1695.
5.
The Canterbury Guests.
1695.
1695.
1695.
6.
Circe.
1685.
7.
Cleomenes.
1692.
1692.
8.
Dido and JSneas.
1675.
1680.
1675.
1680.
'9.
Dioclesian.
1690.
1690.
1600.
1690.
1690.
10.
Distressed Innocence.
1691.
1691.
1691.
1691.
11.
Don Quixote, Part I.
1694.
1694.
1694.
1694.
12.
» » » n.
1694.
1694.
1694.
1694.
1694.
13.
» » » DDL
1695.
1695.
1695.
1695.
14.
The Double Dealer.
1694.
1694.
1694.
1694.
15.
The Double Marriage.
16.
The English Lawyer.
17.
Epsom "Wells.
1676.
1676.
1676.
1676.
18.
The Fairy Queen.
1692.
1692.
1692.
1692.
1692.
19.
The Fatal Marriage.
1694.
1694.
1694.
20.
The Female Vertuosos.
21.
A Fool's Preferment.
1688.
1688.
1688,
1688.
22.
The Gordian Knot Unty'd.
1691.
1691.
1691.
1) I have not thought is necessary to add the dates given by Mr. Henry Davey,
in his 'History of English Music1 (1895), as they generally agree with these of the other
authorities. Mr. Davey, however, assigns 'Circe' to 1680, 'Dido and jEneas' and 'Oedi-
pus' to the same year, and states that in 1676 Purcell was engaged as composer at
Dorset-Garden, relinquishing the post from 1680 to 1686.
2) A blank indicates that the work is not mentioned by the author.
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
491
23. Henry II.
24. The Indian Emperor.
25. The Indian Queen.
26. King Arthur.
27. King Richard the Second.
28. The Knight of Malta.
^29. The Libertine.
30. Love Triumphant.
31. The Maid's Last Prayer.
32. The Marriage-Hater Matched.
33. The Married Beau.
34. The Massacre of Paris.
35. The Mock Marriage.
36. Oedipus.
37. The Old Bachelor.
38. Oroonoko.
39. Pausanias.
40. Regulus.
41. The Richmond Heiress.
42. The Rival Sisters.
43. Rule a Wife and Have a Wife,
44. Sir Anthony Love.
45. Sir Barnaby Whigg.
46. Sophonisba.
47. The Spanish Friar.
v48. The Tempest.
49. Theodosius.
^50. Timon of Athens.
51. Tyrannick Love.
52. The Virtuous Wife.
53. The Wives' Excuse.
54. An Unidentified Play.
1693. 1693, 1693,
1692. 1692. 1692.
n. d. 1692. 1692. 1692. 1692.
1691. 1691. 1691. 1691. 1691.
1695. 1695. 1695.
1676. 1676. 1676. 1676.
1694. 1694.
1693. 1693. 1693.
1692. 1692.
1694. 1694. 1694. 1694.
1690. 1690, 1690.
1695. 1695. 1695.
1692. 1692. 1692. 1692.
1693. 1693. 1693. 1693.
1695. 1695, 1695.
1693. 1693. 1693.
1695. 1695. 1695.
1691. 1691. 1691.
1690. 1690. 1690. 1690. 1690.
1680. 1680, 1680. 1680.
1678. 1678. 1678. 1678.1677-8.
1686. 1686. 1686. 1686.
1680, 1680. 1680. 1680.
1692. 1692. 1692.
The method adopted in preparing the following notes has been to collate
the various editions of each play which, were printed during PurcelTs life-
time and to draw up from each of them a list of the music required by the
text. The indexes above referred to were then examined, so as to find out
what music of Purcell's was in existence for each play, and contemporary
authorities — further references to which are given — were consulted with
a view to ascertaining if possible the exact dates of the various compositions.
With regard to the general question of date two contemporary statements
are of considerable importance. (1.) Downes, in his 'Roscius Anglicanus,
or an Historical Review of the Stage' (London, 1708) in chronicling the
production, (in 1680) at the Duke's Theatre of Nat. Lee's 'Theodosius', ex-
plicitly states that the music to this play was "compos'd by the Famous
Master Mr. Henry PurceU (being tha first he e'er Compos'd for the
Stage)." Downes was originally prompter to the Duke of York's company
at Lincoln's Inn. Fields,, He remained connected with the theatre during
its amalgamation with the King's (Killegrew'sJ company, his whole, period of
32*
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498 W. Barclay Squire, Purcell'B Dramatic Music.
service extending from 1662 until 1706. Genest says that he "is sometimes
confused, sometimes inaccurate and sometimes certainly wrong", but (as Mr.
Joseph Knight remarks) the information contained in his work "is practically
all to which we have to trust for our knowledge of the Restoration stage . . .
Downes's style is singularly crabbed, confused and inelegant, and is charged
with the most marvellous latinism. The verdicts are, however, accepted; his
inaccuracies are neither numerous nor important." (2.) A less definite state-
ment as to the period at which Purcell became connected with the theatre
is made by Dr. Tudway1); who says "Towards the latter end of his life he
was prevailed on to compose for the English stage". Taken together, these
two pieces of contemporary evidence seemed to contradict the accepted opi-
nions as to the dates of 'Abdelazer', 'Epsom Wells', iTimon of Athens',
'Dido and JEneas', and others of PurcelTs dramatic compositions, and it
was partly to ascertain, if possible, their correctness that these notes were
drawn up.
For the sake of those who are not well acquainted with the theatrical
history of the latter part of the 17 th century it may be well here briefly
to say something about these matters and also about the theatres where
PurcelTs music was first performed. In August, 1660, Charles II granted
licenses or patents for the erection of two theatres in London, with the sole
privilege of representing stage-plays in the metropolis and Westminster. The
first of these was to Thomas Killegrew, whose house was built in Catherine
Street, Strand, on the site still occupied by Drury Lane Theatre. The theatre
cost £ 1500 to build and was opened on 8 April 1663. It was occupied
by Killegrew's, or the King's Company, and was burnt down in January
1671 — 2. A new theatre, designed by Sir Christopher Wren, was built
on the same site at a cost of £ 4000; it was opened 26 March 1674, on
which occasion the Prologue and Epilogue spoken were written by Dry den:
both are principally devoted to a comparison of this "plain-built house" with
the "scenes, machines and empty operas" which could not make up for the
inconvenient situation of the rival theatre in Dorset Garden. The latter
house was built for the Duke of York's Company, which held Charles ITs
second patent, granted in 1660 to Sir William Davenant. This company
at first acted at a theatre in Salisbury Court, but in 1660 it moved to a
house in Portugal Row, at the back of Lincoln's Inn FieldB, which had ori-
ginally been Lisle's (or according to Pepys) Gibbon's Tennis-Court. In 1670
a new theatre was built by subscription on the site of the garden of Dorset
House. It was larger than either the Drury Lane or Lincoln's Inn Fields
House. Views of this theatre, which was opened 9 November 1671, show
it to have been a very beautiful building, both outside and within. At one
end the first story projected, supported by pillars, forming a wide carriage
entrance, at the other there were flights of steps for approach from the river.
The best views of the Dorset Garden Theatre are to be found in Settle's'
'Empress of Morocco1 (1673), and from them we gather that the interior
was richly decorated with carving and that die stage was high and deep in
comparison to its width. Over the proscenium there were two windows in
a sort of triangular recess above the royal arms. Davenant had died in
1) This passage is quoted in Dr. Cummings' Life of Purcell, but I have not suc-
ceeded in verifying the reference.
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W. Barclay Squire, PuroelTs Dramatic Music. 493
1668, and the management of the new house was vested in his widow, Lady
Davenant, his son Charles and two of the principal actors of the company,
Harris and Betterton. It is said that the last named went to Paris in order
to obtain the latest "machines" which played so important a part in the
operas or spectacular plays that were a prominent feature in the productions
at the new theatre. For some years the two companies continued in rivalry,
but in 1682 Tom Killegrew died, and the King's Company being much
reduced in numbers, while the audiences at the other house had steadily
declined, the patentees of both theatres resolved to combine forces, and the
united companies opened on 16 November 1682, Drury Lane being used for
plays requiring little scenery, and Dorset Garden (afterwards called the Queen's
Theatre) for spectacular performances. The important split in the allied
forces which took place in 1695 will be chronicled in dealing with 'Abdelazer.
AMelaser, #r The Moor's Revenge.
'Abdelazer', a tragedy by Mrs. Aphra Behn, was first produced at the
Dorset Garden theatre by the Duke of York's company in 1677. The
title-page of the first edition is as follows: "Abdelazer, | or the | Moor's
Revenge. | A | Tragedy. | As it is Acted at his Royal Highness the | Duke's
Theatre. | Written by Mrs. A. Behn, \ London, | Printed for J. Magnes
and 1?. BenUey, | in Russel-street in Covent- Garden, \ near the Piazza's,
1677. |"
The performers were Harris (Ferdinand), Smith (Philip), Betterton
(Abdelazer), Medburne (Mendozo), Crosbie (Alonzo), Norris (Roderigo),
John Lee (Antonio and Sebastian), Percivall (Osmin), Richards (Zarrack),
Mrs. Lee (Isabella), Mrs. Barry (Leonora), Mrs. Betterton (Florella) and
Mrs. Osborne (Elvira). A second edition, the text of which is precisely
the same as its predecessor, has the following title-page: u Abdelazer: | or,,
the | Moor s Revenge. | A Tragedy, | as it is Acted at the Theatre Royal, |
By their Majesties Servants. | Written by Mrs. Anne [sic] Behn. \ Lon-
don, | Printed for Thomas Chapman, at the Golden-Key near | Char-
ing-Cross. 1693. |" Although the Duke of York's, and the King's
Companies had united in 1682, the cast given in the 1693 edition of the
play is the same as that in 1677. As Harris, according to Genest1),
left the stage at the time of the union of the two companies, and Mrs.
Lee (afterwards Lady Slingsby) retired about 1685 2), it is evident that
the later edition merely reprints the original cast, not even correcting
the misprint by which Mrs. Barry's name appears as Barrer. There is
no record of the performance of the work after the union of the com-
panies, though the 1693 edition is evidence that the Tragedy was played
1) "Some Account of the English Stage". (1882.) I. p. 387.
2) ib. p. 449.
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494 W. Barclay Squire, PurceU's Dramatic Music.
about that year. It has hitherto been assumed that Purcell's music to
'Abdelazer' was written for the first production, i. e. in 1677. Now the
printed editions of the work contain only three occasions for which music
is required. Act I. opens with a scene in which Abdelazer is discovered
"leaning his Head on his Hands; — after a little while, still Musick plays",
and the fine song, by which Mrs. Behn's name is now only known, "Love
in phantastick Triumph sat", follows. In scene 2 of Act II. an enter-
tainment is given by order of Bang Ferdinand; in this there is a song
by a nymph, beginning: "Make haste Amintas, come away", followed by
a Dance of Shepherds and Shepherdesses. Lastly in Act IV. there is
a battle scene, with "Drums and Trumpets afar off", and "A Retreat
is sounded." If Purcell had written music for the original production
of the play we should naturally expect to find settings of the two songs.
But in none of the collections of the time, either printed or manuscript,
has any trace been so far discovered of musical settings of these words,
though Purcell's instrumental music to 'Abdelazer,' besides being printed
by his widow in the 'Ayres for the Theatre1 (1697), exists in several
manuscripts dating from the end of the 17th century. But as it happens
there is another piece of evidence which points to a much later date
than 1677 being that of the composition of Purcell's music. In the fourth
book of Hudgebutt's 'Thesaurus Musicus', published in 1695, there ap-
peared for the first time a song, "Lucinda is bewitching fair", which is
headed "A New Song by Mr. Henry Purcell , in the Play called Ab-
N delaxer. Sung by the Boy"1). Three years later, in the first edition
(1698) of 'Orpheus Britannicus', the same song is given as "Sung by
Jemmy Bowen, at the opening of the Old Play-House": in the second
(1706) and third (1721) editions of 'Orpheus' the title is much the same,
except that the singer's name appears as J. Bowen. It has been already
stated that from 1682 until 1695 there had been only one theatrical
company in possession of the Theatre Royal and the Dorset Garden, or
Queen's Theatre. At the latter had been given such spectacular pieces
' as Dioclesian', 'King Arthur' and 'The Fairy Queen', but in spite of
their success, the expenses of mounting them were so great that the
management of the two theatres found itself in debt. In order to effect
a retrenchment it was proposed to lower the pay of the performers,
supposing that, according to the terms of the Royal Patent, no com-
petition could be started. At this Betterton and some other of the
leading actors took alarm, and succeeded in obtaining from William HE
a royal license to act in a theatre by themselves. Looking about for a
1) Another very early edition of the song is in the British Museum. It is printed
on a single sheet and headed u A new Song Sung in Abdelazer or the Moor's
Revenge set by Mr. Henry Pursell".
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W, Barolay Squire, Purcell's Dramatic Music. 495
house, they turned their attention once more to Lincoln's Inn Fields,
which, after haying been temporarily occupied by the King's Company
when burnt out of Drury Lane (it had previously been deserted by the
Duke's Company for Dorset Garden), had returned to its original destina-
tion of a Tennis-Court The funds being raised by subscription, the
house was once more fitted up as a theatre. Both houses opened at
about the same time, and to distinguish it from the new theatre farther
east, the Theatre Royal in Drury Lane was consequently known as "the
Old Play-House". The actual opening day of the season is chronicled
by Cibber, who says1) that "the Patentees" (i. e. proprietors the Theatre
Royal and the Dorset Garden House) "were not able to take the field
till Easter Monday in April*)", when "their first attempt was a reviv'd
Play calTd Abdelaxer, or the Moor's Revenge, poorly written, by Mrs.
BehnP As the song "Lucinda is bewitching fair" does not occur in
either the 1677 or the 1693 editions of the play, it is safe to conclude
that it was first introduced at the 1695 revival, and there is accordingly
a strong probability that the instrumental music was written for the same
occasion, when Purcell was at the height of his powers and busily em-
ployed in writing for the Patentees' Company. The song can only have
been introduced in the opening scene, in the place of "Love in phan-
tastick Triumph sat", no setting of which, as has been already stated,
is known to exist. Of Bowen, the "boy" of the revival of 'Abdelazer',
not much is known. There was an actor3) of that name at the Theatre
Royal who played small parts in Crowne's 'English Friar' (1689), Shad-
well's 'Bury Pair' (1689) and 'Amorous Bigot' (1690), Mountfort's
'Successful Strangers' (1690), Dryden's 'Amphitryon' (1690) and Sou-
theme's 'Sir Anthony Love' (1691) and took the principal part in Parts I
and n of D'Urfey's 'Don Quixote' (1694), and it seems probable that
he was the father of Jemmy Bowen the singer. As to the latter there
is an interesting passage in "A Brief Supplement to Colley Cibber Esq. ;
his lives of the late famous Actors and Actresses. By Antony Aston4)."
"As Mr. Verbruggen had Nature for his Directress in Acting, so had
a known singer, Jemmy Bowen, the same in Music: — He, when prac-
tising a Song set by Mr. Purcell, some of the Music told him to grace
and run a Division in such a Place. 0 let him alone, said Mr. Purcell;
1) Apology. 1740., ed. 1889. L 196.
2) i. e. April 4, 1695, N.S.
3) Dr. Doran 'Their Majesties' Servants', ed. R. W. Lowe, 1888. Vol. I. 174—75
349—50) says his name was William Bowen. He left the stage for a short time,
being converted by reading Collier's attacks on the theatre. In 1718 he was killed
in a duel, at the age of fifty-two, by James Quinn.
4) Published without date; reprinted in R W. Lowe's edition of Oibber's 'Apo-
logy', (1889), Vol. H. p. 312.
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496 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
he ttritt grace it more naturally Hum you, or J, can teach him." In 1695
he sang "Celia has a thousand charms" in Gould's 'Rival Sisters'. The
song was printed in Vol. HE of 'Deliciae Mnsicaer (1696) as "sung by
Young Bowen". He was probably "the Boy" who is so designated among
the singers of the Birthday Ode for Queen Mary, "Celebrate this Festival"
(1692) in a contemporary manuscript at Buckingham Palace.
Amphitryon, or The two Sosias.
As regards the date of Dryden's * Amphitryon' there is no difficulty.
The play was acted and printed, with the music of the songs, before
October1) in 1690. The title-page of the original edition is as follows:
"Amphitryon; | or | the Two Soda's2). | A Comedy, j As it is Acted at
the | Theatre Royal. | Egregiam verd faudem, & spolia ampla refertis; \
Una, dolo, Divtim, si Foemina victa duontm est Virg. | "Written by Mr.
Dryden. | To which is added, | the Musick of the Songs. | Composed by
Mr. Henry Purcd. \ London, | Printed for J. Tonson at the Judges Bead
in Chancery-lame | near Fleet-street; \ and M. Tonson at Ghrarfs-Irm-Ghxte
in | Qray's-Irm-Ixme. 1690. \n The cast was as follows: Jupiter — Bowman;
Mercury — Lee; Phoebus — Bowman; Amphitryon — "Williams; Sosia —
Nokes; Gripus — Sandford; Polidas — Bright; Tranio — Bowen; Alcmena —
Mrs. Barry; Phaedra — Mrs.Mountfort; Bromia — Mrs. Corey, and Night —
Mrs. Butler. The play is avowedly adapted from Plautus and MoUfere,
and it is prefixed by a letter, dated 24 October 1690, to Sir William Leve-
son Gower, in which the author says: "As for Plautus and Moteere, they
are dangerous People; and I am too weak a gamester to put my self
into their Form of Play. But what has been wanting on my Part, has
been abundantly supplyed by the Excellent Composition of Mr. PurceU;
in whose Person we have at length found an English-man, equal with
the best abroad. At least my opinion of him has been such, since his
happy and judicious Performances in the late Opera; and the Experience
I have had of him, in the setting my Three Songs for this Amphitryon.
To all which, and particularly to the Composition of the Pastoral Dialogue,
the numerous Quire of Fair Ladies gave so just an Applause on the
Third Day." The allusion to "the late Opera" is to Betterton's version
of Beaumont and Fletcher's 'The Prophetess; or the History of Dio-
clesian', which was produced in 1690 at the Queen's (or Dorset Garden)
Theatre "with Alterations and Additions, after the manner of an Opera."
The passage above quoted from Dryden's Letter seems to prove that the
supposition that he was the author of the altered version of 'The Pro-
phetess' is incorrect; the whole question will be found discussed in a
1) The London Gazette for October 30— November 3 advertizes ite publication.
2) In later editions the name is spelled correctly, Sosia.
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 497
note by Mr. George Saintebury to his edition of Sir Walter Scott's
Dryden 1).
The instrumental music2] to * Amphitryon' is published in the 'Ayres
for the Theatre*. The vocal music, which only occurs in Acts HI and
IV, was printed at the end of Dryden's play, with separate pagination
and titlo-page. The latter runs as follows: "The | Songs | in | Amphi-
tryon | with the | Musick. [ Composed by Mr. Henry Ptircett. | London, |
Printed by J. Heptmstail for Jacob Tonson at the Judges Head | in
Chancery-Lane, MDCXO. \n The first song, "Celia, that I once was
blest" is a serenade to Alcmena, given by Jupiter, who enters "attended
by Musicians and Dancers." The Stage-direction runs: "Jupiter signs to
the Musicians. Song and Dance" According to a rare little volume
with the curious title 'Joyful Cuckoldom, or the Love of Gentlemen and
Gentlewomen. A Collection of New Songs, with y* Musick for the Lute,
Violin, Mute, or Harpsichord. By Henry Purcell, Dr. John Blow, Mr. John
Eccles, Mr. Morgan, Dr. John Reading, Mr. Baptist, etc. Fairley En-
graven on Copper Plates. London. Printed by J. Heptinstall, etc.'*),
this song was sung by Bowman 4), who also played the part of Phoebus.
The other vocal numbers form a sort of entertainment, given by Mercury
{under the disguise of Sosia) to prove his power to Phaedra. Mercury
u stamps upon the ground: some Dancers come from underground: and
others from the sides of the Stage: A Song, and a fantastick Dance" It
is characteristic of the carelessness with which plays were printed at this
period to find that the words of 'Mercury's Song to Phaedra* do not agree
with the words of PurcelTs song as it is printed at the end of the same
edition. In the former the first four lines run:
"Fair Iris I love, and hourly I dye,
But not for a Lip, nor a languishing Eye:
She's fickle and false, and there we agree;
For I am as false, and as fickle as she,"
while in the latter they are given as follows:
1) 'The Dramatic Works of John Dryden with a Life of the Author by Sir Walter
Scott, Bart. Edited by George Saint8bury\ Vol. VIE. p. 10. 1882.
2) The tune of 'Enfield Common1, a song in Vol IV of the 1719 edition of 'Pills
to Purge Melancholy1 is that of the Hornpipe in "Amphitryon".
3) The only copy of this work which I know is that in the British Museum. It
has no title-page, and the above is copied from a MS. title inserted in this copy and
dated 1671. This is obviously wrong, as the book contains the catch from Bonduca,
which appeared it 1696, and many songs from plays produced in 1698 and 1694. The
volume is probably a collection of single-sheet songs.
4) A well-kown actor and singer. According to Betterton's 'History of the
English Stage9 (London, 1741: p. 31) he was born 27 December 1664 and was "brought
into the Duke's Theatre to sing at seven years old". He died 23 March 1739.
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498 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
"For Iris I sigh, and hourely dye,
But not for a Lip, nor a languishing Eye;
She' 8 Fickle and false, and there we agree,
0 these are the Virtues that Captivate me."
From * Joyful Cuckoldom' we learn that this song was sung by Mrs*
Butler, who was afterwards the original Philidel in 'King Arthur9, and
who also represented Night in 'The Fairy Queen.'.
Mercury's Song is followed by a Dance. The dialogue then continues:
Phaedra.
This power of yours makes me suspect you for little better than a God;
but if you are one, for more certainty, tell me what I am just now thinking.
Mercury.
Why, thou art thinking, let me see; for thou art a Woman, and jour
Minds are so variable, that it's very hard even for a God to know them.
But, to satisfie thee, thou art wishing, now, for the same Power I have
exercis'd: that thou mightest stamp, like me; and have more Singers come
up for another Song.
Phaedra.
Gad, I think the Devil's in you. Then I do stamp in some body's name,
but I kow not whose; [stamps). Come up, Gentle-folks, from below; and
sing me a Pastoral Dialogue, where the Woman may have the better of the
Man; as we always have in Love matters.
New Singers come up and sing a Sang.
"A Pastoral Dialogue betwixt Thyrsis and Iris" follows. The variations
in the version printed in the play and in that in the 'Songs' are very
slight. In the former, line 4 of verse 1 has "Had sought the Shepherd's
hour", while Purcell's setting gives "the happy hour"; and in the fourth
verse the play has "But kiss me not and tell" while the song gives "No
never kiss and tell", with slightly altered words of the last couplet for
the Bass voice when it is sung together with the Soprano, after an
operatic fashion still in use. The Dialogue is printed in 'Orpheus Bri-
tannicus.' (Vol. II. 1702. p. 153.)
Anreng-Zebe.
The production of Dryden's Tragedy of 'Aureng-Zebe' is placed by
Genest1) in the year 1675, but the first edition is dated 1676. The
title-page is as follows: "Aureng-Zebe: | A | Tragedy. | Acted at the |
Royal Theatre. | Written by | John Dryden, | Servant to his Majesty. | —
Sedj cum fregit subseUiu versu, | Esurit, intactam Paridi nisi vendat
Agaven. Juv. | Licensed, Soger IS Estrange. \ London, | Printed by
T. N. for Henry Herrmgman, at the Anchor in | the Lower Walk of
1) Op. cit, I, 176.
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 499
the New Exchange. 1676. |" The cast consisted of Mohun (the Old Em-
peror), Hart (Aureng-Zebe), Kynaston (Morat), Wintershal (Arimant),
Mrs. Marshall (Nourmahal), Mrs. Cox (Indamora), Mrs. Corbet (Melesinda),
and Mrs. Uphil (Zayda), The play was reprinted in 1685, 1692 and
1694, with only slight alterations in the title-page and with the same
names of actors. The only situations in which music could be introduced
are before Act II, where the stage direction is "Betwixt the Acts, a
Warlike Tune is plaid, shooting off Guns, and shouts of Soldiers are
heard, as in an Assault", and at the beginning of Act IV, where "Soft
Musid* is to be played during Aureng-Zebe's fine soliloquy beginning
"Distrust, and darkness of a future state". The Epilogue clearly refers
to the absence of music in the play:
"But, after all, a Poet must confess,
His art's like Physick, but a happy guess.
Your Pleasure on your Fancy must depend:
No Song! No Dance! No Show! he fears youll say."
As a matter of fact no music of PurcelTs exists for Aureng-Zebe except
one song, and this was almost certainly introduced at some later revival.
The song in question is UI see she flies me." It first appeared without
any title, in the 5th Book of 'Comes Amoris: or the Companion of
Love. Being a Choice Collection of the Newest Songs now in use',
which was published in 1694. It was included in the first edition of
'Orpheus Britannicus' (1698), also without any title, but in the second
(1706) and third (1721) Editions it is headed <A Single Song.' So far
there is nothing to connect it with Dryden's play, but the British Museum
possesses a collection of single sheet songs, mostly engraved by Thomas
Cross, which were bound up with a MS. title-page by one Francis
Horton in 1704, and among these is a copy of UI see she flies me"
entitled "A Song in the Play calTd Oranxebe set to Musick by Mr.
Henry PurcM and sung by Mrs. MyffP There are also two other
later editions of the song with the same heading, one of which was used
by Walsh for his 'Orpheus Britannicus.' Another early single-sheet
edition of the song is simply headed "A Song set to Musick by Mr.
Henry PurcelL* Prom this it will be seen that when the play was first
produced it certainly contained no songs, but that at some time a song
of PurcelTs was introduced by Mrs. Ayliff, but whether the song was
written especially for Dryden's play it is not possible to decide. The
numerous editions point to the popularity of the tragedy, but theatrical
records are very meagre in the 17th century, and G-enest does not
chronicle any performance of Aureng-Zebe between 1675 and 1709.
Mrs. AylifFs name frequently occurs in connection with the dramatic
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500 W. Barclay Squire, PurceU's Dramatic Music
music of the end of the 17 th and beginning of the 18 th centuries, and
on one occasion she filled an important speaking part, for she was the
original Miss Prue in Congreve's 'Love for Love', on its production by
Betterton and the leading actors from Drury Lane at Lincoln's Inn
Fields in April 1695. The character was to have been played by Mrs
Verbruggen, but she demanded a higher salary, and apparently at the
last moment Mrs. Ayliff took the part. Mrs. Ayliff also sang in the
'Fairy Queen9 in 1692, in Orowne's 'Married Beau' in 1694 and in
Pureell's St. Cecilia Ode in 1695, so that it was probably about this
time that she introduced the song into Aureng~Zebe. It is possible that
the work was revived in 1692 and 1694, the years in which the printed
play was re-issued, for there can hardly have been a demand for anew
edition at so short an interval unless it was required for sale at the
theatre. It may be mentioned that there exists another song which was
introduced into Dryden's tragedy about this time. This is Courteville's
"The charms of bright beauty", a copy of which is in Francis Horton's
collection headed "A Song the words by Oapt: Walker, Sung in Oren-
sebe by Mrs. Hodgson", etc. This must also have been introduced in
the play earlier than 1704.
Bonduca.
This was an anonymous alteration of a Tragedy by Beaumont and
Fletcher. It must have been produced at the Theatre Royal in 1695,
for the publication of the first edition is advertized in the London Ga-
zette for October 24 — 28 of that year. The Title-page is as follows:
"Bonduca: | or, | the British Heroine, | A | Tragedy. | Acted at the |
Theatre Boyal. | By | His Majesty's Servants. | With a New Enter-
tainment of Mttsick, | Vocal and Instrumental | Never Printed or Acted
before. | London, | Printed for Richard Benttey, in Russet-Street near |
Covent-Garden, 1696. |" The work is prefixed by a dedication to Lord
Jeffreys, signed by George Powell, an actor and author, an account
of whom will be found in Cibber's Apology'1). The original cast was
as follows: Suetonius — Verbruggen; Petilius — Harland; Junius — Hill;
Decius — Eldred ; Macer — Lee ; Caratach — Powel , Jun. ; Venutius
— Horden; Hengo — Miss Allison; Nennius — Mills; Macquaire — Simp-
son; Bonduca — Mrs. Knight; Claudia — Mrs. Rogers; Bonvica — Miss
Cross. The music in 'Bonduca* was published by the Musical
Antiquarian . Society in 1882, Dr. Bimbault's preface to which
edition gives full particulars as to the printed and MS. sources
used. The third Book of 'Deliciae Musicae' (1696) contains "Oh
lead me to some peacefull gloom," entitled "A Song in the
V R. W. Lowe'a edition. II. 325.
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 501
Tragedy of Bondum, set by. Mr. Purcell. Sung by Miss Cross,"
and also "A New Catch in the Tragedy of Bonduca. Set by Mr.
Henry Purcett.n (This is the catch "Jack, thou'rt a Toper.") 'The-
saurus Musicus' (Book V, 1696) contains "Britons strike home,* and
"To arms," the latter headed: UA Song in Bonduca, Sung by Mr.
Freeman and Mr. Edwards. Sett by Mr. Henry PurceU." The
libretto directs this number to be sung by the First and Fourth Druid,
and thus we know the names of the performers of these small parts,
which are not given in the printed list of the cast. Another early copy
of the catch, not known to Bimbault, occurs in 'Joyful Cuckoldom.'
It may be added that Bimbault's note, identifying the Mrs. Knight who
sang in 'Bonduca' with a notorious character of the time of Charles II
is almost certainly incorrect. The Bonduca of 1695 was Mrs. Frances
Knight, a well-known actress of a later generation than anyone connect-
ed with Nell Gwyn.
The Canterbury Guests.
This comedy— or rather farce — in five acts, was the work of Edward
Kavenscroft, one of the cleverest of the minor dramatists of the end
of the 17 th century. It was produced in the autumn of 1694, as is
proved by a passage in Motteux's 'Gentleman's Journal' for October-
November of that year. The publication of the play was advertized in
the Gazette for 17-20 th Dec, 1694.
The title-page is as follows:
"The | Canterbury Guests ; | or, A | Bargain | Broken. | A | Comedy. |
Acted at | The Theatre Royal. \ Written by | Mr. Edward Kavens-
croft, | London, | Printed for Daniel Brown at the Bible without Temple-
Barr; | and John Walthoe, | at his Shop in Vine -Court, Middle-
Temple, 1695. I" The cast included Trefulis (Aldermann Furr), Under-
bill (Sir Barnaby Buffler), Bowen, (Justice Greedy), Verbruggen (Lovell)
Powell (Careless), Bright (Durzo), Dogget (Dash), M. Lee, Pinkethman,
T. Kent (Innkeepers, Cook, Servant, etc.,) Mrs. Rogers (Jacinta),
Mrs. Verbruggen (Hillaria), Mrs. Bought (Arabella), Mrs. Lawson
(Mrs. Dazie), Mrs. Kent (Mrs. Breeder) and Mrs. Perrin (Beatrice),
besides unnamed "Wayters, Tidlers, Singers and Dancers." The piece
contains no words of songs except a few lines beginning: 'I have a thirsty
soul,' sung by Justice Greedy in Scene V, Act HI, for which there does
not seem to be any setting extant. But in the samer scene a Song and
Dance are introduced, and it was doubtless here ttat was sung Purcell's
•Dialogue between Two Wives,' as printed in Book HI of Hudgebutt's
'Thesaurus Musicus' (1695). The words of this, though decidedly amusing,
are rather too broad for modern ears, but they are less objectionable
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502 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
than another version that is extant. The curious in such matters may
find the latter in an undated broad-side entitled (A New Dialogue be-
tween Alice and Beatrice, As they met at the Market one Morning Early.
To the Tune of Mopsaphil . . . Printed for J. Blare, at the Looking-
Glass on London-Bridge,' and also in Vol. Ill (1712) of the third edition
of D'Urfeys 'Wit and Mirth: or Pills to Purge Melancholy.' Who was
their author it is impossible to say, but Purcell's setting is very interest-
ing as an example of his lighter style. The Dialogue only appeared in
'Thesaurus Musicus,' and no other copy of it, either printed or manu-
script, is known to exist.
Circe.
'Circe' is one of the puzzles of students of Purcell. The work is an
indifferent Tragedy in rhyme, written when young by Dr. Charles Dave-
nant, and first performed (according to Genest1) at the Dorset Garden
Theatre in 1677. Downes2) includes it in a list of works performed be-
tween 1676 and 1681, without giving the precise date; he says of it:
"Circe, an Opera wrote by Dr. Davenant] . . . All the Musick was set
by Mr. Banister and being well Perform'd it answer' d the Expectation
of the Company." 1677 is probably the correct date of the production,
as the play was printed in that year. The first edition has the following
title-page:
"Circe, | A Tragedy. | As it is Acted | at His Boyal Highness the
Duke of York's Theatre. | By Charles D'Avenant. L. L. D. | Hor. Vekit
jEgri somnia vana. | Licensed June 18, 1677, Roger L' Estrange. \ London, i
Printed for Richard Tonson at his Shop | under Grays-Inn-gate next
Grays-Inn \ -Lane, MDCXXVH. |"
No names of the performers are given, but Genest says that the cast
included Betterton (Orestes), Williams (Pylades), Smith (Ithacus), Harris
(Thoas), Mrs. Lee — afterwards Lady Slingsby — (Circe), Mrs. Better-
ton (Iphigenia) and Mrs. Twiford (Osmida). In the same year the nume-
rous lyrics in the play were issued separately, with the following title-
page:
"The | Songs | in | Circe. | Licensed May 7 th 1677. | Roger L' Est-
range. | London, | Printed for Richard Tonson at his Shop Qrayes-Imv-
Gate | next Qrayes-Inn-Lane, MDCLXXVH."
There are two later editions of the play, dated respectively 1685 and 1703.
The text in all three is practically identical, except for slight variations
in the spellings The 1703 edition was advertized in the Post Man for
Aug. 17—19, 1W33. Theatrical announcements were only just beginning
1) Op. cit. I. 208.
2) 'Roscius Anglicanus' ed. Knight (1866), p. .36.
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W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music. 503
to appear about this time, and their insertion in the papers was very
irregular, but the fact that the work was reprinted in 1685 and 1703
seems to point to its having been played in these years, though the first
revival of which we have definite evidence took place at the Lincoln's
Inn Theatre on 14th July, 1704, when it was announced in the Daily
Courant, as follows:
"For the benefit of L Smith. At the New Theatre in Little-Lincolns-
Inn-Fields, this present Friday being the 14th day of July, will be reviv'd
a Play calTd, Circe. All the Parts acted to the best Advantage by the
whole Company. To which will be added the Bachanalian Musick as
it was originally perform'd in the Mad Lover, with the Mask of Acis
and Galatea. Also a piece of Instrumental Musick intirely new, with
a Solo by Mr. Dean. There will be likewise variety of Comical Dances
between the Acts. By Her Majesty's Sworn Servants. *
It is noticeable that nothing is said to show that 'Circe' had not been
acted for some time, as was almost always the case when a work was
revived after a considerable lapse of years, and also that no mention is
made of the music in the play.
'Circe' contains an unusual number of lyrics, and it is curious that
no settings of these have survived except those in Act I, one song in Act
II and two in Act IV* As to the latter there is no difficulty. The song
for Iris in Act II ('Cease, valiant hero') is printed with anonymous music
in 'New Ayres and Dialogues' (London, 1678,) and two of the songs
in Act IV ('Young Phaon strove' and 'Give me my Lute') set by John
Banister, occur in Book II of Playford's 'Choice Ayres and Songs'
(London, 1679.) The last-named is headed 'A Song in the Play of
Circe,' thus confirming Downes's statement that, for the original pro-
duction at least, Banister was the composer employed.
It is with the music for Act I. that the puzzle about 'Circe' begins.
There exist several MSS. containing a very elaborate and remarkable
setting of these scenes, to which Purcell's name is generally attached.
The opening scene was published by Bimbault (The Ancient Vocal Music
of England, No. 15) in 1847, from a score in his possession, but with
Banister's name as composer, on the strength of Downes's statement rather
than on the authority of the manuscript. In an article in 'Concordia9
(1876) the editor gave a further extract from the work, but by this time
he had come to the conclusion that the music was by Purcell, in which
opinion he is followed by Dr. Cummings *), who further states that the work
"contains music which no other composer of his time could have written."
Judging from the little music by Banister that has come down to us,
it is certainly difficult to believe that he could have written the very
1) 'PurcelT. (Great Musicians Series. London, 1881.) p. 44.
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504 W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Musk.
fine and strongly PurceUesque work in question, yet the evidence upon
which it is ascribed to Purcell is at present far from complete.
So far as I know there exist now six or (if a modern copy by Mr.
W. H. Husk be counted) seven manuscripts of "Circe". Probably the oldest
belongs to Oriel College, Oxford; it is in the same hand-writing as the
first part of a volume in the Library of St. Michael's College^ Tenbury,
stated on the cover to have been begun in 1695, and also of the copy
of Daniel Purcell's 'The Grove' in the Royal College of Music Library.
A second copy is in the Fitzwilliam Museum, Cambridge1), dating from
about 1708. The Catalogue ascribes it to Banister, but there is no com-
poser's name on the title and the ascription to Banister is added in pencil
in the margin, in a much later hand. There are two copies in the British
Museum; (a) a bad compressed score, formerly belonging to J. Pears of
Bath and afterwards to Mr. Julian Marshall and (b) a score written by
E. W. Smith, a choirman of St. Paul's in August, 1796, which be-
longed at different times to the Bev. J. W. Dodd, J. Bartleman, Dra-
gonetti and Vincent Novello. A note in this MS. says that it was copied
from one in the hands of J. Hindle, formerly belonging to Dr. Bever.
Dr. Cummings possesses a fifth score — a copy of the Museum MS. (b),
— and the Royal College of Music has a sixth, dating from the 18th
century and containing the book-plates of Sir John Dolben and J. L. Dam-
pier. Mr. Husk's score is also at the Royal College. All these MSS. prac-
tically agree, and their common origin is shown by the fact that they
all omit the three first words with their accompanying notes, which begin
the Verse, "You who hatch factions in the Court"
There is one other slight piece of evidence which must be mentioned.
Roger North, in his 'Memoirs of Musick'*), mentions Davenanfs play in
a rather curious way. He says: "Mr. Betterton . . . contrived a sort of
plays, which were called Operas, but had been more properly styled Semi-
operas, for they consisted of half musick, and half drama. The chief
of these were Circe, the Fayery Queen, Dioclesian and King Arthur;
which latter was composed by Purcell and is unhappyly lost" It seems
strange that an author who was so much interested in music as North
was should not have known that 'Dioclesian' and the 'Fairy Queen' were
by Purcell, but it is at least significant that he should mention 'Circe' in
the same paragraph as three of Purcell's best works for the stage.
Apart from the internal evidence of the music itself, which is strongly
in favour of Purcell's authorship, the question as it at present stands
may be summed up as follows. For the original production in 1677
1) J. A. Fuller Maitland and A. H. Mann, 'Catalogue of Music in the Fitzwilliam
Museum', Cambridge, 1898. p. 96.
2) Ed. Rimbault, London 1846. p. 115.
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 605
John Banister is stated by Downes to have written music, and this is
confirmed by the survival of two songs in 'New Ayres and Dialogues'
(1678). At the first revival (1703) of the play of which we have any
record, no mention is made of the composer of the music, though this
was usually done at that time in the case of plays for which Purcell
had written music. On the other hand, it is more than likely that if
Banister's music had been used, the fact would have been stated in the
advertisements, since his son was then a member of the Lincoln's Inn
Fields Theatre. None of the MSS. of 'Circe' bear the name of Banister,
but some of them — and notably the earliest, preserved at Oriel College —
attribute it to Purcell, to whose style it bears a very strong likeness.
If Purcell wrote it, one can only hazard the conjecture that the play
was revived in 1685, that the original music to Act I had been lost and
that he was employed to supply a fresh setting. This hypothesis would
account for there being no music in any of the MSS. for the other Acts.
Cleomenes.
This fine tragedy by Dryden, with some few additions in the last Act
by Southerne, was acted at the Theatre Royal in the spring of 1692.
The subject was one to arouse suspicion in the minds of Queen Mary
and her ministers, for the poet took no pains to conceal his sympathy
with the exiled King James II; and accordingly its performance was for-
bidden, as Motteux (Gentleman's Journal for April, 1692, p. 25) thus
relates: "I was in hopes to have given you in this letter an account of
the Acting of Mr. Dryden's Cleomenes; it was to have appear' d upon
the Stage on Saturday last, and you need not doubt but that the Town
was big with the Expectation of the performance; but Orders came from
Her Majesty to hinder its being Acted; so that none can tell when it
shall be play'd. The Opera, whereof I wrote to you will be hastened
upon this account." The difficulty with the censorship was, however,
soon overcome by the good offices of the Queen's uncle, the Earl of
Rochester, to whom Dryden dedicated his play, and in the next number
of the 'Gentleman's Journal' the production is thus chronicled: "I told
you in my last, that none could then tell when Mr. Dryden's Cleomenes
would appear; since that time, the Innocence and Merit of the Play have
rais'd it several eminent Advocates, who have prevailed to have it acted,
and you need not doubt but it has been with great Applause." The play
was printed shortly after. The first edition (advertized in the Gazette
for 2—5 May) has the following title-page: "Cleomenes, | the | Spartan
Heroe. | A Tragedy, | As it is Acted at the | Theatre Royal. | Written
by Mr. Dryden. | To which is prefixt | The Life of Cleomenes. \ His Armis,
iM quoque tutus in aidd. Juv. Sat. IV. | London, \ Printed for Jacob
s. a. i. ii. v. 33
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506 W. Barclay Squire, PureeH's Dramatic Music.
Tanson, at the Judges-Head in Chancery- | Lane near Fleet-Street. 1692. |
Where Oompleat Sets of Mr. Dryden's Works, in Four | Volumes, are
to be Sold. The Plays being put in the | order they were Written. \n
There are only two situations in 'Cleomenes' which require music, and
for only one of them is any music extant. This occurs in the second
scene of Act II. The stage directions are as follows: "The Scene opens,
and discovers Cassandra's Apartment. Musicians and Dancers. Ptolemy
leads in Cassandra; Sosibius follows — they sit. Towards the end of the
Song and Dance, enter Cleomenes and Cleanthes on one side of the Stage,
where they stand." The song, all that survives of the music to the play,
is 'No, no, poor sufFring heart.' The melody alone was published in
'Joyful Cuckoldom', headed 'A New Song, in the Play called, the
Tragedy of Cleomenes, the Spartan Heroe. Sung by Mrs. Butter?
The song also appeared, with voice part and bass, in the fourth Book
of 'Comes Amoris' (1693). In the second scene of Act HI the stage
directions require "Musick Instrumental and Vocal . . . Soft Musick all
the while Ptolemy and Cassandra are adoring and speaking," but no trace
of this, nor of the Dance which followed the song in Act II has so far
come to light, and it is impossible to say whether Purcell did more than
set 'No, no, poor suffring heart' At this time he must have been busy
with 'The Fairy Queen' (the Opera alluded to by Motteux) the pro-
duction of which (at the Dorset Garden Theatre) is noticed in the same
number of the 'Gentleman's Journal' that chronicles the first performance
of 'Cleomenes'. The Birthday Ode, 'Love's Goddess sure' dates from
the same period, having been first sung before Queen Mary on April
30th, 1692.
The original cast of 'Cleomenes' was as follows: Cleomenes — Betterton;
Cleonides — Lee; Ptolemy — Alexander; Sosibius — Sandford; Cleanthes —
Mountfort; Pantheus — Kynaston; Coenus — Hudson; Cratesiclea — Mrs.
Betterton; Cleora — Mrs. Bracegirdle, and Cassandra — Mrs. Barry.
Dido and JEneas.
The date of the composition of this work presents some of the most
difficult and puzzling points in the chronology of Purcell's dramatic
music. As the conclusions which will be come to regarding it have not
been hitherto brought forward, it is necessary to sift the evidence at
some length and to examine the various views which have hitherto been
accepted. Taking them in chronological order they are as follows:
1. Sir John Hawkins, the first to mention the work, writing of Purcell,
says1) "One Mr. Josias Priest, a celebrated dancing-master, and a com-
poser of stage dances, kept a boarding school for young gentlewomen
1) History of Music, 2** Ed. [1853.] p. 745.
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W. Barclay Squire, Parcell's Dramatic Music. 507
in Leicester-fields; and the nature of his profession inclining him to dra-
matic representations, he got Tate to write, and Purceil to set to music,
a little drama called 'Dido and ^Eneas'; Purceil was then of the age
of nineteen," (making the date 1677) "but the music of this opera had
so little appearance of a puerile essay, that there was scarce a musician
in England who would not have thought it an honour to have been the
author of it. The exhibition of this little piece by the young gentle-
women of the school to a select audience of their parents and friends
was attended with general applause, no small part whereof was considered
as the due of Purceil."
2. In 1841 'Dido and JEneas' was first printed (for the Musical
Antiquarian Society), edited by Sir George Macfarren. On the title-
page the date of the composition was given as 1675, on the authority
of Professor Edward Taylor, who acknowledged that uaU we know of
its history is contained in the passage from Hawkins."
3. In 1842, in the Introduction to 'Bonduca' (Musical Antiquarian
Society's edition) Dr. Bimbault retained Taylor's date of 1675, but cor-
rected the contradiction as to the composer's age by stating that 'Dido'
was written when he was "in his seventeenth year."
4. In 1870 Bimbault published a new edition of the work for Messrs.
Metzler, but since 1842 a copy of the libretto of the original perform-
ance had been acquired for the Library of the Sacred Harmonic
Society, and this threw new light on the question. The libretto has
been printed in facsimile in Dr. Cummings' edition of 'Dido' [PurceU
Society, vol. HI); it is headed: 'An Opera Perform'd at Mr. Josias Priest's
Boarding-School at Ckelsey. By Young Gentlewomen. The Words Made
by Mr. Nat. Tate. The Musick Composed by Mr. Henry Purceil."
Now Hawkins had already, in a foot-note, alluded to an Advertise-
ment in No. 1567 of the London Gazette (Nov. 22—25, 1680) to the
effect that "Josias Priest, Dancing Master, who kept a Boarding-School
of Gentlewomen in Leicester-Fields, is removed to the great School-House
at Chdsey1), that was Mr. Portmarts. There will continue the same
Masters, and others, to the improvement of the said School," and in the
face of the new evidence of the Libretto, the dates 1675 and 1677 had
both to be abandoned. Rimbault's way of meeting the difficulty is cha-
racteristic. "This evidence," he says, "is so far satisfactory, that it pro-
ves, beyond question, that Purcell's Dido and ^Eneas could not have
been performed before 1680. There is good reason to believe that it
1) I am indebted to Mr. Randall Davies for the information that Priest's School
was at Gorges House, which stood just behind what is now Lindsay Row, between
Beaufort Street and Milman's Row. Priest bought it from Richard Morgan, of Marlies
Essex. It was subsequently sold to Sir William Milman.
33*
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508 W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music.
was produced in that year, possibly at the Christmas breaking up." One
would like to know what the "good reason" was.
5. Li Dr. Cummings' 'Life of PurcelT1) the 1675 mistake is exposed
and Rimbault's assertion that the work was composed in 1680 is ac-
cepted. Dr. Cummings also for the first time draws attention to the
fact (the importance of which will be dealt with later on) that D'Urfey's
'New Poems' (1690J contains "An Epilogue to the Opera of Dido and
JEneas, performed at Mr. Priest's Boarding-school at Chelsey: spoken
by the Lady Dorothy Burk."
6. In the article in Vol. HI (p. 46) of Grove's 'Dictionary of Music1
(1883) Mr. Husk added to what we may call the 'Dido' Legend. He
states that the work was written for performance at Priest's School in
Leicester Fields in 1675 and was again performed in 1680 at Chelsea,
but no evidence is given for either statement
7. In the Preface to the Purcell Society's edition (1889) of the work
Dr. Cummings accepts Rimbault's view and states that "all the evidence
hitherto discovered tends to prove that the Opera was composed in 1680."
8. In the 'Dictionary of National Biography' (vol. XLVII, 1896) Mr.
Fuller Maitland tells us that "the opera 'Dido and JEneas' has been
conclusively proved to date from 1680." The same date is accepted
without hesitation by Sir Hubert Parry in the 'Oxford History of Music'
(Vol. m. p. 296, 1902.) 2)
Comment is hardly needed upon the way in which Dr. Rimbault's
'there is reason to believe' that 'Dido' was produced in 1680 has gra-
dually been changed into the assertion that 1680 was the actual date,
but before examining whether Bimbault had any grounds for even this
tentative ascription, the point arises as to what reason Hawkins had for
fixing on 1677 as the year. Although no clue is given in the passage
quoted from his History; I think it is not improbable that Hawkins's
error arose from a mistaken interpretation of a passage in the Preface
to Tate's play 'Brutus of Alba.' This work was published in 1678, and
the author says that he "had begun and finisht it under the Names of
Dido and ^Eneas." Hawkins probably jumped at the conclusion that
the libretto which Purcell set was this first version of Tate's play, and
be fixed the date 1677 as nearly as possible before that of 'Brutus of
Alba', in order to diminish as much as possible the difficulty of the work
1) Great Musicians Series, 1881. p. 32.
2) Mr. Henry Davey ('History of English Music') varies the accepted accounts
of 'Dido and Eneas' by saying that Mrs. Priest kept the school, and that Purcell 'prob-
ably taught there* and was engaged to set the opera. He also conjecturs that .Lady
Dorothy Burke was the original Dido and that Purcell "took some of the abbey
choir" to assist in the production.
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W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music. 509
haying been written by Purcell at so early an age. If 'Dido and iEne&s'
preceded the play, as he gathered from the preface, it must have been
composed before 1678, and 1677 was fixed on as the latest possible date,
much in the same way as Bimbault later on fixed 1680 as the nearest
to Hawkins' date, the earlier year having been proved impossible by the
discovery that the opera was performed at Chelsea, to which Priest only
moved in 1680. That there is an intimate connection between 'Brutus
of Alba' and 'Dido and JEneas' is not surprising in the circumstances.
In both works Tate's peculiar phraseology is apparent.
"Our charm has took
The Queen's forsook"
of the Opera occurs in the play in the line
"My charm has took, the Tempter has prevail' d"
and the simile
u
Thus, on the fatal bank of Nile
Weeps the deceitful crocodile"
is echoed in 'Brutus of Alba' as
"Twere Woman's Fraud t'have ruined with your Smiles,
But to betray with Tears, the Crocodile's."
But the two works are far from being identical, and it is just as
probable that the opera-book is a second version of the play as that the
latter represents the form in which 'Brutus of Alba* was "begun and
finisht . . . under the Names of Dido and ^Eneas." That Bimbault knew
'Brutus of Alba' and thought, like Hawkins, that it was an amplification
of 'Dido' is proved by his assertion (in the preface to the 1870 edition)
that the Opera was Tate's first dramatic effort, a statement he evidently
drew from the Prologue to the Play; but Tate made it with regard to
the latter and — in the face of the differences between the two works —
it is wrong to apply it to the Opera.
If this view is correct, there is no reason for ascribing 'Dido and
JEneas' to either 1677 (and much less to 1675) or to 1680, and the
true date must be sought from other evidence. It is at this point that
the value of D'Urfey's 'Epilogue' appears, and though the evidence is
very slight, yet taken altogether, it may fairly be said to point to 'Dido
and JBneas' being the production of a much later period in Purcell's
career than is usually accepted.
The evidence we at present possess as to the probable date of 'Dido
and JEneas' may be grouped under five headings, four of which have
chiefly to do with D'Urfey's verses.
1. The Epilogue will be found printed in the preface to Dr. Cum-
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510 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
mings' edition of the opera (Purcell Soc. Vol IU9) and it is not neces-
sary to repeat it here. The full title of the volume in which it occurs is
"New | Poems, | Consisting of | Satyrs, | Elegies, | and | Odes: | Toge-
ther with a | Choice Collection | of the Newest | Court Songs, | Set to
Musick by the best Masters | of the Age. | All Written by Mr. D'Urfey. \
... | London, Printed for J. BvOmd . . . | ... and A. Boper . . . 1690. |"
The Epilogue occurs on p. 82, and is headed "Epilogue to the Opera
of Dido and JEneas, performed at Mr. Preist's Boarding-School at
Chelsey; Spoken by the Lady Dorothy Burk." As the 'New Poems*
were published in 1690, it is obvious that the production took place be-
fore that date. Seven years earlier, in 1683, Durfey had issued a some-
what similar volume, entitled 'A New Collection of Songs and Poems/
so that it may fairly be concluded that his second volume, called defi-
nitely lNew Poems/ represents the collection of his slighter pieces written
since the earlier volume appeared. The Epilogue is not in the 1683
book, it is in that of 1690, which points to the date of the Opera for
which it was written as falling between those two years.
2. Who was Lady Dorothy Burke? It is obvious that if we could
discover when she was at school, or even her approximate age between
1680 and 1690 we should possess an important link in the chain of
evidence.
Lady Dorothy was only daughter by his first wife of Bichard, 8th Earl
of Clanricarde. Her mother1) was a daughter of Mr. Bagnall, Page of
the Backstairs to King James II. Her father succeeded to the title on
the death of the 7th Earl in 1687. He served in the Irish Army of
James II and was outlawed by the English Government (11th May,
1691). After the battle of Aughrim he surrendered Galway, where, ac-
cording to Mr. O'Conor (Military History of the Irish Nation, 1846,
p. 161), he "compounded his honour for personal security; and, quitting
the service of James, remained at Galway.91 He became a Roman
Catholic about 1673, *) but his daughter Dorothy was a Protestant He
was married three times,3) (1) to — Bagnall, by whom he had three
sons who died young, and (G. E. C. Complete Peerage, VIII. p. 525) one
daughter (Dorothy); (2) after April, 1683 to Anne, Countess Dowager
of Warwick and (3) to the Hon. Bridget Dillon, daughter of Theo-
1) "1669 (—70) 25 Jan. On Saturday last Lord Dunkellin, eldest son of Earl of
Clanricarde, was privately married to the Court beauty, the youngest daughter of
Mr. Bagnall". (Newsletter in the Rydal Hall Papers (No. 1118.) Hist. MSS. Com-
mission, 7 th. App. to Report 12.)
2) "Hie Earl of Clanricard, who fifteen years ago turned Roman Catholic, has de-
clared himself a Protestant in Ireland." (Newsletter to the Countess of Rutland,
25 Aug. 1688. Rutland Papers, Hist. MSS. Commission II, 121.)
3) Ad. MSS. 21,130.
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 511
bald 7th Viscount Dillon, by whom he had a son, who died young, and
a daughter, Mary (b. circa 1698, m. July, 1713, d. 12. Jan. 1713—4;
buried in Christ Church, Dublin), who married Patrick, the eldest son of
Sir John Bellew of Barmeath, Co. Louth. Lord Clanricarde died at
Loughrea, co. Galway, 2nd Feb., 1708 and was buried in the family
vault at Athenry1).
Lady Dorothy Burke was married to Alexander Pendarves, of Bos-
crow, near Falmouth, whose second wife was Mary Granville, afterwards
Mrs. Delany. The dates and places of her birth, marriage and death,
have so far eluded prolonged and careful search1).
Alexander Pendarves was born about 1657, but, according to Mrs.
Delany, he had not lived at Roscrow for thirty years before he took her
there in 1717, and his first wife was certainly not buried in the family
vault at St. Gluvias. There is an allusion to her in LuttrelTs Diary
(IV. 629) for 2nd April, 1700: "Yesterday the Commons satt . . . debating
clauses to be added to the bill for Irish forfeitures . . . And this day
they past the said bill, and ordered it to be carryed to the Lords to-mor-
row; and resolved, his majestie be addrest to extend his bounty to Mrs.
Bourk, (daughter to the Earl of Clanrickard) , who turn'd Protestant."
That this was Lady Dorothy Pendarves is proved by the fact that a
Private Act (13 & 14 Will. HI & I Anne, Cap. 41) empowered the
Trustees of the forfeited Clanricarde estates to raise £ 5000 and to pay
the same to Alexander Pendarves as the marriage portion of "the late
Lady Dorothy Burke who was the only Protestant child of Bichard Earl
of Clanricard." 3) She must therefore have died between the date of the
entry in LuttrelFs Diary .and that of the Act, i. e. between 1700 and 1702.
These facts unfortunately do not give much clue to the date when
Lady Dorothy Burke was likely to have been at Priest's School. It will
be noticed that as her father did not succeed to the title until October,
1687, she was not 'Lady' Dorothy before that date. But it is not ad-
visable to regard this as a strong piece of evidence. D'Urfey's Epilogue,
though printed when she was Lady Dorothy, might have been spoken
1) For these particulars , many of which are not to be found in the Peerages, I
am indebted to the kind assistance of Mrs. Swinnerton Hughes.
2} I have personally searched most available printed books of reference, as well
as the transcripts of London Registers at the College of Heralds and the registers of
St. Gluvias, Cornwall. I am indebted to Sir Arthur Vicars for searching the records
in the Dublin College of Arms and also to the Marquess of Clanricarde, the Countess
of Cork, Viscount Dillon, A. Scott-Gatty, Esq. J. D. Enys, Esq., W. E. Pendarves,
Esq., A. F. Basset, Esq., the officials of the House of Lords and several others for
kind help in the attempt to obtain information as to Lady Dorothy's biography.
3) Further enactments concerning Mr. Pendarves' s efforts to recover this sum
will be found in 5 Anne c. 29.
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512 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
when she was simply Mistress Burke — by which name, indeed, Luttrell
refers to her even after she had become Lady Dorothy Pendarves. On
the other hand it is at least probable that as a young lady of title she
would have been chosen to speak the Epilogue, and this probability
points to the date of the production of the Opera being between 1687
and 1690.
3. It happens that there exists some curious evidence with regard
to D'Urfey's connection with Priest's school which, so far as I know,
has been hitherto overlooked. In 1691 D'Urfey printed a Comedy entitled
'Love for Money: or The Boarding School', which from internal evidence
can be shown to have been written in June of the preceding year. Prefixed
to this work is a long preface, in which the following passages occur: "I
confess, if what has been malitiously told to some Persons of Honour (Judges
of Sense and Gratitude) to whom I've the happiness to be known, were true,
viz . that I liv'd at a Boarding School near London all last Summer, and
in return of their hospitable Civility, writ this Play ungratefully to expose
'em, I could not defend my self from being as guilty as they must na-
turally think me; but my Stars were so happy to give me an occasion
of satisfying these noble persons to the contrary before the Play was
acted; and I now think it reasonable to inform the Reader, and the Town
in general, that I never was oblig'd more than for common courtesies
(en passant) to any of 'em, which I may fairly say I have equally return'd,
and without Reflection upon their House-keeping, in spite of Revolutions,
have always been so lucky not to have the necessity of being Troublesome
to them for maintenance, or accept of any Courtesie which I could not,
or did not, return. " Later on he "utterly disowns" the opinion "that
this Comedy was written purposely to reflect on a particular Family to
whom I had a prejudice . . . and as to the painted Scene which some
cavil at, it might have been York as well as Chelsey, if the Beauty
of the Place had not given me occasion to fix there." In yet another
passage he defends himself from the charge that political allusions in the
play were intended to reflect "upon a certain noble person now in distress;"
this was impossible, for the play was written "in June last," i. e. in
June, 1690.
It would surely not be venturing too far into the realms of conjecture
to conclude from this that the scene of 'Love for Money' was generally
understood at the time to be laid at Priest's Boarding-School at Chelsea
and that about 1690 D'Urfey was on intimate terms with the Priest
family. He might have considered that he had repaid their "common
Courtesies" by writing the doggrel Epilogue to 'Dido and -ZEneas' which
he printed in his 'New Poem.'
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
513
4. The Epilogue itself contains some curious expressions which clearly
point to the date when it was written. It concludes as follows:
uNo Love-toy here can pass to private view,
Nor China Orange cram'd with Billet dew,
Rome may allow strange Tricks to please her Sons,
But we are Protestants and English nuns,
Like nimble Fawns, and Birds that bless the Spring
Unscar'd by turning Times we dance and sing;
We in hope to please, but if some Critick here
Fond of his Wit, designs to be severe,
Let not his Patience be worn out too soon
And in few years we shall be all in Tune."
The allusion to 'Protestant Nuns9 and the remarkable expression
'turning Times' point conclusively to the lines having been written after
the Revolution of 1688, and it is impossible not to conclude that the
date of the work was between then and 1690.
5. The internal evidence of the music of 'Dido and ^Eneas' points
to its having been written about 1689. In our present knowledge of the
dates of Purcell's compositions it is difficult to see how his style altered
at different periods of his career, but even with the limited information
we possess it is noticeable how the same phrases recur in works of one
period — which is hardly to be wondered at, considering the immense
amount of music that he produced.
The following three examples are worth quoting: in each a phrase
from 'Dido and iEneas' occurs in works known to have been composed
respectively in 1689, about 1690, and 1691.
'Jear no Danger'. (Dido and JSneas.) Act I.
m
:p=£f?S
=1=
-t-T-+
i^
Dance Tune. (Birthday Ode for Queen Mary, 1689.)
±+-e£-t*t=£&
from Dido and JEneas. Act II. Sc. 1.
As sent from Jove shall chide his stay.
'The Genius, loP (Massacre of Paris. 1690.)
2LlE-g-JLJ=g
:5=F
-v--*-
4E=fc
*is
She told thy stor - y with so sad a tone.
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514
W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Maria
'Destruction's our delight1. (Dido and JSneas. Act m.)
I
&E£^=f=%
T=^^=f=^
*E
T=£
'To Woden thanks we render'. (King Arthur. 1691.)
p\; < <i-fttA-r]Z2^4=±liFS&=t
The list of such passages could probably be largely extended, though
it would certainly contain nothing from "Theodosius*, the one early dra-
matic work of Purcell's which we know with certainty to have been
written so early as 1680.
Summing up the results of this rather tedious investigation, it may be
said that such evidence as there is on the subject points to 'Dido and
Eneas' having been composed after 1688 and before the Summer of
1690. If this is the case the work is almost certainly later than Blow's
"Venus and Adonis', and the form of 'Dido and JEneas' may well have
been suggested to Purcell by his master's curious experiment in dramatic
music. That 'Dido' remains infinitely superior to Blow's Masque does
not detract from the interest attaching to the latter.
Dioclesian.
'Dioclesian, or the Prophetess', an adaptation by Thomas Betterton
of Beaumont and Fletcher's 'The Prophetess', was produced at the Dorset
Garden Theatre in the early summer of 1690.
The preface to the Purcell's Society's edition of the work *) contains a
full account of what is known as to the history of the early performances, and
it is therefore unnecessary to repeat the information here. But one or two
points have been overlooked by the editors of the volume. The copies of the
original libretto contain no names of the performers and only a few of them
can be gathered from other publications. In Book II of 'Thesaurus Musicus'
(1694) it is stated that the song 'When first I saw' was sung by Mrs.
