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Full text of "Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst : ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik"

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Chartered in 1941 


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f the History of 
Science and Technology 


SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES 


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KREISENDE STORCHFAMILIE. 


Der Vogelflug 
als Grundlage der Fliegekunst. 


Bin Beitrag 


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Systematik der Flugtechnik. 


Auf Grund 
zahlreicher von ©. und G. Lilienthal ausgeführter Versuche 


bearbeitet von 


Otto Lilienthal, 


Ingenieur und Maschinenfabrikant in Berlin. 


| 
; 
| 


Mit 80 Holzschnitten, 8 ithographierten Tafeln und 1 Titelbild in Farbendruck. 


Berlin 1839. 


R. Gaertners Verlagsbuchhandlung 


Hermann Heyfelder. 
SW. Schönebergerstralse 26. 


alle. Rechte vorb ehalten. 


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| 


Vorwort. 


Die Kenntnis der mechanischen Vorgänge beim Vogel- 
fluge steht gegenwärtig noch auf einer Stufe, welche dem 
jetzigen allgemeinen Standpunkt der Wissenschaft offenbar 
nicht entspricht. 

Es scheint, als ob die Forschung auf dem Gebiete 
des aktiven Fliegens durch ungünstige Umstände in Bahnen 
selenkt worden sei, welche fast resultatlos verlaufen, indem 
die Ergebnisse dieser Forschung die wirkliche Förderung 
und Verbreitung einer positiven Kenntnis der Grundlagen 
der Fliegekunst bei weitem nicht in dem Mafse herbei- 
führten, als es wünschenswert wäre. Wenigstens ist unser 
Wissen über die Gesetze des Luftwiderstandes noch so 
mangelhaft geblieben, dals es der rechnungsmäfsigen Be- 
handlung des Fliegeproblems unbedingt an Jau erforder- 
lichen Unterlagen fehlt. 


Um nun einen Beitrag zu liefern, die Eigentümlich- 
keiten der Luftwiderstandserscheinungen näher kennen zu 
lernen, und dadurch zur weiteren Forschung in der Er- 
gründung der für die Flugtechnik wichtigsten Fundamental- 
sätze anzuregen, veröftentliche ich hiermit eine Reihe von 
Versuchen und an diese geknüpfter Betrachtungen, welche 


N 


von mir gemeinschaftlich mit meinem Bruder Gustav Lilien- 
thal angestellt wurden. 


Diese Versuche, über einen Zeitraum von 23 Jahren 
sich erstreckend, konnten jetzt zu einem gewissen Ab- 
schluls gebracht werden, indem durch die Aneinander- 
reihung der Ergebnisse ein geschlossener Gedankengang 
sich herstellen liefs, welcher die Vorgänge beim Vogel-. 
fluge einer Zergliederung unterwirft, und dadurch eine 
Erklärung derselben, wenn auch nicht erschöpfend behan- 
delt, so doch anbahnen hilft. 


Ohne daher der Anmafsung Raum zu geben, dals 
das in diesem Werke Gebotene für eine endgültige Theorie 
des Vogelfluges gehalten werden soll, hoffe ich doch, dafs 
für jedermann genug des Anresenden darin sich bieten 
möge, um das schon so verbreitete Interesse für die Kunst 
des freien Fliegens noch mehr zu heben. Besonders geht 
aber mein Wunsch dahin, dafs eine grolse Zahl von Fach- 
leuten Veranlassung nehmen möchte, das Gebotene genau 
zu prüfen und womöglich durch parallele Versuche zur 
Läuterung des bereits Gefundenen beizutragen. 


[ch habe die Absicht gehabt, nicht nur für Fachleute, 
sondern für jeden Gebildeten ein Werk zu schaffen, dessen 
Durcharbeitung die Überzeugung verbreiten soll, dafs wirk- 
lich kein Naturgesetz vorhanden ist, welches wie ein un- 
überwindlicher Riegel sich der Lösung des Fliegeproblems 
vorschiebt. Ich habe an der Hand von Thatsachen und 
Schlüssen, die sich aus den angestellten Messungen er- 
gaben, die Hoffnung aller Nachdenkenden beleben wollen, 
dafs es vom Standpunkt der Mechanik aus wohl gelingen 
kann, diese höchste Aufgabe der Technik einmal zu lösen. 


a 


Um mich auch denen verständlich zu machen, welchen 
das Studium der Mathematik und Mechanik ferner liegt, 
‘also um den Leserkreis nicht auf die Fachleute allein zu 
beschränken, war ich bemüht, in der Hauptdarstellung 
mich so auszudrücken, dafs jeder gebildete Laie den Aus- 
führungen ohne Schwierigkeiten folgen kann, indem nur 
die elementarsten Begriffe der Mechanik zur Erläuterung 
herangezogen wurden, welche aulserdem soviel als möglich 
ihre Erklärung im Texte selbst fanden. Weitergehende, 
dem Laien schwer verständliche Berechnungen sind darin 
so behandelt, dafs das allgemeine Verständnis dadurch 
nicht beeinträchtigt wird. 

Wenn hierdurch denjenigen, welche an den täglichen 
Gebrauch der Mathematik und Mechanik gewöhnt sind, 
die Darstellung vielfach etwas breit und umständlich er- 
scheinen wird, und diesen Lesern eine knappere Form 
wünschenswert wäre, so bitte ich im Interesse der Allge- 
meinheit um Nachsicht. 

Somit übergebe ich denn dieses Werk der Öffentlich- 
keit und bitte, bei der Beurteilung die hier erwähnten Ge- 
sichtspunkte freundlichst zu berücksichtigen. 


Otto Lilienthal, 


SERESESZSS EZ 


Inhalt. 


Einleitung i 

Das Grundprineip alba Ben Killers 5 

Die Fliegekunst und die Mechanik ; 
Die Kraft, durch welche der fliegende aa gehoben ra : 
Allgemeines über den Luftwiderstand i ; 3 

Die Flügel als Hebel : 

Über den Kraftaufwand zur EINSeee enne i 

Der wirkliche Flügelweg und die fühlbare Ültgelgeschwindigkei. 
Der sichtbare Kraftaufwand der Vögel. AR ; 
Die Überschätzung der zum Fliegen erforderlichen ee 


. Die Kraftleistungen für die verschiedenen Arten des Fluges 
. Die Fundamente der Flugtechnik . 
. Der Luftwiderstand der ebenen, normal und eich Becken 


Fläche . 


„ ber and hit hans, en Fläche A : 
. Der Angriffspunkt des eanden beim  ehnaeen 


Vogelflügel 


. Vergröfserung des na kr, en ’ 
. Kraftersparnis durch schnellere Flügelhebung 


Der Kraftaufwand beim Fliegen auf der Stelle. 


. Der Luftwiderstand der ebenen Fläche bei schräger Bez 


Die Arbeit beim Vorwärtsfliegen mit ebenen Flügeln 


. Überlegenheit der natürlichen Flügel gegen ebene Flügelflächen 
2. Wertbestimmung der Flügelformen ae 
. Der vorteilhafteste Flügelquerschnitt 


Die Vorzüge des gewölbten Flügels gegen die A Flugtläche 


. Unterschied in den Luftwiderstandserscheinungen der ebenen. und 


gewölbten Flächen 


). Der Einfluls der Ding elentun : 
. Über die Messung des ae Den oelkliegelen en 


Flächen 


56 


an 


Luftwiderstand des Vogelflügels, gemessen an rotierenden Elachen 


. Vergleich der Luftwiderstandsrichtungen . 

. Über die Arbeit beim Vorwärtsfliegen mit Bemölbtent Plügeln : 
. Die Vögel und der Wind. 1 

. Der Luftwiderstand des Watte, im rende Sense 


Die Vermehrung des Auftriebes durch den Wind . k 

Der Luftwiderstand des Vogelflügels in ruhender Luft ah den 
Messungen im Winde h 

Der Kraftaufwand beim Fluge in ungen Era ech dem losen 
im Winde. 


. Überraschende age en een mit Sewölbten 


Flügelflächen im Winde 


. Über die Möglichkeit des Segeliuges 


Der Vogel als Vorbild . 
Der Ballon als Hindernis . 


. Berechnung der Flugarbeit ! 
. Die Konstruktion der ee ; 
. Schlufswort . $ 


1. Einleitung. 


Anjährlich, wenn der Frühling kommt, und die Luft 
sich wieder bevölkert mit unzähligen frohen Geschöpfen,. wenn 
die Störche, zu ihren alten nordischen Wohnsitzen zurück- 
gekehrt, ihren stattlichen Flugapparat, der sie schon viele 
Tausende von Meilen weit getragen, zusammenfalten, den 
Kopf auf den Rücken legen und durch ein Freudengeklapper 
ihre Ankunft anzeigen, wenn die Schwalben ihren Einzug 
gehalten, und wieder in segelndem Fluge Stralse auf und 
Stralse ab mit glattem Flügelschlag an unseren Häusern ent- 
lang und an unseren Fenstern vorbei eilen, wenn die Lerche 
als Punkt im Äther steht, und mit lautem Jubelgesang ihre 
Freude am Dasein verkündet, dann ergreift auch den Menschen 
eine gewisse Sehnsucht, sich hinaufzuschwingen, und frei wie 
der Vogel über lachende Gefilde, schattige Wälder und spie- 
gelnde Seen dahinzugleiten, und die Landschaft so voll und 
sanz zu genielsen, wie es sonst nur der Vogel vermag. 

Wer hätte wenigstens um diese Zeit niemals bedauert, 
dals der Mensch bis jetzt der Kunst des freien Fliegens ent- 
behren muls, und nicht auch wie der Vogel wirkungsvoll 
seine Schwingen entfalten kann, um seiner Wanderlust den 
höchsten Ausdruck zu verleihen? 

Sollen wir denn diese Kunst immer noch nicht die 
unsere nennen, und nur. begeistert aufschauen zu niederen 
Wesen, die dort oben im blauen Äther ihre schönen Kreise 
ziehen? 

Lilienthal, Fliegekunst. Mi 


= 4 


Soll dieses schmerzliche Bewulstsein durch die traurige 
Gewilsheit noch vermehrt werden, dals es uns nie und nimmer 
gelingen wird, dem Vogel seine Fliesekunst abzulauschen? 
Oder wird es in der Macht des menschlichen Verstandes 
liegen, jene Mittel zu ergründen, welche uns zu ersetzen ver- 
mögen, was die Natur uns versagte? 

Bewiesen ist bis jetzt weder das Eine noch das Andere, 
aber wir nehmen mit Genugthuung wahr, dals die Zahl der- 
jenigen Männer stetig wächst, welche es sich zur ernsten 
Aufgabe gemacht haben, mehr Lieht über dieses noch so 
dunkle Gebiet unseres Wissens zu verbreiten. 

Die Beobachtung der Natur ist es, welche immer und 
immer wieder dem Gedanken Nahrung giebt: „Es kann und 
darf die Fliegekunst nicht für ewig dem Menschen versagt 
sein.“ 

Wer Gelegenheit hatte, seine Naturbeobachtung auch auf 
jene grolsen Vögel auszudehnen, welche mit langsamen Flügel- 
schlägen und oft mit nur ausgebreiteten Schwingen segelnd 
das Luftreich durchmessen, wem es gar vergönnt war, die 
grolsen Flieger des hohen Meeres aus unmittelbarer Nähe bei 
ihrem Fluge zu betrachten, sich an der Schönheit und Voll- 
endung ihrer Bewegungen zu weiden, über die Sicherheit in 
der Wirkung ihres Flugapparates zu staunen, wer endlich aus 
der Ruhe dieser Bewegungen die mäfsige Anstrengung zu er- 
kennen und aus der helfenden Wirkung des Windes auf den 
für solches Fliegen erforderlichen geringen Kraftaufwand zu 
schlielsen vermag, der wird auch die Zeit nicht mehr fern 
wähnen, wo unsere Erkenntnis die nötige Reife erlangt haben 
wird, auch jene Vorgänge richtig zu erklären, und dadurch 
den Bann zu brechen, welcher uns bis jetzt hinderte, auch 
nur ein einziges Mal zu freiem Fluge unseren Fuls von der 


Erde zu lösen. 
Aber nicht unser Wunsch allein soll es sein, den Vögeln 


ihre Kunst abzulauschen, nein, unsere Pflicht ist es, nicht eher 
zu ruhen, als bis wir die volle wissenschaftliche Klarheit 
über die Vorgänge des Fliegens erlangt haben. Sei es nun, 


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dals aus ihr der Nachweis hervorgehe: „Es wird uns nimmer 
gelingen, unsere Verkehrsstralse zur freien willkürlichen Be- 
wegung in die Luft zu verlegen,“ oder dafs wir an der Hand 
des Erforschten thatsächlich dasjenige künstlich ausführen ler- 
nen, was uns die Natur im Vogelfluge täglich vor Augen führt. 

So wollen wir denn redlich bemüht sein, wie es die Wissen- 
schaft erheischt, ohne alle Voreingenommenheit zu untersuchen, 
was der Vogelflug ist, wie er vor sich geht, und welche 
Schlüsse sich aus ihm ziehen lassen. 


2. Das Grundprineip des freien Fluges. 


Die Beobachtung der fliegenden Tiere lehrt, dals es mög- 
lich ist, mit Hülfe von Flügeln, welche eigentümlich geformt 
sind, und in geeigneter Weise durch die Luft bewegt werden, 
schwere Körper in der Luft schwebend zu erhalten, und nach 
beliebigen Richtungen mit grolser Geschwindigkeit zu be- 
wegen. 

Die in der Luft schwebenden Körper der fliegenden Tiere 
zeichnen sich gegen die Körper anderer Tiere nicht so wesent- 
lich durch ihre Leichtigkeit aus, dals daraus gefolgert werden 
könnte, die leichte Körperbauart sei ein Haupterfordernis, das 
Fliegen zu ermöglichen. 

Man findet zwar die Ansicht verbreitet, dals die hohlen 
Knochen der Vögel das Fliegen erleichtern sollen, namentlich 
da die Hohlräume der Knochen mit erwärmter Luft gefüllt 
sind. Es gehört aber nicht viel Überlegung dazu, um ein- 
zusehen, dals diese Körpererleichterung kaum der Rede 
wert ist. 

Eine specifische Leichtigkeit der Fleisch- und Knochen- 
masse sowie anderer Bestandteile des Vogelkörpers ist bis 
jetzt auch nicht festgestellt. 

Vielleicht hat das Federkleid des Vogels, welches ihn 
umfangreicher erscheinen lälst, als wie er ist, besonders wenn 

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dasselbe wie bei dem getöteten Vogel nicht straff anliegt, 
dazu beigetragen, ihm den Ruf der Leichtigkeit zu verschaffen. 
Von dem gerupften Vogel kann man entschieden nicht be- 
haupten, dals er verhältnismälsig leichter sei als andere Tiere; 
auch unsere Hausfrauen stehen wohl nicht unter dem Eindruck, 
dals ein Kilogramm Vogelfleisch, und seien auch die hohlen 
Knochen dabei mitgewogen, umfangreicher aussieht als das 
gleiche Gewicht von Fleischnahrung aus dem Reiche der 
Säugetiere. 

Wenn nun zu dem gerupften Vogel die Federn noch hinzu- 
kommen, so wird er dadurch auch nicht leichter, sondern 
schwerer; denn auch die Federn sind schwerer als die Luft. 

Die Federbekleidung kann daher, wenn sie dem Vogel 
auch die Entfaltung seiner Schwingen ermöglicht, und seine 
Gestalt zum leichteren Durchschneiden der Luft abrundet und 
glättet, kein besonderer Faktor zu seiner leichteren Erhebung 
in die Luft sein. Es ist vielmehr anzunehmen, dals bei den 
fliegenden Tieren die freie Erhebung von der Erde und das 
Beharren in der Luft, sowie die schnelle Fortbewegung durch 
die Luft mit Hülfe gewisser mechanischer Vorgänge statt- 
findet, welehe möglicher Weise auch künstlich erzeugt und 
mittelst geeigneter Vorrichtungen auch von Wesen ausgeführt 
werden können, welche nicht gerade zum Fliegen geboren sind. 

Das Element der fliegenden Tiere ist die Luft. Die ge- 
ringe Diehtigkeit der Luft gestattet aber nicht, darin zu 
schweben und darin herumzuschwimmen, wie es die Fische 
im Wasser vermögen, sondern eine stetig unterhaltene Bewe- 
gungswirkung zwischen der Luft und den Trageflächen oder 
Flügeln der fliegenden Tiere, oft mit grolsen Muskelanstren- 
gungen verbunden, muls dafür sorgen, dals ein Herabtallen 
aus der Luft verhindert wird. 

Jedoch diese geringe Dichtigkeit der Luft, welche das 
freie Erheben in derselben erschwert, gewährt andererseits 
einen grolsen Vorteil für die sich in der Luft bewegenden Tiere. 

Das auf der geringen Dichtigkeit beruhende leichte Durch- 
dringen der Luft gestattet vielen Tieren mit aulserordentlicher 


2, HL dem 


Schnelligkeit vorwärts zu fliegen; und so nehmen wir denn 
namentlich an vielen Vögeln Fluggeschwindigkeiten wahr, 
welche in Erstaunen setzen, indem sie die Geschwindigkeit 
der schnellsten Eisenbahnzüge bei weitem übertreffen. Hat 
daher eine freie Erhebung von der Erde durch die Fliegekunst 
erst stattgefunden, so erscheint es nicht schwer, eine grolse 
Geschwindigkeit in der Luft selbst zu erreichen. 

Als Eigentümlichkeit beim Bewegen in der Luft haben 
wir daher weniger das schnelle Fliegen anzusehen, als viel- 
mehr die Fähigkeit, ein Herabfallen aus der Luft zu verhin- 
dern, indem das erstere sich fast von selbst ergiebt, sobald 
die Bedingungen für das letztere in richtiger Weise erfüllt sind. 

Die fliegende Tierwelt und obenan die Vögel liefern den 
Beweis, dafs die Fortbewegung durch die Luft an Vollkommen- 
heit allen anderen Fortbewegungsarten der Tierwelt und auch 
den künstlichen Ortsveränderungen der Menschen weit über- 
legen ist. 

Auch auf dem Lande und im Wasser giebt es Tiere, denen 
die Natur grolse Schnelligkeit verliehen hat, teils zur Verfol- 
sung ihrer Beute, teils zur Flucht vor dem Stärkeren, eine 
Schnelligkeit, die oft unsere Bewunderung erregt. Aber was 
sind diese Leistungen gegen die Leistungen der Vogelwelt? 

Einem Sturmvogel ist es ein Nichts, den dahinsausenden 
Oceandampfer in meilenweiten Kreisen zu umziehen und, nach- 
dem er meilenweit hinter ihm zurückgeblieben, ihn im Nu 
wieder meilenweit zu überholen. 

Mit Begeisterung schildert Brehm, dieser hervorragende 
Kenner der Vogelwelt, die Ausdauer der meerbewolhnenden 
srolsen Flieger. Ja, dieser Forscher hält es für erwiesen, 
dals ein solcher Vogel auf weitem Ocean Hunderte von Meilen 
dem Tag und Nacht unter vollem Dampf dahineilenden Schiffe 
folgt, ohne bei seiner kurzen Rast auf dem Wasser die Spur 
des schnellen Dampfers zu verlieren und ohne jemals das 
Schiff als Ruhepunkt zu wählen. 

Diese Vögel scheinen gleichsam in der Luft selbst ihre 
Ruhe zu finden, da man sie nicht nur bei Tage, sondern auch 


bei Nacht herumfliegen sieht. Sie nützen die Tragekraft des 
Windes in so vollkommener Weise aus, dals ihre eigene An- 
strengung kaum nötig ist. 

Und dennoch sind sie da, wo sie nur immer sein wollen, 
als wenn der Wille allein ihre einzige Triebkraft bei ihrem 
Fluge wäre. 

Diese vollkommenste aller Fortbewegungsarten sich zu 
eigen zu machen, ist das Streben des Menschen seit den An- 
fängen seiner Geschichte. 

Tausendfältig hat der Mensch versucht, es den Vögeln 
gleich zu thun. Flügel ohne Zahl sind von dem Menschen- 
geschlechte gefertigt, geprobt und — verworfen. Alles, alles 
vergeblich und ohne Nutzen für die Erreichung dieses heils 
ersehnten Zieles. 

Der wahre, freie Flug, er ist auch heute noch ein Problem 
für die Menschheit, wie er es vor Tausenden von Jahren 
gewesen ist. 

Die erste wirkliche Erhebung des Menschen in die Luft 
geschah mit Hülfe des Luftballons. Der Luftballon ist leichter 
als die von ihm verdrängte Luftmasse, er kann daher noch 
andere schwere Körper mit in die Luft heben. Der Luft- 
ballon erhält aber unter allen Umständen, auch wenn derselbe 
in länglicher zugespitzter Form ausgeführt wird, einen so 
grolsen Querschnitt nach der Bewegungsrichtung, und erfährt 
einen so grolsen Widerstand durch seine Bewegung in der 
Luft, dafs es nicht möglich ist, namentlich gegen den Wind 
denselben mit solcher Geschwindigkeit durch die Luft zu 
treiben, dafs die Vorteile der willkürlichen schnellen Orts- 
veränderung, wie wir sie an den fliegenden Tieren wahr- 
nehmen, im Entferntesten erreicht werden könnten. 

Es bleibt daher nur übrig, um jene grolsartigen Wirkun- 
gen des Fliesens der Tierwelt auch für den Menschen nutzbar 
zu machen, auf die helfende Wirkung des Auftriebes leichter 
Gase, also auf die Benutzung des Luftballons ganz zu ver- 
zichten, und sich einer Fliegemethode zu bedienen, bei welcher 
nur dünne Flügelkörper angewendet werden, welche dem 


A 


Durchschneiden der Luft nach horizontaler Richtung sehr 
wenig Widerstand entgegensetzen. 

Der Grundgedanke eines solchen Fliegens besteht in der 
Vermeidung grölserer Querschnitte nach der beabsichtigten 
Bewegungsrichtung und der Hebewirkung durch dünne Flug- 
flächen, welche im wesentlichen horizontal ausgebreitet und 
relativ zum fliegenden Körper annähernd vertikal bewegt 
werden. 

Die fliegenden Tiere sind imstande, unter Aufrechterhal- 
tung dieses Prineips eine freie Erhebung und schnelle Fort- 
bewegung durch die Luft zu bewirken. Wollen wir also die 
Vorteile dieses Prineips uns auch zu nutze machen, so wird 
es darauf ankommen, die richtige Erklärung für solche Fliege- 
wirkung zu suchen. 

Die Zurückführung aber einer derartigen Wirkung auf 
ihre Ursache geschieht durch das richtige Erkennen der beim 
Fliegen stattfindenden mechanischen Vorgänge, und die 
Mechanik, also die Wissenschaft von den Wirkungen der 
Kräfte, giebt uns die Mittel an die Hand, diese mechanischen 
Vorgänge zu erklären. 

Die Fliegekunst ist also ein Problem, dessen wissenschaft- 
liche Behandlung vorwiegend die Kenntnis der Mechanik 
voraussetzt. Die hierzu erforderlichen Überlegungen sind 
jedoch verhältnismälsig einfacher Natur und es lohnt sich, 
zunächst einen Blick auf die Beziehungen der Fliegekunst 
zur Mechanik zu werfen. 


3. Die Fliegekunst und die Mechanik. 


Wenn wir uns mit der Mechanik des Vogelfluges be- 
schäftigen wollen, werden wir hauptsächlich mit denjenigen 
Kräften zu thun haben, die am fliegenden Vogel in Wirkung 
treten. Das Fliegen der Tiere ist weiter nichts als eine be- 
ständige Überwindung derjenigen Kraft, mit welcher die Erde 


Ba lage 


alle Körper, also auch alle ihre Geschöpfe anzieht. Der 
fliegende Vogel aber spottet dieser Anziehungskraft vermöge 
seiner Fliegekunst und fällt nicht zur Erde nieder, obwohl 
die Erde ihn ebenso an sich zu ziehen und festzuhalten sucht 
wie ihre nicht fliegenden Lebewesen. 

Das Fliegen selbst aber ist ein dauernder Kampf mit 
der Anziehungskraft der Erde und zur Überwindung dieses 
Gegners ist es wichtig, ihn zunächst etwas näher zu betrachten: 

Die Anziehungskraft der Erde oder die Schwerkraft ist 
das Ergebnis eines Naturgesetzes, welches das ganze Weltall 
durchdringt und nach welchem alle Körper der Welt sich 
gegenseitig anziehen. Diese Anziehungskraft nimmt zu mit 
der Masse der Körper und nimmt ab mit dem Quadrate ihrer 
Entfernung. Als Entfernung der sich anziehenden Körper ist 
die Entfernung: ihrer Schwerpunkte anzusehen. 

Wenn daher ein Vogel sich höher und höher in die Luft 
erhebt, so kann man trotzdem kaum von einer Abnahme der 
Erdanziehung sprechen, denn diese Erhebung ist verschwindend 
klein gegen die Entfernung des Vogels vom Schwerpunkt oder 
Mittelpunkt der Erde. 

Da wir der Erde so sehr nahe sind im Vergleich zu 
anderen Weltkörpern, so verspüren wir nur die Kraft, mit 
welcher wir von der Erde angezogen werden. 

Das Gewicht eines Körpers ist gleich der Kraft, mit 
welcher die Erde diesen Körper an sich zieht. Als Kraft- 
einheit pflegt man das Gewicht von 1 kg anzusehen und hier- 
nach alle anderen Kräfte zu messen. 

Die bildliche Darstellung einer Kraft geschieht durch eine 
Linie in der Kraftrichtung von bestimmter Länge je nach der 
Grölse der Kraft. 

Die Schwerkraft ist immer wie die Lotlinie nach dem 
Mittelpunkt der Erde gerichtet. 

Die Anziehungskraft der Erde kann man wie alle anderen 
Kräfte nur durch ihre Wirkung wahrnehmen. Ihre sichtbare 
Wirkung aber besteht, wie bei allen Kräften, in Erzeugung 
von Bewegungen. 


— 


Wenn eine Kraft auf einen freien, ruhenden Körper stetig 
wirkt, so beginnt der Körper in der Richtung der Kraftwir- 
kung sich zu bewegen und an Geschwindigkeit stetig zuzu- 
nehmen. Die Grölse der Bewegung in jedem Augenblick wird 
durch den in einer Sekunde zurückgelegten Weg gemessen, 
wenn die Bewegung während dieser Sekunde gleichmäßig 
wäre. Man nennt diesen sekundlichen Weg die Geschwindig- 
keit eines Körpers. 

Die Anziehungskraft der Erde oder Schwerkraft wird 
einem Vogel in der Luft, dem plötzlich die Fähigkeit des 
Fliegens genommen ist, eine nach unten gerichtete Bewegung 
erteilen, welche an Geschwindigkeit stetig zunimmt; der Vogel 
wird fallen, bis er an der Erde liegt. 

Ein solches Fallen in der Luft giebt aber keine genaue 
Darstellung von der Wirkung der Schwerkraft, weil der Wider- 
stand der Luft die Fallgeschwindigkeit sowie die Fallrichtung 
beeinträchtigt. 

Die unbeschränkte Wirkung der Schwerkraft läfst sich 
daher nur im luftleeren Raum feststellen, und in diesem fällt 
jeder Körper ohne Rücksicht auf seine sonstige Beschaffenheit 
mit derselben gleichmälsig zunehmenden Schnelligkeit und 
zwar so, dals er am Ende der ersten Sekunde eine Geschwin- 
digkeit von 9,sım hat, die stetig und gleichmälsig zunimmt, 
sich also nach jeder ferneren Sekunde um 9,sı m vermehrt. 
Diese sekundliche Zunahme der Geschwindigkeit nennt man 
Beschleunigung. Die Beschleunigung der Schwerkraft ist also 
9,sı m. 

Auch an dem nicht aus der Luft geschossenen, fliegenden 
Vogel wird die Beschleunigung der Schwerkraft sichtbar sein; 
denn wenn der Vogel zu neuem Flügelschlage ausholt, setzt 
sofort die Schwerkraft mit ihrer Beschleunigung ein, und senkt 
den Vogel um ein Geringes, bis der neue Flügelniederschlag 
erfolgt, der den Vogelkörper um die gefallene Strecke wieder 
hebt und so die Wirkung der Schwerkraft ausgleicht. 

Die Anziehungskraft der Erde ist aber nicht die einzige 
Kraft, die auf den Vogel wirkt, vielmehr verdankt er seine 


le 


Flugfähigkeit gerade dem Auftreten verschiedener anderer 
Kräfte, mit denen er die Wirkung der Schwerkraft bekämpft. 

Die Mechanik pflegt die Kräfte in 2 Klassen zu teilen, 
in treibende Kräfte, oder in Kräfte in engerem Sinne, und in 
hemmende Kräfte oder Widerstände. 

Die treibenden Kräfte sind geeignet, Bewegungen zu er- 
zeugen und, wie ihr Name sagt, als Triebkraft zu dienen. 

Zu diesen Kräften haben wir aulser der Schwerkraft z. B. 
auch die Muskelkraft der Tiere zu rechnen, sowie das Aus- 
dehnungsbestreben des gespannten Dampfes, der gespannten 
Federn u. s. w. 

Jede treibende Kraft kann aber auch als hemmende Kraft 
auftreten, insofern sie an einem in Bewegung befindlichen 
Körper dieser Bewegung entgegengesetzt wirkt und dadurch 
die Bewegung vermindert, wie es der Fall ist in Bezug auf 
die Wirkung der Schwerkraft an einem in die Höhe gewor- 
fenen Körper. 

Zu den hemmenden Kräften gehört vor allem diejenige 
Kraft, deren Eigenschaften die Natur bei dem Fluge der Vögel 
in so vollkommener Weise ausnützt und mit der wir uns in 
diesem Werke ganz eingehend beschäftigen müssen, der so- 
genannte „Widerstand des Mittels“, den jeder Körper erfährt, 
wenn er sich in einem Mittel, z. B. in der Luft, bewegt. Ein 
solcher Widerstand kann deshalb nie direkt treibend wirken, 
weil er durch die Bewegung selbst erst hervorgerufen wird, 
er dann aber diese Bewegung stets wieder zu verkleinern 
sucht und nicht eher aufhört, bis die Bewegung selbst wieder 
aufgehört hat. 

Der Widerstand des Mittels, also der Widerstand des 
Wassers, sowie der Luftwiderstand kann nur indirekt als 
treibende Kraft auftreten, wenn das Mittel selbst, also das 
Wasser oder die Luft in Bewegung sich befindet, wovon alle 
Wasser- und Windmühlen und, wie wir später sehen werden, 
auch die segelnden Vögel ein Beispiel geben. 

Fernere Widerstandskräfte sind beispielsweise die Reibung 
sowie die Kohäsionskraft der festen Körper, auch diese können 


nicht unmittelbar treibend wirken, sondern nur als Widerstand 
auftreten, wenn es sich um ihre Überwindung, z. B. beim 
Transport von Lasten und bei der Bearbeitung des Holzes, 
der Metalle oder anderer fester Körper handelt, wo der 
schneidende Stahl die Kohäsionskraft aufheben muls. 


Eine Kraft ist zwar stets die Ursache einer Bewegung, 
aber wenn ein Körper sich nicht bewegt, so ist daraus noch 
nicht zu schlielsen, dafs keine Kräfte auf ihn einwirken. 
Wenn z.B. ein Körper auf einer Unterstützung ruht, so wirkt 
dennoch die Anziehungskraft der Erde auf ihn; ihr Einfluls 
wird nur aufgehoben, weil eine andere gleich grolse aber 
entgegengesetzt gerichtete Kraft zur Wirkung kommt, und 
zwar der Unterstützungsdruck, der von unten ebenso stark 
auf den Körper drückt, wie der Körper durch sein Gewicht 
auf die Unterstützung. 


Hier heben sich die beiden wirksamen Kräfte gegenseitig 
auf und der Körper ist im Gleichgewicht der Ruhe. 


Auch an dem in der Höhe schwebenden Vogel muls ein 
nach oben gerichteter Unterstützungsdruck wirksam sein, den 
der Vogel sich irgendwie geschafft haben muls, und welcher 
dem Vogelgewichte das Gleichgewicht hält. 


Auch am fliegenden Vogel werden die wirksamen Kräfte 
sich zusammensetzen, wie die Mechanik es lehrt, sodals, wenn 
sie in gleicher Richtung auftreten, sie sich in ihrer Wirkung 
ergänzen, und wenn sie entgegengesetzt gerichtet sind, sich 
ganz oder teilweise aufheben, je nach ihrer Grölse. 


Auch Kräfte, welche nicht nach derselben Richtung am 
Vogelkörper wirksam sind, kann man nach der Diagonale 
des aus diesen Kraftlinien gebildeten Parallelogramms zu- 
sammensetzen, ebenso, wie man eine Kraft nach dem Paralle- 
logramm der Kräfte in zwei oder mehrere Kräfte zerlegen 
kann, die dasselbe leisten wie die unzerleste Kraft. 

Auch die durch Kräfte hervorgerufenen Bewegungserschei- 
nungen werden am Vogel sich nicht anders äulsern als an 
jedem anderen Körper. 


Een et 


Wenn eine Kraft einen Körper in Bewegung gesetzt hat 
und hört dann auf zu wirken, oder eine andere Kraft tritt 
hinzu, welche der ersten Kraft das Gleichgewicht hält, so 
bleibt der Körper in Bewegung, aber mit derselben Geschwin- 
digkeit und in derselben Richtung, die er im letzten Augen- 
blicke hatte, als er noch unter dem Einflusse einer einzigen 
Kraftwirkung stand; er ist dann im Gleichgewicht der Bewe- 
gung und keine wirkame Kraftäulserung findet mehr statt, 
obgleich Bewegung: vorhanden ist. 

In soleher Lage befindet sich der Körper eines mit gleich- 
mälsiger Geschwindigkeit dahinfliesenden Vogels. Auch hier 
herrscht Gleichgewicht unter den Kräften, weil der Vogel 
durch seine Flügelschläge nicht blofs eine Kraftwirkung hervor- 
ruft, wodurch er die Schwerkraft aufhebt, sondern er über- 
windet auch dauernd den Widerstand, den das Durchschneiden 
der Luft nach der Bewegungsrichtung verursaght. 

Wie nun die Natur aus dem ewigen Spiel der Kräfte an 
der gleichfalls ewigen Materie sich bildet, bringt der Mensch 
das Kräftespiel durch Wirkung und Gegenwirkung in der 
Technik zum bewulsten Ausdruck. 

Einfach erscheint uns der Vorgang, wenn wir durch die 
Kraft unseres tretenden Fulses die Drehbank oder den Schleif- 
stein in Bewegung setzen, um die Metalle zu bearbeiten und 
so die Muskelkraft unseres Beines zur Überwindung der 
Kohäsionskraft und Reibung verwenden. Nicht minder einfach 
bei richtiger Zergliederung sind die Überlegungen, welche uns 
dahin führen, die im Brennmaterial schlummernde Kraft als 
Dampfkraft in Thätigkeit treten zu lassen, wenn es sich 
darum handelt, Widerstände zu überwinden, denen unsere 
Muskelkraft nicht gewachsen ist. 

Auch die Zeit kann einmal kommen, wo die Flugtechnik 
einen wichtigen Teil der Beschäftigung des Menschen aus- 
macht, wenn für die Fliegekunst jene grolse Überbrückung 
aus dem Reiche der Ideen in die Wirklichkeit stattfinden 
sollte, wenn der erste Mensch in klarer Erkenntnis derjenigen 
Mittel, welche eine übergrolse Kraftäulserung beim wirklichen 


sn 


Fliegen entbehrlich machen, einen freien Flug durch die Luft 
unternimmt. 

Sei es, dals jener Mensch seinen Flügelapparat, was 
wünschenswert wäre, so anzuwenden versteht, dals seine 
Muskelkraft ausreicht, ihn die erforderliche Bewegung machen 
zu lassen, sei es, dals er zur Maschinenkraft greifen muls, 
um seine Flügel mit dem erforderlichen Nachdruck durch die 
Luft zu führen; in jedem Falle gebührt ihm das Verdienst, 
zum ersten Male Sieger geblieben zu sein in jenem Ringen, 
welches sich um die Überwältigung der zum Fliegen not- 
wendigen Kraftanstrengung entsponnen hat. 

Die Grölse dieser Kraftanstrengung, dieser Arbeitsleistung 
müssen wir unbedingt kennen lernen. Nur wenn dieses im 
vollsten Malse geschehen ist, können wir weiter auf Mittel 
sinnen, das grolse Problem seiner Verwirklichung entgegen- 
zuführen. re 

Was aber ist- Kraftanstrengung, was versteht man unter 
Arbeitsleistung beim Fliegen? Auch diese Begriffe können 
für die Fliegekunst nur dieselbe Bedeutung haben wie in der 
sonstigen Technik. Jede Kraft, wenn sie in sichtbare Wir- 
kung tritt, leistet Arbeit, jeder Widerstand erfordert Arbeit 
zu seiner Überwindung. Arbeit ist nötig, um eine Anzahl 
Ziegelsteine auf das Baugerüst zu heben, Arbeit ist nötig, 
um das Wasser aus der Erde zu pumpen, Arbeit verursacht 
das Mischen des Mörtels mit dem Wasser, Arbeit ist auch 
erforderlich, um — einen Flügel durch die Luft zu schlagen. 

Die Gröfse der Arbeit hängt ab von der Grölse der Arbeit 
leistenden Kraft oder dem zu überwindenden Widerstande. 
Sie hängt ferner davon ab, auf welcher Wegstrecke diese 
Überwindung stattfindet. 

Arbeitskraft und Arbeitsweg sind also Faktoren, aus denen 
die Arbeit sich zusammensetzt. Das Produkt aus diesen 
Faktoren, also „Kraft mal Weg“ giebt einen Malstab für 
die Arbeitsmenge. 

Dieses Produkt aus der zu überwindenden Kraft und der 
Wegstrecke, auf welcher diese Kraft überwunden wird, nennt 


Arie Le 


man „mechanische Arbeit“ und milst in der Regel die 
Kraft in Kilogrammen und den Weg in Metern. Das auf 
diese Weise gebildete Produkt bezeichnet man dann mit Kilo- 
srammmetern (kgm). 

Die Schnelligkeit, mit welcher eine derartige mechanische 
Arbeit geleistet wird, hängt von der Stärke oder Energie des 
dazu verwendeten Kraftaufwandes ab. Die zu einer Arbeits- 
leistung erforderliche Zeit ist also malsgebend für die Leistungs- 
fähigkeit der Arbeit verrichtenden Kraft. 

Die auf eine Sekunde entfallende mechanische Arbeits- 
leistung pflegt man als Mals dieser Arbeitskraft anzusehen, 
und in Vergleich mit derjenigen Arbeitsleistung zu stellen, 
welche ein Pferd durchschnittlich in einer Sekunde hervorzu- 
bringen imstande ist. 

Ein Pferd kann eine Kraft von 75 kg in einer Sekunde 
auf einer Strecke von 1 m überwinden, es kann also sekundlich 
75 kgm leisten. Hierbei ist gleichgültig, wie grofs die Kraft 
und wie grols die sekundliche Geschwindigkeit ist, wenn nur 
das Produkt beider 75 beträgt. 

Man nennt diese in einer Sekunde vom Pferde zu leistende 
Arbeit eine Pferdeleistung, Arbeitskraft des Pferdes oder kurz 
Pferdekraft, das Zeichen dafür ist „HP“. 

Die Arbeitsleistung des Menschen beträgt mean den 
vierten Teil einer Pferdekraft, wenn es sich um dauernde 
Kraftabgabe handelt. Vorübergehend kann jedoch der Mensch 
bedeutend mehr leisten, besonders, wenn dabei die stark mit 
Muskeln ausgerüsteten Beine zur Wirkung kommen, wie beim 
Ersteigen von Treppen. 

Auf leicht ersteigbaren Treppen kann man für kurze Zeit 
sein Gewicht um 1m pro Sekunde heben. Ein Mann von 
75kg Gewicht leistet also dabei axX1=75kgm oder eine 
Pferdekraft (HP). 

Für die Grölse der Arbeit ist nur die Grölse der zu über- 
windenden Kraft und nur der in die Richtung der Kraft fallende 
sekundliche Weg oder die Geschwindigkeit malsgebend, mit 


welcher die Kraft zu überwinden ist, nicht aber die Richtung 
dieser Kraft oder des Überwindungsweges; denn diese Rich- 
tung lälst sich durch einfache mechanische Mittel beliebig 
ändern. 

Indem nur noch auf die hebelartige Wirkung der Flügel 
und die dabei zur Anwendung kommenden Gesetze der Kraft- 
momente, in denen der Luftwiderstand am Flügel sich äussert, 
hingewiesen werden soll, erscheint die Fliegekunst als ein 
mechanisches Problem, dessen Zergliederung die nächste Auf- 
gabe sein soll. 


4. Die Kraft, durch welche der fliegende Vogel 
gehoben wird. 


Die Frage, warum der Vogel beim Fliegen nicht zur Erde 
fallt, wie es kommt, dafs der Vogel in der Luft durch eine 
unsichtbare Kraft getragen wird, ist in Bezug auf die Art 
der Kraft, welche dem Vogel diesen unsichtbaren Stützpunkt 
beim Fliegen gewährt, als vollkommen gelöst zu betrachten. 
Wir wissen, dals diese tragende Kraft nur aus dem Luft- 
widerstand bestehen kann, den die bewegten Vogelflügel in 
der Luft hervorrufen. 

Wir wissen ferner, dafs dieser Luftwiderstand an Grölse 
mindestens gleich dem Vogelgewichte sein muls, während 
seine Richtung der Anziehungskraft der Erde entgegengesetzt, 
also von unten nach oben wirken muls. 

Da der fliegende Vogel eben mit keinem anderen Körper 
in Berührung ist als mit der ihn umgebenden Luft, so kann 
auch die ihn hebende Kraft nur aus der Luft selbst stammen, 
und die Luft oder Eigenschaften der Luft müssen es sein, 
welche das Tragen des fliegenden Vogels verursachen. 

Diese hier tragend wirkende, durch Flügelbewegungen 
und Muskelarbeit in der Luft hervorgerufene Kraft kann da- 
her nichts Anderes als Luftwiderstand sein, also diejenige 


ei 


Kraft, welche jeder Körper überwinden muls, wenn er sich 
in der Luft bewegt, oder der Widerstand, welcher sich dieser 
Bewegung entgegensetzt. Sie ist aber auch die Kraft, mit 
welcher bewegte Luft oder Wind auf die im Wege stehenden 
Körper drückt. 

Wir wissen, dals diese Kraft mit der Querschnittsfläche 
des bewegten oder im Wege stehenden Körpers zunimmt, und 
im höheren Grade noch mit der Geschwindigkeit wächst, 
mit welcher der Körper durch die Luft bewegt wird oder mit 
welcher der Wind auf einen Körper trifft. 

Auch auf die von oben nach unten geschlagenen Vogel- 
flügel wird eine dieser Bewegung: entgegenstehende also von 
unten nach oben wirkende Luftwiderstandskraft drücken, aber 
nur, wenn die Geschwindigkeit des Flügelschlages genügend 
grols ist, wird ein genügend grolser Luftwiderstand entstehen, 
der imstande ist, das Herabfallen des Vogels zu verhindern. 

Das Wiederaufschlagen der Flügel muls dabei unter 
anderen Bedingungen vor sich gehen, damit nicht auch die 
umgekehrte Kraft dabei entsteht, die den Vogel ebenso viel 
niederdrückt, als der Flügelniederschlag ihn hob. 

Man kann sich vorläufig denken, dals vor dem Aufschlag 
die Flügel eine solche Drehung machen, dafs möglichst wenig 
Widerstand beim Heben derselben in der Luft entsteht, oder 
dals die Luft beim Aufschlag teilweise zwischen den etwa in 
anderer Stellung befindlichen Federn des Flügels hindurch- 
dringen kann, und so dem Aufschlag wenig Widerstand ent- 
gegensetzt. 

Was noch an niederdrückender Wirkung beim Heben der 
Flügel entsteht, muls durch einen Überschuls an Hebewirkung 
beim Niederschlagen der Flügel wieder aufgehoben werden. 

Hieraus ergiebt sich nun, dals durch die Flügelschläge 
eines fliegenden Vogels ein Luftwiderstand entstehen muls, 
dessen Gesamtwirkung durchschnittlich gleich einer Kraft ist, 
welche eine Richtung nach oben und mindestens die Grölse 
des Vogelgewichtes hat. 


en Nee ee 


5. Allgemeines über den Luftwiderstand. 


Wenn ein Körper sich durch die Luft bewegt, so werden 
die Luftteile vor dem Körper gezwungen, auszuweichen und 
selbst gewisse Wege einzuschlagen. Auch hinter dem Körper 
wird die Luft in Bewegung geraten. 

Hat der Körper eine gieichmälsige Geschwindigkeit in 
ruhender Luft, so wird auch in der den Körper umgebenden 
Luft eine gleichmälsige Bewegung eintreten, die im wesent- 
lichen darin besteht, dals die Luft vor dem Körper sich aus- 
einander thut und hinter dem Körper wieder zusammengeht. 

Die hinter dem Körper befindliche Luft wird teilweise 
die Bewegungen des Körpers mitmachen, und aulserdem werden 
gewisse regelmälsige Wirbelbewegungen in der Luft entstehen, 
welche sich noch eine Zeit lang auf dem von dem Körper in 
der Luft beschriebenen Wege vorfinden werden und erst all- 
mählich durch die gegenseitige Reibung aneinander zur Ruhe 
kommen. 

Der vorher in Ruhe befindlichen Luft müssen alle diese 
Bewegungen, die für das Hindurchlassen des Körpers durch 
die Luft nötig sind, erst erteilt werden; und deshalb setzt 
die Luft dem in ihr bewegten Körper einen gewissen mels- 
baren Widerstand entgegen, zu dessen Überwindung eine 
gleich grolse Kraft gehört. 

Die genauere Kenntnis dieses Luftwiderstandes erstreckt 
sich nun leider nur auf wenige, ganz einfache Anwendungs- 
fälle, und man kann sagen, dafs nur derjenige Luftwiderstand 
wirklich allgemein bekannt ist, welcher entstelt, wenn eine 
dünne, ebene Platte senkrecht zu ihrer Flächenausdehnung 
durch die Luft bewegt wird. 

Schon für den Fall, wo diese Bewegung der ebenen Platte 
oder Fläche durch die Luft unter einer anderen Neigung ge- 
schieht, weichen die in den technischen Handbüchern an- 
geführten Formeln in einer wenig Vertrauen erweckenden 


Weise voneinander ab. 
Lilienthal, Fliegekunst. 2 


= 


Noch weniger bekannt sind die Gesetze des Luftwider- 
standes für gekrümmte Flächen. 


Man kann dieses Gebiet der Mechanik als ein bisher 
sehr wenig erforschtes bezeichnen. 


Als ausreichend bewiesen und durch viele Versuche fest- 
gestellt erscheint nur der Satz, dals der Luftwiderstand pro- 
portional der Fläche zunimmt und mit dem Quadrat der Ge- 
schwindigkeit wächst. 


Eine ebene Fläche von 1 qm, welche mit gleichmälsiger 
Geschwindigkeit in der Sekunde einen Weg von I m normal 
zu ihrer Flächenausdehnung zurücklest, erfährt einen Wider- 
stand von rund Q,ıskg. Hiernach berechnet sich der Luft- 
widerstand von ZLkg für eine Fläche von F qm bei einer 
sekundlichen Geschwindigkeit von v qm nach der Formel: 


L= 0,13: P. 02. 


Die Richtung dieses Luftwiderstandes steht der Natur der 
Sache nach senkrecht zur Fläche und der Angriffspunkt seiner 
Mittelkraft befindet sich im Schwerpunkt der Fläche. 


Es ist noch besonders zu bemerken, dafs diese Formel 
nur angewendet werden kann bei einer gleichmäfsigen 
Geschwindigkeit, für welche die Vorgänge in der umgebenden 
Luft bereits im Beharrungszustande sich befinden. Bei 
den eigentlichen Flügelschlagbewegungen trifft dieses letztere 
nicht zu, worauf später näher eingegangen werden soll. 


Die Mangelhaftigkeit der Angaben über den Luftwider- 
stand in den technischen Lehr- und Handbüchern rührt wohl 
davon her, dals kein rechtes Bedürfnis für die genauere 
Kenntnis der näheren Eigenschaften des Luftwiderstandes 
vorhanden war. Erst die Flugtechnik selbst macht diesen 
Mangel fühlbar, der in der gesamten übrigen Technik weniger 
zu Tage getreten ist. 


6. Die Flügel als Hebel. 


Ein auf- und niedergeschlagener Vogelflügel hat an allen 
Punkten verschiedene Geschwindigkeiten. Nahe am Vogel- 
körper ist seine Geschwindigkeit fast Null, sie nimmt zu bis 
zu den Spitzen. Der von den einzelnen Flügelteilen erzeugte 
Luftwiderstand wird daher auch ein verschiedener sein. 


Während wir nun von der Gesamtgrölse des Luftwider- 
standes, der unter den Vogelflügeln entsteht, wissen, dals 
dieselbe mindestens die Grölse des Vogelgewichtes haben 
muls, wissen wir zunächst nicht genauer, wie sich der Luft- 
widerstand in seiner spezifischen Grölse auf die einzelnen 
Flügelpunkte verteilt, da allerhand Nebenumstände hierbei 
von Einfluls sein können. 


Als Centrum des unter jedem Flügel, Fig. 1, wirkenden 
Luftwiderstandes ist nun derjenige Punkt des Flügels anzu- 


Centrum f 
< l 


| Hebelarm 


P 


Luftwiderstand 


Kraffmomenf =Px] 


III 


ZZ 


Fig. 1. 


sehen, an welchem der ganze Luftwiderstand als Einzelkraft 
wirkend gedacht werden muls, um für den Drehpunkt «a des 
Flügels dasselbe Kraftmoment zu bilden, wie der in Wirklich- 
keit auftretende ungleichmälsig verteilte, hebend wirkende 
Luftwiderstand. Für den Drehpunkt « des Flügels ist Z der 
Hebelarm des Luftwiderstandes. 

DE 


0 


An diesem Centrum würde für den Vogel der Luftwider- 
stand fühlbar werden, wenn der Vogelflügel ein vollkommen 
starres Organ, ein starrer Hebel wäre, was er aber in der 
That nicht ist. Der Vogel würde in diesem Centrum den 
eigentlichen Stützpunkt, auf dem er ruht, fühlen. Obwohl 
dies nun wörtlich genommen nicht der Fall sein wird, so 
ergiebt sich durch das Herunterschlagen der Flügel für den 
Vogel doch dieselbe Anstrengung, als wenn er mit dem 
als Hebel gedachten Flügel eine Kraft überwinden mülste, 
welche gleich dem Luftwiderstand wäre und in seinem Centrum 
angriffe. 

