Full text of "Italien"
Der Weltfrieg
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Italien
Martin Spahn (Straßburg i. Elſaß)
20 Pf.
Sekretariat Sozialer Studentenarbeit
An den Abhängen der Karpathen und auf galisiihem Boden
er ſoeben die fapfern Truppen Öfterreich-Ungarns im feften
F — mit Denen des Deutſchen Reiches die ruſſiſche Überflutung
Ufern enge an den Zuflüſſen der obern Weichfel, an den
Balkan e njeſtr und Pruth zugleich Dfterreich offene Tür zu den
ne ieten. Da. übte Italien ruchloſen Verrat. Es fiel unferm
Dreiß — * in den Rücken. Bis zum 4. Mai hatte es noch dem
— und angehört, ein reichliches Menſchenalter lang. Pfingſten
* es Sſterreich⸗ Ungarn den Krieg am. Schwer und beklem—
Den legte fih auf unfer Volk der Zorn über ein folhes Handeln.
en Sſterr eichern wurde es eher leichter ums Herz. Der Umſtände
Zwang hatte Öſterreich und Italien 33 Jahre lang im Vertrage
miteinander leben laſſen. Das Herz wußte hüben und drüben nichts
von der Gemeinſchaft.
Was iſt es mit Italien? Es iſt für uns noch heute wie vor hundert
Jahren das Land Dantes und Michelangelos. Wir lieben ſeine
Städte, das herrliche Florenz, das ewige Rom und Neapel, das
ung Nordländer in eine andere Welt voll Sonne und Licht entrückt.
Trotz der langen Bundesgenoffenfhaft fehlt es und aber mie allen
Völkern an einer fihern Vorſtellung von Italiens politifher Be—
deutung. * Die andern Großmächte ſtehen, jede auf ihre Art, als
beſtimmte ſtarke Einheiten vor unferm geiffigen Auge da. Mit
Italien ift e8 anders. Es wird als Großmacht gezählt. Der Beweis,
Daß es eine Großmacht iſt oder auch nur das Zeug zu einer Groß:
macht in fich hat, wurde von feiner Regierung noch nicht erbracht.
Dft haben Deutſche von einer Schickſalsgem einſchaft unſeres
Vat lanbes und des Königreichs Italien geſprohen Einzelne
äußere Anzeichen ſprachen gewiß dafür. Unfer Reich und das
Königreich entflanden fat um bie gleiche Zeit dadurch, daß bie
ie fih gründen, das Bedürfnis nah ſtaat—
Nationen, worauf | ic anden; «8
licher Einheit für ihre fernere Kultur ent wicklung emp |
3
meldete fih auch hier wie dorf eine Dynaſtie, welche die Aufgab;
in die Hand nahm, In beiden Fällen kam die Dynaſtie aus dem
Örenzgebiete, auf deutfhen Boden die Hohenzollern von dem
otelbifhen Preußen her, auf italienifchem die Savoher aus Piemont,
Deide waren von befcheidenem Anfange. Sie rührten fih im de
europäiſchen Gefhichte etwa feit dem 17. Jahrhundert. Alles aber,
was darüber hinaus behauptet wurde, widerfpricht den Tatſachen.
Das Haus Savoyen iſt nicht durch die angeborene Kraft und die
ſittliche Tüchtigkeit der Familie in die Höhe gekommen. Sein einziges
Mitglied von ſtaatsmänniſchem Genie, Prinz Eugen, kehrte der Heimat
den Rüden und diente dem Staate Öfterreih, Prinz Eugen hat für
Oſterreich vor 200 Jahren zum erfien Male dasfelbe Belgrad er,
obert, welches jegt feine Nachkommen den Hfterreichern flreitig zu
machen verfuchen, und lebt als der edle Ritter im deutſchen Volle,
liede unfterblich fort. Alle andern Sproffen der ſavoyiſchen Sürften;
familie Haben das Durchſchnittsmaß menfhlicher Leiſtungsfähigkeit
kaum überragt, Nicht ihr perfönlicher Wert, fondern der Zufall,
ber ihr kleines Urſprungsland in vergangenen Jahrhunderten
auf der Machtfheide zwiſchen den großen Staaten Frankreich,
Spanien und Sſterreich liegen ließ, gab ihnen den Anſporn, eine
Rolle in der Welt fpielen zu wollen. Wenn die ſtarken Nach—
barn einander bedrängten, war dag Haus: Savoyen bald am Rande
des Abgrundes, bald durfte es danach trachten, ſich zu bereichern.
Fortwährend wechſelte es die Partei, nicht felten mitten im
griege. Die Sapoyer ; hatten allzeit das Gefühl, daß eg um
Ihren Staat beſtellt fei wie um den preußifchen, von deffen Schickſal
Sismard einmal fagte: „Die großen Krifen find das Wetter, welches
Preußen fördert.” Trohdem mehtte fich der Befik des Haufes nicht
ſonderlich. Wohl wurde aus dem Herzogtum Savoyen im Laufe
—— enfchenalter das Königreich Sardinien, aus Sardinien abet
andere ging — * ze veranlagter Staat. Wie ganz
fh, zu dem die Hobenz 2 nt wicklung des ſtaatlichen Gebildes vor
den Grund I 1 im Gebiete der Marf Brandenburg
(chf egten und das fie dann in mühevoller Arbeit son Ge;
ra 2 eihlecht ausweiteten und täftigten, bis e8 unter Fried—
wider drei or m fieben Jahre dauernden furchtbaren Streife
Erde ort Sroßmächte fein Daſeinsrecht unter den Staaten der
ac de wurde der Hohenzollernſtaat fchon int
en den ee ar ende u “ne mfang
er kam denn mit den * Jahrzehnten des 19. Jahr⸗
a
hundert die Zeit, DA fich im italtenifchen wie im deutſchen Volke
die feit 1763 dem Abendlande gemeinfane Sehnſucht nad dem
Beſitz eines flarken und leifiungsfähigen nationalen Einheits—
ſtaates fühlbar regte. Auf deutſchem Boden fand das keimende
Verlangen überall Anſatz- und Stützpunkte; wie Schlingpflanzen,
welche eine Mauer emporklettern, konnte es ſich am feſten Geſtein
der geſchichtlichen Volksentwicklung halten, Bald wurde es durch
das ſpröde Widerſtreben der Stammeseigenart und durch den
Widerſtand der Einzelſtaaten vor zu zähem Aufſchießen bewahrt und
genötigt, fih von Stufe zu Stufe fell zu verflammern und den
befondern Bedürfniffen des deutſchen Staatslebens anzupaffen.
Bald wieder half ihm das in der gefamten Nation niemals verfunfene
Bewußtfein vorwärts, Daß Deutfchland mehr als nur ein geogra—
phiſcher Begriff fer. In Italien war der gleiche Trieb von Urſprung
an vielleicht nicht ſchwächer. Uber er wuchs in die Luft hinein, Hier
gab es weder Stammeserinnerungen noch ein geſchichtlich ver;
ankertes Gefühl politiiher Iufammengehörigfeit. Die Einzelfisaten,
die fih auf italienifhem Boden vorfanden, Erben der Stadt
ſtaaten der Nenaiffence, fanden nicht auf feften Grundmauern, So
näherten fih in Deutfchland die Zweige des preußiſchen Staats—
organismus und des deutſchen Nationallebeng gleich) wachstumkräftig
einander immer mehr. Als ſich der preußiſche Staat wie die deutſche
Nation im Jahre 1813 gegen den Korſen erhoben, verrankten ſie ſich.
Seitdem verſchmolzen die Bedingungen ihres Daſeins mit jedem Jahr⸗
zehnte völliger. Dieſelben Jahrzehnte dagegen zeigten in Italien das
italieniſche Volk und die Fuͤrſien Savoyens einander noch vollſtändig
fremd. Deshalb waren die Verhältniſſe nördlich wie ſüdlich der
Alpen in Wahrheit ganz verſchieden, als die Stunde ſchlug, um die
Bildung des nationalen Einheitsſtaates hüben wie drüben zu voll⸗
enden und ihm in einer regierenden Dynaſtie einen beſtändigen
Werkmeiſter und Führer zu geben. In Italien wurde, um ==
für den Einheitsfiaat zu ſchaffen, ausgerottet, mas an Tat 2.