Ayliff, whose name also appears in the version of the same song printed
in 'Joyful Cuckoldom'. From this last collection we also learn that
'Since from my dear' was sung by Mrs. Hudson, and 'Let monarchs fight7
and 'Let the soldiers rejoice' by Mr. Freeman, According to an early
single-sheet the last-named singer also sang 'Sound Fame thy brazen
Trumpet'. The Purcell Society's edition also omits to mention that at
the original production a prologue written by Dryden was spoken, but that
the political allusions it contained to the campaign in Ireland and the
"female regency" of Queen Mary gave such offence that it was suppressed
by the orders of Lord Dorset. The prologue is not printed in the early
1) The Works of Henry Purcell, Vol. IX. 1900.
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 515
editions of the play, but it will be found in the collected editions of the
poet's works1).
The printed play was . advertized in the Gazette for 12 th — 16 th June,
1690; the proposal to publish thp score in the issue for 3rd — 7th July
following and the completion of the printing on 26th February — 2nd
March, 1690—1.
Distressed Innocence.
The only music in this tragedy of Elkanah Settle's is the Overture
and seven Act Tunes, which are printed in 'Ayres for the Theatre'. The
play was produced late in 1690, and its publication is advertized in the
London Gazette for 11th — 15th December, 1690, though the title-page
(given below) is dated 1691.
"Distress'd Innocence : | or, the | Princess of Persia, | A Tragedy. | As
it is Acted at the Theatre Royal | by Their Majesties Servants. | Written
by E. Settle. \ Vt ridentibus arrident, ita flmtibus adsunt | Humani
vtdtus: Si vis me fere dolendum est \ Primum ipsi Tibi; tunc tua me
infortunia [sic] laedent \ Telephe vd Peleu. | Horat. de Arte Poetica. | Lon-
don, | Printed by J. J. for Abel Roper at the Mitre near Temple- \ Bar in
Fleet-Street 1691. |"
In his dedication the author says that the last scene was written by
Mountfort. The cast comprised Bowman (Isdigerdes), Mountfort (Hormi-
das), Powell (Theodosius),Kynaston(Otrantes), Sandfort (Rugildas), Hodgson
(Arides), Mrs. Barry (Orundana), and Mrs. Bracegirdle (Cleomira).
Don Quixote, Part I.
In the Gentleman's Journal for May, 1694, Motteux announces that
D'Urfey's 'Don Quixote', is to be the next new play, and in the following
number he states that "the first part was so well received that we have
had a second Part".
The title-page of the first edition is as follows:
"The | Comical History | of | Don Quixote, | As it was Acted at the |
Queen's Theatre | in | Dorset-Garden, | By Their Majesties Servants. '
Part I. | Written by Mr. D'Urfey. | London, | Printed for Samuel
Briscoe, at the Corner of Charles- \ Street, in Russel- Street, Covent- \
Garden, | 1694. |" The publication of the play, together with that of the
songs to the Second Part, was advertized in the London Gazette for
2nd — 5th July, 1694; it was dedicated to the Duchess of Onnond and
is preceded by a Prologue spoken by Betterton. The cast was as follows:
Don Quixote — Bowen; Don Fernando — Powell; Cardenio — Bowman;
1) The Poetical Works of John Dryden, edited . . . by W. H. Christie. Globe
edition, 1870. p. 469.)
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516 "W". Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
Ambrosio — Verbruggen; Perez — Gibber; Nicholas — Harris; Sancho
Panca — Dogget; Gines de Passamonte — Haines: Vincent — Bright;
Marcella— Mrs. Bracegirdle; Dorothea — Mrs. Prances Knight; Luscinda
— Mrs. Bowman; Teresa Panca— Mrs. Elizabeth Leigh; Mary the
Buxom — Mrs. Verbruggen.
The play requires a good deal of music, both vocal and instrumental
but only the former seems to have been preserved, unless a Minuet in
a MS. at the Royal College of Music (S. H. S. Catalogue, No. 1978) be-
longs to this first part.
Purceirs contributions were printed in 'Orpheus Britannicus', and also
in the following publication:
The | Songs | To | the New Play | of | Don Quixote. | Part the First
Set by the most Eminent Masters of the Age. | All Written by Mr.
JD' Urfey. \ Decies repetita placebunt. | London, | Printed by J. Kept-
install for Samud Briscoe, | at the corner of | Charles-street, Covent-
Oarden. 1694. | Price Two Shillings. |
This work contains the following music:
Act II. (The Knighting of Don Quixote.) 'Sing all ye Muses.' (H. Purcell.)
'Young Chrysostum had virtue.' A Song for a young Shepher-
dess. (J. Eccles.)
'Sleep poor youth.' Dirge by a Shepherd and Shepherdess.
(J. Eccles.)
'Past is thy fear.' Chorus. (Eccles.)
Act HE. 'When the world first knew creation.' Song. (H. Purcell.)
Act IV. 'Let the dreadful engines.' Song, by Cardenio. (H. Purcell.)
'Twas early one morning.' Song, by Sancho Panca. (J. Eccles.)
Act V. 'With this sacred charming wand.' Song, 'in parts' by 'an In-
chanter and two Inchantresses.7 (H. Purcell.)
From an edition of 'Let the dreadful engines' engraved by Cross we
learn that this fine song was sung by Bowman.
Don Quixote, Part II.
As has been seen from the quotation from the Gentleman's Journal
the production of the Second Part of Don Quixote followed closely on
that of the First Part. Its publication was advertized with the Songs
to both First and Second Parts, in the London Gazette for 19 th — 23 rd
July, 1694.
The title-page is as follows:
"The | Comical History | of | Don Quixote, | As it is Acted at the |
Queen's Theatre in Dorset Garden. | By Their Majesties Servants. | Part
the Second. | Written by Mr. D} Urfey. | London, | Printed for S. Briscoe^
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 517
in Russet-Street, Co- | vent Garden, and H. Newman at the Qras- \ hopper
in the Poultry, 1694."
The play is dedicated to the Earl of Dorset, and in the preface
D'Urfey informs us that it was performed in "violent hot weather,"
and that some of the scenes had been omitted athe Play and the Musick
being too long." He also alludes to Mrs. Bracegir die's fine singing of
J. Eccles' song 'I burn,' which seems to have created a great sensation
and drew a tribute from Purcell himself, who wrote the song 'Whilst I
with grief (Orpheus Britannicus. 1st Ed. I. 4.) j'on Mrs. BracegircUe's
Singing (I burn etc.) in the Second part of Don-Quixote.' The cast
was as remarkable as that of the First Part of the Trilogy. Oibber was
Duke Bicardo; Bowman — Cardenio; Verbruggen — Ambrosio; Bowen —
Don Quixote; Powell — Manuel; Freeman — Pedro Rezio; Trefuse —
Bernardo; Harris — Diego; Lee — the Page who is disguised as Dulcinea
del Toboso; Underhill — Sancho Panca; Mrs. Knight — the Duchess;
Mrs. Bowman— Luscinda; Mrs. Bracegirdle — Marcella; Mrs. Kent —
Donna Rodriguez; Mrs. Lee — Teresa Panca and Mrs. Verbruggen —
Mary the Buxom. The work contained an unusual amount of
dancing (Dances of Milkmaids, Anticks, Spinsters, the Seven Cham-
pions, etc.) the music for which has not survived, but the songs have
been preserved by another of Heptinstall's publications: "The | Songs |
To | the New Play | of | Don Quixote. ! As they are Sung at | the
Queen's Theatre | in Dorset Garden. | Part the Second. | All Written by
Mr. D'Urfey. | Decies repetlta placebunt. \ London, | Printed by J. Hept-
mstall for Samuel Briscoe, | at the corner of Charles-street, Covent-
Garden. 1694. | Price One Shilling Six Pence. |" This volume contains
the following:
Act I. 1) 'If you will love me.' Song to a Minuet.
2) 'You love, and yet.' The Lady's Answer. (Both without
composer's name.
Act n. 3) 'Ye nymphs and sylvan gods.' "Sung by Mrs. Ayliff, dressed
like a Milk-maid." (J. Eccles.)
Act HL 4) Damon let a friend advise ye.' (Colonel Pack.) According to
the printed play this song seems to have been sung by Marcella
(Mrs. Bracegirdle), but in Heptinstall's publication it is stated
that it was sung by Mrs. Hudson.
Act IV. 5) 'Since times are so bad.' A Dialogue. (H. Purcell) 'sung
by a Clown and his Wife' — Mr. Reading and Mrs. Ayliff.
Act V. 6) 'Genius of England.' (H. Purcell.) 'A Song, at the Duke's
Entertainment, by St. George and the Genius of England: Sung
by Mr. Freeman and Mrs. Cibber.'
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518 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
7) (I burn, I burn.' (J. Eccles.) Sung by Mrs. Bracegirdle.
8) 'De foolish English Nation.' 'A Song by St. Dennis', without
composer's name.
In addition to the above, Book HI of Hudgebutt's 'Thesaurus Mu-
sicus' (1695) contains a song by Purcell ('Lads and Lasses, blith and
gay') headed 'A Song in the 2nd Part of Don Quixote. Sung by
Mrs. Hudson , not Printed in that Collection.' The words of this song
do not appear in D'Urfey's play, but it is possible that it was introduced
in Act II instead of Eccles' long song lYe nymphs and sylvan gods.'
Not very much is known of the singers whose names are given above.
Mrs. Cibber was a Miss Shore, the sister of John Shore, Sergeant Trum-
peter to "William and Mary: she married Colley Cibber (1671 — 1757)
before her husband was twenty-two. The names of Freeman and of
Mrs. Ayliff1) frequently occur among the first interpreters of Pur-
cell's music; they are found in the Bodleian MS. of the 1692
Ode for St. Cecilia's Day. Mrs. Hudson's name is also often
found, and it is difficult to distinguish her from a Mrs. Hodg-
son2). In Luttrell's Diary (25th Jan. 1704/5) it is recorded that "Last
night, Captain Walsh quarelling with Mrs. Hudson, who keeps the boxes
in the play house, she pulled out his sword and killed him,' but whether
this passage refers to the singer it is impossible to say. Of Beading
almost all that is known is that on 10th June, 1695, he was concerned
in a riot at the Dog Tavern, Drury Lane, where a number of Jacobites
met together to celebrate the birthday of the Prince of Wales, whose
health they tried to force the passers by to drink. For this affair Beading,
with Pate (another theatre singer), was arrested and both were subse-
quently deprived by the Lord Chamberlain of their places at Drury
Lane3).
Don Quixote, Part IH.
The success which attended the first two parts of 'Don Quixote' in-
duced D'Urfey shortly afterwards again to draw upon Cervantes' immortal
romance. The Third Part must have been produced late in 1695, for
its publication was advertized in the London Gazette for 12th — 16th De-
cember, 1695. The title is as follows:
"The | Comical History | of Don Quixote. | The Third Part. | With
the Marriage | of | Mary the Buxome. | Written by Mr. D'Urfey, | Non
omnes Arbusta juvcmt humilesqx myricae. Vir. | London, | Printed for
1) Vide supra 'Abdelazer'.
2) Vide supra 'Aureng-Zebe\
3) LuttrelTs Diary, 1695. In his first account of the riot Luttrell gives Reading's
name as 'Bedding', but the mistake is corrected in a subsequent entry.
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W. Barclay Squire, PuroeU's Dramatic Music. 519
Samuel Briscoe, at the Corner of Charles- \ Street, in Russelstreet,
Covent-Gardm. 1696. | Where is also to be had the Songs, set to Musick
by the late | famous Mr. Pursel, Mr. Courteville, Mr. Aykerod, and
other | eminent Masters of the Age. |"
The play is dedicated to the Hon. Charles Montague, and both in
the dedication and in the preface D'Urfey alludes to the 'publick mis-
fortune' which was its fate. "The Songish part" (he says) "which I used
to succeed so well in, by the indifferent performance the first day, and
the hurrying it on so soon, being streightned in time through ill manage-
ment— (tho extreamly well set to Musick, and I 'm sure the just Critick
will say not ill Writ) yet being indifferently performed was consequently
not pleasing." The cast may have also had something to do with the
failure, for the play is certainly not inferior to either of its predecessors.
The performers were as follows: Powell — Don Quixote; Newth — Sancho;
Horden — Basilius ; Bullock — Camacho ; Pinkethman — Jaques ; Ver-
bruggen — Carrasco; Lee — Gines de Passamonte; Smeaton — the Carter
and Dulcinea del Toboso; Mrs. Finch — Quitteria; Mrs. Verbruggen —
Mary the Buxom; Mrs. Powell — Teresa, and Miss Cross — Altesidora.
The songs were published as a separate folio, with this title-page:
"New | Songs | in the | Third Part | of the | Comical History | of Don
Quixote. | And Sung at the | Theatre Royal. | With other New Songs by
Mr. D'Urfey | Being the last Piece set to Musick by the late Famous \
Mr. Henry Purcell: And by Mr. Courtiville, Mr. Akeroyd, and \ other
Eminent Masters of the Age. | Engrav'd on Copper Plates. | London, \
Printed for Samuel Briscoe, at the Corner-shop of Charles-Street, in
Russel-Street, \ Covent-Gardm, 1696. | Price Three Shillings. | Where are
also to be had, the First and Second Parts of Mr. D'Urfey's | Songs,
set to Musick by Mr. Henry Purcell. |" This volume contains the
following music:
Act IL 1) 'Vertumnus Flora.' The First Song in the Second Act sung
by one respresenting Joy. (CourtivilL)
2) 'Here is Hymen.' The Second Song in the Second Act. Sung
by one representing Hymen. (Courtivill.)
3) 'Cease, Hymen, cease.' The last Song in the 2d Act. (Cour-
tivill.)
Act in. 4) 'Damon turn your eyes.' The first Song in the third Act.
Sung by Altisidora to Don Quixote. (Morgan.)
5) 'Come all, great, small.' A Song sung by five Country men
at Mary the Buxom's Wedding. In the printed play this is
entitled: "The Clowns Song at the Marriage of Mary the
Buxome, in Eleven Movements, sung to a Division on a Ground-
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520 W. Barclay Squire, Puroeirs Dramatic Music.
Bass: The "Words implying a Country-Match at Stool -Ball.'
(Anon.)
Act IV. 6) 'Dear Pinkaninny.' A Song in the fourth Act. Intended to
be Sung by 2 Poppets one representing a Captain tother a Town
Miss and set to a Minuet. (Anon.)
Act V. 7) '"Welfare Trumpets Drums.' A Dialogue in the fifth Act for
Mr. Leveridge and Mr. Edwards representing two Country Boors
arguing about ye warre. (Anon.) The words of this are not
given in the printed play.
8) 'Ah my dearest Celide.' A Dialogue sung by a Boy and
Girl supos'd a Brother and Sister. (Akeroyd.) In the printed
play this Dialogue comes later than No. 9.
9) 'From rosie Bow'rs.' A Song sung by Altisidoria in the
5th Act of Don Quixote. (Purcell.) In 'Orpheus Britannicus'
this is headed 'This was the last Song that Mr. Purcell Sett,
it being in his Sickness.'
In addition to the above, the third printed play contains a song (for
Mary the Buxom) in Act IH 'The old wife she sent to the Miller,' no
music to which is known to exist.
It will be noticed that the names of the singers are rarely given in
the Third Part of Don Quixote. The exceptions are Leveridge (the
famous Bass, one of whose earliest recorded appearances this was), Ed-
wards and Miss Cross. The latter, who had already appeared in 4Bon-
duca,' must then have been very young. She was called Miss, instead
of Mrs., the usual title of actresses, and her youth is Especially alluded
to in the prologue, which she spoke in company with Horden. She was
'the Girl' who sang 'Celemene pray tell me,' with young Bowen ('the
Boy') in 'Oroonoko'; and as Dorinda in 'The Tempest' she sang the air
'Dear pretty Youth,' as is shown by a comparison of the version of that
song printed in Book HE of 'Deliciae Musicae' with that on the single
sheet engraved by Thomas Cross. In 1697 she was the original Miss
Hoyden in Vanburgh's 'Relapse'. Haynes's Epilogue to Farquahar's
'Love and a Bottle' (1699) refers to her as follows:
"Oh Collier! Collier! thou'st frighted away Miss C — s:
She, to return our Foreigner's complaisance,
At Cupid's call, has made a trip to France.
Losing that Jewel, gave us a fatal blow!"
In 1704 she returned to Drury Lane, and for the next few years played
occasionally there, at the Haymarket and Lincoln's Inn Fields1).
1) See Oenest, History of the Stage. Vol. HI.
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 521
The Double Dealer.
The earliest edition of Congreve's Comedy of 'The Double Dealer' in
the British Museum Library, is a small 8V0, without date. 'Printed and
Sold by H. Hills, in Black-Fryars , near the Water-side/ The work
was first played at the Theatre Royal (according to Malone, quoted by
Genest) in November, 1693, and its publication was advertized 'this day'
in the London Gazette for 4th — 7th Dec, 1693. The cast included
Betterton (Maskwell), Kynaston 'Lord Touchwood), Williams (Mellefont).
Alexander (Careless), Bowman (Lord Froth), Dogget (Sir Paul Plyant),
Mrs. Barry (Lady Touchwood), Mrs. Bracegirdle (Cynthia), Mrs. Mount-
fort — afterwards Mrs. Verbruggen — (Lady Froth), and Mrs. Leigh (Lady
Plyant). For this production Purcell wrote an Overture and eight Act-
Tunes (2 Hornpipes, 3 Minuets and 3 Airs) which were printed in the
'Ayres for the Theatre' (1679). In addition to this Instrumental Music 'The
Double Dealer' contains two songs, both of which appeared in Book II
of 'Thesaurus Musicus'. The first of these, 'Cynthia frowns', is sung by a
musician in Act II. It was set by Purcell, and was afterwards included
in Vol. I. of 'Orpheus Britannicus'. From 'Thesaurus Musicus' we learn
that the singer was Mrs. Ayliff. The second song 'Ancient Phillis has
young graces', is sung by Lord Froth in Act III. It was the compo-
sition of Bowman, the actor who filled the part at the production of the
play, and it is printed in 'Thesaurus Musicus' without any bass.
The Double Marriage.
This is a Tragedy by Beaumont and Fletcher, which according to
Downes1) seems to have been revived between 1682 and 1685. Lang-
bafaie2) says that the Prologue spoken on this occasion was printed in
a book called 'Covent-Garden Drollery,' a work which I have not suc-
ceeded in finding. The tragedy does not appear to have been reprinted
at the time of its revival, so we have no information as to the cast.
But this is of small importance, as there are no songs in the play.
Purcell's connection with it consists in come instrumental Act Music,
which is only preserved — unfortunately in an incomplete form — in a
manuscript in the library of the Royal College of Music.
The English Lawyer.
This is one of the plays with which it is very doubtful whether
Purcell's name should be coupled. It is an adaption by Edward Ravens-
croft of a Latin comedy called 'Ignoramus', written by George Ruggle
(1575 — 1622,) Fellow of Clare College, Cambridge, and performed before
1) Roscius Anglicanus fed. Knight), p. 40.
2) An Account of the. English Dramatick Poets (1691), p. 208.
s. d. l. M. v. 34
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522 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
James I in 1615. -The English Lawyer' was printed in 1678, the title-
page stating that it was 'acted at the Theatre Royal,' but the exact
date of the production is not known nor is the cast given. The work
contains one song (in Act III) 'My wife has a tongue'. An anonymous
setting of this as a catch for three voices appears in Part I of 'The
Catch Club' (n. d.) and in a small collection of vocal music preserved
in the British Museum (Ad. MS. 29,397, fol. 27 b.) — probably written
about the end of the 17th century — this catch, occurs with the initials
'H. P.' against it. The music is quite good enough to be by Purcell
and the fact that no other MS. of it has so far come to light is not
against his authorship. But it is more probable that, even if he wrote
it, he took the words from the printed play than that they were set for
the dramatic "production, since it seems impossible that the dramatic
situation in which the song occurs would allow of its being sung by three
voices as a catch. A clue to the date of the composition is afforded by
the fact that the words, entitled, 'A New Catch' are given in the 'Addi-
tional New Songs and Catches' in the 1684 edition of 'Wit and Mirth.
An Antidote against Melancholy', but they do not occur in the previous
(1682) edition of the same work.
Epsom Wells.
The statement that in 1676 Purcell wrote music to ShadwelTs play
of 'Epsom Wells' seems to be due to Rimbault, from whose introduction
to the Musical Antiquarian Society's edition of 'Bonduca' it has been
reproduced by other writers without questioning its correctness. In draw-
ing up the list of plays for which Purcell wrote music Bimbault took
'Dido and ^Eneas' as his starting point and then seems to have followed
the date to which he assigned it with a succession of dates which should
show Purcell to have been more or less occupied at the theatres during
the rest of his short career.
'Epsom Wells' was originally produced at Dorset Garden in 1672
and first printed in 1673. This date would hardly have suited the theory
that 'Dido and JEneas' was Purcell's first composition for the stage, but
Baker's 'Biographica Dramatica' says that the work was reprinted in
1676, 1693 and 1704, and that it continued to be performed until 1726.
Bimbault rightly concluded that these reprints of the play indicated dates
at which it was revived, and he therefore seems to have put down 1676
as the most convenient one for his theory. The facts of the case, un-
fortunately, show that the date 1676 cannot be supported by any evi-
dence. The British Museum Library does not contain the 1676 and
1693 reprints, but those of 1673 and 1704 are practically identical, and
it is safe to assume that the play was reprinted for all the revivals
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 523
without alteration. According to the 1673 and 1704 editions the songs
in Shadwell's Comedy are as follows:
Act II. 1. 'How pleasant is mutual love that is true/
2. Two lines of 'An old song': 'Lay by your pleading.'
ActllL 3. 'Oh how I abhor the Tumult and Smoake of the Town.'
4. Five lines of 'Her lips are two brimmers of claret.'
Act V. 5. Four lines of 'An old senseless song': 'If she prove con-
stant, obliging and kind.'
Besides these there are some dances which require music.
Now of the above there is a setting of No. 1 by Nicholas Staggins
in Playford's 'Choice Songs and Ayres . . . Composed by Several Gentle-
men of His Majesties Musick. The First Book.' (1673); the whole of
No. 2., with an anonymous tune, is printed in Vol. V. of the 1714 edition
of 'Pills to Purge Melancholy/ and a setting of No. 3 by Robert Smith
is contained in the same volume as No. 1. The other snatches of songs
and the instrumental music I have not discovered. As Playford's book
was published soon after the original production of the play it seems
highly probable that the songs by Staggins and Smith were written for
that occasion. Purcell's connection with 'Epsom Wells' occurs at a much
later date. It consists in a two-part song 'Leave these useless Arts in
loving,' which appeared in the Second Book of 'Thesaurus Musicus' (1694.)
where it is headed 'A New Song in Epsome- Wells set by Mr. Henry
Purcell.1 The same volume contains songs in 'The Double Dealer,' I ,
'The Richmond Heiress' and 'Love Triumphant', all of which date from
1693, besides a song from 'King Arthur' and 'When first I saw' and
'Since from my dear' (from 'Dioclesian') both of which are known to
have been written for a revival of the last-named work. It is therefore
highly probable that Purcell's 'Leave these useless Arts' — which is so
definitely called 'A New Song' — was written for a revival of 'Epsom
Wells' in 1693, the date at which, as already stated, the work was
reprinted, and that it was introduced in the play instead of one of the
original songs of Staggins and Smith. It may be mentioned that a tune
called 'Epsom Wells' sometimes occurs in MSS. of the end the 17th cen-
tury but that this has nothing to do with the play. It is ascribed in
Ad. MS. 24,889, fol. 24b, to Paisible, and the whole song will be found
in Book IH of 'Thesaurus Musicus' (1695) as 'A Scotch Song, the words
made and fitted to the tune, by Mr. Durfey.' In Vol. V of D'Urfey's
Songs it is entitled 'The Scotch Lover at Epsom.'
The Fairy Queen.
'The Fairy Queen' is an anonymous adaptation of Shakespeare's
'Midsummer Night's Dream,' in which however not a single line of the
34*
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524 W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music.
original appears with PurcelFs music. It was produced at the Dorset
Garden Theatre in the spring of 1692. In the January (1691 — 2) number
of the 'Gentleman's Journal' Motteux writes: 'I must tell you that we
shall have speedily a New Opera, wherein something very surprising is
promised us; Mr. Pur eel who joyns to the Delicacy and Beauty of the
Italian way, the Graces and Gayety of the French, composes the Music';
and in the number of the same periodical for the following May the
same writer records: "The Opera of which I spoke to you in my former
hath at last appear'd, and continues to be represented daily: it is call'd
The Fairy Queen. The Drama is originally Shakespears, the Music and
Decorations are extraordinary. I have heard the Dances commended, and
without doubt the whole is very entertaining" !). Downes also chronicles that
4in Ornaments' it was superior to 'Dioclesian' and 'King Arthur,7 "especially
in Cloaths, for all the Singers and Dancers, Scenes, Machines, and De-
corations, [were] all most profusely set off; and excellently perform'd, chiefly
the Instrumental and Vocal part Compos'd by the said Mr. Purcd, and
Dances by Mr. Priest. The Court and Town were wonderfully satisfy7 d
with it; but the Expenses in setting it out being so great, the Company got
very little by it." The play was advertized as published in the Gazette
for May 5 — 9, 1692, and in the following year a revised edition appeared
"With Alterations, Additions, and several new Songs." The names of
the performers are not given in these publications, but those of some of
the singers are to be found in a collection of 'Select Songs,' printed by
Heptinstall in 16922), which was all of the music that appeared in Pur-
cell's lifetime. From these, and from 'Joyful Cuckoldom' and a single-
sheet edition of the Dialogue 'Now the maids and the men,' we gather
that the singers were Mrs. Ayliff, Mrs. Dyer, Mrs. Butler, Freeman.
Reading and Pate. The two last names have already been mentioned
in connection with the Second Part of 'Don Quixote.' Pate, together
' with Reading, was deprived by the Lord Chamberlain of his place at
the Theatre on account of the share he took in the riot at the Dog
\ Tavern on 10th June 16953). Yive years later Luttrell (Diary, IV, 687)
records on 17th Sept. that "Letters from France say, that Mr. Pate,
who belonged to the play house here, and sung so fine, is committed to
the Bastile at Paris for killing a man, and that he is condemned to be
broke on the wheel."
1) Rosicus Anglicanus (1708), p. 42.
2) The title-pages are given in full in the Purcell Society's Edition (1903).
3) Dr. Cummings (Purcell. Great Musicians Series, 1881 p. 63,1 states that Reading
and Pate were reinstated in their previous appointments, and the latter sang in 1699
in Motteux's 'Island Princess'.
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 525
The Fatal Marriage.
Thomas Southerners 'Fatal Marriage' must have been produced at
the beginning of 1693—4. It is mentioned by Motteux in the 'Gentle-
man's Journal' for March of that year as a 'new play, kindly received',
and its publication was advertized in the London Gazette for 19 — 22 March,
1693—4.
The title-page of the first edition is as follows:
"The Fatal Marriage | or, The | Innocent Adultery, | A | Play, | Acted
at the | Theatre Eoyal, | By | Their Majesties Servants. I Written by Tho.
Southerne. | Pettex ego facta mariti. — Ovid. | London, | Printed for
Jacob Tonson at the Judges Head near | the Inner-Temple- Gate in Fleet-
street, 1694". |
The cast was a remarkable one, including Kynaston (Count Baldwin),
Williams (Biron), Powell (Carlos), Betterton (Villeroy), Verbruggen (Fre-
derick), Dogget (Fernando), M. Lee (Fabian), Bowen (Jacqueline), Under-
bill (Sampson), Harris (Bellford), Freeman (Pedro), Mrs. Barry (Isabella),
Mrs. Knight (Julia), Mrs. Bracegirdle (Victoria) and Mrs. Lee (Nurse).
There are two songs in the play, both of which were set by Purcell,
whose name is given in the printed book as well as those of the singers.
Both occur in Act III. The first is 'The Danger is over, the battle is
past' 'A Song set by Mr. Purcel, and Sung by Mrs. Hudson;' the second,
I sigh and own'd my dear' is introduced in "An Entertainment of
Dancing; after which a Song sent by an unknown hand, set by Mr.
Henry Purcel, and Sung by Mrs. AylifiV The former was printed by
Motteux in the 'Gentleman's Journal' for March, 1693 — 4 and also occurs
in 'Joyful Cuckoldom'; the latter first appeared in Book HI of the-
saurus Musicus' and is included in Vol. I. of 'Orpheus Britannicus.'
The Female Vertuosos.
This play is an adaptation by Thomas Wright of Moliere's 'Les Fem-
mes Savantes.' It was produced in the spring of 1693, as is mentioned
by Motteux in the 'Gentleman's Journal' for May of that year ("We
have had since my last a new Comedy called, The Female Vertuosos").
The play is dedicated to the Earl of Winchelsea, and was printed with
the following title-page:
"The | Female Vertuoso's. | A | Comedy: | As it is Acted at the [
Queen's Theatre, | By Their Majesties Servants. | Written by | Mr. Thomm
Wright: | . . . | London, | Printed by J. Wilde, for R Vincent, in Clif-
fords-Imir \ lane, Fleet-street, 1693. "
The cast included Underhill (Sir Maurice Meanwell), Hodgson (Mean-
well), Bright (Sir Timothy Witless), Dogget (Witless), Bowman (Sir Maggot
Jingle), Powell (Clerimont;, Bowen (Trap), Haines (Bully), Mrs. Leigh
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526 W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music.
(Lady Meanwell), Mrs. Knight (Lovewitt), Mrs. Bracegirdle (Mariana),
Mrs. Mountfort (Catchat) and Mrs. Rogers (Lucy.)
There are two songs in the printed play.. In Act II Sir Maggot
sings a translation of Moli&re's *Si le roi m'avait donn£,' no setting of
which is known to me, and in Act V a song 'Love, thou art best of
human joys/ is introduced, apparently by some singers not in the cast.
A setting of this, for two voices, by Purcell, was printed in Book V of
'Comes Amori8: or the Companion of Love7 (1694) and again in Vol. I
of 'Orpheus Britannicus.' The words are by Anne, Countess of Winchel-
sea, and will be found in her 'Miscellany Poems, on Several Occasions.
Written by a Lady.' (1713.)
A Fool's Preferment
This is an alteration by D'Urfey of Fletcher's 'Noble Gentleman'. It
was produced before May 1688, and (according to a letter from Sir George
Etherege to the Duke of Buckingham, quoted in Baker's 'Biographia
Dramatica') was "solemnly interred to the tune of catcalls". The following
is the title-page of the first edition: k'A | Fool's Preferment, | or, The
Three Dukes of Dunstable. | A Comedy. | As it was Acted at the Queens
Theatre in | Dorset Garden, by Their Majesties Servants. | Written by
Mr. Uurfey. | Together, with all the Songs and Notes to 'em, | Ex-
cellently Compos'd by Mr. Henry Purcell 1688. | Licensed, May 21. 1688.
R. P. | ... | Printed for Jos. Knight, and Fra. Saunders at the Blue
Anchor | in the Loicer Walk of the New Exchange in the Strand, 1688. |*\
The songs have a separate title-page: "New | Songs | Sung in | The Fool's
Preferment, | or, The | Three Dukes of Dunstable. | In the Savoy : | Print-
ed by E. Jones, for Jos. Knight and Fran. Sawiders, | at the Blue Anchor
in the Loicer Walk of the | New Exchange in the Strand, 1688. ,". The
play is dedicated to Lord Morpeth, and the cast included Nokes (Cockel-
brain), Leigh (Justice Grub), Mountfort (Lyonel), Kynaston (Clermont),
Powell (Longovile), Bowman (Bewford), Jevon (Toby), Mrs. Bowtel (Aurelia^
and Mrs. Jordain (Celia). The printed songs with music comprise eight
numbers, but the words of five of these ('Fled is my love', 'Tis Death
alone', "I '11 sail upon the Dog-star', 'Jemmy gin you can love' and ;If
thou wilt give me back') are not in the printed version of the play. The
latter, on the other hand, contains two songs ('In yonder cowslip' and
'I '11 lay me down') for which no music is given. The songs seem all to
have been sung by William Mountfort, whose name is hardly remembered
as a vocalist, though his career as an actor, with its tragic termination,
is well known, and has been admirably summarized by Mr. Joseph Knight
in the Dictionary of National Biography 1). He seems also to have been
1) Vol. XXXIX. p. 211.
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W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music. 527
a composer, for a song by him in D'Urfey's 'Marriage-Hater Matched'
is printed in the sixth book of the 'Banquet of Musick' (1692).
The Gordian Knot Untied.
The author of this last play is unknown. It must have been per-
formed in 1691, as Motteux in the 'Gentleman's Journal' for January,
1691 — 2, refers to it as follows: "The Indian Emperor hath been reviv'd
and playd many times, and we are to have very suddenly a Tragedy
and a Comedy. You have often ask'd me, who was the author of that,
call'd The QorcUan Knot unty7d\ and wondred, with many more, why it
was never printed. I hear that Gentleman who writ lately a most ingenious
Dialogue concerning Women, now translated into French, is the Author
of that witty Play, and it is almost a Sin in him to keep It and his
Name from the World." In spite of these favourable comments, the play
was never printed, nor has its Author's name been discovered, though the
instrumental music written for it by Purcell has been preserved in the
'Ayres for the Theatre'. It would be interesting to know whether it was
the subject of the play which caused the composer to introduce 'Lilli-
burlero' as a ground-bass of the 'Jig' which forms one of the Act-Tunes.
Henry the Second.
This play was produced in 1692 and printed with the date 1693,
though its publication was advertized in the 'London Gazette' for Nov.
24—28, 1692. The title-page is as follows: "Henry the Second, J King
of England; | with the | Death of Rosamond. | A | Tragedy. | Acted at
the Theatre Royal, | By | Their Majesties Servants. | London: \ Printed for
Jacob Tonson, at the Judges Head in | Chancery Lane near Fleetstreet.
MDCXCIH. " No author's name is given, but the dedication to Sir
Thomas Cooke is signed by William Mountfort, and the work is in-
cluded, together with 'Edward the Third', in the collection of that actor's
plays published in 1720, with the comment that "tho' not wholly com-
posed by him, it is presum'd he had, at least, a share in fitting them
for the stage."
There is evidence that 'Edward the Third' was the work of John
Bancroft, a surgeon who made a present of it to Mountfort, and it is
generally stated that Bancroft was also author of Henry the Second.
In support of this view it has been assumed that the play was produced
after Mountfort's murder, which took place on Dec. 9, 1692, but this
is disproved by the fact that its production was noticed in Motteux's
'Gentleman's Journal' for the previous October. Neither Mountfort's
dedication, nor the Epilogue by Dryden gives any hint that the play was
not by the brilliant and unfortunate young actor.
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528 W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music.
The cast included Betterton (Henry II), Michael Lee (Prince Henry),
Anthony Leigh (Sir Thomas Vaughan), Sandford (Abbot), Kynaston
(Verulam), Hodgson (Sussex), Bridges (Aumerle), Dogget (Bertrand), Mrs.
Barry (Queen Eleanor), Mrs. Bracegirdle (Rosamond) and Mrs. Kent
(Attendant), The printed play contains no situations which seem to re-
quire music, though that some must have been introduced is evident owing
to the existence of a song, 'In vain' gainst Love I strove' which is print-
ed in Book IV of Heptinstall's, 'Comes Amoris' (1693), with the heading
"A New Song, Sung by Mrs. Dyer in the new Play call'd Henry the 2 d.
Composed by Mr. Purcell" The song also appears in 'Joyful CuckoldonT
and in Book I of 'Orpheus Britannicus'. In a manuscript collection in
the Royal College of Music Library there is a Hornpipe for strings by
Purcell entitled 'Horn Pipe K. Hr. 3rd Act'. This probably belongs to
the same play, though it is difficult to see how it was introduced except
as an Act-Tune.
The Indian Emperor.
This play is a sequel by Dry den to the 'Indian Queen', a tragedy
in which the poet had collaborated with Sir Robert Howard. The first
edition appeared in 1667, and it was reprinted in 1668, 1670, 1686, 1692
and 1700. These dates may probably be taken, as in the case of 'Abdel-
azer', as representing various revivals, but in none of the editions I have
examined is any cast given. The play contains only two songs. One,
'I look'd and saw within the book of Fate' in Act U is sung by Kalib,
a female spirit, the other, 'Ah, fading joy, how quickly art thou gone',
is sung by an Indian woman in Act IV. There is also a stage direction
for a Saraband with castagnets, danced by two Spaniards. The only
vocal setting of the first song that appears to be extant is by Purcell,
and was first printed in the sixth book of 'The Banquet of Music', which
wTas licensed on 17 Feb. 1791—2. This date agrees with the statement
in the 'Gentleman's Journal' for Jan. 1691 — 2: fc-The Indian Emperor
hath been reviv'd and play'd many times", and it therefore seems safe
to conclude that Purcell's music was written for a revival in 1691. Of
the second song the only setting that I know is one (as a song with
three-part chorus) by Pelham Humphrey, which appeared for the first
time in the 1675 edition of Playford's 'Choice Ayres, Songs and Dialogues'.
Of the Saraband I have discovered no trace.
The Indian Queen.
This tragedy, the work of Sir Robert Howard and of Dryden, was
originally produced in 1664. Its performance is noticed by Pepys on
27 Jan. and 10 Feb. and by Evelyn on 5 Feb. The fashion of turning
plays into so-called 'Operas', of which 'Dioclesian' and 'The Fairy Queen'
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 529
are notable examples, seems to have drawn the attention of some ano-
nymous adapter to the 'Indian Queen'. When this was done it is not
possible to say exactly, for the operatic version was never printed nor is
its production chronicled by Downes or Langbaine, and still less by Baker
or Genest, and it would hardly have been known except for the publi-
cation in 1695 of Purcell's 'Songs in the Indian Queen as it is now
Compos'd into an opera', of which more anon. Bimbault seems to have
been the first to give a date to this production, and he fixed on 1692,
in which he has been followed by later biographers of Purcell, regardless
of the fact that if the adaptation had appeared in this year it would
almost certainly have been noticed in Motteux's 'Gentleman's Journal'.
Rimbault's reason for choosing this year is not apparent, unless it was
because the original tragedy was then reprinted, which may be taken as
evidence of a revival of the play. Bimbault does not, however, seem
to have been aware of the existence of a very important manuscript, now
in the British Museum (Ad. MS. 31,449), which not only contains the
words of the operatic version, but also the whole of the music, partly
in Purceirs autograph, with the names of the principal actors. The cast,
by the absence of the names of any of the actors who seceded with
Betterton to Lincoln's Inn Fields in April, 1695, points conclusively to
the production having taken place at the Theatre Royal after that event,
and if this is the case the 'Indian Queen' must have been one of Purcell's
very latest compositions. It is remarkable that the composer did not set
the Masque of Hymen with which the work ends. The music to this is by
his brother, Daniel Purcell, and as Henry Purcell died in November 1695,
it is not improbable that he was prevented by illness from finishing the
opera and that the task was completed by his brother. The year 1695
would also agree with the publication of the songs, which were issued
with the following title-page: "The | Songs | in the | Indian Queen: | As
it is now Compos'd into an | Opera. | By Mr. Henry Purcell, | Composer
in Ordinary to his Majesty. | And one of the Organists of His Majesty's
Chapel-Royal. | London, | Printed by J. HeptinstaU; and are to be Sold
by John May, at his Shop under St. Dunstan's Church: And for John
Hudgbutt at Tho. Bring 's, Bookseller, at the | Harrow at ClifforcTs-lane-
end in JFleetstreet. 1695. |"
This volume contains an advertisement, or dedication, by the publishers
which is so extraordinary that it must be given in full, if only as a
unique specimen of a bare-faced avowal of piracy. It is as follows:
"The Publishers, to Mr. Henry Purcell.
Sir,
Having had the good fortune to meet with the Score or Original Draught
of your Incomparable Essay of Musick compos'd for the Play, call'd The
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530 W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music.
Indian Queen, It soon appear' d that we had found a Jewel of very great
Value; on which account we were unwilling that so rich a Treasure should
any longer lie bury'd in Oblivion; and that the Common- wealth of Musick
should be deprived of so considerable a Benefit. Indeed we well knew your
innate Modesty to be such, as not to be easily prevail'd upon to set forth
any thing in Print, much less to Patronize your own Worke, although in
some respects Inimitable. But in regard that (the Press being now open)
any one might print an imperfect Copy of these admirable Songs, or publish
them in the nature of a Common Ballad, We were so much the more em-
boldned to make this Attempt, even without acquainting you with our Design ;
not doubting but your accumstom'd Candor and Generosity will induce you
to pardon this Presumption : As for our parts, if you shall think fit to con-
descend so far, we shall always endeavour to approve our selves,
Your obedient Servants,
J. MAY
J. HUDGEBUTT."
The exact date of this publication is not known, as it was not ad-
vertized in either the 'London Gazette' or 'The Post-Boy'.
The cast — as given in the Museum MS. — was as follows: The
Incaof Peru — Mills; Montezuma — Powell; Acacis — Harland; Garrucca-
\> Disney; the God of Dreams — Leveridge; Ameria— (left blank); Zempoalla —
Mrs. Knight and Orazia — Mrs. Rogers. From the printed songs we obtain
the further information that in the Prologue the Indian Boy was sung
by Freeman and Quivera (the Indian Girl) by 4the Boy'; that Fame (in
Act II) was sung by Freeman; in Act III the duet 'Ah, how happy are
we' by Freeman and Church, and the song 'I attempt from love's sick-
ness to fly' by Mrs. Cross, and that the last named artist also sang 'They
tell us that yon mighty powers' in Act IV. The conjurer's song 'You
twice ten hundred deities' appeared also in Book IV of 'Deliciae Musicae'
(1696) and with several of the other songs was included in 'Orpheus Bri-
tannicus'. The songs from Daniel PurcelFs share of 'The Indian Queen',
(the Masque of Hymen at the end of Act V) were printed in the scarce
'First Book of the Second Volume' of 'Deliciae Musicae', the title-page
of which states that it contains "The Additional Musick to the Indian
Queen, by Mr. Daniel Puree!!, as it is now Acted at His Majesties
Theatre1. This book appeared at the beginning of 1695 — 6: its publi-
cation is advertized in the 'Post Boy' for Feb. 29 — March 3 of that year.
King Arthur.
The history of Purcell's 'King Arthur' has been so fully related
by Professor Taylor, in the preface to the edition of the work which
was printed by the Musical Antiquarian Society, that I do not propose
to go into it as minutely as has been done with. the rest of PurcelFs
work for the theatre. Since Professor Taylor's edition was given to the
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 531
world, the opera has been edited by Mr. G. E. P. Arkwright, Mr. Fuller
Maitland and Mr, Cummings, but so far no absolutely complete copy of
the original score has come to light, and all these editions contain a
good deal, in the arrangement of the fragments gathered together from
various sources, which must be regarded as conjectural. According to
Roger North1) the work, like the 'Fairy Queen', was 'unfortunately lost',
and it can only be hoped that some lucky searcher will recover the
original score and enable some future edition to supply what is still
missing and give us a complete and authoritative edition of what has
always been regarded as Purcell's dramatic master-piece. For the present
it must be enough to say that the book was written by Dryden, and was
produced at the Queen's, or Dorset Garden Theatre, in 1691 2), the dances
(as Downes informs us) being arranged by Josiah Priest. From the same
source we know that "the Play and Musick pleas'd the Court and City;
and being well performed 'twas very gainful to the Company'', though
according to Cibber the success of this work and ;Dioclesian' (which
preceded it) was more apparent than real, and the receipts did not suffice
to keep the management out of debt, while the fact that everything was
sacrificed to spectacle, and the regular actors were stinted in order to
pay and dress the singers and dancers, evidently gave rise to a good
deal of discontent. The book of 'King Arthur' was published in the
year of its production, with the following title-page : "King Arthur : | or, |
The British Worthy. | A Dramatick | Opera. | Perform'd at the Queens
Theatre | By Their Majesties Servants. | Written by Mr. Dryden. \ Hie
alia Theatric — Fundamenta locant: Scenis decora alta futuris. Virg,
iEneid. 1. | Purpurea intexti tottunt aulcea Britanni. Georg. 3. 10. |
Tanimi placuit coneurrere motu. ^Eneid. 11. | Jupiter ceternd Genteis in
pace futuras? \ Et celebrare Domestica facta. Hor. | London, Printed for
Jacob Tonson, at the Judges-Head | in Chance?*y-Lane near Fleetstreet,
1691. ,"
The original cast comprised Betterton (King Arthur), Williams
(Oswald), Hodgson (Conon), Kynaston (Merlin), Sandford (Osmond)
Alexander (Aurelius), Bowen (Albanact), Harris (Guillamar), Mrs. Brace-
girdle (Emmeline), Mrs. Bichardson (Matilda), Mrs. Butler (Philidel) and
Mrs. Bowman (Grimbald). The names of the various singers are not
given, either in Tonson's edition of the play or in the various con-
temporary musical collections ('Orpheus Britannicus', 'Deliciae Musicae',
'Thesaurus Musicus' &c.) which contain fragments of the music. Of the
actors recorded in the cast Mrs. Butler, as Philidel, had the most im-
portant singing part. Her name has already been mentioned in connec-
1) Memoirs of Musick, ed. Bimbault, 1846, p. 116.
2) Its publication is advertized in the 'London Gazette' for 4—8 June, 1691.
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532 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
tion with 'Amphitryon', 'Cleomenes', and 'Dioclesian', but all that is
known of her is the statement of Cibber1) that "Mrs. Butler, who had
her Christian name of Charlotte given her by King Charles, was
the Daughter of a decay'd Knight, and had the Honour of that Prince's
Recommendation to the Theatre. She prov'd not only a good Actress,
but was allow'd in those Days to sing and dance to great Perfection.
In the Dramatick Operas of Dioclesian and that of King Arthur, she
was a capital and admired Performer. In speaking, too, she had a
sweet-ton' d Voice, which, with her naturally genteel Air and sensible
Pronunciation, render'd her wholly Mistress of the Amiable in many
serious Characters". According to Downes she entered the Duke's com-
pany about 1673. Cibber says that her salary in London was only 40
a week and that being refused 50/ she accepted an engagement at
Dublin in 1692.
King Richard the Second.
This play was an alteration from Shakespeare by Nahum Tate. In
order to minimize the political allusions which the censorship found in
it, it was played in 1681 as '•The Sicilian Usurper'', but in spite of the
alterations, the performances were stopped after the second night. It
was published with the following title-page: ,4The | History | of | King
Richard | The Second | Acted at the Theatre Royal, | Under the Name
of the | Sicilian Usurper. | With a Prefatory Epistle in Vindication of
the | Author. | Occasion' d by the Prohibition of this J Play on the Stage.
By N. Tate. | Inultus ut Flebo Puer? Hor. | London, | Printed for
Richard Tonson, and Jacob Tonson, \ at Grays-Inn Gate, and at the
Judges-Head | in Chancery-Lane near Fleet-street, 1681".
No names of performers are given in the Dramatis Personae, but
the Epilogue was spoken by a Mrs. Cook. The play contains two songs:
'Love's delights were past expressing' (sung in Act HI) and 'Retir'd
from any mortal's sight', in the Prison scene in Act IV. Of the former
I have not succeeded in finding any setting, but the latter, with music
by Purcell, occurs in the Fourth Book of Playford's 'Choice Ayres and
Songs to sing to the Theorbo-Lute or Bass- Viol: Being most of the
Newest Ayrs and Songs sung at Court and at the Publick Theatres.
Composed by several Gentlemen of His Majesty's Musick and others"
(1683). There is nothing to show in this publication whether Purceirs
setting was sung at the original production of the play or whether he
merely set the words as 'a single song'. If the former was the case it
must have been one of the earliest occasions upon which he was connected
with the Theatre.
1) 'Apology1 ;Ed. Lowei I. p. 163.
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 533
The Knight of Malta.
The only fragment of Purcell's music connected with this play of
Beaumont and Fletcher is the three-part catch, 'At the close of the
evening'. The words of this do not occur in any extant edition of the
play, but it is safe to assume that they were introduced in the opening
scene of Act III, instead of the original 'Song by the Watch'. Dr.
Rimbault, Dr. Cummings and Mr. Husk all give 1695 as the date of
this composition, but it must have been written earlier, as it was first
printed in 1691, in the Third Book of "Vinculum Societatis, or the Tie
of good Company *, where it is simply described as 'A Catch in Three
parts by Mr. Hem~y Purcell\ nothing being said as to any connexion
with the 'Knight of Malta'. In the Fourth Edition of the Second Book
of Playford?s 'Pleasant Musical Companion .... Corrected and much
enlarged', which appeared in 1701, it is, however, given as 'A Catch in
the Play of the Knight of Malta'. The Second Edition of this collec-
tion, which was issued in 1686, does not contain it. I have not suc-
ceeded in finding a copy of the Third Edition, but I suspect that it is in
this issue and that the year of publication was 1695, which gave Rimbault
the date he has fixed for the composition. It must, however, have been
written before 1691, and probably after 1686, though I can find no
trace of the play's having been revived then or later.
The Libertine.
It has always seemed one of the strangest statements in the bio-
graphies of Purcell that he should have written music to Shadwell's play
of 'The Libertine' in 1676, when he was only a boy of 18. Apart from
the extreme unlikelihood of his being employed at the theatre at so
young an age, the music, containing as it does such numbers as 'Nymphs
and Shepherds', 'In these delightful fragrant groves' and the chorus of
devils, 'Prepare, new guests draw near', is marked by such maturity and
dramatic power that ipso facto it seemed almost impossible to have
been the production of one who was still hardly out of his apprenticeship.
A close examination of the evidence upon which the date 1676 rests
shows, however, that here, as in the case of 'Abdelazer' and other
supposed youthful works, there is reason to believe that the music to
'The Libertine' belongs, as a matter of fact, to the composer's ripest
period.
Shadwell's play, which is a version of the immortal 'Don Juan'
legend, was produced at Dorset Garden and printed in 1676. According
to the 'Biographia Dramatica' it was reprinted in 1692, but no copy of
this is in the British Museum. To judge, however, by a later edition
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534 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
(1697), which agrees with that of 1676, no alterations in the play were
made. The music required in the various acts is as follows:
Act I. 1) A Song, 'Thou joy of all our hearts'. A setting of this
is said to occur in 4The Wit's Academy', a work published in 1677,
which I have not been able to find. But the song is given, with music
by Dr. William Turner, in the collection called 'New Ayres and Dialogues
composed for Voices and Viols', which appeared in 1678, and also in
Book II of Playford's 'Choice Ayres and Songs' (1679).
2) 'When you dispense your influence'. This song, also with Turners
music, but with the words altered to 'Cloris, when you dispense', &c,
occurs also in both the last named collections.
Act II. 'Since Liberty Nature for all has designed'. No setting of
this seems to have survived.
Act III. 'Woman who is by nature wild'. I have not succeeded
in finding any setting of this song.
Act IV. In this Act there is a long scene of rustic merrymaking,
in which both 'Nymphs and Shepherds' and 'In these delightful fragrant
groves' occur. The earliest extant musical versions of these seem to be
in the second edition of Book I of 'Orpheus Britannicus' (1706), in both
cases entitled 'A single Song in the Libertine'.
Act V. The 'Song of Devils', 'Prepare, new guests draw near' does
not exist in any contemporary printed setting, but Purcell's remarkable
music to the scene is found in various MSS. The short instrumental
introduction with which it opens was used by the composer for the Funeral
Procession of Queen Mary, and has been printed in this form in the
Quarterly of the International Musical Society for Jan. — March, 1903.
In addition to this music there exists a song which is explicitly stated
to have been sung in the play, although it is difficult to see where it
can have been introduced. This occurs first in Book II of 'Deliciae
Musicae' (1695) where it is headed 'The Trumpet Song, Sung by the
Boy in the (Libertine destroy'd). Set by Mr. Henry PurcelT. The
words are as follows: —
"To arms, heroick prince,
Glory, like love, has pow'rfull charms,
Let glory now thy soul ingross
And recompense its rival's loss.
Bid trumpets sound, and nothing name
But battles, conquests, triumph, fame."
This song was included in the second volume of 'Orpheus Britannicus',
with the same heading, except that, instead of 'the Boy', the name of
Mr. Bowen is given as the singer. This gives us an important clue to the date
,Libertine' music. It has already been stated that Jemmy Bowen sang of Pur-
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W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music. 535
cell's as 'the Boy' in'Abdelazer' in 1695 and probably was the same boy whose
name occurs among the singers in the Birthday Ode for Queen Mary,
'Celebrate this Festival', in 1692, while in 1695 he is called 'young Bowen'
— most likely to distinguish him from the actor of the same name, who
may have been his father. Now if Jemmy Bowen was singing with a
boy's voice in 1695 it is impossible that he could have sung at the pro-
duction of 'The Libertine' in 1676, and the introduction of the Trumpet
Song must, therefore, refer to some unrecorded revival of the play.
Moreover, in a copy of the 'Biographia Dramatica' in the British Museum,
there is a manuscript note by Thomas Oliphant — whose knowledge of
the music of this period was remarkably accurate — to the effect that
'a musical masque by H. Purcell was added in 1692' to 'The Libertine'.
What Oliphant's authority for this statement was I have not been able
to discover, but the date coincides with the issue of a reprint of the
play, which may generally be taken as evidence of a revival at the theatre.
From the publication of the song in 'Deliciae Musicae' in 1695, one
might be tempted to conclude that a revival of 'The Libertine' had taken
place in that or in the preceding year, but the evidence of the printed
edition of the play certainly supports Oliphant's statement that 1692 is
the real date of Purcell's music. In either case it is probable that he
wrote music to supply what was either lost or unsuitable in the earlier
setting of which Turner's songs formed part.
Love Triumphant.
'Love Triumphant' was Dryden's last dramatic work, and after its
failure he ceased writing for the theatre. It is a particularly unpleasant
play, and was received by the public according to its merits, being "damn-
ed by the universal cry of the town". Genest places the date of its
production in 1693, on the strength of Malone's statement that it follow-
ed Congreve's 'Double Dealer', which was produced in November, but
it seems more probable that it appeared early in 1694, as the first edition
is advertized in the London Gazette for 12—15 March 1693 — 4. Malone1)
also prints an anonymous letter dated 22 March, in which the writer
gives an account of "Our Winter diversions" and chuckles over the failure
which met both 'The Double Dealer' and 'Love Triumphant', which,
combined with the success of Southerne's 'Fatal Marriage' the writer
says will "encourage desponding minor poets, and vex huffing Dryden
and Congreve to madness". In the Jan. -Feb. number of the 'Gentleman's
Journal' Motteux says "I can tell you no news of LLove Triumphant . . .
since that Play has been printed long enough to have reached your hands
i; 'Historical Account of the English Stage' in Vol. I. Pt. II. of Malone's 1790
edition of Shakespeare.
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536 W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music.
before this", but an advertisement in the London Gazette for 5—8 March,
1693—4, shows that this,' like other numbers of the Journal, was not
issued until some time after the date it bears. The title-page of the
original edition is as follows: "Love Triumphant; | or, | Nature will Pre-
fail. | A | Tragi -Comedy | At it is Acted at the | Theatre Royal, | By
Their Majesties Servants, j Quod optanti Divum promittere nemo \ Aud-
eret, volvenda dies, en, attvlit vitro. Virg. | Written by Mr. Drydm. |
London, | Printed for Jacob Tonson, at the Judges Head near | the
Inner-Temple- Gate in Fleet-street 1694." |
The cast included Kynaston (Veramond), Betterton (Alphonso), Williams
(Garcia), Alexander (Ramirez), Dogget (Sancho), Powell (Carlosl, Under-
bill (Lopez), Mrs. Betterton (Ximena), Mrs. Barry (Victoria), Mrs. Brace-
girdle (Celidea), Mrs. Mountfort (Dalinda), and Mrs. Kent (the Nurse).
The music consists of three songs and a dance, but only the songs
seem to have been preserved. They are: —
(1) 4A Song of Jealousie' — 'What state of life can be so blest', — in
Act III., which was set by John Eccles and sung by Mrs. Hudson.
It is printed in Book II of 'Thesaurus Musicus' (1694).
(2) A Song, 'How happy's the husband', the words of which are by
Congreve and the music by Purcell. It is printed in Book II of 'Thesaurus
Musicus', where it is entitled 'A Song in the last new Play call'd Love
Triumphant, &c. Set by Mr. H. Purcell, and sung by Mrs. AyUff.
The melody appears with a similar heading in 'Joyful Cuckoldom'.
(3) A 'Song for a Girl' (also in Act V) 'Young I am, and yet un-
skill'd'. The music to this is also by Eccles, and is printed in the
'Gentleman's Journal' for Jan. — Feb. 1693 — 4.
The Maid's last Prayer.
This play was brought out at the beginning of 1693, and its pub-
lication 'this day' is advertized in the London Gazette for 6—9 March,
1692—3. The title-page of the original edition is as follows: "The | Maid's
last Prayer: | or, | Any, | Rather than Fail. | A Comedy. | As it is
Acted at the | Theatre Royal, | By Their Majesties Servants. | Written
by Tho. Southern*. \ Valeat res ludiera, si me \ Palma negata, macrum;
donata reducit opimum. \ Hor. Epist. 1. lib. 2. | London, | Printed for
R. Bentey, in Russel-street in Covent Garden, and J. Tonson at the
Judges-Head in Clianeery Lane. 1693." |
The cast comprised Powell (Granger), Bowman (Gayman), Alexander
(Garnish), Dogget (Lord Malepert), Blight (Sir Ruff Rencounter), Bowen,
(Sir Symphony], Underhill (Capt. Drydrubb), Pinkethman (Porter to Sir
Symphony's Musick Meeting), Mrs. Barry (Lady Malepert), Mrs. Brace-
girdle (Lady Trickett), Mrs. Mountfort (Lady Susan Malepert), Mrs.
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 537
Rogers (Maria), Mrs. Betterton (Wishwell). Mrs. Leigh (Siam), Mrs.
Kent (Florence), Mrs. Rachel Lee (Judy), Mrs. Perin (Christian) and
Betty Allinson — a child — (Jano, a black page). The play is inter-
esting as a record of contemporary manners and especially for a scene
representing a 'Musick Meeting' at the house of Sir Symphony, a fana-
tico per la mitsica. In Act III there occurs a Song 'Prithee, my dear,
do not be so peevish', the words of which were apparently read. The
Concert Scene contains two songs. The first, "Tho* you make no return
for my passion' is entitled 'A Song set by Mr. H. Purcell and sung by
Mrs. Hodgson". It is printed with the music in Book I of 'Thesaurus
Musicus' (1693), where the singer is stated to have been Mrs. Dyer; it
also occurs (without any singer's name) in the 'Gentleman's Journal' for
Jan. 1692 — 3. The second song 'No, no, resistance is but vain' is headed
'A Song, written by Anthony Henley Esquire, Set by Mr. Purcell and
sung by Mrs. Ayliff, and Mrs. Hodgson'. It was printed in Book I of
'Deliciae Musicae' (1695) and again in 'Orpheus Britannicus'. In the
last Act there occurs another song, 'Tell me no more I am deceiv'd,
entitled 'A Song, written by Mr. Congreve, Set by Mr. Purcell, and
Sung by Mrs. AylifF. This is given in the January number of the
'Gentleman's Journal' (1692 — 3) and in Book I of 'Thesaurus Musicus'
as 'The 2d Song in the Maids last Prayer, Sung by Mrs. Ayliff.
The Marriage-Hater Matched.
This comedy of D'Urfey's, one of his best works, was produced at
the beginning of 1692. It is mentioned by Motteux in the 'Gentleman's
Journal' for Jan.-Feb. 1691—2 as follows: "I send you the Marriage-
Hater Match' d, a new Comedy by Mr. Durfey; it hath met with very
good success, having been plaid six days together, and is a diverting
Play." The first edition has the following title-page: ttThe | Marriage-
Hater | Match'd: | A | Comedy. | Acted at the | Theatre Royal | By Their |
Majesties Servants. | Written by Tho. D'Urfey, Gent. | London, | Printed
for Richard Parker, at the Unicorn under the Royal \ Exchange; and
Sam. Briscoe, over against WilVs Coffee \ House in Covent- Garden. 1692. |"
The cast was a very long one. It included Bowman (Lord Brainless),
Mountfort (Sir Philip Freewit), Sandford (Sir Lawrence Limber), Hodson
(Captain Darewell), Leigh (Myen Heer van Grin), Bright (Bias), Dogget
(Solon), Bowen (Callow), Trefuse (Mac Buffle), Smeaton (Thummum),
Colley Cibber (Splutter), Mrs. Barry (Lady Subtle), Mrs. Cory (Lady
Bumfiddle), Mrs. Bracegirdle (Phoebe), Mrs. Lascelles (Berenice), Mrs.
Butler (La Pupsey) and Mrs. Lawson (Margery). In Act U there is a
stage direction for an Italian song, but no words are given. In the same
Act is a song 'How vile are the sordid intrigues of the town', which is
8. d. I M. v. 35
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538 W. Barclay Squire, Parcell's Dramatic Music.
printed in Book IV of 'Comes Amoris' (1693) as "The Words made (and
Set) by Mr. Durfey". A version of this also occurs in 'Joyful Cuckol-
dom' as 'The Disconsolate Lady's Complaint', with PurcelTs name as
composer, but it seems more probable that the music was really by
D'Urfey. A third song in this Act 'Tantivee, high and low', is given (words
only) in Vol. EI of the second edition (1707) of D'Urfey's 'Pills', where
it is stated to have been 'Writ by Mr. D'urfey and sung by Mr. Doggett',
who, according to Downes, 'performed the part of Solon inimitably'. I
have not found the music of this song. In Act HI there are two songs,
both of which are printed in the sixth book of 'The Banquet of Musick'
(Licensed 17. Feb. 1691—2;. The first of these, 'Great Jove once made
love like a bull' 'The Song of Monsieur le Chien\ was set by Mount-
fort; the second, 'A Scotch Song', 'Bony Lad, prithee lay thy pipe', was
set by Thomas Toilet. In Act IV there is Dialogue between Solon and
Berenice, 'Damon if I should receive your addresses', the music of which
does not seem to have survived. Lastly, in Act V there is a Song in
Two Parts 'As soon as the chaos', which is printed, without names of
singers or any indication that it is from the play, in the first book of
'Orpheus Britannicns'. Setting aside the very doubtful 'How vile are the
sordid intrigues of the town', this seems to have been PurcelTs sole con-
tribution to the music of the comedy.
The Married Beau.