Für die eigentliche Flügelgeschwindigkeit, welche für den 
Vogel in betreff seiner Muskelthätigkeit fühlbar wird, haben 
wir mithin die Geschwindigkeit desjenigen Flügelpunktes an- 
zusehen, in welchem das Centrum des unter seinem Flügel 
wirkenden Luftwiderstandes liegt. Für die Beanspruchung 
des Flügels im Punkte a bildet P>xI das Kraftmoment, nach 
dem die Festigkeit der am meisten beanspruchten Flügelstelle 
zu berechnen wäre. 


7. Über den Kraftaufwand zur Flügelbewegune, 


Der Vogel fühlt den Widerstand, den seine Flügel in der 
Luft erfahren, er überwindet diesen Luftwiderstand, und darin 
besteht im wesentlichen der Kraftaufwand oder die Arbeits- 
leistung des fliegenden Vogels. Der zu überwindende Luft- 
widerstand wird namentlich beim Herunterschlagen der Flügel 
vorhanden sein. 

Die sekundliche Arbeitsleistung des Vogels beim Flügel- 
schlag ist ein Produkt aus der überwundenen Kraft und der 
Wegstrecke, auf welcher diese Kraft in der Sekunde zu über- 
winden ist, also der von den Flügeln erzeugte Luftwiderstand 
multipliziert mit der sekundlichen Geschwindigkeit des Luft- 
widerstandscentrums. 


a 


Ist der Widerstand in Kilogrammen und die Geschwin- 
digkeit in Metern gemessen, so ergiebt sich die Arbeitsleistung 
oder der sekundliche Kraftaufwand in Kilogrammmetern, von 
denen 75 auf 1 HP (Pferdekraft) gehen. 

Kennen wir demnach den von den beiden Flügeln er- 
zeugten Luftwiderstand Z, Fig. 2, und die Geschwindigkeit in 
seinen Angriffspunkten bei c, 
so können wir den zu dieser 
Flügelbewegung nötigen und 
durch die Muskelkraft des 
Vogels auszuübenden Kraft- 
aufwand genau berechnen. 


/ragender / 
Wenn z. B. ein Vogel Luffmiders/and 

durchschnittlich einen Luft- Fig. 2. 

widerstand von 3 kg erzeu- 

gen muls, um sich in der Luft fliegend zu halten, und die 

Flügel im Centrum dabei eine durchschnittliche Geschwindig- 

keit von lm pro Sekunde haben, so leistet er die sekundliche 


Arbeit von 3x1=3kgm oder - Pferdekraft. 


Es soll dieses Beispiel nur den Zusammenhang zwischen 
dem Flugresultat und demjenigen Zahlenwert veranschaulichen, 
welcher die zum Fliegen erforderliche Arbeit ausdrückt. 


8. Der wirkliche Flügelweg und die fühlbare Flügel- 
geschwindigkeit. 


Das Vorwärtsfliegen ist der eigentliche Zweck des Fliegens, 
und daher werden die Vögel mit ihren Flügeln in der Luft 
meistens eine Bewegung machen, welche nicht blofs von oben 
nach unten, sondern gleichzeitig vorwärts gerichtet ist. Es 
ergiebt sich daher ein absoluter Weg und eine absolute Ge- 
schwindigkeit für die einzelnen Flügelpunkte von verschieden 
geneigter Lage. 


In Bezug auf den Kraftaufwand, der namentlich zum 
Herabschlagen der Flügel nötig ist, wird diese absolute Ge- 
schwindigkeit der Flügel aber nicht in Rechnung zu ziehen 
sein, sondern nur der Bestandteil dieser Geschwindigkeit, 
relativ zum vorwärts bewegten Vogelkörper, denn der Vogel 
überwindet den ihm fühlbaren, gegen seine Flügel gerichteten 
Luftwiderstand immer nur mit der Geschwindigkeit, mit 
welcher er die Flügel relativ zu seinem Körper herabdrückt. 
Nur diese Bewegung kostet ihm Anstrengung, indem nur für 
sie die Zusammenziehung seiner Flügelmuskeln erforderlich ist. 

Diese in Rede stehende Geschwindigkeit der Vogelflügel, 
relativ zum Vogelkörper gemessen, dürfen wir daher die fühl- 
bare. Flügelgeschwindigkeit nennen. Nur diese Geschwindig- 
keit kommt in Betracht, wenn es sich um die Berechnung der 
beim Fliegen zu leistenden Muskelarbeit des Vogels handelt, 
möge der Vogel noch so schnell dabei vorwärts fliegen. 

Die fühlbare Flügelgeschwindigkeit wird nicht immer ab- 
solut senkrecht gerichtet sein, auch wird nicht nur der Nieder- 
schlag, sondern in geringerem Grade auch die Flügelhebung 
dem Vogel Anstrengung kosten; es gilt hier aber zunächst, 
den Teil der Flügelgeschwindigkeit auszuscheiden, welcher 
aulser acht gelassen werden muls, wenn aus den Bewegungen 
des Vogels berechnet werden soll, welche mechanische Arbeit 
er beim Fliegen leisten muls. 


9. Der sichtbare Kraftaufwand der Vögel. 


Wenn wir einen Vogel fliegen sehen, so können wir uns 
allemal ein ungefähres Bild von seiner bei diesem Fluge zu 
leistenden Kraftanstrengung verschaffen. Je langsamer die 
Flügelschläge erfolgen, und je geringer ihr Ausschlag ist, 
desto weniger Arbeit wird der Flug dem Vogel verursachen. 
Wenn der Vogel gar mit stillgehaltenen Flügeln segelt oder 


En 


kreist, so werden wir annehmen müssen, dals seine Muskel- 
thätigkeit dabei eine verschwindend kleine ist. 

Aber auch einen ungefähren Zahlenwert für die Flug- 
arbeit der Vögel können wir ohne Schwierigkeiten erhalten. 
Wir können die Flügelschläge zählen, welche vom Vogel in 
der Sekunde gemacht werden; wir können uns die Kenntnis 
vom Gewichte des Vogels und von der Form seiner aus- 
gehbreiteten Flügel verschaffen; wir können aus letzterer auch 
auf die ungefähre Lage desjenigen Flügelpunktes schlielsen, 
an welchem die Mittelkraft des hebenden Luftwiderstandes 
angreift, und nach Feststellung des Flügelausschlages den 
ungefähren Hub dieses Luftwiderstandscentrums in Metern 
gemessen angeben. 

Durch unsere Sinneswahrnehmungen an einem fliegenden 
Vogel können wir daher mit einem gewissen Grad von Ge- 
nauigkeit die Fliegearbeit herleiten, welche in der Überschrift 
„Der sichtbare Kraftaufwand der Vögel“ genannt ist. 

Es sei angenommen, was ja annähernd der Fall ist, dals 
der Vogel die Flügel gleich schnell hebt und senkt, dals also 
für die Flügelaufschläge in Summa dieselbe Zeit verbraucht 
wird als zu den Niederschlägen. Es sei ferner angenommen, 
dals der Flügelaufschlag verschwindend wenig auf Hebung 
und Senkung des Vogels einwirkt und auch verschwindend 
wenig Muskelarbeit erfordert. Die Fliegearbeit des Vogels 
besteht dann nur im Herunterschlagen der Flügel, und nur 
die hierbei pro Sekunde zurückgelegte relativ zum Vogel 
gemessene Wegstrecke des Luftwiderstandscentrums ist für 
die Rechnung in Anschlag zu bringen. 

Wenn der Vogel @ kg wiegt, wird beim Flügelaufschlag 
diese Kraft ihn herunterdrücken, denn sie wirkt während 
dieser Zeit allein auf den Vogel. Damit der Vogel aber beim 
Flügelniederschlag sich wieder ebensoviel hebt, wie er beim 
Flügelheben sank, muls auch beim Flügelniederschlag eine 
Kraft von @kg hebend auf den Vogel wirken. Der Vogel 
muls daher durch Niederschlagen seiner Flügel einen nach 
oben wirkenden Luftwiderstand erzeugen von der Grölse 2 G, 


a oe 


damit nach Abzug seines Gewichtes @ noch ein @ als Hebe- 
wirkung übrigbleibt. Nur so ist der Vogel, welcher ohne 
zu steigen und ohne zu sinken fliegt, im Gleichgewicht zu 
denken. 

In Wirklichkeit geschieht der Flügelaufschlag der Vögel, 
wie die Beobachtung lehrt, etwas schneller wie der Nieder- 
schlag. Dadurch würde der hebende Luftwiderstand etwas 
kleiner als 2 @ sein dürfen. Läfst man ihn jedoch für die 
überschlägliche Rechnung zunächst in dieser Grölse, so hat 
man ein Äquivalent für die jedenfalls geringe, aber immerhin 
noch vorhandene Arbeitsleistung beim Aufschlag der Flügel. 

Die beim Flügelniederschlag vom Vogel zu überwindende 
Kraft ist mithin in der Gröfse von 2@ in Anschlag zu 
bringen, und die während 
des Niederschlages auf den 
Vogel wirkenden Kräfte 
sind durch Fig. 3 dar- 
gestellt. 

Diese Widerstandskraft 
ist nın vom Vogel auf 
der Ausschlagsstrecke des 
Druckcentrums so oft in 


———9@ e——— der Sekunde zu überwin- 
I Luffnwidersiand. x den als Flügelschläge in 
IN IN Re: 

Fig. 8 der Sekunde gezählt wur- 


den, und dieses giebt den 
zweiten Faktor des Produktes, aus dem sich der pro Sekunde 
zu leistende Kraftaufwand zusammensetzt. Nennen wir die 
Ausschlagstrecke s, und werden n Flügelschläge pro Sekunde 
gemacht, so ist der sekundliche Widerstandsweg n-s und die 
sekundliche Arbeitsleistung 
A=2G-.n-s. 

Ein Beispiel möge dies erläutern: 

Ein 4kg schwerer Storch macht 2 Flügelschläge in der 
Sekunde und der Flügelausschlag beträgt im Centrum des 
Luftwiderstandes etwa 0,4 m. 


u Ro pn 


Bs ist also für den Storch G=4 n=92; s—(a Er 
braucht daher ungefähr den Kraftaufwand A = 2.4.2.04 = 
6, kgm, also noch nicht den zehnten Teil einer Pferdekraft. 

Es ist ganz lehrreich, auf diese Weise die ungefähre 
Kraftleistung verschiedener Vögel zu berechnen. Man wird 
finden, dafs dieselbe viel geringer ist, als man im allgemeinen 
annimmt. 

Gewährt nun diese Art der Berechnung zunächst auch 
nur einen ungefähren Überschlag der Kraftleistung, so ist doch 
einzusehen, dals sich der so erhaltene Wert nicht viel von 
dem wirklichen Kraftaufwand der Vögel unterscheiden kann. 


10. Die Überschätzung der zum Fliegen erforder- 
lichen Arbeit. 


Die geringe Kenntnis der Gesetze des Luftwiderstandes 
war schuld, dals sich für die Arbeit, welche die Vögel beim 
Fliegen leisten müssen, eine Meinung herausgebildet hat, wo- 
nach die Vögel wahre Ungeheuer von Muskelkraft sein sollten. 
Man mals nicht die Geschwindigkeit, mit welcher die Vögel 
ihre Flügel wirklich bewegen, sondern mals die Grölse der 
Flügelflächen, und berechnete, wie schnell sie dieselben be- 
wegen müssen, um einen genügend grolsen Luftwiderstand zu 
erzeugen. Hierbei wurden Formeln benutzt, wie solche in 
den technischen Handbüchern zu finden sind, und was sich 
dadurch ergab, zerstörte alle Hoffnung, den Vogelflug mit 
mechanischen Mitteln nachahmen zu können. Auch hierfür 
soll ein Beispiel angeführt werden: 

Derselbe vorhin betrachtete Storch von 4 kg Gewicht 
besitzt eine Flugfläche von cirka 0, qm. Es fragt sich nun, 
wie schnell muls diese Fläche abwärts bewegt werden, um 
während der Zeit des Flügelniederschlages einen Luftwider- 
stand von 2x4=38kg hervorzurufen, der zur dauernden 
Hebung ausreicht. 


Erge 


Nach der gewöhnlichen Luftswiderstandsformel: 


L=0(,13.#.02 
erhält man = (0,13.0,5. 0%, 
FT; 1% Y STE 
woraus folgt: v = Tr eirka 11 m. 


Diese Geschwindigkeit wirkt aber nur während der halben 
Flugdauer, ist daher nur mit 5,5 m in Anschlag zu bringen, 
woraus sich eine sekundliche Arbeitsleistung für den Storch 
von 8.55 = 44 kgm ergiebt, also mehr wie '/, HP. 

Hierbei ist angenommen, dals alle Flügelpunkte gleich 
stark ausgenützt werden, indem sie alle an der Geschwindig- 
keit von 11 m teilnehmen. Würde man die eigentliche Flügel- 
bewegung in Rechnung ziehen, so würde sich ein noch un- 
günstigeres Verhältnis herausstellen und für den Storch sich 
eine Arbeitsleistung von mehr wie 75kgm oder über eine 
Pferdekraft berechnen, während in Wirklichkeit vom Storch 
nur eirka "/o Pferdekraft beim ungünstigsten Fliegen ge- 
leistet wird. 

Dieses Beispiel beweist, wie sich über den Kraftverbrauch 
beim Fliegen eine Meinung herausbilden konnte, welche das 
Heil der ganzen Fliegekunst nur in der Beschaffung aufser- 
gewöhnlich starker und leichter Motoren erblickte. Die 
Beobachtung der Natur hingegen lehrt, dafs die Kraftpro- 
duktionen der Vogelwelt, aus denen dieses Bedürfnis nach 
eigenartigen Motoren hervorgehen sollte, in das Reich der 
Fabeln zu verweisen sind, und sie drängt uns dafür die Über- 
zeugung auf, dals doch noch irgendwo die richtigen Schlüssel 
für die Lösung dieser Widersprüche verborgen sein müssen. 


li. Die Kraftleistungen für die verschiedenen Arten 
des Fluges. 


Wohl ist der Vogel ein starkes Tier, und sein Flugapparat 
ist mit Muskeln ausgestattet, wie wenig andere Bewegungs- 
organe in der Tierwelt; dafs jedoch Kraftleistungen von den 


ei 


Vögeln ausgeübt werden können, wie zuletzt berechnet, und 
wonach der Storch schon eine Pferdekraft gebraucht, ist un- 
wahrscheinlich und nach dem, was wir über die Eigenschaften 
der Muskelsubstanz wissen, als unmöglich anzusehen. Der 
ebenfalls berechnete sichtbare Kraftaufwand, der jedenfalls 
mit der Wirklichkeit in engerem Zusammenhange steht, er- 
giebt hingegen für die Muskelanstrengungen der Vögel Re- 
sultate, nach denen letztere zwar auch als mit starken Muskeln 
organisierte Wesen erscheinen, welche jedoch die Grenzen des 
Natürlichen nicht überschreiten. 

Hier kommt nun noch hinzu, dals, wie jeder aufmerksame 
Beobachter der Vogelwelt weils, viele Vögel imstande sind, 
fast ohne Flügelschlag, also auch fast ohne Muskelanstren- 
gung sich scheinbar segelnd oder schwebend in der Luft zu 
halten, ohne zu sinken. Wir nehmen diese Erscheinungen an 
den meisten Raub- und Sumpfvögeln, sowie fast an allen See- 
vögeln wahr. Dieselben bedienen sich, wenn auch nicht aus- 
schlielslich, so doch vielfältig des Segelfluges, woraus zu 
folgern ist, dals der Segelflug besonders für gewisse Arten 
der Fortbewegung in der Luft oder besonders für gewisse 
Zustände der Luft geeignet ist. 

Immerhin ist festgestellt, dals unter gewissen Umständen 
ein lange dauerndes Fliegen ohne wesentliche Flügelschläge 
möglich sein muls, und dafs für viele Fälle ein Fliegen in 
der Luft mit Hülfe von geeigneten Flügeln bewirkt werden 
kann, zu welchem nur eine äulserst geringe motorische 
Leistung nötig ist, sogar nur ein Kraftaufwand, welcher schein- 
bar noch geringer ist, als der zum Gehen auf der Erde 
erforderliche. 

Nur unter Annahme dieser äusserst geringen Fliegearbeit 
ist auch die Ausdauer, welche viele Vögel beim Fliegen be- 
thätigen, denkbar. Viele unter ihnen fliegen thatsächlich den 
ganzen Tag vom Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ohne 
sichtbare Ermüdung. Schon alle unsere Schwalbenarten, die 
buchstäblich in der Luft leben, liefern uns hierfür ein gutes 
Beispiel. Lassen sich doch diese eigentlich nur dann nieder 


re 


um das Material zum Bau ihres Nestes von der Erde aufzu- 
heben, ja, die Turmschwalbe vermag nicht einmal von der 
tlachen Erde aufzufliegen, und benutzt ihre verkümmerten 
Fülse nur, um in ihr Nest hineinzukriechen. Wie wäre aber 
ein solches Leben in der Luft denkbar, ohne die Annahme 
einer durchschnittlich wenigstens mälsig grofsen Fliegearbeit; 
welche Energie mülsten Ernährungsprozels und Atmungs- 
thätigkeit haben, wenn ein solches unausgesetztes Fliegen 
eine motorische Leistung erforderte, wie dieselbe mit Hülfe 
der bekannten Luftwiderstandsformel sich berechnet? 


Wir stehen hier zunächst vor einem Rätsel, dessen nähere 
Besprechung die Aufgabe der nächsten Abschnitte sein soll. 


Diese in die Erscheinung tretende geringe Flugarbeit kann 
der Vogel aber nicht immer anwenden, z. B. dann nicht, wenn 
er sich bei Windstille von der Erde oder vom Wasser erhebt, 
oder wenn er genötigt ist, sich in ruhender Luft, ohne vor- 
wärts zu lliegen, zu halten. Wir sehen ihn dann viel stärker 
wie gewöhnlich mit den Flügeln schlagen und merken ihm 
entschieden an, dals ein derartiges Fliegen ihm eine solche 
Anstrengung verursacht, die ihn in kurzer Zeit ermüdet. Aber 
auch diese Anstrengung erreicht bei weitem nicht die Grölse 
der im vorigen Abschnitt berechneten, wenn schon sie das 
Vorhandensein der grolsen auf der Brust gelagerten Flügel- 
muskel erklärt. 


Wir haben eben bei den Vögeln verschiedene Fälle von 
Kraftleistung beim Fliegen zu unterscheiden, je nach den ver- 
schiedenen Arten des Fliegens. 


Wir wissen, dals das Auffliegen in windstiller Luft den 
Vögeln besondere Anstrengung verursacht. Es giebt sogar 
viele Vogelarten, die ein Auffliegen von ebener Erde über- 
haupt nicht fertig bringen, trotzdem aber zu den gewandtesten 
und ausdauerndsten Fliesern gerechnet werden müssen. 


Die meisten kleineren Vögel sind allerdings imstande, 
ohne Vorwärtsgeschwindigkeit eine Zeit lang stillstehend, so- 
gar etwas steigend in ruhiger Luft sich zu halten. 


> 


Wir können dies z. B. am Sperling beobachten, wenn er 
unter vorspringenden Dachgesimsen nach Insekten sucht. 

Aber der Möglichkeit eines derartigen Fliegens sind enge 
Grenzen gezogen. 

Dals ein Sperling, welcher in einen, wenn auch weiteren 
Schornstein gefallen ist, diesen durch senkrechtes Auffliegen 
nicht wieder verlassen kann, ist bekannt. Aber auch in 
grölseren Lichtschächten von etwa einer Grundfläche von 2 m 
im Quadrat können Sperlinge nür wenige Meter hoch fliegen 
und fallen meist, ohne die Höhe zu erreichen, ermattet wieder 
nieder. Sie können offenbar hierbei nicht diejenige Vorwärts- 
geschwindigkeit erlangen, welche ihrem Fluge nötig ist. 

Aus diesen und vielen anderen Beispielen erscheint das 
Fliegen ohne Vorwärtsgeschwindigkeit als dasjenige, welches 
die grölste Anstrengung erfordert. 

Schon durch einen Vergleich der Flügelschlagzahlen er- 
giebt sich, dals ein schnell vorwärtsfliegender Vogel viel 
weniger Arbeitsleistung aufzuwenden braucht, als wie bei 
Beginn seines Fluges nötig war. Auch der Flügelhub nimmt 
beim schnellen Vorwärtsfliegen wesentlich ab. 


Es müssen unbedingt beim Vorwärtstliegen Wirkungen 
eintreten, welche in den Gesetzen des Luftwiderstandes be- 
gründet sind und diese nicht wegzuleugnende Arbeitsvermin- 
derung hervorrufen, welche also die Veranlassung sind, dals 
auch schon bei langsamerem, weniger weit ausgeholtem Flügel- 
schlag, der also auch weniger Arbeit verursacht, derjenige 
Luftwiderstand entsteht, der gleich oder grölser wie das 
Vogelgewicht ist und eine genügende Hebung bewirkt. Der 
Nutzen, den das Vorwärtsiliegen dem Vogel brinst, wird ihm 
auch von dem auf ihn zuströmenden Winde gewährt. Alle 
Vögel erleichtern sich daher das Auffliegen, indem sie gegen 
den Wind sich erheben, oft selbst auf die Gefahr hin, über 
das Rohr oder den Rachen des Verfolgers hinweg zu müssen; 
denn bei der Jagd auf Vögel rechnen sowohl Mensch wie Tiere 
mit diesem Umstande. 


le ES 


Viele grölsere Vögel pflegen stets beim Auffliesen durch 
Hüpfen in grolsen Sätzen sich erst die erforderliche Vorwärts- 
geschwindigkeit zu geben. Wer jemals einen Reiher, Kranich 
oder anderen grölseren Sumpfvogel bei Windstille auffliegen 
sah, dem wird dieses charakteristische, von Flügelschlägen 
begleitete Hüpfen unvergelslich bleiben. 


Endlich nehmen wir an vielen Vögeln eine dritte Flugart 
wahr, bei welcher die Kraftanstrengung noch viel geringer 
sein muls, indem die Flügel eigentlich nicht auf- und nieder- 
geschlagen werden, sondern sich nur wenig drehen und 
wenden. Der Vogel scheint mit den Flügeln auf der Luft zu 
ruhen und die Flügelstellung nur von Zeit zu Zeit zu ver- 
bessern, um sie der Luft und seiner Flugrichtung anzupassen. 


Soviel bis jetzt bekannt, ist zu einem derartigen dauern- 
den Schweben ohne Sinken, das vielfach in kreisender Form 
geschieht, eine gewisse Windstärke erforderlich; denn alle 
Vögel suchen zu derartigen Bewegungen höhere Luftregionen 
auf, in denen der Wind stärker und ungehinderter weht. 


Einen deutlichen Beweis hierfür liefern beispielsweise die 
in einer Waldlichtung aufsteigenden Raubvögel. Sie erheben 
sich mit mühsamen Flügelschlägen, da in der Lichtung fast 
Windstille herrscht. Sowie sie aber die Höhe der Baum- 
kronen erreicht haben, über denen der Wind ungehindert hin- 
streicht, beginnen sie ihre schönen Kreise zu ziehen. Sie 
halten dann die Flügel still und fallen nicht etwa wieder 
herab, sondern schrauben sich höher und höher, bis sie oft 
kaum noch mit blofsem Auge erkennbar sind. 


Ein solcher Schwebeflug ist nicht zu verwechseln mit 
dem Sichtreibenlassen, das man an allen Vögeln bemerkt, 
wenn dieselben die ihnen augenblicklich innewohnende leben- 
dige Kraft ausnutzen und mit stillgehaltenen Flügeln dahin- 
schielsen, meistens allmählich sinkend und an Geschwindigkeit 
abnehmend, bis sie sich setzen. Das letzte Ende einer so 
durchflogenen Strecke und der letzte Rest der lebendigen 
Kraft wird häufig dazu benutzt, eine kleine Hebung auszu- 


führen, namentlich wenn nicht die flache Erde, sondern ein 
erhöhter Sitzpunkt gewählt ist. 

Haben wir uns hiermit einen allgemeinen Überblick über 
die verschiedenen Flugarten verschafft, so können wir die 
Fliegebewegungen hiernach in betreff der erforderlichen Kraft- 
leistung in 3 Gruppen eintheilen. 

Die erste derselben besteht in dem Fliegen ohne Vorwärts- 
bewegung, aber auch ohne Windwirkung, also genauer aus- 
gedrückt in dem Fliegen, wo der Vogel gegen die ihn um- 
gebende Luft keine wesentliche Ortsveränderung erfährt. 
Dieses wäre dann auch der Fall, wenn ein Vogel mit dem 
Winde fliegt und zwar genau so schnell, wie der Wind weht. 
In diesen Fällen ist die vorkommende gröfste Flugarbeit er- 
forderlich, abgesehen davon, wenn der Vogel noch aulserdem 
senkrecht sich schnell erheben will. Zu der Bewältigung 
dieser Arbeitsgrölse findet eine Ausnutzung des grolsen Muskel- 
materials der Vögel statt. Jeder Vogel kommt auch in die 
Lage, sowohl beim Auffliegen als bei seinen Jagdmanövern 
diese auf seiner Brust gelagerte Muskelmasse auszunutzen, er 
braucht dieselbe daher, um in sein Element hineinzukommen 
und sich darin zu ernähren. 


Die zweite Fliegeart ist die, welche von den meisten 
Vögeln zu ihrer gewöhnlichen Fortbewegung angewendet wird. 
Sie besteht in dem gewöhnlichen Ruderflug mit mälsig 
schnellem Flügelschlag. Diesen Flug können alle Vögel aus- 
führen. Er ist immer mit Ausnahme des Fliegens gegen 
starken Wind mit einer schnellen Ortsveränderung verbunden. 
Der Ruderflug verursacht den Vögeln eine mälsige Anstren- 
gung und viele derselben entwickeln hierbei eine bedeutende 
Ausdauer, woraus zu schlielsen ist, dafs die dazu in Thätig- 
keit kommenden Muskeln nicht bis auf das äulserste Mals 
ihrer Spannkraft beansprucht werden. 


Die dritte Art des Fliegens endlich ist diejenige, welche 
wir mit Schwebeflug zu bezeichnen haben, und welche fast 
einem passiven Schweben in der Luft gleicht, indem dabei 


EI HER 


keine, eigentliche Kraftleistung erfordernde Flügelschläge statt- 
finden. 

Zu einem solchen schwebenden Fliegen scheint eine ge- 
wisse vorteilhafte Organisation des Flugapparates erforderlich 
zu sein, da nur gewisse und vorwiegend grölsere Vogelarten 
sich eines solchen anstrengungslosen Fluges bedienen können. 

Diese Fliegeart erweckt insofern das gröfste Interesse, 
als sie den Beweis liefert, dals die Lösung des Fliegeproblems 
durch den Menschen nicht von der Kraftbeschaffung abhängt, 
weil es eine Fliegeart giebt, zu der so gut wie keine. Kraft- 
leistung erforderlich ist, und deren Nutzbarmachung nicht mit 
der Kleinheit, sondern mit der Grölse der Vögel zunimmt. 

Die Grundzüge dieser Fliegeart kennen zu lernen, muls 
als die vornehmste Aufgabe der Flugtechnik betrachtet werden. 
Aber auch um die Rätsel der anderen Fliegearten zu lösen, 
über die bei diesen stattfindenden mechanischen Vorgänge 
Rechenschaft zu geben, um den wirklichen Kraftbedarf nach- 
weisen zu können, ist die Flugtechnik berufen. 


12. Die Fundamente der Flugtechnik. 


Nur fundamentale Untersuchungen können die richtige 
Erkenntnis der Vorgänge beim Vogelfluge fördern, und auf 
die Fundamente der Flugtechnik müssen wir zurückgreifen, 
wenn es sich darum handelt, die vollkommenen Bewegungs- 
erscheinungen, wie die Vogelwelt sie uns bietet, möglichst 
richtig zu erkennen und dann künstlich nachzuahmen. 

Von der einschneidendsten Wirkung muls das Gefundene 
sein, um den grolsen Widerspruch zu lösen, der bei der Be- 
rechnung der Flugarbeit sich ergiebt. 

Wie aber müssen nun solche Flügel beschaffen sein, und 
wie müssen wir sie bewegen, wenn wir das nachbilden wollen, 
was die Natur uns so meisterhaft vormacht, wenn wir einen 


nn 


freien schnellen Flug bewirken wollen, der nur eine geringe 
Arbeitsleistung erfordert? 

Alles Fliegen beruht auf Erzeugung von Luftwiderstand, 
alle Flugarbeit besteht in Überwindung von Luftwiderstand. 

Der Luftwiderstand muls immer in genügender Stärke 
erzeugt werden, aber er muls mit möglichst geringer 
Arbeitsgeschwindigkeit überwunden werden können, da- 
mit die zu seiner Überwindung nötige, also zum Fliegen er- 
forderliche Arbeit eine möglichst geringe wird. 

Hierin wurzelt die Überzeugung, dals unsere Erkenntnis 
der wirklichen mechanischen Vorgänge beim Vogelfluge nur 
gefördert werden kann, wenn wir die Gesetze des Luftwider- 
standes erfolgreich erforschen, sowie die Überzeugung, dals 
diese Kenntnis uns dann auch die Mittel an die Hand giebt, 
erfolgreich auf dem Gebiete der Flugtechnik thätig zu sein; 
denn der Vogelflug ist eben eine verhältnismälsig wenig 
Kraft erfordernde Fliegemethode, und wenn wir diese richtig 
erkannt haben, so werden wir auch die Mittel finden, uns 
ihre Vorteile nutzbar zu machen. | 

Somit bilden die Gesetze des Luftwiderstandes die Fun- 
damente der Flugtechnik. 

Wie kann aber die Erforschung der Gesetze des Luft- 
widerstandes, überhaupt das Kennenlernen derjenigen Eigen- 
schaften unserer Atmosphäre, welche mit Vorteil zum Heben 
eines frei fliegenden Körpers ausgenutzt werden können, vor 
sich gehen? Die einfache theoretische Überlegung kann hier 
nur Vermutungen, aber keine Überzeugungen hervorrufen. Der 
einfache praktische Versuch kann wohl positive Resultate zu 
Tage fördern, aber der weitere Ausbau zu einer umfassenden 
Erkenntnis wird dennoch wiederum auch eingehende theore- 
tische Überlegung nötig machen, und so ist nur denkbar, dafs 
das rechte Licht über dieses noch so dunkle Forschungsgebiet 
verbreitet wird, wenn Theorie und Praxis erfolgreich Hand in 
Hand gehen. 

Die wenigen bisher für diesen Aufbau vorhandenen Bau- 


steine sollen in den nächsten Abschnitten behandelt werden. 
Lilienthal, Fliegekunst. 3 


Be 


Es wird sich hieraus zwar noch lange nicht eine er- 
schöpfende Erklärung der einzelnen Vorgänge beim Vogel- 
fluge herleiten lassen, aber das wird sich schon daraus er- 
geben, dals der natürliche Vogelflug die Rigenschaften 
der Luft in so vorteilhafter Weise verwertet und der- 
artig zweckentsprechende mechanische Momente ent- 
hält, dals ein Aufgeben dieser, dem natürlichen 
Vogelfluge anhaftenden Vorteile gleichbedeutend ist 
mit einem Aufgeben jeder praktisch ausführbaren 
Fliegemethode. Und dies gilt natürlich in erster Linie für 
die Frage des Kraftaufwandes. Wie diese Frage von den 
Flugtechnikern gelöst werden wird, davon wird es abhängen, 
ob wir dereinst im stande sein werden, uns einer Fortbewe- 
gungsart zu bedienen, wie wir sie in dem Fliesen der Vögel 
täglich vor Augen haben. 


15. Der Luftwiderstand der ebenen, normal und gleich- 
mälsig bewegten Fläche.*) 


Wenn eine dünne ebene Platte normal zu ihrer Flächen- 
ausdehnung mit gleichmälsiger Geschwindigkeit durch die 
Luft bewegt wird, so haben wir gewissermalsen den ein- 
fachsten Bewegungsfall, in welchem dann auch eine rein 
theoretische Betrachtung mit Zugrundelegung der Dichtigkeit 
der Luft dasjenige Resultat ergiebt, welches sich ziemlich 
genau mit dem Ergebnis des praktischen Versuchs deckt. 

Man findet, dafs dieser Luftwiderstand in dem geraden 
Verhältnis mit der Flächengrölse zunimmt und mit dem 
Quadrat der Geschwindigkeit wächst, zu welchem Produkt 
noch ein konstanter Faktor hinzutritt, der von der Dichtigkeit 


”) Der Ausdruck Fläche soll hier und später für eine körperliche mög- 
lichst düun hergestellte Flugfläche gelten. Der Ausdruck Platte konnte 
nicht einheitlich gewählt werden, weil derselbe sich nicht gut für die 
später zu betrachtenden gewölbten Flügel anwenden läfst. 


der Luft und der daraus folgenden Trägheit abhängt. Für 
die hier anzustellenden Betrachtungen genügt es, die Schwan- 
kungen, denen die Dichtigkeit der Luft durch Temperatur und 
Feuchtigkeit unterworfen ist, aulser acht zu lassen und die 
schon erwähnte abgerundete Formel 

EL ÜIER, Saale 
anzuwenden. 

Die Umfangsform der ebenen Fläche sowohl wie ihre 
Oberflächenbeschaffenheit, ob rauh oder glatt, ist, wie Versuche 
ergeben haben, nur von verschwindendem Einfluls auf die 
Grölse dieses Luftwiderstandes. 

Die bei einer solchen, mit gleichmälsiger Geschwindigkeit 
bewegten Fläche auftretenden Vorgänge in der Luft sind be- 
reits in dem Abschnitt 5 „Allgemeines über den Luftwider- 
stand“ erörtert. 


14. Der Luftwiderstand der ebenen rotierenden Fläche. 


Die Bewegung des Vogelflügels zum Vogelkörper gleicht 
annähernd der Bewegung einer um eine Achse sich drehenden 
Fläche. Für jeden mit der Drehachse parallelen Streifen einer 
solchen Fläche A, A, B, B in Fig. 4 entsteht wegen der ver- 
schiedenen Geschwindigkeit auch verschiedener Luftwiderstand. 

Wenn ein Flügel von der Länge AB=% um die Achse 
AA sich dreht, so wird, wenn- der Flügel überall gleiche 
Breite hat, der specifische Luftwiderstand mit dem Quadrat 
der Entfernung von A zunehmen. Teilt man den Flügel 
parallel der Achse in viele gleiche Streifen und trägt die ent- 
sprechenden zu diesen Streifen gehörigen Luftwiderstände als 
Ordinaten auf, so liegen deren Endpunkte, wie Fig. 5 veran- 
schaulicht, in einer Parabel AD. Die durch € gehende 
Schwerlinie der Parabelfläche ABD siebt in C das Oentrum 
des auf den Flügel wirkenden Luftwiderstandes.. Der Punkt 
C liegt auf °/, Flügellänge von A entfernt. Man kann, wie 

BES 


in Fig. 6, hierfür auch eine andere Anschauungsweise zum 
Ausdruck bringen. Sowie die Parabelordinaten zunehmen, 
nehmen auch die Querschnitte einer Pyramide zu, ebenso wie 
die Gewichte von Pyrami- 
denscheibchen, wenn man 
sich die Pyramide parallel 
der Basis B, B, B,B in 
viele gleich starke Platten 
zerschnitten denkt. Der 
| Schwerpunkt dieser Platten 
k NS 2 ist der ebenfalls aur der 
| | Länge °/, 2 von der Spitze 
ig 4 entiernte Schwerpunkt 
der Pyramide. 

Der durch die Fläche 
ABD in Fig. 5 dargestellte 
oder durch den Pyramiden- 
inhalt, Fig. 6, veranschau- 
lichte Gesamtluftwiderstand 
beträgt '/);, von deinjenigen 
l Luftwiderstand, welcher dem 
Rechteck ABDE entspre- 
chend entstände, wenn die 
ganze Flügelfläche mit der 
Geschwindigkeit ihrer End- 
kante B sich durch die Luft 
bewegte. Ist B8 die Flügel- 
breite, & die Flügellänge, 
und c die Geschwindigkeit 
der Endkante BB, so wird 
der Luftwiderstand ausgedrückt durch die Formel 


Nr, alle 228, 2.00.0: 


Will man die Formel aber auf die Winkelgeschwindigkeit o 
beziehen, so ergiebt sich durch Einsetzen von %°o? für c? 


WO een: 


Nm 
Fig. 5. 


Se 
_— 


> 
ne 
No 


a 


Wenn ein dreieckiger Flügel ABD, Fig. 7, um eine Kante 
AD sich dreht, so entsteht nur '/, von demjenigen Luftwider- 
stand, der sich bilden würde, wenn die Breite B auf der 
ganzen Länge % vorhanden wäre, also nur '/, von dem Luft- 
widerstand, wie im vorigen Falle. 

Obwohl also die Dreiecksfläche halb so grols ist, wie das 
früher betrachtete Rechteck, sinkt der Luftwiderstand auf \/, 
seiner früheren Grölse herab, weil gerade an den Teilen der 
Fläche, welche viel Bewegung 
haben, also an der Dreiecksspitze, 
wenig Fläche vorhanden ist. 

Der Beweis lälst sich mit 
Hülfe niederer Mathematik nicht 
erbringen und wäre in folgender 
Weise anzustellen: 

Ist wieder & die Winkelge- 
schwindigkeit, so hat der Strei- 
fen b.dl den Widerstand 

0,13.db.dl. 2.12. 


ee 
a a T 7 oder = 


MR 
. &-)=8B (i =. so ist 
der Widerstand des Streifens 


3 
00.8.0:(8.a-.a). 


m 


Der Widerstand der ganzen Fläche beträgt 


p) _ 5) [fa 5 23 23 { 
2.8.0 | (r.a0-&.a) = (0,13.B.o es -): 


oder der Luftwiderstand 


also '/, von dem Widerstand des Flügels mit gleichmälsiger 
Breite 8. Der Luftwiderstand des Streifchens b.dl hat für 
die Drehachse das Moment 0,13.b.dl.o2.1%. Hiernach ent- 


a 


RD 4 
wickelt sich das ganze Moment M = 0,3.8.02 | ( .di — r \ a) \ 


RT 


0 
oder M= en .0,13.8.0°.%*. Dividiert man dieses Moment 
durch die Kraft W, so erhält man den Hebelarm 2 —N6 


Ww 
Das Centrum des Luftwiderstandes liegt mithin bei drei- 
eckigen Flügeln um 0,6 & von der Achse entfernt. Bildliche 
Darstellung der Verteilung des Luftwiderstandes giebt Fig. 8. 


15. Der Angrifispunkt des Luftwiderstandes beim abwärts 
geschlagenen Vogelllügel. 


Diese letzteren Berechnungen geben einen Anhalt für die 
Lage des Luftwiderstandseentrums unter dem Vogelflügel. 
Ein Vogelflügel, Fig. 9, ist nie so stumpf, dafs er als Rechteck 
angesehen werden kann, er ist 
aber auch nie so spitz, dals er 
als Dreieck gelten kann. Beim 
rechteckigen oder gleichmälsig 
breiten Flügel von der Länge 
© liegt der Widerstandsmittel- 
punkt auf 0,5 & und beim drei- 
eckigen Flügel auf 0,0 & von 
der Drehachse. Man wird da- 
her nie weit fehlgreifen, wenn man beim einfach abwärts 
geschlagenen Vogelflügel den Mittelwert 0,66 2 annimmt und 
den Angriffspunkt des Luftwiderstandes auf %/, der Flügel- 
länge von dem Schultergelenk bemilst. 

Hierbei muls aber die Drehbewegung des Flügels um das 
Schultergelenk die einzige Bewegung gegen die umgebende 
Luft sein. Wenn aufserdem noch Vorwärtsbewegung herrschte, 
würde sich die Centrumslage, wie wir später sehen werden, 
bedeutend ändern. Diese Öentrumslage auf ?/,, & kann man 
daher nur benutzen, wenn man den sichtbaren Kraftaufwand 


bei Vögeln feststellen will, welche an einer Stelle der um- 
gebenden Luft sich durch Flügelschläge schwebend erhalten. 

Es ist noch besonders darauf hinzuweisen, dals der 
Angriffspunkt oder das Centrum des Luftwiderstandes bei 
einfach rotierenden Flügeln nicht derjenige Flügelpunkt ist, 
dessen Geschwindigkeit dem ganzen Flügel mitgeteilt, einen 
gleichwertigen Luftwiderstand giebt, wie die Rotation ihn 
hervorruft. 

Die Kenntnis der Centrumslage hat nur Wert für die 
Bestimmung des Hebelarmes des Luftwiderstandes zur Be- 
rechnung der Festigkeitsbeanspruchung eines Flügels einer- 
seits und andererseits für die Bestimmung der mechanischen 
Arbeit bei der entsprechenden Flügelbewegung. 

Für den rechteckigen oder nur gleich breiten rotierenden 
Flügel, Fig. 4, wäre der gleichwertige Flügel, der in allen 
Teilen die Geschwindigkeit des Punktes C normal zur Fläche 


nn so grols und für den Fall Fig. 7 dürfte man 
nur . der dreieckigen Fläche nehmen und mit der Ge- 
schwindigkeit des Punktes C bewegen, um denselben Luft- 
widerstand zu erhalten. 

Für den Vogelflügel, der weder ein Rechteck noch ein 
Dreieck ist, liest der Wert etwa in der Mitte dieser beiden 
Zahlen, von denen die eine etwas gröfser wie '/, und die 
andere etwas kleiner wie '/, ist, also etwa bei '/, selbst. Die 
halbe Vogelllügelfläche, mit der Geschwindigkeit des auf ?/, 
der Flügellänge liegenden Centrums normal bewegt, würde 
also denselben Luftwiderstand an demselben Hebelarm geben, 
wie der einfach rotierende Flügel; immer wieder unter der 
Voraussetzung, dals keine Vorwärtsbewesung des fliegenden 
Körpers gegen die umgebende Luft stattfindet. 

Diese Fälle gehören aber zu den minder wichtigen bei 
der Feststellung der Flugarbeit. Wir werden sehen, dals die 
Flugtechnik ihr Hauptaugenmerk auf ganz andere viel wich- 
tigere Momente zu richten hat. 


hätte, nur 


ea 


16. Vergröfserung des Luftwiderstandes durch Schlag- 
bewegungen. 


Es bleibt noch übrig, den für die Flugtechnik wichtigen 
Fall zu untersuchen, wo der Luftwiderstand, wie beim Flügel- 
schlage, dadurch erzeugt wird, dals eine Fläche plötzlich aus 
der Ruhe in eine grölsere Geschwindigkeit versetzt wird. 


Für eine solche Bewegungsart einer Fläche können die 
früher angestellten Betrachtungen keine Gültigkeit haben; 
denn für die Ausbildung einer gleichmäfsigen Strömungs- 
und Wirbelerzeugung ist hier keine Zeit vorhanden. Ferner 
wird diejenige Luft, welche die Fläche bei ihrer gleichmälsigen 
Bewegung ganz oder teilweise begleitet, sich mit der ihr 
innewohnenden Massenträgheit der Bewegung widersetzen. 

Überhaupt kann man diesen Fall so auffassen, dafs die 
sanze Luft, welche die Fläche zu beiden Seiten umgiebt, durch 
ihr Beharrungsvermögen Widerstand leistet und nach plötz- 
lich eingetretener Bewegung vor der Fläche eine Verdichtung 
und hinter der Fläche eine Verdünnung erfährt, welche zu- 
nächst der Fläche am stärksten auftreten und allmählich in 
die normale Spannung übergehen, aus welchen beiden Wir- 
kungen sich der auf die Fläche ausgeübte Druck zusammen- 
setzt. Auch für diesen Fall würde sich mit Hülfe der reinen 
Mechanik und Mathematik ein Annäherungswert berechnen 
lassen, wenn nicht eine neue Schwierigkeit dadurch entstände, 
dals die Geschwindigkeit, welche eine derartig plötzlich be- 
wegte Fläche in jedem einzelnen Momente hat, eine andere 
ist und davon abhängt, dals erstlich die bewegte Fläche an 
sich eine Massenträgheit besitzt, und ferner die Veränderung des 
Luftwiderstandes selbst auf die Veränderung der Geschwindig- 
keit Einfluls hat, sobald die Bewegung durch eine treibende 
Kraft hervorgerufen wird. 


Nicht weniger Schwierigkeiten wird es haben, bei der- 
artigen Flügelschlagbewegungen den in jedem einzelnen Moment 


=. u 


stattfindenden Luftdruck durch den praktischen Versuch zu 
ermitteln, denn es handelt sich hierbei um Wegstrecken, die 
in einem Bruchteil der Sekunde mit ungleicher Geschwindig- 
keit ausgeführt werden. 

Aber Eins lälst sich wenigstens durch den Versuch er- 
mitteln. Man kann für gewisse Fälle den Durchschnittswert 
an Luftwiderstand feststellen, den eine Flächenbewegung er- 
zeugt, ähnlich der Flügelschlagbewegung des Vogels; und 
obwohl die jeweilige Grölse des Luftwiderstandes in den ein- 
zeinen Phasen der Bewegung nicht leicht gemessen werden 
kann, so läfst sich doch die summarische Hebewirkung beim 
Flügelschlag experimentell bestimmen. 


In den Jahren 1867 und 1868 sind von uns Versuche über 
die Grölse des Luftwiderstandes bei der Flügelschlagbewegung 
angestellt, und diese haben ergeben, dafs in der That durch 
die Schlagbewegung ein ganz anderer Luftwiderstand entsteht, 
als durch die gleichmälsige Geschwindigkeit einer Fläche. 


Wenn eine Fläche flügelschlagartig bewegt wird mit einer 
gewissen Durchschnittsgeschwindigkeit, so kann der 9fache, 
ja, sogar ein 25mal grölserer Luftwiderstand entstehen, als 
wenn dieselbe Fläche mit derselben gleichmälsigen Gesch win- 
digkeit durch die Luft geführt wird. 

Um bei der Flügelschlagbewegung also denselben Luft- 
widerstand zu erhalten als bei gleichmälsiger Bewegung, 
braucht die Durchschnittsgeschwindigkeit des Flügelschlags 
nur den dritten bis fünften Teil der entsprechenden gleich- 
mälsigen Geschwindigkeit betragen. 


Wenn mithin eine gewisse, von einer Fläche mit gleich- 
mälsiger Geschwindigkeit zurückgelegte Wegstrecke auf ein- 
zelne Flügelschläge verteilt wird, so kann im letzteren Falle 
für das Zurücklegen dieser Strecke die drei- bis fünffache 
Zeit verwendet werden, um durchschnittlich denselben Luft- 
widerstand zu erhalten; die Fläche kann also drei- bis fünfmal 
so langsam bewegt werden, wenn die Bewegung in einzelnen 
Schlägen geschieht. 


Re 


Zur Überwindung des so erzeugten Luftwiderstandes 
ist daher nur eine sekundliche Arbeit erforderlich, welche den 
dritten bis fünften Teil von derjenigen beträgt, die man 
aufwenden muls, um die Fläche mit gleichmälsiger Geschwin- 
digkeit durch die Luft zu bewegen, wobei derselbe Luftwider- 
stand entstehen soll. 

Diese Schlagbewegungen würden hiernach ein Mittel an 
die Hand geben, die Arbeitsgeschwindigkeit zur Überwindung 
des hebenden Luftwiderstandes beim Fliegen und somit im 
allgemeinen den Kraftaufwanrd beim Fliegen bedeutend zu 
verkleinern gegenüber dem Fall, wo man genötigt wäre, die 
Flugarbeit aus der gleichmälsigen Abwärtsbewegung von 
Flugflächen zu berechnen. 

Der Nutzen der Schlagbewegungen kommt offenbar allen 
Vögeln zu gut, wenn sie sich in ruhiger Luft von der Erde 
erheben oder durch starke Flügelschläge an derselben Stelle 
der Luft zu halten suchen. 

Ohne diese, Arbeitskraft ersparenden Eigenschaften der 
Flügelschlagbewegung wären viele Leistungen der Vögel 
eigentlich gar nicht zu verstehen. 

Die Flugmethode der Vögel und anderer fliegenden Tiere 
besitzt gerade dadurch einen grofsen Vorteil, dafs ihre Flug- 
organe durch die hin- und hergehende Schlagbewegung die 
Trägheit der Luft gründlich ausnützen, bedeutend mehr, 
als dieses der Fall sein würde, wenn an die Stelle der 
Schlagbewegungen gleichmälsige Bewegungen träten. Wir 
haben also hierin einen Vorteil zu erkennen, welcher dem 
Prineip des Vogelfluges anhaftet und welcher fortfällt, wenn 
das Prineip des Vogelfluges nicht benutzt wird, wie z. B. bei 
Anwendung von rotierenden Schraubenflügeln, die unter allen 
Umständen mehr Kraft verbrauchen, als der geschlagene 
Vogelflügel. Dals aber dieser Vorteil des Flügelschlages kein 
Privilesium der Vogelwelt und der fliegenden Tiere überhaupt 
ist, wird durch folgendes Experiment erläutert. 

Wir hatten uns einen Apparat, Fig. 10, hergestellt, welcher 
aus einem doppelten Flügelsystem bestand. Ein mittleres 


ri 


breiteres Flügelpaar, sowie ein schmaleres vorderes und hinte- 
res Flügelpaar waren um eine horizontale Achse drehbar und 
standen so in Verbindung, dals jeder Flügel einer Seite sich 
hob, wenn der zugehörige der anderen Seite sich senkte, und 


umgekehrt. Da die beiden schmalen Flügel zusammen so 
breit waren, wie der mittlere breitere, so entstand auf jeder 
Seite gleichzeitig die gleiche Tragefläche. Beim Heben der 
ı Flügel öffneten sich Ventile, welche die Luft hindurchlielsen. 
Durch abwechselndes Ausstolsen der Fülse ging immer die 
Hälfte der Flugfläche abwärts, während die andere Hälfte 
mit wenig Widerstand sich hob, wie aus der Figur ersichtlich. 


VE 


Der Apparat war an einem Seil, das über Rollen ging, auf- 
gehängt und war durch ein Gegengewicht im Gleichgewicht 
gehalten. 

Durch Auf- und Niederschlagen der Flügel konnte natür- 
lich eine Hebung erfolgen, sobald das Gegengewicht nur 
schwer genug war. 

Diese Vorrichtung erlaubte nun eine Messung, wieviel die 
Hebung durch Anwendung eines solchen Apparates, der durch 
Menschenkraft bewegt wird, betragen kann, und wie grols 
sich dabei der durch Flügelschläge erzielte Luftwiderstand 
einstellt. 