Einrihtungen beftand, und ein ganz neuer Bau erſtellt.
@ nur Dadurch zum Herrn Des
fonnte ſich die ſavoyiſche Dynaſtie | neun bediente
Neubaues mahen, daß fie ſich Der Revolution als Werkzeug bed
{ den Weg freilegen ließ. Sie verz
— ee a u * über bie innern Staatsfräfte, Fraft
fügte daheim in Piemont mihn itte ordnen und ihrem
hrige Kealien aus eigner Macht hätte |
— oe tönnen Mußten die Savoyer — ohne
— Unterſtützung das Schwert giehen und Schlachten ſch —
——— ſie immer in Unehren aus dem Kampfe davon. Ihr einzige
5 2
Der Welitrieg 22
—
eigner Erfolg war die Befekung Roms im September 1870. Cs
war Fein Heldenftüd, Ebenſowenig glüdten die Vetſuche, ſich
wenigſtens fortan für die innere Einrichtung des im Bau be;
griffenen Nationalftaates von den Radikalen und Nevolutionäten
unabhängig zu mahen. Jede Wendung zu fonfervativer Ber
tätigung pflegte nach Furger Zeit mit einem Miniſter wechſel zu
endigen. Wenn trotz aller Schwierigkeiten die politiſche Einigung
Italiens zur vollendeten Tatſache wurde, ſo bewies ſie nur, welche
außerordentliche Triebkraft in der nationalen Bewegung des 19. Jahr⸗
hunderts fledte; die innere Einheit aber und die Stärfe nach außen
entſprachen in Stalien nicht dem Scheine Sr Deutſchland war der
Gang der Dinge viel befriedigender; er verlief in der Linie geſchicht—
lichen Fortſchritts alg ein beftändiges Werden, nicht als ein Umſturz.
Welch ein Abſtand iſt zwiſchen dem erſten König des geeinten
Italiens, Viktor Emanuel, dem Re Galantuomo, der das Leben
genoß und um die Frauen warb, und dem erſten deutſchen Kaifer
Wilhelm J. deffen fhlichte Perfönlichkeit wie eine Verkörperung des
Ideals ſittlicher Pflichterfüllung eines Fürſten gegen feinen Staat
wirkte! Vielleicht noch größer aber war der Aoͤſtand zwiſchen den
Beiden Stastsmännern, die dag einige Stalien und dag einige
Deutſchland herftellten, Cavour und Bismard, eruſte und bedeutende
Mengen, der eine wie der andere, jedoch weit voneinander gerückt
duch die Natur der Umflände, duch die Mittel, die fie wählten,
und die Güte ihrer Arbeit. Biele Deusfhe Haben 1866 und 1870
den Mert deg in Deutſchland reifenden Ergebniffes verfannt und
ſtatt deffen der italieniſchen Staatsbaumeiſterei überſchwengliches
Lob geſpendet. Denn auch unter ung ſtanden damals viele im
Banne derjenigen Strömung des vergangenen Sahrhunderts, Die
—— einer Nation nach kraftvoller nationalftaatliher Zur
* g nur erfüllt meinten, wenn es unter völliger Zer⸗
s er geſchichtlichen Sonderbildungen und Einrihtungen
geſchah und auf den Trümmern die unitarifhen und auf Volksherr⸗
nufe gerichteten Ideen reſtlos zum Siege geführt wurden, zu deren
u im Jahre 1789 das franzöſiſche Bürgert um anf:
e. Ein Verein, der Nationalverein, entſtand, worin
ſich faſt alle deutſchen Liberalen ſammelten *
nationale B ‚um auch die deutſche
und zum felben ide y u le * talienifehe
solferifche 3 . ucklicherweiſe war die hohen;
* —— und auch die eigne ——
chend gekräftigt, um es ni
uns zum Außerſten kommen zu laſſen. Der gewaltige a Dei
,
6
2
der in Bismarck Kaiſer Wilhelm I, zur Seite fland, brauchte nicht
alles Beftehende gu verderben, um zum Neiche zu fommen, war
auch nicht auf den Bund mit der Revolution und fremde Hilfe anz
gewieſen. Er fhuf uns die Neichsverfaffung gleich fehr durch vor;
fihtiges Zuſammenbinden und Veredeln al der mannigfaltigen
dynaſtiſchen und einzelftaatlihen Kräfte, die bis dahin dem ſtaatlichen
Leben auf deutſchem Boden feine Form gegeben hatten, wie durch
das Aufrihten und Feſtigen der vielen andern im Volke (hlummern;
den, die Ihon jahrhundertelang kaum noch zur Auswirkung gelangten,
Obwohl das Reich Bismardicher Schmiedefunft äußerlich gar fein
einheitliches Gepräge aufwies, ſchloß es alle feine Teile fo eng und
gut gepaart zuſammen, daß fie rafch zum gefunden Organismus ver;
wuchſ en. Stark behauptete ſich die Monarchie der Hohenzollern an
der Spitze des neuen nationalen Staatsweſens, wie ſie ſtark in
Preußen geweſen war. Preußen blieb in ſeiner Eigenart beſtehen,
während Piemont ſofort in Italien aufging. Ganz außerordent—
lich war auch, was das Reich alsbald an ſtaatlichen Leiſtungen
vermochte. Wie haben wir uns bis zum Ausbruche des Krieges
des anſchwellenden wirtſchaftlichen Reichtums Deutſchlands gefreut!
Welch berechtigter Stolz war in uns ob der Früchte unſerer
Sozial politik! Welche Fülle von Kulturaufgaben wurden vom
Reiche, von den Einzelſtaaten und von den Gemeinden im Wetteifer
erfüllt! Dabei konnten wir unſere Rüſtungen zu Lande dauernd
verſtärken und uns daneben eine Flotte bauen. Unwillkürlich wird
ein Vergleich des Werdeganges der ſtaatlichen Einheit Deutſchlands
mit dem Italiens, wenn die Tatſachen nicht durch die Brille grauer
Theorie betrachtet werden, zum Hohenlied auf unſer Reich. Es
drängt ſich ung nicht aus Überhebung auf die Lippen. Wir wiſſen
wohl, daß viele Bedingungen unferm Volke günfliger waren als
den Stalienern, Aber nur um fo fihtbarer wird dadurch Die Schwäche,
die dem italieniſchen Königreich anhaftet. Das Königreich hat ſich
nach feiner Begründung viel bemüht, die Mängel feiner Vergangenz
heit auszugleichen. Im Schutze Englands und des Dreibundes durfte
e8 im Sicherheit dahinleben und fih ohne Sorge — wi
drohung ein Menfchenalter lang feinen innern Aue Fe i
etwa wie vor 1866 das Königreich Sachſen zwiſchen Oſte
legen war, jedem Feinde unerreichbar, und nur au
—— — und Kulturentwicklung — ie rn
Ä dem Schwunge, Det
Streben det —— —*— Italiener mit ſich fortriß, ent⸗
— 55 die Mittel und die Fähigkeit des Geſtaltens. Zwar
7 *
=
wurde vieles einzelne getan und erreicht, Die wirtſchaftliche Ent;
wiclung ging jedoch nur an den Stellen in breiten Streichen er;
frenlich vorwärts, wo die Gewerbe von jeher leicht blühten, und Ing,
bejondere dort, wo die verſchriene öfferreichifche Verwaltung In der
erften Hälfte des 19. Jahrhunderts vorgearbeitet hatte, als Ober,
italien noch zum großen Teile zu Hſterreich gehörte. Die felb,
ſtändigen Verſuche des Königreichs auf mittel- und unteritaltenifchen
Boden zeitigten feinen nachhaltigen Ertrag, gleichviel, ob fie ber
Landwirtſchaft, der Indufteie oder dem Handel galten, Dauernd
war die Zahl der Auswanderer aus dem Königreiche groß. Mil,
lionen von Italienern fanden in Deutſchland, im füdlihen Frank
reich oder jenfeits des Meeres in Amerika Möglichkeiten gu verdienen,
die ihnen auf dem heimatlichen Boden nicht befchieden waren. Auch
von denen, die blieben, Tebten viele noch von dem Gelde, dag fremde
Dergnügungsreifende in die durch Kunſt und Natur ausgezeichneten
Stätten oder fremder Handel in die Hafenftädte und die Mittel,
punkte des Geldverkehrs brachten. Genua, Neapel, auch Brindiſi
wuchſen gewiß mächtig heran; aber nicht italieniſche Schiffahrts—
linien verliehen ihnen ihren Glanz. Demgemäß blieb auch die finan—
zielle Leiſtungsfähigkeit des Staates verhältnismäßig beſcheiden.