The first edition of this comedy, by J. Crowne, was advertized in the
London Gazette for June 14 — 18 1694. Its production must have taken
place earlier in the year, as Motteux refers to it (in the 'Gentleman's
Journal' for May) as 'new since my last'. The title-page is as follows
uThe | Married Beau: | or, The | Curious Impertinent, | A | Comedy: |
Acted at the Theatre Royal, | By Their Majesties Servants. | Written by
Mr, Crowne, \ London : | Printed for Richard Bmtley, at the Post-House
in Russd- Street in Covent- Garden. 1694." | No cast is given with
the Dramatis Personae, but we learn from the Epilogue that Dogget
acted the part of Thorneback. An overture and eight act-tunes written
by Purcell for this play are printed in 'Ayres for the Theatre' and be-
sides this there occur two songs. The first of these, in Act H, 'Oh, fie !
what mean I, foolish maid', was set by John Eccles; the words and voice
part are printed (without composer's name) in the 1699 edition of Vol. I
of D'Urfey's "Pills", and more fully in J. Eccles' "Collection of Songs",
where it is stated to have been sung by Dogget. The second song is
'See where repenting Celia lies', which first appeared in Book HI of
'Thesaurus Musicus' (1695) 'set by Mr. H. Purcett, Sung by Mrs. AyUfff
and was afterwards included in Book I of 'Orpheus Britannicus'.
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 539
The Massacre of Paris.
This play, though an early work of its author, Nat. Lee, was not
produced until 1690. It was published in the same year, but I have
not succeeded in tracing the date, as the publication was apparently not
advertized. The title-page is as follows: "The | Massacre | of Paris: | A
Tragedy. | As it is Acted at the | Theatre Eoyal | By Their | Majesties
Servants. | Written by Nat. Lee, Gent. | London, \ Printed for R. Bentley
and M. Magnes at the Post-House | in Bussd-street in Covent- Garden,
1690.|"
The cast comprised Mountfort (Charles IX), Williams (Guise) Ky-
naston (Cardinal of Lorraine), Pruet (Anjou), Harris (Gondi), Bowen
(Lignoroles), Betterton (Admiral), Freeman (Cavagnes), Alexander (Langoi-
ran), Bowman (Genius), Jorden (Antramont), Mrs. Betterton (the Queen
Mother), Mrs. Barry (Marguerite), and Mrs. Knight (the Queen of Na-
varre). There are no stage directions as to any music, but it appears
from 'Orpheus Britannicus' that the five lines allotted to the Genius,
beginning "Thy Genius lo! from his sweet bed of rest" were usung in
the Play call'd, 'The Massacre of Paris'." No singer's name is given
in 'Orpheus Britannicus' (in which PurceH's setting of the scene first
appeared) but the music is written for a bass voice and it appears from
the cast that the singer was Bowman. It is a singular fact, attention
to which has never been previously drawn, that there exists a second
and entirely different setting, also by Purcell, written for a soprano.
This occurs in an early edition engraved by Cross, from which it seems
that the singer was 'the Bo/, i. e. Jemmy Bowen. This setting must
have been written for a revival in which young Bowen took the part filled
by Bowman at the original production.
The Mock Marriage.
This play, by an obscure dramatist named Thomas Scott, called by
GUdon1) 'a young fellow of the Town, a Retainer, and kind of Pensio-
ner to the Stage', was first played at the Dorset Garden Theatre in the
autumn of 1695. Its recent production is referred to in a letter2) from
John Dennis, the critic, to Walter Moyle, dated 26 Oct. 1695, and its
publication was advertized in the London Gazette for 10 — 14 of the
same month and year. The title-page is as follows: "The | Mock-Mar-
riage. | A | Comedy, | Acted | At the Theatre in Dorset \ Garden, | By
His Majesty's Servants. | Written by Mr. Scott. \ Et Augusto recitantes
mense Poetas. | Juv. Sat. 3. | London, | Printed for H. Rhodes, in Fleet-
street; J.Harris, in the Poidtry; and S. Briscoe, in Bussd-street, the Corner
1) 'A Comparison between the Two Stages'. 1702. p. 28.
2) Dennis, 'Letters upon Several Occasions1. 1696.
35*
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V
540 "W". Barclay Squire, PurcelVs Dramatic Music.
of | Charles-street, Covent-Qarden. 1696. | Advertisement She Ventures,
and He Wins: A New Comedy. Written by | a Young Lady. ;r
The play was a failure, though the author says in his preface that
it was not designed for the stage, and succeeded above his expectations.
The lengthy cast included Disney iLord Goodland), Horden (Fairly), Pow-
ell (Willmot), Verbruggen (Belfonti, Johnson (Sir Simon Barber), Lee
(Sir Arthur Stately), Bullock (Landlady), Mrs. Knight (Lady Barter,,
Mrs. Rogers (Marina), Mrs. Verbruggen (Clarinda), Mrs. Finch (Flavia),
Mrs. Newman (Betty), Mrs. Clark (Alice), Mrs. Powell (Quaker), and
Mrs. Urwin (Daughter). In Act II there occurs a song, uO how you
protest and solemnly lye', which was sung by Mrs. Knight. It was print-
ed in Book HE of 'Deliciae Musicae' (1696) with no composer's name,
but in an early 18th MS. in the Music School Collection at Oxford
(Bodl. MS. 26896) it is described as 'set by Mr. Henry PurcelT. In
the following Act there is also a song *Twas within a Furlong of Edin-
burgh Town', the words of which are by D'Urfey. The music of this
is also printed (without heading, name of composer or singer) in 'Deli-
ciae Musicae' and the words are in 'Pills to Purge Melancholy' and other
similar collections. A single sheet edition of it, however, which is pro-
bably nearly contemporary with the production of the play, entitles it
UA Scotch Song, Sung by the Girl, in the Mock Marriage, set by
Mr. Henry Purcell, and sold at most Musick Shops in town". 'The Girl'
was probably Miss Cross. Besides these two songs, the composition of
which can only be doubtfully ascribed to Purcell, in the fourth Act there
occurs 'A Roundelau by Mr. Motteux' beginning "Man is for the wo-
man made". The music of this, 'Sung by Miss Cross. Set by Mr. Hen-
ry PurcelT is in 'Deliciae Musicae' (Book HI), immediately following the
other two songs. It may be mentioned that the Prologue was spoken
by Miss Cross and the Epilogue by Mrs. Knight.
Oedipus.
This tragedy, the joint work of Dryden and Lee, was first played
early in the season of 1678. Downes says that the first two Acts were
by Dryden and the rest by Lee, but in a copy of the second (1682) edi-
tion preserved in the British Museum, which belonged in 1684 to one
H. Jefferson, a manuscript note by the owner states that the first and
third acts were written by Dryden and the other three by his collaborator.
Moreover, Dryden himself, in the 'Vindication of the Duke of Guise'
(1683) says: UI writ the first and third acts of 'Oedipus' and drew the
scenery of the whole play". The title-page of the first edition is as
follows: "Oedipus | A | Tragedy. | As it is Acted at His | Royal Highness)
the Duke's Theatre. | The Authors | Mr. Dryden, and Mr. Lee. \ Hi pro-
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 541
prium decus dkpartum indignantur honorem \ Ni teneant — Virgil. | Vos
exemplaria Graeca, \ Nocturna versate manu, versaie diurna. Horat. | Li-
cenced, Jan. 3. 1678/9. Roger V Estrange. \ London, | Printed for
R. Bentley and M. Magnes in Russelrstreet | in Covent Garden. 1679. •"
The cast comprised Betterton (Oedipus), Smith (Adrastus), Samford
(Creon), Harris (Tiresias), Crosby (Hoemon), Williams (Alcander and Ghost
of Laius), Norris (Diodes), Bowman (Pyracmon), Gillo (Phorbas), Mrs.
Betterton (Jocasta), Mrs. Lee (Eurydice) and Mrs. Evans (Mareto). Later
editions of the work (probably representing revivals of the play) are dat-
ed 1682, 1687, 1692, 1696, &c. They are in nearly every respect re-
prints of the first edition, with the omission of the License and the name
of Magnes from the publishers' firm and the addition of the number of
the edition. The work requires a good deal of music. In Act I the
curtain rises 'to a plaintive tune'; in Act II there is a Song to Apollo,
'Phoebus, God Beloved of men' and in Act HE there is an important
Incantation scene, which is directed 'to be set through'. Of the latter
a complete setting by Purcell exists, and a song from it, 'Hear ye sullen
Pow'rs' was first printed in the second book of 'Orpheus Britannicus'.
No setting seems to exist of the song in Act H and no trace of any
music by any other composer than Purcell. From this it might be con-
cluded that the music of the Incantation Scene which has survived was
written for the original production. But against this must be set Downes'
statement (so far as it is worth) that 'Theodosius' — produced in 1680
— was the first play for which Purcell wrote music, and also the pas-
sage in Dryden's preface to 'Amphitryon7 to the effect that in Purcell
uwe have at length found an Englishman equal with the best abroad. . .
At least, my opinion of him has been such, since his happy and judi-
cious performances in the late opera [Dioclesian], and the experience I
have had of him, in the setting my three songs for this 'Amphitryon'".
If Purceirs music had been connected with 'Oedipus' in 1678, Dryden
would hardly have written in these terms of him in 'Amphitryon', which
was not produced until 1690. Moreover the 'Oedipus' music is remark-
ably fine, and shows no signs of youthful immaturity, so that it may
be safely concluded that the original music to the play has disappeared,
and that PurcelPs setting was used for some revival later than 1690,
probably for that in 1692, indicated by the issue of a new edition of
the play in that year. It may be added that Burney distinctly states
that the Incantation Scene was written for a revival of 'Oedipus' in 1692.
The old Bachelor.
The exact date of the production of Congreve's 'Old Bachelor' is not
certainly known, but it is generally said to have taken place in Janu-
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542 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
ary, 1692—93. This is confirmed by a passage in the 'Gentleman's
Journal' for the following month, in which Motteux tells his readers that
"the success of Mr. Congreve's Old Bachelor has been so extraordinary
that I can tell you nothing new of that Comedy; you have doubtless
read it before this, since it has been already printed thrice". The third
edition was advertized in the London Gazette for 23 — 27 March. 1693,
but I have not discovered any announcement of its predecessors, nor does
the British Museum Library possess either of the earlier editions. The
title-page of the first issue (from a copy in my own possession) is as fol-
lows "The | Old Bachelour, | A | Comedy. | As it is Acted at the | Theatre
Royal, | By | Their Majesties Servants. | Written by Mr. Congreve. \ Quern
tulit ad Scmam ventoso gloria Curru, \ Exanimat lentus Spectator; seduhis
infiat | Sic leve, sic parvum est, animum quod laudis avarum \ Submit,
out reficit | Horat. Epist. I Lib. IT. | London, Printed for Peter Buck7
at the Sign of the Temple | near the Liner Temple- Gate in Fleet-streett
1693."|
The cast included Betterton (Heartwell), Powell (Bellmour), Williams
(Vainlove), Alexander (Sharper), Bowen (Sir Joseph Wittol), Haines (Capt.
Bluffe), Dogget (Fondlewife), Underhill (Setter), Mrs. Bracegirdle (Ara-
minta), Mrs. Mountfort (Belinda), Mrs. Barry (Letitia), Mrs. Bowman
(Silvia), and Mrs. Leigh (Lucy). Besides writing for the play an Over-
ture and 6 Act Tunes (which are printed in * Ay res for the Theatre"),
Purcell contributed two vocal numbers. The first is a song 'Thus to a
ripe, consenting maid', in Act II, which is printed in Joyful Cuckoldom*
and the second is a Two-Part Song, 'As Amoret and Thyrsis lay', in
Act III, which appears in Book II of 'Orpheus Britannicus'. In neither
case are the names of any singers given. In Act III [there is also a
'Dance of Anticks', the music for which was doubtless one of the tunes
printed in 'Ayres for the Theatre'.
Oroonoko.
This play, by T. Southern e, was produced in the early winter of 1695.
Its publication is advertized in the 'Post Boy' for Dec. 16. as on that day.
The plot is founded on a story by Mrs. Aphra Behn, and Gildon1) says
that "it had indeed uncommon success, and the Quality of both sexes were
very kind to the Play, and to the Poet". As the production took place
after the secession to Lincoln's Inn Fields, it is not surprising to find
that the cast was not very remarkable. It consisted of Verbruggen
(Oroonoko), Powell (Aboan), Williams (Governor), Harland (Blanford),
Horden (Stanmore), Mills (Jack Stanmore), Johnson (Driver), Michael Lee
(Daniel), Simpson (Hottman), Mrs. Rogers (Imorinda), Mrs. Knight (Widow
1) 'Comparison between the Two Stages'. 1702. p. 30.
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 543
Lackitt), Mrs. Verbruggen (Charlotte Welldon), and Mrs. Lucas (Lucia Well-
don). The title-page of the first edition reads as follows: — "Oroonoko: | A |
Tragedy | As it is Acted at the | Theatre-Royal, | By His Majesty's Ser-
vants. | Written by Tho. Southerns \ Quo fata trahunt, virtus secura
sequetur. Lucan. | Virtus recludens immeritis mori \ Codum, negata
tentat iter via, Hor. Od. 2. Lib. 3. | London. | Printed for H. Playford
in the Temple- Change, B. Tooke j at the Middle- Temple Gate. And
S. Buckley at the | Dolphin against St. Dunstan's Churchy in Fleet-
street. | MDCXCVI. |"
Some instrumental music to the play, by Paisible, exists in a MS. in
the Library of the Royal College of Music. The vocal numbers are
confined to the third scene of Act II, in which slaves sing the following
songs: (1) 'A Lass there lives upon the Green'; described as 'A Song
(By an unknown hand.) Sett by Mr. CourteviU, and sung by the Boy
to Miss Cross". (2) 'Bright Cynthia's Pow'r' — 'A Song, by Mr. Cheek.
Sett by Mr. Courtevill, and sung by Mr. Leveridge\ The music of
both of these songs is printed in Book IV of 'Deliciae Musicae' (1696),
together with a third number, 'Celemene, pray tell me', entitled: 'A
Dialogue Sung in Oroonoko, by the Boy and Girl. Sett by Mr. Henry
FurceW. The words of this are by D'Urfey, and are printed in his
'Songs Compleat' (1719) as 'A new Dialogue: Set by Mr. Henry Purcell,
Sung by a Boy and Girl at the Play-House'. An early manuscript copy
of the dialogue exists in the British Museum (Ad. MS. 31,448), from
which we learn that the Boy and Girl were Jemmy Bowen and Miss
Cross. There is however a difficulty about this duet. An early engraved
copy of it, dating certainly before 1704, exists in the Museum and other
collections with the heading: 'A Dialogue in the Second Part of the
Conquest of Granada. The words by Mr. Tho. D'Urfey. Set by Mr.
Henry Purcell. Sung by the Boy and Girl and exactly engrav'd by Tho.
Cross'. Dryden's 'Conquest of Granada' was first printed in 1672, and
editions of it exist dated 1673, 1678, 1687, and 1695, in none of which,
however, 'Celemene, pray tell me' is found. If, however, the date 1695
represents that of a revival of the play, it is possible that young Bowen
and Miss Cross may have sung in it then, and introduced Purcell and
D'Urfey's Dialogue instead of the 'Song in two Parts' in Act IV, the
original music to which, by N. Staggins, is printed in 'Choice Ayres'
(1673). 'Oroonoko' must have been produced either immediately before
or very shortly after the date of PurcelTs death; on the title-page of the
fourth book of 'Deliciae Musicae' he is styled 'the Late Famous Mr.
Henry PurceW. The probability seems to be that sometimes in 1695
'Celemene, pray tell me' was sung by Bowen and Miss Cross in both
plays, and it is not possible to say to which should be assigned the
i^-
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544 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
priority. Any way, if 'The Conquest of Granada' is to figure in lists
of plays for which Purcell wrote music, 'Oroonoko' must be omitted, and
vice versa. In 'Orpheus Britannicus', as in 'Deliciae Musicae', the dialogue
is given as from 'Oroonoko', and I have, therefore, thought it better to
accept these headings in preference to that of Cross's single sheet.
Pausanias.
According to Baker this play was written by one Norton, of whom
nothing seems to be known. It was probably produced either late in
1695 or early in 1696, but I have not been able to find any advertisement
of its publication. It was printed with a dedication by Thomas Southerne
to Anthony Henley; the title-page is as follows: —
"Pausanias | The | Betrayer | of his | Country. | A | Tragedy, | Acted
at the | Theatre Royal, j By His Majesties Servants. | Written by a Person
of Quality. | London, I Printed for Abel Roper, E. Wilkinson, and Roger
Clavett | in Fleetstreet. 1696. " The cast included Verbruggen (Pausa-
nias), Cibber (Artabazes), Pinkethman (Polaemon), Horden (Lysander),
Mrs. Rogers (Ancilthea), Mrs. Knight (Pandora), and Mrs. Lucas (Maw-
kino). The music consists of two vocal numbers in Act HI and a Sacri-
fice Scene in Act V. The last was set by Daniel Purcell, and is pre-
served in a Manuscript at St. Michael's College, Tenbury. "Sweeter than
roses, or cool Evening's breeze", the first song, is printed as 'A Single
Song' in Vol. I of 'Orpheus Britannicus'. The Dialogue which follows
it, 4My dearest, my fairest', apparently did not see the light until the
issue of Walsh's 'Orpheus Britannicus' (a different publication to that by
H. Playford with the same name), where it is given as A Dialogue
between Mr. Cooke and Mrs. Hudgson', set by Henry Purcell. Both
numbers must be ranked among the composer's latest compositions.
Regains.
This play, by John Crowne, though not published until 1694 *), was
acted in the spring of 1692. Motteux alludes to it more than once in
the 'Gentleman's Journal'. In the number for May, 1692 he says: uWe
are promised Mr. Crown's Regulus, before the Long Vacation", and in
the next number there is the following passage about the play: "Regulus,
with the Factions of Carthage, by Mr. Crown, was acted the last week;
that tragedy is intermixed with a vein of Comedy You have seen his
works in both. Terence tells us, Dubiam fortunatam esse scenicam; and
if that great Author had occasion to complain, those of our Age may
1} I suspect that the date 1694 on the title-page of the first edition is a misprint
for 1692, as in the April 'Gentleman's Journal' for 1692 Motteux says the play was
in the press.
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 545
well comfort themselves if the Town deceives their expectation". The
cast included Betterton (Regulus), Kynaston (Metellus), Mountfort (Asdru-
bal), Leigh (Gisgon), Underbill (Hiarbas), Dogget (Batto), Sandford (Hamil-
car), Williams (Xantippus) and Mrs. Barry (Fulvia); the title-page of the
first edition is as follows: "Regulus: | A | Tragedy. | As it is Acted by
Their | Majesties Servants. | Written by Mr. Orown. \ London, | Printed
for James Fnapton, at the Crown in St. Patd's-Church-yard, 1694. |
Advertisement |" — etc.
Two vocal numbers occur in the play. Of the second, a Chorus in
Act IV, 'Down with your sprightly wine' no setting seems to have sur-
vived. The first is a song in Act II 'Ah me! to many deaths decreed'.
It first appeared in the August number of the 'Gentleman's Journal' for
1692. Crowne's name is given as the author of the words, but nothing
is said as to its being from 'Regulus' and the same omission is made in
Book I of 'Orpheus Britannicus', in which it is reprinted. But Motteux
fortunately has preserved the name of the singer in the following pas-
sage: "The first of the three songs which I send you is set by Mr.
Purcell the Italian way; had you heard it sung by Mrs. Ayliff you
would have own'd that there is no pleasure like that which good Notes,
when so divinely sung, can create".
The Richmond Heiress.
This Comedy of D'Urfey's was produced in the spring of 1693. In
the April number of the 'Gentleman's Journal' Motteux says it had been
brought out 'since my last', and its publication was announced in the
London Gazette for 15—18 May. The title-page is as follows: ttThe | Rich-
mond Heiress: | or, a | Woman Once in the Right. | A Comedy, | Acted | at
the Theatre Royal, | By Their Majesties Servants. | Written by Tho.
D'Urfey, Gent. | London, | Printed for Samuel Briscoe, over- against
WUPs Coffee-House | in Covent- Garden. 1693." | It was acted by Freeman
(Sir Charles Romance), Bright (Sir Quibble Quere), Powell (Tom Romance),
Sandford (Dr. Guiacum), Williams (Frederick), Bowman (Rice ap Shinkin),
Underhill (Dick Stockjobb), Hudson (Hotspur), Dogget (Quickwit), Bowen
(Cunnington), Mrs. Bracegirdle (Fulvia), Mrs. Barry (Sophronia), Mrs.
Bowman (Mrs. Stockjobb), Mrs. Knight (Madam Squeamish) and Mrs.
Lee (Marmatella). The dedication is dated 6 May 1693. The words of
three of the vocal numbers are printed at the beginning of the play,
which required a good deal of music.
Act II. (1) How vile are the sordid intrigues of the town'. This was
introduced from 'The Marriage-Hater Match'd', under which heading it
has been already discussed.
(2) 'Behold the man that with gigantick might'. This is 'A Song in
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546 W. Barclay Squire, Puroell's Dramatic Music.
parts, between a mad Man, and a mad Woman'. The music, by Purcell,
is printed in 'Orpheus Britannicus', Vol. I, 'Sung by Mr. Beading and
Mrs. AylifP. Later editions (in Walsh's 'Orpheus Britannicus' and other
copies) give the names of singers as 'Mr. Leveridge and Mrs. Lynsey'.
(3) A Dialogue between Fulvia and Quickwit, beginning 'By those
Pigsnies that stars do seem'. It was set by John Eccles, and is printed
in 'Joyful Ouckoldom' 'Sung by Mr. Dogget and Mrs. Bracegirdle', 'Set
by Mr. John Eccles, and corrected by him', engraved by Thos. Cross
and dated 1693.
Act IV. 'A Catch in Three Parts in praise of Punch'. No words
are given, but I suspect that this was the catch by Purcell, 'Bring the
bowl and cool Nantz', the earliest edition of which occurs in 'Joyful
Cuckoldom'.
'Shinken's Song to the Harp', 'Of noble race was Shinken'. The exact
place where this was introduced is not given, but it is stated that it
occurred in this Act. The song is generally considered a genuine Welsh
tune and it is printed, without any composer's name, in Book I of 'The-
saurus Musicus' (1693).
In the last Act there is a song 'All Europe is now in confusion', the
words of which are only printed at the beginning of the play. Of this I
have found no musical setting. In Vol. I of 'The Merry Musician' (1716
ed.) there is a song 'Maiden fresh as a Rose', stated to have been sung
by Mr. Pack in this play. This was probably introduced at a later date.
The tune of the song is that known as 'A Trip to Marrow bone'.
The Rival Sisters.
This Tragedy was written by Robert Gould, and produced in the
autum of 1695. Its publication is advertized in the 'London Gazette' for
7 — 11 Nov. 1695, and it was acted by Disney (Vilarezo), Verbruggen
(Sebastian), Powell, Junior (Antonio), Williams (Alonzo), Horden (Vilan-
der), Johnson (Gerardo), Thomas Kent (Diego), Mrs. Knight (Catalina),
Mrs. Rogers (Berinthia), Miss Cross (Alphanta), Mrs. Verbruggen (An-
silva), Mrs. Seagrove (Julia) and Mrs. Newman (Clara). The title-page is
as follows: — "The | Rival Sisters : | or, | The Violence of Love, | A | Tra-
gedy. | As it is Acted at the | Theatre-Royal | By | His Majesty's Ser-
vants. | Written by Mr. Gould. \ London, | Printed for Richard Bentiy in
Russet-Street, Covent- Garden; Francis \ Saunders in the New Exchange;
and James Knapton at the | Orown in St. Pauls Church-yard. 1696. n I
In the British Museum (Ad. MS. 35043) there is an instrumental
March from the play, and the Royal College of Music Library contains
the 1st Violin and Figured Bass parts of an Overture and eight Act Tunes
stated to be by 'Mr. Purcell'; in the same Library there is a complete
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 547
copy of the Overture only, but with the name of 'Bidgly' as that of the
composer. If this music is by Henry Purcell, and it does not seem un-
worthy of his pen, it must be one of his latest compositions. The songs
are as follows: —
Act I. 'Not though I know he fondly lies'. Of this no setting has
survived.
Act II. (1) 'Caelia has a thousand charms9. This is printed, with
music by Purcell, in Book HI of 'Deliciae Musicae' (1696). It also occurs
in Book I of 'Orpheus Britannicus', and there is an engraved edition of
it (by Walsh) stating that it was 'Sung by the Boy\ The version in
4Deliciae Musicae' gives his name — 'Sung by Young Bowen'.
(2) 'An Antick by Foresters with other Dancing', followed by a 'Dia-
logue by a Shepherd and Shepherdess', beginning 'To me y'ave made a
thousand vows'. The music for the dances was doubtless some of that
preserved in the Royal College Manuscripts. The Dialogue was set by
Dr. Blow, and is printed in his 'Amphion Anglicus' (1700).
Act III. 'Fair, and soft, and gay and young'. Settings of these
words are frequently found in collections of the first half of the 18th
century but no composers names are given and they are all probably of
later date than the production of the play.
Act IV. 'Take not a woman's anger ill'. This song, by Purcell,
'Sung by Mr. Leaverige' is printed in Book HI of 'Deliciae Musicae'.
In addition to the above, the last-named collection contains a song
which is not given in the printed editions of the play. This is 'How
happy is she' 'A Song in the Rival-Sisters, Set by Mr. Henry Purcell.
Sung by Miss Cross1. It may possibly have been introduced instead
of one of the songs of which no contemporary setting exists.
Rule a Wife and Have a Wife.
According to Downes, after the union of the King's and the Duke's
companies (in 1682), "the mixt Company .... Beviv'd the several old
and modern Plays that were the Propriety of Mr. KilUgrew, as, Rule a
Wife, and have a Wife: Mr. Betterton acting Michael Per ex: Don Leon,
Mr. Smith: Cazafogo, Mr. Cartwright: Margaretta, Mrs. Barry: Esti-
pkonia, Mrs. Cook?, &c. The play, by John Fletcher, was originally
printed in 1640, and it is not possible to fix exactly the date of the
revival, or revivals, alluded to by Downes. There are no songs in the
original, but the 'Gentleman's Journal' for April, 1694, contains a Song,
'There's not a Swain', entitled 'A Song, the Notes by Mr. Henry
Purcell. The Words fitted to the Tune by N. Henley, Esq', and the
voice part is given in 'Joyful Cuckoldom' with the statement that it is
'A Song in the Play call'd Rule a Wife, and Have a Wife. Set by
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548 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
Mr. H. PurceU. Sung by Mrs. Hudson'. From these two versions it
may be concluded that the song dates from the end of 1693, and was
probably introduced into a revival of the play about that date.
Sir Antony Love.
This Comedy was written by Thomas Southerne, and was produced
at the Theatre Royal towards the end of 1690. The first edition,
advertized in the 'London Gazette' for 19 — 22 December, bears the
following title: — "Sir Anthony Love: | or, | The Rambling Lady. | A |
Comedy. | As it is Acted at the Theatre Royal by | Their Majesties Ser-
vants. | Written by Thos. Southerne. \ Artis several si quis amat effectus,
Mentemque magnis applicat, — | — det primos versibus an?ws, \ Maeo-
niumque bibat foelici peetora fontem. | Petro. Arb. Satyr, pag. 3. ! London: ;
Printed for Joseph Fox at the Seven Stars in Westminster- \ Hall, and
Abd Roper at the Mitre near Temple Bar. 1691. | There is lately
Published, Distressed Innocence: Or, the Princess \ of Persia. Written by
E. Settle. \n The actors who took part in the production were Mount-
fort (Valentine), Williams (Hford), Bowen (Sir G-entle Golding), Anthony
Leigh (Abb6), Hodgson (Count Canaile), Sandford (Count Verole), Powell
Junior (Palmer), Bright (Wait-well), Kirkham (Traffique), Michael Lee
(Cortaut), Cibber (Servant to Sir Gentle), Thomas Kent (Servant to
Hford), Mrs. Mountfort (Sir Anthony Love), Mrs. Butler (Floriante), Mrs.
Bracegirdle (Charlotte) and Mrs. Knight (Volante). The music seems to
have been written entirely by Purcell. It consists of an Overture, Pre-
lude and Song 'Pursuing Beauty', a Dialogue 'No more, Sir, no more',
a Song 'In vain Clemene', and a set of variations on a ground, pro-
bably for Violin and Bass. All these are preserved in a manuscript at
St. Michael's, Tenbury. The words of the vocal numbers are printed at
the end of the play, and from them we gather that 'Pursuing Beauty'
was sung in Act II, the Dialogue in Act IV, and 'In vain Clemene', the
words of which are by Major General Sackvile, in Act V. The music
of the Dialogue, 'Sung by Mr. Bowman and Mrs. Butler' were printed
in Book HI of 'Vinculum Societatis, or the Tie of Good Company', and
'In vain Clemene' appeared in the sixth Book of the 'Banquet of Musick',
which was licensed Feb. 17, 1691—2.
Sir Barnaby Whigg.
Genest shows from internal evidence that this comedy of D'Urfey's
could not have been produced before December, 1681. The London
Gazettes at that time contain no advertisements of the publication of
plays, but the work was probably issued shortly after; the title-page of
the first edition reads as follows: uSir Barnaby Whigg: | (Or,) No Wit
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W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music. 549
like a Womans. | A | Comedy. | As it is | Acted by their Majesties Ser-
vants | At the | Theatre-Royal. | Written by Thomas Durfey, Gent | Qui-
quid agunt homines , votum, timer, Ira, voluptas, \ Gaudia, discursus
?wstri farrago libetti est Juvenal. | London, j Printed by A. G. and J. P.
for Joseph Hindmarsh, | at the Black \ Bull in Cornhil. 1681. \"
The actors were Clark (Wilding), Goodman (Townly), Jermaine (Sir
Walter Wiseacre), Griffin (Captain Porpuss), Powell (Sir Barnaby Whigg),
Perm (Benedick), Cook (Swift), Mrs. Corbet (Gratiana), Mrs. Cook (Livia),
Mrs. Moyle (Millicent), and Mrs. Percival — afterwards successively Mrs.
Mountfort and Mrs. Verbruggen — (Winifrid). There are two songs in
the play, besides some dances, but all that has survived is a setting of
"The Storm", a song in the first act which begins 'Blow, Boreas, blow!'
This was set by Purcell, and was first printed in "A Third Collection
of New Songs, Never Printed before. The Words by Mr. D'Urfey, Set
to Music by the Best Masters in that Science . . . With Thorow-Basses
for the Theorbo, and Bass- Viol London, Printed by J. P. for Joseph
Hindmarsh . . . 1685." It was afterwards included, as 'A Single Song,'
in 'Orpheus Britannicus/ but in neither work is there any allusion to
its having been taken from Fletcher's play. Dr. Burney (History of
Music, HI. p. 494,) says that " 'Blow, Boreas, blow,' "was in great favour
during my youth, among the early admirers of Purcell; but this seems
now more superannuated than any of his popular songs."
Sophonisba.
Mr. Sidney Lee, in his article on Nat. Lee in Vol. XXXII of the
Dictionary of National Biography, states that for this tragedy "Purcell
wrote the earliest music prepared by him for the stage." The statement
is difficult of proof, and rests on the assumption that the one song of
Purcell's, the words of which are taken from the play, formed part of
the work at its original production at the Theatre Royal in 1676. The
title-page of the original edition is as follows: — "Sophonisba, | Or |
Hannibal's Overthrow.. | A | Tragedy, | Acted at the | Theatre-Royall,
| By their [ Majesties Servants. | Written by Nathaniel Lee, Gent | Prae-
cipitandus est liber spiritus, Petronius. \ London. \ Printed for J. Magnes
and R. Bentley | in Russel-street in Covent- Garden near | the Piazxa's,
Anno Domini, MDCLXXVI ;"
Other editions were issued in 1685 and 1693, probably representing
dates when the play was revived. The cast given in the 1676 edition
comprises Mohun (Hannibal), Watts (Maherbal), Harris (Bomilcar),
Kynaston (Scipio), Wintersel (Lelius), Hart (Massinissa), Clarke (Massina),
Mrs. Cosh (probably Cox) (Sophonisba) and Mrs. Damport (Rosalinda).
In the 1685 and 1693 editions Burt is Maherbal, Wintersel or Winter-
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550 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
shal — Bomilcar, Lydall — Lehus, Mrs. Cox — Sophonisba and Mrs.
Boutell — Rosalinda. The following additional names appear: Watson
(Varro), Powell (Trebellius), Griffin (Menander), Mrs. Cory (Oumana),
and Mrs. Nep (Aglave). The last-named actress is Pepys's Mrs. Knipp,
"the most excellent, mad-humoured thing, and sings the noblest that
ever I heard in my life!" The part of Aglave is that of a priestess,
who sings a few lines in the opening scene of Act IV.; if Mrs. Knipp
actually appeared in it so late as either 1685 or 1693 she must have
remained on the stage later than is usually supposed. With the exception
of the alterations and additions noted, the casts of the 1685 and 1693
editions agree with that of 1676.
The play requires a good deal of music. In Act I 'soft musick is
heard;' in Act III 'Trumpets sound a lofty March' and in Act IV the
Sacrifice Scene includes two songs 'Beneath the Poplar's shadow lay me'
and 'Hark, hark, the Drums rattle,' besides a Dance of Spirits. But of
all this nothing has survived except a setting of the first verses of
'Beneath the Poplar's shadow,' which appears as 'A Mad Song' in the
second book of 'Orpheus Britannicus,' without any allusion to the play
from which the words are derived. If the song was written for the
1676 production, it must be one of Purcell's earliest efforts, and it is
curious that the unknown editor of 'Orpheus Britannicus' should have
selected it and yet have passed over the songs from 'Theodosius,' which
date from 1680. But the style of the music certainly seems to point to
its having been written at a later date, and if it was ever used in the
play, it seems more probable that it dates from a revival in 1685 or
1693.
The Spanish Friar.
This was one of Dryden's most successful plays. It was originally
brought out at the Duke's Theatre in 1681, and Downes chronicles that
'twas Admirably Acted, and produc'd vast Profit to the Company.' The
Title-page is as follows:
"The | Spanish | Fryar | or, | The Double Discovery. | Acted at the
Duke's Theatre. | Vt melius possis fattere, sume togam. — Ma. | — Alterna
revisens \ Lusit, et in solido rursus fortuna locavit. Vir. | Written by
John Dryden, Servant to | His Majesty. | London, | Printed for Richard
Tonson and Jacob Tonson, at Grays- \ inn-gate, in Grays-inn-lane, and
at the Judge's- \ Head, in Chancery-Lane, 1681. 1"
A second edition appeared in 1686, a third in 1690 and a fourth in
1695. The title-pages contain some small changes, such as the sub-
stitution of 'Theatre-Royal' for 'Duke's Theatre,' but the cast in all is
the same. It consisted of Betterton (Torrismond), Williams (Bertram),
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W. Barclay Squire, PurcelTa Dramatic Music. 551
Wiltshire (Alphonso), Smith (Lorenzo), Gillow (Raymond), Underhill
(Pedro), Nokes (Gomez), Lee (Dominic), Mrs. Barry (Leonora) and Mrs.
Betterton (Elvira).
The strong Protestant spirit of the play caused it to be prohibited
during the reign of Charles II. but it was the first drama which Queen
Mary saw after her accession, and it is recorded in a letter from Lord
Nottingham (quoted by Malone and Sir "Walter Scott in their editions
of Dryden's Dramatic Works) that "some unhappy expressions [in it]
. . . put her in some disorder, and forced her to hold up her fan, and
often look behind her, and call for her palatine and hood, and anything
she could next think of; while those who were in the pit before her,
turned their heads over their shoulders, and all in general directed their
looks toward her, whenever their fancy led them to make any application
of what was said." 4The Spanish Friar' contains two situations in which
music is required. In Act I there is a Procession, with a chorus 'Look
down, ye bless'd above,' of which I have found no setting. In Act V.
a song occurs, 'Farewell, ungrateful traitor,' the words of which are
reprinted in 'Wit and Drollery,' a collection published in 1682, and
again, with a tune by Pack, in Vol. IV of the second edition of 'Pills
to Purge Melancholy,' (1709).
PurcelTs connection with the play consists in a song 'Whilst I with
grief, which appeared first in Book I (1695) of 'Deliciae Musicae' (licen-
sed 3rd April, 1695) and entitled 'A Song on Mrs. Bracegirdle's Singing'
(I burn &c.) in the 2nd Part of Don-Quixote? It appears with the same
title in 'Orpheus Britannicus', but its introduction in 'The Spanish Friar
is proved by the existence of an early single-sheet edition, in which it
is headed 'A new Song Sung in the Spanish Friar, set by Mr. Henry
Purcell Engraven for I. Walsh'. The allusion to Eccles' song, which
occurs in the second part of Don Quixote, fixes the date of Purcell's
'Whilst I with grief as either 1694 or early in 1695.
The Tempest.
According to Downes there was played in 1673 at Dorset Garden
"The Tempest, (or) the Inchanted Island, made into an Opera by Mr.
ShadweU, having all New in it; as Scenes, Machines; particularly, one
Scene Painted with Myriads of Ariel Spirits; and another flying away,
with a Table Furnish't out with Fruits, Sweet meats and all sorts of
Viands; just when Duke Trinado and his Companions were going to
Dinner; all was things perform'd in it so Admirably well, that not any
succeeding Opera got more Money". Three years earlier a version of
Shakespeare's play by Davenant and Dryden had been published, which
Pepys seems to have seen performed on 7th Nov. 1667. This was re-
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552 W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
printed with considerable alterations in 1676 and 1690. In the 1670
version the song in Act n, ' Arise, ye, subterranean winds', does not
occur, but it is to be found in those of 1676 and 1690. In the
latter there are more scenic directions than in the former and the first
Act opens with the following interesting description of the orchestra:
"The Front of the Stage is open'd and the Band of 24 Violins, with
the Harpsicals and Theorbo's which accompany the Voices, are plac'd
between the Pit and the Stage. While the Overture is playing, the
Curtain rises, &c". In 1670 the Masque of the later editions is absent;
Milcha, a female spirit in love with Ariel, appears first in 1676; the di-
vision of the Acts is also different, and the lines beginning: 'The Powers
above may pardon or reprieve', which Mr. Saintsbury1) considers point
to the alterations in the two editions having been made in the first years
of James II, occur in the 1670 version but not in those of 1676 and 1690.
It seems almost certain that these changes represent the alterations
made by Shadwell for the Dorset Garden production in 1673. In 1675
Matthew Locke published his Opera of Psyche, added to which are the
following instrumental numbers from the 'Tempest' music:
First Music.
Introduction, Second Galliard, gavot.
Second Music.
Saraband, Lilk.
Curtain Tune.
Four Act Tunes: Rustic air, Minuet, Corant, Martial Jig.
Conclusion: Canon 4 in 2.
From Locke's Preface — which is rather ambiguously worded — it
seems that the 'Entries and Dances' were omitted from this publication
by the consent of their author, who was possibly Draghi. About the
same time as the publication of 'Psyche' there appeared (without date,
title-page or name of printer) a collection entitled 'The Ariel's Songs in
the Tempest'. The type used shows that this was printed by Playford;
its contents are as follows:
Come unto these yellow sands (Banister.).
Dry those eyes. (Banister.)
Go thy way, 'Eccho Song 'twixt Ferdinand and Ariel'. (Banister.)
Adieu to the pleasures. 'Dorinda lamenting the loss of her Amintas.'
(J. Hart.)
Full fathom five. (Banister.)
Where the bee sucks. 'Sung in the Machines by Ariel's Spirits/
(Pelham Humphreys.)
1) 'Dramatic Works of Dryden1 HI. 207.
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W. Barclay Squire, PurcelPs Dramatic Music. 553
A comparison with the 1676 and 1690 editions shows that none of
these publications give any music for the following:
Act I. 'Where does the black fiend Ambition.' 'Arise ye subterra-
nean winds.'
Act IV. The music demanded by Caliban and the Dance of Spirits.
Act V. The whole of the Masque.
A setting of 'Arise ye subterranean winds', entitled 'A Song in the
Tempest. The Words, by Mr. Shadwell', is printed in Part II of Pietro
Reggio's *) Songs, the publication of which was advertized in the 'London
Gazette' in 1680. Another copy of the same setting, but ascribed to
Grabu, exists in Brit. Mus. Ad. Ms. 19,759, and a third, with Reggio's
name, in Ad. Ms. 29,397, which was written between 1682 and 1690.
In addition to the above, there was printed in Book HI of 'Deliciae
Musicae' (dated 1696, but evidently published at the end of 1695) 'Dear
pretty youth', 'A New Song in the Tempest, sung by Miss Gross to her
Lover, who is supposed Dead. Set by Mr. Henry PurcdV This song
is also included in 'Orpheus Britannicus' and there exists an early single
sheet version of it headed 'A Song sung by the Girl in the Tempest.
Set by Mr. H. Purcell and exactly engrav'd by Thos: Cross. " Early
manuscript copies of it are also in existence. The words of this song do
not occur in any version of the libretto known to me. The only other
trace of the music which we possess in print before a much later date,
is a song 'Now comes joyful peace' which is printed in Vol. V of the
1714 edition of 'Pills to Purge Melancholy.' No composer's name or
indication as to the source of the tune is given, though it is a corrupt
version of PurcelPs 'Come unto these yellow sands.' The song also
appears in Vol. I of the 'Merry Musician' (1716) as 'A Welcome to the
happy Peace: A new Song, the words by Mr. D'Urfey.'
About 1790 the music to 'The Tempest,' as we now possess it, was
first printed by B. Goodison. Some copies of this edition contain the
following Preface:
"The Tempest is one of the earliest and best of Purcell's Compo-
sitions for the Stage . . . The words differ in many places from Dryden's
Play; in the Mask, almost entirely: it is supposed, that they were altered
when the Play was made into an Opera by Shadwell, and that Purcell
was then employed to compose new Music for them: the former Music
for the Play was probably composed by Matthew Lock, and the Instru-
mental {part of it which he published in 1695 [1675], retained in the
Opera." Goodison is correct in pointing out that the Masque, as con-
1) Pietro Reggio, of Modena, died in London on July 23rd 1685 and was buried
in St. Giles's in the Fields.
s. d. I. M. v. 36
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554 W. Barclay Squire, Parcell's Dramatic Music.
taiued in this Music, is quite different to that in any of the printed
texts, but it has been already shown that the Masque appeared first in
1676, which probably represents the date of Shadwell version. Of this no
musical setting is extant, with the single exception of Beggio's song, and
X^ Purcell's version therefore represents a third alteration of the original
play of Davenant and Dryden. Burney ascribes this to the year 1690,
but the printed text of that year is identical with that of 1676. Goodison
moreover does not seem to have known of the existence of 'The Ariel's
Songs in the Tempest', with their settings by Banister, Hart and Pel-
ham Humphreys, and it is difficult to believe that if Purcell's music was
written at this time nothing from it should have appeared in the various
song-books of the period which have been so frequently alluded to in
these pages. '^Eolus you must appear' was first printed in 1776, in Haw-
kins' 'History of Music', but for the rest of the music, with the excep-
tion of 'Dear pretty youth', and the tune of 'Come unto these yellow
sands' as given in 'Pills to Purge Melancholy', we are entirely without
early printed sources.
The absence of early MSS. (except of 'Dear pretty youth') is not less
remarkable. The British Museum, Buckingham Palace, Royal College of
Music and St. Michael's (Tenbury) Libraries contain nothing earlier than
the latter part of the 18th century, and Dr. Cummings alone possesses
a MS. which may be so early as the third decade of the century. At
Oxford and Cambridge there exist no traces of the music. What manu-
scripts we possess, including that belonging to Dr. Cummings (which is
probably the earliest), agree in all respects with the version printed by
Goodison, and that this is incomplete is evident by a glance at the dan-
ces as there given, the inner parts of which are obviously wanting. Turn-
ing to the evidence afforded by the newspapers of the early 18th cen-
tury, we find performances of the work advertized on 13th Oct. 1702,
20th Jan. 1707—8, 13th Feb. 1707-8, 20th Jan. 1709—10, 4th June
1714, 22nd April 1717 and 2nd Jan. 1729. In no case is anything said
of Purcell's music; in the performance of Jan. 1707 — 8, Mrs. Cross played
Dorinda and the production was announced "With all the original Musick.
To which will be added a Masque compos'd by the late Mr. Henry Pur-
^ cell, between Cupid and Bacchus, to be perform'd by Mr. Leveridge,
Mrs. Lindsey, and others" (evidently the Masque from 'Timon. of Athens').
For the performance in the following month the Daily Courant announced
"all the Original Flyings and Musick . . . Dorinda by Mrs. Cross, with
the Song of 'Dear pretty Youth'." On 31st Jan. 1745—6, the original
play of Shakespeare was performed, "the Part of Ariel (with the proper
Songs) by Mrs. Clive. With Original Decorations particularly the Grand
Masque new set to Musick by Mr. Arne. Concluding with a Musical
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 555
Entertainment (compos'd by Mr. Arne) of Neptune and Amphitrite."
Arne's music for this version, (but without the 'Musical Entertainment')
is preserved in the British Museum (Ad. Ms. 29,370.). Two years later,
in December 1747, the Dryden version was revived — 'not acted these
seven years . . . The whole to conclude with the Masque of Neptune
and Amphitrite. And the Original Waterman's Dance', but no compo-
ser's name is given for this music.
It is difficult to draw any conclusion from this almost complete ab-
sence of evidence. The original score seems to have disappeared, and it
is doubtful whether what we possess represents PurcelTs 'Tempest' music
in its original form. The three airs in the Masque, 'Come down my
blusterers', 'Halcyon days' and 'See the heavens smile', with their Da
Capo's, recall the form of 'Return, revolting rebels' in the 'Timon of
Athens' Masque, which we shall presently see was probably composed
much later than is usually supposed. But the 'Tempest' music shows an
advance even on this, and some of the airs might well have been written
under the influence of Scarlatti and are quite different in form to any-
thing else of PurcelTs. The complete absence of early authorities —
with the exceptions mentioned — may point to the score having been
jealously kept by the theatrical company for which it was written, even-
tually to be lost or destroyed. It may be mentioned here that there
exists in a Manuscript at the Royal College of Music an Overture for
strings headed: 'Overture in Mr. P. Opera' and signed 'Mr. H. Purcell',
which does not belong to either 'Dioclesian', 'Dido and ^Eneas', 'The
Fairy Queen', 'The Indian Queen' or 'King Arthur', and that as these
works are the only ones termed at the time Operas, it may possibly
form part of the missing original score of 'The Tempest'. But all that
can with certainty be said as to the date of its composition is that 'Dear
pretty Youth' was published as a new song at the end of 1695, and as
it was sung by Mrs. Cross at a period in her career when she was
known either as 'Miss Cross' or 'the Girl', it must date from that year.
Theodosius.
"Theodosius : | or, | The Force of Love, | A | Tragedy. | Acted by
Their Royal Highnesses Servants, | At the | Duke's Theatre, | Written
by Nat Lee. | With the Musick betwixt the Acts. \ Nee minus pericu-
lum ex magna \ Fama quam ex mala. Tacit. | London, | Printed for
R. Bentley and M. Magnes in Russel- Street, | near Covent- garden.
1680." |
The above is the title-page of the first edition of this play, as to
which Downes chronicles that "All the Parts in't being perfectly per-
36*
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556 W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music.
form'd, with several Entertainments of Singing; Composed by the Famous
Master Mr. Henry Furcett, (being the first he e'er Oompos'd for the
Stage) made it a living and Gainful Play to the Company." The cast
comprised Williams (Theodosius), Betterton (Varanes), Smith (Marcian),
Wiltshire (Lucius), Bowman (Atticus), Leitherfull (Leontine), Mrs. Better-
ton (Pulcheria) and Mrs. Barry (Athenais).
A good deal" of music is required in the course of the action. The
opening Act contains solos and choruses, in the third Act there is a
Confirmation scene, also with solos and choruses, in Act IV there is a
two-part song, 'Happy day! ah happy day' and in Act V a song 'Ah
cruel bloody Pate.' Besides this the play presents the curious feature of
^ a set of songs between the acts, apparently taking the place of Act-
Tunes, which are printed (with the music) at the end of the work.
These are: 1) 'Now, now the Fight's done', (after Act I); 2) 'Sad is
Death', (after Act II); 3) 'Dream no more', (after Act II); 4) 'Hail to
the Myrtle shade', (after Act ILL) and 5) 'Ah cruel bloody Pate' (said
to be after Act IV, though the words occur in Act V). No composer's
name is given to any of these songs in the original edition of 'Theodo-
sius', but 'Ah cruel bloody Pate' is printed with Purcell's name in Play-
.- ford's 'Choice Ayres and Songs' (1681), which also contains 'Now, now
the Fight's done', and a slightly different version of 'Hail to the myrtle
shade', both without composer's name. An arrangement of 'Ah cruel
bloody Pate' as a Lesson is to be found in 'Musick's Recreation on the
Viol, Lyra-Way' (second edition, 1682). In a note to Vol. HE of his
'History of Musick' (p. 479) Dr. Burney says that 'the songs and pro-
cessional Music in Theodosius are still performed.' This being the case
it is curious that the whole of the music in Act HI, in which (according
to the stage direction) Athenais is led in procession to be confirmed by
' Atticus, should apparently be lost. The same fate has befallen the Duet
'Happy day'. The important music in the first Act, however, survives in
manuscript. None of the songs in 'Theodosius' were printed in 'Orpheus
Britannicus' or in the various collections after 'Choice Ayres and Songs'.
Timon of Athens.
Shakespeare's play of 'Timon of Athens' was altered, according to the
fashion of the time, by Shadwell, and produced at the Duke's Theatre
in 1677 — 78. According to Downes, it "was very well Acted, and the
Musick in't well Perform'd; it wonderfully pleas'd the Court and City;
being an Excellent Moral". The principal addition which Shadwell made
to the original was the introduction of a Masque of Cupid and Bacchus
in Act I. Music to this, by Henry Purcell, exists in various manu-
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W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music. 557
scripts, for it long remained one of the composer's most popular works *),
and was frequently performed in the early 18th century apart from
'Timon'.
The score was edited by the Rev. Sir F. Gore Ouseley and printed,
with prefaces by the editor and Mr. Julian Marshall, in Vol. II of the
Purcell Society's edition. In this publication there are various points
which seem to need comment in the ultimate revision which it is hoped
will conclude the Society's labours. The form of the Overture is un-
satisfactory, and points to some confusion in the MSS. used by the
editor, and it has not been pointed out that there exists another
(incomplete) overture in the contemporary manuscript of the work
preserved in a fragmentary state at Buckingham Palace. Though the
editor has not failed to notice that the words of the Masque, as set by
Purcell, do not agree with the text of the printed copies of Shadwell's
play, he does not seem to have suspected that Purcell's music can have
been written for anything but the original production in 1678. There
exists, however, evidence of an earlier setting of the Masque, and that
Purcell's version dates from a revival2) a good many years later than
the original production. It seems probable that part at least of the
original music for Shadwell's' version of the play was written by Grrabu,
for a setting by him of the opening song and chorus 'Hark how the
Songsters' was printed in Playford's 'Choice Ayres and Songs' in 1679
— the year after the first performance at the Duke's Theatre.
The text of the play was printed in 1678, 1688 and 1696, and all
these editions are practically identical, save that in 1688 the names of
the performers (as contained in Mr. Julian Marshall's preface) are given
for the first time. But some time between 1693 and 1695 there must
have taken place an alteration in both music and words, as is shown
by a comparison of the printed text with Purcell's setting. The Nymph
of the former is replaced by two Followers of Cupid with the prosaic
names of George and Jacob. There are no choruses to 'Hark how the
songsters' and 'Love in their little veins', and the lines beginning, 'But
ah how much1 are set as a Trio and not as a Pull Chorus. The Duet
for two Bacchanals, 'Hence with your trifling Deity' is set by Purcell
for a single voice and chorus, and after this the Shadwell version is
entirely abandoned and the work ends with a song for Cupid, 'Come all
1) See the epilogue to Lord Lanstowne's 'Jew of Venice1, 1701:
"How was the scene forlorn, and how despised,
When Tymon, without Musick, morakVd?
Shakespears sublime in vain entic'd the Throng,
Without the charm of Purceirs Syren Song."
2; G-enest (I. 261) mentions this revival, but does not give its date.
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558 W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music.
to me'; a chorus, 'Who can resist'; a song for Bacchus. 'Return revolting
rebels'; a solo for George, 'The cares of lovers'; an alto solo for a
Bacchanal, 'Love quickly is palled' and a final Duet and Chorus for
Cupid, Bacchus and their followers, 'Come, let us agree'. It fortunately
happens that we are able to trace the source of the greater part of
these new verses. In the number of the 'Gentleman's Journal' for May,
1693, Motteux prints some six pages of verse, introduced by the follow-
ing remarks: "We have had lately a Consort of Music, which as it
pleased the most nice and judicious Lovers of that Art, would doubtless
have had your Approbation; I only speak of the Notes which were by
Mr. Franck: As for the words I made 'em in haste, and most of them
were design'd for Winter, and set to Music then, tho not seen, so that
I was forced to alter some lines as well as I could, to reconcile 'em to
this season. However, you have 'em here, tho strip'd of their gay attire,
the Notes. Be pleas'd to observe that they are most of them Songs,
and some of the Words were fitted to the Tunes." The verses which
follow apparently consist of the words of five different compositions.
They consist of the following groups:
1) A set beginning 'Ye sounding Trumpets, cease your deafning noise'.
Of none of these have I traced any musical setting.
2) A set beginning 'Still must I grieve'. Of this group three songs,
set to music by J. W. Franck, who at that time was giving concerts in
London, are printed by Motteux in the same number of the 'Gentle-
man's JournaT as the verses. These songs are 'Still must I grieve',
'Complaint in Recitative . . . sung with accompaniments of Instruments
by Mrs. Ayliff'; 'By warring winds', 'Sung by Mrs. Ayliff'; and 'Fickle
Bliss, fantastic Treasure', also 'Sung by Mrs. AylifF. The last song is
also printed in 'Comes Arnolds' (1694).
3) The third group begins: 'Bright Star, who, like the pow'rful Sun';
of this group I^have found no settings.
4) A single song, 'I burn yet never can repent', of which there also
appears to be no setting.
5) The last group is a contention between a Drinker and a Lover.
It consists of (a) a song for the Drinker, 'Must you ever languish'; (b) a
song for the Lover, 'The cares of lovers' ; (c) a Duet, 'Forbear, forbear' ;
(d) a song for the Drinker, 'Love quickly is pall'd'; (e) a song for the
Lover, 'Wine quickly is pall'd' ; (f ) a Dialogue beginning 'By Love Kings
are Slaves', ending with an ensemble, 'Come let us agree' with the direction
'The Grand Chorus repeat the two last Couplets'. Of these numbers
(b) (d) and the concluding Duet and Chorus 'Come let us agree', form
the last three numbers of the new version of the Masque in 'Timon' as
set by Purcell. Motteux's statement seems to imply that the whole of
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W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music. 559
the verses he printed in May, 1693 had been set by Franck, and if this
is the case they must have been afterwards appropriated by Purcell, for
it is inconceivable that the words should have been printed by Motteux,
whose 'Gentleman's Journal' contains so many contributions by the
English master, without some statement to the effect that they had al-
ready been used in 'Timon of Athens' before May 1693.
A clue to the approximate date at which Purcell, or the anonymous
librettist of the new version of the Masque, made use of Motteux's Con-
tention between a Drinker and a Lover may be gathered from the fact
than one of the songs, 'The cares of lovers', was printed in 1695 in the
Second Book of 'Deliciae Musicae'. It is there entitled A Song (in
Timon of Athens) Sung by the Boy, and Set by Mr. Henry PurcdE.
'The Boy', as we have already seen, was Jemmy Bowen, and taking all
the evidence together it seems probable that the true date for PurcelPs
'Timon' music was about 1694. Eight of the numbers in the Masque
were printed in 'Orpheus Britannicus', but that work gives no information
as to the names of the singers.
Tyrannick Love.
Dryden's 'Tyrannick Love, or the Royal Martyr', a tragedy on the
legend of St. Catherine, was first produced in 1670. The part of Valeria
was played by Nell Gwyn, whose delivery of the Epilogue is said to
have decided Charles Us passion for her, with the result that he went
behind the scenes and carried her off then and there. Her son, after-
wards the Duke of St. Albans, was born within a year of this incident.
The play was printed in 1670, and other editions are dated 1672,
1677, 1686, and 1695. In all of them the original cast of 1670 is re-
printed without change. The music required by the action consists of a
'Dead March within and Trumpets' in Act I, and three vocal numbers
in the Incantation Scene in Act IV. These are 'Hark my Damilcar'
(a Duet), 'You pleasing dreams of love' and 'Ah how sweet it is to love'
(both songs for Damilcar). There is also a Dance of Spirits, and 'soft
Musick' to which St. Catherine's Guardian Angel descends. The only
trace that exists of the music performed when the play was originally
produced is the voice part of an anonymous setting of 'Hark my Damilcar'
entitled 'Song by Spirits in Tyrannick love', preserved in a MS. volume
in the British Museum (Ad. MS. 19759) and dated 9 June 1681. The cast
gives no names of the performers of the parts of the two spirits, Nakar
and Damilcar, who share the vocal numbers. Of 'You pleasing dreams
of love' and the instrumental music nothing seems to have survived, but
there are settings by Purcell of the Duet (with the words altered to
'Hark my Daridcar') and the song 'Ah how sweet it is to love'.
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560 W. Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music.
Dr. Bimbault fixed the year of these compositions as 1686, and he
has been followed by other biographers of Purcell, but (though it is not
an impossible date) there does not seem to be any evidence in its favour.
I am inclined to believe that both numbers were written a good deal
yj later, for they first saw the light in Book I of 'Deliciae Musicae' (licensed
23rd April, 1695). From this work we gather that the Duet was sung
by Mrs. Ayliff and Bowman and the song by the former. If Bimbault' 8
date (1686) for this music is correct, Dry den would hardly have over-
looked the fact in his statement that it was Purceirs setting of the
songs in 'Amphitryon' and the 'judicious Performances' of the composer in
'Dioclesian' (both produced in 1690) which caused the author of 'Tyrannick
Love' to form so good an opinion of the powers of the English master.
The Virtuous Wife.
This play, by T. D'Urfey, was produced and printed in 1680. The *
title-page of the first edition is as follows:
"The Virtuous Wife; | or, | Good Luck at last. | A | Comedy. | As
it is Acted at the | Duke's Theatre, | By His Koyal Highness | His Ser-
vants. | Written By Thomas D'Urfey, Gent. | In the Savoy: \
Printed by T. N. for R. BmOey, and M. Magnes, in Russell \ Street,
near the Piazxa, at the Post-house. | Anno Dom. 1680. j"
The cast comprised Harris (Beverly), Smith (Beauford), Jevan (Sir
Frolick Whimsey), Anthony Lee (Sir Lubberly Widgeon), Underhill
(Amble), Bowman (Crotchett , Mrs. Barry (Olivia), Nokes (Lady Beardly),
Mrs. Currer (Jenny Wheadle), Mrs. Seymour (Lidia) and Mrs. Norrice
(Tissick). For the part of Brainworm no actor's name is given. For
this work Purcell wrote an Overture and seven Act Tunes , which were
printed in 'Ayres for the Theatre'. The play also contains two songs. The
first of these, 'Let the Traitors plot on', occurs in Act I, where it is
sung by Crotchett, a music-master. It was set by Thomas Farmer, and
printed in Book IH of Playford's 'Choice Ayres and Songs' (1681). The
second, 'A Scotch Song' beginning 'Sawney was tall', was sung to the
tune known as 'Corn rigs are bonny'. It is printed (without the com-
poser's name) in 'Choice Ayres' (1681), as an instrumental lesson in the
second edition of 'Musick's Kecreation on the Viol, Lyra-way' (1682),
and in the first volume of the 1699 edition of 'Pills to Purge Melancholy'.
The Wives' Excuse.
Southerne's Comedy 'The Wives' Excuse' was produced at the end
of 1691, as is proved by a passage in the number of the 'Gentleman' 6
Journal' for Jan. 1691—2. It was published in 1692, with the following
title-page:
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music. 561
un
"The | Wives Excuse: | or, | Cuckolds make Themselves. | A | Come-
dy. | As it is Acted at the | Theatre-Royal, | By Their Majesties Servants.
| Written by Tho. Southern. \ Nihil est his, qui placere volunt, tarn
adversarium, \ quam expectatio. Cicero. | London, | Printed for Samuel
Brisco, | over against Will's Coffee- \ House, in Russel-Street, in Covent-
Gardm. 1692. !"
The cast comprised Betterton (Lovemore), Kynaston ( Wellvile), Williams
(Wilding), Bowman (Courtall), Michael Lee (Springame), Mountfort (Frien-
dall), Bright (Ruffle), Harris (Musick-Master), Mrs. Barry (Mrs. Friendall),
Mrs. Bracegirdle (Mrs. Slightly), Mrs. Mountfort (Mrs. Wittwoud), Mrs.
Cory (Mrs. Teazall) and Mrs. Richardson (Betty).
In the first Act (the scene of which is laid at a fashionable Music
Meeting) an Italian Song is sung, no words of which are given; there is
also a song Ungrateful Love ! thus ev'ry hour', written by Major General
Sackvile. In Act IV there is a song, 'Say cruel Amoret how long',
"written by a Man of Quality", and in Act V two more songs, 'Corinna I
excuse thy face' (words by T. Cheek) and 'Hang this whining way of
wooing'. Music by Purcell to all of these is in existence. 'Ingrateful
Love' and the two songs in the last Act were printed in the sixth book
of the 'Banquet of Musick' (licensed Feb. 17 th 1691—2); and the melo-
dies of 'Ingrateful Love', 'Say cruel Amoret' and 'Hang this whining way
of wooing' appeared in 'Joyful Ouckoldom', from which we learn that
the second song was sung by Mountfort and the last by Mrs. Butler.
An unidentified Play.
In an early manuscript preserved in the Library of St. Michael's
College, Tenbury, there exists a Cantata for a Solo voice headed 'The
Musick in the Play. H. P.' of which I have been unable to trace the
origin. The work is undoubtedly PurcelFs, but apparently no other copy
of it exists. Some little time ago part of the words were printed in
,Notes and Queries', in the hope that the play from which they were
taken might be identified, but the query met with no response, and I
therefore print the words again in full, in the hope that some student
of the 17 th century drama may be able to point out their origin. The
text is obviously corrupt, but the words are printed here in the form in
which they occur in the musical setting.
Verse. When Night her purple vail had softly spread
And busie men assembled with the dead,
When all was hush'd but Zephire's gentle breath,
Which cools the Aire, perfuming all the earth,
With silken wings thro' murmuring forests flies,
Spreading the sweets which from the Woodbine rise,
With hasty steps and a wild thoughtfull aire
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562 "W". Barclay Squire, Purceirs Dramatic Music.
Heedless of danger, guided by dispair,
The lovely Damon strives in thickest shades to mix,
On whom all graces do and all desires would fix.
While night he seeks, new day he seems to bring,
For blooming youth has light in everything.
He sighs, now weeps, then with a just disdain
Reproaches her he loves, alas! in vain.
The senseless nymph does on a satyr doat,
Dispising Damon, couples with a goat.
Under a mossy oake he thus begun,
Which, bending, seemed to listen as he sung.
"Ah Silvia, ah unkind, ah cruell faire,
To him so gentle, to me too severe,
Sweeter then the flow'ry Spring,
Then the dews which bees do bring
From opening budds which carefull wing,
Which when I strive to taste, like them you sting.