Durch geringe Übung gelang es uns, auf diese Weise 
unser halbes Gesamtgewicht zu heben, so dafs, während eine 
Person mit dem Apparat 80 kg wog, ein 40 kg schweres 
Gegengewicht nötig war, um noch eine Hebung zu ermög- 
lichen. Die erforderliche Anstrengung war hierbei jedoch so 
grols, dals man sich nur wenige Sekunden in gehobener 
Stellung halten konnte. Die Grölse der Flügel jedes Systems, 
das heilst die jederzeit tragende Fläche betrug 8 qm. Die 
aufgewendete Arbeitsleistung schätzten wir auf 70—75 kgm; 
denn eine vergleichsweise Kraftleistung beim schnellen Er- 
steigen einer Treppe ergab dasselbe Resultat. Jeder Fuls 
wurde ungefähr mit einer Kraft von 120 kg ausgestossen und 
zwar auf der Strecke von 0,; m bei 2 Tritten in 1 Sekunde, 
was eine Arbeit von 2x 0,3 x 120 = 72 kgm ergiebt. 

Der Ausschlag des Angriffspunktes für den Luftwiderstand 
mulste bei diesem Apparat etwa 0,» m betragen. Die Kraft 
0,3 
altes 
von diesen 48 kg mögen ungefähr 4kg zum Heben der Flügel 
mit geöffneten Ventilen angewendet sein, während der Rest 
von 44 kg zum Herunterdrücken der Flügel beansprucht 
wurde. Die Differenz dieser Drucke 4 —4=40kg stellte 
dann die eigentliche Hubkraft dar, die auch gemessen wurde. 

Das Öentrum des Luftwiderstandes der 8 qm grofsen 
Fläche legte ungefähr den Weg von 0,5m in '/, Sekunde 


des Fulsdrucks reduzierte sich also auf 


120=48kg und 


a 


zurück, Seine mittlere sekundliche Geschwindigkeit betrug 
daher 15 m. Auf diese Weise hat also die 8 gm grolse 
Fläche bei der Flügelschlagbewegung, deren mittlere Ge- 
schwindigkeit 1,; m betrug, 40 kg Luftwiderstand gegeben; 
und zwar schon nach Abzug des Widerstandes, den die He- 
bung der Flügel verursachte. 


Wenn dieselbe Fläche mit 1,5 m Geschwindigkeit gleich- 
mälsig bewegt würde, so entstände ein Luftwiderstand 
— 0,3x8x1,? = 2,3: kg, aber mit Rücksicht darauf, dafs der 
Flügel vermöge seiner Drehung um eine Achse in einzelnen 
Teilen verschiedene Geschwindigkeiten hat, würde (die Flügel 
waren an den Enden breiter) nur ein Luftwiderstand von 
etwa l,s kg entstehen, und dies ist nur der 25ste Teil des- 
jenigen Luftwiderstandes, der sich bei der oscillatorischen 
Schlagbewegung wirklich ergab. Um bei gleichmälsiger 
Drehbewegung der Flügel auch 40 kg Luftwiderstand zu 
schaffen, mülste die Geschwindigkeit im Centrum 5mal so 
srols, also 5x1 =75m sein. Wenn auf diese Weise der 
hebende Luftwiderstand von 40 kg gewonnen werden sollte, 
wäre eine 5mal so grolse Arbeit erforderlich, als bei der 
Flügelschlagbewegung nötig gewesen ist. 


Dieses Beispiel zeigt, dals die Arbeit, welche von den 
Vögeln geleistet wird, wenn dieselben gegen die umgebende 
Luft keine Geschwindigkeit haben und nur durch Flügel- 
schläge schwebend sich halten, bedeutend überschätzt wird, 
und dals die Kraftleistung etwa nur den fünften Teil von der- 
jenigen beträgt, die nach der gewöhnlichen Luftwiderstands- 
formel: & = 0,13. F'.c? berechnet wird. 


Was die Ausführung des Apparates, Fig. 10, anlangt, 
so waren die Flügelrippen aus Weidenruten, die übrigen 
Gestellteile aus Pappelholz gemacht. Die Ventilklappen waren 
aus Tüll gefertigt, durch den kleine Querrippen aus 2—3 mm 
starken Weidenruten in Entfernungen von cirka 60 mm hin- 
durchgesteckt waren, um die nötige Festigkeit zu geben. 
Darauf war jede Ventilklappe ganz mit Kollodiumlösung be- 


N 


strichen, welche in allen Tüllmaschen Blasen bildete, die dann 
zu einem dichten Häutchen erstarrten. 

Auf diese Weise erhielten wir eine sehr leichte, dichte 
und gegen Feuchtigkeit wenig empfindliche Flächenfüllung. 

Es ist noch zu bemerken, dafs wir vorher noch einen 
anderen Apparat zu demselben Zweck hergestellt hatten, der sich 
dadurch unterschied, dals nur ein Flügelsystem mit 2 Flügeln 
vorhanden war, das durch gleichzeitiges Ausstolsen beider 
Fülse herabgeschlagen und durch Anziehen der Fülse sowohl, 
wie mit den Händen wieder gehoben wurde. 

Die Leistung mit diesem früher ausgeführten Apparat 
war eine wesentlich geringere, als die mit dem Apparat, 
Fig. 10, erzielte, weil es für den Organismus des Menschen 
offenbar unnatürlich ist, die Beinkraft durch gleichzeitiges 
Ausstolsen beider Fülse zu verwerten, gegenüber der Tret- 
bewegung mit abwechselnden Fülsen. 

Um eine allgemein gültige Formel für jeden Fall der 
Flügelschlagbewegung aufzustellen, fehlt es an der ausreichen- 
den Zahl von verschiedenen Versuchen; denn die Zahl der 
Flügelschläge, die Grölse des Flügelausschlages und die Form 
der Flügel hat offenbar Einfluls auf den Koefficienten einer 
solchen Formel, der vermutlich sogar in höherem Grade mit 
der Fläche wächst. 

Zu dieser Annahme wurden wir veranlalst, als wir fanden, 
dals beim Experimentieren mit kleineren Flächen nur etwa die 
Jfache Vergröfserung des Luftwiderstandes durch Schlag- 
bewegungen entsteht. 

Bei diesen Versuchen, wo die Flächen etwa '/. qm be- 
trugen, wurde ein Apparat, wie ihn Fig. 11 darstellt, an- 
gewendet. 

Es ist hier ohne weiteres ersichtlich, wie durch ein Ge- 
wicht @ die Flügelarme mit den Flächen dadurch in Bewe- 
sung gesetzt wurden, dals eine Rolle %& mit einer Kurbel X 
sich drehte und den Endpunkt P der Hebel A und B hob 
und senkte. Bei P war ein Gegengewicht angebracht, welches 
die Gewichte der Arme A und 3, und der Flächen F\, F' aus- 


er ee 


balanzierte. Während das Gewicht @ abwärts sank, machten 
die Flügel eine Reihe von Auf- und Niederschlägen in der 
Grölse von a d, zu deren Ausführung eine ganz bestimmte 


Yellhöhe h 


mechanische Arbeit erforderlich ist, welche in diesem Falle 
ganz genau gemessen werden kann, indem man das Gewicht 
@Fkg mit seiner Fallhöhe A m multipliziert und das Produkt 
@.hkgm erhält. | 

Diese Arbeit ist aber nicht allein zur Überwindung des 
erzeugten Luftwiderstandes verwendet, sondern sie wurde teil- 


= ir — 


weise auch dazu verbraucht, die Massen des ganzen Mecha- 
nismus in hin- und hergehende Bewegung zu versetzen, sowie 
die allerdings geringen Reibungen zu überwinden. 

Die Arbeit, welche zur Massenbewegung nötig ist, und 
annähernd auch die Reibung kann man aber leicht aus dieser 
Gesamtarbeit @."h herausziehen. Man braucht nur die ganzen 
Verhältnisse ebenso zu gestalten mit Ausscheidung des 
Luftwiderstandes. Zu diesem Zweck hatten wir die Flügel # 
abnehmbar gemacht und nach Entfernung derselben schmale 
Leisten unter den Armen A und B befestigt, die ebensoviel 
wogen wie die Flügel #, und deren Schwerpunkt an demselben 
Hebelarm lag, während sie für die Drehachse dasselbe Träg- 
heitsmoment besalsen. 

Wenn der Apparat nun in derselben Zeit dieselbe Zahl 
von Flügelschlägen machen sollte, nachdem der grölste Teil 
des Luftwiderstandes eliminiert war, so war ein kleineres Ge- 
wicht g als Triebkraft erforderlich, das sich leicht durch 
einige Proben finden liels. 

Hiernach hat das Gewicht @—g annähernd zur Über- 
windung des Luftwiderstandes allein gedient, während (G — g).ı 
die vom Luftwiderstand aufgezehrte Arbeit betrug. 

Wenn man jetzt den Weg kennt, auf welchem der Luft- 
widerstand zu überwinden war, so findet man auch den Luft- 
widerstand selbst, indem man die Arbeit (G—9).h durch 
diesen Weg dividiert. 

Da das Centrum des Luftwiderstandes nach Früherem auf 
3, der Flügellänge von der Drehachse entfernt liegen muls, 
kann man einfach ausmessen, welchen Weg die Flügel an 
dieser Stelle zurücklegten, während das Gewicht die Höhe 
durchfiel. Ist dieser Weg gleich w, so ist der Luftwiderstand 


im Durchschnitt —_—— Auf diese Weise lälst sich also 


der mittlere Luftwiderstand bei Flügelschlagbewegungen an- 
nähernd messen. 

Nun gilt es aber, den Vergleich zu stellen für denjenigen 
Fall, wo von den Flügeln der Weg w mit gleichmälsiger Ge- 


= 


schwindigkeit in derselben Zeit bei Drehung nach einer Rich- 
tung zurückgelegt wird. Dieser Luftwiderstand ist aber nach 
dem Abschnitt über die Widerstände bei Drehbewegung leicht 
zu bestimmen. Man erhält hierdurch eben eine Vergröfserung 
des Widerstandes durch Schlagbewegungen um das 9fache gegen- 
über dem Widerstand, den die gleichmälsige Bewegung ergiebt. 


Wenn z. B. die beiden Versuchsflächen 20 cm breit und 
30 em lang waren, dann wurde an dem beschriebenen Ver- 
suchsapparate nach Fig. 11 @= 2,5 kg und 9=0,; kg, wäh- 
rend beide Male in 6 Sekunden die l,sm grofse Fallhöhe 
zurückgelegt wurde. Die Flügel machten dabei 25 Doppel- 
hübe und der Endpunkt beschrieb einen Bogen ab von 32 cm 
Länge. Das Centrum C legte einen Bogen von °/,.32 cm = 
24 cm in 6 Sekunden 2X 25 = 50mal zurück, also im ganzen 
den Weg von 24x50 cm = 12m. 

Der Weg des Luftwiderstandes war also 12 m. Die Arbeit 
des Luftwiderstandes (@—g)h war (2,5 — 0,5). 1,8 = 3,6 kgın. 


Der Luftwiderstand selbst hatte die Grölse —_ = (,3 Kg. 


Wenn man anderseits die Flügel einfach rotieren lälst, 
wobei ihr Centrum ebenfalls in 6 Sekunden den Weg von 
12 m zurücklegt, so ergiebt sich ein anderer Luftwiderstand, 
der auch berechnet werden soll. Dieser Widerstand ist nach 
Früherem Y, von demjenigen, welcher sich bildet, wenn die 
Flächen mit der Geschwindigkeit der Endkanten normal be- 
wegt werden. Die Flächen sind zusammen 2X 0.2xX 03 = 
0,12 qm und nach Abzug der Armbreiten von A und B 0,11 qm. 


Die Endkanten haben ?/,;, x 2 = — m Geschwindigkeit. Der 


Luftwiderstand beträgt daher 


[97 


0,138 X 0,11 X ) 
3 


—= (0,033 Kg 


gegen 0,5 kg, der durch Schlagbewegungen entsteht. Das 


en en 
0,033 


) 
Lilienthal, Fliegekunst. 4 


Fuge 


Bei dem letzterwähnten Versuch war die Fläche F' ge- 
schlossen gedacht, sie gab daher nach oben denselben Wider- 
stand wie nach unten. Wenn man Flächen anwendet, welche 
sich ventilartig beim Aufschlag Öffnen, so wird der Wider- 
stand entsprechend nach oben geringer und der gemessene 
Gesamtwiderstand wird sich ungleich auf Hebung und Senkung 
der Flächen verteilen. Auch in diesem Fall findet man einen 
ähnlichen Einfluls der Schlagwirkung, der bei kleineren 
Flächen von '/,, qm den Luftwiderstand um etwa das Ifache 
vermehrt. 

Wenn hierdurch nachgewiesen wird, wie die Schlagwir- 
kung im allgemeinen auf den Luftwiderstand einwirkt, so 
kann man daraus noch nicht ganz direkt auf den Luft- 
widerstand der wirklich vom Vogel ausgeführten Flügel- 
schläge schliefsen; denn es ist kaum anzunehmen, dafs die 
Bewegungsphasen, die beim Vogelflügel der Muskel hervor- 
ruft, genau so sind, wie bei den Flügeln am beschriebenen 
Apparate, wo die Schwerkraft treibend wirkte Immerhin 
aber wird auch dort der Grundzug der Erscheinung derjenige 
Sein, dals der Flügelschlag in hohem Grade kraftersparend 
wirkt, indem er den Luftwiderstand stark vermehrt und da- 
durch die Arbeit verringert, weil nur geringere Flügel-Ge- 
schwindigkeit erforderlich ist. 

Die Vögel selbst aber geben uns Gelegenheit, zu berech- 
nen, dals der Nutzen ihrer Flügelschläge in der That noch 
erheblich grölser ist, als man durch den zuletzt beschriebenen 
Apparat ermitteln kann. 


Auch hierfür soll noch ein Beispiel zur Bestätigung 
dienen. 


Eine Taube von 0,35 kg Gewicht hat eine gesamte Flügel- 
fläche von (0,06 qm und schlägt in einer Sekunde 6mal mit 
den Flügeln auf und nieder, während der Ausschlag des 
Luftdruckeentrums etwa 25 cm beträgt, wenn die Taube ohne 
wesentliche Vorwärtsbewegung bei Windstille fliegt. Da die 
Taube zum eigentlichen Heben ungefähr nur die halbe Zeit 


a a SET 


verwendet, muls sie beim Niederschlagen der Flügel einen 
Luftwiderstand gleich ihrem doppelten Gewicht hervorrufen, 
also 0,7 kg. 

Ein Flügelniederschlag dauert '/,, Sekunde und beträgt 
im Centrum 0,35 cm, hat also 12X 0,25 = 3m mittlere Ge- 
schwindigkeit. 

Bei gleichmälfsiger Bewegung mit der Geschwindigkeit 
des Centrums, wobei jedoch nach Abschnitt 15 nur die halbe 
Flügelfläche gerechnet werden darf, gäben die Taubenflügel 
einen hebenden Luftwiderstand 


0,06 


L=0,s. 9 


.3° = (0,035 kg, 


während in Wirklichkeit 0,7 kg erzeugt werden, da die Taube 
unter den beobachteten Verhältnissen wirklich fliegt. Es tritt 
hier durch die Schlagbewegung also eine Luftwiderstands- 
vergrölserung von (0,05 auf 0, oder um das 20fache ein. 
Will man dies durch eine Formel ausdrücken, so wird man 
nicht weit fehlgreifen, wenn man bei Vogelflügeln die ganze 
Fläche rechnet, die mit der Geschwindigkeit v des auf ?/; der 
Flügellänge liegenden Oentrums den Luftwiderstand 


L=10.0,3.F.v 


giebt. Diese Formel entspricht aber der 20fachen Vergröfse- 
rung des Luftwiderstandes; denn es dürfte eigentlich nach 


Abschnitt 15 nur gerechnet werden. 


Wie aulserordentlich der Luftwiderstand bei der Schlag- 
bewegung wächst, kann man verspüren, wenn man einen 
gewöhnlichen Fächer einmal schnell hin und her schlägt und 
das andere Mal mit der gleichen, aber auch gleichmälsigen 
Geschwindigkeit nach derselben Richtung bewegt. Noch deut- 
licher wird dieser Unterschied fühlbar, wenn man gröfsere 
leicht gebaute Flächen diesen verschiedenen Bewegungen mit 
der Hand aussetzt. Hier, wo man durch die Trägheit der 
eigenen Handmasse nicht so leicht getäuscht werden kann, 

A 


a one 


wird man durch diese Erscheinungen geradezu überrascht. 
Man fühlt hierbei auch schon bei geringeren Geschwindigkeiten 
die Luft so deutlich, wie sie sich uns sonst nur im Sturme 
fühlbar macht. 


17. Kraftersparnis durch schnellere Flügelhebung. 


Es ist nicht ohne Einfluls auf den zum Fliegen erforder- 
lichen Kraftaufwand, wie ein Vogel das Zeitverhältnis zwischen 
dem Auf- und Niederschlag der Flügel einteilt. 

Diese Zeiteinteilung hat Einwirkung auf die Grölse des 
zur Hebung erforderlichen Luftwiderstandes, also auf den 
Arbeitswiderstand und dadurch wiederum auf die Flügel- 
geschwindigkeit. Beide werden um so kleiner, je mehr von 
der vorhandenen Zeit auf den Niederschlag verwendet wird, 
also je schneller der Aufschlag erfolgt. Da aber als Arbeit 
erfordernd im wesentlichen nur die Zeit des Niederschlages 
zu berücksichtigen ist, so nimmt das Pauschguantum der 
Flugarbeit andererseits um so mehr ab, je weniger von der 
sanzen Flugzeit zum Niederschlag dient. 

Der geringste Arbeitswiderstand und die geringste abso- 
lute Flügelgeschwindigkeit sind erforderlich, wenn die Flügel- 
hebung ohne Zeitaufwand vor sich gehen kann. Der hebende 
Luftwiderstand beim Flügelniederschlag braucht dann nur 
gleich dem Vogelgewicht G sein, dieser muls dann aber auch 
während der ganzen Flugdauer überwunden werden, und 
die Geschwindigkeit des Luftwiderstandscentrums kommt für 
die Berechnung der Arbeit ganz und voll in Betracht. Ist 
diese Geschwindigkeit v, so hat man die Arbeit @.v, welche 
für die ferneren Vergleiche mit X bezeichnet werden möge. 

Wenn Auf- und Niederschlag. der Flügel gleich schnell 
geschehen, müssen die Flügel den Luftwiderstand 2 @ hervor- 
rufen, aber sie wirken dafür nur während der halben Flug- 
zeit, weshalb diese beiden Faktoren für die Arbeitsbestimmung 


sich heben. Um aber den Luftwiderstand 2 @ zu erzeugen, 
muls die Flügelgeschwindigkeit um J2 wachsen, und das ver- 
erölsert auch die Arbeit auf 2. A= 1a. 

Würde ein Vogel die Flügel schneller herunterschlagen 
als herauf, etwa zweimal so schnell, so würde von der Zeit 
eines Doppelschlages '/; zum Niederschlag und °%/, zum Auf- 
schlag verwendet werden. 

Beim Niederschlag wirkt ein hebender Luftwiderstand Z, 
vermindert um das Vogelgewicht @, also L — @ auf die Vogel- 
masse, und diese Kraft wirkt nur halb so lange wie das 
Gewicht @ beim Aufschlag. 

Die Masse des Vogels steht also unter dem Einfluls zweier 
abwechselnd wirkenden und entgegengesetzt gerichteten Kräfte, 
von denen die niederdrückende Kraft doppelt so lange wirkt 
als die hebende. 

Soll der Vogel gehoben bleiben, so muls sein Körper um 
einen Punkt auf und nieder schwingen und diesen Punkt ein- 
mal steigend, einmal fallend mit derselben Geschwindigkeit 
passieren. In dem Moment, wo dieser Punkt passiert wird, 
setzen die wirksamen Kräfte abwechselnd ein, und die sum- 
marische Ortsveränderung wird Null werden, wenn jede Kraft 
imstande ist, die einmal aufwärts und das andere Mal abwärts: 
gerichtete Geschwindigkeit aufzuzehren und in ihr genaues 
Gegenteil umzuwandeln. Dies kann aber nur eintreten, wenn 
die Kräfte Beschleunigungen hervorrufen, welche umgekehrt 
proportional ihrer Wirkungsdauer sind, oder wenn die Kräfte 
selbst sich umgekehrt zu einander verhalten wie die Zeiten 
ihrer Wirkung. 

In diesem Falle muls also die hebende Kraft L—@, 
welche während des kurzen Niederschlages auftritt, doppelt 
so stark sein als das beim Aufschlag allein auf den Vogel 
wirkende Eigengewicht @. Da mithin L-G=24@ ist, so 
ergiebt sich L=3 @. 

Die abwärts gerichtete Geschwindigkeit der Flügel muls 
daher Y3mal so grols sein, als wenn L= @ wäre, wie bei 


rn 


solchen Fällen, wo die ganze Flugzeit zu Niederschlägen aus- 
genützt werden kann. Die Arbeit verursachende Geschwindig- 
keit wirkt hier aber nur in !/, der ganzen Zeit, mithin treten 


zu der Arbeit X jetzt die Faktoren 3. 3. hinzu, was die 
Arbeit 1,73 A giebt. 

Man sieht hieraus, dals ein schnelles Herunterschlagen 
und langsames Aufschlagen der Flügel mit Arbeitsverschwen- 
dung verbunden ist, und dals die Flügel unnötig stark sein 
ınüssen, weil von grölserer Kraft beansprucht. 

Nach Vorstehendem kann man nun leicht das allgemeine 
Gesetz für den Einfluls der Zeiteinteilung zwischen Auf- und 
Niederschlag auf die Flugarbeit ermitteln. Wenn die Nieder- 


schläge 1 Yin der Flugzeit beanspruchen, so wird die Flugarbeit 
u Al RZ 
A=n.yn., 2. oder A=yn.M 


Hiernach kann man nun für jede Grölse von u das 
Arbeitsverhältnis berechnen. 

Fig. 12 enthält die Faktoren von X für die verschiedenen 
Werte von | 2; und den Verlauf einer Kurve, welche die Ver- 


hältnisse dieser Arbeiten zu einander versinnbildlicht. 

Man sieht, dafs das so entwickelte Arbeitsverhältnis um 
so günstiger wird, je mehr Zeit von der Flugdauer zum Nieder- 
schlagen der Flügel verwendet wird oder je schneller die 
Flügel gehoben werden. 

Zur Beurteilung der zum Fliegen erforderlichen Gesamt- 
arbeit treten aber noch andere Faktoren hinzu, welche auch 
berücksichtigt werden müssen, um zu erkennen, welchen Ein- 
fluls die Zeiteinteilung für Auf- und Niederschlagen der Flügel 
auf die Flugarbeit in Wirklichkeit hat. 

Zunächst ist zu berücksichtigen, dafs eine vorteilhafte 
Flügelhebung, welche doch mit möglichst wenig Widerstand 
verbunden sein soll, nur eintreten kann, wenn dieselbe nicht 
allzu rapide vor sich geht. Ferner ist zu bedenken, dafs die 
Arbeit zur Überwindung der Massenträgheit der Flügel am ge- 
ringsten ist, wenn Auf- und Niederschlag gleich schnell erfolgen. 


ae 


Diese beiden Faktoren vermehren also die zum Fliegen 
erforderliche Anstrengung, wenn der Aufschlag der Flügel 
schneller erfolgt als der Niederschlag. Immerhin ist aber 
anzunehmen, dals der Hauptfaktor der Flugarbeit, die An- 
strengung, welche der Luftwiderstand beim Niederschlag ver- 
ursacht, mehr berücksichtigt werden muls, und dals für die 
Flügelsenkungen wenigstens etwas mehr als die halbe Flug- 
zeit in Anspruch genommen werden muls, wenn das Minimum 
der Flugarbeit sich einstellen soll. | 


Im-1_ 09 08 07 06 05 04 03 02 01 0 


Fig. 13. 


Ein Wert von ! I welcher den Anforderungen am besten 
entsprechen dürfte, wäre etwa gleich 0,.. Es würde dann die 
Zeit des Aufschlages zur Zeit des Niederschlages sich verhalten 
wie 2:3. Die bei gleich schnellem Heben und Senken der 
Flügel erforderliche Arbeit von 1,4 X würde dadurch auf 
1,29 X vermindert. 

Wenn diese Kraftersparnis nun auch nicht sehr erheblich 
ist, so kann man dennoch bei dem Fluge vieler Vögel be- 
merken, dals die Flügel schneller gehoben als gesenkt werden. 
Alle grölseren Vögel mit langsamerem Flügelschlag zeigen 


Er LEN Mn 


diese Eigentümlichkeit. Besonders aber zeichnet sich die 
Krähe dadurch aus, dals sie zuweilen sehr beträchtliche, auf- 
fallend leicht erkennbare Beschleunigung der Flügelhebung 
gepaart mit lamgsamer Flügelsenkung anwendet. 


18. Der Kraftaufwand beim Fliegen auf der Stelle. 

Solange beim Fliegen die Flügel nur auf- und nieder- 
schlagen in der sie umgebenden Luft, also kein Vorwärts- 
fliegen gegen die Luft stattfindet, welches der Kürze wegen: 
mit „Fliegen auf der Stelle“ bezeichnet werden möge, giebt 
das vorstehende Rechnungsmaterial einen ungefähren Anhalt 
für die Grölse der bei diesem Fliegen erforderlichen Arbeit. 

Die Anstrengung zur Massenbewegung der Flügel kann 
man vernachlässigen, weil die Flügel gerade an ihren schnell 
bewegten Enden nur aus Federn bestehen. Ebenso sei zu- 
nächst der Luftwiderstand vernachlässigt, welcher beim Heben 
der Flügel entsteht. 

Bei vorteilhafter Flügelschlageinteilung, wenn also etwas 
schneller aufwärts als abwärts geschlagen wird, kann man 
dann nach dem vorigen Abschnitt für das Fliegen auf der 
Stelle den Kraftaufwand A= 1,9 X annehmen, wobi Y=@-v 
ist, und v sich nach der Gleichung: L= 10 - 0,13: F- v2 des 
Abschnittes 16 jetzt aus der Gleichung: GE = 10 - 0,13: F- v2 
bestimmt. ı % 

Hierin ist bereits die pendelartige Bewegung der Flügel 
berücksichtigt, und es folgt Eu 

| v0, - I 


Durch Einsetzen dieses Wertes erhält man Y= @.0,8- \@ 


und A=1. ee ee 


F 
—; wird einen für die einzelnen Vogelarten annähernd 


sich gleich bleibenden Wert vorstellen. Bei vielen grolsen 


ee 


Vögeln z. B. ist = ungefähr gleich 9, d. h. ein Vogel von 


9 kg Gewicht (australischer Kranich) hat etwa 1 qm Flügel- 


fläche. = ist dann gleich 3 und A=1,1-@-3 oder 
Aa a 

Bei kleineren Vögeln (Sperling u. s. w.) ist s vielfach 
sleich 4 und ie —.3, mithin A=22- @. 

Diesen Formeln entsprechend findet man durchgehends, 
dafs den kleineren Vögeln das Fliesen auf der Stelle leichter 
wird als den grölseren Vögeln, weil kleinere Vögel im Ver- 
hältnis zu ihrem Gewicht grölsere Flügel haben. 

- Den meisten grölseren Vögeln ist das Fliegen auf der 
Stelle sogar unmöglich und das Auffliegen in windstiller Luft 
‚sehr erschwert, weshalb viele von ihnen vor dem Auffliegen 
vorwärts laufen oder hüpfen. 

Man bemerkt bei den Vögeln, welche wirklich bei Wind- 
stille an derselben Stelle der Luft sich halten können, dals 
ihr Körper eine. sehr schräge nach hinten geneigte Lage ein- 
nimmt, und dafs die Flügelschläge nicht nach unten und oben, 
sondern zum Teil nach vorn und hinten erfolgen. An Tauben 
kann man dieses sehr deutlich beobachten. Die Flügel der- 
selben machen hierbei so starke Drehungen, dals es scheint, 
als ob der Aufschlag oder, hier besser gesagt, der Rückschlag 
zur Hebung mitwirke. 

Diese Ausführung der Flügelschläge ist nötig, um die 
gewöhnliche Zugkraft der Flügel nach vorn aufzuheben. Es 
ist, aber wahrscheinlich, dafs die Hebewirkung dadurch stark 
begünstigt wird, und dafs für kleinere Vögel, von denen das 
Fliegen auf der Stelle mit Hülfe dieser Manipulation aus- 
geführt wird, sich die als Arbeitsmals bei diesem Fliegen 
dienende Formel wohl auf A = 1, @ abrunden läfst. Die 
Arbeit eines auf der Stelle fliegenden Vogels beträgt hiernach 
wenigstens 1,5 mal so viel Kilogrammmeter als der Vogel 
Kilogramm wiegt. 

Ein Vogel, der das Fliegen. auf der Stelle ganz besonders 


ag 


liebt, ist die Lerche. Diese steigt aber meist recht hoch in die 
Luft empor und findet dort auch wohl gewöhnlich so viel Wind, 
dals beiihr von einem eigentlichen Fliegen auf der Stelle der 
umgebenden Luft nicht die Rede ist, sie also auch weniger 
Arbeit gebraucht, als die Formeln für letzteres angeben. 
Würde der Mensch es verstehen, alle diese vorher ab- 
geleiteten Vorteile sich auch nutzbar zu machen, so läge für 
ihn die Grenze des denkbar kleinsten Arbeitsaufwandes beim 
Fliegen auf der Stelle etwas über 1, Pferdekraft; denn mit 
einem Apparat, der gegen 20 qm Flugfläche besitzen mülste, 


um den Faktor en — 4 zu erhalten, würde das Gesamtgewicht 


stets über SO kg betragen, also über 120 kgm sekundliche Ar- 
beit erforderlich sein. An eine Überwindung dieser Arbeit mit 
Hülfe der physischen Kraft des Menschen auch für kürzere Zeit 
ist natürlich nicht zu denken. Es liegt aber auch weniger In- 
teresse vor, das Fliegen auf der Stelle für den Menschen nutz- 
bar zu machen, wenigstens würde man gern darauf verzichten, 
wenn man dafür nur um so besser vorwärts fliegen könnte. 


19. Der Lufiwiderstand der ebenen Fläche bei schräger 
Bewegung. 


Sobald ein Vogel vorwärts fliegt, machen seine Flügel 
keine senkrechten Bewegungen mehr, sondern die Flügel- 
schläge vereinigen sich mit der Vorwärtsbewegung und be- 
schreiben schräg liegende Bahnen in der Luft, wobei die 
Flügelflächen selbst in schräger Richtung auf die Luft treffen. 

Ein Flügelquerschnitt ab, Fig. 13, welcher durch den ein- 
fachen Niederschlag nach a,d, gelangt, würde durch gleich- 
zeitiges Vorwärtsfliesen beispielsweise nach a,d, kommen. 
Selbstverständlich ändern sich dadurch die Luftwiderstands- 
verhältnisse, und es ist klar, dals dies auch nicht ohne Ein- 
tluls auf die Flugarbeit bleibt. 


Euro ee 


Um hierüber ein Urteil zu gewinnen, muls man den Luft- 
widerstand der ebenen Fläche bei schräger Bewegung kennen, 
und da das Vorwärtsfliesen der eigentliche Zweck des Flie- 
gens ist, so haben die hierbei auftretenden Luftwiderstands- 
erscheinungen eine erhöhte Wichtigkeit für die Flugtechnik. 


Q 
= 


\ 
BEN 
N 

\ 


RS} 
\ 
St 
157 Ks 
\ 
Q 
SS u 


Fig. 13. 


Die technischen Handbücher weisen jedoch über diese 
Art von Luftwiderstand solche Formeln auf, welche grolsen- 
teils aus theoretischen Betrachtungen hervorgegangen sind, 
und auf Voraussetzungen basieren, welche in Wirklichkeit 
nicht erfüllt werden können. 

Wie schon früher angedeutet, war dieser Mangel für die 
gewöhnlichen Bedürfnisse der Technik nicht sehr einschnei- 
dend; denn es hingen nicht gerade Möglichkeiten und Un- 
möglichkeiten von der Richtigkeit der genannten Formeln ab. 

Für die Praxis des Fliegens sind dagegen nur solche An- 
gaben über Luftwiderstand verwendbar, welche, aus Versuchen 
sich ergebend, auch den Unvollkommenheiten Rechnung tra- 
gen, welche die Ausführbarkeit wirklicher Flügel mit sich 
bringt. Wir können nun einmal keine unendlich dünnen, 
unendlich glatten Flügel herstellen, wie die Theorie sie vor- 
aussetzt, ebensowenig wie die Natur dies vermag, und so stellt 
sich bei derartigen Versuchen ein beträchtlicher Unterschied 
in den Luftwiderstandserscheinungen gegen das theoretisch 
Entwickelte ein. Dies gilt namentlich auch für die Richtung 
des Luftwiderstandes zur bewegten Fläche. Diese Richtung 
steht nach der einfach theoretischen Anschauung senkrecht 


— 


zur Fläche In Wirklichkeit jedoch weicht diese Richtung 
des Luftwiderstandes besonders bei spitzen Winkeln, auch 
wenn die Fläche so dünn und so glatt wie möglich ausgeführt 
wird, erheblich von der Normalen ab. 

Diese in der Praxis stattfindenden Abweichungen von den 
Ergebnissen der theoretischen Überlegung haben schon so 
manche Hoffnung zu Schanden werden lassen, welche sich 
daran knüpfte, dals das Vorwärtsfliegen zur längst er- 
sehnten Kraftersparnis beim Fliegen beitragen könne. 

Auch wir haben, auf solche Vorstellungen fulsend, eine 
Anzahl von Apparaten gebaut, um diese vermeintlichen Vor- 
teile weiter zu verfolgen. 

Nachdem wir erkannt zu haben glaubten, dals der hebende 
Luftwiderstand durch schnelles Vorwärtsfliegen arbeitslos ver- 
mehrt werden, und daher an Niederschlagsarbeit gespart 
werden könne, bauten wir in den Jahren 1871—73 eine ganze 
Reihe von Vorrichtungen, um hierüber vollere Klarheit zu 
erhälten. 

Die Flügel dieser Apparate wurden teils durch Federkraft, 
teils durch Dampfkraft in Bewegung gesetzt. Es gelang uns 
auch, diese Modelle mit verschiedenen Vorwärtsgeschwindig- 
keiten zum freien Fliegen zu bringen; allein was wir eigentlich 
festellen wollten, gelang uns in keinem Falle. Wir waren 
nicht imstande, den Nachweis zu führen, dals durch Vorwärts- 
fliegen sich Arbeit ersparen lälst, und wenn wir auch durch 
diese Versuche um manche Erfahrung bereichert wurden, so 
mulsten wir das Hauptergebnis doch als ein negatives be- 
zeichnen, indem diese Versuche nicht eine Verminderung der 
Flugarbeit durch Vorwärtsfliegen ergaben. 

Den Grund hierfür suchten und fanden wir darin, dals 
wir eben von falschen Voraussetzungen ausgegangen waren 
und Luftwiderstände in Rechnung gezogen hatten, diein Wirk- 
lichkeit gar nicht existieren; denn die genannten ungünstigen 
Resultate veranlalsten uns, den Luftwiderstand der ebenen, 
schräg durch die Luft bewegten Flächen genauer experimentell 
zu untersuchen, und wir erhielten dadurch die Aufklärung über 


a 


dieses die Erwartungen nicht erfüllende Verhalten des Luft- 
widerstandes. 

Fig. 14 zeigt den hierzu verwendeten Apparat. 

Durch Letzteren war es möglich, an rotierenden Flächen 
nieht nur die Gröfse der Widerstände, sondern auch ihre 
Druckrichtung zu erfahren. 

Dieser Apparat trug an drehbarer vertikaler Spindel 2 
gegenüberstehende leichte Arme mit den 2 Versuchsflächen 


Fie. 14. 


an den Enden. Die Flächen konnten unter jedem Neigungs- 
winkel eingestellt werden. Die Drehung wurde hervorgerufen 
durch 2 Gewichte, deren Schnur von entgegengesetzten Seiten 
einer auf der Spindel sitzenden Rolle sich abwickelte. Dieser 
zweiseitige Angriff wurde gewählt, um den seitlichen Zug auf 
die Spindellager möglichst zu eliminieren. Durch Reduktion 
der treibenden Gewichte auf die Luftwiderstandscentren der 
Flächen, also durch einfachen Vergleich der Hebelarme liels 
sich die horizontale Luftwiderstandskomponente ermitteln, 

nachdem selbstverständlich vorher der von den Armen allein 


en, 


hervorgerufene und ausgeprobte Luftwiderstand sowie der 
Leergangsdruck abgezogen war. 

Um auch die vertikale Komponente des Luftwiderstandes 
messen zu können, war die Spindel mit allen von ihr getra- 
genen Teilen durch einen Hebel mit Gegengewicht ausbalan- 
ciert. Die Spindel ruhte drehbar auf dem freien Ende dieses 
Hebels und konnte sich um weniges heben oder senken, um 
das Auftreten einer äulseren vertikalen Kraft erkennen zu 
lassen. Die an den Versuchsflächen sich zeigende vertikale 


Fig. 16. Fig. 15. 


hebende Widerstandskomponente wurde dann durch einfache 
Belastung des Unterstützungspunktes der Spindel, bis keine 
Hebung mehr stattfand, ganz direkt gemessen, wie in der 
Zeichnung angegeben. 

Auf diese Weise erhielten wir bei der Koh ‚gestellten 
und horizontal bewegten Fläche ab nach Fig. 15 die horizon- 
tale Luftwiderstandskomponente Oe und die vertikale Kompo- 
nente Of, die dann zusammengesetzt die Resultante Og er- 
gaben, welche den eigentlichen Luftwiderstand in Grölse und. 
Richtung darstellt. 

Denkt man sich das ganze System von Fig. 15.um den 
Winkel & nach links gedreht, sö entsteht Fig. 16, in welcher 
ON, die Normale zur Fläche, senkrecht Steht.‘ 


a 


 Zerlegt man hier nun den Luftwiderstand Oy in eine 
vertikale und eine horizontale Komponente, so erhält man 
für die horizontal ausgebreitete und schräg abwärts bewegte 
Fläche die hebende Wirkung des Luftwiderstandes in der 
Kraft Oc, während die Kraft Od eine hemmende Wirkung 
für die Fortbewegung der Fläche nach horizontaler Richtung 
veranlalst. Aus diesem Grunde kann man Oc die hebende 
und Od die hemmende Komponente nennen. 

Die Resultate dieser Messungen sind auf Tafel I zusammen- 
gestellt, und zwar giebt Fig. 1 die Luftwiderstände bei kon- 
stanter Bewegunssrichtung und verändertem Neigungswinkel, 
während Fig. 2 die Widerstände so gezeichnet enthält, wie 
dieselben bei einer sich parallel bleibenden Fläche entstehen, 
wenn diese nach den verschiedenen Richtungen mit immer 
gleicher absoluter Geschwindigkeit bewegt wird. 

Wenn eine ebene Fläche ab, TafelI Fig. 1, in der Pfeil- 
richtung bewegt wird, und zwar nicht blols, wie gezeichnet, 
sondern unter verschiedenen Neigungen von & = 0° bis & = 90°, 
aber immer mit der gleichen Geschwindigkeit, so entstehen 
die Luftwiderstände ce 0°%; c 3° c6°; c 90°, entsprechend den 
Neigungswinkeln 0°, 3° 6°, 90°. Diese Kraftlinien geben 
das Verhältnis der Luftwiderstände zu dem normalen Wider- 
stand ce 90° an, welch letzterer nach der Formel Z = 0,13. F. c? 
berechnet werden kann. Die Kraftlinien haben aber auch die 
ihnen zukommenden Richtungen in Fig. 1 erhalten. Ihre End- 
punkte sind durch eine Kurve verbunden. 

Da aus Fig. 1 nicht verglichen werden kann, wie die 
Kraftriehtungen zu den erzeugenden Flächen stehen, so sind 
in Fig. 2 die Luftdrucke so eingezeichnet, wie dieselben sich 
stellen, wenn die horizontale Fläche «5b mit derselben abso- 
luten Geschwindigkeit nach den verschiedenen Richtungen 
von 8°, 6°, 9° u.s. w. bewegt wird. Hierbei ist deutlich die 
Lage jeder Druckrichtung gegen die Normale der Fläche er- 
kenntlich. 

Es zeigt sich, dals die Luftwiderstandskomponenten in 
der Flächenrichtung bis zum Winkel von 37° fast gleich grols 


us ze 


sind. Diese Komponente stellt aufser dem Einflufs des an der 
Vorderkante der Fläche stattfindenden Luftwiderstandes ge- 
wissermalsen die Reibung der Luft an der Fläche dar, und 
diese Reibung bleibt fast gleich grols, wenn, wie bei spitzen 


Fig. 17. —> 


Winkeln, in Fig. 17, die Luft nach einer Seite abfliefst. Bei 
stumpferen Winkeln, Fig. 18, wo ein Teil der steiler auf die 
Fläche treffenden Luft um die Vorderkante der Fläche herum- 
geht, wird die Reibung summarisch dadurch vermindert und 
schlielslich ganz aufgehoben nach Fig. 19 bei normaler Bewe- 
sung; denn dann flielst die Luft nach allen Seiten gleich stark 
ab und die algebraische Summe der Reibungen ist Null. 


Die Abhängigkeit des Widerstandes vom Quadrat der 
Geschwindigkeit wird durch die Reibung nicht wesentlich 
beeinflulst. 

Zum Vergleich der absoluten Grölsen des Luftwiderstandes 
geneigter Flächen mit dem Luftwiderstand bei normal ge- 
troffenen Flächen bediene man sich der Tafel VII. Hier sind 
die Widerstände geneigter ebener Flächen nach Malsgabe der 
Neigungswinkel bei gleichen absoluten Geschwindigkeiten und 
zwar in der unteren einfachen Linie (mit ebene Fläche be- 
zeichnet) eingetragen, ohne Rücksicht auf ihre Druckrichtung. 
Die Abweichung von der jetzt meist als malsgebend angesehe- 
nen Sinuslinie ist besonders bei den kleinen Winkeln auffallend. 
Nicht viel weniger auffallend würden sich übrigens auch die 
normal zur Fläche stehenden Komponenten verhalten, weil sie 
nicht viel kleiner sind. 

Für die Nutzanwendung kommen natürlich die Abwei- 
chungen der Widerstandsrichtung von der Normalen ganz 
besonders in Betracht; denn sie sind es, welche den Vorteil 
des Vorwärtsfliegens mit ebenen Flügeln in Bezug auf Kraft- 
ersparnis zum grölsten Teil wieder vernichten. 

Es wird nicht gut angehen, den durch schiefen Stols 
hervorgerufenen Luftwiderstand in Formeln zu zwängen, es 
mülsten denn gröbere Vernachlässigungen geschehen, welche 
die Genauigkeit empfindlich beeinträchtigten. 

Es bleibt nur übrig, die Diagramme zur Entnahme des 
Luftdruckes zu benutzen, weshalb dieselben auch mit mög- 
lichster Genauigkeit im grölseren Malsstabe ausgeführt sind. 

Die hier vorliegenden Diagramme geben die Mittelwerte 
der aus vielen Versuchsreihen gefundenen Zahlen. 

Diese Experimente begannen im Jahre 1866 und wurden 
mit mehreren grölseren Unterbrechungen bis zum Jahre 1889 
fortgesetzt. Zur Beurteilung ihrer Anwendbarkeit sei erwähnt, 
dals mehrere Apparate, wie beschrieben, in verschiedenen 
Grölsen zur Anwendung gelangten. Der Durchmesser der 
Kreisbahnen, welche die Versuchsflächen zurückzulegen hatten, 


schwankte zwischen 2m und 7m. Die verwendeten Flächen, 
Lilienthal, Fliegekunst. 5 


ee 


von denen immer 2 gegenüberstehende gleichartige zur An- 
wendung gebracht wurden, hatten 0,1—-0, qm Inhalt. Sie 
waren hergestellt aus leichten Holzrahmen mit Papier be- 
spannt, aus dünner fester Pappe, sogenanntem Prelsspan, 
aus massivem Holz oder aus Messingblech. Der gröfste 
Querschnitt betrug Y/,o—Vso der Fläche Die Kanten wurden 
stumpf, abgerundet und scharf zugespitzt hergestellt, was 
jedoch bei der geringen Dicke der Versuchskörper wenig Ein- 
tluls ausübte. 

Die zur Anwendung kommenden Geschwindigkeiten be- 
trugen 1 bis 12 m pro Sekunde. 

Das Wachsen des Luftwiderstandes mit dem Quadrat der 
Geschwindigkeit bestätigte sich bei allen diesen Versuchen. 


20. Die Arbeit beim Vorwärtsfliegen mit ebenen Flügeln. 


Wenn der Luftwiderstand senkrecht zu ebenen, schräg 
abwärts bewegten Flügeln gerichtet wäre, liefse sich durch 
schnelles Vorwärtsfliegen viel an Flugarbeit ersparen. Es 
käme, nach Fig. 20, immer nur die kleine vertikale Geschwin- 
digkeitskomponente ce für die Arbeit in Rechnung, während 
die grolse absolute Flügelgeschwindigkeit v den hebenden 
Luftwiderstand bedingt. 

Annähernd wäre der erzeugte Luftwiderstand 

@ 

F.0,3.sin «@’ 
wobei die Arbeit @.c= @.v.sin« oder 


G= 0,13.F.v?.sine, und v= / 


Ga Ge at Ysine wäre. 


Je kleiner also « ist, je schneller also geflogen wird, 
desto kleiner wird auch Ysin« sein, und desto geringer wäre 
auch die aufzuwendende Arbeit; man hätte nur nötig, genü- 
gend schnell zu fliegen, und könnte dadurch die Fliegarbeit 
beliebig verkleinern. 


Eee 


In Wirklichkeit läfst sich dieser Satz nicht aufrecht halten, 
weil eine etwa vorhandene Anfangsgeschwindigkeit des Vogels 
bald aufgezehrt werden würde durch die hemmende Kompo- 
‚nente des Luftwiderstandes unter den Flügeln, selbst wenn 
man von dem Widerstand des Vogelkörpers ganz absieht. 

Um dennoch die Vorwärtsgeschwindigkeit des Vogels zu 
unterhalten, könnte z. B. das Flügelheben unter schräger 
Stellung verwendet werden, wie auch wir bei unseren Ver- 
suchen verfuhren. Aus letzterem ergäbe sich aber eine herab- 


Horizont 


Fig. 21. 


drückende Wirkung, und für diese mülste der Niederschlag 
der Flügel aufkommen. 

Statt dessen kann man sich aber auch anderseits vor- 
stellen, der Flügel wäre beim Abwärtsschlagen nicht horizontal 
gerichtet, sondern, wie in Fig. 21, nach vorn etwas geneigt 
und zwar so, dals die Mittelkraft des entstandenen Luftwider- 
standes genau senkrecht oder noch wenig. nach vorn geneigt 
steht, um den Widerstand des Vogelkörpers mit zu über- 
winden. An dem auf diese Weise thätigen Flugapparate 
könnte ein Gleichgewicht der Bewegung bestehen und die 
Vorwärtsgeschwindigkeit aufrecht erhalten bleiben. 

Der Einfluls eines solchen Vorwärtsfliegens mit ebenen 
Flügeln auf die Grölse der Flugarbeit läfst sich nun in fol- 
gender Weise bestimmen. 

Hr 


Ass I 


Es soll diese Arbeit beim Vorwärtsfliegen ins Verhältnis 
gestellt werden zu derjenigen Arbeit, welche ohne Vorwärts- 
fliegen nötig ist, und zwar sei diese letztere Arbeit mit A 
bezeichnet, 


Der einfacheren Vorstellung halber sei angenommen, dafs 
die Flügel in allen Punkten gleiche Geschwindigkeit haben, 
die Flügel also in allen Lagen parallel mit sich bleiben und 
die Verteilung des Luftwiderstandes auf die Fläche daher 
gleichmälsig erfolgt. 

In Fig. 22 ist der Flügelquerschnitt AB so gegen den 
Horizont geneigt, dals die z. B. unter 23° mit der absoluten 

Geschwindigkeit OD be- 


Y wegte Fläche einen lot- 
recht gerichteten Luft- 
widerstand O0 C giebt. 
Die Flächenneigung ge- 

S gen den Horizont be- 
trägt dann nach dem 


Diagramm Tafel I Fig. 1 
und Fig. 2 etwa 6°. 


Um nun einen Luft- 
widerstand von bestimm- 
ter Grölse, z. B. gleich 
dem Vogelgewichte @ 
zu erhalten, muls die 
absolute Geschwindigkeit grölser sein, als wenn die Flugfläche 
senkrecht zu ihrer Richtung bewegt würde und dabei derselbe 
Widerstand entstehen sollte. 

Aus der Tafel VII ergiebt sich, dals für 23° Neigung der 
Luftwiderstand 0,55 des Widerstandes für 90° ist. Für 23° 
Neigung mülste daher die absolute Geschwindigkeit um den 


Faktor: = grölser sein, als bei 90°. Dies wäre dann die 
Y0,45 

Geschwindigkeit OD, Für die Arbeitsleistung kommt aber 

nur die Geschwindigkeit O_E in Betracht und diese ist gleich 


hg 


A 
0.Dx sin 29°, mithin: —— x sin 29° = 0,72 von der Geschwin- 


1V,45 
digkeit, mit welcher die Fläche bei normaler Bewegung den 
Luftwiderstand @ erzeugte. 


Die in diesem Falle zu leistende Arbeit ist demnach 0,72 A 
und es wäre hier durch Vorwärtsfliegen etwa '/, der Arbeit 
gespart gegenüber dem Fliegen auf der Stelle. Die Flug- 
geschwindigkeit würde dann ungefähr doppelt so grols sein 
als die Abwärtsgeschwindigkeit der Flügel, wel ZD 
ungefähr doppelt so grols als 0 E ist. 

Von dem hierbei resultierenden Nutzen geht aber wiederum 
noch ein Teil dadurch verloren, dafs der Widerstand des Vogel- 
körpers nach der Bewegungsrichtung mit überwunden werden 
muls. 

Der hier herausgegriffiene Fall ist aber der günstigste, 
welcher entstehen kann; denn wenn die Flügel unter anderen 
Neigungen bewegt werden, also langsamer oder schneller ge- 
flogen wird, so ergiebt sich ein noch weniger günstiges Re- 
sultat für die aufzuwendende Arbeit. Die Verhältnisse zu der 
Arbeit A sind auf Tafel I in Fig. 2 bei einigen Winkeln an- 
gegeben. Der Minimalwert bei 23° ist unterstrichen. 