Entſprechend enge Grenzen waren ſowohl der Förderung von Kultur:
aufgaben duch die Kegierung wie der Sozialpolitik, ebenſo den
Rüſtungen gezogen. Trotzdem flieg die Schuldenlaſt des Staates
auf 16 Milliarden Mark. Immer nur für kurze Zeit gelang es,
Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen oder
ſogar mit Uberſchüſſen zu wirtſchaften. Die Natur hat Italien in
der Armut an Kohlen, wodurch die Juduſtrie teoß der hoch—
entwidelten Yusnugung der oberitalienifchen Wafferfräfte für die
Erzeugung von Elektrizität vom Auslande abhängt, gleichfam ſchon ein
Symbol mit auf den Weg gegeben, in dem fich ausdrückt, daß die
eingeborenen Kräfte des Landes feinem Ehrgeize nicht entfprechen
den von ihm übernommenen Aufgaben nicht angemeffen find.
Italien blieb der Leiſtungsfähigkeit nach ein Staat zweiter Ord—
nung Wenn ed Dennoch in den Rat der Großmächte zugelaffen
wurbe, hatte e8 dieſe Gunft Umftänden su verdanken, die mit feiner
‚Aftungsfähigkeit nichts zu (Haffen haben. An dem Gelingen der
italieniſchen Einheitsbewegung war die faſt im der Br Melt
mächtige Freimaurerei und der Antiklerikalismus bedeutſam Be;
teiligt geweſen. Sie haben ihren Schützling nicht im Stiche gel —
— — die ſtaatlichen Bildungen der apenniniſchen Haie
Henflaat voran, worauf ie es abgefehen hatten, vernichtet
worden waren, Das neue Königreich erfreute fih ferner nicht nur
der Wertſchätzung der deutſchen Liberalen, fondern überall fam der
Einfluß des Liberalismus auf die Preſſe und öffentlihe Meinung
den Staltenern zugute. Auch waren fie der Gegenftand der Eiferfucht
zwiſchen England, Frankreich und Deutſchland, Die alle drei dag
Königreich gelegentlih für ihre politifhen Zwecke verwerten zu
können hofften.
Ein halbes Jahrhundert verging noch nach der Gründung Italiens,
bis wieder einmal ein neuer Weltkrieg alle Großmächte und mit
ihnen Italien auf die läuternde und ausſcheidende Probe modo et
pondere ſtellte. Solange konnte Italien ſcheinen, was es nicht oder
sum mindeſten noch nicht war. Der Sommer 1914 ſtellte es end-
lich auch vor die Schickſalsfrage. Denn ſoviel Gerechtigkeit dürfen
wir auch noch dem uns zum Feinde gewordenen Bundesgenoſſen
widerfahren laſſen, daß er ſich nicht leicht der Teilnahme am Kriege
entſchlagen konnte. Iſt es das Geſetz aller Weltkriege, daß ſie das
Machtverhältnis ſämtlicher Großmächte zueinander ändern, ſo wird
keine, die ſich nicht ſelbſt aufgibt, darauf verzichten mögen, die Hand
mitanzulegen, damit drohende Nachteile ſie nicht treffen und win—
kende Vorteile ihr geſichert werden.
In „ſterr eich- Ungarn, feinem Gegner im gegenwärtigen Kriege,
hat Italien einem alten Feinde den Kampf angeſagt. Es mußte
1848 bis 1866, um zur Einheit zu gelangen, wiederholt gegen den
Widerſtand Sſterreichs angehen. öſterreich beſaß die Lombardei
und Venetien zu eigen und übte auch an den Höfen des mittlern
und untern Italien einen ſtarken Einfluß aus. Napoleon III. beſiegte
als Bundesgenoſſe der Italiener die Habsburger im Jahre 1859
bei Magenta und Solfering und verſchaffte Savoyen die Lombardei
ſowie freie Bahn nah Mittelitelien. Im Jahre 1866 gaben Die
Hfterreicher nach den Siegen der Preußen über fie freiwillig auch
noch Venetien heraus, Der Dank bet Staliener gegen —
wor anfangs fehr rege. Obgleich ſich auch Preußen auf ee
Anſpruch erworben hatte, begleiteten die Italiener 1570 IM I ' J
1 mit ihren Neigungen. Garibaldi,
Sranzöfifchen Kriege die Franzoſen mit FI nfteich nach Napo—
der Abgott des revolutionären Italien, — — —
leons Siurz und der Erklärung der Repubit 1
tem! | icht eben;
1 der italienifehen Regierung ging wich
—— — es, ſich für den Geburtshelfer der ya
Ei heit Gefahren auszuſetzen. Immerhin hielt auch ſie ſo Be .-
ih zu Frankreich daß Bismarck große .. a itdlen
Der ans de i
E ([ eben eroberte Rom wie
Uberfa
A
Bald aber wirkten die harten Tatfachen der gesgraphifchen
tage und der materiellen Intereſſen ftärfer auf die auswärtige
Politik Italiens ein als die Sprache des Herzens. Der junge Ein,
heitsſtaat wurde fih bewußt, daß er an Umfang Feiner war alg alle
andern Großmächte, fogar als England, und daß feine lang bin,
geftredte Geftalt feindlihen Angriff ebenfo begünftigte wie Dis
raſche Zufammenfaffung der eignen Heeresfräfte im Kriegsfall er;
ſchwerte. Dadurch fiel für Italien die feltfamerweife allen abend,
ländiſchen Feſtlandsmächten gemeinfame Tatfache, daß ihre Haupt⸗
induſtriegebiete ihrer meiſt bedrohten Grenze am nächſt en liegen,
doppelt ſchwer ins Gewicht. Die Franzoſen können ſchnell in Ober—
italien ſein. Aber nicht genug damit! Das Geſicht des Kultur⸗ und
Wirtſchaftslebens Italiens war von alters her dem Tyrrheniſchen
Meere zugewandt. Dort liegen Nom, Neapel und Genua, Dorthin
neigen auch Mailand und Florenz Die weite Ausdehnung der
Hüfte entblößt alfe großen Städte des Königreich feindlichen Über;
fällen, Auch zu Waffer kann Frankreich von den Mängeln ber geo⸗
graphiſchen Geſtaltung Italiens am eheffen und ausſichtsreichſten
feindſeligen Gebrauch machen. Ein gleichzeitiger Angriff Frank—
reichs von der Lands und Seeſeite her bedrohte Italien bei ſeiner
finanziellen und militäeifchen Schwäche mit der glatten Erdrädung.