Great God of Love, to thee I cry,
Ah, pitty, pitty, for I dye.
While Silvia to a monster yeilds her every joy,
Ah, pitty, pitty, or I dye."
His trembling lips stopt here, nor cou'd he more,
But like a shipwreck thrown upon the shore
Daished with his tears all o're,
Then starting up, and with a mien that shew'd
Disdainfull joy, he smiling thus pursu'd:
"Dispair, thou bane to my heart,
For ever we'll part,
Be gone, tormenting care,
Her beast let her have
I'll ne'er be a slave to a barbarous faire."
Before concluding this examination of the plays for which Purcell
wrote music, there are three works which demand brief notice, since they
are included in some lists of the composer's dramatic music. 1. D'Urfey's
'Campaigners', a comedy produced in 1698, contains in the fourth Act,
a song 'New reformation begins through the nation' which exists in
D'Urfey's 'Songs Oompleat' and other similar collections 'Set to a Tune
of Mr. Henry Purcell's'. The date of the production of the play proves
that this was an adaptation made after the composer's death. 2. It has
already been pointed out, in discussing 'Oroonoko', that some copies of
the Dialogue, 'Oelemene pray tell me' are described as occurring in the
Second Part of Dryden's 'Conquest of Granada', and it seems probable
that the composition really belongs to Southerne's play and was intro-
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W. Barclay Squire, PurcelTs Dramatic Music.
563
duced at some later date into a revival of the 'Conquest of Granada9.
(3) One of D'Urfey's last plays, 'The Old Mode and the New', produced
in 1709, contains a song adapted to a tune by Purcell.
Summing up the results of this examination as to the dates of Pur-
cell's Dramatic Music, we obtain the results given in the following table.
They show a surprising activity during the last five years of the com-
poser's life, and point to his having during that period been permanently
engaged as composer to the Theatre Royal, but, though the list of his
dramatic work is remarkably long, it must be remembered that with the
exception of the Operas of 'Dioclesian' 'King Arthur', ,The Fairy Queen',
'The Indian Queen' and possibly 'The Tempest', the music he contributed
to the various plays generally consisted] merely of a few songs or in
some cases of a set of short instrumental pieces.
U
Abdelazer
D. L.
4th April, 1
L695.
Amphitryon
D. L.
October,
L690.
Aureng-Zebe
L692P-1694?
Bonduca
D. L.
Autumn,
1695.
Canterbury Quests
D. L.
Autumn, 1
.694.
Circe
D. G.
L685?
Cleomenes
D. L.
Spring, ]
L692.
Dido and JDneas
Priests' School
L688?-1689?
Dioclesian
D. G.
Summer, ]
L690.
Distressed Innocence
D. L.
Autumn, 1
L690.
Don Quixote Pt. I.
D. G.
Spring,
L694.
Don Quixote Pt. II.
D. G.
Summer, 1
L694.
Don Quixote Pt. HI.
D. L.
Autumn, !
1696,
Double Dealer
D. L.
November, :
L693.
Double Marriage
D. L.
L682 9-1685?
English Lawyer
L683?-1684?
Epsom Wells
D. G.
L693.
Fairy Queen
D. G.
April,
L692.
Fatal Marriage
D. L.
Spring,
L694.
Female Vertuosos
D. G.
Spring, 1
L693.
Fool's Preferment
D. G.
Spring,
L688.
Gordian Knot untied
Winter, 1
L691.
Henry the Second
D. L.
L692.
Indian Emperor
Winter,
L691.
Indian Queen
D. G?
Autumn, 1
L695.
King Arthur
D. G.
Summer, ]
L691.
King Richard the Second
D. L.
1681.
Knight of Malta
L686-1691.
The Libertine
16929-1695?
Love Triumphant
D. L.
Spring,
L694.
Maid's Last Prayer
D. L.
Spring,
L693.
Marriage-Hater Matched
D. L.
Spring, 1
L692.
Married Beau
D. L.
Spring,
L694.
Massacre of Paris
D. L.
Digit
L690?
zed by LrOOQ
564
W. Barclay Squire, Purcell's Dramatic Music.
Mock Marriage
d. g.
Autumn,
1695.
Oedipus
.
1692?
Old Bachelor
D. L.
January,
1693.
Oroonoko
D. L.
Winter,
1695.
Pausanias
D. L.
Autumn,
1690.
Regulus
Spring,
1692.
Richmond Heiress
D. L.
Spring,
1693.
Rival Sisters
D. L.
Autumn,
1695.
Bule a Wife and Have a Wife
1693.
Sir Anthony Love
D. L.
Autumn,
1690,
Sir Barnaby Whigg
D. L.
Winter,
1681.
Sophonisba
1685?-1693?
Spanish Friar
D. L.
1694?-1695?
Tempest v
1695?
Theodosius
D. G.
1680.
Timon of Athens.
1694.
Tyrannick Love
1694?- 1695?
Virtuous Wife
D. G.
1680.
Wives' Excuse
D. L.
Winter,
1691.
Unidentified Play.
?
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Arnold Schering, Zur Bachforschung II. 565
Zur Bachforschung II.
Von
Arnold Schering.
(Leipzig.)
In Jahrgang IV, S. 234 der Sammelbande habe ich den Beweis er-
bracht, daB von den sechzehn, von J. S. Bach fiir Klavier bearbeiteten
InstrumentaJkonzerten sechs von Antonio Vivaldi, die iibrigen von andern
zeitgenossischen Meistern, darunter B. Marcello und Telemann, her-
riihren. Als Verfasser des 13. Klavierkonzerts (Ausgabe der Bachgesell-
schaft, Bd. 42, S. 148), dessen erster Satz als Orgelarrangement wieder-
kehrt (B. A., Bd. 38, S. 196), wurde daselbst der junge Weimarer Herzog
Johann Ernst genannt. Die Angabe stiitzte sich auf die keineswegs
unglaubwurdigl erscheinende Beischrift auf dem Manuskript P 286 des
Orgelarrangements in der Kgl. Bibliothek Berlin. Eine Kontrolle dieser
Beischrift mufite damals unterbleiben, da mir iiber den Verbleib des ge-
druckten fiirstlichen Konzertwerks nichts bekannt geworden war. In-
zwischen ist dasselbe mir zu Gesicht gekommen und ich kann mitteilen,
daB zwei der Bach'schen Arrangements, No. 11 U-dur und No. 16
in D-Moll, darin enthalten sind, also Johann Ernst von Weimar zum
Verfasser haben.
Der Druck befindet sich im Besitze der GroBherzogl. Bibliothek zu
Weimar und tragt den Titel:
Six Concerts a un Violon concertant, deux Violons, un Taille, et Clavecin
ou Basse de Viole, de feu S. A. S. Monseigneur le Prince Jean Erneste,
Due de Saxe-Weimar. Opera Im*. Par les soins de Mr. Gr. P. Telemann.
1718. (5 Stimmhefte: Violino principale, Violino primo, Violino secondo,
Alto Viola, Cembalo [o Violoncello]).
Die Telemann'sche Vorrede, »Frankfort le 1. Febr. 1718 « unter-
zeichnet, enthalt folgende, auf die Personlichkeit des Herzogs beziig-
liche Satze:
Vous voyez, Lectenr, le nom du Serenissime Auteur sur le titre de cet Ouvrage.
Pour Petendue et le feu de son genie suplrieur, on ne sauroit vous les bien depeindre.
Vous en trouverez de belles StinceUes dans les Concerts qu'on vous offre. Sa vie n'a
pass^ que de peu dix-huit ans. Admirez-le d'avoir aquis a cet age d'aussi vaste lu-
mieres dans un art aussi difficile que la Musique. Le savant J. Lipse ecrit de lui
meme: QuHl avoit Tesprit docile et propre a toutes les sciences excepts la Musique.
v. Misc. Ep. 87. Cent. 3. Outre la composition de feu S. A. S. qu'on abandonne a
votre jugement. Elle jouoit en Maitre de plusieurs instrumens, sortout du violon. Ce
Prince fut attaque* vingt et un mois avant sa mort de la cruelle et douloureuse maladie
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/
566
Arnold Schering, Zur Bachforschung II.
qui le mit dans le tombeau. II ne laissa pas de composer; c'^toit la le meilleur re-
mede dont il adoucissoit ses maux; II entreprit meme de faire graver cet Ouvrage;
il n'eut pas le plaisir d'en' voir la fin; la mort vint le ravir, apres qu'il ent donne* ses
ordres pour le continuer, et y joindre une seconde Fartie, que vous verrez dans peu.
DaB jenes oben erwahnte C-dur-Konzert No. 13 sich wider Erwarten
nicht unter den sechs Stucken der Sammlung befindet, laBt wiederum
gelinden Zweifel an der Authentizitat der Uberschrift auf Ms. P 286 auf-
kommen. Immerhin ist es moglich, dafi es Bach im Manuskript vorlag
und von Telemann fur die angektindigte zweite Sammlung zuriick-
gestellt wurde.
Dem 11. Konzertarrangement Bach's (B. A., Bd. 42, S. 135) liegt das
erste Konzert des Fiirsten zugrunde. Die Tonart J5-dur hat Bach bei-
behalten. Die drei Satze tragen die Tempovorschriften Allegro — Adagio —
Un poco presto. Soli finden sich:
I. Satz. Takt 36—64 (geringe solistische Wirkungen auch in Takt 16-25 und 64—68,
wo Ripien-Violinen und Viola die Figur •? JJ fe *f J dur<Afuhren).
II. Satz. Im Original ausschlieClich fur Solovioline und Cembalo (beziff. BaO).
HI. Satz. Takt 18—30; 41-58.
Im Einzelnen ist manche durchgreifende Anderung von Bach's Hand
zu bemerken. Gleich der imitatorische Charakter der ersten Begleit-
figuren des Basses im ersten Satze ist ein Bach'scher Einf all ; das Original
hat nur den aufsteigenden Dreiklang. Auch weiterhin benutzt Bach das
auftaktige Dreiachtelmotiv im Basse, wo die Vorlage einfache Viertel zeigt
(Takt 10, 24, 25). In Takt 5 und 6 ersetzt der Bearbeiter den tonischen
Dreiklang durch den logischeren Sextakkord. Die Takte 13 — 15 (2. Viertel)
heiBen in der Vorlage:
£3£
S
H^V
Bach nutzt die Sequenz der vorangehenden Takte aus und bringt einen
Hohepunkt in die Linie, die Johann Ernst — wohl urn die 2. Lage zu
vermeiden — unschon abbricht. In Takt 19 hat die Vorlage das Ver-
setzungszeichen erst im letzten Viertel. In Takt 21 steht ebenda der
^-moll-Akkord, in Takt 22 der Sextakkord D-moll. Takt 25 in der Vorlage :
^Pir
und die folgenden Soloarpeggien durchweg uber drei Saiten:
wm
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Arnold Schering, Zur Bachforsohung II.!
567
Die Takte 53, 63, 74 sind von Bach — wohl zum Zwecke schoneren
Ausklingenlas8ens der Stimmung — hinzugefiigt. Die Schlufitakte 77
und 78 (Solostimme) liegen, wie Takt 76, im Original in der kleinen
Oktave.
Das Adagio beginnt in der Vorlage mit sechs Takten bezifferter BaB,
den Bach originalgetreu iibernommen und frei ausgesetzt hat. Die Be-
zifferung ist folgende:
6 «
7 6 4* 4+ 0
5 6 b 5 2 tt b 5j b tt 2 « 0 *
g - f - | f - - - | es f g - | c |bcd-|g)
Die Solostimme wurde im wesentlichen beibehalten, doch bilden alle
kleineren Notenwerte als #^ Zusatze des Bearbeiters. Die Anspielung auf
das Solomotiv in Takt 16 ist bachisch, ebenso die Punktierung der Basse
in den Takten 21 und 23 und ihre Fuhrung von Takt 16 — 19, wo das
Original vorschreibt:
p r^ n p i
ha hgah ces dgj
m
c c b a f g a
n n
bd c f
|| Von Takt 27 — 32 (erstes Viertel) ist wiederum (wie oben) das Klavi-
zimbel allein tatig. Takt 32 setzt die Solovioline frei imitierend Allegro
ein1) und gefallt sich in einem glanzenden Spiel mit Doppelgriffen, die
Bach in passende Klavierfiguren auf lost. Im Original heifit es:
Megro. ^^ ^^ HSI
¥=*=&*
gagg
ytJtJEJtnt
w
fc
frrfrf
%
* • f T H
^^
t3?&&m
•^ — b ' y n ^T
f
m
^
^
33
-#— *-
I0j^0
LLU
lllPiii§l^§=iS
* *
1) Diese eich aus dem Character des Satzes leicht ergebende Tempovorschrift
fehlt in der Bachausgabe.
2) Man beachte auch hier wieder das Vermeiden der zweiten Lage.
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568 Arnold Schering, Zur Bachforschung EL
Ein ahnliches Bild zeigen die folgenden Takte bis Takt 54, wo Bach
die originate Violinfiguration aufgreift, bis Takt 62 fortfiihrt und sich nur
in den beiden letzten eine geringe harmonische Veranderung erlaubt. Die
Takte 63 — 70 sind wie die entsprechenden am Anfang behandelt. Die
Violine konzertiert von Takt 71 an in gleichmafiigen Triolenfiguren:
^gip^ig^^glg
Nach Takt 74 hat Bach einen Takt ausgestofien (D-dur: d fis fis) und
gleich den nachsten mit der Septime aufgenommen. — Das Folgende
bietet zu neuen Bemerkungen keinen AnlaB. In Takt 106 und 107 bringt
das Original einfache Achtel auf d im Basse und in der Violinstimme
den D-dur-Akkord bezw. mit Septime.
Der dritte Satz zeigt vorwiegend rhythmische Anderungen. Den leb-
haften % Kontrapunkt, den die 2. Violine in der Vorlage ausfiihrt, hat
Bach der Klarheit halber unberiicksichtigt gelassen, dafiir aber dessen
schaukelnde Bewegung in den BaB gelegt. "Wo Bach Achtel im Basse
schreibt, bringt Johann Ernst (mit Ausnahme der Takte 12, 14, 78, 79)
zumeist den Bhythmus J /*. Takt 37, zweite Halfte, und Takt 38 erste
Halfte sind vom Bearbeiter hinzugesetzt ; das Original ftthrt den BaB
ilpfeS
6 S)
5
In den Takten 41 — 58 erscheint ein Konzertino von zwei Violinen und
Viola, der BaB schweigt. Bach hat die Oberstimme unverandert, von
der 2. Violine (die zur ersten in Gegenbewegung trittj und der Viola nur
den Charakter der Harmonie heriibergenommen.
Das zweite Arrangement, No. 16 (B. A., Bd. 42, S. 165) steht im fiirst-
lichen Konzertwerk an vierter Stelle. Die Tonart ist dieselbe geblieben:
D-moll. Folgende Tempovorschriften finden sich : I. Satz. Adagio e staccato
— piano e presto — Adagio e staccato — presto. II. Satz. Un poco Allegro
— Adagio. HE. Satz. Vivace. Die Prinzipalvioline tritt konzertierend
hervor :
I. Satz. Takt 6—60.
IL Satz. Takt 9-16; 20—30; 35—37; 49—61 {mit der 2. Violine); 67—72.
III. Satz. Takt 23—34; 38—44.
Die begleitenden Mittelstimmen in den Anfangstakten des ersten Satzes
haben im Original keine Durchgangsnoten. Ebenda steht im dritten
Viertel des 3. und 4. Taktes jedesmal der tonische Dreiklang (G-dur,
,4-dur), nicht der Sekundakkord, mit welchem Bach die Sequenz wurzt
Die Solopassagen des 2/4-Teils werden von den Bipien-Instrumenten mit
Viertelschlagen bezw. Achtelraotiven 1 J J J \ J begleitet und haben von
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Arnold Schering, Zur Bachforschimg II.
569
Takt 9 an die Fassung
aafafafd
Das folgende Adagio ist unter
Bach's Handen zu einer reizvollen Improvisation geworden. Anmutige
Verzierungen beleben die im Original eckige melodische Linie:
P^^^^^^^^^^
=3«
und durch Einfuhrung obligater Stimmen hat die homophone Achtel-
begleitung interessantere Gestaltung gewonnen. — Der zweite Doppelteil
des Satzes korrespondiert mit dem ersten und erfuhr eine dementsprechend
ahnliche Bearbeitung. Man beachte die neue Version der Begleitung im
zweiten Adagio.
Der folgende Satz besteht aus einer Reihe Variationen iiber ein acht-
taktiges Thema nach Art der »Folies d'Espagne*. Der Solostimme ist
Bach nur an zwei Stellen umbildend naher getreten: in den Takten
49 — 61, wo das Original gleichmaBige Sechzehntel vorschreibt, und spater
beim Ubergang von Takt 68 zu 71, der dort heiBt:
Bach hat ihn um das Doppelte erweitert (Takt 69, 70), nicht ohne damit
den Periodenbau erheblich zu verletzen. Die lebhaften BaBfiguren in
den Takten 17 — 19 ff. fehlen wiederum in der Vorlage; statt ihrer stehen
Viertel bezw. Achtel.
Ein kurzes Adagio-Intermezzo dient, wie so haufig im Kirchenkonzert
der Zeit, als Uberleitung zum Finale. Die Melodieskizze des Originals
hat folgende Gestalt:
Adagio,
ie£*e!e£
-*+■
=E*
£p£
Die Gebalknoten und scharfen Sekundenvorhalte riihren von Bach her.
Im Vivace finden sich nur unbedeutende, dem bequemen Klavierstile
zuliebe unternommene Anderungen, darunter wieder die beweglichen BaB-
figuren. Als bemerkenswert bliebe die anmutige Verteilung der Passagen-
gruppen auf zwei Stimmen in den Takten 38—44 hervorzuheben. In
der Vorlage fiihrt sie die erste Violine allein mit folgenden Varianten in
Takt 39, 41, 43 aus:
££&fc£|
Damit ist Bach's Bearbeitungstatigkeit in beiden Fallen ihren Haupt-
ziigen nach priizisiert. An den Konzerten Johann Ernst's Kritik zu Uben,
s. a. i. m. v.
37
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570 Arnold Schering, Zur Bachforschung II.
liegt nicht in meiner Absicht. Schon die Arrangements uberzeugen, daB
die musikalische Begabung des Prinzen weit iiber den Durchschnitt hinaus-
ging. Selbst wenn einmal nachgewiesen werden sollte, daB Telemann,
als pietatvoller Herausgeber, hier und da seine Hand mit im Spiele ge-
habt, wird man die Intelligenz anerkennen miissen, mit der der Prinz
si ch italienischen Vorbildern in Melodik, Stil und Architektur zu assi-
milieren gewuBt. Auch der beste Kenner altitalienischer Konzertkunst
mochte bei dem fiinften Konzert (E-dw) der Sammlung anf einen Voll-
blutitaliener raten; es ist dasselbe, dessen Mattheson in seiner groBen
GeneralbaBscbule (S. 392) ruhmend gedenkt.
Vorliegende Nachweise diirften dazu beitragen, die verbreitete, auch
von Spitta adoptierte Meinung zu verdrangen, Bach habe sich in den
zwanzig vorhandenen Arrangements im italienischen Konzertstil »iiben«
wollen. Sollte ein so scharfer Zuhorer und erfahrener Praktiker wie
Bach gegebenenfall8 wirklich zu einem so schiilerhaften Verfahren ge-
griffen haben? Im vorstehenden Falle kam ihm der italienische Stil —
■wie schon einmal bei Telemann — aus zweiter Hand, aus der Hand
eines Deutschen. Die daraus sich ergebende Frage: Was hat der
langst zum Meister herangereifte Bach von einem elf Jahre
jiingeren, achtzehnjahrigen Jiingling lernen konnen, der Italien
ebensowenig gesehen wie der Lehrer, dem er seine musikalische Fertigkeit
verdankte, Joh. Gottfried Walther? birgt einen Nonsens und ist am besten
geeignet, alle Zweifel zu zerstreuen. Bach's Schtilerschaft gegenuber den
Italienern lieB sich aufrecht erhalten, solange man in den Vorlagen samt-
lich Vivaldi'sche Originale erblickte. Nunmehr wird man den Zweck der
Arrangements doch wohl in der Praxis zu suchen haben und annehmen
konnen, daB die Vorliebe fiir das neue Konzert der Italiener binnen
kurzem so allgemein geworden, daB man sich den GenuB von besonders
beliebten Stiicken auch unter zwei Augen am Klavichord oder an der
Orgel zu verschaffen suchte. Bach's Arrangements waren demnach in
Zukunft lediglich als das anzusehen, was sie wirklich sind: als Klavier-
ausziige, »denen Liebhabern zur Gemiiths-Ergotzung*.
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Fritz Brtickner, Georg Benda and das deutsche Singspiel. 571
Georg Benda und das deutsche Singspiel1)
Fritz BrOckner.
(Leipzig.)
.... »aux von der Wahrhelt des Satzes
kauu ich mlch nicht abbringeo lassen:
die Music rerliehrt selbst, wo man ibr
alias opfertc Qcorg fienda
Das emste deutsche Singspiel wird entweder zu weit zuriickdatiert
oder verwechselt mit ahnlichen komischen Biihnenwerken. Weiter steht
seiner Schatzung das Urteil der meisten Fachmusiker entgegen, die ein
musikalisches Biihnenwerk mit Dialog, im ganzen genommen, nicht als
Kunstwerk gelten lassen wollen. AuBerdem hat sich Weber's »Frei-
schtttz* der Umstande wegen, unter denen dieses Werk gegen frcmde
Kunst ankampfen muBte, uns so fest eingepragt, daB aus der Zeit vor
Weber hochstens Mozart's »Entfuhrung« als ernstes deutsches Sing-
spiel bekannt bleibt.
Auch wo man sich mit Musikgeschichte beschaftigt, konnen die An-
gaben, das deutsche Singspiel sei durch ein englisches Singspiel veranlaBt
worden, wenig Interesse erregen. Diese Angaben sind falsch.
Auf Grund von Originaltheaterzetteln und im engsten AnschluB an
die teilweise ausgezeichnet bearbeitete Geschichte der deutschen Schauspiel-
biihne soil hier kurz zusammengefaBt werden, wie eigentlich Musik zur
deutschen fiiihne kam.
Es ergibt sich, daB beim Eintritt des deutschen Singspiels in das
Kepertoire eine genugende musikalische Vorbildung der AusfUhrenden
vorhanden war, daB nicht nur instinktiv, sondern mit vollem BewuBtsein
auf ein deutsches Singspiel hingearbeitet wurde, schlieBlich, daB der gro&te
fremdlandische EinfluB, der des franzosischen Singspiels, wenn auch nicht
beseitigt, so doch asthetisch iiberwunden wurde. Das ernste deutsche
Singspiel war der erste Versuch, auf deutscher Biihne die Stoffkreise
des Schauspiels und der Oper sich beriihren zu lassen. Der unkiinst-
1) Diese Arbeit hat sich im Laufe mehrerer Jahre aus einer hintorischen in eine
theoretisch-prinzipielle Untersuchung verwandelt. Deshalb sind verschiedene liebens-
wiirdig gewahrte Auskunfte noch unbenutzt gelassen. Ich mochte aber nicht unter-
lassen, alien Herren, die mich unterstiitzt haben, meinen herzlichsten Dank aus-
zusprechen, besonders den Herren Dr. Kopfermann-Berlin, Prof. (reorges-Gotha,
Dr. Walt her- Mannheim und Herrn Schatz-RostocV
»7'
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572 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche SingspieL
lerische Zauberspuk hat wieder die Trennung von Oper und Schauspiel
herbeigefuhrt. Die Schauspiel- resp. Opernhauser wurden immer groBer
gebaut, bis sich zunachst fur das Schauspiel das Bedurfnis nach kleineren,
intimeren Theatern wieder geltend machte. Klein waren die Theater des
18. Jahrhunderts, von denen im folgenden die Rede sein soil, alle. Es
sind sogar Baudimensionen bekannt, einige Theater1) stehen heute noch.
Dieses deutsche Singspiel muB daher mit dem MaBstab einer aus dem
Schauspiel heraus sich entwickelnden Musik beurteilt werden. Denn mit
dem Singspiel zugleich entwickelt sich die Schauspieltechnik, sie braucht
noch heute, was man damals der Musik im Melodram (Monodram) auf-
biirden wollte2), wahrend die Singspielmusik der sinnlicheren Gewalt der
Italiener weichen muBte.
Der historische Verlauf stellt sich also so dar, daB bei den Be-
strebungen, dem Schauspielrepertoire Abwechslung innerhalb asthetischer
Grenzen zu schaffen, ein Singspiel miterschaffen wird. Dabei versucht
man, ganz analog wie beim Schauspiel, an heimische Gebrauche, an die
Schule, an allgemein bekanntere Dichtungen und Gestalten anzukniipfen.
In der Ausfiihrung muB die Ahnlichkeit mit dem Pastorale und mit fran-
zosischer Konversationsphilosophie so viel als moglich vermieden werden.
Natiirlich kommt dabei audi viel Langweiliges und Ungeschicktes heraus.
Es ist vielleicht typisch, daB alles Sagenhafte, wie es die Romantik und
andere Richtungen des 19. Jahrhunderts fur deutsche Musik benutzen,
vermieden wird. Das Milieu des ernsten deutschen Singspiels ist die
Familie. Nur die den Franzosen nachahmende Richtung betont einen
sozialen Gegensatz — da ist er auch im ernsten Singspiel — und macht
aus dem ganzen Stuck den Beweis einer »Sentenz«. Die&e Sentenzen-
poesie finden wir als uberreifes Verstandesprodukt bei Spaniern, Italieneni
und Franzosen gleicherweise.
Das ernste deutsche Singspiel zeichnet sich vor allem durch seine
Decenz aus3). Die hochsten Affekte, von deren Wirkung die zeit-
genossischen Kritiken berichten, sind nicht in Sterbe- und Trennungs-
szenen, sondern in solchen Stellen zu suchen wie »Ihn wieder zu sehn,
meinen Romeo « 4); also nicht elementare Affekte, sondern die unwillkur-
lichen AuBerungen eines sorgsam gehiiteten und lange beherrschten
Empfindens wirken. Gegeniiber ausliindischen Vorbildern wird ganz ab-
sichtlich das Liebesleben der Hauptpersonen musikalisch nicht offen aus-
gesprochen, erst Not und MiBverstandnis, auch Zank lassen die wahren
Empfindungen zum Ausbruch kommen. Von der Verschwommenheit der
1) U. a. das Theater im SchloO Friedenstein in Gotha, wo Georg Benda wirkto.
2) N'amUch die langen Monologe.
3 Anders das siiddeutsche Singspiel.
4 Georg Benda, » Julie u. Romeo «.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deuteche Singapieh 578
Romantik ist, soweit die Musik in Betracht kommt, noch nichts zu merken,
auch der Dialog fangt an, sich der Musik anzupassen. Mit Mozart
setzt leider, yon diesem Standpunkt aus gesehen, die musikalische Ironie
vernichtend iiber dies Stiick deutschen Gemiitslebens ein. Nur wenn
man ein deutsches Singspiel musikalisch in dieser Hinsicht begreifen will,
kann man es schatzen. Die Textbucher beweisen ubrigens auch hier
wieder, da8, wie in der Geschichte des Liedes, die Musiker den Schatz
deutscher Empfindung verstandnisvoller zu wahren wuBten als die Dichter.
Die deutschen Singspiele des Dichters Friedrich Wilhelm Gotter
und des Komponisten Georg Benda, beide in Gotha, verdanken ihre
Entstehung besonders gunstigen Umstanden, die im folgenden dargestelit
werden.
Die Entwicklung der Musik bei der deutschen bttrgerlichen Butane.
Das deutsche Singspiel ist aus einem Bediirfnis der biirgerlichen
deutschen Biihne entstanden. Der historische Verlauf scheint folgender
gewesen zu sein: . .
Ein deutsches Berufstheater laBt sich etwa um 1700 l) erkennen. Auf
diesem wird teils der groBeren Anziehungskraft wegen, teils bei groB§rem
Wohlstand Zwischenaktsmusik 2J gemacht. Musik hingegen, die zum
Buhnenstuck hinzutritt, wird auf den Zetteln immer erwahnt. Sie ist
zunachst Dekorationsstiick, doch ist ihre Verwendung mit der Zeit
ziemlich groB. Die Zwischenaktsmusik hat es zu keiner bis jetzt bekannt
gewordenen Literatur gebracht. Dagegen nimmt die Manier, gewisse
Stiicke »mit Singen und Tanzen« zu beschlieBen, wahrscheinlich nach
franzosischem Vorbild, zu; es erhalten sich derartige Stiicke (Moliere,
Scarron usw.) sehr lange auf dem B-epertoire.
Weit bedeutender ist die Verwendung der Musik zum Tanz und zur
Pantomime. Sie hat uns hier nur insoweit zu interessieren, als aus der
groBen Zahl dieser teilweise >ernsthaften« Ballette3) auf ein rhythmisch
geschultes Personal und gute Kapellen geschlossen werden muB. Bis
zur »Sing«kunst war hier nur ein Schritt. Selbst die Verfertiger und
Komponisten soldier Handlungstanze sind, abgesehen von auslandischen
1) Vgl. Carl Heine iiber Johannes Velten (Diss. Halle 1887) und die Wander-
biihne (ibid. 1889) u. a. m.
2) Es werden zwischen jedem Aufzuge, statt der Musick, von zwey Kindern
sehenswiirdige T'anze aufgefiihret werden 27. Sept. 1741. Schonemann).
3, Eine Zusammenstellung nach Originaltheaterzetteln s: Anhang I.
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574 Fritz Bruckner, Georg Benda trod das deutsche Singspiel.
Ballettmeistern (Nicolini, Noverre), Schauspieler. Beriihmte Schauspieler
begannen als Tanzer1).
Durch Gottsched wurde das Theater mit der deutschen Literatur
verbunden. v Es mangelte*) indessen bald an Stucken; auch wollten die
ganz groBen Tragodien nicht gefallen. Mit Kecht wehrte sich Gottsched
gegen das italienische Harlekinspiel8), obgleich er der Musik an sich
durchaus nicht abgeneigt4) war. Er griff zum Schaferspiel und brachte
es nach einer Tragodie als zweites Stiick des Abends. Diese Zwei-
teilung ist das wichtigste Prinzip der reformierten Biihne ge-
worden. Wahrend namlich die Wanderbuhne gewShnlich:
1. Hauptstuck,
2. Tanz,
3. Nachspiel (ulkig)
brachte, trat mit Gottsched's Reform ein nach alien Seiten befriedigendes
Theater ins Leben. Freilich blieb auch jetzt die notige Produktion des
Schaferspiels aus, aber es fanden sich doch bald geniigend Schauspiele,
die, entweder gekiirzt oder gleich so geschrieben, zu zweit an einem
Abend aufgefiihrt wurden. Innerhalb dieses Schemas trat das Singspiel
dann an zweite Stelle und verdrangte den Tanz resp. das Ballett. Das
Schema lautet nun:
Schauspiel , Schauspiel
Schauspiel Singspiel.
Schon einige Gr^try'sche und italienische Singspiele iiberschreiten
dann den zeitlichen Umfang solcher Einteilung, aber erst die »Zauberflote«
zerstort definitiv den Zusammenhang zwischen Schauspiel und Singspiel.
Der Untergang des Singspiels ist dadurch ebenso bedingt, wie durch die
groBen Leistungen Mozart's usw. erklart.
Auf der mittelalterlichen Biihne ist die Musik entweder der Kirchen-
musik entnommen oder dramatisch unwesentlich 5). Auch sonstige Stich-
proben ergeben kein Besultat bez. der Verwendung der Musik. Z. B. ist:
Olla potrida des durchgetriebenen Fuchsmundi (1711) von J. A. Stranitzky,
65 Szenen mit etwa 20 Liedeinlagen, die nach Gottsched von Schauspielern
viel zum Vortrag benutzt wurden, kein Original, wie R. M. Werner6) nach-
gewiesen hat, sondern, wie das meiste Deutsche, TJbersetzungen aus dem
Italienischen. Die bekannten Harlekinaden fallen hier weg, weil sie alles
auf eine oder wenige Melodien gesungen bringen: da kann, trotz des spaB-
haften Charakters, von musik dramatischer Form nicht die Rede sein.
1) z. B. Schroder.
2) Neuber an Gottsched.
3) Auch Ri c c ob o n i und viele andre auCern sich entrustet liber diese unflatige Pigur.
4] Seine >Atalanta< wurde mit Musik (Lied) aufgefiihrt.
5; S. Creizenach, dagegen sind Lieder der Maria Magdalena, der Sunderin, er-
wahnt, die fast dramatischen Zweck haben.f?)
6) Wiener Neudrucke. Demnach aus Gherardi'e Theatre italien entnommen.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 575
Die geistigen Stromungen, welche der Erschaffung eines Singspiels
vorangehen, Bind leicht gekennzeichnet: Auf der einen Seite der HaB
gegen die italienische Oper, auf der andern Seite der Gedankenreichtum
der franzosischen Aufklarung. In beiden Fallen wird nichts geleistet,
weil einer nutzbringenden Asthetik die wichtigste Grnndlage fehlt,
standige Theatervorstellungen. Manche Unternebmungen werden vielver-
sprechend eroffnet und geben aus finanziellen Griinden unter.
Das Repertoire des 18. Jahrhunderts, welches sehr viel franzosische
Stiicke enthielt, fand nun in Lessing's Stticken, in seiner Anwendung
des Blankverses und in seiner erfolgreichen Hinweisung auf die englische
Biihne neue, ausgiebige Nabrung. DaB aber damals mit englischen
Stiicken auch ein englisches Singspiel1) mit zu uns heriibergekommen
sein soil, ist falsch. Man ging wohl bei dieser Annabme von der fie-
merkung auf den Theaterzetteln aus: »Erster Versuch vom Gebrauch des
englischen Theaters*. Einmal wird das bekannte angebliche Singspiel
>Teufel ist los« aber als Lustspiel aufgefiihrt, und dann befindet sich
ebengenannte Bemerkung schon vorher auf den Theaterzetteln bei Auf-
fiihrung englischer Schauspiele. Auch die Kritiken spaterer Zeiten,
und Schroder's Mitteilungen lassen diese Stiicke als nicht wertvoll er-
scheinen. Gut war daran nur die Handlung, die das bekannte Motiv
der Zahmung einer bosen Frau darstellt. Die wenigen anderen, mit
Musik versehenen Stiicke1), die ich auf Originaltheaterzetteln verzeichnet
fand, sind gleichfalls wertlos. Die Musik war hier nur Aushangeschild.
Unterdessen mehrten sich die Schauspieltruppen und nahmen sich das
Brot weg. Da wollte es der Zufall, daB ein bereits erfolgreicher Schau-
spieldichter, Christian Felix WeiBe, der, durch die Kriegsverhaltnisse in
Sachsen gezwungen, die Begleitung eines Aristokraten ins Ausland iiber-
nommen hatte, in Paris Favart'sche Singspiele sah und ihre Verpflanzung
nach Deutschland anregte. Wie einst Gottsched der Neuberin von Leip-
zig aus zu Hilfe gekommen war, so erschienen WeiBe und der Thomas-
kantor Hiller dem bedrangten Schauspieldirektor Gottfried Heinrich
Koch mit ihren Singspielen als Retter in der Not.
Diese Bettung bleibt das Verdienst der WeiBe-Hiller. Das fran-
zosische Singspiel selbst dagegen wurde in Deutschland bereits mehrfach,
und sogar franzosisch ausgefiihrt. Besonders verdienstlich f iir die Uber-
setzungen hat sich Theobald Marc hand mit seiner Truppe gemacht —
Die Favartfschen Singspiele wurden behandelt von Auguste Font. Sie
sind dort mit Becht niedriger gehangen worden. Leider kann hier auf
feinere Unterschiede nicht hingewiesen werden, doch geniigt es vielleicht,
zu bemerken, daB Gr£try'sche Singspiele textlich und musikalisch den
Favart'schen Singspielen iiberlegen sind. Gr£try war in Italien gewesen.
1) S. Anhang II.
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576 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
— 1766 gelangt, abgesehen von vereinzelten, noch nicht aufgeklarten
Bestrebungen, das erste Singspiel »Lisuart und Dariolette* von Weifte-
Hiller am Dienstag, den 25. November 1766 in Leipzig im Theater am
Ranstatter Thor von der Truppe des Gottfried Heinrich Koch zur Auf-
fiihrung. Hier stocken die Mitteilungen, denn die ersten Theaterzettel
aus jener Zeit sind bis jetzt unaufiindbar.
Fur das deutsche Singspiel schien eine zeitlang Weimar1) der geistige
Mittelpunkt und Anfang werden zu sollen. Die berlihmte Truppe des Abel
Seyler hatte dort bereits ihren standigen Kapellmeister, Anton Schweitzer,
und das Gliick wollte es, daB Wieland sich fiir eine deutsche Oper be-
geisterte. Solche Bestrebungen sind nicht selten in jener Zeit, gehen aber
vielmehr aus langst erhobenen theoretischen Forderungen hervor, als aus
einem wirklichen Bediirfnis resp. Verstandnis. Schon die Stoffwahl der
>Alceste« als einer deutschen Oper beruhrt merkwiirdig, die > Rosamund*
ist stofflich eher deutsch zu nennen: dieser Oper schadete es sehr, daB
ihre am 11. Januar 1778 in Mannheim angesetzte Auffiihrung durch
den Tod des Kurflirsten verhindert wurde. Noch ist zu erwahnen der
»Giinther von Schwarzburg* von Holzbauer, gleichfalls als deutsches
Singspiel resp. Oper gemeint. Hermann Kretzschmar hat die Partitur
herausgegeben und die Oper ganz offen als eine Bliite der italienischen
Oper bezeichnet.
1774 brannte in Weimar das SchloB mit dem Theater nieder, die
Truppe des Abel Seyler fliichtete, rait den besten Empfehlungen des
Weimarer Hofes versehen, nach Gotha und wurde dort nach kurzer Zeit
in ihren wesentlichen Bestandteilen der Grundstock des ersten deut-
schen stehenden Hoftheaters.
1775 — 79 hat dieses Theater unter glanzenden Auspizien bestanden.
Hier fanden Georg Benda, seit 1750 Hofkapelldirigent2), und der Dichter
Friedrich Wilhelm G otter, ein geborener Gothaer und im hoheren Justiz-
fach angestellt, die so notige dauernde Anregung durch eine lebendige
Biihne; innerhalb dieses Zeitraums schufen beide diejenigen Werke, von
denen im nachfolgenden geredet werden soil.
Georg Benda ist geboren am 30. Juni 1722, nach einer bohmisclien
Matrikel von Neubenatek, die mit dem Jahr 1722 beginnen, in Altbena-
tek in Bohmen. Der Name Benda ist in der Musikerwelt so zahlreich
vertreten, daB eine Biographie von Georg Benda nur auf Grund authen-
tischer Belege gebracht werden konnte3). Was Benda's Tatigkeit fiir
das Theater anbelangt, so ist nur folgendes als sicher hervorzuheben:
l; Hi Her widmete seine >Jagd< der Herzogin Anna Amalie v. Sachsen- Weimar-
Eisenach, das Werk wurde auch dort zuerst am 29. Januar 1770 von der Koch'schen
Truppe aufgefuhrt. 2) Erst sp'ater Hofkapelldirektor.
3 Dies wird fur seine Stellung als Kammer- und Kirchenkomponiat wichtig sein.
Die Verwechslungen der einzelnen » Benda « konnen hier nicht registriert werden.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 577
Der Konig von PreuBen fand in Franz Benda, aus derselben Familie
der Bendas, eine ihm so zusagende Personlichkeit, daB er ihn an das
erste Geigenpult seines Orchesters berief. Entweder hat er nun selbst
andere Glieder dieser Familie nach Berlin kommen lassen, oder diese
kaben solchen AnlaB dazu benutzt, genug, Georg Benda ist 1740 bestimmt
in Berlin und laBt dort auch Kompositionen (nicht dramatisch) erscheinen.
1749 stirbt in Gotha der Kapellmeister Stolzel. Die nahen Be-
ziehungen zwischen dem gothaischen und preuBischen Hofe haben jeden-
falls dazu beigetragen, Georg Benda an diese Stelle gelangen zu lassen.
Schon in Stolzel hatte der Gothaer Hof einen ausgezeichneten Kompo-
nisten und Orchesterchef gehabt; Benda fuhr in diesen Bahnen sehr er-
folgreich fort und erwarb sich namentlich durch seine Kirchenmusik Ruf
und Ansehen. Er war auch selbst Virtuos auf verschiedenen Instrumenten.
Die finanzielle Lage des Herzogtums erlaubte es, wohl noch eher als dem
Weimarer Hofe, manche Summe ftir exotische Porzellane, astronomische
.Studien und fur souverane Zeitungen auszugeben. So sandte man auch
Georg Benda nach Italien mit der bedeutenden Summe von 1000 Talern,
um sich in der Opernkomposition zu vervollkommnen. Benda lieferte
nun auch eine italienische Oper und ein ebensolches Intermezzo und
dirigierte verschiedene italienische Intermezzi bedeutender Meister in
Gotha, aber seine Abneigung gegen die italienische Oper lieB keine nach-
haltigen Resultate hervorgehen.
Es vergingen mehrere Jahre. Benda wurde 53 Jahre und war bereits
25 Jahre im Dienst, als die Ankunft der Seyler'schen Truppe und die
Errichtung eines Hoftheaters seine bereits anerkannte dramatische Kom-
positionsfahigkeit in FluB brachte. Innerhalb der Jahre 1775 — 78 schrieb
er in Gotha seine erfolgreichsten Werke. 1778 nahm er plotzlich, mit
Verzicht auf seine Pension, seinen Abschied. Die vielen VerdrieBlich-
keiten, die den Herzog 1779 bestimmten, sein Hof theater wieder auf-
zulosen, warfen schon hier ihre Schatten voraus. Jedenfalls trug zu
diesem EntschluB die Personlichkeit Anton Schweitzer's1) das meiste bei.
Wesentliche Bestandteile des Gothaer Hoftheaters gingen in das
Schroder sche Unternehmen in Hamburg und in das Dalberg'sche in Mann-
heim iiber. Deshalb treffen wir auch 1778 Georg Benda in Hamburg,
1779 reist er nach Wien, wo er ein neues Werk auf die Hofbiihne bringt,
1781 ist er in Paris, wo er Auffiihrungen seiner Werke beiwohnt, schlieB-
lich 1784 in Mannheim, wo er Abschied von der Buhne nimmt.
Die Zeit hat sich unterdessen verandert, Benda denkt an sein musi-
kalisches Testament, nimmt die ihm zustehende Gothaer Pension jetzt
willig an und lebt fur sich, abwechselnd in Ronneburg, Ohrdruff, Georgen-
1} s. u. a. Ekhof'8 Quittungsbuch ;Goth. Hofbibl.)
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578 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
thai und Kostritz. In Kostritz stirbt . er am 6. Nov. 1795, nachdem er
die franzosische Revolution noch miterlebt hatte.
Der neuen Zeit sich als Dramatiker anzuschlieBen gelang ihm nicht
Noch 1783 hatte er seine dramatischen Prinzipien in einem Aufsatz »iiber
das einfache Rezitativ« wortlich fixiert und den Grundsatz seiner dia-
logisierten Singspiele mit den Worten ausgesprochen : . . . »nur von der
Wahrheit des Satzes kann ich mich nicht abbringen lassen:
die Musik verliehrt selbst, wo man ihr alles opfert1).* Spater
wandte er sich von der Biihne ganz ab, nachdem er sich in seinem letzten
Werke2) mit seinem Dichter Gotter nicht mehr recht verstandigen konnte.
Am Ende seines Lebens wurde er noch wankend in seinen Prinzipien,
und wollte seine > Julie und Romeo «-Partitur ins Italienische ubersetzt und
mit Rezitativen versehen wissen2), ein letzter Beweis, daQ das deutsche
Singspiel auch geistig sich dem Untergang zugeneigt hatte.
Suchen wir nach den typischen geistigen Voraussetzungen, von welehen
ein deutsches ernstes Singspiel im 18. Jahrhundert ausging, so finden sich
vornehmlich zwei Richtungen vertreten: die eine Richtung ist total un-
musikalisch: wenn sie daher Musik im Biihnenstiick einfiigen will, so muB
sie damit entweder eine moralische Befriedigung erleben, oder es muB
ein solches Lied derart »vorbereitet« aus dem Dialog in die Musik treten,
dafi es natiirlich dann nur noch die Handlung *auf halten kann.
Beide Tatsachen sind leicht zu erklaren: Das merkwiirdige Be-
diirfnis des 18. Jahrhunderts, sich gegen die Endresultate der franzosischen
Aufklarung durch ein lacherliches Verbinden jeder Materie mit Moral
und angeblicher Lebensweisheit zu wehren, fiihrt auch Chr. Felix Wei Be
dazu, statt einfach eine Nachahmung ruhig einzugestehen, nachtraglich
folgende Motivierung fiir seine Singspiele zu finden: > er hoffte,
dafi das allgemeine und gesellschaftliche Vergniigen wiirde
befordert werden. Es schien ihm fiir die Deutschen vorteil-
haft, wenn sie zura gesellschaftlichen Gesang angeleitet
wiirden.c Diese aus seiner nachgelassenen Selbstbiographie stammenden
Worte stimmen mit der Wirkung dieser Singspiele tatsachlich uberein,
nur ist der innere Grund ein ganz anderer: es hatte einige Jahre vorher
eine volkstiimliche Liedbewegung eingesetzt, und da diese Singspiellieder
meist in sich abgeschlossen und mit einer bestimmten Handlung nicht
eng verbunden waren, wurden sie viel gesungen und hielten aus diesem
Grunde die Handlung mit auf dem Repertoire. Benda's Singspiele da-
gegen sind popular gewesen, ohne dafi seine Lieder8) »Gesellschafts-
gesang* wurden.
1) s. Anhang IV. 2) s. Anhang V. Briefe Benda's an Gotter.
3) Ein neuer Beweis dafur in Fried lander's unterdessen erschienener Geschichte
des deutschen Liedes im 18. Jahrhundert.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 579
Eine weitere Yeranlassung hatte diese unmusikalische Bichtung in der
damaligen Dialogtechnik des Schauspiels. Aus der scholastischen Zeit
ist eine unangenehme, breite Rhetorik iibrig geblieben. Man meinte nun,
namentlich vor der Zeit der Stiirmer und Dranger, alles durch moglichst
viel Worte und lange, allgemein gehaltene Satze deutlich zu machen, so
daB sich einige Verfertiger von Singspielen sogar rtthmen, WeiBe tiber-
troffen zu haben dadurch, daB sie jedes Lied endlos lang im Dialog vor*
bereiteten.
Diesen Tatsachen steht die musikalische Bichtung diametral gegen-
iiber. Es sind die Musiker und Regisseure, die hier in Dichtung, Dialog
und Lied eingreifen. An den Benda'schen Singspielen sind derartige
Bestrebungen und Yerbesserungen durchgehends zu beobachten.
Friedrich Wilhelm Gotter war in "Wetzlar Mitglied jener bekannten
Tafelrunde gewesen, an der auch Goethe teilgenommen hatte. Nach
Gotha zuriickgekehrt, fand er Anstellung im Justizamt, versaumte aber
deshalb nicht, sich an Theatervorstellungen zu beteiligen, deren Leiter
er bald wurde. Dies alles hat Rudolf Schlosser.in seiner Biographie *)
Gotter's erschopfend dargestellt. Fur uns ist es hier nur wichtig, zu be-
tonen, daB franzosische Bildung und Sprache am Gothaer Hofe sehr
beliebt war und sich namentlich auf das erwahnte Liebhabertheater
erstreckte. Rousseau war bekannt. Weiter hatte Hiller in Leipzig 1765
eine fiir die Asthetik bemerkenswerte Zeitung: » Wochentliche Nachrichten
und Anmerkungen die Musik betreffend* angefangen, in der unterm
5. August 1766 eine umfangreiche Kritik iiber die schon erwahnte
italienische Oper Benda's erschien. Diese Zeitung bringt ganze Ausziige
aus Rousseau's Dictionnaire musical, so daB Rousseau also selbst in
Musikerkreisen langst bekannt war. Damit ist die Frage, ob Benda
Rousseau gekannt hat, bestimmt zu bejahen.
Es ist nun merkwurdig, daB in Leipzig das Singspiel und in Gotha
das Monodram aus franzosischer Anregung hervorgeht. Das Nahere
wiirde eine Untersuchung fiir sich ausmachen. Hier muB nur erwahnt
werden, daB die scfcne lyrique »Pygmalion« von Rousseau in Deutschland
bekannt war, daB Melodramen schon vor Benda geschrieben und kom-
poniert wurden, daB aber Benda mit seiner > Ariadne und Medea « eine
Stilgattung fand, die mit der Rousseau'schen Erfindung nur das AuBere
gemein hat. Die Monodramen Benda's sind nur Stilproben, durch die
er sich auf das Singspiel vorbereitet, ihr Erfolg ist der zufalligen meister-
haften Darstellung zu verdanken.
Georg Benda schrieb 13 Werke fiir die Btihne:
1) In Litzmann's theatergeschichtlichen Sammlungen, auf die ich auch sonst oft
zuriickgreifen muCte.
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580 Fritz Briickner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
Auszu8cheiden sind:
Xi.ndo riconosciuto. Italienische Oper. Aufgefiihrt am 10. August 1765
in Gotha zum Geburtstage der Herzogin Luise Dorothea von Gotha.
II buon marito. Intermezzo. Aufgefiihrt 1766 in Gotha.
Der Findling. Kinderoperette. (Auf dem Repertoire fand ich nur ein Scbau-
spiel desselben Namens viel aufgefiihrt.)
Cephalus undProkris, Melodram von C. W. Ramler, Auffiihrung im Kon-
zert des Kammermusikus Fr. Westenholz, Berlin , Montag 25. November 1805,
auf der Biihne mit anderer Musik gegeben.
Philon und Theone. Melodram, urspriinglich »Almansor und Nadine« be-
titelt, im Wiener k. k. National-Hoftheater n'achst der Burg im Juli 1779
aufgefiihrt.
Bedeutend sind die folgenden Werke:
Ariadne1;. Monodram. (Text von J. Chr. Bran des.) Erste Auff iihrung
Freitag, 27. Januar 1775 in Gotha im SchloCtheater am Ballhause von der
Truppe des Abel Seyler.
Der Dorfjahrmarkt (Jahrmarkt: »Lucas und Barbchenc). Singspiel. Unter
verschiedenen Titeln ein- und zweiaktig aufgefiihrt, Text von Fr. W. G otter.
Zuerst gegeben am Freitag, den 10. Februar 1775 in Gotha im selben Theater
wie das vorhergehende.
Medea. Monodram1). Text von Fr. W. Gotter. Erste Auff iihrung in Leipzig,
im Koch'schen Theater, unter Direktion von Abel Seyler, am Montag.
1. Mai 1775.
W alder. Singspiel1). Text nach »Sylvainc von Marmontel-Gretry von
Fr. W. Gotter. Erste Auffiihrung: Gotha, Freitag den 23. Februar 1776
im herzoglichen Hoftheater.
Julie und Romeo. Singspiel1). Text von Fr. W. Gotter nach Shakespeare.
Erste Auffiihrung Mittwoch, 25. September 1776 im Gothaer Hoftheater.
DerHolzhauer. Singspiel l) . Text von Fr . W. G o 1 1 e r nach Perrault . Erste
Auffiihrung: Gotha, Hoftheater, Freitag, 2. Januar 1778.
Pygmalion. Monodram. Text nach Rousseau von Fr. W. Gotter. Erste
Auffiihrung Montag, den 20. September 1779 im Gothaer Hoftheater.
Das tartarische Gesetz. Singspiel. Text von Fn "W. Gotter nach den
»gliicklichen Bettlernt von Gozzi. Erste Auffiihrung in Hamburg, im
Schroder 'sch en Theater am Gansemarkt am 19. Juli 1780.
Wichtig fur das Repertoire des 18. Jahrhunderts sind geworden:
Ariadne.
Medea (Originalpartitur: Bibl. Berol. mscr. 1352;.
Dorfjahrmarkt Originalpartitur: Bibl. Berol. mscr. 1358).
Julie und Romeo (Originalpartitur: Bibl. Berol. mscr. 1354 b;.
n.
Die Monodramen Benda's.
Das Wort Melodram hat zu bedenklichen Verwechslungen gefiihrt
Melodramma per viusica ist die Bezeichnung fur Oper.
V Uber die Bezeichnungen Monodram, Melodram, Singspiel s. sp'ater, iibcr Erst-
auffuhrungen 8. Anhang III.
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Fritz Bruckner, Georg Bend a und das deutsche Singspiel. 581
Als dramatische Gattung genommeh existieren Melodramen nicht.
Musik und gesprochenes Wort gleichzeitig durchgehends auf der Biihne
verwendet, wirkt storend. Dagegen hat man melodramatische Einzelheiten
gern gebraucht, um das Seccorezitativ zu vermeiden.
Fur das 18. Jahrhundert liegt die Erkl&rung fiir die Melodramen auf
dem Theater in der intimen Vdrfassung der kleinen Theater und dem
schwachbesetzten Orchester. Die Musik ist dabei vollkommen Neben-
sache, es handelt sich lediglich um die dramatisch wichtigste Stelle fiir
die Heroine, dazu um eine Kraftprobe der Empfindung und der Lunge,
kurz, um eine Greneralprobe fiir eine neue Kunst. Es erweist sich dies
aus dem Schauspielrepertoire der damaligen Zeit. Allerdings war man
in der theatralischen Kunst iiber die gr5bsten Unanstandigkeiten
hinaus, man hatte dafiir aber zwei Dinge eingetauscht, die nicht
weniger unangenehm waren. Auf der einen Seite die Tendenz: z. B.
wird ein Spieler nicht derart dargestellt, um durch den Konflikt von
Leidenschaft und Leben zu erschuttern und dadurch eventuell zu be-
lehren, sondern es wird, lediglich um zu belehren, der Typus »gemalt«.
Einem solchen Bediirfnis, zu malen, ist auch das Monodram zu ver-
danken, nur fiigten es da die Umstande und bedeutenden Talente anders.
Auf der andern Seite wurden Empfindungen kultiviert und nach be-
stimmten Rezepten den rhetorischen Dialogen beigegeben. Dies fiihrte
in der ganzen Literatur schlieBlich zu der bekannten Empfindungs-
meierei1).
Da gelang es, aus lebendiger Biihne Leidenschaft zu gebaren. Schon
» Ariadne* schlug neue, kraftige Tone an, aber erst mit der > Medea «
feierte die deutsche Schauspielkunst einen entscheidenden Sieg. Was
hatte nun eine » Medea* noch mit den lyrischen und philosophischen
Spekulationen eines Rousseau'schen » Pygmalion* zu tun?
Von Benda's Musik zu diesen Monodramen ist in den Kritiken weniger
die Rede. Die Musik leistete hier eben ganz andere als asthetische Dienste.
Sie vermochte nur, der Stimme einer Medea soviel Untergrund zu geben,
daB sie Steigerungen anwenden konnte, die, ohne musikalischen Hinter-
grund, zu grell und gellend gewirkt batten.
Wenn wir die Texte der Benda'schen Monodramen betrachten, so sind
es im wesentlichen Monologstudien. Ihre Wirkung nach dieser Richtung
auf die Schauspieldichter ist sehr groB gewesen.
Alle diese Grrunde fiihren mich dazu, diese Stiicke, bei
denen die Musik nur eine Nebenrolle spielt, nicht Melo-, son-
dern Monodramen zu nennen. Es sind allerdings Versuche gemacht
worden, solchen AVerken eine ganze dramatische Form zu geben; man
1) Soldier muBte sich selbst Schiller fugen: man sehe sein Vorwort zu seiner
»Raiiber<auffuhrung auf den Theaterzetteln.
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582 Fritz Bruckner, Georg Benda and das deuteche Singspiel.
fiigte irgend eine Person zu und nannte es dann Duodram. Dariiber hat
sich Kotzebue in seiner Parodie der Bendaischen Ariadne lustig gemacht.
indem er sie Triodrama nennt. Ernster war der Yersuch des Dichters
einer »Sophonisbe«. Dieser empfand es wenigstens, daB ein Einfiigen
der gesamten Vorfabel in den Monolog unkunstlerisch war, und schrieb
einen ausgezeichneten Yersprolog. Leider ignorierte man, wie er klagi.
solche Prologe bei Auff lihrungen. Indessen fiihrte damals das Monodram
immerhin zur besseren Ausniitzong musikalischer Krafte, wobei nicht zu
verkennen ist, daB hier ein wesentlich besserer Gebrauch von der Musik
gemacht wird, als bei der Zwischenaktsmusik.
SchlieBlich muB noch erwahnt werden, wie Benda auf die Monodram-
komposition kam. Der Schauspieler J. Chr. Brandes1), dessen Frau und
namentlich Tochter eine groBe Rolle in der Theatergeschichte gespielt
haben, berichtet, dafi er eine > Ariadne « fur seine Frau nach einem
Gerstenberg'schen Gedicht schrieb und yon Schweitzer komponieren lieB.
Das war also noch in der Zeit, als die Seyler.sche Truppe in Weimar
war. Diese Musik soil Schweitzer aber zur »Alceste« verwendet haben.
In Gotha hat er den Text Georg Benda angeboten. Was daran wahr
ist, muBte eine Schweitzer-Forschung ergeben. Wichtiger ist die Nach-
richt von anderer Seite, daB Benda durch das eigentiimliche Organ der
Frau Brandes zu einem solchen Yersuch angeregt worden sei.
Ariadne auf Naxos.
Der Ariadnestoff ist in der Operngeschichte oft und von groBen
Meistern behandelt worden. Gleich zu Beginn der Oper schreibt Monte-
verdi 1608 ein Werk, dessen Wirkungen in einer groBen Lamento-
literatur zu verfolgen sind. Das verlassene Weib, das in liebender Ftir-
sorge den Helden rettete, war in seinen Klagen gewiB ein jederzeit tief-
riihrendes, anziehendes Problem.
Es muB dem Textverfasser Brandes auch irgend solch' alter Text vor-
gelegen haben, denn seine dem Diodor angeblich entnommene2) Fabel
entspricht dem Text nicht. Zu einer kritischen Arbeit, wie der Stoff in
der Operngeschichte verwendet worden ist, bediirfte es einer, sonst recht
lohnenden literarischen Vorarbeit. Mir scheint, daB musikalisch die einen
von den Klagen der verlassenen Ariadne ausgehen — die Italiener gehen
da immer medias in res; — die andern das Erwachen der Ahnungslosen
mit ihren Konsequenzen malen. Letzteres wird hier der Fall sein.
Das Monodram zerfallt in 3 Teile: 1. Theseus nimmt von der
schlafenden Ariadne Abschied. 2. Ariadne erwacht, erinnert sich, angstigt
sich, sucht. 3. Ariadne springt ins Meer3).
1) Selbstbiographie, Berlin, Maurer 1800, unzuverlassig.
2) S. Textvorrede.
3) Dies letzte Bild malte Schroder in Hamburg auf seinen Theatervorhang !
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Fritz Bruckner, Q-eorg Benda und das deutsche Singspiel. 583
Der erste und letzte Teil sind oberflachlich ausgefuhrt. Mit Recht
setzt die schon erwahnte Parodie1) vonKotzebue besonders da ein, als
eine unsichtbare Oreade der Ariadne den Weggang des Theseus mitteilt
und, unklar mystisch, sie auffordert, als Stthne fiir die Gottheit ins Wasser
zu springen. Auch im Mittelteile hat die Dichtung groBe Fehler. Statt
hier dem Komponisten ganze aufsteigende Empfindungslinien zu bieten,
redet Ariadne von Sonne und herrlicher Gegend und gleich darauf von
schaudervoller Wildnis. Diese konditionellen Empfindungen (meist immer
in Hinblick auf den Geliebten), das Schonste h&Blich und das HaBlichste
schon zu finden, sind ein schwerer Schaden fttr den Komponisten. Trotz
alledem steckt aber ein deutscher Kern in dem Stuck. Bei der ent-
scheidenden Stelle, als Ariadne das Schiff des Theseus wegziehen sieht:
»Ah! Verrater! Mein Ungliick ist gewifi« (sinkt zu Boden}
und in den ersten Worten ihrer Klage: >Mich so zu hintergehen« zeigt
sich der Sinn fiir wirkliche dramatische Gestaltung.
Medea.
Frau Seyler und Frau Brandes scheinen auch dem Charakter nach
fiir hochdramatische Situationen pradestiniert gewesen zu sein. Ihrer
Bivalitat verdanken wir die > Medea «, die Benda fiir Frau Seyler kom-
ponieren muBte. Man muB sagen, daB dies Werk nicht nur durch die
Frau Seyler erfolgreicher gewirkt hat, sondern auch tatsachlich wertvoller
als die » Ariadne* ist. Neubelebungen haben teils stattgefunden2), teils
sind sie geplant3).
Ort und Zeit der Handlung : der Hochzeitstag Jasons und der Kreusa
in Korinth. Medea auf ihrem Drachenwagen fahrt an. Der Dichter zeigt
sie zuerst als ungliickliches, verzweifeltes Weib. Erst daraus wird das
mehrfach zuriickgedrangte Eachegefiihl entfacht. AuBerst geschickt, wenn
man die Form einmal will gelten lassen, treten die auBeren Umstande
jeder besseren menschlichen Regung in den Weg, namlich:
1. Medea, im Gefuhl des tiefsten Schmerzes ob ihrer Verlassenheit : >Ich bin
allein in der Schopfung*. (Man hort yon feme die Musik des Aufzugs).
2. Medea: (sich vor ihren auf die Biihne kommenden Kindern in Ruhrung ver-
bergend) stiirzt wutend hervor, als der jungere Knabe die Hoftneisterin .
fragt, ob sie »fur die neue Mutter* beten sollen.
3. Medea, die mit dem Gedanken, ihre Kinder zu ermorden, umgegangen war.
stoBt diese von sich und bittet die Parzen, sie als zu schlecht von dieser
Welt wegzunehmen.
Gefolge: (hinter der Biihne) Heil! Heil! Heil sei Jason und Kreusa! Heil
sei den Neuvermahlten!
1) Es existiert auch eine Parodie von Perinet-Wien (1803) mit Musik von Satzen-
hofer.
2) Nach Mitteilungen des Herrn Prof. Schlosser-Jena und Frau v. Benda-Berlin.
3) Nach Mitteilungen des Herrn Dr. Batka-Prag.
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584 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
Medea (auffahrend): Verflucht 8ei Jason tind Kreusa! Verflucht die Neu-
vermahlten usw. usw.