Man sieht, dals das Vorwärtsfliegen mit ebenen Flächen 
kaum einen nennenswerten Vorteil zur Kraftersparnis gewährt; 
denn wenn vorher 1,5 HP zum Fliegen für den Menschen 
nötig war, bleibt jetzt immer noch über I HP übrig als das 
Äulserste, was sich theoretisch erreichen lälst. 

Hieraus geht aber auch gleichzeitig hervor, dals dem 
Fliesen mit ebenen Flügeln dieser grolse Nachteil deshalb 
anhaftet, weil der Luftwiderstand bei schräger Bewegung 
nicht senkrecht zur Fläche steht, und dals deshalb keine 
Möglichkeit denkbar ist, dals bei ebenen Flächen, sei die Be- 
wegung wie sie wolle, jemals eine grölsere Arbeitsersparnis 
nachgewiesen werden könnte. 

Wenn dessenungeachtet vielfach unternommen wird, durch 
eigentümliche Bewegungen mit ebenen Flügeln, wofür es in 


ie en 


der flugtechnischen Litteratur an Kunstausdrücken nicht fehlt, 
grolse Vorteile beim Fliegen herauszurechnen und gar das 
Segeln der Vögel darauf zurückzuführen, so kann dieses nur 
auf Grund falscher Voraussetzungen geschehen oder auf im 
Eifer entstandene Trugschlüsse hinauslaufen, die in den flug- 
technischen Werken leider allzuhäufig anzutreffen sind. Man 
möchte annehmen, es sei in der Flugtechnik zu viel gerechnet 
und zu wenig versucht, und dals dadurch eine Litteratur 
geschaffen sei, wie sie entstehen muls, wenn in einer empi- 
rischen Wissenschaft nicht oft genug durch die Wirklichkeit 
des Experimentes der reinen Denkthätigkeit neuer Stoff und 
die richtige Nahrung zugeführt wird. | 


21. Überlegenheit der natürlichen Flügel gegen ebene 
Flügelflächen. 


Wenn nun die Aussichten hoffnungslos sind, mit ebenen 
Flächen jemals auf eine Flugmethode zu kommen, welche mit 
srolser Arbeitsersparnis vor sich gehen kann, und daher 
durch den Menschen zur Ausführung gelangen könnte, so 
bleibt eben nur übrig, zu versuchen, ob denn das Heil in der 
Anwendung nicht ebener Flügel sich finden lälst. 


Die Natur beweist uns täglich von neuem, dals das Fliegen 
gar nicht so schwierig ist, und wenn wir fast verzagt die 
Idee des Fliegens aufgeben wollen, weil immer wieder eine 
unerschwingliche Kraftleistung beim Fliegen sich heraus- 
rechnet, so erinnert jeder mit langsamem, deutlich erkenn- 
barem Flügelschlag dahinfliegende grölsere Vogel, jeder 
kreisende Raubvogel, ja, jede dahinsegelnde Schwalbe uns 
wieder daran: „Die Rechnung kann noch nicht stimmen, der 
Vogel leistet entschieden nicht diese ungeheuerliche Arbeits- 
kraft; es muls irgendwo noch ein Geheimnis verborgen Sein, 
was das’Fliegerätsel mit einem Schlage löst.“ 


Wenn man sieht, wie ungeschickt die jungen Störche, 
nachdem sie auf dem Dachfirst einige Vorübungen gemacht, 
ihre ersten Flugversuche anstellen, wo Schnabel und Beine 
herunterhängen, der Hals aber in einer höchst unschönen 
Linie gekrümmt die wunderlichsten Bewegungen macht, um 
das in Gefahr geratene Gleichgewicht zu sichern, dann gewinnt 
man den Eindruck, als müsse solch notdürftiges Fliegen ganz 
aulserordentlich leicht sein, und man wird angeregt, sich 
auch ein Paar Flügel anzufertigen und das Fliegen zu ver- 
suchen. Gewahrt man dann, wie der junge Storch nach 
wenigen Tagen schon elegant zu fliegen versteht, so wird der 
Mut, es ihm gleich zu thun, nur noch grölser. Nicht lange 
währt es aber, so kreist dann der junge Storch vor Antritt 
der Reise nach dem Süden mit seinen Eltern im blauen Äther 
ohne Flügelschlag um die Wette. (Siehe Titelbild.) Das heilst 
doch wohl, dafs hier die richtige Flügelform den Ausschlag 
seben muls, und wenn diese einmal vorhanden ist, alles übrige 
sich von selbst findet. 

Erwägt man ferner, dals die meisten Vögel nicht not- 
dürftig, sondern verschwenderisch mit der Flugfähigkeit aus- 
gestattet sind, so muls um so mehr die Einsicht Platz greifen, 
dafs auch das künstliche Fliegen vom Menschen bewirkt 
werden kann, wenn es nur richtig angestellt wird, wozu aber 
besonders die Anwendung einer richtigen Flügelform gehört. 

Dafs aber der Vogel oft wirklichen Überschuls an Fliege- 
kraft besitzt, erkennt man daran, dals die Raubvögel recht 
ansehnliche Beute noch zu tragen vermögen. Die vom Habicht 
getragene Taube wiegt fast halb so viel, wie der Habicht 
selbst und trägt nicht etwa mit zur Hebung bei; denn der 
Habicht drückt der Taube mit seinen Fängen die Flügel 
zusammen. Man merkt dann allerdings dem Habicht die 
Anstrengung sehr an; er vermag jedoch trotzdem noch weit 
mit der Taube zu fliegen und würde dies sicher noch besser 
können, wenn die Taube nicht beständig, von Todesangst 
getrieben, verzweifelte Anstrengungen machte, sich zu be- 
freien, und wenn der Habicht mit der unter ihm hängenden 


Taube nicht den reichlich doppelten Flugquerschnitt nach der 
Bewegungsrichtung hätte, so dals er am schnelleren Fluge 
dadurch gehindert wird. 

Dals aber auch die Flügelgrölse der Vögel im allgemeinen 
sehr reichlich bemessen ist, erkennt man daran, dals die 
meisten Vögel mit sehr reduzierten Flügeln noch fliegen 
können. Beim Fehlen einiger Schwungfedern ist meistens 
kein Unterschied im Fliegen gegen das Fliegen mit vollzähli- 
sen Federn bemerkbar, 


An dieser Stelle soll auch erwähnt werden, dafs der 
Schwanzfläche des Vogels nur sehr geringe Bedeutung bei- 
gemessen werden darf gegenüber der Flügelwirkung, weil 
nach Verlieren sämtlicher Schwanzfedern der Vogel kaum 
merklich schlechter fliegt. Dies gilt nicht blofs für die Hebe- 
wirkung, sondern auch für die Steuerwirkung. Ein Sperling 
ohne Schwanz fliegt ebenso gewandt durch einen Lattenzaun 
wie seine geschwänzten Brüder. Diese Beobachtung wird 
wohl fast jeder einmal gemacht haben. 


Wichtiger als für die seitliche Steuerung scheint der 
Schwanz für die Steuerung nach der Höhenrichtung zu sein, 
worauf schon der Umstand hindeutet, dals der Vogelschwanz 
entgegen dem Fischschwanz bei seiner Entfaltung eine horizon- 
tale Fläche bildet. 


Bemerkenswert ist ferner, dals die Vögel mit langem Hals 
meist kurze Schwänze und die Vögel mit kürzerem Hals meist 
längere Schwänze besitzen. Der lange Hals ist zur Schwer- 
punktverlegung wohl geeignet und kann daher auch schnell 
die Neigung des auf der Flusfläche ruhenden Vogels nach 
vorn oder hinten bewirken. Wer einen ganz jungen Storch 
fliegen gesehen hat, wird auch bemerkt haben, wie letzterer 
hiervon in ergiebigster Weise Gebrauch macht. Der längere 
Schwanz kann aber den langen Hals vorzüglich ersetzen, jedoch 
nicht durch Veränderung der Schwerpunktslage, sondern durch 
Einschaltung eines hinten hebenden oder niederdrückenden 
Luftwiderstandes, je nachdem der Schwanz beim Vorwärts- _ 


ee 


fliegen gesenkt oder gehoben wird. Der Schwanz wirkt dann 
genau wie ein horizontales Steuerruder. 

Dennoch aber ist für den Vogel der Schwanz leicht ent- 
behrlich, weil er noch ein anderes höchst wirksames Mittel 
besitzt, sich nach vorn zu heben oder zu senken. Er braucht 
ja nur durch Vorschieben seiner Flügel den Stützpunkt nach 
vorn zu bringen, um sofort vorn gehoben zu werden, und 
wird durch Zurückziehen der Flügel ebenso vorn sich senken. 
Durch letztere Bewegung: leitet der stolsende Raubvogel seine 
Abwärtsbewegung aus der Höhe ein. 

Über die geringste zum Fliegen erforderliche Flugfläche 
bei Tauben hat Verfasser Versuche angestellt. Durch stumpfes 
Beschneiden der Flügel wird zwar bald die Grenze der Flug- 
fähigkeit erreicht, aber durch Zusammenbinden der Schwung- 
federn kann man die Fläche der Flügel erheblich vermindern 
ohne der Taube die Flugfähigkeit ganz zu nehmen. Der 
äulserst erreichte Fall, in dem die Taube noch dauernd hoch 
und schnell fliegen konnte ist in Fig. 23 abgebildet. 


— 
ZH 

DI, 

HIT? 


BER 


Um noch ein Beispiel aus der Insektenwelt anzuführen, 
selbst auf die Gefahr hin, dals der Vergleich etwas weit her- 
geholt erscheint, soll darauf hingewiesen werden, dals die 
Stubenfliegen noch sehr gut auf ihren Flügeln sich erheben 
können, wenn sie im Herbst vor Mattheit kaum noch zu 
kriechen imstande sind. Es ist hierbei allerdings zu berück- 
sichtigen, dals mit der Kleinheit der Tiere ihre Flugfläche im 


we, get 


Vergleich zum Gewichte beträchtlich zunimmt, kleinen Tieren, 
also allen Insekten, das Fliegen besonders leicht gemacht ist. 
1 kg Sperlinge hat zusammen 0,25 qm Flugfläche; die Flügel 
von 1kg Libellen besitzen dagegen 2,5 qm Fläche, 

Aus diesem Grunde dürfen wir auch die Insektenwelt 
beim Fliegen nicht als Vorbild wählen, sondern haben uns an 
die möglichst grolsen Flieger zu halten, bei denen das Ver- 
hältnis von Flugfläche zum Gewicht ein möglichst ähnliches 
von dem ist, welches der Mensch für sich ausführen mülste. 

Also auf die Form der Flugfläche wurde unsere Aufmerk- 
samkeit gelenkt, und wir wissen alle, dafs der Vogelflügel 
keine Ebene ist, sondern eine etwas gewölbte Form hat. 

Es fragt sich nun, ob diese Form ausschlaggebend ist 
für eine Erklärung der geringen Arbeit beim natürlichen Fluge, 
und inwieweit andere nicht ebene Flächen die Arbeit beim 
Fliegen vermindern können. 

Hier scheinen die theoretischen Vorausbestimmungen uns 
nun vollends im Stich zu lassen, ausgenommen, dals wir nach 
derjenigen Theorie handeln, welche uns immer wieder auf die 
Natur als unsere Lehrmeisterin verweist und die genaue Nach- 
bildung des Vogelflügels empfiehlt. 


22. Wertbestimmung der Flügelformen. 


Die Wölbung, welche die Vogelflügel besitzen, scheint 
aber doch fast zu gering zu sein, um solche hervorragenden 
Unterschiede in der Wirkung zu erzeugen. So dachten auch 
wir, als wir im Jahre 1873 in einer grolsen Berliner Turn- 
halle während der Sommerferien einen Melsapparat aufstellten 
und mit allerhand gekrümmten Flächen versahen, um womög- 
lich noch bessere Flügelformen herauszufinden, als die Natur 
sie verwendet. | 

Ein solcher Melsapparat ist bereits beschrieben und in 
Fig. 14 dargestellt; er gestattete, Grölse und Richtung des 


Luftwiderstandes bei beliebigen Flächen, unter beliebigen Rich- 
tungen und Geschwindigkeiten bewegt, zu messen. 


Die verwendeten Flächen waren aus biegsamen Materialien 
hergestellt, so dafs man ihnen leicht jede beliebige Form geben 
konnte. Es kam ja eben darauf an, Vergleiche zwischen den 
Wirkungen der Flächenformen anzustellen mit Bezug auf ihre 
Verwendbarkeit zur Flugtechnik. 


Diese bessere oder schlechtere Verwendbarkeit muls nun 
noch einmal einer näheren Untersuchung unterzogen werden. 


Es liegt in der Absicht, diejenige Flächenform zu finden, 
welche den gröfsten Vorteil zur Arbeitsersparnis beim Fliegen 
gewährt. Die Fliegearbeit aber besteht immer in einem Pro- 
dukt aus Kraft und sekundlichem Weg. Wenn dieses Arbeits- 
produkt verringert werden soll, so müssen die einzelnen Fak- 
toren verringert werden. Mit dem Kraftfaktor läfst sich aber 
nicht viel hierin beginnen, weil diese Kraft immer mindestens 
gleich dem Gewicht des zu hebenden Körpers sein muls. Wir 
müssen also unser Augenmerk darauf richten, den Wegfaktor 
oder die arbeiterfordernde Flügelgeschwindigkeit günstig zu 
beeinflussen. 

Fühlbar für die Anstrengung ist aber beim vorwärts- 
fliegenden Vogel nur die Geschwindigkeit der Flügel relativ 
zum Vogelkörper also im besonderen der vertikale Geschwindig- 
keitsanteil des Luftwiderstandscentrums. 


Es liegt nahe, nach Flügelformen zu suchen, welche beim 
Vorwärtstliegen diejenigen Vorteile gewähren, die bei ebenen 
Flügeln vergeblich gesucht wurden, und es fragt sich: 

„Giebt es Flächenformen, welche, als Flügel beim Vor- 
wärtsfliegen bewegt, mehr hebende aber weniger hemmende 
Wirkung hervorrufen als die unter gleichen Verhältnissen 
angewendete ebene Flugfläche? 


‘Es kommt also darauf an, eine Flächenform zu 
finden, welche in einer gewissen Lage, unter mög- 
lichst spitzem Winkel zum Horizont bewegt, eine 
möglichst grolse hebende, das Gewicht tragende, 


I e 


und eine möglichst kleine, die Fluggeschwindigkeit 
wenig hemmende Luftwiderstandskomponente giebt. 

Der Wert der Flügelform besteht also darin, dals eine 
möglichst starke und reine Hebewirkung sich bildet, 
wenn der Flügel gleichzeitig langsam abwärts und schnell 
vorwärts bewegt wird. 


23. Der vorteilhafteste Flügelquerschnitt. 


Die von uns auf ihr Güteverhältnis für die Flugtechnik 
untersuchten Flächen hatten nach der Bewegungsrichtung 
unter anderen die in Fig. 24 abgebildeten Querschnitte Auf 


En An Dr I Tr U 
So a 


Fig. 24, 


die sonstige Form dieser Versuchsflächen soll später näher 
eingegangen werden. 

Es wurden diese Flächen unter verschiedenen Neigungen 
und mit verschiedenen Geschwindigkeiten gegen die Luft be- 
west, und jedesmal der entstandene Luftwiderstand nach Grölse 
und Richtung gemessen. | 

Hierbei stellte sich nun heraus, dals unter allen diesen 
Versuchsflächen die einfach gewölbte, und zwar die nur 
schwach gewölbte Fläche, deren Form dem Vogelflügel am 
ähnlichsten ist, in ganz hervorragender Weise diejenigen 
Eigenschaften besitzt, auf welche es, wie vorher erörtert, für 
eine gute Verwendbarkeit zur Kraftersparnis beim Fluge an- 
kommt. 


ee 


Eine schwachgewölbte Fläche mit einem Querschnitt nach 
Fig. 25 giebt also, in der Richtung des Pfeiles bewegt, einen 
Luftwiderstand oa mit grolser hebender Komponente ob und 
kleiner hemmender Komponente oc; ja, 
dieser Luftwiderstand verliert bei gewissen 
Neigungen überhaupt seine hemmende 
Wirkung und bekommt sogar, was wir 
anfangs kaum zu glauben wagten, unter 
Umständen eine solche Richtung zur er- 
zeugenden Fläche, dals statt der hemmen- 
den eine treibende Komponente auftritt, 
dals also die Druckrichtung: nicht hinter, 
sondern vor der Normalen zur Fläche zu 
liegen kommt. 

Da vermutlich auf den Eigenschaften 
solcher schwachgekrümmter vogelflügel- 
ähnlicher Flächen das Geheimnis der 
sanzen Fliegekunst beruht, werden die- 
selben später genauerer Untersuchung unterzogen. Zunächst 
‘ aber soll in dem folgenden Abschnitt das allgemeine Ver- 
halten der ebenen und gewölbten Fläche zur Fliegearbeit ver- 
glichen werden. Wir werden uns hierdurch von der vorteil- 
haften Verwendbarkeit der flügelförmigen Flächen überzeugen, 
und die Notwendigkeit von der gänzlichen Beseitigung der 
ebenen Flügel aus der Flugfrage überhaupt einsehen. 


PT7a 
m — 


Fig. 25 


24, Die Vorzüge des gewölbten Flügels gegen die ebene 
Flugfläche. 


Um einen Vergleich anstellen zu können zwischen dem 
Luftwiderstand der ebenen und gewölbten Fläche, sind in 
Fig. 26 und Fig. 27 zwei gleich grolse Flächen «5b und cd 
im Querschnitt dargestellt, welche auch unter gleichen Nei- 
gungen, etwa von 15°, zum Horizont gelagert sind, voraus- 


gesetzt, dals man bei der gewölbten Fläche die Verbindungs- 
linie der Vorder- und Hinterkante, also die gerade Linie cd 
als Richtung ansieht. 

Wenn diese Flächen nun an einem Rotationsapparat, 
Fig. 14, horizontal mit gleicher Geschwindigkeit durch ruhende 


L 44415 d 
DISC 


Fig. 26. 


Luft bewegt und gesondert auf ihren Widerstand untersucht 
werden, so erhält man die horizontalen Luftwiderstands- 
komponenten oe und pf und die vertikalen Komponenten :oy 
und ph, welche in richtigen Verhältnissen, wie sie sich aus 
den Versuchen ergaben, in den Figuren eingetragen sind. 

Diese Komponenten geben nun durch Bildung der Resul- 
tanten die absolute Grölse und Richtung der Luftwiderstände 
ot bei der ebenen und p% bei der gewölbten Fläche. 

Um deutlich zu erkennen, von welcher Tragweite dieser 
verschiedene Ausfall des Luftwiderstandes für die Fliegearbeit 
ist, denke man sich beide Flächen horizontal gelagert und 
dafür die Geschwindigkeitsrichtung um denselben Winkel von 
15° abwärts geneigt. Es entstehen dann Fig. 28 und Fig. 29, 
und bei denselben absoluten Geschwindigkeiten müssen auch 


eo 


dieselben Luftwiderstände gegen die Flächen sich bilden, und 
zwar wieder oi und pk, die auch gegen die Flächen noch 
dieselben Richtungen haben wie früher. 


Werden die Flächen ab und cd in dieser Lage mit den 
gleichen Geschwindigkeiten v» als Flugflächen verwendet, so 


S 


A 
f 
I 
l 
| 
j 
I 
1 
1 
l 
| 
| 
j 
1 
! 


fällt zunächst auf, dafs die gewölbte Fläche bei derselben 
Geschwindigkeit eine grölsere Hebewirkung ausübt, sie könnte 
also langsamer bewegt werden wie die ebene Fläche, um den- 
selben Hebedruck zu erzielen als letztere, und es würde hier- 
durch direkt an Arbeit gespart. 


Was aber noch wichtiger zu sein scheint, ist die bei der 
gewölbten Fläche auftretende vorteilhaftere Richtung des Luft- 
widerstandes. 

Die hemmende Komponente ol bei der ebenen Fläche 
zeigt sich bei der gewölbten Fläche nicht, sondern es tritt 
dafür eine treibende Komponente pm auf. Das Vorhanden- 
sein der hemmenden Komponente ol bei der ebenen Fläche 
war aber das eigentliche Hindernis für die Erzielung von 
Kraftersparnis durch Vorwärtsfliegen. Dieses Hindernis aber 


I er 


besitzt die schwach gewölbte Fläche nicht, und aus diesem 
Grunde treten bei ihr alle jene Vorteile auf, welche bei der 
ebenen Fläche fälschlich gemutmalst und vergeblich zu er- 
reichen gesucht wurden. 


Es ist nach Einsichtnahme dieser Luftwiderstandsverhält- 
nisse auf den ersten Blick zu erkennen, dals die gewölbten 
Flügelformen wohl geeignet sind, durch Vorwärtsfliegen ganz 
bedeutend an Fliegearbeit zu sparen. Bevor jedoch näher auf 
die Grölse dieser Arbeitsersparnis eingegangen wird, soll eine 
theoretische Betrachtung über die Entstehung: dieser für die 
Flugtechnik sowohl als für die gesamte fliegende Tierwelt 
gleich wichtigen Eigenschaften des Luftwiderstandes voraus- 
geschickt werden. 


25. Unterschied in den Luftwiderstandserscheinungen der 
ebenen und gewölbten Flächen. 


Durch das Experiment lälst sich die Überlegenheit der 
hohlen Flügelform gegen ebene Flügel mit Rücksicht auf ihre 
Verwendbarkeit beim Fliegen ziffermäfsig ermitteln. Es ist 
aber nötig, dals wir uns das Wesen dieser Erscheinung bei 
der Wichtigkeit derselben in allen Fragen der Flugtechnik 
möglichst klar vor Augen führen. 


Denken wir uns zu diesem Zweck in Fig. 30 zwei gleich 
srolse Flächen, von denen die obere einen ebenen, die untere 
einen schwach gewölbten Querschnitt hat, durch einen gleich- 
mälsigen horizontalen Luftstrom getroffen. Ob die Flächen 
in ruhender Luft bewegt werden, oder die Luft mit derselben 
Geschwindigkeit die ruhenden Flächen trifft, ist im Grunde 
senommen mit denselben Luftwiderstandswirkungen verknüpft. 
Es ist die Luft hier als bewegt gedacht, um die Wege der 
Luftteilchen besser andeuten zu können, und ein deutlicheres 
Bild von dem Vorgang in der Luft zu erhalten. 


Die beiden Flächen sind gleich grols und haben dieselbe 
Neigung, indem bei der gewölbten Fläche wieder die Sehne 
des Querschnittbogens als malsgebend für die Richtung an- 
gesehen werden soll. 

Dals der Vorgang in der Luft hier in beiden Fällen ein 
verschiedener sein muls, und daraus auch ein verschieden 
gearteter Luftwiderstand sich ergeben muls, ist von vornherein 


SE 


— 


SOT 


einleuchtend, selbst wenn die Wölbung der einen Fläche nur 
eine sehr schwache ist. 

Die hier vorgeführte Darstellung mag nun wohl der 
Wirklichkeit bei derartigen unsichtbaren Vorgängen in der 
Luft nicht genau entsprechen, es genügt aber, wenn die cha- 
rakteristischen Unterschiede so weit zutreffen, als es für die 
Anknüpfung der nötigen Überlegungen erforderlich ist. 

Die an den Flächen vorbeistreichende Luft erhält in beiden 
Fällen eine nach unten gerichtete Beschleunigung; denn die 
unter die Flächen treffende Luft mufs unter den Flächen hin- 


durch und die über den Flächen vorbeistreichende Luft mu/s 
Lilienthal, Fliegekunst. 6 


unbedingt den geneigten Raum oberhalb der Flächen aus- 
füllen. In der Art, wie dieses aber vor sich geht, sind die 
Vorgänge in der Luft bei beiden Flächen verschieden. 

Die Ablenkung des Luftstromes nach. unten geschieht bei 
der ebenen Fläche zumeist an der Vorderkante, und zwar 
plötzlich. Hierbei tritt eine Stolswirkung auf, welche wiederum 
zur Bildung von Wirbeln Veranlassung giebt. 

Nach den allgemeinen Grundsätzen der Mechanik lälst 
sich hieraus allein schon auf eine Verminderung des beab- 
sichtigten Effektes schliefsen; denn wenn wunbeabsichtigte 
Nebenwirkungen entstehen, so geht an der Hauptwirkung 
verloren. Die beabsichtigte Hauptwirkung ist aber ein mög- 
lichst grofser, möglichst senkrecht nach oben gerichteter 
Gegendruck auf die Fläche, und dies kann nur dadurch er- 
veicht werden, dafs durch die Fläche der auf sie treffenden 
Luft eine möglichst vollkommene, möglichst nach unten ge- 
richtete Beschleunigung erteilt wird. Die entstandenen Wirbel 
haben aber kreisende Bewegungen und daher Beschleunigungen 
nach allen Richtungen erhaiten, von denen nur ein geringer 
Teil zur Hebewirkung verwandt wurde, während der Rest als 
für die Hebewirkung verloren anzusehen ist. 

Wie die Figur es andeutet, wird der Luftstrom, welcher 
die ebene Fläche traf, durch diese Fläche in Unordnung 
kommen. Auch hinter der Fläche werden noch Wirbel und 
unregelmälsige Bewegungen in der Luft sein, die erst nach 
und nach durch Reibung aneinander ihre ihnen innewohnende 
nicht horizontal gerichtete lebendige Kraft verzehren oder, 
anders ausgedrückt, in Reibungswärme verwandeln. 

Die ebene Fläche wird in höherem Grade nur mit ihrer 
Vorderkante eine nach unten gerichtete Beschleunigung auf 
die Luft ausüben können, und die Luftteile werden nach der 
Berührung mit der Vorderkante im wesentlichen sehon die 
Wege einschlagen, welche ihnen durch die Richtung der Fläche 
im Ferneren vorgeschrieben sind. Es drückt sich dies auch 
dadurch aus, dafs die Mittelkraft des Luftwiderstandes bei 
einer solchen schräg getroffenen ebenen Fläche nicht in der 


Mitte, sondern mehr nach der Vorderkante zu angreift, die 
Verteilung des Luftdruckes also ungleichmälsig ist, und zwar 
eine grölsere nach der Vorderkante zu. 


Ein grolser Teil der ebenen Fläche wird also mit wenig 
Nutzen die Luft an sich vorbeistreichen lassen, während der 
vordere Teil der Fläche in Rücksicht des nicht zu vermeiden- 
den Stolses nur unvorteilhaft wirken kann. 


Ganz andere Erscheinungen treten nun aber bei der ge- 
wölbten Fläche auf. Der auf diese Fläche treffende Luft- 
strom wird ganz allmählich aus seiner horizontalen Richtung 
abgelenkt und nach unten geführt. Derselbe erhält nach und 
nach, und zwar möglichst ohne Stols eine nach unten gerich- 
tete Geschwindigkeit. 


Man sieht ohne weiteres, dafs nur die schwach und glatt 
gewölbte Fläche, besonders wenn die Tangente zur Vorder- 
kante genau in die Windrichtung steht, die an ihr vorbei- 
streichende Luft möglichst ohne Wirbel mit einer Gesch windig- 
keit nach unten entlassen wird, und zwar in einer Richtung, 
welche gewissermalsen der nach unten gerichteten Tangente 
des letzten Flächenstückes entspricht. Schon diese Tangenten- 
richtung tritt für die Vorteile der gewölbten Fläche ein. 


Eine gleichmälsige Beschleunigung nach unten würde der 
Luft theoretisch durch eine parabolisch gewölbte Fläche er- 
teilt werden. Dergleichen schwache Parabelbögen und Kreis- 
bögen sind einander zwar sehr ähnlich, jedoch lälst sich die 
Parabelform des Vogelflügel-Querschnittes noch nachweisen. 


Der nach unten gerichtete Bestandteil der lebendigen 
Kraft der Luftteilchen nach Verlassen der Fläche ist mals- 
gsebend für den nach oben gerichteten auf die Fläche aus- 
geübten Druck. Die Luft verlälst aber die gewölbte Fläche 
in möglichst geordneter Masse, und wird vermöge der ihr 
erteilten grölseren nach unten gerichteten lebendigen Kraft 
noch viel weiter nach unten gehen; also eine vertikale Luft- 
bewegung wird eintreten, welche beträchtlich mehr ausgedehnt 
ist, als die Projektion der Fläche nach der Windrichtung. 

6* 


Hierin werden sich die beiden Flächen hauptsächlich 
unterscheiden. Hieraus resultiert aber auch der gewichtige 
Unterschied für den erzeugten Luftwiderstand. 


Während nun die ebene Fläche viele Wirbelbewegungen 
veranlalst mit geringeren vertikalen Bewegungsbestandteilen, 
wird die entsprechend gewölbte Fläche eine vertikal-oscilla- 
torische Wellenbewegung in der Luft hervorrufen mit mög- 
lichst grolser vertikaler Bewegungskomponente. 


Mit der Vollkommenheit dieser Wellenbewegung 
wird die Hebewirkung in direktem Verhältnis stehen, 
und je reiner diese Wellenbewegung an vertikalen 
Schwingungen ist, desto vollkommener wird die 
reine Hebewirkung auf die wellenerzeugende ge- 
krümmte Fläche sein, indem der grölsten Aktion 
auch die grölste Reaktion entspricht. 


Unser Streben muls demnach darauf gerichtet sein, alle 
Stolswirkungen und Wirbelbildungen beim Vorwärtsfliegen 
nach Möglichkeit zu vermeiden; dies aber zu erreichen, ist 
die ebene Flügelform durchaus ungeeignet. Es lälst 
sich vielmehr ganz allgemein folgern, dals man mit der Luft, 
die beim Fliegen vorteilhaft tragen soll, meistens zu roh um- 
gegangen ist. Die Luft, welche uns bei geringstem Aufwand 
von mechanischer Arbeit tragen soll, darf nicht durch 
ebene Flächen zerrissen, geknickt und gebrochen, 
dieselbe mufs vielmehr durch richtig gewölbte Flächen 
gebogen und sanft aus ihren Lagen und Richtungen abge- 
lenkt werden. Der Wind, welcher unter unseren Flügeln hin- 
streicht, darf nicht auf ebene Flächen stolsen, sondern muls 
Flächen vorfinden, denen er sich anschmiegen kann, und an 
diese Flächen wird er dann, wenn auch allmählich, so doch 
möglichst vollkommen seine lebendige Kraft zur Tragewirkung 
bei möglichst geringer zurücktreibender Wirkung abgeben. 

Ist diese Ansicht die richtige, dals in der Vermeidung 
von Wirbelbewegungen dasjenige Prineip verborgen liegt, 
welches uns vielleicht einmal in den Stand setzt, die Luft 


ee 


wirklich zu durchfliegen, so kann man fast mit geschlossenen 
Augen den Geheimnissen des Luftwiderstandes nachspüren; 
denn schon unser Ohr verrät uns, ob wir es mit reineren 
Wellenbewegungen oder mit vielen kraftverzehrenden Neben- 
wirbeln zu thun haben. In dieser Überzeugung aber werden 
wir den, auch bei grofsen Geschwindigkeiten noch geräuschlos 
durch die Luft geführten, hebenden Flächen den Vorzug geben 
gegenüber denjenigen Flächen, die sich nicht ohne stärkeres 
Rauschen mit derselben Geschwindigkeit durch die Luft führen 
lassen. Auch nach dieser Analyse, bei welcher das Ohr den 
Ausschlag giebt, trägt die Form des gewölbten Vogelflügels 
den Sieg davon. 

Aber noch von anderen Gesichtspunkten aus unterscheiden 
sich ebene und gewölbte Flächen. Durch die gewölbte Fläche 
wird die an ihr vorbeistreichende Luft, wenn auch nicht ganz 
so glatt, wie in Figur 30, so doch immerhin bogenförmig aus 
ihrer Bahn gelenkt. Die vorher geradlinige Bewegung des 
Luftstromes wird annähernd kreisbogenförmige werden, und 
zwar sowohl unterhalb als oberhalb von der Fläche. Diese 
krummlinige Bewegung der Luftteilchen entspricht aber einer 
ganz bestimmten Centrifugalkraft, mit welcher diejenigen Teile 
der Luft, welche unter der Fläche hindurchgehen, von unten 
auf die Fläche drücken, während diejenigen, welche über die 
Fläche hinweggleiten, sich von der Fläche zu entfernen stre- 
ben und eine ebenfalls nach oben gerichtete Saugewirkung 
hervorrufen. Die ÜOentrifugalkraft der an der gekrümmten 
Fläche vorbeitreibenden Luft wirkt also beiderseits hebend 
auf die Fläche, und wenn man den wirklich gemessenen Luft- 
widerstand als durch reine Oentrifugalkraft entstanden an- 
nimmt, so ergiebt sich rechnungsmälsig ein Resultat, das mit 
unserer Vorstellung im Einklange steht. Worin aber eine der- 
artige centrifugale Wirkung vollkommen mit den Luftwider- 
standsgesetzen übereinstimmt, das ist die Zunahme mit dem 
Quadrat der Geschwindigkeit. 

Eine derartige Anschauungsweise fällt nun aber bei der 
Luftwiderstandswirkung der ebenen Fläche vollständig fort, 


ee 


und hierin dürfen wir ebenfalls eine Erklärung für den grofsen 
Kontrast in den Widerständen beider Flächen erblicken. 

Wir hatten nun zweierlei Unterschiede in den Wirkungen 
der gewölbten gegenüber der ebenen Fläche gefunden, einmal 
die Vergrölserung des hebenden Luftdruckes und andererseits 
die mehr nach vorn gerichtete Neigung dieses Druckes bei 
der gewölbten Fläche. Aus letzterem kann man schliefsen, 
dals auf der vorderen Hälfte der Wölbung auch ebenso wie 
bei der ebenen Fläche der Druck an sich etwas 'grölser ist 

als auf der hinteren Hälfte, die 


N a, Druckverteilung also mehr jene 

/ / r Flächenelemente begünstigt, deren 

/ n # / j Normalen mehr der Luftbewegung 

Ss / / entgegen gewendet sind. Man 
Wind hat sich also vorzustellen, dals 
Fie. 31. die Druckverteilung im Quer- 


schnitte etwa aussieht wie Fig. 31. 
Aus solcher Druckverteilung würden dann auch Mittelkräfte 
hervorgehen können, die, wenigstens für gewisse günstigste 
Fälle, statt der hemmenden Komponente eine treibende Kom- 
ponente erhalten. 


26. Der Einflufs der Flügelkontur. 


Die im vorigen Abschnitt erwähnte Analyse des Luft- 
widerstandes mittelst des Gehörs lälst sich auch auf die Ein- 
wirkung der Umfassungslinie der zu untersuchenden Flächen 
auf den Widerstand anwenden, und gab thatsächlich für uns 
den ersten Anlals, unser Augenmerk hierauf zu richten. 

Zunächst sieht man ein, dals es nicht gleichgültig ist, ob 
man eine schräg gestellte oblonge Fläche der Länge nach 
oder der Quere nach durch die Luft führt. 

Wenn auch in Fig. 32 die beiden in der Ansicht von oben 
gezeichneten ebenen Flächen A und B gleiche Grölse, gleiche 


Rn 


Neigung und gleiche Geschwindigkeit haben, so ist doch ein 
Unterschied im Luftwiderstand vorhanden, der auf stärkere 
Wirbelbildung bei A deutet und die Fläche A wird stärker 
rauschen wie B. 

Mit der im vorigen Abschnitt entwickelten Wellentheorie 
steht diese Erscheinung im vollkommenen Einklang. Die 
Fläche B wird, wenn sie auch eben ist, immer noch eine un- 
vollkommene: Luftwelle erzeugen und zwar eine Welle von 
einer gewissen Breite An den kürzeren Seitenkanten der 
Fläche B werden beim Durchschneiden der Luft ebenfalls sich 
Wirbel bilden, die auch noch Verluste geben und Geräusch 


ELLE Ga 
NIIII 


verursachen; es wird überhaupt ein Teil der Luft nach den 
Seiten ungenützt abfliefsen. Der hierdurch wegen der Kürze 
der Seitenkanten bei B entstandene geringe Nachteil wird 
bei der Fläche A aber überwiegend grölser sein, weil hier 
die Seitenkanten den grölseren Teil des ganzen Umfanges aus- 
machen. Die Luft, welche unter die kurze Vorderkante der 
Fläche A tritt, wird überhaupt gar nicht unter der Hinter- 
kante hindurchgehen, sondern schon seitlich einen Weg sich 
suchen und die Fläche verlassen. Von einer Wellenbildung 
im günstigen Sinne wird daher bei der Fläche A noch weniger 
‚die Rede sein können als bei BD, die Fläche A wird also mehr 
Luftwirbel hervorrufen und daher ein stärkeres Geräusch ver- 
ursachen als D. | 
Während nun bei der Bewegung einer ebenen Fläche 


ee 


senkrecht gegen die Luft nur der Flächeninhalt für die Grölse 
des Luftwiderstandes malsgebend war, ohne Rücksicht auf 
die Form der Fläche, zeigt sich, dals bei schrägen Bewegungen 
von ebenen Flächen die Umfangsform nicht ohne starken Ein- 
fluls auf den entstehenden Luftwiderstand ist. 

Es fragt sich jetzt, in welcher Weise eine möglichst voll- 
kommene Wellenbewegung ohne Wirbel bei der Bewegung 
einer gewölbten Fläche gedacht und gemacht werden kann; 
denn auch hier wird die Welle eine gewisse Breite, je nach 
der Ausdehnung der gewölbten Fläche, besitzen. 


Fig. 33. 


Fig. 34. 


Ist eine solche Fläche, die im übrigen allen Anforderungen 
für gute Luftwiderstandsleistungen entsprechen mag, an den 
Seiten stumpf abgeschnitten, wie Fig. 33 zeigt, so müssen 
auch hier an den Seiten Wirbel sich bilden; denn die ent- 
standene Welle kann nicht scharf an ruhende oder geradlinig 
sich fortbewegende Luft grenzen. 

Um dies zu vermeiden, müssen wir dafür sorgen, dals die 
\Wellenbewegung nach den Seiten zu allmählich abnimmt 
und kein plötzliches Ende findet. Dieses lälst sich aber 
dadurch erreichen, dafs die Fläche seitlich in Spitzen aus- 
läuft, wodurch die Welle seitlich nach und nach schwächer 
wird, bis sie schliefslich ganz aufhört. Die Kontur der 
Fläche mufs beiderseits also zugespitzt sein wie Fig. 34. 


Be RO 


Die Natur belehrt uns ebenfalls, dals die gefundenen Ver- 
hältnisse wohl am Ende die richtigen sind; denn aulser der 
hohlen Form, welche sich bei allen Vogelflügeln findet, zeigt 
sich auch das Auslaufen der Flügel in Spitzen. Vogelflügel 
aber, welche nicht in einer Spitze endigen, lösen sich mit 
Hülfe der Schwungfedern in mehrere Spitzen auf, als An- 


Fig. 35. 


deutung dafür, dals hier die tragende Luftwelle in mehrere 
kleinere Wellen aufgelöst ist, was ja ebenfalls zu einem all- 
mählichen seitlichen Übergang der Hauptwelle in die umgebende 
Luft führen kann. 

Dals aber endlich der Aufrils solcher Flugflächen unter 
Innehaltung dieser Merkmale dennoch verschieden sein kann, 
lehren die Typen von Flugflächen in Fig. 35. Man sieht die 


Schwungfedergliederung beim Storch und Gabelweih, während 
die übrigen Vögel, die Taube, die Möwe und die Schwalbe, 
wie auch die Fledermaus geschlossene Flügelflächen zeigen. 


27. Über die Messung des Luftwiderstandes der vogel- 
flügelartigen Flächen. 


Aus der Gesamtheit der vorstehenden Entwickelungen 
geht hervor, dafs, wenn die Luftwiderstandsgesetze im all- 
gemeinen als die Fundamente der Flugtechnik bezeichnet 
werden können, die Kenntnis der Widerstandsgesetze gewölbter 
vogelflügelartiger Flächen im besonderen die Grundlage für 
jede weitere wirkungsvolle Bethätigung auf dem Gebiete des 
aktiven Fliegens bilden muls. 

Ebenso undankbar wie bei der ebenen Fläche dürfte es 
sein, die Widerstände bei gewölbten Flächen rein theoretisch 
zu berechnen. Allerdings lassen sich eine ganze Reihe inter- 
essanter theoretischer Betrachtungen und Berechnungen über 
diese Widerstände anstellen; auch kann man die dynamische 
Wirkung der durch gewölbte Flächen allmählich aus ihrer 
Lage oder Bahn gelenkten Luft sogar richtiger theoretisch 
beurteilen, als dies bei der ebenen Fläche unter schräger Be- 
wegung der Fall ist, doch findet der Vorgang offenbar nicht 
ganz so einfach statt, als wie er in Fig. 30 dargestellt wurde. 
Die dort zur Anschauung gebrachte Vorstellung sollte auch 
nicht zur Berechnung des Luftwiderstandes dienen, sondern 
nur gewisse charakteristische Unterschiede zwischen den Wir- 
kungen der ebenen und gewölbten Fläche möglichst in die 
Augen fallend kennzeichnen. 

Um den Luftwiderstand, den die gewölbte Flugfläche 
unter den verschiedenen Neigungen ergiebt, wirklich kennen 
zu lernen, sind wir lediglich auf: den Versuch angewiesen. 
Nur durch wirkliche Kraftmessungen können wir brauchbare 


wre 


Zahlenwerte erhalten, die zur Aufklärung der Vorgänge beim 
Vogelfluge beitragen und der Flugtechnik von Nutzen sind. 

\ Es giebt nun zwei Wege, diese Zahlenwerte zu beschaffen. 
Einmal kann die Fläche in ruhender Luft bewegt werden, 
das andere Mal kann die ruhende Fläche durch Wind getroffen 
werden. 

Für den ersten Fall ist man auf eine kreisförmige Bewe- 
sung der Fläche angewiesen und muls sich eines Rotations- 
apparates wie Fig. 14 bedienen. Geradlinige Flächenbewe- 
gungen würden Mechanismen erfordern, die grölsere Neben- 
widerstände besitzen, also stärkere Fehlerquellen aufweisen. 
Der Rotationsapparat besitzt, wenn richtig angeordnet, ver- 
hältnismälsig geringe anderweitige Widerstände. Diese Methode 
schliefst dadurch aber zwei andere Übelstände in sich. Erstens 
ist die Bewegung keine geradlinise und zweitens kommt nach 
einer halben Umdrehung die Versuchsfläche schon in die 
Region der aufgerührten, also nicht mehr in Ruhe befind- 
lichen Luft, wodurch Fehlerquellen entstehen. Beide Nachteile 
nehmen ab mit dem Durchmesser des durchlaufenen Kreises, 
es wird also vorteilhaft sein, solche Rotationsapparate recht 
srols auszuführen. 

Der zweite Fall, in welchem durch Wind an der still- 
gehaltenen Fläche der Luftwiderstand entsteht, hat den Vor- 
teil der geradlinigen Luftbewegung, aber der Wind schwankt 
in der Stärke fast in jeder Sekunde und nur mühsam lassen 
sich die Augenblicke erhaschen, wo durch einen Windmesser 
die richtige auch auf die Versuchsfläche wirkende Wind- 
geschwindigkeit angegeben wird. Hier bleibt nur übrig, durch 
recht zahlreiche Versuche sich gute Mittelwerte zu verschaffen. 

Von uns sind nun beide Methoden der Messung wieder- 
holt zur Anwendung gebracht, weil es uns von Wichtigkeit 
zu sein schien, gerade die Widerstände der gewölbten Flächen 
möglichst genau kennen zu lernen und mit der einen Methode 
die andere Versuchsart zu kontrollieren, indem uns nicht be- 
kannt war, dafs von anderer Seite ähnliche Versuche vorlagen, 
die einen Vergleich gestatteten. 


Um annähernd die Wölbung zu bestimmen, welche ein 
Vogelflügel hat, wenn der Vogel mit den Flügeln auf der Luft 
ruht, giebt es ein einfaches Verfahren. 

Ein toter sowie ein nicht in Thätigkeit befindlicher leben- 
der Vogelflügel werden gewölbter erscheinen, als sie beim 
Fluge sind; denn die im ungespannten Zustande stärker nach 
unten gekrümmten Federn biegen sich durch den von unten 
auf dieselben drückenden Luftwiderstand etwas gerader, wenn 
der Flügel in Benutzung ist. 

Diese Biegung der Federn kann man nun auch dadurch 
entstehen lassen, dals man einen frischen Vogelflügel in um- 
gekehrter Lage nach Fig. 36 mit seinen Armteilen befestigt 


_. unbelastet 


belastel 


Flügelquersehnilt 
Fig. 36. 


und mit Sand, der so viel wiegt, als die reichliche Hälfte des 
Vogelgewichtes beträgt, auf der hohlen Seite belastet. Der 
Flügel wird dann annähernd die Wölbung annehmen, die er 
beim Fluge in der Zeit des Niederschlages oder beim Segeln 
hat. Die punktierte Lage in Fig. 36 giebt die Flügelwölbung 
vor der Belastung. 

Bei gut fliegenden Vögeln findet man nur eine schwache 
Wölbung des Flügelquerschnittes, deren Pfeilhöhe % in Fig. 37 


Yo—"/,s der Flügelbreite AB ausmacht. Schlechtfliegende 
Vögel, wie alle Laufvögel, haben sehr stark gewölbte, die gut 
und schnell fliegenden Seevögel dagegen sehr schwach ge- 
wölbte Flügel. 


un 


28. Luftwiderstand des Vogelflügels, gemessen an rotie- 
renden Flächen. 


Es sollen nun die Versuchsresultate angegeben werden, 
welche man erhält, wenn man vogelflügelförmige Körper am 
Rotationsapparat auf ihren Luftwiderstand untersucht; und 
zwar beziehen sich die hier angegebenen Werte auf die Ver- 
wendung eines grolsen Rotationsapparates, dessen Kreisbahn 
“m Durchmesser hatte, und bei welchem die Versuchsflächen 
4'/; m über dem Erdboden schwebten. Die Aufstellung dieses 
Apparates war im Freien gemacht und die Versuche wurden 
nur bei vollkommener Windstille ausgeführt. Gebäude und 
Bäume standen nicht in solcher Nähe der von den Flächen 
beschriebenen Kreisbahn, dals ein störender Einfluls befürchtet 
werden mulste. Trotzdem war die Lage eine geschützte durch 
die in einiger Entfernung den Versuchsplatz umgebenden 
dichten und hohen Bäume, so dals an vielen Sommerabenden 
sich Gelegenheit zu Versuchen bot. 


Bewegungs -\ richtung 


\ 
A 


Fig. 38. (Malsstab 1:25.) 


Die Fläche der beiden Versuchskörper betrug in allen 
Fällen je '/; qm. Der gefundene Gesamtwiderstand bezog sich 
also auf eine Fläche von 1 qm. Als Aufsenkontur wurde die 
längliche beiderseits zugespitzte Form angewandt, nach Fig. 38, 
bei einer Breite von Om und einer Länge von 1,s m. 


A 


Die Herstellung der Versuchskörper oder Versuchsflächen, 
sowie die Formgebung ihres Querschnittes war in verschiedener 
Weise erfolgt. 

Auf den ersten Blick scheint es, als wenn der Ausfall des 
Luftwiderstandes hervorragend günstig sein mülste, wenn die 
Fläche so dünn wie möglich genommen wird. Aus diesem 
Grunde machten wir daher auch Versuchsflächen aus dünnem 
Blech. Die Festigkeit derartiger selbst stärker gewölbter 
Flächen von '/), mm starkem, hart gehämmertem Messingblech 
ist aber nicht ausreichend zu den in Rede stehenden Versuchen; 
vielmehr mulsten wir den Flächenumfang mit 4mm starkem 
Stahldraht einfassen, um die erforderliche Stabilität zu er- 


Fig. 


Fig. 


< TFT 


DIE 
Bewegungsrichtung. 


Mafsstab 1:5. 


zielen. Es ergiebt sich dann ein Querschnitt nach Fig. 39 in 
'/, Malsstab. 

Diese Querschnittform hatte aber nicht ganz so günstige 
Verhältnisse für den Luftwiderstand als die folgenden; denn 
der Vorteil, den die geringe Dicke des Bleches bieten mag, 
wird aufgewogen durch den störenden Einfluls der verstärkten 
Ränder. 


Fast gleich gute Resultate ergaben die Querschnitte 
Fig. 40 —43. Ob die Fläche in ihrer ganzen Ausdehnung 
gleichmälsig dünn war, etwa 6 mm stark, wie in Fig. 40, oder 
ob in der Mitte, wie in Fig. 41, eine grölsere Verdickung sich 
befand, oder ob diese Verdickung mehr nach vorn zu lag, wie 
in Fig. 42, das verursachte keinen melsbaren Unterschied. Bei 
einer Breite von 400 mm konnten diese allmählichen Ver- 
diekungen bis zu 16 mm, also bis '/,, der Flächenbreite be- 
tragen, ohne schädlichen Einfluls für den entstandenen Luft- 
widerstand. Wider Erwarten zeigte sich aber auch dann noch 
kein Nachteil, wenn diese Flügelverdickung abgerundet an der 
Vorderkante lag, wie bei Fig. 43. Es hatte sogar den An- 
schein, als ob diese Form besonders günstige Luftwiderstands- 
verhältnisse besitze, also viel hebenden und wenig hemmenden 
Widerstand gäbe, vorzüglich bei Bewegung unter ganz spitzen 
Winkeln, jedoch nur, wenn die Vorderkante und nicht die 
Hinterkante die Verdickung trug. 


Im allgemeinen war der Unterschied in dem Verhalten 
der Flächen mit den Querschnitten 39—43 kein grolser und 
die angegebenen Resultate beziehen sich gleichzeitig auf alle 
diese Flügelformen. 


Die Versuchskörper mit den Querschnitten, Fig. 40—43, 
wurden von uns aus Elsenholz hergestellt. Die ganz schwachen 
Wölbungen erzielten wir durch einseitiges Bekleben dünner 
Bretter mit Papier, wodurch die Flächen hohl gezogen wurden. 
Stärker gewölbte Formen wurden aus massivem Holz aus- 
gearbeitet. Mit der abnehmenden Breite der Fläche änderte 
sich der Querschnitt so, dals immer eine ähnliche Form in 
proportionaler Verkleinerung blieb. 