Stalien mußte daher bei andern Großmächten Sicherung gegen Die
„lateiniſche Schwerter” ſuchen. Es mußte ſich nach ihrer Freundſchaft
aber auch umtun, wenn es in Zukunft noch wachſen wollte. Seine
Zukunft lag auf dem Tyrtheniſchen Meere, und dort ſtieß es wiederum
auf Frankreich, das im weſtlichen Mittelmeer zur Alleinherrſchaft zu
gelangen bemüht war. Frankreich hatte fih 1860 von den Stamm;
gebieten des italienifchen Königshauſes Savoyen und Nizza abtreten
lafien, beſaß Korfifa längft und unterwarf fih in heißen, langwierigen
Kaͤmpfen Algier. So wurde denn zur erffen großen Grundtatfache
der auswärtigen italienifchen Politik das Trachten, fi Franfreichg
Umarmung su entziehen,
Einer natürlichen Iutereffengemeinfchaft begegnete Italien Dei
England, England beherefchte im weſtlichen Mittelmeer Gibraltar
und Malte und fonnte fo wenig tie Stalien wünfchen, daß Frank:
reich dort zu große Macht entwickelte. Beide Mächte fühlten un—
willkürlich, daß, am Rhein geſchlagen und von ihm abgedrängt
Frankr eich um ſo mehr ſeine Mittelmeerſtellung auszubauen beftr ebr
fein mürde, Da vermochte denn Italien England im Tyrrheniſchen
ie sum Gegengewicht gegen Frankreich zu dienen, England
inwiederum mit feiner — Flottenmacht Italiens Weſt—⸗
güfte gegen franzöfiiche Angriffsgelüſte zu decken. Ohne daß es eines
foͤrmlichen Bündniſſes bedurfte, wofür die engliſche Politik über—
lieferungsmaͤßig ſchwer zu gewinnen war, wurde England der
aͤlteſte und wichtigſte Freund des jungen Königreichs in der aus—
waͤrtigen Politik.
Cine Lüde wies die Gemeinſchaft mit England aber doch auf,
vom italieniſchen Geſichts punkt aus gefehen. England mar gewiß
ein mächtiger Helfer. Es verfügte indeffen nur iiber Seeſtreitkräfte.
Frankreich bedrohte alien jedoch nicht minder vom Lande ber,
Daher fuchte Jtalien, nachdem die Erinnerung an feine Deutſchland
unfreundliche Haltung im Deutſch⸗Franzöſiſchen Kriege ein wenig
verblaßt war, auch mit dem Deutſchen Reiche Fühlung. Noch
ſträubte ſich alles dawider, was ſich auf italieniſchem Boden ſein
politiſch es Urteil auf Grund kultureller Beziehungen bildete; Italiens
Herz blieb bei den Franzoſen. Jedoch das Emporkommen Fraucesco
Crispis zur Regierung in Italien und die Beſetzung von Tunis
durch die Franzoſen brachte um 1880 die Entſcheidung zugunſten
des politiſch en Anſchluſſes an die Deutſchen. Die Italiener hatten
Tunis als ihr Jagdgebiet angeſprochen, unmittelbar wie es bet
ſiziliſchen Küſte gegenüber liegt. Nun legte Frankreich die Hand
darauf. Inſofern als Italiens Zukunft bisher von der Nation im
Bereiche des weſtlichen Mittelmeeres geſucht worden war, war ſie
zerſtört. Italien rettete ſich zu den Deutſchen.
Von da an war das Königreich vor Frankreich ſicher. Die ſtärkſte
Seemacht und die ſtärkſte Laͤndmacht der Welt hielten ihre Hände
über feine Ruhe. Bismard trug fo gern wie die englifche Diplomatie
dem italienischen Anlehnungsbedürfniffe Rechnung, weil er durch
Italiens Bindung am Das Keich ein weiteres Glied in die Kette
feiner Bemühungen einflocht, Frankreich in Europa zu vereinſamen
und es dadurch vor der Verſuchung eines Rachekrieges gegen den
Sieger des Jahres 1870 zu bewahren. Er war ſich indeſſen klar
darüber, daß der neue Bundesgenoſſe nur ein Genoſſe zur Pflege
des Friedens, ſchwerlich ein Freund in Tagen kriegeriſcher Not ſein
werde. Deshalb drängte er noch bei feinem Nachfolger darauf, Daß
Deutfhland Italien nicht etwa zu vermehrten Rüſtungsausgaben
laſſe. Vielmehr müffe man Italien ein bequemes Leben auf
aa d öfterreichifehe Koſten ermöglichen und es militäͤriſch uns
deutſche WE Kanzler leitete bei feinem Mißtrauen gegen
ewidelt laſſen. Den Kan
* desgenoſſen einmal die mit Ihm 1870 gemachte üble Er—
den Bun Gr verfprad) ſich ebenſowenig von den Leidenſchaften der
—— en Maſſe wie vom — der italieniſchen Regierung.
Noch ſtärker befiimmte den fühlen Beobachter dag Bewußtſein, daß
ſich Italien, vor eine Wahl geſtellt, mehr von England alg von
Deutſchland abhängig fühlen werde, weil England Italieus Nachbar
im Mittelmeer iſt. „Es ift immerhin fraglich,” fo ließ er am ar. Fe—
bruar 1891 die „Hamburger Nachrichten“ ſchreiben, „wie unſere
italieniſchen Beziehungen ſich geſtalten werden, wenn Italien in di:
tage gebracht würde, nicht mehr mit England und Deutfchland in
gleihem Maße befreundet bleiben zu können,” Stalien befinde ſich
„im Bunde mit England, duch deffen Flotte, Franfreich gegenüber
in einer vollffändig gededten, ohne England in einer fehr erponierten
Stellung”, Mit diefer Erwägung „werde fogleich klar, daß Stalieng
Rüdtritt vom Dreibunde feine Sache ift, die in Frankreichs Handen
ruht, Sondern in denen Englands”, Des alten Kanzlers Huge Mei;
nung ift vor aller Welt durch den Ausgang beflätigt worden, den
nach unferer Verfeindung mit England Englands und unfer Ringen
um Italien in den erften sehn Monaten des Weltkrieges nahm.
England ift darin Sieger geblieben,
Uber auch der Hebel, durch den ung England den Bundesgenoflen
zuletzt entrang, tft der Aufmerkſamkeit des großen Kanzlers nit
entgangen. Stalien hatte von vornherein bei feiner Annäherung an
das Deutſche Reich nur ungern Sſterreich⸗ Ungarn als Dritten im
Bunde mit in Kauf genommen, Wohl war fein gefehichtlicher Gegen
laß gegen den Donauſtaat hinter dem Gegenfas wider Frankreich
allmählich zurüdgetreten. Aber das Empfinden breiter Schichten der
italieniſchen Bevölkerung ſah in den Hfterreichern nad) wie vor den
Erbfeind. Die Welle der nationalen Bewegung des 19. Jahrhunderts
iſt über Europa von Weſt nach Oſt dahingegangen. So war der
Wunſch, gleichſprachige Landesteile an ſich zu ziehen, ſchon aus
natürlichem Antrieb in Italien vorzüglich gegen den im Dften des
Landes gefeffenen Nachbarn gerichtet. Eine jahrsehntelange, ver:
ſchlagene und unaufbörlihe MWühlarbeit Tieß den Italienern den
Haß wider Ofterreich erſt recht in Sleifeh und Blur übergehen. Auch
nach dem Anfchluffe Benedigs an Italien gab es unter dem gepter
Det Habsburger noch beträchtliche Volksbeſtandteile italieniſcher
Zunge. Ihre „Erlöſung“ war die Loſung aller Ofterreich feindlichen
Elemente in Stalien feit 1870 geworden, Sie faßen feilg in Welſch—
tirol ſüdlich Bozen, teils in den Küſtenlandſchaften nördlich —
öſtlich der Adria. Einige hatten früher zu Venedig gehört 2 J
aber waren uralter habsburgiſcher Beſitz, darunter das — —
—— Strebentiften, Trieft, Keines der Gebiete, worauf —*
egierde der Italiener gerichtet hatte, außer Welfchtirol, war han
I2
—
von Italienern befiedelt, zum Teil über wogen in der Bevölkerung
ogar die Slaven. Die Ent wicklung der Dinge fügte es, daß die
nationaliftiihe Strömung in Italien duch das Bündnis mit Sſter⸗
reich Ungarn und dem Deutfhen Reihe äußerlich wohl für eine
Meile gemildert wurde; im Wahrheit erhielt fie Dadurch neue und
für die Zufunft Des Bindniffes ſehr bedenflihe Nahrung.