Von hier an stort ein Prunken mit griechischer Mythologie. Medea
hat ihre Kinder hinter der Szene umgebracht und ftihlt die (unsicht-
baren) Furien um sich schweben. So weit ist alles einem deutschen
Publikum noch verstandlich. DaB sich nun ab'er diese Furien nicht auf
sie, sondern auf ihren Wunsch auf Jason stiirzen sollen, ist unlogisch
und jedem Empfinden zuwiderlauf end : entweder ist Medea ein mit gott-
licher Macht ausgeriistetes Wesen, dann fallt jeder innere Konflikt weg,
und wir stehen mitempfindend vor dem Rachewerk einer Gottheit, gegen
die der Mensch ohnmachtig, impar ist; oder Medea ist ein Mensch, dem
nur gewisse ubernatiirliche Krafte gegeben sind, dann steht sie selbst
unter gewissen Gesetzen1). DaB sie der Dichter in ihrer Macht beschrankt
wissen wollte, geht schon aus der, der Sage widersprechenden Stelle her-
vor, als sie bei ihren Rachegedanken zunachst, psychologisch ganz richtig.
Kreusa toten will und zu sich spricht:
>Torichte, womit schmeichelst du dir? — Aus Jupiters Blut gezeugt und von den
Schutzgottern Korinths bewacht, spottet Kreusa d einer machtlosen Wut.c —
Wenn ihre Macht da versagte, wo sie, wenigstens menschlich be-
trachtet, begriffen werden konnte, wie verhalt es sich dann mit den
Gottern, die Medea, nach ihrem Kindermord, uberdies bei der Wahn-
sinnskreierung des Jason mit den Worten anruft:
>DaC er2) sehe,
>DaC er hore,
>Da6 noch Gbtter,
»G6tter lebenlc
Und alles dies war so unnotig. Ist doch in den Worten: •
»Wo ist nun die Herrliohkeit, die dich fullte, du stolzer Palast? Wo deine
Wachterin, die Freude? — Deine Marmorw'ande triefen von Blut — Verwesunsr
briitet in den goldenen Gem'achern — weg von dir, Hohle des Todes — <
ein Hohepunkt erreicht, der mutatis mutandis an Shakespeare gemahnt.
Bis hierher macht es Vergnugen, sich Musik hinzuzudenken, dann aber
tritt eine Abschwachung der Wirkung ein, deren Grund prinzipieller Natur
ist und auch im Sibgspiel stort.
Jason erscheint in >orestischer Raserei*, glaubt zu brennen und wircl
von Medea, die auf ihrem Drachenwagen verschwindet, in sein Ungliick
eingeweiht. Wenn nun im Monodram kein Ton gesungen werden darf,
und erst Medea und dann Jason Schmerz iiber den Tod der Kinder
auBern, so tritt ein Parallelismus der Empfindungen ein, der fur
dramatische Musik die schwerste Schiidigung bedeutet. Darin zugleich
1) Gerade dies hat Goethe im Faust so wundervoll durchgefuhrt.
2) Jason.
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Fritz Bruckner, Gteorg Benda und das deutsche Singspiel. 585
ist auch das seit Jahrhunderten instinktiv gesuchte asthetische Gesetz
iiber die Mitwirkung der Musik im Drama enthalten, wie es schon text-
lich aus unsern Volksliedern hervorleuchtet: verschiedener, und unter
sich abgestufter Ausdruck, die Tone der obersten Leidenschaften
nur fluchtig und verdeckt angeschlagen. Zum Ausrasen ist deutsche
Musik zu gut.
Das Empfinden, den Parallelismus der inneren Vorgange zu vermeiden,
fiihrt iiberhaupt auf die Frage nach verschiedener musikalischer Form des
Dramas. Die Oper schlechthin kann es gar nicht vermeiden, auf feste Pole,
etwa Liebe — HaB, gewissermafien magnetisch immer wieder aufzulaufen, ihr
Differenziervermogen besteht dann nur darin, bei jedem Beruhren solcher
Pole starker aufzutragen und so, durch das sinnliche Element der Musik, zu
kolossalen Finales und Kadenzen auszuladen. Schon Son n en f els (18. Jahr-
hundert) empfand instinktiv die daraus resultierenden, ewigen Kadenzierungen
der Opernmusik storend.
Es gibt sehr viele Mittel, solche Parallelen zu vermeiden. Past jedes
technische Mittel der Biihne versagt einmal innerhalb des Biihnen-
stiicks, z. B. lauter Prosa, lauter Poesie und auch lauter Musik. Es
ist dies der Grund, warum pantomimisch-tanzartige Schliisse schon friih
auf der Biihne gebraucht werden. Ware das Monodram nun eine wirk-
liche dramatische Gattung, so hatte man hier einen pantomimischen
SchluB brauchen miissen : z. B. Jason hat seine toten Kinder im Hause
gesehen, tritt heraus, und stummes Spiel bezeichnet nun die Empfindungen
der Medea und des Jason, unterstiitzt durch die Musik. So ist aber
von einer dramatischen Verwendung der Musik nichts zu sptiren, das
Ganze wirkt wie ein herausgeschnittenes Bild (vom Standpunkt der musi-
kalischen Materie aus), bei dem durch Ungeschick ein Stiickchen des
nachsten Bildes mit herausgeschnitten wurde. Gerade am Schlusse kann
man sehen, wo Verstandnis fur musikdramatische Wirkung vorhanden ist.
Mit dem » Pygmalion « gab Rousseau den AnstoB zur Monodram-
bewegung. Neuerdings hat man sich mit der Frage nach der Musik des
» Pygmalion* von Rousseau stark beschaftigt und glaubt, eine Partitur
dieser Musik von Rousseau selbst entdeckt zu haben. Es ist vollig un-
wesentlich, ob Benda diese Musik gekannt hat oder nicht, mit den Ideen
Rousseau's war er lange bekannt, und von dem Musiker Rousseau konnte
er kaum etwas lernen.
Der Pygmalionstoff ist sehr verbreitet und beliebt in der Opern-
geschichte. Wohl die erste bedeutende Oper dieses Namens ist, auf den
Text von Minato, von Draghi 1689 in Wien aufgefiihrt worden. Fur
Rousseau war jedenfalls Rameau's Werk von Bedeutung, als Einlage im
Ballett: »Le Triomphe des Arts*, 1748 aufgefiihrt und bis 1781 sehr
haufig gegeben.
s. d. i. m. v. 38
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586 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel,
Es steht mir durch die Giite des Herrn Schatz-Rostock fast die ge-
samte Pygmalionliteratur zu Gebote. Ich kann daraus fiir meine Zwecke
entnehmen, daB Rousseau den Stoff langst vorfand, daB dann der Stoff
sehr oft von Italienern und Franzosen benutzt worden ist, und daB wir
im wesentlichen kein bedeutendes deutsches Werk dieser Art besitzen.
Selbst die Grotter'sche Ubersetzung des Rousseau'schen Textes ist ver-
grobert, erreicht bei weitem nicht die ganz eigentiimlich vibrierende,
darin aber auch heiB temperierte Originaldichtung. Ganz typisch 6ind
die Veranderungen, die Gotter mit dem franzosischen Original vornimmt,
doch wurde das hier zu weit fiihren.
Wollte man die Monodramen Benda's einteilen, so wlirde man darait
gleichzeitig die ganze Monodrambewegung einteilen konnen. So gehorten
dann » Ariadne* und » Medea « in die klassisch-antike Richtung, » Pygmalion <
in die philosophische Richtung, schlieBlich >Cephalus und Prokris« unter
die — Schaferspiele. Hier also wieder ein Riickweg zu Gottsched. Und
welch' reizend lyrische Stellen enthalt der letztgenannte Text, wenn er
nur nicht eine ganz komplizierte Mythologie voraussetzen wiirde. Der
Versuch, im Monodram Chore einzufiihren, fiihrte zu nichts.
HI.
Die Singspiele Benda's.
Der Dorfjahrmarkt.
Es ist auffallend und beweist die Neigung Benda's zum Singspiel ent-
schieden, daB er schon 14 Tage nach seiner, seit 9 Jahren zum ersten-
mal wieder aufgenommenen Opernkomposition, nach dem Debut mit
der > Ariadne*, ein Singspiel herausbringt. — Der Urtext dieses Singspiels
ist genau fast gar nicht festzustellen. TJrspriinglich einaktig, wurde es
von Hiller in zwei Akte auseinandergezogen, urspriinglich ernst, wurde es
im Laufe der Zeit mit komischen Elementen >erweitert«. Benda empfand
daher das Bediirfnis, irgend eine Passung definitiv als richtige festzustellen,
und so tragt denn die erwiihnte Berliner Originalpartitur den Vermerk : >So
ist dieses in die Kurze gezogenes Singspiel 1785 in Mannheim gegeben. «
In bezug auf die Veranderung des musikalischen Teils stellt sich
folgendes heraus. Die Anzahl der Lieder ist ganz verschieden: die Original-
partitur weist die wenigsten Stiicke auf, eine geschriebene Mannheimer
Cembalopartitur 15 Nummern (wovon zwei aber als wegzulassen bezeichnet
werden), eine gedruckte Partiturausgabe (Schwickert) 15 Stiicke, schlieBlich
ein Hiller'scher Klavierauszug 22. In alten Regiebiichern finden sich auch
die Zeitangaben fiber die Dauer der Auffiihrungen, niimlich meist durch-
gestrichen: Anfang 1;4 nach 7 Uhr, Ende beinahe 3/4 nach 8 Uhr, und
dafiir gesetzt: Anfang :,/4 nach 7 Uhr und Ende 3,4 nach 8 Uhr vorbei.
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Frits Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 587
Da dies auch bei > Julie und Romeo « der Fall ist, sehe ich das wieder
als Beweis an, daB man lieber zwei Stiicke an einem Abend mit gleich
verteilter Zeit geben wollte, als solchen musikalischen Erweiterungen sich
zuganglich zu zeigen.
Der Text ist wahrscheinlich so ziemlich original. Was Brandes iiber
dessen Entstehungsgeschichte berichtet, ist unglaubwiirdig. Danach soil
ein Schauspiel von J. J. Engel, »der dankbare Sohn«, in ein Singspiel
verwandelt und von Benda bereits komponiert worden sein. Auf die Inter-
vention verschiedener Manner, u. a. Ekhofs, der in dem obengenannten
Schauspiele den Vater Rhode gab, sei es vom Herzog verboten worden, und
man habe nun umgeandert, so gut es ging. Engel soil den Plan, Gotter
den Dialog verfasst haben. Da nun Brandes die Entstehung dieses Sing-
spiels aus den Erfolgen der Monodramen herschreibt, so ist sie ja schon
zeitlich ganz unmoglich denkbar. Der EngeFsche Text1) zeigt keine Ahn-
lichkeit mit dem Gotter'schen Jahrmarkt, Werbeszenen sind einer ganzen
Anzahl Theaterstlicke eigen und haben bereits zu Spezialarbeiten Ver-
anlassung gegeben.
Die reizende Idee, einen Jahrmarkt zur Grundlage eines Stiickes zu
machen, ist fur diese Biihne neu. So etwas muB Goethe mehrfach vor-
geschwebt haben, was nahelegt, daB Gotter aus Wetzlar solche An-
regungen mitbrachte. Die Handlung ist sehr einfach: AuBer verschiedenen
Jahrmarktsgestalten: u. a. Lene2), auch Tirolerin genannt, von derLeip-
ziger Messe, handelt es sich um die iiblichen Gruppen von Herr und
Bauer3). Die psychologische Konsequenz ist sehr fein und interessant:
Eine Bauerntochter Barbchen4) liebt einen Burschen Lukas und mochte
bald Hochzeit halten. Ein Oberst5), der eben auf sein Gut zuriickkehrt,
wird Vertrauter ihrer Liebessorgen und erfahrt dabei auBerdem, daB sein
Neffe8), Werbeleutnant im nachsten Flecken, den Madchen nachstellt.
Der Oberst verspricht nicht nur seine Beihilfe zur Beschleunigung der
Hochzeit, sondern mochte seinen Neffen ganz gern einmal ein bischen
von den Madchen zurechtgewiesen sehen. Dies Moment fiihrt zur Ver-
wicklung. Barbchen, sich des Ruckhalts in der Person des Obersten be-
wuBt, tritt bei Gelegenheit dem Leutnant freier entgegen. Dieser aber
1) >Der dankbare Sohn.a Ein l'andliches Lustspiel in einem Aufzuge von J. J. Engel.
Frankfurt u. Leipzig, 1775.
2) Reizendes Lied z. B. >alles in Paris erdacht, und in Leipzig nachgemachtc, in
alien Partituren.
3) Anfangschor der Bauern. Mit ver'andertem Text zura Volkslied geworden.
Fehlt z. B. im Schwickert'schen Druck.
4) Auftrittslied, in alien Partituren, aber mit verschiedenem Schlufi.
5. Sein Lied, wie uberhaupt sein Gesang, von Benda ganz gestrichen, von Hi Her
um eine rasselnde Arie verlangert.
6 Singt uberhaupt nicht.
38*
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588 Fritz Bruckner, Georg Benda und da3 deutsche SiDgspiel.
weiB es einzurichten, daB er sie kuBt, Lukas kommt dazu, und die Ent-
zweiung1) ist fertig. AuBerdem bewegt sich ein Feldwebel auf dem Jahr-
markt, der zum Werbeleutnant gehort. Es fallt ihm leicht, den zornigen
Lukas anzuwerben2), indem er ihn beim Wein sich einfach in Zorn reden
laBt. Barbchen erscheint zur rechten Zeit, Lukas reiBt aus, als er seine
Dummheit einsieht. Er wird eingeholt, Barbchen bringt das ganze Dorf
auf die Beine. Leider steht nun in der Originalpartitur ein Lied des
Vaters des Barbchen, ein Lob der Faulheit3), das dem sonst ziemlich emst
gehaltenen Stoff etwas Lacherliches verleiht. Allerdings ist die ganze
BUhne leer, und ein gewisser Zeitraum muBte markiert werden, bis die
Soldaten mit Lukas wiederkommen. Der Oberst tritt auf, den iibrigens
Barbchen schon suchen gegangen war, alles klart sich auf, Lukas wird
frei, Barbchen bedankt sich.
Hiller hat diese so einfache Handlung in 2 Akte zerteilt und nicht
nur eigene Kompositionen eingeschoben, sondern auch zuweilen Benda korri-
giert. Auffallend ist der Unterschied der Originalpartitur mit dem Hiller-
schen Klavierauszuge. Benda hat schlieBlich, bis auf das erwahnte Lied
des Vaters Paul, fast alles aus der Musik eliminiert, was nicht auf das Paar
Lukas und Barbchen Bezug hat. Statt dessen hat er innerhalb der spar-
lich benutzten Situationen seine Lieder etwas musikalisch erweitert, auch
bei Wiederholungen mit belebenden Bhythmen versehen. Die einzigen
Ensemblesatze gehen direkt aus der Handlung hervor, namlich das Duett:
Lukas und Barbchen zanken sich, und das Terzett: Lukas, Lene und
Feldwebel wollen zur Stadt aufbrechen, Lukas nimmt Abschied vom
Dorfchen. Hiller dagegen komponiert resp. behalt bei: ein Auftrittslied
des Obersten, der von Erinnerungen ganz unwesentlicher Art singt, ein
zweites Lied desselben, in dem er von der Hochzeit zu Barbchen singt4 ,
Barbchen singt eine Romanze von einem verungliickten Liebespaar; aus
der szenischen Anweisung, daB ein Jude etwas stiehlt, den Lukas dann
schiitzt, wird ein »Tumultgesang«, ebenso entsteht ein Ensemblesatz, bei
Gelegenheit der gewaltsam versuchten Abfiihrung des Lukas durch Sol-
daten usw. Etwas Ahnliches werden wir bei »Walder« sehen.
Gehen wir zur Kritik des Textes iiber, so zeigt sich Gotter als Keu-
ling, wie auch ein Brief schreiber5) an ihn an seinem letzten Werk fiir
Benda6) mit Recht den glatteren Dialog riihmt. Offenbar hat der Dichter
1) Duett, erstes Auftreten des Lukas. Nur ein Mannheimer Hegiebuch laBt ihn
beim Anfangschor anwesend sein.
2) Wozu verschiedene, meist von Benda weggelassene Lieder dienen.
3) Sollte hier nicht Kotzebue eingewirkt haben?
4) Dieses Lied laut Vorrede fiir den Schauspieler dieser Rolle in Leipzig. Die
musikalische Steigerung: >Kranz .... in Deinen Locken, in Deinen Locken*, ist
lacherlich.
5) Boie (im NachlaC Gotter's, im Besitz der Frau v. Zech-Gotha).
6] Das tartarische Gesetz.
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Fritz Briickner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 589
Komisches, der Komponist Ernstes gewollt. DaB Benda in die Texte
erheblich hineinkorrigierte, sieht man nicht nur aus seinen Brief en1) an
Gotter, sondern auch an geradezu inspirierten Stellen in >Julie und
Romeo*2). Skrupellos nimmt auch Gotter alles nicht von ihm Stam-
mende in seinem Text auf, ohne es zu erwahnen. Aus den Vorreden
seiner Texte ergibt sich, daB er von der Art eines Singspiels keine Ah-
nung hat, und die merkwiirdige Verachtung, die diesem von Literaten und
Schauspielern entgegengebracht wird, teilt Abgesehen vom Dialog, ist
auch die Liedpoesie so ungeschickt, ja so mangelhaft deutsch, daB man dem
Komponisten einigeweniger gelungeneKompositionen nicht verargen mochte.
Die Musik ist teilweise feurig, teilweise anmutig, herzlich und einfach.
Der SchluB, das Danklied Barbchens an den Oberst, fallt freilich aus
der Rolle, indem er ein ausgefiihrtes Koloraturstuck darstellt3). Meister-
stiicke sind: 1. Ein Lied Barbchens:
Ja4), Lukas dieser Hut soil dich,
Dich diese Schleife zieren;
In diesem Hute sollst du mich
Zum Traualtare fuhren.
Allein, wie leicht kann unsre Huh,
IndeB ein Unfall storen!
Ach, Lukas, ach! daB ich und du
Schon an der Kirchtur waren!
Schon dieser Poesie sieht es der Leser sofort an, daB sie als selb-
standiges Lied ohne weiteres nicht ganz verstandlich ist, daB sie ent-
schieden eng in eine Handlung hineingehoren muB.
2. Duett. Lukas und Barbchen >Glaubest du mit Schmeicheleyen*.
In seiner knappen Fassung ist es dem Duett in » Romeo und Julie« zu
vergleichen. Auch unter den von Benda selbst gestrichenen Liedern
sind einige gute Stellen zu finden. Im groBen ganzen aber scheint ihm hier
doch die sichere Schulung gefehlt zu haben, wie auch Gerber einmal er-
wahnt, daB Benda k ein en Kompositionsunterricht empfangen habe.
Walder.
Bei diesem Werke5) ist der Vergleich zwischen dem Text des »Silvain«
1- S. Anhang, Brief vom 8. Okt. 1786.
2) Julie: Alle Gedanken verlieren
Sich in dem Wonnegedanken,
Meinen Romeo zu sehn. —
3; Die Erweiterung geschah einer Sangerin zuliebe.
4; Julie und Romeo: >Ja, der Lerche friihe Kehle
Meldet, daB der Tag erwachU.
Schon dieser AnschluB mit ja, keineswegs schon, ist doch musikahsch.
5) Eine Originalpartitur kam mir nicht zu Gesicht. Nach Mitteilungen des Herrn
Prof. Dr. Sandberger-Munchen kann auch die inMunchen befindliche nicht Original
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590 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
von Gr^try und dem des > Walder* von Gotter das Interessanteste.
Benda hat Gretry's Musik gekannt. Auch ist das Gretry'sche Stuck in
Deutschland vor dem von Benda gegeben worden.
War im Dorf jahrmarkt die Moglichkeit einer komischen Episode ge-
geben, so ist hier in keiner Fassung eine solche zu bemerken.
Ein Sohn vornehmer Eltern hat ein armes Madchen geheiratet und
lebt unter dem Namen Sylvain oder Erast oder Walder unter Land-
leuten als einfacher Landmann. Durch Verkauf der Herrschaft wird der
zweite Sohn dieser aristokratischen Familie, ein Bosewicht, Herr dieser
Lander. Der Konflikt ist da, der alte Vater tritt als Better in der Not
auf, Versohnung. Der ganze Text, auch Marmontel's Erz'ahlung, wiirde
uns nicht interessieren, wenn nicht ein sozialer Gedanke von dainals
weittragendster Bedeutung darin verarbeitet ware. Es handelt sich urn
die beriihmte These des Landeigentums und der Jagdfreiheit.
Alle Texte Benda'scher Singspiele f angen gleich mit Musik *) an. Das
ist schon ein Unterschied mit der Singspielmusik anderer Komponisten.
Es ist dies urn so wichtiger zu bemerken, als ja Benda so wenig als
moglich Gesangstiicke einstreut, wahrend die mehr franzosische Bichtung
an einem UbermaB hochst unnotiger »Sinngedichte«2) leidet. Trotzdem
sehen wir hier, daB dem Anfang des Originaltextes noch ein Lied von
Benda vorgeschoben wurde. Wie erklart sich das? Einfach daraus, daB
das deutsche Singspiel viel mehr auf die Entwicklung, d. h. doch auf
das Mitempfinden des Zuschauers gibt, als auf die Katastrophe und ihre
meist ganz klaren Folgen. DaB dies hier durchaus nicht etwa durch
asthetische Erkenntnis geschieht, ist fur die Form des Singspiels un-
wesentlich und trifft als Schuldigen den Dichter.
Da sich dies Verschulden des Dichters in alien Texten nachweisen
laBt, so diirfte hier eine Vermutung uber ihre Ursache ausgesprochen
werden: Es macht immer den Eindruck, als konne der Dichter Regie-
anmerkungen, selbstandiges SchlieBen des Zuhorers, pantomimische [An-
weisungen an die Schauspieler und eigentlichen Text nicht voneinander
trennen. Es machen alle Texte einen unfertigen Eindruck. Ein Bei-
spiel hier: Walder entschlieBt sich, mit seiner Familie der Begegnung
mit seinem Vater auszuweichen. Das ist klar und verstandlich. Die
daraus folgende wehmiitige Empfindung heiBt: wenn ich tot bin, wird
mein Vater mich erst wahrhaft vermissen. Auch dies ist musikaJisch
durchaus richtig wiederzugeben; denn der Zuhorer soil vor allem den
Eindruck gewinnen, daB es sich hier um zwei Manner handelt, deren
Grundansichten ihnen ihre gegenseitige stets lebendige Zuneigung verbietet.
1) Was in manchen Regiebiichern ausdriicklich vermerkt ist.
2) So bezeichnet in einer Vorrede zum >Tempel des Ged'achtnissest.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 591
Statt dessen geht nun Gotter weiter und macht aus dieser wehmiitigen
Erinnerung :
Ach, danu wirst du mir doch verzeihen,
Wann einst der Tod, nach triiben Tagen,
Das Herz mir bricht
etwas ganz Lacherliches: die falsche Vorstellung, daB in jedem Gesang-
stiick ein ganzer Konflikt liegen muB, laBt den Dichter nicht einsehen,
daB ein solcher Mensch doch keine Sympathie erregen kann, der nach
16jahriger, freiwillig auf sich genommener Trennung von zu Hause noch
wie ein Kind von verzeihen redet. Genau so machte es Gotter im »Dorf-
jahrmarkt«, als er dem Oberst das Lied von Jugenderinnerungen in den
Mond legte; statt zu dem SchluB zu kommen: wie war die Jugend
schon, flickt er die Klausel an: alles ist nichtig! Dieses Ubermotivieren-
wollen zeigt sich auch in der Veranderung der Handlung. Bei Grdtry
ist Walder auf die Jagd als Lebensunterhalt mit angewiesen, er will
zur Hochzeit seiner Tochter einen Braten schieBen, und dies fiihrt zum
Konflikt mit den Jagern seines Bruders. Bei Gotter will sich Walder
durch die Jagd nur zerstreuen, und seine Frau behauptet, einen Braten
gar nicht zu brauchen. —
Im Mittelpunkt der Handlung steht ein kleines Idyll, welches sich
zwischen dem Weggehen Walders zur Jagd und seiner plotzlichen, von
Jagem verfolgten Zuruckkunft abspielt. Wir sahen, daB ein solcher
Kontrast schon im »Dorfjahrmarkt« — Lukas fliehend, wird eingeholt —
zum Notausweg eines humoristischen Liedes ftthrte.. Dieses Idyll be-
steht darin, daB die Mutter mit der festlich geschmuckten Braut noch
eine Zwiesprache vor Ankunft des Brautigams halt, wobei der allzu
lyrisch gehaltene Ton einige Auffrischung durch ein jungeres Schwester-
chen erhalt, das die weisen Lehren ihrer Mutter natiirlich nur iiuBer-
lich versteht und verwertet. Ein solches jungeres Schwesterchen (Suschen)
war auch im »Dorfjahrmarkt< vorhanden, es hatte dort dem Vater ein
Lied zum Geburtstag am Bett gesungen und Geld eingeheimst, das es
zum Ankauf einer >Lukas«puppe verwendet hatte. So bezeichnend die
Verliebtheit Barbchens sich im Vergessen von Vaters Geburtstag erwies,
vermied es Benda doch, das Geburtstagslied1) von Suschen mitten im
Jahrmarkt singen zu lassen. Hier, im » Walder «, haben wir aber darin
einen Fortschritt zu verzeichnen, denn gerade dies jungste Tochterchen
tragt zur Wiederversohnung des GroBvaters spater unbewuBt bei. Solche
Idyllen finden wir bei Gretry oft, sie sind zweifellos zunachst dem
italienischen Pastorale entlehnt. Ein Vergleich mit Benda ergibt aber,
daB Benda diese Szene weitaus besser und herzlicher faBte.
1) Komponiert und gedruckt.
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592 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
Ich hatte das Gliick, alte Textdrucke1) und Regieblicher von GretrVs
>Silvain< vergleichen zu konnen. Mir wurde dabei die Uberlegenheit der
franzosischen Bildung klar. Auf der andern Seite wachst aber unter den
Ubersetzern, indem sie sich vom Wortiibersetzen frei machen, das Ver-
standnis fiir das Bediirfnis der Musik doch mehr und mehr an, und ver-
glichen mit dieser Zeit, erscheinen Gotter's Verdienste groBer. Man
riskiert jetzt lieber einen gewohnlichen Reim2) und schreibt kurze Zeilen,
wodurch man vollstandige Klarheit der Phrase erhalt. Macht nun der
Franzose den Fehler, zuviel Gemeinplatze — Philosophic konnten wir
sagen — in den Reim zu packen3), was bei seiner Sprache tatsachlich
nicht so auffallt, so zeigt sich in der deutschen Singspielpoesie inuner
mehr das Bestreben nach kurzer Zeile und kurzen Reimen. Man
scheint diese Abkiirzungstechnik4) zuerst im Dialog versucht zu haben,
wo sie naturlich nicht am Platz ist. Auch jenes Prinzip, mehrere Verse
auf eine Melodie zu singen, miisste damit fallen, damit zugleich die
Moglichkeit, Geschichten in Liedern zu erzahlen. So sind auch in diesem
Idyll nur die ersten Zeilen gelungen:
>Selbst die gliicklichste der Ehen,
Madchen, hat ihr Ungemach* usw.
Weiter erkennen wir, in Ubereinstimmung mit dem >Dorfjahrmarkt«
und » Romeo und Julie*, daB eigentlich immer — eine weibliche Person
das Hauptinteresse in Anspruch nimmt: im >Dorfjahrmarktc das un-
verheiratete Madchen, in »Julie und Romeo* die Geliebte, im »Walder«
— die Matrone. Auch hier, im »Walder«, scheint der Komponist sich
1) Namentlich durch die Gttte des Herrn Sch at z- Rostock. Ein Textdruck a.
Regiebuch 1777, Textdrucke 1778 usw., man sieht daraus die Beliebtheit des Gretry-
schen Stiickes.
2) Z. £. Letztlich merke dir, Pauline,
DaO oft eine einz'ge Miene
Den Gatten zu besanft'gen diene,
Zurnte er auch noch so sehr.
Gute Worte, sanfte Ziige
Stellen Ruh und Frieden her. (1778.;
was musikalisch genommen immerhin besser ist als derselbe Vers 1777 (Dobbelin^
Heiter jedes Gliick ertragen
Und in Gramm (!; erfullten Tagen
Standhaff(!; bey den Schmerzen lacheln
Diess macht unser Leben schon
Im GenuB getreuer Liebe
Kami man alien Gram verschm'ahn.
3; Mit den Unterschieden der Verwendung der Sprachen fiir die Musik mag Rous-
seau zuweilen doch R-echt haben (Lettre sur la musique fran^aise), mir ist bei meinen
Studien aufgefallen, daC es im Franzosischen vorteilhaft fiir die Musik ist, an Sub-
stantive angeschlossene Adjektive h inter das Hauptwort zu setzen.
4) Z. B. tDorQahrmarkt*. Ih! Blitz, Halt! Erst mich angehort! M! usw.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 593
iiber seine Gestalten erst spater klar geworden zu sein, denn er gibt
seinem Text noch einen Anhang1), in dem wir einen wirklichen Sing-
spielschluB empfinden. Der Inhalt dieser letzten Zeilen der Sophie ist
einfach der Ausdruck des geangsteten Weibes, das noch die ganze
Schwere seines Schicksals empfindet, als auch die auBere Gefahr bereits
vorbei ist.
Die Verschiedenartigkeit in der Behandlung seiner Texte muB den
Forscher zur Uberzeugung bringen, daB Georg Benda kleine Formen nicht
aiis praktischen, sondern aus inneren Griinden schuf. Nicht einmal das
Liebespaar singt bei ihm, obwohl gerade hier Gretry groBe Ensemble-
siitze einfiigte. Wie typisch aber der Unterschied zwischen deutschem
Empfinden und Ausfiihren ist, geht daraus hervor, daB man dem Willen
des Komponisten entgegen den ganz nebensachlichen Gesang der Jager,
die Walder arretieren, aus dem Gr^try'schen Werk in das von Benda
bei der Auffiihrung ubertrug2).
Julie und Romeo.
Wahrend die Dauer des »Walder« auf 5/i Stunden angegeben wird3),
dauert > Julie und Romeo* 4) zwei voile Stunden5) und bedeutet damit bei-
nahe eine Zeitiiberschreitung der Singspielform.
Dieses Werk zu verteidigen, in dem die beiden Liebenden am SchluB
leben, dlirfte wohl am meisten Miihe machen. Es ist auch zweifellos,
daB Benda hier aus der urspriinglichen Form eines Singspiels heraus-
ging. DaB er aber die Singspielform mit den hochsten leidenschaftlichen
Menschproblemen erfiillen wollte, steht zweifellos fest.
Zunachst, was den Stoff anbelangt, ist > Romeo und Julie* von Shake-
speare gar nicht so lange in Deutschland auf dem Theater bekannt ge-
wesen. Ln Repertoire der deutschen Biihne erscheint das Stuck im
18. Jahrhundert als Schauspiel sogar verhaltnismaBig wenig. Auch die
musikalische Verwendung des Stoffes ist lange nicht so groB als die
anderer Shakespeare'scher Stiicke. Im 18. Jahrhundert ist die Vertonung
dieses Stoffes von Benda die bedeutendste und einzige populare. In den
Kritiken kehren regelmaBig die Ausdriicke wirklichen Entziickens wieder
iiber die Stelle: »Ihn wiederzusehen, meinen Romeo «. .
1; Anhang zum Gebrauch einiger Theater. Nach der Versohnung gehen alle in
die Hiitte, nur Sophie singt allein noch. Ist auch der Inhalt etwas mit groCer
AVorten ;Sturm, Abgrund, Wellen) verbramt, so ist die Empfindungslinie doch richtig
eingehalten.
2) S. Literator- u. Theaterzeitung.
3; Nach 3/4 vor 7 Uhr— 8 Uhr vorbei.
4) Natiirlich kommen auch Auffuhrungen, Romeo und Julie benannt, vor.
5] 3/4 6 Uhr vorbei — 3/4 nach 7 Uhr vorbei.
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594 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
Die Vorrede Go tier's zum Textdruck beweist zur Evidenz die musi-
kalische Unfahigkeit des Dichters. Lacherlich wirkt es, daB der Dicker
in damaliger Zeit den Geistlichen1) eventuell in einen »alltaglichen Ter-
trauten« verwandelt wissen will.
1. Akt: Julie erwartet Romeo. Diesmal geht die Musik sogar direkt
in den Gesang2) iiber. Julie erfahrt von ihrer Freundin das Schicksal
Romeo's nach dem bekannten Zweikampf, Romeo selbst erscheint und
nimmt Ahschied.
im 2. Akt wacht die Freundin Laura iiber Juliens Schlaf. Der alte
Capellet tritt ein, fafit Argwohn und laBt die Tochter ruf en. (Sein Lied
gehort textlich, im Vergleich mit der Shakespeare'schen Gestalt, mil zu
dem Schwachsten, was die Empfindungsmeierei jener Zeit fertig bringen
konnte.) Julie erscheint, widersetzt sich der Verbindung mit dem Grafen
Lodrona. Ihr Lied ist sehr energisch, u. a. die Zeilen: »Doch dem
Manne, den sie haBt, sich als Sklavin hinzugeben*. Capellet verstoB:
sie, wenn sie sich nicht fiigen will. Die beiden Frauen beraten, der
Hauskaplan Lorenzo tritt ein und verheiBt Hilfe. Bei dem GedankeL
an das Wiedersehen bricht Julie in die schon erwahnten Worte aus3.
Eine groBere Szene, wie sie auch Sophie im »Walder« vor dem Erscheinen
ihres Schwiegervaters hat, schlieBt hier den 2. Akt, 'Julie nimmt to
Trank.
Der 3. Akt bringt einen Chor und eine ganze musikalische Leichen-
feier, mit Wehklagen der Freunde und des Vaters der Julie. Ist es
nun nicht merkwiirdig, daB, anstatt den Shakespeare'schen Stoff doch zu
beschneiden, dieser hier erweitert wird ? Denn das Begrabnis der Julie
geschieht bei Shakespeare nicht auf der Biihne und wurde von ihm natiir-
lich absichtlich vermieden. Ich mochte daher Gotter's Anderung ja nicht
rechtfertigen, zumal es musikalisch hochst unangenehm beruhrt, wirkliche
Trauertone zu horen, wahrend der Zuschauer weiB, daB es gar nicht ernst
sein kann. Aber immerhin beweist es, wie auch darin die Vorrede recht
hat4), daB man Shakespeare gar nicht imitieren, sondern aus dem Em-
pfindungsgehalt ein Singspiel machen wollte.
1} Wie einst die alten Italiener Komplimente gegen die Kirche machten.
2) An dieser Szene hat Benda besonders viel gearbeitet and verandert.
3) Es ist fur mich hochinteressant und konnte die Anregung zu einer psychok-
gischen Untersuchung geben, daB wir es hier gerade mit einem solchen Gefuhlsaui'
bruch zu tun haben, wie ihn im Original — Romeo in der Prieaterzelle zum Ausdract
bringt. Einmal die Ubertragung von m'annlich auf weiblich, und dann, die Verfas^1
betreffend, die eigentiimliche Assoziationsverwandtschaft. Doch ftihrt das hier zu ^elt-
4) »Das nachstehende Singspiel hat mit dem beriihmten deutschen Trauersptf
dieses Namens fast nichts als Namen und Fabel gemein.< Gemeint ist WeiCe's Trao^-
spiel, von dem ein Regiebuch zu erhalten ich mich umsonst bemuht habe. ^as c
Mannheim liegende entstammt wohl einer sp'ateren Zeit.
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Fritz Bruckner, (ieorg Benda und das deutsche Singspiel. 595
Im groBen ganzen ist in der Poesie ein Riickschritt zu bemerken.
Zeigte der Dialog von »Walder« schon eine ungenieBbare Empfindsamkeit,
so ist dies hier, einem solchen Vorbild gegenliber, noch unverzeihlicher.
Ein Riickschritt laBt sich namentlich in der Anlehnung an italienische
Opernpoesie erkennen. Das erste Lied Romeo's konnte vielleicht direkt
italienischem Vorbild entnommen sein. Die Bildersprache, Schiff, Meer,
Wind, Segel, Ruder mit personifizierter Liebe zu einem Bilde zu ver-
schmelzen, ist typisch italienisch.
Mich uber die Musik kritisch auszusprechen. wiirde zu weit fuhren,
der Klavierauszug1) ist leicht zuganglich. Dagegen auf ein alien Sing-
spielen gemeinsames Moment mochte ich hinweisen: Das Rezitativ, wie
es Benda ins Singspiel eingefuhrt haben soil, ist nicht typisch fur das
Singspiel. Es ist hier in » Julie und Romeo « gerade die Meisterschaft des
Rezitativs, die Benda uber sonst streng gehaltene Grenzen hinweghebt.
Im >Dorfjahrmarkt«7 auch im »Holzhauer« ist das Rezitativ dagegen ganz
unwesentlich. Was an Rezitativ sonst sich in deutschen Werken Benda's
findet, ist, genau wie in den Schauspielen, der Ertrag des Monodrams.
Und dieser Ertrag ist fast zu reichlich. Julien's Rolle geriet beinahe
in Gefahr, Solorolle zu werden, und nur durch die Chorleichenfeier wurde
das notige musikalische Gleichgewicht hergestellt.
1796 erscheint in Berlin ein Text: Arien und Gesange aus » Julie
und Romeo*, einem Schauspiel mit Gesang usw. usw., worin numeriert
Rezitativ und Arien angegeben sind. Es fehlte auch die Bezeichnung
Oper auf dem Klavierauszuge nicht, auBerdem hatte dieses Singspiel einen
Erf olg, den es nicht ' einem organischen Einfiigen in ein deutsches Re-
pertoire verdankt, sondern — den sinnlichen Vorziigen der Musik. Gerade
aber diese elementare Sinnlichkeit, die mit alien Mitteln der Koloratur
und des Chors arbeitet und trotzdem knappe und knappste Form halt,
ist, vom musikalischen Standpunkt aus betrachtet, bewundernswert und
zweifellos das Ergebnis eines Prinzips, des Singspielprinzips.
Der Holzhauer.
Eine Partitur in Berlin2) tragt von Benda's Hand die Aufschrift:
»Der Holtzhauer oder die drei Wiinsche. Eine comische Operette in einem
Aufzuge von Georg Benda*. Hier braucht also Benda das Wort Operette
selbst und bezeichnet damit, daB er wirklich ein komisches Werk liefern
will 3).
1, Es sind mehrere erschienen, fur damals immerhin ein Erf olg.
2} Bibl. Berol. 1366. Ein Regiebuch gibt an: 7 Uhr — 1/4 nach 8 Uhr.
3) Gewohnlich wird Singspiel, erst spater Operette gesagt.
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596 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
Dieser Text ist gleichfalls vorher auf der deutschen Biihne mit der
franzosischen Musik von Philidor gegeben worden1).
Trotzdem mir 3 Textbiicher yorliegen, deren eines die JBemerkung
triigt: »Die Musik von Herrn George Benda*2), bin ich mir nicht klar
iiber diesen Stoff geworden. Wahrscheinlich hat Gotter das Philidor'sche
Stiick ubersetzt und dann verschiedenes heriibergenonimen fiir Benda.
Die Verse sind zum Teil sehr glatt und sprachlich ausgezeichnet, nur
wundere ich mich, daB der Autor sich nicht nennt3).
Das Philidor'sche Stiick ist von anderer Art als derGretry'sche » Walder* .
Wahrend der SchluBsatz des franzosischen » Walder* die Giite eines ver-
zeihenden Vaters aussprechen soil, im Gegensatz zur deutschen Auf-
fassung, die mehr die gepriifte Frau in den Vordergrund stellt, ist es
bei Philidor eine Sentenz, auf die das ganze Stiick aufgebaut ist. Schon
das Original, P err ault's Erzahlung »Les souhaits ridicules* enthalt eine
Sentenz, die in der deutschen Ubersetzung des »Bucheron« lautet:
Denn Ubermut , Denn zuviel Hitze
Tut selten gut 4) Ist nicht gut. 5)
Der Stoff, wonach ein Holzhauer sich drei Wiinsche wahlen darf und
bei der Beratung aus Unvorsichtigkeit einen Aal, seiner dadurch auf-
gebrachten Frau Stummheit wiinscht und ihr schlieBlich das Mundwerk
wieder anwiinschen muB, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Aus
solchen Sentenzen, wie sie auch italienische Stiicke lieben, ist dieses
mit Grdtry's tieferen Absichten ja nicht zu verwechselnde Vaudeville-
Singspiel hervorgegangen. Es ist nun recht bezeichnend, daB der er-
wahnte, in Biga gedruckte deutsche Text, der nur Gfesange enthalt, textlich
mit der Ausgabe von 1772 iibereinstimmt bis auf das SchluB vaudeville;
dies ist weggelassen und statt dessen ein richtiger SingspielschluB gewahlt,
der mit den herzlichen Worten abschlieBt:
»Zufriedenheit ist Gliick auf Erden;
Und aoCer ihr ist alles Tand.«
Das tartarische Gesetz.
Statt eines Singspieldichters hatte Gotter ein tiichtiger Operndichter
werden konnen. Das beweist sein >tartarisches Gesetz*. Der nach Gozzi
1) Namentlich von Ma re hand, der 1773 einen Textdruck mit Dialog und Noten
herausgibt.
2] Riga ohne Jahr, gedruckt bei Gottlob Christian Frolich.
3) Ge8aramelt gibt Gotter nur >Jahrmarkt«, »Romeo und Juliet, und das »tar-
tarische Gesetz* heraus (1778—79 bei Dyk, Leipzig.
4 .... Eine komische Oper in einem Aufzuge. Eine freye IJbersetzung. Berlin
bey Christian Friedrich Himburg 1772.
5 Ubersetzung 1773.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 597
behandelte Stoff, mit seiner mythologisch geographisch-exotischen "Welt,
lag ihm jedenfalls besser. Er ist also gliicklich ebenfalls, wie es dann
Benda wollte, zu den Italienern zuriickgekehrt.
Die Handlung ist, namentlich was die Vorfabel anbetrifft, ungemein
kompliziert. Ein exotiscker Kaufmann hat seine Frau verstoBen, weil
sie seine Liebe nicht erwidert. Dies reut ihn, und nach einem exotischen
Gesetz muB er einen Hulla finden, der seine Frau heiratet und verstoBt,
ehe er sie wieder heiraten kann. Er sucht also einen solchen Hulla und
findet ihn in der Person eines Saed. Dieser Saed ist GroBvezier irgend
eines Flirsten gewesen und in Ungnade gefallen. Wie er einem Priester
erzahlt, hat der Konig ihm seine Geliebte gezeigt und ihn aufgefordert,
ihn unerkannt bei seiner Geliebten einzufiihren. Diese, Zenide, die
spatere Frau jenes Kaufnaanns, hat, ohne zu ahnen, daB der Konig an-
wesend ist, aus Scherz den Saed mit dieser koniglichen Geliebten auf-
gezogen, was zur Verbannung des Saed flihrt. Damals hatte der Vater
der Zenide diese an den fremden Kaufmann verheiratet, lauter Zufallig-
keiten und Ruckwartsmotivierungen , wie sie gerade im Singspiel un-
moglich sind.
Die Verwendung der Musik hat hier vollkommen internationalen
Charakter, d. h. sie ist farblos, weder durchgehend ernst, noch durch-
gehend heiter. Man betragt sich mehrfach etwas wie ungezogene Kinder,
bei denen jede zornige Regung in Taten umgesetzt wird, von deren Trag-
weite Erwachsene doch mehr Kenntnis besitzen sollten. Uber allem ist
zudem eine Art Philosophic gebreitet, die merkwiirdig an die Zauberflote
erinnert. Mir ist es iiberhaupt bei meinen Exzerpten schon aufgefallen,
daB die Freimaurerei ^ irgendwie auf der Buhne abgefarbt hat. Dagegen
ist der Dialog sehr glatt und geschickt und vermeidet in seinen vor-
sichtig gewahlten Worten die unangenehme Empfindsamkeit, wie sie in
Julie und Romeo und namentlich im Walder vorherrscht. Dafiir aller-
dings ist auch alles auBerlicher und oberflachlicher gemacht. Die Ein-
fiihrung der Musik ist dagegen sehr ungeschickt und mangelhaft vom
Standpunkt der Singspieltechnik. Viel Szeneriewechsel , alles Ge-
sungene gewissermaBen AbschluBetikette flir irgend etwas, was schon
passiert ist. Die Empfindung lauft neben und hinter der Handlung her.
Das wichtigste an diesen Untersuchungen bleibt die Erkenntnis, daB
das Verstandnis flir musikdramatische Wirkung sich aus der Schauspiel-
technik entwickelt und verloren geht, sobald dieser Zusammenhang auf-
gehoben wird. Im wesentlichen lehrt diese Untersuchung die Tatsache, daB
1) Schroder besch'aftigte sich in seinen letzten Jahren mit einer Geschichte der
Freimaurerei.
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598 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deuteche Singepiel.
der eigentliche geistige Mittelpunkt in einem kleineren Theater und durch
Mischung von Schauspiel und Singspiel zu erreichen ist, von dem ein Fest-
spielhaus fiir seltene groBe Auffiihrungen zu trennen ware. Am wichtigsten
aber ist, daB die Musik mit dem Dialog zugleich (nur nicht unmusikalisch
eins iiber das andere) eine Gesamtwirkung ausiiben kann, sobald die
Vorurteile iiber die Musik und einige Ungeschicklichkeiten der Dialog-
technik vermieden werden. Das, was Wagner durch das Leitmotiv er-
reichen wollte, kann ebenso durch eine richtige Abwechslung von Dialog
und Musik erreicht werden. Wie das dann noch heute geschehen kann,
ist Aufgabe einer besonderen Arbeit, die in das Gebiet der Psychologie
spielt. Hier sollten nur in Umrissen der Ernst und einige asthetische
Grundsatze eines deutschen Singspiels dargelegt werden.
Anhang I.
(Nach Originaltheaterzetteln.)
Versuch einer Theorie:
Entwicklung des Zweistiicksystems aus dem Dreistucksystem.
Aus dem Tanz wird das zur Handlung erweiterte Ballett, an dessen Stelle
tritt eine Art Singspiel.
1741. Truppe der Schonemann'schen1) Gesellschaft. Hamburg.
37 Zettel vom 27. Juni — 8. December
an 20 Abenden 2 Stiicke
an 17 Abenden 3 Stiicke.
samtlich >lustige Nachspiele*.
Nachspiele mit Musik: die drei Operisten von Nova Zembla (6. July,.
Harlekins etc. Hochzeitsschmaus. 13. July. 3. Okt.
Tanze: July 12. 17. August 3. 11. 14. 16. 23. Sept. 6. 20. 27.
Okt. 3. 10. 17. Nov. 1. 16. Dec. 6. 7. Im ganzen 17 Tanze.
1747. dieselbe Truppe. 63 Zettel vom 5. April — 21. July. Hamburg.
an 40 Abenden 2 Stiicke
an 23 Abenden 3 Stiicke
nicht mehr samtlich lustige Nachspiele.
Ein Singspiel: Teufel ist los. 29. Juni2).
Mit Gesang [beschlossene od. vermischte] Nachspiele : Der Wilde
24. April. Schiffbruch 26. May. Thomas Morus 5. Juni.
Tanze: (auch jetzt zuweilen benannt, zuweilen der Atalanta (5. May.)
Gesprach im Reiche der Toten (24. May) beigefugt) am April 5. 7.
8. 11. 12. 13. 19. 21. 27. Juni 12. 16. 22. Im ganzen 20 Tanze.
1 Hamburger Stadtbibliotkek. Realkatalog KD. Vol. III. S. 90. Genauere Be-
zeichnungen der Stiicke hier unnotig. 8. Devrient, Johann Friedrich Schonemann usw.
Theatergesch. Forschungen Litzmann) 1895 Bd. XI. Meine Angaben erfolgen nur
nach dem Original.
2; s. Anhang II.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 599
1750. dieselbe Truppe. 28 Zettel v. 21. July — 28. August. Hamburg.
lauter 2 Stiickauffuhrungen
Tanze nur am 10. August1) u. 24. August (Atalanta).
Singspiel: 26. Aug. Teufel ist los. = 1 Singspiel, 2 Tanze.
1751. dieselbe Truppe. 44 Zettel. 2. Aug. — 7. Okt. Hamburg.
lauter 2 Stiickauffuhrungen.
Kein Tanz allein (3. Sept. wieder nach Atalanta).
Spiel mit Gesang 8. Sept. Gratien (mit Singen und Tanzen beschlossen).
Singspiel: > Teufel ist los«. 22. Sept.2].
1752. dieselbe Truppe 5 Zettel. 12. Juli — 1. Aug. Hamburg.
2 Stiicksystem.
1753. dieselbe Truppe 40 Zettel. 13. Aug.— 12. Okt. Hamburg.
2 Stiicksystem (einmal Alzire allein).
1754. dieselbe Truppe 85 Zettel. 5. Juni — 11. Nov. Hamburg.
2 Stiicksystem.
nur 3mal (14. 17. 20. Sept.) ein Stuck.
Singspiel: Teufel ist los. (21. July.)
Tanz (15. Aug.) zu Atalanta.
1756. dieselbe Truppe 99 Zettel. 9. Juni — 26. November. Hamburg.
2 Stiicksystem
an 4 Abenden 1 Stuck
an 5 Abenden Tanze.
Ballette: 5. 10. 12. 16. 18. 25. August. 3. 13. 14. 17. 21. 24.
30. Sept. 4. 6. 7. 11. 12. 14. 18. 21. 28. 29. Okt. 5. 17. 18.
24. 26. November = 28 Ballette, 5 Tanze.
1759. Truppe des Gottfried Hinrich Koch3) 191 Zettel (Lubeck 34 Vorst.
8. Jan.— 27. Febr. Hamburg 157 Vorst. 18. April— 28. Dec).
Schauspiele: Haupt-1 Q... , mit 158 Auffuhrungen
Neben-ptUCke » 112
3 Singspiele > 21 >
8 Stiicke mit Gesang * 26
(14) Ballette __» 68 :
Summa 385 Auffuhrungen
und zwar: 270 Schauspiele \ _ 2
115 Stiicke mit Musik / 1 "
Singspiel: Teufel ist los: Lubeck: 17. 24. Jan. Hamburg: 25. Apr.,
21. Jun. 1. Aug. 11. Okt.
Lustige Schuster4) (2. Teil des Teufel ist los): Lubeck: 18. 25. Jan.,
7. 19. Febr. Hamburg: 26. Apr., 7. Mai, 27. Jun., 9. Aug.,
5. Nov., 3. Dec.
Jochem Trobs*): Hamburg: 17. 20. Sept., 15. 22. Okt., 26. Nov.
Stiicke mit Gesang:
Moliere: Sizilianer oder Amor ein Mahler. Lubeck: 28. Jan.
Hamburg: 31. Mai, 13. Jul., 12. Nov.
1) Wegen Lange des Stiickes wird .... beschlossen.
2; Zwar ohne Datum, aber genau in der Reihe der Auffuhrungen.
3) In der G-othaer Hofbibliothek. 2 starke Bande.
4) s. Anhang H.
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600 Fritz Bruckner, (jeorg Benda und das deutsche Singspiel.
Dancourt: WTeinlese. Liibeck : 6. Febniar. Hamburg : 1 . Maw
4. July, 14. Aug., 17. Okt., 16. Nov.
Moliere: Der Unbedachtsame oder das Unternehmen zur IV
zeit. Liibeck: 12. Febr. Hamburg: 23. Juni, 21. Aug.
Moliere: Kranke in der Einbildung. Liibeck: 13. Febr. Ham-
burg: 26. Juli.
de la Font: Schiffbruch oder Crispins Leichenbegangnis. Ham-
burg: 11. Marz, 6. Juli, 29. Aug.
Dancourt: Die blinde Kuh. Hamburg: 21. May, 26. Juni.
31. Aug., 6. Dec.
Poeten nach der Mode. Hamburg: 22. May, 27. Juli, 26. Okt.
Moliere: Edelmannische Burger. Hamburg: 19. Juli.
Ballette (p. = pantomimisch) :
(p.) Die gepfandeten Bauern. Liibeck: 8. Januar. Hamburg:
18. Marz, 15. Aug., 10. Sept., 23. Okt.
Die Tyroler. Liibeck: 16. Jan. Hamburg: 9. May, 12. Ju!L
5. Sept. (Das . . .), 18. Okt., 5. Dec.
Der Italienische Windmuller (p.). Liibeck: 22. 27. Jan. Ham-
burg: 10. Aug., 11. Sept., 12. Okt.
Die Husaren und Panduren (p.). Liibeck: 26. Jan. (p.) Ham-
burg: 23. April, 13. Aug., 22. Aug., (p.) 4. Okt., 9. Nov..
7. Dec.
Der Kohlenbauer (p.). Liibeck: 30. Jan. (p.) Hamburg: 7. Juni.
(p.) 3. Aug. 28., 8. Okt.
(p.) Die Bretschneider. Liibeck: 5. 23. Febr. Hamburg: 1. Juni,
16. Juli, 21. Sept., 7. Nov.
Croatenballet. Liibeck: 14. Febr. Hamburg: 12. Juni, 17. Aug.,
9. Okt., 28. Nov.
Ein Gartnerballet. Liibeck: 16. Febr. Hamburg: 22. Juni.
2. 27. Aug., 6. 26. Sept., 8. Nov.
(p.) Arlekin, ein Tanzmeister. Liibeck: 22. Febr. Hamburg:
19. Juni, 2. Nov.
(p.) Das versteckte Schaaf. (p.) Liibeck: 26. Febr. (p) Ham-
burg: 25. Juli, 8/ Aug., 24. Sept., 19. Nov.
Ein Jagerballet von 8 Personen. Hamburg: 18. April 30.,
28. May, 18. Juli, 6. 24. Aug., (das . . .) 19. Sept., 31. Okt.
Ein Ballet. Hamburg: 3. May, 3. Okt.
Der Besenbinder. Hamburg: 16. May.
Ein neues Tiirkenballet des Sultan im Serail. Hamburg: 6. Juni.
26. Aug., 13. Nov.
1760. dieselbe Truppe. 200 Zettel. Hamburg: 2. Jan. -22. Febr. 37.
9. Apr. — 30. Dec. 163 Auffuhrungen zusammen 200 Aufluhrungeu.
Schauspiele: Haupt-1 Qx» r. niit 171 Auffuhrungen
Neben-J > 91
3 Singspiele » 17 »
10 Stiicke mit Musik » 26
24 Ballette ^ 81 _•
= 386 Auffuhrungen
und 262 Schauspielauffuhrungen \ __ jj_
124 Stucken mit Musik / ~ 1 '
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deuteche Singspiel. 601
3 Singspiele:
Der lustige Schuster zweiter Theil. 14. Jan., 2. Juni, 3. Juli,
3. Sept., 20. Okt.
Der stolze Bauer Jochem Tr3bs. 24. 31. Jan., 14. Febr., 8. May,
16. Juni, 16. Juli, 6. Okt.
Teufel ist los. 6. Febr., 30. April, 26. Juni, 20. Aug., 13. Okt.
10 Stticke mit Musik:
Der Unbedachtsame. 4. Jan., 6. Juni, 29. Juli, 26. Sept.
L'isle du Divorce. 21. 28. Jan., 14. Apr., 16. Aug., 16. Okt.
Le nouveau monde. 4. Febr. [13. Febr. lange Bemerkung, kein
Wort von Musik], 4. Aug., 30. Sept.
Schiffbruch. 11. April.
Foeten nach der Mode. 2. May, 25. Juli, 20. Nov.
Edelmannische Burger. 12. May, 9. Juli.
Weinlese. 13. May, 17. Juli, 23. Sept., 6. Dec.
Kranke in der Einbildung. 22. May.
Amor als Mahler. 23. May.
Blinde Kuh. 5. Juni.
24 Ballette:
Der Sultan im Serail. 2. Jan., 28. April, 12. Juni.
Die gepfandeten Bauern. 6. 29. Jan., 3. Juni, 7. Aug. — Als
»betrogene Bauern* 28. Okt., 14. Nov.
Der italienische Windmuller. 7. Jan., 7. Febr., 4. Sept.
Die Schiffer. 10. Jan.
Die Bretschn eider. 11. Jan., 26. Sept.
Arlekin, ein Tanzmeister, 16. Jan.
Die Tyroler. 17. Jan., 18. Febr., 18. April, 18. Juni, 6. Aug.
Die Croaten. 23. Jan., 22. Aug.
Die Besenbinder. 11. Febr., 19. Juli, 1. August.
Husaren und Panduren. 19. Febr., 24. April, 14. Juli, 11. Aug.,
1. Sept., 21. Okt.
Jalousie. 22. Febr., 17. April, 7. Juli.
Vogelfang. 9. 23. April, 19. May, 24. Juli.
Fischerballet. 16. April, 21. May, 7. Juni, 21. Juli, 9. Sept.
Winzer im Weinberg. 1. 5. 16. May, 11. Juni, 26. Aug., 15. Sept.
Jagerballet. 28. May, 10. Juli, 19. Aug., 24. Sept.
Ein Ballet. 29. May, 25. Juni, 13. Aug.
(Tartnerballet. 6. Juni, 1. Okt.
Kohlenbrenner. 13. Juni, 28. Aug. (Kohlenbauer?).
Die Kuper. 17. 19. Sept., 9. 29. Okt., 17. Nov., 2. Dec.
Verliebte Schafer. 8. 15. Okt, 3. 19. Nov., 30. Dec.
(Huckliche Liebhaber Scaramouche. 27. Okt., 10. Nov.
Tiirkenballet. 6. 12. Nov., 1. Dec.
Schmetterling. 13. 26. Nov.
Heuerndte. 24. Nov., 4. Dec.
1762. dieselbe Truppe. Hamburg. 183 Zettel, vom 4. Jan. — 26. Febr. 36,
vom 14. April — 30. Dec. 147 Vorstellungen, zusammen 183 Vor-
stellungen.
z d. i. M. v. 39
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602 Fritz Brftckner, Gteorg Benda und das deutsche Singspiel.
Da Lucretia Romana (6. 10. May) den Abend allein fullt, so ist das Verhaltnis
362 Stucke im ganzen,
und zu 249 Schauspielen ...._ 2
113 + 2 Stucke mit Musik — ~T*
4 Singspiele.
Jochem Trobs. 11. Febr., 3. Juni, 6. Okt.
Verwandelten Weiber. 22. April, 3. Aug., 13. Okt.
Lucretia Romana1). 6. 10. May.
Lustige Schuster, 12. May, 10. 16. Juni, 1. Sept., 11. Nov.
10 Stucke mit Musik:
1) Malade imaginaire. 13. Jan., 17. Febr., 29. Juli.
2) Edelmannische Burger. 27. Januar., 25. Aug., 18. Nov.
3) Amor ein Mahler. 19. Febr., 20. Aug., 30. Nov.
4) Poeten nach der Mode. 20. Apr., 7. Okt.
5) Weinlese. 3. May, 21. Sept., 26. Nov., 3. Dec.
6) Schiffbruch. 9. Juni, 2. Nov.
7) Unbedachtsame. 11. Juni, 8. Sept.
8) Collin Maillard. 2. Sept.
9) L'isle du Divorce. 6. Sept.
10) Vapeurs. 15. 19. Nov.
(28) Ballette:
Besenbinder. 7. Jan.
Aepfeldieb. 8. 16. Jan., 26. Februar, 28. Apr., 20. Okt.
Heuerndte. 11. Jan., 31.(?) Mai, 9. Sept., 11. Okt.
Betrogene Bauern. 14. Jan., 11. Juni, 3. Sept.
Kiiper. 18. Jan., 26. Apr., 30. Dec.
Matrosen. 19. Jan., 11. May.
Ballet. 20. Jan., 22. Febr., 8. Sept.
Barenjagd. 21. Jan., 5. Mai.
Listige Bauerin. 22. Jan., 23. Febr., 29. Apr., 17. Juni. 5. Okt.
Jalousie. 3. 18. Febr., 13. May, 5. 26. Aug.
Bretschneider. 8. Febr.
Vogelfang. 10. Febr., 27. Apr., 17. Sept.
Scaramouche, 12. Febr., 28. Okt.
Barenzieher. 15. Febr., 14. Juni, 22. Nov.
Panduren in der Garktiche. 14. 16. Apr., 25. May.
Verliebte Schafer. 19. Apr.
Listige und verschlagene Miiller. 23. Apr.
Tiirkenballet. 17. May, 24. Nov.
Verstellte Tanzmeister. 18. Mai, 28. Dec.
Der Richter. 28. May, 7. 21. Juni, 24. Aug., 8. Okt.
(Von 46. Vorstellung hier die Liicke)
Pantomime: Pierot, der ungliickliche "Wandersmann etc. 25. Juni,
9. 12. Nov.
Faulen Schafer. 28. Juli, 17. Aug., 13. Sept.
Betrunkene Schweizer. 19. 23. Aug., 24. Sept. (nur Schweizer)
17. Nov.
Italienische Masken. 30. Aug., 20. Sept., 4. Okt., 5, Nov.
1 s. Anhang II.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 603
Geduldige Ehemann. 23, 30. Sept.
Chineser. 14. 19. Okt., 1. Nov.
Arlekin und Pierot. 21. 27. Okt., 8. Nov.
Bacchusfest. 29. Nov. = 79 Auffuhrungen.
4 Singspiele mit 13 Auffuhrungen
10 Stucke mit Musik > 23
28 Ballette » 79
1763. dieselbe Truppe, Hamburg. 144 Zettel. Hamburg 3. Juni— 18. Febr.
30 Vorstellungen, 6. April— 2. Sept. 101 Vorst. Leipzig 19. Sept.
—6. Okt. 13 Vorst.
3 Singspiele 11 Auffuhrungen
8 Stucke mit Musik 14 »
27 Ballette '85 >
im ganzen 398 Stucke
und von 288 Schauspielen _ 2_
110 Stucke mit Musik i~"
3 Singspiele:
Verwandelten "Weiber. Hamburg: 3. Febr., 7. April, 20. Juni.
Leipzig: 26. Sept., 3. Okt.
Lustige Schuster. Hamburg: 10. Febr., 8. Juni. Leipzig: 6. Okt.
Jochem Trobs. Hamburg: 17. Februar, 15. Juni, 21. Juli.
8 Stucke mit Musik:
Unbedachtsame. Hamburg: 11. Jan., 12. Juli.
Malade imaginaire. Hamburg: 17. Jan., 7. Juli.
Die Vapeurs od. die Brunnenkur. Hamburg: 18. Jan., 8. Juli.
Colin Maillard. Hamburg: 14. April.
Poeten nach der Mode. Hamburg: 19. April, 12. August. Leip-
zig: 27. Sept.
Weinlese. 5. Juli, 24. Aug.
Edelmannische Burger. Hamburg: 13. Juli.
Amor ein Mahler. Hamburg: 15. Juli.
27 Ballette:
Aepfeldieb. Hamburg: 3. Jan., 28. Juli.
Bacchusfest. Hamburg: 4. Jan., 15. Febr., 2. Juni, 25. Juli.
Chineser. Hamburg: 7. Jan., 4. Febr., 10. Mai, 20. Juli.
Leipzig: 2. Okt.