Die Form, Fig. 43, wurde von uns auch dadurch her- 
gestellt, dals an der Vorderkante eine stärkere nach beiden 
Seiten spitz auslaufende Weidenrute eingelegt war, an welche 
sich gekrümmte Querrippen ansetzten, die dann beiderseits 
mit geöltem Papier bespannt wurden, und sowohl oben wie 
unten glatte Flächen bildeten. 


oe 


Diese letzte Querschnittform, Fig. 43, hat auch der Vogel- 
flügel an seinem Armteil, wo an der Vorderkante durch die 
Knochen eine stärkere Verdickung vorhanden ist. Wie der 
Versuch es ergab, stört diese Verdickung in keiner Weise den 
Flugeffekt, wenn nur nach der Flügelspitze die Verdiekung 
auch verschwindet. 


Die verschiedenartige Ausführung unserer Versuchskörper 
überzeugte uns, dals die Metalle überhaupt zum Flügelbau 
nicht zu gebrauchen sind, und dals die Zukunftsflügel wahr- 
scheinlich aus Weidenruten mit leichter Stoffbespannung be- 
stehen werden. Auch Bambusrohr palst sich den Flügel- 
formen nicht so leicht an, wie das konisch gewachsene Weiden- 
holz, das dennoch in gewissem Grade ohne Nachteil bearbeitet 
werden kann, sich im feuchten Zustande beliebig biegen lälst 
und bei aulserordentlicher Leichtigkeit sehr zähe ist. 


Weidenholz bricht erst bei einer Beanspruchung von 8 kg 
pro Quadratmillimeter, kann aber mit guter Sicherheit dauernd 
mit 2—3 kg beansprucht werden. Es ist dabei das leichteste 
aller Hölzer mit dem specifischen Gewicht 0,3. Das Alumi- 
nium ist Smal so schwer, aber kaum 4mal so stark. 


Gegenüber dem Einwand, dals Aluminium in Form 
konischer Röhren verwendet werden könne und dadurch 
besonders leichte Konstruktionen gäbe, lälst sich anführen, 
dals Weidenruten sich auch leicht hohl ausbohren lassen, weil 
der Bohrer mit einer geeigneten stumpfen Centrierspitze sich 
in dem Mark genau in der Mitte führt. Durch Bohrer von 
verschiedener Stärke kann man dann der äulseren korischen 
Form entsprechend die Höhlung ebenfalls nach der Spitze 
verjüngt ausführen. 

Die im vorstehenden beschriebenen Versuchsflächen wurden 
nun mit verschieden gekrümmten Querschnitten ausgeführt 
und auf ihren Luftwiderstand erprobt. Als Tiefe der Höhlung 
oder Stärke der Wölbung galt die Tiefe des Hohlraumes unter 
der Fläche, und als Grölse der Fläche die Grölse ihrer Pro- 
jektion. 


Er ge 


Wie bei den Versuchen mit der ebenen Fläche beschrieben, 
liefs sich am Rotationsapparat der Luftwiderstand zunächst 
in Form von zwei Komponenten messen und darauf in Grölse 
und Richtung ermitteln. 

Für eine schwache Wölbung von '/,, der Breite, also bei 
einer grölsten Pfeilhöhe der Höhlung von 1 cm, gilt nun das 
Diagramm Tafel I. 

Fig. ı Tafel II giebt die Luftwiderstände in Gröfse und. 
Richtung, welche entstehen, wenn die Fläche mit dem Quer- 
schnitt «5 unter verschiedenen Neigungen nach der Pfeilrich- 
tung bewegt wird. 

Der grölste Luftwiderstand entsteht, wenn die Fläche die 
Lage fg, also die Neigung 90° hat. Dieser Luftwiderstand 
sei von c aus nach rechts angetragen in der Linie c 90°. 


Wenn nun z. B. die Fläche die Lage de und Neigung 
20° hat, so entsteht bei derselben absoluten Geschwindigkeit 
der Luftwiderstand in Grölse und Richtung von c 20°. 


Es sind ce 3°; ce 6°% c 9% u. s. w. die Luftwiderstände für 
die Flächenneigungen 3°; 6° 9° u. s. w. 


Auch in der Lage «b für den Winkel Null erhält man 
noch einen hebenden Luftwiderstand c 0. 


Auf den Luftwiderstand c 90° haben schwache Wölbungen 
keinen Einfluls, wie das Experiment bewiesen hat; derselbe 
ist daher bekannt und jederzeit nach der Formel: Z= 0,13: P.v? 
zu berechnen. 


Das Verhältnis der Luftwiderstände bei gleicher Geschwin- 
digkeit, aber verschiedener Neigung zu diesem normalen Luft- 
widerstand wird durch das Diagramm auf Tafel VII angegeben 
und kann dort direkt abgelesen werden an der tiefsten klein 
punktierten Linie Die Richtung der Luftwiderstände aber 
ergiebt sich aus Tafel II. 


Für eine ganz schwach gewölbte Fläche, welche nur um 
/yo Ihrer Breite hohl ist, kann man hiernach den Luftwider- 
stand bei jeder Neigung von 0°-90° in Grölse und Richtung 


bestimmen. 
Lilienthal, Fliegekunst. 7 


a 


Wenn die Fläche stärker gewölbt ist, so dafs die Höhlung 
'/y, der Breite beträgt, so erhält man analog die Fig. 1 auf 
Tafel III und auf Tafel VII die zweite klein-punktierte Linie. 


Der Widerstand c 90° ist wieder gleich demselben c 90° 
auf Tafel I und Tafel Il, aber die anderen Widerstände sind 
nicht unwesentlich grölser geworden, auch etwas anders ge- 
richtet. Auffallend zugenommen hat der Luftwiderstand bei 
0°, derselbe hat schon mehr hebende Wirkung erhalten. Diese 
Hebewirkung hört erst auf, wenn die Vorderkante der Fläche 
tiefer liegt als die Hinterkante und zwar bei einer Neigung 
von — 4". 

Noch auffallendere Erscheinungen zeigen sich, wenn man 
der Fläche ',. der Breite zur Höhlung giebt. Dann erhält 
man die Widerstände auf Tafel IV Fig. 1. Auch hier ist e 90° 
noch nach der Formel: Z = 0,13. F.v* zu berechnen, also die 
Bewegung dieser Fläche senkrecht gegen die Luft von keinem 
anderen Widerstand begleitet, als wenn die Fläche eben wäre. 
Aber bei den anderen Neigungen weicht der Luftwiderstand 
ganz erheblich von demjenigen ab, der bei der ebenen Fläche 
unter gleichen Neigungen und gleichen Geschwindigkeiten 
entsteht. 

Zum Vergleich sind auf Tafel IV Fig. 1 die Widerstände 
der ebenen Fläche punktiert eingetragen. Eierdurch zeigen 
sich jetzt auffallend die Vorteile der gewölbten gegenüber der 
ebenen Fläche in ihrer Verwendung beim Fliegen. 


Auf Tafel VII sieht man auch zwar deutlich, dals die 
Wölbung einer Fläche für spitze Bewegungswinkel bis 20° 
den Widerstand ungefähr verdoppelt, aber auf Tafel IV er- 
kennt man aulserdem die günstigere Richtung, welche die 
Luftwiderstände der gewölbten Fläche besitzen, und wodurch 
letztere gerade ihre gute Brauchbarkeit beim Vorwärtsfliegen 
erlangt. 

Wenn man nun die Wölbung noch stärker macht als "Js 
der Breite einer Fläche, so nehmen die hervorgehobenen guten 
Eigenschaften wieder ab; der Luftwiderstand erhält wieder 


be Pe. 


eine geringere hebende Komponente und bekommt dadurch 
eine ungünstigere Richtung. 

_ Wir müssen daher eine Höhlung von '/,, der Breite als 
die günstigste Wölbung eines Flügels bezeichnen, wenigstens 
bei den für diese Messungen angewendeten Geschwindigkei- 
ten, welche bis zu 12 m pro Sekunde betrugen. 

Es ist möglich, dafs bei noch gröfseren Gesch windigkeiten 
etwas schwächere Wölbungen die vorteilhaftesten Verhältnisse 
geben; die Andeutung hierfür war vorhanden. 


29. Vergleich der Luftwiderstandsriehtungen. 

Ähnlich wie dieses für die ebene Fläche auf Tafel I ge- 
schehen ist, kann man auch für die Luftwiderstände der ge- 
wölbten Flächen Diagramme herstellen, in welchen man die 
Luftwiderstände nach ihren Richtungen zur Fläche vergleichen 
kann. 

Analog der Fig. 2 auf Tafel I kann man dann die Figuren 2 
auf Tafel IL, III und IV bilden, bei denen die Fläche hori- 
zontal bleibend gedacht wird, während ihre Bewegung nach 
den verschiedenen Richtungen schräg abwärts mit gleicher 
absoluter Geschwindigkeit erfolgt. 

Es entstehen diese Figuren aus den Figuren 1 dadurch, 
dals man jede dort gezeichnete Luftwiderstandslinie so viel 
nach links dreht, bis die zugehörige Fläche horizontal liegt. 
Jede Linie muls also so viel um den Punkt ce gedreht werden, 
als der Gradvermerk an ihrem anderen Ende beträgt. 

Jetzt aber zeigt sich noch auffallender die charakteristische 
Eigentümlichkeit der gewölbten Flächen gegenüber der ebenen 
Fläche. Man bemerkt, dals die Richtung des Luftwiderstandes 
nicht blols der Normalen zur Fläche sehr nahe kommt, son- 
dern bei gewissen Winkeln die Normale sogar überschreitet, 
d. h. dals die hemmende Komponente sich hier in eine trei- 
bende Komponente verwandelt. 


mar 


= UN 


Es haben also die gewölbten Flächen die Eigenschaft, 
dals dieselben, horizontal gelagert und unter gewissen Winkeln 
schräg abwärts bewegt, selbständig die horizontale Ge- 
schwindigkeit zu vergrölsern streben. 

Hieraus erklärt sich unter anderem auch das labile Ver- 
halten schwach gewölbter Fallschirme. 

Leichte, aus schwach gewölbten Flächen bestehende Kör- 
per beschreiben beim freien Fallen in der Luft sehr eigentüm- 
liche Linien und selbst jedes von unserem Schreibtische glei- 
tende Löschblatt mahnt uns durch sein labiles Verhalten an 
besondere den gewölbten Flächen innewohnende Eigenschaften. 

Die treibende Komponente ist nach den Diagrammen 
Fig. 2 auf Tafel II, III und IV am grölsten, wenn die Flächen 
annähernd in der Richtung der Tangente zur Vorderkante be- 
wegt werden. Dies ist aber derjenige Fall, in welchem voraus- 
sichtlich die erzeugte Wellenbildung am vollkommensten wird, 
und die im Abschnitt 25 und in Fig. 30 zur Darstellung 
gebrachte Anschauung am vollkommensten zutrifft. 

Es geht hieraus ferner hervor, dals sich zum besonders 
schnellen Fliegen ein nur wenig gewölbter Flügel eignet, weil 
die Tangente der Vorderkante bei diesem auf einen absoluten 
Flügelweg deutet, der einer sehr grolsen Fluggeschwindigkeit 
entspricht. 


30. Über die Arbeit beim Vorwärtsfliegen mit gewölbten 
Flügeln. 


Wenn nun eine horizontal ausgebreitete, etwas nach oben 
sewölbte Fläche bei horizontaler Bewegung schon einen nam- 
haften Auftrieb erfährt, wenn ferner diese Auftriebe bei Be- 
wegung unter spitzeren Winkeln zum Horizont bedeutend 
grölser sind als bei ebenen Flächen, und wenn dann noch 
bei gewissen spitzen Winkeln die bei ebenen Flächen auftre- 
tenden hemmenden Komponenten bei der gewölbten Fläche 


— IM — 


zur treibenden Komponente werden, so ist wohl klar, dals die 
beim Vorwärtsfliegen mit gewölbten Flügeln erforderliche 
mechanische Arbeit sehr zusammenschrumpfen muls. 

Man kann nun ebenso wie in Abschnitt 20 für die ebenen 
Flügel hier für die gewölbten Flügel berechnen, wie sich die 
Flugarbeit in den verschiedenen Graden des Vorwärtsfliegens 
gegen die Arbeit beim Fliegen auf der Stelle verhält. 

Wenn man diese letztere Arbeit wieder mit A bezeichnet, 
so erhält man die in den Figuren 2 auf Tafel II, III und IV 
gegebenen Verhältniszahlen für die Arbeit beim Vorwärts- 
fliegen, bei der die Flügel in ihrer ganzen Ausdehnung unter 
den näher bezeichneten Winkeln sich abwärts bewegen. 

Das Minimum liest für die günstigste Wölbung bei 15° 
und beträgt nach Tafel IV 0,88 A. Dieses entspricht einer 
Fluggeschwindigkeit, die Amal so grofs ist als die Abwärts- 
geschwindigkeit der Flügel, wenn letztere wieder parallel mit 
sich bewegt gedacht werden. Hierbei braucht man also noch 
nicht /, von der Arbeit, welche nötig ist, wenn kein Vor- 
wärtstliegen stattfindet. 

Während also bei Anwendung ebener Flügel nach Ab- 
schnitt 20 und Tafel I Fig. 2 etwa '/, der Flugarbeit gespart 
werden konnte, so ergiebt die gewölbte Fläche hier eine 
Arbeitsersparnis von mehr als °/,. 

Es ist fraglich, ob man beim Vorwärtsfliegen auch die 
Vorteile der Flügelschlagbewegung in demselben Mafse ge- 
nielst, wie beim Fliegen auf der Stelle. Dafs diese Vorteile 
in gewissem Grade eintreten müssen, ist wahrscheinlich. 
Würde die Schlagbewegung fast in demselben Grade kraft- 
ersparend auftreten, dann reduzierte sich die Flugarbeit auf 
etwa \/, von derjenigen als beim Fliegen auf der Stelle, wenn 
man mit Flügeln, die um '/,, der Breite hohl sind, Amal so 
schnell vorwärts fliegt als die Flügel abwärts bewegt werden. 
Bei sehr grolsen und leichten Flügeln war nach Abschnitt 18 
die Arbeit des Menschen beim Fliegen auf der Stelle 1, HP. 
Für den mit vorteilhaft gewölbten Flügeln vorwärtsfliegenden 
Menschen stellte sich daher unter diesen höchst wahrscheinlich 


nicht zu erreichenden günstigsten Verhältnissen die zu leistende 
Arbeit auf 1,5X /, HP oder auf cirka 0, HP. Diese Arbeit 
würde vom Menschen auch nur auf kurze Zeit geleistet werden 
können. Wir müssen also noch vorteilhaftere Wirkungsweisen 
herausfinden, wenn die physische Kraft des Menschen aus- 
reichen soll, um ihn mit Flügeln in der Luft gehoben zu er- 
halten. 

Der bisher erreichte und lediglich in einer richtigen 
Flügelform beruhende Vorteil ist unverkennbar; es soll hier 
aber von einer weiteren Behandlung aus dem Grunde ab- 
gesehen werden, weil sich im folgenden erweisen wird, dals 
die bisher bekannt gemachten Luftwiderstandsverhältnisse für 
die Praxis des Fliegens nicht ohne weiteres zutreffen. 

Zu diesen letzten Berechnungen ist der Luftwiderstand 
zu Grunde gelegt, welcher am Rotationsapparat in ruhender 
Luft gemessen wurde. 

Es sollen nun im ferneren die analogen Untersuchungen 
angestellt werden unter zu Grundelegung der Luftwiderstands- 
verhältnisse, welche man bei Messungen im Winde findet. Es 
wird sich herausstellen, dals man zu ungleich günstigeren 
Resultaten gelangt. Bevor aber auf diese Messungen im Winde 
näher eingegangen wird, seien einige allgemeine Betrachtungen 
über das Verhalten der Vögel zum Winde angestellt, 


3l. Die Vögel und der Wind. 


In strengerem Sinne noch als die Luft kann man den 
Wind als das eigentliche Element der Vögel bezeichnen. Wir 
haben bereits gesehen, dafs der Wind den Vögeln das Aulf- 
fliegen sehr erleichtert, und dals viele Vögel, wenn der zu 
ihrem Auffliegen erforderliche Wind nicht herrscht, durch 
Vorwärtshüpfen oder Laufen eine relative Luftbewegung gegen 
sich hervorrufen, bevor ihre wirkliche Erhebung erfolgt. Wir 
bemerken ferner, dals die Flugbewegungen der Vögel im Winde 


u = 


anderer Art sind als in ruhiger Luft. Die flatternde Bewe- 
gung bei Windstille verwandelt sich im Winde in gemessenere 
Flügelschläge und wird bei vielen Vögeln zum wirklichen 
Segeln. 

Wenn nun zwar der Wind augenscheinlich kraftersparend 
auf den Flug der Vögel einwirkt, indem er ihr Gehobenbleiben 
in der Luft, wie später nachgewiesen werden soll, erleichtert, 
so muls doch die Ansicht, dals die Vögel überhaupt mit 
besonderer Vorliebe gegen den Wind fliegen, als eine irrige 
bezeichnet werden. Letzteres ist nur zuzugeben mit Bezug 
auf das Auffliegen. Wenn die Erhebung in die Luft aber 
erst stattgefunden hat, fallen jene Faktoren fort, welche das 
Erheben von der Erde erleichterten; denn dann kann der 
Vogel die ihm dienliche relative Geschwindigkeit gegen die 
ihn umgebende Luft auch erreichen, wenn er mit dem Winde 
fliegt; er braucht ja nur schneller zu fliegen als der Wind 
weht. 

Auf diese relative Geschwindigkeit zwischen Vogel und 
umgebender Luft also kommt es an, und diese relativ gegen 
den Vogel in Bewegung befindliche Luft trifft den Vogel stets 
von vorn; der Vogel verspürt dies als einen immer nur auf 
ihn zuströmenden Wind. Der ganze Bau des Vogelgefieders 
sowohl im allgemeinen, als auch im besonderen die Kon- 
struktion seiner Flügel mit Bezug auf die Federlagerung 
schlielsen von vorn herein aus, dals der Wind den fliegenden 
Vogel jemals von hinten trifft. Wenn der Vogel daher mit 
dem Winde fliegt, so fliegt er allemal schneller als der Wind. 

Aus diesem Grunde sind auch alle jene Versuche zur 
Erklärung des Kreisens der Vögel, nach denen die Vögel 
einmal gegen den Wind gerichtet, diesen von vorn unter die 
Flügel wehen lassen, das andere Mal, mit dem Winde flie- 
send, den Wind von hinten unter die Flügel drücken lassen 
sollen, als ganz verfehlte Spekulation zu betrachten. 

Die absoluten Geschwindigkeiten der Vögel beim Fliegen 
gegen den Wind und mit dem Winde sind durchschnittlich 
um die doppelte Windgeschwindigekeit verschieden; denn ein- 


= alle = 


mal kommt die Windgeschwindigkeit von der relativen Bewe- 
gung zwischen Vogel und Luft in Abzug, das andere Mal 
addieren sich beide zur absoluten Ortsveränderung, bei welcher 
der Wind stets überholt wird. 

Man kann eine sekundliche Geschwindigkeit von 10 m 
als eine nur mittlere Vogelilugsgeschwindiekeit bei Windstille 
und 6m als eine sehr häufige Windgeschwindigkeit bezeichnen. 
Die Differenz beider, also 4 m, wäre die absolute Vogel- 
geschwindigkeit gegen den Wind, während der Vogel mit dem 
Winde die Geschwindigkeit 10+6= 16 m erhält, also viermal 
so schnell fliest als gegen den Wind. 

Dieses Beispiel zeigt, wie stark sich die Flugschnelligkeit 
gegen den Wind und mit dem Winde. unterscheidet. Bei stär- 
keren Winden ist dieser Unterschied natürlich noch viel grölser. 

Es ist anzunehmen, dals die Vögel bestrebt sind, diesen 
Unterschied in ihren absoluten Geschwindigkeiten auszuglei- 
chen, weil sie auch gegen den Wind möglichst schnell fliegen 
wollen, und dals dieser Unterschied nicht ganz so auffällig 
sich zeigt, als er eigentlich sein mülste Trotzdem bleibt 
der Unterschied aber immer noch so grols, dafs alles Fliegen 
der Vögel gegen den Wind durchschnittlich fast zweimal so 
lange dauert, als mit dem Winde Man erhält demzufolge 
bei Beobachtung der Vögel den Eindruck, als flögen dieselben 
viel häufiger gegen den Wind als in der Windrichtung; und 
dies mag die Veranlassung gewesen sein, dals das Fliegen 
gegen den Wind als Erleichterung des Fliegens angesehen 
wurde, während es in Bezug auf das Vorwärtskommen eine 
entschiedene Erschwerung mit sich bringt. Man kann daher 
wohl auch nicht annehmen, dafs die Vögel mit besonderer 
Vorliebe dem Wind entgegenfliegen; und wenn man dieses 
Iintgegenfliegen viel häufiger beobachtet als das Fliesen mit 
dem Wind, so findet dieses seine natürliche Erklärung in dem 
ungleichen Zeitaufwand für beide Arten des Fliegens. 

Wenn die Vögel nach Richtungen fliesen, die mit der 
Windrichtung einen Winkel bilden, so fühlen dieselben einen 
Wind, der sich aus ihrer eigenen Bewegung mit der Wind- 


bewegung zusammensetzt und der jedesmal eine andere Rich- 
tung hat als die absolute Vogelbewegung. 


Ein Vogel beabsichtige z. B., wie in Fig. 44 gezeichnet, 
mit der absoluten Geschwindigkeit od nach der Richtung ob 
zu fliegen, während der 
Wind mit der Geschwin- 
digkeit do weht. Die 
Stellung des Vogels rich- 
tet sich dann nach o c, 
weil er den Wind von 
c kommend fühlt und 
zwar mit der Geschwin- 
digkeit co. 


Zuweilen erreicht 
der Wind eine solche 
Stärke, dals die kleine- Fig. 4. 
ren Vögel nichtimstande 
sind, gegen denselben anzufliesgen. Für Krähen und Dohlen 
kann ich diese Windstärke annähernd angeben. Bei unseren 
Versuchen im Winde bemerkten wir, dals, wenn die Wind- 
geschwindigkeit, eirkä 3 m über der Erde gemessen, 12 m 
betrug, die genannten Vögel in cirka 50 m Höhe vergeblich 
gegen den Wind kämpften. 


Die Windgeschwindigkeit in dieser grölseren Höhe mulsten 
wir auf 15—18 m schätzen, so dals wir annehmen konnten, 
dals Krähen und Dohlen gegen einen Wind von 18 m Ge- 
schwindigkeit nicht anzufliegen vermögen. Bei noch kleineren 
Vögeln, aulser bei den Schwalben, wird. diese Grenze wohl 
noch früher erreicht werden. 


Eine grölsere Ausnahme bilden alle meerbewohnenden 
Vögel, die bis herunter zu den kleinsten Arten auch mit dem 
stärksten Sturme den Kampf aufnehmen. 

Die grolsen Fliegekünstler des hohen Meeres, mit dem 
Albatros an der Spitze, gehen in ihrer Vorliebe für den Wind 
sogar so weit, dals sie jene Gegenden, welche sich durch 


— N 


häufige Windstillen auszeichnen, überhaupt meiden, und sich 
vorwiegend in solchen Breiten und solchen Meeren aufhalten, 
die durch regelmälsige stärkere Winde ausgezeichnet sind. 
Der Albatros namentlich versteht mit seinen langen und 
schmalen, fast säbelförmigen Flügeln sogar den Orkan zu be- 
meistern. Sein schwerer Körper segelt mit seinem schlank 
gebauten ‚Flugapparat auf dem Sturme ruhend dahin. Nur 
wenig dreht und wendet er die Flügel, und der Sturm trägt 
ihn gehorsam, wohin er ihn tragen soll, ob mit dem Sturm 
oder ihm entgegen. Die Bewegung mit und gegen den Sturm 
unterscheidet sich durch weiter nichts als durch die Ge- 
schwindigkeit. 

Man kann den Albatros sehr gut und andauernd beob- 
achten, denn er bleibt in gewissen Gegenden, wie am Kap der 
guten Hoffnung, ein sehr beständiger Begleiter der Schiffe, 
und als Liebling der Schiffer, die sich an seinen majestätischen 
Bewegungen erfreuen, umspielt er das Schiff mit grolser Zu- 
traulichkeit. 

Mein Bruder sah ihn oft mit erstaunlicher Sicherheit in 
schräger Stellung Spielräume der Takelung durchsegeln, die 
eigentlich seiner grolsen Klafterbreite nicht Raum genug boten. 
Man stelle sich vor, welche Gewandtheit dazu gehört, mit der 
Geschwindigkeit des Sturmes und der Geschwindigkeit der 
srolsen Dampfer der Australienlinie die eigene Geschwindig- 
keit so zu kombinieren, dals solch ein glatter Schwung, den 
der grolse Vogel sich giebt, ihn ungestraft zwischen Rahen 
und Taue hindurchführt. 

Diese-Kunststücke sind für den Albatros aber noch Neben- 
sache; denn was er eigentlich will, drücken seine grünlichen 
Augen deutlich genug aus. Diese spähen ununterbrochen nach 
einem Leckerbissen, welchen das mütterliche Meer nicht bieten 
kann. Und so verstehen es diese Vögel denn auch, noch eine 
vierte Bewegung gleichzeitig zu verfolgen, um ihrer Freisgier 
zu fröhnen, nämlich die vom Schiffe ihnen zugeworfenen 
Küchenabfälle aus der Luft aufzufangen und sich gegenseitig 
abzujagen. 


— al —— 


Sehr auffallend und charakteristisch ist noch das von uns 
vielfach beobachtete Auffliegen der schwimmenden Seevögel 
-bei stärkerem Winde. Hier kann man noch deutlicher als 
bei dem sich in der Luft tummelnden Vogel die nackte Hebe- 
wirkung des Windes erkennen; denn oft war ich aus unmittel- 
barer Nähe ein Augenzeuge, wie die Möwen mit ausgebreiteten, 
aber vollkommen stillgehaltenen Flügeln vom Wind senkrecht 
von der Wasserfläche abgehoben wurden und ohne Flügel- 
schlag ihren Flug fortsetzten. Hierbei muls jedoch ein Wind 
herrschen, dessen Geschwindigkeit ich auf mindestens 10 m 
schätze. 


Unter solehen Beobachtungen wird man natürlich dahin 
gedrängt, den Wind direkt zu den Messungen des Luftwider- 
standes heranzuziehen. Zwar bietet die Ausführung derartiger 
Versuche mehr Schwierigkeiten als die andere schon be- 
sprochene Methode, aber offenbar müssen sich die an den 
Vögeln im Winde auftretenden Erscheinungen so in reinerer 
Form darstellen, als wenn man diese durch eine Reihe von 
Schlufsfolgerungen aus den Versuchen in Windstille erst ab- 
leitet. Es muls sich dann auch zeigen, ob dem Winde Eigen- 
schaften innewohnen, welche noch besonders zur Kraftersparnis 
beim Fliegen ‚beitragen können. Jedenfalls aber kann man die 
Gewilsheit hierüber durch nichts besser erlangen, als wenn 
man vogelflügelförmige Flächen direkt der Einwirkung des 
Windes aussetzt und die entstandenen Luftwiderstandskräfte 
milst. 


32. Der Luftwiderstand des Vogelflügels im Winde 
gemessen. 


Zu diesen Versuchen kann man sich eines Apparates be- 
dienen, wie er in Fig. 45 und 46 angegeben ist. Fig. 45 zeigt 
die Anwendung beim Messen des horizontalen Winddruckes, 


—= Ua = 


während Fig. 46 angiebt, wie die vertikale Hebewirkung des 
Windes bestimmt wird. In beiden Fällen ist die zu unter- 
suchende Fläche, deren Querschnitt ab ist, an einem doppel- 
armigen Hebel omc befestigt, der durch ein Gegengewicht g 
ausbalanciert wird, so dafs er bei Windstille mit der Fläche 
in jeder Lage stehen bleibt. 


Fig. 47 
u r 
N en e 
N 
a 2 Ei | 
7 im 
b | | R 
| A i 
| EBEN: 
7 a} 
Wind 6 
Da 
® 
g 
Fig. 45. Fig. 46. 


Wenn nun der Wind auf die Fläche ab in Fig. 45 drückt, 
so sucht derselbe den Hebel mit einer Kraft oh um den 
Punkt m zu drehen. Macht man om = mc, so kann man an 
einer leichten in c angebrachten Federwage f direkt die Kraft 
oh ablesen. oh ist die horizontale Komponente des auf die 
Fläche ausgeübten Winddruckes. 

Ganz analog wird nun nach Fig. 46 durch die Feder- 
wage f die vertikale Winddruckkomponente o v direkt gemessen. 


I 


Man hat aber dafür zu sorgen, dals die Federwage stets so 
eingestellt wird, dals die Schwankungen des Hebels o mc wie 
vorher um die vertikale, so jetzt um die horizontale Mittel- 
lage erfolgen. 

Fig. 47 zeigt, wie durch Zusammensetzen von oh und oo 
die Resultante or sich bilden lälst, welche dann die genaue 
Grölse und die wirkliche Richtung des auf die Fläche a5 aus- 
geübten Winddruckes an- 
giebt. Die zusammenge- 
hörigen Flächen «5 in den 
3 Figuren müssen zum Ho- 
rizont gleich gerichtet sein 
und die gemessenen Kräfte 
aufdieselbeWindgeschwin- 
digkeit sich beziehen. 

Zum Messen der Wind- 
geschwindigkeit kann man 
sich eines Apparates nach 
Fig. 48 bedienen. Derselbe 
besteht aus einer, mittelst 
leichter Holzrahmen und 
Papierbespannung herge- 
stellten Tafel 7, die auf 
einer Stange 2% leicht ver- 
schiebbar mit dem runden 
Teller # verkuppeltist. Die 
Tafel # hängt mittelst der 
Spiralfeder s mit © zusam- 
men. Wenn nun die Tafel F 
vom Wind getroffen wird, 
dehnt sich die Spiralfeder s 
aus, und die Tafel verschiebt sich. In gleichem Mafse ver- 
schiebt sich aber auch der Teller z über einer Skala, und diese 
Letztere ist so eingerichtet, dafs man an der Stelle, wo ? gerade 
sich befindet, ohne weiteres die augenblickliche Windge- 
schwindigkeit ablesen kann. 


== N 


Nach der Grölse der Fläche # kann man leicht den Wind- 
druck berechnen, der bei den verschiedenen Windgeschwindig- 
keiten entstehen muls. Ferner kann man für diesen Wind- 
druck als Zugkraft die Federreckung bestimmen, also auch 
für jede Windgeschwindigkeit die Stellung des Tellers # er- 
messen. Auf diese Weise lälst sich die Skala mit ausreichen- 
der Genauigkeit anfertigen. 


Bei den von uns angewendeten Windmessern war F= 
/. qm. 

Dieser Windmesser muls in der Nähe der Apparate Fig. 45 
und 46 aufgestellt werden, um in jedem Augenblick die herr- 
schende Windgeschwindigkeit in der Nähe der zu untersuchen- 
den Fläche kennen zu lernen. 


Am besten werden derartige Versuche von 3 Personen 
ausgeführt, von denen die eine die Windgeschwindigkeit ab- 
liest, die zweite Person die Federwage beobachtet, und die 
dritte Person die aufgerufenen Zahlen notiert. 


Die Windgeschwindigkeit schwankt fast in jeder Sekunde, 
bleibt aber doch zuweilen für mehrere Sekunden konstant. 
Bei solchen gleichmälsigen Perioden hat der Windbeobachter 
die Geschwindigkeit aufzurufen, und der Beobachter der Feder- 
wage wird dann leicht den zugehörigen Winddruck angeben 
können. Wenn dann grölsere Reihen von Messungen erst für 
die eine, dann für die andere Komponente angestellt und notiert 
sind, kann man durch die Mittelwerte brauchbare Zahlen er- 
halten, und schlielslich aus den gemessenen horizontalen und 
vertikalen Komponenten für die verschiedenen Flächenneigungen 
den wirklichen Luftwiderstand konstruieren. 


Die ersten derartigen Versuche mit den beschriebenen 
Apparaten wurden von uns im Jahre 1874 angestellt und zwar 
mit seitlich zugespitzten Flächen von '/, qm Inhalt, die eine 
Höhlung von "/,, der Breite besalsen. 

Als Versuchsfeld diente die weite baumlose Ebene zwischen 


Charlottenburg und Spandau, welche später zur Rennbahn 
benutzt wurde. 


= U 


Zur Kontrolle dieser Versuche unternahmen wir im Herbst 
1888 mit den Flächen von der Form der Fig. 38 nochmals 
Messungen des Winddruckes und zwar auf der ebenfalls ganz 
freien Ebene zwischen Teltow, Zehlendorf und Lichterfelde, 
unweit der Kadettenanstalt. 

Die Resultate der beiden Versuchsperioden stimmten trotz 
der Ungleichheit in der Grölse und Verschiedenheit in der 
Konstruktion der angewendeten Apparate gut überein. 

Das Verhältnis der Luftwiderstände für die einzelnen Nei- 
gungen der Fläche gegen den Horizont ist auf Tafel V Fig. 1 
analog wie früher angegeben und zwar für die günstigste 
Wölbung von Y,, der Flügelbreite. 

Fig. 2 auf Tafel V giebt wieder die Abweichungen der 
Luftwiderstandsrichtungen zur Normalen der Fläche an. 

Da derselbe Malsstab wie früher gewählt wurde, so lälst 
sich mit den früheren Diagrammen ein Vergleich anstellen. 
Aulserdem ist das Diagramm von Tafel IV punktiert einge- 
zeichnet, woraus man sieht, wie stark diese Messung im Winde 
von der Messung an Flächen, welche in Windstille rotieren, 
abweicht. 

Der grölste Unterschied findet sich bei den kleineren 
Winkeln und namentlich beim Winkel Null. Wie man sieht, 
wird eine horizontal ausgebreitete gewölbte Fläche durch den 
Wind gehoben und nicht zurückgedrückt. Auf diesen Fall, 
der ohne weiteres eine Erklärung für das Segeln der Vögel 
abgiebt, wird später näher eingegangen werden. 

Zunächst kommt es auf eine Erklärung an, inwiefern ein 
so grolser Unterschied im Luftwiderstand entstehen kann, 
wenn man einmal eine Fläche mit gewisser Geschwindigkeit 
rotieren lälst, das andere Mal dieselbe Fläche unter gleichem 
Winkel einem Wind von derselben Geschwindigkeit entgegenhäilt. 

Es sollen nun in folgendem einige Experimente Erwäh- 
nung finden, welche hierüber den nötigen Aufschluls geben 
werden. 


33. Die Vermehrung des Auftriebes durch den Wind, 

Wenn man bei den zuletzt angefürten Versuchen die verti- 
kalen Luftwiderstandskomponenten nach Fig. 46 messen will, 
und die Fläche «b in der Richtung des Hebels cma nach 
Fig. 49 angebracht hat und, durch g abbalaneiert, sich selbst 
im Winde überlälst, so stellt der Hebel sich nicht horizontal, 
sondern die Fläche wird, indem sie etwas auf und nieder 
schwankt, merklich gehoben, und ihre mittlere Stellung liegt 


_ Horizont 


Fig. 49. 


etwa um 12° über dem Horizont. Will man die Fläche her- 
unterziehen bis dieselbe mit dem Hebel horizontal steht, so 
muls man eine verhältnismälsig grofse Kraft anwenden, die 
etwa halb so stark ist, als der Luftwiderstand der Fläche quer 
gegen den Wind betragen würde. 

In der Lage cm«ab hat also die Fläche keinen Winddruck 
nach oben oder unten, oder wenigstens gleich viel Druck nach 
oben und unten; denn der Wind stellt sich selbst die Fläche 
in diese Lage ein. 

Wenn man nun die Fläche «b umkehrt und mit der 
Höhlung nach oben anbringt, so entsteht die punktierte Lage 


— US = 


ma, d,, d. h. der Hebel senkt sich an dem Ende, welches 
die Fläche trägt, aber nicht auch wieder um 12° unter den 
Horizont, sondern im Mittel nur um cirka 4°, 

Hieraus folgt, dals eine Fläche ohne Wölbung, also eine 
ebene Fläche, in der Richtung des Hebels angebracht, sich 
im Winde so einstellen muls, dafs der Winkel am.«, halbiert 
wird, 

Diesen Versuch haben wir denn auch wiederholt aus- 
geführt. Es stellte sich dabei in der That die ebene Fläche 
in die beschriebene mittlere Lage, indem, wie bei Fig. 50, der 


en . 
N MU 73. Horizont 


Fie. 50. 


Hebel mit der Fläche um 3—4° gehoben vom Winde einge- 
stellt wurde. Wiederum war hierbei ein Auf- und Nieder- 
schwanken sichtbar, es liels sich jedoch die mittlere Neigung 
deutlich genug erkennen. 

Hiernach ist es klar, weshalb im Winde sich so starke 
Auftriebe, oder so starke hebende Komponenten ergeben; denn 
der Wind hat eine solche Wirkung, als sei er schräg aufwärts 
gerichtet, und das mus notwendigerweise die Hebewirkung 
sehr vermehren. 

Der Apparat nach Fig. 50 bildet gewissermalsen eine 
Windfahne mit horizontaler Achse. Eine solche Windfahne 


in der Nähe von Gebäuden aufgestellt giebt Aufschluls über 
Lilienthal, Fliegekunst. 8 


= Alles 


die bedeutenden Schwankungen des Windes nach der Höhen- 
richtung. An solchen Orten wechselt die aufsteigende Wind- 
richtung mit der sinkenden sehr stark, so dals die Schwan- 
kungen oft mehr wie 90° betragen. Auf weiten kahlen Ebenen 
hingegen ist die Windrichtung nach der Höhe viel beständiger, 
wenn auch ein immerwährendes geringes Schwanken, ober- 
halb und unterhalb von einer gewissen Mittellage, erkennbar 
bleibt. Diese Mittellage befindet sich bei etwa 3,5° über dem 
Horizont. 


Seltsamerweise zeigt sich fast keine Veränderung in dieser 
Erscheinung, wenn man den Apparat Fig. 50 auf etwas stei- 
gendem oder etwas fallendem Terrain aufstellt, wenn nur die 
Versuchsebene im grolsen und ganzen horizontal liegt. Unter 
anderem konnten wir noch die genannte Steigung der 4 m 
über dem Erdboden befindlichen Windfahne feststellen, wenn 
das Terrain auf mehr als 200 m Länge unter 5° in der Wind- 
richtung abfiel. Unsere zahlreichen Versuche bewiesen uns, 
dals die genannte Eigentümlichkeit der Windwirkung mit 
grolser Beständigkeit auftritt. Weder die Windrichtung und 
Windstärke noch die Jahreszeit oder Tageszeit riefen unserer 
Erfahrung nach eine wesentliche Abweichung in der beob- 
achteten Windsteigung hervor. 


Hervorgerufen wird diese Eigenschaft der Luft höchst 
wahrscheinlich dadurch, dals die Windgeschwindigkeit nach 
der Höhe beträchtlich zunimmt. Wenn auf freiem Felde z. B. 
der Windmesser 1 m über der Erde Am Windgeschwindigkeit 
zeigt, so giebt er oft in 3 m Höhe schon 7m sekundliche 
Geschwindigkeit des Windes. 


Auf die Erklärung über die Entstehung dieser steigenden 
Windrichtung kommt es hier eigentlich nicht an. Für die 
Theorie des Vogelfluges und die Flugtechnik genügt die That- 
sache, dals die Winde eine solche Wirkung auf die Flugflächen 
ausüben, als besälsen sie eine aufsteigende Richtung von 3—4°. 


Um noch mehr Gewilsheit über dieses für die ganze Flug- 
frage höchst wichtige Faktum zu erlangen, bauten wir einen 


— id — 


Apparat wie Fig. 51, der 5 Windfahnen mit horizontalen 
Achsen in Höhen von 2, 4, 6, 8 und 10 m übereinander trug. 

Die früher beobachtete Windsteigung von 3—4° zeigten 
alle 5 Windfahnen. Die Lage derselben war jedoch nicht 


Windrichtung a um | ee 


5 


—— 


8 


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10m Höhe 


immer parallel, sondern die Fahnen schwankten manchmal 
einzeln und manchmal aan aber verschieden stark mit 
ihren Richtungen. 


Um eine einheitliche Wirkung zu erhalten, verbanden wir 
die Hebel der Windfahnen beiderseits von ihren Drehpunkten 
in gleichen Abständen mit feinen Drähten, wie auch in Fig. 51 

Sr 


— 16 — 


angedeutet, und zwangen dieselben dadurch untereinander pa- 
rallel zu bleiben. Hierdurch erhielten wir die mittlere Wind- 
steisung bis zu 10 m Höhe über dem Erdboden. 

Auch diese mittlere Windrichtung nach der Höhe schwankte 
um die Mittellage von 3—4° Steigung unaufhörlich auf und 
nieder. 

Um nun über die wahre Mittellage durch diese Schwan- 
kungen keinem Irrtum anheimzufallen, haben wir durch den 
Wind selbst eine Reihe von Diagrammen über seine steigende 
Richtung aufzeichnen lassen. 

Aus der Fig. 51 ist leicht ersichtlich, wie die zu diesem 
Zweck getroffene Einrichtung in Wirkung trat. Der unterste 
Windfahnenhebel verpflanzte durch eine leichte Stange die 
gemeinsame Bewegung der Windfahnen auf einen Zeichenstift. 
Letzterer bewegte sich nach der wechselnden Windsteisung 
daher auf und nieder. Wenn man nun einen mit Papier be- 
spannten Cylinder, auf dem die Spitze des Zeichenstiftes mit 
leichtem Druck ruhte, gleichmälsig drehte, so erhielt man eine 
Wellenlinie auf dem Papier. Um den Grad der Schwankungen 
der Hebel zu erkennen, wurden zuförderst die Hebel nach der 
Wasserwage eingestellt, und der Papiercylinder einmal herum- 
gedreht. Dadurch zeichnete der Stift eine gerade Linie vor, 
welche die Lage markierte, in welcher die Hebel horizontal 
standen, wo also der Wind bei freier Beweglichkeit der Hebel 
genau horizontal wehen mulste. 

Auf diese Weise ergaben sich Diagramme, aus denen sich 
die mittlere Windsteigung genau ermitteln lies. Fig. 3 auf 
Tafel V zeigt eine solche durch den Wind selbst gezeichnete 
Wellenlinie für die Dauer von einer Minute Man sieht, dafs 
der Zeichenstift sich meistens über der Horizontalen bewegte 
und im ganzen zwischen + 10° und — 5° schwankte. Die 
grölsten von uns beobachteten Schwankungen, die aber seltener 
eintraten, lagen zwischen 16° über und 9° unter der Hori- 
zontalen. 

Die Diagramme, welche wir erhielten, zeigten alle gewisse 
gemeinsame Merkmale. Für den Zeitraum von einer Minute 


= ll 


ergab sich aus allen fast derselbe mittlere Wert von 3,3°. In 
jeder ganzen Minute steigt auch der Zeichenstift einige Male, 
wenn auch nur für kurze Zeit, unter die Horizontale. Inner- 
halb einer Minute wiesen alle erhaltenen Kurven fast die 
gleiche Zahl von Gipfelpunkten auf und zwar cirka 20 Maxima 
und 20 Minima. Auf eine steigende und fallende Tendenz der 
Kurve kommen also durchschnittlich 3 Sekunden. Nur aus- 
nahmsweise bleibt die Windsteigung etwa 6—8 Sekunden an- 
nähernd konstant. 

Man erkennt hieran übrigens deutlich, mit welchen 
Schwierigkeiten man bei den Messungen des Luftwiderstandes 
im Winde zu kämpfen hat, und dals nur durch recht zahl- 
reiche Versuche gute Mittelwerte sich bestimmen lassen. 

Es sei noch erwähnt, dals uns bei diesen Versuchen be- 
sonders auffiel, dafs die Windfahnen sich meistens hoben, 
wenn wir an der Erde am Fulse des Gestelles sitzend wenig 
Wind verspürten, wo also anzunehmen war, dals die Differenz 
in den Windgeschwindigkeiten nach der Höhe verhältnismälsig 
gsrols sein mulste. Wenn dagegen der Wind an der Erde 
stärker blies, bewegten sich die Windfahnen meistens stärker 
abwärts. Es ist jedoch besonders zu betonen, dals beides 
nicht immer zutraf, und sich daher auch nicht ohne weiteres 
eine Gesetzmälsigkeit daraus ableiten lälst. 

Die Zunahme des Windes nach der Höhe muls notwendiger- 
weise mit einer die ganze Luftmasse mehr oder weniger er- 
füllenden rollenden Bewegung hegleitet sein; denn es ist nicht 
denkbar, dals sich Luftschichten von verschiedenen Geschwin- 
digkeiten geradlinig übereinander fortschieben, ohne durch 
die entstehende Reibung auch bei ganz stetiger Zunahme der 
Windgeschwindigkeiten nach der Höhe sich gegenseitig in 
ihren Bewegungsrichtungen zu beeinflussen. Die Tendenz zu 
rollenden Bewegungen muls cykloidische Wellenlinien als 
Bahnen der Luftteile zur Folge haben, die durch die Uneben- 
heiten der Erdoberfläche namentlich in der Nähe der letzteren 
unregelmälsig gestaltet werden, und nur in grölseren Perioden 
einen gleichmälsigen Charakter bewahren können. 


— la 


In der Reibung der dahin streichenden Luft an der Erd- 
oberfläche, an dem Temperaturunterschied und Druckausgleich, 
welche den Wind immer zwingen, dorthin zu wehen, wo An- 
häufungen der Atmosphäre nötig sind, müssen wir das be- 
ständige Schwanken in der Höhenrichtung des Windes um 
eine gewisse über dem Horizont liegende Mittellage, sowie 
die den Auftrieb verstärkende Windwirkung erblicken. 


Schlielslich möchten wir noch die Ansicht vertreten, dals 
die Linie, welche der, den hohen, freistehenden Fabrikschorn- 
steinen entströmende Rauch in der windigen Luft beschreibt, 
ebenfalls ein treffendes Bild von der Luftbewegung und ihrer 
steigenden Richtung angiebt, wenn auch der Einwand hörbar 
werden wird, dals die heilsen Schornsteingase diese Steigung 
hervorrufen. Dieser durch Wärme hervorgerufene Auftrieb 
kann doch wohl nur in unmittelbarer Nähe des Schornsteins 
wirksam sein und sich nicht auf Kilometer weite Strecken 
ausdehnen. 


Um den genaueren Zusammenhang aller dieser in diesem 
Abschnitt erwähnten Erscheinungen mit ihren mutmalslichen 
Ursachen genauer zu erforschen und eine wirkliche Gesetz- 
mälsigkeit erkennen zu können, ist es jedenfalls nötig, die 
Untersuchungen viel weiter auszudehnen und namentlich neben 
den Schwankungen der Windsteigung auch die Schwankungen 
der seitlichen Windrichtung und die sich stets verändernde 
Windstärke und deren Zunahme nach .der Höhe mit in Be- 
tracht zu ziehen und gleichzeitig zu messen. 


Es wäre sehr wünschenswert, wenn nach dieser Richtung 
hin recht ausführliche Versuche gemacht würden, die nicht 
nur für die Flugtechnik, sondern wohl auch für die Meteoro- 
logie die grölste Wichtigkeit hätten. 


—. 4197 — 


34. Der Luftwiderstand des Vogelflügels in ruhender Luft 
nach den Messungen im Winde. 


Wir können nun annehmen, dafs im Durchschnitt bei den 
Versuchen, welche das Diagramm Tafel V ergaben, der Wind 
durchschnittlich eine aufsteigende Richtung von wenigstens 
3° hatte. Wenn wir daher vergleichen wollen, wie sich die 
Resultate der Messungen im Winde zu denen am Rotations- 
apparat verhalten, so müssen wir bei den Messungen im Winde 
die Neigung der Fläche nicht zum Horizont messen, sondern 
zur Windrichtung, das heilst, wir müssen die Winkel zum 
Horizont stets noch um 3° vermehren. Thut man dieses, so 
erhält man das Diagramm Tafel VI, Fig. 1, bei dem ebenfalls‘ 
zum Vergleich die entsprechende Linie von Tafel IV punktiert 
angedeutet ist. 

Jetzt erst kann man erkennen, welcher Unterschied zwischen 
diesen beiden Methoden der Messung bestehen bleibt; und zwar 
hat man die Abweichungen auf die Fehlerquellen zurückzu- 
führen, die der Rotationsapparat mit sich bringt und die 
früher schon besprochen sind. Hiernach stellt Tafel VI den 
Luftwiderstand dar, welcher entsteht, wenn eine vogelflügel- 
_förmige Fläche geradlinig in ruhender Luft bewegt wird. Diese 
Widerstände, ebenso wie diejenigen, welche vom Winde ver- 
ursacht werden, sind auf Tafel VIL in ihren Verhältnisgrölsen 
durch die obersten Linien eingetragen. Auch hier erkennt 
man, wie stark der Widerstand durch die Flächenwölbung 
vermehrt wird. Aber nicht die Grölse des Luftwiderstandes 
allein ist mafsgebend für die Beurteilung der Wirkung, sondern 
eigentlich noch mehr die Richtung des Luftwiderstandes. 

Jetzt kann man aber auch wieder aus Fig. 1 auf Tafel VI 
einen Vergleich der Luftwiderstandsrichtungen herbeiführen 
und die stets horizontal ausgebreitete gewölbte Fläche «b 
nach den Richtungen 0°—-90° abwärts bewegt denken. 

Fig. 2 auf Tafel VI enthält dann die Luftwiderstandslinien 
so gezeichnet, wie sie zur Fläche «5 wirklich gerichtet sind, 


— 20 — 


wenn die gewölbte Fläche in ruhender Luft geradlinig sich 
bewegt, während die im Winde gemessenen Widerstandswerte 
zu Grunde gelegt sind. 


85. Der Kraftaufwand beim Fluge in ruhiger Luft nach 
den Messungen im Winde. 


Auch die beim Vorwärtsfliesen in ruhiger Luft eintretende 
Kraftersparnis lälst sich wie früher berechnen und ergiebt die 
Werte, welche in Fig. 2 auf Tafel VI bei den betreffenden 
Winkeln der mittleren Bewegungsrichtung der Flügel ver- 
zeichnet sind, und welche wieder in Vergleich gestellt sind 
mit der Arbeit A, die ohne Vorwärtsfliegen nötig ist. 

Jetzt zeigt sich die geringste Arbeitsleistung, wenn die 
Flügel sehr schnell vorwärts und langsam abwärts sich be- 
wegen, also bei verhältnismälsig schnellem Fluge. 

Selbst wenn man den Luftwiderstand des Vogelkörpers 
mit berücksichtigt, erhält man kaum '/,, von derjenigen Arbeits- 
leistung, die beim Fliegen auf der Stelle nötig ist. Nachdem 
nun aber die Abwärtsbewegung der Flügel sehr langsam ge- 
worden ist, wird sich der Nutzen, der durch die Schlagwirkung 
entsteht, bedeutend verringern. 