Erſt der Ausbruch des gegenwärtigen Krieges hat die Öffentlich;
keit damit befannt gemacht, daß in dem Dreibundvertrage, wie er
bei feiner erffen Ernenerung 1887 formuliert wurde, in einem bes
fondern Art. VII die Stage geregelt war, wie fih das Verhältnis
Italiens und Sſterreich- Ungarns zueinander im Falle einer Gebiets,
dermehrung des einen oder andern ordnen werde, Der Artikel paßt
in die Dreibundverträge ihrem Geifte nach wie Die Faufl aufs Auge,
Sie waren, weil e8 der Auffaffung ihres Vchebers von den Ber
dürfniffen Deutfchlands entſprach, reine Friedensverträge, auf die
Abwehr feindliher Bedrohung gerichtet. Nah einem geifivollen
Bismardihen Worte follten fie nur dag damnum emergens, niet
das lucrum cessans der Bertragfchließenden decken. Trogdem Mat
der Artikel eine Notwendigkeit. Denn während fih Deutſchland
damit begnügen zu fünnen glaubte, die von ihm erreichte Macht—
höhe in Zukunft durch feine auswärtige Politik vor Schädigung zu
bewahren, war das Augenmerk feiner beiden Bundesgenoffen auf
Erwerbungen gerichtet. Zudem wollte Das Mißgeſchick, daß fich beide
einfiweilen nur im felben Bereich aussudehnen vermochten, alſo
Nebenbuhler waren. HÖfterreihrngarn blieb nad) 1866 fein anderer
Weg offen, als wirtſchaftlich oder politiſch die weftlichen Landſchaften
der Baikauhalbinſel, die Adria entlang, mit feinem Einfluß zu durch—
dringen. Seine einzige große Hafenſtadt iſt Trieſt. Um ihretwillen
muß es auf dem Adriatiſchen Meere ſelber Macht entfalten. Aber
auch Italien hatte zur Zeit des Berliner Kongreſſes ſchon einmal
Balkan angemeldet und ſich vorübergehend, um
Anſprüche auf den ! |
fie Ir Bat ſogar Rußland genähert. Noch war 1878 ſein
Intereſſengebiet im oͤſtlichen Mittelmeer zu wenig entwickelt ges
eine Stellungnahme bei der damaligen Ordnung
rin nennenswerte Bedeutung gewinnen konnte.
Rein Jahrfünft ſpäter jedoch drängte das Erſcheinen der Fran—
in Tunig bie Italiener mit Nachdruck auf die Pflege adriatiſcher
zoſen ntalifcher Bertehungen. Es follte eines Tages das Verhaͤng—
und + ibundes werben, daß dasfelbe Ereignis den Entſchluß
nis bes TE mit dem Deutfchen Reiche reifte und
rbindung
det Zealiener u nn Mittelmeer hinüberwarf. Denn dag eine war
mie dem andern aufdie Dauer kaum in Einklang zu bringen. Slemard
ſah es nicht. Er neigte bei feiner Art, rein von mifteleueopätfchen
Öefichtspunften aus feine Anſichten gu regeln, vielleicht doch allzuſehr
dazu, in jeder Kolonialpolitik, die nicht nur wirtſchaftliche Zwecke ver,
folgte, eine bloße Preſtigepolitik zu ſehen und auch wirtſchaftliche
Kolonialintereſſen nur als Intereſſen zweiter Ordnung zu werten. Es
mag ihm dabei unterlaufen ſein, daß er die Ereigniſſe im Mittelmeer,
die er zur Ablenkung der Franzoſen von den Vogeſen und zur Be—
ſchleunigung des Anſchluſſes Italiens an Deutſchland herbeiführen
half, in ihrer Rückwirkung auf die Geſtaltung der geſamteuropäiſchen
Verhältniſſe unterſchätzte oder daß er die von ihnen geſchaffenen
Tatſachen leichter wieder gutzumachen hoffte, als es hinterher
möglich war. Seinen Nachfolgern im eignen Lande verlegte er dem
Anſchein nach durch fein Manoͤvrieren den Weg dazu, Marokko dem
deutſchen Einfluß zu unterwerfen, als die Stunde e8 20 Jahre [pater
su fordern ſchien. Nach vergeblihem Bemähen mußten fie an.
die wichtige Nordweſtecke Afrikas ganz in den Händen der Sram
zoſen laffen. Auf ähnliche Art erfehwerte Bismard den Öfterreichern
das Vorwärtskommen an der Adria. Um fich die Schwierigkeiten
zwiſchen ihnen und den Stalienern durch die nafürliche Degen ee
heit der Lage beider Großmächte an der Adria, Har zu madıen, u
man nur bie Karte zur Hand zu nehmen, Faſt vom innerſten Winke
des Adriatiſchen Meeres aus verläuft das Küſtengebiet beider Groß—⸗
machte parallel bis zum Austritt der Adria ins Mittelmeer. Für beide
Großmächte iſt ihre Küfte gleich ungänffig. Die öfferreichifche ‚hat kein
ausreichend fiefes Hinterland, Die italtenifche wird durch bie hinter
ihr auffleigenden Apenninen und nordwärts davon durch ſumpfiges
Gebiet von den politifh und wirtſchaftlich wichtigffen Teilen Italiens
ferngehalten. Beide Mächte ſuchten not wendig die natürlichen Schwie—
rigkeiten ent weder zu überwinden oder auszugleichen. Kaum konnte
unter Ihnen ein Zuſammenſtoß auf die Dauer augbleiben. Aber
ud) an ung fließen fh die Jtallener Ihre Abdrängung auf das öſt—
lihe Mittelmeergebier belebte in breiten Schichten ihrer Bevölferung
Nah wenigen Jahren die Erinnerungen an die Zeit, da Benedig
nicht nur am der gegenüberliegenden Küſte der Balfanhalbinfel
—— —— ſeine Flagge im ganzen öſilichen Mittel—
eergebiet Die Herrſchaft ausübte. Ihre antaſie erfüllte fi
mit dem Traume, daß Italien, * *
en da e8 Sranfreich nicht hindern konnte,
die führende Macht des weftlichen Mittelmeeres
| | | su werden, dag öſt—
liche Mittelmeer unter feine Führung bringen werde, An die Bor,
rechte, die fich England dort ganz ebenfo wie im weſtlichen Mittel—
14
meer verſchafft hatte, wagten die Italiener nicht zu taſten. Um
ſo unholder verfolgten ſie, wie ſich das Deutſche Reich unter
Silhelm II. mit der Türkei befreundete und in deren Gebiet, namen;
(ich auf kleinaſiatiſchem Soden, wirtfcehaftlihe Unternehmungen großen
Stilg förderte. Nicht nur entfalteten die Staliener daraufhin felbit
im Drient eine rührige wirtfehaftlihe Propaganda, fondern auch
kolonialpolitiſch niſteten ſie ſich dort ein. Zuerſt verſuchten ſie es
mit einer Niederlaſſung an der äußerſten Grenze des von ihnen
ins Auge gefaßten Bereiches, dem ſüdlichen Ausgang des Roten
Meeres in der Nachbarſchaft Abeſſyniens. Sie gedieh nicht recht,
koſtete ihre Herren ſchwere Geldopfer und trug ihnen 1896 die Nieder;
(age bei Ydua ein, die zu ben blutigſten unter den von europäiſchen
Völkern erlittenen überſeeiſchen Niederlagen gehört. Den Italienern
ging für eine Weile der Atem aus. Bald aber rafften ſie ſich auf.
Diesmal wollten ſie gleichzeitig nach der afrikaniſchen Nordküſte
ſowie auf der Balkanhalbinſel nach Albanien vorſtoßen. In Albanien
bereiteten ſie ſich von Valona aus durch wirtſchaftliche und kulturelle
Anlagen den Weg. Für den Zug nach Tripolis bedurfte es eifriger
diplomatiſcher Vorkehrungen. In Albanien beengte ſie die ältere
und ſchon weit vorgeſchrittene Kulturarbeit Sſterreich⸗Ungarns. Am
nach Tripolis hinüber zu können, brauchten ſie die Förderung Eng
lands und zum mindeften die Duldung Frankreichs. Darüber g%
tiefen fie zuerft in die Netze Der Gegner des Dreibundes.