Faulen Schafer. Hamburg: 10. Jan., 18. Apr. Leipzig: 4. Okt.
Ballet. Hamburg: 11. 26. 27. 28. Jan., 18. 19. 20. Mai, 12. Juli.
Yerliebte Schafer. Hamburg: 12. Jan., 7. Febr., 2. Marz (— Ballet),
29. Juni, 2. Sept. Leipzig: 19. Sept.
Husaren im Felde. Hamburg: 13. 19. Jan., 18. Febr., 27. Apr..
30. Juni, 27. Juli.
Arlekin und Pierot. Hamburg: 14. Jan., 8. April, 4. Juli,
11. Aug. Leipzig: 22. Sept.
Matros. Hamburg: 24. Jan., 22. April, 16. 23. Aug.
Tiirkenballet. Hamburg: 31. Jan., 3. Aug.
Gluckliche Liebhaber Scaramouche. Hamburg: 9. Februar (nach
einer ganz neuen Musik), 16. Mai, 1. Aug.
Barenjagd. Hamburg: 14. Febr., 6. Mai, 4. Aug. Leipzig:
30. Sept.
39*
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604 Fritz Bruckner, Georg Benda and das deutsche Singspiel.
Die Schule. Hamburg: 6. 15. April, 6. Mai, 18. Aug.
Bichter. Hamburg: 11. April.
Betrogenen Bauern. Hamburg: 13. April, 30. Mai, 29. Juli.
Barenzieher. Hamburg: 20. April, 14. Juli.
Betrunkene Schweizer. Hamburg: 28. April, 2. Aug.
Listige Bauerin. Hamburg: 29. Apr., 7. Juni. Leipzig: 27. Sept.
Kttper. Hamburg: 3. May, 13. Juni.
Masken. Hamburg: 4. Mai, 8. Juli (italienischen . . .), 25. Aug.
(italienischen . . .).
Satyr. Hamburg: 9. 25. Mai, 27. Juni.
Heuerndte. Hamburg: 13. Mai.
Jalousie. 26. Mai, 17. Aug.
Panduren in der Garktiche. Hamburg: 6. Juni, 8. Aug.
Besenbinder. Hamburg: 16. Juni, 1. Sept.
Verliebte und verschlagene Muller. Hamburg: 22. Juni, 10. Aug.
Schaferfest. Hamburg: 6. Juli.
1764. dieselbe Truppe, Hamburg. 43 Zettel. 9. Januar — 9. Marz.
3 Singspiele 5 Auffuhrungen
2(?) Stucke mit Gesang 5(?)
17 Ballette 19 >'
im ganzen 115 Stucke.
von 86 Schanspiele __ 3
29 Stucke mit Musik l-'
3 Singspiele:
Verwandelten "Weiber. 12. Jan., 22. Febr.
Lustige Schuster. 19. Jan.
Jochem Trobs. 26. Jan., 16. Febr. = 5 Auffuhrungen.
2 Stucke mit Gesang:
(?) La Servante Justifiee Die Rechtbehaltene Magd. Eine Ko-
modie in einem Ackt, nach einer komischen Oper der Herren
Fagan und Favart ... 31. Jan., 10. Febr.
Philemon und Baucis. 28. Febr., 2. 8. Marz.
17 Ballette:
Verliebte Schafer. 9. Jan.
Schaferfest. 11. Jan.
Barenjagd. 13. Jan.
Panduren in der Garkiiche. 16. Jan.
Ital. Masken. 18. Jan.
Chineser. 20. Jan.
Kiiper. 23. Jan.
Schule. 25 Jan.
Listige Bauerin. 27. Jan., 8. Febr.
Bacchusfest. 6. Febr.
Matros. 9. Febr.
Ungeschickte Gartner. 13. 24. Febr.
Husaren im Felde. 20. Febr.
Barenzieher. 23. Febr.
Betrogenen Bauern. 1. Marz.
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Fritz Bruckner, Georg Benda uud das deutsche Singspiel. 605
Verstellte Tanzmeister. 7. Marz.
Listige und verschlagene Miiller. 9. Marz.
Mit diesen kurzen Proben diirfte der Anteil der Musik an der deut-
schen Biihne in jener Zeit bewiesen sein.
Anhang II.
Die Zettel der ersten Singspiele.
Mit Bewilligung . . . wird heute auf d . . . Schonemann'schen Schau-
biihne in dem Opernhause am Gansemarkt allhier
Ein in Berlin von einer vornehmen Standesperson aus dem Englischen Ubersetztes
Lnstspiel.
The Devil To Pay
Or
The metamorphosed Wives.
Der Teufel ist los,
oder
Die verwandelten Weiber
vorgestellet werden.
Herrn von
Liebreichs
Gesinde.
.rersonen:
Herr Hans von Liebreich, ein guti- Der Kellermeister
ger und gastfreyer Edelmann. Der Kammerdiener
Frau von Liebreich, dessen zankische Der Koch
u. bbse Frau. Der Kutscher
Jobst, ein Schuflicker und Meister- Jungfer Anna
Sanger im Junker Hansens Dorfe. Jungfer Trinchen
Ein Doktor, der die schwarze Kunst Ein blinder Spielmann.
versteht.
Nachricht:
Dieses Stuck, welches durch und durch mit Satyren, Arien, Scherzen
und Veranderungen des Theaters angefiillet ist, wird als einer der ersten
Yersuche von dem Gebrauche des Englischen Theaters auf dem unsrigen
hoffentlich ein besonderes Vergnugen erwecken.
Den Beschlu B macht ein lustiges Nachspiel
(29. Juni 1747.) Arlekin, die lebendige Uhr.
AuBer den im Anhang I erwahnten Auffuhrungen, die nicht als Singspiele
gelten konnen, sind folgende Premieren1) mit der StandfuB-Hiller'schen
Musik zu verzeichnen:
Leipzig, Theater in Quandts Hof, unter Gottfried Heinrich Koch.
Fr. 6. Okt. 1752.
1) Durch Giite des Herrn Schatz-Rostock.
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606 -Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
Leipzig, Theater in der Ranstadter Bastei, Okt. 1766.
Lubeck, Theater in der Beckergrube, Mi. 17/ Jan. 1759.
Hamburg, Th. an der linken Seite des Dragonerstalles, 25/4. 1759.
Celle, unter Seyler, /XII. 1769.
Wetzlar, unter Seyler, 9. Juli 1771.
Berlin, Th. in der Behrenstrafie, unter Koch, Die. 9. Juli 1771.
Hannover, Schroder, /VL 1773.
Rostock, Sommer 1773.
Leipzig, vor dem Orimmaischen Thor, So. 9./10. 1774.
Gotha, Schlofltheater im Ballhause, Mi. 20. Juli 1774.
Weimar, Kleines Schloflth. im unteren Saale der Wilhelmsburg,
Die 1. Marz 1774.
Dresden, Churf. sachs. Theater, 1775.
Stuttgart, Th. im Herzogl. Ballhause (Schikaneder'sche Truppeu
/Vni. 1778.
Gotha, Hoftheater. Mo. 25. Mai 1778.
Mannheim (Schiitzenhaus), Seyler, So. 16. Mai 1779.
Danzig, Schuch. Fr. 27. Aug. 1779.
Frankfurt a. Main, Bohm, 26. Sept. 1780.
Bremen, Abt, Die. 23. Okt. 1781.
Dresden, vor dem schwarzen Thor, Meddox, Do. 27/VL 1782.
Schwerin, Do. 24. April 1778.
Gustrow, Ges. der Wittwe Koppi, 29. Jan. 1787.
Graz, So. 10. Febr. 1793, usw.
Zum Unterschied derselbe Zettel bei Koch: Dort geht ein Stiick von
Gellert voraus: 17. Jan. 1759.
Hierauf folget: / Die Comische Opera / The Wives Metamorphos'd / OR /
The Devil To Pay / oder Der Teufel ist los. / Aus dem Englischen des
Hrn Carl Coffey in Leipzig ubersetzt und componirt.
Personen :
Herr Hans v. Liebreich, ein Land- Ein blinder Musicante.
Edelmann, der wegen seiner Gast- Frau von Liebreich, eine stolze, eigen-
freyheit beliebt ist. sinnige, zankische schwarmerische
Der Kellner \ Frau.
Der Koch I Bediente des Herrn Barbel 1 ., , ,.. ,
Ein Laquai f von Liebreich. Marthel | o e •
Der Kutscher i Lene, des Schuhflickers Weib, ein
Jobsen Zeckel, ein Schuhflicker u. einfaltiges Bauermagdgen.
Liebhaber vom Singen, ein Unter- Nachbarn.
than des Herrn v. Liebreich. Geister.
Ein Zauberer.
Der Schauplatz wird vielmahl verandert, es werden dabey Ballets getanzt /
von Geistern und Bedienten.
Den BeschluB macht ein Schuster-Ballet.
Die Fortsetzung heifit auf den Zetteln wie folgt:
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Trite Bruckner, Georg Benda trod das deutsohe Singspiel.
607
n.
[18. Jan. 1759]
Mit Bewilligung einer Hohen Obrigkeit
wird heute
von den Konigl. Fohln. und Churfurstl. S&chsischen
Hof-Comodianten
aufgefuhrt :
Die Comische Opera:
The Merry Cobler
or
The second Part
Of
The Devil To Pay.
Der lustige Schuster
oder
Der zweite Theil
vom
Teufel ist los.
Eine Nachahmung aus dem Englischen des Hr. Coffey in drey Aufziigen.
Personen :
Herr Hanns von Liebreich, ein wiir-
diger Landedelmann.
Frau von Liebreich.
Hannchen, Kammermadchen der Fr.
v. Liebreich.
Jobst Zeckel, der lustige Schuhflicker,
ein TTnterthan des Herrn von Lieb-
reich.
Lene, Jobstens "Weib.
Hammer der Schmidt
Schnips, der Schneider
Zange, der Schlosser
Pfanne , der Kupfer-
schmidt
Fr. Hammer \
Fr. Schnips I "Weiber der obigen
Fr. Zange | Handworker.
Fr. Pfanne I
Unter-
thanen des
Herrn
Liebreich.
Nickel, Schuhknecht bey Jobsten.
In diesem Stiicke wird ein Ballet von Weibern, und eines von MSnnern
getanzt. Den Beschlufi macht ein Ballet von Handwerkern und Landvolk.
Dieses Stuck wird Heute zum erstenmale aufgefuhrt.
Die Biicher von den Arien und Gesangen sind am Eingange gedruckt
zu bekommen, fur 4 ssl.
m.
[Mo. 17. Sept. 1759.]
Der stolze Bauer Jochem Trobs / oder / Der vergnugte Baurenstand.
Eine comische Oper in drey en Aufziigen.
Ein ganz neues Stuck, welches heute zum erstenmale aufgefuhret wird.
Personen :
Herr von Freudensitz.
Fraulein Julian e.
Jochem Tr5bs, ein Bauer, Unterthan
des Herrn von Freudensitz.
Trine, dessen Frau.
Claus, ihr Sohn.
Gretel, ihre Tochter.
Herr Urban, Schulmeister u. Hoch-
zeitbitter.
Herr von Plumpwitz, ein Mensch,
der sich fur einen Edelmann aus-
giebt.
Michel, ein Bauer von einem andern
Dorfe.
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608 Fritz Bruckner, Georg Benda raid dat dejitBche SingspieL
Ein Mohr, Bedienter des Herrn von Eine Zigeunerin.
Freudensitz. Laufer und andre Bedienten.
Ein Bauer. Bauern.
Eine Bauerin. Zigeuner.
Ein Zigeuner.
Der Schausplatz ist in einem Dorfe des Herrn von Freudensitz.
In diesem Stiicke, wozu die Mahlereyen nebst vielen Kleidern ganz neu
verfertiget worden, kommen folgende Veranderungen der Schaubuhne vor:
Erstlich: Eine Gegend auf dem Landgute des Herrn von Freudensitz,
bey friihem Morgen; in der feme sieht man das adeliche Schlofi, nahe am
Dorfe ein Kohlfeld und ein Hopfenstuck, wohin Jochem mit Frau und Kin-
dern zur Arbeit geht.
Zweytens: Eine Bauernstube, in Jochems Behausung.
Drittens: Eine andere angenehme Gegend, ohnweit dem Lustgarten des
Herrn von Freudensitz, am "Wasser. auf welchem in einem Luftschiffe ein
Trupp Zigeuner unter Musik angefahren kommen.
Viertens: Der Eingang in Jochems Bauernhof, wo man durch den offenen
Thorweg nach dem Schlosse sehen kann.
Zu Ende jeden Aufzugs wird ein Ballet getanzt:
Nach dem ersten Aufzuge: Eines von Laufern, Mohren und Magdchen
vom Hofe.
Nach dem zweyten: Eines von Zigeuner und Zigeunerinnen.
Nach dem dritten und zum BeschluB: Eines von Bauern und Bauerinnen.
welche sich gegen Abend bei einer Vogel- und einer Kletterstange erlustigen:
einen Vogel abschieBen und sich Gewinnste langen.
Die Arien und Gesange sind am Eingange fur 4 fil. gedruckt zu bekommen.
Der Text ist von Osten, die Musik von StandfuB. An AufftihrungeD
fand ich bis jetzt auBer den schon genannten:
1) Berlin, Th. in der BehrenstraBe, Koch, Mo. 14. Okt. 1771.
2) Hannover, Seyler, 14./6. 1771.
3) Wetzlar, Seyler, 20./8. 1771.
IV.
[6. May. 1762.]
Lucretia Roman a
Eine comische Opera von dreyen Acten, in einer sogenannten Musica
Bernesca.
Nebst einem Prolog,
in einer Comodie von einem Ackt.
Personen:
in der Oper Lucretia, dessen Gemahlin.
Tarquinius, der letzte Konig in Bom. Lesbia, eine edle Romerin.
Sextus, dessen Sohn. Camilla, der Lucretia Beschliefierin.
Brutus, General, des Tarquinius heiml. Furio, des Collatinus Leibkutscher.
Feind. Ein Haufen Spinnmagdchen der Lu-
Collatinus, romischer Feldherr. cretia.
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Fritz Bruckner, Georg Benda and das deutsche Singspiel. 609
aus dem Prolog: Columbine, Magd des Pandolph.
Peter, Grofiknecht des Pandolph. Isabelle, Tochter des Pandolph.
Valer, Sohn des Anselm, Brautigam Lisette, Magd der Isabelle.
der Isabelle. Der Kutscher des Pandolph.
Anselm I Zwey beguterte Leute vom Der Schulmeister.
Pandolph J Lande.
Der Direktor.
Dieses Stiick wird heute znm erstenmale aufgefUhret. Das Theater wird
in demselben verschiedenemal verandert; und zu Ende eines / jeden Ackts von
der Oper wird ein Ballet getanzt.
Der Charakter dieser Singspiele wird durch diese Zettel genugend ge-
kennzeichnet.
Anhang III.
Einige Erstaufftthrungen der Georg Benda'schen Btthnenwerke.1)
Ariadne auf Naxos. Dnodrama mit Musik in 1 Akt.
Dichtung von Joseph Jacob Christian Br an des nach einer Kantate von
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg.
Goth a, SchloBtheater im Ballhause, Freitag den 27. Januar 1775 (Seyler).
— Leipzig, 24. April 1775. — Altenburg, Hoftheater, 11. September 1775.
— Dresden, Ch. kl. Theater (Seyler), November 1775. — Gotha, Hoftheater,
28. Dezember 1775. — Berlin, Dobbelin, 23. August 1776. — Dresden,
Neues Theater v. d. schwarzen Thor, Juli 1776. — Hamburg, 6. September
1776. — Hannover, Gr. SchloBtheater (Schroder) 27. Dezember 1776. —
Giistrow, unter Direktion von Brenner 1777. — Rostock (Hostowsky und
Fendler), 13. Juni'1777. — Breslau, 1. Waser'sche Gesellschaft (Mad. Waser),
18. Marz 1778. — Kopenhagcn, Ariadne paa Naxios. Christiansborg, 29. Mai
1778. — Bonn, Hoftheater, 27. Oktober 1778. — Mannheim, Schutthaus
(Seyler), 30. Oktober 1778. — Stuttgart, Theater im Herzogl. Ballhause, 1778.
— Mannheim, Nationaltheater, 9. Dezember 1779. — Wien, K. K. National-
theater, 4. Jan. 1780. — Coin, 15. Juni 1780 (Groflmann). — Frankfurt a. M.
(Bohm) Sonntag den 25. November 1780. — Pyrmont, 26. Juni 1781. —
Paris, Comedie Italienne, 20. Juli 1781. >Arianne abandonee* franz. v.
Dubois. — Wien, Kartnerthortheater u. D. des Preflburger Theaters August
1781. — Cassel (Groflmann), 5. September 1781. — Wien, Theaterpflanz-
schule v. Muller, 1781. — Bremen, Abt'sche Gesellschaft, 2. November 1781.
— Danzig (Schuch), 13. September 1782. — Riga, 5. Oktober (nach unserm
Kalender 16.), 1782. — Erfurt, GeseUschaftstheater, 24. Januar 1783. —
Stockholm, Munkbrow, 22. Dezember 1786: Ariadne pa Naxos, schwedisch
v. J. P. Stolpe. — Weimar (Bellomo), 2. Februar 1787. — Giistrow, Theater
im Bathhause, Hostowky u. Fendler, 22. Januar 1788. — Bostock, Stadt-
theater, 22. Januar 1788. — Kopenhagen, kgl. Theater, 30. September 1788.
— Oels, Hoftheater, Sonntag den 16. April 1796. — Hamburg, Theatre de
1) Nach Mitteilung des Herrn Schatz-Rostock.
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610 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
la soci£te franchise dramatique et lyrique (deutsch), 28. Februar 1803. —
Kopenhagen (Arsenal), 19. Marz 1802. (Operahus) 14. Januar 1811. —
Wiirzburg, priv. frank. National-Biihne, 16. Dezember 1804. — Berlin (Kgl.
Schauspielhaus), 13. Juni 1833. — Halle, Neues Theater der Badeverwaltung,
30. August 1814. — Konigsberger Stadttheater, 25. November 1855 nsw.
Der Jahrmarkt (Dorfjahrmarkt) (Lucas und Barbchen).
Text von Friedrich "Wilhelm Gotter.
Gotha, Schlofltheater im Ballhause, Freitag den 10. Februar 1775. —
Leipzig, im Koch'schen Theater am Banstadter Thor, 25. April 1775. —
Altenburg, Hoftheater, 8. September 1775. — Dresden, Churf. kl. Theater,
26. Okt. 1775 (ProlB). — Hamburg, 8. Mai 1776. — Hannover, 8. Mai 1776
(Schroder). — Dresden, Neues Theater v. d. schwarzen Thor, Mai 1776 (Seyler).
Gotha, Hoftheater, 7. Dezember 1776. — Frankfurt a. M. (Seyler, i. Jung-
hofe), 22. Mai 1777. — Leipzig (Bondini), 5. September 1777. — Berlin
(Dobbelin), 18. Juni 1778. — "Wien, Nationaltheater, 15. April 1779. —
Breslau, 14. Oktober 1779. — Mannheim, Nationaltheater, 13. Februar 1780.
— Cassel (GroBmann), 12. September 1781. — Frankfurt a. M. ( GroBmann1 ,
19. Mai 1781. — Pyrmont, 5. Juli 1781 (GroBmann). — Riga, Yietinghoff-
sches Theat., 12. (23.) Oktober 1782. — Bonn, 3. Februar 1782. — Kauf-
beuren (Berner), 13. Juni 1782. — Erfurt, Gesellschaftstheater, 17. Januar
1783. — Danzig (Schuch), 7. August 1783. — Bremen (Abt), 8. Dezember
1783. — Kopenhagen (Markedet, Kgl. Theater paa Kongens Ugstore),
21. November 1788. — Munchen, Nationaltheater, Februar 1791. — Oelsj
Hoftheater, 7. Januar 1795. — Bremen, Theater a. d. Bastion beim Oster-
thore, 21. Dezember 1803.
Medea. Drama mit musikalischen Accompagnemento in 1 Akt.
Dichtung von Friedrich "Wilhelm Gotter.
Leipzig, im Koch'schen Theater u. D. v. Abel Seyler, Montag den 1. Mai
1775. — Gotha, Hoftheater, 6. Juni 1775. — Altenburg, Hoftheater, 6. Sep-
tember 1775. — Dresden, Kl. churf. sachs. Theater (Seyler), 6. November
1775. — Hamburg, Theater am Gansemarkt, 10. Dezember 1776. — Berlin,
Dobbelin, 26. Marz 1777. — Frankfurt a. M., Theater im Junghofe (Seyler),
31. Mai 1777. — Mannheim, deutsche Schaubiihne (Schiitthaus), u. D. v. Mar-
chand, 17. Februar 1778. — Wien u. d. Burg, 5. Dezember 1778. — Mann-
heim (Seyler), 20. Dezember 1778. — Munchen (Salvator), 13. August 1779.
— Mannheim, Nationaltheater, 30. September 1779 (Seyler), 16. November
1779. — Bremen (Abt), 16. November 1781. — Riga (Vietinghoffsches
Theater) 1./12. Marz 1783. — Danzig (Schuch), 24. November 1783. —
Kopenhagen, 17. Oktober 1788 (Hof- u. Nat.-Theat.). — Gustrow (Fischer',
24. September 1790. — Hannover (GroBmann), 17. September 1792. — Altona,
Nationaltheater, 31. Mai 1797. — Wiirzburg, 24. Juli 1805. — Nttraberg
den 21. September 1809 [vorher?] — Graz, 7. Juli 1818. — Munchen (am
Isarthor), 6. Juni 1818.
Borneo und Julie (Julie und Borneo). Schauspiel mit Gesang
in 3 Akten.
Text nach Shakespeare's » Borneo et Juliet< von Friedrich "Wilhelm Gotter.
Gotha, Hoftheater, Mittwoch den 25. September 1776. — Dresden
(Seyler), Februar 1777. — Frankfurt a. M., 3. Juni 1777 (Seyler). — Ham-
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Fritz Bruckner, Georg Benda nnd das deutsche Singspiel. 611
burg (Schrdder), 10. Mai 1778. — Mannheim (Seyler), 11. Marz 1779. —
Breslau, 1. Dezember 1780. — Bonn, Hoftheater, Montag den 8. Mai 1782.
— Danzig (Schuch), 10. Aug. 1782. - Bremen (Abt), 13. Oktober 1783.
— Mannheim, Nat.-Theat., B. Februar 1784. — Riga, VietinghoflPsches
Theater, 9./20. Juli 1784. — Miinchen (Salvator), 12. Nov. 1784. — Prefi-
burg (Erdody'sches Theater), 1787. — Hannover (Grofimann), 23. November
1787. — Schwerin, Rathhaus, 15. April 1788, do. im Ballhause (Fischer), Juni
1790. — Dresden, Theater v. dem schwarzen Thor, 26. Juni 1788. —
Giistrow (Fischer), 15. Oktober 1790. — Oels, Hoftheater, 18. April 1795. —
Graz, Freitag den 26, Sept. 1794. — Sibyllenort, Sonntag, 14. Marz 1801.
Der Holzhauer. Komische Operette in 1 Akt.
Text nach >Le Bucheron ou les trois souhaits« von Guichard u. Castet,
von Fr. W. Gotter.
Gotha, Hoftheater, 2. Januar 1778. — Hamburg, Theater am Ganse-
markt (Schroder), 4. Mai 1778. — Leipzig, 11. Oktober 1779. — Breslau
(Waser/, 29. Oktober 1779. — Bonn, Hoftheater, 13. Dezember 1780. —
Berlin (Dobbelin), 20. April 1781. — Frankfurt a. M. 21. April 1781 (Grofl-
mann). — Mannheim, 5. April 1782, Nat.-Th. — Riga 27. Juni/8. Juli 1785.
Das tartarische Gesetz. Schauspiel mit Gesang in 2 Akten.
Text nach den »glticklichen Bettlern* von Gozzi, von Fr. "W. Gotter.
Hamburg, Theater am Gansemarkt (Schroder). 19. Juli 1780. — Weimar,
(Bellomo), 28. Dezember 1785. — Mannheim, 4. Marz 1787.
Pygmalion. Monodrama in 1 Akt.
Text von J. J. Rousseau. Deutsch von Fr. W. Gotter.
Gotha, Hoftheater, 20. September 1779. — Mannheim, Nationaltheater,
28. Januar 1783. — Berlin, Nationaltheater, 29. Januar 1791. — Weimar
(Bellomo), 29. Januar 1791. — Leipzig, Theater am Ranstadter Thor, 2. Juni
1799. — Breslau, Konigl. Theater, Juli 1799. — Wien, Hofoperntheater,
14. Juni 1801. — Nurnberg, 20. August 1802. — Wien, Theater an der
Wien, 13. November 1802. — Wurzburg, Churf. Nationalbiihne, 28. Dezember
1804. — Bremen, 7. April 1804. — Schwerin, Theater am Ballhaus,
23. April 1813. — Hannover, Schlofltheater, 27. Januar 1815. — Schwerin,
Hoftheater, 8. Februar 1836.
Anhang IV.
Cramer, Magazin, 1783. 28 ten Julius.
Ueber das einfache Recitativ.
Ein Schreiben von Georg Benda.
Sie wundern sich, wehrtester Freund, dafl ich den Dialog in Romeo und
Julie, einem durchaus ernsthaften Drama, das die vollige Gestalt einer Oper
hat, nicht in Noten gesetzt habe. Ich gestehe Ihnen aufrichtig, da£ ich dem
Verfasser sehr verbunden bin, dafi er den Dialog nicht in Verse gebracht,
und dafi er mich dadurch der Miihe uberhoben hat, die Handlung dieses
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612 Fritz Bruckner, Georg Beuda und das deutsche Singspiel.
riihrenden Stiicks, durch die gewShnliche vom Gesange sowol als der natur-
lichen Deklamation entbloBte Opernsprache, wovon das mehreste unverstanden
verlohren geht, zu schwachen. In Sulzer's allgemeiner Theorie wird uns ein
eben so richtiges als trauriges Bild der TJngereimtheiten, die gewohnlich in
den Opern vorkommen, vor Augen gelegt, und zugleich Vorschlage zur Ver-
besserung derselben gethan. Alles ganz gut. Aber wie kann ich mir eine
merkliche Yerbesserung der Oper denken, so lange man dieses einfache Reci-
tatiy als die herrschende Sprache, von der die ganze Handlung abhangt, darinc
duldet? Der Dichter lege so viel Leidenschaft hinein, als er nur immer
will; welch en Zwang leidet er doch nicht, wenn man von ihm fordert, dafi
er diesem, bey einer Oper schon so ubel angebrachten langweiligen Recitativ
zu Gef alien, jeder Erzahlung, jeder Unterredung, jeder Berathschlagung aus-
weiche, wovon doch oft das eine und das andere nur Einleitung der Ent-
wickelung der vorzustellenden Geschichte, nicht nur nicht leicht zu venneideu
ist, sondern aus dem oft selbst die groBten Leidenschaften entstehen, die
dann zum Recitativ mit Accompagnement den besten Stoff abgeben. GewiB,
der muB nicht wenig Phlegma besitzen, der sich des Lachens enthalten kann,
wenn er zum erstenmale in seinem Leben bei einer blofien Erzahlung, Unter-
redung oder Berathschlagung durch vorgeschriebene Tone sprechen, die Accorde
auf dem Fliigel greifen und die Basse dazu streichen hort. Nur die Spracheu.
sagt Rousseau, die schon an sich im gemeinen Vortrag einen guten Accent
oder etwas singendes haben, schicken sich zum Recitativ. Ohnstreitig hat
die italienische Sprache diese Vorztige vor andern europaischen Sprachen
zum Voraus, und doch schlafen wir bei ihren Opernrecitativen ein. Sollte
uns dies nicht abschrecken, sie in unsern deutschen Singspielen einzufuhren ?
Noch mehr: Ist nicht selbst in Italien der Anfang eines Recitativs das Signal
zur Conversation geworden? Wie sehr ist daher der Sanger zu beklagen.
der auf der Liste unserer guten Schauspieler stent, dafi er sein Gedachtnis
mit Dingen martern muB, die ihm vom Gesang und der naturlichen Sprache
gleich weit abfuhren. Ich bin weit entfernt, dieses simple Recitativ iiber-
haupt zu verwerfen. Bey Oratorien, Kantaten und andern der Music nnd
dem Gesange gewidmeten Stiicken, ist es an seinem Ort. Selbst in ein em
Singspiele kann es bey einzelnen Stellen gute "Wirkung thun; nur da, wo
es den Platz des ganzen Dialogs einnehmen und die Stelle der zur Behand-
lung eines Sujets nothigen naturlichen Sprache vertreten soil, taugt es nichts.
Gleichwohl scheint der in einer Oper in Verse gesetzte Dialog und das
Heroische des Sujets durchaus musikalische Tone zu fordern. "Wie nun? Hier
ist freylich kein andrer Rath, als dafi die groBe Oper, worinn einmal das
Unnaturliche zur Natur geworden ist, auch ihre mit jenem ubereinstimmende
Sprache behalte. Wo man die recitirten Worte ohnehin nicht versteht, da
mag dann auch die Muse unbestimmt sprechen. Ueberwindung wird es freylich
dem Tonkunstler, der das Theater kennt, immer kosten, seine Kunst unter
ihre Wiirde erniedrigt zu sehen. Indessen eine Oper sey Oper ! Glauben Sie
ja nicht, daB ich etwa aus bloBer Abneigung von dieser Art Singspiele so
denke: GewiB nicht. Ich habe ja, wie Sie wissen, selbst eine italienische Oper
gesetzt, ob ich gleich alle die Mangel schon damals fur Mangel bielt.
Ich wiirde sogar eine zwote setzen, wenn es von mir verlangt werden sollte.
Nur von der Wahrheit des Satzes kann ich mich nicht abbringen lassen: Die
Music verliert selbst, wo man ihr alles aufopfert. Ein Gliick fur
die Music ist es; daB sie diesem Zwange ausweichen kann; daB es mehrere
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Frits Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 613
Gattungen Singspiele giebt. Eb giebt eines, wozu die edelsten Sujets aus
dem gemeinen Leben hergenommen und durch prosaischen Dialog und nattir-
liche Declamation um desto interessanter werden; wobey selbst der Gesang
viel gewinnt. Hat nicht scbon das beroische Trauerspiel dem bttrgerlichen
merklich weichen miissen? Und aus welcbem Grunde? Sollte der Ton-
kUnstler hierbey gleichgiiltig sein? Sollte er diesem Winke nicbt folgen,
der seiner Kunst so schmeichelhaft ist: Seben Sie also darinn die Ursache,
warum ich bei meinen Arbeiten fiir das Tbeater die groBe Oper mir nicht
vorziiglich gewahlt habe. Lassen Sie uns nun eine kurze Yergleicbung zwischen
beyden Gattungen anstellen. Bey der Oper z. E. bricht die Sangerinn in
einer Arie in Klagen aus, ich werde geriihrt: aber nicht so, wie ich es
seyn wtirde, wenn ich das Vorhergegangene besser verstanden h&tte. Bey
der andern werde ich durch das Vorhergehende auf eine verstandliche Art
zum Mitleiden vorbereitet. Dort, wo alles der Music aufgeopfert wird, macht
die geschickteste Kehle das beste Gltick, wenn sie gleich oft in einer un-
beweglichea Maschine steckt. Hier, wo sich Gesang und Handlung bei der
Hand fiihren, wird ein Sanger gesucht, der zugleich mit der Schauspielkunst
bekannt ist. Dort wird der Zuhorer bloB bey einzelnen Situationen durch
Gesang und Harmonie hingerissen. Hier geschieht es auch bey dem Dialog,
wie im Walde[r], wenn man ihn in Recitative gebracht hatte, alles
verderbt ha ben wiirde. Die Seele, wenn es darauf ankommt, hat ihre
eigenen Tone, die sich durch musikalische nicht abmessen lassen. Sollte also
ein fur das deutsche Theater patriotisch gesinnter Componist, der mehr fur
das Herz als die Vorurtheile derjenigen schreibt, die nur das fur schon halten,
was jenseits der Alpen Mode ist, nicht diese Gattung jener mit gutem Grunde
vorziehen konnen? Von dem Recitativ mit Accompagnement, wobey die
Music nicht mehr dunkel und zweydeutig spricht, brauche ich Ihnen nichts
zu sagen. Der groBe Eindruck, den es bey alien Arten von Singspielen
macht, ist bekannt genug. Sollten diese meine Gedanken Ihren Beifall finden,
so ist Ihre eigene Veranlassung, der Sie es zu verdanken haben. Sind Sie
andrer Meynung; so widerlegen Sie mich: aber ja nicht eher bis Ihnen das
Gluck widerfahrt, eine Oper zu horen, ohne dabey zu gahnen, oder sich mitten
unter dem recitirten Dialog nach dem Anfange einer Arie zu sehnen.
Ich bin usw.
G. Benda.
Anhang V.
(Zur Charakteristik Benda's.)
Benda's Briefe an Gotter1).
1.
Inliegenden Brief nab' ich bios in der Absicht beygelegt, damit Sie daraus
ersehen, daB der jezige Herzog von Schwerin ein Herr ist, der Talente zu
schazen weiB. Nein, ich werde mit Ihnen nicht hadern, daB Sie fur den
Schauspieler und nicht fiir den Sanger gearbeitet haben. Denn war's um-
gekehrt, wie leicht wiirde ich nicht bey einem "Wetter, als das jezige ist, in Ver-
suchung gerathen, meine Harmonischen Krafte noch einmal anzuspanneD.
1) Im Besitz der Frau von Zech-Gotha.
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614 Fritz Briickner, G-eorg Benda and das deutsche Singspiel.
Nein, ich will es bey dem tartarischen Geseze be wen den lassen und meine
theatralischen Arbeiten mit einem StUcke beschliefien, wo ich denke mit Sicher-
heit sagen zu konnen : Ende gut, alles gut. — Das, was Sie mir von If lands
Gliicke melden, ist fur mich etwas ganz neues, weil ich seit geraumer Zeit
von Mannheim keine Briefe bekommen und in den Zeitungen, die ich halte,
davon nichts gelesen habe. Aus dem wenigen, so Sie mir davon sagen,
zu urtheilen, mufi ich gestehen, dafi diese Begebenheit von einer Art ist,
wo man dem Neide selbst etwas zu Gute halten mufi. Hatte Ifland die
4000 Gulden in einer Lotterie gewonnen, so. wiirde nur der, der Niemanden
als sich etwas gutes gdnnt, dariiber neidisch seyn. Hier aber, hier kommt
die Eigenliebe mit ins Spiel. Da, wo Mehrere zugleich um Beyfall eifern
und nur Einer davon belohnt und zwar auf eine so ubermafiige Art belohnt
wird, da kann es nicht ohne aufierste Krankung der TJbrigen abgehen. Man
mag immer hiebey den Ifland als blofien Yerfasser betrachten (die sind es
am wenigsten gewohnt, ihr Gliick bey Theatern zu machen). Sie und ich
wiirden bey gleicher[!] Verhaltnis der Umstande zwar nicht, wie Beil, fort-
gehen wollen, aber una gedemUtiget glauben, doch auch so billig seyn und
unsern Unwillen nicht gegen den Nehmer sondern gegen die Geber auslassen.
So aber gonnen wir einem andern, was wir uns wiinschen, nehmen Antheil an
If lands Gliicke und wiinschen, dafi er guten Gebrauch davon machen moge [etc.].
Bonnebg., d. 17. Jan. 1786.
G. Benda.
Beyliegenden Brief behalten Sie nur so lange bis Sie einmal wieder an
mich schreiben. Gruften Sie mir unsern Freund Sulzer und schicken ihn,
wo er hingeh5rt, nach Bonneburg.
Es ist hier seit 8 Tagen ein solches Wetter, dafi ich mich nach dem
Bab en sehnen mochte! An Freund Passavy einen GruB. Nachsten werde
ich ihm antworten. [Quer am Bande] Die Herren Matadors in Altenburg
wollen mich dahin kommen lassen, um mich wegen eines zu errichtenden Con-
certs zu consul tieren. Allein
Ob ich gleich das Vergniigen gehabt habe, Sie seit ihrem lezteren freund-
schaftlichen Briefe zusehen, so darf er deswegen nicht unbeantwortet bleiben,
wenigstens ganz nicht. Dafi ich zu Anfang des Herbstes, wenn ich mich
immer, so wie jetzt, befinde, Ohrdruff auf ewig verlafien werde, ist gewis.
"Wo ich mich aber furs erste hinwende, weifi ich noch nicht so recht. Yer-
mutlich nach der Pfaltz; denn ich kann dem Gedanken nicht entsagen, Mann-
heim noch einmal zusehen. Kehre ich aber nach Bonneburg zuriick, so
sehe ich es nie wieder, und sterbe, ohne etwas von der Musik, mit welcher
ich meine theatralischefn] Arbeiten beschlofien habe, gehort zu haben.
So, liebster Freund, so ist es in Ansehung meiner beschaffen. Was Sie
betrift, Ihre Finanzen mochten immer Ihre Ohren mit Taubheit schlagen,
konnte ich nur bey meinen Jahren und bey so einer Beise meine eigene
Aufwartung entbehren! oder konnten unsrer drey in meiner Schose bedeckt
reisen. Und doch sind alle diese Schwierigkeiten nicht vermogend mich von
der Hofnung abzubringen diese Beise in Ihrer Gesellschaft machen zukonnen.
Eine Tour Ihrerseits nach Bonneburg wiirde mich vorm Jahre mehr interefiirt
haben, wie Sie leicht denken konnen. Wie sieht es denn damit aus? [etc.].
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 615
Vor einiger Zeit ging ich mit dem Projekt schwanger, Ihr tartarisches
Gesez mit Ihrer Hiilfe auf das G-othaische Hoftheater zum ' Vortheil armer
Familien, die sich zu betteln sch&hmen, zu bringen, und hatte schon die
Zenide der Scheidlerin, den Said der Demois, Br aim, den Tauhari dem Wunder
und die Fatme der Reinhartin zugedacht, mit dem fasten Entschlufle fur
meine Mtihe keinen Heller zunehmen. und von der Herrschaft weiter nichts
als Theater, Garderobbe, Erleuchtung und das Orchester mir zur Disposition
auszubitten. Allein — das Blatt ist voll — Leben Sie wohl.
Ich bin von Herzen Ihr aufrichtiger Freund
Ohrd. d. 15. July 86. G. Benda.
3.
Diesmal, liebster Gotter, nur eine kleine Anmerkung, zu welcher mich
die in Ihrem Tartarischen Geseze befindliche Romanze veranlafit: Sie gefallt
mir durchgangig sehr wohl; und doch habe ich Schwierigkeiten gefuhlt sie ganz
in Musik zu aezen; theils weil die nehmliche Melodie nicht auf all e 5 Strophen,
die verschiedene Gemutsbewegungen enthalten, passen wurde, und theils weil
ich langweilig zuwerden befurchtete, wenn ich jeder Strophe eine andere Melo-
die geben wollte. Ich habe also die 2 ersten Strophen [
1.
Die Undankbare lohnte mir
Mit Thranen und Verachtung;
VerschloB sich stolz in ihr Revier;
Gab meiner Liebe kein Gehor
Und sezte sich zur Gegenwehr,
Bald bittend und bald drohend.
2.
Je heifier ich, je kalter sie;
Ich schmeichelt' ihr und flehte,
Ich fiel vor ihr auf beide Knie,
Ich weinte mir die Augen wund;
Sie stieB mich von sich; einen Hund
StoBt man nicht sproder von sich.
Die Undankbare!
Die Undankbare lohnte mir usw.
als Ariette bearbeitet. Die folgenden 3 Strophen aber:
3.
Da ubernel michs heute Nacht,
Ein andrer sey ihr Abgott.
Kaum hatt' ein Schatten von Verdacht
Sich in mein voiles Herz gedrangt;
Wenn Eifersucht ein Fiinkchen fangt,
Springt gleich die ganze Mine.
4.
Laut schwur ich, ihr durch lange Qual
Das Leben zu vergiften;
Doch flugs hat in der Rache "Wahl
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616 Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel.
Mich blinder Jahzorn tibermannt,
Dafi ich sie von mir weggebannt
Nach dem Gebrauch der Tartaren.
5.
Dicht vor ihr Antlitz nab' ich mich
Gestellt mit Henkers Blicken,
Und dreymal: ich verstofie Dich!
Ihr grafilich in das Ohr geschrien,
Und dreymal vor ihr ausgespien,
Und so das Band zerrissen.
miissen Sie, es thut mir leid, in Prosa ubersezen und den Tauhari sprechend
klagen lassen. Da Sie hierzu kaum einer kleinen halben Stunde bedurfen,
wie war's, wenn Sie so gut waxen und mir es noch heute durch die Botert-
frau zukommen liefien?
Da die bosen Fahrwege schwerlich durch Sonne und Luffc ausgetrocknet
werden mochten, so kann's wohl komen, dafi ich Ihren Bath befolgen und
erst im December meine Beise nach der Pfaltz antreten werde. Ich mdchte
die Parti tur von Borneo und Julie sehr gerne zum Druck befordern.
Erweisen Sie mir doch die Gefalligkeit und fragen Sie den H. Buchh. Dyk,
der vor mehreren Jahren den Klavierauszug davon verlegt hat, ob er auch
die Partitur (44 Bogen stark) verlegen will? Ich will sie ihm fur 16 Ld'or
geben. Ich bin von Herzen Ihr aufrich tiger Freund
Ohrd. d. 8ten Oct. 86. G. Benda.
4.
Sollte Ihnen dieser Brief unter angenehmen Entwttrfen, auf welche Art
Sie den heutigen Nachmittag am vergniigtesten zubringen mochten, zugestellt
werden, so seyn Sie so gut und verschieben Sie sie nur auf wenige Augen-
blicke, wenn Sie den Brief einiger Aufmerksamkeit wiirdigen wollen, derm,
was ich Ihnen melden werde, darf Ihnen nicht gleichgieltig sein. — — —
Da bey dem Mannheim er Theater noch alles so ist, wie es war, als ich es
das leztemal verlafien habe, so bin ich nun auch entschloOen, die Beise dahin
anzutreten so bald — — so bald Sie wollen. Ja, ja, so bald Sie wollen ;
denn ich rechne in allem Ernste darauf, dafi Sie mich dahin begleiten werden.
Da ich mich seit ein paar Jahren, besonders aber seitdem ich von Bonneburg
zuriickgekomen bin, recht wohl befinde, so will ich diefimal, zumahl da ich
nicht tiber 3 Wochen ausbleiben werde, meine Aufwarterin zuriicklafien.
Wenn ich Ihnen nun sage, dafi, Sie mogen mitreisen oder nicht, ich kein
Pferd mehr oder weniger anspannen lafie, so habe ich Ihnen alles gesagt.
Wenigstens, hin und her ganz Postfrey, konnen Sie mir in Ansehung der
Finanzen keine Schwierigkeit machen. Entschliefien Sie Sich, Liebster Gotter.
Die Botenfrau wird gegen 2 Uhr die Antwort abholen. Bringt sie mir ein
Nein, so hat sie sich kein freundliches Gesicht von mir zu versprechen. Ich
hofe dafi Sie vielmehr den Tag zu unsrer Abreise bestimen werden.
Von ganzem Herzen Ihr ergebenster Freund
Ohrdruf, d. 15 1. Nov. 86. G. Benda.
Wenn ich mich nur immer so befinde, wie bis hirher, so brauch ich bey
unsrer Beise auf kein fremdes Geld zu rechnen. Yerstehen Sie mich? —
Unser Stuck und auch den Pygmalion noch einmahl zu horen und Ihnen
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 617
beydes horen zu laBen, ist mein einziger Endzweck. Ein einziger Clavieraus-
zug zahlt mir die Reisekosten.
5.
Endlich, endlich, werden Sie, liebster Freund, bey Erofnung dieses
Briefes sagen. Freylich habe ich mich dieses mahl als einen Faulen corre-
spondenten bewiesen. Kiinftig will ich mich befier auffiihren und das ge-
schehene wieder gut zumachen such en ; fur diesmal raelde ich Ihnen nur,
daB ich den 4. dieses mit unserin tartarischen Geseze unter dem
Schall von Trompeten und Pauken vom Theater abschied genommen habe.
Die Musik davon gefiel; wie weit sie gefiel, kann ich nicht sagen, weil ich
gleich den Tag nach der Vorstellung, ohne Jemanden von meinen Be-
kannten zusehen, Mannheim verlaBen habe; das Sujet aber fand man nicht
intereBant genug. Sie wiBen, daB die Mannheimer sich mehr mit der Musik
als dem Theater familiarisirt haben. Bald darauf wurde Romeo, und zwar,
wie man mir berichtete, mit einem rasenden Beyfall aufgefuhrt. Man wun-
derte sich sehr, daB man mich nicht unter den Zuhorern sah — Ich gehe
jetzt einer Jahreszeit entgegen, antwortete ich, wo ich eine Feldblume jeder
Oper vorziehe. In Mannheim hab? ich, Dank sey dem Wendlingschen Hause,
wo ich mich taglich einfand, die 2 Monate, Januarius und Febr., sehr ver-
gniigt zugebracht. Die Gustel Wendling will auf den kunftigen Winter nach
Engeland, und brennt vor Begierde Romeo u. Julia, mit Beybehaltung
meiner Musik, ins Italienische iibersetzt zusehen. Ja, das ist wohl bald ge-
sagt, aber fast unmoglich auszufuhren. Der hiesige Hofpoet Verazi, der die
deutsche Sprache nicht verstehet, soils ubersezen. Weil sie nun weiB, daB
ich diese Oper, ins Franzosische ubersezt, besize, so bittet und bittet sie,
daft ich Ihnen den Auftrag geben mochte, nach Ohrdruf zu gehen, sie unter
meinen Papieren hervorzusuchen und herzuschicken. Ich brauche Ihnen nicht
die Schwierigkeiten zusagen, die alle diese Miihe und Weitliiufigkeiten ver-
geblich machen wiirden. Wenn auch Verazi die IJbersezung iibernehmen
wollte, so miiBte ich unumganglich dabey seyn, und dann bliebe noch immer
die Frage, ob wirs zu Stande brachten. Das leichteste, welches mir jedoch
viele Arbeit verursachen wurde, ware: den in Verse Ubersezten Dialog in
Musik zu sezen. —
Ich habe nun fast seit 3. Monaten keine Nachricht von Gotha. Was hat
man fur Nachrichten vom Befinden der Herzogin, wann glaubt man sie
wiederzusehen ? Legen Sie mich doch unserm theuersten Prinzen zu FuBen.
Das Quartal1) bitte ich, wie gewohnlich, dem B zuzustellen. Wie
lange ich in Heidelberg verbleiben werde weiB ich selber nicht. Meine
tjiglichen Veranderungen sind: mich bald hier bald dort iiber den Keckar-
FluB zu ubersezen, bald diese bald jene Gegend zubesuchen, und, von langen
Spaziergangen ermudet, comme quattre zu eGen. Leben Sie wohl, liebster
Gotter. Beschahmen Sie durch einen baldigen Brief die zeitherige Nach-
Ihres ergebensten Freundes
Heidelberg d. 21. Marz 87. G. Benda.
Hier auf der Post weiB man wo ich wohne. Das ausgelegte Porto werde
ich zu verguten nicht vergeBen.
1) Benda' s Pension.
s. d. I. M. v. 40
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618 Fritz Bruckner, Georg Benda uud das deutsche Singspiel.
Ihr Brief, liebwerthester Preund, war fur mich bey meiner jezigen stillen
Lebensart eine der angenehmsten AbwechBelungen. Ich werde suchen, deBen
Punkte, sowie sie auf einander folgen, zu beantworten: Ihre Anmerkung, die
das tartarische Gesez betrifft, ist richtig. Das anschauliche der im ver-
floBenen Winter gegebenen Opern war nicht nur Ihrem Stiicke sondern selbst
meiner Musik nachtbeilig. Der groBte Theil der Theaterfreunde hat beBeres
Auge als Gehor. Ists moglich, sagte ich, als ich die Musik von Belloro-
fonte bey einer Probe mit anhorte, daB man diesen Unsinn auf das Mann-
heimer Theater zu bringen sich entschlieBen kann! LaBen sie nur erst, aut-
wortete mir quidam, der neben mir saB, den Flammenspeyenden Drachen,
die Furien, das krachende Donnerwetter etc. dazukoinen, Sie werden gewis
zufrieden seyn.
Wie sehr ich mich iiber das anhaltende Wohlbefinden unseres the u erst en
Prinzen freue, brauche ich Sie nicht zu versichern. Von der Zuriickkunft
der hohen Reisenden hoffe ich in Ihrem nachsten Briefe etwas bestimmteres
zu vernehmen. Die Damen mogen immer alles moglich zu machen wiBen,
so mochten doch die Schwierigkeiten , Romeo etc. ins Italienische zu
iibersezen, die Oberhand behalten. Wenn sich auch Verazi dieser Arbeit
unterziehen wollte, woran ich doch sehr zweifle, so wiirde er des
Zwanges, jeden Vers, jede Phrasie, jeden Abschnitt nach der Musik abzu-
meBen, bald iiberdruBig werden. Der Fall, wo wir mit ihm zusamenkommen
und bis zu Ende dieses Geschaftes beysainen bleiben konnten, lafit sich gar
nicht denken, oder nur denken.
Dem Verdachte, daB das mir mitgetheilte Portrait, wo nicht alles, doch
einige Ziige Ihrem Pinsel zu danken hat, werden Sie freilich nicht entgehen.
Jeder wird darin Ihre Art zu schildern zufinden glauben. Getrofen! ge-
trofen ! — rief ich laut, als ichs durchgelesen hatte. Melden Sie mir doch
bald das weitere dieser Geschichte. hauptsachlich aber, wie sich Lynkus da-
bey beniint. Es sollte ihm schmeicheln, daB das, was man von ihm sagen
kann, gewiBes Aufsehen macht. —
Sie thun wohl, wenn Sie Ihre Mannh. Freunde nicht langer auf Sich
warten lassen. Was mich anbelangt, ich werde Sie, wenn Sie auch komen
da ich noch hier bin, am wenigsten genieBen. Ich bin um der Pfaltz Willen
nach Mannheim gereist; bey Ihnen wird es umgekehrt seyn. Ich habe von
Mannheim auf ewig Abschied genomen und werde mich nicht in den Fall
begeben ihn noch einmal zunehmen. Allso ein Besuch von Ihnen ist alle*
worauf ich mich freuen kann und herzlich freuen werde, wenn ich noch so
lange hier bleiben sollte. DaB bey Erneuerung der Theatral-contracte 7
Personen, worunter auch der alte Kirchhofer, sind verabschiedet wordeu.
werden Sie vermutlich schon wiBen. Der H. von Dalberg wiirde wohl thun ,
wenn er sich selber verabschiedete. Als H. BoBan, der Direktor des hiesigen
Schauspiels, erfahren hatte, daB ich hier bin, gieng er zu mir und gab mir
ein Frey-Billet mit der Bitte, seine Biihne zu besuchen, so ich auch aus
Hoflichkeit einigemal gethan habe. Nach Verhaltnis seiner Einnahmen konnte
seine Gesellschaft schlechter seyn, sowie die Mannheimer nach Proportion
der ihrigen befier sein sollte. Adieu, Bester. Ich schlieBe diesen langen
Brief mit der Hofnung, daB ich bald wieder einen von Ihnen lesen werde
und bin von ganzem Herzen Ihr treuer Freund
Heidelberg, d. 4. April 87. G. Benda.
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Fritz Bruckner, Georg Benda und das deutsche Singspiel. 619
7.
[1787, zwischen April und Juni.]
Endlich, liebster Freund, endlich hab' ich nach einer beynahe 4 Monath-
langen Abwesenbeit meine lezte Reise nacb und aus der Pfalz gliicklicb und
zwar bo gliicklicb vollendet, daB mir binnen dieser ganzen Zeit keine Ader
wehgethan hat. Seit vielen Jabren war diese Reise die erste, wo ich, mit
Steinschmerzen ganz verscbobnt (etc.l.
Da icb der Wendlingschen Familie, Ibrem lezteren Briefe zufolge, die
HofFnung gemacbt babe, daB Sie sie den nachsten Sommer besucben werden,
bo wird ibr die Nachricht von meiner Abreise sebr unangenebm gewesen seyn ;
denn sie hoffte, daB ich daselbst Ibre Ankunft erwarten wtirde. Mit schwehrem
Herzen wird sie den Gedanken aufgeben, Romeo ins Italienische uber-
setzt zu sehen. Ich wtirde freylich was darum geben, wenn es geschehen
konnte. Daran ist aber nicht zudenken, wenn ich aucb dabey zu entbebren ware.
Von dem Mannbeimer Theater, diesem ansehnlicben Korper ohne Kopf, hatte
ich Ihnen mancherley zu sagen. Icb glaube aber seit einiger Zeit bemerkt
zu haben, daB die Scbaubiihne uberbaupt nicht mehr die Reize ftir Sie hat,
die sie vormals hatte. Ich habe nichts dawider, denn von mir ist sie nun
ganz verabschiedet. Von unserm tartarischen Geseze muB ich Ihnen doch
nocb etwas sagen : Die Auffuhrung derselben muB der Theater-Kasse eine
ansehnlicbe recette eingetragen haben, denn das Haus war sehr voll. Dabey
lieB es der Theaterintendant und der Componist bewenden. Jener hat von
diesem und dieser von jenem weiter nichts verlangt. Das darf Sie nicht be-
fremden, lieber Gotter; denn alle Singstucke, die daselbst auf das Theater
gebracht werden, erhalt man gegen Abscbriftgebuhren von andern Th eater n,
die Carnevals-Zeit ausgenomen, wo grofie anschauliche Paradestiicke ge-
geben werden, und wo dem Componisten ftir eines dergleicben 10 Louisd'or
ausgesezt sind. Kurz, ich habe meine Musik wieder mit nach Hause ge-
bracht, so wie ehedem die von Pygmalion nach zweimaliger Vorstellung.
Den Besiz dieser Musik hat das Theater bios dem Beck zu danken, der sicb
in die Rolle verliebt hatte und nicht ruhte, bis sie mir abgekauft wurde.
Ist es Ihnen noch immer ein Ernst, Mannheim noch in diesem Jabre zu-
besuchen? Wann wird die Herrschaft erwartet? "Was hat sich seit Ihrer
letzteren Nachrichten in Gotha zugetragen? etc.
8.
Je weniger ich, liebster Freund, am vorigen Mitwoch einen Brief von
Ihnen zu bekommen vermuthete, je angenehmer war er mir und wenn er
weiter nichts als die Nachricht von unsers tbeuersten Prinzen Wohlbefinden
enthalten hatte. Wie vergnugter bin icb, als wenn icb keinen Schein sehe,
der mir, ibn zu iiberleben, droben konnte.
Das beygelegte hab' icb mit Theilnehmung gelesen. Mein Seffe bat aus mehr
als einer Ursacbe woblgetban, daB er seine bisberige Pariser Gescbicbte durcb
den Druck bekanut gemacht bat. Icb bin auf den weiteren Erfolg der Sache
sehr begierig. Wo mag er wobl jetzt seyn? Nach dem Mannheimer Theater
zu urtbeilen, erreichen freilich alle cbicanen Deutscher Direkteurs die Ranke
der Pariser Opern-Direktion nicht, denn ich bin gewis, daB man mir in
Mannheim keine Schwierigkeiten entgegen sezen wiirde, wenn ich auch jedes
Viertheljabr daselbst eine neue Oper auf das Theater bringen wollte; die
40*
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620 Fritz Bruckner, Georg Benda and das deutsche Singspiel.
dasige Direktion wiirde fur diese ihre condescendance nicht einmal einen
Dank von mir verlangen. Nicht wahr? — etc.
Ohrdruff d. 20. Juni 1787.
9.
Ich habe in meinen vorigen Briefen verge Ben Sie zu ersuchen, da£, wenn
Sie nach Mannheim schreiben, Sie meiner auf keine Art erwahnen. Ich habe
meine Ursachen dazu. Wie? Die Zeitungen kiindigen uns die Errichtumr
eines glanzenden Theaters zu Berlin an, und Sie — Sie sagen mir nicht*
davon? — Soeben nab1 ich die Wiederholung dieser Nachricht gelesen.
Kofnt die Sache zu Stande, so wird sie unter dem Schuze des Konig-s ge-
wiB auf einen permanenten FuiJ gesezt, und alsdann — Wer iat wohl tTe-
schickter Plane zu theatralischen Produkten zuentwerfen als Engel? W*r
wird sie beOer ausarbeiten als Gotter? Sie sehen also, daft ich Lhnen schou
eine Stelle dabey zugedacht habe. He! was sagen Sie dazu? Das ware nun
fur Sie so eine Lockspeise wie fur den Fisch das Wasser.
Ohrdruff, d. 15. Dec. 1787.
10.
Vielleicht sollte ich, liebwerthester Freund, zu einer Zeit, wo die merk-
wurdigsten Ereignisse gewiB Ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen, Si*-
mit Briefen verschonen ; mit Briefen, die, von einem Landmanne geschriebeu.
fur den Stadter nichts interessantes enthalten konnen. Auch komme ich mir
vor, als kame ich mit einem Sperling angestiegen, indem sie staunend einen
Adler anschauen. Gleichwohl miiBte ich mir Vorwurfe machen, wenn ich Ihren
lieben Brief noch langer unbeantwortet liegen liefle. Als Sie ihn schxiebec.
(0, wie schnell folgen die unerwartetsten Begebenheiten aufeinander!) lehte
noch Ludwigs Wittwe ; noch hatten Marat und Egalite ihren verdienten Lohn
nicht empfangen; noch lieli sich niemand den Gedanken einf alien, daft die
Franzosen, zum Beschluft des Feldzugs Landau entsezen und die Deutschen,
die schon vor 3 wo nicht vor 4 Jahren auf Paris losgehen wollten zuruck-
schlagen wiirden. Selbst in seiner jezigen politischen Krankheit zeig*
Frankreich, wie machtig es sey, und was es koste, ein Yolk zu bezwingeii.
das fur sein Vaterland zu fechten glaubt! nur befiirchte ich daB die tapfen:
Patriotten, wie sichs wohl am Ende zeigen konnte, nicht fur die Freyheit.
sondern bios fur den Ehrgeiz einiger Bosewichter, die gege nwartig die
Souveraine Gewalt ausiiben, gefochten und so viel Bluts vergossen habei,!
Auch B-epubliken haben ihre Tyrannen.
Man spricht unter den ftirchterlichsten Zurtistungen von Frieden ; Xeit, i
das Interesse der an diesem Kriege Theilnehmenden Machte ist zu sehr ver- i
wickelt, als daB ein baldiger und dauerhafter Friede zu hoffen ware. Bi^ I
her sang der Frankreicher 5a ira, jezt singt er gar, 5a va; und endlich I
wird man sich , genothigt sehen mit den Konigsmordern zu unterhandeh.. I
wenn in dem nachsten Feldzuge nichts entscheidendes geschieht. I
AVir werden sehen , was unsere neuen Generate thun werden. — Nein, I
lieber Gotter, bis auf Ihren Brief war der Tod der Fr. von Lichtenstei..
noch nicht zu meinen Ohren gekommen. Wer hatte ihr einst gesagt, daU
der Abgott ihres Herzens einst die Quelle ihrer bittersten Leiden werden
wiirde! —
Was giebt den Burger Passavy an! Sie haben ihn nicht verstanden;
das, worauf er sich was zu Gute thut, ist, dafi er etwa um ein Jahr alter
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Fritz Bruckner, G-eorg Benda und das deutscbe Singspiel. 621
ist, als sein Freund Benda. Sagen Sie ihm, ich sei weit entfernt. ihm seine
Anciennete streitig zu machen; aber bereit ware ich, ihn bey der ersten
Anktindigung des Friedens nach Paris zu begleiten. Das Reisegeld liegt
parat. Immer moglich, daB eine Frauzosin in seinem geschwachten Nerven-
systeme eine heilsame "Wurkung hervorbriDgen wird.
Mit Zerstorung meiner alten Maschine geht es, gottlob, ziemlich langsam;
wenigstens kommt mir vor, als wenn sichtmein Geist, der Bewohner der-
selben, nach keinem bessern Quartier sehnte. — Entfernung von VerdruB,
Kuinmer und Sorgen, nebst ein Bischen Philosophie sind das ganze Geheim-
nis langer zu leben und iinmer jung zu bleiben, das ich Ihnen mittheilen kann.
Es sind, wenn ich nicht irre, 40 Jahre verflossen, seit ich die am Land-
tage zu Altenburg und Gotha aufgefuhrte und ursprunglich zu einem Ge-
burtstage des vorigen Herzogs bestimmt gewesene Cantate von Rom, wo ich
sie verfertigt, nach Gotha geschickt hatte. Kein Wunder daB hiervon keine
Nota in meinem Gedachtnis zuriickgeblieben ist. Gleichwohl mochte ich gern
dieses verjahrte Ding durchsehen, ura zu wissen, was ich vor 40. Jahren
geleistet habe. Ubrigens ist mir angenehm, daB ich fur meinen vorigen
Herrn etwas gesezt habe, wovon man auch unter dem jezigen, und zwar
gar bey einem Landtagsfeste, Gebrauch machen kann. Freylich hab' ichs
meinen Freunden Gotter und Bernhardt (denn ich erinnere mich lezterem
die Parti tur davon gegeben zu haben) zu verdanken.
Ey! Sie sagen mir etwas, das mir erstaunlich auffallt! Wie! Fiinf-
zehn Jahre waren hingegangen , seit ich meine Stelle niedergelegt habe ?
Gott! wie schnell folgt ein Jahr auf das andere! Allso hatte ich, so wie ich
mich fuhle, mein Amt bis auf diese Stunde verwalten konnen. Ob ich aber
einen solchen Zeitraum vergnugt zugebracht — oder ob ich so lange gelebt
liiitte; daran zweifle ich, und dieser Zweifel gereicht zu meiner Beruhigung
und zur Vermehrung meiner Zufriedenheit. Freylich habe ich zu friih auf-
gehort, mich mit der Musik zu beschaftigen ; miiBte aber weit zuruckgehen,
wenn ich Ihnen alle die Ursachen sagen wollte, die mich nach und nach zu
dieser Unthatigkeit fuhrten. Ich schlieBe mit dem warmsten Dank, daB Sie,
mich bey meinen lieben Gothaischen ZeitgenoBen in Andenken zubringen,
Tur mich die Giite hatten und bin, was ich von jeher war,
Kostritz den 23. Febr. 94. Ihr aufrichtigster Freund
G. Benda.
Sollten Sie an H. Beck schreiben, so schlagen Sie ihm eine Reise nach
Berlin vor; wir wollen dort den Pygmalion aufs Theater bringen.
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622 J.-Gr. ProcThomme, Bibliographie berliozienne.
Bibliographie berliozienne
par
J.-G. Prod'homme.
(Paris.)
Si Ton s'en tenait ail t&noignage qu'il donne dans ses M&moires,
Berlioz serait devenu critique k son corps defendant, ou presque, par
une sorte de «fatalite», lors de la fondation de la Revue europtenne, en
1834. Or, il faut reporter k plus de dix ans auparavant les debuts de
Berlioz dans la critique, ou tout au moins dans la pol£mique musicale.