Nach Abschnitt 18 beträgt das Minimum der Arbeit beim 
Fliegen auf der Stelle für deu Menschen 1,5 HP. Bei teil- 
weisem Fortfall der Vorteile der Schlagwirkung würde sich 
aber wohl die doppelte Leistung, also 3 HP ergeben, und diese 
3 HP mülste man nach Tafel VI als die Arbeit A ansehen. 
Man erhielte dann bei einem Fluge, bei dem die Flügel durch- 
schnittlich unter einem Winkel von 3° sich abwärts bewegen, 
für den Menschen die erforderliche mechanische Leistung 
von 0,3 HP. 

Dieses wäre nun aber ein Kraftaufwand, den der Mensch 
bei einiger Übung sehr wohl längere Zeit zu leisten vermag. 


— DEE 


Wenn daher der Flugapparat, dessen man sich bedienen mülste, 
eine recht günstige Form hätte und bei etwa 15—20 qm Flug- 
fläche nicht über 10 kg wöge, so wäre es wohl denkbar, 
dals damit in ruhiger Luft horizontal bei grofser Geschwindig- 
keit geflogen werden könnte. 


Was aber mit einem solchen Apparate auch ohne Flügel- 
schläge sicher ausgeführt werden könnte, wäre ein längerer 
schwach abwärts geneigter Flug, der immerhin des Lehrreichen 
und Interessanten genug bieten möchte. 


36. Überraschende Erscheinungen beim Experimentieren 
mit gewölbten Flügelflächen im Winde. 


Wer die Diagramme auf Tafel V und VI betrachtet und 
sich dessen bewulst ist, was uns zum Fliegen not thut, dem 
wird die Tragweite der eigentümlichen Wirkung des Windes 
auf vogelflügelähnliche Flächen nicht entgehen. Eine trockene, 
nüchterne Darstellung, wie solche Diagramme sie geben, ver- 
schafft aber schwer den richtigen Eindruck, wie ihn derjenige 
hat, der solche, ein gewisses auffallendes Gesetz enthaltenden 
Linien entstehen sah. Da nun die in diesen Diagrammen aus- 
gedrückte Gesetzmälsigkeit des Luftwiderstandes geradezu den 
Schlüssel für viele Erscheinungen beim Vogelfluge bietet, so 
ist es von Wichtigkeit, die besonders auffallenden Wahr- 
nehmungen bei den, diesen Diagrammen zu Grunde liegenden 
Versuchen näher hervorzuheben. 


Wer solche Versuche selbt vornimmt, der wird viele Ein- 
drücke empfangen, die sich durch einfache Zahlenangaben und 
graphische Darstellungen nicht wiedergeben lassen, denn Kraft- 
wirkungen, von denen man nicht blols sieht und hört, sondern 
die man selbst sogar fühlt, prägen sich der Vorstellung in 
Bezug auf ihre Bedeutung für die verfolgten Ziele ungleich 
deutlicher ein. Und so ist es denn im höchsten Grade lehr- 


reich, selbst mit richtig geformten grölseren Flugflächen im 
Winde zu operieren. Allen denen aber, die hierzu keine Ge- 
legenheit haben, diene folgendes zum besseren Verständnis. 

Als wir zuerst mit derartigen leicht gebauten Flächen- 
formen in den Wind kamen, wurde in uns die Ahnung von 
der Bedeutung der gewölbten Flügelfläche sofort zur Gewils- 
heit. Schon beim Transport soleher grölserer Flügelkörper 
nach der Versuchsstelle macht man interessante Bemerkungen. 
Man ist befriedigt, dals der Wind kräftig bläst, weil die 
Messungen um so genauer werden, je grölser die gefundenen 
Zahlenwerte sich herausstellen, aber der Transport der Ver- 
suchsflächen über freies Feld hat bei starkem Wind seine 
Schwierigkeiten. Die Flächen sind beispielsweise aus leichten 
Weidenrippen zusammengesetzt und beiderseits mit Papier 
überspannt. Man mu/s also schon behutsam mit ihnen um- 
gehen. Der Wind schleudert aber in so unberechenbarer Weise 
mit den Flächen herum, drückt sie bald nach oben, bald nach 
unten, dals man nicht weils, wie man die Flächen halten soll. 
Aber schon auf dem ersten Gang zur Versuchsstelle ergiebt 
sich eine unfehlbare Praxis für den leichten Transport. Man 
findet, dafs eine solche flügelförmig gewölbte Fläche, welche 
mit der Höhlung nach oben so schwer zu tragen war, als wenn 
sie mit Sand gefüllt wäre, nach der Umkehrung, wo also die 
Höhlung nach unten liegt, vom Winde selbst sanft gehoben 
und getragen wird. Wenn man dann nur eine flache Hand 
leicht auf die Fläche legt und letztere am Aufsteigen ver- 
hindert, sowie nebenbei die horizontale Lage sichert, so 
schwimmt die Versuchsfläche förmlich auf dem Winde, und 
wenn die Fläche etwa 0, qm grols ist, so kann man bei 
starkem Wind noch einen Teil des eigenen Armgewichtes mit 
von der Fläche tragen lassen. 

Jetzt, wo die Diagramme vor uns liegen, ist es ja ein 
Leichtes, die Hebewirkung eines etwa 10 m schnellen Windes 
auf eine solche Fläche auszurechnen. Nehmen wir als Hebe- 
druck nur den halben Druck der normal getroffenen Fläche 
an, so erhalten wir bei 10 m Windgeschwindigkeit bei dieser 


— I — 


0, qm grolsen Fläche den Luftwiderstand Z = !J, . 0,13 . 0,5. 100 
—3,5kg. Wenn nun die Fläche selbst 1,25 kg wiegt, so muls 
man dieselbe noch mit 2 kg herunterdrücken, damit sie nicht 
vom Winde hochgehoben wird. Man fühlt, wie die Fläche 
auf dem Winde schwimmt und braucht nicht einmal Sorge 
zu tragen, dals der Wind die Fläche in seiner Richtung mit 
sich reilst; denn der Luftwiderstand ist senkrecht nach oben 
gerichtet und ein Zurückdrücken der wohlgeformten Fläche 
von einer Wölbung gleich '/,, der Breite findet nicht statt, 
was denjenigen, welcher mit solchen Wahrnehmungen noch 
nicht vertraut ist, in nicht geringem Grade überraschen muls. 
Man sagt sich unwillkürlich, dafs diese Flugfläche nur ent- 
sprechend grölser zu sein brauchte, um ohne weiteres mit 
derselben absegeln zu können, wenn man statt der Fläche 
von 0,5 qm etwa eine solche von 20 qm hätte. Freilich wird 
man ja auch an die Gleichgewichtsfrage erinnert und gewahrt, 
dafs doch eine erhebliche Übung noch hinzukommen muls, 
um so grolse Flächen im Winde sicher dirigieren zu können. 

Wenn dann das Gerüst mit dem beweglichen Versuchs- 
hebel Fig. 46 aufgestellt ist, und man befestigt zunächst die 
Fläche so, dals ihre Ränder in der Richtung des Hebels liegen, 
so dals also bei horizontaler Hebelstellung die Fläche auch 
horizontal ausgebreitet ist, so fühlt man schon bei schwachem 
Wind, dafs die Fläche das Bestreben hat, sich zu heben; denn 
durch das Gegengewicht ist ihr eigenes Gewicht abbalanciert. 

Lälst man dann die Fläche los, so hebt sich das Hebel- 
ende mit der Fläche wesentlich höher, dieselbe Erscheinung 
wie im Abschnitt 33 besprochen. 

Zu Hause im geschlossenen, windstillen Raum hat man 
das Gegengewicht so befestigt, dals die Versuchsfläche gerade 
ausbalanciert wird, und der Hebel in jeder Lage im Gleich- 
gewicht bleibt, wobei das sogenannte indifferente Gleich- 
sewicht herrscht. An eine Täuschung ist hierbei also nicht 
zu denken. 

Während der nun folgenden Kraftmessungen stellen sich 
alle jene grolsen Unterschiede ein gegen die beim Experimen- 


— 124 — 


tieren mit ebenen Flächen gefundenen Resultate. Wie man 
schon durch das Gefühl über die an der gewölbten Fläche 
auftretenden Vergröfserungen des Winddruckes überrascht 
wird, so hat man erst recht Grund zur Verwunderung über 
die Hebewirkung des Windes, wenn die Vorderkante der Fläche 
bedeutend tiefer liegt als die Hinterkante. Diese Hebekraft 
hört, wie wir aus dem Diagramm Tafel V gesehen haben, erst 
auf, wenn die Sehne des Querschnittbogens der Fläche gegen 
den Wind um 12° abwärts gerichtet ist, wo der Uneingeweihte 
doch sicher annehmen würde, dals hier der Wind die Fläche 
schon stark herabdrücken mülste. 

Nachdem man dann die Messung der vertikalen Kompo- 
nenten des Winddruckes ausgeführt 


N 
hat, stellt man den Hebel vertikal, 
as um auch die horizontalen Drucke 
Sr, zu bestimmen nach Fig. 45. 
—T—_ Mit der wagerechten Flächen- 
al; einstellung nach Fig. 52 beginnend, 


wird einem sofort wieder eine neue 
Überraschung zu teil; denn gegen 
alle Voraussetzung bleibt der Hebel 
mit dem oben befindlichen grofsen 
Versuchskörper selbst im starken 
Sturm senkrecht stehen, nur wenig 
um diese Mittellage hin und her 
schwankend. Die Projektion der 
Fläche nach der Windrichtung be- 
trägt einschlielslich der Flächen- 
dicke über '/,, ihrer ganzen Grund- 
fläche und dennoch schiebt der Wind 
die Fläche nicht zurück, indem der 
Hebel bei schwachen Pendelbewe- 
gungen die vertikale Lage behauptet. 

Erstaunt hierüber bringst man den Hebel absichtlich aus 
der Mittellage heraus, sowohl mit dem Wind als gegen den 
Wind und findet, dals die Versuchsfläche immer wieder nach 


Fig. 52. 


a 


dem höchsten Punkte wandert, der Hebel sich also immer 
wieder senkrecht stellt. Die Fläche kann also nicht blols in 
der höchsten Lage bleiben, sie muls sogar diese Lage behalten 
und befindet sich daher nicht im labilen, sondern im stabilen 
Gleichgewicht. Um diesen Eindruck noch zu verstärken, kann 
man irgend einen schweren Körper, z. B. einen Stein a (bei 
unseren Versuchen 2 kg) unter der Fläche am Hebel befestigen, 
so dals das obere Hebelende thatsächlich schwerer wird wie 
das untere, aber auch dann noch bleibt die Fläche oben in 
stabiler Lage, wenn mit dem hinzugefügten Gewicht bei ge- 
wisser Windstärke eine gewisse Grenze nicht überschritten 
wird. 

Wenn, wie hier, die Diagramme Tafel V vorliegen, ist 
die Erklärung dieser Erscheinung nicht schwer. Man sieht 
aus diesen Kraftaufzeichnungen, dals bei einer Flächenneigung 
von Null Grad gegen den Horizont der Winddruck normal 
zur Fläche, also senkrecht steht, dals aber bei negativen Win- 
keln, wenn also die Fläche gegen den Wind abwärts gerichtet 
ist, der Winddruck schiebend auf die Fläche wirkt. Die Stel- 
lung Fig. 53 wird daher einen Winddruck % ergeben, der die 
Fläche zur Mittelstellung zurücktreibt. Ruft man aber künst- 
lich die Stellung Fig. 54 hervor, so entsteht bei Winkeln bis 
zu 30° ein Luftwiderstand y der von der Normalen zur Fläche 
nach der Windseite zu liest, den Hebel also um seinen Dreh- 
punkt m nach links dreht, und die Fläche dem Wind entgegen 
zieht: Es kann also weder die Stellung Fig. 53 noch die 
Stellung Fig. 54 verbleiben, sondern beide Stellungen werden 
sich von selbst wieder ändern, bis die senkrechte Mittelstellung 
Fig. 52 entsteht, wo der Winddruck bei wagerechter Flächen- 
lage senkrecht hebend gerichtet ist. 

Diese Erscheinung, von der man vorher keine Ahnung 
haben konnte, charakterisiert nun am deutlichsten die Be- 
fähigung der schwachgewölbten Flugflächen zum Segeln, das 
heilst zu einem Fluge, der ohne Flügelbewegung und ohne 
wesentliche dynamische Leistung seitens des fliegenden Kör- 
pers vor sich geht. 


en — 


Die zuletzt betrachtete Flugfläche würde sich ohne weiteres 
hochheben, wenn sie nicht am Hebel befestigt wäre, und 
wenn man ihre horizontale Lage sichern könnte, was natürlich 


am besten durch ein lebendes Wesen geschehen würde, dem 
diese Fläche als Flügel diente. 


Wind | ! nd 
\/oe 


DISS nn 
L/ZZZER a 


Fig. 53. Fig. 54. 


Die segelnden Vögel können nun aber nicht nur auf dem 
Winde ruhend in der Luft still stehen, wie wir dies häufig 
am Falken beobachten, wenn er Beute suchend, weder sinkend 
noch steigend, weder rückwärts noch vorwärts gehend, fast 
unbeweglich die Erdoberfläche durchmustert, sondern sie be- 
wegen sich auch segelnd gegen den Wind, nicht nur kreisend, 
sondern auch geradlinig. Oft bemerkten wir bei diesen zuletzt 
erwähnten Experimenten, wobei wir nach den das Segeln 


I 


ermöglichenden Kraftwirkungen suchten, wie Raub- oder 
Sumpfvögel in segelndem Fluge hochoben im Blauen über 
unseren Apparaten dem Winde entgegen schwebten. Unsere 
Messungen liefsen uns nun zwar keinen Zweifel darüber, dals 
es Flugflächen giebt, welche im Winde senkrecht gehoben 
und nicht in der Windrichtung zurückgedrückt werden. Die 
Vögel belehrten uns aber darüber, dals es auch Flugflächen 
geben muls, welche wenigstens in höheren Luftregionen dem 
Winde segelnd entgegengezogen werden müssen, bei denen 
in der Ruhelage zur Erde also ein Winddruck auftreten muls, 
der nicht blols senkrecht steht, sondern noch etwas gegen 
den Wind ziehend wirkt, um den Luftwiderstand des Vogel- 
körpers dauernd zu überwinden. 


Diese Erscheinung ist natürlich erst recht nur aus einer 
aufsteigenden Windrichtung zu erklären. Die regelrechte Unter- 
suchung hierüber wird man aber wohl erst anstellen können, 
wenn man imstande ist, den Luftdruck frei unter den eigenen 
Flügeln zu fühlen. 


Was in diesem Abschnitt von den Flügelflächen gesagt 
ist, gilt aber auch teilweise für alle anderen gewölbten Flächen, 
welche dem Winde ausgesetzt sind. Wir werden hierbei an 
manche Erscheinung des täglichen Lebens erinnert, wo die 
seltsame Wirkung des Windes an gewölbten Flächen sich 
auffallend markiert. 


Die auf freiem Platze im Winde zum Trocknen auf der 
Leine hängende Wäsche belehrt uns ebenso wie die an hori- 
taler Stange wehende Fahne, dafs alle nach oben gewölbten 
Flächen einen starken Auftrieb im Winde erfahren und trotz 
ihres Eigengewichtes gern über die Horizontale hinaussteigen. 
Das kleine Bildchen Fig. 55 wird manchen an einen oft ge- 
habten Anblick erinnern. 


Aber auch die Technik macht, wenn auch häufig unbe- 
wulst vielfach Anwendung von den aerodynamischen Vorteilen 
der Flächenwölbungen. Sowohl die Segel der Schiffe wie die 
Flügel der holländischen Windmühle verdanken einen grofsen 


— 128 — 


Teil ihres Effektes der Wölbung ihrer Flächen, welche sie 
entweder von selbst annehmen oder die ihnen künstlich ge- 
seben wird. 


Nachdem wir gesehen haben, welche gewaltigen Unter- 
schiede sich einstellen, wenn eine vom Winde schräg unter 


Fig. 55. 


spitzem Winkel getroffene Fläche nur wenig aus der Ebene 
sich durchwölbt, so ist es erklärlich, dafs man nur schwache 
Annäherungen an die Wirklichkeit erhalten kann, wenn man 
die Segelleistung der Schiffe unter Annahme ebener Segel 
berechnet, und dafs man sich nicht wundern darf, wenn der 
Segeleffekt derartige Berechnungen weit übertrifft. 


Auch das immerwährende Flattern der Fahnen an verti- 
kaler Stange im starken Winde ist auf die genannten Eigen- 
schaften gewölbter Flächen zurückzuführen. 


Die steife Wetterfahne aus Blech stellt sich ruhig in die 
Windrichtung. Nicht so die Fahne aus Stoff. Während Fig. 56 
die Oberansicht der Wetterfahne angiebt, flattert die Stoff- 
fahne in grofsen Wellenwindungen hin und her. Die Erklä- 
rung ist folgendermalsen zu denken: Bei der Fahne aus Stoff 
bildet sich ein labiles Verhältnis, denn die geringste ent- 
stehende Wölbung nach einer Seite verstärkt den Winddruck 


nach dieser Seite eben auf Grund der uns jetzt bekannten 
Eigenschaften gewölbter Flächen, wodurch die Wölbung sich 
vergrölsert und Fig. 57 als Grundrils der Fahne entsteht, bis 
der Winddruck bei a so grols wird, dals die Wölbung durch- 
geklappt wird, und Fig. 58 daraus sich formt. Dieses Hin- : 


Wind Wellerfahne 
um nn 


Fio. 56. I 


a 
io A III are em 
Fig, 7. D———— 


Wind Stofffahne 
Fi IR 58. > — a 


und Herklappen der Wölbung von rechts nach links ruft das 
Flattern der Fahnen hervor und ihre immer gleichen Wellen- 
bewegungen. 

An dieser Stelle kann auch darauf aufmerksam gemacht 
werden, dals man jedem Boomerang, dessen Querschnitt bei 
den käuflichen Exemplaren die leicht herstellbare Form nach 
Fig. 59 hat, ungleich leichter fliegend 
machen kann, wenn man die Flächen Fig, 59. 
nach Fig. 60 wirklich aushöhlt; denn GR 
Fig. 59 ist nur eine unvollkommene 
Annäherunssform zu Fig. 60. GIIE 

Endlich finden wir, dals die Natur Fig. 60. 
auch im Pflanzenreich den Vorteil 
gehöhlter Flügel ausnützt, indem sie die geflügelten Samen 
vieler Gewächse auf leicht gewölbten Schwingen im Winde 
dahinsegeln lälst. 

Die hier für die Erscheinungen in der Luft angeführten 
Versuche mit gewölbten Flächen dürften nun vielleicht nicht 
weniger interessant und ergiebig mit geeigneten analog ge- 
tormten Körpern im Wasser sich ausführen lassen. Schon 
im kleinsten Malsstabe, sagen wir in der gefüllten Kaffeetasse, 

Lilienthal, Fliegekunst. 9) 


— El 


kann man sich hierüber schon einigen Eindruck verschaffen, 
wenn man fühlt, wie der seitlich hin und her bewegte 'Thee- 
löffel das deutlich erkennbare Bestreben hat, nach der Richtung 
seiner Wölbung hin auszuweichen. 

Also auch in den tropfbaren Flüssigkeiten erfahren die 
gewölbten Flächen nach der Richtung ihrer Sehne bewegt 
einen stärkeren nach der Seite der Wölbung zu liegenden 
Druck, und man kann annehmen, dafs auch die an die Fig. 30 
in Abschnitt 25 angeknüpften Betrachtungen in gewissem 
Grade für die Bewegungen im Wasser zutreffen. Sollte nun 
nicht die Theorie der Schiffsschraube auch noch eine Lücke 
darin enthalten, dals diese Querschnittswölbung nicht genü- 
gend gewürdigt ist? 


37. Über die Möglichkeit des Segelfluges. 


Die im letzten Abschnitt beschriebenen und von uns viel- 
fältig ausgeführten Versuche zeigen, dals der Luftwiderstand 
gewölbter Flächen Eigenschaften besitzt, mit Hülfe deren ein 
wirkliches Segeln in der Luft sich ausführen läflst. Der 
segelnde Vogel, ein Drachen ohne Schnur, er existiert nicht 
blofs in der Phantasie, sondern in der Wirklichkeit. 

Vielleicht ist es nicht jedem, der für die Vorgänge beim 
Vogelfluge Interesse hat, vergönnt gewesen, grolse segelnde 
Vögel so genau zu beobachten, dals die Überzeugung von der 
Arbeitslosigkeit eines solchen Fluges tiefe Wurzeln schlagen 
konnte, und doch giebt es jetzt wohl schon sehr viele Beobachter, 
die davon durchdrungen sind, dals hier in dem anstrengungs- 
losen Segeln der Vögel eine allerdings höchst wunderbare, 
aber doch unumstölsliche Thatsache obwaltet. 

Wie schon erwähnt, gehören zu den Vögeln, welche das 
Segeln ohne Flügelschlag verstehen, vor allem die Raubvögest, 
Sumpfvögel und die meerbewohnenden Vögel. Es ist damit 


— zul 


nicht ausgeschlossen, dals auch noch viele andere Vogelarten, 
deren Lebensweise sie nicht zum Segeln veranlalst, dennoch 
die Fähigkeit zum Segeln besitzen. Ich wurde einst sehr 
überrascht, eine grolse Schar Krähen schön und andauernd 
in beträchtlicher Höhe kreisen zu sehen, während ich früher 
glaubte, dals der eigentliche Segelflug der Krähe unbekannt sei. 

Die Ausübung des Segelns ist bei den einzelnen Vogel- 
arten aber etwas verschieden. 

Die Raubvögel bewegen sich meist kreisend und in der 
Regel mit dem Winde abtreibend, das heilst, die Kreise 
schlielsen sich nicht, sondern bilden in Kombination mit der 
Windbewegung eykloidische Kurven. Es hat den Anschein, 
als wenn diese Form des Segelns die am leichtesten ausführ- 
bare sei, denn alle Vögel, welche überhaupt segeln können, 
verstehen sich auf diese Segelart. 

Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dafs dergleichen Segel- 
bahnen durch ihre etwas schräge Lage die Geschwindigkeits- 
differenz des Windes in verschiedenen Höhen beim Tragen 
der Vögel zur Mitwirkung bringen, und dals dadurch dieses 
Kreisen das Segeln etwas erleichtert. Jedenfalls ist aber die 
Höhendifferenz und somit der Unterschied in den Windge- 
schwindigkeiten nicht beträchtlich genug, um darauf allein 
das Segeln zu basieren. Wir wissen vielmehr, dals der Auf- 
trieb des Windes in Vereinigung mit den vorzüglichen Wider- 
standseigenschaften gewölbter Flugflächen allein imstande ist, 
die Hebung der Vögel ohne Flügelschlag zu bewirken. 

Dals das Kreisen beim Segeln mehr Nebensache sein muls, 
wird auch dadurch schon bewiesen, dals von den Vögeln auch 
sehr viel ohne Kreisen gesegelt wird. Was sollen wir denn 
vom Falken sagen, der minutenlang unbeweglich im Winde 
steht? Dieses Stillstehen mag wohl seine besonderen Schwierig- 
keiten haben, denn viele Vögel, die hierauf sich verstehen, 
giebt es sicher wenigstens unter den Landvögeln nicht. Der 
Falk verfolgt hierbei offenbar den Zweck, möglichst unauffällig 
von oben das Terrain nach Beute zu durchspähen; denn oft 
sahen wir ihn plötzlich aus solcher Stellung niederstolsen. 

9* 


— 1382 — 


Die kreisende Segelform wird von den anderen Raub- 
vögeln auch wohl angewendet, um eine vollkommene Ab- 
suchung ihres Jagdrevieres zu bewirken. Auch diese Vögel 
sieht man plötzlich das Kreisen unterbrechen und auf die Beute 
herabstürzen. 


Die Sumpfvögel scheinen das Kreisen namentlich anzu- 
wenden, um erst eine grölsere Höhe zu erreichen. Zum Segeln 
gehört Wind von einer gewissen Stärke, der sich oft erst in 
höheren Luftregionen findet. Und da scheinbar das Kreisen 
eine Erleichterung beim Segeln bietet, lälst es sich auch schon 
bei einer etwas geringeren Windstärke ausführen. Hat der 
Sumpfvogel nun die genügende Höhe erreicht, so sieht man 
ihn häufig segelnd geradeaus streichen, genau seinem Ziele zu. 
Bei Störchen kann man diese Bewegungsform sehr häufig 
beobachten. Alle diese Künste aber verstehen die an der 
Küste und auf offenem Meere lebenden Segler. Bei diesen 
Vögeln scheint die Flügelform ganz besonders zum Segeln 
geeignet zu sein. Sie können aulser dem Kreisen daher auch 
jede andere Bewegung segelnd ausführen, und auch diese 
Vögel sieht man zuweilen in der Luft stillstehend den Wind 
zum Tragen ausnützen. 


Zu allen diesen Bewegungen gehört eigentlich keine be- 
sondere motorische Leistung, sondern nur das Vorhandensein 
richtig geformter Flügel und die Geschicklichkeit oder das 
Gefühl, die Flügelstellung dem Winde anzupassen. 


Es ist wahrscheinlich, dals die von uns angewendeten 
Versuchsflächen, wenn sie auch das Kriterium der zum Segeln 
erforderlichen Eigenschaften enthielten, dennoch lange nicht 
alle jene Feinheiten besalsen, die der vollendete Segelflug er- 
heischt. Die Reihe der aufklärenden Versuche darf‘ daher 
auch noch lange nicht als abgeschlossen betrachtet werden. 
So viel geht aber aus den angeführten Experimenten hervor, 
dals es sich wohl der Mühe lohnt, auf dem betretenen Wege 
weiter zu forschen, um schlielslich das Ideal aller Bewegungs- 
formen, das anstrengungslose, freie Segeln in der Luft nicht 


a — 


blols am Vogel zu verstehen und als möglich zu beweisen, 
sondern schlielslich auch für den Menschen zu verwerten. 

Fragen wir uns noch einmal, worauf wir die Möglichkeit 
des Segelns zurückzuführen haben, so müssen wir in erster 
Linie die geeignete Flügelwölbung dafür ansehen; denn nur 
solche Flügel, deren Querschnitte senkrecht zu ihrer Längs- 
achse die geeignete Wölbung zeigen, erhalten eine so günstige 
Luftwiderstandsrichtung, dals keine grölsere geschwindigkeit- 
verzehrende Kraftkomponente sich einstellt. Aber es muls 
noch ein anderer Faktor hinzutreten; denn ganz reichen die 
Eigenschaften der Fläche allein nicht aus, um dauerndes Se- 
geln zu gestatten. Es muls ein Wind von einer wenigstens 
mittleren Geschwindigkeit wehen, welcher dann durch seine 
aufsteigende Richtung die Luftwiderstandsrichtung so umge- 
staltet, dals der Vogel zu einem Drachen wird, der nicht nur 
keine Schnur gebraucht, sondern sich sogar frei gegen den 
Wind bewegt. 

Es sollen an dieser Stelle noch einige Experimente Er- 
wähnung finden, welche auch geeignet sind, Aufschluls hierüber 
zu gewähren. 

Wir haben uns mehrfach Drachen hergestellt, welche nicht 
blols in der Flugflächenkontur sondern auch in dem gewölbten 
Flügelquerschnitt der Vogelflügelform ähnlich waren. Derar- 
tige Drachenflächen verhalten sich anders wie der gewöhnliche 
Papierdrachen. 

Schon die gewöhnlichen Papierdrachen selbst haben je 
nach ihrer Konstruktion verschiedene Eigenschaften. 

Zunächst sei erwähnt, dals ein Drachen mit Querstab « 
in Fig. 61 nicht so leicht steigt als ein Drachen ohne solchen 
Querstab. Die Seitenansicht der Drachen giebt hierüber Auf- 
schluls. Ein Drachen mit steifem Querstab « wird nach Fig. 62, 
von der Seite gesehen, zwei einzelne Wölbungen zeigen, wäh- 
rend Fig. 63 einen Drachen ohne Querstab, von der Seite ge- 
sehen, zeigt. Bei letzterem bildet sich rechts und links vom 
Längsstab nur eine und zwar eine grölsere Wölbung, die dem 
Drachen eine viel vorteilhaftere Gestalt verleiht, weil sich jede 


— 184 — 


Hälfte der einheitlichen Vogelflügelwölbung mehr nähert. Der 
Unterschied in der Wirkung zeigt sich darin, dafs der letztere 
Drachen bei derselben Schnurlänge und derselben Windstärke 
höher steigt als der Drachen Fig. 62. Es kommt dies daher, 
dals der Drachen Fig. 63 sich unter einen flacheren Winkel 


Fio. 61. Fie. 63. 


zum Horizont stellt als der Drachen Fig. 62, weil bei Fig. 63 
die Hebewirkung des Windes gegenüber der forttreibenden 
Wirkung grölser ist als bei Fig. 62. 

Der Wölbung ihrer Flügel verdanken übrigens auch die 
japanischen Drachen ihre vorzügliche Steigekraft. 


Fig. 64. 


Will man, dals die Hebewirkung noch vorteilhafter gegen- 
über der forttreibenden Wirkung auftrete, so muls man dem 
Drachen auch die zugespitzte Kontur der Vogelflügel geben. 
Wir führten solche Drachen in der Weise aus, wie in Fig. 64 
gezeichnet ist. a, db, c und d sind untereinander befestigte 
\Weidenruten, und die Fläche besteht aus Schirting mit Schnur- 
einfassung bei e, f und g. 


Haar 


Ein solcher Drachen stellt sich mit geblähten Flügeln 
fast horizontal nach Fig. 65, und die haltende Schnur steht 
unter dem Drachen fast senkrecht. 

Man kann aber noch mehr erreichen, wenn man die Flü- 
gel solcher Drachen in fester Form ausführt, so dals man auf 
die Wölbung der Flächen durch den Wind nicht angewiesen 
ist. Man muls dann nach der Querrichtung der Flügel ge- 
krümmte leichte Rippen einfügen, durch welche die Bespannung 
zur richtigen Wölbung gezwungen wird. 

Einen solchen Drachenapparat Fig. 66 hatten wir durch 
zwei Schnüre a und b so befestigt, dals wir die Drachen- 
neigung in der Luft beliebig ändern konnten, je nachdem wir 


eo = — 
Tr = S 


Schnur « oder Schnur b anzogen. Brachte man nun durch 
Anziehen von « den Apparat in horizontale Lage, so schwebte 
derselbe ohne zu sinken vorwärts gegen den Wind. Es war 
aber nicht möglich, dieses Schweben dauernd zu unterhalten; 
denn durch das Vorwärtsschweben wurden die haltenden 
Schnüre schlaff, wie auch in Fig. 66 angedeutet, und die ge- 
ringste Windänderung störte die Gleichgewichtslage Nur 
einmal konnten wir, bei zufällig längerer Periode gleichmälsigen 
Windes, ein längeres freies Schweben gegen den Wind beob- 
achten. Der Vorgang dabei war folgender: 

Wir hatten den Drachenkörper wiederholt zum freien 
Schweben gebracht, bis er aus der Gleichgewichtslage kam 
und vom Wind zurückgedrängt wurde. Während eines dieser 
Versuche dauerte das Schweben gegen den Wind jedoch länger 
an, so dals wir uns veranlalst sahen, die Schnüre loszulassen. 


— a 


Der Drachen flog dann ohne zu fallen gegen den Wind, der 
etwa 6 m Geschwindigkeit hatte, indem er uns, die wir so 
schnell als möglich gegen den Wind liefen, überholte Nach 
Zurücklegung von etwa 50 m verfing sich indessen eine der 
nachgeschleiften Schnüre in dem die Ebene bedeckenden Kraut, 
so dals die Gleichgewichtslage gestört wurde, und der Flug- 
körper herabfiel. 

Von diesem Versuche, der im September des Jahres 1874 
auf der Ebene zwischen Charlottenburg und Spandau stattfand, 
sind wir heimgekehrt mit der Überzeugung, dafs der Segel- 
flug nicht blols für die Vögel da ist, sondern dafs wenigstens 
die Möglichkeit vorhanden ist, dafs auch der Mensch auf 
künstliche Weise diese Art des Fluges, die nur ein geschicktes 
Lenken, aber kein kraftvolles Bewegen der Fittige erfordert, 
hervorrufen kann. 


38. Der Vogel als Vorbild. 


Dals wir uns die Vögel zum Muster nehmen müssen, 
wenn wir danach streben, die das Fliegen erleichternden Prin- 
zipien zu entdecken, und demzufolge das aktive Fliegen für 
den Menschen zu erfinden, dieses geht aus den bisher ange- 
führten Versuchsresultaten eigentlich ohne weiteres hervor. 

Wir haben gesehen, dals beim wirklichen Vogelfluge so 
viele auffallend günstige, mechanische Momente eintreten, dals 
man auf die Möglichkeit des freien Fliegens wohl ein für alle- 
mal verzichten muls, wenn man diese günstigen Momente nicht 
auch benutzen will. 

Unter dieser Annahme ist es am Platze, noch einmal 
etwas näher auf die besonderen Erscheinungen beim Vogel- 
fluge einzugehen. 

»elbstverständlich werden wir uns, wenn wir die Vögel 
als Vorbild nehmen, nicht nach denjenigen Tieren richten, bei 


— Sn 


denen, wie bei vielen Luftvögeln, die Flügel fast anfangen 
rudimentär zu werden. Auch kleinere Vögel, wie die Schwal- 
ben, obwohl wir deren Meisterschaft und Gewandtheit im 
Fliegen bewundern müssen, gewähren uns nicht das vorteil- 
hafteste Beobachtungsobjekt. Sie sind zu winzig und ihre 
ununterbrochene Jagd auf Insekten erfordert zu viele unstäte 
Bewegungen. 


Will man eine Vogelart herausgreifen, welche in beson- 
derem Malse geeignet ist, als Lehrmeisterin zu dienen, so 
können wir z. B. die Möwen als solche bezeichnen. 


An der Meeresküste hat man die ausgiebigste Gelegenheit, 
diese Vögel zu beobachten, welche, da sie wenig gejagt wer- 
den, grolse Zutraulichkeit zum Menschen besitzen und am 
Beobachter in fast greifbarer Nähe vorbeifliegen. Wenige 
Armlängen nur entfernt in günstiger Beleuchtung unterscheidet 
man jede Wendung ihrer Flügel und kann, mit den eigen- 
tümlichen Erscheinungen des Luftwiderstandes am Vogelflügel 
vertraut, nach und nach einige Rätsel ihres schönen Fluges 
entzifiern. Was aber für die Möwen gilt, gilt mehr oder 
weniger auch für alle anderen Vögel und für alle fliegenden 
Tiere überhaupt. 

Wie aber fliegt die Möwe? Gewöhnlich ist die Luft an 
der See bewegt, und meistens hat daher die Möwe Gelegenheit, 
sich segelnd in der Luft fortzubewegen, nur dann und wann 
mit einigen Flügelschlägen nachhelfend, selten kreisend, bald 
rechts oder links umbiegend, bald steigend, bald sinkend, den 
Kopf geneigt und immer mit den Augen die futterspendende 
Wasserfläche durchsuchend. 


Die Flügelschläge mit den schlanken, schwach gewölbten 
Schwingen lassen auf den ersten Blick eine auffallende Be- 
wegungsart erkennen. Diese Flügelschläge erhalten nämlich 
dadurch ein besonders sanftes und elastisches Aussehen, dals 
eigentlich nur die Flügelspitzen sich wesentlich auf und nieder 
bewegen, während der breitere, dem Körper naheliegende 
Armteil der Flügel nur wenig an diesem Flügelausschlage 


—. No == 


teilnimmt, und ein Bewegungsbild in die Erscheinung tritt, 
wie Fig. 67 zeigt. 

Weist uns aber nicht wiederum die Möwe hier einen Weg, 
auf dem wir abermals zu einer Flugerleichterung, zu einer 
Kraftersparnis gelangen? Ist aus dieser Bewegungsform nicht 
sofort herauszulesen, dals die Möwe mit den wenig auf und 
nieder bewegten Armteilen ihrer Flügel ruhig weiter segelt, 
während die nur aus Schwungfedern bestehenden, leicht dreh- 
baren Flügelhände die verlorene Vorwärtsgeschwindigkeit 
ergänzen? Es ist die Absicht unverkennbar, den dem Körper 
naheliegenden breiteren Flügelteil bei wenig Ausschlag und 


wenig Arbeitsleistung zum Tragen zu verwenden, während 
die schmalere Flügelspitze bei wesentlich stärkerem Ausschlag 
die vorwärts ziehende Wirkung in der Luft besorgt, um dem 
Luftwiderstand des Vogelkörpers und der etwa noch vorhan- 
denen hemmenden Luftwiderstandskomponente am Flügelarm 
das Gleichgewicht zu halten. 


Wenn dieses feststeht, so muls man in dem Flugorgan 
des Vogelflügels, das um das Schultergelenk als Drehpunkt 
sich auf und nieder bewegt, das durch seine Gliederung eine 
verstärkte Hebung und Senkung sowie eine Drehung der 
leichten Flügelspitze bewirken lälst, eine höchst sinnreiche, 
vollkommene Anordnung bewundern. 

Der Armteil des Flügels ist schwer, er enthält Knochen, 
Muskeln und Sehnen, er setzt daher jeder schnelleren Bewe- 
gung eine grölsere Trägheit entgegen. Dieser breitere Flügel- 


— las 


teil ist aber zum Tragen wohl geeignet, weil er nahe am 
Körper liegend durch den kürzeren Hebelarm des Luftwider- 
standes ein kleineres, den ganzen Flügelbau weniger bean- 
spruchendes Biegungsmoment ergiebt. Die Flügelhand dagegen 
ist federleicht, weil sie eigentlich fast nur aus Federn besteht. 
Sie ist nicht an einem schnellen Heben und Senken gehindert. 
Der durch sie verursachte Luftwiderstand würde aber, wenn 
er dem grölseren Flügelausschlag entsprechend zunähme, so- 
wohl eine unvorteilhaft starke Beanspruchung der Flügel, als 
auch einen grolsen Arbeitsaufwand verursachen. Es ist eben 
zu vermuten, dals die Funktion der Flügelspitzen weniger in 


Aufschlag 


Fig. 69. 


der Erzeugung eines grölseren hebenden als vielmehr eines 
kleineren, aber vor allen Dingen vorwärts ziehenden Luft- 
widerstandes besteht. 


Und in der That, die Beobachtung hinterlälst hierüber 
keinen Zweifel; man braucht nur bei Sonnenschein die Möwen 
zu beobachten und wird an den Lichteffekten die wechselnde 
Neigung der Flügelspitzen deutlich wahrnehmen, die ein förm- 
liches Aufblitzen bei jedem Flügelschlag hervorruft. Es bietet 
sich ein veränderliches Bild, wie die 2 Figuren 68 und 69 es 
zeigen, an denen einmal die Flügelstellung beim Aufschlag, 
das andere Mal beim Niederschlag angegeben ist. Die von 
uns fortfliegende Möwe zeigt uns beim Aufschlag Fig. 68 die 
Oberseite ihrer Flügelspitzen hell von der Sonne beschienen, 
während wir beim Niederschlag Fig. 69 die schattige Höhlung 
von hinten erblicken. Offenbar geht also die Flügelspitze mit 


— 140 — 


gehobener Vorderkante herauf und mit gesenkter Vorderkante 
herunter, was beides auf eine ziehende Wirkung hindeutet. 

Auch die an uns vorbeieilende Möwe wird dem geübten 
Beobachter verraten, welche Rolle die Flügelspitzen bei den 
Flügelschlägen spielen. 

Fig. 70 zeigt eine Möwe beim Flügelniederschlag von der 
Seite gesehen. Nach der Spitze zu hat der Flügel den nach 
vorn geneigten Querschnitt acb. Der absolute Weg dieser 
Flügelstelle hat die Richtung cd, und ce ist der entstandene 


Luftwiderstand. Man sieht, wie letzterer aulser der hebenden 
gleichzeitig eine vorwärtsziehende Wirkung erhält. 

Ob aber der Flügel beim Aufschlag in allen Teilen eine 
ähnliche Rolle übernimmt, also zum Vorwärtsziehen dient, 
ist nicht ein für allemal ausgemacht. Wäre dieses der Fall, 
so könnte es unbedingt nur auf Kosten einer gleichzeitig nieder- 
drückenden Wirkung geschehen. Vielleicht geschieht es in 
stärkerem Grade dann, wenn es dem Vogel um ganz besondere 
Schnelligkeit zu thun ist. 

Im übrigen kann der Aufschlag auch bei solcher Neigung 
vor sich gehen, dals ein Druck weder von oben noch von 
unten kommt; und endlich kann der Aufschlag so geschehen, 
dals noch eine Hebung daraus hervorgeht. Im letzteren Falle 
tritt der bemerkenswerte Umstand ein, dals bei einem soichen 


— Kl 


Fluge alle Flügelteile während der ganzen Flugdauer hebend 
wirken, und welch günstigen Einfluls dies auf die Arbeits- 
ersparnis ausübt, haben wir früher gesehen. 

Allerdings wird der Aufschlag viel weniger Hebung her- 
vorbringen als der Niederschlag, es erwächst aber auch schon 
ein Vorteil für den Vogel, wenn beim Aufschlag nur so viel 
Widerstand von unten entsteht, als zur Hebung des Flügels 
und Überwindung seiner Massenträgheit erforderlich ist, so 
dals der Vogel beim Heben der Flügel so gut wie keine Kraft 
anzuwenden braucht. 

Hierbei ist es noch denkbar, dafs beim vorwärtsfliegenden 
Vogel der Luftwiderstand sich am aufwärts geschlagenen und 
windschief gedrehten Flügel, wenn eine verstärkte Hebung 
des Handgelenkes hinzutritt, 
so verteilt, dals ein hebender 
Druck am Flügelarm entsteht, 
während die Flügelspitze 
Widerstände erfährt, welche, 
schräg nach vorn und unten 
gerichtet, ziehend wirken, wie 
in Fig. 71 angedeutet ist. 
Die schädlichen, abwärts 
drückenden Bestandteile des 
Widerstandes an der Spitze 
werden dann durch die nach 
oben gerichteten Widerstände 
am Armteil desselben Flügels 
überwunden und unschädlich Fig. 71. 
gemacht. 

In dieser Weise kann man sich vorstellen, dals beim 
Ruderflug während des Aufschlages der Flügel noch eine teil- 
weise Hebung erfolgt, während keine Hemmung der Flug- 
geschwindigkeit eintritt, oder womöglich noch ein kleiner 
nach vorn gerichteter Treibedruck übrigbleibt. 

Dals übrigens die vorwärtsfliegenden Vögel auch während 
des Flügelaufschlages den Luftwiderstand hebend auf sich 


ey 


einwirken lassen, beweist ein einfaches Rechenexempel, indem 
man vergleicht, wieviel der Vogel in seiner Flugbahn mit 
seinem Schwerpunkte sich heben nnd senken würde, wenn er 
nur durch Niederschlagen der Flügel sich höbe gegenüber 
der Hebung und Senkung, welche beim fliegenden Vogel in 
der That festgestellt werden kann. 


Eine grofse Möwe hebt und senkt sich auch in Windstille 
beim Ruderfluge kaum um 3 cm, obwohl sie bei ihren 2), 
Flügelschlägen pro Sekunde sich bei jedem Doppelschlag etwa 
um 10cm heben und senken mülste. 

Die Schlangenlinie in Fig. 72 giebt ein Bild vom absoluten 
Wege des Schwerpunktes einer Möwe, welche von links nach 
rechts fliegend nur durch die Niederschläge der Flügel eine 


I 
I 
| 
ı 
| 
ı 
! 
1 
1 
I 
I 


x Us Secunde y d 


Hebung hervorruft, während der Aufschlag ohne wesentlichen 
Widerstand vor sich geht. 

Rechnet man eine gleiche Zeitdauer zum Heben und Senken 
der Flügel, so kommt '!/, Sekunde zum Auf- und '/, Sekunde 
zum Niederschlag. 

In a beginnt die Möwe die Flügel zu heben; ihre vorher 
erlangte aufwärts gerichtete Geschwindigkeit verzehrt sich 
unter dem Einfluls ihres Gewichtes und verwandelt sich in 
ein Sinken. Der Möwenschwerpunkt beschreibt einfach die 
Wurfparabel abc, während die Flügelhebung vollendet wird. 
Von a bis b und von db bis c braucht die Möwe je '/,., Sekunde. 
Dem Gesetz der Schwere folgend, die jeden Körper in 7 Se- 
kunden den Weg s= !/, gt? zurücklegen lälst, wo g die Be- 
schleunigung der Schwere gleich 9,sı m bedeutet, wird auch 

1 


die Möwe in '/,. Sekunden um den Weg s= !/, - 9,81 - nr 


— 1453 — 


eirka 0,0 m oder um 5 cm fallen. Der Bogen abc ist also 
5.em hoch. 

Jetzt kehrt sich das Spiel um, und die Flügel schlagen 
herunter, den doppelten Luftwiderstand des Möwengewichtes 
erzeugend, so dals als Hebekraft das einfache Möwengewicht 
übrig bleibt. Der Schwerpunkt beschreibt daher den gleichen, 
jetzt nur nach unten liegende, Bogen cde, der ebenfalls um 
5 cm gesenkt ist. Die ganze Hebung und Senkung betrüge 
also zusammen 10 em, wie behauptet wurde. 

Etwas anders wird zwar der Ausfall der Rechnung, wenn 
der Flügelaufschlag schneller erfolgt als der Niederschlag; 
aber selbst, wenn die Aufschlagzeit nur ?/, der Doppelschlag- 
periode ausmacht, erhält man immer noch über 6 cm Hub 
des Schwerpunktes. Man kann daher wohl auf eine Hebe- 
wirkung während des Flügelaufschlages schlielsen, wenn sich 
die Beobachtung mit der Rechnung decken soll. 

Wir müssen aber diese Eigentümlichkeit der Flügelschlag- 
wirkung wiederum als ein Moment zur vorteilhaften Druck- 
verteilung auf den Flügel und somit als einen Faktor zur 
Erleichterung beim Fliegen ansehen. 

Dieser Vorteil erwächst den Vögeln, wie allen fliegenden 
Tieren also daraus, dafs ihre Flügel eine auf und nieder pen- 
delnde Bewegung machen, deren Ausschlag allmählich von der 
Flügelwurzel bis zur Spitze zunimmt. 

Auf diese Weise beschreibt nun jeder Flügelteil in der 
Luft einen anderen absoluten Weg. Die Teile nahe am Körper 
haben fast keine Hebung und Senkung und im wesentlichen 
beim normalen Ruderfluge nur Horizontalgeschwindigkeit, sie 
werden daher eine ähnliche Funktion verrichten, wie beim 
eigentlichen Segeln der Vögel der ganze Flügel verrichtet, 
und dem entsprechend wird die Lage dieser Flügelteile eine 
solche sein, dals ein möglichst hebender Luftdruck von unten 
auf ihnen ruht, ohne eine allzu grolse hemmende Kraftkompo- 
vente zu besitzen. Die dennoch stattfindende Hemmung des 
Vorwärtsfliegens, namentlich auch durch den Vogelkörper 
hervorgerufen, wird dadurch aufgehoben, dafs beim Nieder- 


= ul 


schlag die Flügelenden in ihrem mehr abwärts geneigten ab- 
soluten Wege selbst eine nach vorn geneigte Lage an- 
nehmen und einen schräg nach vorn gerichteten Luftwider- 
stand erzeugen, der grols genug ist, die gewünschte Vorwärts- 
geschwindigkeit aufrecht zu erhalten. 

Während nun beim Flügelaufschlag die nahe dem Körper 
gelegenen Teile fortfahren, beim Durchschneiden der Luft 
tragend zu wirken, werden die mehr Ausschlag machenden 
Flügelteile, deren absoluter Weg schräg aufwärts gerichtet 
ist, eine solche Drehung erfahren, dafs dieselben möglichst 
schnell und ohne viel Widerstand zu finden in die gehobene 
Stellung zurückgelangen Können. Wir haben uns demnach 
die von den einzelnen Flügelteilen beschriebenen schwachen 


Fig. 73. 


und stärkeren Wellenlinien wie in der Fig. 73 angegeben zu 
denken, während die einzelnen Flügelquerschnitte dabei Lagen 
annehmen und Luftwiderstände erzeugen, wie sie in dieser 
Figur eingezeichnet sind. Hierbei ist angenommen, dafs beim 
Aufschlag alle Flügelteile hebend mitwirken. 

Die Mittelkraft dieser Luftwiderstände muls so grols und 
so gerichtet sein, dals einmal dem Vogelgewicht und zweitens 
dem Luftwiderstand des Vogelkörpers das Gleichgewicht ge- 
halten wird. 

Um dies hervorzurufen, muls sich also der Vogelflügel 
beim Auf- und Niederschlag drehen, an der Wurzel fast gar 
nicht, in der Mitte wenig, an der Spitze viel. 

Die Drehung wird vor sich gehen beim Wechsel des 
Flügelschlages.. Während dieses Umwechselns der Flügel- 
stellung, wobei immer eine gewisse Zeit vergehen wird, findet 
vielleicht, namentlich an den Flügelenden, wo viel Drehung 


= ki — 


nötig ist, ein geringer Verlust statt. Dieser Verlust beim Hub- 
wechsel wird um so geringer sein, je schmaler die Flügel 
sind. Als Beispiel sei der Albatros erwähnt, dessen Flügel- 
breite nur etwa '/; der Flügellänge beträgt. 

Bei Vögeln mit breiten Flügeln, wie bei den Raub- und 
Sumpfvögeln, hat die Natur daher auch wohl aus diesem Grunde 
die Gliederung der Schwungfedern herausgebildet, so dals der 
geschlossene Flügelteil nur ganz schwache Drehungen zu 
machen braucht, während die stärkeren Drehungen von jeder 
Schwungfeder allein ausgeführt werden. 

Die Rolle der ungeteilten Flügelspitzen der Möwen über- 
nehmen also bei den Vögeln mit ausgebildetem Schwungfeder- 


7 WFS 


Schwungfeder des Kondors. 


1/, natürlicher Grölse. “ nn ya 


mechanismus wahrscheinlich die einzelnen Schwungfedern 
selbst. Zu dem Ende müssen, was auch der Fall ist, die 
Schwungfedern einzelne, schmale, gewölbte Flügel bilden, und 
sich genügend drehen können, sie dürfen sich daher nicht 
gegenseitig überdecken. 