Die Widerſacherſchaft zwiſchen Italien und Frankreich, durch
die Italien 1882 an die Seite der deutſchen Großmächte gedrängt
worden war, hatte allmählich in dem Maße an Schärfe verloren,
als ſich die italieniſche Politik in Aufgaben verbiß, die das öſtliche
Mittelmeer betrafen. Die franzöſiſche Regierung bot alles auf, um
daraufhin wieder freundſchaftliche Beziehungen zu Italien zu pflegen.
1901 lief der Dreibundvertrag ab. Seine Erneuerung erfolgte.
| wurde auch am Wortlaut nichts geändert. Aber ein Jahr
— —— ſich die ——— Miniſter Frankreichs und Italiens,
Delcaffe und Prinetti, in bet Lage, por ihren Kammer inhaltlich
gleichlautende Grflärungen abzugeben, wonach der —
Italien keine für Frankreich bedrohlichen Verpflichtungen auferlege,
Der Umſchwung Im Verhältnis beider Staaten zueinander Fam
in di n Erklärungen zum erſtenmal deutlich zum Ausdruck. Heute
in dieſen daß die beiden Mächte auch ſchon einen Anſatzpuntt zur
wiſſen — gemeinſamen Handelns gewonnen hatten. Frankreich
BL? - feine wohlmwollende Mitwirkung jum Zuge nah Tri;
[097° 00 gr erfolgte bie weltpolitiſch 10 bedeutfam gewordene
15
polis zu ˖
Ä ich. da an brüdten
— nr eng Audrentan Fera hen rg
m. en me Mass ffarf auf Stalien, daß
im weſtlichen Mitte meer zu , Denn die Zu,
s ſich kaum noch im Dreibund zu halten vermochte ege ber eng:
nn in zwiſchen aufgehört, mit der Pfleg
gehörigfeit zu ihm hatte inzm fein. Das war der Nugendlid,
iſchen Freundſchaft verträglich zu fein. Die Großmäcte
liſchen d gefürchtet hatte. Die
— SEE EEE BAHN DI Ges weitgeſchichtliche Gegenfaß
mußten ſich ſämtlich, gewaltig wie war für England
m Vaterlande geworden war,
zwiſchen England und unſerm Vaterla Wie Bismard vorausgefehen
8 entfcheiden. Italien fühlte fih, wie Bi lichen Mittel:
oder um tverhältniffe im weftli
aitte, duch den Drud der Machtver 0 Dpeibund und 408
hatte, Es verblieb zwar im Drei e
meer zu England gezogen. ibund ihm gewährte,
' | den der Dreibun —
wie vor aus dem Schutze, | ie Keihe einer
— If, fo oft an ihm felber die
reichlichen Nuten. Aber es half, fo ı ‚htlich darauf anfommen,
teilung war, unfern Gegnern und ließ es " Tages biefe Art von
ob ſich feine beiden Bundesgenoſſen NE = im Srübjahe 1906
Bundesgenoſſenſchaft verbitten würden. 8 den im Jahre vorher
eine Konferenz der Großmächte zu ee shenen Konfift um
zwiſchen Frankreich und a 3 wie Rußland zum
Maroffo beilegen follte, hielt ſich Stalien e g te. Im Laufe des
erſtenmal unbedenklich den Weſtmächten Br > Kufland die Bahn,
folgenden Jahrfünfts durchmaßen Italien un llends und ſtellten
auf der ſie in Algeciras den erſten Schritt ng he mafie gegen ung
fih ganz allgemein der englifch-franzöfifchen Diplo nder. ıgıı ber
sur Verfügung. Dadurch näherten fie fih auch eine r italienifhem
ſuchte der Zar dem italienifhen König zu Racconigi —* aller beutfihs
Soden. Die Diplomatie und die unterrichtete Publiziſti ———
feindlichen Staaten behandelte damals Italien n.. auch Jta-
vom Dreibund abgefallen. Obwohl fih nur Rußland, nich ne
lien in ein Ententeverhältnisg mit England eingelaffen ba nirch
mit Sranfreih im Bunde fland, wurde von unfern Gegnern nz
con einer Quadrupelallianz gefprochen, die ih) gegen den "
der beiden Zentralmächte Deutſchland und Oſterreich⸗ Ungarn zu⸗
ſammengefunden habe. Mit beſonderer Offenheit ließ ſich das 1910
erſchienene Buch des Fürſten Trubetzkoi, eines angeſehenen, im
Amte befindlichen ruſſiſchen Staatsmannes: „Rußland als Groß⸗
macht“, über Italiens Stellung in der europäiſchen Politik aus.
Auch Trubetzko ſah Italien als zum Dreiverbande übergegangen
an. Er ließ ſich in ſeiner Meinung nicht dadurch beirren, da
wie er ſelbſt hervorhob, bie Stoliener ab und zu gefliſſentlich ihre
Treue gegen dag Deutfhe Reich und Ofterreichslingarn unter;
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ſtrichen. Ihr Bündnis mit dieſen beiden Staaten habe keine Trag—
weite mehr, weil ſich die Bedingungen, worunter es entſtanden
war, von Grund aus geändert hätten. Nicht mehr Frankreich, ſondern
Sfterreich fei der Nebenbuhler Italiens. „Die Zugehörigkeit Stalieng
um Dreibund bedeutet Taum etwas mehr ald das Berfprechen
der Neutralität von feiner Seite, ein Verſprechen, das ohne Zmeifel
nah dem Bismarckſchen Rezept den unausgefprochenen Vorbehalt
rebus sic stantibus enthält.” Ya, der Ruſſe ging in feinen Über;
fegungen bis zu folder Frivolität, daß er Gründe dafür vorbrachte,
weshalb Staliens äußerliches Verbleiben im Dreibund für unfere
Gegner erwünſchter fei, als wenn es fi vorzeitig aus dem
Dreibund oflentafio zurückziehe. Ein Fahr nad dem Erfcheinen
des Trubetzkoiſchen Buches durfte Italien die erſte Frucht des Ver—
rats pflücken, den es an ſeinen Dreibundgenoſſen zu üben ſich bereit
hielt. Nach zehnjährigem Zuwarten beſetzte es Tripolis. Als ſich
deſſen rechtmäßiger Eigentümer, die Türkei, den Raub nicht ge—
fallen laſſen wollte, benutzten die Italiener den darüber ausbrechenden
Krieg noch zur Beſetzung mehrerer Inſeln des Agäiſchen Meeres.
Sie ſollten ihnen zur Brücke nach Kleinaſien dienen. Der deutſche
Bundesgenoſſe trieb die freundſchaftliche Geſinnung ſo weit, daß er
Italien erhebliche Dienſte bei der Wiederverſtändigung mit der
Türkei leiſtete. Kühler ſcheint ſich die öſterreichiſche Diplomatie
verhalten zu haben, weil ſie den Vorgängen näher ſtand und ihre
Rückwirkung am eignen Leibe verſpürte. Aus dem Kriege Italiens
mit der Türkei entwickelte ſich ıgı2 der Balkankrieg, aus welchem
hinwiederum der gegenwärtige Weltkrieg entſtand. So hat Italien
das Rad des furchtbaren Krieges tatſaͤchlich ins Rollen gebracht.
Sſterreich-Ungarn rechnete im Verlaufe des Balkankrieges noch
einmal damit, zum gemeinſamen Handeln mit dem ſüdlichen
Bundesgenoffen su gelangen. Es mußte verhindern, daß beim Vor—⸗
ſtoß der Serben und Montenegriner iu das weſttürkiſche Balkan—
gebiet auch Albanien mitſamt ſeinen Adriahäfen zum Opfer fiel.