H etait encore etudiant en medecine lorsqu'il adressait k un journal
quotidien, le Corsaire, alors k ses debuts, une lettre qui parut sous le
titre de «Pol£mique musicale>, dans le num^ro du 12 aoftt 1823 de ce
journal; d'allure vive, comme l'indiquait la rubrique, cet article, signe
« Hector B > defendait Gluck et Spontini, les deux admirations de
Berlioz, contre les partisans de Rossini et Interpretation qui en etait
donnee k POp^ra. Quelques mois plus tard, le 11 Janvier 1824, la meme
signature reparaissait au bas d'une nouvelle «polemique» sur les Dilettanti;
puis, k la fin de l'annee suivante, le 19 decembre 1825, une nouvelle
lettre *k M. le Redacteur* (Stait inser^e dans la meme feuille, intitulee:
PoUmique musicale, Sur Aitnide et sur Gluck. On trouve done, dfcs les
premieres ann&s du sejour de Berlioz k Paris, des traces de sa voca-
tion de critique. Sans doute, par la suite, le compositeur souffrit
souvent de son labeur de f euilletonniste ; mais, avec son temperament
combattif, aide par un esprit lettre, Berlioz ne pouvait manquer de mettre
au service de ses idees et de ses projets la presse quotidienne, qui pre-
nait chaque jour plus de force et d'extension, malgre toutes les entraves
que lui imposait l'ombrageux gouvernement de la Restauration. Lors-
qu'il donne son premier concert, dans la salle du Conservatoire, le 26 mai
1828, e'est non-seulement k la Gazette musicale de Fetis qu'il s'adresse,
mais encore k des journaux quotidiens tels que le Corsaire, le Figaro et
la Pandore, par une sorte de lettre-circulaire, de * communique ». Dfes que
se cree le Correspondant, l'annee suivante, il y insure des Considerations
sur la Musique religieuse, puis une biographie de Beethoven, dont la
publication apr&s deux ofci trois fragments trfcs espaces, semble etre restee
inachev^e; il y donne encore un article, avant son depart pour l'ltalie,
et lorsque, transforme, le Correspondant reparait sous le titre de Revue
europtenne, il lui adresse de Rome, au debut de l'annee 1832, la Lettre
(Fun enthousiaste sur V6tat de la musique en, Italic De retour k Paris,
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J.-Gk Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 623
il collabore h VEurope UtMraire, en 1833, au Renovateur, de 1833 k 1835,
a la Oaxette musicale depuis 1834 1). Une nouvelle qu'il y fit paraitre
le 5 octobre fut reproduite cinq jours plus tard, en feuilleton, dans le
Journal des Dibats, k la suite de ce preambule: «Rubini a Calais. C'est
le titre d'une anecdote que nous trouvons dans le dernier num^ro de la
Gaxette Musicale, racont^e avec autant d'esprit que de verve, par
M. Hector Berlioz. > Cette fantaisie le fit admettre dans cet important
quotidien. II y resta pendant trente ans, n'ayant d'abord que les con-
certs a critiquer, puis, lorsque J. Janin lui abandonna TOp^ra et TOp^ra-
Comique, toute la partie musicale, moins le Theatre-Italien que se reserva
Delfoluze.
La longue liste qui suit n'a pas la pretention d'etre complete, surtout
dans les debuts. Peut-etre des publications auxquelles Berlioz collabora
m'ont-elles echappe; on y trouvera cependant inventorize, la presque to-
tality de sa production litt^raire, production qui suit, au jour le jour pour
certaines p&iodes, les tenements contemporains. Les sommaires donnes
par Berlioz lui-meme ont 6te reproduits et souvent precises, lorsque cela
a paru necessaire et, autant que possible, les references aux volumes pu-
blics sous son nom indiquees en note.
1823.
12 aout, le Corsaire, No. 33, Polemique musicale, article signe « Hector B. . .»
1824.
11 Janvier, le Corsaire, No. 185, Polemique musicale. Les Dilettanti, signe"
«H. B »
1825.
19 decembre, le Corsaire. Polemique musicale. Sur Armide et Gluck, signe"
«H. B.» (Article dirige* contre Castil-Blaze.)
1828.
16 mai, Revue musicale, Lettre a M. Fetis, Directeur de la Revue musicale.
22 mai, le Corsaire, Correspondance. A M. le R^dacteur du Corsaire.
27 mai, le Figaro, Lettre a M. Figaro.
mai, la Pandore, Lettre a M. le R^dacteur. (Ces quatre lettres identiques
se rapportent au premier concert de Berlioz; celle adress£e a Fetis a
ete" reproduite dans la Correspondance inMitc, III, p. 65 — 66.)
1829.
21 avril, le Correspondant, No. 7 (p. 54 — 55), Considerations sur la musique
religieuse. Signe" «H.»2)
4, 11 aout et 8 octobre, lb., Nos. 22, 23 et 31 (p. 179 et suiv.), Bio-
graphic etrangere. Beethoven.
1] II la dirigea meme une annee (1837). en l'absence de Schlesinger, l'editeur.
2) Reproduit dans le Oyele Berliox: VEnfance du Christ, par J.-G. Prod'homme
Paris, 1898), Appendice II, p. 287—293.
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624 J.-G. PrcxThomme, Bibliographic berliozienne.
1830.
22 octobre, le Coirespondant: Beaux-Arts, Apercu sur la musique classique
et la musique romantique *).
1832.
Mars-roai, Rente eitropcenne, tome III (p. 47 — 64). Lettre d'un entkou-
siaste sur l'etat de la musique en Italic Florence. Le theatre de la Per-
gola. 1 Montecchi ed i Capelli (sic). La Vestale de Piccini (sic, pour Pa-
cini;. — L'orchestre, les choeurs, les chanteurs. Service funebre du jeune
Napoleon Bonaparte. LWganiste. — Genes. JjAgnese de Paer. Indifference
des Genois pour Paganini. — Home La fete del Corpus Domini. Le chceur
de castrati. La musique militaire. Miserere d'Allegri. La musique des
eglises. Theatres. Chanteurs, choeurs et orchestras. Chant des montagnards
romains. Les Pifferari. L'Institut de France et les musiciens pensionnaires
a Rome. — Naples. Theatre Saint-Charles. — Theatre del Fondo. Opera
buffa de Donizetti. Execution du Requiem de Mozart. Conjectures sur Mi-
lan et Yenise. Article signe «H. B. »2).
1833.
8 mai. 1? Europe litteraire, No. 30, Journal d'un Enthousiaste. Article
signe* « Hector Berlioz >3).
12 juin, ibid. , No. 45 (p. 182 — 183), Academie des Beaux-Arts. Concours
annuel de Composition musicale4).
19 juillet, ibid., No. 61 (p. 246), Concours annuel de Composition musicale4 .
1834.
Gazette musicale.
5 fevrier, No. 5 (p. 35 — 38), Institut. Concours de musique et Voyage d'l-
talie du laureat.
27 avril, No. 17 (p. 133 — 135), Concerts du Conservatoire. Cinquieme, sixie-
me et septieme concert.
ler et 8 juin (p. 173—175 et 181 — 185), Gluck.
20 et 27 juillet, Nos 29 et 30 (p. 229—239), Le suicide par enthousiasme 5 .
5 octobre, Nr. 40 (p. 317), Un beneficiaire et Rubini a Calais.
12 octobre a 2 novembre, Nos 41—44 (p. 326-351), Guillaume Tell.
2 novembre, No. 44 (p. 351), Historique de la representation de Rubini a
Calais.
9 novembre a 7 decembre, Nos 45 — 49 (p. 360 — 390), Iphiginie en Taurine.
Journal des Debats.
10 octobre. Rubini a Calais6).
1835.
Gazette musicale.
11 Janvier, No. 2 (p. 10 — 13), Telemaco, opera italien de Gluck.
1) Reproduit en partie au debut de A trovers Chants.
2} Reproduit dans les Menioires, Chap. XXXV, XXXIX et XLI en partie.
3) Reproduit en partie dans les Soirees de VOrchestre, p. 26—30: Premiere Soiree.
Vincenza, nouvelle sentimentale.
4) Reproduit dans le lienovaieur, du 9 juillet 1833. Cf. Menioires, Chap. XXII
et XXIII.
5) Cf. Voyage musical, tome II, et XII« Soiree de VOrch. (p. 149— 169).
6) Premier article insere au Journal des Debats.
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J.-G. Prod'homme, Bibliographic berliozienne. 625
28 Janvier, No. 3 (p. 22—24), Premier bal de TOpera.
3 mai, Ne. 18 (p. 155 — 156), Concert historique de M. Fetis.
12 juillet, No. 28 (p. 229—232), De llnstrumentation de Robert-le-Diable.
18 et 25 octobre, Nos 42 — 43 (p. 342—343 et 351), Chants pour piano de
Meyerbeer.
Journal des Debate.
25 Janvier, 12 et 20 fevrier, 22 mars, 12 et 18 avril, SociSte* des Concerts
du Conservatoire, ler, 2e, 3e, 4e, 5e, et 6e Concerts. Articles signes:
«H***» et «H . . .*.
25 avril, Concert de M. Listz (sic) Hotel-de-Yille (Salle Saint- Jean). Signe:
«H***».
23 juin, Derniere stance du Conservatoire. — Gymnase musical. Signe:
«H. . .>.
21 juillet, De la musique en plein air.
9 aout, Le Requiem des Invalides et le Te Deum de Notre-Dame. M. Cheru-
bini et Lesueur.
5 septembre, Des musiciens ambulants allemandset italiens. Signe: «H*****».
13 septembre, Souvenirs dun habitue de l'Opera (1822—1823). Signe:
♦ H******1).
27 septembre, De la partition de Zampa'1). Signe: «H****>.
2 octobre, Du systeme de Gluck en musique dramatique. Sign£: «H*****» 3).
16 et 23 octobre, Des deux Alceste de Gluck. Signed «H*****>3).
15 novembre, Don Juan de Mozart. Signe «H*****» 4).
21 novembre, Musique religieuse. Rachel, Noemi, Ruth et Booz, oratorios
de M. Lesueur5). Auditions de M. Urhan. Article sign 6 : «H*****».
22 decembre, Enseignement musical. Cours de contre-point et de fugue, de
M. Cherubini. — Traite de composition, de Beethoven.
Lie Monde dramatique,
(l"re annee), p. 84 — 85, Spectacle de Paris. Le Portefaix, opera-comique en
trois actes, musique de M. Gomis.
p. 148 — 150, Spectacles de Paris. Debuts de Mme Lavri et de M. Serda.
Article anonyme [Berlioz].
p. 180 — 181, Du repertoire de Gluck a TAcademie royale de Musique. Signe:
«H. Berlioz*.
p. 199 — 200, Spectacles de Paris. Academie royale de musique. VRe des
Pirates, Ballet-pantomime, en quatre actes, par M. Henry et ***, mu-
sique de MM. Gide, Carlini, Rossini et Beethoven, decorations de MM.
Philastre, Cambon, Desplechin, S^chan, Feucheres et Dieterle. Signed
«H. B.»
1836.
Gazette musiccUe.
31 Janvier, No. 5 (p. 38—39); 14 fevrier, No. 7 (p. 54—55); 27 mars,
No. 13 (p. 97—98); 24 avril, No. 17 (p. 133—135) et 8 mai, No. 19
(p. 151—152), ler, 2e, 5e, 6e et 7e Concerts du Conservatoire.
1) Of. Voyage musical, tome I, et Memoires, Chap. XV.
2) Les Musiciens et la Musique, p. 131 — 144.
3) Cf. Voyage musical, tome II, et A travers Chants.'
4) Reproduit dans Us Musiciens et la Musique, p. 3—13.
5) Ibid., p. 59—67.
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626 J.-G. Prod'homme, Bibliographie berliozienne.
7 fevrier (p. 43), Bellini et Rossini.
21 fevrier, No. 8 (p. 67 — 58): Le Carnaval a Rome et a Paris. Du senti-
ment de Tart chez les masses. Matinees musicales de MM. Tilmant.
6, 13 et 20 mars, Nos 10, 11 et 12 (p. 73-89): Les Huguenots.
3 avril, No. 14 (p. Ill — 112): Concert de MM. Osborne et Benedict.
8 mai, No. 19 (p. 154 — 155), Lettre a M. Hofmeister, Editenr de musique
a Leipzig1).
12 juin, No. 24 (p. 198—201), Liszt.
19 juin, No. 25 (p. 203 — 205) , Concours annuel de Composition musicale a
l'lnstitut.
10 juillet, No. 29 (p. 243—245), Choron. — Concert de Mile Mazel a l'Hotel-
de-Ville.
18 septembre, No. 38 (p. 323—325), De TOp^ra-Comique.
3 octobre, No. 41 (p. 357 — 359), Theatre de l'OpSra-Comique : Le mauvais
oeilj musique de Loisa Puget.
10 octobre, No. 42 (p. 362—363) , Stance publique de rinstitut.
17 et 30 octobre, No. 43 et 44 (p. 370—373 et 377—380), Encore un mot
sur le Concours de composition musicale a rinstitut en r£ponse au der-
nier article de M. Germanus Lepic2).
6 novembre, No. 45 (p. 389—390), The^tre-Italien. Reprise du Matri-
monio secreto.
20 novembre, No. 47 (p. 108 — 111), Academie royale de musique. La Es-
meralda*).
4 decembre, No. 49 (p. 428 — 429), Soci6te philotechnique. Distribution
des prix.
18 decembre, No. 51 (p. 446), Concert de la Societe* philotechnique.
Journal des Debats.
17 Janvier, Opera-Comique. Concerts. — Les Virtu oses et les Compositeurs.
Signe* «H*****».
24 fevrier, Premier Concert du Conservatoire. Signed «H*****».
ler mai, La Flute enchantee et les Mysteres d'lsis4). — Le correcteur de
Mozart. Signe «H*****».
3 juillet, Antoine Reicha. SignS: «H* ****».
16 juillet, Bellini, [notice necrologique]. Signe: «H***»5).
23 juillet, Varietes musicales. Le Siege de Corinthe a l'Op^ra. — M. Ole-
Bule. — Mme Labarre et son 6cole de harpe. — La musique des fetes
publiques. — Les Artistes et les Amateurs de Paris. — Leur reunion
en 1794 pour celebrer la victoire de Fleurus. — Les Dilettanti que-
teurs de 1830. — Le choeur colossal de la galerie Colbert6).
10 novembre et 10 decembre, Les Huguenots. — La Partition7).
1) Reproduite dans la Correspondanee inedite pub. par D. Bernard, p. 113—116.
2) Durant plusieors numeros de la Oaxette, il y eut une polSmique au sujet du prix
de Rome entre G. Lepic et Berlioz.
3) Opera de Mile Louise Bertin, sur un livret de Victor Hugo, d'apres Notre-Dame
de Paris. Berlioz en avait surveille" les repetitions.
4) Reproduit dans les Musiciem et la Musique, p. 14 — 24.
5) Ibid., p. 167—182.
6) Cf. Memoires, fin du chapitre XXIX.
7) Reproduit dans les Musiciens et la Musique, p. 83—105.
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J.-Gr. Prod'bomme, Bibliographie berliozienne. 627
26 aout, Chronique musical e. — M. TJrhan. — Conservatoire de Geneve.
Signe: «H*****».
18 septembre, Des progres de l'enseignement musical en France. M. Jo-
seph Mainzer, M. Aubery du Boulley. Signed «H***».
1837.
Gazette musicale.
ler et 8 Janvier, Nos 1 et 2 (p. 9 — 17), De limitation musicale.
Nob 4, 6, 9, 11, 13, 15, 17 et 18 (p. 29 — 152), Concerts du Conser-
vatoire.
5 fevrier, No. 6 (p. 45 — 46), Quelques mots sur les anciens compositeurs et
sur GrStry en particulier; (p. 50 — 51) Premiere soiree musicale de MM.
Liszt, Batta et TJrhan. Deuxieme Concert du Conservatoire.
19 fevrier, No. 8 (p. 62 — 63), Lettre a M. Robert Schumann de Leipzig1);
(p. 63—64): Concerts. 3e soiree de MM. Liszt, TJrhan et Batta.
19 mars, No. 12 (p. 95—96), Revue de la quinzaine.
2 avril, No. 14 (p. Ill — 115), Jean-B. Bononcini. Signe": «B».
21 mai, No. 21 (p. 175—176), Theatre de l'Opera: Debuts de M. Duprez
dans les Huguenots. — Acoustique. De la nature du Sen. — Bene-
dictus de M. Swenka. — Concert de M. Tilmant.
11 juin, No. 24 (p. 203 — 206), Revue critique. De l'art dans les provinces.
— M. Ferdinand Lavaine.
25 juin, No. 26 (p. 219 — 221), Esquisse biographique [Corelli et Caccini"1.
2 juillet, No. 27 (p. 228 — 229), Revue critique. Demieres pensees musicales,
de Marie Felicite Garcia de BSriot2). Signed «H. B z».
20 aout, No. 34 (p. 379 — 380), Les Concerts des Tuileries sous TEmpire.
Susceptibility singuliere de Napoleon; sa sagacite* musicale3).
27 aout, No. 35 (p. 389), Theatre de TOp^ra-Comique. Premiere represen-
tation de la Double Echelle, ope>a-comique en un acte, paroles de M. Pla-
nard, musique de M. Ambroise Thomas.
ler et d octobre, No. 40—41 (p. 427 — 457), Lettre de Benvenuto Cellini a
Alfonso della Viola. Le premier opera, nouvelle4).
3 septembre, No. 36 (p. 400—401), Revue critique, Messe a trois voix
egales de M. Massimino.
10 septembre, No. 37 (p. 405 — 409), De la musique en general [Articles
ecrits pour le Dictionnaire de la Conversation}.
17 septembre, No. 38 (p. 414 — 415), Op&ra-Comique. Premiere represen-
tation de Guise ou les Etats de Blois, opera-comique en trois actes et
cinq tableaux, paroles de MM. Planard et de Saint -Georges, musique
de M. Onslow; (p. 415 — 416) Revue critique. M. Printemps.
22 octobre, No. 44 (p. 459 — 460), AcadSmie royal e de Musique. Premiere
representation de la Ghatte metamorphosee en femme, ballet en trois actes
de MM. Ch. Duveyrier et Corally, musique de M. Montfort.
29 octobre, No. 45 (p. 470—471), Concerts de la rue Saint-Honor^, diriges
par M. Valentino.
1) Reproduite dans la Corresp. ined., p. 116—122.
2) La Malibran.
3) XXe Soiree de VOrchestre, p. 251-254.
4) Cf. Voyage musical, tome I, et I" Soiree de VOrckestre, p. 7—26.
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628 J.-G. Prod'homme, Bibliographie berliozienne.
6 novembre, No. 46 (p. 478 — 479;. Theatre de TOpSra-Comiqiie. Premiere
representation de Piquillo, opera-comique en trois actes de M. Alexandre
Dumas, musique de M. H. Monpou; (p. 479 — 480) Gymnase musical.
Soirees de Valses de Strauss.
10 decembre, No. 51 (p. 544 — 546), Theatre de l'Opera-Comique. Premiere
representation du Domino noir, opera-comique de MM. Scribe et Auber.
Journal des Debate.
31 Janvier. Revue musicale de l'ann6e 1836. Signe «H*****>.
5 mars, Theatre de l'Opera. Premiere representation de Stradella, opera
en cinq actes, paroles de MM. Einile Des champs et Emilien Pacciiri,
musique de M. Niedermayer, divertissemens de M. Coraly, decors de
MM. Desplechin, Sechan, Feucheres et Dieterle. Signe «H*****>.
12 mars, Soirees de MM. Liszt, Batta et Urhan. — Trios et Sonates de
Beethoven. Signe «H*****».
31 mars, Theatre de l'Opera. Representation au benefice de Levasseur.
Signe «H*****».
17 mai, Debuts de Duprez dans les Huguenots. Signe" «H****».
20 juin, De quelques anciens compositeurs italiens [Buononcini. Premier
article signe « Hector Berlioz*].
28 juin, Theatre de rOpera-Comique. Premiere representation de VAn J///,
opera-comique en un acte, paroles de MM. Paul Foucher es Melesville:
musique de M. Albert Grisar.
4 aout, Psaumes de Benedetto Marcello.
6 aout, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation du Remphi-
gant} opera-comique on trois actes, paroles de MM. Scribe et Bayard,
musique de M. Batton.
27 aout, Theatre de l'Opera. Debut de Mme Stoltz dans la Juive. Theatre
de l'Opera-Comique, Premiere representation de la Double Eclielle, opera-
comique en trois actes, parole de M. Planard, musique de M. Ambroise
Thomas.
10 septembre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de
Guise ou les Etats de Blois, opera en trois actes, paroles de MM. Planard
et de Saint- Georges, musique de M. Georges Onslow.
27 septembre, Theatre de l'Opera. Reprise de la Muette de Portici. — M.
t Duprez, Mile Elssler, Mmes A. Duport et Noblet. — Theatre de l'Opera-
Comique. Premiere representation du Bon Garpon, paroles de MM. de
Louvray et Anicet Bourgeois, musique de M. E. Prevost.
15 octobre, Lcsucur, esquisse biographique 1).
2 novembre, Theatre de l'Opera-Comique, Premiere representation de Pi-
quillo, opera-comique en trois actes de M. Alexandre Dumas, musique
de M. Hipolyte Monpou.
19 novembre, Strauss.
10 decembre, Theatre de l'Opera-Coinique. Premiere representation du Iki-
mino noir, paroles de Scribe, musique de M. A. Auber. — Enseigne-
ment musical. — Concerts.
Chronique de Paris.
Tome V. 19 mars (p. 191 — 193), Chronique musicale. Signe: « z>.
1) Reproduite dans Les Musiciens H la Musique, p. 68-82.
J.-G. Prod'homme, Bibliographic berliozienne. 629
7 mai (p. 309—311), Chronique musicale (Debuts de Duprez>.
Signed «H. B.»
18 juin (p. 403), Chronique musicale [Les Etats de B/ois — Concerts].
Signe: «H. B.»
Tome VI. 30 juillet (p. 71—73), Chronique musicale.
10 septembre (p. 166 — 168), [Sur les grands prix de Rome; de-
buts de Mrae Stoltzj.
8 octobre (p. 233 — 234). Opera [reprise de la Muette}. — Theatre
It alien. — Casino Faganini. — Concerts Saint-Honore. —
Opera-Comique.
1838.
Revue et Gazette musicale.
7 Janvier, No. 1 (p. 1 — 4), Tribulations d'un critique musical.
28 Janvier, 4, 11, 18 fevrier, Nos. 4, 5, 6 et 7 (p. 33 — 77;, Symphonies de
Beethoven. — Concerts du Conservatoire.
11 fevrier, No. 6 (p. 66), Messe de M. Elwart a Saint-Eustache.
4 mars, No. 9 (p. 97 — 101), Symphonic avec choeurs de Beethoven et Concert
du Conservatoire.
11 et 18 mars, Nos 10 et 11 (p. 105 — 116), Academie royale de musique. Pre-
miere representation de Guido et Ginevra, paroles de M. Scribe, musique
de M. Halevy, ballets de M. Mazillier, decors de MM. Feucheres et Cambon.
25 mars, No. 12 (p. 131), Theatre de l'OpeTa-Comique. Premiere represen-
tation de Lequel? opera-comique en an acte de M. Paul Dupont et
Ancelot, musique de M. Leborne.
ler avril, No. 13 (p. 137 — 141), Guido et Ginevra ou la Peste de Florence. La
partition, 3e, 4° et 5* actes (p. 141—143) Theatre de TOpera. Represen-
tation de Mile Noblet. — Concert du Conservatoire.
8 avril, No. 14 (p. 153 — 154), Theatre de TOpera-Comique. Le Poruquier
de la JRegen/r, opera-comique en trois actes, de MM. Planard et Paul
Dupont. Musique de Ambroise Thomas.
15 avril, No. 15 (p. 161 — 162), Concerts du Conservatoire et de la rue Saint-
Honore.
29 avril, No. 17 (p. 174 — 175), Conservatoire de musique. 9e et dernier
Concert.
6 mai, No. 18 (p. 186-87), Concert de M. Mainzer Salle Saint-Honore.
20 mai, No. 20 (p. 213 — 214), Revue critique. Bencdktus de M. Schwenke.
Concerts. Matinee de M. Tilmant.
10 juin, No. 23 (p. 236—238), 3e Messe solennelk de M. Lesueur.
15 juillet, No. 28 (p. 287 — 289), Biographies. Reicha Antoine.
29 juillet, No. 30 (p. 307—308), Biographies. Spontini1).
4 novembre, No. 44 (p. 435 — 437), Vogel et ses operas, p. 438 — 439);
Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation du Brasseur de
Preston, opera-comique en trois actes de MM. Leuven et de Brunswick,
musique de M. A. Adam.
15 novembre, No. 46 (p. 466—467), Vogel (suite et fin); (p. 467 — 468), Concert
donne par les artistes de TAcademie royale de musique au b£n£fice
d'un de leurs camarades, ampute.
1) Of. XHIe Soiree de VOrehestre, p. 169-200.
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630 J.-Gr. Prod'homme, Bibliographic berliozienne.
Journal des Debate.
14 Janvier, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation du Fidek
Berger, opera comique en trois actes, paroles de MM. Scribe et Saint-
Georges, musique de M. Adam. — Enseignement musical.
7 mars, Theatre de l'Opera. Guido et Ginevra ou la Peste de Florence ,
opera en 5 actes, paroles de M. Scribe, musique de M. Halevy, ballet de
M. Mazilier, decors de MM. Filastre et Cambon.
6 avril, Theatre de TOpera-Comique. Le Perruquier de la Regence, opera
comique en trois actes, paroles de MM. Planard et Paul Dupont, musique
de M. Ambroise Thomas. Premiere representation de Lequel? opera-
comique en un acte de M. Paul Dupont, musique de M. Leborne. —
Concerts. — Musique religieuse.
25 avril, Theatre de l'Opera. Representation au benefice de Mile Damoreau.
— Concerts. — Musique religieuse.
22 juin, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de Marguerite.
opera en trois actes de M. Scribe et Eugene, musique de M. Adrien
Boieldieu.
6 juillet, Enseignement populaire du chant. — Reunion de l'Orpheon. —
M. Wilhem. — Nouveaux pianos de M. Pape. — [Liszt. — Les freres
Tilmant.]
15 juillet, Theatre de l'Opera. Rentree de Duprez. — Esmeralda. La Partition.
5 novembre, Theatre de l'Opera. Reprise du Siege de Corintke. — Theatre
de TOpera-Comique. Le Brasseur de Preston.
Chronique de Paris.
Tome VII. 8 Janvier, (p. 9 — 11), Chronique musicale [Funerailles du general
Damremont; mort de Lesueur].
1839.
Gazette musicale.
3 et 17 fevrier, 3 et 17 mars. 7 avril, Nos. 5, 7, 9, 11 et 14 (p. 35—110.
2e, 3e, 4* et 5e Concerts du Conservatoire . et concerts du Vendredi-saiut
et du jour de Paques.
10 mars, No. 10 (p. 75 — 76), Theatre-Italien. Le Nozze di Figaro. Represen-
tation au benefice de Lablache.
24 mars, No. 12 (p. 90 — 93), Concert de la Gazette musicale.
11 aout, No. 38 (p. 296—299), A Liszt. .Paris, ce 6 aout 1839* ').
Revue musicale7').
20 Janvier et 31 mars, Nos. 3 et 13 (p. 26 et 106—107), Premier et sixiem*
Concerts du Conservatoire.
Journal des Debate.
21 Janvier, Theatre de l'Opera- Comique. Premiere representation de h
Mantilley opera comique en un acte, de M. Planard et Desfontaine?.
musique de M. Bordeze. — Rcgine, opera comique en deux actes. de
MM. Scribe et Adam. — Concerts. — Musique religieuse.
17 mars, 2' Concert de la Gazette musicale. Mile Pauline Garcia. — TJOrph'-
de Gluck.
1) Reproduit dans la Corresp. ined. p. 123—131.
2) La Revue, de Fetis et la Gazette, de Schlesinger fusionnerent au cours de
Tannee 1839.
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J.-G. Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 631
22 mars, Adolphe Nourrit. — Theatre de l'Opera-Comique. Premiere represen-
tation du Planteur, opera-comique en deux actes, de MM. de Saint-
Georges et H. Monpou. — Concerts.
3 avril, Theatre de 1'Opera. Premiere representation de Lac des Fees, opera
en cinq actes, paroles de MM. Scribe et Melesville, mnsique de M. Auber,
ballets de M. Corally, decors de MM. Philastre et Cambon.
18 avril, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de les Treixe,
opera comique en trois actes, paroles de M. Scribe et Paul Dupont,
musique de M. Halevy. — [Concerts],
10 maij Concert au benefice des victimes du tremblement de terre de la
Martinique. - Concert de M. Henri Reber. — [Concert du Conservatoire].
Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de le Panier fleuri,
opera en un acte de MM. Leuven et Brunswick, musique de M. Ambroise
Thomas. — Instruments de musique. Exposition des productions de
l'Industrie.
28 mai, Theatre de 1'Opera. Debuts de Mario et de Mile Nathan. — Le
Comte Ory. — La Juive.
19 juin, Theatre de 1'Opera. Les Huguenots. — Mile Nathan. Theatre de
l'Opera-Comique. Premiere representation de Polichinelle, opera-comique
en un acte de MM. Scribe et Ch. Duveyrier, musique de M. Montfort.
— Collection des Lieders (sic) de Schubert. Traduction nouvelle de
M. Emile Deschamps.
9 aout, Theatre de la Renaissance. Premiere representation de Lucie de
Lammermoor, musique de M. Donizetti, paroles de MM. Alphonse Royer
et Gustavo Vaes.
5 septembre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation du
Sheriff, opera-comique en trois actes, paroles de M. Scribe, musique de
M. Halevy.
14 septembre, Theatre de 1'Opera. Premiere representation de la Vendetta,
opera en trois actes, paroles de MM. Leon et Adolphe [id est Pillet et
Vannois], musique de M. Henri de Ruolz, decors de MM. Philastre et
Cambon. — Necrologie. Platel. — Concert de la Gazette musicale.
22 septembre, Theatre de l'Opera-Comique. Debut de M. Masset. — Pre-
miere representation de la Heine £un jour, opera en trois actes de MM.
Scribe et de Saint- Georges, musique de M. Ad. Adam1).
13 octobre, Theatre de la Renaissance. La Jacquerie, opera en trois actes,
paroles de M. Ferdinand Langle et Alboize, musique de M. Joseph
Mainzer.
18 octobre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de la
Symphonic, opera en un acte; paroles de M. de Saint-Georges, musique
de M. Clapisson. — Debuts de Marie. — Theatre de 1'Opera. Debuts de
Mile Rieux dans Robert-le-Diable. — Dictionnaire de Musique de Lichten-
thal traduit par D. Mondo.
ler novembre, Theatre de 1'Opera. Premiere representation de la Xacarilla,
opera en un acte, paroles de M. Scribe, musique de M. Marliani.
Theatre de la Renaissance. Premiere representation de la Chasse royale,
opera en deux actes, paroles de M. St. Hilaire, musique de M. Godefroi.
1; Les Conseils a un tenor qu'inspire a Berlioz le debut de Masset ont ete repro-
duits dans la Sixieme Soiree de V Or chest re (p. 72— 74 .
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632 J.-G. ProcThomme, Bibliographie berliozienne.
13 decembre, Theatre de 1' Opera-Corn ique. Premiere representation dEca,
opera en deux actes, paroles de MM. de Leuven et de Brunswick,
musique de MM. Girard et Coppola. — D£but de Mme Eugenie Garcia.
[Lesueur. — Concert de la Gazette musicale. — Batta. — Album de
Mile Molinos. — Lafitte\
31 decembre, Theatre de la Renaissance. Premiere representation de hi
Cliaste Suzanne, opera en trois actes et en quatre tableaux musique de
M. Monpou, paroles de MM. Carmouche et de Courcy. — Debuts de
MM. Laborde, Euzet et de Mme Ozy.
1840.
Revue et Gazette musicale.
16 et 23 Janvier, Nos 5 et 7 (p. 37 — 46), Premiers Concerts du Conser-
vatoire. Quelques mots sur la musique ancienne.
3 et 13 fevrier, Nos 10 et 13 (p. 8—102), 2e et 3e Concerts du Conser-
vatoire.
27 fevrier, No. 17 (p. 109—160), 4e Concert du Conservatoire. (En P.-S. :
Le concert de Mme Albertazzi.
15 mars, No. 22 (p. 177), 5° Concert du Conservatoire.
29 mars, No. 26 (p. 213 — 315), 6e Concert du Conservatoire.
9 avril, No. 29 (p. 246), 7e Concert du Conservatoire.
26 avril, No. 33 (p. 272 — 273), Concerts spirituels du Conservatoire.
17 mai, No. 36 (p. 304—305), Dernier Concert du Conservatoire. Concert
de M. »Habeneck.
22 novembre, No. 66 (p. 503), Correspondance. Lettre a la Revue des Deux-
Monde*1).
Journal des Debats.
9 Janvier, Theatre de l'Opera. Premiere representation du Drapier, opera
en trois actes de MM. Scribe et Halevy, decors de MM. Philastre et
Cambon. Debut de M. Hizard dans la Juive, et de Mile Dobre dans
Quillaume Tell.
16 fevrier, Theatre de 1' Opera- Comi que. Premiere representation de la Fille
du Regiment, opera - comique en deux actes de M. de Saint-Georges et
Bayard, musique de M. Donizetti. — Theatre de 1' Opera. — Archi-
tecture thSatrale. — Concerts. — MM. Kastner, Huerta et Dieppo.
28 fevrier, Theatre de 1'Opera-Comique. Premiere representation de Carlini,
opera-comique en deux actes de MM. de Leuven et Brunswick, musique
de M. A. Thomas.
17 mars, Theatre de l'Opera. B,epresentation au benefice de Mile Falcon.
12 avril, Premiere representation des Martyrs, opera en quatre actes de
MM. Scribe et Donizetti, decors de MM. Feucheres, Slchan, Devoir et
Pourchet.
26 avril, Matinee musicale de Liszt. — Concerts. — Theatre de l'Opera-Comique.
Premiere representation de VEleve de Presbourg, paroles de feu Vial et
de M. Th. Muret, musique de M. Luce. — La Pologne iUustree publiee
par Leonard Chodzko. — Encyclopedic du pianiste par M. Zimmermann.
Grande Ecole de Musique [de Ponsj ; Nouvelles Etudes pour le piano de
M. Stephen Heller.
1) Reproduite dans la Correspond, ined. p. 139.
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J.-G-. Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 633
21 mai, Theatre de 1'Opera-Comique Salle Favart. Premiere representation
de Zanetta, opera-comique en trois actes de MM. Scribe et de Saint-
Georges, musique de M. Auber. Theatre de l'Oplra [Fernand Cortex.
Direction nouvelle de L£on Pillet].
7 juin, Theatre de l'Op6ra. DSbuts de Marie. — [Mort de Paganini].
21 juin, Theatre de 1'Opera. Continuation des debuts de Marie\ — Reprise
de Fernand Cortex. — Liszt, Batta. — Concerts a Londres.
19 juillet, Theatre de l'Ope>a-Comique. Premiere representation de V Optra
a la Cour, pasticcio en deux actes de M. Scribe, de Saint- Georges,
Weber, Rossini, Mozart, Meyerbeer, Berton, Mercadante, Mehul, Cheru-
bini, Gretry, Auber, Herold, Boi'eldieu, Nicolo Isouard, Dalayrac, Lulli,
Donizetti, un compositeur inconnu, un lazzarone, et le grand saint Eloi.
— Iphigenie en Tauride a Londres.
21 aout, Theatre de 1'Opera. — R^ouverture de rOpera-Comique.
26 septembre, Theatre de 1'Opera. Le Diable amoureux, ballet en 3 actes
de MM. de Saint-Georges et Mazillier, musique de MM. Reber et Benoit,
decors de MM. Philastre et Cambon.
18 octobre, Theatre de 1'Opera-Comique. Premiere representation de Jeanne
de Naples, opera en 3 actes, de MM. de Leuven et Brunswick, musique
de MM. Bordeze et Monpou.
6 d^cembre, Theatre de 1'Opera. Premiere representation de la Favorite,
opera en 4 actes de MM. Alphonse Royer et Gustave Vaez, musique de
M. Donizetti, ballet de M. Albert, decors de MM. Philastre, Cambon,
Feucheres, SSchan, Dieterle et Desplechin. — Messe de M. Dietch a
Saint-Eustache.
1841.
Bevue et Gazette musicale.
14 Janvier, 25 avril, Nos 4 — 30 (p. 26 — 230), Concerts du Conservatoire.
21 novembre — 19 decembre, Nos 60 — 64 (p. 511 — 569), De V Instrumen-
tation.
Journal des Debats.
10 Janvier, Theatre de 1'Opera. Debut de Mile Heinefetter dans la Juive.
— Concerts.
24 Janvier, Theatre de 1'Opera - Comique. Premiere representation du
Guitarrero, opera en trois actes de M. Scribe, musique de M. Halevy. —
Debut de Mile Capdeville. — Theatre de 1'OpeYa. Representation au
benefice de Mario.
14 fevrier, Concerts. — Soiree de MM. Herz et Labarre. — Concert de
Mile Willis. — Concert de M. Vieuxtemps. — Concert de la Gazette
musicale.
12 mars, Theatre de 1'Opera-Comique. Premiere representation des Diama)is
de la Gouronne, opera-comique en cinq actes de MM. Scribe et de Saint-
Georges, musique de M. Auber. — Theatre de 1'Opera. Debuts. —
Concerts.
23 avril, Theatre de 1'Opera. Reprise de Don Juan. — Premiere represen-
tation de Carmagnola, opera en deux actes, de M. Scribe, musique de
M. A. Thomas. — Concerts de M. Liszt. — [Artot, Halle, Osborne,
Dohler.l
S. d. I. M. V. 41
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634 J.-G. Prod'homme, BibliographL* berliozienne.
16 mai, Theatre de TOpera, Reprise de Don Juan [Concert de Chopin].
13 juin, Theatre de l'Opera. Premiere representation du Freysckutz, opera
en trois actes, de Carl Maria de Weber, paroles traduites de l'allemand
par M. Emilien Pacini [recitatifs de Berlioz], divertissement de M. Ma-
zilier, decors de MM. Philastre et Cambon1).
ler juillet, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de la'Mas-
chera, opera-comique en deux actes de MM. Arnoud et Jules de Wailly,
musique de M. G. Kastner. Les deux Voleurs, opera -comique en un
acte de M. de Leuven et Brunswick, musique de M. Girard.
11 aout, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de la reprise
de CamiUe, opera en trois actes de Dalayrac.
3 octobre, Theatre de l'Opera-Comique. Reprise de Richard Caew-de-Lion.
— Theatre de l'Opera. Debut de Barroilhet dans le role de GuiUaume
Tell. — Concerts. — Emploi de la musique comme moyen curatif de
la folie. — Oratoire de Longchamps.
19 octobre, Theatre de l'Opera. Debut de Poultier dans GuiUaume Tell. —
[Maillard, prix de Rome . — Orgue de Saint-Denis.
2 — 3 novembre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de
la Main de Feu, opera-comique en trois actes de MM. Scribe et Leuven,
musique de M. A. Adam. Theatre de l'Opera [Poultier: son second
debut dans la Juive].
lfr decembre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de la
Jeunesse de Charles-Quint, opera-comique en deux actes de M. Melesville
et Ch. Duverrier, musique de M. Montfort. Messe de M. Dietch h Saint-
Eustache. — Theatre de l'Opera [Poultier]. — Distribution des prix du
Conservatoire.
18 decembre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de MIU
de Merange, opera-comique en un acte, de MM, de Leu wen et Brunswick,
musique de M. Henri Potier.
26 decembre, Theatre de l'Opera. Premiere representation de la Heine de
Chypre, opera en cinq actes de M. de Saint-Georges, musique de M. Ha-
levy, decors de MM. Philastre et Cambon, divertissement de M. Coralli.
1842.
Pevue et Gazette musicale.
2 Janvier — 3 juillet, Nos 1 — 29 (p. 3 — 292). De V Instrumentation (suite
et fin).
16 Janvier — 17 avril, Nos 3—16 (p. 21 — 167). Concerts du Conservatoire.
3 avril, No. 14 (p. 140). Concerts spirituals.
7 et 14 aout, 4 septembre et 13 novembre, Nos 32, 33, 36 et 46 (p. 321
— 443). De Rameau 'et de quelques-uns de ses ouvrages. Castor et
Pollux.
Journal des Debats.
30 Janvier, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation du Diabk
a VEcole, opera en un acte de M. Scribe, musique de M. E. Boulanger.
— Theatre de l'Opera. — Nouveau Caprice symphonique pour piano seul
de M. Stephen Heller. — StrauB. — [Mile Recio].
1) Ce feuilleton fut reproduit dans le Voyage musical, et partiellement dans les
Memoires, t. I, p. 84—85 [Weber a Paris).
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J.-Gr. Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 635
7 fevrier, Theatre de l'Op£ra-Comique. Premiere representation de Le Due
d'Olonne, opera en 3 actes, paroles de MM. Scribe et Sain tine, musique
de M. Auber.
20 mars, Cherubini. — Theatre de l'Opera. Debuts de Delahaye.
13 avril, Theatre de l'Opera- Comique. Reprise des Deux Journees. —
Concerts. — Six Ballades par Mile Louise Bertin. — Theatre de l'Opera.
26 avril, Theatre allemand le Freyschiitx] — Concerts de Thalberg. —
M. d'Ortigue.
30 avril, Theatre allemand. Premiere representation de Jessonda, opera en
trois actes de Spohr. — Concert de M. Mortier de Fontaines.
31 mai, Theatre de l'Opera. Theatre de l'Opera- Comique.
12 juin, Theatre de TOpera-Comique. Premiere representation du Code noir,
opera en trois actes, de M. Scribe, musique de M. Clapisson. — Theatre
de l'Opera. — Instruments de musique de M. Ad. Sax.
27 juin, Theatre de l'Opera. Premiere representation du Guerillero} opgra
en 2 actes de M. Th. Anne et Ambroise Thomas.
28 aout, Theatre de l'Op£ra-Comique. Premiere representation du Conseil
des Dix, opera-comique en un acte de MM. de Leuven et Brunswick,
musique de M. Girard. Theatre de l'Opera. Debut de Mile Mecquillet.
— Edmond Lariviere.
13 novembre, Academie royale de musique. Le Vaisseau Fantome, ope>a en
deux actes de M. Paul Foucher1), musique de M. Dietch. — Theatre de
TOpera-Comique. Premiere representation du Kiosque, opera-comique en
un acte de MM. Scribe et Saint-Georges, musique de M. Mazas. —
Nouvelles compositions de Heller et Ernst.
1843.
Revue et Gazette musicale.
3 decembre, No. 49 '407 — 408 \ A M. le Directeur de la Reive et Gazette
musicale, Idylle ^Un debut dans le Freyschiitz2)].
Journal des Debats.
9 juillet, Theatre de l'Opera, Reprise d'QZdipe a Colone. — Cours d'har-
monie orale, par M. Pastou. — Ouvrages nouveaux de H. Bertini.
13 et 28 aout, 3, 12 et 23 septembre, 8 et 21 octobre, 8 novembre, Voyage
musical en Allemagne. Lettres & Auguste Morel, Liszt, Stephen Heller,
Ernst, Henri Heine, Mile Louise Bertin, Habeneck et Desmarets3).
15 aout, Theatre Ventadour. Representation au benefice d'un artiste. —
Racine. — M. Castil-Blaze. — Phedre; Pigeon-Vole [ope>a en un acte
de M. Castil-Blaze].
17 septembre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de
Lambert Simmel, opera en 3 actes de MM. Scribe et Melesville, musique
posthume d'Hippolyte Monpou. ^L'Opera-Comique depuis dix ans],
1 D'apres le poeme du Fliegender Hollander de R. Wagner, qui l'avait, comme on
sait, vendu 500 francs au directeur de l'Opera.
2 Reproduit dans la IV* Soiree de V Orchestre, p. 58 — 61.
3 Reproduces dans les Memoires, tome II, p. 1—134. Public une premiere fois
en 1844 [Labitte, editeur).
41*
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636 J--G. Prod'homme, Bibliographie berliozienne.
17 octobre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de Mina,
opera-comique en trois actes, paroles de M. Ambr. Thomas. — Nouvelle
traduction italfenne du Messie de Handel.
18 novembre, Theatre de 1'OpSra. Premiere representation de Dam Sebastian
de Portugal , opera en 5 actes, paroles de M. Scribe, musique de M.
Donizetti.
7 decembre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de
VEsclave de Camoens, opera en un acte, de M. de Saint-Georges, musique
de M. Flotow. — [Physiologie du Oiant, par Stephen de la Madeleine].
1844.
Revue et Gazette musicale.
18 fevrier et suiv., Nos 7 — 12, 17, 22—30 (p. 49 et suiv), Euphonia ou
la ViUe musicale1).
19 mai, No. 21 (p. 167—169), Concert de M. Berlioz au ThSatre-Italien
[Compte-rendu par lui-meme].
Journal dcs Debate.
9 Janvier, Voyage musical en Allemagne (10e et derniere LettreJ; a M. G. Os-
borne2).
17 fevrier, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de Cagliostro,
opera-comique en 3 actes de MM. Scribe et Saint-Georges, musique de
M. A. Adam. — Concerts du Conservatoire.
30 mars, Theatre de l'Opera-Coniique. Premiere representation de la Sirene,
opera en 3 actes, paroles de M. Scribe, musique de M. Auber. — Concerts.
3 avril, Theatre de l'Opera. Le Laxxarone, ou le Bien vient en dormant
opera en 2 actes de M. de Saint-Georges, musique de M. Halevy; decors
de MM. Philastre, Cambon, Dieterle et Desplechin. — Concerts.
23 juin, EXPOSITION DE L'INDUSTRIE. Instruments de musique [Pianos].
Orgues-melodium.
23 juillet, FESTIVAL DE L'INDUSTKIE 3). Theatre de l'Opera. Premiere
representation des Quatre Fits Aymon, opera en 3 actes de MM. de
Leuven et Brunswick, musique de M. A. Balfe.
25 aout, Theatre de l'Opera-Comique. Reprise de Gulistan. Les deux Gentik-
hommes, op6ra-comique en un acte de M. Planard, musique de M. Cadaux.
[Nouvelle messe de Dietch. Nouveaux pianos de Herz; le festival de
l'Industrie.]
29 octobre, Theatre de l'Opera. Debut de Latour. — Grand concert a TOpera.
Le Droit des Pauvres. Theatre de l'Opera-Comique. Le Mousquetain*
opera-comique en un acte de MM. Armand et Achille Dartois, musique
de M. Bousquet.
5 novembre, Theatre de l'Opera. Solennite musicale. — Concert donne au
benefice de 1 Association des Artistes musiciens, sous la direction de
M. Habeneck. [La Creation de Haydn, ouverture d'0&£ron, chceur de
Judas Macchabee: 500 executants1.
1) fteproduit dans les Soirees de VOrchestre (XXV, p. 290—338).
2) Reproduite dans les Memoires, t. II, p. 135 — 150.
3; Cf. Mnnoires, t. II, p. 161—176.
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J.-(x. Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 637
23 novembre, Distribution des prix du Conservatoire. Methode de violon par
M. Alard. — Methode de Cornet a 8 pistons par Forestier.
6 decembre, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de la
reprise de Wallace , opera en trois actes de Catel. — Concert de M.
Kastner. he roi de Juda, opera biblique en 2 actes. — Concert de la
France musicale. Salle Vivienne.
10 decembre , Theatre de l'Opera. Premiere representation de Marie Stuart.
Opera en cinq actes de M. Theodore Anne, musique de M. Nieder-
mayer, Divertissement de M. Coralli, decors de MM. Sechau, Desple-
chin, Filastre et Cambon. — D6but de Gardoni.
15 decembre, Concert de M. Felicien David. Le Desert
29 decembre, Cours de perfectionnement pour les violonistes, par Haumann. —
Nouvelle Sonate de piano, par Thalberg. — Sophie Bohrer. — La petite
Scheibel et Luigi Elena. — Les Albums du jour de l'An. — L'orgue
de Saint Eustache et l'orgue-melodium. — Societe des Amateurs alle-
mands. — Les Choeurs de Macbeth par le Dr. Locke. — M. Lumbye. —
Les Fetes musicales du Cirque des Champs-Ely sees.
1845 *).
Journal d£S Debats.
ler fSvrier, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de la reprise de
Cendrillon, opera-comique en 3 actes de Nicolo.
4 mars, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation des Bergers Trumeau,
opera-comique en un acte, musique de M. Clapisson. — Concerts. —
Quatuors de Beethoven. — M. Felicien David.
ler avril, De la reorganisation des musiques militaires. — Concerts, [Mile Recio],
10 avril, Michel de Glinka2). — Concerts. — Mme Pleyel.
29 avril, Theatre de l'Op£ra-Comique. lre representation de la Barcarolle,
opera-comique en 3 actes, de MM. Scribe et Auber. — Concert de
M. Limnander. — Concert de Mile Sophie Bohrer. — Concours des
musiques militaires au Champ- de-Mars. — Depart des pianistes pour
l'Afrique.
14 mai, La Vestale de Spontini. — Concert du Conservatoire.
17 mai, Theatre de l'Opera. Representation au benefice de Mme Dorus-
Gras. — Concerts. — Fete donnee a Liszt a Marseille. — Execution
a Saint-Eustache de la Messe du Sacre de Cherubini. — Nouvelles
Melodies d'Auguste Morel.
3 juin, Theatre de l'Opera. Debut de Gardoni dans Robert-le-Diable. —
Exercice des eleves du Conservatoire. — Theatre de TOp^ra-Comique.
Premiere representation de Una Voix, opera-comique en un acte de
MM. Bayard et Potteau, musique de M. Ernest Boulanger.
22 aout et 3 septembre, Les Fetes musicales de Bonn [deux lettres au
Directeur des Debats]*).
12 septembre, Reorganisation de la musique militaire en France4).
1) Le Voyage musical parut au debut de 1845. Le Journal de la Librairie
Tannoncait le 25 Janvier.
2) Cet article fut tire a part la meme annee (Milano, 1845); reproduit dans les
Mimciens et la Musique} p. 205—218.
3) Reproduite dans la Soiree de VOrchestre, p. 369 — 387 (Deuxieme Epilogue).
4 1 Pendant son absence de Paris, l'hiver de 1845—1846, Berlioz fut remplace par
Delecluzc, comme critique musical des Debats.
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638 J.-Gr. Prod'homme, Bibliographic berliozienne.
1846.
Revue et Gazette musicale,
19 juillet, p. 230, Lettre a M. Martin d' Angers sur Vorchestre dans les cglises
[Reponse a un article paru dans le precedent numeWj.
Journal des Ddbats.
24 mai, Theatre de l'Op^ra, Debuts. — Theatre de l'Opera-Comique. Premiere
representation du Trompette de M. le Prince, op6ra-comique de MM. Meles-
ville et Bazia.
7 juin, Revue musicale. NouveUe M&thode instrumental raisonnee, basee sur
la connaissance de l'anatomie de la main, approuvee et annotee par
M. Cruveilhier, exclusivement adoptee par M. Thalberg. — Theatre de
l'Opera-Comique. Premiere representation du Veuf de Malabar, opera-
comique en un acte de MM. Siraudin et Robert, musique de M. Doche.
— Concert de M. Henri Reber.
9 juin, Acad6mie royale de musique. Le Roi David, opera en 3 actes,
paroles de MM. A. Soumet et Mallefille, musique de M. Mermet. —
Decors de MM. Sechan, Dieterle, Despl^chin et Ciceri. Divertissemens
de Coralli. — Inauguration de la statue de Rossini.
7 juillet, lre representation de V Ame en peine, ope>a en un acte de M. de
Saint-Georges . musique de M. de Flotow, decors de MM. Thierry,
Ciceri et Rube.
18 juillet, Theatre de l'Opera-Comique. Reprise de Z&mire et Azor.
29 juillet, Festival militaire donne dans l'Hippodrome par 1' Association des
Artistes Musiciens.
15 aoiit, Academie royale de musique. Debuts. — Theatre de l'Opera-
Comique. he Caquet du Gouvent, opera-comique en un acte, paroles
de MM. Planard et de Leuven, musique de M. Potier. — Concerts du
Conservatoire.
30 aoftt, Opera-Comique. Paul et Yirginie, opera en 3 actes, de M. de
Favieres, musique de Kreutzer.
6 septembre, Academie royale de Musique. D6but de Mme Rossi. —
Nouvelle salle de concerts de M. Barthelemy. — Ecole lyrique de M. de
Pons. — Pare d'Eughien.
29 septembre, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de Sultana.
opera-comique en un acte de M. Deforges, musique de M. Maurice
Bo urges.
29 novembre, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de Qibby la
Corncmuse, opera-comique en 3 actes de MM. de Leuven et Brunswick,
musique de M. Clapisson. — [Kouvelles diverses.]
1847.
Revue et Gazette musicale.
3 octobre — 7 novembre, Nos 41 — 46 (p. 321 — 363), Voyage musical m
Autriche, en Russie et en Prusse*).
Journal des 'Debats.
3 Janvier, Theatre de TOpera. lre representation de Robert Bruce, pastiche
en 3 actes, musique de Rossini, paroles de MM. G. Vaes et A. Rover,
1) Lettres a Humbert Ferrand, reproduites dans les Mcmoires, t. II, p. 176 — 257.
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J.-Gk Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 639
decors de MM. Thierry, S6chan, DiSterle, DesplSchin, Philastre et Cambon.
[Lettre de Mme Stolz: «Au Redacteur».]
24 Janvier, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de Ne touchez
pas a la Heine, opera-corn ique en 3 actes de MM. Scribe et Vaes,
musique de M. Boisselot.
5 fevrier, Concerts du Conservatoire. — Nouvelle Societe pour la musique
de chambre. — Artistes voyageurs. — Les quatre Hongrois. — Concert
de la Gazette musicale. — Album de Jenny Lind. — Theatre de la
Heine. — M. Lumley. — Henri Heine.
24 fevrier, Theatre de l'OpSra-Comique. Le Sultan Saladin, op6ra-comique
en un acte; de M. Dupin, musique de M. Bordese. — Une visite a Tom
Pouce1). — Nouvelle salle de concerts d'Ad. Sax. — Orgue a per-
cussion de M. Alexandre.
24 aout, 5 septembre, 19 octobre, Voyage musical en Autriche, en Russie et
en Prusse. A. M. Humbert Ferrand2).
3 octobre, Theatre de l'Opera [A propos de la nouvelle direction].
12 octobre, Theatre de l'Opera. — Concerts. — D6but de Mile Alboni. —
Nouvelle salle de Concerts de M. Barthelemy. — Sax et ses instruments. —
Enseignement choral de Pastou.
1848.
Revue et Gazette musicale,
23 juillet (p. 221 — 224), Voyage musical en Boheme. Lettre a M. Friedland.
•Londres, 4 Janvier 1848* ; (p. 232), Le harpiste ambulant3).
30 juillet, 6, 20 et 27 aout (p. 229—264), Suite et fin du Voyage musical
en Boheme.
10 septembre (p. 277 — 279), Voyage musical en France: Marseille. <Paris,
14 juillet 1848 ».
15 octobre (p. 317 — 320), Voyage musical en France: Lyon. Lettre a Edouard
Monnais.
19 novembre (p. 360—363), Idem: Lille. «Paris, 20 octobre 1848*.
Journal des Debats.
26 juillet, Ouverture du Theatre de la Nation ou du Theatre National ou
de l'OpSra (vieux style). Debut de Mile Grimm dans Robert-le-Diable. —
A M. Davison, rSdacteur en chef du Musical World. Correspondance
etrangere.
24 septembre, Du Droit des pauvres sur les spectacles, Bals et Concerts.
9 novembre, Theatre de l'Opera. lre representation de Jeanne la Folle} opera
en 5 actes de M. Scribe, musique de M. Clapisson.
14 novembre, Theatre de l'Opera-Comique. Le Vol dHAndorre, op6ra en
3 actes, de MM. Halevy et de Saint-Georges.
5 decembre, Theatre de l'Opera. Debut de Mme Lagrange. — Duprez. —
Othello. — Distribution des prix au Conservatoire de Musique.
15 decembre, Theatre de l'Opera. Representation extraordinaire. — RentrSe
de M. Levasseur. — Theatre de l'Opera-Comique. Les deux BambinSj
opera-comique en un acte, paroles de MM. Brunswick et de Leuven,
musique de M. Bordese. — MM. Eckert, Moeser, Heller.
1) Reproduit a la fin de la XIV* Soiree de VOrchestre, p. 206—207.
2; Reproduit dans les Memoires, tome H, p. 176 — 257.
3) Reproduit dans la IIe Soiree de VOrchestre, p. 32—54.
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1) Reproduit dans les Musiciem et la Musique, p. 183 — 204.
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640 J.-G. Prod'homme, Bibliographic berliozienne.
1849.
Revue et Gaxette musicah.
21 Janvier, No. 3 (p. 19 — 20), Premiere matinee de la Societe des Concerts.
28 Janvier, No. 4 (p. 26 — 28), Societe* de l'Uniou musicale, Salle Sainte-
Cecile, rue de la Chaussee d'Antin, 49 (ler Concert).
4 fevrier, No. 5 (p. 35 — 36), 2e stance de la Society des Concerts.
25 fevrier, No. 8 (p. 58—59), 3e seance de la Societe des Concerts.
11 mars, No. 10 (p. 73 — 74), 4W seance de la Societe des Concerts [La Societe
des Intelligences!.
25 mars, 8, 15 avril et 6 mai, Nos 12, 14, 15 et 18, 5% 6% Conceit
spirituels du vendredi-saint et du jour des Paques; 9e et derniere seance
de la Societe des Concerts.
I
Journal des Dcbats. \
7 Janvier, Theatre de TOpera-Comique. lre representation du Caid, opera I
bouffon en 2 actes, de M. Sauvage, musique de M. Amb. Thomas. — I
Theatre de TOp£ra \Le Prophets], — Concerts de Mile Teresa Milanollo. !
6 fevrier, Societe des Concerts du Conservatoire. lro Concert. i
7 mars, Societe des Concerts du Conservatoire. 3° concert. — Theatre |
de TOpera. Debuts d'Espinasse dans les Huguenots et de Masset dans ,
Jerusalem. — Massacre des Huguenots.
27 mars, Societe des Concerts du Conservatoire. 4e concert. Fragment
H Idomenee. — Mozart, sa vie et ses outrages , par M. Oulibicheff. —
Soirees et matinees musicales.
4 avril, Theatre de TOpera- Comique. Les Montent grins , opera en 3 actes,
de MM. Gerard de Nerval et Alboize, musique de M. Limnander.
Theatre de TOpera. Mme Jullienne dans la Favorite. -— Societe des
Concerts du Conservatoire. 5e concert. — L'estaminet lyrique. Darcier.
20 avril, Theatre de TOpera. Premiere representation du Prophets, opera en
5 actes de MM. Scribe et Meyerbeer; divertissemens de M. Mabille,
decors de MM. Desplechin, Cambon, Sechan et Thierry. Debuts de
M. Roger, de Mmes Viardot et Castellan.
18 mai, Le Tannhaeuser [preface h Tarticle de Liszt, signee H. B.].
20 mai, La Nuit de Noel, opera en 3 actes de M. H. Reber. La partition.
En vente chez Richault.
9 juin, Theatre de TOpera. lre representation du Toreador , opera bouffon
en deux actes, de MM. Sauvage et Adam1). — Debuts.
14 juillet, Theatre de TOpera-Comique. lre representation de la St-Sylcexirt,
ope>a-comique en 3 actes, de MM. Melesville et Michel Masson, musique
de M. Bazin. [Bazin et le prix de Rome]. — Theatre de TOpera.
Reprise de Dom Sebastien.
21 aout, Exposition universelle. Instrumens de musique. — Le droit des
pauvres exerce sur les fabricants d'instrumens. — MM. Erard, Boisselot,
Weulfel, Sax, Vuillaume. — Lc Prophete et la Muette h Londres. —
Concerts du Conservatoire. — Succes de Roger a Francfort.
28 septembre, Quelques mots sur Tetat present de la musique; ses deTauts,
ses malheurs et ses chagrins. Theatre de TOpera, Lucie, Espinasse. Debut
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J.-G. Prod'homme, Bibliographic berliozienne. 641
de M. Roger, de M. Desterbeck et de Mile Chevallier dans la Favorite.
— La Porte Saint-Martin. — Le quatuor et le ballet de M. More.
4 octobre, Theatre de l'Opera-Comique. lr0 representation de la Fee aux
Roses, opera-corn ique en 3 actes de MM. Scribe et de Saint-Georges.
Musique de M. Halevy. Decors de MM. Thierry etc. — Mort de Strauss.
27 octobre, Theatre de l'Opera, Reprise du Prophete. — Mort de Chopin.
— Societe de TUnion, Salle de Sainte-Cecile.
17 novembre, Theatre de l'Opera-Comique. Le Moulin des TMeuls, opera
en un acte de MM. Mallian et Cormon, musique de M. Maillart [la claque];
trio en si b de Beethoven [par Ernst, Heller et Seliginannl. Theatre
historique. — Distribution des prix de l'Industrie a la Ste-Chapelle. —
Methode de Telephonic, par M. Sudre.
27 decembre, Theatre de l'Opera. Premiere representation du Fanal, opera
en 2 actes de M. de Saint-Georges, musique de M. Adam1). — Nouvelles
maritimes. — Messe solennelle de Niedermayer. — Methode de chant de
M. Damoreau.
1850.
Revue et Gazette musicale.
17 mars, No. 11 (p. 92 — 93), UAlceste de Gluck [reproduction de deux pages
extraites de A trovers Chants}.
Journal des Debate.
14 Janvier, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation des Porcherons,
opera comique en 3 actes de MM. Sauvage et Grisar.
5 fevrier, Revue musicale. Debut de Mile Heinefetter. — M. de Kontski. —
Les deux Princesses. — Soirees de M. Massart, Societe philharmonique
de Paris, concert de l'Union. — Societe des Concerts du Conservatoire.
13 avril, Theatre de l'Opera. Reprise de Freyschutz et des Huguenots. —
Debut de Mme Laborde. — Concerts, concerts et concerts.
25 avril, Theatre de l'Opera-Comique, 1™ representation du Songe d'une nuit
dUetCy opera-comique en 3 actes, de MM. Rosier et Anibroise Thomas.
— Theatre de l'Opera. Mile Alboni. — Mile de la Morliere.
18 mai, Theatre de l'Opera. Reprise du Prophete. Debut de Mile Alboni.
29 juin, Varietes musicales. L'OpSra. — Duprez ambulant; ses Aleves, sa
messe. — Quatuor de M. Morel. — M. de Garaude. — Symphonies
pour instruments de cuivre. — Exercice public du Conservatoire. — Le
Joseph de Mehul. — Reprise de Jcannot et Colin. — Le chateau
d'Asnieres.