Wer die Störche beim Fliegen aufmerksaın beobachtet hat, 
wird ein solches Spiel der Schwungfedern bestätigen können, 
indem beim wechselnden Auf- und Niederschlag der Durch- 
blick durch die gespreizten Fingerfedern bald frei, bald ver- 
hindert ist. 

Wie zweckbewulst die Natur hierbei zu Werke ging, zeigt 
die Konstruktion derartiger Schwungfedern und die scharfe 
Trennung des geschlossenen Flügelteils von demjenigen Teil, 
der sich in einzelne drehbare Teile gliedert. 

Zunächst sehen wir dies an Fig. 74, an der in \/, Mals- 
stab gezeichneten Schwungfeder des Kondors. 

Lilienthal, Fliegekunst. 10 


JM 


In der Nähe ihres Kieles ist die Fahne der Feder 75 mm 
breit und hat bei « den Querschnitt Fig. 75, der wohl geeignet 
ist, die nächste Feder von unten dicht zu überdecken und eine 
sicher geschlossene Fläche zu bilden. 


Der längere vordere Teil der Feder hat beiderseits viel 
schmalere Fahnen und zwar ist die Feder bei d 48 mm und 
bei c 55 mm breit. Der Querschnitt dieses schmaleren, einen 
gesonderten Flügel bildenden Teiles ist nach Fig. 76 geformt 
und hier im natürlichen Malsstabe dargestellt, um ein genaues 
Bild seiner parabolischen Wölbung geben zu können, und 
zwar im belasteten Zustande, wo der Kondor kreisend auf der 
Luft ruhend gedacht ist. Dergleichen Schwungfederfahnen 


Fig. 75, Fig. 76. 


sind übrigens so stark, dals, obwohl eine stärkere Längsver- 
biegung der Feder eintritt, der Fahnenquerschnitt sich nur 
sehr wenig verändert. 

Wenn man eine solche Schwungfeder nach Abschnitt 27, 
Fig. 36 behandelt, so findet man eine vom Kiel anfangende 
und bis zum Ende der Feder zunehmende Torsion derselben, 
die davon herrührt, dafs die hintere Fahne bedeutend breiter, 
etwa 6mal so breit ist als die vordere. Diese Verdrehung der 
Feder steht aber im vollkommenen Einklang mit ihrer Funk- 
tion, Luftwiderstände zu erzeugen, die vorwärtsziehend wirken. 

Wir sehen hier, dafs jede einzelne eigentliche Schwung- 
feder einen kleinen getrennten Flügel für sich bilden soll, der 
imstande ist, seine zweckdienlichen gesonderten Bewegungen 
und namentlich gesonderte Drehungen auszuführen. 

Am deutlichsten läfst dies der in den Figuren 77 und 78 
sowohl beim Auf- als auch beim Niederschlag gezeichnete 
Querschnitt durch den Schwungfedermechanismus des Kondors 
erkennen. 


or a 


Besonders auf die getrennte Wirkung der Schwungfedern 
hindeutend ist auch noch ihr Breiterwerden nach der Spitze 
zu anzusehen (siehe Punkt c Fig. 74). Dieses hat offenbar nur 
bessere Flächenausnützung bei vollkommen freier Drehung 
zum Zweck bei diesen radial stehenden Federn. 

Was zur Ausführung dieser einzelnen Federdrehungen 
den Vögeln an Sehnen und Muskeln fehlt, und was das Fester- 
und Loserlassen der Häute, in denen der Federkiel steckt, an 
Drehung nicht hervorzubringen vermag, wird möglicherweise 
dadurch ersetzt, dals jede Schwungfeder nach vorn eine schmale, 
nach hinten aber eine breite Fahne hat. Die Natur macht 
nichts ohne besondere Absicht. Die Konstruktion dieser 


Fig. 77. 
Aufschlag 


Fig. 78, 


u I = N nn — Niederschlag 


Querschnitt dwreh einen Schwungfeder-Mechanismus. 


Schwungfedern deutet offenbar auf ihre Verwendung hin, nach 
welcher sie als die Auflösung eines grölseren, breiten, ge- 
schlossenen Flügels in mehrere einzelne schmale, leichter dreh- 
bare Flügel anzusehen sind, welche sich aber nicht überdecken 
dürfen, damit die hinteren breiteren Fahnen, wenn nicht durch 
willkürliche Muskelkraft, so doch durch den auf der breiten 
hinteren Fahne ruhenden Luftdruck beim Niederschlag nach 
oben durchschlagen können. Es ist dies ein Hauptmerkmal 
der Schwungfedereinrichtung bei allen grölseren Raub- und 
Sumpfvögeln, welches auch wohl schwerlich anders gedeutet 
werden kann. 


Wir können dieses Thema nun nicht verlassen, ohne noch 
einmal auf einen Vogel zurückzukommen, welcher gleichsam 
zum Fliegevorbilde für den Menschen geschaffen zu sein 

10* 


— 143 — 


scheint, welcher als einer der grölsten Vögel unseres Erdteiles 
auch alle Künste des Fliegens versteht, ein Vogel, den wir in 
seinem Naturzustande, in der vollen Freiheit seiner Bewegungen 
beobachten können, wie keinen anderen. Ich meine den Storch, 
der alljährlich in unsere Ebenen aus seiner, tief im Innern 
Afrikas gelegenen, zweiten Heimat zurückkehrt, der auf unse- 
ren Häusern geboren wird, auf unseren Dächern seine Jugend- 
tage verlebt und über unseren Häuptern von seinen Eltern im 
Fliesen unterrichtet wird. 

Fast möchte man dem Eindrucke Raum geben, als sei der 
Storch eigens dazu geschaffen, um in uns Menschen die Sehn- 
sucht zum Fliegen anzuregen und uns als Lehrmeister in dieser 
Kunst zu dienen; fast hört man’s, als rief er die Mahnung 
uns zu! 


„O, sieh’, welche Wonne hier oben uns blüht, 
Wenn kreisend wir schweben im blauen Zenith, 
Und unter uns dehnt sich gebreitet 

Die herrliche, sonnenbeschienene Welt, 
Umspannt vom erhabenen Himmelsgezelt, 

An dem nur Dein Blick uns begleitet! 


Uns trägt das Gefieder; gehoben vom Wind 

Die breiten, gewölbten Fittige sind; 

Der Flug macht uns keine Beschwerde; 

Kein Flügelschlag stört die erhabene Ruh’. 

O, Mensch, dort im Staube, wann fliegest auch Du? 
Wann löst sich Dein Fuß von der Erde? 


Und senkt sich der Abend, und ruhet die Luft, 
Dann steigen wir nieder im goldigen Duft, 
Verlassen die einsame Höhe. 

Dann trägt uns der Flügelschlag ruhig und leicht 
Dem Dorfe zu, ehe die Sonne entweicht; 

Dann suchen wir auf Deine Nähe. 


So siehst Du im niedrigen Fluge uns ziehn 
Im Abendrot über die Gärten dahin. 


is 1 


Zum Neste kehren wir wieder. 
Auf heimischem Dache dann schlummern wir ein, 
Und träumen von Wind und von Sonnenschein, 


Und ruh'n die befiederten Glieder. 


Doch treibt Dieh die Sehnsucht, im Fluge uns gleich 
Dahinzuschweben, im Lüftebereich 

Die Wonnen des Flug’s zu genielsen, 

So sieh’ unsern Flügelbau, mils unsre Kraft, 

Und such’ aus dem Luftdruck, der Hebung uns schafft, 
Auf Wirkung der Flügel zu schlielsen. 


Dann forsche, was uns zu tragen vermag 

Bei unserer Fittige mälsigem Schlag, 

Bei Ausdauer unseres Zuges! 

Was uns eine gütige Schöpfung verlieh'n, 
Draus mögest Du richtige Schlüsse dann zieh’n, 


Und lösen die Rätsel des Fluges. 


Die Macht des Verstandes, o, wend’ sie nur an, 

Es darf Dieh nicht hindern ein ewiger Bann, 

Sie wird auch im Fluge Dich tragen! 

Es kann Deines Schöpfers Wille nicht sein, 

Dich, Ersten der Schöpfung, dem Staube zu weih’n, 
Dir ewig den Flug zu versagen!“ 


Was treibt denn den Storch sonst, die Nähe des Menschen 
zu suchen? Den Schutz des Menschen braucht er nicht; er 
hat keinen Feind aus dem Tierreiche zu fürchten, und Marder, 
sowie Katzen, die seiner Brut schaden könnten, finden sich 
auf den Dächern mehr als in der Wildnis. Aber auch diese 
werden sich hüten, ihn zu stören; denn seine Schnabelhiebe 
würden sie töten oder wenigstens ihres Augenlichtes berauben. 
Sein schwarzer Stammesbruder, der seinen menschenfreund- 
lichen Zug mit ihm nicht teilt, trotzdem er in der Gefangen- 
schaft ebenso zahm wird, läfst ihm auch genug Bäume des 
Waldes übrig, auf denen er seinen Horst fest und sicher auf- 
schlagen könnte Es ist also keine Wohnungsnot, die ihn 


— 5 = 


zwingt, zu den Bäumen oder Dächern der Dörfer und Städte 
seine Zuflucht zu nehmen. Sollte die Stimme, der Gesang des 
Menschen es sein, was ihn anzieht, seine Nähe aufzusuchen, 
oder hat er vielleicht Freude an des Menschen Wirken und 
Schaffen? Wer könnte jemals sicheren Aufschluls hierüber 
geben, ohne die eigentümliche Sprache des Storches zu ver- 
stehen? 

Jedenfalls reicht diese Freundschaft und dieses Zusammen- 
leben zwischen Storch und Mensch in die sagenhafte Vorzeit 
zurück; uns aber bleibt nichts anderes übrig, als darüber 
erfreut zu sein, dals es, sei es durch Klugheit, Zufall oder 
Aberglauben, so gekommen ist, dafs einer der gröfsten Vögel 
und vorzüglichsten Flieger selbst den Menschen aufsucht, und 
gerade dann, wenn der herrliche Himmel der warmen Jahres- 
zeit uns in seine Räume lockt, den Anblick seiner Fittige mit 
ihren weichen, schönen Bewegungen zu unserem Fliegestudium 
(larbietet. 

Aber die grolse Stadt zieht den Storch nicht an, in den 
stillen Dörfern fühlt er sich am wohlsten, und dort zeigt er 
sich gegen den Menschen, der ihn stets schonte, sehr zutrau- 
lich. So sieht man ihn ganz dicht bei den Feldarbeitern 
Nahrung suchen. Im hohen Kornfeld, das für ihn so manche 
Leckerbissen verbirgt, kann er weder gehen noch von dem- 
selben wieder auffliegen, darum leistet er den Schnittern Ge- 
sellschaft, um dicht hinter ihnen die frei gewordene Fläche 
nach Ungeziefer abzusuchen. Er weils, dals unter den Kar- 
toffelsäcken die Mäuse sich gern verbergen, und wenn die 
Säcke mit den Frühkartoffeln auf den Wagen geladen werden, 
palst er gut auf, und manche Feldmaus wandert dabei in 
seinen Kropf. Angesichts dieser nützlichen Beschäftigung 
würde der Landmann ein Thor sein, den Storch nicht zu hegen 
und zu pflegen, wo er nur kann. Diese praktischen Gesichts- 
punkte verschaffen dem Landbewohner nun aber auch das Ver- 
gnügen, seinen Freund als prächtigen Flieger täglich über 
sieh zu sehen. 

Es ist wirklich kein Wunder, wenn die Landleute, über 


> Il 


deren Haus und Hof in jedem Sommer ein grolses Fliegen 
dieser 2 m klafternden Vögel beginnt, ein regeres Interesse 
für die Fliegekunst an den Tag legen. Aber der Landmann 
fürchtet, für einen Windbeutel gehalten zu werden, wenn 
jemand erfährt, dals er sich mit einer so brotlosen Kunst 
abgiebt. Und dennoch ist der Verfasser aus keinem anderen 
Stande so oft als aus diesem angegangen worden, leichte Be- 
triebsmaschinen zu einem verschämt geheim gehaltenen Zweck 
zu konstruieren, 


Gewährt nun schon die Beobachtung des eigentlich wilden 
Storches, wenn er diesen Namen überhaupt verdient, viel An- 
regendes, so ist der Umgang mit ganz gezähmten Störchen 
erst recht interessant und lehrreich. Der junge aus dem Nest 
genommene Storch lälst sich mit Fleisch und Fisch leicht 
aufkröpfen und gewöhnt sich sehr an seinen Pfleger; er 
erreicht einen hohen Grad von Zutraulichkeit und weicht der 
liebkosenden Hand seines Herın nicht aus. 


Die Flugübungen solcher jung gezähmter Störche geben 
Anlals zu den mannigfaltigsten Betrachtungen. Der Jungen 
Wohnstätte ist von den Dächern entfernter Dörfer in den 
Garten verlegt, dem sie durch Vertilgung von Ungeziefer sehr 
nützlich sind. Mehr wie einen jungen Storch erlangt man 
übrigens selten aus einem Nest, das gewöhnlich 4 Junge ent- 
hält: denn die Besitzer von Storchnestern hängen mit inniger 
Liebe an ihrem Hausfreund auf dem Dache und lassen meist 
um keinen Preis irgend welche Störung der Storchfamilie zu. 
Man muls es daher schon als eine ganz besondere Vergünsti- 
sung betrachten, wenn man ein einziges Junges aus dem Neste 
nehmen darf. Die Beschaffung mehrerer junger Störche kann 
daher auch nur aus mehreren Nestern, sogar meist nur aus 
mehreren Dörfern geschehen. Dies ist aber auch dann nötig, 
wenn man Paarungen der gezähmten Störche beabsichtigt, 
weil der Storch die Inzucht halst, und die Geschwister niemals 
Paarungen untereinander eingehen. 


Im Garten oder Park also wachsen die zahmen Jungen 


— Hi — 


heran, und der grolse Rasenplatz dient als Versuchsfeld für 
die Flugübungen. 

Zunächst wird die grüne Fläche des Morgens nach In- 
sekten und Schnecken abgesucht, und mancher Regenwurm, 
der noch von seinem nächtlichen Treiben her mit dem spitzen 
Kopfe aus der Erde hervorlugt, wird von den scharfen Augen 
selbst im tiefsten Grase erspäht, mit der Schnabelspitze lang- 
sam hervorgezogen, damit er nicht abreilst, und mit Appetit 
in den Schlund geworfen. Dann aber beginnt das Studium 
des Fliegens, wobei zunächst die Windrichtung ausgekund- 
schaftet wird. Wie auf dem Dache, so werden auch hier alle 
Übungen gegen den Wind ausgeführt. Aber der Wind ist 
hier nicht so beständig wie auf dem Dache und daher die 
Übung schwieriger. Zuweilen ruft ein stärkerer, von einer 
geschützten Seite anwehender Wind Luftwirbel hervor, die 
bald von hier, bald von dort anwehen. Dann sieht es lustig 
aus, wie die übungsbeflissenen Störche mit gehobenen Flügeln 
herumtanzen und nach den Windstölsen haschen, die bald 
von vorn, bald von hinten, bald von der Seite kommen. Ge- 
lingt ein so versuchter kurzer Aufflug, dann erschallt sofort 
freudiges Geklapper. Bläst der Wind beständig von einer 
freien Seite über die Lichtung, dann wird ihm hüpfend und 
laufend entgegengeflogen, Kehrt gemacht, und gravitätisch 
wieder an das andere Ende des Platzes stolziert, um von 
neuem den Anflug gegen den die Hebung erleichternden Wind 
zu versuchen. 

So werden die Übungen täglich fortgesetzt. Zuerst gelingt 
bei einem Aufsprung nur ein einziger Flügelschlag; denn be- 
vor zum zweiten Schlage ausgeholt ist, stehen die langen vor- 
sichtig gehaltenen Beine schon wieder auf dem Boden. Sowie 
aber diese Klippe erst überwunden ist, wenn der zweite Flügel- 
schlag gemacht werden kann, ohne dals die Beine aufstolsen, 
wenn der Storch also beim zweiten Heben der Flügel den 
Boden nicht erreichte, dann geht es mit Riesenschritten vor- 
wärts; denn die vermehrte Vorwärtsgeschwindigkeit erleichtert 
den Flug, so dals auch bald 3, 4 und mehr Flügelschläge 


= I — 


bündig hintereinander in einem Satze ausgeführt werden 
können; unbeholfen, ungeschickt, aber nie unglücklich, weil 
stets vorsichtig. 

Der Storch aber, den man bei niedrigem, langsamem Fluge 
an den durch Bäume geschätzten überwindigen Stellen für 
einen Stümper hielt, erlangt sofort eine Sicherheit und Aus- 
dauer im Fluge, sobald er über die Baumkronen sich erheben 
kann und den frischen Wind unter den Flügeln verspürt. 
Daran merkt man so recht, was der Wind den Vögeln ist, 
indem auch die jungen Störche gleich durch den Wind ver- 
führt werden, die anstrengenden Flügelschläge zu sparen und 
das Segeln zu versuchen. 

Durch diese unerwartete Vervollkommnung im Fluge der 
jungen Störche, habe ich einst meine drei besten Flieger ver- 
loren; denn ich glaubte an eine so schnelle Entwickelung 
nicht, als eine nur dreitägige Reise mich von Hause rief, und 
gab daher keine Anweisung, die Störche eingesperrt zu halten, 
obwohl die Zeit des Abzuges nahte. Bei meiner Rückkehr 
mulste ich denn auch leider erfahren, dals durch den höheren 
Flug und die zufällig eingetretenen windigen Tage diese drei 
jungen Störche, die vorher den Eindruck machten, als hätten 
sie die grölsten Anstrengungen bei ihren kleinen niedrigen 
Flügen, dals diese Tiere plötzlich ausdauernde Flieger geworden, 
und schon am 31. Juli von anderen vorüberziehenden Störchen 
zur Mitreise verführt worden seien. 

Auf die an die Meinen gerichtete Frage, warum denn der 
hohe Flug der Störche, von dem sie doch zuerst abends wieder 
in den Stall zurückkehrten, keine Veranlassung gegeben habe, 
sie vorsichtig eingeschlossen zu halten, erhielt ich die Ant- 
wort: „Hättest du gesehen, wie schön unsere Störche geflogen 
sind, wie sie sich in den letzten Tagen in der Luft wiegend 
höher und höher erhoben, du hättest es selbst nicht übers 
Herz gebracht, sie eingesperrt zu halten und an diesen herr- 
lichen Bewegungen zu hindern, nach denen ihr bittender Blick 
aus ihren sanften schwarzen Augen verlangte“. 

Wir aber wollen am Storch, mit dem unsere Einleitung 


— 154 — 


begann, und der so oft als Beispiel uns diente, später noch 
eine Rechnung durchführen, welche zeigen wird, in welcher 
natürlichen Weise sich die Hebewirkungen beim Fliegen ent- 
wickeln, wenn diejenigen Momente Berücksichtigung finden, 
welche hier als die Flugfähigkeit fördernd aufgestellt sind, 
wenn also die durch Messungen ermittelte Flügelwölbung in 
Rechnung gezogen wird, und diejenigen Luftwiderstandswerte 
zur Anwendung gelangen, welche solche gewölbten Flügel- 
flächen bei ihrer Bewegung durch die Luft wirklich erfahren. 

Durch die Kenntnis der Luftwiderstandserscheinungen an 
flügelförmigen Körpern sind wir imstande, wenigstens einiger- 
malsen den Zusammenhang zwischen den Ursachen und Wir- 
kungen beim Vogelfluge zu erklären. Wir können aus den 
Formen und Bewegnngen der Vogelflügel diejenigen Kräfte 
konstruieren, welche thatsächlich imstande. sind, den Vogel 
mit den Bewegungen, die er nach unseren Wahrnehmungen 
ausführt, in der Luft zu tragen und seine Fluggeschwindigkeit 
aufrecht zu erhalten. Wir haben gesehen, wie den Vögeln 
die längliche, zugespitzte oder in Schwungfedern gegliederte 
Form ihrer Flügel hierbei zu statten kommt. Wir haben 
ferner geselien, dals das Auf- und Niederschlagen der Flügel, 
welches eigentlich in einer Pendelbewegung besteht, die von 
Drehbewegungen um die Längsachse begleitet ist, dafs diese 
Flügelbewegung, sobald es sich nebenbei um ein schnelles 
Vorwärtsfliegen handelt, die grölsere Tragewirkung der Flug- 
fläche nicht etwa auf die mit starkem Ausschlag versehenen 
Flügelspitzen verlegt, sondern dals gerade den breiteren, nahe 
dem Körper gelegenen Flügelteilen, welche wenig auf und 
nieder gehen, der Hauptanteil zum Tragen des Vogels zufällt. 

Die Natur entfaltet gerade in diesen Bewegungsformen 
des Vogelflügels eine Harmonie der Kräftewirkungen, welche 
uns so mit Bewunderung erfüllen muls, dafs es uns nur nutz- 
los erscheinen kann, wenn auf anderen Wegen versucht wird 
zu erreichen, was die Natur auf ihrem Wege so schön und 
einfach erzielt. 


—  — 


39. Der Ballon als Hindernis. . 

Während man für die Lösung der Flugfrage den wissen- 
schaftlich gebildeten und praktisch erfahrenen Mechaniker als 
den eigentlich Berufenen bezeichnen muls, beschäftigt das 
Fliegeproblem fast ausnahmslos alle Berufsklassen. Die aufser- 
ordentliche Tragweite, welche die Erfindung des Fliegens haben 
muls, wird von jedermann erkannt, jedermann sieht täglich 
an den fliegenden Tieren die Möglichkeit einer praktischen 
Fliegekunst, auch hat sich bis jetzt kein Forscher gefunden, 
welcher mit überzeugender Schärfe nachweisen könnte, dafs 
keine Hoffnung für die Nachbildung des Fliegens durch den 
Menschen vorhanden sei. Unter solchen Umständen ist es 
natürlich, dals das Interesse für die Flugfrage diese Ausdeh- 
nung annehmen mulste Auffallend aber bleibt es, dals gerade 
die Berufenen diesem Problem gegenüber sich kühler und in- 
differenter verhalten, als alle jene, welchen es schwerer wird, 
das zu durchschauen, was der Vogel macht, wenn er fliegt. 


Die Bethätigung der technischen Kreise für die Flugfrage 
ist eine laue und der Wichtigkeit der Sache selbst nicht ent- 
sprechende Während auf allen technischen Gebieten eine 
ausgebildete Systematik blüht, herrscht in der Flugtechnik 
die grölste Zerfahrenheit; denn der Meinungsaustausch ist 
schwach, und — fast jeder Techniker vertritt über das 
Fliegen seine gesonderte Ansicht. 

Die Schuld hieran, wie überhaupt an dem kümmerlichen 
Standpunkt der Flugfrage, trägt vielleicht nicht zum geringsten 
die Erfindung des Luftballons. So sonderbar es klingen 
mag, so ist es doch nicht ganz mülsig, sich die Frage vor- 
zulegen, was für einen Einfluls es auf das eigentliche Fliege- 
problem gehabt hätte, wenn der Luftballon gar nicht erfunden 
worden wäre. 

Abgesehen davon, dals es bei den Fortschritten der Wissen- 
schaft überhaupt nicht denkbar wäre, dafs nicht irgend ein 
Forscher den Auftrieb leichter Gase in einem Ballon zur An- 


— 156 — 


wendung gebracht hätte, kann man dennoch erwägen, wie es 
um die aerodynamische Flugfrage heutigen Tages stände, wenn 
die Aerostatik bei der Luftschiffahrt gar nicht zur Geltung 
gekommen wäre. 

Ehedem hatte man nur den Vogel als Vorbild, da aber 
stellte plötzlich der erste Ballon die ganze Flugfrage auf einen 
anderen Boden. Wahrhaft berauschend muls es gewirkt haben, 
als vor einem Jahrhundert der erste Mensch sich wirklich 
von der Erde in die Lüfte erhob. Es kann nicht überraschen, 
wenn alle Welt glaubte, dafs die Hauptschwierigkeit nun 
überwunden sei, und es nur geringer Hinzufügungen bedürfe, 
um den Aerostaten, der so sicher die Hebung in die Luft 
bewirkte, auch nach beliebigen Richtungen zu dirigieren und 
so zur willkürlichen Ortsveränderung ausnützen zu können. 

Kein Wunder also, dafs alles Streben auf dem Gebiet der 
Aeronautik dahin ging, nun den Ballon auch lenkbar zu 
machen, und dafs namentlich auch die technisch gebildeten 
Kreise lebhaft diesen Gedanken verfolgten. Man klammerte 
sich an das vorhandene, greifbare, sogar bestechende Resultat 
und dachte natürlich nicht daran, die als aufserordentliche 
Errungenschaft erkannte Hebekraft des Luftballons so leicht 
wiederaufzugeben. Wie verlockend war es nicht, nach diesem 
jahrtausendelangen Suchen endlich die Gewilsheit zu erhalten, 
dals auch der Luftocean seine Räume uns erschliefsen mufste, 
Dieses neue Element nun auch für die freie Fortbewegung zu 
gewinnen, konnte ja nicht mehr schwer sein. Es schien, als 
ob es nur noch an einer Kleinigkeit läge, um das grolse 
Problem der Luftschiffahrt vollends zu lösen. 

Diese Kleinigkeit hat sich inzwischen aber als die eigent- 
liche, und zwar als eine unüberwindliche Schwierigkeit er- 
wiesen; denn wir überzeugen uns immer mehr und mehr, dals 
der Ballon das bleiben wird, was er ist, — „ein Mittel, sich 
hoch in die Luft zu erheben, aber kein Mittel zur praktischen 
und freien Luftschiffahrt“. 

Jetzt, wo diese Einsicht immer mehr Boden gewinnt, wo 
also der Ballontaumel seinem Ende sich naht, kehren wir 


— En — 


eigentlich mit der Flugfrage zu dem alten Standpunkte zurück, 
den sie vor der Erfindung des Ballons eingenommen hat, und 
unwillkürlich drängt sich uns die Frage auf, wieviel die Fliege- 
kunst hätte gefördert werden können, wenn die Aufmerksam- 
keit nicht hundert Jahre von ihr abgelenkt worden wäre, und 
wenn jene aulserordentlichen Mittel des Geistes wie des Geld- 
beutels, welche in die Lenkbarkeit des Luftballons hinein- 
gesteckt wurden, ihr hätten zu gute kommen können. 

In Zahlen lassen sich solche Fragen nicht beantworten, 
aber jener Überzeugung können wir uns nicht verschliefsen, 
dals ohne den Luftballon die Energie in Verfolgung der Ziele 
der eigentlichen Aviatik jetzt ungleich grölser sein würde, 
weil erst durch die Enttäuschungen, welche der Luftballon 
herbeiführte, dieser leidige Skepticismus um sich griff, der 
die eigentlich Berufenen der Fliegeidee so sehr entfremdete, 
und dals auf diesem Forschungsgebiet, wo fast jeder systema- 
tisch ausgeführte Spatenstich Neues zu Tage fördern muls, 
manches erschlossen sein würde, über das wir uns jetzt noch 
in vollkommener Unwissenheit befinden. 

Wir dürfen wohl somit annehmen, dals der Ballon der 
freien Fliegekunst eigentlich nicht genützt hat, wenn man nicht 
so weit gehen will, den Luftballon geradezu als einen Hemm- 
schuh für die freie Entwickelung der Flugtechnik anzusehen, 
weil er die Interessen zersplitterte und diejenige Forschung, 
welche dem freien Fliegen dienen sollte, auf eine falsche Bahn 
verwies. | 

Diese falsche Richtung ist aber hauptsächlich darin zu 
erblicken, dafs man einen allmählichen Übergang suchte von 
dem Ballon zu der für schnelle, freie Bewegung in der Luft 
geeignete Flugvorrichtung. Der Ballon blieb immer der Aus- 
sangspunkt und zerstörte durch sein schwerfälliges Volumen 
jeden Erfole. 

Es giebt nun einmal kein brauchbares Mittelding zwischen 
Ballon und Flugmaschine. Wenn uns noch etwas zum wirk- 
lichen freien Fliegen verhelfen kann, so ist es kein allmäh- 
licher Übergang vom Auftrieb leichter Gase zum Auftrieb 


— I = 


durch den Flügelschlag, sondern ein Sprung von der Aerosta- 
tik zurück zur reinen Aviatik. 

Lassen wir dem Ballon sein Wirkungsfeld, welches überall 
da ist, wo es sich darum handelt, einen hohen Umschauposten 
in Form des gefesselten Ballons zu errichten, oder in hoher Luft- 
reise sich mit dem Winde dahinwehen zu lassen! Die Zwecke 
der Flugtechnik aber sind andere Die Luftschiffahrt im 
eigentlichen Sinne kann uns nur nützen, wenn wir schnell 
und sicher durch die Luft dahin gelangen, wohin wir wollen 
und nicht dahin, wohin der Wind will. 

In der Erreichung dieses Zieles hat der Ballon uns doch 
wohl nur gestört. 

Dieser störende Einfluls wird aber aufhören, und man 
wird es um so ernster nehmen mit den Aufgaben, die zu 
lösen sind, da nicht nur vieles, sondern fast alles nachzuholen 
bleibt. | 

Auch die Techniker werden sich einigen und aus ihrer 
vornehmen Reserve heraustreten; denn es ist heute unverkenn- 
bar, dals sich gegenwärtig das Interesse wieder mehr und 
mehr dem aktiven Fliegen zuwendet, und so haben wir denn 
auch diesen Zeitpunkt für geeignet gehalten, dasjenige, was 
wir an Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt haben, der 
Öffentlichkeit zu übergeben. 


40. Berechnung der Flugarbeit. 


Es soll nun an einem grölseren Vogel die Berechnung 
seiner Flugarbeit unter Anwendung der in diesem Werke 
niedergelegten Anschauungen durchgeführt werden. Wir er- 
halten dadurch ein Beispiel für die praktische Benutzung der 
Luftwiderstandswerte vogelflügelähnlicher Körper, deren Be- 
kanntmachung ein Hauptzweck dieses Werkes ist. 

Über die Diagramme ist noch im allgemeinen zu sagen, 
dals bei den zu Grunde liegenden Versuchen besondere Sorg- 


— Wi = 


falt auf die Bestimmung der Widerstände bei den kleineren 
Winkeln verwendet ist, indem in der Nähe von Null Grad in 
Abständen von 1Y,° die Messungen vorgenommen wurden. 


Um den Flug auf der Stelle bei windstiller Luft handelt 
es sich hier nicht, derselbe ist bereits im Abschnitt 18 durch 
Beispiele erläutert. Derselbe kann auch von dem hier als 
Beispiel dienenden Storch nicht ausgeführt werden, ebenso- 
wenig wie derselbe jemals vom Menschen in Anwendung ge- 
bracht werden wird. 


Was wir hier zu untersuchen haben, ist die Luftwider- 
standswirkung beim Segelflug und die Kraftanstrengung beim 
Ruderflug. Für diese beiden Arten des Fliegens kommen aber 
nur kleinere Winkel der Flächenneigung gegen die Bewegungs- 
richtung der Flügel zur Anwendung. 

Als Beispiel ist der Storch gewählt, weil kein anderer 
ebenso grolser Vogel und ebenso gewandter Flieger eine gleich 
gute Beobachtung gestattet. 


Der Flügel Fig. 1 auf Tafel VIII ist einem unserer zu 
Versuchszwecken gehaltenen Störche entnommen und zwar 
einem weilsen Storch, während als Muster für die Mitte der 
Figur 35 auf Seite 89 ein schwarzer Storch diente. Bei letz- 
terem zählt man 8 eigentliche Schwungfedern an jedem Flügel, 
der weilse Storch hingegen, der uns jetzt beschäftigen wird, 
hat deren nur 6. 

Die Flügelkontur ist hergestellt durch Ausbreiten und 
Nachzeichnen des lebenden Storchflügels, und auf Tafel VIII 
auf /, Malsstab verkleinert. 

Der zu dieser Abmessung verwendete Storch wog 4 kg; 
seine beiden Flügel hatten zusammen eine Fläche von 0,5 qm. 

Es fragt sich nun zunächst, bei welchem Wind dieser 
Storch ohne Flügelschlag segeln kann. 

Nach Tafel V erfährt eine passend gewölbte Flügelfläche 
horizontal ausgebreitet einen normal nach oben gerichteten 
Luftdruck, welcher nach Tafel VII gleich 0,55 von demjenigen 
. Druck ist, den eine normal getroffene ebene Fläche von gleicher 


Al 2 


Grölse erhält. Der auf den segelnden Vogel wirkende hebende 
Luftdruck braucht nur genau gleich seinem Gewichte zu sein; 
hier also gleich 4 kg. 

Nennen wir die erforderliche Windgeschwindigkeit v, so 
entwickelt sich dieses aus der Gleichung 4 = 0,55 - 0,13 - 0,5 - v2, 
woraus folgt v = 10,6. 

Der Storch kann also bei einer Windgeschwindigkeit von 
10,; m segelnd auf der Luft ruhen, vorausgesetzt, dals seine 
Flügel ebenso vorteilhaft wirken, als unsere Versuchsflächen; 
da sie aber offenbar besser wirken, so können wir das Mini- 
mum seines Segelwindes wohl auf 10 m Geschwindigkeit ab- 
runden. Die Flügel werden hierbei annähernd horizontal aus- 
gebreitet sein. Wie schon im Abschnitt 37 erwähnt, müssen 
beim wirklichen Vogelflügel auch noch insofern günstigere 
Verhältnisse obwalten, als der Luftdruck noch eine kleine 
treibende Komponente erhalten muls, die nicht blofs genügt, 
den Winddruck auf den Körper des Storches aufzuheben, son- 
dern welche diesen Körper noch gegen den Wind treiben 
kann. Wir haben Störche beobachtet, welche ohne Flügel- 
schlag und ohne zu sinken, auch ohne zu kreisen mit wenigstens 
10 m Geschwindigkeit gegen den Wind von 10 m anflogen. 
Der Körper dieser Störche erfuhr also einen Widerstand, der 
einer Geschwindigkeit von 20 m entsprach. 

Wenn der Storch behaglich auf einem Beine steht, wo die 
angelegten Flüge] seinen Umfang vergröfsern und die Federn 
ihn lose umgeben, dann ergiebt die Messung einen Querschnitt 
des Körpers von 0,0se qm. Ein gewaltiger Unterschied in der 
Form aber tritt ein, wenn der Storch die Flügel ausbreitet 
und die Federn sich glatt an den Körper anlegen, dann sieht 
der mit ausgestrecktem Hals, Schnabel und Fülsen fliegende 
Storch aus wie ein dünner Stock zwischen den mächtigen 
Flächen seiner Schwingen. Dann bleibt für den Körper nur 
ein Querschnitt von 0,0os gm übrig, der überdies durch Schna- 
bel und Hals nach vorn, wie durch den Schwanz nach hinten 
eine äulserst vorteilhafte Zuspitzung erfährt. Durch diese 
günstige Form dürfte der Luftwiderstand des grölsten Quer- 


== = 


schnittes einen Verminderungskoeffizienten von '/, erfahren 
und der Widerstand des Körpers nach der Flugrichtung sich 
daher auf W= !/, - 0,13 - 0,008 + 20° = 0,104 kg berechnen. 

Segelt der Storch also gegen den Wind mit 10 m abso- 
luter Geschwindigkeit, so muls ihn der Druck unter seinen 
Flügeln noch mit ceirka 0,1 kg vorwärts treiben; der Wind- 
druck muls daher bei seiner hebenden Komponente von 4 kg 
eine treibende Komponente von 0,ı kg besitzen, er muls also 
um den Winkel arc tg '/ = cirka 1,5° vor der Normalen 
liegen. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs sich dieser kleine, 
spitze Treibewinkel bei recht sorgfältiger experimenteller Aus- 
führung auch noch feststellen liefse, nachdem: wir bereits durch 
den Versuch den Widerstand des Windes in die Normale hin- 
einbekommen haben. 

Der Storch ist aber nicht gezwungen, genau gegen den 
Wind zu segeln; die aufsteigende Komponente der Windge- 
schwindigkeit kommt ihm nach jeder Richtung zu gute und 
giebt ihre lebendige Kraft zum vollkommenen Segeleffekt an 
ihn ab, wenn er nur um ceirka 10 m die ihn umgebende Luft 
des Segelwindes überholt. 

Die aufsteigende Windrichtung, die das Segeln ermöglicht, 
ist aber nicht immer gleich, sondern, wie wir gesehen haben, 
schwankt dieselbe beständig auf und nieder. (Siehe Fig. 3 auf 
Tafel V.) Diese Schwankungen sind nun jedenfalls nicht nur 
bis zu einer Höhe von 10 m, bis wie weit wir sie malsen, 
vorhanden, sondern erstrecken sich sicher auch bis in Höhen, 
in denen die Vögel ihren dauernden Segelflug ausüben. Darum 
aber sehen wir die segelnden Vögel beständig mit den Flügeln 
drehen und wenden, und in jedem Augenblick eine neue 
günstigste Stellung ausprobieren, sowie ihre eigene Geschwin- 
digkeit der wechselnden Windgeschwindigkeit anpassen. 

Es ist wahrscheinlich, dafs das Kreisen der Vögel ebenso 
mit den Perioden in der Windneigung und Windgeschwindig- 
keit im Zusammenhange steht, als mit der Geschwindigkeits- 


zunahme des Windes nach der Höhe. 
Lilienthal, Fliegekunst. 11 


= I — 


Kein Wunder ist es, dals die Vögel auch die feinsten 
Unterschiede in der Luftbewegung fühlen, denn ihre ganze 
Oberfläche ist für dieses Gefühl in Thätigkeit. Ihre lang und 
breit ausgestreckten Flügel bilden einen empfindlichen Fühl- 
hebel, und namentlich in den Häuten, aus denen die Schwung- 
federn hervorwachsen, wird das feinste Gefühl sich konzen- 
trieren, wie in unseren Fingerspitzen. 

Während also beim eigentlichen Segeln die Geschicklich- 
keit die Hauptrolle spielt, ist die Flugarbeit selbst theoretisch 
gleich Null. 

Wenn der Mensch jemals dahin gelangen sollte, die herr- 
lichen Segelbewegungen der Vögel nachzuahmen, so braucht 
er dazu also weder Dampfmaschinen noch Elektromotore, son- 
dern nur eine leichte, richtig geformte und genügend beweg- 
liche Flugfläche, sowie vor allem die gehörige Übung in der 
Handhabung. Auch dem Menschen muls es in das Gefühl 
übergegangen sein, dem jedesmaligen Wind durch die richtige 
Flügelstellung den grölsten oder vorteilhaftesten Hebedruck 
abzugewinnen. Vielleicht gehört hierzu weniger Geschick- 
lichkeit als auf hohem Turmseil ein Gericht Eierkuchen zu 
backen, wenigstens wäre die Geschicklichkeit hier auch nicht 
schlechter angewandt; und auch viel gefährlicher dürfte das 
Unternehmen nicht sein, mit kleineren Flächen anfangend und 
allmählich zu grolsen übergehend, das Segeln im Winde zu 
üben. 

Unsere Künstler auf dem Seil sind übrigens zuweilen 
nicht ganz unerfahren in den Vorteilen, die ihnen der Luft- 
widerstand bieten kann. Vor einigen Jahren sah ich in einem 
Vergnügungslokal am Moritzplatz in Berlin eine junge Dame 
auf einem Drahtseil spazieren, welche sich mit einem riesigen 
Fächer beständig Kühlung zuwehte. Auf den Unbefangenen 
machte es den Eindruck, als sei die Produktion durch die 
Handhabung des Fächers erst recht schwierig, worauf auch 
der Applaus hindeutete. Demjenigen aber, welcher sich mit 
der Ausnutzung des Luftwiderstandes beschäftigt hat, konnte 
es nicht entgehen, dals jene Dame den graziös geführten 


N 


Fächer einfach benutzte, um ununterbrochen eine unsichtbare 
seitliche Stütze in dem erzeugten Luftwiderstand sich zu ver- 
schaffen und so die Balance leichter aufrecht zu halten. 


Wenn nun bei unserem Storch der Wind die Geschwindig- 
keit von 10 m nicht erreicht, und die Differenz in den leben- 
digen Kräften der anströmenden verschieden schnellen Luft 
durch Lavieren und Kreisen sich nicht so weit ausnützen 
lälst, dals das arbeitslose Segeln allein zur Hebung genügt, 
so muls zu den Flügelschlägen gegriffen werden und die eigene 
Kraft einsetzen, wo die lebendige Kraft des Windes nicht aus- 
reicht; dann muls künstlich der hebende Luftwiderstand er- 
zeugt werden. 


Gehen wir nun gleich zu dem äulsersten Falle über, wo 
die helfende Windwirkung ganz fortfällt, wo also der Storch, 
wie so oft beim Nachhausefliegen an schönen Sommerabenden, 
gezwungen ist, bei Windstille sich ganz auf die aktive Leistung 
seiner Fittige zu verlassen. Es treten dann die Widerstands- 
werte von Tafel VI in Wirkung. 


Der ganze Fliegevorgang nimmt jetzt aber eine andere 
Gestalt an. Der vorher beim Segeln vorhandene gleichmälsige 
Hebedruck trennt sich in zwei verschiedene Hälften, von denen 
die eine beim Aufschlag, die andere beim Niederschlag wirkt. 


Eine allgemeine Gleichung für den Ruderflug entwickeln 
zu wollen, wäre nutzlos, weil die Luftwiderstandswerte, welche 
hier zur Anwendung kommen, sich nicht in Formeln zwängen 
lassen, und weil sich hier offenbar auf vielen verschiedenen 
Wegen ein gutes Resultat erzielen lälst. Wir haben schon 
gesehen, wie ungleichartig die Funktion des Flügelaufschlages 
auftreten kann, und wie mehrere dieser Wirkunssarten von 
Vorteil sein können, wenn nur der Niederschlag der Flügel 
danach eingerichtet wird. Malsgebend für die Wahl der Be- 
wegungsart der Flügel wird auch die zu erreichende Ge- 
schwindigkeit sein. 


Greifen wir auch hier nun den Fall heraus, den der Storch 
bei ruhigem Ruderfluge in windstiller Luft ausführt. Es sind 
11% 


—ı 164 — 


dann zunächst noch mehrere Faktoren in die Rechnung ein- 
zuführen und zwar: 
1. Die Fluggeschwindigkeit. 
Die Zahl der Flügelschläge pro Sekunde. 
Die Zeiteinteilung für Auf- und Niederschlag. 
Die Grölse des Flügelausschlages. 
Die Neigung der einzelnen Flügelprofile gegen die 
zugehörigen absoluten Wege. 

Die 4 ersten dieser Faktoren lassen sich durch die ein- 
fache Beobachtung annähernd feststellen, über den 5. Faktor 
kann aber kaum die Momentphotographie Aufschluls geben, 
und man thut daher. gut, hierbei durch Versuchsrechnungen 
die günstigsten Neigungen des Flügels zu ermitteln. 

Es kommt natürlich vor allen Dingen darauf an, denjeni- 
gen Fall herauszufinden, wo die geringste motorische Leistung 
erforderlich ist. Es ist aber anzunehmen, dafs der Storch 
bei gewöhnlichem Ruderfluge sich diejenigen Flugverhältnisse 
heraussucht, unter denen er eine Minimalarbeit zu leisten hat. 
Er wird auch diejenige Fluggeschwindigkeit wählen, welche 
keine besondere Vergrölserung der Arbeit mit sich bringt. 
Da wir nun wissen, dals der Flug auf der Stelle so anstrengend 
ist, dals der Storch ihn überhaupt nicht ausführen kann, 
während mit zunehmender Fluggeschwindigkeit die Arbeit 
sich zunächst vermindert, wobei aber, wenn eine gewisse 
Schnelligkeit überschritten wird, wieder eine Zunahme der 
Arbeit sich einstellen muls, indem die auf das Durchschneiden 
der Luft kommende Leistung im Kubus der Fluggeschwindig- 
keit wächst, so muls irgendwo ein Minimalwert der Arbeit 
bei einer gewissen mittleren Geschwindigkeit liegen oder es 
müssen, was sehr wahrscheinlich ist, zwischen weiteren Grenzen 
der gewöhnlichen Fluggeschwindigkeit der Vögel Arbeits- 
quantitäten erforderlich sein, die dem Minimalwert sehr nahe 
kommen. 

Der Storch legt nun bei Windstille etwa 10—12 m pro 
Sekunde zurück; denn er hält ungefähr gleichen Schritt mit 
mälsig schnell fahrenden Personenzügen. Der Storch macht 


Su en 


— N 


dabei 2 doppelte Flügeischläge in jeder Sekunde, und bei dieser 
langsamen Bewegung kann man das Zeitverhältnis der Auf- 
und Niederschläge durch einfache Beobachtung schon erkennen; 
man kann annehmen, dafs die Zeiten sich verhalten wie 2:3, 
als also °/, der Zeit eines Doppelschlages zum Aufschlag und 
»/, zum Niederschlag ‘verwendet werden. 

Der 4. Faktor, der Flügelausschlag, läfst sich als einfacher 
Winkel nicht angeben; denn vom Storch gilt auch das früher 
von der Möwe im Abschnitt 38 Gesagte, er bewegt die Flügel- 
spitzen in viel grölserem Winkel als die Armteile Hier 
könnte allerdings die Photographie gute Dienste leisten zur 
Kontrolle, ob der Ausschlag, der hier nach Figur 2 auf Tafel 
VIII bei der Rechnung zu Grunde gelegt ist, ungefähr die 
richtige Form hat. Diese Figur 2 ist einfach nach dem An- 
blick niedergezeichnet, den der Storch in seiner Ansicht von 
vorn oder hinten beim Fluge darbietet. 

Nach diesen Wahrnehmungen kann man die Bewegungs- 
form der Storchflügel annähernd zusammensetzen. 

Es soll nun zunächst untersucht werden, ob sich mit 
Hülfe der uns jetzt bekannten Luftwiderstandswirkungen der 
Nachweis führen lälst, dals der Storch mit seinen Flügelschlägen 
sich im Fluge halten kann, und dann, wieviel Arbeit er dabei 
leisten muls. 

Zu dem Ende denken wir uns den Flügel Fig. 1 auf 
Tafel VIII in 4 Teile geteilt. A ist der zum Oberarm und B 
der zum Unterarm gehörige Flügelteil. C ist die geschlossene 
Handfläche und D sind die Flächen der Fingerfedern. Die 
Dimensionen dieser einzelnen Teile nebst ihren Flächengrölsen 
sind in Zeichnung angegeben. 

Wir wollen nun annehmen, dafs jeder der Teile A, B, C 
und D eine gleichmälsige Geschwindigkeit habe, und der spe- 
eifische Widerstand ihrer Mittelpunkte «a, db, c und d gleich- 
mälsig über jedes der betreffenden Flächenstücke verteilt sei. 

In Fig. 2 sehen wir den Flügelausschlag mit den Hüben 
für a, db, c und d in '/, Malsstab. Das Auf- und Nieder- 
schwingen der Flügel wird eine, die gesamte Massenschwingung 


— 


neutralisierende, entgegengesetzte Hebung und Senkung des 
Storchkörpers zur Folge haben. Da der Flügelaufschlag aber 
auch erheblich zum Tragen mitwirkt, so brauchen wir weiter 
keine Hebung und Senkung des Storches zu berücksichtigen. Bei 
dem mälsigen Ausschlag und der Kürze des Oberarmes wird 
der Schwingungsmittelpunkt für beide Seiten des Storches in 
die Nähe des Punktes « fallen. Die Fläche A macht daher 
annähernd eine geradlinige und bei dem hier zu betrachtenden 
horizontalen Fluge auch eine horizontale Bahn. Demgegen- 
über sei zunächst der Ausschlag von b gleich 0,12 m, von c 
gleich O,44 und von d gleich O,ss m, auf dem Bogen gemessen. 

Wenn der Storch zwei Flügelschläge in 1 Sekunde auf 
10 m verteilt, so kommt er beim einmaligen Heben und Senken 
der Flügel 5 m vorwärts, und zwar 2m beim Aufschlag, 3 m 
beim Niederschlag. Trägt man diese Strecken nebeneinander 
in '/, Malsstab auf und entnimmt entsprechend verkleinert 
aus Fig. 2 die Hübe der einzelnen Flügelteile, so erhält man 
in Fig. 3 auf Tafel VIII die absoluten Wege, welche von a, D, 
cund d in der Luft beschrieben werden. Die punktierte Linie 
ist der Weg der Flügelspitzen. 

Jetzt bleibt noch übrig, die Neigung der Flügelelemente 
gegen ihre absoluten Wege zu bestimmen und denjenigen Fall 
herauszusuchen, der solche Widerstände giebt, dals der Storch 
zunächst damit fliegen kann und dann auch möglichst wenig 
Arbeit gebraucht. 

Um diese Versuchsrechnung auszuführen, kommt man am 
schnellsten zum Ziel, wenn man für die Flächenstücke A, B, 
C und D sowohl beim Aufschlag, als beim Niederschlag für 
eine Anzahl spitzer Winkel über Null und unter Null die 
Widerstände als hebende und treibende Komponenten aus- 
rechnet und als Tabellen zusammenstellt, Dann erhält man 
den nötigen Überblick für die Wahl der Winkel, welche die 
vorteilhaftesten Wirkungen geben, und kann durch kurze Zu- 
sammenstellungen leicht ein brauchbares Resultat herausfinden. 

Als Beispiel soll der Widerstand des Flügelstückes C beim 
Niederschlag berechnet werden, wenn dasselbe gegen seinen 


— 167 — 


Luftweg vorn um 3° gehoben ist. Die Fläche C hat 0,076 qm 
Inhalt. Tafel VII giebt den hier anzuwendenden Koeffizienten 
bei 3° auf 0,5; an. Die Geschwindigkeit ist durch die schräge 
Lage des Weges auf 10,1 m vermehrt, und daher erhält der 
Widerstand die Grölse: 

0,55 - 0,13 - 0,076 - 10,1? = 0,554 KQ. 

Tafel VI giebt uns die Richtung dieses Widerstandes. 
Wenn die Fläche sich um 3° vorn angehoben horizontal be- 
wegte, würde der Luftdruck nach Fig. 1 Tafel VI um 3° nach 
rückwärts stehen. Die Fläche C bewegt sich aber um 8'/,° 
schräg abwärts, wodurch die Widerstandsrichtung um 8'/,—3 
— 51/,° nach vorn geneigt wird. (Siehe Fig. 5 auf Tafel VIII.) 

Man erhält hierdurch neben der 

hebenden Komponente von 0,554 - cos 5'/,° = 0,551 kg 

die treibende Komponente von 0,554 - sin 5'/,° — 0,053 kg. 