Itali ich nahmen auf öſterreichs Anregung gemeinfam
Italien und Öfterreih nah | a in Ball
dag neugebildete Albanien unter ihren Schutz. In Serbindung
der Dreibundvertrag abermals auf längere
konnte Ende ıgı2 auch RR italieni Diplomatie
Zeit erneuert werden. Die Verfiändigung det - en 2
mit Oſterreich⸗ — —A Stollen von dem Dreiverband
vielleicht hoffn ungavoller — in gemeinſamen, mit den
—— a erabredeten Sewerbungen zu ſuchen. Indeſſen,
Dreibundgenofen eich Ungarn des Friedens wegen mit dem Zu—
einmal ging *
geſtändnis, daß Stalien an der öſſlichen Küſte des Adriati e
politiſch, nicht bloß wirtſchaftlich Fuß faſſen ſollte, wohl a et
Srenze deffen hinaus, was eg sugeftehen durfte, ohne dag Steig,
gewicht an der Adria zugunſten Italiens aufzuheben. Sodann jeigte
ſich das gemeinfam eingerichtete Fürſtentum Albanien binnen kurzem
als nicht lebensfähig. Drittens verſtärkten Franf
| veih und England
jofort ihren Druck auf Italien um weitere Grade. Im Frühjahr
1913 ſchloſſen fie ein Slottenabfommen, durch das England den Schu
der franzöfifhen Wefifüffe übernahm und Frankreich die Vereinigung
all feiner Seefireitfräfte im meftlichen Mittelmeer erlaubfe, Der
Wink war in Rom nicht mißguverffehen. Den Dreibundmächten blieb
im übrigen faum Zeit, den Heinen Anfang einer Wiederverfländigung
zu entwideln. Zu raſch folgte dem Balkankrieg der Weltfrieg. Er
traf die italienifhe Diplomatie in einem Zuſtand weltpolitiſcher
Tätigkeit und ſo ſehr im Banne weltpolitiſcher Träume, wie nie
zuvor. Der Weltkrieg entzündete ſich aber gerade wegen der
Zukunft des Nebenbuhlers Italiens, wegen „ſterreich-⸗ Ungarns
Zukunft an der Adria. Serbiens Trachten nach einem Hafen
dort rief ihn hervor. Italien konnte nicht gleichgültig gegen die
Ergebniſſe des Krieges ſein. Daher war, zumal da der Weltkrieg
überall und ſelbſt dort, wo feine unmittelbare Urſache vorlag, ge⸗
ſteigerte Unruhe mit ſich brachte, eher damit zu rechnen, daß die
italieniſche Politik noch ehrgeiziger wurde, als daß ſie ihre Eroberungs⸗
begier während des Krieges dämpfte. Den Diplomaten Deutſch⸗
lands und Sſterreich-⸗Ungarns fiel troßdem, wie fih die Dinge feit
19or geftaltet hatten, die undankbare Yufgabe su, alle ihre Anz
ſtrengungen darauf zu richten, daß Stalien den unmwahrfcheinlichern
Deg einſchlug. Wollten fie ihre Staaten nicht der Gefahr ausferen
(wenn e8 denn eine folhe war), daß Italien auf der Stelle für unfere
Gegner Partei nahm, mußten fie feine Kegierung zu beflimmen
fuhen, daß fie neutral blieb.
sehn Monate lang hat Italien nach beiden Seiten bin verhandelt
und von Oſterreich⸗Ungarn Zugeſtändnis auf Zugeſtändnis erpreßt,
von Deutfchland Kohl
Die Reife, die horse wi genommen und Geld an ihm verdient.
2 ‚ Die ber Weltfrieg über Europa heraufbe wor, erwies fi
von ſo furchtbarer Gewalt ? bank *
| daß Jtalien als der ſchwaͤchſten unter den
Großmächten die Erkenntnis über die Söwehe ee
treten mußte, wie ihr bie kleinen, feit IgII in der Weltpolitik
gelungenen Fortſchritte nur dank Huld und Hilfe der übrigen
roßmächte geglückt und wie ſie dennoch ſelbſt bei der verhältnis—
maͤßigen Ruhe der dem Weltkrieg vorangegangenen Jahre ein
18
Wagnis geblieben waren. Die Unzulänglichfeit des eignen ferriz
torialen Gewichts, Die Ungunft der Grenzen, bie Schwädhe der
Finanzen, Die Mängel der Rüſtungen bedeuteten ebenfoniele War—
nungen, DIE feenntüchtige Bregatte dem Drfan eines allgemeinen
Krieges nicht auszufeßen. Wurden gemifle Hoffnungen der italienifchen
Nation von ÖfterreichrUngarn an der Adria und in Welſchtirol gut
willig erfüllt, fo war die Lodung für die verantwortlihen Männer
ftark, dag Entgegenfommen vor ber öffentlihen Meinung des eignen
Landes als Vorwand zu nehmen und geräufcehlog in flillerm Wafler
Zuflucht zu juchen. Anderſeits rückte der Gegenſtand der Verhand—⸗
lungen den italieniſchen Staatsmännern nicht nur vor Augen,
daß ihr Ehrgeiz nach noch viel größerm Gewinn an der Adria
trachtete, ſondern auch Daß es bei dem ungeheuern Ringen der an—
dern Groß maͤchte um viel mehr als hie und da einen Fetzen Landes,
daß es um die größere oder geringere Macht in der weiten Welt
geht. Land läßt ſich ſchenken. Macht muß erworben werden. Das
ſagte den Italienern, wenn die Erfahrungen ihrer Vergangenheit
es fie noch nicht gelehrt hatten, die Stimme ihres auf Sſterreich
neidiſchen leidenſchaftlichen Blutes. Was Italien im öſtlichen Mittel;
meer vor dem Kriege unternommen hatte, war viel mehr in die Breite
angelegt als die Internehmungen öſterreich-⸗Ungarns. ber der
Ertrag der Eolonifatsrifhen Arbeit beider Staaten fland im umge
kehrten Verhältnis dazu. Triefis Anfſchwung hatte einen größern
Zug als der Venedigs. Keinen Vergleich hielten die kultur⸗ und wirt
fchaftspolitifchen Leiffungen Italiens im füdlihen Albanien mit den
glänzenden Errungenfehaften der Sfterreicher in Bosnien und der
Herzegowina, an Det dalmatifchen Küfte und im nördlichen Albanien
aus. Nichts hatte Italien der Tauernbahn zur Seite zu flellen, das
auch nur verdiente, in einem Atemzug mit diefem Fühnen groß⸗
artigen Werke genannt zu werden. Broſamen vom Tiſche des Neben⸗
buhlers allein, mochten fie auch unerwartet reichlich ausfallen, glichen
das einmal beftehende Mißverhältnis der Innern Kräfte nicht aus.
Diefe Empfindung fcheint in Italien allgemein geworden zu fein.
Der Nebenbuhler felbft mußte geſchwächt werden und beſiegt
ervorgehen. Alle nicht deutſchen Diplomaten
aus dem Kriege D 9 | RN
der Gegenwart pflegen fleißige und gelehrige Lefer in Bismarcks
d Erinnerungen“ zu ſein. Es gibt darin einen Ab⸗
„Gedanken un ders nachhaltigen Eindruck
em italieniſchen Leſer beſon
—— en Dort überfliegt der große Baumeifter des Deutſchen
He e Geſchichte von 1786 bis 1861 und ſchildert,
Reiches DIE rg fam, daß es in der
reußen dem Untergang dadurch kam,
wie nahe Preuß ie
—
4
mr
a G
Ge
zeit der lebten Weltkriegsperiode ein Jahrzehnt lang, vom Bafler
Frieden bis Jena umd Unerftedt, neutral gu Bleiben verſuchte.