30 juillet, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de Qiralda, ou la
Nouvelle Psyche, opera-comique en 3 actes de MM. Scribe et Adam. —
Montmorency. — Idylle. — Concours du Conservatoire. — Malheur
arrive a M. Erard 2).
10 septembre, R^ouverture de l'Opera. La Favorite. — Mile Alboni. —
26 Melodies, composees sur des paroles de divers auteurs, par M. Leon
Kreutzer.
25 septembre, Theatre de l'Opera-Comique. Rentr£e de Mme Ugalde. —
1) Reproduit dans la XVII1> Soiree de rOrehestre, p. 234—237: Analyse du Phare.
2) Reproduit dans la XVIU> Soiree de VOrchestre, p. 237—247: Analyse rfgDiletta.
Idylle — Le piano enrage.
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642 J.-G. Prod'homme, Bibliographie berliozienne.
Arrived de Jenny Lind a New-York. — Mort de Mme Saint-Aubin. —
Reprise de I'Amant jaloux.
Theatre de l'Opera [Reprise de diaries VI]. Distribution des prix de lln-
stitut. — Soctete Philharinonique de Paris. — Mme Frezzolini. — Choeur
de la chapelle imperiale de Saint-PeterBbourg. — Bortniansky.
2 decembre, Opera-Comique, lre representation de la Chanteuse voilee, opera
en un acte de M. Victor Masse.
9 decembre, Theatre de r Opera. lre representation de l Enfant prodiguc, opera
en 5 actes, paroles de M. Auber. Divertissemens de M. Saint-Leon.
Mise en scene de M. Leroy. Decors de MM. Thierry, Cambon, Des-
plechin et S6chan.
1851.
Journal des Debats.
ler Janvier, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de la Dame de
Pique, opera-comique en 3 actes, de MM. Scribe et Halevy.
17 Janvier, Theatre de l'Opera. Reprise de Ouillaunie Tell. Debut de Mairalt;
Massol; Mile Nau. — Mme Caroline Duprez. — Vivier. — Traits
international pour conserver la propriete de leurs oeuvres aux gens de
lettres et artistes en Autriche et en France. Les albums, les concerts,
le petit Julie n. — Manuel de musique militaire par M. Georges Kastner.
— Le Pater de Bortniansky.
12 fevrier, Spontini. Sa vie et ses oeuvres 1).
23 fevrier, Theatre de l'Opera. Debut de Mile Poinsot dans la Juive. Theatre
de l'Opera-Comique. lre representation de Bonsoir, Monsieur Pantahn.
opera bouffon en un acte de MM. Lockroy et Morvan, musique de
M. Grisar. — Concerts. — Theatres etrangers. — Quatre Melodies, Poesie
de Mile Louise Bertin, musique de M. Gide. Ferdinand Hiller [a propos
de son recent passage a Paris].
27 mars, Theatre de l'Opera. lre representation du Demon de la nuit, opera
en 2 actes de M. Bayard, musique de M. Rosenhain.
13 avril, Mouvement musical de Paris. — Encore le droit des hospices. —
Gottschalk. — Influence de M. Erard sur les etudes musicales. — Her-
mann. — Le livre de Liszt sur Chopin. — Soiree de M. Massart, Mme
Massart, le jeune Leon Massart. — Mme Dorus-Gras. — Les concerts
de societe. — Seligmann. — Petition. — Cross. — Soualle. — Le
Saxophone. — Nabichv son trombone. — De Beriot, son eleve en trois
personnes. — Le petit Julien. — Allard. — Mile de Chaumon-t. —
Seance annuelle des creches. — Les vers de M. Emile Des champs. —
MM. Alary, Gastinel, Gouvy. — La place Nicolo. — Koven. — Heine.
21 — 22 avril, Theatre de l'Opera. lre representation de Sapho, opera en
3 actes, paroles de M. Emile Augier, musique de M. Gounod, decors
de MM. Sechan et Desplechin2). — Representation au benefice de Roger.
— M. Vieuxtemps. — Le concert du vendredi-saint a la salle Ste Cecile.
— Derniere soiree de la Societe Philharmonique.
31 mai, A M. le Redacteur en chef du Journal des Debats. «Londres 22 niai>.
Le jury musical de l'Exposition. — Concerts et SociStes philharmoniques
de Londres, Liverj^ool, Manchester. The small-footed lady, cantatrice
1) Reproduit dans la Xffl> Soiree de VOrchestre.
2; Reproduit dans les Musiciens et la Musique, p. 255—277.
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J.-G. Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 643
chinoise. — Son maitre de musique. — Les instrumens indiens. —
Grand succes de Fidelio au theatre de la Reine. — Influence du pantalon
noir a Covent-Garden. — Faceties des affiches de ce theatre. — Les
recitatifs du FreischiUx,.
20 juin, Au Redacteur. « Londres ce 9 juin». Meeting annuel anniversaire
des enfants des ecoles de charite* dans la cathedrale de Saint-Paul. — Choeur
de six mille cinq cents voix. — Le palais de cristal a sept heures du matin l).
ler juillet, Au Redacteur, « Londres le 16 juin*. Theatres lyriques de Londres.
— Leur rivalite. — Systeme d'6tudes accelerSes. — Operas en cinq
actes montes en dix jours1). — Liberty prises a l'egard de tous les
grands maitres par les chefs d'orchestre. — Don Giovanni. — Fidelio.
— II Prodigo. — Mmes Sontag, Cruvelli, Ugalde, Castellan, Giuliani. —
Le t6nor Tamberlick, Massol, Fornier, Coletti. — Mmes Charton-
Demeur, Ernst, Seligmann.
29 juillet, Au Redacteur. « Londres . . . juillet. » Premiere representation
de Florinda ou les Mores en Espagne, opera en 4 actes de M. Scribe,
traduit en italien par M. Giannini, musique de M. Thalberg. — Concert
d'Osborne. — Les musiciens des rues. — Les Highlanders. — Les
concerts indiens. — Concert et bal sur la jonque chinoise.
12 aout, Au Redacteur. Theatre de Covent-Garden: II flauto magico. —
Theatre de Hay-Market: Son and Stranger , opera posthume de Mendels-
sohn. — Her Majesty's theatre: Le Mariage de Figaro. — Chapelle de
Saint-James. — Abbaye de "Westminster. — Purcelfs commemoration. —
Les jurys de l'Exposition.
24 aout, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation de Serafina,
opera-comique en un acte de M. de Saint-Jullien. — Un laur^at du
Conservatoire. — La famille Romberg. — Les artistes, les artisans et
les melomanes.
16 septembre, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de la reprise
de Joseph, op6ra de Mehul.
30 septembre, Theatre de l'Opera National. Ouverture, Premiere representation
de Mosquita la Sorciere, opera en 3 acteB de MM. Scribe et Vaes, musique
de M. Xavier Boisselot. — Theatre de l'Opera. Debuts. — Guide
musical de VEnfance par Mile Robert Mazel.
11 novembre, Theatre de l'Opera. Reprise de la Heine de Chypre. — Debut
de Mme Tedesco. — Rentree de Roger et de Massol. — Theatre de
l'Opera National. lre representation de Murdoch le Bandit, opera en un
acte, de MM. de Leuven et [Eugene] Gautier. — Promenades tfun
Solitaire, Melodies sans paroles pour le piano, par Stephen Heller.
21 novembre, Theatre de l'Opera. lre representation de la Perle du Bresil,
opera en 3 actes de MM. Gabriel et Sylvain de Saint-Etienne, musique
de M. Felicien David. — Methode de Saxhorn, par Sax. — Les grandes
m^dailles de l'Exposition. — Distribution des prix aux exposans. — Les
membres du jury et M. le ministre du commerce. — Reprise d 'Olympic
a Berlin. — Concerts.
13 decembre, Theatre de l'Opera-Comique. La Chateau de Barbe-Blcue, opera
en 3 actes de M. de Saint- Georges, musique de M. Limnander. —
1) Reproduit dans la XXI* Soiree de VOrchestre, p. 125—128.
2) Id. ib., IX* Soiree.
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644 J--G- Prod'homme, Bibliographie berliozienne.
Nouveaux details sur la chapelle imperials russe et les travaux de son
directeur, le general A. Lwoff.
30 decembre, Les jurys de l'Exposition universelle et les facteurs d'instrumens
de musique.
1852.
Gazette musicale*
19 septembre— 17 octobre, Nos 38— 42 (p. 309— 347), Les Soirees de tOrchextre
[Fragments: Prologue, 2e Soiree, De viris iUustribus urbis Romae. —
Epilogue] .
Journal des Dcbats.
7 Janvier, Theatre de l'Opera. Reprise de Sapho1). — Mile Masson.
Gueymard. Theatre de l'Opera-Comique. Reprise de Nina, ou la Folk
par amour, opera en un acte de Marsollier et Dalayrac. — Albums. —
Gottschalk a Madrid. — M. Haberbier. — Brochure sur les corps de
musique militaire. — Les orgues de Cologne. — Ernst ^annonce de son
concert du 14, sous la direction de Berlioz].
13 Janvier, Theatre de l'Opera-National. lre repesentation de la Butte dts
Moulins, opera en 3 actes de MM. Gabriel et Deforges, musique de
M. Adrien Boi'eldieu. — Quelques mots sur Dalayrac. — Representation
du Bourgeois gentilhomme a l'Opera. Erreur du public au sujet de la
trompette marine2).
3 fevrier, Theatre de l'Opera. Reprise de Guillaume Tell. Theatre de
l'Opera-Comique, lre representation du Mariage en Voir, opera bouffon en
un acte, musique de M. Eugene Dejazet.
21 fevrier, Theatre de r Opera National, Reprise des Visitandines. — Devienne
et Mozart. — Philidor et Gluck. — Une victime du tak3).
25 fevrier, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation du Carillonneur
de Bruges, opera en 3 actes de M. de Saint-Georges, musique de M.
Grisar. — Theatre de l'Opera-National. lre representation des FianpailUs
des Roses, opera en 3 actes de M. Deslys, musique de Villeblanche, et
de la Poupee de Nurembeig, opera bouffon en un acte de MM. Brunswick
et Arthur de Beauplan, musique de M. Adam.
22 juillet, Theatre de TOpera-Comique. lre repesentation de la Croix d*
Marie, opera-comique en 3 actes, de MM. Lockroy et Dennery, musique
de M. Maillart. — Choeurs de la tragedie d'Ulysse [de PonsardJ musique
de M. Gounod.
11 aout, BEETHOVEN et ses trois styles, par M. W. de Lenz4). — Nouvelles
musicales.
27 aout, Inauguration de la statue de Lesueur a Abbeville. — Theatre de
l'Opera-Comique. lre representation des Deux JaJcel, opera-comique en
un acte de M. Planard, musique de M. J. Cadaux. — Theatre de l'Opera.
Debut de Mile Lagrua dans Robert-le-Diable.
11 novembre, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation du Pere Gaillard,
opera-comique en 3 actes, de M. Sauvage, musique de M. Henri Reber.
— Theatre Lyrique [Si j'ttais Roi].
\) Reproduit dans les Musiciens et la Musique, p. 278—284.
2) Reproduit dans les Grotesques de la musique.
3i Reproduit dans la Xe Soiree de VOrchestre, p. 143 — 146.
4 Reproduit au deuxieme Epilogue des Soirees de VOrchestre, p. 357—368.
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J.-G. Prod'homm , Bibliographie berliozienne. 645
1853 i).
Journal des D6bats.
7 Janvier, Theatre Lyrique. Dernieres le3 representations. — Concerts. Vieux-
temps, Mile Clauss, Sivori, Cavallini, Bottesini, Prudent; les quatuors
de M. Chevillard; le concert Sainte-Cecile. Une pluie d' albums , de
fleurs melodiques, alba ligustra. Les promenades d'un solitaire.
6 fevrier, Academie imperiale de musique. lre .representation de Louise
Miller, opera en 4 actes, musique de M. Verdi, paroles de M. B. Alaffre.
— Debut de Mme Bosio. — Quelques mots sur TEtat actuel de Tart
du chant dans les Theatres lyriques de France et d'ltalie, et sur les
causes qui l'ont denature.
17 mars, Theatre Lyrique, lre representation de Les Amours du Liable, opera-
feerie en 3 actes et 9 tableaux, paroles de M. de Saint- Georges, mu-
sique de M. A. Grisar. — Concerts. [Hilleri]
6 avril, Theatre de TOpera-Comique, lre representation de la Tonelli, op6ra-
comique en 2 actes de MM. Sauvage et Ambroise Thomas. — Concerts.
Cabinet de consultations pour les melodies secretes. [Panseron.]
6 — 7 mai, Academie imperiale de musique. lre representation de la Fronde,
opera en 5 actes de MM. Auguste Maquet et Jules Lacroix. Musique
de M. Niedermayer. — Theatre-Lyrique. — Theatre de l'Opera-Comique.
26 juillet, La saison musicale a Paris et a Londres.
4 septembre, Theatre de l'Opera-Comique, lre representation du Nabab,
opera-comique en trois actes, paroles de M. Scribe et de Saint-Georges,
musique de M. Halevy.
6 septembre, Theatre Lyrique, Keouverture, lre representation de la Moisson-
neuse, opera en 4 actes de MM. A. Bourgeois et Michel Masson, mu-
sique de M. Vogel.
20 septembre, Theatre de l'Opera, Reouverture. — Les Huguenots.
10 octobre, Theatre Lyrique, Le Voisin, opera-comique de MM. Brunswick
et Beauplan, musique de M. Poise. Le Bijou perdu, opera en 3 actes
de M. de Leuven, musique de M. Adam. — Debut de Mme Cabel.
31 octobre, Les Soirees de V Orchestre. V. Wallace, compositeur anglais. Ses
aventures a la Nouvelle-Zelande2).
10 novembre, Theatre de l'Opera, Reprise de Mo'ise. — Theatre de l'Opera-
Comique, lre representation des Mysteres d? Udolphe, opera en 3 actes de
MM. Scribe et Germain Delavigne, musique de M. Clapisson. — Theatre-
Lyrique, Reprise du Postilion de Longjumeau. Rentree de Chollet.
25 decembre, Theatre imperial de l'Opera, lre representation de Marco Spada,
opera en 3 actes de M. Scribe, musique de M. Auber. — Debut de
Mile Caroline Duprez. — Concert de Vieuxtemps. Concert de Mile
Dreyfus. [Sax, Vivier.]
1854.
Revue et Gazette musicale.
22 Janvier, No. 4 (p. 30), Lettre a la Gazette musicale.
1) Les Soirees de VOrcJiesire parurent au mois de Janvier. Elles furent reeditees
en mai 1854.
2; Reproduit dans l'Epilogue des Soirees de l' Orchestre, 2« edition, p. 416 — 424.
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646 J.-Gr. Prod'homme, Bibliographie berliozienne.
I Journal des Debate.
5 Janvier, Theatre de l'Opera-Comique, Theatre-Lyrique, lre representation
de Betty. lre representation des Papillottes de M. Benoit. lr0 represen-
tation d'Elisabeth. — Ecole classique de piano. — Album de la reine
Hortense. — Recueil de chansons de Berat. — Les Echos de temps
passe. — Les Nuits blanches.
20 Janvier, Theatre de TOpera, Debut de Mile Sophie Cruvelli dans les Hu-
guenots. — VArt du chant applique au piano, par S. Thalberg.
24 fevrier, Theatre de l'Opera-Comique, lre representation de VEtoik du Kord\
op^ra en 3 actes de MM. Scribe et Meyerbeer.
21 mars, Theatre de l'Opera, Reprise de la Vestale. — Mile Cruvelli, Roger,
Bonnehee, Obin, Mile Poirsot, les danseurs modernes. — Hommages
et outrages, traduttori traditori, beautes et defauts de l'execution.
25 raars, Theatre de l'Opera, Reprise de la Vestale. Le troisieme acte (Se-
cond article). — Du mouvement musical en Hollande. — Theatre-Xiy-
rique , lre representation de la Promise, opera en 3 actes de MM. de
Leuven et Brunswick, musique de M. Clapisson.
10 juin, Theatre de l'Opera-Comique, lre representation de la Fiancee du
IHabte, opera en 3 actes de MM. Scribe et Roman, musique de M. Masse.
— Theatre-Lyrique, lre representation de Maitre Wolfram, opera en un
acte de M. Mery, musique de M. Reyer. — Theatre de l'Opera, Exe-
cution de la Vestale.
4 juillet, Theatre de TOpera-Comique, lre representation de Les Trovatelles,
opera-comique en un acte, de MM. Michel Carre et Lorin, musique de
M. Duprato. • — Soirees de musique de chambre. — Le 2e quatuor de
M. Morel. — M. Lemmens. — Deux sonates de Beethoven. — Concert
de Saint-Germain. — Le festival de Rotterdam.
6 septembre, Chronique musicale. La Fuite en Normandie. — Les Ro-
mains a Saint-Valery. — Naufrage d'un lougre. — Inutilite des hommes
speciaux. — Danger qu'on court a tenir des specialites. — L'Opera au
camp. — Amour-propre des Alsaciens. — La Vie de Rossini, par MM.
Escudier. — Le chapitre des contradictions. — Preface de M. Mery.
— Les pirogues sans balancier.
5 octobre, Ouverture du Theatre imperial de l'Opera. — Ouverture du
Theatre-Lyrique. — Ouverture des Sabots de la marquise. — Mme Son-
tag, Mme Bosio, Mme Sanier, Liszt. — Theatre de l'Opera-Comique,
lre representation des Sabots de la Marquise, opera en un acte de MM.
Michel Carre et Jules Barbier, musique de M. Ernest Boulanger.
11 octobre, Theatre-Lyrique, lre representation de le Billet de Marguerite,
opera en 3 actes de MM. de Leuven et Brunswick, musique de M. Gre-
vaert. — Debut de Mme Deligne. — Lauters. — M. et Mme Meillet.
— Fernand Cortex, a Vienne. — Mile Lagrua. — A. Sax. — Compo-
sitions nouvelles pour le piano, par M. Camille Stamaty.
24 octobre, Theatre de l'Opera, lre representation de la Nonne sanglafvte%
opera en 5 actes de MM. Scribe et Germain Delavigne, musique de
M. Gounod, decors de MM. Sechan, Desplechin, Cambon Thierry, Mar-
tin et Aumont. — Theatre de l'Opera-Comique, Reprise de VEtoile du
Nord.
l; Le livret de cet opera avait ete primitivement destine a Berlioz. II reste des
fragments autographes de la partition.
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J.-Gr. Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 647
25 novembre, Revue muaicale. Th£atre-Lyrique: Emotion populaire, lre re-
presentation de Schahabaham II\ reprise de Maitre Wolfram. — Mme
Meillet. — Roger en AUemagne; Mme Charton-Demeur a Rio; Mile
La Grua a Vienne; Mme de La Grange k Saint- P^tersbourg; Mme
Bosio a Paris. — Theatre imperial de l'Opera, le veau gras; rentree
de Mile Cruvelli; M. Crosnier. — M. Lacombe. — Nouvelles compo-
sitions de M. Rosenhain. — Nouvelles d'outre-mer. — Nouvelles d'outre-
Rhin.
1855.
Journal des Debats.
9 Janvier, Theatre de l'Opera, Debuts Mme Stoltz, Gardoni, Neri-Baradi.
— Theatre -Lyrique, le Muletier de Tolede, ope>a en 3 actes de MM.
Clairville et Dennery, musique de M. Adam. — Les derniers soupers
de l'ane. — Rentree de Mme Ugalde h lOpera-Comique. — L'ecrin
de M. Perrin. — Albums.
26 Janvier, Theatre de lOpera-Comique, Le Chien du Jardinier, op£ra-comique
en un acte, de MM. Lockroy et Cormon, musique de M. Grisar. —
Concert du Conservatoire. — Soiree de M. et Mme Desmarets. —
Concert de la France musicale. — Sextuor de M. Salvator. — Sym-
phonic de M. G. Mathias. Album de Pierre Dupont. — Nouveau con-
certo de M. Herz. — Soirees musicales de Mme Viardot. — Concert
de M. Fumagalli. — Theatre -Lyrique, lre representation de Robin des
Bois.
17 avril, Theatre de l'Opera, Debuts de Mme Stoltz dans le Prophete. —
Theatre-Lyrique, lre representation de Lisette, opera en 2 actes, de MM.
Sauvage et Ortolan. — Mme Meillet dans les Gharmeurs. — Theatre
de rOp£ra-Comique, lre representation de la Cour de Celimene, ope>a-
comique en 2 actes, de MM. A Rosier et A. Thomas.
19 mai, Theatre-Lyrique, Jaguarita Vlndiemie, opera en 3 actes de MM. de
Saint-Georges et de Leuven, musique de M. Halevy.
8 juin, Theatre de l'Opera-Comique, 1™ representation de Jenny Bell, ope>a-
comique en 3 actes, de M. Scribe et Auber. — Mme Sontag, Jenny
Lind, Paer, les Astucio *) ; les Fourmis blanches ; les Ramparts de corail ;
le lord protecteur. — Les Pensionnats de demoiselles, les Petites, les
Grandes. — Superiorite du professeur qui ne professe pas. — Ma faeon
d'enseigner la guitare. — La raison et la vertu; anatheme sur ces deux
fleaux du coeur humain. — Les peres Capulets. — Le Qod save the
King. — Roger en Europe et en Australie. Mme Stoltz au Bresil. —
Conspiration des antipodes.
2 octobre, Theatre de l'Opera, lre representation de Sainte- Claire, op£ra en
3 actes, de S. A. R. le due de Gotha, paroles traduites de l'allemand
par M. Oppelt. — Les Vepres sicilicnnes. — Theatre de l'Opera, lre re-
presentation de Une nuit a Seville, opera en un acte de MM. Nuitter
et Beaumont, musique de M. Frederic Barbier. — Concerts de 1'TJnion
chorale de Cologne.
19 octobre, Revue musicale. Theatre de l'Opera-Comique, lre representation
de Deucalion et Pyrrha, ope>a en un acte de MM. Jules Barbier et
Michel Carre, musique de Montfort. — Grandes Etudes pour le piano,
1, Reproduit dans les Grotesques de la Musique.
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648 J.-G. Prod'homme, Bibliographic berliozienne.
par M. Amedee Mereaux. — Les Chants de fArmee, par M. Kastner.
— Henri Heine. — La reine Pomare et ees couronnes. — A Sa Ma-
jeste Aimata Pomar£, reine de Taiti, Ei'meo, Ouahine, Rai'aka, Bora-
Bora, Toubouai Manou et autres iles, dont les oeuvres viennent d'ob-
tenir la medaille d' argent a l'Exposition TJniverselle 1). [Signe: Hector
Berlioz, Tun des juges des nations. Paris, le 18 octobre 1855.]
31 decembre, Theatre de l'Opera-Comique, Les Lavandicres de Santarem [de
Gevaert]. — Lc Secret de Foncle Vincent [de de Lajarte1. — Le Solitaire
[de Planard et Caraffa]. — Le Housard de Berchini [d'Adam]. — Le
Songe d'tnie nuit aVete Ld'A. Thomas]. — lre representation des Saiso/is,
opera-comique en 3 actes de MM. Jules Barbier et Michel Carre, musique
de M. Masse. — Pantagruel] [L'habit de noee. — Albums].
1856.
Revue et Gazette musicale.
6, 13, 20 Janvier, 3, 10 et 24 fevrier et 2 mars, No. 1, 2, 3, 5, 6, 8 et
9 (p. 4 — 66), Le chef d}orchestre} Theorie de son art.
Journal des Debats.
19 mars, Theatre-Lyrique, lre representation de ManCxelle Genevieve^ opera-
comique en 2 actes, de MM. Brunswick et de Beauplan, musique tie
M. Adam. — Rentree de Mme Meillet. — Theatre de TOpera-Comique,
lre representation du Chercheur d* esprit, opera-comique en un acte, de
MM. Edouard Foussier et Besanzoni. — JUbliotheque musicale ancient**
et moderne, 200 volumes grand in -8°. — Concerts. Concert de Vivier.
Avec 20 francs ou a un billet2,.
2 juin, Theatre de l'Opera, Debuts: Mile Elmire, Mile Ribault. Reprises
de Richard Caiur-dc-Lion a TOpera-Comique et au Theatre-Lyrique. —
Debuts de MM. Barbot et Michot.
4 septembre, Plombieres et Bade (lre lettre). A M. le Rldacteur du Journal
des Debats. Plombieres. — Les Vosges. — La piscine. — Les par-
ties de plaisir. — Visite a Mile Dorothee.
9 septembre (2e lettre). Arrivee chez Mile Dorothee. — Le val d'Ajol.
Toujours ramper. — Pourquoi vieillir, souffrir et mourir? — La fon-
taine de Stanislas. — Les glaciers. — Les tables d'hote. — Caquets et
mSdisances. — L'Eaugronne. — M. le docteur Sibille. — Son procede
pour guerir les maladies intestinales. — Les peres sans entrailles. —
Effroi de monsieur Prud'homme. — Concert de Vivier. — Soiree chez
l'Empereur. — Bade. — TJn opera nouveau de M. Clapisson; succes.
— Concerts. — Mme Viardot. — Mile Duprez. — Beethoven. —
Retour a Plombieres. — Tristesse3).
24 septembre, Theatre de TOpera, Reprise de Guillaume Tell et du Prophetc.
Debuts de Mile Hamacker; de Mme Borghi-Mamo. — Rentree de
Roger. — Theatre de l'Opera-Comique, Reprise de Zampa. — Liszt en
Hongrie. — Concerts de la Societe Philharmonique de Berck-sur-mer.
Debut de Thalberg sur Torgue-Alexandre. — Distribution des prix du
Conservatoire de Marseille.
1 Reproduit dans les Grotesques de la musique.
2 Li. ib.
3) Ces deux lettres ont ete reproduites dans les Grotesques de la Musique.
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J.-G. Prod'homme, Bibliographic beriiozienne. 649
15 novembre, Theatre de l'Opera. lre representation de la Rose de Florence,
opera en 2 actes, de M. de Saint- Georges , musique de M. Emanuele
Billetta. — Theatre de l'Opera-Comique, Reprise de Jean de Paris. —
Debut de M. Stockhausen. — Mme Cabel dans VEtoiie du Nord. —
Rentree de Mme Duprez van den Heuffel. — Theatre -Lyrique. Le prix
de quinze cents francs fonde par M. E. Rodrigne. — Les professeors
de piano. — L'orgue-Alexandre en Russie. — M. Durand. — Les Con-
certo Mnsard. — Arban. — Vieuxtemps. — Th. Ritter; son succes a
Francfort; son ouverture.
19 decembre, Theatre de l'Opera. Theatre de l'Opera-Comique. lre represen-
tation de Maitre Patkdin, opera-comique en un acte, arrange d'apres
l'ancienne comedie, par MM. de Leuven et Langle, musique de M. Ba-
zin. — Theatre des Folies-Nouvelles. — V Art de chanter, par M. Henri
Panofka. — Concerts. — Publications nouvelles. — Mme Stoltz a
La Haye.
31 decembre, Tbeatre-Lyrique. lre representation de la Reine Topaze, opera
en 3 actes de MM. Lockroy et Leon Battu, musique de M. Masset. —
Les Aveniures d?un gentilhomme breion aux ties Philippines, par M. de
la Gironiere.
1857.
Journal des Debats..
3 fevrier, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de Psyche', opera
en 3 actes de MM. Jules Barbier et Michel Carre , musique de M. A.
Thomas. L'opera du Trouvere; Mme Lauters. Methode de Trompette}
par M. Dauverne.
6 mars, The&tre-Lyrique. lre representation d'Oberon, opera fantastique de
Ch. M. Weber1). — Concerts. Symphonies de MM. Reber et Saint-
Saens. — M. Leon Kreutzer: ses quatuors. — Mme Pauline Viardot.
— MM. Sivori, Stainlein, Lubeck, Van Gelder. — M. Reichardt, Mme
Massart, M. Jacquart, M. Bronsart. — Theodore Ritter.
26 avril, lre representation de Francois Villon, opera-comique en un acte de
M. Got, musique de M. Edmond Membree. — Concerts. [Tajan-Rogl:
Les Beaux- Arts aux Etats-Unis de VAmerique du Nord\ Etex.]
7 mai, Theatre de l'Opera. Debut de Mile de la Pommeraye dans la Peine
de Ghypre. — Theatre de l'Opera-Comique, Reprise de Joconde, opera-
comique en 3 actes d*Etienne, musique de Nicolo. — Compositions nou-
velles. [Concerts.]
31 mai, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de la Clef des Champs,
opera en un acte de Boisseau, musique de M. Defies. — Theatre de
l'Opera, lre representation des Nuits d'Espagne, opera en 2 actes, de
M. Michel Carre, musique de M. Semet.
12 juin, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation des Dames capitaines,
opera en 3 actes de M. Melesville, musique de M. H. Reber. — Com-
positions nouvelles de Prudent2). — Lecons de lecture musicals, par
M. Halevy. — Le Pr€ Catelan, lre representation de NoUa, ballet avec
chceurs de MM. Brideau et Dechateau, musique de M. Pilati.
1) Reproduit dans A travers Chants.
2 Reproduit dans la Gazette musieale du 14 juin, No 24 (p. 194—196).
s. d. i. m. v. 42
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650 J.-G. Prod'homme, Bibliographic berliozienne.
3 juillet, Theatre de l'Opera. Debut de Renard dans OuUkmme Tell. Theatre
de rOpera-Comique , lre representation du Mariage extravagant, vaude-
ville de Desaugiers, arrange en opSra-comique, musique de M. E. Grau-
tier. — Theatre-Lyrique, lre representation des Commeres, opera en un
acte de M. GranvaL, musique de M. Montuoro; et de U Duel du Com-
mcmdeur, autre op£ra en un acte de M. Th. Lajarte. — Manuel pra-
tique et raisonne cCharmonie a t usage des pensionnats [par M. Fitton] !j.
8 septembre, Theatre-Lyrique. lre representation d'Euryanthe, opera fantas-
tique de Weber.
24 septembre, BADE. M. BSnazet, son influence. — Les anciens et les
modernes, leur maniere . d'envisager le culte de l'art. — Les Pionniers
du Far-Ouest. — L'orchestre de la Conversation. — La bande militaire
autrichienne : M. Eyschle. — L'orchestre et les choaurs de Carlsruhe;
M. J. Strauss et Krug. — Les concerts de musique de chambre; le
festival; les comedies, l'opera-comique compost pour Bade. — Les chan-
teurs de Paris, les chanteurs de Carlsruhe. — M. et Mme Massart;
MM. Jacquart, Arban, Wuille, Grodwolle, Steinbriiggen. — Les appeaux,
les grives, le grand filet. — Jean-Bart et Louis XIV. — Les petites
miseres des grands concerts2]. M. Daussoigne-Melml; le piano -orgue
d' Alexandre. — Le vieux chateau, le Mercure, le livre de M. Eugene
Guinot.
24 octobre, Revue musicale. Don Pedre. — Maitre Griffard. — Mattre
Wolfram. — Jeannot et Colin. — Le fiossignol; M. Etienne, Mme Le-
brun. — Cruaute des acteurs de l'Opera-Comique. — Humanity de ceux
du Theatre-Lyrique. — Depart de Mme Meillet. — Arrivee de Mme
Cambardi. — L'ecole du chevrottement , les bones, les chevrea et les
agneaux profess eurs de chant. — Ferocite* des orcbestres pariaiens. —
Les preludes pendant les entr'actes. — Arrete de M. le preset de po-
lice. — Barbarie des choristes. — Autre arrete de M. le preset de po-
lice. — Doctrine religieuse basee sur le rhythme. — Le rhythme de
Tinfamie, le rhythme de la mollesse, le rhythme de l'orgueil. — Haydn,
Mozart et Beethoven. — Beethoven faisant pleurer la perte du diable.
— Doutes inspires sur 1' ensemble de la theorie par la hardiesse de cette
derniere assertion. -- Mile Zina Richard. — Un mot de M. Auber3',
ler novembre, Theatre-Lyrique. lre representation de Margot, opera en 3 actes
de MM. de Saint-Georges et do Leuven, musique de M. Clapisson. —
Inauguration de la salle Beethoven. Concert d'ouverture.
14 dScembre, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation du Carneval de
Venise, opera en 3 actes de MM. Sauvage et Ambroise Thomas. —
Mouvement musical de Paris. Concert donne a l'Opera. — VElie de
Mendelssohn au Cirque. — Messe de M. Thomas a Saint-Eustache. —
M. Daussoigne-Mehul. — Le piano-orgue d'Alexandre.
1858.
Journal des Debats.
6 Janvier, Theatre-Lyrique. lre representation de la Demoiselle cChonneur.
opera en 3 actes de MM. Mestepes et Kaufmann, musique de M. Se-
ll Reproduit dans la Gaxette musicale du 18 juillet, No. 28 (p. 228).
2) Reproduit dans les Grotesques de la Musique.
3) Reproduit dans les Grotesques de la Musique.
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J.-G. Prod'homme, Bibliographic berliozienne. 651
met. — [Mme Viardot a Varsovie. — Concerts de la Societe des Jeunes-
Artistes. — M. Gastinel et ses nouvelles compositions.]
22 Janvier, Theatre -Lyrique. lre representation du Medecin malgre lui, mis
en musique par M. Gounod.
4 fevrier, Theatre de TOpSra-Comique. lre representation des Desesperes,
opera-comique en un acte de MM. de Leaven et J. Moinaux, musique
de M. Bazin.
17 fevrier, Theatre de TOpera. Debut de Mile Artot dans le Prophete. —
Theatre de TOpSra-Comique, lre representation de la Fiancee de MM.
Scribe et Auber. — Theatre-Lyrique, Representation d'adieu de Mme
Van-den-Heuvel ; Duprez , Couderc, Mme. Carvalho, Mile Lehmann,
M. Godefroy. iLitolff aux Jeunes- Artistes.!
5 mars, Henry Litolff. Son 4* Concerto symphonique. — Concert des Jeunes-
Artistes. — Compositeurs vivants a Paris.
24 mars, Theatre-Lyrique. lre representation de la Magieienne, opera en 5 actes,
de M. de Saint- Georges, musique de M. Halevy.
3 avril, Theatre de l'Opera-Comique. 1™ representation de Quentin Durward,
opera-comique en 3 actes. de MM. Cormon et Michel, musique de
M. Gevaert. — Theatre-Lyrique, Reprise de la Perle du Brisil. —
Concerts. — Fernand Cortex. — Barroilhet. — Tamberlick.
23 avril, Theatre-Lyrique. lre representation HAlmanxor, opera en un acte,
de MM. Eugene Labat et Louis Ulbach, musique de M. Renaud de
Vilbac, et de Preciosa, opera en un acte, de "Weber. — Auguste Gathy.
Dernier Concert de Litolff [Concerts].
16 mai, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation des Chaises a porteur}
op^ra en un acte de MM. Dumanoir et Clairville, musique de M. Masset.
— Reprise du Muletier, opera en un acte de M. Paul de Kock, mu-
sique d'Herold. Theatre de TOpera. — Theatre-Lyrique, lre represen-
tation des Noces de Figaro, de Mozart. — Concerts.
20 juillet, Revue musicale. Cloture du Theatre-Lyrique. — Representation
de sa troupe h Montmartre et a Saint-Germain. — Deboires des co-
mediens ambulants. — Mme Lagrange. — Mme Charton-Demeure. —
Fetes de Bade. — Precaution prise par M. Benazet contre les chauche-
mars. — Vivier a Lisbonne. — Le concours de composition musicale
a l'Institut. — Le Negre de Madame, operette en un acte, de M. Th.
Ritter. — Engagement de Mme Carvalho a l'Opera. — Le Pre-Catelan.
— La bataille de Pavie. — Les fetes equestres.
15 septembre, Theatre-Lyrique. lre representation de la Harpe d'Or, opera
en 2 actes, de MM. Jaime fils et Dubreuil, musique de M. Felix Gode-
froid. Reprise de la Peine de Chypre\ reprise du Domino noir h l'O-
pera-Comique ; dernieres representations de Sacountala, la musique de
M. Reyer. Droits d'auteur des musiciens qui ecrivent pour l'Opera.
Mme Charton-Demeure, son succes a Bade.
29 septembre, Le Diapason1).
9 octobre, Theatre-Lyrique. lre representation de Broskovano, opera-comique
en 2 actes, paroles de M. Henri Boisseaux, musique de M. Louis Deffes.
— Les Sirenes, Essai sur les principaux mythes relatifs a l'incantation,
suivi du Eeve d' Oswald, symphonie dramatique vocale et instrumentale
[par Kastner]. — Guide pratique du chant, par M. Leon Marie.
1) Reproduit dans la Gazette musicale du 3 octobre, No. 40 ;p. 326—328).
42*
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652 J--G-- Prod'homme, Bibliographic berliozienne.
8 novembre, Theatre de l'Opera-Comique, lw representation de la Bacchante,
opera en 2 actes, de MM. de Leuven et de Beauplan, musique de M. E.
Gauthier. — Theatre-Lyrique. Reprise d'Oberon. — Mme Charton-
Demeure a Trieste.
21 decembre, Theatre de l'Opera, lje representation des Trois Nicolas, opera-
comique en 3 actes, de M. Lopes, musique de M. Clapisson. — Debut
de Montaubry. — Theatre de l'Opera. Debut de Mme Barbot dans
les Huguenots.
Le Monde Ulustre.
13 fevrier, No 44 (p. 106), Souvenirs du monde musical [Le festival de 1844 *\
25 septembre— 25 decembre, Nos 76 — 89 (p. 202 — 408), Memoires dHun Mu-
sicien 2).
1859.
Revue et Gazette musicah.
20 et 27 fevrier, (p. 57 — 69), Les Grotesques de la musique, Prologue. —
Les Athees de l'expression. — Guerre aux bemols. — Prudence et
sagacite d'un provincial. — L'orgue-melodium d' Alexandre. — Les sa-
vants en instrumentation. — Un rival d'Erard3).
27 fevrier, (p. 70 — 74), Du Diapason normal [d'apres le Moniteur du 25 fe-
vrier: Rapport au Ministre d?Etat\
Journal des Debats.
12 mars, Theatre de l'Opera. lre representation d'Hermlanum, opera en 4 actes,
paroles de MM. Mery et Hadot, musique de M. Felicien David. —
Concerts.
26 mars, Theatre-Lyrique. lro representation de Faust, opera en 4 actes, avec un
prologue, paroles imitees de Goethe, par MM. Michel Carre et J. Bar-
nier, musique de M. Gounod4).
10 avril, Theatre de 1'Opera-Comique. lre representation du Pardon de PloereL
opera-comique en 3 actes de MM. J. Barbier et Michel Carre, musique
de M. Meyerbeer.
19 mai, Revue musicale. Theatre-Lyrique. lre representation d* Abou-Hassan,
opera en un acte, du jeune "Weber et de V Enlevement au serail, opera
en 2 actes du jeune Mozart5). — Theatre de l'Opera -Comique, 1™ re-
presentation du Diabte au moulin, opera-comique en un acte, de MM.
Cormon et Michel Carre, musique de M. Gevaert. — Concerts.
13 juillet 1859. Revue musicale [Les Cantatrices. — Les theatres. — Les
Bohemiens et leur musique, par Franz Liszt].
13 septembre, Theatre-Lyrique. lre representation de Romeo et Juliette, opera
en quatre actes de Bellini, traduit par M. Nuitter. Debut de Mme
Vestvali6).
8 octobre, Theatres lyriques. Premieres representations. — Reprises. —
1) Reproduit dans le9 Memoires, tome II, p. 161 — 173.
2} Chapitres I, II, IV— VIII, X— XIV et XVI des Memoires (tome I).
3) Tous ces fragments sont extraits des Grotesques de la Musique, qui venaient de
paraitre a la Librairie nouvelle.
4] Reproduit dans les Musiciens et la Musique, p. 285—302.
5) Reproduit dans A travers chants.
6) Id. ib.
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J.-G. Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 653
Debutants, Debutantes. — Les Concerts du Casino. — Theatre de 1*0-
pera-Comique, La Pagoda, musique de Fauconnier, paroles de M. de
Saint-Georges. — Theatre-Lyrique.
22 novembre, Theatre-Lyrique. lre representation d'Orphee, opera de Gluck *).
Mme. Pauline Viardot.
9 decembre, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation &* Yvonne, opera
en 3 actes, paroles de M. Scribe, musique de M. Limnander. — Theii-
tre-Lyrique, Orphee. Guignol. Mme Viardot, Gluck, un plagiat de
Philidor. Fidelio [Arrivee de Wagner a Paris].
1860.
Le Monde illustri.
lcr Janvier — 23 juillet, Nos 90 et suiv., Mtmoires drun Musicien (suite etfin)2).
Journal des DSbats.
9 fevrier, Theatre-Italien. Concerts de M. Richard Wagner. La Musique
de l'avenir.
10 fevrier, Theatre de l'Opera- Comique. lre representation du 'Roman d?Elvirey
op^ra -comique en 3 actes, de MM. Alexandre Dumas et de Leuven,
musique de M. Ambroise Thomas. Theatre-Lyrique, lre representation
de Ma tante dort, opera- comi que en un acte, de M. Hector Cremieux,
musique de M. Caspers.
23 fevrier, Theatre-Lyrique. Philemon et Baucis, opera en 3 actes, de MM.
Barbier et Carre, musique de M. Gounod.
20 mars, Theatre de l'Opera, lr® representation de Pierre de Medicis, opera
en 4 actes, de M. de Saint- Georges et E. Pacini, musique du prince
Poniatowski.
5 mai, Theatre de I'Opera-Comique. 1™ representation du Chateau Trompette,
opera - comique en 3 actes , paroles de MM. Cormon et Michel ■ Carre,
musique de M. Gevaert. — Theatre-Lyrique, Representation au benefice
de Mme Viardot.
19 mai, Theatre-Lyrique. lre representation de Fidclio, opera en 3 actes et
4 tableaux, musique de Beethoven (l6r article1.
22 mai, (2e article).
2 juin, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de Rita, opera-comique
en un acte, musique de Donizetti, paroles de M. G. Vaez. — Etude
sur le diapason normal, par G. Benedit, professeur de chant et de decla-
mation au Conservatoire de Marseille.
26 juin, Theatre de l'Opera. Debut de Wicart [Cantates sur Pannexion de
la Savoie]. — Theatre-Lyrique. lre representation des Valets de Qascogne,
opera en un acte, de MM. Gille et Dufresne. lre representation, a ce
theatre, des Rosieres, opera en 3 actes, de Theaulon et Herold. — Vir-
tuosos. — Le concert Musard, M. Wuille. Le melodrame. — La Bea-
trix de M. Legouve. — Une idee barb are.
20 octobre, Theatre de l'Opera. Theatre-Lyrique. lre representation k ce
theatre Val d'Andore, opera en 3 actes, de MM. de Saint-Georges et
Halevy. — Theatre de l'Opera-Comique, Reprise du Petit Chaperon rouge,
de Boieldieu.
24 novembre, Revue musicale. Une nouvelle sonate de Beethoven. — Un
1) Reproduit dans A travers chants.
2, Chapitres XVIII — LIV (fragments) des Memoires tome I).
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654 J.-Gr. Prod'homme, Bibliographie berliozienne.
extrait de Saturn e. — Leg Mediums. — Theatres -Lyriques, Reprises,
debuts, succes. — Concert de la Sorbonne. — Le livre de M. Veron
[Memoires (Tun Bourgeois de Paris]; celui de M. Poisot [Histoire de la
Musique en France]; la meihode d'orgue de M. Engel. — Mile Sax:
M. Sax; ses proces; ses procedes pour ses ennemis vaincus. — Xeces-
site de vivre deux cents ans. — Alexandre; sa bataille d'lvry. —
M. Legouix, Schubert, M. Bouscatel. — Encore Bade; M. Mery; la
roulette n'est pas un jeu de hasard; Arban, son orchestra; le diapason
de la police. Rime riche.
29 decembre, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de PJDrentail,
opera-comique en un acte de MM. J. Barbier et Carre, musique de
M. Ernest Boulanger. — ThSatre-Lyrique, 1™ representation des Peckem*
de Catane, opera tragiqiie en 3 actes de MM. Cormon et Carre, mu-
sique de M. Maillard. — Uanex-piano.
1861.
Journal des D4bats.
2 — 3 Janvier, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de Barkouf.
opera-bouffon en trois actes de M. Scribe et Boisseaux, musique de
M. Jacques Offenbach !). — Musique.
13 fevrier, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de la Circassiennr,
opera-comique en 3 actes, de MM. Scribe et Auber. — Concerts. — -
Etudes sur le Quatuor, par M. Sauzay.
19 fevrier, Seances experimentales de TEcole Galin -Paris-Che ve. — Theatre-
Lyrique, lre representation de Mme Qrfyoire, opera en 3 actes, de
MM. Boisseaux et Scribe, musique de M. Clapisson.
13 mars, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation du Jardinier galant,
opera-comique en 3 actes, de MM. de Leuven et Siraudin, musique de
M. Poise. — Concert de M. Leon Kreutzer.
26 mars, Theatre -Lyrique. lr0 representation de Deux Cadis, ou les incon-
v6nients • de se laisser prendre quand on est voleur, opera-comique en un
acte, de MM. Gilles et Turbine, musique de M. Ymbert. — Concert
du Conservatoire. — Fragments de lAleeste francaise et de fAlceste ita-
lienne, de Gluck2). — Mme Viardot; le public.
7 avril, Theatre de l'Opera-Comique. lre representation de MaUre Claude,
opera-comique en un acte, de MM. de Saint-Georges et de Leuven, mu-
sique de M. J. Cohen. — Theatre -Lyrique, Reprise de Oil Bias. —
Concerts. MM. Damcke, Schulhoff, E. Forgues, Th. Ritter, Lubeck,
Armingaud, Jacquard, Maurin, Chevillard, Nabich, Bottesini, H. Herz.
Auber. — Concert de Felicien David, concerts des Jeunes - Aveugles,
concert du Conservatoire: Massol, Mile Rey. — Les maitres corrigrs
par des inconnus, les maitres corrig£s par leurs pairs, les maitres cor-
rig6s par les chanteurs. — Irreverences, inconsequences, insolences. —
Partition de piano et chant tfOhjmpie de Spontini. — Salle de la rue
Cadet. Concert au benefice d' Arban.
24 avril, Theatre-Lyrique. lre representation de la Statue, opera en 3 acte-
de MM. Jules Barbier et Carre, musique de M. Reyer3). — Theatre
1) Reproduit dans les Musiciens et la Musique, p. 319 — 332.
2; Reproduit dans A travers chants.
3) Reproduit dans les Musiciens et la Musique, p. 333 — 340.
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J.-G. ProcThomme, Bibliographie berliozienne. H55
de rOpera-Comique, lre representation de Royal- Or avate, opera -comique
en 2 actes de M. Mesgrigny, musique de M. de Massa. — Theatre de
l'Opera. Mile Le Francois de Taisy dans Lucie. — Mme Gueymard
dans les Huguenots. — Concert de M. Leon Kreutzer.
29 mai, Theatre de l'Opera. Reprise d' Herculanum. — Mme Tedesco. —
Mile Livry. — Theatre !de TOp^ra- Comique. Salvator Rosa, opera -
comique en 3 actes de MM. Grange" et Trianon, musique de M. Du-
prato. Concert de M. Leon Kreutzer au Conservatoire.
1862.
Journal des Debats.
ler Janvier, Theatre de TOpSra. lre representation de la Voix humaine, opera
en deux actes, paroles de M. Melesville, musique de M. Alary. — La
musique a Veglise, par M. Joseph d'Ortigue *). — Melodies nouvelles par
M. Victor Masse.
28 Janvier, Theatre de TOpera-Comique. lre representation de Jocrisse, opera-
comique en un acte de AIM. Cormon et Trianon, musique de M. Eugene
Gauthier. — Concerts. — Publications nouvelles. — Theatre-Lyrique,
Reprise de Joseph, opera biblique de Mehul, et A. Duval. — Debuts de
Giovanni et de Petit. — Mile Faivre. — L'orgue d' Alexandre.
16 fevrier, Theatre-Lyrique. Reprise de la Statue. — Concert de M. Engel;
concerts du Conservatoire. — Th. Ritter. — Le Benedictus de Beet-
hoven ; — sa sonate en fa.
27 fevrier, Theatre de l'Opera-Comique. Premiere representation du Joaillcr
de Saint-James, opera-comique en 3 actes, de MM. de Saint-Georges et
de Leuven, musique de M. Grisar. — Concert de M. Auguste Dupont.
8 mars, Theatre de TOpera. Premiere representation de la Heine de Saba,
opera en quatre actes, de MM. Jules Barbier et Carre, musique de
M. Gounod.
30 mars, Theatre-Lyrique. Premiere representation de la Gluiite imrveilleusc ,
opera-feerie en trois actes, de MM. Dumanoir et Dennery, musique de
M. Grisar. — Concerts.
30 avril, Theatre-Lyrique. Premieres representations : UOnele Traub, opera en
un acte, de M. Zaccone, musique de M. Delavault, la Fills dPEgypte,
opera en deux actes, de M. Jules Barbier, musique de M. Jules Beer. —
Concerts. Mme Escudier, Kastner; — Mile Juliette Dorus. — Vivier.
— M. de Hartog. — Grand evenement. — M. Tout le monde. — Un
mot de Rossini. — Thalberg.
23 mai, Theatre de TOpera-Comique. Premiere representation de Rose ct
Colas, opera-comique en un acte, paroles de Sedaine, musique de Mon-
signy. — lre representation de Lalla Roukh, opera en deux actes, paroles
de MM. Carre et Hippolyte Lucas, musique de M. Felicien David.
27 septembre, Theatre de TOpera-Comique. Reprise de la Servants maitresse,
des Deux ?nots on Une nuit dans la fotrt, de Zemire et Azor.
20 octobre, Theatres lyriques. Clotures probables. — Les tenors sont fort
chers. — Les oranges moisies. — Debuts. Les chceurs de Psyche. —
Un tenor qu'il faut savoir sortir.
6 novembre, Nouveau Theatre-Lyrique. Soiree d'inauguration. — HiMoire
de la musique sacree en Russie.
1, Reproduit dans A trarers chants.
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656 J.-G-. Prod'homme, Bibliographie berliozienne.
19 novembre, Revue musicale. Theatre de FOpera-Comique. Premieres
representations da Cabaret des Amours, ope>a-comique en un acte, de
MM. Jules Barbier et Michel Carre, musique de M. Pascal. Reprise
de Lalla-Roukh. — Theatre de FOpera: Un coup de sifflet; une tympanite.
— Theatre-Lyrique: Reprise du Medeoin malgre lui. — Concerts du
Cirque Napoleon. L'ouverture de Coriolan. — M. Jaell. : — Musique
et Musicians par M. Oscar Comettant.
23 decembre, Theatre-Lyrique. Reprise de Faust Rentree de Mme Car-
valho. — Revue musicale. — Les directeurs de theatre. • — Mme Charton-
Demeur a la Ha vane. — Encore Salammbd. — Concert de Yieuxtemps.
— Concert de David. — La nouvelle salle de concerts. — Haine aux
Francais, mort aux vivants. — Traite (Tharmonie de M. Reber. — Choeur
de M. Lippmann. — Nouvelle edition de Don Juan, de Mozart; et
autres choses.
1863.
Journal des D&bats.
26 Janvier, Theatre de FOpera. Premiere representation de la reprise de la
Muette de Portici. — Messe solennelle et motets pour voix d?hornmes, par
M. Damcke. — Concerts.
4 mars, Theatre de FOpera-Comique. Vlllustre Qaspard, opera en un acte
de MM. Duvert et Lauzannes, musique de M. Eugene Prevost. — La
Deesse et le Berger, opera -comique en deux actes, de M. C ami lie du
Locle, musique de M. Jules Duprato. — Concerts.
20 mars, Theatre de FOpera. Premiere representation de la Mule de Pedro,
opera en deux actes de M. Victor Masse. — Les musicians d'orchestre.
— Theatre de FOpera-Comique.
14 mai, Theatre-Lyrique. 8a subvention. Reprise d'Oberon, de "Weber. —
Premiere representation des Fiances de Rosa, musique de M. deValgrand1 ,
paroles de Choder, et du Jardinier et son Seigneur, paroles de M. Theo-
phile Barriere, musique de M. Leo Delibes. — Orgues d Alexandre
Leur introduction dans toutes les communes de France.
23 juillet, Theatre de FOpera. Reprise des Vepres siciliennes. — Theatre
de FOpera-Comique. Premiere representation des Bourguignonnes, opera-
comique en un acte de M. Meilhac, musique de M. Defies. — Premiere
representation de la Fausse Magie, opera-comique en deux actes, de
Marmontel, musique de Gr^try. — Debuts de Mile Girard et de Carrier.
— Les Mediums, les Mormons. — La prise de Mexico. — L'opera de
Fernand Cortex. — La subvention du Theatre-Lyrique. —
3 septembre, Theatre de FOpera. Les Huguenots. — Debut de Mme
Tietjens. — Theatre de FOpera-Comique. Premiere representation a ce
theatre des Amours du Diable, opera en 4 actes de M. de Saint-Georges,
musique de M. Grisar. — Les aerostats.
8 octobre, The7itre-Lyrique. Premiere representation des Pecheurs de perks,
opera en trois actes, de MM. Michel Carre et Cormon, musique de
M. Bizet2). — Debuts, reprises.
1 Mme la comtesse de Grandval.
2 Dernier feuilleton de Berlioz. Reproduit dans les Musiciens et la Musique.
p. 343-345.
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J.-G-. Prod'homme, Bibliographic berliozienne. 657
Au moiB de mai 1835, Berlioz ^crivait k son ami Ferrand qu'il tra-
vaillait «comme un nfcgre pour quatre journaux qui lui donnaient son
pain quotidien.* «Ce sont, ajoutait-il: le R4novateur} qui paye mal, le
Monde dramatique et la Gaxette musicale, qui payent peu, les Dtibats,
qui paient bien.» H m'avait, jusqu'ici, et€ impossible de retrouver les
feuilletons du R&iovateur, journal quotidien l^gitimiste, qui parut, selon
Hatin (Bibliographic de la Presse p4riodique franpaise, p. 386), du 17 mars
1832 au 31 decembre 1835. La Bibliothfcque Nationale de .Paris ne
possfcde qu'un numero de ce journal, mais la Biblioth&que de l'Op&a,
plus riche, en a la plupart des numSros (les trois derniers trimestres
de 1833, les deux derniers de 1834 et Tannee 1835 tout entifcre). O'est
k l'aide de cette collection qu'il a 6t4 possible de dresser la liste suivante
des « revues musicales* de Berlioz au R6novateury dont la premiere parut le
9 juillet 1833. II est h remarquer que le predecesseur de Berlioz comme
critique musical du R&novateur, ne gofitait gufcre sa musique; le 18 avril
1833, un feuilleton signe <Z. Z.» attaquait yigoureusement Pauteur de
l'ouverture de Rob-Roy.
Dans ritalie pittoresque, qui parut en 50 livraisons hebdomadaires,
h partir du 22 mai 1835, Berlioz publia en outre deux articles en trois
livraisons: Voyage musical1) et Academic de France a Rome2).
Le R&novateur.
1833.
9 juillet, Revue musicale [Extrait de V Europe litteraire, article sur la dis-
tribution des prix de l'lnstitut].
8 decembre, Revue theatrale. Academie royale de Musique. — Premiere
representation de la R&volte au Serail, ballet en trois actes de M. Tag-
lioni, decors de M. Ciceri, costumes de M. Duponchel, musique de
M. Th. Labarre. Signer «H. B.»
14 decembre, Revue musicale. Concerts [Hiller, Liszt, Chopin]. Signed
« Hector Berlioz*.
29 decembre. Revue musicale. Concerts [Hiller, Liszt, Chopin]. — Concerts
Montesquieu. — Concerts Musard.
1834.
2 juillet, Opera Allemand. — Theatre Ventadour. — Ope>a-Comique.
13 juillet , Academie royale de Musique. — La Vestale. — Mile Falcon. —
OpSra-Comique. — UAngelus. — Le Petit Chaperon. — Ponchard,
Couderc, Mile Massy. — Fete musicale de Londres.
20 juillet, Quatuors de M. Henri Reber.
27 juillet, Opera-Comique. — Premiere representation d'Dn caprice de femme}
paroles de M. Lesguillon, musique de M. Paer. — Reprise du Revenant
3 aout, Fete musicale de Londres (Deuxieme article).
1) Cf. V Europe littiraire, 1832 (voir plus haut, p. 624).
2) Cf. Memoir es, chap. XLH et XLTTT. Vltalie pittoresque parut en un volume
illustre, en 1837 et (2® Edition) en 1845.
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658 J.-Gh ProdTiomme, Bibliographie berliozienne.
11 aout, Service funebre de Choron.
24 aout, Concerts.
31 aout, Ope>a-Comique. Premiere representation de le Fits du Prince,
opera -comique en deux actes, paroles de M. Scribe, musique de M.
Feltre.
14 septembre, Academie royale de musique. Ouillaume Tell, Robert U Diable.
21 septembre, Academie royale de musique. Premiere representation de la
Tempete, ballet en deux actes de M. Coraly, musique de M. Schneitz-
hoeffer, decors de M. Ciceri, Feucheres et plusieurs autres.
28 septembre, Les charmes de Portiei, rondo brillant. — Notre-Dame de
Paris, reverie musicale, pour piano, d£diee a Victor Hugo, par Jules
Benedict. — Le Chalet.
9 octobre, Boieldieu.
16 novembre, A Elle, lettres, pour le piano, par Chretien Urhan.
27 novembre, Theatre-Nautique. La derniere Ileure d!un condamne [pan-
tomime de Henri, jouee par Mme Smithson-Berlioz]. — Concerts.
5 dgcembre, Theatre-Italien. Ernani, musique de M. Galussi. — Opera-
Comique. — La Sentinelle perdue , paroles de M. de Saint- Georges r
musique de M. Rifaut.
14 decembre, ThSatre-Italien [Debuts de Mile Brambilla]. — Opera-Comique
[Debut de Mile Annette Lebrun.] — Theatre Ventadour [Choristes
allemands.]
23 decembre, Ope>a. Ouillaume TelL — Opera-Comique. Reprise de Zemire
et Azor. — Concert.
1835.
5 Janvier Concerts [Ernst. — Liszt. — Mile Francilla Pixis en Allemagne].
11 Janvier, Revue musicale [Paisiello].
18 Janvier, Academie royale de musique [Bals]. — Theatre-Italien. — Opera-
Comique [premiere representation de Bobin des Bois, arrangement du
Freyschutx].
25 Janvier, Concerts [Conservatoire, Hippolyte Monpou].
ler fevrier, Theatre-Italien. 1 Puritani [premiere representation le 24 Janvier!.
8 fevrier, Academic royale de musique. — Opera-Comique. — Concerts
[2e concert du Conservatoire. — Matinee de MM. Tilmant, Baillot et
Hiller].
17 fevrier, Revue musicale [Conservatoire. — Baillot] .
1M mars, Academie royale de musique. — Premiere representation de la
Juive, opera en cinq actes, de M. Scribe, musique de M. Halevy, decors
de MM. Dieterle, Despl6chin, Sechan et Leon Feucheres.
17 mars, Concert des Eleves de Choron, a THotel-de-Ville.
29 mars, Theatre-Italien: Marino Faliero, musique de M. Donizetti. —
Theatre de l'Opera-Comique : Le Gheval de bronze ; musique de M. Auber,
paroles de M. Scribe.
5 avril, Concerts [au Theatre-Italien; Liszt; a l'Hotel-de-Ville : annonce de
son concert du 9].
29 avril, Concerts [Liszt. — Concert historique de M. F6tis aux Italiens.
— Concerts du Conservatoire].
13 mai, Op6ra-Comique. Debuts de Mile Camoin, de M. Riquier. [Re-
prise du Diable d quatre].
17 mai, [Gymnase musical. Arrived de Meyer-Beer a Paris].
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J.-G. Prod'homme, Bibliographie berliozienne. 659
29 mai, [Gymnase musical: reouverture. — Extrait de Vltalie pittoresque, sur
les Conservatoires de Naples].
7 juin, [Debut de Serda dans Robert le Diable].
14 juin, [Un quadrille de Don Juan]. Gymnase musical.
20 juin, Theatre de r Opera-Comique. — lre representation du Portefaix,
opera-coinique en 5 actes, musique de M. Gomis, paroles de M. Scribe.
29 juin, Fidelio a Covent Garden. — Gymnase musical.
12 juillet, Theatre de 1' Opera-Comique. — Michelme. — Alda. — Concerts
Musard. — Cantiques de l'abbe Le Guillou.
19 juillet, Academie royale de musique. — Fetes musicales de Toulouse.
24 juillet, L'Opera Italien a Marseille.
9 aout, Opera-Comique. Premiere representation des Deux Retries , opera-
comique en un acte, musique de M. H. Monpou, paroles de MM. F.
Soulie et Arnoud.
16-17 aout, Academie royale de musique. lre representation de Pile des
pirates, ballet en quatre actes, de M. Henry; musique de MM. Carlini
et Casimir Gide; decorations de MM. Desplechin, Sechan, Feucheres,
Philastre et Cambon.
31 aout, M. Duponchel, les choeurs de l'Opera.
6 septembre, Opera-Comique. Reprise de Zampa.
21 septembre [Repetition de la Saint-Barthtlmy (les Hugenots), de Meyer-
beer]. — Publications nouvelles. — Cours de Contrepoint et de Fugue,
par M. Cherubini.
30 septembre, Bellini.
5 octobre, [Fantaisie].
12 octobre, [Gymnase musical].
19 octobre, Opera-Comique: lre representation de Cosvmo, opera-bouffon en
deux actes, de MM. de Saint-Hilaire et Paul Dupont, musique de M.
E. Prevost.
5 novembre, (Euvres posthumes de Victor Lefebure.
3 decembre, Academie royale de musique. Mile Flecheux, Mme Baptiste
Quiney. — Opera-Comique, la Grande Duchesse; Mme Damoreau. —
Theatre Italien. — Concert de MM. Allard et Chevillau.
22 decembre 1835, Opera-Comique. Premiere representation de V Eclair,
opera-comique en trois actes, de MM. Planard et Saint-Georges, musique
de M.Halevy. — The&tre-Italien : Norma. — Academie royale de musique:
Le Siege de Corinthe. [Annonce de la Sainb-Barthelmy, de Meyerbeer] *).
1) Le Renovateur cessa de paraitre le 31 decembre 1836 , et fusionna avec la Quo-
tidienne, dont d'Ortigue, rami de Berlioz, etait critique musical.
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Die Vierteljahrshefte der Sammelbande
erscheinen am 1. November, 1. Februar, 1. Mai und 1. August SchluB
der Redaktion jedes Heftes: ein Monat vor seinem Erscheinen. Eand-
sehriften und andere Sendungen beliebe nan zjbl riehten an den Herais-
geber: Dr. Max Seiffert, Berlin W. tifibenstrafie 28.
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