In dieser Weise sind nun die beiden untenstehenden Ta- 
bellen für Auf- und Niederschlag ausgerechnet. Die Zahlen 
bedeuten die Luftwiderstandskomponenten in Kilogrammen 
für die entsprechenden Neigungswinkel. Wo die horizontalen 
Komponenten treibend ausfielen, wurden dieselben als positiv, 
die hemmenden Komponenten dagegen als negativ bezeichnet. 


Aufschlag. 
| A B ® D 
vert. | horiz. | vert. | horiz. | vert. | horiz. | vert. | horiz. 
Komp. | Komp. || Komp. | Komp. || Komp. | Komp. || Komp. | Komp. 
+ 9° | 0,634 | — 0,066 
+ 6° | 0,555 | 0,044 O,6cıio | — 0,079 
+ 30| 0,436 \—0,023| 0,179 |— 0,049 | 0,528 | — 0,145 
0°| O,517 |— 0,019) O,s48 | — 0,040 O,395 | Q,112 | 0,260 | — 0,130 
— 301 2... |.22..| 0216 | 0,082 0,235 |— 0,077 0,155 | — 0,089 
a El ee | Ostsee W020 =: 0,052 
SE ne ee N EURER, 


(wegen der Schlagwirkung und Verkürzung) > 1,0 Ro 


= I 


Niederschlase. 
A BR, € D 
vert. horiz. vert. horiz. vert. horiz. vert. horiz. 
Komp. | Komp. || Komp. | Komp. | Komp. | Komp. || Komp. | Komp. 
+ 9° | 0,634 |— 0,066 O,690 |— 0,048 || O,s08 !-+ O,026 || O,504 |-+ 0.086 
+ 6° | 0,555 | — 0,044! 0,610 |— 0,024 Q,707 |-+ 0,024! 0,442 | + O,0ss 
+ 3° | 0,436 | — 0,023) 0,479 |— O,008|| 0,551 + 0,053 0,350 |-+ O,0s2 
0° | 0,517 |— 0,019) O,348 | — 0,010) 0,104 |-+ 0,034) 0,260 |+ 0,060 
—-3°| ...|....| 0216 |— 0,016 0,252 |-+ O,008|| 0,180 |-+ 0,0530 
le | ee | More | kan! 
a en ne | ee ee Eee 
(wegen der Schlagwirkung;) 2 l® x 2,25 


Ein brauchbares Verhältnis stellt sich nun z. B. heraus, 
wenn beim Aufschlag die Flächen A unter + 3%, B unter 0°; 
C unter — 3° und D unter — 9° geneigt sind, während die- 
selben beim Niederschlag entsprechend unter + 6°; + 69%, + 3° 
und 0° sich gegen die absoluten Wege einstellen, welche 
Werte in den Tabellen hervorgehoben sind. 


Bei den Flächenteilen € und D wird man eine Wider- 
standsvergrölserung durch die Schlagbewegung nicht vernach- 
lässigen dürfen; es ist aber zu berücksichtigen, dals beim Auf- 
schlag die Flügel etwas verkürzt und zusammengezogen werden. 
Während man daher beim Aufschlag die Werte der Tabelle 
benutzt, wird es nicht zu hoch gegriffen sein, wenn man beim 
Niederschlag für ( etwa das 1,75fache und für D das 2,25fache 
der Tabellenwerte rechnet und dann gleichzeitig die durch 
den Flügelausschlag eintretenden Kraftverkürzungen vernach- 
lässigt. 


Dieses berücksichtigend erhält man dann die beiden fol- 
genden Summen für einen Flügel: 


ee 


beim Aufschlag beim Niederschlag 
Vertikal- | Horizontal- Vertikal- | Horizontal- 
druck druck druck druck 
A 0,436 — 0,028 A 0,555 — 0,044 
B 0,348 — 0,040 B 0,610 — 0,024 
C 0,235 — Or @ 0,964 + 0,092 
D — 0,015 — 0,085 D 0,555 + 0,185 
kg Be 1,004 — 0,175 kg | 2,714 + 0,160 
für 2 Flügel: 
kg | 2,008 — 0,368 kg 5,428 + 0,360 


Zieht man den Hebedruck beim Aufschlag von dem Storch- 

gewicht ab, so bleiben 

4 — 2,008 = 1,992 Kg 
übrig, die den Storch während der Zeit des Aufschlages nieder- 
drücken. 

Da wir auf Seite 161 gesehen haben, dafs der Storchkörper 
beim Segeln bei 20 m relativer Luftgeschwindigkeit 0,1 kg 
Widerstand verursacht, so erfährt er jetzt bei 10 m ungefähr 
0,03 kg. Dies kommt aber beim Heben der Flügel zu der 
hemmenden Komponente noch hinzu, und es ergiebt sich die 
aufhaltende Kraft: 

0,368 + 0,025 = 0,393 Kg. 

Der Storch wird also, solange er die Flügel hebt, mit 

l,es2 kg niedergedrückt und mit 0,398 kg gehemmt. 

Dies muls nun der Niederschlag unschädlich machen. Da 
derselbe aber °/,mal so lange dauert, so braucht während 
seiner Zeit nur ein 

Hebedruck von ?,.. 1,992 = I,328 kg und 
ein Treibedruck von ?/,.. 0,393 =: 0,262 kg 
zu wirken. 

Indem man nun aber vom hebenden Widerstand beim 
Niederschlag das Storchgewicht, und vom treibenden Druck 


= NT — 


den Widerstand des Storchkörpers abzieht, erhält man während 
der Niederschlagszeit den 
Hebedruck 5,423 — 4 = 1,428 kg und 
den Treibedruck 0,360 — 0,025 = 0,335 kg, 
welche beide noch etwas grölser sind, als erforderlich ‚war. 
Der Storch kann also unter diesen Bewegungsformen 
horizontal bei Windstille fliegen. 


In den Figuren 4 und 5 auf Tafel VIII sind die hier aus- 
gerechneten Flügeldrucke sowohl beim Auf- als beim Nieder- 
schlag in richtigen Verhältnissen eingezeichnet, unter Angabe 
der Profilneisungen und Wegrichtungen an den entsprechenden 
Stellen. Bei den Schwungfedern ist der Querschnitt einer 
solchen Feder in natürlicher Gröfse und richtig geneigt an- 
gegeben. 

Der Storch kann aber nun nicht blofs bei den gewählten 
Verhältnissen fliegen, sondern es lassen sich noch viele andere 
Kombinationen der Flügelneigungen heraussuchen, bei denen 
das Fliegen möglich ist. Die gewählte Art wird aber an- 
nähernd das Minimum der Arbeit geben. 

Beim Aufschlag braucht der Storch keine Arbeit zu leisten; 
denn die Flügel geben nur dem von unten wirkenden Drucke 
nach. Wenn der Flügel beim Aufschlag in seinen Gelenken 
wie eine elastische Feder nach oben durchgebogen würde, so 
dals er den nach unten ziehenden Sehnen und Muskeln beim 
Niederschlag zu Hülfe käme, so könnte derselbe sogar zu 
einer Aufspeicherung der Arbeit verwendet werden, und in 
gewissem Grade ist dieses beim natürlichen Flügel auch wohl 
der Fall. Diese theoretisch gewonnene Arbeit erhält man, 
wenn man die hebenden Drucke mit ihren Wegen multipliziert. 
Für einen Aufschlag giebt 

die Fläche A die Arbeit 0,0 


2 aha - 0,318 X 0,12 = 0,0417 kgm 
= = On - 0,235 x 0,44 = 0,1034  - 
a de - — (0,015 X 0,88 = — 0,0132 - 


+ 0,1319 kgm. 


—. al == 


Theoretisch lielse sich für beide Flügel ein Arbeitsgewinn 
von 2.0,1319 = 0,eess kgm bei einem Aufschlag erzielen, der 
sich in einer Sekunde verdoppelt auf 2. 0,2633 = 0,5276 kgm. 

Beim Niederschlag sind aufzuwenden an Arbeiten für die 


Fläche: A die Arbeit 0,0 


B _- - _ (,510 X 0,12 = 0,0732 kgm 
0m = - 0,964 x 0,4 = 0,4241  - 
D- - (0,585 x 0,88 = 0,5148 - 


1,0121 kgm. 

Jeder Niederschlag verursacht also für beide Flügel die 
Arbeit 2x l,0ı2ı kgm, und da 2 Niederschläge pro Sekunde 
erfolgen, so erhält man als Flugarbeit für den Storch bei 
windstiller Luft 2x 2x 1,01 = 4,.. kgm, wenn man die, theo- 
retisch als Arbeitsgewinn anzusehende Aufschlagsarbeit nicht 
abzieht. Würde man aber einen Teil der letzteren in Abzug 
bringen, so liefse sich diese Arbeit des Storches beim Ruder- 
fluge in Windstille auf cirka 4 kgm abrunden. 

Noch etwas vorteilhafter stellt sich das Arbeitsverhältnis 
heraus, wenn der Storch die Flügelarme noch weniger auf 
und nieder bewegt, wie z. B. in Fig. 2 auf Tafel VIII punktiert 
angedeutet, wenn also der Punkt db etwa nur 0,06 m, c nur 
0,2 m und d den verhältnismälsig grolsen Hub 0,#m erhält. 
Es ergeben sich dann die analog wie früher gebildeten nach- 
stehenden Tabellen: 

Aufschlag. 


A B C D 


vert. | horiz. | vert. | horiz. || vert. | horiz. || vert. | horiz. 
Komp. | Komp. || Komp. | Komp. || Komp. | Komp. || Komp. | Komp. 


+ 9° | 0,634 | — 0,066 


+ 6°| 0,555 |— 0,042 | O,610 | — 0,083 
+ 3°| 0,436 | — 0,023) 0,473 |— 0,037) 0,560 | — 0,102 

0° | 0,317 |—0,01s| O,s48 | — 0,050 O,408 | — 0,087) 0,240 | = 0,105 
= 301... [22.2.0 Oais | 0,028) 0,250 | 0,059 O,1a8 | —.0,072 
ET len | OF05T 00072: 00 
RN . |— 0,016 | — 0,042 


(wegen der Schlagwirkung und Verkürzung) X 1,0 x. 1,0 


he 


Niederschlag. 
A B C I) 


vert. horiz. || vert. horiz. vert. horiz. vert. horiz. 
Komp. | Komp. | Komp. | Komp. || Komp. | Komp. || Komp. | Komp. 


+ 9° | 0,634 |— 0,066 || O,690 | — 0,060 | O,s0s |— 0,014 | 0,505 | + O,0r1 
+ 6° | 0,555 |— 0,022] O,610 | — 0,036) 0,707 | + 0,006 O,a42 |+ 0,077 
+ 3° | 0,436 | — 0,023! 0,4798 |— 0,017 | 0,555 |+-0,019 | 0,346 | -+ 0,069 


0° | 0,517 |— 0,019) O,318 |— 0,015! O,104 [+ 0,010) 0,250 |-+ 0,048 
al 22.1222.) Oase | 0,019 | 0,252 |— 0,003 O,1s2 | + 0,020 
(wegen der Schlagwirkung) X 1,55 RS 


Wenn dann beim Aufschlag die Flächenneigung für A 
gleich + 3°, für 5 gleich 3°, für C gleich — 3° und für D 
gleich — 6° ist, und beim Niederschlag entsprechend die 
Neigungen + 3°, +3°, + 3° und + 3° angenommen werden, 
dann ergeben sich die Widerstandssummen: 


beim Aufschlag beim Niederschlag 
Vertikal- | Horizontal- Vertikal- | Horizontal- 
druck druck druck druck 
A 0,436 — (0,023 A 0,436 — 0,028 
B 0,479 — 0,037 B 0,479 — 0,017 
€ 0,250 — 0,059 @ 0,860 + 0,029 
(Nor — 0,055 D 0,744 + 0,148 
kg | 1,237 — kg | 2,519 40,13% 
und für beide Flügel: 
kg 2,474 — (0,348 kg 5,088 + 0,274 


Hiernach wird der Storch beim Aufschlag, unter Berück- 
sichtigung seines Gewichtes und seines Körperwiderstandes, mit 


1,526 kg niedergedrückt und mit 0,373 kg gehemmt. 


— ME == 


Der Niederschlag muls daher geben: 
2/, . 1,526 = 1,017 kg Hebedruck und 
2/,.. 0,3723 = 0,248 kg Treibedruck, 
er erzeugt aber 
5,038 — 4 = 1,058 kg Hebedruck und 
0,274 — 0,025 = 0,249 kg Treibedruck, 
der Storch kann daher unter diesen Bewegungsformen auch 
fliegen. 
Die theoretisch gewonnene Arbeit beim Aufschlag ist 
für die Fläche A gleich 0,0 


- - B - 0,9 X 0,06 = 0,0237 kgm 
- = - 0 = 0,250 X 0,26 = 0,0650 - 
ZZ - D - 0,02% 0,7 = 0,0547 - 


0,1484 kgm. 
Der Niederschlag verbraucht dagegen: 
für die Fläche A die Arbeit 0,0 


== - B- - 0,79 X 0,06 = 0,0237 kgm 
nu. Bi (BI 22 - 0,860 X 0,26 = 0,2236 - 
er De - Oma X 0,76 = 0,5654 - 


0,8177 kgm. 

Die Niederschlagsarbeit pro Sekunde ist jetzt 4. 0,817 = 
3,2708 kgm, während der Aufschlag theoretisch 4. 0,1 = 
0,5986 kgm gewinnen lälst. Eine teilweise Ausnutzung dieser 
gewonnenen Arbeit würde für den Storch unter dieser Flug- 
torm die Leistung von 3,2 kgm erforderlich machen, die also 
noch etwas geringer ist, als die zuvor bei stärkerer Flügel- 
bewegung berechnete. 

Die schädliche, hemmende Wirkung der Flügelspitzen 
beim Aufschlag lälst sich noch dadurch vermindern, wie auch 
die Praxis der Vögel es lehrt, dals die äulseren Flügelteile in 
einem nach oben gekrümmten bogenförmigen Wege, welcher 
der Flügelwölbung entspricht, aufwärts durch die Luft gezogen 
werden. Wenn die Flächenteile C und D auf diese Weise den 
denkbar geringsten Widerstand beim Aufschlag erhalten, be- 
rechnet sich die Flugarbeit nur auf 2,7 kgm. 


ie 


Durch diese Rechnungen erhalten wir Einblicke in die 
kraftsparenden Funktionen beim Ruderfluge. Wir sehen die 
Flugarbeit einem Minimum sich nähern, welches eintritt, wenn 
der grölste Teil des Flügels unter vorteilhaftester Neigung 
horizontal die Luft durchschneidet und die Flügelspitzen durch 
grolsen Ausschlag die ziehende Wirkung hervorrufen. 


Der extreme Fall würde eintreten, wenn die ganze Flug- 
fläche stillgehalten, und durch einen besonderen Propeller das 
Vorwärtstreiben besorgt würde. Die kleinste Arbeit ergäbe 
sich dann, wenn die Tragefläche diejenige Neigung hätte, bei 
welcher verhältnismälsig die geringste hemmende Komponente 
entstände, und dies ist nach Tafel VI die Neigung von + 3°. 


Eine solche richtig gewölbte Tragefläche um 3° vorn an- 
gehoben und horizontal bewest, würde einen Luftwiderstand 
geben, der um 3° hinter der Normalen liegt; und wenn der- 
selbe gerade das Gewicht @ des fliegenden Körpers tragen 
kann, wäre seine hemmende Komponente gleich &.tg 3°. 
Dieser hemmende Widerstand mülste durch eine Treibevor- 
richtung überwunden werden und zwar mit der Fluggesch win- 
digkeit v. Dieses wäre aber die einzige bei solchem Fluge 
zu verrichtende Arbeit in Grölse von v. @.tg 3° = 0,0521.v0.@. 
Die Geschwindigkeit v hängt von der Grölfse der Tragefläche 
ab. Unter Berücksichtigung des Verminderungskoeffizienten 
für die Neigung von 3°, welcher in diesem Falle nach Tafel VII 
gleich 0,55 ist, würde » sich ergeben aus der Gleichung G = 

‚5. 0,18. 2'.v2. Man erhielte v = 3,1. - Für ein Ver- 


hältnis von - wie beim Storch gleich 8, wäre v = 10,58. 


Zur Überwindung des hemmenden Widerstandes wäre dann 
die Arbeit 0,0524. 10,55. G@ = 0,55; @ aufzuwenden. Wenn nun 
der hierzu benutzte Propeller kein Gewicht hätte und 100 % 
Nutzeffekt besälse, so würde ein Körper, der auch 4 kg schweı: 
wäre wie der Storch, 0,55.4= 2,akgm an Arbeit pro Sekunde 
leisten müssen. Diesem theoretischen Minimalwerte haben 
wir uns aber schon beträchtlich genähert durch die voran- 


gehenden Berechnungen, und müssen wir daher annehmen, 
dals es nicht viel bessere Bewegungsformen für die Kraft- 
ersparnis beim Ruderfluge in windstiller Luft geben wird. 

Wenn es noch Faktoren zur Kraftersparnis beim Fluge 
bei Windstille giebt, so können diese nur darin bestehen, dals 
die Luftwiderstandswerte bei Verfeinerung der Flügelform 
noch vorteilhafter ausfallen, und namentlich noch günstiger 
gerichtet sind. 

Wir haben schon bei Betrachtung der Segelbewegung auf 
Seite 127 gesehen, dals die Vögel vermöge ihrer vorzüglichen 
Flügelform mit Luftwiderständen arbeiten, die noch mehr 
nach vorn sich neigen, als wir es nachzuweisen imstande 
waren. Wir mulsten annehmen, nach Seite 161, dals die Wider- 
stände bei gewissen kleinen Neigungswinkeln noch um etwa 
1'/),° mehr nach vorn gerichtet sind. Bei der Flächenneigung 
von 3° würde demzufolge der Widerstand nicht um 3°, son- 
dern nur um 1's,° hinter der Normalen liegen. Die Folge 
hiervon aber wäre eine Verminderung der hemmenden Kompo- 
nente auf die Hälfte, und mit dieser Komponente ist die Flug- 
arbeit direkt proportional. Die mechanische Leistung des 
Storches reduzierte sich dadurch von 2,7 kgm auf 1,35; kgm. 
Es ist auch möglich, dals das Profil der Flügel senkrecht zur 
Bewegungsrichtung sowohl beim Segeln als auch beim Ruder- 
fluge noch zur Kraftverminderung beiträgt. Die Untersuchung 
dieser Einwirkung ebenso wie die genaue Feststellung, inwie- 
weit die Widerstandsvergrölserung durch Schlagwirkung beim 
Ruderfluge stattfindet, würde darauf hinauslaufen, Apparate 
zu bauen und zu versuchen, die überhaupt die genanen Formen 
und Bewegungen der Vögel haben. Es hielse dies also, durch 
den praktischen Umgang mit Flugapparaten noch die letzten, 
feinsten Unterschiede in den Luftwiderstandswirkungen heraus- 
zufinden und daran wird es nicht fehlen, wenn die wahren 
Grundlagen dazu erst gegeben sind. 

Um von den für den Storch berechneten Arbeitsgrölsen 
auf den Flugapparat des Menschen zu schliefsen, können wir 
sagen, dals der Mensch, der mit Apparat etwa 20mal so viel 


— N 


wiegt als ein Storch, beim Ruderfluge in Windstille mindestens 
20 ..1,35 = 27 kgm oder 0,56 HP gebraucht, vorausgesetzt, dals 
seine Flugfläche 10 qm beträgt und alle beim Vogelfluge 
beobachteten Vorteile eintreten. 

Im Abschnitt 35 wurde der Kraftaufwand für den Flug 
des Menschen bei Windstille auf 0,3 HP berechnet. Dort war 
aber eine grölsere Flugfläche zu Grunde gelegt und der Flügel- 
aufschlag mit seinen Widerständen überhaupt vernachlässigt. 
Jene Berechnung hatte also nur theoretisches Interesse, wäh- 
rend wir hier, wo sich 0,36 HP als Leistung ergiebt, bereits 
die in Wirklichkeit auftretenden Unvollkommenheiten und 
schädlichen Einflüsse berücksichtigt haben. 

Auch diese Leistung könnte vorübergehend noch vom 
Menschen ausgeübt werden, ein derartiges Fliegen hätte aber, 
so interessant wie es sein würde, wenig praktische Bedeutung. 
Da nieht anzunehmen ist, dals durch Vergröfserung der Flügel 
bessere Verhältnisse sich erzielen lassen, so dürfen wir hier- 
mit den Satz aussprechen, dals der Mensch unter den günstigsten 
Bewegungsfiormen bei Anwendung des Ruderfluges in Wind- 
stille wenigstens 0,36 HP zum Fliegen gebraucht und daher 
mit Hülfe seiner eigenen Muskelkraft nicht dauernd zu einem 
solchen Fluge befähigt ist. 

Um diesem Fluge bei Windstille eine praktische Bedeutung 
zu verschaffen, mülsten wir bestrebt sein, leichte Motore mit 
zur Verwendung zu bringen. 

Aber die Windstille ist zum Nutzen der freien Fliesekunst 
sehr selten. Was die Ballontechniker zur Demonstration der 
Lenkbarkeit ihrer Luftschiffe so nötig gebrauchen, aber so 
selten haben, nämlich eine möglichst unbewegte Luft, das 
findet sich besonders in höheren Luftschichten nur ganz aus- 
nahmsweise Wir haben also im allgemeinen mit dem Winde 
und nicht mit der Windstille zu rechnen. 

Zwischen diesen beiden bereits berechneten Grenzen der 
mechanischen Arbeit, die einmal gleich Null ist, wenn ein 
Segelwind von mindestens 10 m herrscht, und ihren gröfsten 
Wert beim Ruderfluge in Windstille erhält, liegen nun alle 


— U — 


jene Kraftaufwände, die bei Winden zwischen Om und 10m 
Geschwindigkeit zum Fliegen erforderlich sind. 

Die aufsteigende Richtung des Windes ist durchschnittlich 
bei allen Windstärken dieselbe. Die von den Winden an die 
Flugkörper abgegebene zur Arbeitsersparnis beitragende leben- 
dige Kraft wird daher einfach proportional dem Quadrat ihrer 
Geschwindigkeit sein. Da wir nun wissen, dals bei einem 
Flügelverhältnis zum Körpergewicht, wie es der Storch hat, 
und wie es der Mensch auch für sich wohl anwenden könnte, 
ein Wind von 10 m Geschwindigkeit die Arbeit zu Null macht, 
so spart ein Wind von 


Ilmı2m|53m/4m|5m|6m 7m|Sm|_9m Geschwin- 
digkeit 

0,01 | 0,04 | 0,09 | 0,16 | 0,20 | 0,36 | 0,19 | 0,64 | O,si der Flug- 
arbeit. 


Legen wir für den Menschen 27 kgm als sekundliche Arbeit 
bei Windstille zu Grunde, so ergeben sich bei 


Wind von Im |2m|öm|4m|5m/6m/7m|8m 9m 


die Arbeiten 26,7 


25,9 


24,0|22,2\20,5 


17,3 


13,5] 9,7 | 5,1 kgm 


Man sieht, dafs für Winde zwischen 6 und 9 m Geschwin- 
digkeit, die man nur mit „frische Brise“ zu bezeichnen pflegt, 
so geringe Arbeitswerte sich ergeben, dals selbst dann, wenn 
einige Verhältnisse viel ungünstiger als angenommen eintreten 
würden, noch eine so geringe Leistung übrigbleibt, dafs der 
Mensch durch seine physische Kraft sehr wohl imstande sein 
mülste, einen geeigneten Flugapparat wirkungsvoll in Thätig- 
keit zu setzen. 


41. Die Konstruktion der Flugapparate. 
Der vorige Abschnitt zeigte uns den rechnungsmälsigen 
Zusammenhang der Flugthätigkeit mit der Flugwirkung am 


Vogelflügel. Die hier in Betracht gezogenen Verhältnisse ent- 
Lilienthal, Fliegekunst, 12 


— 208 — 


sprechend vergrölsert, müssen uns auf Formen und Dimensionen 
solcher Apparate führen, deren sich der Mensch beim freien 
Fluge zu bedienen hätte. 

Wir betrachten es nun nicht als unsere Aufgabe, durch 
sensationelle Bilder Eindrücke hervorzurufen, sondern über- 
lassen es der Phantasie jedes Einzelnen, sich auszumalen, wie 
der Mensch unter Innehaitung der hier entwickelten Principien 
fliegend in der Luft sich ausnehmen würde. Statt dessen 
wollen wir aber kurz noch einmal die Gesichtspunkte zu- 
sammenstellen, nach denen die Konstruktion der Flugapparate 
zu erfolgen hätte, wenn die in diesem Werke veröffentlichten 
Versuchsresultate berücksichtigt werden, und die demzufolge 
entwickelten Ansichten richtige sind. 

Es würden sich dann folgende Sätze ergeben: 

1. Die Konstruktion brauchbarer Flugvorrichtungen ist 
nicht unter allen Umständen abhängig von der Beschaffung 
starker und leichter Motore. 

2. Der Flug auf der Stelle bei ruhender Luft kann vom 
Menschen durch eigene Kraft nicht bewirkt werden, derselbe 
erfordert unter den allergünstigsten Verhältnissen mindestens 
1,5 HP. 

3. Bei Wind von mittlerer Stärke genügt die physische 
Kraft des Menschen, um einen geeigneten Flugapparat wir- 
kungsvoll in Bewegung zu setzen. 

4. Bei Wind von über 10 m Geschwindigkeit ist der an- 
strengungslose Segelflug mittelst geeigneter Trageflächen vom 
Menschen ausführbar. 

5. Ein Flugapparat, der mit möglichster Arbeitsersparnis 
wirken soll, hat sich in Form und Verhältnissen genau den 
Flügeln der gutfliegenden gröfseren Vögel anzuschliefsen. 

6. Als Flügelgröfse ist pro Kilogramm Gesamtgewicht 
Yo), gm Flugfläche zu wählen. 

7. Tragfähige Apparate, hergestellt aus Weidenruten mit 
Stoffbespannung, bei 10 qm Tragefläche lassen sich bei einem 
Gewicht von cirka 15 kg anfertigen. 


= IE = 


8. Ein Mensch mit einem solchen Apparate im Gesamt- 
gewicht von cirka 90 kg besälse pro Kilogramm Y, qm Flug- 
fläche, was dem Flugflächenverhältnis der grölseren Vögel 
entspricht. 

9. Sache des Versuches wird es sein, ob die breite Form 
der Raub- und Sumgfvogelflügel mit gegliederten Schwung- 
federn, oder die langgestreckte und zugespitzte Flügelform 
der Seevögel als vorteilhafter sich herausstellt. 

10. In kurzer, breiter Ausführung würden die Flügel 
eines Apparates von 10 qm Tragefläche eine Klafterbreite von 
8m bei 1, m grölster Breite nach Fig. 79 erhalten. 


Mafsstab 1: 100. 10 qm Flugfläche. 


ll. Bei Anwendung einer schlanken Flügelform ergäbe 
eine Flugfläche von 10 qm nach Fig. 80 eine Klafterbreite von 
11 m bei einer grölsten Breite von 1, m. 


Mafsstab 1:100. 10 qm Flugfläche. 


12. Die Anwendung einer Schwanzfläche hat für die 
Tragewirkung untergeordnete Bedeutung. 
13. Die Flügel müssen im Querschnitt eine Wölbung be- 
sitzen, die mit der Höhlung nach unten zeigt. 
19 


— kl 


14. Die Pfeilhöhe der Wölbung hat nach Malsgabe der 
Vogelflügel ungefähr /,, der Flügelbreite an der betreffenden 
Querschnittstelle zu betragen. 


15. Durch Versuche wäre festzustellen, ob für gröfsere 
Flügelflächen etwa schwächere oder stärkere Wölbungen vor- 
teilhafter sind. 


16. Die Tragerippen und Verdiekungen der Flügel sind 
möglichst an der vorderen Kante derselben anzubringen. 


17. Wenn möglich, so ist dieser verdickten Kante noch 
eine Zuschärfung vorzusetzen. 


18. Die Form der Wölbung muls eine parabolische sein, 
nach der Vorderkante zu gekrümmter, nach der Hinterkante 
zu gestreckter. 

19. Die beste Wölbungsform für gröfsere Flächen wäre 
durch Versuche zu ermitteln und derjenigen Form der Vor- 
zug zu geben, deren Widerstände für kleinere Neigungswinkel 
sich am meisten nach der Bewegungsrichtung hinneigen. 

20. Die Konstruktion muls eine Drehung des Flügels um 
seine Längsachse ermöglichen, die am besten ganz oder teil- 
weise durch den Luftdruck selbst bewirkt wird. An dieser 
Drehung haben am stärksten die Flügelenden teilzunehmen. 


21. Beim NRuderfluge erhalten die nach der Mitte zu 
liegenden breiteren Flügelteile möglichst wenig Hub und dienen 
ausschlielslich zum Tragen. 

22. Das Vorwärtsziehen zur Unterhaltung der Flugge- 
schwindigkeit wird dadurch bewirkt, dals die Flügelspitzen 
oder Schwungfedern mit gesenkter Vorderkante abwärtsge- 
schlagen werden. 

23. Der breitere Flügelteil hat im Ruderfluge auch beim 
Aufschlag möglichst tragend mitzuwirken. 

24. Die Flügelspitzen sind beim Aufschlag mit möglichst 
wenig Widerstand zu heben. 

.25. Der Niederschlag muls wenigstens °/,, der Dauer eines 
Doppelschlages betragen. 


== ler 


26. An dem Auf- und Niederschlag brauchen nur die 
Enden der Flügel teilzunehmen. Der nur tragende Flügelteil 
kann wie beim Segeln unbeweglich bleiben. 


27. Wenn nur die Flügelspitzen auf und nieder bewegt 
werden, darf dieses nicht mit Hülfe eines Gelenkes geschehen, 
weil der Flügel sonst einen schädlichen Knick erhielte, viel- 
mehr muls der Ausschlag der Spitzen mit allmählichem Über- 
gang sich bilden. 


23. Zur Hervorrufung der Flügelschläge durch die Kraft 
des Menschen mülsten vor allem die Streeckmuskeln der Beine 
verwendet werden, und zwar nicht gleichzeitig, sondern ab- 
wechselnd, aber möglichst so, dals der Tritt jedes einzelnen 
Fulses einen Doppelschlag zur Folge hat. 


29. Der Aufschlag könnte durch den Luftdruck selbst 
bewirkt werden. 


30. Die Aufschlagsarbeit des Luftdruckes wäre möglichst 
in solchen federnden Teilen aufzusammeln, dafs dieselbe beim 
Niederschlag wieder zur Wirkung kommt und dadurch an 
Niederschlagsarbeit gespart wird. 


Dieses wären einige der Hauptgesichtspunkte, welche man 
unter Anwendung der hier niedergelegten Theorieen zu befolgen 
hätte, 

Wenn man mit solchen Flügeln nun aber in den Wind 
kommt, so können wir aus eigener Erfahrung darüber be- 
richten, dafs schwerlich jemand die Hebewirkung des Windes 
sich so stark vorgestellt haben wird, wie er dann zu verspüren 
Gelegenheit hat. 

Ohne vorherige Übung reicht eben die menschliche Kraft 
gar nicht aus, mit solchen Flügeln im Winde zu operieren. 
Das erste Resultat wird daher das sein, dals der wohlberech- 
nete und leicht gebaute Apparat nach dem ersten kräftigen 
Windstols zertrümmert wieder nach Hause getragen wird. 


— sie — 


Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, zunächst für der- 
artige Windwirkungen das Gefühl zu schärfen, und die Ge- 
wandtheit in der stabilen Handhabung der Flügel an kleineren 
Flächen zu üben. Erst wenn dann die Behandlung der Luft 
und ‚des Windes mittelst geeigneter Flächen durch den per- 
sönlichen Umgang mit diesen Elementen uns genügend in 
Fleisch und Blut übergegangen sein wird, können wir an die 
Herbeiführung eines wirklich freien Fluges denken. 

Mit diesem Fingerzeis wollen wir diesen Abschnitt 
schlielsen. 

Der Geschicklichkeit der Konstrukteure bleibt es nun über- 
lassen, den im Streben nach Wahrheit gefundenen Fliegeprin- 
cipien durch die Erfindung anwendbarer Flügelbauarten mit 
vorteilhaften Bewegungsmechanismen einen praktischen Wert 
zu verleihen. 

Wenn sich unser hierauf bezügliches Material noch wesent- 
lich vermehrt haben wird, werden wir vielleicht später einmal 
Gelegenheit haben, auch dieses der Öffentlichkeit zu über- 
geben. 


42. Sehlufswort. 


Werfen wir nun einen Rückblick auf das in diesem Werke 
zur Darstellung Gebrachte, so heben sich darin eine Anzahl 
aus Versuchen hergeleiteter Sätze ab, welche in direktem Zu- 
sammenhang mit der Beantwortung der Flugfrage stehen, 
indem sie sich auf die einzelnen Faktoren beziehen, aus denen 
die beim Fluge erforderliche Anstrengung sich zusammensetzt. 

Die Einsicht von der Richtigkeit dieser Sätze erfordert 
nur ein Verständnis der einfachsten Begriffe der Mechanik, wie 
es überhaupt ein Vorzug der wichtigsten Momente der Fliege- 
kunst ist, dals dieselben vom mechanischen Standpunkte höchst 
einfacher Natur sind, und eigentlich nur die Lehre vom Gleich- 


== es, — 


gewicht und Parallelogramm der Kräfte zur Anwendung 
kommt. Trotzdem liefert die flugtechnische Litteratur den 
Beweis, wie aulserordentlich leicht Irrtümer und Trugschlüsse 
in der mechanischen Behandlung des Flugproblems sich ein- 
schleichen, und dies gab die Veranlassung, hier so elementar 
wie nur irgend möglich die mechanischen Vorgänge des Fluges 
zu zerlegen. 

Wenn auf der einen Seite hierdurch die Diskussion über 
dieses immer noch etwas heikle Thema wesentlich erleichtert 
wird, so hegt der Verfasser andererseits auch noch die Hoff- 
nung, dals dadurch nicht blols der Fliegeidee, sondern auch 
der Mechanik als der unumgänglichen Hülfswissenschaft neue 
Freunde geworben werden, indem der eine oder der andere 
Leser die Anregung erhält, sich mit dem notwendigsten Hand- 
werkszeug des theoretischen Mechanikers vertraut zu machen, 
oder die Erinnerung an alte Bekannte aus der Studienzeit 
wieder aufzufrischen., 

Die Flugfrage muls doch nun einmal anders behandelt 
werden als andere technische Themata. Sie nimmt eben, wie 
schon angedeutet, durch ihren eigenartigen Interessentenkreis 
eine gesonderte Stellung ein. Dem Geistlichen, dem Offizier, 
dem Arzt und Philologen, dem Landwirt wie dem Kaufmann 
kommt es schwer in den Sinn, sich dem speziellen Studium 
etwa der Dampfmaschinen, des Hüttenwesens oder der Spinnerei- 
technik zu widmen; alle wissen, dafs diese Fächer in guten 
Händen sind und überlassen diese Sorgen vertrauensvoll den 
Fachleuten, aber in der Flugtechnik finden wir sie alle wieder 
vertreten, darin möchte jeder sich nützlich bethätigen und 
durch einen glücklichen Gedanken den Zeitpunkt näher rücken, 
wo der Mensch zum freien Fluge befähigt wird. 

Die Flugtechnik kann eben auch noch nicht als ein eigent- 
liches Fach angesehen werden, auch weist sie noch nicht jene 
Reihe von Vertretern auf, der man mit einem gewissen Ver- 
trauen entgegenkommen könnte. Es liegt dies an der noch 
herrschenden Unsicherheit und in dem Mangel jedweder Syste- 
matik; es fehlt der Flugtechnik die feste Grundlage, auf 


— 184 — 


welche sich unbedingt jeder stellen muls, der sich mit ihr 
beschäftigt. 


Dieses Werk soll sich daher auch nicht nur an gewisse 
Fachkreise wenden, sondern — 


„An jeden, dem es eingeboren, 

Dals sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt, 
Wenn über uns, im blauen Raum verloren, 
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt, 
Wenn über schroffen Fichtenhöhen 

Der Adler ausgebreitet schwebt, 

Und über Flächen, über Seen 

Der Kranich nach der Heimat strebt.“ 

Dieses als Erklärung dafür, dafs unser Buch sich an 
alle wendet, und dals in den ersten Abschnitten der Versuch 
gemacht wird, das Fliegeinteresse, welches jeder mitbringt, 
der dieses Buch überhaupt zur Hand nimmt, in ein Interesse 
für diejenige Wissenschaft mit hinüberzuspielen, ohne deren 
Verständnis der grölste Teil jener hohen Reize verloren geht, 
welche in der Beschäftigung mit dem Fliegeproblem liegen. 

Es ist dann in diesem Werke der trostlose Standpunkt 
gekennzeichnet, den die Flugtechnik einnimmt, solange sie 
nur ebene Flugllächen in das Bereich ihrer Betrachtungen 
zieht. 

Es ist aber auch gezeigt, dals selbst in den Fällen, wo 
die Vorteile der Flügelwölbung in den Hintergrund treten, wo 
also kein Vorwärtsfliegen in der umgebenden Luft stattfindet, 
dennoch die Flugarbeit nicht nach der gewöhnlichen Luft- 
widerstandsformel berechnet werden kann, sondern dafs es 
sich bei den Flügelschlägen um eine andere Art von Luft- 
widerstand handelt, der schon bei viel geringeren Geschwindig- 
keiten die erforderliche Gröfse erreicht, also auch ein niedri- 
geres Arbeitsmals zu seiner Überwindung benötigt. 

Ich konnte sehr handgreifliche Versuche hierüber anführen, 
die aulser Zweifel lassen, dafs die Schlagbewegungen einen 
Luftwiderstand geben, der mit anderem Malse gemessen werden 


— ei — 


muls, als wenn eine Fläche sich mit gleichmälsiger Geschwindig- 
keit im Beharrungszustande durch die Luft bewegt. 


Es wurde dann gezeigt, dals auch das Vorwärtsfliegen 
allein der Schlüssel des Fliegeproblems nicht sein kann, so- 
lange hierfür nur ebene Flügelflächen in Rechnung gezogen 
werden. 


Endlich wurde an der Hand von Versuchsergebnissen der 
Nachweis zu führen versucht, dafs das eigentliche Geheimnis 
des Vogelfluges in der Wölbung der Vogelflügel zu erblicken 
ist, durch welche der natürliche geringe Kraftaufwand der 
Vögel beim Vorwärtsfliegen seine Erklärung findet, und durch 
welche in Gemeinschaft mit den eigentümlichen hebenden Wind- 


wirkungen das Segeln der Vögel überhaupt nur verstanden 
werden kann. 


Alles dieses fanden wir am natürlichen Vogelfluge, alle 
diese Eigenschaften der Form wie der Bewegungsart können 
wir aber niemals hervorrufen, ohne uns direkt an den Vogel- 
flug anzulehnen. 


Wir müssen daher den Schlufs ziehen, dafs die ge- 
naue Nachahmung des Vogelfluges in Bezug auf die 
aerodynamischen Vorgänge einzig und allein für einen 
rationellen Flug des Menschen verwendet werden kann, 
weil dieses höchst wahrscheinlich die einzige Methode 
ist, welche ein freies, schnelles und zugleich wenig Kraft 
erforderndes Fliegen gestattet. Vielleicht tragen die hier 
zum Ausdruck gelangten Gesichtspunkte dazu bei, die Flugfrage 
auf eine andere Bahn und in ein festes Geleise zu bringen, 
so dals die weitere Forschung ein Fundament gewinnt, auf 
dem ein wirkliches System sich aufbauen lälst, durch welches 
die Erreichung des erstrebten Endzieles möglich ist. 

Der Grundgedanke des freien Fliegens, um den wir uns 
gar nicht mehr streiten, ist doch einfach der, dals 

„der Vogel fliegt, weil er mit geeignet ge- 
formten Flügeln in geeigneter Weise die ihn 
umgebende Luft bearbeitet“. 


el — 


Wie diese geeigneten Flügel beschaffen sein müssen, und 
wie solche Flügel zu bewegen sind, das sind die beiden grofsen 
Fragen der Flugtechnik. 


Indem wir beobachten, wie die Natur diese Fragen gelöst 
hat, und indem wir die ebene Flugfläche für den Flug gröfserer 
Wesen als ungeeignet verwerfen, fühlen wir jenen Alp nach 
und nach verschwinden, der uns vor der Beschaffung der 
zum Fliegen erforderlichen motorischen Kraft zurückschrecken 
machte. Wir werden gewahr, wie durch den gewölbten Natur- 
flügel die Flugfrage sich ablöst von der reinen Kraftfrage 
und mehr in eine Frage der Geschicklichkeit sich verwandelt. 


In der Kraftfrage können Zahlen Halt gebieten, doch die 
Geschicklichkeit ist unbegrenzt. Mit der Kraft stehen wir 
bald einmal vor ewigen Unmöglichkeiten, mit der Geschick- 
lichkeit aber nur vor zeitlichen Schwierigkeiten. 


Schauen wir auf zu der Möwe, welche drei Armlängen 
über unserem Haupte fast regungslos im Winde schwebt! 
Die eben untergehende Sonne wirft den Schlagschatten der 
Kante ihres Flügels auf die schwach gewölbte, sonst hellgraue, 
jetzt rot vergoldete Unterfläche ihrer Schwingen. Die leichten 
Flügeldrehungen erkennen wir an dem Schmaler- und Breiter- 
werden dieses Schattens, der uns aber auch gleichzeitig eine 
Vorstellung giebt von der Wölbung, die der Flügel hat, wenn 
die Möwe mit ihm auf der Luft ruht. 


Dies ist der körperliche Flügel, den Goethe vermilste, 
als er den Faust seufzen liefs: 


„Ach, zu des Geistes Flügeln wird so leicht 
Kein körperlicher Flügel sich gesellen!“ 


Ja, nicht so leicht wird es sein, diesen Naturflügel nun 
auch mit allen seinen kraftsparenden Eigenschaften für den 
Menschen brauchbar auszuführen, und wohl noch weniger 
leicht mag es sein, den Wind, diesen unstäten Gesellen, der 
so gern die Früchte unseres Fleilses zerstört, mit körperlichen 
Flügeln, die uns nicht angeboren sind, zu meistern. Aber 


— 1857 — 


dennoch für möglich müssen wir es halten, dafs uns die 
Forschung und die Erfahrung, die sich an Erfahrung reiht, 
jenem grolsen Augenblick näher bringt, wo der erste frei 
fliegende Mensch, und sei es nur für wenige Sekunden, sich 
mit Hülfe von Flügeln von der Erde erhebt und jenen ge- 
schichtlichen Zeitpunkt herbeiführt, den wir bezeichnen müssen 
als den Anfang einer neuen Kulturepoche. 


Druck von Leonhard Simion, Berlin SW. 


Tafel I. 


My / „2 7 % 50° 


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= Widerstand dernormal getroffenen Fläche 


nach der Formel L-0,13-F v2. 90° 


Luftwiderstand ebener, geneigter Flächen. 


KHgl.Hofstandr. Ad. Engel, Berlin, SZ 


Lilienthal, Fliegekunst. 


Fig.2 


Äraftersparnıs 
durch Vorwärtsfliegen 
mut ebenen 
Fligeln. 


Widerstand dernormal getroffenen Fläche 
nach der Formel L- 0,18-F' v2. 


Luftwiderstand ebener, geneigter Flächen. 


90% 
A - Arbeit ohne Vorwärtsfliegen. 


R.Oärtner's Verlag, H.Bepfelder, Berlin. Kgl.Hofsteindr. Ad. Engel, Berlin, 5 


20° 
207 
/ 
/ 0° 
/ 
/ f 
/ / 39° 
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Eu 
150 
80° 
802 
DAO 


90° 


Widerstand der normal getroffenen Flache 
nach der Formel L - 0,13-F.v?, 


Zuftwiderstand gewolbter Flachew 
in ruhender Luft rotierend gemessen. 


Kgl Hofsteindr Ad. Engel,BerlinS.W. 


AR 
IN" 


Lüienthal,Fliegekunst. 


Fig.2. 


30% 
Bo] 
Äraftersnarnıs 20° 
durch Vorwärtsfliegen 
mit gewolbten 


Flügeln 


75° 


re 


Widerstand der normal getroffenen Flache 
nach der Formel L - 0,13-F.v*, 


Zuftwiderstand gewolbter Flächen 
ın ruhender Luft rotierend gemessen. 


Wöolbung 
gleich V40der Breite. 
90° 
A : Arbeit ohne Vorwärtsfliegen.: 


R.Gärtner's Verlag, H.Heyfelder Berlin. 1 Ägt Hofsteindr Ad. Engel,BerlinS.W. 


nach der Formel L-OBFV*. 


Luftwiderstand gewolbter Flachen 
in rulender Luft rotierend gemessen. 


Agl.Hofsteindr. Ad.Engel, Berlin,5W 


Tilienthal, Fliegekunst. 


Äraftersparnis  % 
durch Vorwärtsfliegen 
mit gewolbten 


Flügeln. 


Her. 


Widerstand der normal getroffenen Fläche 
nach der Formel L-OBFv*. 


Wolb a 
gleich z a Be Luftwiderstand gewolbter Flachen 
v un ruhender Luft Totverend gemessen. 
90° 
AJ= Arbeit olne lorwärtsfliegen. 


Rlukriners Verlag. H-Heyfelder, Berlin. Agl.Hofsteindr. Ad ‚Engel, Berlin sW 


Tafel I. 


20° 
257 
x d 
/ 30° 3 
/ / fig. T. 
/ 2 33° 
/ / 7a 
f £ / 
Hi / 0% 40° 
/ EH 7 
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7 / 74 5p° 
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7a DZ SN ei 
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4 = Br 
r E70 
15° 
j 80° 
808 
\ 851 
Widerstand der normal getroffenen Fläche. 
nach der Formel L-013.FV* 30° \ 


Luftwiderstand gewölbter Flächen 
in ruhender Luft, rotierend gemessen. 


Kg Kofsteinär. Ad Engel. Berins.W. 


N 
S 


1 
Rr 
Ar GEHN . 


Kraftersnarnis 
durch Vorwartsfliegen 
mit gewolbten 


Flügeln 


| = — 
2. Cärtners Verlag,HHepfelder, Berlin, 


9° 


Wölbung 
‚gleich ?12. der Dreite. 


9D° 
A- Arbeit ohne Vorwärtsfliegen. 


Tafel I. 


Widerstand der normal getroffenen Fläche. 
nach der FormelL-013PV 


Luftwiderstand gewölbter Flächen 
in ruhender Luft, rotierend gemessen. 


Hgl Hofsteindr. Ad. Engel. BerknS.W. 


nn 115° Tafel V. 


l >> 20° 


wach der Formel L- 0,18.FV. 909 
iwankungen des Windes in der Höhenrichtung während 1. Minute. 


a ee Eee 7 444 0° 
en = — EEE ET ORT EEE N LEN 
a a TE a a Be u Eu Eu EEE EEE [BREI | WR [an a um 5 ah JR E ai Ta Pan een] 
Vvazın Kerle ne] ER RE Ve A a NE Pe Pe 
ZEIERE ee ee et je mittlere 
TE a A 7 a Ed een ei Be Fe Eee En A Fe nn U A ee SEE STERN 
JeErEEr VveerrGS,JER Senne Amen NIE Eee ARE Tee Richtung. 
Dar Bo | Ba ne ea ame [EN EZ Ds a —— 
Fon. rat Ben een — A; izorıtale. 
Feraue ers ssssre ee OFL 


1 
TE ag 
es) Su sssenseescses -5° 
45 30 BJ 60Secunderv 


Kgt. Hofsteindr. v. Ad. Engel, Berlin,5W 


Luftwiderstand 
gewolbter Flächen 


zm Winde ‚genesseiv. 


Wolbun gq 
gleich 42 der Breite 


Widerstand der normal getroffenen Fläche 
wach der Formel L- 08.FV2. 


Schwankungen des Windes in d der Höhenrichtung während 1. Minute. 


m Eee sa BE BR a a a a a [mn [sus joun [sa Br a [ever Tamm [ae Enes en) Un, 
f — ns ae va | gerseee nejozelara 00 e|n Anm en men) 
a Besen [| BEISBRREEN.- fee Nee een) vagEsrı 
So Fass EEE SEEN FE A ee 
et h / N = \ 
es == Fer er Sessel BuSSSZESSSZESZEess 3 ee 


Fig 


en a a a Fe a va -5° 
17] [77 50 E77 60Secunderv 


ee Beeren - 
3 


R.Gärtner’s Verlag. H.Hepfelder, Berlin. Kl. Hofsteindr. v: Ad, Engel, Be W 


Nrderstand der normal_getroffenen Fläche 
wach der Formel L- 0,18 P.vV: 90° 


Luftwiderstand gewölbter Flächen 
nach den Messungen im Winde, 
aber ohne den verstärkten Auftrieb des Windes. 


Kyl.Hofsteindr. v Ad. Engel, Berlin,5W. 


29, ilienthal, Fliegekunst a 


20T 


Fig. 


Kraftersparnis 
durch Vorwartsfliegen 
bei Windstille 
mit gewölbten Flügeln 
nach den Messungen 
ım Winde. 


Widerstand der normal getroffenen Flache 
nach der Formel L- 0,18 F.V: 


Walbun Luftwiderstand gewölbter Flächen 
gleich 2 der Breite nach den Messungen im Winde, 
| aber ohne den verstärkten Auftrieb des Windes. 


90? 
A- Arbeit ohne Vorwärtsfliegen 


m 


ee 


u er ee en Te no nen 


Tafel DIL 


F 


iderstand normal getroffener Flachen! 


uU 


A: T810-T: PWAOT 439 Y9DUu 


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Egl.Hofsteindr. Ad.Engel, Berlin.S.W 


Lilienthal, Fliegekunst. | un | BEE | Jafel WM. 


Luftwiderstand geneigter Flächen, verglichen. mit dem Luftwiderstand normal getroffener Flachen: 


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Zufiwiderstand L 


nach der Formel :L-018-F"V *. 


der normal 


33° 50° 40° 


Neigungen der Flächen. 


R Gärtner’ Verlag H-Hepfelder, Berlin. Kgl.Hofsteindr. Ad.Engel, Berlin 5W. 


Fig.1 Tafel IM. 


046 Im. C-0.046 Im. 


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Maßstab 6 natürlicher Größe. 


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Kgl.Hofsteindr. Ad_Engel. Berliw.5W. 


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Tafel TIL. 


A- 0,061 2m. 


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Fig.2. 
Majsstab 1:20 


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Flügel eines 4 kg schweren Storches. 
ea Maßstab V6 natürlicher Größe. 


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beim Niederschlag. beim Aufschlag. 


A Gäriner’s Verlag. H-Hepfelder, Berlin. Kal. Hofsteindr. Ad. Engel. Berlin.SW. 


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