Wir Deutſche haben keinen Grund zu zweifeln, daß, mie in allem
menſchlichen Wefen, fo auch in der Bruſt der und früher ver,
bündeten italienifhen Staatsmänner neben arglifligen und ge,
meinen Überlegungen ideale Triebfedern mit wirkten. Auch ihnen
wird in den aufregenden Stunden des diplomatiſchen Hin und
Her das Gefühl nicht fern geblieben ſein, daß die Wurzeln einer Groß—
macht allein in der Fähigkeit liegen, ſelbſt etwas zu erreichen. Miſchte
ſich Italien trotz allem, was durch die innern Bedingungen des
Staates dawider ſprach, in den Krieg ein, ſo unterfing es ſich ohne
Frage eines tollkühnen Spiels, das das Verderben des Staates
nach ſich ziehen konnte. Aber ſchaltete ſich Italien nicht mit noch
größerer Sicherheit ſelbſt aus der Reihe der Großmächte aus, wenn
es ſich abfinden ließ, ſtatt mit dem Schwerte in der Hand an der
Neuregelung des europäiſchen Gleichgewichts teilzunehmen? Konnte
das Glück dem Mutigen nicht auch hold fein? Monte die Mit wir⸗
tung zum Siege nicht endlich dem Zuſtande des bloßen Scheindaſeins
Italiens als Groß macht abhelfen, Stalien als führende Macht des
öſtlichen Mittelmeeres das volle Anſehen unter den Groß mächten
erlangen? Als Zünglein an der Wage, bald dieſem, bald jenem
verbündet, ſo hatten ſich des Königs Vorfahren zwei Jahrhunderte
lang im Gtreite der Mächtigern über Waffer gehalten, Gemiß
waren folcherart die Öedanfengänge, an die die Diplomatie unferer
Gegner in Nom anknüpfen fonnte. Da fie die erhabenern, obwohl
nicht die tichfigern Maren, [9 haften England und Franfreich es
leichter als unfer und Sſterreich-Ungarns Vertreter. Wir mußten
ung befcheiden, darum su werben, daß Stalien feinen Bundes;
genofien zuliebe auf Ausſichten verzichtete, die ibm vielleicht im
Kriege winkten. Unfere Gegner dagegen durften anftacheln, was
on Selbfibemußtfein und Hoffnungen auf eine größere Zukunft in
den italienifchen Staatsmännern Iebte, Darüber hinaus hatten Eng-
land und Stalien auf ikalienifhem Boden aber noch von vornherein
Hilfskräfte, die die zwiſchen Sorge und Verſuchung ſchwankende
heimiſche Regierung Schritt um Schritt weiter in den Krieg zerrten.
Die Maſſen der großen Städte waren Durch die friegerifche Unrube
ganz Europas alsbald in einen Zuſtand leidenfchaftlicher Bewegung
geraten. on je hat ihr Einfluß in ber Gefchichte deg italieniſch
Königreiches eine wichtige Rolle geſpielt. *
Himmer,
wenn die Maſſen der italieniſchen Städte aufitanden, neigten fie den
prachverwandten Franzoſen zu und haßten die Deutſchen. Frank—
reiche Anteil an der Begründung der italieniſchen Einheit hat ihm
siefen Vorſprung geſichert. Doch auch für England war es nicht ſo
ſchwer wie für uns, die Stimmung der italieniſchen Maſſen zu be—
arbeiten. Denn England iſt ebenfalls ſchon ſeit den Zeiten der Ent—
tehung Italiens in Der revolutionären Verhekung des ifalienifchen
Pobels Meiſter. Alle Inſtrumente det öffentlichen Meinung Italiens
waren diesmal ſchon in den Händen Frankreichs und Englands, als
der Tanz anging. Tauſend Blaſebälge wurden von ihnen in
Tätigkeit geſetzt, um ſofort in den aufgeregten Maſſen die groß—
gezogene nationaliſtiſche Gier nach den „unerlöſten“ Gebieten und
die überlieferte Voreingenommenheit gegen Öſterreich zu unfern
Ungunften zu ſchüren. Mit den beiden Weftmächten verband ſich
die Wühlarbeit der Loge, die in Stalten mächtiger ift als irgendwo.
Schächerdienſte leiftete alles, was vepublifanifhen Beltrebungen
in Stalien anhing. Die Agifatoren Des Republikanismus hofften,
den König fofort zu Fall zu bringen, wenn et aus ehrbaren
Empfindungen wider feine bisherigen Bundesgenoflen oder aus
vorſichtiger Einſchätzung det wirklichen Kräfte ſeines Landes zögerte.
Entſchloß er ſich aber zum Kriege, meinten ſie durch den Verlauf des
Krieges zum mindeſten den Einfluß wieder zu gewinnen, den ſie
in den Anfängen des Königreichs übten. Alle dieſe Triebfedern zu—
ſammen gaben ſchließlich den Ausſchlag dafür, daß Italien nicht mehr
nur diplomatiſch wie ſeit 1902, ſondern auch militäriſch zu unſern
Gegnern übertrat. Italien kämpft gegenwärtig, wenn auch um den
Preis eines ſchweren Treubruchs, bott, wohin es nach der im letzten
Menſchenalter von ihm vollzogenen Wendung durch feine Intereſſen
gewiefen wurde. Wir dürfen uns deſſen getröſten, ſtark wie ſich
die Stellung Deutſchlands und Sſterreich⸗ Ungarns im Weltkrieg
bis zur Stunde bewährte. Der Krieg verſpricht nun auch ſchon den
Gegenſatz zwiſchen Italien und Sſterreich⸗ Ungarn auf der Adria
zum Austrag zu hringen. Die deutſche Regierung hatte die Nation
hinter fih, folange als fie ſich mit ein ger Ausſicht auf Erfolg bemũhte—
die ohnehin große Anzahl unferer Feinde nicht noch durch den aus
* u laſſen. Aber nun, nachdem Italien es
fritt Italiens vermehren Sit "| Dentfeilands ums
£, kann die öffentliche Meinung Deutſchlands um—
anders gewollt hat, efihen Regierung nur erwarten daß fie jeßt
gekehrt von * * et rollen läßt. Vergeſſen wir nicht, wieviel
den Stein big an fein > einzelnen Teile unferes Vaters
tlicpe Aufſch wung/ ber Die EIN. |
der wirtſchaf faſt gleichmäßig ſtark In den legten zwei
nach dem andern
(andes einen nad u
wr
u;
——
Menſchenaltern ergriff, zu der gedeihlichen Drönun
L g unſeres Staau
lebens und zur Steigerung unſerer politiſchen Macht —3*
hat. Daß ſich im Gefolge der erfolgreichen Kriege von
| | 1866 und 187.
das Geficht der im Neiche geeinten deutfchen Nation dem Me,
zuwandte und daß fih unfer Staat jest ſchon Breit die Küſten da
Nord, und DOftfee entlang dehnen und flreden fonnte, iſt für ung die
befte Bürgfchaft unferer Zukunft geworden, Vergleicht man auf |
der Karte mit der gengraphifchen Geſtaltung Deutfchlands die Hfler,
reich⸗-Ungarns, fo drängt fich jedem unmillfürlich die Überzeugung
auf, daß Öfterreichs innere Schwierigfeiten und unzureichend:
Machtentwiklung im urfächlicden Zuſammenhang mit den Mängeln
feiner bisherigen Lage und der davon herrüährenden Gebundenheit
feiner wirtfchaftlihen Kräfte ſteht. Don Sitalien eingeengt, von
Rußland durch das Werkzeug Serbien bedrängf, fam es nur um
volfommen ang Meer heran und fonnte fich auf dieſem Meere nidt,
wie e8 notwendig war, entfalten. UÜberzeugt, wie wir heute mehr ald
je find, daß unfere Zukunft das Zuſammenwirken Deutfchlande
und Sſterreich⸗Ungarns erfordert, kämpft unfere Nation und unfer
Staat auf den öſterreichiſchen Schlachtfeldern darum, daß unfer |
Nachbar feinen Schaden leidet. Uber dag viele edle Blut wird nur
dann nicht umfonft gefloffen fein, wenn der Krieg die Küftengeftaltung |
Oſterreich⸗Ungarns duechgreifend verbeffert. Wird Serbien in feine
Schranken zurüdgemwiefen und Italien militärifch zurückgeworfen,
ſo wird dadurch der Weg für Öſterreich-Ungarn am öfflichen Ufer
des Adriatifchen Meeres frei,
— — ——
—
Herausgegeben vom Sefretariat Soslal
er
BoltöpereineDruderel NR ws f N. Sladbach.
Vom gleichen Verfaffer erſchienen ferner im Volksvereins—
Verlag:
Deutfebland und Frankreich. 15 Pf.
Rußland und Ofterreich auf dem Balkan. 15 Pf.
England. ı5 Pf.
Bon - Sroßmacht aufwärts zur Weltmacht.
15
Im Kampf um unfere Zukunft. Broſchiert 60 Pf.
(Enthält die obigen 4 Hefte.)
Bismarck. Broſchiert M 3.—, gebunden M 4. -